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Peter Bertau
Die Bedeutung
historischer
Vogelnamen –
Singvögel
Band 2
Peter Bertau
Offenburg
Deutschland
Springer Spektrum
© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014
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Für meine Frau
Zu den Werken Die Bedeutung
historischer Vogelnamen
Fast jedes bis ins frühe 20. Jahrhundert erschienene Buch über Vögel enthält
neben den damals üblichen wissenschaftlichen viele volkstümliche, sogenann-
te Trivialnamen. Der Autor Peter Bertau, ehemaliger Biologielehrer mit den
Schwerpunkten Evolutionsbiologie und Ornithologie, hat vier Wissenschaft-
ler ausgewählt und die in deren wissenschaftlichen Werken veröffentlichten
Trivialnamen gedeutet:
• L
orenz Oken (1779–1851) lehrte von 1807–1819 in Jena und ab 1833
in Zürich. Er war Verfasser der Isis und hat die letzte umfassende Natur-
geschichte über die unbelebte und belebte Welt geschrieben.
• Auch Friedrich Siegmund Voigt (1871–1850) lehrte nach der Zeit der
universitätszerstörenden napoleonischen Kriege in Jena, hatte aber andere
Schwerpunkte als Oken.
• Johann Friedrich Naumann (1780–1857) aus dem Anhaltinischen Zie-
bigk gilt heute als Vater deutschen Ornithologie. Er verfasste unter meist
schwersten Bedingungen von 1822–1844 sein zwölfbändiges Werk Natur-
geschichte der Vögel Deutschlands.
• Alfred Edmund Brehm (1829–1884) hat als erster ein umfassendes Werk
nur über Tiere veröffentlicht.
Der in diesen Bänden durchweg einfach gehaltene Schreibstil soll nicht nur
Spezialisten, sondern auch Laien, die sich für Vogelkunde interessieren, zum
blätternden Lesen ermuntern.
Der Autor führt in dem Online-Lexikon So hießen unsere Vögel früher. Ein
ungewöhnliches Lexikon historischer Vogelnamen (www.springer.com/978-3-
642-41732-0) neben den circa 9000 historischen Vogelnamen der beiden
Bände über Die Bedeutung historischer Vogelnamen weitere Trivialnamen von
Wissenschaftlern des 17. bis Anfang des 20. Jahrhunderts zusammen. Das
Ungewöhnliche Lexikon enthält über 25.000 verschiedene Trivialnamen.
Einleitung
Der Titel des Buches dürfte außer fragendem Interesse keine Einwände auslö-
sen, vielleicht aber der Untertitel: Warum Sperlingsvögel? Warum nicht Sing-
vögel?
Die Singvögel werden den Sperlingsvögeln zugeordnet. Diese Sperlingsvö-
gel bilden die Ordnung der Passeriformes. Die Singvögel selber bilden als
Unterordnung der Passeri zusammen mit der Unterordnung der Schreivögel
( Tyranni) eine noch nicht benannte Gruppe, die zusammen mit der Unter-
ordnung der neuseeländischen Maorischlüpfer ( Acanthisitti) zur Ordnung der
Sperlingsvögel (Passeriformes) zusammengefasst werden.1 Dementsprechend
trägt der 2. Band von Die Bedeutung historischer Vogelnamen den Untertitel
Sperlingsvögel – Passeriformes.
Was für eine Vogelgruppe sind die Singvögel eigentlich, wenn man ihnen
einen ganzen Bücherband widmet? Heben sie sich irgendwie ab von anderen
Vogelgruppen? Fast jede Vogelgruppe, die man hier Ordnung nennt, ist so
typisch, dass sie sich von anderen Ordnungen deutlich unterscheidet. Dazu
gehört auch die sehr artenreiche Ordnung der Singvögel, zu der etwa 60% der
Vogelarten weltweit gehören. Der Artenreichtum steigt auf unserer Erdhalb-
kugel von Nord nach Süd, verringert sich aber wieder in Richtung Tropen!
Einige typische Kennzeichen der Singvögel seien hier aufgeführt. Es gibt sie,
trotz der großen Unterschiede, die man bei den Singvogelfamilien findet.
Alle Singvögel sind Landbewohner, trotz einiger Spezialisten, die ihre Nah-
rung aus dem Wasser holen, wie Eisvogel oder Wasseramsel.
Zwischen einigen Singvogelfamilien findet man oft große Unterschiede. Bei-
spielsweise liegt das Körpergewicht bei den kleinsten heimischen Singvögeln,
den Wintergoldhähnchen, bei 9 g, während Kolkraben bis zu 1.500 g wiegen.
Singvögel haben einen typischen Klammerfuß. Wegen eines besonderen Ver-
laufes der Beinsehnen ziehen sich die Zehen, von denen drei nach vorne, einer
1
WIKIPEDIA 2014, verschiedene Seiten
X Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
nach hinten gerichtet sind, umklammernd zusammen, wenn sich der Vogel
auf einem Zweig oder Halm niederlässt. Das erklärt auch, weshalb Singvögel
im Schlaf nicht herabfallen.
Viele Singvogelmännchen haben ein besonderes Pracht- und Schlichtkleid.
Männchen anderer Arten, wie Fitis oder Zilpzalp sind auch in der Brutzeit
unscheinbar gefärbt. Bevor (oft) beide Geschlechter in einem mehr oder we-
niger kunstvoll gebauten Nest ihre Nesthocker-Jungen großziehen, werben
die Männchen um die Weibchen – sie balzen. Ein wichtiger Teil des Balzver-
haltens hat den Singvögeln ihren Namen gegeben. Der Gesang, der auf einem
besonders gut ausgebildeten Stimmapparat beruht, kann sehr kunstvoll sein,
wie bei der Nachtigall oder einigen Grasmücken. Er kann aber auch so sein,
dass man Mühe hat, etwa das Gekrächze von Krähen oder Elstern als Gesang
zu bezeichnen. Bei vielen Arten steigt die Schönheit des Gesanges mit der
Schlichtheit des Prachtkleides – und umgekehrt.
Der Gesang, der oft von einer erhöhten Warte stattfindet, dient also zum
Werben um die Weibchen. Diese fühlen sich durch besonders schöne Gesän-
ge, die sie allerdings selbst beurteilen, besonders angezogen. Vor der Balz gilt
es, ein Revier zu kennzeichnen, zu verteidigen oder neu zu erwerben. Dabei
kommt es zu intensiven Gesangsduellen mit dem Konkurrenten, die schon
im sehr zeitigen Frühjahr beginnen können. Sind die Sänger nicht erfolgreich,
kann es zu drohendem Imponierverhalten kommen, bei dem die Ausbildung
der Gefiederfarbe eine große Rolle spielt. So drohen Rotkehlchen mit ihrer
roten Brustfärbung umso erfolgreicher, je stärker die Färbung ausgebildet ist.
Nützt auch das nicht, kommt es zu Kämpfen, die schnell zu Beschädigungs-
kämpfen werden können.
Hat das Männchen erfolgreich um ein Weibchen geworben, werden die Ge-
sänge nicht beendet. Viele von uns vermuten, dass der Vogel aus Freude singt.
Das aber ist sehr anstrengend. Der Vogel würde es nicht tun, wenn er nicht
müsste. Ob er Nesträuber ablenken will, wäre zu diskutieren. Viel wichtiger
für das Männchen ist, das brütende Weibchen auf dem Nest zu halten. Das
Weibchen hat, wenn es allein brütet, eine sehr schwere und entbehrungsrei-
che Zeit bis zum Schlüpfen der Jungen zu überstehen. Schon das Verlassen
des Nestes zum Fressen oder Trinken, kann zum jagenden Kampfsingen des
Männchens führen, wie bei eigenen Beobachtungen bei Erlenzeisigen festge-
stellt werden konnte. Sind nach der letzten Brut die Jungen flügge geworden,
hört das Singen überall ziemlich schlagartig auf. Diesen Effekt kennen viele
von uns aus der Zeit Ende Juni/Anfang Juli.
Das Verhalten der Jungen als Nestlinge ist ebenfalls sehr singvogeltypisch.
Der vorne spitz zulaufende Schnabel wird zum Betteln besonders weit auf-
Einleitung XI
gerissen, wenn die Jungen Erschütterungen durch zum Füttern landende Alt-
vögel bemerken. Die gelbumrandeten Schnäbel und die knallrote Kehle der
Jungvögel, sowie (untergeordnet) deren Bettelrufe lösen bei den Eltern das
Fütterverhalten aus, und zwar wird dorthin am meisten gefüttert, wo vor al-
lem der optische Reiz am stärksten ist. Schwache Nestlinge können so durch-
aus verhungern, wenn Eltern nur begrenzt Futter heranbringen können. Der
Füttertrieb der Eltern wird von einem Kuckucksjungen besonders stark aus-
gelöst.
Noch eine Eigenart so gut wie aller Singvögel ist ihr Kratzen am Kopf. Die
Vögel kratzen sich „hintenherum, indem sie den Fuß am leicht gesenkten
Flügel außen vorbeiführen.“2
Auch in diesem Band 2 wird versucht, die Bedeutung historischer Vogelna-
men zu klären. Wieso aber historisch? Eine aufkommende Neugier könnte zu
einem ersten Durchblättern führen. Diese beiden Bände, so wird man dann
feststellen, kann man zwar als ornithologisches Werk bezeichnen, es fällt aber
schwer, sie irgendwo einzuordnen. Ein Bestimmungsbuch ist es nicht. Ein
Spezialbuch, das für Laien nicht immer zu verstehen ist, auch nicht. Man
wird nämlich schnell entdecken, dass der Inhalt gut verständlich ist, dass
Fremdwörter zwar vorkommen, die aber nicht stören. Ja, das Buch ist für alle
ganz interessant.
Was „historisch“ im Buchtitel bedeutet, wird klar, wenn man Vogelnamen im
Buch sieht. Man könnte sie auch volkstümlich nennen oder einfach alt. Ganz
fremd erscheinen sie jedenfalls nicht. Tatsächlich sind viele Namen alt, „volks-
tümlich“ ist aber nur zum Teil richtig. Viele auch alt erscheinende Bezeich-
nungen sind nämlich Kunstnamen, die irgendwann einmal aus verschiedenen
Gründen für Vögel entwickelt wurden.
Das Buch enthält Vogelnamen, die die Autoren gesammelt bzw. von anderen
übernommen haben. Manche scheinen selbstkonstruiert zu sein, wie beim
jungen OKEN, der sich an dem Bemühen im beginnenden 19. Jahrhundert
beteiligte, Pflanzen und Tieren einen allgemein akzeptierten deutschen Na-
men zu geben. OKEN ist das für einige Begriffe gelungen. „Lurche“, „Kerfe“,
„Echse“, „Vieh“ (für Wiederkäuer), „Nesthocker“ und „Nestflüchter“ stam-
men von OKEN, auf den keine Vogelnamen zurückgehen, wohl aber J. F.
NAUMANN wenige und A. BREHM etliche Jahre später.
Heute haben „historische“ Vogelnamen nur noch in Ausnahmefällen in unse-
rer Sprache Platz. Schon in den 1930er-Jahren setzten sich Vereinfachungen
2
GLUTZ VON BOLTZHEIM / BAUER 1985, 10 / 33f.
XII Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
3
DATHE Orn. Mitt. 6/ 64, 27 - 29
Einleitung XIII
4
http://de.wikipedia.org/wiki/17._Jahrhundert, Stand 12. 10. 13
5
STRESEMANN, Geschichte der deutschen Vogelkunde, J. f. Ornith. 1925, 4/ 594
6
STRESEMANN 1925, HEFT 4, 594
7
STRESEMANN 1962, Journ. f. Ornith. 103, 250
XIV Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
8
GEBHARD 2006, 397
9
http://de.wikipedia.org/wiki/Jacob_Theodor_Klein u.a.m.,Stand 10.11.2012
10
GEBHARDT, 2006, 183
11
SCHALOW, Beitr. zur Vogelfauna d. Mark Brandenburg, 1919, 517
Einleitung XV
Erst am Ende des 18. Jahrhunderts kam auch in die deutsche ornithologi-
sche Forschung Bewegung. Der stärkste Impulsgeber war Johann Matthäus
BECHSTEIN (1757–1822). Er begann 1785 als Lehrer für Naturwissen-
schaften und Mathematik in Schnepfenthal/Thüringen und wurde 1800 als
Direktor der späteren Herzöglichen Forstakademie nach Dreißigacker bei
Meiningen berufen. BECHSTEIN veröffentlichte eine Fülle von Schriften,
die ihm den Ruf „Vater der deutschen Vogelkunde“ einbrachten. Sein ers-
tes Werk, das 1789 erschien, war die Gemeinnützige Naturgeschichte Deutsch-
lands nach allen drey Reichen. Ein Handbuch zur deutlichern und vollständigern
Selbstbelehrung besonders für Forstmänner, Jugendlehrer und Oekonomen. Die
Bände 2–4 behandelten Vögel. Eine Zweyte vermehrte und verbesserte Auflage
erschien ab 1801, die 3 Vogelbände 1805, 1807, 1809.
BECHSTEIN war Erstbeschreiber einer ganzen Reihe von Vogelarten. Ihre
wissenschaftlichen Namen gelten heute noch. Dazu gehören Sprosser, Sumpf-
rohrsänger, Sperbergrasmücke oder Zwergschnäpper (versch. Qu.).
Zu BECHSTEINS Zeiten nahm die Zahl der Trivialnamen stark zu. Die Nei-
gung, Kunstnamen zu konstruieren, die nicht nur von Bechstein kam, wur-
de von weiteren Ornithologen übernommen. Stellvertretend seien Bernhard
MEYER (1767–1836), Johann WOLF (1765–1824) und Johann Friedrich
NAUMANN (1780–1857) genannt.
Ein anderer aufstrebender Forscher, der leider viel zu früh gestorben ist, war
Johann Karl Wilhelm ILLIGER (1775–1813), der nach entomologischen
Arbeiten auch verstärkt an der ornithologischen Systematik und Nomenkla-
tur zu arbeiten begonnen hatte.
Die meisten ornithologischen Veröffentlichungen waren ein- oder mehrbän-
dige Werke. Sie alle wurden übertroffen von den Leistungen von Georges-
Louis Marie Leclerc, Comte de BUFFON (1707–1788). Alleine das Vogel-
werk des großen französischen Naturforschers besteht nach der Übersetzung
ins Deutsche aus 35 Bänden. Die Übersetzungen, die zwischen 1772 und
1809 erschienen, erfuhren Ergänzungen oder hatten Nachträge von Friedrich
Heinrich Wilhelm MARTINI (1729–1778) und nach dessen Tod vom Medi-
zinprofessors Bernhard Christian OTTO (1745–1835) aus Frankfurt (Oder).
BUFFONS Bücher erwiesen sich als eine einzigartige, enorm wichtige Infor-
mationsquelle für die Ornithologen ab dem 19. Jahrhundert.
Ein noch gewaltigeres Werk verfasste J. F. NAUMANN, der ab 1820 ein
zwölfbändiges Werk über die Naturgeschichte der Vögel Deutschlands heraus-
gab, das – obwohl es sehr selten war – zum Standardwerk der ornithologi-
XVI Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
dessen Lehrbuch der Zoologie, Band 2: Vögel 1835 erschien. Aus der 2. Hälfte
des 19. Jahrhunderts stammen die erste (1864–1869) und die zweite Auflage
(1876–1879) des Illustrierten Tierlebens (später Brehms Tierleben) von Alfred
Edmund BREHM (1829–1884), dem vierten Wissenschaftler.
Die Werke von BECHSTEIN hatte ich vor allem deshalb nicht berücksich-
tigt, weil die Zahl der dort aufgeführten Trivialnamen den Rahmen dieses
Werkes mit über 3000 zusätzlichen Begriffen gesprengt hätte.
Für die Bearbeitung der volkstümlichen deutschen Namen stand mir, wie aus
dem Literaturverzeichnis ersichtlich, eine umfangreiche alte Fachliteratur zur
Verfügung, bei der die Werke von NAUMANN, BUFFON/MARTINI bzw.
BUFFON/OTTO sowie BECHSTEIN eine besonders wichtige Rolle spiel-
ten. Ich versuchte, wo es ging, meine Aussagen mit authentischen Zitaten zu
belegen. Eigene Deutungsversuche unterließ ich tunlichst, da der „gesunde
Menschenverstand“ häufig nicht zum Ziel führte. Ich habe Zitate auch des-
halb gerne verwendet, weil viele alte Texte von den ausdrucksstarken und
wortgewandten Fähigkeiten damaliger Autoren zeugen.
Im Folgenden werden die vier Wissenschaftler L. OKEN, J. F. NAUMANN,
F. S. VOIGT und A. E. BREHM kurz vorgestellt.
LORENZ OKEN. Der letzte Naturwissenschaftler, der in einem Werk um-
fassende Beschreibungen der belebten und unbelebten Natur in deutscher
Sprache herausgebracht hat, war der auch als Naturphilosoph bekannte Lo-
renz OKEN (1779–1851). Als letzter bedeutender Naturforscher deutscher
Sprache hat er ab 1833 die „drei Naturreiche“, nämlich das unbelebte, das
Pflanzen- und das Tierreich in einer Naturgeschichte erfasst. Im Jahr 1812
erschien von seinem ersten Werk, dem dreibändigen, aber fünfteiligen Lehr-
buch der Naturgeschichte der 1. Band, die Mineralogie, gefolgt 1816 von den
2 Teilen des Lehrbuches der Zoologie. Die beiden Teile des 3. Bandes, der Na-
turgeschichte der Pflanzen, erschienen erst sehr viel später, 1825 und 1826.
Das hatte, zumindest bis 1819, mit OKENS Doppelbelastung durch die
Professur in Jena und dem Start seiner Zeitschrift Isis 1817 zu tun. Die Isis
und sein gestörtes Verhältnis zum übermächtigen GOETHE führten 1819 zu
OKENS Dienstentlassung. Danach war er ab Mitte 1819 Privatgelehrter. Aus
Forschungsgründen, aber auch um eine neue Anstellung zu finden, war er viel
auf Reisen, bis OKEN sich ab 1822/23 wieder vorwiegend in Jena aufhielt.
1832, er war Professor in München, erhielt OKEN einen Ruf als Gründungs-
direktor an die Universität Zürich, wo er zwischen 1833 und 1842 sein zwei-
tes großes Werk über die Natur, die Allgemeine Naturgeschichte für alle Stände
XVIII Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
schrieb, 7 Bände in 13 Teilen mit Register. 1843 schloss sich daran ein um-
fassender Bildband mit 164 Tafeln an.
In diesem Tafelband hatte OKEN den 8 Tafeln über Nester und Eier der Vögel
einen dazugehörigen ausführlichen Textteil beigelegt, der u. a. eine Übersicht
über vor allem europäische Vögel enthält. Die Vögel sind dort in 4 Ordnun-
gen eingeteilt. Viele von ihnen haben deutsche Namen, die OKEN in seinen
früheren Werken nicht verwendet hatte. Der die Vögel behandelnde Band der
Allgemeinen Naturgeschichte war 1837 erschienen.
JOHANN FRIEDRICH NAUMANN (1780–1857) wuchs auf einem
Bauerngut in Ziebigk bei Köthen/Anhalt auf und blieb dort sein ganzes
Leben. Dieses Leben wurde von klein auf geprägt durch den Vater Johann
Andreas NAUMANN (1744–1826), der ein begeisterter Vogelkundler war.
Seine aufsehenerregenden Veröffentlichungen beruhten meist auf eigenen Be-
obachtungen, eigener Vogelstellerei und eigener Jagd. Die produktive Lei-
denschaft des Vaters übertrug sich auf die Söhne Johann Friedrich und Carl
Andreas (1786–1854). Die Brüder arbeiteten zeitlebens eng zusammen, der
eine als Bauer und Besitzer des väterlichen Hofes, der andere als Förster.
Seine „Wunderkind“-Fähigkeiten, er konnte schon mit 9 Jahren nach der Na-
tur zeichnen, führten dazu, dass Johann Friedrich die Bilder und Kupfersti-
che zur Naturgeschichte der Land- und Wasservögel des nördlichen Deutschlands
und angränzender Länder seines Vaters liefern und deshalb das Gymnasium in
Dessau schon mit 15 Jahren verlassen musste. Viele Jahre war der Sohn mit
Ergänzungen zu diesem Werk seines Vaters beschäftigt, für die er alle Bilder
selber malte und auch das Kupferstechen erlernt hatte. Schließlich entschloss
er sich, ein eigenes Werk herauszugeben, über dessen Umfang er sich anfangs
nicht bewusst war. Der erste Band der Naturgeschichte der Vögel Deutschlands
erschien 1820, der 12. und letzte 1844. Dazwischen lagen Jahre der Armut
und voller Arbeit, vor allem in der Landwirtschaft, die gerade so viel Ertrag
brachte, dass die große Familie überleben konnte. Arbeitsmaterial und Gerät-
schaften lernte J. F. NAUMANN selber herzustellen, weil Geld zur Anschaf-
fung fehlte. Wenn irgend Zeit war, widmete er sich der Vogelbeobachtung,
dem Vogelfang und der Vogelbeschreibung. Die ersten Bände der Naturge-
schichte brachten zwar keinen Verdienst, dafür erregte er in der Fachwelt über
die Grenzen Deutschlands beträchtliches Aufsehen. NAUMANN wurde be-
kannt, anerkannt und immer stärker verehrt. Spät, aber hochverdient war
die Verleihung der Ehrendoktorwürde im Jahr 1839. Zwei Jahre zuvor hatte
NAUMANN den Titel „Anhalt Köthener Professor der Naturgeschichte“ von
der Herzoglichen Regierung erhalten.
Einleitung XIX
NAUMANNS Werk war für seine Zeit einmalig. Da er lange Zeit keine Mittel
für Fachliteratur hatte, basierten seine Vogelbeschreibungen, so weit es irgend
ging, auf eigenen Beobachtungen. Alfred Edmund BREHM hat später vieles
aus NAUMANNS Werk für sein Illustriertes Tierleben verarbeitet. Etliche uns
geläufige Vogelnamen, wie „Waldohreule“, „Waldkauz“, „Dorngrasmücke“,
„Schellente“, „Sand-“, „Fluss-“ und „Seeregenpfeifer“, „Brand-“, „Fluss-“ und
„Küstenseeschwalbe“ (jeweils noch als „-meer-“, nicht als „-see“schwalbe) und
viele andere stammen von NAUMANN.
NAUMANN hielt sich bei der Abhandlung eines Vogels an ein Schema, das
er vom ersten bis zum letzten Band durchhielt: 1. Kennzeichen der Art und
Beschreibung (die sehr ausführlich war); 2. Aufenthalt (worunter er Verbrei-
tung und Vogelzug verstand. Hierfür benötigte er Berichte anderer Autoren,
die er gewissenhaft einarbeitete); 3. Eigenschaften (worunter wir heute das
Verhalten verstehen); 4. Nahrung; 5. Fortpflanzung; 6. Feinde; 7. Jagd; 8.
Nutzen; 9. Schaden.
1845 wurde in Köthen ein ornithologischer Verein gegründet, der unter
NAUMANNS Vorsitz die Annahme der Satzung der von OKEN gegründe-
ten „Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte“ beschloss. 1850 ging
aus dem Verein die „Deutsche Ornithologische Gesellschaft“ hervor. Diese
ging 1875 in der „Allgemeinen Deutschen Ornithologischen Gesellschaft“
auf.12
FRIEDRICH SIEGMUND VOIGT (1781–1850) war nur 2 Jahre jün-
ger als Lorenz OKEN. Seit 1803 war er Dozent in Jena. Er wurde nach der
Schlacht bei Jena und Auerstedt 1806 auf Betreiben GOETHES Nachfolger
des nach Heidelberg „geflüchteten“ F. J. SCHELVER und auch (bis 1819)
Direktor des Herzoglichen Botanischen Gartens. Der 1807 zum außerordent-
lichen Professor ernannte F. S. VOIGT hielt schon seit 1805 botanische Vor-
lesungen.
OKEN erhielt 1807 seinen Ruf an die Universität Jena, wo er und VOIGT
bald zu möglicherweise so erbitterten Konkurrenten wurden, dass sich
OKEN 1809 die Bemerkung erlauben konnte, dass die allgemeine Stimmung
gegen VOIGT wäre, „er sei ein Schwachkopf und alles belache ihn.“13 Als
OKEN 1811 VOIGT, der dem großen Fürstengarten vorstand, um dessen
Benutzung zu Vorlesungszwecken bat, wurde ihm das ausdrücklich untersagt.
12
THOMSEN UND STRESEMANN 1957
13
JAHN 1963, 159
XX Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
14
JAHN 1963, 170
15
INTERNET-Quelle nicht reproduzierbar
Einleitung XXI
Forschungsreisender, bezog sich aber durchaus auch auf OKEN. Ein Beispiel:
Bei der Wiedergabe altklassischer Stellen wäre er (BREHM) mit seinen Nach-
forschungen nicht immer an die Quellen gegangen. „Ich hatte Wichtigeres zu
thun, als in altem Wust zu wühlen: Wenn also hinsichtlich solcher Angaben
Fehler bemerkt werden, mag OKEN sie verantworten.“16 Wegen der enormen
Zunahme des Wissens über die Lebewesen war es inzwischen praktisch un-
möglich geworden, eine umfassende Naturgeschichte (über Mineralogie, Bo-
tanik, Zoologie) zu schreiben, wie es OKEN wenige Jahrzehnte vorher noch
getan hatte.
Die Beschränkung auf Tiere, wie es der ausgeprägte Tierkundler BREHM
getan hat, war daher folgerichtig und führte dazu, dass das Leben der Tiere li-
teraturfähig wurde. Ein breites Publikum war so begeistert, dass schon 1876–
1879 eine auf 10 Bände erweiterte und aktualisierte 2. Auflage erschien, der
schon 1890–1893 die dritte Auflage folgte. Die Vogelbände der 2. Auflage
(4–6), die 1878–1879 erschienen waren, hatte BREHM, der 1884 starb,
noch selber bearbeitet. Sie enthalten zahlreiche Trivialnamen, die BREHM
teilweise von OKEN, überwiegend aber von Johann Fiedrich NAUMANN
(1780–1857) und Johann Matthäus BECHSTEIN (1757–1822) übernom-
men hatte. Eine ganze Reihe dieser Namen waren ursprünglich längere Kunst-
namen, die BREHM bearbeitet und verkürzt hatte.
Im Vorwort zur 2. Auflage schrieb BREHM: „Nach wie vor soll das ‚Thierle-
ben‘ bestimmt sein, in gebildeten Familien sich einzubürgern und zu einem
Hausschatze im besten Sinne des Wortes zu werden. Für streng wissenschaft-
liche Kreise ist es nicht geschrieben, für unreife Kinder ebensowenig.“17
Der junge Alfred BREHM hatte in Altenburg das Maurerhandwerk erlernt
und dort die Kunst- und Handwerkerschule absolviert, bevor er in Dresden
ein Architekturstudium begann. Das brach er aber ab, als der damals bekannte
Ornithologe J. W. von MÜLLER ihm 1847 anbot, ihn auf eine Forschungs-
reise nach Afrika zu begleiten, die schließlich 5 Jahre dauerte. 1855 schloss
BREHM nach nur 2 Jahren ein Studium der Naturwissenschaften in Jena
mit der Promotion ab. Es folgten weitere Reisen, von denen Aufsätze und
Berichte aus der Tierwelt in der Bevölkerung großen Anklang fanden. Von
1863–1866 leitete BREHM den Zoologischen Garten in Hamburg und bis
1878 das Berliner Aquarium, das er 1869 gegründet hatte. Krankheiten und
private Schicksalsschläge setzten ihm so zu, dass er, der inzwischen wieder in
16
BREHM 1864, 1/ Vorwort
17
BREHM 1876, 1/ Vorwort
XXII Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
18
KLEIN/ REYGER 1760, 112
Einleitung XXIII
Uferläufer, eine „Düte“, ein „Dütvogel“ oder „Grünes Dütchen“ der Gold-
regenpfeifer. Ein „Jütvogel“ ist der Große Brachvogel, die „Dumme Düte“
ist der Mornell, eine „Dütschnepfe“ der Rotschenkel usw. Der „Wiesenknar-
rer“, der Wachtelkönig, hat sogar Geschichte geschrieben, als sein hölzern
schnarrender „crex-crex“-Ruf Ende des 20. Jahrhunderts in einer Hamburger
Elbniederung zu hören gewesen sein sollte und dadurch eine großflächige
wirtschaftliche Nutzung des Areals um Jahre verzögert wurde.
Zum erst spät aus dem Süden zurückkehrenden Pirol passen Gold-„amsel“
und „Loriot“, aber „Bieresel“? Nach NAUMANN hätten die Menschen im-
mer versucht, den Ruf des Pirols in Worte zu fassen. Die wohltönend geflö-
teten „Gidaditleo“ und „Ditleo“ wurden von einigen als „Bühlow“ gedeutet.
Andere, Feldarbeiter in der heißen Maisonne, hörten aus dem Ruf „Pfings-
ten, Bier hol’n“ und „aussaufen, mehr hol’n“. Sie „scheinen in Anerkennung
der Bedeutung dieser Wahrsprüche an dem ‚Bieresel‘ ein ganz absonderliches
Wohlgefallen zu haben“ (NAUMANN). Abgewandelt aus dem „Bieresel“ ent-
stand daraus wohl der „Berolft“ oder „Beerhold“. Auch „Bülau“ oder „Schulz
von Milo“ lassen sich aus dem Ruf des Pirols ableiten.
Die Namen vieler anderer Singvögel entstanden ebenfalls aus deren Rufen
und Stimmen. Stellvertretend seien „Wisperlin“ für den Fitis oder „Bastard-
nachtigall“ und „Spötterling“ für den Gelbspötter genannt.
Vögel spielten für die Ernährung unserer Vorfahren eine sehr große Rolle. Da-
rauf weisen aber nur wenige Namen mehr oder weniger deutlich hin. Hatte
ein Vogel viele Trivialnamen, konnte das an seiner Bekanntheit als Fleischlie-
ferant liegen. Andere Vögel waren so bekannt, dass ein Hauptname genügte,
wie Bekassine, Ortolan oder Krammetsvogel.
Begehrt waren Wachteln und Rebhühner genauso wie Auer- und Birkwild,
Enten sowie die Bekassinen und andere Schnepfenvögel. Alle wurden z. B.
mit Schrotflinten oder Blasrohren bejagt, auf Vogelherden oder in Netzen ge-
fangen. Von den Singvögeln hat man vor allem die verschiedenen Drosseln,
Stare, viele Finken, selbst die kleinen Schwalben für die Küche gefangen. Zu
besonderer Berühmtheit kamen die nach Feldknoblauch schmeckenden Leip-
ziger Lerchen, von denen pro Jahr Hunderttausende gefangen wurden. Sehr
begehrt waren auch der Ortolan, die Gold- oder die Grauammer, die man als
„Fettammern“ kannte. Heutigem Unverständnis sei entgegengehalten, dass
viele Menschen damals keine Alternativen zur Vogeljagd hatten. Die norma-
le Bevölkerung war in vielen Gegenden aus verschiedensten Ursachen und
XXIV Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
schuldlos sehr arm, oft so arm, dass viele Menschen gezwungen waren auszu-
wandern. Bekannte Beispiele gibt es genügend. Verständlich ist der damalige
Vogelfang auch aus einem anderen Grund. Bei OKEN kann man nämlich
über scheinbar unerschöpfliche natürliche Quellen lesen: „Wie ungeheuer
groß die Zahl dieser Vögel [Krammetsvögel, Wacholderdrosseln] ist, kann
man daraus ermessen, daß in einem Jahr zu Danzig 30.000 Kluppen verzollt
wurden [eine Kluppe sind 4 Stück]; in Ostpreußen glaubt man, daß jährlich
600.000 Kluppen verzehrt werden.“19
Obwohl man schon Ende des 19. Jahrhunderts begann, den Vogelfang in
Deutschland durch Verordnungen immer stärker einzuschränken, wird er
auch heute noch in einigen Ländern Europas, die von Zugvögeln überflogen
werden, genauso grausam wie damals weitergeführt. Italien und Frankreich
sind dafür bekannt, aber auch Belgien und in Nordafrika Ägypten, wo man
pro Jahr 140 Millionen Vögel in kilometerlangen Netzen fängt. Anderswo
werden und wurden zum Vogelfang Lockvögel verwendet, die durch Haltung
und Behandlung auf schlimme Weise für ihre Tätigkeit abgerichtet werden.
In Trivialnamen der Vögel findet sich das alles so gut wie nicht wieder. Ausge-
nommen sind einige Greifvogelarten, die man zur Vogeljagd abgerichtet hat,
wie z. B. der „Baitzfalke“ (Wanderfalke).
19
OKEN 1837, 57
Einleitung XXV
Die Saatkrähe heißt außer „Ackerkrähe“ auch „Haferkrähe“. Hafer war für
große Teile der Bevölkerung über Jahrhunderte das wichtigste Nahrungsmit-
tel. Überhaupt nicht gut kommt der von uns inzwischen durchaus geliebte,
früher aber in riesigen schädigenden Schwärmen aufgetretene Haussperling
weg, den man „Dieb“, „Gerstendieb“ oder „Kornwerfer“ nannte, der aber
auch ein „Mistfink“ war, weil er Pferdemist nach Haferkörnern durchsuchte.
Dieses Bild gehört wegen der modernen Futtermittel für Pferde leider end-
gültig der Vergangenheit an.
Vielen von uns ist der bis in die heutige Zeit gebrauchte Begriff „Hühner“-
Habicht noch bekannt. Ein „Hühnerdieb“, ein „Hühnergeier“ war aber auch
der Rotmilan, den mancher gar nicht mehr kennt. Die Hanf- und Leinsamen
fressenden Vögel, wie die Hänflinge und Birkenzeisige, spielen als Nahrungs-
konkurrenten für den Menschen keine Rolle.
Vogelhandel
Auch für Singvögel, die nicht unbedingt wichtig für die Ernährung waren,
gab es viele Namen, was für deren verbreitetes Bekanntsein spricht. Dazu
zählten Birkenzeisige, Hänflinge, Gimpel, Stieglitze u. a. Der Grund: Mit
ihnen wurde auch ein reger Handel betrieben. Die Vögel wurden im Haus
in großen oder kleinen Käfigen oder in Zimmern, in denen sie fliegen konn-
ten, gehalten. Die Menschen liebten ihren Gesang, ihr Verhalten, ihr Aus-
sehen. Solche Tierhaltung war früher normal, darüber dachte man nicht
nach. Heute empfinden sie viele (berechtigt oder nicht) als Quälerei. Dass
Vögel geblendet wurden, damit sie länger und schöner singen, mögen wir uns
nicht vorstellen. Damals erzeugte das kein Unrechtsbewusstsein. Im Gegen-
teil. Betrachtet man alte Bilder oder im Erzgebirge hergestellte Holzfiguren
von Vogelhändlern, findet man Vögel (auch geblendete) in winzigen Käfigen
dargestellt, in denen sie sich kaum rühren konnten. Diese Käfige wurden in
mächtigen Traggestellen vertäut, mit denen die Händler die Mittelgebirge
durch- und überquerten. Es war ihre Art des Broterwerbs. Aus dieser Art der
Vogelbehandlung sind bestimmt auch etliche Namen abzuleiten, was aber
nicht so einfach ist wie beim Girlitz, den man auch „Italiänischer Kanarien-
vogel“ oder „Kanarienzeischen“ nannte. Auch die Bezeichnungen „Tannen-
papagei“, „Kiefernpapagei“ für Kreuzschnäbel dürften durch Vergleiche mit
ebenfalls in Käfigen gehaltenen Papageien entstanden sein.
XXVI Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
Volksglaube
Ein anderer Ursprung vieler Vogelnamen war der Volksglaube oder Volks-
aberglaube, wie immer man den Begriff fassen mag. Der Kampf ums tägliche
Brot, dazu Tod und Krankheit waren früher allgegenwärtig. In der Vergabe
von Namen, die damit zu tun hatten, waren unsere Vorfahren nicht wäh-
lerisch. Sperlings- und Steinkauz waren „Toteneulen“ oder „Leicheneulen“,
auch „Wehklage“ oder „Klageeulen“ genannt. Die Vögel wurden vom Licht
der Häuser angezogen, das man im Todesfall in den Zimmern anmachte. Der
Ruf der Eulen, den man nach dem Sterben eines Menschen hörte, war in
seiner Unheimlichkeit so eindrucksvoll, dass man irgendwann die Reihen-
folge umdrehte und glaubte, der Ruf eines Kauzes, einer Eule ginge dem Tod
voraus, bringe Tod oder anderes Unheil. BREHM schrieb dazu: „In vielen
Gegenden Deutschlands, wo der Glaube noch groß ist unter den Leuten, gilt
der anmuthige Steinkauz als Unheil weissagender Vogel. Man gibt sich gar
nicht die Mühe, selbst zu prüfen, man glaubt eben das, was einfältige Weiber
als wahr auftischen. Die Stimme des Kauzes, welche den Forscher ergötzt, hat
das Unheil verschuldet.“ Eulen als Unglücksvögel – das verstand man ja. Aber
warum bringen Unglückshäher oder Steinrötel Unglück? Als Totenvogel gal-
ten eine ganze Reihe von Vögeln, neben Krähen, Raben und Schwarzspecht
auch die zierlichen Birkenzeisige, Braunkehlchen, Grauschnäpper oder Stein-
schmätzer. Der Seidenschwanz galt als Pestvogel, weil sein massenhaftes Auf-
treten Krankheiten und Tod anzukündigen schien. Dabei war er selber seiner
Heimat wegen eines extrem harten Winters und deshalb auf der Suche nach
Futter entflohen. Ganz anders wurde das Rotkehlchen angesehen, das seine
rote Brust erhielt, als es dem gekreuzigten Jesus einen aus der Dornenkrone
eingedrungenen Stachel aus der Stirn entfernten wollte. Der Storch auf dem
Dach wendet Blitzgefahr für Haus oder Hof ab. Und schließlich: Eine Taube
brachte Noah als Zeichen des Friedens einen Ölzweig.
Fällen aufeinander aufbauen. Erwünscht ist: blättern und weiterlesen. Sie sind
deshalb keine Lexika. Die Ordnung der behandelten Vogelarten erfolgte nach
der Artenliste der Vögel Deutschlands von P. H. BARTHEL und A. J. HELBIG
aus dem Jahr 2005. Die „Nonpasseriformes“, die Nichtsingvögel, werden in
Band 1 behandelt, die „Passeres“, Singvögel, in Band 2. Vogelarten, die nicht
in der Deutschlandliste stehen, wurden mithilfe moderner Bestimmungsbü-
cher zugeordnet. Aus der Artenliste habe ich auch die Ordnungen und Fami-
lien, zu denen BARTHEL und HELBIG die Vögel gestellt hatten, übernom-
men. Ich habe sie jeweils mit einem Kurztext gekennzeichnet.
Zu den modernen deutschen Namen der Vogelarten, von Ordnungen, Fa-
milien usw. ist immer die gültige wissenschaftliche Bezeichnung angegeben.
Die Deutung der heutige Namen war nicht Anliegen dieses Werkes. Ich habe
moderne deutsche Namen nur erklärt, wenn sie schon von den alten Autoren
angeführt worden sind.
Häufig habe ich den Vogelkapiteln eine Übersicht für zwei oder mehr Arten
vorangestellt. Ich habe dort Begriffe erklärt, die sich sonst häufig wiederholen
würden. So muss man nicht für jeden Vogel, den es betrifft, die Erklärung von
„Ente“, „Möwe“, „Gans“, „Specht“ oder „Grasmücke“ beifügen.
Wissenschaftliche Artentrennungen waren im frühen 19. Jahrhundert erst
teilweise vollzogen. Deshalb gab es viele gemeinsame Trivialnamen z. B. für
„Gänse-“ und „Mittelsäger“ oder „Winter-“ und „Sommergoldhähnchen“.
Auch die Akzeptanz des von C. L. BREHM erstbeschriebenen Gartenbaum-
läufers bereitete Schwierigkeiten.
Besonders gerne habe ich zu jedem Kapitel über einen Vogel einleitend einen
kurzen Text geschrieben. Dieser „Vorspann“ enthält interessante Informatio-
nen, die bei der nachfolgenden Behandlung dieser Vogelart nicht gegeben
werden konnten. Beispielsweise kommt die Vogeljagd auf den Färöern vor 200
Jahren zur Sprache oder die Herstellung von Leuchtöl für die Bewohner des
winterdunklen Nordens aus einer Art Sputum des Eissturmvogels. Außerdem
kann man etwas über die Leckerbissen vergangener Zeiten erfahren, zu denen
Krammetsvögel (Wacholderdrosseln), Ortolane oder Leipziger Lerchen ge-
hörten. Solche „Eingangsstories“, die ein Kennzeichen dieser beiden Bücher
sind, sollen auch den Gebrauch der Bücher zum „Schmökern“ begünstigen.
Die dann folgenden Trivialnamen der Vögel wurden einzeln behandelt oder,
wo es sich ergab, zu Gruppen zusammenfasst. Fortlaufende Texte gibt es nicht.
Die Namen stehen dick gedruckt an den Zeilenanfängen und sind so optimal
auffindbar. Es war auch nicht beabsichtigt, die Namen wie in einem Lexikon
kurz und so knapp wie möglich oder stichwortartig zu erklären, im Gegen-
XXVIII Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
teil. Um die Bücher interessant und lesbar zu machen, habe ich die Begriffe,
wenn es sich anbot, relativ ausführlich behandelt und oft auch verschiedene
Autoren mit unterschiedlichen Meinungen zitiert.
Trotz vorangestellter Übersichten über sich wiederholende Namen trat immer
wieder das Problem auf, Verschiedenes doch wiederholen zu müssen. Manch-
mal wurde mit einem „siehe bei…“ auf vorhergehende Texte verwiesen, da
häufiges Verweisen stören kann. Außerdem können sich Wiederholungen als
willkommen erweisen.
Mancher Trivialname scheint so eindeutig zu sein, dass man glaubt, nichts
weiter erklären zu müssen. Diese Einstellung habe ich jedoch nach einigen
Überraschungen bald aufgegeben. Beispielsweise sind „Graureiher“, „Ge-
meiner Reiher“ und „Großer Reiher“ Trivialnamen des Graureihers. Dass der
Vogel ein graues Gefieder hat, sieht man. Dass er „gemein“ ist, also überall
vorkommt, ist bekannt. Ein Blick ins Bestimmungsbuch zeigt zudem, dass
er mit dem Silberreiher der größte Reiher ist. Damit wäre also auch „Großer
Reiher“ erklärt. Zum Glück hatte ich mich mit diesen Erklärungen nicht
zufriedengegeben. Ich wollte nämlich wissen, was in der alten Literatur steht,
was unsere Vorfahren sich bei der Namensvergabe gedacht hatten. Und da
steht, dass BECHSTEIN (und er war nicht der einzige) den „Großen Rei-
her“, den er „Ardea major“ genannt hatte, vor 1793 für ein altes Männchen
und den „Grauen Reiher“ ( Ardea cinerea) für ein Weibchen oder Jungvogel
hielt. 1793 tendierte er dann sogar zu 2 Arten. Einige Jahre später (1797)
schrieb er: „Der große Reiher ist das alte Männchen und der gemeine Reiher
das Weibchen, oder auch junge, männliche oder weibliche Vögel vom ersten
bis zum dritten Jahr.“ Das war, zugegeben, ein literarischer Zufallsfund. Von
solchen Zufallsfunden, von denen es viele gibt, lebt dieses Werk.
Ich hatte mich auch entschlossen, so viel wie möglich zu zitieren, weil das für
das Verständnis der Denkweise der Vorfahren nützlich sein kann. Ich woll-
te damit dazu beitragen, die Vergangenheit mit ihrer doch oft vielseitigen
und schönen Sprache nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Und ich wollte
gegen den Irrglauben angehen, dass man 200–300 Jahre alte Texte „ja doch
nicht versteht“ – was manchmal vorgehalten wird (und was in Einzelfällen
zutreffen kann). Das beschriebene Reiher-Beispiel hat mich davor zurückge-
halten, vorschnell eigene Deutungsversuche zu wagen. Die Lehre: Mit unserer
heutigen Denkart können wir nicht oder nur begrenzt in die damalige ein-
dringen.
Immer wieder stellte sich das Problem, ob ich solche Zitate, die aus heutiger
Sicht fachlich Unrichtiges, Überholtes beinhalten und auf die ich nicht ver-
zichten wollte, korrigierend ergänzen sollte oder nicht? Ich wollte kein Lehr-
Einleitung XXIX
buch schreiben. Deshalb fiel es mir – mit wenigen Ausnahmen – leicht, mich
für das durchaus interessante „alten Wissen“ zu entscheiden. Es gibt viele
Bücher, die modernes Wissen vermitteln. Deshalb glaubte ich, dem interes-
sierten Leser zumuten zu dürfen, sich selber um weiterführende Literatur zu
kümmern.
Es wird vielleicht verwundern, dass ich mich an deutsche Vogelnamen ge-
halten und auf wissenschaftliche in der Regel verzichtet habe. Ein Blick in
den Naumann-Hennicke, die Neuauflage des Naumann bringt Klarheit: In
den letzten Jahrhunderten haben die wissenschaftlichen Namen so oft ge-
wechselt, dass ihr Zitieren unpassend gewesen wäre. Zudem gab es keine ein-
heitliche wissenschaftliche Nomenklatur. Folglich erscheinen die Vogelnamen
in diesem Werk auf Deutsch. Dennoch war es wichtig, immer wieder einmal
wissenschaftliche Ausdrücke (lateinische/griechische Vogelnamen) zu ver-
wenden.
In den deutsch geschriebenen Fachbüchern des 18. Jahrhunderts waren latei-
nische Namen nicht üblich. Ein Beispiel ist die 35-bändige Naturgeschichte
der Vögel von BUFFON, deren deutsche Übersetzung von MARTINI und
OTTO ab 1772 erschien. Auch in der lateinischen Literatur (TURNER,
GESSNER oder SCHWENCKFELDT) findet man die deutschen Vogelna-
men.
Die Sprache habe ich in den Büchern bewusst „normal“ gehalten. Für Fach-
ausdrücke oder bestimmte fachliche Redewendungen habe ich deutsche Be-
griffe und nur selten Fremdwörter verwendet. Dadurch sollten die Texte für
Laien lesbar bleiben.
Zu den Deutungen und Erklärungen ist in Fußnoten die verwendete Litera-
tur zu finden. Bei deren Durchsicht fällt ein geringer Anteil des Internets auf,
das für die Suche nach Begriffsinhalten so gut wie nicht zu gebrauchen war.
Nützlich war besonders das Internetlexikon „Wikipedia“ für aktuelle Infor-
mationen.
Manchmal habe die Kürzel „o. Qu.“, „versch. Qu.“ („ohne Quellenangabe“,
aus „verschiedenen Quellen“) verwendet. Der vorausgegangene Text wurde
in diesen Fällen aus mehreren Literaturstellen zusammengetragen. Bei kurzen
Informationen aus gängigen Bestimmungsbüchern habe ich oft auf Literatur-
angaben verzichtet, bei längeren nicht. Wenn ich aus dem Deutschen Wörter-
buch von J. und W. GRIMM zitiert habe, habe ich zum besseren Verständnis
dort kleingeschriebene Substantive groß geschrieben. Um die Literaturquel-
len von J. L. FRISCH angeben zu können, musste ich mitunter auf die Vogel-
Tafelnummern ausweichen. FRISCH, sowie später sein Sohn und sein Enkel
XXX Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
haben zu den Tafeln sehr informative Texte verfasst, dem Werk aber keine
Seitenzahlen gegeben.
Für mein Anliegen, alte Vogelnamen zu deuten, ihren Inhalt zu ergründen,
brauchte ich die Herkunft des Namens in der Regel nicht zu berücksichtigen.
Ich habe deshalb einfache etymologische Erklärungen nur dort gegeben, wo
es nötig war, beispielsweise für Begriffe wie „Adler“, „Schwan“, Meise“ oder
„Grasmücke“.
Das Werk dient dem gezielten Suchen, soll aber auch zum nachschlagenden
Lesen anregen. Es informiert dadurch auf eigene besondere Weise. Deshalb
kann und soll es kein Bestimmungsbuch oder eine spezielle und etymolgische
Fachliteratur ersetzen.
Dieses Werk könnte helfen, historische Namen, Volksnamen zu erklären, zu
deuten, die in der deutschen Literatur oder bei landeskundlich-historischen
Arbeiten auftreten. Es könnte sich ferner bei Deutscharbeiten in Seminaren
oder im Deutschunterricht in Schulen als nützlich erweisen sowie als Nach-
schlagewerk für diejenigen, die mit alter bis älterer ornithologischer Literatur
arbeiten. Es soll aber auch Freude am Lesen und „Schmökern“ vermitteln.
Ein Lexikon der historischen Vogelnamen finden Sie zum Download unter
http://www.springer.com/978-3-642-41817-4.
Die folgende Liste enthält die 189 Singvogelarten (Passeriformes), über die in
den anschließenden Textteilen zu lesen ist. Wie in Band 1 soll die alphabeti-
sche Reihenfolge zu schnellerer Orientierung führen: Da die Autoren Brehm,
Naumann, Oken und Voigt noch nicht alle heute bekannten mitteleuropäi-
schen Vogelarten kennen konnten, informiert die alphabetische Anordnung
z. B. darüber, ob die gewünschte Vogelart überhaupt in der Liste steht oder
nicht.
Die deutschen und die wissenschaftlichen Namen entsprechen auch hier
denen der „Artenliste der Vögel Deutschlands“ von Peter H. Barthel und An-
dreas J. Helbig (2005), die auch Vorlage für die Reihenfolge der Arten im
folgenden Haupttext war.
Die nicht in dieser Artenliste enthaltenen, ausländischen Vogelarten wurden
im Wesentlichen nach der Vorgabe im „Kosmos Vogelführer, 2011“ von L.
Einleitung XXXI
Inhalt������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������ XXXVII
Pirole – Oriolidae
Die Pirole (Oriolidae) sind eine Familie der Sperlingsvögel (Passeriformes).
Es sind etwa amselgroße, sehr farbenfrohe Vögel. Die meisten Arten leben in
den Tropen der Alten Welt, von Afrika über Süd- und Ostasien bis Australien.
Lediglich der Pirol ( Oriolus oriolus) lebt in Europa.1
1
http://de.wikipedia.org/wiki/Pirole, Stand: 20.09.2013
2
KRÜNITZ 1787, 39/ 198
3
OTTO in BUFFON/OTTO 1782, 8/ 171
4
FEIGE 1986, 50
sant Peter was der êrst pâbst und ein gruntvest des hailigen römischen stuols,
als Christus selber hinz ihm sprach.“5
„Gemeiner Pirol“ war der Leitname des Pirols bei BECHSTEIN.6
Loriot: „Dieser Vogel ist Brissons Le Loriot.“7 „Einige leiten den Nahmen
Loriot aus dem griechischen Chlorion, andere aus dem lateinischen Aureolus,
und noch andere von dem Geschrey des Vogels, her.“8
Chlorion: „Chlorion“ ist der alte griechische Name des Pirols. Das Wort be-
deutet „gelbgrün“ und meint das Gefieder vor allem weiblicher oder junger
Vögel.
Witewal, Widewal, Wittewald, Wittewalch: Das mhd. „Witewal“ ist der
älteste historisch überlieferte Name des Pirols, der etwa aus dem 13. Jahrhun-
dert stammt. „Wîdewâl“ aus Ostfriesland und „Wittewald“ aus Preußen sind
etwas jünger. „Wittewalch“ war laut GESSNER Ende des 16. Jahrhunderts in
der Schweiz üblich.9
Wiedwalch, Widewall, Wiedewall, Wiederwalch, Witwell, Weidwall:
„Wiedwalch“ und „Wi(e)dewall“ sind nach dem 13. Jahrhundert erfolgte re-
gionale Umbildungen von „witewal“.10 Auch die anderen Begriffe waren oft
an bestimmte Regionen gebunden. Die Namen waren noch in der Zeit des
16. Jahrhunderts und später verbreitet. Ihnen ist der westgermanische Ur-
sprung gemeinsam.11
Bülau, Gemeiner Bülau, Bülow, Büloon-Vogel, Vogel Püloh: „Die zahllo-
sen Namensformen stehen in engster Verbindung mit dem hellen, flötenden
Rufe des Pirols, in dem man sich leicht einbildet, menschliche Worte zu hö-
ren.“12 „Die Locktöne sind von yo bis bülo.“13 FEHRINGER hielt den flö-
tenden lauten Ruf „tutüdlio“ oder „Vogel Bülow“ für die laute Schlussstrophe
des Gesanges.14
Golddrossel, Goldamsel, Goldmerle: MÜLLER schrieb zu „Golddrossel –
Oriolus galbula“: „Aldrovandus hat sie Galbula genennet. Plinius gab ihr den
Namen Icterus. Bei den Venetianern heißt sie Becquafigo, obgleich diese Be-
5
SUOLAHTI 1909, 171 und MEGENBERG 1994, 216
6
BECHSTEIN 1791, 478
7
BUFFON/OTTO 1782, 8/ 170
8
BUFFON/OTTO 1782, 8/ 171
9
SUOLAHTI 1909, 169 + 170
10
GRIMM/GRIMM 1984, 29/ 1512
11
FEIGE 1986, 50
12
SUOLAHTI 1909, 172
13
OKEN 1837, 69
14
FEHRINGER 1951, 60
PASSERES – SINGVÖGEL 3
nennung nur der Ficedula, oder dem Feigenfresser zukommt.“ Und etwas
später: „In Deutschland wird sie auch wohl Kirschendieb und Weidwall ge-
nannt, doch ist Golddrossel der gemeinste und bekannteste Name.“15
„Die Goldamsel hat diesen Nahmen theils von ihrem fürtrefflichen gelben,
und Kohl-schwarzen Flügeln, theils von ihrem Gesang, welcher in einem lau-
ten Pfeiffen bestehet, welcher aber tiefer lautet, als der Amsel, doch von weni-
gen Abwechslungen ist.“16
„Die schöne gelbe Gefiederfarbe und die helle flötende Stimme haben den
Namen Goldmerle, den Gesner aus Niederdeutschland anführt, veranlaßt.
Heute [1909] ist Goldmêrel in Luxemburg die übliche Bezeichnung des Pi-
rols.“17
Der Pirol wurde früher zu den Drosseln gezählt. Das taten 1864 auch noch
BREHM/ROSSMÄLER: „Die meisten Naturforscher zählen den Pirol … zu
den Drosseln [Merle], andere dagegen zu den Paradiesvögeln. Wir thun wohl,
wenn wir uns den Ersteren anschließen.“18
Olivenmerle: Mit „Oliven-“ war die Färbung des Rückengefieders der Jungen
und der Weibchen gemeint. Häufig findet man die Bezeichnung „Olimerle“,
die schon GESSNER kannte.19
Galbulavogel: Für „galbula“ wurde keine Übersetzung gefunden, wohl aber
Hinweise, dass dieses aus dem Griechischen stammende Wort ähnlich wie
„chlorion“ „grüngelb“ bedeutet. In der Literatur findet man für „Galbula“
mehrfach das Wort „Glanzvogel“. GESSNER berichtete, dass ein Spanier ihm
„galbula“ in seiner Sprache mit „oroyendola“ übersetzt hätte, „das scheint mir
‚oriolus‘ zu sein.“20 LINNÉ hat Oriolus und Galbula als gleichwertige Gat-
tungsnamen behandelt.21
Gelbling, Gelbvogel: Beide Namen beziehen sich auf das vorherrschende
Gelb im männlichen Gefieder.
Gelbe Rake: „Gelbe Racke“ ist ein Kunstname von BECHSTEIN (zuerst
1802), der aber erst 1805 schrieb: „Unser Pirol, den ich jetzt die gelbe Racke
nenne …“ Der Vogel habe den wahren Rackenschnabel und passe deshalb
nicht zu den vielen ausländischen Pirolarten.22 Im Handbuch der Jagdwissen-
15
MÜLLER 1773, 186
16
ZORN 1743, 320
17
SUOLAHTI 1909, 173
18
BREHM/ROSSMÄLER 1864, 1/ 501
19
SPRINGER/KINZELBACH 2009, 274
20
SPRINGER 2007, 259
21
BUFFON/OTTO 1782, 8/ 171
22
BECHSTEIN 1802, 98 + 1805, 2/ 1293
4 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
23
BECHSTEIN 1802, 35
24
NAUMANN 1822, 2/ 171
25
BECHSTEIN 1791, 480
26
NAUMANN 1822, 2/ 171
27
BUFFON/OTTO 1782, 8/ 182
28
OKEN 1837, 69
29
GESSNER/HORST 1669, 132b
30
SUOLAHTI 1909, 173
31
SUOLAHTI 1909, 173
32
BUFFON/OTTO 1782, 8/ 179
PASSERES – SINGVÖGEL 5
33
OKEN 1837, 69
34
KRÜNITZ 1785, 39/ 206
35
BECHSTEIN 1805, 2/ 1304
36
KRÜNITZ 1787, 39/ 201
37
SUOLAHTI 1909, 172
38
OKEN 1837, 69
6 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
hang gebrachte Namen des Vogels seien onomatopoetischer Natur, [dass] die
späte Ankunftszeit der Goldamsel die Veranlassung zu diesen Bezeichnungen
gegeben habe, da man in der Pfingstzeit auf dem Lande oft wahre Gelage ab-
halte, bei denen Bier die Hauptsache ist. Was nun dem Landmann an Pfings-
ten das Wichtigste sei, das Bier, das hört er im Gesang des Vogels.“39
Pirreule: Stark abgewandelte Bezeichnung für „Bierholer“ (Pîrholer in Sach-
sen). „Pirreule“ ist ein Kunstname, der erst spät im 19. Jahrhundert in der
Literatur auftrat, (o. Qu.).
Schulz von Milo, Schulz von Therau, Schulz von Bülow: Die Bauern im
Havelland in der Mark Brandenburg haben den Vogel „Schulz von Milo“ ge-
nannt. Auch hier handelt es sich um ungefähre Nachahmungen des Rufes.40
„Schulz von Therau“ entstand wohl aus „Schulz von Tharau“ und ist damit
genauso ein preußischer Name wie der pommersche „Schulz von Bülow“
(s. o.).41
Weihrauch, Weihrauchsvogel, Bruder Wyrauch: Die zwei letzten Laute sei-
nes „Gepfeiffes“ klingen wie i und o. Daher ist in fast allen seinen Namen i
und o beibehalten worden. „Gleichwie andere seinen Namen ‚Wyrock‘, wel-
cher das i und o hat, für Plat-teutsch angesehen, und haben ihn verfälscht
‚Weihrauch‘ ausgesprochen.“42 Dazu ergänzend findet man bei GRIMM/
GRIMM, dass die Stimme des Vogels nicht nur zu den lautmalenden Be-
zeichnungen „Pirol“, „Bülow“, „Berolft“, „Wiedewal“ geführt habe, sondern
auch zu „wirok“, woraus „Weihrauchvogel“ entstanden sei. Der Name war im
18. Jahrhundert als „Weyrauch“ verbreitet.43
Tyrolk: Den durch Lautmalung entstandenen Begriff findet man als „Tyrolt“
bei Hans SACHS.44
Gugelfahraus, Kugelfihaus: „Gugelfahraus“ bedeutet Pirol, Pfingstvogel.
Guckauch, Gucker, Gugel „heißt soviel als Guckguck. Dieser Vogel kommt
etwas später noch, als der Guckguck: und ahmet auch dessen Stimme nach.
Das Wort Gugelfiaus, zeigt also einen gelben oder glänzenden Guckguck an.“
Fiaus ist ein anderer Name für den Pirol. In Italien heißt dieser „vireone“, im
mittleren Latein „vireo“, „vermuthlich von dem griech. φІαρως, glänzend.
39
GATTIKER/GATTIKER 1989, 189
40
GRIMM/GRIMM 1984, 15/ 1994
41
FRISCHBIER 1882, 1/ 82
42
FRISCH 1763, T. 31
43
GRIMM/GRIMM 1984, 28/ 732 + 748
44
HANS SACHS 1531, V. 105
PASSERES – SINGVÖGEL 7
Hievon ist unser Viraus, oder mit gewöhnlich verschlucktem r, Viaus ent-
standen.“45
Viduel: FEIGE ordnete „Viduell, Viduel“ (KRÜNITZ: „Vidual“) in die
Gruppe der Namen mit westgermanischem Ursprung ein. „Aus den Grund-
formen ‚wuduwal-ôn‘ oder ‚widuwal-ôn‘ leiteten sich im deutschsprachigen
Raum“ im 15. Jahrhundert am Niederrhein „weduwal“ und später etliche an-
dere Namen ab, die zu „Viduel, Viduell“ oder „Vidual“ geführt haben könn-
ten.46
Gottesvogel: Diesen Namen hat BREHM eingeführt, vielleicht wegen der
Schönheit des Vogels auch als Eigenprägung.47 Vorher gab es den Namen
schon für etliche andere Vögel. So benannte OKEN eine Paradiesvogelart,
in einer Sprachforschungszeitschrift ging es 1862 um eine Sperlingsform und
wieder an anderer Stelle um eine Taubenart.
Gutmerle: Den Namen findet man zuerst bei BUFFON in seiner Original-
ausgabe, bei BECHSTEIN oder auch noch viel später bei BREHM, aber
insgesamt nicht sehr oft.48 Auch FEIGE erwähnte „Gutmerle“, auch er, ohne
zu erklären.
Da der Pirol, abgesehen von seinem bekannten Gesang, auch andere Laute
(Rufe, Alarmrufe) zur Verfügung hat, sollte man zur Deutung von „Gutmer-
le“ auch Lautmalerei in Betracht ziehen, zumal die meisten alten Namen (vor
dem 19. Jahrhundert) durch eine Beschreibung von Aussehen oder Stimme
entstanden sind.
Würger – Laniidae
Würger sind mittelgroß, haben einen langen Schwanz, einen hakenartig zuge-
spitzten kräftigen Schnabel und kräftige, scharfkrallige Füße. Sie spähen lange
bewegungslos nach Beute, zu der auch Kleinvögel und Kleinsäuger gehören.49
45
HOEFER 1815, 1/ 336 + 214
46
FEIGE 1986, 50
47
BREHM 1879, 3/ 531
48
BUFFON/MARTINI 1775, 1/ 254 und BECHSTEIN 1791, 478 und BREHM/ROSSMÄLER
1864, 1/ 501
49
SVENSSON et al. 2011, 352
8 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
50
STRESEMANN 1941, 98 und HALLE 1760, 220
51
GESSNER 1585, 579 und SPRINGER 2007, 259
52
MÜLLER 1773, 108
53
BUFFON/MARTINI 1787, 2/ 210
54
C. L. BREHM 1820, 1/ 383
PASSERES – SINGVÖGEL 9
daß er nicht selten seine eigne Sicherheit darüber vergißt.“ So verfolgte einmal
ein Würger ein Hausrotschwanzpärchen immer wieder, versuchte auch das
Nest zu plündern, mußte aber schließlich von seinem Vorhaben ablassen. „Es
war unglaublich, welchen Muth das Sängerpaar dabei bewies.“ Dann wurde
es doch noch dramatisch: „Aber noch war er [der Sänger] 10 Schritte [von
der Bank des Erzählers] entfernt, als der Würger mit dem Schnabel nach ihm
griff, und indem jener zu Boden fiel, mit kreischendem Geschrei und solcher
Heftigkeit auf ihn stürzte, daß er ihn gewiß getödtet haben würde, wenn wir
nicht hinzugesprungen wären, und ihn verjagt hätten. Nun war meine Ge-
duld zu Ende und ich ergriff sogleich mein Gewehr…“55
Kleiner Würger, Kleinster Würger: Die beiden häufigsten Würger in
Deutschland waren und sind der Raubwürger, der „Große Würger“ und der
Neuntöter, der „Kleine Würger“. Vergleicht man auch mit dem Schwarzstirn-
würger, ist der Neuntöter der „Kleinste Würger“.
Rothrückiger Würger, Rothrückiger Neuntödter, Kleiner aschfarbener
Neuntöter, Kleiner rother Neuntöter, Blauköpfiger Würger, Rothgrauer
Würger, Bunter Würger, Neunwürger: Der Kopf des Männchens und der
Bürzel sind aschgrau. Je nach Sicht kann man auch hellblau sagen. Durch die
Augen geht ein schwarzer Streif, der Rücken ist braunrot, die Brust schwach
rosenrot.56 Bunt ist der Vogel wegen seines schönen Prachtkleides. Der Neun-
würger spießt angeblich neun oder mehr Insekten auf, bevor er sich an dem
„reich gedeckten Tisch“ sattfrisst.
Neuntödter, Neunmörder: Das Wort „Neuntöter“ stammt als „Nüntöder“
von GESSNER (1555).57 Den Raubwürger hatte GESSNER „grose Nuen-
moerder“ genannt.58 „Er vertilgt eine Menge Maykäfer, Roßkäfer, Bremsen,
Gryllen und Heuschrecken, und spießt sie an Schwarz- und Weißdorn an,
bisweilen auch einen jungen Vogel, Frosch, eine Maus, Eidechse, oder Stü-
cke davon, daher er den Namen Neuntödter bekommen hat.“59 Der Zusatz
„Neun-“ entspringt der Vorstellung, dass der Vogel bis zu neun Beutestücke
aufspießt, wobei einmal neun pro Tag gemeint ist oder auch die Obergrenze
neun. Nach anderen alten Fabeln muss er erst neun Tiere aufspießen, bevor er
mit dem Fressen beginnen kann, bzw. muss er jeden Tag neun Vögel fressen,
um nicht zu sterben.
55
Freih. v. Seyffertilz in C. L. BREHM, Ornis 2, 1826, 57
56
NAUMANN 1822, 2/ 30
57
STRESEMANN 1941, 98
58
SPRINGER 2007, 259
59
OKEN 1837, 84
10 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
„Leider macht sich dieser so muntere und singfähige Vogel in anderer Hin-
sicht im höchsten Grade unbeliebt. … Naumann hat beobachtet, daß er jun-
ge Dorngrasmücken, gelbe Bachstelzen und Spießlerchen [Wiesenpieper] er-
würgte und fortschleppte.“60 Wegen der bei der Bevölkerung empfundenen
grausamen Eigenschaften kamen Namen wie „Neunmörder“ zustande und
im Englischen „Butcherbird“ oder „Murderingpie“.61
Warkengel, Warkvogel: „Warkengel“ ist seit dem 16. Jahrhundert in
Deutschland belegt.62 Der althochdeutsche Ausdruck „warc-gengil“ wurde
auch als „Wolfgänger“ gedeutet. Danach wäre der Vogel eigentlich ein in
Wolfsgestalt umherstreichender böser Geist. „Warc-gengil“ könnte aber auch
mit dem angelsächsischen „wergenga“ in Zusammenhang gebracht werden,
was „Varäger, umherstreichender Fremdling“ bedeute. „Da manche Würger-
arten nordische Vögel sind, welche in Deutschland nur als wandernde Gäste
angetroffen werden, so könnte man sie als Varäger auffassen, ebensogut wie
man in dem Seidenschwanz einen Böhmen oder Friesen sah.“63
Kleiner bunter Warkengel, Kleiner Wahnkrengel, Kleiner bunter Würg-
engel: Die Ausdrücke werden in der Einführung erklärt. Auch hier handelt
es sich um das gegensätzliche Paar „kleiner“ Neuntöter und „großer“ Raub-
würger. Die anderen beiden Würgerarten sind in diese Namensgruppe kaum
oder nicht einbezogen.
Dorndreher, Dorndrechsler, Dorngreuel, Todtengreuel: Der Dorndreher
spießt seine Beute auf die spitzen Dornen. Das Wort ist sehr alt und stammt
vom althochdeutschen „dorndrâil“, das im Laufe der Zeit alle möglichen Um-
bildungen erfuhr. Eine solche ist das mittelalterliche „dorndrahsel“, das zu
„Dorndrechsel“ führte. Eine andere verlief über „dorndroscel“ zu „Dorndrö-
scherl“ (Dorndrossel). In einem Glossar des 13./14. Jahrhunderts ist „dor-
nacreiel“ belegt, aus dem in Bayern „Dorngreuel“ und in Österreich „Tod-
tengreuel“ enstanden. Eine andere alte Variante ist „dornorahil“, aus dem der
„Dornreich“ hervorging.64 Auch „Dorntreter“ dürfte aus diesem Ursprungs-
kreis stammen.
Es gab aber auch andere „Dorntreter“- und „Dornreich“-Deutungen. „Dorn-
treter möchte er heißen, weil er meistens in Dornhecken auf Feldern und
Gärten hecket und daselbst auch wohnet.“65
60
BREHM 1866, 3/ 700
61
SUOLAHTI 1909, 147
62
GESSNER/HORST 1669, 154b und SPRINGER 2007, 263
63
SUOLAHTI 1909, 149
64
SUOLAHTI 1909, 147f
65
LANGGUTH 1776, 2/ 369
PASSERES – SINGVÖGEL 11
Dorntreter: „Weil er nun mit einem solchen Bissen oder gefangenen Käfer,
den er verwahren will, lange auf den Dorn-Strauchen herum trit, ehe er eine
bequeme Spitze dran findet; so nennen ihn einige Dorn-Treter.“66
Dornreich, Großer Dornreich: „Dornreich“ ist ein Geschlechtsname ver-
schiedener Vögel, die in den Dornen und dicken Gebüschen hecken und sin-
gen.67 „Es heissen ihn auch einige Dornreich, weil er sich bey den Dornen
meistens aufhält und vermengen damit die große Art Graß-Mücken, welche
von einigen Dornreich genennet wird, und deren Gesang der Neuntöder sehr
eigen nach machen kan, deren ärgster Feind er auch ist.“68 FRISCH schrieb
dies zum Rotkopfwürger, der aber weniger „Dornreich“ genannt wurde.
Singwürger: BREHM berichtete, was ein Graf Gourcy seinem Vater erzählt
hatte: „Wenn ein Sänger den Namen Spottvogel verdient, so ist es unbestreit-
bar dieser. Nach meiner Meinung hat er, außer einigen rauhen Strophen, kei-
nen eigenen Gesang … Mit immer erneueter Lust hört man ihn seine vielfach
abwechselnden Gesänge vortragen.
Der, welchen ich jetzt besitze, ist ein vorzüglicher Vogel, welcher auf eine
täuschende und entzückend schöne Art die Gesänge der Nachtigall, der Feld-
lerche, Rauchschwalbe, Sperber-Grasmücke, des Mönchs, Goldammers, den
Ruf der Amsel und des Rebhuhns nachahmt und auf eine so feine Art in
einander verschmilzt, daß man durchaus keinen Übergang bemerkt.“ Schließ-
lich, an anderer Stelle, meinte er noch: „Nur schade, daß beinahe ein jeder
seinen schönen Liedern einige schlechte Töne beimischt! Besonders ist es der
Unkenruf, den sich fast alle zu eigen machen.“69
Finkenbeißer: „Bisher war ich immer der Meinung, daß sich der Dorndreher
nur an ganz jungen oder aber an schwachen und kranken Vögeln vergreife.
Vor kurzem sollte ich eines Besseren belehrt werden. Ende Mai brachte man
mir ein frisch gefangenes Weibchen des rotrückigen Würgers; ich war gerade
im Begriff, auf einige Tage zu verreisen und steckte deshalb den Vogel mit in
eine große Flugvoliere, in welcher sowohl Körner- wie Wurmfresser gehalten
wurden. Diese Unvorsichtigkeit mußte ich bitter bereuen, denn als ich nach 5
Tagen zurückkehrte, sah ich zu meinem Schrecken, daß es der Würger vorge-
zogen hatte, sich von seinen gefiederten Nachbarn statt von den in reichlicher
Auswahl gebotenen Mehlwürmern, Ameisenpuppen, Fleisch und Mischfutter
zu nähren. In den 5 Tagen hatte er überwältigt, aufgespießt oder verzehrt: 3
Buchfinken, 1 Grünfink, 1 Bergfink, 1 Leinzeisig und 1 Berghänfling … Da-
66
FRISCH 1763, T. 61
67
KRÜNITZ 1776, 9/ 440
68
FRISCH 1763, T. 61
69
BREHM 1866, 3/ 700
12 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
raufhin habe ich während des Sommers den von Würgern bewohnten Dorn-
büschen besondere Aufmerksamkeit geschenkt und noch mehrfach alte Vögel
auf seinen Schlachtbänken gefunden. Nach diesen Beobachtungen kann es
keinem Zweifel unterliegen, daß der rotrückike Würger in Gärten, Parks und
Anlagen auf das rücksichtsloste verfogt werden muß, wenn anders man sich
einen guten Bestand von brütenden Singvögeln sichern will.“70
„Bey den Deutschen aber ist er unter dem Namen Finkenbeißer bekannt,
weil er auf die kleinen Vögel hitzig ist, und sich mit jedem herumbeist, den
er erwischen kann71“
Spießer, Eigentlicher Spießer: „Er ist einer der abscheulichsten Feinde der
kleinen Singvögel, welchen wir kennen … So findet man bei schönem Wetter
fast nur … Kerbthiere …, bei kalter, stürmischer Witterung hingegen oft
ganze Gehecke junger Vögel an die Dornen gespießt.“72
Dornhäher, Dornheher: Wegen des „Geschreis“ aus den Büschen wurden
die Vögel auch „Häher“ oder „Elstern“ genannt.
Quarkringel: Der Name gehört in die Namengruppe um „Wargengel“.
Dem „Quarkringel“ ähnliche Wörter sind „Quarkvogel“, „Quorkringel“ oder
„Wörgengel“.
Millwürger, Mandelbrauner Millwürger: „Millwürger ist ein Vogel, welcher
zu der Gattung Lanius, Würger, gehört und der Dorndreher, Lanius spinitor-
quus, in Thüringen kleiner Neuntödter genannt wird.“73 In der älteren Li-
teratur erscheint der „Mandelbraune Millwürger“ recht häufig, immer (wie
im obigen KRÜNITZ-Zitat) an den Neuntöter gebunden und nie mit einer
Namenserklärung. Es könnte sich bei dem Millwürger um einen „Vielwür-
ger“ handeln.
Der Name konnte nicht weiter gedeutet werden.
Scheckiger Würger: Das Brustgefieder des Jugendkleides, bedingt auch das
der Weibchen, erscheint durch die braun-weißgraue Bänderung gescheckt.
Schäckerdickkopf: Das Zuordnen von „Schäcker-“ zur Stimme, wie man es
zur Deutung auch findet, dürfte nicht stimmen.
Der Wortteil muss vielmehr mit „scheckig“ in Zusammenhang gebracht
werden. Dafür sprechen: „Scheckiger Würger“ für den Neuntöter bei NAU-
MANN und „Schäckiger“ und „Schäckicher Würger“ (auch für den Neun-
70
FLOERICKE 1896, 50
71
MÜLLER 1773, 113
72
BREHM 1866, 3/ 700
73
KRÜNITZ 1803, 90/ 705
PASSERES – SINGVÖGEL 13
töter) bei BECHSTEIN 1791 bzw. 1802. Noch um 1800 wurde der Neun-
töter bei Dessau „Schäckerdickkopf“ genannt (J. A. NAUMANN).74 Diesen
Namen hatten außerdem noch der Rotkopfwürger und der Schwarzstirn-
würger. Letzterer hieß auch noch „Schäckelster“. Man kannte um 1800 in
Deutschland außer diesen 3 Würgerarten nur noch den Raubwürger, dessen
Jungvögel als einzige keine Scheckungen im Gefieder haben. Hier waren also
Jungvögel gemeint. „Dickkopf“ weist auf den auffällig größeren Kopf gegen-
über anderen heimischen Singvögeln hin.
74
BECHSTEIN 1791, 399 + 1802, 103 und J. A. NAUMANN 1802, 4-1
75
BECHSTEIN 1805, 2/ 1331
76
BEZZEL 1993, 520
77
NIETHAMMER 1937, 1/ 231
78
SVENSSON et al. 2011, 356
79
KLEIN/REYGER 1760, 52
14 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
Rotkopfwürger „klein“, und der Neuntöter, gegen den sein Rot „rostig“ statt
rot ist.
Rother Warkengel, Kleiner rother Wartengel: Die Namen weisen nur des-
halb auf den Rotkopfwürger hin, weil es Farbangaben (wie rot, rotbraun) für
den auch mit „Warkengel“ bezeichneten Neuntöter nicht oder kaum gibt.
Brauner Dorndreher, Großer Dorndreher: Der Dorndreher spießt seine
Beute auf die spitzen Dornen. Das Wort ist sehr alt und stammt vom alt-
hochdeutschen „dorndrâil“, das im Laufe der Zeit alle möglichen Umbildun-
gen erfuhr. Eine solche ist das mittelalterliche „dorndrahsel“, das zu „Dorn-
drechsel“ führte. Eine andere verlief über „dorndroscel“ zu „Dorndröscherl“
(Dorndrossel). In einem Glossar des 13./14. Jahrhunderts ist „dornacreiel“
belegt, aus dem in Bayern „Dorngreuel“ und in Österreich „Todtengreuel“
enstanden. Eine andere alte Variante ist „dornorahil“, aus dem der „Dorn-
reich“ hervorging.80
„Was er von den grössern Ungeziefer nicht gleich verzehren kan, das steckt er
mit dem Schnabel auf einen Dorn, damit es sterben und nicht herab fallen
soll, wovon ihn viele den Dorn-Dreher heissen, weil er seine übrige Speise,
als Käfer und dergleichen, gleichsam auf den Dorn drehet, bis sie fest stecken
bleiben.“81
Der Name „Großer“ Dorndreher“ stammt von OKEN und kommt eigentlich
dem Raubwürger zu. Der Rotkopfwürger ist größer als der häufige Bezugsvo-
gel, der Neuntöter „Lanius collurio“. Er ist der drittgrößte der vier „heimisch-
mitteleuropäischen“ Würger.82
Finkenbeißer, Finkenwürgvogel: „Dieser Vogel ist an mehrern Orten unter
den Namen des Finkenbeissers bekannt, weil er so zänkisch ist, daß er sich
mit allen Vögeln, die in seiner Gegend wohnen herumbeißt, besonders aber
mit den Elstern, und im Herbst und im Frühjahr mit den Finken. – Daß er
aber die Finken tödten soll, wie einige behaupten, hat die Erfahrung noch nie
bestätiget, so wie er überhaupt mit Unrecht unter die Raubvögel gerechnet
wird.“83
„Den Namen führt er, weil er auf die Finken sehr hitzig ist, und sich mit je-
dem herumbeißt, den er nur fassen kann.“84
80
SUOLAHTI 1909, 147f
81
FRISCH 1763, T. 61
82
OKEN 1837, 85
83
HEPPE 1798, 271
84
BUFFON/MARTINI 1787, 2/ 238
PASSERES – SINGVÖGEL 15
85
BUFFON/MARTINI 1787, 2/ 238
86
BECHSTEIN 1805, 2/ 1331
87
SUOLAHTI 1909, 151 + 16
88
BEZZEL 1993, 522
89
http://de.wikipedia.org/wiki/Anders_Sparrman, Stand: 17.08.2011
90
MUSEUM HEINEANUM 1851, 1/73
91
GMELIN 1789, 1/ 302
92
GOEZE 1794, 4/ 318
93
BECHSTEIN 1805, 2/ 1335
16 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
94
NAUMANN 1822, 2/ 22 und BREHM 1879, 5/ 484
95
http://de.wikipedia.org/wiki/Maskenwürger, Stand: 10.09.2011
PASSERES – SINGVÖGEL 17
Vögel, und mitunter auch eine Strophe aus ihrem Gesange unter einander
mengen, worunter dann auch seine Locktöne öfters mit ertönten, und auf
diese Art einen nicht unangenehmen Gesang hervorbringen; aber einen or-
dentlichen zusammenhängenden Gesang eines andern Vogels habe ich ihn nie
hören nachahmen; und er soll doch sogar den Gesang der Nachtigall, nur aber
nicht so laut nachsingen, ohne eine Sylbe davon auszulassen.“96
Schwarzstirnwürger, Schwarzstirniger Würger: Der Nachweis dieses Vogels
für Köln stammt laut GESSNER aus der Zeit um 1544. Zwischen 1780 und
1850 war er ein über ganz Deutschland verbreiteter Brutvogel.97
Farblicher Hauptunterschied zum Raubwürger ist die schwarze Stirn. Für
BREHM gehörte er zu den schönsten der Familie, womit er Farbe, Gestalt,
Haltung und Flug meinte.98
Grauer Würger, Grauwürger, Kleiner Würger, Kleiner grauer Würger,
Kleiner grauer Neuntödter, Kleiner aschgrauer Neuntöter: Der Vogel er-
scheint als die etwas verkleinerte Ausgabe des Raubwürgers. Daher „klein“
und „grau“ im Namen. Er jagt von der Warte aus und spießt die Beute nicht
auf. Bei schlechtem Wetter sucht er die Nahrung am Boden oder ist auf Rüt-
telsuchjagd. Er frisst überwiegend Insekten, nur selten Wirbeltiere.
Gemeiner aschgrauer Würger: „Gemein“ war dieser Würger wegen seiner,
zumindest regionalen, Häufigkeit. „Da er alle Jahre in Menge um mich woh-
net, und dieses Jahr zwey in meinem Garten nisten, so habe ich ihn genau
beobachten können.“99
Kleiner aschgrauer Dorndreher, Kleiner grauer Dorndreher, Kleiner
aschgrauer Dorntreter, Kleiner grauer Dorntreter: „Er hat eine eigene Art,
Insekten zu haschen. Er sitzt entweder auf einem Baumgipfel, sieht mit un-
verwandtem Blick auf die Erde herab, und schießt, sobald er einen Käfer oder
anderes Insekt gewahr wird, wie ein Pfeil herab, nimmt es auf und verfügt sich
wieder auf den Baum, um den Raub, den er unter die Füße nimmt, in Ruhe
zu verzehren. … Er tödtet die Insekten oft aus bloßer Mordsucht, und läßt
sie liegen.“100 Anders als es die „Dorndreher“- und -„treter“-Namen vermuten
lassen, spießt dieser Würger seine Beute in der Regel nicht auf Dornen.
Auch der Neuntöter hatte die Namen „Dorndreher“ und „Dorntreter“. Dort
wurde Folgendes zitiert: „Was er von den grössern Ungeziefer nicht gleich ver-
96
J. A. NAUMANN 1802, 79
97
SPRINGER 2007, 263
98
BREHM 1866, 3/ 697
99
BECHSTEIN 1791, 382
100
JESTER 1823, 4/ 292
18 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
zehren kan, das steckt er mit dem Schnabel auf einen Dorn, damit es sterben
und nicht herab fallen soll, wovon ihn viele den Dorn-Dreher heissen, weil
er seine übrige Speise, als Käfer und dergleichen, gleichsam auf den Dorn
drehet, bis sie fest stecken bleiben.“101
„Weil er nun mit einem solchen Bissen oder gefangenen Käfer, den er ver-
wahren will, lange auf den Dorn-Strauchen herum trit, ehe er eine bequeme
Spitze dran findet; so nennen ihn einige Dorn-Treter.“102
„Dorntreter möchte er heißen, weil er meistens in Dornhecken auf Feldern
und Gärten hecket und daselbst auch wohnet.“103
Drillelster: Der Name war in der Mark Brandenburg üblich und ist wohl
auch durch die Sage „Die Kra un där Gril-Elster“ bekannt geworden. Außer-
dem war das Wort ein Anredepronom für alle Personen, die man nicht mit
„du“ anredet: „Ihr, nemlich die Drillelster.“104
Der Name, der nicht sehr verbreitet war, kam schon im 18. Jahrhundert vor
und wurde auch für den Raubwürger verwandt. So ist „Drillen“ hier im Sinne
von „Aufspießen“ zu verstehen und passt damit weniger gut zum Schwarz-
stirnwürger.105
Sommerkriekelster, Sommer-Kriekelster: „In manchen Gegenden werden
die Würger als Elstern oder Häher benannt, wobei wohl das Geschrei der
verbindende Vergleichspunkt ist.“106 Diese Zuordnung kennt man schon aus
dem 16. Jahrhundert. Ähnlich der „Krigelster“ (Blauracke) ist auch „die Zu-
sammensetzung in ihrem ersten Teil onomatopoietisch.“107
Für die „Kriekelster“ gilt Ähnliches, was OKEN zum Raubwürger schrieb:
„Weil die Färbung Ähnlichkeit mit der Aelster hat, und er sich beständig mit
anderen Vögeln herum zankt, so hat man ihm den Namen Kriegs-Aelster ge-
geben.“108
„Unter den im Frühling zurückkehrenden Sommervögeln ist der schwarzstir-
nige Würger einer der letzten …, ebenso tritt er mit am frühesten, gewöhnlich
schon im Spätsommer, Ende Augusts, seine Reise wieder an.“109
101
FRISCH 1763, T. 61
102
FRISCH 1763, T. 61
103
LANGGUTH 1776, 2/ 369
104
ENGELIEN/LAHN 1868,115: Der Volksmund in der Mark Brandenburg
105
GRIMM/GRIMM 1984, 2/ 1410
106
SUOLAHTI 1909, 151
107
SUOLAHTI 1909, 16
108
OKEN 1837, 86
109
BREHM 1866, 3/ 697
PASSERES – SINGVÖGEL 19
110
OKEN 1837, 86
111
SVENSSON et al. 2011, 352
112
BEHLEN 1842, 324
113
NAUMANN 1822, 2/ 22 und BREHM 1879, 5/ 484
114
BREHM 1879, 5/ 484
115
BECHSTEIN 1802, 101
116
BECHSTEIN 1791, 382
20 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
117
C. L. BREHM 1821, 2/ 693
118
BECHSTEIN 1791, 376
119
VOIGT 1835, 180
120
SUOLAHTI 1909, 147
121
BREHM 1866/ 695
122
NIETHAMMER1937, 1/ 259
123
GLUTZ VON BLOTZHEIM/BAUER 1993, 13/ 1302
124
SUOLAHTI 1909, 149
PASSERES – SINGVÖGEL 21
125
HOFFMANN 1937, 60
126
GESSNER/HORST 1669, 154b
127
SUOLAHTI 1909, 149
128
GRIMM/GRIMM 1984, 28/ 306 + 27, 2016
129
SUOLAHTI 1909, 149
130
BECHSTEIN 1805, 2/ 1308
131
BUFFON/MARTINI 1787, 2/ 215
132
STRESEMANN 1941, 98
133
SPRINGER 2007, 259
22 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
eine Maus, Eidechse, oder Stücke davon, daher er den Namen Neuntödter
bekommen hat.“134 Der Zusatz „Neun-“ entspringt der Vorstellung, dass der
Vogel bis zu neun Beutestücke aufspießt, wobei einmal neun pro Tag gemeint
ist, oder auch die Obergrenze neun. Nach anderen Fabeln muss er erst neun
Tiere aufspießen, bevor er mit dem Fressen beginnen kann, bzw. muss er je-
den Tag neun Vögel fressen, um nicht zu sterben.
„Leider macht sich dieser so muntere und singfähige Vogel in anderer Hin-
sicht im höchsten Grade unbeliebt. … Naumann hat beobachtet, daß er jun-
ge Dorngrasmücken, gelbe Bachstelzen und Spießlerchen [Wiesenpieper] er-
würgte und fortschleppte.“135 Wegen der bei der Bevölkerung empfundenen
grausamen Eigenschaften kamen Namen wie „Neunmörder“ zustande und
im Englischen „Butcherbird“ oder „Murderingpie“.136
„Gemeiner“ und „Großer europäischer Neuntöter“ findet man 1791 bei
BECHSTEIN. Letzteren Namen hat BECHSTEIN 1802 in „Größter euro-
päischer Neuntöter“ verbessert.137
Den wohl schon früh verbreiteten Namen „Großer Neuntödter“ findet man
bei PERNAU (1702), GÖCHHAUSEN (1731) und ZORN (1743).
Blauer Neuntöter, Aschfarbiger Neuntöter: Die hellblaugrauen Gefieder-
bereiche waren wie bei anderen Würgern auch hier namengebend.
Thornkrätzer, Thornkraser: SPRINGER verband „Thornkrätzer“ und
„Thornträer“ mit den lateinischen „torquispinum oder „spinilanium“.138 Diese
Wörter beinhalten mit „-spinum“, „spini-“ Dorn, dornig, stechend, mit „tor-
qui-“ foltern, plagen, quälen und mit „-lanium“ Metzger.139
Großer Dorndreher: „Doctor Geßner hat diesem Vogel den Lateinischen
Namen [Lanius cinereus, der graue (Zer-)Fleischer] darumb gegeben, weil er
andere Vögel, so nicht allein kleiner, sondern auch größer sind als er, zerzerret
und zerreisset. Zu Teutsch wird er Dorndreher und Dornkrätzer darumb ge-
nennt, weil er die Käfer oder Vögelein, so von ihm gefangen worden, an einen
Dorn stecket, und daran umbdrehet und ertödtet.“140
Das Wort ist seit dem 16. Jahrhundert belegt und geht zurück auf das alt-
hochdeutsche Wort „dorndrâhil“.141
134
OKEN 1837, 84
135
BREHM 1866, 3/ 700
136
SUOLAHTI 1909, 147
137
BECHSTEIN 1791, 376 + 1802, 100
138
SPRINGER 2007, 260
139
PETSCHENIG (Kleiner Stowasser), 1971
140
GESSNER/HORST 1669, 152b
141
GRIMM/GRIMM 1984, 2/ 1294
PASSERES – SINGVÖGEL 23
142
FRISCH 1763, T. 61
143
FEHRINGER 1951, 104
144
OKEN 1937, 86
145
SUOLAHTI 1909, 151
146
OKEN 1937, 86
147
SUOLAHTI 1909, 16
148
FRISCH 1763, T. 59
24 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
„Im Sommer ist sein Aufenthalt in Wäldern und Gebirgen, im Winter kömmt
er auf die Ebenen, und nähert sich bewohnten Plätzen. Er horstet im Wald
oder in bergigen Gegenden, auf den höchsten Bäumen.“149
„Er nistet an Waldrändern in der Nähe von Viehweiden mit Gebüsch und
Wiesen, am liebsten, wo wilde Birnbäume und Dornbüsche sind, auf einem
hohen Baum.“150 „Ihr Flug ist schwankend und daher nennt man sie auch
Berg-Aelster.“151
Sperelster, Sperrelster: „Die Bildung Speralster, welche Popowitsch a. a.
O. aus Österreich angibt (in der Steiermark Sperrgalster), ist vielleicht aus
Spar-alster (Sperlingselster) entstanden.“152 Diese Deutung passt eher auf den
Neuntöter als auf den Raubwürger.
Straußelster: „Strauß“ bedeutet hier Kampf, Streit. So ist ein Straußhahn ein
Kampfläufer.153 Der Raubwürger wurde als zänkisch beschrieben.
Kruckelster: „Den Nahmen Kruckälster hat er vermuthlich von seinem vor-
nen etwas gebogenen schwarzen Schnabel.“ ADELUNG verwies auf eine
„Krücke“, einen krummen, gebogenen Gegenstand oder Werkzeug, mit dem
aber keine Gehhilfe gemeint war.154
Krauselster: Mit „kraus“ ist meist in irgendeiner Form krauses Haar gemeint.
Es kann sich aber auch auf Büsche und Bäume beziehen, „deren Laub von
jeher mit Haar verglichen ward.“155
Steinelster: Der Name wurde viel gebraucht, zitiert, dessen Herkunft aber
nicht erklärt. „Steinelster“ nannte man außer dem Neuntöter alle anderen
Würger. Alle haben ähnliche Lebensräume, nämlich sonnige offene bis halb-
offene, „steinige“ Landschaften. Die eigentliche Elster lebt zwar auch in sol-
chen Landschaften, braucht aber Wälder oder Gehölze zur Brut.156
Bei ADELUNG findet man einige mit „Stein-“ beginnende Vogelnamen, zu
denen er etwa schrieb: „Vermuthlich wegen ihres Aufenthaltes in felsigen und
gebirgigen Gegenden.“157
149
BUFFON/MARTINI 1787, 2/ 228
150
HECK 1849, (Bilderatlas) 1/ 454
151
OKEN 1837, 86
152
SUOLAHTI 1909, 152
153
ADELUNG 1801, 4/ 429
154
ADELUNG 1796, 2/ 1801
155
GRIMM/GRIMM 1984, 11/ 2089
156
BEZZEL 1993, 5/ 22 + 534
157
ADELUNG 1801, 4/ 336f
PASSERES – SINGVÖGEL 25
Wildelster, Wilde Elster: Diesen Namen hatte der Raubwürger vor allem
in Österreich.158 Das „Wild-“ im Namen bedeutet „unecht, uneigentlich.“159
Sinngemäß soll das heißen, dass der Vogel zwar „Elster“ genannt wird, aber
keine ist.
Wildwald: Bei analoger Anwendung von „Wild-“ wie bei dem vorigen Na-
men könnte man das Wort so deuten, dass der Raubwürger nur scheinbar ein
Waldvogel ist, weil er offenere Biotope bevorzugt. Der Name, den BECH-
STEIN schon 1791 zitierte, wird in der Literatur durchaus häufig genannt, er
wird aber nicht erklärt.
Wächter, Wachender Würgvogel: MÜLLER hat den Raubwürger „Wäch-
ter“ genannt „Weil er fleißig auf seiner Hut ist, die großen Habichte wahrzu-
nehmen, so pflegt er durch sein Geschrei die kleinen Vögel davon zu benach-
richtigen, daher man ihm den Namen ‚Excubitor‘ oder Wächter gegeben.“160
„Dem wehrlosen Getier gegenüber ist er recht forsch und draufgängerisch;
doch beherrscht ihn selbst eine auffallenden Raubvogelangst, und er zeigt
einen Sperber schon von weitem durch seinen schrillen Ruf an, der auch die
übrigen Vögel warnt, daher sein Name ‚excubitor‘, ‚der Wächter‘. Die Falkner
des Mittelalters benutzten diesen Meldedienst gern, wenn sie Beizvögel ein-
fangen wollten.“161
Abdecker: Das Wort wurde von MÜLLER aus dem französischen „Écor-
cheur“ mit „Abdecker“ übersetzt.162 Der Vogel lebt großenteils von kleinen
Wirbeltieren, die er mit kurzem Biss ins Genick tötet, also nicht mit den
Klauen würgt. Vögel rupft er vor dem Herausreißen mundgerechter Stücke,
er zieht ihnen scheinbar die Haut ab, „deckt“ sie ab, um an das Fleisch zu
kommen.163
Früher war der „Abdecker“ ein Beruf, den man auch „Schinder“ nannte.
Metzger, Metzcher: „Metzger“ ist der ins Deutsche übersetzte lateinische
Gattungsname „Lanius“. „Die Engelländer heißen sie Metscher-Vögel, oder
Butcher-Bird.“164
Waldhäher, Waldherr: „In manchen Gegenden werden die Würger als Els-
tern oder Häher benannt, wobei wohl das Geschrei der verbindende Ver-
158
POPOWITSCH 1780, 410
159
GRIMM/GRIMM 1984, 30 + 63
160
MÜLLER 1773, 113
161
FEHRINGER 1951, 104
162
MÜLLER 1773, 108
163
BREHM 3/ 695
164
MÜLLER 1773, 108
26 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
gleichspunkt ist. Gesner nennt die Ausdrücke Waldhäher und Waldherr aus
Freiburg [Schweiz].“165 Als „Waldhäher“ („Waldheher“) war der Eichelhäher
bekannt, als „Waldherr“ eher nicht. Dieser Name gehörte dem Neuntöter
und dem Raubwürger.
Buschfalk, Gebüschfalke, Buschfalke: Der Raubwürger ist überwiegend
Wartenjäger (2–5 m Höhe), der seine Beute am Boden schlägt. Er macht auch
kurze Rüttelflüge. Bei Mäusen landet er häufig neben der Beute, auf Vögel
stößt er herab. Nach Fehlstößen kommt es besonders im Winter zu langan-
dauernden Verfolgungsjagden.166 Zu Busch-, Gebüsch- siehe „Buschelster“.
Großer grauer Afterfalke: Würger wurden früher als Afterfalken bezeichnet,
was soviel heißt wie unechte, falsche Falken.167 Sie wurden allgemein erst im
Anschluss an die eigentlichen Greifvögel behandelt. Trotz der Unterschiede
im Körperbau sah man mit den Greifvögeln Gemeinsamkeiten im Verhalten.
„Diese kleinen Raubvögel gehören auch zu den Falken, und können After-
falken genennet werden.“168
Ottervogel, Bläulicher Ottervogel: „Ottervogel“ ist die genaue Übersetzung
des englischen, bei BUFFON/MARTINI zu findenden „Adder-bird“.169
Der Ottervogel oder Nattervogel ist eigentlich der Wendehals wegen seines
schlangenartig beweglichen Halses. Das passt nicht zum Raubwürger. NAU-
MANN verglich dessen Bogenflug mit einer Schlangenbewegung: „Ihr Flug
ist weder schnell noch lange dauernd, aber mit sehr geschwinder Flügelbewe-
gung und in schlangenförmigen Bogen, fast wie der Flug eines Spechtes.“170
Waldather: „Besser wol Waldatter (auch Attervogel, Ottervogel genannt).“
Der Name wurde schon von BUFFON genannt, ist also schon älter.171
165
SUOLAHTI 1909, 152
166
GLUTZ VON BLOTZHEIM/BAUER 1993, 13/ 1301f
167
GRIMM/GRIMM 1984, 1/ 186
168
KLEIN/REYGER 1760, 52
169
BUFFON/MARTINI 1787, 2 /216
170
NAUMANN 1822, 2/ 7
171
GRIMM/GRIMM 1984, 27/ 1093 und BUFFON/MARTINI 1787, 2/ 216
PASSERES – SINGVÖGEL 27
Krähenverwandte – Corvidae
„Diese Vögel haben einen scharfen Geruch, und sämmtlich die besondere Ei-
genschaft, allerlei glänzende Dinge zusammen zu tragen und zu verstecken. Es
sind sehr gesellige Vögel, die fast zu allen Jahreszeiten in Heerden beisammen
leben. … Es sind listige und gelehrige Vögel.“176
172
http://de.wikipedia.org/wiki/Südlicher_Raubwürger, Stand: 4.07.2012, verändert.
173
C. L. BREHM 1823, 86 und OKEN 1843, 9
174
BREHM 18795/ 486
175
http://de.wikipedia.org/wiki/Hesperiden, Stand: 11.09. 2011
176
NAUMANN 1822, 2/ 41
28 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
177
OKEN 1837, 339
178
BREHM 1866, 3/ 341 und STRESEMANN 1941, 80
179
BUFFON/OTTO 1781, 7/ 154
180
GRIMM/GRIMM 1984, 2/ 695
181
SUOLAHTI 1909, 190
PASSERES – SINGVÖGEL 29
Alprapp (Alpenrabe), bei den Rätiern Beenen [woraus auch Bernen werden
konnte], anderwärts Steinhetzen (zu Hetze, Elster).“182
Alpkray, Schneekrähe: Aus einigen Gegenden der Schweiz kennt man Schnê-
Chräje oder Alp-Chräje und Berg-Chräje für die Alpendohle.
Schneetahe, Tahen, Schneedachel, Dähe: Die Namen bedeuten „Schnee-
dohle, Dohle“. Dach(el) kommt von „dahle“, was „Dohle“ bedeutet. Dah-
le entstand aus dem ahd. taha. In der Schweiz auch dähi. „Schneetahe“ für
„Alpendohle“ kommt aus der Schweiz, „Schneedahe“ aus der Steiermark.
Taha war allerdings bei den Rätiern (Schweiz) eine Bezeichnung für die
Alpenkrähe, welche in Bayern – ähnlich – eine „Steintahe“ (nicht Schneeta-
he) genannt wurde.183
Flütäfi, Flüetäfi, Täfie, Däfi: Flü aus Fluh, das heißt in schweiz. Mundart
„Felswand“ (ahd. fluoh). Daraus entstand „Nagelfluh“, das ein Konglomerat
aus Geröllen, Kalksteinen und anderen Gesteinen bezeichnet und Lebens-
raum der Alpendohle ist. „Täfi“ kommt in der Schweiz aus „däfi“, das aus
„dahle“ entstand, dieses aus dem ahd. taha (s. o.).
Chächty: Auch „Chäch“ (etwa „Häher“) leitet sich über „Schneechächli“ und
„Schneedachel“ von „Dohle“ ab.184
Alpenamsel, Grosse Amsel der Alpen: BUFFON beschrieb die Darstellung
der Alpendohlenbeine bei verschiedenen Autoren, die sie von rot (GESS-
NER) über schwarz (BRISSON) bis gelb (im Winter) beschrieben hätten.
„Diese gelben Füße, und der Schnabel, welcher von gleicher Farbe, und viel
kleiner als an der Dohle ist, haben einigen Anlaß gegeben, die Bergdohle für
eine Amsel zu halten, und sie die große Amsel der Alpen zu nennen.“185
Auch GLOGER glaubte, gewisse Ähnlichkeiten der Alpendohlen mit Dros-
seln (Amseln) feststellen zu können. „Ein etwas drosselartiger Schnabel- und
Fußbau läßt sich dieser Art, gegen andere Arten der Rabengattung gehalten,
in der That nicht absprechen; was auch der Name Dohlendrossel besagen soll.
Die größere, wenn gleich bedingte Gesangsfähigkeit bietet, wie es scheint,
eine zweite Ähnlichkeit dar. … einen theils krähenden, theils volltönig und
amselartig pfeifenden Gesang.“186
Feuerrabe: „Feuer-rabe“ ist eine Übersetzung von „Pyrrho-corax“.
182
SUOLAHTI 1909, 190
183
SUOLAHTI 1909, 191
184
SUOLAHTI 1909, 190
185
BUFFON/OTTO 1781, 7/ 155
186
GLOGER 1834, 158
30 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
Riester, Ryestere: Beide Namen hatte die Alpendohle nur in einigen Gebie-
ten der Schweiz. Nicht nur bei VOIGT: „Bisweilen kommt er in die Thäler,
hinter den Pflugschaar …“, sondern auch bei NAUMANN: „Wenn sie dem
Landmann hinter dem Pfluge folgen“, liest man von der Neigung der Vögel,
in der Zeit der Bestellung der im Gebirge gelegenen Felder auf frisch gepflüg-
ten Äckern nach Nahrung zu suchen. Dieses Verhalten fällt deshalb auf, weil
sich die Alpendohlen normal in höheren Regionen befinden.187 Und es hat
wohl zu den Namen geführt: Laut GRIMM/GRIMM ist ein „Riester“ Teil
eines Pfluges (Pflugschar, Pflugsterze).188
Auch der Name „Plogstert“ (Pflugsterz) für die Bachstelze ist so entstanden.
187
VOIGT 1835, 162 und NAUMANN 1822, 2/ 120
188
GRIMM/GRIMM 1984, 14/ 953
189
OKEN 1837, 336
190
BREHM 1866, 3/ 334 und STRESEMANN 1941, 80
191
OTTO in BUFFON/OTTO 1781, 2/ 14
PASSERES – SINGVÖGEL 31
lichen Namen, die lediglich Verwirrung gestiftet hätten, wurden hier wegge-
lassen. Zuordnungskriterium war jeweils der rote Schnabel des Vogels.
BUFFONS „Steindohle“ wurde 1791 von BECHSTEIN übernommen, der
aber 1802 im Ornithologischen Tagebuch zum Begriff „Alpenkrähe“ wechselte
und 1805 zu „Schneekrähe“ (weil das die übliche Schweizer Bezeichnung ge-
wesen sei). NAUMANN (1822) bevorzugte den noch heute geltenden Begriff
„Alpenkrähe“ ( Corvus pyrrhocorax). OKEN (1837) wählte neben „Steinkrä-
he“ den Namen „Gemeiner Waldrabe“. Kurz vorher (1835) hatte VOIGT
den Vogel ebenfalls „Steindohle“ genannt. Obwohl BREHM ab der ersten
Auflage seines Tierlebens den Vogel „Alpenkrähe“ genannt hatte, wurde das
Namensdurcheinander noch 1902 von REICHENOW fortgesetzt, später
aber korrigiert.
Stein-Krähe: Die rotschnabelige Alpenkrähe ist kleiner als eine Krähe der
Gattung Corvus, mit der sie eigentlich nichts zu tun hat. Sie lebt wie die
Alpendohle auch im (steinigen) Hochgebirge, ist allerdings kein solcher Hoch-
gebirgsvogel wie diese. Die Zuordnungen der Begriffe „Dohle“ und „Krähe“
zur Alpendohle und Alpenkrähe waren nach WEMBER willkürlich.192
Steinrabe, Steinalpenrabe, Alpenrabe, Gebirgsrabe: Größere schwarze Vö-
gel, vor allem, wenn keine Notwendigkeit genauerer Bezeichnung besteht,
gelten heute noch als Raben.
Rotbeinige Krähe: Die Alpenkrähe hat rote Beine, wie auch die Alpendohle.
Allerdings wird die Beinfarbe der Alpendohle nicht immer als rot beschrie-
ben, sondern auch als orangerot, gelb oder auch schwarz. Der Ausdruck ist
wahrscheinlich ein Kunstname für die Alpenkrähe von BECHSTEIN.193
Feuerrabe: „Feuer-rabe“ ist eine Übersetzung von „Pyrrho-corax“ (s. auch bei
Alpendohle).
Krähendohle, Schwarze Krähendohle: Aus bekannten Namen wie „Krähe“
und „Dohle“ wurden neue gebildet, um einen Vogel zu kennzeichnen, der
eben keine ( Corvus-)Dohle oder ( Corvus-)Krähe ist. BREHM: Die Alpen-
krähe erinnere lebhaft an die Dohle, fliege aber leichter und zierlicher und sei
noch klüger und vorsichtiger als diese.194 Das gilt auch für den Lebensraum:
Dohlen leben nicht im Hochgebirge. Krähendohlen waren nur die Alpenkrä-
hen, nicht die Alpendohlen.
192
WEMBER 2005, 149
193
BECHSTEIN 1805, 3/ 1238
194
BREHM 1866, 335
32 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
Die Autoren, deren Trivialnamen hier bearbeitet werden, hatten folgende Be-
griffe der Alpenkrähe zugeordnet. Sie gehören zum Waldrapp und werden
unter „Waldrapp“ behandelt.
Waldrapp, Klausrabe, Eremit, Thurmwiedehopf, Scheller, Waldrabe, Ge-
meiner Waldrabe, Steinrapp, Alpenrabe.
195
GRIMM/GRIMM 15/ 2474
196
BUFFON/OTTO 1781, 7/6
197
NAUMANN 1822, 2/ 107
198
GRIMM/GRIMM 1984, 3/ 1221
PASSERES – SINGVÖGEL 33
BECHSTEIN bildete den Vogel 1805 zwar auch noch ab, bezweifelte aber
seine Existenz. „Er bespricht den Waldraben unter ‚Corvus graculus‘, scheint
also der Ansicht, daß er ein künstlich ausgeschmücktes, aus einer Alpenkrähe
hergestelltes Präparat gewesen sei. Der ‚Waldrapp‘ fiel damit der Vergessen-
heit anheim, er war ausgestorben in der Natur und Literatur“.199 So schien es
aber nur. Es wurde nämlich in der Natur noch weitergesucht. Man brauchte
einen Vogel, auf den die Beschreibung GESSNERS einigermaßen passte.
Irgenwann entstand die Überzeugung, diesen Vogel in der Alpenkrähe ge-
funden zu haben. NAUMANN dazu: „Nach den genauesten Untersuchun-
gen der neuesten und würdigsten Naturforscher der Schweiz ist C. Geßners
Waldrapp ( Corvus sylvaticus Gessn. oder Corvus Eremita Linn.) unbezweifelt
unsere Steinkrähe.“200
Die Trivialnamen für die Alpenkrähe hatten sich in der Folge mit denen für
den Waldrapp vermischt. Es dauerte bis zum Jahr 1901, als HENNICKE in
der Neuausgabe des NAUMANN zu entmischen begann und einige Trivial-
namen angab, die den Waldrapp und nicht die Alpenkrähe betrafen: „Eremit,
Eremitrabe, Berg- oder Schweizereremit, Turmwiedehopf, Klausrapp.“201
Dazu kommen weitere Trivialnamen, die vorher der Alpenkrähe zugeordnet
worden waren und im Rahmen dieser Bearbeitung auf den Waldrapp übertra-
gen wurden: „Waldrapp, Alpenrabe, Klausrabe, [Eremit, Thurmwiedehopf ],
Scheller, Waldrabe, Gemeiner Waldrabe, Steinrapp.“
Waldrabe, Gemeiner Waldrabe, Klausrapp, Steinrapp: Unter der Über-
schrift „Von dem Wald-Raben. Corvus sylvaticus“ schrieb GESSNER: „Der
Vogel/ welches Figur hie verzeichnet stehet/ wird von den unsern gemeinig-
lich ein Wald-Rab genennet/ dieweil er in den einöden Wäldern wohnet: da er
dann in den hohen Felsen/ oder alten Türmen und Schlössern nistet/ daher er
auch ein Steinrab genennet wird/ und anderswo in Bayern und Steyrmark ein
Klaußrab/ von den Felsen und engen Klausen/ darin er sein Nest macht.“202
„In der That hat der Vogel viel Rabenartiges in seinem Gefieder. Der Rabe hat
auch ein purpurnes, oft bronzegläzendes Feld im Flügel und einen ähnlich
verteilten Farbenschiller. Da tiefere Schwarz des Raben läßt nur gewisserma-
ßen die Metallfarben nicht so deutlich zur Geltung kommen.“203
199
KLEINSCHMIDT in: NAUMANN/HENNICKE 1897, 7/ 201
200
NAUMANN 1822, 2/ 121
201
NAUMANN/HENNICKE 1901, 4/ 48
202
GESSNER/HORST 1669, 24b
203
KLEINSCHMIDT in: NAUMANN/HENNICKE 1897, 7/ 201
34 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
204
http://de.wikipedia.org/wiki/Waldrapp, Stand: 10.10.2011
205
BEAMAN/MADGE1998, 112
206
KLEINSCHMIDT in: NAUMANN/HENNICKE 1897, 7/ 201
207
GESSNER/HORST 1669, 24b
208
ZUM LAMM 2000, 84
209
ZUM LAMM 2000, 85
PASSERES – SINGVÖGEL 35
eine Klosterzelle oder eine Einsiedelei, die ein Eremit bewohnt. So entstanden
die falschen Vorstellungen von dem Waldrapp als Einzelgänger, denen auch
LINNÉ 1758 bei der Namensvergabe „Upupa eremita“ erlag (s. u.).
Thurmwiedehopf: „Als nun LINNÉ im Jahre 1758 die bekannten, ihm
selbst aber zum Teil nur aus Büchern bekannten Vogelarten in X. Ausgabe
seines Natursystems klassifizierte, gab er dem Waldrapp den Namen ‚eremita‘
(Klausner, Klausrapp) und stellte ihn vermutlich auf Grund der ALBINschen
Abbildung wegen des darauf sehr deutlich gezeichneten gebogenen Schnabels
und der Haube zu den Wiedehopfen als ‚Upupa eremita‘. Nach dem ersten
Grundsatz unserer Nomenklatur: ‚Ein Name ist nur ein Name‘, ist damit
der Vogel wissenschaftlich benannt, obgleich er weder ein Eremit ist (er lebt
im Gegenteil gesellig) noch mit den Wiehopfen irgendwelche Verwandschaft
zeigt.
Im Jahre 1766 stellte LINNÉ den Vogel in die Gattung ‚Corvus‘ und da blieb
er fortan stehen.“210
„In den rhätischen Gebirgen nistet er mitunter auf den Kirchthürmen der
oberen Bergdörfer, nach Art der Dohle.“211
Scheller: „Stimme wie Kuhschelle, …, Ka ka, kä, kä!, daher Scheller.“212 „Von
seiner Stimm wird er auch ein Scheller geheissen.“213
210
KLEINSCHMIDT in: NAUMANN/HENNICKE 1897, 7/ 202
211
BREHM 1866, 3/ 334
212
OKEN 1816, 469
213
GESSNER/HORST 1669, 24b
36 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
214
http://de.wikipedia.org/wiki/Blauelster, Stand: 21.09.2011
215
SCHINZ 1840, 145 und BREHM 1866, 3/ 374
216
SVENSSON et al. 2011, 360
217
KÖHLER 1908, 20
PASSERES – SINGVÖGEL 37
einem Walde über den Weg, so hält man das sonderbarer Weise für eine böse
Vorbedeutung.“218
Im Volksglauben gilt die Elster als zänkisch, geschwätzig und diebisch. Daher
kommt die Redensart, dass jemand wie eine Elster (Rabe) stiehlt. Am ver-
breitetsten ist der Ruf der Elster als einer schimpfenden Schwätzerin. Dass
dieser Ruf auch schon sehr alt ist, bezeugt OVID in seinen Metamorphosen,
wo eine Frau in eine Elster verwandelt wird.219
Elster, Gemeine Elster, Europäische Elster: Die überlieferten althoch-
deutschen Belegformen lassen sich auf zwei Grundformen „ag-alstra“ und
„ag-astra“ zurückführen, von denen die Erstere die normale althochdeutsche
Benennung ist.“220 „Agalstra“ ist lautmalend und urverwandt mit dem grie-
chischen „gelân (lachen) und „kaleîn“ (rufen) oder dem lateinischen „gal-
lus“(der Schreier).221
Das Wort „Elster“ gibt es seit dem 16./17. Jahrhundert.222 Es kann aus „agel-
ster“ abgeleitet werden. Daneben gibt es in der heutigen Volkssprache noch
die ähnlichen „Alaster“, „Schalaster“, „Scholaster“. Aus der Analyse des Wor-
tes „agalastra“ erfährt man die Bedeutung, den Inhalt des Wortes „Elster“,
nämlich „schreiender Zaubervogel“. Ein Zaubervogel ist die Elster wegen
ihrer schönen, „bunten“ Farben. Dialekte wandelten die alten Namen. So
sind Ägerst, Egerste schwäbische Abwandlungen, niederdeutsch sind Agester,
Egester, Hexter, Heister.223
„bei jedermann an allen orten
konnten sie von der weisheit schwetzen,
gleichwie die elstern un die hetzen (heher)“. (Hans SACHS um 1560)
„ein elster dunkt sich stolz und klug
sie etzet sehr und trieb viel mancherlei geschwetz,
hub an und tanzet mit ihrem elsterschwanz,
den schlug sie ofte nieder,
und hub ihn auf bald wieder. (Hofmann)
(Quellen: GRIMM/GRIMM224).
Acholaster, Agerist, Agerluster, Alelster, Algarde, Algarte, Argerst, Aster,
Egerste, Heste, Hetsche: Alle vorstehenden und nachfolgenden Begriffe be-
218
OKEN 1837, 346
219
RÖHRICH 1973, 236 und OVID V, 296
220
SUOLAHTI 1909, 192
221
ZUM LAMM 200, 295
222
KLUGE 1905, 94
223
GRIMM/GRIMM 1984, 1/ 189
224
GRIMM/GRIMM 1984, 3/ 417
38 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
225
SUOLAHTI 1909, 195
226
GRIMM/GRIMM 1984, 189
227
SUOLAHTI1909, 195
228
KLUGE 1905, 94
229
SUOLAHTI 1909, 195
230
ANZINGER 1911, 7/ 52
231
WEBER, Ökonom. Lex. 1838, 15
232
SUOLAHTI 1909, 196
233
KLUGE 1905, 94
234
SUOLAHTI 1909, 194
PASSERES – SINGVÖGEL 39
Egester, Heister: Diese Begriffe sind Lautformen, die im Laufe der Sprach-
entwicklung im Mittelniederdeutschen auftraten.235 Den Namen „Heister“,
den es auf den nordfriesischen Inseln und Helgoland gibt/gab, kann man
heute auch noch in Nordfriesland hören.236
Heister, Hêster: Heute findet man auf niederländisch-niederdeutschem
Sprachboden diese Elster-Namen, z. B. in Ostfriesland oder Pommern.237
Hetze: Den Namen findet man im Straßburger Vogelbuch von 1554. Heute
noch nennt man die Elster so in Schwaben vom oberen Neckar bis in den
äußersten Norden des Landes.238
Häster: Bei Häster handelt es sich um einen Namen aus Norddeutschland.239
Hutsche: Hutsche ist ein alter Name für die Elster. Möglicherweise hat die
Existenz des Wortes „hutschen“ die Namensbildung aus einem anderslauten-
den Begrif, z. B. Hetsche, begünstigt. Das Wort „hutschen“ war weit ver-
breitet und hatte oft ähnlichen Inhalt: auf dem Boden gleiten, am Boden
kriechen (niederd.), auf dem Hintern fortrutschen (rhein.) u. a. Die Elster
sucht ihre Nahrung bevorzugt am Boden und bewegt sich dabei auf typische
Weise, aber nicht kriechend, rutschend(!) fort (o. Qu.).
Schalaster: Dieser Elster-Name findet sich im Anhalter Dialekt und in Böh-
men, als „Schalàster“ auch in Schlesien und Siebenbürgen.240
Gartenkrähe, Gartenrabe: Die Elster ist seit ältesten Zeiten nicht aus der Be-
gleitung der Menschen in und um Deutschland wegzudenken. Seit es Häuser,
Siedlungen gab, gab es auch Elstern in der Nähe. Als Bewohner des offenen
bis halboffenen Kulturlandes lebt die Elster auch auf Höfen, in Dörfern in
Menschennähe (Gärten, Parks). Die Namen zeigen auch, dass man schon
länger die Zugehörigkeit der Elster zu den Rabenvögeln annahm. Welchen
enormen Einfluss diese Vogelart auf die Menschen hatte, zeigt ihre Rolle im
Volksglauben, nachzulesen bei GATTIKER/GATTIKER.241
Keckersch: Das heisere, anhaltende unmelodische Keckern (Schackern) der
Elster ist überall bekannt und führte zur Namensgebung.
235
SUOLAHTI 1909, 197
236
SCHMIDT/COLMORGEN 1990, 286
237
SUOLAHTI 1909, 197
238
SUOLAHTI 1909, 193
239
DUDEN 7, 1963/ 135
240
SUOLAHTI 1909, 196
241
GATTIKER/GATTIKER 1989, ab 166
40 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
242
KRÜNITZ 1791, 54/ 118
243
NAUMANN 1822, 2/ 101
244
SUOLAHTI 1909, 197
245
KÖHLER 1908, 17
246
SUOLAHTI 1909, 198
247
CURTMANN/WALTER 1846, 271
248
OKEN 1837, 341
PASSERES – SINGVÖGEL 41
249
BECHSTEIN 1791, 449
250
ANZINGER 1911, 7/ 52
251
SPRINGER 2007, 272
252
GESSNER/HORST 1669, 30b
253
GATTIKER/GATTIKER 1989, 161
254
BECHSTEIN 1805, 2/ 1243
255
BECHSTEIN 1805, 2/ 1243
256
SUOLAHTI 1909, 202
257
HOFFMANN 1937, 14
42 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
man bei KLEIN findet, entstanden. Dazu könnte „Heher“ zu „Hêr“ kontra-
hiert worden sein.258
Heerholz: „In einigen Gegenden ein Nahme des Holzhähers, aus welchem
Worte derselbe auch verderbt ist.“259
Heier, Holzheister, Nussheyer: „Heigster“ bedeutete in Ostpreußen „Hä-
her“. „Holz-“ steht für Wald. Ähnliche Namen mit gleicher Bedeutung gibt
es auch für die Elster.
Herenvogel, Herrenvogel, Herrnvogel, Herre: Grundlage dieser Namen
ist das ahd. „hëhara“ für „Häher“. Über „here“, „heera“ entstanden in der
Schweiz „Hêr“, „Hêre“, „Hêrenvogel“.260 Diese Lautformen wurden volks-
etymologisch auch mit Hêr, „Herr“ in Zusammenhang gebracht, wie man bei
KRÜNITZ lesen kann: „Entweder als eine verderbte Aussprache des Wortes
Häher, oder auch so fern er wegen seiner bunten Farben, spaßhaften Stellun-
gen und Gelehrigkeit von vornehmen Personen ehedem mehr geliebt wurde,
als jetzt geschieht.“261
„Herrenvogel“ stammt laut GESSNER (1585) aus der Nähe von Freiburg/
Schweiz, „Herrnvogel“ wurde 1781 von BUFFON/OTTO angeführt.262
Hornvogel, Horrevogel: Möglicherweise stammen die Namen von Herrn-
und Herrenvogel ab, Namen, die sich auf die Stimme des Eichelhähers be-
ziehen. Die früheste Quelle für „Horrevogel“ war (auch für DONNDORF)
BECHSTEIN. Dennoch wird kein Kunstname vermutet, sondern eher eine
Bildung aus „Herrenvogel“.263
Markolf, Markolfus, Margolf, Margolfus, Marquard, Markwart, Mur-
kolf: „Er ist ein unruhiger, vorsichtiger Vogel, der gleich wegfliegt mit einem
lauten Geschrey gäk, aber nicht weit; er maut wie eine Katze, ruft Marcolfus
und ahmt andere Vögel nach; dabey macht er immer tiefe Verbeugungen und
hüpft beständig herum.“264 Nicht nur OKEN lag mit dieser Deutung falsch.
Richtig ist, dass der Eichelhäher nach dem Spötter Markolf der Heldensage
benannt worden ist. Der Häher als geschickter Nachahmer von Stimmen an-
derer Vögel ist ein Spötter, wie z. B. auch der Gelbspötter. Als Spötter wurde
er schon in dem angelsächsischen Runenrätsel dargestellt.265
258
FRISCHBIER 1882, 1/ 286 und KLEIN 1750, 61 und SUOLAHTI 1909, 204
259
ADELUNG 1796, 2/ 1053
260
SUOLAHTI 1909, 200
261
KRÜNITZ 1780, 20/ 637
262
SPRINGER 2007, 272 und BUFFON/OTTO 7, 219
263
BECHSTEIN 1791, 449
264
OKEN 1837, 341
265
SUOLAHTI 1909, 202
PASSERES – SINGVÖGEL 43
„Der geschwätzige lustige Vogel gilt nach der gemeinen Anschauung als Spaß-
macher unter den Vögeln des Waldes, daher er auch Markolt, Markwart, Mar-
kolf, Bruder Markolf, Bruder Morolf genannt wird.“266
„Er wird bald kirre und ist dann durch seine Bewegungen sehr unterhal-
tend.“267
Jäck, Jeck, Jäckel, Nußjäck, Nussjeck: In Schwaben gab es den Ausdruck
„Jäck“, in Voralberg „Jäcke“ als Kurzform des Eigennamens „Jakob, Jaques“.
Allerdings ist auch in Preußen „Jäckel“ die Bezeichnung für den Häher.268
Auch GESSNER kannte schon „Jaeck“.269 „Da in Frankreich Jaques als Name
des Hähers sehr weit verbreitet ist, so darf man wohl für die deutschen Aus-
drücke romanischen Ursprung annehmen.“270 Bei „Nußjäck“ ist die bevor-
zugte Nahrung Teil des Namens.
Eine Verbindung zum Rheinischen, wo Jeck ein Spaßmacher ist, liegt hier
nicht vor.
Fäck: Der Name ist aus „Jäck“ (s. o.) verfälscht worden.
Gäckser: Hühner gäcksen (gacksen), wenn sie ein Ei gelegt haben: „Nit an-
derst dan wie ein henn thůt die ein ei hat geleit, die gaxet das haus vol in allen
winkeln, sie hat kein růg dan bisz sie sich selber darumb bringt und bisz man
ir das ei dannen (weg) nimpt.“ NAUMANN beschrieb die Fähigkeiten des
Vogels der Stimmnachahmung: „… bald wechselte er mit dem nachgemach-
ten Gackern eines Haushuhns, wenn es ein Ei gelegt hat, und mit dem hellen
Kickerikie des ihm nahenden Haushahns so possierlich ab, dass man nicht
wußte, woran man war, bis man dem Vogel nachschlich und ihn erkannte.“271
Nußhäher, Nußheher, Nußhacker, Nusshecker, Nussbeisser: Hasel- und
andere Nüsse, die er im Wald findet, gehören zur Lieblingsnahrung des Eichel-
hähers. „Nußhecker“ wird in diesem Fall aus „Nußhacker“ abzuleiten sein.
Holzschrat: Der Begriff wurde aus dem mecklenburgischen „Holtschrâg ab-
geleitet“, das mit „Waldschreier“ übersetzt werden kann.272
Eichelhabicht: Über den Eichelhäher gab es durchaus auch schlechte Mei-
nungen. Weil er auch als Nesträuber bekannt war, der Eier und Junge frisst,
galt er als „Raubvogel, welcher sich in den europäischen Gehölzen aufhält,
266
GRIMM/GRIMM 1984, 10/ 158
267
VOIGT 1835, 159
268
SUOLAHTI 1909, 201
269
SPRINGER 2007, 272
270
SUOLAHTI 1909, 201
271
GRIMM/GRIMM 1984, 4/ 1130 und NAUMANN 1822, 2/ 122
272
SUOLAHTI 1909, 202
44 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
wo er fast beständig schreyt, von Eicheln und Nüssen lebt, auch wohl auf die
Saat, junge Erbsen und Kirschen fällt.“273
Hayart, Baumhayel: Ein Hay ist in einigen Gegenden ein gehägter Wald, ein
Hag. Ein Hayart wäre dann ein „Waldvogel“, der sich in Bäumen (Baumhayel)
aufhält.274 Dazu passt, dass es einen Trivialnamen des Eichelhähers „Baumha-
gel“ gibt (o. Qu.).
Bräfaxter: BECHSTEIN hatte 1805 den Namen „Bräsaxter“ angeführt. Bei
NAUMANN gab es bei der Übernahme des Begriffs offensichtlich einen Feh-
ler: In der Originalausgabe des NAUMANN steht „Bräfaxter“. Das könnte
an der Ähnlichkeit von f und s in der benutzten alten deutschen Druckschrift
gelegen haben.275
Wahrscheinlich handelt es sich um eine Abwandlung von „Broesexter“, wel-
ches Wort man bei BUFFON/OTTO findet.276
Noch früher und noch etwas anders erschien der Name bei GESSNER: Der
Häher hieß dort „Niederländisch Broeckexter“. ALDROVANDI hat diesen
Namen in sein Kapitel „De Pica Glandaria“ übernommen als „Brabantinis
Broeckexter, quasi Pica palustris“. Pica palustris kann man mit „Sumpfelster“
übersetzen. Weil das aber wenig Sinn gibt, wäre (Bruch-)Waldelster ange-
brachter.277
Matschke: Im Italienischen ist das Wort „matto“ ein Narr, im Leben des Mit-
telalters war es mattus, welche beide den gleichen Ursprung wie Matz (Mat-
thäus, Matthias) haben können. Man hört für „Matz“ auch „Matschke“, vom
polnischen „Maczek“ (spr. Matschek), und das gewöhnlich in spottendem
Sinne. Wenn Matschke in der Pansche sitzt, befindet er sich in Verlegenheit.
Von dem Gebrauch des Namens „Matz“ mag es wohl auch kommen, dass
man einen Star, einen Matz oder Starmatz nennt, wegen seiner paar gelernten
Wörter, „die oft dumm genug sind, und die er beständig wiederholt“. Dies
hat man dann ausgedehnt und nennt einen Vogel, den man z. B. im Bauer
aufmuntert, Mätzchen, Matschke, Matz.
Der „Matschke“ erschien bei NAUMANN, der den Eigenschaften des Eichel-
hähers sehr zugetan war: „Es ist ein munterer, kecker, listiger und äusserst ver-
schlagener Vogel, der mit allerlei possierlichen Stellungen wechselt.“278
273
KRÜNITZ 1780, 20/ 637
274
ADELUNG 1796, 2/ 1040
275
BECHSTEIN 1805, 2/ 1243 und NAUMANN 1822, 2/ 122
276
BUFFON/OTTO 1781, 7/ 219
277
GESSNER/HORST 1669, 30b und ALDROVANDI 1681, 788
278
BERND 1820, 70 und NAUMANN 1822, 2/ 122
PASSERES – SINGVÖGEL 45
279
GLOGER 1834, 141
280
SUOLAHTI 1909, 198
281
http://gruppen.greenpeace.de/central/weblogs/gpred/archives/2005/04/tierkunde_ungla.html,
Stand: 19.09.2011
46 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
oft kleine Vögel fangen und frißt auch große in Schlingen an, wie Wald- und
Auerhühner, zum großen Aerger der Vogelfänger.“282
Schreihäher: „Unglückshäher informieren ihre Artgenossen mit über 25
spezifischen Rufen über ihre Feinde. Dies fanden Biologen der Universität
Uppsala in Schweden heraus, als sie die Reaktion der Tiere auf Attrappen von
Eulen und Habichten testeten.
Die kommunikativen Vögel teilen mit, um welchen Feind es sich handelt und
wie groß die von ihm ausgehende Gefahr ist. In Familiengruppen ertönen die
Warnrufe häufiger als bei nicht verwandten Vögeln.“283
Rothschwänziger Häher, Rothschwänziger Heher: Der drosselgroße Vo-
gel hat ein rötlichgraubraunes Gefieder, einen dunkler braunen Scheitel und
etwas heller braunweiße Kehle. An den Schwanzseiten, an der Schwanzbasis
und auf dem Handflügel ist er rostrot.284
282
OKEN 1837, 342
283
FOCUS 25, 2009
284
SVENSSON et al. 2011, 362
285
BEZZEL 1995, 477
PASSERES – SINGVÖGEL 47
286
KRÜNITZ 1789, 46/ 520
287
BREHM 1879, 5/ 446
288
http://www.ausflug.tirol.at/xxl/de/home/_articleId/1477139/index.html, Stand: 27.09.2011
289
ANZINGER 1911, 7/ 52
48 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
den mittäglichen Gegenden desselben, und selten weiter hin.“290 „Die Italiä-
ner nennen ihn die alpische Berg- und Steinmerle.“291
Beim Eichelhäher steht zu „Jäck“: In Schwaben gab es den Ausdruck „Jäck“,
in Voralberg „Jäcke“ als Kurzform des Eigennamens „Jakob“. Allerdings ist
auch in Preußen „Jäckel“ die Bezeichnung für den Häher. Auch GESSNER
kannte schon „Jaeck“.292
Birkhäher, Birkheher: „Birghäher“ bezeichnet ihn als Gebirgsvogel.293
Nußhäher, Nußheher, Nußrabe, Gemeiner Nußknacker, Nußknacker,
Nußbeißer, Nußpicker, Nußbrecher: Die Tannenhäher „nähren sich Herbst
von Haselnüssen, denen sie den ganzen September und October durch nach-
fliegen, von Bucheckern, Eicheln, Ebereschenbeeren … Um die Haselnüsse,
Eicheln und Bucheckern leicht aufknacken zu können, dazu dient ihnen der
erhabene harte Leisten im Unterkiefer, … Sie können mit leichter Mühe eine
Haselnuß öffnen, und es knackt so stark, daß man sie im Haselgebüsch die-
selben eher öffnen höret, als man sie zu sehen bekömmt.“294
„Nußheher“ war der Leitname bei BUFFON/OTTO.295
Nußkrähe: BECHSTEIN nannte den Tannenhäher „Die Nußkrähe oder der
Tannenheher“. Da der Schnabel etwas von einem Krähenschnabel und einem
Spechtschnabel hätte, „so haben ihn die neuern französischen Naturforscher
getrennt und machen eine besondere Gattung aus ihm. Ich halte es nicht für
nötig.“ Er stellte die Art weiterhin zu „Corvus“ ( Corvus Caryocatactes), was die
-„krähe“ im Namen erklärt.296
Nußkretscher, Kretscher: Eine andere Schreibweise ist (Nuß-)„Krätscher“.
Krätschen bedeutet „grell schreien“.297
Nußjäägg: In der Schweiz gibt es den Namen „Nußjäk“ mit der Bedeutung
„Nußhäher“.298
Schwarzheher, Schwarzer Nußhäher, Schwarzer Holzschreier: Das dun-
kelbraune, mit weißen Flecken übersäte Gefieder wurde von einigen Autoren
auch als „schwarzbraun“ bezeichnet. HALLE unterschied von ihm eine rot-
braune Variante. Er nannte sie „Rothbrauner Nußheher“ und „Schwarzbrau-
290
BUFFON/OTTO 1781, 7/ 255
291
GOEZE/ DONNDORF 1794, 497
292
SUOLAHTI 1909, 201 und SPRINGER 2007, 272
293
SUOLAHTI 1909, 206
294
BECHSTEIN 1805, 2/ 1264
295
BUFFON/OTTO 1781, 7/ 251
296
BECHSTEIN 1805, 2/ 1257 + 1258
297
GRIMM/GRIMM 1984, 11/ 2069
298
SUOLAHTI 1909, 205
PASSERES – SINGVÖGEL 49
ner Tannenheher“.299 „Die Farbe ist schwarzbraun, weiß getröpft“ und: „Das
Weibchen ist mehr rost- als schwarzbraun.“ Der alte Ausdruck „Holzschreier“
(EBER und PEUCER 1552: „Holtzschreyer“ für den Eichelhäher) wurde zu
Recht vom Eichelhäher übernommen („Holz“ ist Wald).300 „Schreit laut, un-
angenehm Grä grä grä! auf Baumspitzen unaufhörlich. … merkt er einen
Jäger, so schreit er gewaltig, und verscheucht das Wild.“301
Tannenelster: „Uebrigens hat er viele Aehnlichkeit mit diesen beyden Arten
der Vögel [Häher, Elster], und die mehresten Naturkündiger, die nicht an
ihr System gebunden sind, haben keine Schwierigkeit gemacht, ihn bey den
Hehern und Elstern, und sogar bey der Dohle, welche, wie man weiß, den
Elstern sehr ähnlich, aufzustellen; aber man sagt, er sei noch geschwätziger als
diese Vögel.“302
Spechtrabe, Gefleckter Spechtrabe: „Dieser Vogel scheint halb Rabe, halb
Specht zu sein.“ Er hüpft mit großer Geschicklichkeit auf den Ästen und
Stauden herum und klebt sich wie die Meisen so an den Stamm, als ob er
an dem Baum herumklettere. „Wie ein Specht hängt er sich an Stämme und
Zweige, und wie ein Specht meiselt er mit seinem scharfen Schnabel in der
Rinde desselben.“303
Gefleckt ist er, „obgleich der Nußheher kein glänzendes Gefieder hat, so fällt
dasselbe doch, durch die weißen dreyeckigen Flecken, welche, ausgenommen
auf dem Kopf, überall zerstreut sind, sehr in die Augen.“304
Türkischer Holzschreier, Türkischer Vogel, Italienischer Vogel, Afrika-
nischer Vogel: „Den Namen ‚Türkscher Holzheher‘ hat Nucifraga, schreibt
FRISCH, vom Pöbel bekommen, welcher alles, was nicht oft gesehen wird
und unbekannt ist, von einem weit entfernten Lande herschelten.“ Als „Tür-
kischer Holzschreier“ wurde der Tannenhäher im Gebiet des brandenburgi-
schen Luckenwalde bezeichnet.305
„Die gemeinen Leute in Deutschland haben sie den türkischen, den italiäni-
schen, den afrikanischen Vogel genannt; und man weiß, daß in der Sprache
des Volkes diese Nahmen nicht einem Vogel, sondern einem fremden Vogel,
dessen Vaterland man nicht kennt, bedeuten.“306
299
HALLE 1760, 261
300
BECHSTEIN 1805, 2/ 1257
301
OKEN 1816, 466
302
BUFFON/OTTO 1781, 7/ 253
303
GOEZE/DONNDORF 1794, 499 und BREHM 1879, 5/ 448
304
BUFFON/OTTO 1781, 7/ 255
305
SCHALOW 1919, 493
306
BUFFON/OTTO 1781, 7/ 255
50 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
307
OKEN 1816, 466 und KRÜNITZ 1787, 40/ 346
308
BECHSTEIN 1791, 459
309
BREHM 1879, 5/ 446 und GRIMM/GRIMM 1884, 13/ 2064
310
RINK 1997, 125 + 53 + 66
PASSERES – SINGVÖGEL 51
Im älteren Neuhochdeutsch gab es dann zwei Namen für die Dohle, „ein
Schwanken zwischen Dohle – Dahle“, das FRISCH 1741 zugunsten von
„Dohle“ entschied. Im 16. Jahrhundert herrschte in Südwestdeutschland
„Tul“, „Tule“ vor, das sich bis in die Neuzeit im schwäbisch-schweizerischen
Raum erhalten hat.311
„Taha“ ist wahrscheinlich eine lautnachahmende Bildung aus dem Lockruf
des Vogels. „Dalen“, „tallen“, „tullen“ bedeutet schwatzen. Danach hat der
Vogel seine Namen wegen der sprichwörtlich gewordenen Geschwätzigkeit
erhalten.312
Das Wort „Dohle“ lässt sich bis ins 13. Jahrhundert zurückverfolgen. Die
lautliche Übereinstimmung mit dem zweiten Teil des Wortes „monedula“ ist
ohne Zweifel zufällig.313
Gemeine Dohle: Der Name „Dohle“ schloss auch die „Bergdohle“ (Alpen-
dohle) und die „Steindohle“ (Alpenkrähe) mit ein: „Zwey Verwandte unsrer
gemeinen Dohlen, die Bergdohle und die Steindohle, werden in Deutschland
selten oder gar nicht gesehen.“314 Außerdem unterschied man einige Variatio-
nen, z. B. eine „Schwarze Dohle“ u. a. (s. u.). Die „Gemeine Dohle“ ist nur
die bekannte Form „Corvus monedula“.
Doole, Tole, Thole, Duhle, Dhul, Tul, Thule, Doel: „Verschieden von ahd.
‚taha‘, obgleich identisch damit angesehen, ist unser neuhochdeutsches Wort
‚Dohle‘. Die Geschichte desselben lässt sich bis ins 13. Jahrhundert zurück-
verfolgen. Zuerst erscheint ‚tole‘, … im 14. Jahrhundert ‚tul‘ … .“ Alle Na-
men sind als Abwandlungen von „tole“ zu verstehen. „Dol“ und „Dul“ wer-
den im Straßburger Vogelbuch von 1554 erwähnt.315
Als „Tole“ bezeichnete GESSNER den Vogel.316
Graue Dohle, Schwarze Dohle: Die Dohle ist ein kleiner (30–34 cm lang),
überwiegend schwarzer Krähenvogel. Nacken und Kopfseiten sind grau, Keh-
le und Scheitel schwarz. Beide Namen stammen von FRISCH (1763), der
sie auf den Tafeln 67 und 68 abgebildet hat. Die „Graue Dohle“ ist die be-
kannte Form. Zur „Schwarzen Dohle“ schrieb er: „Diese hat mit der vorigen
Art der Natur nach alles gemein, auch das beständige Stehlen, da sie Geld,
Ringe, Ohrengehänge und alle gläntzende kleine Dinge, verstecken und in
ihre Nester tragen. Sie unterscheidet sich aber in der Farbe, denn diese Art
311
KLUGE 1905, 79
312
SUOLAHTI 1909, 187 und GRIMM/GRIMM 1984, 2/ 695
313
SUOLAHTI 1909, 185
314
FUNKE 1805, 1/ 309
315
SUOLAHTI 1909, 187
316
GESSNER/HORST 1669, 188b
52 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
ist gantz schwartz, doch nicht so schön als Raben und schwartze Krehen.“
BECHSTEIN dazu: „Ist eine gewöhnliche Spielart der gemeinen Dohle. Ich
finde sonderlich, daß die jungen Weibchen gerne ohne den weißgrauen Na-
cken erscheinen.“317
Dohlen-Rabe, Dohlenkrähe: Mit „Dohlenrabe“, vermutlich eine Eigen-
konstruktion, bezeichnete NAUMANN den Vogel: „Dies ist die kleinste
unter den deutschen Rabenarten.“318
Der Name „Dohlen-Krähe“ wurde nicht oft benutzt. Vor GLOGER (1833),
der ihn vermutlich selbst aus Zuordnungsgründen gebildet hat, konnte er
nicht nachgewiesen werden.
Thurmdohle, Thurmrabe, Thurmkrähe: Zu den „Thurm“-Begriffen haben
Beobachtungen wie diese geführt: „Sie bewohnen die höchsten Thürme, die
Mauern alter Schlösser.“319 „Sie brüten in Gesellschaft auf alten Thürmen
und Schlössern.“320 Der Begriff „Thurmdohle“ selber lässt sich erst 1794 bei
GOEZE/DONNDORF nachweisen und wurde im 18. Jahrhundert erst spät
und nicht sehr oft angewendet. Der Ausdruck „Thurmrabe“, ein Kunstname,
stammt von MEYER/WOLF.321 „Thurmkrähe“ war der Leitname BECH-
STEINS für die Dohle, ein 1802 von ihm selber geprägter Kunstname.322
Tahe: Tahe ist, wie oben beschrieben, ein althochdeutsches Wort für Dohle.
KONRAD VON MEGENBERG erzählte um 1350 unter der Überschrift
„Von der Tahen“ eine uns bekannte Eigenschaft der Dohle: „Monedula haizt
ein tâh und ist ze latein als vil gesprochen als ain münzheb, sam Jacobus
spricht, dar umb, daz diu tâch gar gern pfennig aufhebt und hât die münz
liep. Wenn diu tâch golt und silber vint, daz verstilt si und verpirgt ez.“323
Thale, Thalicke (I): „Aus dem Namen Dohle machte der Pöbel an einigen
Oertern Tahle, und wegen der kleinen Gestalt Tahlecke, und endlich hieraus
Tahlick.“324
Thalicke (II), Dachlicke, Dachlücke, Licke: „Dahe“ und „Dache“ sind wei-
tere Formen, die in Österreich und Süddeutschland aus „taha“ entstanden
sind. In Niedersachsen gab es um Göttingen und Grubenhagen (bei Einbeck)
317
BECHSTEIN 1793, 637
318
NAUMANN 1822, 2/ 93
319
HALLE 1760, 252
320
OKEN 1837, 347
321
MEYER/WOLF 1810, 1/ 99
322
BECHSTEINS 1805, 2/ 1213
323
KONRAD VON MEGENBERG 1861, 206
324
FRISCH 1763, T. 67–68
PASSERES – SINGVÖGEL 53
die Namen Dâleke, Tâleke.325 Die Namen sind diminutiv (z. B. aus Thale)
und/oder aus dem Dialekt zu verstehen (Sie haben mit einer Lücke nichts
zu tun). Danach könnte man z. B. Thalicke „übersetzen“ mit „Thale-chen,
Dohlchen“.
Talk, Thalk, Thalke: „Fast in jeder Provinz von Europa hat dieser Vogel an-
dere Namen. Bey uns im Harz heißen sie ‚Thalke‘, und die wenigsten würden
das Wort ‚Dohle‘ oder ‚Dule‘ verstehen, unter welchem sie anderwärts be-
kannt sind. Vermuthlich eine Nachahmung ihrer Stimme.“326
Gäcke, Schneegäcke, Schneekäke, Schneegake, Schneedohle, Schneedah-
le, Schneekrähe: „Gäcken“ ist ein altes Wort für „schreien“. Es wurde für die
Laute der Krähen, Elstern und anderer Vögel angewendet. Ein Gäckler war
ein Schwätzer.327 „Ihr ganzes Betragen ist munterer, hurtiger und lebhafter,
und sie unterscheiden sich auch von den andern, durch ihr helles Geschrey:
‚Gak, Gak, Gak!‘ daher sie auch an einigen Orten ‚Schneegäcken‘ genannt
werden.“328 Im Herbst erscheinende Dohlenschwärme gelten als Anzeichen
des Winters. „Schneedohle“ ist „in einigen Gegenden ein Name der gemeinen
Dohlen, weil sie sich bei einem gefallenen tiefen Schnee, oder vielmehr bei
hohem Schneestande mit großem Geschrei gern um die Wohnungen auf-
halten.“329
Kaike, Kayke: Die Namen beziehen sich auf die Stimme der Dohle. „Sicher
onomatopoietisch ist das mittel- und niederdeutsche Synonym, welches in
althochdeutschen Handschriften als kâ(a) überliefert ist.“ GRIMM/GRIMM
leiten daraus über „kau“ für die Dohle zur „Kaike“.330
Aelke, Älke, Elke, Klaas: In Niederdeutschland werden die Dohlen an man-
chen Orten mit Personennamen benannt, deren Koseformen zu Zuordnungs-
begriffen, wie der Geschwätzigkeit des geselligen Vogels, geworden sind. Aus
dem Mittelniederdeutschen stammt „Al(l)eke“ (Kosewort von Adelheid) als
Bezeichnung für die Dohle. Daraus entstand der sächsische Ausdruck „Ael-
ke“. Andere Beispiele sind „Alk“, „Aleke“ oder „Alke“.331
In der Altmark hieß die Dohle „Klaos“, um Lübeck „Klas“ (aus Nicolaus).332
325
SUOLAHTI 1909, 186
326
GOEZE/DONNDORF 1794, 4/ 469
327
GRIMM/GRIMM 1984, 4/ 1129
328
GOEZE/DONNDORF 1794, 4/ 472
329
KRÜNITZ 1827, 147/ 353
330
SUOLAHTI 1909, 188 und GRIMM/GRIMM 1984, 11/ 304
331
STRATHMANN 2008, 2/ 453
332
SUOLAHTI 1909, 189
54 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
Die Verwendung des Vornamens „Klas“ für die Dohle ist als Ausdruck großer
Vertrautheit mit dem Vogel zu werten und deutet wohl auf einen Benen-
nungsanlass, der sich aus der Zähmung des Vogels oder deren Möglichkeit er-
gibt.333 Aus dem deutschen „Jakob“ entstand der englische Name „Jackdaw“.
Duljäck: Jäck (Jäk) bezieht sich auf den Lockruf. „…sie schreyen immer
jäck…“ Die (alte) Vorsilbe „Dul-“ steht für Dohle. „Duljäck“ hat also nichts
mit dem englischen „Jack“ zu tun.334
Geile, Gaile: Diese Wörter können vielfältig gedeutet werden, es muss aber
der Bezug zur Dohle bleiben. Deshalb können Beziehungen zur „Geilheit“
genanntem üppigen Planzenwuchs ebenso vernachlässigt werden wie die in
der Waidmannssprache als „Gailen“ oder „Geilen“ bezeichneten Hoden des
Wildprets oder die Gleichsetzung von geil mit brünstig. GRIMM/GRIMM
nennen mehrere gotische, alt- und mittelhochdeutsche Stammformen, die
„fröhlich, lustig, ausgelassen, übermütig“ bedeuten. Das findet man auch bei
KLUGE. Auch die ältere Literatur bestätigt diese Deutung, allerdings fast
ausschließlich für den Menschen.335
Die Namen könnten also aus dem Verhalten der Dohle entstanden sein,
denn ein gewisser Übermut ist besonders von gezähmten Dohlen durchaus
bekannt.
Die Namen lassen sich aber auch aus der Neigung der Dohlen erklären,
Gegenstände (u. a. Geld) zu stehlen.336
Schocker, Tschokerle, Zschokerll: Der zweite und dritte Name sind aus
dem ersten, dem „Schocker“, gebildet worden. Mit „Schock“, „Schreck“ hat
das Wort nichts zu tun, vielmehr mit Schaukel/schaukeln. Man sagte z. B.
„schookle“, schockle“ (beide in Pommern), „Schockel“ (in Mecklenburg)
oder „schockeln“ (in Schlesien). Wer selber einmal um einen Turm o. ä.
schwärmende Dohlen beobachtet hat, kann der ausführlichen Schilderung
von NAUMANNS Dohlenflugbeschreibung nur zustimmen: „Sie spielen
sehr gerne, ergötzen sich im Fluge öfters durch kühne Wendungen, durch
Steigen und Fallen und machen besonders bei starkem Winde allerlei artige
Schwenkungen in der Luft“.337
Tagerl: Der seltene, von BECHSTEIN wiederentdeckte Name ist zuerst bei
KRAMER zu finden, der ihn als österreichischen Ausdruck kennzeichnete.338
333
STRATHMANN 2008, 2/ 454
334
OKEN 1837, 347
335
GRIMM/GRIMM 1984, 5/ 2581f und KLUGE 1905, 138
336
GRIMM/GRIMM 1984, 5/ 2581f
337
NAUMANN 1822, 2/ 93
338
BECHSTEIN 1805, 2/ 1213 und KRAMER 1754, 334
PASSERES – SINGVÖGEL 55
Man kann davon ausgehen, dass er wie „taga“ und ähnliche Ausdrücke aus
„taha“ und oder „dahle“ entstanden ist.339
339
SUOLAHTI 1909, 186 und GRIMM/GRIMM 1984, 2/ 695
340
RINK 1997, 116 und OVID 1994, 48
341
OKEN 1837, 349
342
HALLE 1780, 250
343
NAUMANN 1822, 2/ 78
56 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
344
FRISCH 1763, T. 64
345
SUOLAHTI 1909, 183
346
STUDER/FATIO 1956, 3868
347
GESSNER/HORST 1669/ 319a
348
FRISCH 1763, T. 64
349
STARKE/STARKE 1745, Synopsis 2, 17
350
BUFFON/OTTO 1781, 7/ 98
PASSERES – SINGVÖGEL 57
Rauch, Rooche: Die Namen „der Rauk“ und „die Rôke“ wurden in West-
falen bezeugt, „Rooke“ und „Rooche“ in Schlesien (SCHWENCKFELD
1603). „Rauch“ dürfte aus „Rauk“ entstanden sein.
Rouch, Rouche: „Von dem Ruochen“. So betitelte MEGENBERG im 14.
Jahrhundert das Kapitel über die Saatkrähe. „Graculus haißt ain ruoch. der
vogel ist krâen geslähtes, aber er ist klainer an dem leib denne ain krâw.“351
Ruck, Rücke: „Rucke“ findet man in einem Glossar von 1502, „Rücke“ 1746
bei Doebel.352
Haferrücke: „Hafer-Rücke“ wurde zu „Hafer-Ricke“ – „eine in Meißen üb-
liche Benennung einer ganz schwarzen Krähe, mit einem rauhen, halb weißen
Schnabel.“353
„Die erste Hälfte dieses Nahmens rührt von dem Hafer her, wovon die Saat-
Krähe sich nährt; die zweyte vermuthlich von ihrem rauhen unebenen Schna-
bel, oder auch von ihrem Geschreye.“354
Ruech: Die Saatkrähe ist „eine körnerfressende ‚cornix‘ mit weißem Schna-
bel, das Übrige schwarz, die von den Deutschen in der Volkssprache ‚ein Ru-
ech‘ genannt wird.“355
Kurock, Kareck, Karechel: Wenn das niederdeutsche Wort [Karok] nicht
aus einem slavischen Dialekte (akslav. ‚kruku‘) entlehnt ist, könne es als ein
Kompositum Kâ-Rôk (zu Kâ ‚Dohle‘) „Dohlenkrähe“ aufgefasst werden.“356
(Rok steht für Saatkrähe)
„In mittelniederdeutschen Quellen ist Karok als Name der Saatkrähe be-
legt.“357 Es soll ein „pommerisches Wort“ sein: „Dieser Vogel ist des Sommers
in Pommern sehr allgemein, und heisset hier der Kurock.“ – „In Pommern
[heißt sie] Karock.“358 Die Saatkrähe heißt so nach ihrem Lockton.359
„In Preußen lautet der Name ‚Karechel‘, ‚Kareichel‘, ‚Kareikel‘.360 Unter „Ka-
rechel“ führten KLEIN/REYGER die Saatkrähe. Karechel ist ebenso zu ver-
stehen wie der pommersche Name „Karok“.361
351
MEGENBERG 1861, 199
352
SUOLAHTI 1909, 184
353
KRÜNITZ 1780, 21/ 91
354
KRÜNITZ 1789, 46/ 488
355
SPRINGER 2007, 276 (zitiert GESSNER 1555)
356
SUOLAHTI 1909, 184
357
SUOLAHTI 1909, 184
358
OTTO in BUFFON/OTTO 1781, 7/ 106 + 98
359
JAEGER in: Das Ausland 1867, 40/ 381
360
KLEIN 1750, 59
361
KLEIN/REYGER 1760, 58
58 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
362
BUFFON/OTTO 1781, 7/ 101
363
OKEN 1816, 470 und BUFFON/OTTO 1781, 7/ 98f
364
GATTIKER/GATTIKER 1989, 159
365
TSCHUDI 1853, 487
366
OKEN 1816, 470
PASSERES – SINGVÖGEL 59
gerne, „lassen sich vom Sturm schaukeln wie Dohlen“. Das kann erklären,
warum OKEN „-jäck“ wählte.367
Für „Schieb-“ findet man bei GRIMM/GRIMM den Verweis auf „Schibicke“,
Bezeichnung des Holunders ( Sambucus nigra), besonders in mitteldeutschen
Gegenden.368 Die Übersetzung könnte lauten: Schwarzer, temperamentvoller
Vogel.
Von den Wissenschaftlern, die sich ab etwa 1800 um eine einheitliche deut-
sche zoologische Nomenklatur bemühten, war Johann Karl Wilhelm ILLI-
GER (1775–1813) der einfluss- und erfolgreichste. OKEN beschäftigte sich
in seinem fünfbändigen Lehrbuch der Naturgeschichte ab 1813 mit dem Pro-
blem, indem er eine Fülle neuer, meist kurzer Namen schuf, von denen sehr
viele – wie viele und welche, weiß man nicht – von ihm erfunden wurden und
nicht gedeutet werden können.
367
OKEN 1816, 470
368
GRIMM/GRIMM 1984, 14/ 2633
369
BUFFON/OTTO 1781, 7/ 78
370
BECHSTEIN 1791, 2/ 412
60 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
in ihrem Bau und Farbe, als auch im Natur-Triebe, und führt daher die Be-
nennung Raben-Krähe mit Recht.“371
„Erst mit seinem [des Kolkraben] Rückgang tritt an seine Stelle die bedeutend
kleinere Rabenkrähe, die im Laufe der Zeit aber ihr Feld auf dem Gebiete des
Volks- und Aberglaubens so vollständig behauptete, daß bei Vergleichen der
römischen und germanischen Augurien (Weissagung, Vermutung) mit dem
Aberglauben der Gegenwart beide nicht mehr auseinanderzuhalten sind.“372
Krähenrabe: „Krähenrabe“ (ohne den Zusatz „schwarz“) ist ein Kunstname
von MEYER/WOLF. Unter deren „Rabenartige Vögel“ und „Corvus“, wozu
neben Kolkraben, Raben-, Nebel-, Saatkrähe und Dohle auch Elster und Hä-
her gehörten, endeten alle Namen auf „-rabe“.373 NAUMANN hat das im
Wesentlichen übernommen, nahm aber noch Alpendohle und -krähe in die
Gruppe seiner „Wahre Raben“ mit auf.374
BECHSTEIN (1791) gebrauchte schon früh die heute noch üblichen Na-
men, BUFFON/OTTO (1781) diese nur für die Raben-, die Saatkrähe und
die Elster.
Schwarzer Krähenrabe, Krährabe: Beide Namen sind wahrscheinlich
Kunstnamen, die von BECHSTEIN stammen. Der erste Name hat sich als
Trivialname nicht durchgesetzt, der zweite nur wenig.375
Gemeine Krähe, Schwarze Krähe, Kleine Krähe, Kleiner Rabe: „Gemeine
Krähe“ war eine übliche Bezeichnung für die Rabenkrähe, weniger für die
Nebelkrähe. „Schwarze Krähe“ galt für Raben- und Saatkrähe“.
Die Größen der Krähen wurden (und werden auch heute noch) unterschied-
lich angegeben. Die Saatkrähe wurde in der Regel als die kleinere Krähe
beschrieben, manchmal auch als die größere. Raben- und Nebelkrähe sind
gleich groß, auch wenn die Nebelkrähe oft als die größere bezeichnet wur-
de. FRISCH begründete die Reihenfolge seiner Teilkapitel: „Der Grösse nach
hätten wir billig die graue oder Nebel-Krähe zuerst nehmen müssen, indem
dieselbe ein ziemlich Theil größer, als die schwartze ist. Weil diese aber wegen
ihrer gantz schwartzen Farbe dem Raben am ähnlichsten, und mit Recht der
kleine Rabe kan genennet werden: so wollen wir ihr den Vorzug geben.“376
371
KRÜNITZ 1789, 46/ 456
372
GATTIKER/GATTIKER 1989, 159
373
MEYER/WOLF 1810, 94
374
NAUMANN 1822, 2/ 42f
375
BECHSTEIN 1791, 2/412 + 1802, 86
376
FRISCH 1763, T. 64
PASSERES – SINGVÖGEL 61
Hauskrähe: Diese Bezeichnung kam nur der Rabenkrähe zu und drückt eine
gewisse Vertrautheit des Menschen zu diesem normalerweise recht scheuen
Vogel aus. Den Namen findet man schon als ‚Hußkräe‘ bei GESSNER Hist.
avium.377
Aaskrähe: Raben- und Nebelkrähe wurden früher häufig Aasvogel oder Aas-
krähe genannt, weil sie „vor anderen begierig auf das Aas“ fallen.378 Lange Zeit
war „Aaskrähe“ der gemeinsame Artname von Raben- und Nebelkrähen, die
heute zwei Arten sind.
Schwarze Raubkrähe: Entgegen der Saatkrähe gehört die Rabenkrähe nicht
nur zu den aasfressenden Vögeln, sondern auch zu den Nesträubern (Eier und
Junge), wie in der Eingangsgeschichte beschrieben ist.
Rabe, Gemeiner Rabe, Schwarzer Rabe: „Einige heissen diese schwartze
Krähe den Raben, und den großen nennen sie zum Unterschied den Kolck-
Raben.“379
„Die ständige Raben- und Nebelkrähe und die als Wintergast hier [Tirol]
vorkommende Saatkrähe werden hier gewöhnlich verwechselt und mit dem
Namen Rab, Rabb,Krah und Kruh (Klangbilder des Rufes) belegt.“380
„Der ‚Corvus corone‘ heisst fast in ganz Deutschland der Rabe oder der ge-
meine Rabe, nur in wenigen Gegenden die Krähe.“381
Als „Gemeiner Rabe“ wurde das Kapitel über Corvus corone von FRIČ be-
titelt. Allerdings lautete schon der erste Satz von FRIČ: „Der gemeine Rabe
ist nach neueren Ansichten nichts anderes als eine ganz schwarze Krähe.“382
Die Benennung „Gemeiner Rabe“ ist noch bis in das 20. Jahrhundert hinein
zu finden. Noch heute unterscheiden fast nur Kenner und Interessierte Kolk-
raben von Krähen. Vielen Menschen ist eine Aufklärung kaum zu vermitteln.
„Schwarzer Rabe“ ist zwar schon im 18. Jahrhundert zu finden, aber selten.
Viel normaler war es, von „Schwarzer Krähe“ zu schreiben.
Krade, Krahe, Kräge, Kraye: Alle diese Wörter bedeuten in verschiedenen
Regionen „Krähe“. „Kräe“ und „Kräye“ erscheinen schon 1585 bei GESS-
NER.383
377
SUOLAHTI 1909, 181
378
ZORN 1843, 261
379
FRISCH 1763, T. 64
380
ANZINGER 1911, 7/ 52
381
SNELL in ZOOLOGISCHER GARTEN 1864, 5/ 287
382
FRIČ, Naturgeschichte 1870, 221
383
SPRINGER 2007, 278
62 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
Schneegäke: „Sie schreit fliegend und sitzend, bis ins Frühjahr hinein, und ihr
Ruf ist immer ein Zeichen kalter Winde oder nachkommenden Schnees.“384
Gäke (Gake) steht für „Krähe, Rabenvogel“.385
Mittelrabe: Die Rabenkrähe ist kleiner als der Kolkrabe, „ja kleiner als die
graue Krähe und viel größer als die Dohle.“386
Quaag, Quake: Nach Quäcker, wie der Vogel im Elsaß wegen seines Rufs
genannt wurde. „Quake“ kam auch „im badischen Oberlande“ vor, aber für
den Kolkraben, genauso wie, auch nach SUOLAHTI, „Quäker“ im Elsass.387
384
VOIGT 1835, 156
385
GATTIKER/GATTIKER 1989, 161
386
KRÜNITZ 1789, 46/ 456
387
SUOLAHTI 1909, 178
388
KRÜNITZ 1789, 46/ 466
PASSERES – SINGVÖGEL 63
Nebelkrähe, Graue Krähe: „Der teutsche Name Kräe, scheinet von ihrem
Geschrey herzukommen, weil sie zuweilen gantz fein wie ein Haushahn
gleichsam krähet, und ihr grob ordentlich Geschrey diesen Namen Krähe
eigentlich ausdrückt.“389 Zu Krähe sonst siehe Rabenkrähe. Der Name „ne-
belkraha“ stammt von der Hl. Hildegard um 1150.390 Die Nebelkrähe hat
(nebel-)graues Gefieder mit schwarzen Flügeln, Schwanz, Kopf und Brust-
latz. Da der Vogel die Krähe des europäischen Nordens ist, ist die Verbindung
von Grau und Nebel verständlich. Als „Graue Krähe“ wurde der Vogel bei
BUFFON/OTTO bezeichnet. OTTO schrieb bei den Zusätzen: Die graue
Krähe ist im nördlichen Deutschland einer der gemeinsten und bekanntesten
Vögel.“ In den südlichen Ländern sei sie selten. „Die graue Krähe ist größer
als die schwarze und als die Saatkrähe.“ Das liest man häufig in der alten Lite-
ratur, lässt sich aber mit der gängigen Fachliteratur kaum bestätigen.391
„Sie ist weniger pflanzenfressend, aber dummer als die vorige, von langsa-
merem Flug und eckelhaft stinkend, daher ihr Fleisch auch von Jagdhunden
verabscheut wird.“392
Nabelkraye: „Kraye“ ist der alte niederländische Name für „Krähe“.393
Krähe, Gemeine Krähe, Krah, Kräge: „Dieser Vogel ist eigentlich unter
dem Namen Krähe, oder Kräe bekannt.“394 Auch ZORN hatte den Vogel
1743 neben „Nebelkrähe“ als „die Krähe“ bezeichnet.395 „Krah“ und „Kräge“
bedeuten „Krähe“. „Krahe“ stammt aus Niedersachsen, „Kräge“ aus Däne-
mark.396 Eine „Gemeine Krähe“ war eher die Rabenkrähe.
Grauer Krährabe, Nebelrabe: Bei der Rabenkrähe (siehe dort) steht sinn-
gemäß unter „Krähenrabe“: „Krähenrabe“ ist ein Kunstname von MEYER/
WOLF. Unter deren „Rabenartige Vögel“ und „Corvus“, wozu neben Kolkra-
ben, Raben-, Nebel-, Saatkrähe und Dohle auch Elster und Häher gehörten,
endeten alle Namen auf „-rabe“. NAUMANN hat das im Wesentlichen über-
nommen. Die Nebelkrähe war demnach ein „Nebelrabe“.
Grauer Rabe, Mehlrabe: „Grauer Rabe“ findet man schon bei SCOPOLI
(s. u.). „Mehlrabe“ hieß der Vogel an der Saale. „Raben“ waren sie wegen ihrer
Verwandtschaft zum Kolkraben.
389
FRISCH 1763, T. 64
390
STRESEMANN 1941, 96
391
BUFFON/OTTO 1781, 114 + 125
392
VOIGT 1835, 157
393
GESSNER/HORST 1669, 316a
394
FRISCH 1763, T. 64
395
ZORN 1743, 263
396
KRÜNITZ 1789, 46/ 454
64 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
Graubunte Krahe, Bunte Krähe: Ein Vogel galt früher als bunt, wenn er
nicht einheitlich gefärbt war. Auch die Farben Schwarz und Grau sind bunte
Farben. Zu „Bunte Krähe“ schrieb SUOLAHTI: „Das Synonym ‚Bundtekräe‘
(‚Pundterkräe‘) gibt Gesner [1585] aus Niederdeutschland an.“397 Für SCO-
POLI war die Nebelkrähe eine „Grau bunte Krähe“.398
FRISCH beschrieb eine „Bunte oder Scheckige Krehe“ als eigene Art ( Cornix
varia).399 BECHSTEIN nannte sie „Die schwarze- und weißbunte Nebelkrä-
he“ und bezeichnete eine Farbabänderung der Nebelkrähe. Möglicherweise
handelte es sich um einen Bastard mit der Rabenkrähe.400
Haubenkrähe: Im Englischen heißt die Nebelkrähe wie zu BECHSTEINS
Zeiten noch heute „Hooded Crow“. Ihr Name ist in Schottland „Hoodie“.401
Nach COLLINS bedeutet „hooded“: „Covered with, having, or shaped like
a hood.“ „Hood“ bedeutet mehr als Kappe oder Haube, wie „Haubenkrähe
vorgibt, sondern auch Kapuze. Und „hooded“ kann auch „verhüllt“ sein.402
Die Nebelkrähe hat keine Haube, aber der schwarze Kopf setzt sich gegen das
Grau des Rumpfgefieders ab wie eine Verhüllung.
Mantelkrähe, Graumantel: Zur Saatkrähe schrieb FRISCH (1743): „Weil
sie zur Erndten-Zeit häufig aufs Feld fliegen, und auf den Manteln [Garben]
das Korn aus den Aehren fressen, so wird ihnen auch der Name Mantel-Krähe
beygelegt.“ Das ist für die Nebelkrähe nicht zu übernehmen, vielmehr kommt
der Name von der Gefiederfärbung. Deren schwarzer Anteil „ist gleichsam
abgeschnitten, von einer Art weißgrauen Mantel, welcher sich oben und
unten von den Schultern bis zu Ende des Leibes erstreckt.“ Wegen dieser Art
Mantel haben die Italiener diese Krähe „die Nonne“ und die Franzosen „die
Mantelkrähe“ genannt.
Schildkrähe, Sattelkrähe, Graurücken: Der Ausdruck „Schiltkrae“ ist in
Sachsen durch EBER und PEUCER (1552) bezeugt.403 Mit Schild und Sattel
ist vor allem der graue Rücken gemeint.
Schneekrähe, Winterkrähe, Winterkrahe: Die Nebelkrähe ist die Krähe des
Nordens und Ostens und kommt als Strichvogel erst in der kalten Jahres-
zeit vermehrt aus dem Norden zu uns. Deshalb gilt sie als Ankündigerin des
Winters und wird Schnee- oder Winterkrähe genannt. Nach anderen Quellen
397
SUOLAHTI 1909, 182
398
SCOPOLI 1770, 31
399
FRISCH 1763, T. 66
400
BECHSTEIN 1805, 2/ 1189
401
COLLINS 1979, 705
402
SCHÖFFLER/WEIS 1954, 234
403
SUOLAHTI 1909, 182
PASSERES – SINGVÖGEL 65
404
KRÜNITZ 1789, 46/ 510
405
ZORN 1843, 261
406
KRÜNITZ 1789, 46/ 511
407
GRIMM/GRIMM 1984, 1/ 589
66 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
408
KÖHLER 1908, 25
409
http://de.wikipedia.org/wiki/Merseburg, Stand: 23.10.2011
410
SUOLAHTI 1909, 175
411
BECHSTEIN 1791, 402
PASSERES – SINGVÖGEL 67
Auch Krähen wurden und werden noch heute häufig als Raben bezeichnet.
Sie sind aber nicht so groß wie der Kolkrabe. BECHSTEIN ordnete die Ra-
benvögel unter „Krähen. Corvus“ ein.412 Mit „Eigentlicher Rabe“ meinte man
ausdrücklich keine Krähen.
Kolkrabe, Kohlrabe, Kulkrabe, Kolkraue, Colgrave, Kolkrave, Volkrabe:
Man findet den Namen, der aus Sachsen stammt, als „Kolckrabe“ schon 1555
bei GESSNER.413
Der Zusatz „Kolk-“ in „Kolkrabe“ kann auf verschiedene Weisen erklärt wer-
den. Es ist denkbar, dass mit „kol-krawe“ eine Kohlkrähe (kohl- bedeutet
verkohlt) gemeint ist und die kohlschwarze Farbe des Gefieders bezeichnet.414
Man könnte „Kolk-“ aber auch aus „kolken“ herleiten, was „aufstoßen, er-
brechen“ heißt. „Oft streckt nämlich der Kolkrabe beim Rufen den Kopf weit
nach vorn und etwas nach oben, während die Kehle stark nach außen durch-
gedrückt wird, so daß sich hier die Federn sträuben; es ist als würden die
Rufe hervorgewürgt. Ja, es kommt sogar zum wirklichen Hervorwürgen oder
wenigstens zu einer Art von Erbrechen, indem unverdauliche Speisereste in
der Gestalt von sog. Gewöllen den Körper von Zeit zu Zeit durch die Ein-
gangspforte wieder verlassen.“415
„Der Name Kolik-Rabe, ist vom Laut seines groben Geschreyes hergenom-
men, ob es gleich den Schein hat, als wenn er erst der kolschwartze, hernach
der Kol-Rabe, ferner der kolige Rabe, und endlich durch Verderbung des Pö-
bels der Kolck-Rabe genent wird.“416
Edelrabe: Der Kolkrabe war mit seinem martialischen und vor allem edleren
Aussehen ein Heilsbringer der alten Römer und ebenso der Bote nordischer
Götter. Erst mit seinem Rückgang trat die kleinere Rabenkrähe an seine Stel-
le.417
Große Krähe: Mit „Große Krähe oder Kolkrabe“ betitelte BECHSTEIN den
Vogel.418
Gemeine Krähe: Dieser Name wurde in der Literatur für den Kolkraben
nicht benutzt. Es handelt sich um einen Kunstnamen, der wahrscheinlich von
412
BECHSTEIN 1805, 2/ 1147
413
STRESEMANN 1941, 96
414
SUOLAHTI 1909, 177
415
HOFFMANN 1937, 64
416
FRISCH 1763, T. 63
417
GATTIKER/GATTIKER 1989, 159
418
BECHSTEIN 1805, 2/ 1148
68 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
BECHSTEIN stammt und nur bei ihm und NAUMANN, der eine große
Zahl von BECHSTEIN-Namen übernommen hat, zu finden ist.419
Schwarzer Rabe, Gemeiner schwarzer Rabe: Der „Gemeine schwarze Rabe“
war der Leitname für den Vogel bei HALLE.420
Alle Raben sind schwarz. Der Pleonasmus „Schwarzer Rabe“, den es auch
bei „Schwarze Krähe“ gab, demonstriert, wie sehr das sehr schöne schwarze
Gefieder die Menschen beeindruckt hat. Ein „Schwarzer Rabe“ ist allerdings
auch eine (Raben- oder Saat-)Krähe.
Galgenvogel, Großer Galgenvogel: „Ich kann mit Gewißheit versichern,
daß im Jahre 1812 die Raben aus Thüringen der großen französischen Armee
nachzogen, und keiner um diese Zeit mehr zu sehen war, was damals schon
allgemein als ein böses Vorzeichen für sie galt.“421 Die Kolkraben sind die
größten Rabenvögel, die man häufig bei Aas und Leichen fand, nicht nur
auf Schlachtfeldern, sondern auch auf Richtstätten in der Nähe von Galgen:
„ … weil diese gemeiniglich bey Galgen und Rädern den ersten Besuch ab-
statten“.422
Goldrabe: Den Namen erhielt der Kolkrabe in der Wetterau, weil die schwar-
ze glänzende Gefiederfarbe „an der Sonne wie Gold spielet“.423
Aasrabe, Großer Aasrabe: Krähen und Kolkraben sind als Aasfresser be-
kannt. Saatkrähen gehen vor allem im Winter an frische Kadaver, die aber
klein und bereits zerrissen sein müssen. Die Raben- und Nebelkrähen ernäh-
ren sich zwar überwiegend animalisch und auch von Kadavern, doch tun sie
letzteres in durchaus unterschiedlichem, auch geringem Maße. In einer Höhe
von über 150 m ü. M. spielt Aas eine immer größere Rolle. Auf den Kolk-
raben passt die Bezeichnung als Aasfresser am besten, denn er ernährt sich
außer von Kleinsäugern von Aas, Kadavern von Nutztieren, Nachgeburten
von Weidevieh usw.424 ZORN benutzte „Aaß-Rabe“ schon 1743: „Also nen-
net man den größten unter diesen Vögeln darum, daß er vor andern begierig
auf das Aaß fället.“425
Steinrabe: Der Kolkrabe ist in seiner Habitatwahl sehr vielseitig. So bewohnt
er in Europa neben offenem bis halboffenem Gelände und Wäldern auch
Felsküsten, Mittel- und Hochgebirgslandschaften, wo er auch in Felsregionen
419
BECHSTEIN 1802, 85
420
HALLE 1760, 242
421
VOIGT 1835, 155
422
KRÜNITZ 1812, 120/ 194
423
ADELUNG 1796, 2/ 750
424
GLUTZ VON BLOTZHEIM/BAUER 1993, 13
425
ZORN 1743, 261
PASSERES – SINGVÖGEL 69
Beutelmeisen – Remizidae
Die Beutelmeisen (Remizidae) sind eine Familie kleiner Singvögel, die mit
den echten Meisen nahe verwandt sind. Die meisten Arten bauen hängende
Nester an Bäumen, meist in Wassernähe. Nach anderen Quellen gehört die
Unterfamilie der Remizinae zur Familie der Paridae (Meisen). Auch hier muss
man weitere Systematik-Ergebnisse abwarten (versch. Qu.).
426
BEZZEL 1993, 569
427
BUFFON/OTTO 1781, 7/ 28
428
NAUMANN 1836, 8/ 477
429
ADELUNG 1796, 2/ 752
70 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
Nestes oftmals aus den besten und stärksten Kräutern bestehen. Es haben
sogar Aerzte bestätiget, daß die Nester bey geschwollenen Hälsen, wenn sie
aufgeleget worden, gar gute Wirkung gethan haben. Strahlenberg meldet:
die russischen Kaufleute handelten diese Nester gern an sich: denn man ge-
brauche sie erstlich als Fußsocken, fürs andere gäben sie etliche Einwohner
den kranken Pferden, klein geschnitten unter dem Futter ein; und drittens,
pflegten auch einige Russen sich damit zu curiren. Er weiß aber nicht, ob es
Wirkung habe.“430
Beutelmeise: Die Beutelmeise ist seit dem 13. Jahrhundert unter verschie-
denen Namen bekannt. Damals wurde ein Nest des Tieres zum ersten Mal
von ALBERTUS MAGNUS (1280) beschrieben. Es stammte vermutlich aus
der Nähe von Köln. Bis zur Erstbeschreibung der Art durch LINNÉ (1758)
wurde der Vogel häufig in der Literatur erwähnt, wenn auch ohne genaue
Fundorte oder Daten.431
Die Vögel hängen ihre Nester wie Beutel an Zweige. Heute weiß man, dass
die Beutelmeisen nicht zu den Meisen gehören, sondern eine eigene Familie
(Remizidae) mit 3 Gattungen bilden. Eine von ihnen ist „Remiz“, mit nur
einer Art, der Beutelmeise „Remiz pendulinus“, von der es mehrere Unterarten
gibt.
Remitz, Polnische Beutelmeise: In Polen, wo die Beutelmeise schon früher
weit verbreitet war, nannte und nennt man sie heute noch „Remiz“. Über das
Alter des Namens „Remiz“ werden keine genaueren Angaben gemacht. „In
Pohlen Remez, remis, remiz, remezawy Ptak, remicz …“432 TITIUS veröf-
fentlichte 1757 eine „Beschreibung der kleinsten Maise oder des lithauischen
Remizvogels“, in der er die Meinung vertrat, der Vogel komme ursprünglich
aus Italien. „Die Polen und Russen nennen ihn Remiz, welches Wort mir
eben so viel als Römisch zu seyn scheint: dergestalt, daß der Vogel Remiz, den
römischen oder welschen Vogel bedeutet.“
Volhynische Beutelmeise: Im Deutschen fehlte der Name „Remiz“, meinte
TITIUS (1757). KLEIN nannte die Art „Volhynische Beutel-Meise, Parus
Lithvanicus“, die in Volhynien, Sendomir und verschiedenen Gegenden von
Litthauen lebte.433
430
TITIUS 1757, 248
431
http://www.beutelmeise.de/remiz_facts.html, Stand: 6.08.2011
432
BUFFON/OTTO 1791, 17/ 128
433
KLEIN 1750, 86
PASSERES – SINGVÖGEL 71
Das Gebiet der Südwest-Ukraine ist die hügelige Landschaft der Wolhynisch-
(Volhynisch-) Podolischen Platte, wo auch Lwow (Lemberg) liegt. Nach Wes-
ten schließt sich das südpolnische Gebiet Kraukau-Sendomir an.
Litauischer Remiz: „Nach Fischer sind sie in Litthauen häufig; aber im nörd-
lichen Deutschlande, wenigstens in Pommern, habe ich nie etwas von ih-
nen erfahren können.“434 Und BUFFON äußerte sich an derselben Stelle:
„Daniel Titius bemerkt, daß es wirklich viele Sümpfe und Wasserbäume oder
Pflanzen, als Weiden, Erlen, Pappeln, Jaceen, Asters, Habichtskraut u. s. w.
in Volhynien, Litthauen und anderen pohlnischen Provinzen gebe, welche die
Remize vorzüglich gern bewohnten.“435
Pendulin, Pendulinus, Pendulinmeise, Florentiner Meise, Languedoc-
sche Meise: Mit diesen Begriffen sind Variationen gemeint, die in Italien und
Südfrankreich vorkommen und die heute zu der oben zitierten „Pendulinus-
Gruppe“ gehören. Um diese Beutelmeisen ging es in der von KLEIN/REY-
GER (s. o.) beschriebenen Arbeit über die Zugehörigkeit von „Remiz“ und
„Pendulino“ zu einer Art.436
Eine Pendule ist eine Pendeluhr. Das Nest der Beutelmeise, oft an dünnen
Weiden- oder Pappelzweigen angebracht, „pendelt“ im Wind mitunter sehr
stark. „Die Italiäner haben ihm den Namen Pendulino gegeben, weil er sein
wunderbar gebautes Nest, an einem der kleinsten Weidenäste, übers Wasser,
an einem hanfenen gedrehten Faden aufhängt.“437
Cottonvogel: „Cotton-“ bezieht sich auf den Aufbau, das Aussehen des Beu-
telnestes des Vogels. „Die Baumaterialien sind Hanffäden, Bastfäden, Gras-
halmen, Wolle von Pappeln, Weidenkätzchen, Distelflocken, Teichkolben
( Typha), welche zu einem dichten, zähen, kaum zerreißbaren Filz verwebt
werden.“438 Baumwolle, als die man die hier angegebenen Pflanzenmateria-
lien im weitesten Sinn bezeichnen kann, ist ital. „Cotone“, franz. „Coton“.439
„Diese Nester, welche man in der kalten Jahreszeit, wo das Geröhrig lichter
und von Menschen oft besucht oder gar weggeschafft wird, leicht auffindet, –
werden statt der Strümpfe als eine bequeme Fußbekleidung benutzt: die, mit
etwas vergrößerter Öffnung, sonst für kleine Füße schon paßt, von großen
Personen aber über die Zehen angezogen, und zum Theile selbst als Handels-
434
OTTO in BUFFON/OTTO 1791, 17/ 141
435
BUFFON/OTTO 1791, 17/ 141
436
KLEIN/REYGER 1760, 89
437
TITIUS 1757, 229
438
KRÜNITZ 1802, 88/ 36
439
KRÜNITZ 1786, 36/ 10
72 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
waare betrachtet wird. Ehedem schrieb ihnen der Aberglaube sogar allerhand
geheime Kräfte zu.“440
Österreichischer Rohrspatz, Persianischer Spatz, Türkischer Spatz: BUF-
FON zählte mit diesen Namen auf, wie die Beutelmeise damals in Österreich
genannt wurde. Den „Spatz“ oder „Rohrspatz“ in den Namen dürfte die Beu-
telmeise, wie auch die anderen als Rohrspatz bezeichneten Vögel, wegen ihrer
andauernden, wenn auch feinen, nicht lauten Rufe haben.441
Sumpfbeutelmeise, Sumpfmeise, Beutel-Rohrmeise, Grasmücke an
Sümpfen: Die Beutelmeise brütet in Laubbaumbeständen an den Ufern von
Flüssen und stehenden Gewässern sowie in schilf- und rohrbestandenen,
buschreichen Sumpfgebieten. Sie braucht für die Nestanlage geeignete Bäume
mit lang herabhängenden Zweigen, wie Weiden oder Pappeln und Erlen, baut
ihr Nest aber nicht an Reetpflanzen (o. Qu.).
Es konnte nicht in Erfahrung gebracht werden, ob der einfach zu deutende
Begriff „Grasmücke an Sümpfen“ eine Eigenschöpfung BECHSTEINS ist
oder nicht.
Meisen – Paridae
„Meise“ ist ein uraltes germanisches Wort (altnord. meisingr), das sehr weit
verbreitet war und abgeändert heute in vielen Sprachen zu finden ist Der
Ursprung des Wortes ist dunkel, eine Übersetzung gibt es wohl nicht.442 Die
heutigen Meisennamen sind zusammengesetzte Namen, wie z. B. „Hauben-
meise“, was die Deutung erleichtert.
SCHMIDT-BEY meinte, der Name des Kleinvogelfängers „Merlin“ sei von
einem indogermanischen Wort für „Kleinvogel“ abgeleitet. Auf dieses Wort
gehe sowohl „Meise“ zurück, als auch die romanischen „merula, merola, mer-
le“ für die Amsel.443
440
GLOGER 1834, 374
441
BUFFON/OTTO 1791, 17/ 129
442
GRIMM/GRIMM 1984, 12/ 1946
443
SCHMIDT-BEY 1936, 128
PASSERES – SINGVÖGEL 73
dem sie die Knospen der Obstbäume abbeißt. Sie bedient sich sogar mit einer
besondern Geschicklichkeit ihrer kleinen Klauen, die schon ganz ausgebildete
Frucht von ihrem Zweige los zu machen, und sie darauf in ihren Vorrath
zu tragen. Dieß ist jedoch nicht ihre einzige Nahrung: denn sie hat einerlei
Geschmack wie die andern Meisen, eben solche Neigung zum Fleische, und
sie naget es so vollkommen von kleinen Vögeln, deren sie habhaft werden
kann, ab, daß Klein vorschlägt, sie Gerippe daraus bereiten zu lassen. – Er
räth, zuvor den größten Teil des Fleisches und des Gehirns von dem Vogel zu
nehmen, von dem man ein gutes Gerippe zu haben wünscht.“444
Blaumeise, Blaue Meise: Die Blaumeise hat eine kleine blaue Kappe, blaue
Flügel und einen blauen Schwanz. Die Körperunterseite ist gelb, das weiße
Gesicht von schwarzen Streifen umgeben.445
Bleimeise: Der Name leitet sich von Blaumeise ab. „Bleifarben“ bedeutet
auch blau, bläulich.446
Bienenmeise, Bienmeise, Pynmaiß: „Bey Nürnberg wird dieser Vogel ein
Bienmeise genennt/ ohn Zweifel darumb/ weil sie Bienen frißt.“447 Die Blau-
meise wurde auch Pynmaiß genannt (belegt seit 1531), was Bienenmeise be-
deutet.448 Bienen gehören allerdings nicht zur Nahrung der Blaumeise, die
fast ausschließlich Kleininsekten frisst.
Pinelmeise: Dieser Name ist gleichbedeutend mit „Bienmeise“.449
Pimpelmeise, Bümbelmeise: Das Wort „pimpeln“ ist „ein von pim abge-
leitetes lautmalendes Frequentativum [oft gebrauchtes Wort], eigentlich wie
eine Schelle fortwährend klingeln (bimmeln).“450 Den Namen hat die Blau-
meise wegen ihres bekannten hellklingenden Gesanges.
„Vermuthlich von dem noch im Englischen üblichen Pimpel, ein kleines ver-
ächtliches Ding, weil diese Meise die kleinste unter allen ist; es müßte denn
dieser Nahme eine Nachahmung ihrer Stimme seyn. Im gemeinen Leben der
Hochdeutschen ist pimpeln, so wohl mit kleinen Glocken läuten, als auch,
sich mit schwacher Stimme beklagen.“451
Siehe auch bei „Jungfermeise“.
444
BUFFON/OTTO 1791, 17/ 103f
445
SVENSSON et al. 2011, 342
446
GRIMM/GRIMM 1984, 2/ 88
447
GESSNER/HORST 1669, 350a
448
SUOLAHTI 1909, 156
449
NAUMANN 1824, 4/ 62
450
GRIMM/GRIMM 1984/ 13, 1858
451
ADELUNG 1798, 3/ 770
74 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
452
G. GERLAND 1869, 134: „Intensiva und Iterativa …“
453
GRIMM/GRIMM 1984, 13/ 2228
454
ROCHHOLZ 1867, 274
455
ZUM LAMM 2000/ 283
456
SUOLAHTI 1909, 155
457
GRIMM/GRIMM 1984, 10/ 1939
458
BUFFON/OTTO 1791, 17/ 102
459
SUOLAHTI 1909, 156
460
KRÜNITZ 1785, 35/ 540
461
GRIMM/GRIMM 1984, 14/ 997
PASSERES – SINGVÖGEL 75
ungemischt, lauter, rein. Das trifft für die flötende Stimme der Amsel, der
Turdus merula, zu. Vom Gesang der Blaumeise war man früher weniger an-
getan, jedoch treffen ungemischt, lauter und rein zu.
Schon einmal zitiert: SCHMIDT-BEY meinte, der Name des Kleinvogelfän-
gers „Merlin“ sei von einem indogermanischen Wort für „Kleinvogel“ abge-
leitet. Auf dieses Wort gehe sowohl „Meise“ zurück, als auch die romanischen
„merula, merola, merle“ für die Amsel.462
Jungfermeise: Die Blaumeise hat „den Beinamen die ‚Jungfer‘ wegen ihres
zarten, weichlichen Wesens; wie sie auch, weil sie oft sehr pimplich thut, hier
und da ‚Pimpel‘-Meise genannt wird.“463
462
SCHMIDT-BEY 1936,128
463
HOLTEI 1848, 259
464
BUFFON/OTTO 1791, 17/ 211f
465
OTTO in BUFFON/OTTO 1791, 17/ 213
76 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
466
BUFFON/OTTO 1791, 17/ 114 + 211f + 174 und PALLAS 1783, 10
467
BECHSTEIN 1795, 737
468
BECHSTEIN 1807, 3/ 865 und STRESEMANN 1941, 83
469
BECHSTEIN 1807, 3/ 865
470
BUFFON/OTTO 1791, 17/ 174
PASSERES – SINGVÖGEL 77
Mahle gethan hatten, wurden so sehr zu dieser Jagd gewöhnt, daß sie, bei völ-
ligem Futter aller Art, bald alle Goldammern und Schwächern ihrer eigenen
Art tödteten, und endlich gar die Finken und die stärkern grauen Ammern
angingen.“471
Die moderne Literatur beschreibt „Scharmützel“ unter Artgenossen, die in
Schwärmchen oder bei Revierkämpfen stattfinden und mitunter tödlich en-
den. In Extremsituationen können Kleinvögel getötet werden, deren Gehirne
verzehrt werden.472
Kohlmeise, Kollmeise, Große Kohlmeise: Die Kohlmeise hat einen mal
blauschwarz glänzenden, dann wieder kohlschwarz, wie angebrannt ausse-
henden Kopf. Der Name dieses Vogels ist als „kolmeis“ schon aus dem 15.
Jahrhundert überliefert.473
„Sie bauen ihr Nest in dem Loche eines Baumes oder einer Mauer, beson-
ders in den Mauern einzelner Häuser nahe an den Wäldern zum Beispiele
der Kohlenbrenner, wovon, wie einige sagen, diese Meise den Nahmen der
Kohlenmeise (Charbonniére) bekommen haben.“ Dem BUFFON-Überset-
zer OTTO blieb zu dieser abenteuerlichen Deutung nur der Einwand: „Viel-
leicht heißt sie Kohlmeise wegen ihrer kohlschwarzen Kopfplatte.“474
Ganz anders war die Vorstellung von GOEZE: „Kohlmeise, weil sie sich über-
aus gern in den Kohlgärten und den nahe an den Dörfern liegenden Kohl-
stücken aufzuhalten, und den Kern auszuhacken pflegt.“475
Große Waldmeise, Große schwarze Meise: Die der Kohlmeise ähnliche
Tannenmeise wurde „Waldmeise“ oder „Kleine Waldmeise“ genannt. Das gilt
auch für den zweiten Namen.
Brandmeise: Die Bezeichnung „Brantmeyse“ findet man schon im Strass-
burger Vogelbuch von 1554. Namensgebend sind die schwarzen Kopf- und
Brustteile, die wie verbrannt aussehen.476 „Die Männlein haben einen breitern
schwartzen Strich längs den Bauch hinunter als die Weiblein, davon sie auch
Brand-Maisen genennet werden.“477
Schwarzmeise: Dieser Begriff wurde für alle Meisen mit schwarzem Kopf
oder schwarzer Kopfbedeckung verwendet.
471
OTTO in BUFFON/OTTO 1791, 17/ 38f
472
GLUTZ VON BLOTZHEIM/BAUER 1993, 13/ 774f
473
SUOLAHTI 1909, 154
474
BUFFON/OTTO 1791, 17/ 42
475
GOEZE 1796, 6/ 78
476
SUOLAHTI 1909, 154
477
FRISCH 1763, T. 13
78 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
478
GESSNER/HORST 1669, 350a
479
ZUM LAMM 2000, 284
480
FRISCH 1763, T. 13
481
VOIGT 1933, 75
482
OTTO in: BUFFON/OTTO 1791, 17/ 42
483
FRISCH 1763, T. 13
484
BUFFON/OTTO 1791, 17/ 34
485
SOULAHTI 1909, 155
486
GRIMM/GRIMM 1984, 15/ 205
487
BREHM 1866, 933
488
SUOLAHTI 1909, 155
PASSERES – SINGVÖGEL 79
Große Meise, Großmeise: „Große Meise“ ist neben „Kohlmeise“ einer der
Leitnamen bei BUFFON/OTTO. Die „Kleine Meise“ ist die ihr ähnliche
Tannenmeise.
DÖBEL nennt die Kohlmeise „Pick- oder Großmeise“, sie ist „die grösseste
unter den Meisenarten.“489
Pickmeise: Die Pickmeise hält größere und kleinere tierische oder pflanz-
liche Nahrungsbrocken, die verzehrt werden sollen, auf einem Zweig mit den
Füßen fest und bearbeitet sie durch Picken. „Kein Vogel ist fast so neugierig,
als dieser. Er kriecht in alle Ritzen, Höhlen und Löcher. Wenn er an einem
Baume herumspringt, so bleibt fast kein Plätzchen übrig, das er nicht mit
seinem Schnabel bepickt. Davon die Pickmeise.“490
Pinkmeise: „Wegen des Tons aber, wenn er recht lustig oder in Gefahr ist:
Pink! Pink! Pink! heißt er auch Pinkmeise.“491
Grasmeise: „Grasmeise“ ist ein möglicherweise schon älterer, dennoch aber
kaum erwähnter Name, der sich auf Farben des Gefieders bezieht: „Gleich wo
der Hals sich anfängt, kommt eine Farbe, die weder grün noch blau aussiehet,
sondern ist das Mittel von beyden Farben, spielet jedoch mehr grün, als blau,
und reichet den ganzen Rücken hinab, bis zum Schwanz, wird aber vor dem
Schwanz etwas heller.“492
Ein Hinweis einer Ableitung von „Grasmeise“ (auch „Graßmeise“) aus „Groß-
meise“ wurde nicht gefunden.
489
DÖBEL 1785, 1/ 223
490
GOEZE 1796, 6/ 79
491
GOEZE 1796, 6/ 79
492
PHILOPARCHUS 1774, 731
493
HEINROTH 1965, 1/ 126
80 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
494
GRIMM/GRIMM 1984,11/ 1784
495
GRIMM/GRIMM 1984, 11/ 2772
496
GESSNER/HORST 1669, 351a
497
GRIMM/GRIMM 1984, 11/ 870, 875
498
BECHSTEIN 1795, 718
499
HOFFMANN 1937, 70
500
GRIMM/GRIMM 1984/ 12, 1947
501
SUOLAHTI 1909, 152
PASSERES – SINGVÖGEL 81
ner Heideboden. „So heißen in der Mark alle Wälder Heiden, bei Halle a. d.
Saale ein ausgedehnter Nadelwald“ usw. Nadelwälder sind Lebensräume der
Haubenmeisen.502
Eine andere Deutung bietet SUOLAHTI an. Danach ist „Heidenmays“ eine
synonyme Benennung zu Namen, die mit der Haube in Zusammenhang
stehen. Aus den aus dem 16. Jahrhundert belegten Namen „Heubelmaiß“,
„Heybelmais“ ist eine Veränderung über beispielsweise „Heydenmaiß“ oder
„Heidenmays“ zu „Haidenmeise“ anzunehmen.503
502
GRIMM/GRIMM 1984, 10/ 798
503
SUOLAHTI 1909, 158 und GRIMM/GRIMM 1984, 19/ 1035
504
NAUMANN 1824, 4/ 34
505
REIDER/HAHN 1835, 457
506
BEZZEL 1993, 457
507
GESSNER/HORST 1669, 352a und SUOLAHTI 1909, 158 und SPRINGER 2007, 284
82 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
508
OKEN 1837, 244 und GRIMM/GRIMM 1984, 21/ 109
509
BUFFON/OTTO 1791, 17/ 54
510
BUFFON/OTTO 1791, 17/ 67
511
DÖBEL 1785, 223
512
BUFFON/OTTO 1791, 17/ 68
513
SUOLAHTI 1909, 158
514
HÖFER 1815, 2/ 77
515
Der Zoologische Garten: Band 36/ 1895
516
VON HOLTEI 1848, 259
PASSERES – SINGVÖGEL 83
517
SUOLAHTI 1909, 158
518
HÖFER 1815, 3/ 158
519
GATTERER 1782, 434
520
GLUTZ VON BLOTZHEIM/BAUER 1993, 13/ 397
84 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
In Deutschland wohnt sie auch nur in dicken Wäldern von Tannen und Fich-
ten, wo morastige Stellen sind, bleibt den ganzen Winter, kommt im Herbst
aus dem Dickicht hervor, und begiebt sich in die Gärten, und auf die Ber-
ge.“521
Um 1827 schrieb der Schweizer Conrad von BALDENSTEIN, der „Ent-
decker“ der Weidenmeise“, zu dem Ausdruck „Sumpfmeise“: „Vor allem
Andern muß ich mich gegen die Benennung Sumpf-Meise ‚parus palustris‘
erklären, welche Linné diesem Vogel beylegte [das lateinische Wort paluster
bedeutet „Sumpf, sumpfig“]. Er mag zwar seine guten Gründe dazu gehabt
haben, allein für unsere Gegenden taugt sie gar nicht, denn die Mönchs-Mei-
se ist in Bünden einer unseren gemeinsten Vögel und wir haben weit und breit
keine Sümpfe; auch habe ich nie in Erfahrung gezogen, dass diese Meise nur
im geringsten wässerige Oerter vorgezogen hätte, sondern ich traf sie selbst
brütend, an den trockensten Stellen an. Deshalb möchte ich sie schlichtweg
‚Parus cinereus‘, Mönchs- oder Aschgraue Meise nennen.“522
Für gebirgige Landschaften ist das richtig, im Flachland bewohnt die Meise
auch feuchte Biotope. Die eigentliche Sumpfbewohnerin ist nach GERLACH
aber die Weidenmeise, von der FEHRINGER meint, dass sie mit größerem
Recht den Namen „mattköpfige Sumpfmeise“ verdiene.523
Mönchmeise, Münchmeise: Den Namen „Mönchmeise“ hatte die Sumpf-
meise wegen ihrer dunklen Kappe. Er wurde zumindest in der Schweiz regel-
mäßig gebraucht. Heute findet man „Mönchsmeise“ auch für die Weiden-
meise. „Münchmeise“ bedeutet „Mönchmeise“.524
Nonnenmeise, Gemeine Nonnenmeise: „Oben ist der Vogel graugefärbt,
unten weiß, und die ganze Tracht hat in England den Vergleich mit einer ver-
schleierten Nonne hervorgerufen.“525
Aschmeise, Aschenmeise, Aschgraue Nonnenmeise, Graumeise, Graue
Meise: Der Name bezieht sich auf den grauen, aschenfarbenen Rücken und
wurde schon von GESSNER gebraucht (Aschmeißlein, Aeschmeißle).526
Mehlmeise: Mehl ist weißlich-grau. Eine Mehlmeise, auch „Meelmaise“, ist
eine weißlich-graue Meise mit einem schwarzen Oberkopf.527
521
GOEZE/DONNDORF 1795, 5-2/ 177
522
VON BALDENSTEIN in: STUDER/FATIO 1907, 481
523
GERLACH 1953, 81 und FEHRINGER 1951, 122
524
GRIMM/GRIMM 1984, 12/ 2669
525
SUOLAHTI 1909, 157
526
GESSNER/HORST 1669, 351
527
GRIMM/GRIMM 1984, 12/ 1869
PASSERES – SINGVÖGEL 85
528
SUOLAHTI 1909, 157
529
OKEN 1837, 245
530
BUFFON/OTTO 1791, 17/ 74 und FRISCH 1763, T. 13
531
NAUMANN/HENNICKE 1897, 2/ 290
532
ZORN 1743, 149
533
KLUGE 1905, 47
534
BEZZEL 1985, 443
86 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
535
NAUMANN 1824, 4/ 50
536
HALLE 1760, 357
537
ANZINGER 1991, 143 und FRISCH 1763, T. 13
538
SUOLAHTI 1909, 157
539
GESSNER/HORST 1669, 351
540
SUOLAHTI 1909, 450 und GESSNER/HORST 1669, 351a
541
GRIMM/GRIMM 1984, 2/ 1299
PASSERES – SINGVÖGEL 87
542
GRIMM/GRIMM 1984, 12/ 1947
543
BUFFON/OTTO 1791, 17/ 74 und SUOLAHTI 1909, 158
544
SCOPOLI 1770, 201 und NORDBÖHM. EXKURSIONSKLUB, 1882
545
GRIMM/GRIMM 1984, 10/ 1910 und MEDICUS 1867, 130
546
HALLE 1760, 357 und KLEIN 1760, 159
547
MEDICUS 1867, 54
88 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
548
STUDER/FATIO 1907, 481
549
STUDER/FATIO 1907, 487
550
NAUMANN/HENNICKE 1897, 2/ 284
551
STUDER/FATIO 1907, 492
552
BREHM 1879, 5/ 549
PASSERES – SINGVÖGEL 89
so wie das Schwanzgefieder und der Kehlbereich. Die Brust und der Bereich
unterhalb der Augen dagegen sind weiß. Durch die bräunliche Kopfplatte
ist sie leicht von der Sumpfmeise und der Weidenmeise zu unterscheiden,
allerdings ähnelt ihre Stimme der der Weidenmeise, unter anderem ein lang-
gezogenes „dih“, das vier- bis fünfmal wiederholt wird.
Die Lapplandmeise bevorzugt Birkenwälder oder mit Birken gemischte Na-
delwälder, bewohnt aber auch Au- und Mischwälder. Man findet sie von
Nordskandinavien ostwärts über Sibirien bis Alaska.553
Sibirische Meise: Die Lapplandmeise wurde 1783 von BODDAERT wissen-
schaftlich beschrieben und benannt. Sie ist also schon ziemlich lange bekannt.
Älter als 1783 ist BUFFONS Bearbeitung im Jahre 1768. Er hatte dieser Mei-
se den Namen „La Mésange à ceinture blanche de Sibérie“ gegeben.554 „Wir
wissen gar nicht die Geschichte dieser Meise, welche wir in der Sammlung des
Herrn Mauduit gesehen haben. … Es kann sein, daß sie sich in Dänemark
nicht findet, obgleich sie aus Sibirien geschicket ist.“555
Von den Ornithologen wurde der Vogel erst ab etwa 1840 stärker beachtet:
Weder BECHSTEIN noch NAUMANN oder C. L. BREHM erwähnten ihn.
553
http://de.wikipedia.org/wiki/Lapplandmeise, Stand: 4.05.2011, aber verändert
554
NAUMANN/HENNICKE 1897, 2/ 297
555
BUFFON/OTTO 1791, 17/ 182
556
http://de.wikipedia.org/wiki/Trauermeise, Stand: 2.08.2011
557
BEAMAN/MADGE 1998, 712
90 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
Lerchen – Alaudidae
Die eigentliche Bedeutung des Wortes „Lerche“ ist trotz mancher Erklärungs-
versuche völlig dunkel. Es bestehen sogar Zweifel, ob es ein deutsches und
nicht ursprünglich fremdes Wort ist, von deutschen Stämmen übernommen
und deutsch gemodelt. Vielleicht hat es gallischen Ursprung wie das lateini-
sche „alauda“.558
SUOLAHTI hielt den Namen „Lerche“ für gemeingermanisch. Im Althoch-
deutschen gibt es „lêrihha“, im Mittelhochdeutschen „lêrche“, „lërche“, im
Mittelneudeutschen „lêwerike“, „lêwerke“. Er führte weitere Beispiele aus
Skandinavien und England an, darunter das altnordische „ló, lóa“, aus „lôw“
entstanden und „Strandpfeifer“ bedeutend. Das sei aber nicht gesichert. „Eine
sichere Deutung des Namens bleibt noch zu wünschen“.559
Um 1800 gab es auch folgende Erklärung: „Unser deutscher Nahme Lerch,
der zuweilen Lerich ausgesprochen wird, soll seyn eine Nachahmung ihres
Gesanges.“560
Einige Lerchen und Pieper und andere Singvögel wurden auch als „Brach“-
lerchen (-vögel) bezeichnet. „Brachvogel“ wurde ausführlich im 1. Band er-
klärt (s. Einleitung zu den Limikolen). Nach ADELUNG hat sich „Brachvo-
gel“ zu „Zugvogel“ verselbständigt. Aber auch andere Deutungen, wie die von
BOCK, dürften zutreffen: „Alle Brachvögel haben den deutschen Namen von
den Brachäckern, auf welchen man die mehresten zur Herbstzeit antrift.“561
558
GRIMM/GRIMM 1984, 12/ 759
559
SUOLAHTI 1909, 97
560
KRÜNITZ 1799, 77/ 167
561
BOCK 1782, 4/ 354
562
OKEN 1837, 293
PASSERES – SINGVÖGEL 91
Zeit wohl 20 Mal verkauft, aber immer wieder zurück erhalten, weil kein
Käufer die Stärke ihrer Töne im Zimmer ertragen konnte.“563
Kalanderlerche, Kalander-Lerche, Calanderlerche, Kalander: Über die
Herkunft des Namens gibt es keine einheitlichen Vorstellungen. Für die in
Europa nur im Süden vorkommende Kalanderlerche wurde der Name aus
Italien (Calandra) und Spanien (Calandria) übernommen.
„Eine große Rolle spielte in der Dichtung des deutschen Mittelalters die Ka-
landerlerche, welche wegen des kräftigen schönen Gesanges in ihrer Heimat
besonders geschätzt wird. Diese wird nur im Süden Europas angetroffen. …
Der mhd. Name galander, golander wurde in der Zeit der französischen Kul-
turströmung (etwa ums Jahr 1200) aus dem gleichbedeutenden afrz. calandre
entlehnt.“564
ADELUNG versuchte eine Herkunft des Namens aus „Gal, gallen“ (Gesang,
singen) herzustellen und verwies auf die Nachtigall.565
Ringlerche, Große Lerche: Die Kalanderlerche kann bis zu 20 cm lang wer-
den und ist damit die größte europäische Lerchenart. Sie wurde früher oft
„Ring-“ statt „Kalanderlerche“ genannt. HALLE führte den Vogel als „Große
Ringlerche“.566 „Die Farbe der Kalander- oder Ringlerche ist auf dem obern
Theile ihres Körpers die gewöhnliche Erdenfarbe, wie bey den übrigen Ler-
chenarten; unten ist sie ganz weiß, die Halsbinde und einige Punkte auf der
Brust ausgenommen.“567 Der Vogel hat seitlich am Hals zwei schwarze Fle-
cken, die bisweilen nach vorne scheinbar zu einem Ring verfließen. Auch bei
der Ringeltaube oder der Ringelgans sind solche Halsflecken namensgebend
geworden.
Als „Große Lerche“ hat man auch oft die Haubenlerche bezeichnet.
Sibirische Lerche: Die Kalanderlerche ist ein Vogel der warmen Länder im
Süden und kommt weder in Sibirien noch in der Mongolei vor.
ERSCH/GRUBER schrieben in ihrer Allg. Enzyklopädie über eine „Alauda
sibirica“, die „gelbköpfige, weißflügelige Sibirische Lerche“: „Diese von Pallas
auf den Steppen am Irtisch entdeckte, von ihm nur beobachtete Lerche ist der
Kalander ( Alauda Calandra) so ähnlich, daß Pallas, bis er diese durch eigene
Anschauung kennen lernte, sie dafür hielt und in seiner Reise so benannte.“
563
OKEN, ISIS 1830/786
564
SUOLAHTI 1909, 100
565
ADELUNG 1796, 2/ 390
566
HALLE 1760, 315
567
KRÜNITZ 1799, 77/ 197
92 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
568
ERSCH/GRUBER, Allg. Enzyklopädie 1815, 321
569
PALLAS in: Königlich schwedische Akademie 1782, Band 40
570
http://de.wikipedia.org/wiki/Weißflügellerche, Stand: 2.09.2010
571
BEAMAN/MADGE 1998, 544 und BREHM 1879, 5/ 258
PASSERES – SINGVÖGEL 93
572
NAUMANN/HENNICKE 1900, 3/ 21
573
http://de.wikipedia.org/wiki/Mohrenlerche, Stand: 2.09.2010
94 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
Der Weltbestand der Art ist sehr groß. Gesicherte Angaben dazu gibt es nicht,
sehr grobe Schätzung geben 91 bis 840 Mio. Individuen an. Im Winterquar-
tier am Südrand der Sahara war die Kurzzehenlerche in den 1950er-Jahren in
einigen Gebieten die häufigste Lerche überhaupt, in Indien gelten die große
Winterschwärme als Gefährdung des Flugverkehrs.“574
Kurzzehenlerche, Kurzzehige Lerche: Die Zehen sind relativ kurz, die Nä-
gel „ebenfalls nicht groß und beinahe gerade“. Die Mittelzehe dieser Lerche
ist mit Nagel 10 mm lang. Sie ist sehr viel kürzer als die der nur wenig größe-
ren Feldlerche, deren Mittelzehe 22 mm mit Nagel misst. Bei der Kurzzehen-
lerche beträgt die Länge der Hinterzehe mit dem Sporn, wie der Nagel auch
genannt wird, 14 mm, bei der Feldlerche sind es 25 mm.575
Isabelllerche: NAUMANNS Hauptname für die Kurzzehenlerche war „Isa-
belllerche“, was ERNST HARTERT in der Neuausgabe des NAUMANN
(1900, 3/ 13) zu der Bemerkung veranlasste: „Es ist wünschenswert, NAU-
MANNS ‚Isabell-Lerche‘ zu ändern, wegen steter Verwechslung mit TEM-
MINCKS ‚Alauda isabellina‘ = ‚Ammomanes deserti‘.“ Diese Verwechslungs-
möglichkeit ist NAUMANN nicht vorzuwerfen, denn die „Steinlerche“
(früher auch „Wüstenlerche“), um die es hier geht, wurde erst 1823 von
LICHTENSTEIN beschrieben, als NAUMANNS 4. Band mit den Lerchen
(erschienen 1824) schon fertig war.576
NAUMANN beschrieb, was er unter isabellfarben verstand: „Eine Farbe wie
dunkler Ocker, oder aus braun, gelb und rot gemischt und sehr blaß aufgetra-
gen oder mit vielem Weiß versetzt.“
Für blaß isabellfarben hielt er die Farben der männlichen Lerche an den Sei-
ten des Kropfes und den Weichen. Die Wangen seien isabellfarben und braun
gefleckt, Oberkopf, Hinterhals und Rücken isabellfarben mit dunkelbraunen
Schaftflecken. Schließlich hätten alle dunkelbraunen Flügelfedern isabellfar-
bige Kanten.
Gesellschaftslerche: „In ihrem Betragen soll sie … sich beständig auf dem
Erdboden aufhalten, schnell laufen und leicht fliegen, sich gerne zu jenen
[Feld- oder Kalanderlerchen] gesellen oder in eigenen Gesellschaften leben
und nur in der Begattungszeit sich paarweise über die Gefilde verbreiten.“
Zur Brutzeit lebt sie territorial, außerhalb derselben gesellig und vor allem
574
http://de.wikipedia.org/wiki/Kurzzehenlerche, Stand: 15.07. 2012
575
NAUMANN 1824, 4/ 188
576
HARTERT in: NAUMANN/HENNICKE 1900, 3/ 13
PASSERES – SINGVÖGEL 95
im Winterquartier oft zu losen Scharen von 100 bis über 1000 Individuen
zusammengeschlossen.577
Kalandrelle: Der Gesang klingt „als wenn man den der Kalanderlerche, wo-
von die kurzzehige nur eine ganz kleine Ausgabe zu seyn scheint, und deß-
wegen bei den Italiänern Calandrella heißt, um mehrere Octaven höher ge-
stimmt hörte.“578
577
NAUMANN 1824, 4/ 188 und GLUTZ VON BLOTZHEIM/BAUER 1985, 10/ 127
578
OKEN, ISIS 1830, 787
579
GEBHARD 2006, 1/ 211
580
Ornithologische Mitteilungen 2001, Band 53
581
NAUMANN 1824, 4/ 188
582
CABANIS, Museum Heineanum 1851,1/ 121
583
BREHM 1879, 5/ 270
96 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
den englischen Namen „Pallas‘ short-toed Lark“ die Beinamen „Pallas‘ kurz-
zehige Lerche“ und „Pallas‘ Stummellerche“.584
Stummellerche: Der Name erschien weder bei NAUMANN, noch bei
OKEN oder VOIGT, sondern nur, wie zitiert, bei BREHM (s. o.), der den
Begriff auch eigenwillig deutete. Auch die dritte Auflage, die nicht mehr von
BREHM überarbeitet wurde, hat die Deutung gebracht.
584
NAUMANN/HENNICKE 1901, 3/ 13 + 16
585
FRIELING 1942, 49
586
GRIMM/GRIMM 1984, 11/ 2772 und STUDER/FATIO 1914, 1941
587
BUFFON/OTTO 1788, 14/ 265
PASSERES – SINGVÖGEL 97
588
SUOLAHTI 1909, 99
589
GRIMM/GRIMM 1984, 32/ 7 und NAUMANN 1824, 4/ 134
590
MEISNER/SCHINZ 1815, 134
591
I. ESPINASSE in: DINGLER: Polytechnisches Journal 1820, 2/ 186
592
DINGLER: Polytechnisches Journal 1820, 2/ 186
593
A. G. KAESTNER, Bienenzucht, 1766, 172 und WILDMANN, Wartung der Bienen, 1769, 197
98 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
der Dörfer und Städte herein: sie werden zu Bettlern vor den Scheuern und
Küchen.“
Weil sie kaum fliegt, am Boden bleibt und „ungemein angenehm und ab-
wechselnd“ singt, wurde die Haubenlerche gerne als Stubenvogel gehalten,
daher der Name.594
Weglerche, Wegelerche: Der Vogel sucht, besonders im Winter, seine Nah-
rung in Dörfern auf Wegen und Plätzen, wo er oft mit Abfällen, u. a. Pferde-
mist, zufrieden sein muss. Wenn möglich, ernährt er sich vom Herbst bis zum
Frühjahr aber von Sämereien. „Das ander geschlächt wirt in allen Sprachen
von seinem Kobel här genennt, als bei den Latinern Galerita, bey den Teüt-
schen aber Heübellerch, Kobellerch und Wäglerch, darumb daß es offt an den
Fußwägen gesehen wirt.“595
„Gessners ‚wäglerche‘ ist ein recht charakteristischer Namen vom Verhalten
der Haubenlerche abgeleitet …“ und: „waeglerch.. ‚das heißt Wegelerche,
denn (wie Galen schreibt) wir sehen sie oft auf den Wegen.‘ Dieses Merkmal
spricht eindeutiger als die Haube für die Haubenlerche.“596
Kothlerche, Kothmönch: Den Wortteil „-mönch“ in Kothmönch hat diese
Lerche „vermuthlich darum, weil sie gewöhnlich allein, und ohne Gesellschaft
erscheinet.“597 Unter Kot, Koth verstand man „jede flüssige oder flüssig gewe-
sene Unreinigkeit, welche in der niedrigern Sprechart Dreck genannt wird. …
Besonders mit Wasser befeuchtete oder flüssig gemachte Erde, besonders so
fern sie sich auf den Straßen oder Wegen befindet; im Nieders. Modder …“598
Heidlerch, Heidelerche: Diese Namen hatten mehrere Lerchen- und Pieper-
arten. Mit der Heidelerche hatten sie nichts zu tun, sondern waren Hinweise
auf Biotope. Als „Heide“ ist hier das zu verstehen, was HARTERT in der
Neuauflage des NAUMANN/HENNICKE beschrieb: „Die Haubenlerche
bewohnt lediglich offenes Gelände mit wenig Vegetation, und besonders mit
niedrigem Unkraut bewachsene Stellen, dessen Samen sie liebt, und in rei-
chem Ackerlande ist sie ganz und gar auf die breiten Landstraßen, Schuttab-
lagerungsstätten, Exerzierplätze, Sandgruben, Ladeplätze und ähnliche brach-
liegende Örtlichkeiten beschränkt.“599
Salatlerche: Dieser Begriff war, auch als „Sallatlerche“ weit verbreitet und
wurde von den Vogelstellern benutzt. Die Haubenlerche brütet auch in Gär-
594
FEHRINGER 1951, 129 und BREHM 1866, 268 und BECHSTEIN 1795, 145
595
HEUSSLIN/GESSNER 1551, in: GRIMM/GRIMM 1984, 27/ 3123
596
SPRINGER 2007,289
597
HÖFER 1815, 2/ 158
598
ADELUNG 1796, 2/ 1733
599
HARTERT in: NAUMANN/HENNICKE 1900, 3/ 41
PASSERES – SINGVÖGEL 99
ten unter Stauden oder anderen etwa höheren Pflanzen. „Nest auf der Erde
unter vertrockneten Büschen und Wachholdersträuchern, in Kohlgärten im
Gemüse.“600
Weinlerche: „Weinlerche“, nicht so häufig wie „Salatlerche“, ist bei NEM-
NICH 1793 belegt.601 In der Zoologie des Talmuds findet man unter „Der
Weintrinker“: „Der Name deutet auf einen Vogel, der die Weinfrucht ißt,
vielleicht die Weindrossel ( Turdus iliacus), welche so heißt, weil sie Weinbee-
ren in den Weinbergen stiehlt und ißt; indessen sei bemerkt, das die[-se all-]
gemeine Drossel ein reiner [zu essen erlaubter] Vogel ist, was übrigens noch
immer zuläßt einen andern Vogel deselben Geschlechtes als unrein zu erklä-
ren. – Vielleicht ist hier die Weinlerche ( Alauda cristata) gemeint; sie gehört
zu den acht, in Beziehung der Reinheit zweifelhaften Vögeln.“602
Dazu passt: Haubenlerchen sind in der Regel Standvögel. NAUMANN be-
richtete aber von Haubenlerchen aus den nördlichsten Verbreitungsgebieten,
die in Süddeutschland am Main und Rhein, in Thüringen und Franken über-
wintern. Das wird von GLUTZ VON BLOTZHEIM/BAUER bestätigt. In
allen Fällen handelt es sich nur um geringe Zahlen von Lerchen, die von Sep-
tember bis November registriert werden. In den ersten dieser Monate findet
die Weinlese in den genannten Gebieten statt.603
Lürle: Es handelt sich hier um BUFFONS „Kleine Zopflerche oder Lulu“,
etwas später auch „Waldlerche“ genannt, also um die Heidelerche.604
Unter „Zopflerche“(!) erschien bei BUFFON „Lürle“ als „luerle“. „Luerle“
sei bereits 1603 (p. 192, Sp. 2) bei SCHWENCKFELD, u. a. als „Alauda
capellata“ genannt worden.605 Auch GESSNER meinte die Heidelerche: „Ihre
Stimm ist/ Lü/ lü/ diese wiederholet sie sehr offt.“606
600
BECHSTEIN 1803, 197
601
GRIMM/GRIMM 1984, 28/ 960
602
LEWYSOHN 1858,185
603
NAUMANN 1824, 4/ 134 und GLUTZ VON BLOTZHEIM/BAUER 1985, 10/ 168
604
BUFFON/OTTO 1788, 14/ 277
605
BUFFON/OTTO 1788, 14/ 266
606
GESSNER/HORST 1669, 335a
100 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
607
KELM 1960, 409
608
BREHM 1879, 5/ 263
609
WEMBER 2005, 183
610
HAFFER 2003
PASSERES – SINGVÖGEL 101
611
BREHM 1866, 270
612
ONOMATOLOGIA FORESTALIS 1773, 688
613
ZORN 1743, 293
614
ZUM LAMM 2000, 225
615
GRIMM/GRIMM 1984, 10/ 798
616
BEZZEL 1993, 34
617
FRISCH 1763, T. 15
102 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
Baumlerche bekommen, ob sie sich gleich niemahls weit ins Holz begiebt.“618
NAUMANN sprach sich dennoch gegen „Baumlerche“ aus, weil sich der Vo-
gel bevorzugt am Boden aufhält, sich dort ernährt, schläft und nistet. Die
Männchen fliegen nur „auf die Spitzen nahe am Gipfel“ von Bäumen und
Gebüsch, „um ihren Gesang hören zu lassen.“619
Auch „Waldlerche“ ist schon seit dem 16. Jahrhundert bekannt. In England
ist noch heute „Woodlark“ gebräuchlich. „Solche Gegenden, wo Heide …
häufig wächst, liebt sie vor allen anderen, nur müssen auch Bäume und Ge-
büsch dabei sein…. Sie wohnt dann auf den mit Heide und Farrenkraut be-
deckten Blössen in den Wäldern und an den Waldrändern. (…) Nadelholz
ziehen sie dem Laubholz vor.“620
SUOLAHTI übersetzte den luxemburgischen Namen „Böschleierchen“, also
„Buschlerche“, mit „Waldlerche“. Auch die seit 1544 belegte „Holtzlerch“ be-
deutet nichts anderes als „Waldlerche“.621
Heidenachtigall, Haidenachtigall, Waldnachtigall: „Sie ist auch durch den
Gesang von der Feldlerche verschieden, der dem Gesange einer Nachtigall
weit ähnlicher als dem einer Lerche ist, und den sie nicht nur des Tages, son-
dern auch wie die Nachtigall des Nachts hören läßt.“622
„Die Haidelerche kann sich hinsichtlich ihres Gesanges mit der Nachtigall
nicht messen, und dennoch ersetzt sie diese. Das Lied der Nachtigall erklingt
nur während zweier Monate: die Haidelerche aber singt von Anfang des März
bis August und nach der Mauser noch in der letzten Hälfte des September und
in der ersten des Oktober, und sie singt in den öden, armen Gegenden.“623
GERLACH bezeichnete die Heidelerche als seelenvollste Sängerin unserer
einheimischen Vögel. „Jede Landschaft wurde durch diesen Gesang feierlich
wie unter einer Morgenröte.“ Er verbindet mit ihrem Gesang ein Gefühl der
Schwermut, als erhöbe die Natur hier selbst ihre zarteste Stimme. „Aber der
Vogel weiß nichts davon. Er singt nur, wie er muß.“624
Lüdlerche, Lull-Lerche, Lülerche, Dulllerche, Dull-Lerche, Dölllerche:
Die lautnachahmenden Namen, die im Gattungsnamen ( Lullula) wiederzu-
finden sind, kommen von dem weich flötenden Jodeln wie „tluii-tluii oder
618
KRÜNITZ 1799, 77/ 188
619
NAUMANN 1824, 4/ 192
620
NAUMANN 1824, 4/ 192
621
SUOLAHTI 1909, 100
622
KRÜNITZ 1799, 77/ 189
623
BREHM 1866, 3/ 270
624
GERLACH 1953, 48
PASSERES – SINGVÖGEL 103
düdluuii“ in dem Gesang des Vogels, auch als „dlüd-dlüd, dlüe“ oder „lululu-
lu“ und „lüllüllüllüllullullul“ empfunden.625
„Den Nahmen hat sie von ludeln, wutzeln: welches ein Ausdruck ihres lallen-
den Gesanges ist.“626
Schmervogel: „Schmervogel wegen der Fettigkeit.“627 Schmer ist in allen
möglichen Abwandlungen tierisches Fett. Zu Zeiten der Vogeljagd, als auch
die nicht so häufigen Heidelerchen gefangen wurden, schrieb NAUMANN:
„Ihr wohl schmeckendes Fleisch ist noch delikater als das der Feldlerchen,
im Herbst auch meistens sehr fett.“ Der Bearbeiter des 1900 erschienenen
3. Bandes der Neuauflage, ERNST HARTERT, ergänzte: „Jetzt gestattet das
Gesetz in Deutschland nirgend mehr den Heidelerchenfang. Übrigens ist die
Art nicht zahlreich genug an Individuen und der Braten nicht groß genug, um
den Fang solch lieblichen Sängers zu kulinarischen Zwecken zu billigen.“628
Steinlerche: „Stein-“ in Tiernamen bedeutet oft „Fels“ oder „steiniges Gelän-
de“. „Die Steinlêrche [ist] ein Nahme der gewöhnlichen Heide- oder Brach-
lerche, so fern sie sich in felsigen und gebirgigen Gegenden aufhält.“629
Mit „Steinlerche“ meinte man im 18. und 19. Jahrhundert meistens die
Alpenbraunelle. Der Name war für die Heidelerche eher ungewöhnlich. Das
gilt auch für die Feldlerche, die aber schon von EBER und PEUCER (1552)
„Steinlerch“ und bei Hans SACHS (1531, V. 237) „Stainlerch“ genannt wur-
de.630
Man kann davon ausgehen, dass trotz der verschiedenen Namen im 16. Jahr-
hundert nicht immer zwischen den beiden Lerchenarten unterschieden wur-
de. Das zeigt auch ADELUNGs Namensaufzählung für die „Brachlerche“
(bei der „Feldlerche“ beschrieben).
Gereuthlerche: „Reuten“ ist „roden, urbar“ machen durch Entfernen von
Baum- und Strauchwerk. Heidelerchen halten sich gerne auf Gereuten auf, in
„ausgereuteten“ Waldstücken. In solchen Rodungsgebieten brüten sie auch.
„Ihre Eyer legen sie an oder unter alte Stöcke und Baum-Wurzeln, in Wach-
holderbüschlein, oder auch nur in das bloße Gras, und brüten solche im Jun.
oder Julius aus, indem sie ihre Brut erst um Jacobi endigen.“631
625
SVENSSON/GRANT/MULLARNEY/ZETTERSTRÖM 1999, 232 und BERGMANN/HELP
1982, 234
626
HÖFER 1815, 2/ 223
627
HÖFER 1815, 2 /167
628
NAUMANN/HENNICKE 1900, 3/ 37
629
ADELUNG 1801, 4/ 342
630
SUOLAHTI 1909, 100
631
KRÜNITZ 1779, 17/ 379
104 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
Mittellerche: „Mittellerche“ ist ein alter Name der Heidelerche, die wegen
ihres, allerdings kleinen Federschopfes auch „Kleine Haubenlerche“ (Klei-
ne Zopf-, Schopflerche) hieß und von mittlerer Größe, auch kleiner als die
Felddlerche, ist. Das wollte man mit „Mittellerche“ ausdrücken.632
Knobellerche: Der Name steht für eine Lerchenart, deren Fleisch wie Knob-
lauch schmecken soll.633 „Der angenehme Geschmack nach Feldknoblauch,
ist auch nicht diesen [Feldlerchen] allein charakteristisch, sondern kommt
nur zufällig bei denen, die dergleichen gefressen haben.“634
Schleierlerche: Die von den im Nacken zusammentreffenden weißen Über-
augenstreifen, die die Kopfplatte begrenzen, vermitteln den Eindruck eines
Schleiers (o. Qu.).
632
KRÜNITZ 1799, 77/ 187
633
GRIMM/GRIMM 1984, 11/ 1449
634
VOIGT 1835, 216
635
BREHM 1866, 3/ 274
636
BREHM 1891, 4/ 219
637
SUOLAHTI 1909, 100
PASSERES – SINGVÖGEL 105
„Feldlerche“ konnte man später auch bei ZORN (1743), FRISCH (1763),
BECHSTEIN (ab 1795) uva. finden. Laut C. L. BREHM ist er ein Kunst-
name.638
Die Feldlerche wird „also genannt, weil sie sich allein in Feldern, oder nahe
bey denselben, auf Heiden und Wiesen aufhält, nähret und brütet, und nicht
in das Gehölze kommt, oder auf Bäume sitzet.“639
„Kein Vogel ist häufiger als sie, keiner so gemein; denn selbst der Haussper-
ling bewohnt nur Gegenden, wo der Ackerbau blüht, und verschwindet, wo
dieser aufhört. Nicht so unsere Lerche: sie bewohnt alle Gegenden.“640
Die Feldlerche ist ein Vogel offener Landschaften: Äcker, Wiesen, Weiden,
Marschen, Sanddünen, auch Moore und alpine Matten. Sie meidet Bäume.641
Brachlerche: „Sie hält sich gern auf den Brachäckern auf, und wird auch
Brachläufer, Heidelerche, Wiesenlerche, Mittellerche, Steinlerche, Saatlerche,
Feldlerche, Sanglerche und Waldlerche genannt.“642 ADELUNG hatte wie
KLEIN, auf den er sich bezog, mit „Brachlerche“ die Heide-, nicht die Feld-
lerche gemeint. BECHSTEIN u. a. haben den Namen aber auch für die Feld-
lerche übernommen.
Unter „Brachäcker“ fällt offenes Gelände mit freiem Horizont, trockene bis
wechselfeuchte Böden und karge Vegetation mit offenen Stellen. Feld- und
Heidelerche sind als Kurzstreckenzieher mitunter schon im zeitigen Frühjahr,
wenn der Schnee noch nicht abgetaut ist, aus den Überwinterungsgebieten in
Südeuropa/Norafrika zurück. Deshalb kann man den Namen „Brachlerche“
nicht mit einer Rückkehr in zeitlicher Nähe zum Brachmonat (Juni) in Ver-
bindung bringen (siehe Triel).
Leewaark, Himmelslerche, Sanglerche, Singlerche, Adlerlerche, Luftler-
che: „Leewark“ bedeutet „Lerche“. Dieser und ähnliche Namen für die Lerche
sind in plattdeutschen Dialekten oder im Niederländischen (wie auch nach
SUOLAHTI das mittelniederländische Leewerke) auch heute noch üblich.
Der Ornithologe Günther SCHUMANN (Jahrgang 1930) schrieb über
den Vogel des Jahres 1998 im INTERNET: „Die Feldlerche gehört zu den
volkstümlichen Vögeln. Sie wurde in vielen Dichtungen und Liedern besun-
gen. Das Zitat ‚Es war die Nachtigall und nicht die Lerche‘ aus Shakespeares
‚Romeo und Julia‘ fällt den meisten Menschen beim Stichwort ‚Lerche‘ ein.
638
C. L. BREHM 1824, 1015
639
ZORN 1743, 289
640
NAUMANN 1824, 4/ 157
641
BEZZEL 1995, 360
642
ADELUNG 1793, 1/ 1143
106 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
Besonders bei der Landbevölkerung war sie eh und je bekannt und beliebt,
zeigte sie doch mit ihrem jubilierenden Fluggesang oft schon zeitig im März
und April den beginnenden Frühling an. Ihre Volkstümlichkeit belegt auch
die Vielzahl von Namen, die ihr gegeben werden. Hier seien nur einige ge-
nannt: Ackerlerche, Edellerche, Himmelslerche, Kornlerche, Leewark, Larik,
Luftlerche, Morgenlerche, Saatlerche, Singlerche und Weglerche.“643
Bei KRÜNITZ liest man über „Himmelslerche“, „daß die Lerche bey dem
gänzlichen Mangel an Naturkunde der Alten, und weil sie in der Luft schwe-
bend singet, auch dem Landmanne keinen sichtbaren Schaden im Korne
thut, für einen Himmelsvogel, Vogel Gottes, oder einen Vogel gehalten wor-
den ist, welchen der himmlische Beherrscher besonders liebet – in welchem
sein besonderes Wohlgefallen ruhet.“644
„Ein Sommer, in dem sie fehlen, wäre wie eine Kirche ohne Orgel. Trillernd
jubelt es, und die Tonketten winden sich gleich Girlanden zur Sonne empor.
Sucht man das Himmelsblau mit den Augen ab, so erkennt man droben eben
noch die Lerche…“645
Weglerche: Der Name passt besser zur Haubenlerche, mit welcher die Feld-
lerche verwechselt werden kann. Wenn die Feldlerche am Boden ist, hält sie
sich nur auf Wegen auf, wenn sie dort leichter Nahrung finden kann.
Pardale: „Steigt die Lerche trillernd in die Luft, bedeutet das dem Bauern
schönes Wetter, erklingt aber zwischen den Ackerschollen ihr eintöniger Ruf,
besteht Aussicht auf Regen.“646 Das Wort „pardalus“ bedeutete in älteren na-
turwissenschaftlichen Werken „Regenpfeifer“.647
Kornlerche: „Kornlerche“ findet man schon in der „Angenehmen Landlust“
von PERNAU (1720) oder in der Georgica Helvetica curiosa von KÖNIG
(1706). In Letzterer liest man: Man nennt sie Korn-Lerchen, „weil sie wür-
cklich in denen Korn- und Getraid-äckern zu nesten/ und deren Körner zu
ihrer Speise außzubicken pflegen.“648 Die Bezeichnung „Kornlerche“ für die-
sen Vogel war im frühen 18. Jahrhundert neben „Feldlerche“ als Hauptname
verbreitet, auch bei PERNAU. Bei GESSNER (1557) ist er für die Feldlerche
noch nicht zu finden.
643
www.enilef.de/artikel/v1998.htm, Stand: 16.07.2012
644
KRÜNITZ 1799, 77/ 168
645
GERLACH 1953, 47
646
GATTIKER/GATTIKER 1989, 248
647
SUOLAHTI 1909, 270
648
PERNAU 1720, 213
PASSERES – SINGVÖGEL 107
Saatlerche: Der Name sagt, dass man die Lerche häufig auf Saatfeldern sah.
Er war schon im 18. Jahrhundert verbreitet.649 C. L. BREHM teilte die Feld-
lerche – Alauda arvensis in 4 Gruppen, von denen eine die „Saatlerche – Alau-
da segetum Br.“ war. Die anderen waren die „Berglerche – Alauda montana“,
die „Feldlerche [im engeren Sinn] – Alauda arvensis“ und die „Ackerlerche
– Alauda agrestis“.650
Taglerche: Hier geht es um einen Volksglauben, welche wann gefangene Ler-
che besser singt. Zitat aus einer Dorfzeitung 1840: „Die Liederlerche nennt
man im Thüringischen Nachtlerche.“ Und aus einem Lexikon 1773: „Sonst
unterscheiden einige die Lerchen in Tag- und Nachtlerchen, und verstehen
unter jenen die, so bei Tage, unter diesen aber die, so zur Nachtzeit gefangen
werden.“651
Der Pastor Christian GERBER schrieb 1707 ein Buch über „Die unerkann-
ten Wohlthaten Gottes, In dem Chur-Fürstenthum Sachsen …“ und darin
über Lerchen: „Ich weiß nicht, ob Herr Henelius hierinnen irret, oder ob
in Schlesien unterschiedliche Arten seyn, die in andern Ländern nicht an-
zutreffen. Wir wissen hier in Sachsen nichts von Wege-Lerchen, auch nichts
von Wald-Lerchen: Sondern wir haben zweyerley Arten, Nacht-Lerchen und
Tage-Lerchen, die auch Heide-Lerchen genennet werden. Unsere Nachtler-
chen sind eben die recht schönen Sang- Lerchen, und weil sie an den meisten
Orten des Nachts mit Netzen gefangen werden, heissen sie Nacht-Lerchen.
… Die Nacht-Lerche flieget nun sehr hoch in die Lufft, wie Herr Henelius
schreibet, und hält sich daselbst lange mit Singen auf: Sie kommet aber gleich
wohl herunter auf die Wege, läufft auf denenselben herum, welches Herr He-
nelius allein seiner Wege-Lerche zuschreibet. Die Tage-Lerchen sind bey uns
viel kleiner als die Nacht-Lerchen, lauffen mehr auf den Fußsteigen vor dem
Menschen hin, als die Nachtlerche, singet auch nicht so viel und schön als
jene, werden sowohl des Nachts, als des Tages auf dem Heerde gefangen. Das
sind unsere zwey Arten in Sachsen von Waldlerchen wissen wir gar nichts.“652
Der Begriff „Nachtlerche“ war selten und mehr auf das 18. Jahrhundert be-
schränkt. Anders als in der vorliegenden Beschreibung hielt man die Tagler-
chen (Heidelerchen) für bessere Sänger.
649
KÖNIG 1706, 835
650
C. L. BREHM 1832, 119
651
GRIMM/GRIMM 1984, 13/ 196
652
GERBER 1707, 728 in: Die unerkannten Wohlthaten Gottes, In dem Chur-Fürstenthum Sachsen
108 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
653
C. L. BREHM in: OKENS ISIS 1830, 798
654
NAUMANN 1824, 4/ 149
655
BREHM 1879, 5/ 274
656
NAUMANN 1824, 4/ 149
657
ADELUNG 1798, 3/ 1595
PASSERES – SINGVÖGEL 109
658
KRÜNITZ 1799, 77/ 200
659
NAUMANN 1824, 4/ 149
660
BEZZEL 1995, 357
661
KRÜNITZ 1799, 77/ 200
662
http://de.wikipedia.org/wiki/Ohrenlerche. Stand: 13.02.2011
663
HOFFMANN 1937, 55
110 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
Schwalben – Hirundinidae
Schwalben sind kleine Sperlingsvögel mit langen, spitzen Flügeln, breitem
Rachen sowie rasantem, wendigen Flug, an Insektenjagd in der Luft ange-
passt.664
Schwalbe: Das Wort „Schwalbe“ ist ein aus dem Germanischen kommender
Vogelname, ahd. „swalawa“, mhd. „swalwe“.665 Nach GRIMM/GRIMM war
(belegt aus dem 16. Jahrhundert) auch „Schwalm“ für Schwalbe oder neben
Schwalbe gebräuchlich. Die Herkunft des Wortes ist nicht bekannt. Vermutet
werden Verbindungen zu „Schwarm“ oder „sich hin- und herbewegen“ bzw.
„unruhige Bewegung“.666
664
SVENSSON et al. 2011, 258
665
SUOLAHTI 1909, 23
666
GRIMM/GRIMM 1984, 15/ 2182
667
OKEN 1837, 96
668
GERLACH 1953, 52
PASSERES – SINGVÖGEL 111
werden, sich dann auch wohl in Uferlöcher und dergl. verkriechen, und bald
wieder aufleben, wenn sie hier noch zeitig genug aufgenommen oder hervor-
gezogen und erwärmt werden; – und daß anderer Seits im Herbst beim Abzug
namentlich die Rauchschwalben gern im Rohre und Gesträuche über dem
Wasser übernachten, hier einzelne durch Zufall ins Wasser hinabfallen, und
dadurch die Vermuthung erregt haben, als ob sie sich frei[wil]lich in dasselbe
versenkten, um da im Schlamme zu überwintern.“669
Dennoch, VOIGT schrieb noch 1835: „Es scheint ausgemacht, daß sie den
Winter erstarrt in Morästen zubringt.“670 Und: „Zwei bedeutende deutsche
Zoologen, Ludwig Reichenbach und Harald Othmar Lenz, waren noch 1842
der Ansicht, daß der Schwalbenwinterschlaf möglich sei.“671
Uferschwalbe: Die Uferschwalbe hält sich am liebsten da auf und nistet, wo
sie steile Lehmuferwände findet. Das müssen nicht immer Flussufer sein. Der
Vogel begnügt sich oft auch mit einer steil abfallenden Erdwand oder Kies-
gruben. Der Name ist schon aus Quellen des 16. Jahrhunderts bekannt, so
„Ueber swalbe“ bei TURNER (1544) und „Vberschwalben“ bei EBER und
PEUCER (1552). „Uferschwalbe findet man zuerst 1746 bei DÖBEL.672
Erdschwalbe: „Erdschwalbe“ ist ein Synonym zu „Uferschwalbe“. FRISCH
(ab 1743) nannte den Vogel neben „Ufer-Schwalbe“ auch „Erd-Schwalbe“,
worauf KLEIN hinwies.673
„Sie legt ihr Nest in Uferhöhlen an, welche Wasserratten oder Mullwürfe ge-
macht haben, auch in alte Mauern und Steinbrüche, trägt nur etwas Erde und
Gras hinein, füttert es mit Federn aus und legt 6 weiße, röthlich gewölkte
Eyer. Im Nothfall graben sie sich selbst mit Schnabel und Klauen 6 Schuh
lange Höhlen mit unglaublicher Geschwindigkeit.“674 Sechs Schuh sind etwa
1,90 m. So lang sind die Niströhren nur selten, 60–70 cm sind normal. Und
auch darin irrte OKEN: Die Vögel bevorzugen in der Regel selbst gegrabene
Höhlen. Männchen, die sich oft erst nach Baubeginn verpaaren, beginnen
sogar mehrere Röhren zu graben und vollenden schließlich nur eine.
Graue Schwalbe, Braune Schwalbe: Der Vogel hat eine graubraune Ober-
seite und ein graubraunes Brustband auf der weißen Unterseite. Er kann von
weitem mit der größeren Felsenschwalbe verwechselt werden, die aber eine
dunklere Unterseite hat. Die Uferschwalbe ist über ganz Deutschland verbrei-
669
GLOGER 1834, 407
670
VOIGT 1835, 246
671
GERLACH 1953, 52
672
SUOLAHTI 1909, 26
673
KLEIN 1750, 83
674
OKEN 1837, 91
112 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
675
C. L. BREHM 1823, 394
676
ADELUNG 1796, 2/ 1733
677
BECHSTEIN 1795, 776
678
SPRINGER 2007, 290
679
GESSNER/HORST 1669, 75b
PASSERES – SINGVÖGEL 113
riparia Klein [Uferschwalbe]. Sollte aber die erste Hälfte des Wortes hier zu-
nächst das Ufer bedeuten, so würde es von Rain abstammen, und alsdann
Rainschwalbe geschrieben werden müssen.“680
„Ihr Aufenthalt ist am Strande des Meeres und an den Flüssen, besonders
häufig am Rhein, und daher der Name.“681 Wenn die Uferschwalbe beson-
ders häufig am Rhein gesehen wurde, bedeutet das nicht, dass sie nicht auch
woanders zahlreich vorkommt. ADELUNG versuchte eine besondere Inter-
pretation des Begriffes „Rhein“: Der Name „Rhein“ ist „echten Deutschen
Ursprunges, und, als ein naher Abkömmling von dem Zeitworte rinnen, und
dessen Stammworte reinen, fließen, eigentlich eine allgemeine Benennung
eines jeden Baches oder Flusses. In Graubünden, dem Vaterlande unsers
Rheinstromes, gibt es unzählige Bäche und kleine Flüsse, welche daselbst
Rhein genannt werden, und in der so genannten Romanischen Sprache heißt
jeder Bach Rhen.“682
Sandschwalbe: KLEIN erwähnt in seinen Historiae avium prodromus die eng-
lischen Namen „The Sand-Martin or Shore-Bird“.683
In einem Buch von Thomas FORSTER (1832) findet man: „The sand mar-
tin … builds its nest in holes, which it bores in banks of sand.“ Dabei sind mit
„sand“ die oft lehmigen, festen Bereiche unter dem Mutterboden gemeint.
Zu „martin“ vermutete COLLINS: Als im 15. Jahrhundert der Name ent-
stand, glaubte man, dass die Uferschwalbe aus England erst um die Zeit von
St. Martin (Anfang November) wegzieht.684
Strandschwalbe: In seinen Berichten über Reisen durch das Russische Reich,
erschienen 1777, nannte PALLAS die Uferschwalbe nur „Strandschwalbe“.
Dieser Name, in dem „Strand-“ soviel wie „Ufer-“ bedeutet, war zu der Zeit
für die Uferschwalbe verbreitet.
Wasserschwalbe: „Die Wasser-Schwalbe, Ufer- oder Erdschwalbe heißet
nicht also, daß sie sich etwa aus dem Wasser, z. E. mit kleinen Fischen u. d. g.
ernähret, denn sie fängt … in der Lufft die Fliegen weg; sondern weil sie sich
gerne am Wasser aufhält, in den Gebäuden, so nächst daran liegen, in dem
Gemäuer der Brücken, ingleichen in den Löchern der etwas hohen Ufern,
brütet. Sie schwebt immer über dem Wasser.“685
680
ADELUNG 1798, 3/ 1098
681
OKEN 1837, 95
682
ADELUNG 1798, 3/ 1097
683
KLEIN 1750, 83
684
COLLINS 1979, 905
685
ZORN 1743, 401
114 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
686
GRIMM/GRIMM 1984, 5/ 4205
687
SUOLAHTI 1909, 26
688
GLUTZ VON BLOTZHEIM/BAUER 1985, 10/ 387
PASSERES – SINGVÖGEL 115
Sohn beseufzt, und ihre Schwester in eine Schwalbe verwandelt mit einem
blutrothen Flecken am Halse; daher die Dichter auch das Wort Progne für
Schwalbe gebrauchen“,689 für „den ruhelosen Vogel, der mit dem Blutmal auf
der Brust klagend die Wohnstätten der Menschen umkreist.“690
„Ihren undeutlichen Gesang legt der gemeine Mann so aus: Da ich fortzog,
da ich fortzog, waren alle Kisten und Kasten voll, da ich wieder kam, da ich
wieder kam, war Alles wüst und leer r r r r.“691 Der Dichter Friedrich Rückert
(1788–1866) machte daraus sein bekanntes Schwalbenlied: „Aus der Jugend-
zeit…“
Rauchschwalbe, Rauch-Schwalbe, Schornsteinschwalbe, Küchenschwal-
be, Bauernschwalbe: „Die Rauchschwalbe besiedelt als extremer Kulturfol-
ger Viehställe, Scheunen, Aussiedlerhöfe, Wohnhäuser, und Fabrikhallen. Die
dichteste Besiedlung erreicht sie in bäuerlich geprägten Ortschaften.“692
Die Rauchschwalbe nistete früher häufig in den großen Küchen der Bauern
nahe am Rauch der Kamine, aber auch in den großen Kaminen der Bauern-
häuser. Sie wurde deshalb neben Rauchschwalbe auch Schornsteinschwalbe,
Küchenschwalbe oder Bauernschwalbe genannt. Das für die Rauchschwalbe
als typisch bezeichnete Brüten in Schornsteinen bezieht sich auf die Zeit, in
der eine andere Bauweise von Schornsteinen der Schwalbe geeignete Nist-
möglichkeiten gab.693
Schlotschwalbe: Eine Schlotschwalbe ist „eine Schwalbe, die in der Bauern
großen Kaminen nistet.“694 1517 glossierte TROCHUS den Vogel mit „cami-
naria“, weil er in den großen Küchen der Bauern nistet.695
Hausschwalbe, Gemeine Hausschwalbe, Gewöhnliche Hausschwalbe,
Fensterschwalbe, Giebelschwalbe, Stadtschwalbe: Im Allgemeinen pflegte
man im Volk keinen großen Unterschied zwischen den beiden Schwalben-
arten zu machen – es ist nur von „der Schwalbe“ die Rede. Das erklärt, dass
viele Namen, die für die Mehlschwalbe bekannt waren, auch für die Rauch-
schwalbe verwendet wurden und umgekehrt. Dennoch geht aus der Fülle der
Überlieferungen hervor, dass die Rauchschwalbe, die in Ställen, Scheunen
und Küchen zu nisten pflegt(e), dem Menschen näherstand, mehr Aufmerk-
689
OKEN 1837, 92
690
GERLACH 1953, 51
691
CURTMANN/WALTER 1846, 243
692
SPRINGER 2007, 291
693
WEMBER 2005, 118
694
GRIMM/GRIMM 1984, 14/ 252
695
SUOLAHTI 1909, 24
116 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
696
GATTIKER/GATTIKER 1989, 212
697
GRIMM/GRIMM 1984, 3/ 1603
698
SCHÖNWERTH 1858, 2/ 87
699
BREHM 1866, 3/ 630
700
FRISCH 1763, T. 18
701
NAUMANN 1833, 6/ 49
PASSERES – SINGVÖGEL 117
702
FRIDERICH 1849, 204
703
ADELUNG 1780, 4/ 700
704
GRIMM/GRIMM 1984, 17/ 1284
705
MUSÄUS 1797, Volksmärchen 1, 94
706
GRIMM/GRIMM 1984, 15/ 2182
707
BECHSTEIN 1802, 223
708
GRIMM/GRIMM 1984, 12/ 546 + 701
709
KLEIN/REYGER 1760, 84 und KLEIN 1760, 154
118 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
710
OKEN 1837, 95
711
BREHM 1866, 635
712
SUOLAHTI 1909, 25
713
OKEN 1837, 95
714
GRIMM/GRIMM 1984, 11/ 811
715
GRIMM/GRIMM 1984, 10/ 689
716
BREHM 1866, 635
717
FRISCH 1763, T. 17
PASSERES – SINGVÖGEL 119
718
GRIMM/GRIMM 1984, 12/ 546
719
GRIMM/GRIMM 1984, 12/ 701
720
SPRINGER 2007, 241 + 291
721
GESSNER/HORST 1669, 74b
722
SUOLAHTI 1909, 21
723
HOFFMANN 1937, 58
724
FRISCH 1763, T. 18
120 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
Bartmeisen – Timaliidae
Die Familie der Bartmeisen, die Panuridae, ist monotypisch, d. h. sie be-
steht nur aus einer einzigen Art. So steht es heute in vielen Büchern. Dann
liest man aber, dass die Bartmeise der einzige bei uns vorkommende Vertreter
der überwiegend in Südasien beheimateten Familie der Timaliidae sei, einer
form- und artenreichen Familie in der Ordnung der Sperlingsvögel (Passe-
riformes), die man „Drosselmeisen“ nennen würde. Bei BEAMAN/MAGE
steht die Bartmeise „Drosslingen“ aus der Gattung „Turdoides“ (Familie Ti-
maliidae) nahe.727
725
http://de.wikipedia.org/wiki/Rötelschwalbe, Stand: 14.01.2011
726
SVENSSON/GRANT/MULLARNEY/ZETTERSTRÖM 1999, 242
727
BEAMAN/MAGE 1998, 708
PASSERES – SINGVÖGEL 121
728
LUCANUS 1926, 132
729
HALLE 1760, 360 und STRESEMANN 1941, 83
730
BUFFON/OTTO 1791, 120
731
SVENSSON et al. 2011, 366
732
MÜLLER 1773, 628
733
BECHSTEIN 1807, 3/ 891
122 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
734
FRIDERICH 1849, 195
735
NAUMANN 1824, 4/ 98
736
KLEIN 1750, 86
737
OKEN 1837, 246
738
BUFFON/OTTO 1791, 115
739
NAUMANN 1824, 4/ 98
740
KLEIN 1750, 86 und BUFFON/OTTO 1791, 115
PASSERES – SINGVÖGEL 123
Schwanzmeisen – Aegithalidae
Die Schwanzmeisen sind eng mit den eigentlichen Meisen (Paridae) und den
Beutelmeisen (Remizidae) verwandt. Es handelt sich um kleine, meisenähn-
liche Vögel mit kurzen Flügeln, recht langen Schwänzen und feinen, kurzen
Schnäbeln mit gebogenem First.
741
BUFFON/OTTO 1791, 17/ 163
742
SVENSSON et al. 2011, 348
743
FRISCH 1763, T. 14
744
PFEIFER 2011, 1588
124 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
Meise‘ bei Klein Hist. av. prodr. (1750) S. 85 geworden.“745 Zagel wurde in
einigen Mundarten, Landschaften in Zahl (zäl, zöl, zael u. a.) umgewandelt.
Zahlmeise „ist ihr Thüringischer Nahme, wo Zahl bey den Vögeln soviel als
Schwanz heißt.“746
Langgeschwänzte Meise: Dieser Ausdruck ist der Leitname für die Schwanz-
meise bei KLEIN.747
Pfannenstiel, Pfannenstielchen, Löffelstiel: Sie „sieht mit dem langen
Schwanze, der so locker sizt, daß man ihn, wenn man sie dabei anfaßt, in den
Händen behält, und dem kurzen Schnäbelchen, sonderbar aus. Daher der
Name Löffel- oder Pfannenstiel.“748
„Pfannenstiel“ kannte schon GESSNER (als „Pfannenstil“) aus der Schweiz.
„Im Elsaß, wo der Name noch heute gebräuchlich ist, begegnet er zuerst im
Strassburg. Vogelb. (1554).“749 FRISCH meinte, die Schwanzmeise habe „vie-
lerley unschickliche Namen“. „Die lächerlichste Vergleichung ist, wann sie
Bauren-Kinder Pfannenstiele heissen.“750
Pfannenstieglitz: „Eberus und Peucerus [16. Jahrhundert] schreybend von
disem Meißlin/ daß es das kleinst unter allen Meisen seye/ und doch den
lengsten schwantz habe/ dazů von jnen ein Zagelmeiß und Pfannenstiglitz
genennt werde.“ – Der „Pfannenstiglitz“ wurde so begründet: „Diß ist vorne-
hin schwartz/ und weyß auf dem rugken/ in mitten in flüglen rot/ als auch zů
underst am bauch/ doch etwas heiterer.“751
Belzmeise, Teufelsbolzen, Teufelspelz, Teufelspelzchen: „Nicht ganz klar
ist, wie man die tirolische Bezeichnung ‚Pelzmeise‘ auffassen soll. Vielleicht
ist sie eine Umgestaltung von ‚Bolzmeise‘, wo ‚Bolz‘ auf den langen Schwanz
hinweisen würde. Der Vogel wird auch ‚Teufelsbolzen‘ und im Anhalter Dia-
lekt ‚Teufelspelzchen‘ genannt.“752
Als „Teufelsbolzen“ hat man die Streichhölzer bezeichnet, mit denen man
statt Geldes spielte. Dieser Name für den Vogel bezieht sich demnach auf des-
sen langen Schwanz. Auch Libellen, die Wasserjungfern, wurden bei OKEN
745
SUOLAHTI 1909, 159
746
KRÜNITZ 1773, 88/ 30
747
KLEIN 1760, 160
748
VOIGT 1835, 148
749
SUOLAHTI 1909, 159
750
FRISCH 1763, T. 14
751
GESSNER/MILT 1557 + 1980, 47
752
SUOLAHTI 1909, 160
PASSERES – SINGVÖGEL 125
mit dem Namen „Teufelsnadel“ beehrt. „Vielleicht dem Kopfe eines Arm-
brustschützen oder Bogenspanners entstammt der Name Teufelsbolzen.“753
Weißköpfige Schwanzmeise, Weißer Pfannenstiel: In Nord- und Osteuro-
pa lebt die Unterart „Nordische Schwanzmeise – Aegithalos caudatus cauda-
tus“, die als einzige einen reinweißen Kopf hat und auch auf der Unterseite
reiner weiß ist als andere Unterarten.754
Der seit 1720 belegte Ausdruck „Schneemeise“ kommt besonders im Süd-
osten des deutschen Sprachgebietes vor, so zu Beginn des 20. Jahrhunderts
in Nordböhmen, als „Schneemasn“ in Niederösterreich oder „Schneamoas“
in Tirol.755
Schneemeise: „Die Schneemeise/ welche etliche Pfannenstiel nennen/ ist die
kleinste unter allen/ hat aber den längsten Schwantz/ der bey ihrem kleinen
Leiblein nicht anderst aussiehet/ als ob der Vogel daran aufgespieset wäre. Sie
ist am Kopf gantz weiß/ ausser daß sie über dene Augen/ und unten an dem
Kienbacken braun und schwärtzlichte Streifen hat.“756
ADELUNG sieht den Ursprung von „Schneemeise“ nicht in dem weißen
Kopf, sondern „weil sie sich im Winter, wenn alles mit Schnee bedeckt ist,
gern den menschlichen Wohnungen nähert.“ „Sie ist die späteste auf ihrem
Strich, davon sie in einigen Orten Schnee-Maise heisset.“757
Schleiermeise: Der weiße Kopf der nordischen Unterart oder der weiße
Scheitel der mitteleuropäischen Unterart wurden Schleier genannt.
Bergmeise: Bei GESSNER heißt die Schwanzmeise auch „Berckmeißle“, bei
GESSNER/HORST wurde sie „Bergmeißlein genannt, dieweil es seine Woh-
nung gern auff den Bergen hat.“758
„Wo aber Berge bey diesen Morästen sind, wo sie sich aufhält, heisset sie die
Berg-Maise.“759
Die Schwanzmeise lebt in Tieflagen bis etwa 1000 m Höhe. Sie geht nur lokal
in die obere Montanstufe und nur an wenigen Stellen der Alpen bis an die
Baumgrenze.760
753
GRIMM/GRIMM 1984, 21/ 281 und HOFFMANN 1937, 57
754
SVENSSON et al. 2011, 348
755
SUOLAHTI 1909, 160
756
PERNAU 1720, 223
757
ADELUNG 1798, 3/ 1595 und FRISCH 1763, T. 14
758
SUOLAHTI 1909, 160 und GESSNER/HORST 1669, 351a
759
FRISCH 1763, T. 14
760
BEZZEL 1993, 435
126 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
Mehlmeise: Auch dieser Name wurde für mehrere Meisen verwendet. Das
Gefieder der Schwanzmeise ist im Kopf-Brustbereich weiß bis weißlich, be-
sonders bei der nordischen Unterart.
Mohrmeise, Moormeise, Riedmeise: „Sie hält sich gern an sumpfigen Oer-
tern und bey Rohren auf, davon hat sie den Namen Mor- oder Riet-Maise.“761
Die Schwanzmeise „bevorzugt lichte, bodenfeuchte Wälder mit reichlich
Unterholz, sowie aufgelockerte, reich strukturierte Waldränder, besonders
in Gewässernähe. … Optimale Habitate sind Auwälder und bodenfeuch-
te, reich strukturierte Laubmischgehölze, Sumpfniederungen mit Gebüsch,
Ufergehölze an Fließgewässern, Seen und Teichen, Laub- und Mischgehölze
in kleinen Mooren.“762
Spiegelmeise: Dieser Ausdruck ist Leitname für die Schwanzmeise bei Jo-
hann Andreas NAUMANN, obwohl er auch für andere Meisen in unter-
schiedlicher Bedeutung galt.763
Ein Spiegel ist bei Tieren meist ein leuchtender weißer Bereich, der aber auch
farbig sein kann, wie der Spiegel bei Enten. Die Kohlmeise heißt wegen ihres
schwarzen Kopfes nicht nur Brand-, sondern auch Spiegelmeise. Die mittel-
europäische Unterart der Schwanzmeise, Aegithalos caudatus europaeus, hat
auf jeder Kopfseite über dem Auge einen schwarzen Scheitelseitenstreif, der
dazwischenliegende Scheitel ist weiß, daher „Spiegelmeise“. Mit den Bezeich-
nungen „Schnee“- und „Spiegelmeise“ waren die beiden Unterarten gegen-
einander abzugrenzen.
Backofendrescher: Die Schwanzmeise baut ein kunstvolles oben geschlos-
senes Nest, das an das auch als „Backöfelchen“ bezeichnete Nest des Zaun-
königs erinnert. „In Süddeutschland nennt man den kleinen Baukünstler des-
halb Backöferle, unsere derbe norddeutsche Jugend hat aber einen derberen
Ausdruck dafür und nennt ihn schlichtweg Backofendrescher.“764
Der Ausdruck scheint aber mit dem Nest nicht viel zu tun zu haben. Er geht
wohl auf Johann FISCHART (1546–1591) zurück. Die Hinweise, die es
gab, führen zu „Sehr kleiner Vogel“. „Backowendersker“ ist der westfälische
Ausdruck für dieses Wort, das „Kleiner Mensch“ bedeutet.765 Und: … „auch
den Namen Backofendrescher, was zu Bachofentrescherlein von einem Zwerg
761
FRISCH 1763, T. 14
762
GLUTZ VON BLOTZHEIM/BAUER 1993, 13/ 337
763
J. A. NAUMANN 1796, 1/ 107
764
Naturwissenschaftlicher Beobachter 1869, 10/ 101
765
WOESTE, Wörterbuch der westfälischen Mundart, 2013, 17
PASSERES – SINGVÖGEL 127
Buschsänger – Cettiidae
Die Buschsänger (Cettidae) sind eine Familie der „Sylvioidea“, der Grasmü-
ckenartigen. Bei BEAMAN/MADGE gehört die Gattung Cettia noch zur
Familie der Zweigsänger (Sylvidae).768
766
GRIMM/GRIMM 1984, 1/1193
767
GATTERER 1782, 2/ 435
768
BEAMAN/MADGE 1998, 646
769
http://de.wikipedia.org/wiki/Seidensänger, Stand: 9.06.2011
770
WEMBER 2005, 133
771
SVENSSON/GRANT/MULLARNEY/ZETTERSTRÖM 1999, 294
128 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
Laubsänger – Phylloscopidae
„Die Laubsänger machen eine von den übrigen scharf abgeschnittene Familie
aus … Sie leben meist auf Bäumen und haben deswegen oben eine grünliche
Farbe, singen zum Teil schön, nähren sich fast lediglich von Käferchen, wel-
che sie oft wie Fliegenfänger aus der Luft wegschnappen, wandern, und bauen
… kugelförmige (backofenförmige) Nester.“772
772
C. L. BREHM 1821, 2/ 191
773
STUDER/FATIO 5, 1908
774
NAUMANNS 1823, 3/ 556
PASSERES – SINGVÖGEL 129
775
OKENS 1816, 439 und STRESEMANN 1941, 83
776
BECHSTEIN 1795, 688 + 1802, 176 und C. L. BREHM 1823, 1/ 368
777
BECHSTEIN 1807, 3/ 561
778
BUFFON/OTTO 1791, 16/ 266
779
NAUMANN/HENNICKE 1897, 2/ 127
780
BUFFON/OTTO 1791, 16/ 273
130 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
781
SCHINZ 1837, 75
782
KRÜNITZ 1780, 19/ 778
783
HOFFMANN 1937, 36
784
MEDICUS 1867, 220
785
NAUMANN 1823, 3/ 556
786
BECHSTEIN 1795, 691
PASSERES – SINGVÖGEL 131
laubsänger an und am Waldrande widerhallt der Wald von all dem Gelärm.
Unermüdlich fliegen die Laubsänger von Ast zu Ast, suchen ihn in raschem
Laufen (mit geöffneten Flügeln) ab, hängen sich an die herabhängenden
Zweige, jagen einander, stürzen im Scherz zu drei und vier auf einen Kame-
raden. Hie und da fliegt einer auf einen Gipfel und hält Umschau. … Nie
sah ich einen der Vögel herab auf die Erde oder in das Gesträuch fliegen; stets
halten sie sich in den höchsten Gipfeln auf. … Die Furcht vor Raubvögeln,
die in unserer Gegend doch zahlreich sind, scheint sehr gering zu sein.“787
Berglaubsänger: Die Laubsänger ( Phylloscopus) sind eine Gattung der Gras-
mückenartigen (Sylviidae). Sie sind kleine Vögel, die im Wald auf dem Boden
brüten, sich aber in Baumkronen aufhalten. Die Laubsänger-Arten sind vom
Aussehen her sehr schwer voneinander zu unterscheiden.
Der knapp fitisgroße Berglaubsänger hat einen matt grünlich braunen Man-
tel. Der weißlichen Unterseite fehlt ein Gelb oder Beige an der Kehle, Brust
und Bauch, die Beine sind dunkel braungrau.788
Der Berglaubsänger brütet in verschiedenen Waldtypen in unterschiedlicher
Höhe in den Alpen, Berg- und Hügelländern des Mittelmeerraumes und des
südwestlichen Mitteleuropas (bis etwa 1950 m).
Der Vogel wurde erst 1819 von Louis VIEILLOT im Nouveau Dictionnaire
beschrieben und mit „Phyllopneuste bonelli“ benannt.789
Berg-Laubvogel, Bergsänger: Der erste Name stammt von NAUMANN,
der alle ihm bekannten Laubsänger „Laubvogel“ nannte.790 C. L. BREHM,
dessen Bezeichnungen für diese Vögel in der Regel „Laubsänger“ waren, hat
NAUMANNS „Berglaubvogel“ 1831 aber nur zu „Deutscher Berglaubvogel“
erweitert. Die „Laubsänger“-Bezeichnung stammt von seinem Sohn Alfred
BREHM.791 Den „Bergsänger“ findet man bei OKEN, der den Vogel als „Syl-
via natteri“ unter die Rohrsänger geordnet hatte. Daraus resultierte auch die
Kurzbenennung „Bergsänger“. Entsprechend war OKEN bei etlichen seiner
„Rohrsänger“ vorgegangen.792
Brauner Laubvogel, Grünsteißiger Laubvogel, Weißbauchiger Laubvo-
gel: Alle diese Namen sind erstmals bei NAUMANN in seinen Nachträgen
erschienen,793 der mit diesen Kunstbegriffen auf Gefiedermerkmale hinwies:
787
STUDER/FATIO 1908/ 704
788
SVENSSON et al. 2011, 328
789
STUDER/FATIO 1908, 699
790
NAUMANN 1860, 417
791
BREHM 1879, 5/ 204
792
OKEN 1843, 7
793
NAUMANN 1860, 417
132 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
Stirn, Scheitel, Nacken, Rücken und Schultern sind licht-braungrau oder sehr
hell graubraun. a) Die anderen heimischen Laubsänger sind in diesen Berei-
chen olivgrün gefärbt. b) Der grünlich gelbe Bürzel hebt sich deutlich vom
„Mantel“ ab. Bei Fitis, Zilpzalp und Waldlaubsänger hat der Bürzel die Farbe
des Rückens. c) Die weißliche Unterseite ab der Kehle ist ohne Gelb.
Bonellis Laubvogel, Bonellis Laubsänger: Franco Andrea BONELLI
(1784–1830) war ein Turiner Ornithologe, Zoologe und Sammler. 1811
schrieb BONELLI einen Katalog der Vögel Piemonts, in dem er 262 Arten
beschreibt. 1815 entdeckte er den Berglaubsänger ( Phylloscopus bonelli), der
1819 erstmals von Louis VIEILLOT beschrieben und nach BONELLI be-
nannt worden war. Der wissenschaftliche Name gilt noch heute.794
794
http://de.wikipedia.org/wiki/Franco_Andrea_Bonelli, Stand: 11.07. 2011
795
DONNDORF 1795, 3/ 726
796
STRESEMANN 1951/ 1996, 300
PASSERES – SINGVÖGEL 133
bemerkt haben, als Männchen und Weibchen, nie aber als verschiedene Arten
getrennt.“797
Weidenzeisig (F, Z), Weidenlaubvogel (Z), Weidenzeislein (Z), Wyder-
le (Z), Weidensänger (F, Z): Wyderle (GESSNER 1555), Weidenzeislein
(NIEDENTHAL 1656), Weidenzeisig (GÖCHHAUSEN 1710) waren
Volksnamen, die sich auf alle Laubsänger bezogen. BECHSTEIN beschränk-
te „Weidenzeisig“ 1795 auf Phylloscopus collybita und verwissenschaftlichte
den Namen 1802 zu „Weidensänger“. NAUMANN (1823) erweiterte den
Begriff zu „Weidenlaubvogel“.798
Bei GESSNER liest man zu „Wyderle“: „…und wird ein Weiderlein genennt/
von den Weiden darinn es wohnet/ wiewol es kein Wasservogel ist. Deß-
gleichen ein Zilzepfflein/ von der oft widerholten Stimm zilzel/ oder Til-tap.
Es lebt von den Fliegen und Spinnen/ auch von den Würmlein/ so in den
Weiden ihre Wohnung haben/ darumb es andere Vögelein vertreibt/ damit es
seine Speiß allein haben möge.“799
Weidenzeisig (F, Z), Kleinste Grasmücke (Z): FRISCH schrieb auf seiner
Tafel 24 „Weiden Zeisig“ und „Die Kleinste Gras-mücke“ sowie „Muscipe-
ta minimus“. „Kleinste“ bedeutete damals logischerweise „kleinste bekannte
Grasmücke“. Hier handelt es sich noch um gemeinsame Bezeichnungen für
Fitis und Zilpzalp.800
Weidenmücke (F, Z): Die Weidenmücke ist „eine Art Grasmücken, welche
sich gern in den Weidengebüschen finden läßt, Motacilla Salicaria Linn. auch
Weidenzeisig.“801
KLEIN (1760) führte „Weidenmücke“ als Hauptnamen für die Art, die er
auch noch „Weidenzeisig“ und die „Kleine graugelbe Grasmücke“ nannte.
Auch KLEIN trennte Fitis und Zilpzalp noch nicht in zwei Arten auf, wie
auch sein Verweis auf die Tafel 24 von FRISCH (vor 1763 fertiggestellt) zeig-
te.802 BECHSTEIN übernahm „Weidenmücke“ für den Fitis, jedoch nicht
für den Zilpzalp. NAUMANN gab beiden Arten diesen Beinamen.803
Nachdem die Artentrennung längst vollzogen war, äußerte sich HOFF-
MANN zur „Weidenmücke“: „Was für Unheil die beim Volke und in der
Gelehrtenwelt üblich gewordene Schreibweise des Wortes Gras-mücke zur
797
BECHSTEIN 1795, 678
798
STRESEMANN 1941, 84
799
GESSNER/HORST 1669, 204b
800
FRISCH 1763, T. 24
801
ADELUNG 1801, 4/ 1449
802
KLEIN 1760, 139
803
BECHSTEIN 1802, 187 und NAUMANN 1823, 3/ 568 + 581
134 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
Folge gehabt hat, wird dadurch erwiesen, daß man den Weidenlaubsänger
[Zilpzalp] „Weidenmücke“(!) genannt hat, welchen Namen zum Überfluß
auch der nahe verwandte, fast den gleichen Lebensboden bevorzugende Fi-
tislaubsänger trägt“.804 Der Namensteil „-mücke“ könnte, wie bei der Gras-
mücke erklärt, von „smucka“ kommen, das „schmiegen, schlüpfen“ bedeu-
tet. Die Weidenmücke ist also eigentlich ein Vogel, der durch die Weiden
schlüpft. Der Namensteil könnte aber auch ganz anders zu erklären sein: Bei
Hans SACHS wurde der Zilpzalp „Flinderling“ genannt, der mit dem „Wüst-
ling“ (Gartenrotschwanz) „die Tischgesellschaft vor Mücken wehrt, was zu
den Eigenschaften des Weidenlaubsängers gut stimmt.“805
Weidenzeisig (F, Z), Weidenmücke (F, Z), Weidenlaubsänger (F, Z), Wei-
densänger sind nur einige gemeinsame Namen von Fitis und Zilpzalp. Zu
den noch heute existierenden „Weiden“-Namen kritisierte BEZZEL, dass der
in den Namen für Fitis und Zilpzalp erscheinende Wortteil „Weiden-“ den
falschen Eindruck entstehen lasse, die Vögel bevorzugten Weidenbäume und
-sträucher. Vielmehr lebe der Zilpzalp in allen möglichen lichten Wald- und
Strauchgebieten trockener Standorte und sei in Auwäldern eher selten. Für
den Fitis gelte Ähnliches, allerdings meide er sehr trockene Standorte. Man
finde ihn in trockenen bis ausgesprochen nassen Waldgebieten. Er halte sich
außerhalb der Brutzeit weniger in Bäumen als in niedrigem Gebüsch auf, zu
dem auch Weiden gehören.806
Laubvögelchen (F), Kleinstes Laubvögelchen (Z), Weidenblättchen (F),
Kleines Weidenblättchen (Z): In dem eingangs erwähnten Brief an PEN-
NANT schrieb WHITE auch, dass der „Sänger“ (Fitis) „in jeder Hinsicht
größer“ sei als der „Zirper“ (Zilpzalp) und auch um ein Fünftel schwerer.807
Die Zuordnung von „Laubvögelchen“ zum Fitis und „Kleinstes Laubvögel-
chen“ zum Zilpzalp (dem kleinsten der damals bekannten heimischen Laub-
sänger) stammt von BECHSTEIN. Den Namen „Laubvögelchen“ begründe-
te er: „Weil man es wegen seiner schönen Rückenfarbe nicht von Baumblät-
tern unterscheiden kann.“ Auch den Namen „Weidenblättchen“ für den Fitis
findet man zuerst bei BECHSTEIN. NAUMANN fügte für den Zilpzalp ein
entsprechendes „Kleines Weidenblättchen“ hinzu.808
Gelbfüßiger Laubvogel (F), Braunfüßiger Laubvogel (Z): „Die Beine des
größeren von beiden [Fitis] sind fleischfarben, die des kleineren [Zilpzalp] da-
804
HOFFMANN 1937, 49
805
SUOLAHTI 1909, 76
806
BEZZEL 1993, 391
807
STRESEMANN 1951/ 1996, 300
808
BECHSTEIN 1795, 678 + 682 + 1802, 188 und NAUMANN 1823, 3/ 581
PASSERES – SINGVÖGEL 135
gegen schwarz.“809 Heute liest man, dass der Zilpzalp „meist dunklere“ Beine
als der Fitis habe. Beide Begriffe sind Kunstnamen, die von NAUMANN
stammen.810
Fitislaubvogel (F), Weidenlaubvogel (Z), Fitislaubsänger (F), Weiden-
laubsänger (Z): „Laubvögel“ haben laut NAUMANN sehr schwächliche
kleine Füße, einen dünnen pfriemenförmigen lichtgefärbten Schnabel und
einen geraden oder doch wenig ausgekerbten Schwanz. Die Gefieder-Haupt-
farbe ist grünlich. Sie hüpfen flatternd durch die Zweige, sind „an ebener Erde
aber höchst unbehülflich.“ Ihre Nahrung sind kleine Blätterinsekten und ihre
Larven, die sie teils von den Blättern ablesen, teils im Fluge fangen. Laubsän-
ger nisten meistens auf der Erde und bauen sehr künstliche oder überwöbte
Nester, „mit einem engen Eingange zur Seite“.811
Der Teil-Name „Laubsänger“ stammt von BECHSTEIN, der die Art „Wald-
laubsänger“ so nannte.812 Als Gattungsname für Phylloscopus wurde „Laub-
sänger“ zuerst von C. L. BREHM verwendet.813
„Fitislaubsänger“ und „Weidenlaubsänger“ haben sich bis in unsere Zeit
neben „Fitis“ und „Zilpzalp“ gehalten.
Wisperlein (F), Wisperlin (F), Witwaldlein (Z): „Wisperlein, -lin“ sind
lautmalende Vogelnamen. Nach dem mittelhochdeutsche Schallwort „wis-
peln“, das u. a. „pfeifen“ bedeutet, sind „Wisperlein“ und „Wisperlin“, die
auch für „Sylvia“ trochilus verwendet wurden: „Ein kleiner Vogel, sonst auch
Weidenzeiszlein genannt, so unten gelblich am Leib.“814
„Das Wittwerlein oder Wittwaldlein/Wird dasjenige Weißbauchige kleine
Vöglein genannt/ welches bald nach den Wisperlein oder Weiden-Zeißlein/
dessen Geschrey lautet/wie wann einer mit dem Mund pfeiffet; sich im Früh-
jahr einfindet/und ein ganz kurtzes Gesang/immerdar auf den Bäumen/und
in den Stauden herumhüpffende/wiederholet.“815
In der „Angenehmen Landlust“ unterschied PERNAU 1720, was er 1702 nicht
tat, zwischen „Wisperlein“ und „Witwaldlein“. Über Ersteres schrieb er: „Die-
ses sehr kleine Vögelein bleibet wenige Zeit bey uns/ und ist/ weil es keinen
schönen Gesang hat/ und doch zärtlich gehalten seyn will/ nicht der Mühe
wert/ weder wie man es fangen/ noch wie man es erhalten soll/ zu erzehlen.“
809
WHITE in: STRESEMANN 1951/1996, 300
810
NAUMANN 1823, 3/ 568 + 581
811
NAUMANN 1823, 539
812
BECHSTEIN 1802, 176
813
C. L. BREHM 1823, 1/ 368
814
FRISCH 1741 in GRIMM/GRIMM 1984, 30/ 740
815
PERNAU 1702, 91
136 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
Über das „Witwaldlein“ schrieb PERNAU nach dem Hinweis, dass der Pirol
an manchen Orten auch so genannt werde: „Es ist ein kleines Vögelein/ das
wenige Zeit bey uns bleibet/ und noch schlechter singet als das Wisperlein.“
Daraus lässt sich folgern, dass PERNAU mit „Wisperlein“ den heutigen Fitis,
mit „Witwaldlein“ den heutigen Zilpzalp meinte. Dieses frühe Signal von
PERNAU ist von den damaligen Ornithologen nicht erkannt worden.816
Über den Ursprung von „Wittwäldlein“ (und „Wittwerlein“) schrieb ZORN:
„Von seinem kurtzen und traurig lautenden Gesang, den er offt wiederholet,
heißet er das Wittwerlein oder Wittwäldlein“.817
Schmidtl (F), Schmittl (F, Z): BECHSTEIN, von dem diese Namen, wie
auch die ähnlichen „Schmittel“, „Schmitl“ oder „Smitl“, nicht stammen,
übertrug sie zwar zutreffend auf den Zilpzalp, eigenartigerweise aber auch
auf den Fitis.818 Der eintönige Gesang des Zilpzalp solle sich anhören wie das
eintönige Hämmern in einer Schmiede.819
816
PERNAU 1720, 322
817
ZORN 1743, 377
818
BECHSTEIN 1795, 682
819
SUOLAHTI 1909, 76
820
HEINROTH 1966, 1/ 80
PASSERES – SINGVÖGEL 137
STRESEMANN.821 Er ist, wie auch die Namen Fiting und Fitichen „von den
weichen sanften Tönen des Vogels hergeleitet.“822
Ob „Fitis“ ein Volks- oder Kunstname ist, bleibt nach HOFFMANNS Er-
klärung offen: „Die Artbezeichnung fitis rührt von MATH. BECHSTEIN
(1795) her, der sich auf Vogelsteller beruft, die neben dem vid wohl auch
schon das vidi aus dem Gesang herausgehört haben.“823
Bei SVENSSON liest man, dass der Fitis weich pfeifend, zweisilbig und an-
steigend „HÜitt“ ruft. Das klinge bei manchen Vögeln mehr wie ein schnel-
leres, anders betontes „hüITT“ des Zilpzalps.824
Fitissänger, Weidenlaubsänger: C. L. BREHM lehnte in seinen Beiträgen
zur Vögelkunde (1821) den von BECHSTEIN vergebenen Hauptnamen „Fi-
tissänger“ ab: „Der Name Fitissänger, Sylvia Fitis, welchen Bechstein unserm
Vogel gegeben hat, ist eben so schlecht, als der Weidensänger für Sylvia rufa
[Zilpzalp]. Unser Laubsänger schreit nicht eigentlich, fit, sondern hoid.“ Weil
die Benennung nach dem Ruf, den andere Vögel ähnlich auch haben, nicht
eindeutig genug sei, schlug C. L. BREHM „Weidenlaubsänger“ für „Fitis“
vor. Den Zilpzalp nannte er „Grauer Laubsänger“.825
Birkenlaubsänger: Unter diesem Ausdruck führte C. L. BREHM den Fitis
in seinem Lehrbuch der Naturgeschichte aller europäischen Vögel: „Er bewohnt
Europa hoch bis Norwegen hinauf, lebt überall in Laubwäldern und den Vor-
hölzern der Schwarzwälder, besonders da, wo Birken stehen …“826
Weidenblatt, Weidenblättchen: „Der Fitis-Laubvogel, Sylvia trochilus oder
Phylloscopus trochilus, heiszt nach der Lage seines Nestes Weidenblatt … oder
häufiger Weidenblättchen“.827 „Das Nest ist fast immer so versteckt, dass es
sich beinahe am allerschwersten unter allen Vogelnestern auffinden lässt …
Es gehört dann selbst noch ein sehr geübter Blick dazu, das Äussere des Nes-
tes, die Haube, von dem umgebenden alten Gras, Laub, Moos und dergl. zu
unterscheiden.“828
Gelber Fitis: Im Vergleich zum Zilpzalp, der auch „Brauner Fitis“ genannt
wurde, erscheint der Fitis etwas gelber gefärbt.
821
STRESEMANN 1941, 84
822
SUOLAHTI 1909, 75
823
HOFFMANN 1937, 17
824
SVENSSON/GRANT/MULLARNEY/ZETTERSTRÖM 1999, 304
825
C. L. BREHM 1821, 2/ 216
826
C. L. BREHM 182, 373
827
GRIMM/GRIMM 1984, 28/ 579
828
NAUMANN 1823, 3/ 563
138 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
Großer Weidenzeisig: „Unser Vögelchen [Fitis] ist übrigens stets ein wenig
größer, von Farbe etwas gelblicher, und die Füsse sind immer lichter gefärbt
als beim Weidenlaubvogel.“829
Laubvögelchen, Weidenvogel: Diese Namen sind weitere Konstrukte, die
sich auf den angenommenen und tatsächlichen Lebensraum beziehen.
Backöfelchen: Die gewölbten Nester auf dem Boden mit ihrem seitlichen
Schlupfloch erinnern an Backöfen. Namen aus England und Finnland könn-
ten mit Ofenvogel übersetzt werden.830
Sommerkönig: Der „König der Vögel“ ist der Zaunkönig. Dort ist beschrie-
ben, wie der Vogel zu diesem Namen kam. Im Englischen wird der Fitis „wil-
low-wren“ genannt, Weiden-Zaunkönig. Das „Sommer-“ im deutschen Na-
men deutet auf den Sommervogel hin. Der Fitis überwintert im tropischen
Afrika.
„Sommerkönig“ für den Fitis stammt von BECHSTEIN. Derselbe Name
existierte schon länger für die Goldhähnchen, z. B. bei KLEIN (1750). SUO-
LAHTI schrieb dazu: „Gelegentlich gibt man dem Goldhähnchen den Namen
Sommerkönig, im Gegensatz zu dem Zaunschlüpfer [Zaunkönig], welcher
der Winterkönig ist … Im volkstümlichen Gebrauch dürfte dieser Ausdruck
jedoch nicht sein; die lebenden Mundarten halten immer den Zaunschlüpfer
für den König der Vögel.“831
Asilvogel: Die Griechen scheinen sie unter dem Namen Oispros (lat. Asilus)
gekannt zu haben.832
Wie der Name entstanden sein könnte, kann man bei GESSNER nachlesen,
der unter der Überschrift „Von dem Asilo“ schrieb: „Dieser Vogel wird auff
Griechisch Oispros genannt/ er ist aus dem Geschlecht derer Vögel/ welche
von den Würmlein leben. Niphus vermeinet dieses sey ein Ungezieffer/ und
aus dem Geschlecht derer so gemeiniglich Bremen [Bremsen] genennt wer-
den/ verwundert sich derhalben daß dieses unter die Vögel gezehlt wird. Wel-
ches aber kein Wunder ist/ dieweil etliche Thier offt nur einen Namen haben/
die doch nicht eines Geschlechts sind/ nur allein darumb/ weil sie in etlichen
Dingen einander gleichen/ als der Natur nach/ oder an der Farb/ Stimm/ oder
andern dergleichen Stücken/ und derohalben so wol ein Roßkäffer als ein
Vogel/ also kann genennt werden.“833
829
NAUMANN 1823, 3/ 568
830
SUOLAHTI 1909, 74
831
BECHSTEIN 1795, 682 und KLEIN 1750, 76 und SUOLAHTI 1909, 78
832
BUFFON/SCHALTENBRAND 1838, 8/ 428
833
GESSNER/HORST 1669, 51a
PASSERES – SINGVÖGEL 139
834
KRÜNITZ 1783, 2/ 528 und GLUTZ VON BLOTZHEIM/BAUER 1991, 12/ 1353
835
NAUMANN 1823, 3/ 581 und BEZZEL1993, 388
836
BECHSTEIN 1807, 3/ 649
837
NAUMANN 1823, 3/ 581
140 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
Ein anderes „Namens-Paar“ sind der „Weidensänger“ (Fitis) und der „Kleine
Weidensänger“ (Zilpzalp).
Brauner Weidensänger, Brauner Fitis: Das zarte Vögelchen „ist oft mit dem
Fitislaubvogel verwechselt worden, aber stets etwas kleiner, seine Farbe meis-
tens weniger gelb, vielmehr oftmals etwas ins Röthliche fallend, die Füsse
dunkler, und der Schnabel dünner als beim Fitislaubvogel.“838
Kleine gelbrothe Grasmücke, Eigentliche rothe und gelbrothe Gras-
mücke: OTTO benutzte ersteren Ausdruck neben „Weidenzeisig“ als Leit-
namen, denn er hatte sich noch nicht auf eine „Motacilla Trochilus“ (nach
LINNÈ) oder eine „Curruca rufa“ (nach BRISSON) festgelegt. „Der Nahme
Grasmücke kommt von ihrer fahlen Farbe, die sich bei den meisten unter
diesen Vögeln findet; und diese Etymolgie, sagt Menage, die Belon verwirft,
ist die wahre.“ Zur Gefiederfarbe liest man dort (p. 157): „… daß diese kleine
Grasmücke nur eine Farbe hat, nähmlich so wie bei dem Schwanze der Nach-
tigall; … Wir wollen nur bemerken, daß auf den großen Flügeldeckfedern
eine kleine Zeichnung von Rothgelb ist, die noch schwächer auf den kleinen
Schleusen der Schwungfedern sich zeiget, mit einer sehr schwachen und sehr
hellen Schattirung von Gelbröthlich auf dem Grau des Rückens … Nur sehr
uneigentlich, wie man sieht, hat dieser Vogel den Nahmen der gelbrothen
Grasmücke bekommen.“839
Auch BECHSTEIN teilte diese Ausdrücke dem Zilpzalp zu.840
Mit Phantasie kann man danach auch den zweiten, sehr künstlichen Namen,
den man bei NAUMANN findet, erklären.841
Weidenzeislein: „Sie heißt [nach ZORN, 1743] auch das Weidenzeischen,
weil sie sich gern, sonderlich gegen den Herbst, auf Weidenbäumen und Bü-
schen betreten läßt, wo sie gewisse kleine Insekten (…) die sie vor andern gern
frißt, aufsuchet, und etwas gelblich aussieht, fast wie ein Zeischen.“842
Eigentliche Grasmücke: Auf diesen Weidenzeisig „passet sehr gut Zorns Be-
schreibung seiner eigentlichen Grasmücke … Ich nenne, sagt er, dieses Vögel-
chen nur allein die Grasmücke, weil meinen Landsleuten kein anderer Vogel
unter diesem Nahmen bekannt ist.“843
838
NAUMANN 1823, 3/ 581
839
BUFFON/OTTO 1791, 15/ 153f
840
BECHSTEIN 1795, 682
841
NAUMANN 1823, 3/ 581
842
ZORN 1743, 391 und BUFFON/OTTO 1791, 15/ 160
843
BUFFON/OTTO 1791, 15/ 160
PASSERES – SINGVÖGEL 141
844
BECHSTEIN 1802, 188
845
GLUTZ VON BLOTZHEIM/BAUER 1991, 12/ 1262
846
BECHSTEIN 1807, 3/ 653
847
BOROWSKI 1782, 3/ 191
848
BECHSTEIN 1807, 3/ 653
849
BUFFON/SCHALTENBRAND 1838, 8/ 428
850
CAMPE 1808, 3/ 46
851
GRÄSSNER 1860, 75
852
BOROWSKI 1782, 3/ 191
142 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
853
KRÜNITZ 1847, 192/ 45
854
http://www.drs.ch/www/de/drs/nachrichten/regional/aargau-solothurn/227982.seltener-vogel-aus-
sibirien-in-olten.html, Stand: 13.07.2011
PASSERES – SINGVÖGEL 143
Grassänger – Megaluridae
Die Grassänger beinhalten die Schwirle, zu denen man 9 Arten zählt. Bei
uns kommen regelmäßig drei Arten vor, dazu kommen Irrgäste. Die Arten-
liste der Vögel Deutschlands von 2005 führt sie unter „Grassänger – Megalu-
ridae“. Man findet die Schwirle aber eher unter „Sylviidae“ oder unter dem
Gattungsnamen „Locustella“. Die Vögel, die zur Rohrsängergruppe gehören,
besiedeln Röhrichte, Sumpf- und Grasland und ernähren sich von Insekten.
„Schwirl“ scheint kein Kunstname zu sein, vielmehr ein alter Vogelsteller-
name.856 Man findet ihn schon bei BECHSTEIN für den Schilfrohrsänger.
Den Namen „Schwirl“ für Locustella naevia (Feldschwirl) liest man zuerst bei
NAUMANN. Sein „Grosser Schwirl“ ist der heutige Schlagschwirl ( Locustel-
la fluviatilis).857 „Die [modernen] Namen Schlagschwirl, Rohrschwirl, Feld-
schwirl scheint LIEBE geprägt zu haben. … LIEBE verwendet den sonst im
Schrifttum wenig vorkommenden Namen Schwirl sehr gern.“858
855
GLUTZ VON BLOTZHEIM/BAUER 1991, 12/ 1077
856
HILDEBRANDT 1941
857
BECHSTEIN 1807, 3/ 625 und NAUMANN 1822, 3/ 701 + 694
858
HILDEBRANDT 1941
144 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
859
GLUTZ VON BLOTZHEIM/BAUER 1991, 12/ 203
860
NAUMANN/HENNICKE 1897, 2/ 31
861
SCHINZ 1840, 178 und OKEN 1843, 7
862
http://de.wikipedia.org/wiki/Strichelschwirl, Stand: 22.11.2010
PASSERES – SINGVÖGEL 145
Lanzenfleckiger Sänger: Der kleine, kompakt wirkende Vogel ist dem Feld-
schwirl ähnlich, jedoch oben kräftiger schwarz gestreift, bzw. an der Unter-
seite gestrichelt. Auch Brust und Flanken zeigen eine deutliche Strichelung.863
863
SVENSSON/GRANT/MULLARNEY/ZETTERSTRÖM 1999, 92
864
NAUMANN/HENNICKE 1897, 2/ 18
865
WEMBER 2005, 8
866
CARL 1995, 237
867
NAUMANN 1823, 3/ Anm. 722
146 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
– von der „Piplerche“, die zwar etwas größer sein soll als die Grillenlerche, die
sich sonst aber so gut wie nicht, auch nicht im Gesang, voneinander unter-
schieden. Außerdem sei die Grillenlerche bisher nur in England gesehen wor-
den. Es sei deshalb wohl zulässig, beide zu derselben Art zu zählen, unserem
heutigen Feldschwirl.868
Mit dem Namen „Pieplerche“ bezeichnete man Ende des 18./Anfang des 19.
Jahrhunderts aber auch andere Vögel. Mal war es die Heidelerche (BECH-
STEIN), mal der Baumpieper (BOROWSKY), dann der Wiesenpieper
(FRISCH) oder, bei NAUMANN, die von BUFFON übernommene „Pipler-
che“ als „Pieplerche“ für den damals von ihm „Buschrohrsänger“ genannten
Feldschwirl.869
Während „Grillenlerche“ mühelos als lautmalend zu deuten ist, will das bei
der (auch lautmalend gebildeten) „Pieplerche“ so nicht gelingen, schon gar
nicht für den Feldschwirl. Dessen von ihm produzierte Pieplaute können
kaum namensgebend gewesen sein.
Heuschreckensänger: „Den Namen Heuschrecken-Sänger hat er deshalb
erhalten, weil sein Gesang viel Ähnlichkeiten mit dem Geschwirr der Heu-
schrecken hat; auch der Name: Schwirl, bezieht sich auf das Geschwirr der
Heuschrecken. Dieser einförmige schwirrende Ton klingt: Sirrrrrrrrrr! und
ist von dem Geschwirr der grünen Heuschrecke ( Locusta viridissima) fast gar
nicht zu unterscheiden.“870
Heuschreckenschilfsänger, Heuschreckenlerche, Zirpender Rohrvogel,
Buschgrille, Grillensänger, Grashüpfer: „Dieser Vogel … findet sich an
Seen und Teichen von Gebüschen umgeben, kriecht immer im Gesträuch
umher, und hat einen Gesang fast ganz wie das Schwirren der grünen Heu-
schrecke.“871 Der Vogel braucht offenes Gelände mit dichter Vegetation. Dazu
zählen Feuchtwiesen mit Hochstauden und niedrigen Büschen, Buschgelände
oder Ufergebüsch mit Büschen im Röhricht.872
„… und welcher sich, wenn er bei Tage ertönt erst nach einiger Übung leicht
und sicher von dem Schwirren der großen lichtgrünen Heuschrecke und der
Maulwurfsgrille unterscheiden läßt.“873
868
BUFFON/OTTO 1790, 14/ 283 + 287 und KRÜNITZ 1799, 77/ 192
869
BECHSTEIN 1792, 1/ 496 + BOROWSKY 1782, 3/ 200 + FRISCH 1763, T. 16 + NAUMANN
1823, 3/ 701
870
SCHILLING 1837, 2/ 140
871
OKEN 1837, 45
872
BEAMAN/MADGE 1998, 651
873
GLOGER 1834, 231
PASSERES – SINGVÖGEL 147
874
GLUTZ VON BLOTZHEIM/BAUER 1991, 12/ 126
875
HILDEBRANDT 1941
876
SVENSSON/GRANT/MULLARNEY/ZETTERSTRÖM 1999, 294
877
MEYER/WOLF 1810, 1/ 229
878
MEYER/WOLF 1810, 1/ 229
879
GRIMM/GRIMM 1984, 15/ 207
880
OKEN 1816, 437
148 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
881
NAUMANN 1823, 3/ 597f
882
BECHSTEIN 1795, 667
883
NAUMANN 1823, 3/ 694
884
NAUMANN 1823, 3/ 694
885
NAUMANN 1860, 13/ 474
886
BEAMAN/MADGE 1998, 652
PASSERES – SINGVÖGEL 149
887
NAUMANN/HENNICKE 1897, 2 /28
888
NAUMANN 1860, 13/ 474 + 479
889
BECHSTEIN Orn. Tb. 1802, 188
890
BECHSTEIN 1807, 625
891
OKEN 1843, 7
892
NAUMANN 1860, 13/ 474
893
WEMBER 2005, 131
894
NAUMANN 1860, 13/ 474 und BREHM 1879, 5/ 226
150 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
Rohrsängerverwandte – Acrocephalidae
Der Name „Acrocephalus“ (Spitzkopf ) für die Rohrsänger stammt von J. A.
NAUMANN und J. F. NAUMANN aus dem Jahr 1811. Die sechs mittel-
europäischen Acrocephalus-Arten „bewohnen vorwiegend Verlandungszonen
von Gewässern, wo sie geschickt durch Rohrwälder, Seggendickichte und Ge-
büsch schlüpfen.“ Die schlanken Vögel haben einen schmalen bis abgeflach-
ten Schnabel und einen zumeist gestuften bis stark gerundeten Schwanz. Das
Gefieder ist unscheinbar, ungestreift braun bis olivfarben oberseits. Das Ober-
kopfmuster der gleichgefärbten Männchen und Weibchen ist deutlich.895
895
GLUTZ VON BLOTZHEIM/BAUER 1991, 12/ 209
896
GLUTZ VON BLOTZHEIM/BAUER 1991, 12/ 244
897
GLUTZ VON BLOTZHEIM/BAUER 1991, 12/ 239
898
NAUMANN 1860, 13/ 456 und SVENSSON et al. 2011, 315
PASSERES – SINGVÖGEL 151
Der Gesang ist ähnlich dem des Teichrohrsängers, aber „lebhafter, schneller,
weicher und variabler mit typischen eingeflochtenen Folgen nachtigallähnlich
ansteigender Pfeiftöne.“899
Kastanienbrauner Rohrsänger, Kleiner Schilf-Rohrsänger: Der Marisken-
sänger hat ein rostfarbenes Rückengefieder (inklusive Schwanzoberseite) und
wird beim Vergleichen der gleichgroßen, eher etwas kleineren Schilf- und
Seggenrohrsänger wohl nicht als klein wahrgenommen werden können. Der
Name stammt von NAUMANN, als Resultat von Messungen an Präparaten:
Der Schilfrohrsänger war bei ihm etwas größer als die beiden gleichgroßen
anderen.900
899
SVENSSON et al. 2011, 314
900
NAUMANN 1860, 13/ 456 + 1823, 3/ 648 + 668
901
NAUMANN 1823, 3/ 668 + 686
152 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
mit S. aquatica und nur dessen Sommerkleid sei, weil man S. aquatica nir-
gends noch brütend angetroffen hat.“902
In der Neuausgabe des „NAUMANN“ äußerte sich 1897 auch R. BLASIUS:
„Es ist längst unumstößlich festgestellt, daß beide Vögel ein und dieselbe Art
bilden, nur verschiedene Kleider derselben darstellen, aquaticus bezeichnet
den Vogel im Herbst- und Jugendkleide, cariceti das Frühlingskleid des alten
Vogels.“903
Seggensänger, Seggenrohrsänger, Seggen-Rohrsänger, Binsensänger, Bin-
sen-Rohrsänger: Alle seine Synonyme brachte NAUMANN erst unter „Bin-
sen-Rohrsänger“. Dazu schrieb er einführend bei seinem Seggenrohrsänger:
„Mit Bestimmtheit lassen sich hier [für NAUMANNS Seggenrohrsänger]
keine Synonymen anführen, weil diese Art immer mit S. aquatica [NAU-
MANNS Binsen-Rohrsänger] verwechselt wurde.“904
Der Seggenrohrsänger ( Acrocephalus paludicola) ist heute eine sehr seltene,
weltweit vom Aussterben bedrohte Rohrsängerart, die dem Schilfrohrsänger
( A. schoenobaenus) recht ähnlich ist. Es werden weder geographische Variatio-
nen noch Unterarten unterschieden.905
Der Vogel brütet nur in weiten nassen Seggenwiesen mit fußhoher Vegeta-
tion.906
Der Name „Binsensänger“ stammt von MEYER/WOLF. NAUMANN hat
ihn zu „Binsen-Rohrsänger“ erweitert.907 NAUMANNS „Seggen-Rohrsänger“
wurde bei OKEN zum „Seggensänger“.908
Rohrsänger: BECHSTEIN hatte den Vogel in seiner ersten Ausgabe der Na-
turgeschichte „Rohrsänger – Motacilla salicaria“ genannt und den Namen
„Rohrsänger“ (nun als Sylvia salicaria) 1807 in seine zweite Auflage über-
nommen.909 Wie im vorigen Abschnitt geschildert, nannten ihn MEYER/
WOLF (1810) „Binsensänger“, NAUMANN später (1823) „Binsen-Rohr-
sänger“. NAUMANN führte „Rohrsänger“ als Beinamen weiter – und zwar
nach dem „Vorbild“ BECHSTEINS auch für Schilf-, Sumpf- und Teichrohr-
902
JÄCKEL, Abhandlungen des Zoologisch-Mineralogischen Vereines von Regensburg aus dem Jahr
1849, 1/ 82
903
R. BLASIUS in: NAUMANN/HENNICKE 1897, 2 /39
904
NAUMANN 1823, 3/ 686 ( S. aqu.) + 668 ( S. car.)
905
http://de.wikipedia.org/wiki/Seggenrohrsänger,Stand: 21.07.2012
906
SVENSSON/GRANT/MULLARNEY/ZETTERSTRÖM 1999, 290
907
MEYER/WOLF 1810, 1/ 232 und NAUMANN 1823, 3/ 686
908
NAUMANN 1823, 3/ 668 und OKEN 1843, 6
909
BECHSTEIN 1807, 3/ 625
PASSERES – SINGVÖGEL 153
910
VOIGT 1835, 205
911
BECHSTEIN 1807, 3/ 625 + 402
912
ADELUNG 1798, 3/ 1209
913
GRIMM/GRIMM 1984, 14/ 1133
914
HOFFMANN 1937, 49
915
ADELUNG 1796, 2/ 783
916
GLOGER 1834, 235
154 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
917
GRIMM/GRIMM 1984, 15/ 207
918
KRÜNITZ 1780, 19/ 778
919
BECHSTEIN 1807, 3/ 632
920
NAUMANN 1823, 3/ 686
921
Dr. Franziska Tanneberger in: http://www.dbu.de/stipendien_20004/752_db.html, Stand: 22.07.
2012
PASSERES – SINGVÖGEL 155
922
HERMANN 1905, 57
923
FEHRINGER 1951, 82
924
BECHSTEIN 1807, 3/ 633 und NAUMANN 1823, 3/ 648 und STRESEMANN 1941, 84
925
HARTERT 1909 in: STUDER/FATIO 1909, 880
156 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
926
C. L. BREHM 1822, 2/ 276 + 286
927
BREHM 1879, 5/ 217
928
J. A. NAUMANN 1797, 227
929
GRIMM/GRIMM 1984, 14/ 1133
930
NAUMANN 1823, 3/ 648
PASSERES – SINGVÖGEL 157
nicht richtig, denn „Bruchweißkehlchen“ findet man als Beinamen schon bei
NAUMANN.931
Wasserweißkehlchen: „Wasserweißkehlchen“, ein Kunstname von BECH-
STEIN, wurde lediglich von NAUMANN übernommen. „Wasser-“ lässt
noch weniger als die Vorsilbe „Bruch-“ Schlüsse auf den Lebensraum des Vo-
gels zu.932
Gefleckter Rohrsänger: Der Mantel ist „dunkel olivengrün mit schwarzen
Längsflecken … der Unterleib gelblichweiß.“933
Olivenbrauner Spitzkopf: „Kopf und Schnabel sind sehr zugespitzt … der
Oberkopf [ist] schwärzlich mit olivengrauen Federkanten, die ihn gefleckt,
und wenn die Federn recht ordentlich anliegen, so gar in die Länge schwärz-
lich und olivengrau gestreift machen.“934 Heute liest man nicht mehr von
olivengrauen, sondern von beigebraunen oder braunen Gefiederfarben.
Weiderich, Bunter Weiderich, Gefleckter Weiderich: „Weiderich“ war ein
Name, den man den heimischen Rohrsängern gegeben hatte – außer dem
Drosselrohrsänger, den man damals systematisch eher zu den Drosseln als zu
den Rohrsängern stellte. Die Vögel schlüpfen zur Nahrungssuche auch gerne
durch ufernahe Weidenbäume und in Weidenbüsche.
„Bunt“ und „gefleckt“ beziehen sich auf das nicht einfarbige Gefieder.
Kleinster Rohrschirf, Kleinster Rohrvogel: „Schirfen“ kommt tonmalend
vom Spatzengezwitscher. Rohrschirfe waren entsprechend Rohrsänger. NAU-
MANN zählte auch den Schlagschwirl zu ihnen. Der Name scheint nicht
sehr alt und ein Kunstname zu sein, denn man findet ihn erst bei J. A. NAU-
MANN.935 Der Schilfrohrsänger ist neben dem gleichgroßen Seggenrohrsän-
ger der kleinste unserer heimischen Rohrsänger.
931
HOFFMANN 1937, 49 und NAUMANN 1823, 3/ 648
932
BECHSTEIN 1802, 186
933
BECHSTEIN 1802, 186
934
BECHSTEIN 1807, 4/ 635
935
GRIMM/GRIMM 1984, 15/ 207 und J. A. NAUMANN 1797, 1 /215
158 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
wieder erkannte. Meine Hoffnung wuchs und ich stürzte mich wie ein Kind
nach der Gegend hin, wo diese Stimme rief. Ich wollte unter allen Umständen
ins klare kommen, ein Beleg für meine Hypothese erlangen und mich rächen
für all das Missgeschick der letzten Stunden.
Dieses Mal war ich an abgelegener Stelle und ich konnte meinen Vogel be-
obachten, ohne mich verstecken zu müssen. Indessen gelang es mir erst nach
etwa einer Stunde, ihn schussgerecht zu bekommen, als er endlich auf einen
Moment sich auf einen Pflanzenstengel setzte.
Endlich hatte ich die Frucht meiner Bemühungen in Händen und ich beeilte
mich, im Haus des Pfarrers, der allein im ganzen Dorf Fremde beherbergte,
den Vogel zu präparieren.“936
Sumpfsänger, Sumpfrohrsänger, Sumpf-Rohrsänger: Den Kunstnamen
„Sumpfsänger“ hat BECHSTEIN 1798 dem Sumpfrohrsänger in einer LAT-
HAM-Übersetzung zugeordnet. NAUMANN machte daraus später den
„Sumpfrohrsänger“.937
Der Sumpfrohrsänger ist nicht so sehr an Schilf gebunden wie andere Rohr-
sänger. Er brütet in üppiger, feuchter Hochstaudenvegetation an Gräben oder
Gewässerufern.
Sumpfschilfsänger: Der Name stammt von C. L. BREHM. „Mir schien eine
genaue Beschreibung dieses Vogels um so nöthiger, da er von Schinz … gewiß
nicht ganz richtig beschrieben ist, und in Bechsteins Jagdzoologie [1820] ganz
fehlt. Sollte Bechstein durch Wolfs Bemerkung [Taschenbuch der deutschen Vö-
gelkunde 1810, 1/ 238]: ‚Sollte dieser ( Sylvia palustris) wirklich eine besondere
Art seyn? Mir ist er noch nicht zu Gesicht gekommen;‘ zur Auslassung dieses
von ihm bekannt gemachten Sängers veranlaßt worden seyn?“938
Rohrsänger, Rohrgrasmücke: Rohrsänger ist ein Name, mit dem man prak-
tisch jeden im Rohr lebenden kleinen Insektenfresser benannte. „Rohrgras-
mücke“ ist mit ihm synonym.
Rohr-„grasmücke“ ist nach GLOGER „aus dem ähnlich klingenden altger-
manischen Worte grå-smyge, d. h. grauer Schlüpfer, entstanden.“939
936
STUDER/FATIO 1909, 751
937
STRESEMANN 1941, 84 und NAUMANN 1823, 3/ 630
938
C. L. BREHM 1822, 2/ 260
939
GLOGER 1834, 235
PASSERES – SINGVÖGEL 159
940
GRIMM/GRIMM 1984, 15/ 207
941
SVENSSON/GRANT/MULLARNEY/ZETTERSTRÖM 1999, 296
942
NAUMANN 1823, 3/ 630
943
KRÜNITZ 1780, 19/ 778
944
STUDER/FATIO 1909, 749
945
HOFFMANN 1937, 43
946
KRÜNITZ 1819, 126/ 596
160 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
helle Tonlage und flottes Tempo“ er besteht fast ausschließlich aus brillanten
Imitationen.947
Schwarzblättel: NAUMANN gab Schlesien als Quelle für „Schwarzblät-
tel“ an. „Schwarzblättel“ können Vögel mit einer schwarzen Kappe sein, wie
Mönchsgrasmücke oder Erlenzeisig („Schwarzplättel“), müssen es aber nicht.
SUOLAHTI berichtete nämlich, dass in der Steiermark die „schwarzköpfige
Grasmücke“ die Benennung „Schwarzblattel“ mit dem Gartenrotschwanz tei-
len würde. Bei Letzterem sei aber der schwarze Kehlfleck gemeint. „-blättel“
bedeutete hier also eher Blatt, nicht Platte. Zudem: Im Schlesischen würde
„Schwarze Popel“: „Dunkle Wolken“ bedeuteten. „Schwarz“ muss also nicht
immer auch „schwarz“ sein.948
In der Avifauna Schlesiens von FLOERICKE findet man unter der Nummer
36 die Art: „Acrocephalus palustris (Bechst.) 1802. – Sumpfrohrsänger“. Ohne
weitere Erklärung folgt Nummer 36a eine Unterart: „Acrocephalus palustris
horticolus (Naum.) 1840. – Gartenrohrsänger“. Darunter stehen drei Trivial-
namen: „Sprachmeister, Schwarzblättel, Rohrzeisig“.
In der anschließenden Beschreibung kommt ein Satz vor, der bei der Deu-
tung von „Schwarzblättel“ weiterhelfen könnte: „Naumann’s horticolus, wel-
cher sich hauptsächlich durch dunklere Färbung der Oberseite unterscheidet,
kommt auch in Schlesien vor“.
Da „Schwarzblättel“ sich laut SUOLAHTI nicht auf eine Kopfkappe beziehen
muss und da schwarz auch dunkel bedeuten könnte, könnte mit „Schwarz-
blättel“ ein Sumpfrohrsänger mit der Oberseite dieser Variation gemeint
sein, anders ausgedrückt: Wer „Schwarzblättel“ sagt, meint die Variation, die
FLOERICKE „Gartenrohrsänger nannte.949
Strauchrohrsänger: In der Neuauflage des NAUMANN schrieb R. BLA-
SIUS: „Als Anhang zum Sumpfrohrsänger bringe ich hier den von NAU-
MANN in den Nachträgen beschriebenen und abgebildeten Strauchrohrsän-
ger [der hier unbeachtet bleibt], der mir aber als vollkommen identisch mit
dem Sumpfrohrsänger erscheint.“ NAUMANN hatte den Vogel „Acrocepha-
lus palustris fruticolus“ genannt.950
947
SVENSSON/GRANT/MULLARNEY/ZETTERSTRÖM 1999, 296
948
NAUMANN 1823, 3/ 630 und SUOLAHTI 1909, 47 und SUCHNER 1990, 184
949
FLOERICKE 1892, 135
950
NAUMANN/HENNICKE 1897, 2/ 62
PASSERES – SINGVÖGEL 161
951
ZANDER 1847, 8
952
STRESEMANN 1941, 84
953
OKEN 1837, 46
954
GRIMM/GRIMM 1984, 14/ 1133
162 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
955
SVENSSON/GRANT/MULLARNEY/ZETTERSTRÖM 1999, 296
956
MEDICUS 1877, 201
957
MITTELBADISCHE PRESSE 27.04.2011
958
STUDER/FATIO 1909, 784
959
GRIMM/GRIMM 1984, 15/ 207
960
SVENSSON/GRANT/MULLARNEY/ZETTERSTRÖM 1999, 296
961
GRIMM/GRIMM 1984, 27/ 2380
962
BECHSTEIN 1802, 153
963
ADELUNG 1793, 1/ 1527
PASSERES – SINGVÖGEL 163
964
SVENSSON/GRANT/MULLARNEY/ZETTERSTRÖM 1999, 296
965
BECHSTEIN 1807, 3/ 574
966
NAUMANN 1823, 3/ 614
967
KRÜNITZ 1856, 235/ 176
968
GLOGER 1834, 235
969
BECHSTEIN 1807, 3/ 566
970
BECHSTEIN 1807, 3/566 und NAUMANN 1823, 3/ 614 + 597 + 630
164 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
971
CAMPE 1809, 3/ 856
972
BECHSTEIN 1795, 671
973
HALLE 1760, 323
974
BECHSTEIN 1795, 671 + 1807, 3/ 566 und NAUMANN 1823, 3/ 614
975
KLEIN 1760, 139
976
MÜLLER 1773, 606
977
GRIMM/GRIMM 1984, 30/ 1734
PASSERES – SINGVÖGEL 165
entschuldigen sein, wenn ich keinen von beiden beibehielt, sondern unsern
Vogel mit dem vorstehenden bezeichnete, da er wie jene auf seinen Aufenthalt
Bezug hat.“978
C. L. BREHM hatte einen „Erlenschilfsänger – Calamoherpe alnorum, Brehm“
und einen „Strauchrohrsänger – Calamoherpe arbustorum, Boje et Brehm“ von
dem „Rohrschilfsänger – Calamoherpe arundinacea, Boje“ unterschieden.979
Zu solchem damaligen „Arten-Machen“ („theils eine Wirkung der Eitelkeit
unserer systematischen Naturforscher …“) brachte WILCKENS (1866) ein
Beispiel aus der Zeitschrift Der Zoologische Garten (1863). Danach sei der
Teichrohrsänger „früher“ am Mainufer bei Frankfurt sehr häufig gewesen.
„Als dann später die Ufer eingedämmt waren, ein reger Verkehr sich einstell-
te, die aufwärts gehenden Schiffe durch Pferde bewegt und die Zugleinen
fortwährend über das Uferrohr geschleift wurden, was den Vogel sehr beun-
ruhigte, da habe sich der Rohrsänger aus dem Rohre am Ufer in die nahen
Gärten geflüchtet und dort sein Nest gebaut. Die Zoologen hätten dann den
Vogel unerwarteter Weise im Garten gefunden, den sie früher als Rohrbe-
wohner gekannt hatten – und die neue Art: Garten-Rohrsänger, Calamoherpe
horticola, war fertig und Naumann fügte seinen Namen derselben hinzu. Da
aber der Rohrsänger einmal den ursprünglichen Aufenthaltsort gewechselt
hatte, so lag es nahe, daß er sich auch an andere Orte begab, wenn Gärten
nicht zugegen waren, und so fanden die Zoologen den Rohrsänger in Reben-
gehölzen, in Fichtenwäldern, auf Weidenbäumen, auf Erlen, an Bächen und
Fischteichen, bildeten dann gemäß diesen neuen Aufenthaltsorten neue Arten
und nannten den Rohrsänger, Calamoherpe arbustorum, pinetorum, salicaria,
alnorum, hydrophilos, piscinarum, welche Arten alle vom verstorbenen Vater
[C. L.] Brehm aufgeführt wurden.“980
978
NAUMANN 1860, 13/ 444
979
C. L. BREHM 1831, 443
980
WILCKENS 1866, Der Zoologische Garten Jhg. 1863
166 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
981
GERLACH 1953, 146
982
C. L. BREHM 1822, 2/ 240
983
NAUMANN 1823, 3/ 597
984
ADELUNG 1798, 3/1 145
985
BUFFON/OTTO 1782, 8/ 254 und BECHSTEIN 1795, 231 + 1807, 3/ 402
986
NAUMANN 1823, 3/ 597
PASSERES – SINGVÖGEL 167
987
C. L. BREHM 1822, 2/ 238f
988
KLEIN 1750, 178 und KLEIN/REYGER 1760, 70
989
STUDER/FATIO 1909, 812 und BEZZEL 1993, 316
990
BUFFON/OTTO 1791, 8/ 335
991
HEPPE 1798, 119
992
NAUMANN 1823, 3/ 597
168 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
993
SUOLAHTI 1909, 79
994
GRIMM/GRIMM 1984, 15/ 207 und OKEN 1816, 437
995
GRIMM/GRIMM 1984, 27/ 2380
996
KÖBLER 1993
997
KRÜNITZ 1776, 9/ 440
998
GRIMM/GRIMM 1984, 15/ 670
PASSERES – SINGVÖGEL 169
gen Kopfform ist der „Große Spitzkopf“. Für NAUMANN (1823) gehörten
alle diese Vögel zu „Sylvia“.999
Schlotengatzer: Gatzen bedeutet „gackern, schnattern, schwätzen“. Schlote
kommt von mhd. slâte, Schilfrohr. Ein Schlotengatzer ist ein Vogel, der im
Schilfrohr schnatternd, schwätzend singt, ein Rohrsänger also.1000
999
NAUMANN/HENNICKE 1897, 2/ 49f
1000
GRIMM/GRIMM 1984, 15/ 783
1001
GLUTZ VON BLOTZHEIM/BAUER 1991, 12545
1002
SVENSSON/GRANT/MULLARNEY/ZETTERSTRÖM 1999, 302
1003
BREHM 1879, 5/ 201
1004
BREHM 1879, 5 /202
170 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
1005
HEINROTH 1966, 91
1006
HOFFMANN 1937, 42
1007
SVENSSON/GRANT/MULLARNEY/ZETTERSTRÖM 1999, 300
1008
GLOGER 1843, 222
PASSERES – SINGVÖGEL 171
1009
OKEN 1837, 32
1010
HEINROTH 1966, 92
1011
C. L. BREHM 1821, 2/ 200
1012
NAUMANN 1823, 3/ 540 und KLEINSCHMIDT 1963, 62, 9. Auflage
1013
HEINROTH 1966, 91
1014
BREHM 1879, 5/ 199
1015
BEAMAN/MADGE 1998, 666
1016
BECHSTEIN 1795, 666
172 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
1017
MEISNER 1804, 29 und BECHSTEIN 1802, 173
1018
BECHSTEIN 1807, 4/ 554 und BUFFON/OTTO 1791, 16/ 281
1019
OKEN 1837, 32 + 1843, 5
1020
NAUMANN/HENNICKE 1897, 2/ 82 + 94
1021
C. L. BREHM 1823, 369
PASSERES – SINGVÖGEL 173
1022
MÜLLER 1773, 605
1023
NAUMANN 1823, 3/ 540
1024
HEINROTH 1966, 91
1025
BUFFON/OTTO 1789, 15/ 81
1026
GEORGI 1800, 847
1027
KRÜNITZ 1780, 19/ 776
174 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
HEINROTH kritisierte, dass sich Namen wie „Grasmücke“ für diesen Vogel
so lange gehalten haben. „Eine Grasmücke ist er auch nicht, denn so leuch-
tende schwarze Zungenpunkte wie er hat keine Sylvia [Grasmücke] und auch
kein so verwebtes und verfilztes Nest.“1028
Schackruthchen, Schakerutchen, Tideritchen, Titeritchen: Die Namen
sind lautmalend, also aus dem Gesang entstanden, den NAUMANN be-
schrieb und einzelne Laute in Silben zu fassen versucht.1029 „Ruft schnalzend
dack dack deruih oder däckderuid, tschäckerruith und tr hoid.“1030
„Seine Lockstimme ist schnalzend, aber sanfter als die der Grasmücke: ‚Däck,
Däck, Däck‘, oder ‚Däck Derüht‘ u.s.e. und hat ihm an einigen Orten den
Namen ‚Tideritchen‘ verschafft.“1031
Hagspatz, Haagspatz: Ein Hag ist ein kleiner Wald, ein Gehölz, in dem sich
dieser Vogel, den die Menschen gerne haben, aufhält. Hagspatz ist ein Kose-
name, der auch für andere Vögel existiert, z. B. für einige Grasmücken.
Mehlbrust: Da Mehl weiß bis grau ist und beide Geschlechter des Gelbspöt-
ters eine ähnlich gelbe Unterseite haben, kann mit diesem Namen BREHMS
nur der Jungvogel im ersten Jahr gemeint sein.1032
1028
HEINROTH 1966, 91
1029
SUOLAHTI 1909, 73 und NAUMANN 1823, 3/ 540
1030
GLOGER 1834, 222
1031
BREHM 1861, 551
1032
BREHM 1866, 861
1033
BREHM 1879, 5/ 199
1034
GLUTZ VON BLOTZHEIM/BAUER 1991, 12/ 607
PASSERES – SINGVÖGEL 175
1035
BERGMANN/HELB/BAUMANN 2008, 448
1036
NAUMANN/HENNICKE 1897, 2 /91
1037
BERGMANN/HELB/BAUMANN 2008, 449
1038
BERGMANN/HELB/BAUMANN 2008, 449
176 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
Halmsänger – Cisticolidae
Die artenreiche (145 Arten) Halmsänger-Familie, die früher als Unterfamilie
der Grasmücken galt, kommt im südlichen Europa, in Afrika, in Asien und in
der australasiatischen Zone vor, wo sie Wälder, Savannen, Grasland, Sümpfe
sowie halbtrockenes und trockenes Buschland bewohnt.1039
1039
http://de.wikipedia.org/wiki/Halmsängerartige, Stand: 14.08. 2012
1040
OKEN 1837, 45
1041
http://de.wikipedia.org/wiki/Cistensänger, Stand: 20.09.2013 (leicht verändert)
1042
WEMBER 2005, 133
1043
BREHM 1866, 876
PASSERES – SINGVÖGEL 177
Grasmücken – Sylviidae
GLOGER schrieb zum Begriff „Grasmücke“: „Nur die Macht der Gewöh-
nung, oder Mangel an Prüfung kann diesen, zwar einmal eingebürgerten, aber
doch nichts desto weniger ohne Zweifel verdorbenen Namen vor dem Ver-
werfen geschützt haben. Seiner Bedeutung und jetzigen Zusammensetzung
nach ist er ebenso verkehrt und widersinnig, wie die Benennung Bachstelze,
Schafstelze etc. Wahrscheinlich ist er aus dem ähnlich klingenden altgermani-
schen Worte grå-smyge, d. h. grauer Schlüpfer, entstanden.“1046
Der Name der Grasmücke kommt von grasa-smucka, wobei „smucka“ mit
„schmiegen, schleichen“ zu übersetzen ist. Sie ist eigentlich ein Grasschlüp-
fer.1047 Da eine Grasmücke in der Natur aber alles andere als ein „Grasschlüp-
fer“ ist, brachte HOFFMANN das mittelhochdeutsche Wort „gra“ für grau
ins Spiel und übersetzt Grasmücke mit „Grauer Schmieger“. Das entspreche
den natürlichen Verhältnissen eher, „da die Grasmücken vorwiegend grau ge-
färbt sind und durch die Gebüsche schlüpfen, wobei sie sich den Zweigen
oft derartig anschmiegen, daß von ihren Beinen nur die den Zweig umklam-
mernden Füßchen zu sehen sind.“1048
1044
OKEN 1837, 46
1045
BREHM 1879, 5/ 230
1046
GLOGER 1834, 235
1047
SUOLAHTI 1909, 69
1048
HOFFMANN 1937, 48
178 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
hörten, grosses Vergnügen machte. Sie sang noch vortrefflich und anhaltend,
als die Sauerkirschen bereits reif waren; allein ihr Gesang verstummte jetzt
auf einmal, und wir fanden sie auch bald unter dem Kirschbaume, das Maul
weit aufgesperrt, tot liegen. Ein Kirschkern steckte ganz vorn an der Schna-
belwurzel in ihrem Schlunde, wo er sich so fest eingepresst hatte, dass er nur
mit Mühe herausgeholt werden konnte. Sie hatte also eine ganze Kirsche ver-
schluckt, das Fleisch derselben hatte sich im Magen abgelöst, worauf sie den
Kern hatte herauswürgen wollen; dieser war jedoch über zwerg [quer] vorn
in ihrem Schlunde stecken geblieben, hatte sich mit seinen spitzen Enden
zwischen den Maxillen festgesetzt, und sie hatte so elend ihren Geist aufgeben
müssen.“1049
Grasmücke, Grasmückchen: Beide Ausdrücke, bei BECHSTEIN zu fin-
den,1050 werden von den verschiedenen Autoren unterschiedlich gebraucht.
Meistens waren sie allgemein gemeint, weniger oft war ein Grasmückchen
die Mönchsgrasmücke. Den Beinamen „Grasmücke“ (ohne spezielles Adjek-
tiv) trugen nicht nur die bei uns bekanntesten heimischen Grasmücken, son-
dern auch Heckenbraunelle und Schafstelze. Fast alle Namen sind in BECH-
STEINS Werken zu finden.
Mönchgrasmücke, Mönch, Kleiner Mönch, Mönchlein: In seiner „Natur-
geschichte“ von 1795 nannte BECHSTEIN diesen Vogel „Der Mönch oder
die schwarzköpfige Grasmücke“. Im Text blieb er bei „Mönch“.1051
Aus diesem „Mönch“ machte NAUMANN den Namen „Mönchgrasmü-
cke“.1052
„Die Kirche und das Klosterwesen spielen bei Benennungen von Pflanzen
und Tieren eine hervorragende Rolle. Besonders bei Pflanzennamen kommt
die kirchliche Nomenklatur in großer Ausdehnung zum Vorschein, aber auch
in der Vogelwelt findet man Mönche und Nonnen, Pfaffen und Klosterfrau-
en.“1053
Die meisten Namen dieses Vogels entstanden wegen der schwarzen Kopfplat-
te, die der Ordenskappe der Mönche entspricht.
Pfaff, Thumpfaffe: „Im allgemeinen mit der Ordenskappe der Mönche ver-
gleichend, ist es zu den Namen Mönch, Plattenmönch, Kardinälchen, Pfaff,
1049
NAUMANN 1822, 2/ 492
1050
BECHSTEIN 1795, 549
1051
BECHSTEIN 1795, 549
1052
STRESEMANN 1941, 84
1053
SUOLAHTI 1909, 71
PASSERES – SINGVÖGEL 179
1054
GATTIKER/GATTIKER 1989, 68
1055
BOSE 1810, 290
1056
SUOLAHTI 1909, 71
1057
BUFFON/OTTO 1791, 96
1058
BECHSTEIN 1802, 15/ 168 + 1807, 3/ 512
1059
C. L. BREHM 1823, 329
1060
BECHSTEIN 1795, 549
1061
SPRINGER 2007, 295
1062
SPRINGER 2007, 295
180 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
1063
BUFFON/OTTO 1791, 15/ 102f und ZORN 1743, 372 + 373
1064
HAFFER 2006, 6
1065
BEZZEL 1993, 359
1066
NIETHAMMER 1937, 1/ 344
1067
BREHM 1866, 844
1068
OKEN 1837, 35
1069
BREHM 1866, 844
PASSERES – SINGVÖGEL 181
1070
GESSNER/HORST 1669, 147a
1071
HEINROTH 1966, 1/ 83
1072
BREHM 1866, 841
1073
KLEIN/REYGER 1760, 74
1074
STRESEMANN 1941, 84
182 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
1075
NAUMANN 1822, 2/ 478
1076
GRIMM/GRIMM 1984, 10/ 1269
1077
BERGMANN/HELB 1982, 280
1078
FRIDERICH 1849, 80
PASSERES – SINGVÖGEL 183
1079
OKEN 1837, 285 + 287
1080
KRÜNITZ 1778, 14/ 251
1081
KRÜNITZ 1780, 19/ 778
1082
http://de.wikipedia.org/wiki/Welsch, Stand: 15.08.2012
184 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
Kleine Grasmücke: OKEN benannte den Vogel als „Die kleine, graue oder
Gartengrasmücke“. Die Gartengrasmücke ist nach der Klappergrasmücke
die kleinste heimische Grasmücke.1083 Durch den Zusatz „weiß“ wird sie zur
„großen Grasmücke“, weil der Bezugsvogel dann die kleinere Klappergras-
mücke wird.
Grüngraue Weißkehle: „Die gemeine Grasemücke“ sieht „auf dem Kopfe,
Halse, Rücken und Schwanze“ grünlich aschgrau aus. „Die Kehle Bauch und
Brust sind schmutzig gelblich weiß.“1084
Dornreich, Großer Dornreich: Dornreich ist ein Name für verschiedene Vö-
gel, die in den Dornen und dicken Gebüschen hecken und singen.1085
„Sie „macht ein dünnes Nest aus Gras auf geköpfte Linden und in Dornsträu-
cher, daher sie auch Dornreich heißt.“1086 Der Name „Großer Dornreich“
galt auch für die etwas größere Sperbergrasmücke, mit deren Weibchen (bis
17 cm) die Gartengrasmücke (bis 14 cm) verwechselt werden kann. Die mit
der Gartengrasmücke etwa gleichgroße, aber anders gefärbte Dorngrasmücke
war auch ein „Dornreich“ und ein „Gemeiner Dornreich“.
Das „Groß“ bezieht sich wie bei „Große Weißkehle“, „Großer Fliegenschnäp-
per“, „Großer Haagspatz“ wieder auf den Vergleich mit der Klappergrasmü-
cke, deren Namen das Adjektiv „klein“ haben.
Fliegenschnäpper, Großer Fliegenschnäpper: Als Fliegenschnäpper oder
ähnlich bezeichnete man früher etliche insektenfressende Vögel, neben den
eigentlichen Fliegenschnäppern auch das Braun- und Schwarzkehlchen, die
Garten- und Klappergrasmücke, den Steinschmätzer oder die Heckenbrau-
nelle. Die Benennung ist also ziemlich unspezifisch. Die Klappergrasmücke
ist der „Kleine Fliegenschnäpper“.
Großer Haagspatz: Zu dem Namensteil „-spatz“ liest man bei SUOLAHTI,
dass es am Mittelrhein im 16. Jahrhundert die Namensform „Grasmuscha“
gab, die sich u. a. zu „Grasmisch“ oder „Grasmuklen“ entwickelt habe. Die
Begriffe bedeuten soviel wie „Grassperling“ (altmittelfränk. Musca = ndl.
Mösch, Sperling). Der Sperling ist überall auch ein „Spatz“.1087
Ein Haag (Hag) ist ein Gehölz, ein kleines Wäldchen, der bevorzugte Le-
bensraum der Gartengrasmücke. Auch hier: Der „Kleine Haagspatz“ ist die
Klappergrasmücke.
1083
OKEN 1837, 33
1084
J. A. NAUMANN 1797, 1/ 160
1085
KRÜNITZ 1776, 9/ 440
1086
OKEN 1837, 33
1087
SUOLAHTI 1909, 70
PASSERES – SINGVÖGEL 185
1088
http://www.birdinggermany.de/sperbergrasmuecke.htm, Stand: 20.01.2012
1089
VOIGT 1835, 205
1090
SVENSSON et al. 2011, 304
1091
HERMANN 1905, 40
186 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
1092
SVENSSON et al. 2011, 304, 340, 282
1093
KRÜNITZ 1776, 9/ 440
1094
NAUMANN 1822, 2/ 430 und BREHM 1879, 5/ 181 und BECHSTEIN 1797, 166
1095
VERH. D. ZOOL. BOT. VEREINS. WIEN 1856, 6/ 684
1096
HOFER 1815, 2/ 271
1097
NAUMANN 1822, 2/ 430
1098
GLUTZ VON BLOTZHEIM/BAUER 1991, 12/ 746
PASSERES – SINGVÖGEL 187
1099
GLOGER 1834, 239
1100
HOFFMANN 1937, 41
1101
HOFFMANN 1937, 43
1102
NAUMANN 1822, 2/ 451
1103
BERGMANN/HELB 1982, 279
188 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
1104
OKEN 1837, 34
1105
OKEN 1837, 34
1106
CARL 1995, 257
1107
NAUMANN 1902, 2/ 171
1108
OKEN 1837, 34
1109
BECHSTEIN 1807, 3/ 540
PASSERES – SINGVÖGEL 189
1110
KRÜNITZ 1776, 9/ 440
1111
SUOLAHTI 1909, 148
1112
SUOLAHTI 1909, 70
190 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
1113
NAUMANN 1822, 2/ 451
1114
PLINIUS 1986, 137
1115
STRESEMANN 1841, 84 und NAUMANN 1822, 2/ 464
PASSERES – SINGVÖGEL 191
1116
SVENSSON/GRANT/MULLARNEY/ZETTERSTRÖM 1999, 286
1117
BECHSTEIN 1802, 171 + 172
1118
KRÜNITZ 1776, 9/ 440
1119
VOIGT 1835, 207
1120
BROCKHAUS 1969, 8/ 42
1121
SIEDHOFF 1845, 213
1122
BECHSTEIN 1807, 3/ 534
1123
BECHSTEIN 1807, 3/ 534
192 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
1124
OKEN 1816, 436
1125
BECHSTEIN 1795, 563
1126
SPRINGER 2007, 298
1127
BUFFON/OTTO 1789, 15/ 97f
1128
BREHM 1879, 5/ 189
1129
NAUMANN 1822, 2/ 464 und BECHSTEIN 1807, 3/ 534
PASSERES – SINGVÖGEL 193
Die Stauden, aber auch die Spitzen von (Dornen-)Büschen, Hecken stellen
Singwarten dar, von denen die Grasmücke auch zum Singflug startet.
Waldsänger: Noch zu BUFFONS Zeiten, im ausgehenden 18. Jahrhundert,
hielt man den „Waldsänger“ für eine von der Dorngrasmücke unterschiedene
Art: „Aldrovand erwähnt diese graue Grasmücke unter dem Namen Stopa-
rola, den ihr die Bolognischen Vogelsteller geben, wahrscheinlich sagt dieser
Naturforscher, weil sie die kleinen Wälder und Gebüsche, wo sie ihr Nest
bauet, besucht.“1130
Nachtsänger: Die Dorngrasmücke singt als typischer Tagsänger nicht nachts,
wohl aber während der Brutzeit schon bei Sonnenaufgang, gegen Abend
kaum.1131 Wenn man die Bemerkung von KRÜNITZ liest: „ … im ver-
deutschten Linné Nachtsänger genannt“, kann man wohl davon ausgehen,
dass dieser Name etwas „verunglückt“ ist.1132
Fahler Sänger, Fahle Nachtigall: NAUMANN schilderte ausführlich einen,
nach seiner Auffassung teilweise sehr schönen, angenehmen Dorngrasmü-
cken-Gesang, der den Vogel als guten Sänger ausweise. „Fahl“ in NAU-
MANNS „Fahle Nachtigall“ bezog sich auf den damals üblichen Namen
„Fahle Grasmücke“.1133
Spottvogel: Spötter sind Vögel, die mit ihrem Gesang andere Vögel imitieren.
„Im Singflug und kurz davor bzw. danach wird der Gesang kontinuierlich
und flüssiger, er ist mit vielen Imitationen fremder Arten angereichert.“ Auch
der leise Balzgesang aus dem Gebüsch stecke voller Imitationen.1134
Wüstling: In der Neuauflage des NAUMANN äußerte sich Otto KLEIN-
SCHMIDT zu dem Ausdruck. Ein Wüstling ist ein Bewohner wüster Mar-
ken, dazu gehören offene, halboffene Landschaften, pusztaähnliche Land-
schaften mit etwas Dornengestrüpp oder ausgedehnten Strauchformationen
(wie Sanddorngebüsche).1135
Kuckucksamme: Den Namen erhielt die Dorngrasmücke, weil sie besonders
oft ein Kuckucksei in ihrem Nest ausbrütet und den jungen Kuckuck auf-
zieht (was andere Vögel auch machen, ohne solch einen Namen zu erhalten).
KONRAD VON MEGENBERG schrieb über die Größenzunahme des jun-
gen Kuckucks (des „Gauchs“): „sô fräut sich sein amme diu grasmuk, daz si
ain sô schœn kint prâht hât, und dunket sich des edel an ihr selber und vers-
1130
BUFFON/OTTO 1789, 15/ 91
1131
GLUTZ VON BLOTZHEIM/BAUER 1991, 12/ 874
1132
KRÜNITZ 1780, 19/ 77
1133
NAUMANN 1822, 2/ 464
1134
BERGMANN/HELB 1982, 278
1135
NAUMANN/HENNICKE 1905, 1/ 55
194 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
mæht iriu aigeneu kint gegen dem gauch und verzert sich selber sô gar, daz si
gar âkreftich wirt. Des wirt ir übel gelônet, wan sô der gauch erstarket und auz
fleugt, sô folgt im die amme vor liebe, sô versmæht er sie und peizt se tôd.“1136
Schnepfli: Die Dorngrasmücke ist keine Schnepfe, sondern eher ein Schnäp-
per, der sich von Insekten ernährt.
Neben „Schnepfli“ war auch „Wüstling“ ein Name, den man laut OTTO bei
GESSNER und FRISCH finde.1137
1136
KONRAD VON MEGENBERG 1861, 178
1137
BUFFON/OTTO 1789, 15/ 97
1138
BREHM 1866, 848
PASSERES – SINGVÖGEL 195
1139
BEAMAN/MADGE 1998, 670
1140
BREHM 1879, 5/ 198
1141
WEMBER 2005, 137
1142
SVENSSON et al. 2011, 312
196 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
spielt mit seinem Schwanze, den es bald stelzt, bald wieder niederlegt, sträubt
die Kehle und singt dazwischen.“1143
Schlüpfgrasmücke: „Schlüpfgrasmücke“ ist der Leitname BREHMS für den
Vogel. BREHM beschrieb das Huschen und Schlüpfen der Grasmücke bei
Gefahr. So erscheint sie regelmäßig auf der Spitze eines Busches, doch nur um
sich umzusehen: „im nächsten Augenblick ist sie verschwunden.“1144
1143
BREHM 1879, 5/ 198
1144
BREHM 1879, 5/ 198
1145
http://de.wikipedia.org/wiki/Sardengrasmücke, Stand: 7.07.2012
1146
BERGMANN/HELB/BAUMANN 2008, 465
PASSERES – SINGVÖGEL 197
Das alles wussten OKEN und BREHM, von denen diese Namen stammen,
noch nicht. Deshalb sei hier BREHM zitiert: Der Sardensänger lässt „von
Zeit zu Zeit sein klingendes Liedchen erschallen, welches große Ähnlichkeit
mit dem Gezwitscher eines jungen Kanarienvogelmännchens hat, mit dem
Unterschiede jedoch, daß jenes, wie der Gesang des Rotkehlchens, in Moll
schließt. So wenig laut das Lied des sardischen Sängers auch an und für sich
ist, so weit kann man es doch vernehmen, besonders einzelne hellere Töne,
die fast ganz dem Schellen einer Klingel gleichen.“1147
1147
OKEN 1843, 6 und BREHM 1879, 5/196
1148
BREHM 1879, 5/ 193
1149
C. L. BREHM 1823, 334 und BREHM 1879, 5/ 193
1150
OKEN 1843, 7
198 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
Der Gesang dieser Grasmücke ist fast bluthänflingsartig knöternd und stot-
ternd, eine unregelmäßige Folge rauh zwitschernder und kurzer, hell knir-
schender Töne.
Unteralpensänger: Dem „Weißbärtigen Sänger“ stellte OKEN den „Unter-
alpensänger“ als eigene Art „Sylvia subalpina“ zur Seite, obwohl er nach eige-
nen Worten nichts über sie angeben konnte. Der Name bezieht sich auf das
Verbreitungsgebiet in Europa, das südlich der Alpen und Pyrenäen liegt. Bei
BREHM erschien eine daraus „vereinigte“ Art als „Bartgrasmücke – Sylvia
subalpina“ (s. o.).1151
1151
OKEN 1843, 7 und BREHM 1879, 5/ 193
1152
BREHM 1879, 5/ 194
PASSERES – SINGVÖGEL 199
Goldhähnchen – Regulidae
Goldhähnchen wurden früher zu den Laubsängern gestellt, mit denen sie aber
nicht näher verwandt sind. Sie bilden eine eigene, sehr urtümliche Familie
kleiner Singvögel.1153
Winter- und Sommergoldhähnchen: C. L. BREHM soll derjenige gewesen
sein, der als Erster die beiden Goldhähnchenarten deutlich voneinander ge-
trennt beschrieben habe. „Wir haben in Deutschland 2 Arten, welche wegen
ihrer großen Ähnlichkeit immer mit einander verwechselt worden sind.“ Sie
erhielten die Namen „Das safranköpfige Goldhähnchen – Regulus crococepha-
lus, mihi ( Sylvia regulus, Lath., Motacilla regulus, Linn.)“ und „Das feuerköp-
fige Goldhähnchen – Regulus pyrocephalus, mihi (früher Regulus ignicapilla,
mihi)“.1154
J. P. PRAZAK, der in der Neuauflage des NAUMANN die Goldhähnchen
bearbeitet hat, nannte eine andere Quelle: „Es ist nicht ohne Interesse, dass
beide Goldhähnchenarten schon vor CHR. L. BREHM als Spezies von alten
Wiener Vogelfängern unterschieden wurden, wie es aus den Aufzeichnungen
J. NATTERERS ersichtlich ist.“1155 Joseph NATTERER war im Jahr 1800
Mitgründer und danach bis zu seinem Tod 1823 Aufseher in der Menagerie
im k. k. Hof-Naturalien-Kabinett zu Wien.1156
Tatsächlich findet man die Goldhähnchen-Namen in den „Sitzungsberichten
der Kaiserl. Akademie der Wissenschaften in Wien“ in einem Bericht über
den „Versuch einer Geschichte der Menagerien des österreichisch-kaiserli-
chen Hofes“: „Regulus cristatus. Ray. Gelbköpfiges Goldhähnchen.“ mit dem
Vermerk: „1816. Männchen und Weibchen, die im nämlichen Jahr starben.“
Ferner: „Regulus ignicapillus. Cuvier. Feuerköpfiges Goldhähnchen“ mit dem
Vermerk: „1822. Wurde durch einige Zeit am Leben erhalten.“1157
1153
SVENSSON et al. 2011, 336
1154
C. L. BREHM 1821, 120
1155
NAUMANN/HENNICKE 1897, 2/ 224
1156
Sitzungsber. d. Kaiserl. Akademie der Wissenschaften in Wien, 1853, 10/ 626f, Math.-naturw. Klasse
1157
Sitzungsber. d. Kaiserl. Akademie der Wissenschaften in Wien, 1853, 10/ 639, Math.-naturw. Klasse
200 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
Man kann davon ausgehen, dass die Unterschiede zwischen den Goldhähn-
chenarten vor 1800 auch schon bewertet wurden. So liest man z. B. bei
BECHSTEIN: Varietät, … „die man leicht für eine eigene Art halten könn-
te.“ Er entschied sich aber schließlich für eine andere Erklärung: „Ich glaube
allemal bemerkt zu haben, daß so gezeichnete Vögel Junge waren, die sich
zum ersten Mal gemausert hatten. Merkwürdig genug ist deshalb diese Er-
scheinung immer.“1158
1158
BECHSTEIN 1795, 699
1159
KRÜNITZ 1780, 19/ 530
PASSERES – SINGVÖGEL 201
goldhähnchen, bei uns. Der Name ist schon alt und taucht nach SPRINGER
schon bei GESSNER als „Goldhenlein“ auf.1160
„Er hat den Nahmen Goldhähnchen, von seinem goldgelben Schopfe oder
Büschel auf dem Kopfe, der ihm wie dem Hahne der Kamm steht, daher er
auch das Sträußchen genannt wird (s. o.).“1161
Safran ist ein gelber Farbstoff, der als Speisefärbe- und -würzmittel genutzt
und aus getrockneten, süß-aromatisch duftenden Stempelfäden von Crocus
sativus hergestellt wird.
Wintergoldhähnchen: Der Name stammt, wie auch „Sommergoldhähn-
chen“, von Alfred BREHM, in dessen mit Emil Adolf ROSSMÄSSLER her-
ausgegebenem Buch Die Thiere des Waldes, 1864, Band 1, S. 346 sie anschei-
nend erstmalig standen. Ob sich der Band 7 des Neuen Konversations-Lexikons
von MEYER aus dem Jahr 1864, in dem man „Wintergoldhähnchen auch
finden kann, auf BREHM/ROSSMÄSSLER bezieht, bleibt ungeklärt. Eine
ältere Quelle wurde nicht gefunden.
Goldköpfchen, Goldvögelchen, Kronvögelchen, Goldvögelein: Die ersten
drei Namen findet man bei BREHM. Sie stammen aber nicht von ihm, ge-
nausowenig wie der vierte von NAUMANN stammt, der ihn als Beinamen
anführte. Solche Bezeichnungen findet man in Fülle bei vielen Autoren der
Zeit um 1800.1162
Goldhähnchen, Haubenkönig, Königlein, Gekrönter Zaunkönig, Hau-
benzaunkönig: Unter den drei Leitnamen „Der Haubenkönig, das Gold-
hähnchen oder das Königlein“ beschrieb OTTO das Goldhähnchen. „Dieser
Vogel ist das wahre Königlein (Roitelet), wie der Herr von Buffon solches sehr
gut gezeigt hat.“1163
„Er hat den Nahmen Goldhähnchen, von seinem goldgelben Schopfe oder
Büschel auf dem Kopfe, der ihm wie dem Hahne der Kamm steht.“ Der gold-
gelbe Federbusch auf dem Kopf ist einer Krone vergleichbar.1164
Auch MÜLLER führte den Vogel als „Haubenkönig“. „Dieser hat viele Eh-
rentitel. Er heißt Regulus, Senator und Rex … englisch: Golden-Crowned-
Wren oder Crested Wren, das ist: Hauben- oder gekrönter Zaunkönig. Er
1160
SPRINGER 2007, 300 und GESSNER 1585, 727, 37–49
1161
KRÜNITZ 1780, 19/ 529
1162
BREHM 1879, 5/ 209 und NAUMANN 1823, 3/ 965
1163
BUFFON/OTTO 1791, 16/ 316
1164
KRÜNITZ 1780, 19/ 530
202 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
führet einen gelben Federbusch: kann ihn aber so niederlegen, daß man ihn
nicht sieht.“1165
König der Vögel, Gekröntes Königchen, Gekrönter Sänger: „Der Scheitel
des Männchens ist mit einem schönen, goldgelben schwarz gefaßten Streif
gezeichnet, diese Federn kann er aufrichten.“1166
Nach KRÜNITZ gebe es nicht nur unter den großen, sondern auch unter den
kleinen Vögeln verschiedene „Könige“, die sich durch Vorzüge im Ansehens
diesen „Titel“ erworben haben, wie z. B. der „Zaunkönig“, der „Schneekönig“
(Zaunkönig) oder der „Wachtelkönig“.1167 Der kleinste unter ihnen wurde
wegen der Haube „gekröntes Königlein“ genannt.
Goldämmerchen, Goldemmerchen, Goldhämmelchen, Goldhammel,
Goldhämmerchen: Die beiden letzten Bezeichnungen hatte das Goldhähn-
chen in NAUMANNS Anhaltinischer Heimat.
Zu Goldhämmelchen/Goldhammel: In seiner Untersuchung von deutschen
Pflanzen- und Tiernamen besprach der Autor Helmut CARL auch Tiernamen
mit dem Suffix „-chen“. So erhielten u. a. verniedlichte Vögel Schmeichel-
namen mit einem „-chen“. „Das Goldhähnchen mit dem gelbroten Feder-
krönchen fängt die Poesie des Waldes ein; wie derb wäre für den Vogelzwerg
der Goldhahn.“1168 Das betrifft danach auch das Namenspaar Goldhämmel-
chen/Goldhammel. Den Ausdruck „Goldhammel“ für „Goldhähnchen“ fin-
det man schon bei BECHSTEIN (1795, 699). NAUMANN übernahm den
Begriff und auch das wohl von ihm konstruierte Wort „Goldhämmelchen“
für das Wintergoldhähnchen.1169 Möglicherweise diente eine alte französische
Goldmünze, der „Mouton d’or, Goldhammel“, als Vorlage für diesen Na-
men des winzigen Goldhähnchens (o. Qu.). Dazu kommt, dass schon früher
„Hammel“, das Diminutiv „Hämmelchen“ oder Zusammensetzungen wie
„Goldhammel“ und „Zuckerhammel“ beliebte Schmeichelworte für Kinder
waren.1170
Sommerkönig, Sommerzaunkönig: Beide Namen findet man bei KLEIN,
aber für verschiedene Vögel. Den „Sommerkönig“ oder „Tyranchen“ nannte
er „Regulus non cristatus“ und schrieb dazu: „Dies ist eigentlich der Zaunkö-
nig.“ Es folgte eine Beschreibung eines „oberwärts dunkelbraunen, aschgrau
und grünen, unterwärts grünen“ Vogels. Das wurde von REYGER wiederholt
1165
MÜLLER 1773, 620
1166
VOIGT 1835, 212
1167
KRÜNITZ 1788, 43/ 554
1168
CARL 1957, 257
1169
BECHSTEIN 1795, 699 und NAUMANN 1823, 3/ 965
1170
MEDICUS 1867, 92
PASSERES – SINGVÖGEL 203
und führte damit auch zu keiner Klarheit. Der eigentliche Zaunkönig wurde
als „Winterkönig“ bezeichnet.
Der „Sommerzaunkönig“ war bei KLEIN auch das „Gekrönte Königchen“,
das er „Regulus cristatus“ nannte und den Hinweis auf die Tafel 24 von
FRISCH mit dem Bild des Goldhähnchens (und des Zaunkönigs) gab.1171
In der Einleitung zu diesem Kapitel hatte KRÜNITZ das Goldhähnchen
auch als „Winterkönig“ bezeichnet, einen „Jahresvogel“, der nach damali-
gen Beobachtungen im Winter nicht wegziehen würde. Darüber gab es aber
wohl schon lange unterschiedliche Meinungen. SPRINGER zitierte GESS-
NER (1585): „Einige unserer Vogelsteller sagen, die ‚reguli‘ würden bei uns
überwintern, andere, sie würden im Winter wegfliegen.“ SPRINGER wertete
diese Bemerkung zudem als einzigen Hinweis GESSNERS auf die Kenntnis
zweier Goldhähnchen-Arten.1172
Deutscher Kolibri, Europäischer Kolibri: OKEN: Er „ist der kleinste Vogel
in Europa und heißt daher auch der europäische Kolibri.“1173
HALLE habe ihn, außer Sommer-Zaunkönig, wegen seiner Kleinheit auch
„Deutscher Kolibri“ genannt.1174
Zaunkönig, Zaunschlupfer, Zaunschlüpflein: Wegen ihrer geringen Kör-
pergröße und weil das Goldhähnchen eine Art der Zaunkönige ist, erhielten
der Zaunkönig und das Goldhähnchen ähnliche Namen.1175 Manchmal hielt
man das Goldhähnchen auch für das Weibchen des Zaunkönigs. Als „Zaun-
könig“ (ohne ergänzenden Adjektiv) hat zuerst BECHSTEIN den Vogel be-
zeichnet. NAUMANN schloss sich mit „Wintergoldhähnchen“ an. Auch
„Zaunschlüpflein“ findet man zuerst bei BECHSTEIN, „Zaunschlupfer“
steht dagegen nur bei OKEN.1176
Sträußchen, Sträußlein: „Wenn das Goldhähnchen in einigen Gegenden im
Diminut Sträußlein genannt wird, so geschiehet es wegen des Straußes oder
Federbusches auf dem Kopfe.“1177
Weidenmeise, Weidenzeislein: „Einige haben unserm Goldhähnchen auch
den Nahmen Weidenmeise beygelegt, weil sie einige Aehnlichkeit mit den
Meisen haben, und auf den Weiden nisten; dieserhalb nennen ihn Andere
1171
KLEIN 1760, 143 und KLEIN/REYGER 1760, 77
1172
SPRINGER 2007, 300
1173
OKEN 1837, 28
1174
BUFFON/OTTO 1791, 16/ 324
1175
ADELUNG 1796, 2/ 748
1176
BECHSTEIN 1802, 190 + 1795, 699 und OKEN 1816, 433
1177
ADELUNG 1801, 4/ 428
204 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
1178
KRÜNITZ 1780, 19/ 530
1179
SPRINGER 2007, 299
1180
ZUM LAMM 2000, 275
1181
SPRINGER 2007, 300
1182
SUOLAHTI 1900, 77
1183
SPRINGER 2007, 301
1184
SPRINGER 2007, 300
1185
SUOLAHTI 1900, 78
PASSERES – SINGVÖGEL 205
1186
C. L. BREHM 1821, 2/ 130
1187
BEAMAN/MADGE 1998, 703
1188
NAUMANN 1823, 3/ 983
206 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
Seidenschwänze – Bombycillidae
Die Seidenschwänze ( Bombycilla, Bombycillidae) sind eine Vogelgattung und
Familie aus der Ordnung der Sperlingsvögel (Passeriformes), Unterordnung
Singvögel (Passeres) mit nur drei Arten: Seidenschwanz ( B. garrulus), Blutsei-
denschwanz ( B. japonica), Zedernseidenschwanz ( B. cedrorum).1190
1189
GOEZE/DONNDORF 1795, 5-2/ 122
1190
http://de.wikipedia.org/wiki/Seidenschwänze, Stand: 4.09.2012
1191
Offenburger Tageblatt 4. Februar 2006
1192
FRISCH 1763, T. 32
1193
SUOLAHTI 1905, 146
1194
NAUMANN 1822, 2/ 143
1195
ZORN 1743, 315
PASSERES – SINGVÖGEL 207
schwanz“. „Cilla wird von den Wissenschaftlern der frühen Neuzeit in der
Bedeutung von ‚Schwanz‘ verwendet.“1196
Gemeiner Seidenschwanz, Europäischer Seidenschwanz: Mit dem ersten
Namen bezeichnete BECHSTEIN den Seidenschwanz in der ersten Ausgabe
seiner Naturgeschichte, der zweite war der Leitname in der zweiten Ausgabe.
BECHSTEIN wusste von einem amerikanischen Seidenschwanz („Er ist auch
in Nordamerica“), anerkannte ihn aber, trotz von ihm genannter Unterschie-
de, nicht als eigene Art, sodass die Benennung „Gemeiner“ Seidenschwanz
verständlich wird.1197 KLEIN hatte dagegen schon viel früher von einem „Sei-
denschwanz aus Europa“ und einem „Grauen Seidenschwanz von Karolina“
geschrieben, was BECHSTEIN dann 1807 mit dem „Europäischen“ Seiden-
schwanz berücksichtigte.1198
Die Seidenschwänze besitzen „einen sehr sanften Character, große Friedfertig-
keit und ebenso großen Gesellschaftstrieb; aber sehr beschränkte intellectu-
elle Fähigkeiten, verbunden mit großem Hange zu körperlicher Unthätigkeit
und mit ungewöhnlicher Gefräßigkeit: welche letztere allein sie zur Unter-
brechung der ersteren bewegen kann. Ihr kurzer Darmkanal macht, daß die
Speisen sehr schnell und wenig verdaut wieder fortgehen, also im Verhältnisse
zu ihrer Masse nur wenig wirklichen Nahrungsstoff an den Körper abgeben
können. Dazu trinken diese Vögel im Verhältniß mindestens ebenso außer-
ordentlich viel, als sie fressen; lassen aber statt ordentlichen Badens bei einem
leichten Besprühen mit Wasser bewenden.“1199
Rötlichgrauer Seidenschwanz: Dieser Name war NAUMANNS Leitname
für den Vogel.1200 Die Gefiederfarbe wird subjektiv verschieden beschrieben:
Von „rötlichgrau“ über „hell graubraun“1201 bis zu „einer sanften Mischung
des Braunen mit dem Aschgrauen, doch in verschiedenen Schattierungen.1202
Graubauchiger Seidenschwanz: Der Name stammt von MEYER (1822).
TEMMINCK hatte zuvor den Vogel „Bombyciphora garrula“ genannt. „Im
Deutschen gebe ich ihr [der Art] den Namen des ‚graubäuchigen Seiden-
schwanzes‘.“1203 „Der Bauch [ist] röthlich silbergrau.“
1196
WEMBER 2005, 122
1197
BECHSTEIN 1795, 173 + 1807, 3/410
1198
KLEIN 1760, 133
1199
GLOGER 1834, 387
1200
NAUMANN 1822, 2/ 143
1201
BEAMAN/MADGE 1998, 592
1202
BECHSTEIN 1807, 3/ 412
1203
MEYER in: MEYER/WOLF 1822, 3/ 69
208 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
1204
SUOLAHTI 1909, 146
1205
BECHSTEIN 1802, 154
1206
GÄTKE/BLASIUS 1900 in: „Die Vogelwarte Helgoland“
1207
ZORN 1743, 315
1208
FRISCH 1763, T. 32
1209
GRIMM/GRIMM 1984, 2/ 224
1210
GATTIKER/GATTIKER 1989, 207
PASSERES – SINGVÖGEL 209
Modena, Piazenza und fast allen Theilen Italiens verbreiteten, doch stets das
Ferrarische Gebiet vermieden, als wenn sie das Erdbeben, welches kurz nach-
her entstand, wobei sogar alle Vögel des Landes die Flucht ergriffen, vorher
empfunden hätten.“1211
Haubendrossel, Böhmische Haubendrossel: „Der Seidenschwanz gehört
zur Gattung der Drosseln, oder der Krähen, daher ihn auch Albinus die Böh-
mische Krähe nennet.“1212
KLEIN ordnete den Seidenschwanz zu den Drosseln und nannte ihn nach
seiner Haube „Turdus cristatus“.1213 BECHSTEIN tat das nicht mehr, schrieb
aber: „Die hierher gehörigen Vögel haben vermischte Eigenschaften von der
Flienfänger- und Drosselgattung.“1214 Aus dieser Zeit stammen viele Namen
des Seidenschwanzes, die auf „- drossel“ enden.
Winterdrossel: So und ähnlich nannte man Vögel, die zu Beginn der Käl-
te ankommen, wie z. B. die Rotdrossel, aber auch der drosselgroße Seiden-
schwanz. „Daß die Kälte zu ihren Zügen aus einer Himmelsgegend in die
andere nicht Veranlassung seyn kann, geht daraus hervor, daß sie ihre Reise
schon anfangs des Herbstes anfangen. Büffon ist der Meinung, daß wohl eine
außerordentliche Vermehrung dieser Vögel an ihren Wanderungen Schuld
seyn könnte; allein andere Naturforscher glauben doch, daß die Kälte, und
wenn nicht diese, doch das im Winter mangelnde Futter dazu Veranlassung
geben soll.“1215
„Fragt man nach den Ursachen derartig auffälliger Invasionen und den zu-
grundeliegenden Evasionen, so wird klar, daß allgemein zwei Faktoren eine
große Rolle spielen: geringes Nahrungsangebot und hohe Populationsdich-
te.“1216
Schneevogel, Schneeleschke: „Da der Seidenschwanz in Deutschland
ein Wintergast ist, nennt ihn Schwenckfeld Ther. Sil. (1603) S. 229 einen
‚Schneevogel‘ oder ‚Schnee Leschke‘ (d. h. Schneekernbeißer).“1217
Pfeffervogel, Pfeffervögelchen: Nach SUOLAHTI soll sich die Benennung
auf das zarte, „wolgeschmackte“ Fleisch des Vogels beziehen, das wie „lieblich
gewürzt“ ist.1218 „Das Fleisch ist eine vortreffliche Speise und wird von vielen
1211
KRÜNITZ 1833, 152/ 453
1212
HAUFFE 1773, 207
1213
KLEIN 1760, 133
1214
BECHSTEIN 1807, 3/ 410
1215
KRÜNITZ 1833, 152/ 453
1216
BERTHOLD 1996, 40
1217
SUOLAHTI 1909, 145
1218
SUOLAHTI 1909, 146
210 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
1219
NAUMANN 1822, 2/ 143
1220
HOFFMANN 1937, 85
1221
HAUFFE 1773, 207
1222
BUFFON/OTTO 1790, 9/ 311
1223
BEZZEL 1993, 124
1224
GRIMM/GRIMM 1984, 32/ 825
1225
SUOLAHTI 1909, 146
1226
POPOWITSCH 1780, 540
1227
SUOLAHTI 1909, 145
PASSERES – SINGVÖGEL 211
Mauerläufer – Tichodromadidae
Der Mauerläufer ist ein Vogel aus der Familie der Kleiberartigen (Sittidae)
und der Unterfamilie „Tichodromadinae“. Die systematische Einordnung
dieser Art, die sowohl Merkmale der Sittidae (Kleiber) als auch der Certhiidae
(Baumläufer) aufweist, ist schwierig und wird in der Wissenschaft diskutiert.
Neben der hier gewählten systematischen Stellung ist die Zuordnung zu einer
eigenständigen Familie „Tichodromadidae“ ebenfalls gebräuchlich.1231
1228
NAUMANN 1822, 2/ 143
1229
BECHSTEIN 1795, 173 und BUFFON/OTTO 1790, 9/ 309
1230
VON HOLTEI 1822, Erinnerungen
1231
http://de.wikipedia.org/wiki/Mauerläufer, Stand: 5.09.2012
1232
BUFFON/OTTO 1791, 18/35
212 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
1233
BEZZEL 1993, 482
1234
BUFFON/OTTO 1791, 18/40
1235
STUDER/FATIO 1901, 3/ 363
1236
GESSNER 1585 bei SPRINGER 2007, 303
1237
BUFFON/OTTO 1791, 18/ 26
1238
RAY Synopsis avium, 1713, p. 46 und BUFFON/OTTO 1791, 18/26
1239
NAUMANN 1826, 5/421
1240
Nach SUOLAHTI 1909, 161
PASSERES – SINGVÖGEL 213
mer nur aufwärts, Kopf und Schnabel nach oben gerichtet, niemals abwärts
wie ein Kleiber.“1241
Rothflügelige Mauerklette, Rothflügeliger Mauerläufer: Wegen seiner
prachtvollen, karminroten Flügeldecken wird er auch „fliegende Alpenrose“
genannt.1242
Kleiner Baumläufer: Bei der Erstbeschreibung (1766) gab LINNÉ dem
Mauerläufer den lateinischen Namen „Certhia muraria“. Der Vogel bildete
mit dem Gemeinen Baumläufer ( Certhia familiaris) die Gattung „Baumläu-
fer – Certhia“.1243 In der Folgezeit war es normal, den Mauerläufer mit dem
übersetzten „Certhia“ als Baumläufer zu bezeichnen. „Certhia“ ist ein „grie-
chischer Name für einen sehr kleinen Vogel, der an Bäumen lebt und eine
helle Stimme hat.“1244 Das wurde auf den Mauerläufer übertragen, weil man
Ähnlichkeiten festgestellt habe. Es dauerte bis 1811, als ILLIGER dem Vogel
den Namen „Tichodroma“ gab, der „Mauer“ und „laufen“ beinhaltet.1245
Der Name „Kleiner Baumläufer“ war primär nicht für den Mauerläufer ge-
meint gewesen, sondern für den Baumläufer. TURNER hatte (um 1554)
einen Vogel beschrieben, „der immer über Bäume kriecht“ und größer als ein
„regulus“ (Zaunkönig oder Goldhähnchen) sei. SPRINGER meinte, TUR-
NER habe einen (Wald-)Baumläufer, Certhia beschrieben. Daraus erklärt sich
der Name „Kleiner Baumläufer“.1246
Der Bezugsvogel, der „große Baumläufer“, war der Kleiber. Wegen ähnlicher
Lebensweisen wurden der Baumläufer und der Kleiber miteinander vergli-
chen. Der Kleiber war zu GESSNERS Zeiten, um 1585, der Gattung „Picus“
zugeteilt worden und hieß „Picus cinereus“ (Grauspecht, s. Kleiber). Da ein
Picus in der Regel größer war als eine Certhia, wurde der Kleiber zum „großen
Baumläufer“.1247 Auch der Mauerläufer war bei GESSNER ein „Picus“. Für
ihn hat sich aber kein „großer“ oder „kleiner“ Baumläufer durchgesetzt. Erst
durch LINNÉS Zuordnung 1766 wurde der Mauerläufer zu einer „Certhia“
und damit zu einem „kleinen“ Baumläufer.
Mauerbaumläufer: „Mauerbaumläufer – Certhia muraria“ hieß der Vogel bei
BECHSTEIN und auch noch später bei MEYER/WOLF.1248
1241
NAUMANN 1826, 5/421
1242
WÜST 1967, 36
1243
WEIGEL 1806, 10/13
1244
WEMBER 2006, 144
1245
WEMBER 2006, 144
1246
SPRINGER 2007, 306
1247
ALTUM 1868, 237
1248
BECHSTEIN 1805, 2/ 1093 und MEYER/WOLF 1810, 1/ 131
214 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
Schöner Baumläufer: Die schönen Farben bei seinem Hüpfen mit ausgebrei-
teten Flügeln geben dem Vogel etwas Schmetterlingshaftes.1249
Der Mauerläufer ist eine Vogelart, „welche wenig größer als ein Sperling ist,
einen langen schwarzen Schnabel und kurze schwarze Füße, auf dem Rü-
cken graue, am Halse und Bauche aber weißliche Federn, und einen kurzen
Schwanz hat.“1250 ADELUNG hat zu den Flügeln nichts geschrieben.
Mauerchlän: „Gesner schildert den Vogel, den er von eigener Anschauung
kennt, unter dem Namen Murspecht und Klättenspecht; heute ist er als
Mûrchlän, Fluehchlän (auch einfach Chlän) in der Schweiz bekannt.“1251
Todtenvogel: Der Mauerläufer wurde auch Todtenvogel genannt. „Diesen
Namen kann ich mir nicht anders erklären, als weil er nach Linnés Versi-
cherung, sogar in den Hirnschädeln der Knochen- oder Beinhäuser auf den
Kirchhöfen hecken soll.“1252 „Aus diesem Grunde müßten es die Sperlinge
auch seyn, die zuweilen in die Todtenköpfe auf dem Rade hecken.“1253 Das
(angebliche) Nisten in Hirnschädeln in Beinhäusern hat zuerst KRAMER
(1756) beschrieben, wurde offensichtlich nicht wieder beobachtet, aber von
sehr vielen Autoren bereitwillig übernommen und weiterverbreitet.
Kleiber – Sittidae
Die Sperlingsvögel, von denen in Mitteleuropa 6 Arten (weltweit etwa 25)
vorkommen, sind klein bis mittelgroß, wirken kompakt und haben einen gro-
ßen Kopf mit kräftigen Füßen. Sie sind auf Klettern an steilen Oberflächen
spezialisiert. Man sieht sie auch kopfvoran abwärts laufen oder an Astun-
terseiten. Der Eingang zu den Nisthöhlen wird von ihnen oft durch Lehm
verengt.1254
1249
JOURN. F. ORN. 1855, 3/ 43
1250
ADELUNG 1798, 3/ 116
1251
SOULAHTI 1909, 165
1252
GOEZE 1794, 4/ 407
1253
BECHSTEIN 1805, 2/ 1097
1254
SVENSSON et al. 2011, 348
PASSERES – SINGVÖGEL 215
Pfeile schmieren, deren sie sich zum Schießen des Wildes bedienen. Auch die
Jakuten haben ihm gesagt, daß sie mit dem Blute oder Fleische dieser Vögel
die sich selbst losschießenden Pfeile beschmieren. Ein Thier, das mit einem
solchen Pfeile getroffen werde, falle gleich auf der Stelle nieder, und könne
nicht einen Schritt weiter gehen.“1255
Kleiber, Gemeiner Kleiber, Europäischer Kleiber: Der Vogelname ist eine
Ableitung von ahd. „kleiben“, das ist „kleben“.1256 „Sie nisten in hohle Eichen
und Buchen, und ist der Eingang zu groß, so tragen sie Schlamm im Schna-
bel herbei, um ihn zu verkleben und gehörig eng zu machen; daher ihr Na-
me.“1257 Was OKEN als Schlamm bezeichnet, ist Lehm oder Ton. Das Bau-
material wird nicht eingespeichelt.
Baumkleiber: „Ihr Nest machen die Spechtmeisen in Baumlöcher und ver-
kleben die Öffnung mit schwerem Lehm, bis auf eine kleine Öffnung, so
fest, daß man es nicht mit der Hand aufbrechen kann. … Daher ihr Name
Baumkleiber.“1258
Klener: Der Name ist vom Verb „klenen“ abgeleitet, „in dem die Bedeutun-
gen ‚kleben‘ und ‚klettern‘ sich … berühren.“1259
Chlän, Chlaen, Baumklähn, Klähn, Blindchlän: GESSNER nennt den
Kleiber nur „Chlän“. Das schweizer Wort „chlänen“ bedeutet wohl ursprüng-
lich „klettern“.1260 Der Vogel klettert am Baumstamm und klebt dabei quasi
an der Rinde, ähnlich wie der Baumläufer. Nach der Beschreibung GESS-
NERS krieche der „Blindchlän“ einem Blinden gleich Bäume entlang. Al-
lerdings hat GESSNER mit diesem Namen den Baumläufer („certhius“ von
TURNER) gemeint.1261
Kleber, Klaber, Klauber: Für sich genommen haben „Kleber“ (kleben) und
„Klauber“ (klauben) völlig unterschiedliche Bedeutungen. Als Trivialnamen
des Kleibers (Kleber, Klaber, Klauber) sind sie offensichtlich auseinander ent-
standen. Ein Dialektname ist „Klaber“, der aus der Gegend von Nürnberg
stammt.1262
Bläulicher Kleiber, Gelbbäuchiger Kleiber: „Der Name ‚bläulicher Klei-
ber, Sitta caesia‘ ist um deswillen unpassend, weil der amerikanische auf dem
1255
OTTO in: BUFFON/OTTO 1791, 17/ 273
1256
SUOLAHTI 1909, 161
1257
OKEN 1837, 207
1258
VOIGT 1835, 136
1259
SUOLAHTI 1909, 162
1260
GESSNER/HORST 1669, 130b und SUOLAHTI 1909, 162
1261
SPRINGER 2007, 307
1262
BUFFON/OTTO 1791, 256
216 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
ganzen Rücken auch bläulich aussieht. Ich behielt deswegen den alten linnei-
schen Namen bey und entlehnte den deutschen [gelbbäuchiger Kleiber] von
der rostgelben Bauchfarbe, welche der amerikanische nicht hat.“1263
Grauspecht, Gemeiner Grauspecht, Blauspecht, Kleberblauspecht, Euro-
päischer Blauspecht: „Picus cinereus“ hieß der Kleiber 1585 bei GESSNER.
Die Übersetzung des Begriffs ist „Grauspecht“.1264
„Weil diese Vögel an den Bäumen in die Höhe steigen, werden sie den Spech-
ten zugezählet.“1265 „Blauspecht“ oder „Grauspecht“ hießen die Vögel wegen
ihrer blaugrauen Oberseite. Der Name „Blauspecht“ war weit verbreitet.
„Man möchte fast lieber Grauspecht sagen, doch weil sie in das bläulichte
fallen, und übrigens den Spechten ziemlich gleich sehen, so kann man es bey
der alten Benennung [Blauspecht] bewenden lassen.“1266
Größte spechtartige Meise, Spechtartige Blaumeise: „Klein sagt, er sei die
größte Meise. Sitta parus maximus est.“1267 An anderer Stelle (p. 259) schrieb
BUFFON zu dem Begriff „Spechtartige Meise“: „Dieser zusammengesetzte
Nahme gibt den besten Begriff von diesem Vogel.“
Spechtmeise: Nach ZORN, der „Kleiber“ als Leitnamen verwendete, war der
„Kleiber“ kein Specht.1268 KLEIN hat ZORNS Argumente zusammengefasst:
Die Füße seien nicht lang, sie hätten vorne drei, nach hinten aber nur eine
Zehe. „Alle Spechte haben zwo Vorder- und zwo Hinterzehen.“ Kleiber haben
also keine Spechtfüße, „doch sind sie mit krummen und spitzigen Klauen
wohl versehen.“ Seine Zunge sei auch keine Spechtzunge, „sondern gestal-
tet wie der Meisen, und anderer kleiner Vögel Zungen.“ Außerdem: „Der
Schwanz selbst ist gar kurz und nicht zugespitzt, wie der größern Spechte.“1269
ZORN (1743) gab als zweiten Leitnamen „Blauspecht“ (s. o.) an. Bei BUF-
FON/OTTO findet man in der Überschrift „Spechtmeise“ und „Blau-
specht“.1270 Vorher schon, in der „Angenehmen Landlust“ hatte PERNAU
den Vogel auch „Blauspecht“ genannt. „In Österreich [wird er] Klener genen-
net.“1271
1263
C. L. BREHM 1822, 3/ 214
1264
SPRINGER 2007, 305
1265
KLEIN 1760, 162
1266
MÜLLER 1773, 231
1267
BUFFON/OTTO 1791, 17/ 262 + 259
1268
ZORN 1743, 274
1269
KLEIN 1760, 163
1270
BUFFON/OTTO 1791, 17/ 256
1271
PERNAU 1720, 104
PASSERES – SINGVÖGEL 217
1272
BECHSTEIN 1791, 523
1273
WÜST 1967, 37
1274
SUOLAHTI 1909, 161
1275
WÜST 1967, 37
1276
OKEN 1837, 206
218 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
Dennoch: „Der Vogel hackt mit seinem Schnabel die Baumrinde, und zwar
mit mehrer Gewalt als die Spechte und Meisen.“1277 Und der „KRÜNITZ“
berichtete von Kleibern in Gefangenschaft, die ihren Schnabel sehr wohl in-
tensiv und erfolgreich als Holzmeißel einsetzten.1278
Zur Nahrungssuche an Baumstämmen hackt der Kleiber keine Löcher in das
Holz wie die Spechte, sondern spaltet Rindenstückchen ab, „was man ihn an
alten Kiefern besonders häufig betreiben sieht.“1279
Nußhaer: „Es ist zu merken, daß dieser Schriftsteller [Charleton] den Blau-
specht mit dem Cariocatactes, dem Tannenhäher … verwechselt.“1280 Ob das
mit dem Namen „Nußhaer“ zusammenhängt, muss offenbleiben: SPRIN-
GER zitierte GESSNER: „Auch Eberus und Peucerus [1552] übersetzen den
Vogel ‚sitta‘ oder ‚sippa‘ auf Deutsch mit ‚Nusszhacker‘ oder ‚Nusshaer‘.“1281
Tottler, Kottler, Gottler, Todler: Die Bedeutung dieser Namen ist unklar, sie
sind wahrscheinlich schweizerisch-schwäbischer Herkunft und onomatopoie-
tische Bildungen nach dem Lockruf des Vogels.1282 Für den, der die Rufe des
Kleibers kennt, ist das allerdings schwer nachvollziehbar. SUOLAHTI bietet
noch eine andere Lösung an, die das schwäbische „tötelen“ zugrunde legt.
Danach würde „Tottler“ einen Vogel bedeuten, der klagend singt, ähnlich
einer zur Leiche läutenden Glocke.
Dazu schrieb FRISCH: „Bei den Russen heißt ein Specht Dætel. Damit
kommt das Wort Ditiler oder Thödler womit man in der Schweiz einen Blau-
Specht andeutet.“1283
Europäischer Sittvogel: BUFFON beklagte, dass kaum ein (Trivial-)Name
des Kleibers den Charakter des Vogels wirklich treffe. „Um alle Verwirrung
zu vermeiden, und um, so viel wie möglich, die alten Nahmen beizubehalten,
habe ich diesen Vogel Sitelle … nach dem lateinischen Sitta, genannt.“1284
„Sitta“, der wissenschaftliche Gattungsname des Kleibers, ist sehr alt und be-
deutete bei den Griechen „Kleiber“. Aus dem Artnamen „europaea“ kann man
folgern, dass es noch außereuropäische „Sittiden“ gibt.
1277
BUFFON/OTTO 1791, 17/ 267
1278
KRÜNITZ 1833, 156/ 710
1279
NAUMANN 1826, 5/ 377
1280
BUFFON/OTTO 1791, 257
1281
SPRINGER 2007, 304 und GESSNER 1585, 712
1282
SUOLAHTI 1909, 163
1283
FRISCH 1763, T. 39
1284
BUFFON/OTTO 1791, 17/ 265
PASSERES – SINGVÖGEL 219
1285
BREHM 1867, 42
1286
MICHAHELLES in: OKENS ISIS 1830, 814
1287
BREHM 1867, 4/ 42
1288
OKEN 1843, 12
220 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
Baumläufer – Certhiidae
Die kleinen braunen und weißen Vögel haben einen spitzen, schwach abge-
bogenen Schnabel und steife Steuerfedern. Sie klettern spiralig-ruckartig an
Stämmen empor und fliegen dann zum Fuß des nächsten Baumes.1289 Die
kleine Familie der Certhiidae besteht aus 2 Gattungen mit insgesamt 10 Ar-
ten.1290
1289
SVENSSON et al. 2011, 350
1290
http://de.wikipedia.org/wiki/Baumläufer, Stand: 6.09.2012
1291
C. L. BREHM 1821, 2/ 71
1292
NAUMANN 1826, 5/ 398
PASSERES – SINGVÖGEL 221
1293
NAUMANN 1826, 5/ 398
1294
C. L. BREHM 1820, I/ 570
1295
GLUTZ VON BLOTZHEIM/BAUER 1993, 13/ 923
1296
BECHSTEIN 1805, 2/ 1085
1297
BUFFON/OTTO 1791, 18/3
1298
SVENSSON/GRANT/MULLARNEY/ZETTERSTRÖM 1999, 324
222 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
1299
SUOLAHTI 1909, 164
1300
PERNAU 1702, 19
1301
BECHSTEIN 1805, 2/ 1085
1302
ADELUNG 1793, 1/ 763
1303
WÜST 1967, 36
1304
BECHSTEIN 1805, 2/ 1091
1305
ADELUNG 1793, 1/ 763
1306
ADELUNG 1793, 1/ 764
PASSERES – SINGVÖGEL 223
1307
BUFFON/OTTO 1791, 11
1308
KRÜNITZ 1780, 19/ 794
1309
ZORN 1743, 275
1310
SUOLAHTI 1909, 133 + X
1311
ADELUNG 1793, 1/ 763
1312
LAUDE 1995, 216
224 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
Zaunkönige – Troglodytidae
Die braunen Zaunkönige mit dem dunkel quergebänderten Rückengefieder
sind Insektenfresser, haben kurze Flügel und halten ihren kurzen Stoß steil
aufwärts gerichtet. Sie sind klein und unauffällig, abgesehen von ihrem lauten
Gesang. Der Zaunkönig ( Troglodytes troglodytes) kommt als einzige von etwa
80 Arten auch außerhalb Amerikas vor.
1313
ADELUNG 1774, 1/ 1098
1314
STALDER 1812, 2/ 129
1315
MEISNER/SCHINZ 1815, 45
PASSERES – SINGVÖGEL 225
1316
GATTIKER/GATTIKER 1989, 203 und http://de.wikipedia.org/wiki/Zaunkönig, Stand:
8.09.2012
1317
SUOLAHTI 1909, 80
1318
GATTIKER/GATTIKER 1989, 199
1319
FRISCH 1763, T. 24
1320
OKEN 1837, 30
1321
OKEN 1837, 28
1322
SUOLAHTI 1909, 84
1323
GRIMM/GRIMM 1984, 15/ 670
1324
OKEN 1837, 30
226 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
1325
RÖHRICH 1973, 871
1326
C. L. BREHM 1821, 2/ 754
1327
ADELUNG 1796, 3/ 470
1328
HOFFMANN 1937, 69
1329
SUOLAHTI 1909, 84
PASSERES – SINGVÖGEL 227
1330
DALLMANN 1987, 37
1331
BECHSTEIN 1807, 3/ 666
1332
http://de.wikipedia.org/wiki/Zaunkönig, Stand: 13.11.2011
1333
HOFFMANN 1937, 81
228 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
Spottdrosseln – Mimidae
Die Mimidae sind eine artenreiche Singvogelfamilie mit zwei großen und
zehn kleinen oder monotypischen Gattungen und mehr als 30 Arten. Sie sind
auf den amerikanischen Kontinent beschränkt. Die Spottdrosseln werden
heute mitunter als Mimini in eine von zwei Tribus zu den Staren (Sturnidae)
gestellt.1337
1334
NAUMANN 1823, 3/ 725
1335
HÖFER 1815, 3/ 119
1336
SCHWENCK 1838, 625
1337
http://de.wikipedia.org/wiki/Spottdrosseln, Stand: 8.09.2012
1338
BREHM 1879, 5/162
PASSERES – SINGVÖGEL 229
Stare – Sturnidae
Die Sturnidae sind eine artenreiche Vogelfamilie. Sie umfasst 25 Gattungen
mit ca. 120 Arten. Die Vögel sind mittelgroß, haben kräftige Füße und ein
typischerweise schwarzes Gefieder mit einem metallischen Glanz. Stare kom-
men nur in der alten Welt natürlich vor.1340
1339
BREHM 1879, 5/ 162
1340
http://de.wikipedia.org/wiki/Stare, Stand: 8.09.2012
1341
BREHM 1866, 3/ 297
230 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
Star, Staar, Stahr, Starl, Stär, Stärlein: „Der Name Staar ist die alte gemein-
germanische Bezeichnung des Vogels.“1342 Das Wort „stare, starn“ oder „stari“
„ist wahrscheinlich urverwandt mit der lateinischen Bezeichnung [Sturnus],
mit der man es schon früh zusammenstellte.“1343 Man könne die Wörter wohl
mit „streuen“ übersetzen, wegen des gesprenkelten Gefieders. Die Lockstim-
me, die wie „Stöar, stöar“ klingt, könnte dem Star auch zu seinem Namen
verholfen haben, mutmaßte FLOERICKE.1344
Gemeine Sprehe, Spree, Spreuwe, Spreu: „Sprehe“, die neuhochdeutsch ge-
wöhnliche Form für den Star, findet sich zuerst in einer Quelle von 1381.1345
Inhaltlich bedeuten „Sprehe“, „Spree“, „Spreuwe“ dasselbe wie „Spreu“.
Aus dem 13. Jahrhundert stammen „sprâ“, „sprêa“, im 15./16. Jahrhundert
„spree“, „sprehe“, „sprew“, „sprên“, „spreyn“ u. a., alle wohl mit beschränkter
geographischer Verbreitung.1346
Die Begriffe sind etymologisch verwandt mit „sprêwen“, „spræjen“, „spræ-
wen“, was „stieben, stäuben, sprühen, spratzeln“ bedeutet.
Der Name kommt demnach von der mit weißen Tüpfelchen gesprenkelten
Färbung des Gefieders des Schlichtkleides1347
Sprehm, Sprue, Sprahe: Auch diese Namen haben die gleiche Bedeutung
wie „sprehe“, „spreu“. Sie stammen, wie viele weitere, aus verschiedenen Re-
gionen.1348
Eine ganz andere Deutung von „Sprehe“ usw. schlug BOJER vor: Der Vogel
habe die üble Gewohnheit, im Frühjahr das Strohdach auf den Bauernhäu-
sern zu beschädigen und auseinander zu „spreihen“, zu spreiten.1349
Sprache: Das Wort „Sprache“ scheint nicht zu den oben genannten zu gehö-
ren, sondern sich auf das sogenannte Sprachvermögen der Vögel zu beziehen.
„Ein Staar kann ohne Unterschied Französisch, Deutsch, Lateinisch, Grie-
chisch, und so weiter, sprechen, und ziemlich lange Redensarten ausdrücken.
Seine biegsame Kehle bequemt sich zu allen Veränderungen und Tönen der
Stimme. Er spricht frei den Buchstaben R aus und erhält ganz wohl seinen
Namen Sansonnet, oder vielmehr Chansonnet, wegen der Lieblichkeit seines
1342
SUOLAHTI 1909, 165
1343
GRIMM/GRIMM 1984, 17/ 256
1344
FLOERICKE 1924, 147
1345
GRIMM/GRIMM 1984, 17/ 9
1346
SUOLAHTI 1909, 167
1347
GRIMM/GRIMM 1984, 17/ 54
1348
SUOLAHTI 1909, 168
1349
BOJER 1938, 231
PASSERES – SINGVÖGEL 231
Gesangs, welcher viel angenehmer als der natürliche ist.“1350 OTTO fügte
hinzu, dass Stare zwar leicht lernten, aber die Lieder und Wörter auch schnell
wieder vergessen würden.
Rinderstar, Rinderstaar: „Da der Star ein guter Freund des Weideviehs ist,
das er von lästigem Ungeziefer befreit, hat er den Namen Rinderstaar erhal-
ten“, den GESSNER 1555 in seiner Hist. avium zuerst erwähnte.1351
„Selbst den Thieren sind sie in dieser Beziehung nützlich, indem sie ihnen
auf den Weideplätzen die Insekten, die sie peinigen und quälen, fortschnap-
pen. Wenigstens hat man sie, wie auch schon oben angeführt worden, dem
Rindviehe und anderem großen Viehe folgen sehen, welches auf den Wiesen
weidete, und das wegen der Insekten geschah, die um dasselbe herumflogen
oder sich im Miste desselben aufhielten. Dieser Gewohnheit wegen haben sie
den Namen Rinderstaar auch in Frankreich erhalten.“1352
Wiesenstar, Gemeiner Wiesenstar: Inhaltlich ist „Wiesenstar“ gleichbedeu-
tend mit „Rinderstar“. Die Vögel ernähren sich von Insekten, Würmern u. a.,
die sie auf Wiesen, Feldern, Äckern finden. Zu Zugzeiten sammeln sich dort
riesige Vogelschwärme.
Starmatz: Vögeln, die man in Käfigen oder in der Wohnung hielt, gab man
früher gerne Kosenamen. „Matz“ ist eine Koseform von Matthias. Bekannt ist
auch „Jakob“ für die Dohle.1353 Siehe „Matschke“ bei Eichelhäher!
Strahl, Rinderstral: Diese Synonyme für Star und Rinderstar kommen
von NAUMANN, der „Rinderstrahl“ als Trivialnamen aufführte, und von
BREHM, der den „Strahl“ erwähnte.1354 Sonst scheint es keine anderen Quel-
len für diese Bezeichnungen zu geben, für die ältere neuhochdeutsche Zeug-
nisse fehlen.1355
Bunter Star, Gemeiner Staar: „Bunter Star“ ist ein Kunstname, unter dem
BECHSTEIN den Star zusammen mit „Gemeiner Staar“ führte.1356 C. L.
BREHM hat ihn später übernommen und mit „Gemeiner Staar“ und „Staar“
gleichgesetzt.1357 BREHM unterschied mit dem „bunten Staar“ vom „einfar-
bigen Staar“.
1350
BUFFON/OTTO 1782, 8/ 21
1351
SUOLAHTI 1909, 167
1352
KRÜNITZ 1835, 162/ 251
1353
SUOLAHTI 1909, 167
1354
NAUMANN 1822, 2/ 187 und BREHM 1866, 3/ 294
1355
SUOLAHTI 1909, 169
1356
BECHSTEIN 1807, 3 /816
1357
C. L. BREHM 1823,1/ 282
232 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
1358
GATTIKER/GATTIKER 1989, 111
1359
OKEN 1837, 67
1360
VOIGT 1835, 169
1361
BUFFON/OTTO 1790, 9/ 74
1362
SVENSSON et al. 2011, 296
1363
VOIGT 1835, 169
1364
KLEIN/REYGER 1760, 70
1365
BUFFON/OTTO 1790, 9/ 71
PASSERES – SINGVÖGEL 233
Vögel, deren Gefieder gesprenkelt, (…) oder auf der Brust mit gewissen klei-
nen regelmäßigen Flecken bezeichnet zu seyn scheint, so wie man hingegen
Amseln diejenigen Vögel nennt, deren Gefieder gleichförmig, oder nur an
ganzen großen Stellen verschieden ist.“1366
Das passt nicht zum Rosenstar, der aber dennoch gemeint ist. BECHSTEIN
brachte den Ausdruck 1795. Er wurde aber bis auf Ausnahmen nicht beach-
tet.1367
Fleischfarbige Amsel, Rosenfarbige Staaramsel, Staaramsel: Statt „rosen-
farbig“ hat man früher auch das zutreffendere „fleischfarben“ verwendet. So
beschreibt eine Zeichnung des Engländers EDWARDS: „Die rosenrothe,
oder fleischfarbene Amsel Aldrovands ist von Edwards in seiner natürlichen
Größe abgebildet. Der Form nach kommt der Vogel einem Staare sehr ähn-
lich wiewohl er einen etwas längeren Schwanz hat; der aber doch nicht so lang
wie an den Amseln ist.“1368
„Rosenfarbige Staaramsel“ war der Leitname für den Rosenstar bei NAU-
MANN.1369
Viehstaar, Rosenfarbiger Viehstar, Viehamsel, Viehvogel: „In Italien er-
scheint sie [die Rosendrossel] manchmal mit den Staaren, macht sich unter
die Viehheerden und setzt sich auf den Mist.“1370 „Er folgt auch den Viehher-
den, setzt sich auf den Rücken der Thiere, um ihnen die Larven wegzufangen,
läuft aber auch viel auf der Erde.“1371
Ackerdrossel, Rosenfarbige Ackerdrossel: „Ob er gleich das prächtigste An-
sehen hat, und einer der schönsten Vögel ist; so liegt er doch beständig auf
dem Miste der Aecker.“1372 Die Nahrung besteht aus Insekten die sie aus dem
„Miste“ der Äcker holt. Solches oder Ähnliches liest man in der Literatur der
damaligen Zeit.
„Rosenfarbige Akkerdrossel“ war der Leitname für den Rosenstar bei HAL-
LE.1373
Heuschreckenvogel: Die Herrero rösteten die Heuschrecken zum Verzehr
oder zerrieben und zerstießen sie auch oft, wenn sie gedörrt waren. Für sie
waren die Rosenstare echte Nahrungskonkurrenten. „Ebenso mästen sich
1366
KRÜNITZ 1789, 45/ 758
1367
BECHSTEIN 1795, 235
1368
BUFFON/OTTO 1790, 9/ 81
1369
NAUMANN 1822, 2/ 206
1370
OKEN 1837, 68
1371
VOIGT 1835, 170
1372
GOEZE/DONNDORF 1795, 5-1/ 146
1373
HALLE 1760, 301
234 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
Hyänen, wilde Hunde, Affen und Hühner davon“, dazu auch Strauße und
Störche. Der „Heuschreckenvogel folgt immer den Heuschreckenschwärmen
und vernichtet eine große Anzahl dieser Tiere. Die Zahl, die ein solcher Vogel
unfähig macht, scheint zu beweisen, daß er es wohl mehr auf Zerstörung als
auf Nahrung absieht.“1374
Der Rosenstar liebt das Herumzigeunern, wobei er den großen Heuschre-
ckenschwärmen folgt. 1906 fielen etwa 30.000 Rosenstare in die ungarische
Hortobagy-Puszta ein, wo sie Heuschrecken in riesiger Zahl töteten: In vier
untersuchten Vogelmägen sollen – schwer zu glauben – zwischen 317 und
519 dieser Insekten gezählt worden sein.1375
Rosenfarbiger Gryllenfresser: Obwohl Grillen keine Heuschrecken sind,
aber durchaus gemeint sein konnten, ist der Name gleichwertig mit „Heu-
schreckenvogel“.
Hirtenvogel: Bis in die neuere Zeit war der Gattungsname des Rosenstars
„Pastor“, der von TEMMINCK 1815 stammt. Die Übersetzung dieses Gat-
tungsnamens „Pastor“ bedeutet „Hirtenvogel“ und war auch war die Bezeich-
nung von GLOGER für den Rosenstar, den er „Rosenfarbiger Hirtenvogel“
nannte: „Die Hirtenvögel haben nach Eigenschaften und Gestalt augen-
scheinlich weit mehr mit den Staaren gemein, deren nächste und wirklich
sehr nahe Verwandte sie sind, als mit den Drosseln, zu welchen manche von
ihnen früher gezählt wurden, und welche durch sie allerdings mit jenen zu-
sammenhängen. … Er [der Schnabel] sieht daher vorn mehr wie ein Drossel-,
hinten fast wie ein Staarenschnabel aus.“1376
Seestaar, Meerstaar: „Aldrovand … sagt blos, sie zeigen sich bisweilen in den
Gefilden um Bologna, wo die Vogelsteller sie unter dem Namen Seestaare
(Etourneaux de mer) kennen; sie lassen sich auf Misthaufen nieder, werden
sehr fett, und ihr Fleisch schmecke vorzüglich gut.“1377
„Turdus roseus, Seestaar bei den Italiänern.“1378 Vorsilben wie „See“- oder
„Meer-“ in einem Vogelnamen sollten oft ausgedrücken, dass es sich um einen
Vogel unbekannter Herkunft handelte.
Rosenfarbige Bruchweidendrossel: In den südlichen Steppen „ist er überall
gemein, besonders soll dies in solchen der Fall sein, in denen es mit Bäumen
und Gebüsch besetzte Wassergräben giebt.“ Etwas später in demselben Ka-
1374
AUS DER NATUR 1869, 47/ 155
1375
FLOERICKE 1924, 147
1376
GLOGER 1834, 168
1377
BUFFON/OTTO 1790, 9/ 77
1378
HALLE 1760, 301
PASSERES – SINGVÖGEL 235
pitel: „Man wird übrigens den Rosenstar nur an solchen Orten finden, wo
sich die gemeinen Stare aufhalten; denn in dichten oder großen dichten Wal-
dungen sind sie nicht; dagegen aber auf Viehtriften, Hutungen, überhaupt
an solchen Orten, wo Vieh weidet, es sei in Feldern, auf Wiesen, in lichten
Wäldern …“1379
1379
NAUMANN 1822, 2/ 206
1380
JONSSON 1992, 484
1381
GLUTZ VON BLOTZHEIM/BAUER 1993, 13/ 2026
1382
BEAMAN/MADGE 1998, 754
236 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
die Pyrenäenhalbinsel war: „Der einfarbige Staar ist für Europa ein südlicher
Vogel, doch nur, soviel bis jetzt als ganz sicher bekannt, auf einen kleinen
Ländercomplex beschränkt. Er bewohnt hauptsächlich Sardinien, Sicilien,
Corsika und andere diesen gegenüber liegende Länder von Italien, doch, wie
es scheint, weniger die diesseits als jenseits der Apenninen gelegenen, von wo
er jedoch einzeln bis ins südliche Frankreich heraufstreicht.“1383
Wasseramseln – Cinclidae
Die Wasseramseln bilden mit fünf Arten die einzige Gattung der Familie Cin-
clidae. Die Vögel wurden wegen morphologischer und verhaltensbiologischer
Ähnlichkeiten in die Nähe der Zaunkönige gestellt. DNA-DNA-Hybridisie-
rungen in den 1980er-Jahren führten zur Einordnung der Cinclidae zwischen
Drosseln (Turdidae) und Seidenschwänzen (Bombycillidae). Neuere geneti-
sche Untersuchungen zeigten schließlich, dass die Wasseramseln am nächsten
mit den Drosseln verwandt sind.1384
1383
C. L. BREHM 1823, 284 und NAUMANN 1860, 13/ 231
1384
http://de.wikipedia.org/wiki/Wasseramseln, Stand: 11.09.2012
1385
RZEHAK 1896, 13
PASSERES – SINGVÖGEL 237
1386
MÜLLER 1773, 525
1387
BREHM 1866, 817
1388
SPRINGER 2007, 309 und KLEIN 1760, 129
1389
BREHM 1866, 816
1390
GESSNER 1555, 21 und GESSNER/HORST 1689, 46
1391
BUFFON/OTTO 1798, 28/ 246
238 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
1392
R. BLASIUS in: NAUMANN/HENNICKE 1897, 2/ 208
1393
CREUTZ 1986, 21
1394
SUOLAHTI 1909, 86
1395
CREUTZ 1986, 21
1396
OKEN 1837, 54
1397
STRESEMANN 1941, 85 und BREHM Vögel I, 1891/ 69
PASSERES – SINGVÖGEL 239
Drosseln – Turdidae
Die Drosseln sind eine artenreiche Vogelfamilie mit weltweit 19 Gattungen
und ca. 150 Arten. Die Abgrenzung gegen die Fliegenschnäpper (Muscica-
pidae) wird kontrovers diskutiert. Die Schmätzer (Saxicolinae), eine Unter-
familie der Fliegenschnäpper, werden als „Kleindrosseln“ manchmal zu den
Drosseln gestellt. Andererseits werden von manchen Autoren die Drosseln
insgesamt in die Fliegenschnäpper einbezogen.1403
Drossel und Amsel: Drossel ist ein Vogelname, der im Germanischen zahl-
reiche Lautvarianten hat. Ahd. „drosca, droscala“, mhd. „droschel“.1404 Das
Wort ist eigenständig, ohne besondere Bedeutung, ein Schlagwort.1405
1398
AVIBASE 2012
1399
SVENSSON et. al. 2011, 273
1400
C. L. BREHM 1821, 2/ 100 u. 111
1401
NAUMANN 1897, 3/ 925
1402
OKEN 1843, 8
1403
http://de.wikipedia.org/wiki/Drosseln, Stand: 12.09.2012
1404
KLUGE 1905, 83
1405
MACKENSEN p. 106
240 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
P. L. S. MÜLLER bot eine (nicht ganz ernst zu nehmende) Deutung für den
Ausdruck „Drossel“ an: „Man fängt sie in Schlingen, worinnen sie sich er-
drosseln, deßwegen sie auch etwann die Drosseln heißen.“1406
Die unterschiedliche Beurteilung der Begriffe „Amsel“ und „Drossel“ wur-
de schon bei der „Blaumerle“ erwähnt. Über die Auffassungen darüber am
Ende des 19. Jahrhunderts kann man bei LEVERKÜHN nachlesen. „Diese
Zusammenstellung von ‚Krambsvogel‘ und ‚Drossel‘ scheint mir ganz so zu
verstehen sein, wie die Worte auch jetzt noch gemeinhin gebraucht werden.
‚Krambsvögel‘ vom Standpunkt der Jäger und Vogelfänger sind die auf dem
Herd gefangenen, in erster Linie die durchziehenden nordischen Arten T. pi-
laris und iliacus, dann viscivorus und schließlich alles andere, was in den Doh-
nen und auf dem Herd bleibt, dazu also auch musicus und merula.“ … „Amsel
wird in jener Zeit schon längst unterschieden.“1407 [Lateinische Namen: s.
unten].
Vom naturgeschichtlichen Standpunkt sind „Drosseln“ in erster Stelle die Sing-
drossel und das Genus „Drosseln“ überhaupt gemeint. Das Wort „Kram(b)
svogel“ (entspricht „Krammetsvogel“) war wohl zunächst nur T. pilaris und
nicht noch andere Arten. Das mittelhochdeutsche Wort „Ziemer“ war nach
LEVERKÜHN ein Name des Krammetsvogels. Nach SUOLAHTI ist „Zie-
mer“ dagegen ein in hochdeutschen Dialekten weit verbreitetes Wort für
„Drossel“, von dem erste Kenntnisse aus dem 15. Jahrhundert stammen.1408
Nach Quellen aus dem 16. Jahrhundert ist „Ziemer“ außer an „Drossel“ dann
aber immer mehr mit „Wacholderdrossel“ verbunden. SCHWENCKFELD
schloss 1603 noch die Mistel- und Rotdrossel in den Begriff mit ein, nicht
aber die Singdrossel. SUOLAHTI schilderte die wechselnden Inhalte des Be-
griffs „Ziemer“ und schloss: „Wahrscheinlich [hat] auch ‚Ziemer‘ ursprüng-
lich eine bestimmte Art bezeichnet, dann aber seinen Geltungsbereich er-
weitert, insbesondere dort, wo der alte Drosselname nur auf die Singdrossel
beschränkt wurde.“
Ziemer heißen die Vögel „vermutlich wegen ihrer Stimme“.1409 Die Rotdros-
sel heißt Ziemer „aufgrund des Rufes ;zieh‘“.1410
In Störsituationen hört man bei der Misteldrossel ein gleichbleibend hohes
gedehntes ‚ziiiii‘, bei der Wacholderdrossel „im Kontakt mit Artgenossen am-
selartig ‚zri‘“. Bei der Weindrossel ist als nächtlicher Zugruf, beim Abflug
1406
MÜLLER 1773, 185
1407
LEVERKÜHN 1890, 146
1408
SUOLAHTI 1909, 60
1409
ADELUNG 1801, 4/ 1711
1410
SPRINGER 2007, 317
PASSERES – SINGVÖGEL 241
oder bei Flugintention ist ein hohes, gedehntes und durchdringendes „ziih“
zu hören.1411
„Die Amsel wird in der Volksvorstellung gewöhnlich nicht als eine Drosselart
aufgefaßt, ebensowenig wie in der älteren zoologischen Literatur.“ So hat das
Angelsächsische Begriffe, die dem althochdeutschen „amsala“ entsprechen,
„aber in den nächstverwandten kontinentalen Dialekten fehlt der Name; statt
dessen gelten hier ‚lîstera‘ und ‚merla‘.“1412 Bis heute finde man noch „Merle“,
„Mêrel“ oder „Mirel“ u. a.
1411
BERGMANN/HELB/BAUMANN 2008, 503 + 508 + 511
1412
SUOLAHTI 1909, 55
1413
BEZZEL 1993, 220
1414
NAUMANN 1860, 13/ 262
242 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
santen Art an Schönheit noch bei weitem übertroffen. Die Art und Weise,
wie Farben und Zeichnungen, obgleich ziemlich dieselben, hier aufs höchste
ausgeprägt sind, machen es noch um vieles bunter und hübscher.“ NAU-
MANN beschrieb den goldfarbigen Schein der Gefiedergrundfarbe, die mit
Goldfarbe begrenzten Federn oder goldfarbige Tüpfel, er malte das Gefieder
mit Worten.1415
1415
NAUMANN 1860, 13/ 262
1416
NAUMANN/HENNICKE 1905, 1/ 140
1417
NAUMANN 1860, 13/ 348
1418
NAUMANN 1860, 13/ 348
1419
BEAMAN/MADGE 1998, 621
PASSERES – SINGVÖGEL 243
1420
BREHM 1879, 5/ 153 + 1866, 800 und NAUMANN 1860, 13/ 348
1421
NAUMANN 1860, 13/ 257
1422
NAUMANN 1860, 13/ 257
1423
http://de.wikipedia.org/wiki/Brian_Houghton_Hodgson, Stand: 21.02.2011
244 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
1424
BEZZEL 1993, 223
1425
BEAMAN/MADGE 1998, 622
1426
NAUMANN 1860, 13/ 273
1427
BUSCHING 2001, 67
1428
NAUMANN 1860, 13/ 273
1429
NAUMANN/HENNICKE 1905, 1/ 237
1430
BEAMAN/ MADGE 1998, 622
PASSERES – SINGVÖGEL 245
1431
NAUMANN 1860, 13/ 273
1432
http://de.wikipedia.org/wiki/Alexander_Wilson, Stand: 2.04.2011
1433
http://de.wikipedia.org/wiki/Wilson-Drossel, Stand: 12.04.2010
246 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
1434
FRITSCH 1870, 141
1435
GLOGER 1834, 178
1436
GRIMM/GRIMM 1984, 31/ 1114
1437
OKEN 1837, 55
1438
BREHM 1866, 796
PASSERES – SINGVÖGEL 247
Grosse Drossel: HALLE führte die Misteldrossel als „Große Drossel“. Sie ist
deutlich die größte aller heimischen Drosseln.1443
Großer Krammetsvogel, Gemeiner Krammetsvogel, Doppelter Kramms-
vogel: „Krammets-Vögel (…) nennt man überhaupt diejenigen Vögel, deren
Gefieder gesprenkelt, (…) oder auf der Brust mit gewissen kleinen regelmä-
ßigen Flecken bezeichnet zu seyn scheint, so wie man hingegen Amseln die-
jenigen Vögel nennt, deren Gefieder gleichförmig, oder nur an ganzen großen
Stellen verschieden ist.“1444
Schnarrdrossel, Schnerr, Schnerre, Schnerrer, Schnarr, Schnarre, Schnär-
re, Schnaar, Scharre, Zarizer, Zaritzer, Zerrer: Die Misteldrossel ruft im
Flug oder bei Störungen charakteristische, hart schnärrende Strophen, wie
„trrrr“, „tzrrr“, „tschrrr“, auch rhythmisiert wie „tschrtschr…“ oder „tschrak-
…“1445
1439
BUFFON/OTTO 1791, 8/ 334
1440
MÜLLER 1773, 528
1441
GESSNER/HORST 1669/ 29b
1442
GATTIKER/GATTIKER 1989, 71
1443
HALLE 1760, 277
1444
KRÜNITZ 1789, 45/ 758
1445
BERGMANN/HELB/BAUMANN 2008, 503
248 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
1446
SUOLAHTI 1909, 60
1447
SPRINGER 2007, 312
1448
SUOLAHTI 1909, 60
1449
ADELUNG 1798, 3/ 1588
1450
SOULAHTI 1909, 61
1451
STUDER/FATIO 1911, 7 + 8/ 1162
PASSERES – SINGVÖGEL 249
1452
SUOLAHTI 1909, 59
1453
PFEIFER 2011, 163
1454
SUOLAHTI 1909, 59
1455
BECHSTEIN 1802, 143 und NAUMANN 1822, 2/ 248
1456
AUS DER NATUR 1865, 33/ 550
1457
SUOLAHTI 1909, 58
1458
VON PAULA SCHRANK 1798, 1/ 164
1459
http://www.communi.eu/ftopic2572.html, Stand: 27.03.2011
1460
ZORN 1743, 305
250 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
mer“) kann man ausschließen. Erinnert sei an „Tierkater“ für den Mauer-
segler.
1461
HANDBUCH f. Forst- u. Jagdk. 1796, 2/ 859
1462
SUOLAHTI 1909, 54
1463
SUOLAHTI 1909, 34
1464
SVENSSON/GRANT/MULLARNEY/ZETTELSTRÖM 1999, 276
PASSERES – SINGVÖGEL 251
Bergamsel: Die Bergamsel „hat ihren Nahmen daher, weil sie nur in großen
Gebürgen, als etwa in Tyrol, hecket.“1465
„Beim Weibchen ist das Weiße dieses Fleckes matter, mehr mit roth gemischt.
Da überdies das Weibchen braunrothes Gefieder hat, so wird der Flecken auf
einem Grunde von fast gleicher Farbe, weniger auffallend, hört oft ganz auf,
bemerkbar zu seyn. Gewiß hat dies einige Nomenklatoren veranlaßt, aus die-
sem Weibchen eine besondere Art, unter dem Namen der Bergamsel (Merle
de montagne) zu machen.“1466
„Bey uns wirt sie in bergen gefunden: darumb man sie Waldamsel und Bir-
gamsel nennet. Item Steinamsel und Rosßamsel/ darumb daß sy in waeldern
wuermlin sůcht im rosßmist. Churamsel/ villeycht darumb/ daß sy daselbst
am meisten funden wirt.“1467
Meeramsel, Seeamsel: „Von der Meer-Amßel“. Für GÖCHHAUSEN war
dies der Leitname. „Es ist ein schwarzgrauer Vogel, etwas wenig weiß einge-
sprenget, und etwas grösser als die schwartze Amßel, hat eine weisse Kehle,
fast wie eine Wasser-Amßel.“1468
„Wahrscheinlich macht die Ringamsel eine Reise von zwanzig und mehreren
Meilen über das Meer, wenn sie von Norden im Sommer zu uns kommt,
und hat auch viele Meilen zu fliegen, wenn sie im Anfange des Frühlings
von Süden ankommt, ohne Gebirge anzutreffen, so wie es derselben keine in
unserem Pommern giebt.“1469
„Auf die Bewohner der Ebene muß der Gebirgsvogel den Eindruck eines
Fremdlings machen, und in noch höherem Grade gilt dies von der nordi-
schen Ringamsel, die im Winter nach Mittel- und Südeuropa wandelt. Daher
erklären sich die Ausdrücke Meeramsel, Seeamsel …“, die seit 1631 bekannt
seien.1470
Erdamsel, Strauchamsel: Die Ringdrossel brütet im Gebirge zwischen 1200
und 2400 m über dem Meeresspiegel in Gebüschen der Krummholzkiefer
oder jungen Fichten, mindestens 40 cm über dem Boden, aber nicht nur
dort. Das erklärt aber die „Strauchamsel“.1471 Von 448 Nestern in der Schweiz
waren fast alle Nester über dem Boden, in Fichten, Tannen, Kiefern, Lärchen.
Bodennester fand man im Fels und an Böschungsstandorten, vor allem über
1465
ZORN 1743, 319
1466
BUFFON/OTTO 1790, 9/ 49
1467
GESSNER/MILT 1577/1980, 17
1468
GÖCHHAUSEN 1727, 81
1469
OTTO in: BUFFON/OTTO 1790, 9/ 53
1470
SUOLAHTI 1909, 58
1471
STUDER/FATIO 1911, 1101 und NAUMANN 1822, 2/ 318
252 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
1472
GLUTZ VON BLOTZHEIM/BAUER 1988, 11/ 822
1473
BECHSTEIN 1807, 3/ 369
1474
GESSNER/HORST 1669, 43a
1475
MAJUT 1972, Hippolog. Bezeichnungen
1476
BREHM 1866, 3/ 798
1477
GESSNER/HORST 1669, 43a
1478
SPRINGER 2007, 313
1479
STUDER/FATIO 1911, 1104
1480
SUOLAHTI 1909, 325
1481
KRÜNITZ 1789, 45/ 758
PASSERES – SINGVÖGEL 253
Offizierkragen: Die Ringdrossel ist „mit Bezug auf den von seiner schwarzen
Umgebung sich sehr auffällig abhebenden halbmondförmigen weißen Fleck
auf der Vorderbrust mit dem Namen Offizierskragen ausgezeichnet wor-
den.“1482 „Ringamsel mit dem Offizierskragen.“1483
1482
HOFFMANN 1937, 55
1483
HALLE 1760, 287
1484
KÖHLER 907, 24
1485
GRIMM/GRIMM 1984, 1/ 279
1486
GESSNER/MILT 1577/ 1980, 17
254 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
1487
GRIMM/GRIMM 1984, 12/ 2109
1488
BUFFON/OTTO 1790, 9/ 6
1489
ADELUNG 1798, 3/ 184
1490
BUFFON/OTTO 1790, 9/6
1491
SUOLAHTI 1909, 68
1492
VOIGT 1835, 188
1493
BUFFON/OTTO 1790, 9/ 5
1494
ADELUNG 1793, 1/ 251
PASSERES – SINGVÖGEL 255
Obwohl es die Trennung von Amsel und Drossel gab, setzte sich auch die Be-
zeichnung „Schwarzdrossel“ durch, und das nicht nur als Beiname. OTTO
schrieb 1790: „In Pommern heißt die Amsel gewöhnlich schwarze Dros-
sel.“1495 Sie ist vielerorts heute noch als „Schwarzdrossel“ bekannt.
Stockamsel: Noch Mitte des 19. Jahrhundert galt die Amsel ausschließlich
als scheuer Waldvogel und auch heute noch bewohnen sie Wälder. Andere
Vertreter der Art sind dem Menschen in die Städte gefolgt (Kulturfolger) und
haben sich dort schon so stark ausgebreitet, dass sie sogar lokal den Haussper-
ling verdrängt haben. „Stock“ hat, wie öfter bei Vogelnamen, die Bedeutung
von „Wald“. Das Wort bedeutet demnach „Waldamsel“ und meint auch die
Ringdrossel.1496 Ursprünglich hat der reine Waldvogel den Nistplatz gerne
in Wurzelstöcken auf Waldlichtungen und im Unterholz gewählt.1497 NAU-
MANN meinte mit dem Namen besonders den weiblichen Vogel1498 (s. fol-
genden Absatz).
Bergamsel, Graudrossel, Grauamsel: Die Weibchen und jungen Vögel wer-
den wegen der ziemlichen Verschiedenheit in der Färbung noch unrichtiger-
weise als eine eigene Art angesehen und mit folgenden Namen belegt: Berg-
amsel, Stockamsel, Grauamsel, Graudrossel.1499
BREHM meinte mit „Bergamsel“ nur die Ringdrossel, bei NAUMANN galt
der Name auch für junge und weibliche Amseln.1500
Ganz anderer Meinung war BECHSTEIN: Die Schwarzdrossel „variiert in
der Farbe, denn … die Jungen sehen alle vor dem ersten Mausern den Weib-
chen ähnlich oder genauer sind am Unterleibe bis zum Bauch rostgelb, un-
deutlich schwärzlich gewellt, und am Kopf und Hals schwärzlich, rostgelb
gemischt, und wenn man sie in der Stube hat, so behalten manche Männchen
diese Farbe und bekommen dazu eine weiszliche Kehle; das sind dann die so-
genannten Stock- oder Bergamseln.“1501
Braunmerle: Dieser Name galt für Jungvögel und weibliche Amseln. Wäh-
rend Jungvögel immer braun sind, sind im überwiegend dunkelbraunen Ge-
fieder der Weibchen auch graue bis graubraune Zonen an Kehle, Brust oder
Bauch möglich (Farbvariationen).
1495
BUFFON/OTTO 1790, 9/ 31
1496
SUOLAHTI 1909, 325
1497
GRIMM/GRIMM 1984, 19/ 49
1498
NAUMANN 1822, 2/ 326
1499
FRIDERICH 1849, 228
1500
BREHM 1879, 5/ 152
1501
BECHSTEIN 1803, 149
256 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
1502
BEZZEL 1993, 240
1503
NAUMANN 1860, 13/ 289
1504
HÖPFNER 1802, 608
1505
BEAMAN/MADGE 1998, 625
1506
NAUMANN 1860, 13/ 289
PASSERES – SINGVÖGEL 257
1507
BREHM 1879, 153 und REICHENOW 1902, 128, FLOERICKE 1924, 253
1508
NIETHAMMER 1937, 1/ 372
1509
BEZZEL 1993, 242
1510
BUSCHING 2003, 15
1511
NAUMANN 1822, 2/ 295
1512
NAUMANN 1822, 2/ 288
258 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
Kleiner Ziemer: Der Name „Ziemer“ hat sich verselbständigt, sodass in ei-
nigen Gegenden alle Drosseln Ziemer waren. Dafür scheint auch die Rost-
schwanzdrossel (Naumanndrossel) ein Beispiel zu sein, zumal die Stimme des
in Deutschland äußerst seltenen Vogels von kaum einem Menschen wahrge-
nommen wird. „Kleiner“ Ziemer: Im Verhältnis zu Amsel und Misteldrossel
ist der Vogel etwas kleiner, aber größer als z. B. Rot- oder Singdrossel.
Zweideutige Drossel: „Dieser Vogel darf durchaus nicht mit Bechsteins zwei-
deutiger Drossel ( Turdus dubius, B.) verwechselt werden. Er ist von dieser so
sehr verschieden, wie die Ringdrossel von der Rothdrossel.“1513
Dass es dennoch zu Verwechselungen kam, zeigt dieser Name für die „Rost-
schwanzdrossel“.
Hügeldrossel: BREHM hatte die Turdus naumanni in seiner Erstauflage
noch „Naumannsdrossel“ genannt, den Namen dann aber ab der zweiten Auf-
lage des Thierlebens ausgetauscht gegen den Leitnamen „Hügeldrossel“. Hätte
BREHM den Namen „Bergdrossel“ nicht der schon früher durch LATHAM
beschriebenen Turdus (heute Zoothera) dauma gegeben (heute „Erddrossel“),
hätte es vielleicht keine „Hügeldrossel“ gegeben. Ein Bezug zur Heimat dieser
Drossel ist bei BREHM nicht ersichtlich.1514
1513
NAUMANN 1822, 2/ 288
1514
BREHM 1866, 800 + 1879, 5/ 153
1515
GLUTZ VON BLOTZHEIM/BAUER 1988, 11/ 949
1516
NAUMANN/HENNICKE 1905, 1/ 175
1517
NAUMANN 1860, 13/ 297
PASSERES – SINGVÖGEL 259
kastanienbraun (rostfarben) und heben sich deutlich gegen die dunklere Um-
gebung ab.1518
1518
BEAMAN/MADGE 1998, 626
1519
NAUMANN 1860, 13/ 329
1520
BEZZEL 1993, 245
1521
ZUM LAMM 200, 262
1522
NAUMANN 1860, 13/ 316
1523
NAUMANN/HENNICKE 1905, 1/ 170
260 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
1524
NAUMANN 1822, 2/ 310 + 311 + 318
1525
NAUMANN/HENNICKE 1905, 1/ 188
1526
AVIBASE unter „Turdus atrogularis“
1527
HENTSCHEL/WAGNER 1986, 112 + 290
PASSERES – SINGVÖGEL 261
kehldrosseln haben als Gesangselement ein dünnes „zih“, das vor allem beim
Flug ertönt.1528
Der Name „Ziemer“ hat sich, wie schon früher beschrieben, verselbständigt,
sodass in einigen Gegenden alle Drosseln „Ziemer“ genannt wurden.
Kleiner Krammetsvogel: Als Krammetsvögel wurden und werden die Wa-
cholderdrosseln bezeichnet. „Ich habe den Vogel mehreren hiesigen Jägern
und Vogelstellern gezeigt, welche mir betheuerten, daß sie mehrere solcher
Vögel gesehen und gefangen hätten, und daß dieß die kleinen Krammetsvögel
wären. So nennten sie diese Art. Sie kämen in Gesellschaft der Ringdros-
seln.“1529 Die Vögel scheinen damals tatsächlich öfter in Deutschland gefan-
gen worden zu sein: „Er wurde zu Ende des Octobers in der Nähe von Coburg
auf der Südseite des Thüringer Waldes gefangen, und war in einer Gesellschaft
von 14 Stücken, wovon noch einer von einem anderem Vogelsteller gefangen
wurde.“1530
Zweideutige Drossel: Der Name war der Leitname von „Turdus dubius“, die
BECHSTEIN „Zweydeutige Drossel“ nannte: „Wenn man den Vogel an-
sieht, so zeigt seine ganze Gestalt eine Wachholderdrossel, wohin auch die
Farbe des Unterleibes und der Beine gehören; die übrigen Farben aber ge-
hören mehrentheils der Weindrossel. In der Größe steht er … zwischen der
Wachholder- und Weindrossel mitten innen. Wenn man daher nicht wüßte,
daß die Drosselarten sich alle untereinander so sehr ähnlich wären, so würde
man sie für eine Bastardart von einer Wachholderdrossel und Weindrossel
machen; denn eine bloße Varietät von einem von beyden Vögeln kann es um
deßwillen nicht seyn, weil vierzehn Stück von dieser Sorte in einem Flug be-
ysammen waren. Ich halte sie daher für eine besondere Art.“1531
Eine andere „zweideutige Drossel“, die auch rätselhaft war, gab es bei NAU-
MANNS Vater Joh. Andreas NAUMANN. Bei ihm handelte es sich um die
„Naumannsdrossel“ (s. o.), heute „Rostschwanzdrossel – Turdus naumanni“.
1528
BEAMAN/MADGE 1988, 627
1529
BECHSTEIN 1795, 245
1530
BECHSTEIN 1795, 242
1531
BECHSTEIN 1795, 240 + 242
262 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
sehen. Im Herbste 1746, wurden in Danzig nur allein 30.000 Par Krammets-
Vögel beym Zoll angegeben, und wohl eben so viele sind ausser der Stadt
in den Gärten und auf den Land-Gütern um Danzig verspeiset worden.“1532
OKEN berichtete von sogar 600.000 Kluppen (Paaren), die jährlich verzehrt
wurden. Und weiter: „Ihr Fleisch ist schmackhaft und gesund, und hat von
den Wachholderbeeren eine gewürzhafte Bitterkeit.“1533 Aufgrund immer
ausgeklügelterer Fangmethoden nahmen die Zahlen der durchziehenden Wa-
cholderdrosseln schon Ende des 18. Jahrhunderts so stark ab, dass örtlich nur
noch ein Viertel der ursprünglichen Fangzahlen erreicht wurde.1534
„Die Wacholderdrosel war im 16. Jahrhundert häufiger Durchzügler und
Wintergast. Ihre große Zahl machte sie, wie schon im ganzen Mittelalter, zu
einem wichtigen Volksnahrungsmittel.“1535
Wachholderdrossel, Wachholder-Drossel, Krammetsvogel, Gemeiner
Krammetsvogel, Eigentlicher Krammetsvogel: Der Vogel hat den Namen
von den Wacholderbeeren, früher Krammetsbeeren genannt, bekommen, die
er auf dem Zug in den Süden bevorzugt. „Bey uns kommen sie im Novem-
ber in ungeheuern Schaaren an, und halten sich vorzüglich da auf, wo es
Wachholderbeeren gibt. Sie lieben jedoch auch Vogelbeeren, Weißdorn- und
Saurachbeeren [Berberitze].“1536
„Krammetsvogel, zusammengez. Krams-Vogel, ein Nahme, welchen verschie-
dene Arten der Drosseln bekommen, welche sich im Herbste von Krammets-
oder Wachholder-Beeren mästen, und alsdann für eine angenehme Speise
gehalten werden. In engerer Bedeutung wird am häufigsten der Ziemer also
genannt.“1537 Krammetsvögel waren zudem die Drosseln mit gesprenkeltem
Gefieder, im Gegensatz zu den Amseln.
Kranwetsvogel, Kranvitvogel, Kranevitsvogel, Krannabetvogel, Kramm
tsvogel, Krammetsvogel, Krammsvogel, Krannabeter, Krannabet, Krans-
vogel: Je nach Mundart gibt es etliche vom Wort „Krammetsvogel“ abwei-
chende Begriffe. „In der mittelhochdeutschen Zeit ist ‚kranevitevogel‘ die
übliche Bezeichnung des Vogels.“ Den „Kramet(s)vogel“ findet man bei
SCHWENCKFELD (1603), den „Krammetsvogel“ (Steiermark und Elsass)
und „Krammsvogel“ (Mecklenburg, Holstein, Steiermark). In einigen Orten
1532
KRÜNITZ 1789, 46/ 777
1533
OKEN 1837, 57
1534
KRÜNITZ 1789, 46/ 778
1535
ZUM LAMM 200, 263
1536
OKEN 1837, 56
1537
KRÜNITZ 1789, 46/ 758
PASSERES – SINGVÖGEL 263
1538
SUOLAHTI 1909, 62f.
1539
SUOLAHTI 1909, 63
1540
http://de.wiktionary.org/wiki/Reckholder, Stand: 28.03.2011
1541
SPRINGER 2007, 315
1542
GATTIKER/GATTIKER 1989, 82
1543
NAUMANN 1822, 2/ 296
1544
BECHSTEIN 1807, 3/ 340
1545
BUFFON/OTTO 1782, 8/ 276
1546
DUDEN-Familiennamen 2000, 593
1547
NAUMANN 1822, 2/ 296
1548
OKEN 1816, 458
264 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
1549
GRIMM/GRIMM 1984, 31/ 1112
1550
SUOLAHTI 1909, 61
1551
KLEIN/REYGER 1760, 65
1552
SUOLAHTI 1909, 64
1553
WINCKELL 1822, 3/ 872
1554
http://de.wikipedia.org/wiki/Krain, Stand: 29.03.2011
1555
A. VOIGT 1933, 41
PASSERES – SINGVÖGEL 265
1556
SPRINGER 2007, 316
1557
GATTIKER/GATTIKER 1989, 72
1558
OKEN 1816, 457
1559
OTTO in: BUFFON/OTTO 1791, 8/ 308
1560
BREHM 1879, 5/ 155
1561
ANZINGER 1911, 6/ 45
1562
BUFFON/OTTO 1791, 8/ 290
266 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
1563
ZORN 1743, 306
1564
OKEN 1837, 58
1565
BUFFON/OTTO 1791, 8/ 290
1566
ZORN 1743, 306
1567
SPRINGER 2007, 316
1568
FRISCH 1763, T. 27
1569
KRÜNITZ 1776, 9/ 643
1570
GRIMM/GRIMM 1984, 28/ 876
PASSERES – SINGVÖGEL 267
Kragdrossel: „Krag-“ kommt von Kragen, welches Wort auch im Sinne von
Hals, Kehle oder Kropf der Vögel verwendet werden kann.1571 Unter den Ohr-
decken hat die Singdrossel eine sich verlierende Andeutung eines Halsringes.
Sommerdrossel, Sommerdroschl: „Die Weiszdrossel, Zippdrossel, Singdros-
sel, Drossel, Turdus musicus, die vom März bis zum October in unsern Gegen-
den weilt und den ganzen Sommer hindurch singt.“1572
„Bey einigen ein Nahme der Zipp- oder Weißdrossel, weil sie noch im Som-
mer anfängt zu streichen [fortzuziehen]; zum Unterschiede von der Roth-
oder Weindrossel, welche wegen ihres spätern Striches auch die Winterdrossel
genannt wird.“1573
Zierdrossel: Die Misteldrossel wurde „Zerrer“ genannt, mit dem das von
GESSNER erwähnte „Ziering“ verwandt sei.1574 „Zerren“ würde „laut schrei-
en“ bedeuten. Eine „Zierdrossel“ sei danach eine laut singende Drossel.
Zippe, Zippdrossel, Ziepdrossel, Zippdrustel: OKEN: „Sie locken zipp…
“.1575 Aus dem Lockruf entstand im 18. Jahrhundert der Name „Zippe“ (s. bei
Rotdrossel), „Zipdrossel“ ist seit 1579 belegt, „Ziepdruschel“ war GESSNER
aus Sachsen bekannt.1576
Die Singdrossel heißt auch Zippe wegen der verhältnismäßig oft zu hörenden
Rufe „dsibb, dsibb, dsibb“. Sie sind meist Lockrufe, aber ≤ gereiht und härter
– auch Ausdruck von Erschrecken.1577
Graue Drossel: „Ein Holländer, welcher auf Reisen gewesen war, versicherte
mich, daß unsere gemeine Drossel, welche in Holland sehr häufig ist, da-
selbst, wie auch in Riga und andern Orten, unter dem Namen des Krammets-
vogels (Litorne) bekannt sey (weil man nämlichan vielen Orten sowohl diese
graue Drossel als die Misteldrossel, Ziemer und Rothdrossel gemeinschaftlich
Krammetsvögel nennt).“1578
„Die Weißdrossel wird in Pommern vorzüglich die graue Drossel, oder die
Zipdrossel, wegen ihrer Stimme genannt.“1579
1571
GRIMM/GRIMM 1984, 11/ 1956
1572
GRIMM/GRIMM 1984, 16/ 1523
1573
ADELUNG 1801, 4/ 137
1574
SUOLAHTI 1909, 60
1575
OKEN 1837, 58
1576
SUOLAHTI 1909, 67
1577
HOFFMANN 1937, 17
1578
BUFFON/OTTO 1791, 8/ 291
1579
OTTO in: BUFFON/OTTO 1791, 8/ 308
268 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
Graagdrossel: Das kaum benutzte Wort steht als frühester Nachweis bei
BECHSTEIN (1795). „Graag“ ist ein altes niederdeutsches Wort für grau.1580
„Aus Mecklenburg erwähnt Nemnich … als Bezeichnung des grauen Fliegen-
fängers den Ausdruck ‚De graag Hüting‘ (= Das graue Rotschwänzchen).“1581
Eine „Graagdrossel“ ist eine „Graudrossel“ (s. o.).
Kleine Misteldrossel: Die Länge der Singdrossel beträgt um 21 cm, die der
Misteldrossel um 27 cm. Je nach Sichtweise gleichen sich die Vögel mehr oder
weniger stark.
Rotdrossel, Weinrote Drossel: Die gleichgroßen Sing- und Rotdrosseln wur-
den oft verwechselt, zumal wenn sie in gemeinsamen Schwärmen auftraten
und bekamen auch gleiche Namen.
„Es ist gewöhnlich, daß in den Naturhistorischen Schriften öfters diese be-
yden Arten mit einander verwechselt oder doch wenigstens ihre Eigenschaf-
ten unter einander gemischt werden.“1582 So kamen diese beiden für die Sing-
drosseln unpassenden Namen zustande.
Winterdrossel: Dieser eigentlich mehr zur Rotdrossel passende Name wurde
auf solche Singdrosseln übertragen, die in Mitteleuropa überwintern und sich
mit ebenfalls hier überwinternden Rotdrosseln vergesellschaften.
1580
BECHSTEIN 1795, 208
1581
SUOLAHTI 1909, 144
1582
HEPPE 1798, 1/ 94
1583
KLEIN 1760, 66
1584
GESSNER/HORST 1669, 31b
PASSERES – SINGVÖGEL 269
1585
SUOLAHTI 1909, 61 und SPRINGER 2007/ 317
1586
ADELUNG 1801, 4/ 1711
1587
MÜLLER 1773, 530
1588
OKEN 1837, 60
1589
BEZZEL 1993, 258
1590
BOCK 1782, 4/ 411
1591
ADELUNG 1801, 4/ 1468
1592
GESSNER/HORST 1669, 31b
270 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
Sept.] in vielen 1000 Paaren, besonders an den Küsten der Ostsee und der
beyden Nehrungen, wohin sie Lappland, Sibirien und Liefland längst der Cu-
rischen Grenze ziehen, in den aufgestellten Dohnen mit Quitschbeeren [von
Eberesche] als ihrer Lockspeise gefangen… Man würde nicht zuviel sagen,
wenn man die Anzahl der allein in Ost-Preussen jährlich gefangenen und ver-
zehrten, auf 600.000 Paar angäbe.“1593
GLOGER vertrat eine andere Meinung: „Sie frißt, wie die Singdrossel, sonst
alle Sorten Beeren, nur gerade keine Weintrauben; so gern sie auch in Wein-
bergen verweilt. … Ihr Name ‚Weindrossel‘ mag also wohl entweder diesem
letzten Umstande, oder der Zeit ihres ersten Erscheinens bei uns, dem Wein-
monate, seinen Ursprung verdanken.“1594
Weinziepe: Dieser Ausdruck von BECHSTEIN wurde von FLOERICKE als
„Weinzippe“ angegeben. „Die Ziepdrossel aber singt nicht, sondern giebt nur
die Stimme, zip! zip! von sich.“1595 (Zu Zippe s. o.)
Buntdrossel, Blutdrossel: Unter „Abänderungen“ beschrieb BECHSTEIN
eine „bunte Rothdrossel. Turdus iliacus varius. Die Farbe ist heller, übrigens
ist sie an verschiedenen Theilen des Leibes, besonders auf dem Rücken, weiß
gefleckt.“1596
Eine Variation „Blutdrossel“ wurde nicht beschrieben, man kann aber davon
ausgehen, dass bei ihr die rötlichen Gefiederbereiche intensiver gefärbt sind.
Rothsittiger Krammetsvogel: „Aber auch ihr [der Drosseln] Fleisch ist sehr
wohlschmeckend. Deswegen sind sie leider noch immer unter dem durch-
aus falschen Gesamtnamen ‚Krammetsvögel‘ den mörderischen Schlingen der
Dohnenstiege ausgesetzt, die den lieblichen und angenehmen Sänger ihrer
Gattung ebenso erbarmungslos erwürgen wie den, dem die Gesangstimme
versagt ist.“1597 Zu „rotsittiger“ konnte keine Erklärung gefunden werden.
Das Wort ist den Lexika unbekannt. Es ist aber nicht schwer, es mit der Rot-
färbung an Flanken und Unterflügeln in Verbindung zu bringen.
„Krammets-Vögel (…) nennt man überhaupt diejenigen Vögel, deren Ge-
fieder gesprenkelt, (…) oder auf der Brust mit gewissen kleinen regelmäßigen
Flecken bezeichnet zu seyn scheint, so wie man hingegen Amseln diejenigen
Vögel nennt, deren Gefieder gleichförmig, oder nur an ganzen großen Stellen
verschieden ist.“1598
1593
BOCK 1782, 4/ 411
1594
GLOGER 1834, 179
1595
BECHSTEIN 1802, 146 und FLOERICKE 1924, 252 und KLEIN 1760, 124
1596
BECHSTEIN 1807, 3/ 363
1597
KÖHLER 1907, 3
1598
KRÜNITZ 1789, 45/ 758
PASSERES – SINGVÖGEL 271
Singdrossel, Drossel: Über die Bewertung des Gesanges der Rotdrossel gab
es unterschiedliche Auffassungen. KLEINS positive Bewertung wurde in der
Einleitung zitiert. Nach BUFFON/OTTO empfand KLEIN, dass diese Vögel
„den Gesang der Nachtigallen nachahmeten; er nennt sie diesfalls auch Sing-
drossel, beschreibt sie aber so, daß man sieht, er meine diese Rothdrossel.“1599
BOIE war anderer Meinung: Der Gesang der Rotdrossel hat nichts „von den
reinen und flötenden Tönen im Frühlingsliede des Turdus musicus [Sing-
drossel]“.1600 C. L. BREHM schloss sich an: „Auch ich fand den Gesang der
Rothdrossel nicht sonderlich.“1601 Das klang einige Seiten vorher noch anders:
„Ihr Gesang, der den Wanderern in diesen nördlichen Gegenden [Norwegen]
so melancholisch schön vorkommt, besteht aus einigen reinen Fötentönen,
denen ein kurzes und schnell ausgestossenes Gezwitscher folgt. Letzteres hört
man indes nur in unmittelbarer Nähe.“1602
Heute bekommt man z. B.folgende Auskunft: Der Gesang ist variabel, wohl-
tönend, zweiteilig, eine Reihe von mehreren weittragenden, flötenden, ab-
oder ansteigenden Tönen, gefolgt von einem recht leisen gepressten und krat-
zenden Zwitschern. Gelegentlich wird der Gesang stärker variiert und erin-
nert dann etwas an eine Singdrossel.1603
Gixer, Gixerle: Die Rotdrossel hieß „zu Basel ein Gixerle“.1604 Der Ausdruck
„ist von dem Verbum gîxen ‚in hohem feinem Tone pfeifend‘ abgeleitet.“1605
Bei GRIMM/GRIMM findet man für Vögel eine ganze Reihe von Deutun-
gen unter „gicksen“, wie „einen hellen Laut, Ton geben“, „einen feinen Schrei
ausstoßen“ oder „gackern“ u. a. Ein Gicks (auch Giks, Gix, u. a.) ist ein heller,
schriller Schrei.1606
Winser, Winsel, Winze, Winesel: „Zu Zürch wird er ein Winsel oder Wintze
wegen seiner Stimm genennet.1607 Der Name kommt wohl von winseln, vom
klagenden Klang der Stimme.1608 SUOLAHTI erklärte den Namen anders. Er
sei als Winzer zu deuten. Die weite Verbreitung der Ausdrücke könnte man
auf die weite Verbreitung durch die Vogelsteller zurückführen. „Winsel, winze
u. ä. von Wein.“1609
1599
BUFFON/OTTO 1791, 8/ 387
1600
BOIE 1822, 66
1601
C. L. BREHM 1824, 3/ 65
1602
C. L. BREHM 1824, 3/ 63
1603
BEAMAN/MADGE 1998, 629
1604
GESSNER/MILT 1577/ 1980, 15
1605
SUOLAHTI 1909, 66
1606
GRIMM/GRIMM 1984, 7/ 321
1607
GESSNER/HORST 1669, 31b
1608
GRIMM/GRIMM 1984, 30/ 410
1609
SPRINGER 2007, 317
272 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
„… in der Schweiz Winsel, von Wein, wie Winser an einigen Orten ein Wein-
gärtner heißt.“1610
„Das dritt Ziemerglaecht … hat mancherley namen bei den Teütschen: dann
bey uns wirt es ein Winsel oder Wintze von seiner stimm waegen genent:
zů Glaris in der Eydgnoschafft ein Bergtrostel: anderschwo Boemerle/ Boe-
merlin/ Beemerziemar u. a. Item ein Wyntrostel/ darumb daß er der treübel
gelaebt/ und Rottrostel. Zu Cöln heißt er ein Bitter, zů Basel ein Gixerle/ in
Saxen ein Weingartvogel.“1611 Zu den angeführten Namen folgen die Deu-
tungen unten.
Weisel, Weitzel: Ganz unklar ist der Ausdruck „Wisel“ (seit 1550 bekannt)
und in anderer Lautform „Weisel“ (= turdus montanus), seit 1560 bezeugt.1612
„Weitzel“ dürfte von „Weisel“ abgeleitet worden sein.
Bitter: „Zu Cöln heißt er ein Bitter.“ Der Name kam „vom Volk“ „aufgrund
des bitteren Geschmacks ‚ab amaritudine nomen indidit‘ [Der Name wurde
wegen der Bitterkeit gegeben]“.1613 Im Gegensatz dazu beschrieben BECH-
STEIN, NAUMANN u. a. das Fleisch als vorzüglich und sehr wohlschme-
ckend.1614
Böhmle, Behemle, Beemerziemer: Bezeichnungen wie „Boemerle“, „Böh-
mer“, „Boemerli“, „Böhmle“, „Beemerziemar“ u. a. wurden für Vogelarten
verwendet, die unregelmäßig in großer Zahl eintrafen, wie Rotdrossel, Sei-
denschwanz oder Bergfink. Die Namen waren auch in der Schweiz unter den
Vogelstellern bekannt.1615
„In den Gegenden, wo die Vögel sich dann plötzlich niederlassen, hat die
Landbevölkerung von der Heimat der Fremdlinge ihre eigenen Gedanken.
In einigen Landschaften werden sie als Böhmen aufgefaßt, und diese An-
schauung läßt sich in das 16. Jahrhundert verfolgen.“ In seinem Vogelbuch
habe GESSNER Rotdrosseln „fremde Vögel“ genannt, die in Ungarn oder
Böhmen brüteten.1616
„Im Herbst des Jahres 1852 hörte ich in einem Walde über mir plötzlich
furchtbares Brausen, welches mit einem scharf heulenden Laute verbunden
war. Das Geräusch erschreckte mich, … Bald aber wurde das Rätsel gelöst;
1610
FRISCH 1763, T. 28
1611
GESSNER/MILT 1577/ 1980, 15
1612
SUOLAHTI 1909, 66
1613
GESSNER/MILT 1577/ 1980, 15 und BUFFON/OTTO 1791, 8/ 378 und GESSNER 1585/
SPRINGER 2007, 317
1614
BECHSTEIN 1807, 3/ 368 und NAUMANN 1822, 2/ 276
1615
GESSNER/MILT 1980/ 1577, 15 und SPRINGER 2007, 317
1616
SUOLAHTI 1909, 65
PASSERES – SINGVÖGEL 273
denn ich befand mich plötzlich unter mehr als 10.000 Rotdrosseln, welche,
aus einer außerordentlichen Höhe herabstürzend, auf allen rings um mich
stehenden Bäumen auffielen.“1617
Bergdrossel, Bergtrostl, Weingartvogel, Weindrostel, Weindrustel: „In-
sonderheit aber belustige sie sich zur Herbstzeit in den Weinbergen an den
Trauben, welches vieleicht zu ihrem Namen Bergdrossel und Weindrossel An-
laß gegeben hat.“1618
„Weingartvogel“ ist seit 1552 belegt und zwar „in Saxen … Item ein Wyntros-
tel/ darumb daß er der treübel geläbt [sich laben].“1619
Winterdrossel, Winterdroschel: Name einiger zu Beginn der Kälte kom-
mender Drosselarten, besonders die Wein- oder Rotdrossel. „Winterdrossel“
kam nach SUOLAHTI bevorzugt in Österreich vor.1620
Walddrossel, Walddröscherl, Heidedrossel, Haidedrossel, Heideziemer:
Die Rotdrosseln brüten in Laub-, Misch- und Nadelwäldern sowie Grenzli-
nien an Wiesen, Feldern oder Ufern von der Küste bis ins Gebirge. Sie bevor-
zugen subalpine Birkenwälder, im Tiefland feuchte Standorte, in Osteuropa
Pappel-, Erlen- und Weidenbestände. Auf dem Durchzug sind sie häufiger
auf offenen Grünlanflächen zu finden. Die Nahrung besteht im Frühjahr und
Sommer aus tierischer Nahrung, im Herbst und Winter aus Früchten und
Beeren, z. B. Holunder, Sanddorn, Hartriegel, Berberitze, Weißdorn, Wein-
trauben.1621
„Sie brütet in den Wäldern um Danzig und nistet fast niehmals in Frank-
reich.“1622
„Im Herbst des Jahres 1852 hörte ich in einem Walde über mir plötzlich
furchtbares Brausen …“ siehe dazu BREHMS Schilderung unter „Böhmle“!
„Heide Drossel“ ist ein spezifisch schlesischer Ausdruck.1623
Bäuerling: FLOERICKE brachte mit „Bäuerlein“ einen dem „Bäuerling“
ähnlichen Namen.1624 Das spricht dafür, sie gleich zu bewerten wie die
„Ackermännchen“-Namen der Bachstelzen. Im März und April „ziehen die
zurückkommenden Schaaren wieder durch Deutschland in nördlichere Ge-
1617
BREHM 1866, 806
1618
KRÜNITZ 1776, 9/ 643
1619
SUOLAHTI 1909, 65 und GESSNER/MILT 1980/ 1577, 15
1620
SUOLAHTI 1909, 66
1621
BEZZEL 1993, 261
1622
BUFFON/OTTO 1791, 8/ 381
1623
SUOLAHTI 1909, 66
1624
FLOERICKE 1924, 252
274 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
genden“.1625 Diese „Schaaren“ fallen auf, wenn sie, wie es auch die Bachstelzen
tun, auf den frisch gepflügten Äckern nach Nahrung suchen.
Den Namen findet man zuerst 1795 bei BECHSTEIN. Er wurde 1822 von
NAUMANN übernommen, sonst aber kaum beachtet.
Gererle, Gerer: Dieser Begriff erschien ebenfalls erstmals bei BECHSTEIN,
von dem ihn NAUMANN und BREHM übernahmen.1626
Im Althochdeutschen gibt es das Verb „geren“, das „begehren, verlangen,
wünschen“ bedeutet. Die Rotdrossel fiel in die Weingärten ein. Besteht ein
Zusammenhang?1627
1625
BECHSTEIN 1795, 212
1626
BECHSTEIN 1795, 213 und NAUMANN 1822, 2/ 276 und BREHM 1879, 5/ 151
1627
KÖBLER 1993, 154
1628
http://www.lexikus.de/Aus-der-nordamerikanischen-Vogelwelt-Wanderdrossel-Huettensaenger-
Spottdrossel, Stand: 2.04.2011
PASSERES – SINGVÖGEL 275
Schnäpperverwandte – Muscicapidae
Die Muscicapidae sind eine artenreiche Familie der Sperlingsvögel (Passerifor-
mes), die ausschließlich in der Alten Welt vorkommt. Die Systematik dieser
Gruppe von Vögeln ist umstritten. Sie sind nahe verwandt mit den Drosseln
und umfassen die Unterfamilien „Eigentliche Fliegenschnäpper (Muscicapi-
nae)“ und „Schmätzer (Saxicolinae)“.1632
1629
http://www.vogelarten.de/arten/wanderdrossel/wanderdrossel.shtml, Stand: 2.04.2011
1630
BEAMAN/MADGE 1998, 629
1631
SVENSSON/GRANT/MULLARNEY/ZETTERSTRÖM 1999, 278
1632
http://de.wikipedia.org/wiki/Fliegenschnäpper, Stand: 20.09.2013, verändert
1633
NAUMANN 1860, 398
276 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
1634
BEAMAN/MADGE 1998, 599
1635
SVENSSON/GRANT/MULLARNEY/ZETTERSTRÖM 1999, 258
1636
SVENSSON/GRANT/MULLARNEY/ZETTERSTRÖM 1999, 259
1637
NAUMANN 1860, 398 und OKEN 1843, 6
1638
C. L. BREHM 1823, 1/ 305
PASSERES – SINGVÖGEL 277
Sammlung.1639 Auf seinen Reisen war er auch in der Türkei, wo er den dorti-
gen Heckensänger beschrieb. Auch die Tamariskengrasmücke ( Sylvia mysta-
cea), die er 1832 beschrieb, trägt heute noch im Englischen seinen Namen:
„Menetries’s Warbler“1640
Baumnachtigall: Unter diesem Namen führte A. BREHM den Vogel, den
er häufig in Steppenwäldern und Bergwaldungen (nicht aber im Urwald
und hohen Gebirge) hörte. „Die Baumnachtigall macht einem ihrer Namen:
‚Agrobates‘, alle Ehre; denn sie liebt es in der That, auf die Spitzen zu gehen.“
Von dort aus trägt sie ihr Lied vor oder späht nach Beute. „Ihr Gesang kann
sich mit dem einer Nachtigall nicht vergleichen.“ Er sei als einförmig und
grasmückenähnlich bezeichnet. BREHM: „Ich muß beistimmen, will aber
ausdrücklich vermerken, daß er mir, trotz seiner Einfachheit, stehts wohl-
gefallen hat.“1641
1639
http://www.scricciolo.com/Nuovo_Neornithes/MenetriesEduard.htm, Stand: 25.06.2011
1640
http://avibase.bsc-eoc.org/species.jsp?lang=DE&avibaseid= AA027706CFDB4C9A, Stand:
24.06.2011
1641
BREHM 1879, 5/ 165
1642
R. BLASIUS in: NAUMANN/HENNICKE 1901, 4/ 160
278 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
gel hat die Natur eine kleine Art Jagdvögel hervorgebracht, die unschuldiger
und nützlicher sind, und ihre Anzahl sehr zahlreich gemacht. Dies sind alle
die Vögel, die nur von Fleisch leben, sich aber von Fliegen, Mücken und an-
deren fliegenden Insekten ernähren, ohne weder Früchte noch Körner anzu-
rühren. Man hat sie Fliegenschnäpper, Fliegenfänger genannt.“1643
Nach SUOLAHTI findet man „bereits im 15. Jahrhundert in der Glosse fice-
dula = fliege, sneppe, welche in fliegesneppe ‚Fliegenschnepper‘ zu verbessern
ist.“1644
BECHSTEIN und NAUMANN verwendeten in ihren Texten konsequent
„Fliegenfänger“. Der Ausdruck erschien schon 1773 bei MÜLLER.1645
Die Ausdrücke „Fliegenfänger“ und „-schnäpper“ sind als gleichwertig zu be-
handeln. Ein System, weshalb ein Autor diesen, ein anderer jenen Begriff vor-
gezogen hat, lässt sich nicht erkennen.
A. BREHM verkürzte „Grauer Fliegenschnäpper“ zu „Fliegenschnäpper“ und
„Grauer Fliegenfänger“ zu „Graufliegenfänger“.1646 Als „Fliegenschnäpfer“
und „Fliegenfänger“ kamen verkürzte Begriffe aber schon bei BECHSTEIN
1795 bzw. 1802 vor.1647
Graubrauner Fliegenfänger, Graugestreifter Fliegenfänger, Graugestreifter
Fliegenschnäpper, Gefleckter Fliegenfänger, Gefleckter Fliegenschnäpper:
Der Grauschnäpper ist graubraun mit dunkler Strichelung auf dem Kopf und
auf der Brust der schmutzigweißen Unterseite. Nach der Farbe des Rücken-
gefieders erhielt der Vogel nach DATHE 1932 den modernen Kurznamen
„Grauschnäpper“, der bis heute neben „Grauer Fliegenschnäpper“ existiert.1648
Die Strichelung ist beim Altvogel zarter und weniger ausgedehnt als beim
Jungvogel, der mit „Gefleckter Fliegenfänger“ gemeint ist. Das Jugendkleid
hat eine hell gefleckte Oberseite.
Graugestreifter Fliegenschnäpper, Gefleckter Fliegenfänger: 1788 hatte
OTTO das Kapitel über den Vogel, den BUFFON als „Gobe-mouche“ be-
zeichnet hatte, mit „Der graue gestreifte Fliegenschnäpper“ überschrieben.1649
1643
BUFFON/OTTO 1788, 14/ 5
1644
SUOLAHTI 1909, 143
1645
MÜLLER 1773, 595
1646
BREHM 1879, 5/ 517
1647
BECHSTEIN 1795, 495 + 1802, 156
1648
DATHE 1964
1649
BUFFON/OTTO 1788, 14/ 10
PASSERES – SINGVÖGEL 279
1650
NAUMANN 1822, 2/ 215 und BECHSTEIN 1795, 490
1651
BECHSTEIN 1802, 156
1652
NAUMANN 1822, 2/ 215
1653
HÄPKE 1871, 301
1654
SUOLAHTI 1909, 143
1655
OKEN 1837, 73
1656
HOFFMANN 1937, 49
280 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
wie sie familienweise bei in Baumgärten liegenden und mit Gebüsch umgebe-
nen Teichen herumflattern und Mücken fangen, denn in dieser Zeit werden
die Fliegen und dergleichen schon seltener, sie ziehen sich nach den Gebäu-
den, andere Insekten nach den Gewässern, was man auch aus dem Betragen
der Schwalben merken kann.“1657
Grauer Hüting, Graag Hüting, Hütick: „Aus Mecklenburg erwähnt Nem-
nich … als Bezeichnung des grauen Fliegenfängers den Ausdruck ‚De graag
Hüting‘ (= Das graue Rotschwänzchen).“1658
„Bisweilen schreyen sie doch auch hüt, hüt; und da sie deshalb wie auch noch
in andern Stücken ein wenig Aehnlichkeit mit den Weibchen des Gartenrö-
thlings ( Motacilla Phoenicurus) der Hütik, Hütik-tik schreyet, hat, so wird er
an einigen Orten bey uns der Graue Hütik genannt.“1659
„Der Gartenrotschwanz ruft oft bei Erregung oder zur Warnung für seine
Jungen hü(i)d teg, hü(i)d teg teg; ein niederdeutscher Beobachter aus dem
Volke hat daraus für das Gartenrötel den Namen Hütick (= Hüte Dich!) ge-
prägt.“1660 „Hüting“ ist bei beim Rotschwänzchen und Grauschnäpper laut-
malend zu verstehen. Bei STRATHMANN kann man dazu lesen: Die ono-
matopoietische Bezeichnung des Grauschnäppers als „Hüting“ sei vergleich-
bar mit der für den Gartenrotschwanz, zumal beide Vögel in gleichen Bio-
topen vorkommen könnten. Der Ausdruck „Graag Hüting“ sei in dem Sinn
als Abgrenzung gegen den Gartenrotschwanz zu verstehen, nicht gegen den
Trauerschnäpper.1661
Nesselfink, Pestilenzvogel, Todtenvogel: Nach HOFFMANN ist „Nessel“
mundartlich eine unwillige Bezeichnung für ein kleines unruhiges Mädchen.
Deshalb „könnte das Wort Nessel im Vogelnamen auch auf das unruhige Ge-
baren des kleinen gefiederten Sängers hinweisen“.1662
Diese Vermutung HOFFMANNS ist nicht richtig. Vielmehr findet man
„Pestvogel, Nesselfink, Todtenvogel“ (in dieser Reihenfolge) unter „Pest“ im
Wörterbuch der Bildersprache von A. BREYSIG aufgeführt. Eine Seite später
wurde „Nesselfink“ mit „Pestilenzvogel“ erklärt.1663
1657
NAUMANN 1822, 2/ 216
1658
SUOLAHTI 1909, 144
1659
OTTO in: BUFFON/OTTO 1788, 15
1660
HOFFMANN 1937, 27
1661
STRATHMANN 2008, 2/ 408
1662
HOFFMANN 1937, 69
1663
A.BREYSIG 1830, 638
PASSERES – SINGVÖGEL 281
1664
KLEIN/REYGER 1760, 79
1665
KRÜNITZ 1808, 109/ 295
1666
SUOLAHTI 1909, 144
1667
BREHM 1879, 5/ 517
1668
SUOLAHTI 1909, 111
1669
GRIMM/GRIMM 1984, 16/ 2471 und ADELUNG 1801, 4/ 207 und NAUMANN 1822, 2/ 216
1670
SUOLAHTI 1909, 144
1671
FRIDERICH 1849, 199
1672
BECHSTEIN 1807, 3/ 421
282 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
1673
BEZZEL 1993, 410f
1674
STRESEMANN 1941, 83 und BREHM 1866, 3/ 737
1675
BECHSTEIN z. B. 1807, 3/ 442 und NAUMANN 1822, 2/ 241
1676
NAUMANN 1822, 2/ 241
PASSERES – SINGVÖGEL 283
1677
C. L. BREHM 1821, 2/ 377f
1678
NAUMANN 1822, 2/ 231
1679
BUFFON/OTTO 1788, 14/ 19
284 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
die sich der Vogel von den anderen Schnäppern unterscheidet, führte zum
„Trauer-“ im Namen. Nach dem „Trauerfliegenfänger“ entstand die Bezeich-
nung „Trauerfliegenschnäpper“, die man heute noch hören kann. Ab 1932
begannen DATHE und andere, die daraus entstandene Kurzform „Trauer-
schnäpper“ zu verwenden.1680
„Fliegenschnäpper sind Ansitzjäger. Hoch oben auf dem Dachfirst beobach-
ten sie den ‚Luftraum‘. Plötzlich erheben sie sich einige Meter senkrecht in die
Luft, bleiben für einen Augenblick mit den Fügeln rüttelnd stehen, schnap-
pen hörbar mit den beiden Hälften des langen, spitzen Schnabels und kehren
wieder zum Ruhepunkt ihrer Aussichtswarte zurück.“1681
Gemeiner Fliegenschnäpper, Gemeiner Fliegenschnapper, Gemeiner Flie-
genfänger: Der Trauerschnäpper war früher der „gemeinere“, der gewöhn-
lichere der beiden bekannten europäischen Fliegenschnäpper: „Der schwarz-
plattigte Fliegenschnäpper ist die zwote unter den beyden Arten der Euro-
päischen Fliegenschnäpper“. Die erste Art nannte OTTO „Grauer gestreifter
Fliegenschnäpper“.1682
Schwarzplattiger Fliegenfänger, Schwarzplattiger Fliegenschnapper,
Schwarzplattigter Fliegenschnäpper, Schwarzrückiger Fliegenschnäp-
per, Schwarzrückiger Fliegenschnapper, Bunter Fliegenfänger, Bunter
Fliegenschnapper, Bunter Fliegenschnäpper, Scheckiger Fliegenfänger,
Scheckiger Fliegenschnapper, Scheckiger Fliegenschnäpper, Schwarzer
Fliegenschnäpper: Wie beim Grauschnäpper entsprechen sich bei diesem Vo-
gel „-schnäpper (-schnapper)“ und „-fänger“. „Fliegenfänger“, „-schnäpper“,
„-schnapper“ erbeuten ihre Nahrung aus der Ansitzjagd, wie schon geschildert.
Der Vogel „hat keine anderen Farben als schwarz und weiß mit wohlgezeich-
neten Platten und Flecken.“ Eine „Platte“ ist eine relativ große Gefiederflä-
che, wie z. B. der Rücken: Der Trauerschnäpper ist „schwarzplattig, „schwarz-
rückig“. Bei OTTO hieß schwarzplattig „schwarzplattigt“.1683
Von hinten und beim Wegfliegen wirkt der Vogel schwarz. „Bunt“ waren
auch schwarze und weiße Gefiederfarben. Die Verteilung von Schwarz und
Weiß an Ober- und Unterseite, an der Stirn und im Flügel-Schwanzbereich
hat man Scheckung genannt.
1680
C. L. BREHM 1831, 225 und DATHE 1964
1681
SCHWERDT 2003, 36
1682
BUFFON/OTTO 1788, 14/ 17 + 10
1683
BUFFON/OTTO 1788, 14/ 17f
PASSERES – SINGVÖGEL 285
1684
KRÜNITZ 1773, 19/ 776
1685
BUFFON/OTTO 1788, 22
1686
BECHSTEIN z. B.1802, 157 und NAUMANN 1822, 2/ 231
1687
NAUMANN 1822, 2/ 231 und NAUMANN/HENNICKE 1901, 4/ 163
1688
BECHSTEIN 1795, 499 + 1802, 156 + 1807, 3/431 und C. L. BREHM 1831, 224 + 226
1689
SVENSSON et.al. 2011, 340
286 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
Tafeln gebracht.“1690 Durch einen alten Volksglauben, dass sich nämlich Gar-
tengrasmücken und Trauerschnäpper durch Mausern ineinander verwandeln
könnten, erhielten (vor allem) diese beiden Vögel den Namen „Feigenfresser“.
„Dieser und der vorhergehende Fliegenfänger [der Halsbandschnäpper] wa-
ren den Alten als vorzügliche Leckerspeise bekannt und Apicius gedenkt ihrer
schon unter den delikatesten Vögeln. Dass aber diese Vögel ihren vortreffli-
chen Geschmack von den Feigen und Weinbeeren bekommen, ist nicht wahr,
indem sie solche nicht fressen, sondern nur die Insekten, die sich auf diesen
süssen Früchten aufhalten, verzehren.“1691
Beccafico bedeutet in Italien noch heute „Feigenfresser“.
Siehe dazu Ausführlicheres bei der Gartengrasmücke.
Kleiner Fliegenfänger, Kleiner Fliegenschnapper, Kleiner Fliegenschnäp-
per: Der Trauerschnäpper ist mit 12–13,5 cm Länge etwas kleiner als der
Grauschnäpper mit 13,5–15 cm.
Schwarzscheckiger schmätzender Fliegenvogel, Weißscheckiger schmät-
zender Fliegenvogel: Beide Namen hat NAUMANN aus ZORNS langer
Benennung „Schwarz- und weiß-scheckigter schmätzender Fliegen-Vogel“ ge-
macht. „Sein Nest verräth er durch sein kläglich schreyen, welches fast lautet,
wie das Pipen der Jungen Tauben, unter welchen er doch immer schmätzet.
Sonst hat er keinen Gesang.“1692
Brauner Fliegenschnäpper mit einem weißen Flügelfleck: „Man kann das
Weiblein abgebildet sehen bey Herrn Frischen, auf der II. Haubt-Art V. Ab-
theilung 11. Platte, unter dem Nahmen: der braune Fliegen-Schnäpper, mit
einem weisen Flügel-Flecken, Curruca fusca, alba macula in alis. Es ist aber
ein Irrthum, wann man das Weiblein für eine besondere Art hält, welches
auch der Verfasser [Pernau] der angenehmen Land-Lust gethan.“1693
Braune Curruce mit weißem Flügelfleck: BECHSTEIN konstruierte diesen
Namen aus ZORNS langer Bezeichnung, verwendete aber „Curruke“, was
NAUMANN in „Curruce“ änderte. In der Zeit von FRISCH und ZORN
(um 1740) ordnete man die Fliegenschnäpper zu den Grasmücken.1694
1690
OKEN 1837, 285
1691
MEYER/WOLF 1822, 76
1692
NAUMANN 1822, 2/ 231 und ZORN 1743, 383 + 364
1693
ZORN 1743, 385
1694
BECHSTEIN 1807, 5/ 431 und NAUMANN 1822, 2/ 231
PASSERES – SINGVÖGEL 287
1695
BECHSTEIN 1802, 156
1696
Zitat aus HOFFMANN 1937, 85
1697
OTTO in: BUFFON/OTTO 1788, 14/ 28
1698
NAUMANN 1822, 2/ 231
1699
BUFFON/OTTO 1788, 14/ 19
1700
HOFFMANN 1937, 74
288 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
1701
BREHM 1879, 5/ 521
1702
NAUMANN 1822, 2/ 231
1703
GLUTZ VON BLOTZHEIM/BAUER 1993, 13/ 212
1704
NAUMANN/HENNICKE 1901, 4/ 163
1705
BECHSTEIN 1795, 499 + 502 bis 1807, 431 + 435 und NAUMANN 1822, 2/ 231
PASSERES – SINGVÖGEL 289
Rothauge: „Rothauge“ erschien erst 1807 bei BECHSTEIN für seine „Mu-
scicapa muscipeta“, NAUMANN übernahm und bezog ihn ebenfalls auf
Weibchen und Jungvögel – und auch hier ohne Deutung.
Dornfink: Dieser Begriff wurde als „Loch- oder Dornfink“ bei J. A. NAU-
MANN gefunden, von dem er zu BECHSTEIN in sein Ornithologisches Ta-
schenbuch von 1802 gelangte, ebenfalls als „Loch- oder Dornfink“ – und ge-
nauso steht es bei NAUMANN. In allen Fällen wurden die Namen gekoppelt
transportiert.1706 „Lochfink“ ist für den Höhlenbrüter einfach zu deuten. Der
„Dornfink“ sucht im Gestrüpp nach Insekten.
1706
J. A. NAUMANN 1797, 1/ 201 und BECHSTEIN 1802, 157 und NAUMANN 1822, 2/ 231
1707
OKEN 1837, 72
1708
SVENSSON et. al. 2011, 340
1709
OKEN 1837, 72
1710
NAUMANN 1822, 2/ 224
290 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
1711
NAUMANN 1822, 2/ 224
1712
BUFFON/OTTO 1780, 9/ 90
1713
BEZZEL 1985, 218
1714
SUOLAHTI 1909, 49
1715
BUFFON/OTTO 1790, 9/ 87
PASSERES – SINGVÖGEL 291
geben hat, giebt sattsam zu erkennen, an was für Orten man ihn suchen muß;
er wohnt auf Felsen und Bergen, man trifft ihn auf den bugenischen Gebir-
gen, und in den ödesten Gegenden an.“
b) Steindrossel: Zu BECHSTEINS und NAUMANNS Zeiten ordnetet man
den Steinrötel zu den Drosseln. Der Vogel hatte bei ihnen den Namen „Tur-
dus saxatilis“. Bei BECHSTEIN hieß der Vogel in allen Ausgaben „Steindros-
sel“.1716 Der Ausdruck ist nach C. L. BREHM ein Kunstname.1717 Ihm wird
„Steintrostel“ zu grunde gelegen haben, ein Begriff, der schon bei GESSNER
bezeugt ist.1718
c) Steinmerle: NAUMANN wählte „Steinmerle“ als deutschen Hauptnamen,
ein Name, den man schon 1773 bei MÜLLER und anderen Autoren des aus-
gehenden 18. Jahrhundert findet. Er ist nichts anderes als eine Abänderung
von Stein„amsel“.1719
Nach ADELUNG ist eine Amsel eine Art schwarzer Drosseln, welche einen
gelben Schnabel hat „und pfeifen lernet“. „Es gibt verschiedene Arten der-
selben; viele aber werden im gemeinen Leben irrig zu den Amseln gezählet,
und alsdann wird die wahre Amsel auch Schwarzamsel genannt. Im Ober-
deutschen heißt dieser Vogel nach dem Latein. auch Merl.“1720
So festgelegt wie ADELUNG war GESSNER noch nicht. Zu seinem Genus
„merula“ gehörten außer Amsel und Ringdrossel auch Steinrötel und Blau-
merle. Das macht die Namenswahl („Steinamsel“) von BUFFON verständ-
lich.1721
Gebirgsamsel, Hochamsel: Der Steinrötel brütet auf hochgelegenen Matten
oder an steilen, felsigen Hängen, fast stets in Höhen über 1500 m.1722 Laut
BEAMAN/MADGE ist der Vogel in den Gebirgen Mittel- und Südeuropas
gebietsweise häufig. Er hält sich oft in der Nähe von Gebäuden und Hoch-
gebirgsdörfern auf. In Deutschland ist der Steinrötel inzwischen ein sehr sel-
tener, unregelmäßiger Brutvogel in den Bayerischen Alpen.1723
Großer Rothschwanz, Großes Rothschwänzel, Großes Rothschwänzchen,
Rothbäuchiger Steinschmätzer: Die Namen weisen einmal auf die Gefieder-
färbung hin und stellen andererseits eine Verbindung zu den Rotschwänzen
1716
BECHSTEIN 1807, 3/ 386
1717
C. L. BREHM 1824, 1017
1718
SPRINGER 2007, 319
1719
NAUMANN 1822, 2/ 348 und MÜLLER 1773, 534
1720
ADELUNG 1793, 1/ 2117
1721
SPRINGER 2007, 319
1722
SVENSSON/GRANT/MULLARNEY/ZETTERSTRÖM 1999, 272
1723
BEAMAN/MADGE 1998, 620
292 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
her, von denen der Steinrötel der größte ist. „Rotbäuchiger Steinschmätzer“
ist ein Kunstname NAUMANNS.1724
Blauköpfige rothe Amsel: „Blauköpfige Rothe Amsel“ war der Name, den
FRISCH dem Vogel gab.1725
Großer Rothwüstling: „Wüstling“ ist ein Name des Gartenrotschwanzes. Zu
„Großer Roth-Wüstlich“ schrieb FRISCH: „Das ist, das grosse Rothschwänz-
gen oder Rothkehlgen, wegen der Geberden desselben, die mit dem kleinen
Rothschwänzlein gleich sind.“1726
Unglücksvogel, Kleiner Unglücksvogel: Nach BUFFON/OTTO benann-
ten die Schweden „unsere Steinamsel“ als „Olyksfogel“ (Unglücksvogel): „Er
scheint ganz andre Sitten zu haben; denn Linné schildert ihn, als verwegen
und gefräßig, und einen Vogel, der statt die Menschen zu fliehen, ihnen wohl
gar das Fleisch vom Tische wegnimmt.“ OTTO setzt dem hinzu: „Dieses sagt
Linné doch eigentlich von dem Unglücksvogel (…, Lanius infaustus L.) des-
sen beigesetzte Namen und Schriftstellen sich freilich auch auf die Steinamsel
beziehen. Diesen Unglücksvogel [-häher] oder dreizehnte Drossel des Brisson
hält Hr. v. Büffon doch für einerlei Vogel mit der Steinamsel.“1727 Der „Kleine
Unglücksvogel“, der Steinrötel, ist deutlich kleiner als der Unglückshäher.
BECHSTEIN hielt den „Unglücksvogel, Lanius infaustus“, für das junge
Männchen des Steinrötels. „Von diesem Vogel wird gewöhnlich das jüngere
Männchen unter dem Namen Unglücksvogel ( Lanius infaustus Lin. 13te Aus-
gabe) beschrieben, und das Weibchen nur hier [13. Ausg.] unter dem Namen
Steinamsel.“1728
Steinreitling: Man findet „Steinreitling“, aus „Steinrötling“ entstanden, 1795
unter den Trivialnamen in der 1. Auflage BECHSTEINS, allerdings auch
nicht vorher.1729
Slegur: Bei BECHSTEIN ist „Slegur“ schon seit der ersten Auflage ein Name
des Steinrötels, NAUMANN übernahm ihn aber – wohl fälschlich – für die
Blaumerle. „Slegur“ ist noch heute die slowenische Bezeichnung für den
Steinrötel. Er könnte soviel wie „Gebirgsvogel“ bedeuten. Mehr konnte nicht
ermittelt werden. Der bei NAUMANN/HENNICKE unter „Blaumerle“ ste-
hende „Stegur“ ist falsch.1730
1724
NAUMANNS 1822, 2/ 348
1725
FRISCH 1763, T. 32
1726
FRISCH 1763, T. 32
1727
BUFFON/OTTO 1780, 9/ 88
1728
BECHSTEIN 1795, 227
1729
BECHSTEINS 1795, 230
1730
AVIBASE (Steinrötel) 2012 und NAUMANN/HENNICKE 1897, 2/ 130
PASSERES – SINGVÖGEL 293
1731
STUDER/FATIO 1911, 1247
1732
NAUMANN 1822, 2/ 341
1733
DONNDORF 1795, 2/ 313
1734
SVENSSON/GRANT/MULLARNEY/ZETTERSTRÖM 1999, 272
1735
SUOLAHTI 1909, 49 und GESSNER 1557 in: STUDER/FATIO 1911, 1247
1736
SPRINGER 2007, 323
1737
NAUMANN 1822, 2/ 341
294 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
1738
C. L. BREHM 1823, 303 und OKEN 1843, 8
1739
NAUMANN 1822, 2/ 341
1740
SPRINGER 2007, 319
1741
Magazin von merkwürdigen Reisebeschreibungen, 1801, Band 24, 155
1742
WEMBER 2005, 130
PASSERES – SINGVÖGEL 295
Er kann auch genannt werden ein ‚SteinamselÄ oder ‚ein grawe Steinamsel‘,
schließlich ‚cyanus‘, ein ‚Blawe Steinamsel‘.“1743
Einsamer Sperling, Einsamer Spatz: GESSNER bezeichnete den Vogel
1585 (608,I) als „passer solitarius“, während er zu gleicher Zeit in Trient „me-
rulus solitarius“ genannt wurde.1744
Die Autorin SPRINGER fuhr fort: „Die Deutschen verwenden den latei-
nischen Namen ‚passer solitari‘, den sie zweifellos von den Italienern über-
nommen haben … Der einsame Spatz ist ein schwarzer Vogel, (graubraun),
kleiner als eine Amsel, gesangsfreudig und wird ‘solitarius‘ genannt, weil er
sich mit keinem der gleichen Art zusammenschart außer in der Brutzeit. Er
hält sich in Mauern auf, verbindet sich mit anderen Sperlingsvögeln (‚pass-
eres‘) und fliegt mit diesen zur Nahrung, diejenigen, die seiner Art (‚genus‘)
zugehören gänzlich verachtend, nach Albertus.“ (Wie Qu. 1744).
Tiefsinnige Drossel: Die junge Blaumerle „lernte innerhalb kurzer Zeit ver-
schiedene Stimmen von anderen Vögeln, mit denen sie zusammen war. Ihr
Gesang sei so vielfältig gewesen, dass diesem Geschlecht kein anderes gleich
kam. (…) ‚Wegen ihres Gesanges standen sie in hoher Wertschätzung und
wurden in Käfigen gehalten‘.“1745
NAUMANN, der bedauerte, nie eine Blaumerle gesehen zu haben und des-
halb auf das angewiesen gewesen zu sein, was ihm in Briefen mitgeteilt wor-
den war, schrieb über den Gesang dieses Vogels: „… aber der Gesang des
Männchens wird von jedem, der ihn hörte, für einen der schönsten Vogelge-
sänge gehalten. Er soll aus mehreren abwechselnden Strophen bestehen und
diese aus sehr sanften, flötenden, zum Teil melancholischen und schmelzen-
den Tönen zusammengesetzt sein.“1746 Auch SVENSSON betonte den sehr
melancholischen Klang.1747
Italienische Drossel: Die Blaumerle war in Südeuropa und den Inseln des
Mittelmeers seit langem bekannt. BUFFON hielt sie für die „Kleine Amsel
des Aristoteles“. Nach dem lateinischen Namen „Passer oder Turdus solitarius“
machten die Italiener daraus „Passera solitaria“, auch „Merulo solitario“. Die-
se Namen bildeten Vorlagen für eine Reihe deutscher Namen.1748
1743
SPRINGER 2007, 322, nach GESSNER
1744
SPRINGER 2007, 322
1745
SPRINGER 2007, 324
1746
NAUMANN 1822, 2/ 341
1747
SVENSSON/GRANT/MULLARNEY/ZETTERSTRÖM 1999, 272
1748
BUFFON/OTTO 1780, 9/ 115
296 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
„Diese Drossel ist, … , ein südlicher Gebirgsvogel, und wird … ziemlich häu-
fig in Oberitalien angetroffen.“1749
Manillische Drossel: „Manillische Drossel“ oder „Manillischer Krammets-
vogel“ waren Namen für die „Tiefsinnige Drossel“. „Das Weibchen ist im
Vergleich mit dem Männchen in einfarbiger Vogel; es hat weder Blaues noch
Orangefarbenes, und ist ganz bräunlich mit Flecken von dunklerm Braun
am Kopf, am Hals und an den untern Theilen, die ohnehin blässer sind als
die obern. Diese Drossel wurde von Sonnerat aus Manilla mitgebracht.“1750
Manilla (Manila) ist die Hauptstadt der Philippinen. MÜLLER hat 1776
eine philippinische Unterart der Blaumerle beschrieben, die heute den wis-
senschaftlichen Namen „Monticola solitarius philippensis“ trägt.1751 Pierre
Sonnerat (1748–1814) war ein französischer Naturwissenschaftler und Ent-
decker.1752
Hogamsel: „Hogamsel“ findet man vor allem für den Steinrötel. Das Wort
bedeutet soviel wie „Gebirgsamsel“.1753
Slegur: Beim Steinrötel steht zu diesem Namen: Bei BECHSTEIN ist „Sle-
gur“ schon seit der ersten Auflage (1795) ein Name des Steinrötels, NAU-
MANN übernahm ihn aber für die Blaumerle. „Slegur“ ist noch heute die slo-
wenische Bezeichnung für den Steinrötel.1754 Er könnte soviel wie „Gebirgs-
vogel“ bedeuten. Mehr konnte nicht ermittelt werden. Der bei NAUMANN/
HENNICKE stehende „Stegur“ für die Blaumerle ist falsch.
1749
FRIDERICH 1849, 237
1750
ALLG. REAL-WÖRTERBUCH 1802, B. 22, 617
1751
AVIBASE 2012
1752
http://de.wikipedia.org/wiki/Pierre_Sonnerat, Stand: 14.01.2011
1753
MEYER 1850, 992, Das grosse Conversations-Lexicon für die gebildeten Stände: Hog
1754
AVIBASE 2012
PASSERES – SINGVÖGEL 297
Gesang immer etwas Frisches und Belebendes und läßt sich manchmal bei
seiner Abgehacktheit geradezu in Worte kleiden. ‚Ich komm jetzt mit‘, rief da
immer einer ganz deutlich, den wir alljährlich an einem bestimmten Zaun an
der Wiese trafen.“1755
Braunkehlchen: Der Name stammt von MÜLLER, der Kehle und Brust
als „bräunlichtgelb“ beschrieb – nicht ganz richtig, denn Kehle und Brust
sind eher orangebeige bis „fuchsroth“ (s. u). Sonst ist die vorherrschende Ge-
fiederfarbe jedoch braun.1756 Nach WEMBER hat sich das Wort „Kehlchen“
verselbständigt und bezieht sich nicht auf die Kehle, sondern bedeutet hier
„brauner Vogel, der zur Gruppe der Kehlchen gehört“. Eine systematische
Gruppe der Kehlchen gibt es allerdings nicht. Man hat sie nur zur sprach-
lichen Vereinfachung geschaffen.1757
BECHSTEIN hatte schon 1795 bemängelt, dass der Name „Braunkehlchen“
existiere, er diesen aber nicht akzeptieren könne, weil der Name etwas Cha-
rakteristisches, wenigstens nicht Falsches an dem Vogel ausdrücken solle.1758
Braunkehliger Steinschmätzer, Braunkehliger Wiesenschmätzer: Die Zu-
ordnung zu derselben Familie geschah auch in der Vordarwinzeit schon auf-
grund von Gemeinsamkeiten z. B. im Aussehen oder Verhalten. Man ordnete
die Wiesenschmätzer ( Pratincola) mit Braun- und Schwarzkehlchen und die
Steinschmätzer ( Saxicola) in die Unterfamilie der Drosseln (Turdinae) ein.
Als Gemeinsamkeit der beiden Gattungen empfand man die auf einen reinen
Pfeifton folgenden Rufe oder Gesangsteile, die manche Leute an Schmatzge-
räusche von Menschen oder Tieren denken ließen. So entstand für diese und
einige andere Vögel der Name „Schmätzer“.1759
„Braunkehliger Steinschmätzer“ war BECHSTEINS Name für das Braun-
kehlchen. Die Benennung „Steinschmätzer“ in dem Kunstnamen „Braun-
kehliger Steinschmätzer“ hatte mehr systematische Gründe,1760 NAUMANN
hatte den Vogel später „Braunkehliger Wiesenschmätzer“ genannt, womit er
auf den Lebensraum hindeutete. Der Name wurde zu einem verbreiteten Be-
griff im 19. Jahrhundert, bis ins 20. Jahrhundert hinein.1761
Die Zuordnung in gemeinsame „systematische“ Gruppen förderte auch die
Vergabe ähnlicher deutscher Namen. So erhielten einige Arten, die die Knick-
1755
HEINROTH 1966, 1/ 19
1756
MÜLLER 1773, 609
1757
WEMBER 2005, 128
1758
BECHSTEIN 1795, 648
1759
HOFFMANN 1937, 39
1760
BECHSTEIN 1795, 648
1761
NAUMANN 1823, 3/ 903
298 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
1762
SUOLAHTI 1909, 86
1763
SUOLAHTI 1909, 49
1764
SVENSSON/GRANT/MULLARNEY/ZETTERSTRÖM1999, 272
1765
ADELUNG 1801, 4/ 339
1766
SUOLAHTI 1909, 49
1767
BUFFON/OTTO 1789, 15/ 252
PASSERES – SINGVÖGEL 299
nigen auch Fliegenstecher [s. u.] genannt werden), sich gern am Rande der
Bäche und sumpsigen Orte aufhalten.“1768
Kohlvögelchen, Krautvogel, Krautvögelchen, Krautlerche: „Ein Zugvogel,
fast so häufig als die gemeine Bachstelze, in allen Gärten und Wiesen zwischen
den Feldern, gewöhnlich auf Steinen und Gipfeln der Sträucher, von wo er
die Insecten von der Luft oder auf der Erde holt, und bis tief in die Nacht hi-
nein singt; im Herbste streichen sie in den Haber-[Hafer-] und Krautfeldern
umher.“1769 „Dieser Vogel wohnt auf Wiesen, an grasreichen Berghängen, im
Herbst in Kohl-, Rüben- und Kartoffeläckern.“1770 Der Name „Kohlvögel-
chen“ war ziemlich verbreitet.
Gestattenschlager: Gestätten sind im bayerisch-österreichischen Sprachraum
Ufer, Uferdämme, die künstlich befestigt wurden. Gestattenschlager, auch
Gestätten-, Gestettenschläger war der Name des Braunkehlchens im dama-
ligen Unterösterreich, „vielleicht, weil der Vogel auf ähnliche Weise den Ort
seines Aufenthalts gegen die herabsinkende Erde zu sichern weiß, wie man
sonst eine Gestetten schlaget.“1771
Rötling: „Kehle und Brust [sind] fuchsröthlich.“1772 Auch NAUMANN be-
nutzte Farbeindrücke von rostfarbig über rostrot bis rostbraun für seine Ge-
fiederbeschreibung.1773
Fliegenstecher, Fliegenstreckerlein, Fliegenschnäpper, Brauner Fliegen-
vogel, Bräunlicher Fliegenvogel: Den Namen „Fliegenstecher“ führten ver-
schiedene kleine „Sangvögel, die den Mücken, Fliegen und andern kleinen
Insecten im Grase nachstellen.“1774 Daraus erklären sich auch „Fliegenschnäp-
per“ und „Fliegenvogel“, „Fliegenstreckerlein“.
Für „Fliegenstreckerlein“ konnte keine ältere Quelle gefunden werden als die
bei BECHSTEIN.1775
Nesselfink, Nösselfinke: Nach HOFFMANN ist „Nessel“ mundartlich eine
unwillige Bezeichnung für ein kleines unruhiges Mädchen. Deshalb „könnte
das Wort Nessel im Vogelnamen auch auf das unruhige Gebaren des kleinen
gefiederten Sängers hinweisen.“1776
1768
KRÜNITZ 1780, 19/ 776
1769
OKEN 1837, 44
1770
LÖBE 1854, 226 Illustrirtes Lexikon der gesammten Wirtschaftskunde
1771
GRIMM/GRIMM 1984, 5/ 4205
1772
BOSE/LEONHARDI 1810, 2/ 257
1773
NAUMANN 1823, 3/ 903
1774
KRÜNITZ 1780, 19/ 776
1775
BECHSTEIN 1795, 655
1776
HOFFMANN 1937, 69
300 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
Er schlüpft ständig durch Gras und Gestrüpp, wie es auch andere Vögel tun,
von denen der Zaunkönig deshalb den Namen „Nesselkönig“ erhielt.1777
Die Literatur ist bezüglich des Ausdrucks „Nösselfink“ äußerst zurückhal-
tend. SUOLAHTI hält diesen (schlesischen) Namen für schwer deutbar.1778
Nach BREYSIG ist „Nesselfink“ gleichbedeutend mit „Pestvogel und Todten-
vogel“ (s. Grauschnäpper). Ebenfalls gleichbedeutend mit „Nesselfink“ ist der
„Nösselfinke“. Im Deutsch-Kroatischen Wörterbuch von B. ŠULEK steht unter
Nösselfink: „s. Pestvogel“.1779
Todtenvogel: Das Braunkehlchen nannte man „Totenvogel“, weil es „sich
des Nachts hören ließ, was abergläubische Leute für ein böses Zeichen hiel-
ten“,1780 außerdem noch „Pestilenzvogel“, weil man glaubte, dass es sich vor
einer Pest häufig in Gärten sehen lasse.1781
Pfäffchen: Im Prachtkleid kann das Körpergefieder wie eine braune Kutte
und der braungescheitelte Kopf des Vogels mit den schwarzbraunen Kopfsei-
ten mit den weißen Überaugenstrichen von Weitem wie die Kopfbedeckung
eines Geistlichen wirken.
1777
SUOLAHTI 1909, 83
1778
SUOLAHTI 1909, 144
1779
BREYSIG 1830, 638 und B. ŠULEK 1860, 974
1780
BECHSTEIN 1807, 3/ 684
1781
KRÜNITZ 1806, 102/ 681
1782
BUFFON/OTTO 1791, 15/ 305
PASSERES – SINGVÖGEL 301
1783
WEMBER 2005, 130
1784
STRESEMANN 1941, 85 und BECHSTEIN 1795, 659 und MÜLLER 1773, 609 und PERNAU
1720, 123
1785
NAUMANN 1823, 3/ 884 und BECHSTEIN 1795, 656
1786
HOFFMANN 1937, 39
1787
BECHSTEIN 1795, 648 und BUFFON/OTTO 1791, 15/ 305
302 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
1788
ADELUNG 1801, 4/ 339 und SUOLAHTI 1909, 49
1789
KRÜNITZ 1780, 19/ 776
1790
BUFFON/OTTO 1791, 15/ 311
1791
OERTEL 1816, 1/ 172
PASSERES – SINGVÖGEL 303
Nach einem Volksglauben in der Schweiz hat man die Schwarzkehlchen ge-
schützt: Auf derjenigen Alp, auf welcher solch ein Vogel getötet wird, geben
die Kühe von Stund an rote Milch.1792 War Christophorus ein Schutzpatron
gegen die Pest und hatte ein kleiner Vogel mit „Christöffl“ den Namen des
Schutzpatrons, dann war dessen Erscheinen offensichtlich mit der Hoffnung
verbunden, von dem Vogel vor der Pest bewahrt zu werden – im Gegensatz
zum Braunkehlchen, das man „Totenvogel“ und „Pestilenzvogel, Sylvia pesti-
lentialis, Frisch.“ nannte, weil man glaubte, dass es sich vor einer Pest häufig
in Gärten sehen lasse.1793
1792
BREHM 1866, 781
1793
KRÜNITZ 1773, 102/ 681
1794
GESSNER/HORST 1669, 59b
1795
OKEN 1837, 42
1796
SUOLAHTI 1909, 40
304 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
GATTIKER: „Als Jesus voll Schmerz und Pein am Kreuz hing, sah er in ei-
niger Entfernung ein kleines Vöglein im Walde. Das trauerte am Rand seines
Nestes. Bittere Tränen rannen aus seinen Augen, als es die scharfen, stache-
ligen Dornen sah, die das Haupt unseres Heilandes durchbohrten. Da sagte
es zu sich: ‚Niemand kommt, um seine Leiden zu mildern. So will ich ihn zu
trösten suchen.‘ Es fliegt zum Kreuz, und es glückt ihm, einen Dorn aus dem
Haupt zu lösen. Zugleich springt ein Blutstropfen auf des Vögleins Brust.
Und Jesus sprach: ‚Zum ewigen Gedächtnis, liebes Vöglein, sollst und deine
Nachkommen das rote Flecklein auf der Brust behalten, und die Menschen
sollen euch Rotkehlchen nennen‘.“1797
Für das Rotkehlchen gibt es kaum andere Namen, als solche, die sich auf die
rote Farbe der Brust und der Kehle bis zur Stirn beziehen.
Es folgen weitere Synonyme: Röthelein, Rothbrüstiger Sänger, Rothbrüst-
chen, Rottbrüstlein, Rothkehliger Sänger, Rothkehle, Kehlröthchen,
Rothkröpfchen, Rottkröpflein: „Sie werden bald zahm, fressen mit aus der
Schüssel und halten 8 Jahre und mehr aus, singen angenehm und lernen auch
den Gesang der Nachtigallen, sind aber sehr zänkisch, leiden keinen anderen
Vogel an ihrem Geschirr und beißen ihn gar todt. Sie fressen alles, was man
ihnen vorwirft, Fleisch, Brod, Hanf und Käse, fangen die Stubenfliegen weg
und in den Schlafkammern sogar die Flöhe.“1798
Rothbart, Rothbärtchen: „Man nennt es Rothkehlein, weil die andern zwar
auch noch etwas von der rothrn Brust haben aber an der Kehle von unterschie-
denen Farben sind. Die so ihn Rothbart nennen, geben ihm keinen eigent-
lichen Namen, dann er ist weiter hinab rothals der Bart sonsten reicht.“1799
Waldröthchen, Waldrötlein: Der Name Wald-Röthelein wird schon von
GESSNER im 17. Jahrhundert genannt.1800 Er weist auf den bevorzugten
Lebensraum Wald (Waldrand, Park) hin.
Winterröthchen, Winterröthelein: „Den Namen Rötele teilt der Rotschwanz
mit dem Rotkehlchen. Im Gegensatz zu diesem [Rotkehlchen], dem Winter-
rötele, heißt jener [Rotschwänzchen] bei Gesner (1555) S. 699 Summerröte-
le, ‚weil er beim Herannahen des Winters wegzieht oder sich versteckt‘.“1801
1797
GATTIKER/GATTIKER 1989, 92
1798
OKEN 1837, 42
1799
FRISCH 1763, T. 19
1800
GESSNER/HORST 1669, 59b
1801
SUOLAHTI 1909, 42
PASSERES – SINGVÖGEL 305
Das Rotkehlchen, das auch im Winter singt, hat seine auffallende Farbe, die
rote Kehle, Brust und Gesicht nicht nur zur Brutzeit, sondern das ganze Jahr
über.
1802
LIEKFELD-STRAASS 2002, 180
1803
BECHSTEIN 1795, 536
1804
NAUMANN 1822, 2/ 362 + 373
1805
BECHSTEIN 1795, 538
1806
HAFFER 2003
306 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
1807
OKEN 1837, 39
1808
GLOGER 1834, 213
1809
GRÄSSNER 1860, 84
1810
BECHSTEIN 1795, 536
1811
NAUMANN 1822, 2/ 362
PASSERES – SINGVÖGEL 307
1812
MEYER/WOLF 1810, 1/ 222
1813
BECHSTEIN 1807, 3/ 477 + 507
1814
HALLE 1760, 318
1815
KLEIN 1760, 74
1816
BECHSTEIN 1807, 3/ 510
1817
BECHSTEIN 1795, 538
1818
VOIGT 1835, 203
308 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
der Nachtigall in den eigenen aufnehmen kann. Das hat ihm zusätzlich den
Namen „Zweischaller“ eingebracht. „Da, wo Sprosser und Nachtigall neben-
oder durcheinander leben, geschieht es nicht selten, daß die eine Art ihrem
Gesange Strophen aus dem Schlage der anderen Art einwebt und damit zum
sogenannten Zweischaller wird.“1819 Der Zweischaller ist aber keine „Lusci-
nia hybrida“, wie man auch lesen kann: „Außer den genannten beiden Arten
unterscheidet man noch den Zweischaller (L. hybrida), von der Größe des
Sprossers, oberseits wie dieser, unterseits fast ganz wie die Nachtigall gefärbt,
in Polen.“1820
„Im Überschneidungsgebiet der beiden Verbreitungsareale [gibt es] auch
‚Mischsänger‘ […] (in der älteren Literatur oft als ‚Zweischaller‘ bezeichnet),
die Gesangseigenschaften von beiden Arten haben. Bei diesen Mischsängern
handelt es sich – soweit eindeutig bestimmt – meistens um Sprosser.“1821 Und
schließlich: Beim Sprosser „lassen sich gute und schlechte Sänger unterschei-
den. Die geschätztesten Virtuosen sind solche, welche in ihrem Liede mehrere
Strophen aus dem Nachtigallenschlage aufnehmen und die dann ‚Doppel-
schläger‘ oder ‚Zweischaller‘ genannt werden.“1822
1819
BREHM 1866, 760
1820
www.peter-hug.ch/lexikon/Sprosser
1821
de.academic.ru/dic.nsf/meyers/155160/Zweischaller
1822
GRÄSSNER 1860, 84
1823
OKEN 1837, 36
PASSERES – SINGVÖGEL 309
Zozozozozozozozozozozozo Zirrhading:
Tsisisi tsisisisisisisi,
Zorre zorre zorre zorre hi;
Tzan, tzan tzan, tzan, tzan, tzan tzan, zi.
Dlo dlo dlo dlo dlo dlo dlo dlo dlo dlo:
Quio tr rrrrrrr itz
Lü lü lü lü ly ly ly ly li li li li *),
Quio didl li lülyli.
Ha gürr gürr quipio
Qui qui qui qui qi qi qi qi gi gi gi gi **)
Goll goll goll goll gia hadadoi.
Quigi horr ha diadiadillsi.
Hezezezezezezezezezezezezezezezeze quarrhozehoi,
Quia quia quia quia quia quia quia quia ti:
Qiqi qi io io io ioioioio qi -
Lü ly li le lä la lö lo io quia,
Hi gaigaigaigaigaigai gaigaigaigai.
Quior zio zio pi.“
*) Diese ziehenden melancholischen Töne wiederholt ein Vogel 32–50-mal.
**) Dies klingt viel schärfer als das Obige.1824
Nachtigall, Gemeine Nachtigall: „Die Nachtigall hat ihren Namen von dem
berühmten Gesange erhalten, den sie in nächtlicher Stunde ertönen läßt;
germ. ‚nahtagalôn‘ ist in dem zweiten Kompositionsgliede eine Ableitung von
‚galan‘, ‚singen‘. Die Bildung, die also den Vogel als ‚Nachtsängerin‘ bezeich-
net, ist westgermanisch: ahd. ‚nahtagala‘, mhd. ‚nachtegal(e)‘.“1825
Dass die Nachtigall nicht nur ein Nachtsänger ist, kann man schon bei PER-
NAU (1702) lesen, der den Vogel, wie wir heute und damals durchaus üblich,
„Nachtigall“ nannte.1826 Den Namen „Nachtigall“ und das Tag- und Nacht-
singen kannte auch schon GESSNER.1827
Tagnachtigall, Nachtsänger, Repetiervogel: Tagnachtigall heißt sie, „weil sie
mehr am Tage, der Sprosser hingegen mehr des Nachts schlägt.“1828
„Die Männchen kommen im Frühjahr 8 Tage vor den Weibchen an, und sin-
gen dann fast die ganze Nacht, um die vorbeystreichenden Weibchen anzu-
locken; nachher singen sie vom frühen Morgen abwechselnd den ganzen Tag
1824
BECHSTEIN 1807, 3/ 483
1825
SUOLAHTI 1909, 37
1826
PERNAU 1702, 70
1827
GESSNER/HORST 1669, 353a
1828
VOIGT1835, 200 und BECHSTEIN 1807, 3/ 483
310 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
durch. Es gibt aber auch, welche immer vor und nach Mitternacht singen,
und diese heißen Nachtvögel, andere, welche nur zuweilen des Nachts sich
hören lassen, Repetiervögel.“1829
Modernes Wissen: „Im zeitigen Frühjahr singen unverpaarte Nachtigallen-
männchen ab elf Uhr nachts bis in den Morgen; der Nachtgesang dient wohl
vor allem zur Anlockung einer Brutpartnerin und wird nach erfolgter Paar-
bildung eingestellt. Ab Mitte Mai singen daher meist nur noch unverpaarte
Männchen nachts.
Während der ganzen Brutsaison bis Mitte Juni singen Nachtigallenmännchen
auch tagsüber. Der Gesang während der Morgendämmerung dient wohl vor
allem zur Verteidigung des Revieres gegen andere Männchen.“1830
Nachtigall-Sänger: NAUMANN hat alle „Erdsänger“ durch den Zusatz
„-Sänger“ gekennzeichnet.1831
Heute ist „Erdsänger“ ein mehr informeller Begriff, unter dem man Rotkehl-
chen ( Erithacus), Nachtigall und Verwandte ( Luscinia), Rotschwänze ( Phoe-
nicurus), Blauschwänze ( Tarsiger), Wiesen- und Steinschmätzer ( Saxicola und
Oenanthe) zusammenfasst.1832
Dorling: Nach SUOLAHTI ist dieser Name schon im 13. Jahrhundert be-
zeugt als „durlinc“. Das Wort leitet sich ab von „dorlen“ (wirbeln), „Dorl“
(Kreisel) und meint den trillernden Gesang.1833
Kleine Nachtigall, Sächsische Nachtigall: Die Vogelsteller nennen sie auch
„kleine und Sächsische Nachtigal, um sie von der folgenden zu unterschei-
den“, womit BECHSTEIN den damals an der Weichsel neben der Nachtigall
vorkommenden, auch als „Polnische Nachtigall“ bekannten größeren Spros-
ser meinte.1834
Waldnachtigall: Der Österreicher W. H. KRAMER hat 1756 die Nachtigall
und den Sprosser als verschiedene Arten erkannt und sie unter dem Namen
„Waldnachtigall“ und „Auennachtigall“ voneinander getrennt.1835 Nur weni-
ge Jahre später beschrieb auch HALLE „die beiden Arten der Nachtigallen“,
die er „Nachtigall. Tagphilomele“ und „Nachtphilomele“ nannte.1836
1829
OKEN 1837, 37
1830
http://de.wikipedia.org/wiki/Nachtigall, Stand: 24.01.2011
1831
STRESEMANN 1941, 76
1832
http://de.wikipedia.org/wiki/Schmätzer, Stand: 4.10.2010
1833
SUOLAHTI 1909, 38
1834
BECHSTEIN 1807, 3/ 477
1835
HAFFER 2003
1836
HALLE 1760, 317–318
PASSERES – SINGVÖGEL 311
1837
BECHSTEIN 1807, 3/ 477
1838
HALLE 1760, 317
1839
GATTIKER/GATTIKER 1989, 86
1840
BUFFON/OTTO 1791, 15/ 73
1841
BECHSTEIN 1807, 3/ 477
1842
BECHSTEIN 1807, 3/ 477
1843
BECHSTEIN 1807, 3/ 478 + 1802,1 66
312 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
sich die Zeit nicht damit zu verderben, daß man Weibchen aufzieht, so hat
man viele auszeichnende Merkmale angegeben, um die Männchen zu erken-
nen; sie haben, sagt man, ein größeres Auge, einen runderen Kopf und an der
Grundfläche breitern Schnabel.“1844 Davon hat sich aber nichts bewahrheitet.
Bei einem Frühlings-Männchen sollten die graubraunen Schwungfedern ins
Rotgelbe fallen, auch die Farbe des Schwanzes sollte rotgelber sein.
Waldvogel: Dieser Begriff von BECHSTEIN hat wenig Aussagekraft, da er
zu unpräzise ist. Da „Waldvogel“ aber nicht für andere Vögel angewendet
wurde, konnte NAUMANN den Namen für die Nachtigall übernehmen.1845
Es trifft wohl auch für diesen Fall zu, was BECHSTEIN zu Berg-, Wasser-
und Gartennachtigall schrieb (s. o): „Die Vogelsteller benennen sie auch nach
ihrem Aufenthalte.“1846
1844
BUFFON/OTTO 1791, 15/ 66
1845
NAUMANN 1822, 2/ 373
1846
BECHSTEIN 1807, 3/ 477
1847
GLUTZ VON BLOTZHEIM/BAUER 1988, 11/ 210
PASSERES – SINGVÖGEL 313
Blaukehlchen: Die Vögel haben eine leuchtend blaue Kehle, in die ein klei-
nes, als Stern bezeichnetes, aber nicht sternförmiges rotes oder weißes Band
eingelagert ist, das auch fehlen kann. Solch einen Stern haben nur die erwach-
senen Männchen.
Die beiden bekanntesten Subspezies sind „Luscinia svevica svevica“, das „Rot-
sternige Blaukehlchen“, das in Nordeuropa, Nordasien und den Alpen lebt,
sowie „Luscinia svevica cyanecula“, das „Weißsternige Blaukehlchen“, das in
Mitteleuropa vorkommt.
Wie alt der Name „Blaukehlchen“ o. ä. ist, lässt sich nur abschätzen. GESS-
NER kannte den Vogel 1555 schon, nannte ihn aber „Wegflecklin“.1848 PER-
NAU berichtete in der Angenehmen Landlust von einem „Blaukehligen“. Es
kann nur vermutet werden, dass es sich um ein weißsterniges Blaukehlchen
handelte. Diesen Vogel meinte aber ZORN, der ihn „Blau-Kehle“ nannte.1849
KLEIN schrieb von einem „Blau Kehlein“.1850 OTTO übersetzte die Bezeich-
nung „Cyanecula“, die BRISSON dem Vogel (um 1760) gab, mit „Blaukehl-
chen“, von cyanos (griech.) für blau und cula (lat.) für Kehle.1851
Blaukehlchen-Sänger: NAUMANN hat alle Erdsänger durch den Zusatz
„-Sänger“ gekennzeichnet.1852
Zu den Erdsängern (Erithacinae) gehören heute Rotkehlchen ( Erithacus),
Nachtigall und Verwandte ( Luscinia), Rotschwänze ( Phoenicurus), Blau-
schwänze ( Tarsiger), Wiesen- und Steinschmätzer ( Saxicola und Oenanthe).
Wolf ’sches Blaukehlchen: C. L. BREHM stellte die Johann WOLF gewid-
mete und als „Sylvia Wolfii, mihi“ („Wolfisches Blaukehlchen“) beschriebe-
ne „Art“ dem „Schwedischen Blaukehlchen ( Sylvia cyanecula)“, das er auch
„Weißsterniges Blaukehlchen“ nannte und beschrieb, gegenüber und notierte
in einer Anmerkung zu seiner Namensgebung: „Diese geringe Huldigung der
großen Verdienste eines unserer ersten Naturforscher wird gewiß Allen will-
kommen seyn, welche die große Verehrung gegen ihn mit mir theilen.“1853
Heute versteht man unter Wolf‘schen Blaukehlchen Vögel, denen der weiße
Kehlspiegel fehlt („gelegentlich fehlend“), die aber weder eine Art, noch eine
Unterart bilden.1854
1848
SUOLAHTI 1909, 42
1849
PERNAU 1720, 123 + 1702 und ZORN 1743, 430
1850
KLEIN 1750, 77
1851
BUFFON/OTTO 1791, 15/ 290
1852
STRESEMANN 1941, 76
1853
C. L. BREHM 1822, 173
1854
GLUTZ VON BLOTZHEIM/BAUER 1988, 11/ 238
314 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
1855
STRESEMANN 1996, 407
1856
C. L. BREHM 1831, 353 und BREHM 1879, 5/ 126
1857
KLEIN 1760, 145
1858
NAUMANN 1860, 13/ 371ff + 387 + 395
PASSERES – SINGVÖGEL 315
nämlich von Kamtschatka durch das ganze asiatische und europäische Ruß-
land bis an die Küste des obern Norwegens ausgedehnt.“ Das erklärt die Bei-
namen mit „lappländisch, sibirisch, östlich“ und auch im Leitnamen „schwe-
disch“.
Tundrablaukehlchen: BREHM fasste die NAUMANN-Begriffe zusammen
und nannte das „Schwedische Blaukehlchen“ NAUMANNS nun „Tundra-
blaukehlchen – Cyanecula suecica“. Dazu kamen das „Weißsternblaukehlchen
– Cyanecula leucocyana“ und das „Blaukehlchen – Cyanecula Wolfii“.1859 Diese
Gliederung hatte BREHM schon 1864 in seinem Werk „Die Thiere des Wal-
des“ verwendet.
Blaukehle, Blaukehlein: „Blaukehle“ findet man als Beinamen unter „Blau-
kehlchen-Sänger“ von NAUMANN. Als „Blaukehlein“ bezeichnete FRISCH
den Vogel.1860
Blaukehliger Sänger, Blaukröpfel: Unter dem ersten Namen führte BECH-
STEIN 1802 den Vogel. 1795 und 1807 war sein Leitname jeweils „Blaukehl-
chen“.1861 „Blaukröpfel“ (was auch Blaukehlchen heißt, Kröpfel ist Kropf )
stammt aus der Steiermark (o. Qu.).
Bleikehlchen: Die Vorsilbe „Blei“- wurde oft für „Blau“- verwendet.
Wassernachtigall: Das Blaukehlchen braucht zur Brut Feuchtbiotope, in den
Bergen nasse Hänge. Es wird Wassernachtigall genannt, „weil es sich vorzüg-
lich in niederem Buschwerk nahe am Wasser aufhält.“1862
„Die Blau-Kehle, [ist] ein ungemein schöner Vogel, der sich am liebsten im
Gebüsche oder Gehölze, nahe am Wasser, finden lässet … schreyet fast wie
die Nachtigall, und schmätzet auch dabey; ihr schöner Gesang lautet fast wie
der Nachtigall, ob er wohl nicht so laut ist, daher sie der Herr Verfasser des
öffters angeführten Zeitvertreibs p.72 [gemeint ist PERNAUS Angenehmer
Zeitvertreib von 1716, dem 1720 die Angenehme Landlust folgte] mit Recht
die Wasser-Nachtigall nennet.“1863
Dagegen hatte BECHSTEIN etwas einzuwenden: „Sein Gesang ähnelt viel-
mehr dem der weißen Bachstelze, als dem der Nachtigall, und er führt mit
Unrecht den Namen Wassernachtigall.“1864
1859
BREHM 1879, 5/ 126
1860
NAUMANN 1822, 2/ 414 und FRISCH 1763, T. 19
1861
BECHSTEIN 1802, 178
1862
SCHUBERT 1886, 10
1863
ZORN 1743, 430
1864
BECHSTEIN 1795, 597
316 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
1865
GLUTZ VON BLOTZHEIM/BAUER 1988, 11/ 215
1866
KRÜNITZ 1819, 127/ 789
1867
GRIMM/GRIMM 1984, 15/ 109
1868
KRÜNITZ 1819, 127/ 788
1869
BECHSTEIN 1795, 601
PASSERES – SINGVÖGEL 317
1870
MEISNER/SCHINZ 1815/ 115 und NAUMANN 1822, 2/ 414
1871
BUFFON/OTTO 1791, 15/ 297 + 288 und BECHSTEIN 1807, 3/ 589
1872
RIEDEL 1839, 199: Die Grasmücken und Nachtigallen in Europa
1873
GESSNER/HORST 1669, 64b und SUOLAHTI 1909, 42
1874
BECHSTEIN 1802, 178 + 1807, 3/ 589
318 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
1875
GESSNER/HORST 1669, 204b
1876
SUOLAHTI 1909, 94
1877
BECHSTEIN 1807, 3/ 589
1878
SUOLAHTI 1909, 47
1879
GRIMM/GRIMM 1984, 11/ 218
1880
GESSNER/HORST 1669, 59b–61b
PASSERES – SINGVÖGEL 319
1881
GESSNER/HORST 1669, 61b
1882
SUOLAHTI 1909, 44
1883
NAUMANN 1823, 3/ 525
1884
VOIGT 1835, 208
1885
SVENSSON/GRANT/MULLARNEY/ZETTERSTRÖM 1999, 262
320 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
Hüting (G, H): „Der Gartenrotschwanz ruft oft bei Erregung oder zur War-
nung für seine Jungen hü(i)d teg, hü(i)d teg teg; ein niederdeutscher Beob-
achter aus dem Volke hat daraus für das Gartenrötel den Namen Hütick (=
Hüte Dich!) geprägt.“1886
„…wird das Locken des Gartenrotschwanzes in Altmark als ‚Hüt-dick-dick-
dick‘ aufgefaßt und der Vogel daher Hütik oder Hüting genannt.“1887
Der Hausrotschwanz hat einige dem Gartenrotschwanz ähnliche Rufelemen-
te, die zum gemeinsamen Namen „Hüting“ geführt haben. So ruft er erregt:
„fid teck teck“.1888
Saulocker (G, H): „Seine Lockstimme ist ein heller Pfiff … wie füid oder
hüid, dem meist ein schmatzendes Tick tick angehängt wird. Weil dieses Tick
Ähnlichkeit mit dem Schnalzen hat, was man vorbringt, wenn man die Zun-
genspitze an das Zahnfleisch der oberen Vorderzähne setzt und schnell ab-
zieht, mit welchem Ton man die jungen Schweine zu locken pflegt, so nennt
man unseren Vogel in manchen Gegenden Saulocker.“1889
In Preußen hat der Ruf dem Rotschwänzchen die Benennung Saulocker ein-
getragen, „weil er also schmatzet, wie die Landleute, wenn sie die Schweine
zum Troge rufen; welches er thut, so lange die Jungen noch unter seiner Pflege
sind.“1890
Wistling (G, H), Wüstling (G): Seit dem 16. Jahrhundert ist der Name „Wüst-
ling“ bekannt. NAUMANN führte beim Hausrotschwanz den „Wistling“ auf
die Lockstimme zurück, deren erste Silbe beinahe wie „wist“ klinge.1891 In der
Neuauflage des „NAUMANN“ äußerte sich Otto KLEINSCHMIDT über
die beiden Ausdrücke. Folgende Erklärungen seien möglich: 1. Von der Stim-
me, wie geschildert, oder es liege das englische Wort „whistler“ für Pfeifer zu-
grunde. 2. Vom Aufenthalt: Wüstling, Bewohner wüster Marken = zerstörter
Dörfer, Ruinen, Steinbrüche (dies trifft weniger auf den Gartenrotschwanz
zu). 3. Vom slawischen Namen für Rotschwanz „Chvistek“, der sich aber we-
niger auf die Stimme beziehe als auf den sich immer in Bewegung befind-
lichen Schwanz. Es sei möglich, dass zwischen dem schlesischen „Swistek“,
dem mährischen „Chvistek“ und dem deutschen Wistling ein Zusammen-
hang bestehe.1892 Punkt 3 wurde von GRIMM/GRIMM bestätigt.
1886
HOFFMANN 1937, 27
1887
SUOLAHTI 1909, 46
1888
NAUMANN 1823, 3/ 525
1889
NAUMANN 1823, 3/ 525
1890
KLEIN/REYGER 1760, 78
1891
NAUMANN 1823, 3/ 525
1892
NAUMANN/HENNICKE 1905, 1/ 55 und GRIMM/GRIMM 1984, 30/ 2469
PASSERES – SINGVÖGEL 321
1893
GERLACH 1953, 35
1894
GESSNER/HORST 1669, 61b
1895
SUOLAHTI 1909, 43
1896
BECHSTEIN 1795, 607
1897
NAUMANN 1823, 3/ 525
322 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
rotschwanz. „Sitzend oder hüpfend biegt er die Fersengelenke nur wenig und
trägt dazu die Brust und den ganzen Vorderkörper erhaben, schüttelt dabei
in kurzen Zwischenräumen den Schwanz, und wenn er etwa Auffallendes er-
blickt, so macht er dazu schnelle Bücklinge. Dies alles giebt ihm ein keckes
Ansehen.“1898 Ein „-schmätzer“ sollte der Hausrotschwanz sein, weil auf einen
reinen Pfeifton gepaarte Rufe folgen, die manche Leute an Schmatzgeräusche
von Menschen oder Tieren denken ließen. So entstand für einige Vögel der
Name „Schwätzer“.1899
Sommerrothschwanz, Sommerrottele: „Den Namen Rötele teilt der Rot-
schwanz mit dem Rotkehlchen. Im Gegensatz zu diesem, dem Winterrötele,
heißt jener bei Gesner (1555) S. 699 Summerrötele, ‚weil er beim Heran-
nahen des Winters wegzieht oder sich versteckt‘.“1900 Der Hausrotschwanz ist
vor allem in Mittel- und Südeuropa zu Hause, wo er als Zug- und Standvogel
häufig vorkommt. Er ist, wie auch Rotkehlchen und Zaunkönig, als Winter-
sänger mit etwas Glück zu hören.
Stadtrothschwanz, Stadtrothschwänzchen, Stadtröthling: Der Name be-
deutet praktisch dasselbe wie Hausrotschwanz. Der Vogel ist auch in größeren
Siedlungen, in Städten zu finden ist. Der wetterfeste Hausrotschwanz ver-
bringt den Sommer ebenso gerne auf den Felszinnen des Hochgebirges wie
inmitten der Häuser einer Stadt.1901
Steinrothschwänzchen, Steinrothschwanz: Der Vogel ist ursprünglich ein
Felsenbewohner, wo man ihn auch häufig findet: An Geröllhalden, in Stein-
brüchen, an Felsküsten oder im Gebirge.
Waldrothschwänzchen, Waldrothschweif: NAUMANN wurde in der Vor-
rede zum ersten Band der Neuauflage zitiert, dass er mit Mühe und Vorsicht
die Synonyme gesammelt und zu ordnen versucht und dabei sein Möglichstes
getan habe.1902 Immer ist ihm das nicht gelungen, denn diese beiden Aus-
drücke passen nur zum Gartenrotschwanz, für den BREHM ersteren auch
verwendet hat.
Nachtrothschwanz: Der Hausrotschwanz ist auch nachtaktiv. Im Frühjahr
und Frühsommer fängt er vor dem Hellwerden an zu singen. Nachts kann
man ihn bisweilen auch hören, aber nur in hellen Nächten. Die Ankunft und
der Wegzug aus dem und in den Süden erfolgen ebenfalls nachts.1903
1898
NAUMANN 1823, 3/ 525
1899
HOFFMANN 1937, 39
1900
SUOLAHTI 1909, 42
1901
WÜST 1967, 48
1902
NAUMANN/HENNICKE 1905, 1/ IX
1903
BEZZEL 1993, 180
PASSERES – SINGVÖGEL 323
1904
KÖHLER 1907, 19
1905
STRESEMANN 1941, 85
1906
BEZZEL 1993, 185
1907
CARL 1995, 257
324 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
1908
NAUMANN 1823, 3/ 510
1909
HOFFMANN 1937, 39
1910
SUOLAHTI 1909, 42
1911
SUOLAHTI 1909, 47
1912
GESSNER/HORST 1669, 60b
1913
FISCHER 1778, 102
1914
GLUTZ VON BLOTZHEIM/BAUER 1988, 11/ 643
PASSERES – SINGVÖGEL 325
1915
GLUTZ VON BLOTZHEIM/BAUER 1988, 11/ 640
1916
FABER 1822, 18
1917
VOIGT 1835, 194
1918
OKEN 1837, 44
1919
Carl 1957, 237
1920
BEZZEL 1995, 398
326 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
1921
BECHSTEIN 1795, 640 + 1807, 3/ 676
1922
NAUMANN 1823, 3/ 363
1923
SVENSSON/GRANT/MULLARNEY/ZETTERSTRÖM 1999, 264
1924
BECHSTEIN 1802, 218 und FRISCH 1760, 147
1925
MÜLLER 1773, 609
1926
BEZZEL 1995, 398
1927
BECHSTEIN 1807, 3/ 675
1928
BELON, um 1555 in: BUFFON/OTTO 1791, 16/ 5
1929
TSCHUDI 1853, 88
PASSERES – SINGVÖGEL 327
1930
SVENSSON/GRANT/MULLARNEY/ZETTERSTRÖM 1999, 264
1931
GLOGER 1834, 192
1932
TSCHUDI 1853, 88
1933
GRIMM/GRIMM 1984, 15/ 2167
1934
PERNAU 1702, 85
1935
SUOLAHTI 1909, 49 und Hans SACHS 1531, V. 174 und BECHSTEIN 1807, 3/ 676
328 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
1936
FRISCH 1763, T. 22
1937
BECHSTEIN 1802, 218
1938
NAUMANNIA 1853, 391 + A. BREHM 1879, 5/ 145
1939
BREHM 1879, 5/ 145
PASSERES – SINGVÖGEL 329
1940
BEAMAN/MADGE 1998, 613, AVIBASE 2011 u. a.
1941
NAUMANN 1823, 3/ 879 + T. 90
1942
C. L. BREHM 1823, 310
1943
MEYER/WOLF 1822, 3/ 98
1944
SVENSSON/GRANT/MULLARNEY/ZETTERSTRÖM 1999, 266
330 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
1945
MEYER/WOLF 1822, 3/ 98 und C. L. BREHM 1823, 311
1946
BREHM 1879, 5/ 145
1947
GLUTZ VON BLOTZHEIM/BAUER 1988, 11/ 593 + 600
1948
C. L. BREHM 1823, 313
PASSERES – SINGVÖGEL 331
chen, die im Inneren sorgfältig mit Ziegenhaaren ausgefüttert sind. Häufig ist
der Eingang durch einen kleinen Wall von Kieselsteinen geschützt.“1949
Trauersteinschmätzer: Bis auf den Bürzel ist das Gefieder schwarz wie eine
Trauerkleidung. Der Hinterkörper ist unten und der Bürzel ist weiß, der
Schwanz am Grunde auch. Schwanzende und -mittelteil sind schwarz, wie
beim Steinschmätzer Oenanthe oenanthe.
Lachender Steinschmätzer: Der Name stammt von OKEN, der den Vogel
nach „Saxicola cachinans, Temm.“ benannte. Der Erregungsruf ist ein hohes
„pie-pie-pie“, „krirr“ oder „hihihihi“. Ein Lachen konnte sonst nirgends be-
stätigt werden, weshalb GMELINS Bezeichnung „Oenanthe leucura“ (Weiß-
schwanz) sinnvoller ist.1950
Braunellen – Prunellidae
Die kleinen spitzschnäbeligen Sperlingsvögel halten sich viel am Boden oder
in niedriger Vegetation auf, wo sie in geduckter Haltung nach Nahrung su-
chen. Ihr Gefieder ist meist braun, beige, grau und schwarz.1951
1949
http://de.wikipedia.org/wiki/Trauersteinschmätzer, Stand: 11.2011
1950
OKEN 1843, 7 und http://de.wikipedia.org/wiki/Trauersteinschmätzer, Stand: 11.2011
1951
SVENSSON et al. 2011, 274
1952
BREHM 1866, 915
332 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
ZORN: „ … hat den Nahmen von der dunkelbraunen Farbe. Ist auch ein
Gewürm- und Fliegenvogel.“1953
GESSNER hatte geschrieben, dass „unsere Weydleut“ kleine Vögel wegen
ihrer Farbe „prunellen“ nennen würden.1954
Der Name „Braunelle“ kommt aus dem alt- und mittelhochdeutschen Wort
brūn oder brûn, für das braune Gefieder. Wahrscheinlich wurde der wissen-
schaftliche Gattungsname „Prunella“ aus dem Deutschen latinisiert.1955
Obwohl die reichliche Literatur, die zur Verfügung stand, keine Antwort gibt,
kann man davon ausgehen, dass der Name „Alpen“-braunelle“ ebenso wie
„Hecken“-braunelle“ von NAUMANN stammt, denn vor 1823 gab es zwar
die „Braunelle“, aber keinen Namen „Alpenbraunelle“.1956
In den Alpenregionen, besonders in der Schweiz, dominierten andere Na-
men. BREHMS „Alpenflüevogel“ ist ein Beispiel, OKENS „Blüttling“ und
BUFFON/OTTOS „Alpengrasmücke“ sind andere.1957 Etliche weitere sind
aus dem Folgenden zu ersehen.
Alpenflüevogel, Alpenfluevogel, Flüevogel, Fluhvogel: „Fluhe“ (Flüe, Flue,
Fluh) ist ein nur im Oberdeutschen, besonders der Schweiz übliches Wort.
Dabei handelt es sich um eine Steinmasse, welche sich in beträchtlicher Breite
oder Höhe erstreckt und auch als Flötz bezeichnet werden kann. Man findet
Quarz- und Sandsteinfluhen. Eine Fluhe kann auch ein Fels, eine Felswand
sein.1958
Die Alpenbraunelle ist ein Vogel der Hochgebirge. In Mitteleuropa findet
man sie in den Alpen, den Karpaten und den Sudeten. Ihr Lebensraum im
Hochgebirge sind sonnige Felshänge oberhalb der Baumgrenze. Auch auf fel-
sigen alpinen Matten kann man sie sehen. Ihr Verbreitungsgebiet liegt zwi-
schen 1500 und 3000 Meter NN. Sie liebt felsiges Gelände und hält sich
meist auf dem Boden auf. Bei Gefahr versteckt sie sich in Felsspalten, unter
überhängenden Steinen oder im Dickicht von Latschenkiefern (o. Qu.).
Der typische Hochgebirgsvogel, der bis zur Schneegrenze vorkommt, weicht
nur im Winter in tiefere Lagen aus. Dann zeigt sich die Alpenbraunelle auch
in Bergdörfern oder bei Skihütten.
1953
SUOLAHTI 1909, 86 und Hans SACHS 1531, V. 119 und PERNAU 1720, 107 und ZORN 1743,
390
1954
SPRINGER 2007, 337
1955
SUOLAHTI 1909, 86
1956
NAUMANN 1823, 3/ 940
1957
BREHM 1866, 914 und OKEN 1837, 52 und BUFFON/OTTO 1791, 15/ 183
1958
ADELUNG 1796, 2/ 230
PASSERES – SINGVÖGEL 333
1959
TSCHUDI 1853, 85 oder BREHM 1866, 265
1960
BREHM 1866, 914 und VOIGT 1835, 210
1961
ANDREAE 1776, 203
1962
MEISNER/SCHINZ 1815, 127
1963
BUFFON/OTTO 1789, 15/ 141
1964
LIPPOLD/FUNKE Lexikon 1801, 1/ 62
1965
ADELUNG 1793, 1/ 1165
334 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
1966
BUFFON/OTTO 1789, 15/ 141 und FRIDERICH 1849, 138
1967
ANDREAE 1776, 202
1968
TSCHUDI 1856, 301
1969
BREHM 1866, 914
1970
BECHSTEIN 1802, 147
1971
Alpina: E. Schrift d. Genauern Kenntniß d. Alpen gewidmet – 1806, Band 1 – Seite 227
PASSERES – SINGVÖGEL 335
Blüttling, Blüttlig: „Blütter“ ist etwas wie Schlamm, „Matsch“ auf Straßen,
Kuhfladen, wo die Vögel – im Winter – nach Nahrung suchen. Die Benen-
nung „Blüttling“ kommt aus „Bündten“. „Blüttling“ bedeutet inhaltlich etwa
soviel wie „Gadenvogel“.1972
Blümtvogel, Blümtlerche, Blümthürlig, Blumthürlig, Blumtüteli, Blum-
trittli: Die Alpenbraunelle hieß im Berneroberland „Blümtvogel oder Blum-
thürlig“. Unter Blümt, Heublümt versteht man die Heusämchen, die die Vö-
gel im Winter in der Nähe von Ställen gerne fressen.1973 Hürlig (Heuerling)
ist ein kleiner (weil junger) Fisch, aber auch wohl ein kleiner (weil junger)
Mensch, sodass der Begriff wohl auch auf einen kleinen Vogel ausgeweitet
werden kann, der Blümt frisst (versch. Quellen).
Spitzvogel: Dieser Name stammt, wie „Bergvogel“, von Alfred BREHM.
BREHM erklärte beide Namen nicht. Da er kurze Bezeichnungen bevor-
zugte, sie durch Umformen auch selber bildete, darf vermutet werden, dass
„Spitzvogel“ auch so ein Kunstname ist, der sich auf den spitzen Schnabel
beziehen könnte.1974
1972
STALDER 1812, 1/ 194
1973
STALDER 1812, 1/ 194
1974
BREHM 1866, 914
1975
GERLACH 1953, 32
1976
SUOLAHTI 1909, 86
336 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
1977
WEMBER 2005, 124
1978
STRESEMANN 1941, 85 und NAUMANN 1823, 3/ 951 und MEYER/WOLF 1822, 254
1979
http://de.wikipedia.org/wiki/Fluh, Stand: 11.2011
1980
HALLE 1760, 336
1981
GLUTZ VON BLOTZHEIM/BAUER 1985, 10/ 1082
1982
ADELUNG 1796, 2/ 789
PASSERES – SINGVÖGEL 337
hals und Brust schieferblau.“1983 Das Wort „Blaukehlchen“ ist schon älter. Es
stammt von BECHSTEIN.1984
Wintergrasmücke, Winternachtigall, Zaunsperling, Heckensperling,
Wilder Sperling: „Alle Grasmücken ziehen um die Mitte des Herbstes fort:
mit dieser geht es umgekehrt; sie bleibt die ganze unangenehme Jahreszeit
über bei uns, und man hat sie mit dem wahren Nahmen Wintergrasmücke
benannt; auch nennt man sie in verschiedenen Provinzen Frankreichs Win-
ternachtigall; in Italien Wilder Sperling (passara salvatica) und in England
Zaunsperling (hedge sparrow). Diese beiden letzteren Nahmen bezeichnen
die Aehnlichkeit seiner schwarz, grau und braunröthlichbunten Federn des
Sperlings.“1985
C. L. BREHM konnte sich das nur für Südfrankreich vorstellen: „Buffon
nennt ihn ‚Wintergrasmücke‘ und wenn dieser Name richtig ist, so verlebt
er wenigstens zuweilen den Winter im südlichen Frankreich. Dieß muß ihm
umso leichter werden, da er die Sämereien, wovon er sich großen Theils nährt,
den ganzen Winter hindurch auf offenen Stellen finden kann. Im mittleren
Deutschland habe ich ihn nie im Winter angetroffen.“1986
„Wo ein Teil der Heckenbraunellen überwintert, lebt der Gesang nach der
Mauserperiode im September oder Oktober wieder etwas auf, ist dann bei
gutem Wetter gelegentlich auch im Winter zu hören“ und setzt noch vor der
Heimkehr der weggzogenen Heckenbraunellen wieder voll ein.1987
Heute wie um 1800, neben „hedge warbler“, wird der Vogel in England
„hedge sparrow“ genannt, also „Heckensperling“. Ein anderer dort verwen-
deter Name ist „dunnok“ („dun“ ist braungrau). Die Heckenbraunelle ist in
England etwa so häufig geworden wie man in neueren Zeiten den (seltener
gewordenen) Sperling in Deutschland empfindet.
Titling: „Titling“ war, neben „hedge sparrow“, ebenfalls ein Name der He-
ckenbraunelle in England. Der Name könnte durch Lautmalung entstanden
sein, z. B. aus der eilig zwitschernden Folge „TÜtelliTItellitiTÜtellü …“1988
Baumnachtigall: Die Heckenbraunelle singt zwar gerne von der Spitze nicht
zu hoher Bäume, aber auch von den Spitzen der höchsten Bäume.1989 Der Ge-
1983
MEYER/WOLF 1810, 245
1984
BECHSTEIN 1807, 3/ 616
1985
BUFFON/OTTO 1791, 15/ 167
1986
C. L. BREHM 1821, 2/ 93
1987
GLUTZ VON BLOTZHEIM/BAUER 1985, 10/ 1092
1988
BUFFON/OTTO 1791, 15/ 167 und SVENSSON/GRANT/MULLARNEY/ZETTERSTRÖM
1999, 256
1989
BEZZEL 1993, 146
338 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
sang besteht aus sehr schnell vorgetragenen Strophen mit silberhellem Klang.
Die Strophendauer variiert in weiten Grenzen. Die Vögel können sehr leise,
aber auch kräftig singen.1990
„Dieser Vogel, dem man mit Unrecht den Namen Baumnachtigall beylegt,
da sein Gesang, ob er gleich nicht unangenehm klingt, doch nichts als eine
einzige Strophe enthält, in welcher die Töne ‚Dihudi, Hudi!‘ etliche Mal wie-
derholt abnehmend und herabsteigend vorkommen … “1991
BREHM zitierte seinen Vater: „Ihr Gesang besteht aus wenigen Tönen, wel-
che durch einander gewirbelt werden und nicht viel Anmuthiges haben.“1992
NAUMANN empfand die Stimme anders: „Der Gesang des Männchens ge-
hört zwar nicht unter die ganz vorzüglichen, hat aber doch auch vieles An-
genehme.“1993 Und schließlich: „In der Nacht singet sie sehr angenehm.“1994
Bergnachtigall: BECHSTEIN hatte diesen Namen für die Heckenbraunelle
erfunden und NAUMANN hat ihn übernommen – ein nicht sehr glück-
lich gewählter Ausdruck. Vorlage könnte der „Flüevogel“ gewesen sein. In der
Literatur war keine weitere diesbezügliche Quelle zu finden. „Bergnachtigal-
len“ waren überwiegend Bergfinken, daneben Steinschmätzer, ausnahmsweise
auch die Nachtigall.1995
Bastardnachtigall: Die Benennung ist unpassend. BECHSTEIN schrieb
1795 (p. 576): „Sein leiser, einförmiger, zärtlicher Gesang ist nicht unan-
genehm.“ Darunter folgte eine Fußnote: „Daß er dem Gesang der Nachti-
gall ähnele, ist unbegründet.“ BECHSTEIN wiederholte den Namen in al-
len Werken, NAUMANN übernahm ihn, – aber eine „Bastardnachtigall“ ist
sonst fast ausschließlich der Gelbspötter.1996
Schön singende Bachstelze: Über die Zuordnung zu den Bachstelzen, den
„Motacillen“, im 18. Jahrhundert siehe die Einleitung zu den Motacilliden.
Linné hatte den Vogel schon 1758 zu den Bachstelzen ( Motacilla modularis)
gezählt.1997
1990
BERGMANN/HELP 1982, 256
1991
BECHSTEIN 1795, 570
1992
BREHM 1866, 913
1993
NAUMANN 1823, 3/ 951
1994
FISCHER 1791, 101
1995
BECHSTEIN 1807, 3/ 616
1996
BECHSTEIN 1795, 576
1997
ADELUNG 1793, 1/ 1165
PASSERES – SINGVÖGEL 339
„Ihr Gesang ist beliebt. Sie wiederholen oft mit sanften zitterndem Tone: Ti-
tit-tititit (Büffon), und lassen ihre Klagetöne auch am meisten des Abends
hören.“1998
Großer Zaunschlüpfer, Großer Zaunkönig, Zaunschliefer: „Dieser Vogel
hat viele Ähnlichkeiten mit dem Zaunschlüpfer [Zaunkönig], und heißt da-
her auch „Großer Zaunschlüpfer“.1999 Die Heckenbraunelle ist etwa 14 cm
lang, der Zaunkönig 10 cm. „Zaunschliefer“ bedeutet „Zaunschlüpfer“.
Eisensperling, Eisenvogel, Eisenkrämer: BUFFON schrieb: „Man sieht ihn
in Schweden, und es könnte sogar nach dem Nahmen, den ihm Linne gibt,
scheinen, daß er sich im Winter nicht von da entfernt, und daß seine Federn,
der Wirkung eines strengen Klima unterworfen, in dieser Jahreszeit daselbst
weiß werden.“ Und a. a. O: „Passer canus ward er vielleicht nach dem schwe-
dischen Nahmen („Järnsparf, Eisensperling“) genannt.“2000 „Canus“ (lat.) be-
deutet grau. Eisen kann auch grau sein und das Gefieder sollte unter dem
Einfluss der Kälte „weiß(er)“ werden.
Ein „Eisenkrämer“ handelt mit allerlei Eisenteilen. BUFFONS angeblicher
jahreszeitlicher und kälteabhängiger Gefiederfarbwechsel des Vogels mag
BECHSTEIN zu der Vergabe des Kunstnamens „Eisenkrämer“ beeinflusst
haben.2001
Isserling: Die Braunelle „hat in Thüringen den Namen ‚Isserling‘ von ihrem
lauten scharftönenden Geschrey ‚Ißri!‘ erhalten, welches sie gern frey sitzend,
damit es desto weiter schallet, und mit einer jedesmaligen Verbeugung von
sich giebt.“2002
SUOLAHTI übernahm diese „Vorlage“ nicht: In dem niederdeutschen Sy-
nonym „Iserling“ steckt das in der Umgebung von Göttingen gebrauchte
Wort „îser“ für Eisen, dessen Farbe der der Braunelle ähnelt („schieferfarbige
Brust“).2003
Es bleibt die in diesem Fall unwahrscheinliche Möglichkeit, dass „Iserling“
und „Isserling“ nicht zusammenhängen.
Prunellgrasmücke, Braunellgrasmücke, Graufahle Grasmücke, Gesang-
grasmücke: Zu den sog. „Motacillen“ zählte man im 18. Jahrhundert noch
eine Reihe von Vogelgruppen, zu denen auch die Grasmücken, Nachtigallen,
1998
MARTINI 1784, 5/ 19
1999
OKEN 1837, 52
2000
BUFFON/OTTO 1791, 15/ 177 + 178
2001
BECHSTEIN 1807, 3/ 616
2002
BECHSTEIN 1795, 572
2003
SUOLAHTI 1909, 87
340 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
2004
MARTINI 1785, 5/ 17
2005
BUFFON/OTTO 1791, 15/ 170 und NAUMANN 1823, 3/ 951
2006
ADELUNG 1796, 2/ 783
2007
BUFFON/OTTO 1791, 15/ 170
2008
GLUTZ VON BLOTZHEIM/BAUER 1985, 10/ 1109
2009
HALLE 1760, 336 und KRÜNITZ 1780, 19/ 776
2010
NAUMANN 1823, 3/ 951
PASSERES – SINGVÖGEL 341
Speckspanier: „Sein Fleisch ist sehr wohlschmeckend und fast immer fett, im
Herbst oft so fett wie bei den Lerchen; deswegen hieß er auch sonst bei den
alten Vogelstellern der hiesigen Gegend der Speckspanier.“2011
Krauthänfling: Diese Bezeichnung gehört eigentlich den Hänflingen, die
man auch auf kräuterbestandenen Ländereien sehen kann. Das trifft aber
auch auf die insektenfressende, dort Nahrung suchende Heckenbraunelle zu,
die den Hänflingen entfernt ähnelt.
Strohkratzer: „Bei der stärksten Kälte in dieser rauhen Jahreszeit nähert sich
diese Grasmücke den Scheunen und Dreschtennen, wo man Korn drischt,
um in dem Stroh einige kleine Körner auszusuchen. Wahrscheinlich kommt
daher der Name Strohkratzer. … Sobald die Kälte wieder nachläßt, fährt er
fort in die Hecken zu gehen und sucht auf den Zweigen die Puppen und tod-
ten Blattläuse auf.“2012
Wollentramper: Der „Wollentramper“ erschien bei GATTERER 1782 als
einer von drei Leitnamen für die „Motacilla modularis“. Eine Erklärung des
Wortes zu finden, war nicht möglich.
Eine Trampe ist „im Feuer geschmiedetes Eisen“2013, das grau-schwarz aus-
sieht, nach kurzer Zeit aber Rost ansetzt. „Wollen-“ könnte sich hier auf das
Gefieder beziehen. OKEN erwähnte ein „Woll“huhn aus Japan, „mit lockern,
haarartigen Federn.“ Bedeutet Wollentramper „Vogel mit rostbraunem Ge-
fieder“?
2011
NAUMANN 1823, 3/ 951
2012
BUFFON/OTTO 1791, 15/ 176
2013
GRIMM/GRIMM 1984, 21/ 1178 und OKEN 1837, 607
2014
http://de.wikipedia.org/wiki/Bergbraunelle, Stand: 11.2011
342 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
Sperlinge – Passeridae
Früher glaubte man, dass die Familie der Sperlinge eng mit den afrikanischen
Webervögeln verwandt sei und ordnete demzufolge die Sperlinge als Unter-
familie (Passerinae) der Familie der Webervögel zu. Vergleiche der DNA-Se-
quenzen verschiedener Arten haben ergeben, dass ebenfalls Verwandtschafts-
beziehungen zu Stelzen, Piepern und Braunellen bestehen. Auch wenn dies
weiterhin umstritten ist, sieht man die Sperlinge heute deshalb als eigenstän-
dige Familie (Passeridae).2018
Zu Haus- und Feldsperling: Etliche Namen mit derselben Vorsilbe (Feld-,
Baum-, Wald- u. a.) enden auf „-sperling“, „-fink“ und „-spatz“. Bei „-sper-
ling“ ist die Gruppenzugehörigkeit zu den Sperlingen gemeint, „-fink“ und
„-spatz“ sind die Übersetzungen der lateinischen Namen „Fringilla“ und „Pas-
ser“, die man den Sperlingen, die heute dauerhaft „Passer“ heißen, wechsel-
weise gegeben hat.
2015
BEAMAN/MADGE 1998, 48
2016
MEYER/WOLF 1822, 101
2017
C. L. BREHM 1823, 256 und NAUMANN 1823, 3/ 949
2018
http://de.wikipedia.org/wiki/Haussperling, Stand: 24.10.2011
PASSERES – SINGVÖGEL 343
etwas an dem verhaßten Gesellen sei, das sich verwenden ließe: gegen Som-
mersprossen solle er ein bewährtes Mittel sein, und die Leute auf dem Land
hätten ihn mit Öl aufgewärmt, um so ihre Zahnschmerzen zu lindern. Man
brauche dieses Mittel nur hinter das Ohr der schmerzhaften Seite zu stecken!
… und – ein wenig davon genossen, sei ein herzhaftes Mittel, um die Verdau-
ung zu regeln. Gesegnete Mahlzeit!“2019
Früher, noch um 1800, hat es so viele Spatzen gegeben, dass sie zur Plage
wurden. Was in einem Regierungs-Amtsblatt, das am 20. Januar 1816 im
niedersächsischen Dülmen erschien, stand, beschrieb G. PETERS (2004):
„Bis zum 1. April muß laut Verordnung des Oberpräsidenten von Vincke,
jeder Bewohner eines Hauses in der Stadt 2, auf dem Lande 4 Sperlinge der
Polizei einliefern bei Vermeidung einer Strafe von 2 Groschen für jedes bis da-
hin nicht gelieferte Stück. Die Spatzen wurden den Polizeidienern übergeben,
diese rissen ihnen die Köpfe ab und lieferten solche an den Bürgermeister.“
Haussperling, Sperling, Gemeiner Sperling: Der Name des Sperlings
kommt aus dem Germanisch-Althochdeutschen. Dort hieß der Sperling „spa-
ro“, mittelhochdeutsch „spar“ oder „spare“ und wurde dann später zu „spar-
link“ und „sperlink“. „Sparo“ bezieht sich möglicherweise auf die hüpfende
Fortbewegung des Vogels.2020
Es werden auch Ableitungen des Namens aus dem Griechischen für zutref-
fend gehalten. So heißt „spergoulos“ „kleiner Vogel“, und ein anderes Wort,
„spairein“ bedeutet „zappeln“, was der Sperling bei seinem Ruf ja tatsächlich
dauernd tut (o. Qu.).
„Haussperling“ ist der Leitname bei BUFFON/OTTO.2021
Spatz, Hausspatz: „Spatz“ ist als Koseform aus sparo entstanden.2022 Das
Wort wird seit dem 13. Jahrhundert verwendet. „Der Namen Spatz kommt
mit dem Lateinschen ‚Passer‘ überein.“2023 „Hausspatz“ ist eine Übersetzung
von „Passer domesticus“.
Dieb, Hausdieb, Speicherdieb, Felddieb: Die Lautnachahmung stand
Pate für einen Begriff, den die Menschen auch so meinten. „…das tschirp
tschirp…, welches manche als Dieb verstehen…“ und „…locken Schilk und
Dieb, …“.2024
2019
FRIELING 1942, 15
2020
SUOLAHTI 1909, 124
2021
BUFFON/OTTO 1790, 10/ 172
2022
SOULAHTI 1909, 126
2023
FRISCH 1763, T. 8
2024
CURTMANN/WALTER 1846, 232 und OKEN 1816, 395
344 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
Die Sperlinge bildeten früher oft sehr viel größere Trupps als wir sie heute
kennen. Dadurch wurden sie für die Bauern merkbar schädlich.
„Mit Recht gilt der Sperling für den Garten- und Getreidebau als gefährlicher
Schädling und erscheint deswegen schon in Kleins ‚Historiae‘ [1760] als Spei-
cherdieb und Korn-Werfer, und noch heute heißt er in ganz Niederdeutsch-
land Korndieb, dann auch Haus-, Siecher-, Feld-, Gerstendieb. Da er sowohl
ein unordentlicher als auch aufdringlicher, nur mit Mühe und Gewalt zu ver-
treibender Vogel ist“, beschimpfe man ihn eigentlich überall,2025 inzwischen
zu Unrecht. Es ist kaum vorstellbar, wie sehr die Zahl der Sperlinge zurück-
gegangen ist. „In Deutschland z. B. ging der Bestand von rund 14 Millionen
Brutpaaren auf 6 Millionen Paare um mehr als 50 % zurück, Großbritannien
verlor ebenfalls rund 6 von früher 12 Millionen Paaren. … Haussperlinge als
ehemalige ‚Mitesser‘ finden heutzutage … keine Ersatznahrung in unseren
ausgeräumten Landschaften.“2026
Gerstendieb: Wie auch der Feldsperling hatte der Haussperling diesen Na-
men, „weil er der Gerste nachstellet, daher er auch Felddieb genannt wird“.2027
Kornsperling, Kornwerfer: Er kommt überall vor, wo es Getreide gibt, be-
sonders auf Getreidefeldern und Kornböden. „Er ist bekanntlich ein arger
Korndieb, und schreyt selbst beständig Dieb.“2028 Mit dem „Werfen“ wird auf
das „großzügige“ Picken hingewiesen, bei dem die Körner in alle Richtungen
fliegen.
Lüning: Dieses Wort wurde im Niederdeutschen verwendet. Es ist als „hliu-
ning“ aus dem Altniederdeutschen des 9. Jahrhunderts bekannt. Die Bedeu-
tung des Ausdrucks ist völlig unklar.2029 Dagegen: In Norddeutschland wird
er je nach Region Lüning, Lüntje, Lünk oder Dacklüün genannt, was soviel
heißt wie „der Lärmende“.2030
Sperk: Auch dieser Sperlingsname scheint sehr alt zu sein und kommt als
„sperch“ vielleicht sogar schon aus der vorgermanischen Zeit. Belegt ist er seit
dem 11. Jahrhundert (p. 126). Die spätalthochdeutsche Namensform „sper-
ke“ könnte man so deuten, dass der Sperling im Gegensatz zu den fliegenden
Vögeln ein „Hüpfling“ wäre (p. 125).2031
2025
GATTIKER/GATTIKER 1989, 96
2026
BERTHOLD/MOHR 2006, 8
2027
ADELUNG 1796, 2/ 595
2028
OKEN 1837, 274
2029
SUOLAHTI 1909, 127
2030
http://de.wikipedia.org/wiki/Haussperling, Stand: 24.10.2011
2031
SUOLAHTI 1909, 126 + 125
PASSERES – SINGVÖGEL 345
„Es haben einige gemeint, sein Name komme von den Dach-Sparren her,
zwischen welchen er zu hecken pflegt: Allein ist es wahrscheinlicher von sei-
nem Geschrey, welches, wie aller andrer kleiner Vögel-Gesang, sperken oder
spirken vor Alters hieß. Daher nennt man ihn in Francken Sperk.“2032
Rauchsperling, Hofsperling: Der Sperling nistete auf Bauernhöfen auch in
verlassenen Nestern der Rauchschwalbe in der Nähe von Feuerstellen (Küche).
„Man trifft Sperlinge an, die weit fauler, aber auch zu gleicher Zeit dreister als
die andern sind, und die sich nicht bemühen, ihr Nest zu bauen, sondern die
Schwalben aus ihrem Neste verjagen.“2033
„Hofsperling“ findet man schon 1759 bei GROSSKOPFF. Der Name bedeu-
tet „Haussperling“.2034
Sparling, Spaarling: In Göttingen und Grubenhagen war „Sparling“ der üb-
liche Ausdruck, ebenso in Preußen und Pommern.2035
Spar, Sparr, Sperr: „Spar“ war früher neben „Sparr“ in Mundarten neben
„Sperling“ und der Koseform „Spatz“ verbreitet (Belege von etwa 1600), wur-
de aber aus der neuhochdeutschen Schriftsprache verdrängt.2036 Nach HEY-
SE/HEYSE ist „Sperling“ eine Verkleinerungsform von „Spar“.2037
Faulsperling: „Sie folgen der menschlichen Gesellschaft, um auf deren Un-
kosten zu leben. Da sie faul sind und viel fressen, so nehmen sie ihren Unter-
halt aus schon ganz aufgefüllten Vorräthen, das heißt, sie leben von den Gü-
tern eines andern. Unsere Scheunen, Kornböden, Höfe, Taubenhäuser, mit
einem Worte, alle Oerter wo man Korn sammlet oder ausschüttet, besuchen
sie am vorzüglichsten. Und da sie ebenso gefräßig als zahlreich sind, so thun
sie mehr Schaden als Nutzen stiften; denn ihre Federn taugen zu nichts, ihr
Fleisch ist nicht wohlschmeckend, ihre Stimme beleidigt unsre Ohren, ihre
Zudringlichkeit ist beschwerlich, ihr unverschämter Muthwillen ist lästig, sie
sind überhaupt Geschöpfe die man überall antrifft, und von denen man nicht
weiß, was man mit ihnen machen soll und die so viel Verdruß verursachen,
daß sie in gewissen Gegenden in die Acht erklärt und ein Preis auf ihr Leben
gesetzt worden ist.“2038
Hausfink: Nachdem BECHSTEIN den Vogel lange als „Haussperling“ be-
zeichnet hatte, betitelte er die Überschrift 1807 mit „Der Hausfink oder
2032
FRISCH 1763, T. 8
2033
BUFFON/OTTO 1790, 10/ 198
2034
GROSSKOPFF 1759, 174
2035
SUOLAHTI 1909, 129
2036
GRIMM/GRIMM 1984, 16/ 1919
2037
HEYSE/HEYSE 1849, 979
2038
BUFFON/OTTO 1790, 10/ 183
346 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
2039
BECHSTEIN 1807, 3/ 107
2040
MEYER/WOLF 1810, 1/ 156
2041
BÖNING 1984, 64
2042
KÖHLER 1908, 15
2043
SUOLAHTI 1909, 124
2044
SUOLAHTI 1909, 130
PASSERES – SINGVÖGEL 347
2045
SUOLAHTI 1909, 131
2046
OTTO in BUFFON/OTTO 1790, 10/ 228
2047
SIEMSEN 1794, 124
2048
FRISCH 1763, T. 8
2049
Hans SACHS 1531, V. 169 + V. 195
2050
SOULAHTI 1909, 126
2051
SRINGER 2007, 337
2052
GESSNER/HORST 1669, 108b
2053
MÜLLER 1773, 593
348 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
Nach BUFFON hätten einige „Naturforscher“ den Bergsperling als eine Va-
riation („nur sehr wenig merkliche Abänderungen“) des Feldsperlings ange-
sehen. OTTO dazu: „Es sind nicht einmal Spielarten, sondern einerlei Vö-
gel.“2054
Den Namen „Bergfink“ gab es als „fringilla montana“ schon 1585 bei GESS-
NER.2055
Baumfink, Baumspatz, Waldsperling, Waldfink, Waldspatz, Holzsper-
ling, Holzfink, Holzspatz: „Waldsperling, eine Art Sperlinge, welche in den
Wäldern wohnen, uns aus denselben die Felder bestehlen.“2056 „Er ist weniger
schlau und scheu als der Sperling, aber noch beweglicher, nistet in Löcher, be-
sonders der Obstbäume.“2057 Feldsperlinge brüten, wenn möglich, in Baum-
höhlen. Man findet sie deshalb auch in Gebieten mit lichten Baumbeständen,
Wäldern, an Waldrändern oder in Feldgehölzen. Der Feldsperling brütet auch
an Häusern und in Gärten wie der Haussperling. Er bevorzugt zwar natür-
liche Baumhöhlen, nimmt aber auch Nistkästen oder Nischen an Häusern
an.2058 „Holz-“ in den Namen steht für „Baum-“ oder/ und „Wald-“.
Weidensperling, Weidenfink, Weidenspatz: Es besteht kein Zusammenhang
mit dem „Weidensperling“ genannten Feldsperling und dem auch „Weiden-
sperling“ genannten „Spanischen Sperling“ ( Passer hispaniolensis). Die Namen
„Wydenspatz“ und „Weidensperling“ könne man nach SUOLAHTI schon
bei GESSNER, SCHWENCKFELD u. a. finden.2059
„Er liebt besonders Eichen und Weiden, denn er bewohnt auch die bloßen
Kopfweidenpflanzungen in den Auen und Feldern.“2060
Muschelsperling, Holzmuschel: „Holzmuschel oder wilder Sperling“ waren
die Leitnamen für den Feldsperling bei DÖBEL.2061 „Holzmuschel“ ist offen-
bar eine Umdeutung des rheinischen „Musche“.2062
Der Ursprung des Namens ist Holland. „Wir haben nämlich in dem Bestim-
mungswort nichts anderes als eine den ursprünglichen Sinn völlig verdrehen-
de Abänderung des holländischen, in Deutschland aber vielseits nicht ver-
standenen Namens Musch (= Sperling) vor uns. Die Bezeichnung Muschel-
2054
BUFFON/OTTO 1790, 10/ 233
2055
SPRINGER/KINZELBACH 2009, 67
2056
ADELUNG 1801, 4/ 1361
2057
OKEN 1837, 275
2058
SVENSSON/GRANT/MULLARNEY/ZETTERSTRÖM 1999, 342
2059
SUOLAHTI 1909, 131
2060
NAUMANN 1824, 4/ 480
2061
DÖBEL 1785, 1/ 225
2062
SUOLAHTI 1909, 131
PASSERES – SINGVÖGEL 349
2063
HOFFMANN 1937, 90
2064
ADELUNG 1798, 3/ 296
2065
BUFFON/OTTO 1790, 10/ 228
2066
MEYER/WOLF 1810, 1/ 158
2067
GESSNER/HORST 1669, 109
2068
BECHSTEIN 1795, 401
350 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
Der Feldsperling ist ein Bewohner des Waldes, der aber genug alte Bäume
mit Höhlen darin haben muss. Dabei geht er stets höher (bis 1000 m) in die
Gebirge hinauf als der Haussperling, daher wohl „montanus“ im wissenschaft-
lichen Namen.2069
Rohrsperling, Rohrfink, Rohrspatz: Mit „Rohrsperling“ bezeichnete man
den Vogel früher im heutigen Sachsen-Anhalt.2070
Im Sommer übernachten die Feldsperlinge gerne in dicht belaubten Weiden-
bäumen, aber auch im hohen Rohr der Teiche, „wo sie vor dem Schlafen-
gehen, hier wie dort, gewöhnlich erst ein sehr lautes gemeinschaftliches Ge-
schwätz halten und sehr viel Lärm machen“.2071
Das Rohr (norddeutsch „Reet“) ist auch tagsüber bei diesen Vögeln sehr be-
liebt. Es werden aber mehr die Randbereiche genutzt. Die unter diesem Na-
men bekannteren „Rohrspatzen“, die Rohrammern, nutzen die ganzen Reet-
flächen. Als „Rohrsperlinge“ kannte man auch Schilf-, Drossel- und Teich-
rohrsänger.
Rohrleps: Auch diesen Namen hat die Rohrammer mit dem Feldsperling
gemeinsam, woraus gefolgert werden kann, dass „Rohrleps“ mit „Rohrspatz“
gleichzusetzen ist.
Gerstendieb, Felddieb: Die Lautnachahmung stand Pate für einen Begriff,
den die Menschen auch so meinten. „…das tschirp tschirp…, welches man-
che als Dieb verstehen…“.2072
Die Sperlinge waren für die Bauern merkbar schädlich. „Im gemeinen Leben
[ist Gerstendieb] eine Benennung des Baum- oder Waldsperlings, weil er der
Gerste nachstellet, daher er auch Felddieb genannt wird.“2073
Wilder Sperling: „Wilder Sperling“ (Leitname bei DÖBEL, s. o.) war ein
üblicher, verbreiterter Name für den Feldsperling, im Gegensatz zum „Haus“-
Sperling. Wild war also keine Temperamentsbeschreibung.
Fricke, Frick: In seinem Werk „Histoire de la nature des oyseaux“ aus dem
Jahr 1555 bezeichnete Pierre BELON den Feldsperling als „Friquet“, aus
dem OKEN (1816) wahrscheinlich das deutsche „Frick“ machte.2074 „Fricke“
stammt von NAUMANN.
2069
NAUMANN 1824, 4/ 480
2070
NAUMANN 1824, 4/ 149
2071
NAUMANN 1824, 4/ 480
2072
CURTMANN/WALTER 1846, 232
2073
ADELUNG 1796, 2/ 595
2074
BUFFON/OTTO 1790, 10/ 227 und OKEN 1816, 396
PASSERES – SINGVÖGEL 351
2075
http://derstandard.at/1317018813507/Seltener-Gluecksfall-Italienischer-Spatz-ist-eine-neue-Spezi-
es, Stand: 25.10.2011
2076
OKEN 1837, 274 und C. L. BREHM 1823, 184
352 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
2077
http://de.wikipedia.org/wiki/Italiensperling, Stand: 25.10.2011
2078
http://de.wikipedia.org/wiki/Weidensperling, Stand: 25.10.2011, verändert
2079
BREHM 1866, 3/ 162
2080
BREHM 1879, 5/ 317
PASSERES – SINGVÖGEL 353
2081
BEAMAN/MADGE 1998, 757
2082
C. L. BREHM 1823, 1/ 185 und MEYER/WOLF 1822, 3/ 53
2083
BREHM 1866, 3/ 162
2084
http://de.wikipedia.org/wiki/Steinsperling, Stand: 28.10.2011
354 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
2085
C. L. BREHM 1820, 1/ 724
2086
NAUMANN 1824, 4/ 497
2087
BUFFON/OTTO 1790, 10/ 255 und BECHSTEIN 1807, 3/ 133
2088
BECHSTEIN 1802,120
2089
GOEZE/DONNDORF 1795, 5-1/ 217
2090
MÜLLER 1773, 591
PASSERES – SINGVÖGEL 355
aus diesem Grunde ist er von den meisten Naturforschern der Waldsperling
genannt worden“.2091
Die heutige Biotopbeschreibung sieht anders aus als die von NAUMANN
und BUFFON: Der Steinsperling ist „Brutvogel warmer, oft trockener Ge-
biete vom Kulturland bis in aride Steppengebiete oder felsige Gebirge, über-
wiegend in offenem Gelände mit steilen Wänden, Steinbrüchen Ruinen oder
auch in Siedlungen und in locker mit Bäumen bestandenem Kulturland“.2092
Baumfink, Baumsperling: Der offensichtliche Kunstname „Baumfink“ für
diese Art stammt von BECHSTEIN (1807), für den es diesen Namen für den
Steinsperling 1795 noch nicht gab. NAUMANN „vollendete“ mit Baum-
sperling“. Die Namen scheinen nach der Vorlage von „Waldfink, -sperling“
inhaltsgleich gebildet worden zu sein.2093
Weidensperling: Der Name ist eine Erfindung NAUMANNS, bis zu der
man unter „Weidensperling“ immer den Feldsperling verstanden hatte. Im
GOEZE/DONNDORF wurde sogar vor einer Verwechslung mit „Petronia“
gewarnt.2094
Nußsperling: Man nannte den Vogel „Nußsperling“, „weil er sich oft auf
hohe Nußbäume setzt“.2095
Der Steinsperling brütet in fast allen denkbaren Arten von Höhlen oder Spal-
ten, zu denen Baumhöhlen (Eichen, Nuss- und Obstbäume u. a.) gehören,
aber auch Felsspalten oder Löcher und Ritzen in Mauerwerk.2096
Wilder Sperling: C. L. BREHM beschrieb den Vogel als äußerst scheu, rasch
und schnell. Die Scheuheit „in solchem Maße“ kenne er von keinem anderen
Vogel. „Das Sonderbarste dabei ist, daß er an dem Orte, wo er Nachtruhe
hält, am Allerscheusten ist.“2097 Auch NAUMANN beschrieb den Steinsper-
ling zwar als munter und keck, aber auch sehr scheu und dem Haussperling
im Verhalten ähnlich.
2091
BUFFON/OTTO 1790, 10/ 257
2092
BEZZEL 1993, 596
2093
BECHSTEIN 1807, 3/ 133 und NAUMANN 1824, 4/ 497
2094
GOEZE/DONNDORF 1795, 5-1/ 213
2095
GOEZE/DONNDORF 1795, 5-1/ 217
2096
GLUTZ VON BLOTZHEIM/BAUER 1997, 14/ 238
2097
C. L. BREHM 1820, 1/ 709 und NAUMANN 1824, 4/ 497
356 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
auf die Bäume. Alle ächten Finken nisten auf Bäume, die Schneefinken in
Felsen. Alle ächten Finken haben einen eigenthümlichen Flug und hüpfen;
die Schneefinken fliegen fast wie die Staaren, und gehen wie die Lerchen.“2098
Schneefink: Der 1766 von LINNÉ „Fringilla nivalis“, übersetzt „Schnee-
fink“, genannte Vogel hieß im Englischen bei LATHAM „Snowfinch“, also
„-finch“, nicht „-sparrow“.
BECHSTEIN übernahm die „Schneefink“-Übersetzung. „Der Name dieses
Finken kann theils von seiner weißen Farbe, theils von seinem Aufenthalte auf
den höchsten Gebirgen, theils von der Aehnlichkeit herkommen, die er mit
dem Schneeammer hat.“2099
Die „Fringillinae“ bilden heute die Unterfamilie der Edelfinken mit den drei
Arten Buch-, Berg- und Teidefink. Es sind die einzigen europäischen Vögel
der Familie „Fringillidae“, deren Name mit -fink endet. Außereuropäische
„Finken“ sind z. B. die Darwin-Finken, die aber nicht zu den Fringillidae
gehören. „Montifringilla nivalis“ gehört in die Familie der „Passeridae – Sper-
linge“, weshalb er zu Recht den Namen Schnee„sperling“ trägt. Dennoch
wird der Vogel immer noch häufig als „Schneefink“ bezeichnet, ein Name,
der noch zu Zeiten NAUMANNS auch ein Trivialname der Schneeammer
war (versch. Qu.). Auch für NIETHAMMER (1937) war der Vogel noch ein
Schneefink.
Alpenfink, Schneevogel, Steinfink: „Alpenfink“ und „Schneevogel“ findet
man zuerst bei NAUMANN.2100 „Schneevogel“ hatte man für mehrere Arten
verwendet, nicht aber für den Steinsperling. „Steinfink“ wurde für diese Art
nur einmal „vor NAUMANN“ in einer Quelle aus dem Jahr 1816 gefun-
den.2101 Die drei Kunstnamen bedeuten das gleiche. Der Vogel lebt in felsigen
Bergregionen, im Hochgebirge oft zwischen 1900 m und 3100 m Höhe. Sein
Verbreitungsgebiet ist allerdings nicht auf die Alpen beschränkt: „Alpen“ ist
ein alter Ausdruck für Gebirge. „Der Schneefink hält sich immer da auf, wo
der ewige Schnee beginnt. Dort lebt er gesellig in größeren Truppen von In-
sekten und Sämereien und nistet in Felsritzen.“2102 Auch im Winter bleibt er
in der hochalpinen Zone. Dann sucht er an Futterplätzen, um Berghütten
und -stationen oder schneefreien Bereichen nach Sämereien.
2098
C. L. BREHM in: OKEN ISIS 1830, 793
2099
BECHSTEIN 1795, 4/ 404
2100
NAUMANN 1826, 5/ 4
2101
KOCH 1816, 216: Die Säugethiere und Vögel Baierns
2102
SCHUBERT 1886, 13
PASSERES – SINGVÖGEL 357
Stelzenverwandte – Motacillidae
Zu den Motacillidae gehören Pieper und Stelzen. Pieper sind braungestreifte
Vögel mit weißen oder weißgestreiften Schwanzkanten, die weniger schlank
sind als Stelzen. Manche haben eine lange Kralle an den Hinterzehen. Die
Geschlechter sind gleichgefärbt.
Die eigentlichen Stelzen sind schlank und kräftig gezeichnet, haben einen
schlanken Schnabel, lange Beine und einen langen Schwanz. Die Geschlech-
ter sind mehr oder weniger deutlich unterscheidbar. Sie nisten am Erdboden,
in Felsen oder Spalten.2103
2103
http://de.wikipedia.org/wiki/Stelzen_und_Pieper, Stand: 5.10.2012
2104
MARTINI 1784, 5/ 6
2105
LIEBE 1893, 50
358 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
Der Name der Vogelgruppe entstand vor allem aus den Lockrufen des Wie-
senpiepers. Andere Pieper wurden nach der Verwandtschaft mit dem Wiesen-
pieper benannt, nicht nach eventuellen Piep-Rufen. Die Gesänge werden oft
in typischem Singflug vorgetragen.
Die im Straßburger Vogelbuch von 1554 und die bei GESSNER genannten
Namen sind Ableitungen von dem onomatopoietischen Verb „gicken“, das
„piepen“ bedeutet. Die in der Schweiz damals gebräuchlichen Begriffe leiten
sich ab von „gixen“ oder „gipsen“, das ist „in feinem hohem Ton piepsen“.2106
„So wie diese Vögel dem blossen Ansehen nach ein Bindeglied oder einen
Übergang von den Bachstelzen zu den Lerchen bilden, so bestätigen sie dies
auch durch ihre Sitten und Lebensart. – Man zählte sie sonst zu den Lerchen,
aber mit Unrecht, weil sie keine Sämereien fressen; doch kann man sie eben-
sowenig der Bachstelzengattung, der sie hinsichtlich ihrer Nahrung gleichen,
beigesellen, weil ihr Betragen von dem dieser wieder zu sehr abweicht.“2107
So erklären sich viele Piepernamen, die auf „-lerche“ oder „-bachstelze“ enden.
„Die Pieperarten sind in den meisten älteren Werken so miteinander verwech-
selt, daß sich diese Verwirrung nicht lösen läßt.“2108
2106
SUOLAHTI 1909, 94
2107
NAUMANN 1823, 3/ 743
2108
NAUMANN 1823, 3/ 745
2109
NAUMANN/HENNICKE 1900, 3/ 71
PASSERES – SINGVÖGEL 359
2110
GLOGER 1834, 269
2111
OKEN 1843/ 8
2112
http://de.wikipedia.org/wiki/Brachpieper, Stand: 1.01.2011
2113
VOIGT 1835, 194
2114
BECHSTEIN 1807, 3/ 722 und STRESEMANN 1941, 82
360 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
2115
NAUMANN 1823, 3/ 745
2116
BREHM 1879, 5/ 254 und BECHSTEIN 1807, 4/ 722
2117
BECHSTEIN 1795, 133 + 1807, 4/ 722 und BREHM 1879, 5/ 254
2118
GÖTTINGISCHE gelehrte Anzeigen 1820, 3/ 2071
2119
ZORN 1743, 295
2120
KRÜNITZ 1779, 17/ 379
2121
NAUMANN 1823, 3/ 913
PASSERES – SINGVÖGEL 361
Unter „Kot“ verstand man früher mit Wasser befeuchtete oder flüssig gemach-
te Erde, besonders, sofern sie sich auf den Straßen oder Wegen befindet, also
Matsch, Dreck.2122 Nach anderen Quellen bedeutet „kotig“ auch „sumpfig“.
Feldbachstelze: PERNAU schrieb in der Angenehmen Landlust: „Ich verste-
he nemlich denjenigen Vogel [als Kothlerche]/ welcher im Sommer als eine
Kornlerche schreyend über weite Felder/ meistens an dürren Hügeln/ dahin
flieget/ und mit dem Schwantz wie eine Gereuthlerche zittert; im Herbst aber
mit einem Geschrey/ das fast einer Bachstelze gleichet/ auf rasigte Wege nie-
derfällt/ und dahero wol eine Feld-Bachstelze genennet werden könte.“2123
Greinerlein, Grienvögelchen: Das Wort „greinen“ bedeutet „weinen,
winseln“ und lässt sich seit Mitte des 16. Jahrhunderts in mehreren Quellen
nachweisen. Wahrscheinlich kommt „Grien-“ von „greinen“.2124 Die Ausdrü-
cke beziehen sich lautmalend auf die Stimme.
GESSNER beschrieb einen Vogel, den er neben Guckerlein, Gickerlein auch
„Grienvögelein“ nannte. Er hatte dessen Bild von einem Straßburger Maler
erhalten hat, ohne zu wissen, welcher Vogel sich dahinter verbirgt. Der Brach-
pieper war wohl nicht gemeint.2125
Wiesen-, Baum- und Brachpieper haben etliche Namen gemeinsam. Um hier
nicht mehrfach Wiederholungen zu bringen, wird auf ausführlichere Erklä-
rungen bei Baum- und Wiesenpieper verwiesen. Es sei hier und auch für das
Folgende an den NAUMANN-Satz in der Einleitung erinnert: „Die Pieperar-
ten sind in den meisten älteren Werken so miteinander verwechselt, daß sich
diese Verwirrung nicht lösen läßt.“2126
Gickerlein, Guckerlein: Die beiden Namen lassen sich von „gicken“ ablei-
ten, was „piepen“ bedeutet (Siehe Wiesen- und Baumpieper).
Hüster: „Lautmalend ist auch der Name Hister für unseren Wiesenpieper.
Dieser stimmt häufig einzelne hisd oder histid an, die zuweilen zu langen
Reihen hististististisd ausgesponnen und damit Bestandteile des Gesanges
werden.“2127 Obwohl der Vogel damit gemeint ist, passt der Name „Hüster“
also nicht zum Brachpieper, wohl aber zu dem eingangs von NAUMANN
beklagten Benennungs-Durcheinander.
2122
ADELUNG 1796, 2/ 1733
2123
PERNAU 1720, 339
2124
SUOLAHTI 1909, 94
2125
GESSNER/HORST 1669, 153
2126
NAUMANN 1823, 3/ 745
2127
HOFFMANN 1937, 18
362 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
Stoppelvogel, Stöppling: Man sieht die Vögel auf dem Herbstzug neben
Brachfeldern bevorzugt auch auf Stoppelfeldern, bei Kohläckern, auf Gras-
flächen. Sie hassen fruchtbares Land, meint NAUMANN, „sodass sie selbst
auf ihren Reisen, wo sie gezwungen sind, auch in fruchtbaren Feldern sich
niederzulassen, allemal hier die dürresten Stellen dazu aussuchen“.2128 (Siehe
Baumpieper)
Spießlerche: Einige Lerchen und Pieper hießen so, vermutlich, weil sie am
häufigsten gefangen und an Spießen gebraten und dann gegessen wurden.2129
Spießlerchen wurden „spießweise“, zu acht Stück, verkauft und am Spieß ge-
braten.2130 Brachpieper sollen sehr gut geschmeckt haben (Siehe Wiesen- und
Baumpieper).
Graue Lerche, Weißbäuchige Lerche: „Der Brachpieper ist schon seiner
lichten Farbe wegen nicht leicht mit einem anderen einheimischen Pieper zu
verwechseln.“2131 Die Altvögel sind oberseits fast ungezeichnet grausandfar-
ben, die Unterseite ist ungestrichelt beigeweiß, hell sandfarben.
Braunfalbe Lerche: Die Gefiederfarbe, als sandfarben bezeichnet oder gelb-
grau, auch braungrau, hell olivengelb usw. ist nicht einfach in Worte zu fassen
und wird von den verschiedenen Autoren auch unterschiedlich gesehen. Nur
so ist „braunfalb“ zu verstehen, was etwa bräunlichweiß bedeutet.
2128
NAUMANN 1823, 3/ 745
2129
KRÜNITZ 1833, 158/ 396
2130
GRIMM/GRIMM 1984, 16/ 2471
2131
NAUMANN 1823, 3/ 745
2132
GERLACH 1953, 34
2133
BECHSTEIN 1807, 3/ 704 und STRESEMANN 1941, 82
2134
OKEN 1837, 49
PASSERES – SINGVÖGEL 363
„Ihr Gesang, den sie wie andere Lerchen im Aufschwingen, doch auch auf
den Gipfeln der Bäume, verrichtet, wo bey sie sich von einem Baum auf den
anderen begiebt, damit sie von dem Weibchen besser möge gehöret werden,
ist fürtrefflich.“2135
„Er verdient daher mehr als ein [anderer] Vogel dieser Gattung den Namen:
Baumpieper.“2136 „Sein Gesang hat Aehnlichkeit mit der Nachtigall, ist aber,
nach [C. L.] Brehms Meinung, noch viel schöner.“2137
Waldpieper: „Er ist ein wahrer Waldvogel und liebt vorzüglich solche Wälder,
die nicht zu gut bestanden sind, oder die, welche viel Unterholz und mitunter
Blössen haben.“2138 Auch dieser Ausdruck stammt von BECHSTEIN.
Waldbachstelze: PERNAU, „öffters belobter Verfasser den angenehmen
Landlust [1720], … will diese Gattung, weil sie den Schwanz immer bewe-
get, lieber unter die Bachstelzen, als Lerchen rechnen: aber die Farben, Füsse,
Aufenthalt, Gesang, und die Weise, wie dieses verrichtet wird, mag wohl nicht
gestatten, sie vor etwas anders, als Lerchen auszugeben.“2139 Diese Meinung
von ZORN ist in dem Namen „Waldbachstelze“ zusammengefasst.
(Siehe NAUMANNS Erklärung in der Einleitung zu den Piepern).
Baumlerche, Waldlerche, Buschlerche, Holzlerche, Wiesenlerche, Hei-
delerche, Weidenlerche, Gartenlerche: Die Pieper wurden noch Ende des
18. Jahrhunderts wegen einiger Ähnlichkeiten von verschiedenen Autoren
zu den Lerchen gezählt, beispielhaft bei BECHSTEIN, z. B. unter „Piep-
lerche“ (1795) nachzulesen.2140 Piep-„lerche“ war später der Ausgangsbegriff
für BECHSTEINS „Pieper“ 1807, s. o. Auch „Waldlerche“, „Buschlerche“,
„Holzlerche“, Wiesenlerche“, „Heidelerche“ und „Weidenlerche“ stammen
von BECHSTEIN, während „Gartenlerche“ von NAUMANN kommt.2141
Die Thüringer nannten den Baumpieper im Herbst und Frühjahr „Heide-
lerche“ und im Sommer „Pisperling“ wegen unterschiedlicher Laute zur Brut-
und Zugzeit.2142 Heute unterscheidet man zwischen Gesang, Nest-, Alarm-
sowie Zugrufen.
2135
ZORN, 1743, 296
2136
NAUMANN 1823, 3/ 758
2137
VOIGT 1835, 192
2138
NAUMANN 1823, 3/ 758
2139
ZORN, 1743, 297 und BECHSTEIN 1802, 205
2140
BECHSTEIN 1795, 135
2141
BECHSTEIN 1802, 205 und NAUMANN 1823, 3/ 758
2142
BECHSTEIN 1795, 142
364 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
2143
BREHM 1866, 891
2144
NAUMANN 1823, 3/ 758
2145
BECHSTEIN 1807, 3/ 717
2146
KRÜNITZ 1779, 17/ 379
2147
H. SACHS 1531, V. 206 und SUOLAHTI 1909, 95
2148
SUOLAHTI 1909, 96
2149
BECHSTEIN 1807, 3/ 706
PASSERES – SINGVÖGEL 365
ßen. Daran ändert auch nichts, dass bei BREHM in der 1. Auflage (1866) nur
„Leimvogel“ steht, in der 2. und 3. Auflage aber auch „Leinvogel“.2150
Spitzlerche: „In manchen Gegenden, wie z. B. im Meiningischen [Thürin-
gen] ist dieser Vogel unter dem Namen Spitzlerche, weil sie nämlich unter
allen sogenannten Lerchenarten am schlankesten oder spitzigsten aussieht,
ein Lieblingsvogel im Zimmer.“2151
Pieplerche: In einer Anmerkung seiner Neuauflage schrieb BECHSTEIN,
dass er zwar „diesen Pieper“, den Baumpieper, mit dem Wiesenpieper „für
einerley gehalten, im Grunde aber eigentlich bloß den Baumpieper unter dem
Namen Pieplerche beschrieben“ habe. „Andere Schriftsteller, wie Linné, Büf-
fon und Latham, haben bald die Beschreibung, bald die Geschichte dieser
Vögel mit einander verwechselt oder unter einander gemischt.“2152
Aus „Pieplerche“ entstand 1807 BECHSTEINS „Pieper“ (s. o.)
Da der Name „Pieplerche“ aus dem Gesang des Wiesenpiepers entstanden ist,
wird Weiteres beim Wiesenpieper beschrieben.
Greinerlein, Grienvögelchen: „Gesner erwähnt den Baumpieper an zwei
verschiedenen Stellen seines Vogelbuchs (S. 76 und 762) unter dem Namen
Grynerlin und Grienuögelin, ohne freilich zu wissen, welcher Vogel damit
gemeint ist. Das erstgenannte Wort, das von greinen, ‚weinen, winseln‘ her-
geleitet ist, begegnet als Greynerlein bei H. Sachs im Regim. der Vögel (1531)
V. 205 und als Greinerlein in Sachsen bei Eber und Peucer Vocab. (1552)
(…); später haben verschiedene Quellen das Wort aus Gesner abgeschrieben.
Die Variante Grienvogel ist an Grien ‚Kiessand‘ angelehnt worden.“ Dagegen:
„Identisch mit Greinerlein.“2153
Schmalvogel, Schmelvogel, Schmelchen: Schmalvogel ist ein veralteter Be-
griff für „kleiner Vogel“, womit etwa spatzengroße Vögel gemeint waren, ahd.
smalfogal. Da dieser Ausdruck auf viele Vögel anwendbar ist, hier aber der
„Baumpieper“ gemeint ist, ist eine Ableitung von „Schmelvogel“ wahrschein-
licher. Dieser Ausdruck aus der Steiermark ist ebenfalls nicht an einen einzel-
nen Vogel gebunden und meint z. B. die Feldlerche. Die Pieper wurden bis
Ende des 18. Jahrhunderts auch als „Lerchen“ bezeichnet, s. o. Die Literatur
nennt „Schmelvogel“, „Schmelchen“ zwar regelmäßig mit einem Verweis auf
2150
BECHSTEIN 1802, 205
2151
BECHSTEIN 1807, 3/ 715
2152
BECHSTEIN 1807, 3/ 707
2153
SUOLAHTI 1909, 94 und GRIMM/GRIMM 1984, 9/ 265
366 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
den Vogel oder auf die steirische Herkunft der Wörter, Erklärungen unter-
bleiben jedoch.2154
Breinvogel: Brein sind „Körner der Hirse, des Hafers usw.“ in Österreich,
aber auch andere Gräser, deren Samen zu Zugzeiten gefressen werden.2155
Auch ein „Breinvogel“ ist nicht nur eine Vogelart. Der Ausdruck bezieht sich
auf Lerchen und damals auch auf Pieper.
Spießlerche, Spisslerche: Die schnellfliegenden, aber wenig scheuen Pieper
können leicht mit dem Blasrohr oder der Flinte erlegt werden. Wegen ihres
angenehm schmeckenden Fleisches wurden sie bejagt und als „Spießlerchen“
spießweise, zu acht Stück, verkauft und am Spieß gebraten.2156 „Spießlerchen“
waren vor allem die Pieper und auch einige Lerchenarten, die man vermutlich
am häufigsten gefangen, an Spießen gebraten und gegessen hat.2157
Stoppelvogel, Stöppling: „Stoppelvogel, werden diejenigen Vögel genannt,
welche sich gleich nach der Erndte auf den Feldern in den Stoppeln einfin-
den, und eine Nachlese der Körner machen.“2158 Der Name war allerdings
sehr allgemein und betraf auch Sperlinge, Ammern, Krähen u. a.
„Auf dem Zuge scheint er [Baumpieper] abends den Wald nicht oder doch
nur gelegentlich aufzusuchen, wenigstens habe ich während der Zugzeit bei
schon heraufziehender kalter Nacht auf Stoppelfeldern und Wiesen oft Vögel
aufgejagt, deren Locktöne keinen Zweifel liessen, dass es Baumpieper wa-
ren.“2159 Die Vögel finden auch auf Stoppelfeldern Nahrung, sonst hätte sich
das uns heute bekannte Zugverhalten im Laufe der Evolution nicht durchge-
setzt. Ob sie auch Pflanzliches zu sich nehmen, ist nicht auszuschließen, aber
eher unwahrscheinlich.
Grillenlerche: Unter „Farbvarietäten“ beschrieb BECHSTEIN in der Neu-
auflage einige Rassen(?) des Baumpiepers, von denen die „Grillenlerche“ eine
war. Sie sollte kleiner als der Baumpieper sein, sich farblich, wie dort beschrie-
ben, von ihm unterscheiden, aber auch Ähnlichkeiten mit dem Wiesenpieper
(„Pieplerche“) haben. „Sie hat eben den Gesang, wie diese, und besucht jähr-
lich den ganzen Sommer über den Kirchsprengel Whiteford in Flintshire, wo
sie in den Weidenbüschen nahe am Teiche lebt. Es scheint auch hier bloß ein
weiblicher Vogel der Art beschrieben zu seyn. Sonst wüßte ich keinen Vogel,
2154
GRIMM/GRIMM 1984, 15/ 926 + 15/ 1010
2155
SUOLAHTI 1909, 95
2156
GRIMM/GRIMM 1984, 16/ 2471
2157
KRÜNITZ 1833, 158/ 396
2158
KRÜNITZ 1840, 174/ 507
2159
NAUMANN 1823, 3/ 758
PASSERES – SINGVÖGEL 367
der zu dieser Beschreibung paßte, als etwa den Schilfsänger ( Sylvia phragmitis,
mihi).“2160 Mehr dazu siehe „Wiesenpieper“.
2160
BECHSTEIN 1807, 3/ 712
2161
OKEN 1837, 51
2162
NAUMANN 1823, 3/ 774
2163
NAUMANN 1823, 3/ 774
2164
NAUMANN 1823, 3/ 774 + 1823, 3/ 789
368 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
kann und die sich als „Mosellerche“ oder „Morastlerche“ sogar eine Zeit lang
durchgesetzt hatte.2165
Wiesenlerche, Kleine Lerche, Kleinste Lerche: BUFFON schrieb über die
„Wiesenlerche“: „Belon und Olina sagen, daß diese die kleinste unter allen
Lerchen ist, das macht aber, weil sie die Piplerche, wovon wir in der Folge
reden werden, nicht kannten.“2166
„Die lange Klaue an der hintern Klaue der Füsse, samt der Farb und dem Ge-
schrey, machet daß man diesen Vogel zu den Lerchen rechnen muß.“2167 Die
„Wiesenlerche“ ist LINNÈs „Alauda pratensis“, also der heutige Wiesenpieper.
Pieplerche, Piplerche: Über die Piplerche liest man bei BUFFON: „Diese
Lerche ist unter unsern französischen die kleinste. Ihr teutscher Nahme Pi-
plerche und ihr englischer Nahme pipit sind offenbar von ihrem Geschrey
hergenommen, und dergleichen Benennungen sind immer die besten, weil sie
den benannten Gegenstand so viel als möglich darstellen.“2168
„Ihren Nahmen hat sie offenbar von ihrem Geschrey, welches mit dem Ge-
schrey einer Heuschrecke verglichen wird, aber stärker und durchdringender
ist: sie läßt es hören, sie mag fliegen oder sich auf die höchsten Zweige der
Gesträuche.“2169
Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts war „Pieplerche“ ein (unbewusster) Sam-
melbegriff: Er vereinigte Lerche und Pieper, Wiesen- und Baumpieper sowie
Wiesenpieper und als eigene Art(en) angesehene Varietäten, wie die Grillen-
lerche.
Grillenlerche: BUFFON behandelte die „Grillenlerche“ nur kurz. Auf Wie-
sen- und Baumpieper passende Begriffe und Beschreibungen verhindern eine
Zuordnung zu einer dieser beiden Arten, aber mit „Vorteilen“ für den Wie-
senpieper. „Die Grillenlerche ist von der Piplerche weder durch ihren Sporn,
noch durch ihren Gang verschieden, noch durch den Gesang, der nehmlich
dem Gesange einer Heuschrecke ähnlich ist, daher ich für sie auch den Na-
men der Grillenlerche, den ihr Willughby gegeben hat, beybehalten habe.“2170
Hister, Hiester, Hüster, Diester: „Lautmalend ist auch der Name Hister für
unseren Wiesenpieper. Dieser stimmt häufig einzelne hisd oder histid an, die
2165
BECHSTEIN 1795, 152
2166
BUFFON/OTTO 1788, 14/ 203
2167
FRISCH 1763, T. 16
2168
BUFFON/OTTO 1788, 14/ 218
2169
KRÜNITZ 1799, 77/ 194
2170
BUFFON/OTTO 1788, 14/ 214
PASSERES – SINGVÖGEL 369
2171
HOFFMANN 1937, 18
2172
NAUMANN 1823, 3/ 774
2173
NAUMANN 1823, 3/ 774
2174
SUOLAHTI 1909, 96
2175
SUOLAHTI 1909, 94
2176
GESSNER/HORST 1669, 153a und SPRINGER 2007, 340
2177
SPRINGER 2007, 340
2178
GESSNER/HORST 1669, 153
2179
SUOLAHTI 1909, 94
370 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
2180
NAUMANN 1823, 3/ 758 + 774
2181
BECHSTEIN 1807, 3/ 732
2182
GESSNER/HORST 1669, 153
2183
OKEN 1837, 51
2184
BECHSTEIN 1802, 205
2185
GRIMM/GRIMM 1984, 16/ 2471
2186
BECHSTEIN 1807, 3/ 715
2187
KRÜNITZ 1779, 17/ 379
PASSERES – SINGVÖGEL 371
2188
BECHSTEIN 1807, 3/ 715
2189
VON TSCHUDI 1853, 282
2190
KRÜNITZ 1838, 172/ 614
2191
STEINMÜLLER 1827, 2 / 29
2192
C. L. BREHM 1824, 963
2193
BLASIUS/BALDAMUS/STURM 1860, 97II
372 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
2194
MORBACH Vögel der Heimat 1940, 2/ 41
2195
STEINMÜLLER 1827, 2/ 21
2196
NAUMANN 1823, 3/ 789
PASSERES – SINGVÖGEL 373
2197
GLOGER 1834, 262
2198
STUDER/FATIO 1914, 1825
2199
BREHM 1866, 892 und NAUMANN 1823, 3/ 789
2200
OKEN 1837, 51
2201
STUDER/FATIO 1914, 1801
374 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
Provinzialwort Weissen, laut und rein schreien, stärker als singen. … Er heißt
im Kanton Zürich Weissler wegen seiner schreienden Stimme.“2202
Gipser: „Gipsen“ bedeutete in der Schweiz „in feinem hohen Tone piep-
sen.“2203 Damit sind Laute, wie Flugruf-, Lock- oder Warnlaute gemeint. Der
Name ist vom Wiesenpieper übernommen worden.
Herdvögelchen: So bezeichnete man „bey den Vogelstellern, zahm gemachte
Vögel, welche als Lockvögel auf den Vogelherden gebraucht werden. Inglei-
chen Vögel, welche man auf solchen Herden zu fangen pfleget“.2204
Florentinische Lerche: Für BUFFON gehörte die „Florentische Lerche“ zum
Brachpieper. „Linné kannte sie nicht, und macht eine besondere Art daraus,
ohne weitere Kennzeichen davon anzugeben, als daß sie in Italien lebe und
braungraue Ruderfedern habe, von welchen die beyden äußersten schräge
halb weiß wären, welches aber auch auf die Brachlerche passen kann.“ Etwas
später schrieb BUFFON: „Linné hat diese Art nie zu Gesichte bekommen,
und nennet sie Spinoletta. Er glaubt ihr den wahren florentinischen Namen
zu geben; allein ihre eigentliche Benennung ist daselbst Pispoletta. Was Linné
weiter von diesem Vogel sagt, daß er in Italien wohnt, hat seine völlige Rich-
tigkeit, denn er ist daselbst allgemein bekannt, wird fleißig gefangen und für
einen köstlichen Leckerbissen gehalten.“2205
Die Wissenschaftler folgten BUFFONs Zuteilung zum Brachpieper nicht.
Für sie handelte es sich bei der „Florentinischen Lerche“ um den Bergpieper
(Wasserpieper).
Braunfalbe Lerche: „Braunfalbe Lerche“ ist ein anderer Name für „Florenti-
sche Lerche“. „Die Farbe von oben aschfarbengrünlich oder braunfalb, unten-
her weis.“2206
2202
STUDER/FATIO 1914, 1804
2203
SUOLAHTI 1909, 94
2204
KRÜNITZ 1773, 23/ 54
2205
BUFFON/OTTO 1788, 14/ 233
2206
HALLE 1760, 2/ 316
PASSERES – SINGVÖGEL 375
Die Stelzen
Früher hieß die Gruppe Bachstelzen ( Motacilla). Die Vögel sind schlank, ha-
ben lange Beine und einen langen Schwanz. Die Geschlechter sind unter-
scheidbar.
„Im Laufen senken sie den Schwanz beständig wackelnd auf und nieder; wäh-
rend des Stillstehens, und wenn sie sich eben aus der Luft niedergelassen ha-
ben, wippen sie noch schneller und heftiger damit, und breiten ihn zugleich
aus.“2208
2207
BREHM 1866, 893
2208
GLOGER 1834, 252
376 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
Den Namensteil „-stelze“, „-stels“ hat der gerne in Wassernähe lebende Vogel,
weil er einherstelzt, seiner „langen dünnen Beine wegen,“ – „wegen der steifen
stelzenartigen Gangart“.2209
BUFFON unterschied zwischen Bachstelzen und Sticherlingen (heute Ge-
birgs- und Schafstelzen). „Die erstere hält sich gewöhnlich am Ufer des Was-
sers auf und die Sticherlinge besuchen häufig die Mitte der Wiesen, und fol-
gen den Herden. Beide flattern oft in dem Felde um den Ackersmann herum,
und begleiten den Pflug.“ Sie seien aber keine Fliegenschnäpper, weil diese auf
Bäumen auf ihre Beute lauerten und darauf Jagd machten, die Sticherlinge
aber sie auf der Erde suchten und verfolgten.2210
2209
GRIMM/GRIMM 1984, 27/ 2516
2210
BUFFON/OTTO 1791, 16/ 29
2211
GLUTZ VON BLOTZHEIM/BAUER 1985, 870
2212
BEZZEL 1993, 114
PASSERES – SINGVÖGEL 377
2213
BEZZEL 1993, 116
2214
SUOLAHTI 1909, 87
2215
GRIMM/GRIMM 1984, 27/ 2516
2216
CARL 1995, 237
2217
BECHSTEIN 1802, 161
2218
BREHM 1879, 5/ 241 + 243
2219
BOIE 1822, 29
2220
BEZZEL 1993, 116
378 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
deutet. Alle diese Namen beziehen sich denn auch auf die gelbe Unterseite
des Vogels, die stärker auffällt als das vorherrschende Grau/Grauschwarz des
Rücken-, Flügel- und Schwanzgefieders. BECHSTEIN und alle Autoren, die
diese Namen nach ihm verwendet haben, haben alle mit den hier angegenen
Bezeichnungen ausschließlich die Gebirgsstelze gemeint, wodurch eine Ver-
wechslung mit der Schafstelze vermieden wurde.
C. L. BREHM nannte die Gebirgsstelze „Schwefelgelbe Bachstelze“ und setz-
te sie in seiner „Die Gattung Bachstelze. Motacilla“ an die erste Stelle. „Ich
setze diese Bachstelze zuerst, weil sie den Namen Bachstelze am Meisten ver-
dient; denn sie entfernt sich selten von den Ufern der Bäche, Teiche und
Flüsse, da die andern sehr oft auf Aeckern, Wiesen, in Gärten und auf Triften
sind, und oft lange Zeit nicht an Bäche kommen.“2221
Gelbe Bachstelze mit schwarzer Kehle: Das Gebirgsstelzen-Männchen im
Prachtkleid hat als einzige „gelbe Stelze“ eine schwarze Kehle. Der Name
„Gelbe Bachstelze mit schwarzer Kehle“ erschien 1795 bei BECHSTEIN. Ob
er ihn auch gebildet hat, ist nicht sicher. Wahrscheinlicher ist, dass er daraus
diesen Begriff für sein Ornithologisches Taschenbuch gemacht hat.2222
Graue Bachstelze: Die Oberseite dieser Stelze ist deutlich grau, anders als
die der Schafstelze, bei der sie graugrünlich/graubraun ist. BECHSTEIN,
NAUMANN oder OKEN nannten die Gebirgsstelze die „Graue Bachstelze“.
Sie unterschieden sie von der „Gelben Bachstelze“, der Schaftstelze, die mehr
Gelb im Gefieder hat.2223
Sticherling, Gelber Sticherling, Frühlingssticherling: Sticherlinge waren
auch Grauschnäpper, Steinschmätzer oder Gelbspötter, alles Vögel, die nach
Insekten schnappen.
Gebirgsstelzen sind schon früh, Ende Februar/Anfang März aus dem Winter-
quartier zurück, wenn sie überhaupt wegziehen.2224
Gelbes Ackermännchen: Wieder teilt sich hier die Gebirgsstelze den Namen
mit der Schafstelze, wenn es nicht sogar eine Verwechslung mit der Schafstel-
ze ist. Das eigentliche „Ackermännchen“ ist die (weiße) Bachstelze. „Gelbes
Ackermännchen“ passt nicht zur Gebirgsstelze.
„Zu Bologna nannte man diese Bachstelze Boarolo oder Boarina (Kuhstelze);
daher der lateinische Name Boarula entstanden, welcher aber nach der Ge-
2221
C. L. BREHM 1820, 1/ 893
2222
BECHSTEIN 1802, 162
2223
BECHSTEIN 1802, 163 und NAUMANN 1803, 3/ 824 und OKEN 1837, 48
2224
BEZZEL 1993, 116
PASSERES – SINGVÖGEL 379
schichte des Vogels zu urtheilen, mehr der Schafstelze zukommen sollte, vom
Linné aber verwechselt worden ist.“2225
Gelbkopf: Den „Gelbkopf“ führte VOIGT unter „Gelbe Bachstelze“ (passt
auf Gebirgs- und Schafstelze). An Beinamen nannte VOIGT noch „Schwe-
felgelbe Bachstelze“ (Gebirgsstelze), an wissenschaftlichen Namen sowohl
„Motacilla sulphurea“ (Gebirgsstelze) als auch „Motacilla flava“ (Schafstelze).
Französisch heiße sie „Begeronette“ (Schafstelze).2226
Ein „Gelbkopf“ ist die Gebirgsstelze nicht. Es ist auch nicht zu ergründen,
woher VOIGT den Namen für diesen Vogel hatte. Dieser in Deutschland
nicht seltene Vogel lebe mehr am Gewässer der Gebirgsgegenden.
Die andere gelbe Stelze führte VOIGT als „Kuhstelze“, gab ihr Beinamen
der Schafstelze, dann aber kam auch „Motacilla boarula“ (Gebirgsstelze). In
Deutschland sei sie in schattigen Waldgegenden, zumal an kalten Bächen und
Quellen, nicht selten (Gebirgsstelze).
VOIGT hat sich über diese Vögel, die er hätte kennen können, schlecht in-
formiert. Er war übrigens ein von GOETHE protegierter Gegner OKENS
in Jena.
Irlin: Das Wort kann man auf altindische Ursprünge zurückführen, die etwa
„fließen, gleiten, sich rasch bewegen“ bedeuten. Irlin könnte dann ein kleiner
Vogel sein, der sich an fließenden Gewässern aufhält.2227
BUFFON unterschied drei gelbe Stelzen: den grauen Sticherling, den Früh-
lingsticherling und den gelben Sticherling. Die zweite Art sei der „Irlin“
SCHWENCKFELDS (1603, p. 67).2228
2225
HEPPE 1798, 477
2226
VOIGT 1835, 191
2227
GRIMM/GRIMM 1984, 10/ 2159
2228
BUFFON/OTTO 1791, 16/ 57
380 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
falls ähnelt, sich aber doch durch bestimmte, etwas schärfer klingende Töne
und den ganzen Bau der Strophe unterscheidet“.2229
Citronenstelze: Das Verbreitungsgebiet dieses Vogels beginnt in Mittelruss-
land und der Ukraine und erstreckt sich nach Osten, wo er in feuchtem Wie-
sengelände, auf offenen Mooren, an feuchten Flussufern und in der Strauch-
tundra brütet. Seit den 1950er-Jahren beobachtet man eine Expansion nach
Westen, so sind in Polen bereits Bruten festgestellt worden, auch eine in
Deutschland.2230
Den Namen hat diese Stelze von dem ganz zitronengelben Kopf und der gel-
ben Unterseite des Männchens im Prachtkleid.
Sporenstelze: Die Hinterzehe ist mit 8 mm zwar deutlich kürzer als die Mit-
telzehe mit 14 mm, dafür ist der Nagel der Hinterzehe, der Sporn oder die
Spore, mit 12 mm deutlich der längste (Mittelzehe 6 mm). Der Name stammt
von BREHM, s. o.
Diese fünf Unterarten der Schafstelze werden auf der Basis genetischer Be-
funde immer öfter als eigene Arten aufgefasst. Dementsprechend zählt in der
Liste der Vögel Deutschlands (2005) nur die mitteleuropäische Schafstelze zur
Art „Motacilla flava“ und trägt den deutschen Namen „Wiesenschafstelze“.
2229
BREHM 1879, 5/ 245
2230
BEZZEL 1993, 111
PASSERES – SINGVÖGEL 381
2231
SUOLAHTI 1909, 92
2232
BREHM 1866, 908
2233
GRIMM/GRIMM 1984, 11/ 2582
2234
BECHSTEIN 1807, 3/ 466 und NAUMANN/HENNICKE 1900, 3/ 120
2235
VOIGT 1835, 191
382 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
Kleine Bachstelze: Der Vogel wird bis 16 cm lang, die Gebirgsstelze bis
20 cm. Die Bachstelze ist mit bis zu 19 cm Länge auch deutlich größer.
Gelber Wippsterz, Geeler Wippstärt: Der zweite Ausdruck ist plattdeutsch
und bedeutet dasselbe wie der erste.
Namensformen, die als zweiten Teil das Wort „Sterz“, „Stert“ haben, wei-
sen auf den beweglichen, fortwährend wippenden Schwanz des Vogels hin.
„Sterz“ bedeutet „Schwanz“.2236 Das Wort kann aus dem Germanischen ab-
geleitet werden, wo „stert“ „ragen, sich drehen“ bedeutet oder aus dem Grie-
chischen, wo es „Spitze der Lanze“ heißt oder „Zinke, Zacke“.2237
Triftstelze: „Trift“ ist „Weide, besonders Schafweide, benutztes freies Gras-
land oder Wald auszerhalb der Feldmark; häufig Gemeindebesitz. Früh be-
legt; in Mundarten weit verbreitet.“2238
Wiesenstelze: Das Wort stammt von BECHSTEIN, wurde aber so gut wie
nicht aufgegriffen, bis es im 20. Jahrhundert relativ häufig genannt wurde.2239
Wie in der Einleitung dargestellt, ist „Wiesenstelze“ der neue Name der mit-
teleuropäischen Schafstelze. Ob er sich durchsetzt, bleibt dahingestellt.
Schafstelzen sind Feld- und Sumpfvögel. Man findet sie auch auf Wiesen, wo
keine Viehherden weiden.
Gelber Sticherling: Sticherling war ein Name für mehrere Arten kleiner
Singvögel durchweg mit raschen stichartigen Schnabelbewegungen: Dazu
gehören die Schafstelze, die Gebirgsstelze, aber auch Fliegenschnäpper und
Steinschmätzer.2240
Frühlingsbachstelze, Frühlingssticherling: Obwohl die Schafstelze als letzte
der heimischen Stelzen aus dem Süden eintrifft, wurde sie als Frühlingsbote
angesehen. Das lag wohl auch an ihrer auffälligen Färbung und ihrem men-
schennahen Lebensraum. BECHSTEIN hat die Namen „Frühlingsbachstel-
ze“, „Frühlingssticherling“ auch der Gebirgsstelze gegeben. Dabei bemängelte
er, dass Ornithologen seiner Zeit, außer BUFFON, nicht zwischen den bei-
den Arten (Schaf- und Gebirgsstelze) unterschieden.2241
Kurzschwänzige Bachstelze: Der Schwanz der Schafstelze ist kürzer als der
der Bachstelze und deutlich kürzer als der der Gebirgsstelze.
2236
GRIMM/GRIMM 1984, 18/ 2530
2237
KLUGE 1905, 379
2238
GRIMM/GRIMM 1984, 22/ 498
2239
BECHSTEIN 1807, 3/ 466
2240
SUOLAHTI 1909, 74
2241
BECHSTEIN 1807, 3/ 460 + 466
PASSERES – SINGVÖGEL 383
2242
NAUMANN 1823, 3/ 839
2243
GERLACH 1953, 70
2244
FRISCH 1763, T. 23
2245
GRIMM/GRIMM 1984, 1/ 1063
2246
SUOLAHTI 1909, 88
2247
BUFFON/OTTO 1789, 16/ 39
2248
SUOLAHTI 1909, 87
384 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
2249
GRIMM/GRIMM 1984, 27/ 2516 und CARL 1995, 237
2250
GRIMM/GRIMM 1984, 1/ 1063
2251
BREHM 1879, 7/ 241
2252
ZORN 1743, 432
2253
BREHM 1879, 7/ 241
2254
KLEIN/REYGER 1760, 79
PASSERES – SINGVÖGEL 385
2255
KRÜNITZ 1774, 3/ 329
2256
FEHRINGER 1951, 106
2257
GRIMM/GRIMM 1984, 18/ 2530 und KLUGE 1905, 379
2258
HEUSZLIN um 1560, zitiert bei GRIMM/GRIMM 1984, 27/ 3141
2259
GRIMM/GRIMM 1984, 27/ 474
2260
CARL 1995, 258
2261
GERLACH 1953, 70
2262
GRIMM/GRIMM 1984, 1/ 174
386 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
Bauvogel: „Dafür habe ich erst kürzlich erfahren, daß der Name ‚Bauvogel‘
für die weiße Bachstelze vom Landmann deshalb gebraucht wird, weil der
Vogel beim Bestellen der Äcker (Bauen sagt der Landmann) hinter diesem
herläuft und nach Nahrung sucht.“2263
Klosterfräulein, Stiftsfräulein, Klosternonne, Nonne: Die Bachstelze er-
hielt diese Bezeichnungen wegen ihres an Ordenstrachten erinnernden ein-
fachen schwarz-grau-weißen Kleides und weil sie sich um zu nisten und
Nahrung zu suchen gerne bei Klöstern eingestellt hat.2264 „Weisse Bach oder
Wasser Steltz, so auch von wegen irer Schwartzs und weis getheilten farb Ein
Closter Fräwlein genant wird.“2265
Trauerbachstelze: Britische Rasse der Bachstelze, „Motacilla alba yarrellii“.
Sie hat einen schwarzen Rücken und kommt lokal auch an der kontinentalen
Westküste vor.
Wächter: „Im Freien fliegt sie oft in großen Bogen, schreit so oft sie einen
Raubvogel sieht, und hält alle vorüberfliegende Vögel an. Sie schreit laut,
warnt andere Vögel, die sich auf ihr Geschrei versammeln, und heißt daher
auch der Wächter.“2266
Schwiehierd: Das Wort bedeutet „Schweinehirt, -hüter“. Die Bachstelze
trippelt furchtlos auf dem morastigen Boden zwischen Schweinen herum, als
wolle sie auf diese aufpassen.
Finken – Fringillidae
Kennzeichen dieser kleinen körnerfressenden Sperlingsvögel sind der mehr
oder weniger große kegelförmige Schnabel, der schmale eingekerbte Schwanz
oder der kraftvoll-wellenförmige Flug. Die oft hervorragenden Sänger leben
außerhalb der Brutzeit meist gesellig.2267
2263
ANZINGER, Gefiederte Welt 1911, 143
2264
HOFFMANN 1937, 55
2265
ZUM LAMM 2000, 240
2266
VOIGT 1835, 189
2267
SVENSSON et al. 2011, 376
PASSERES – SINGVÖGEL 387
Fink die Hochachtung und den Ruhm, welche er sich bei den wahren Lieb-
habern erwarb.
Letztere unterscheiden eine Menge verschiedene Finkenschläge und haben
jedem derselben einen besondern Namen gegeben. Die Kunde dieser Schläge
ist zu einer förmlichen Wissenschaft geworden, welche jedoch ihre eigenen
Priester verlangt und einem nicht unter Liebhabern großgewordenen Men-
schen immer dunkel bleiben wird. Es gibt gewisse Gegenden in dem Gebir-
ge, wo diese Wissenschaft mehr gepflegt wird, als jede andere. Berühmt sind
die thüringer, die harzer und die oberösterreichischen Finkenliebhaber wegen
ihrer außerordentlichen Kenntniß der betreffenden Schläge. Während das un-
geübte Ohr nur einen geringen Unterschied wahrnimmt, unterscheiden diese
Leute mit untrüglicher Sicherheit zwischen zwanzig und mehr verschiede-
nen Schlägen.“2268 „Gewisse Buchfinken sind wegen der wie wührdsjibjühr,
reidsug oder reidsjer klingenden Schlüsse ihrer Lieder bei Vogelzüchtern und
-händlern als Würzgebühr-, Reitzug- und Reiterfinken bekannt.“2269
Fink, Eigentlicher Fink, Gemeiner Fink, Finke: Den Namen „Fink“ gab es
schon in den westgermanischen Sprachen (als vinke, finke, vink, finc, finch,
fink u. a.). Er beruht auf den kurzen hellen pink-pink-Rufen des Buchfinks.2270
„Fink“ war aber auch immer wieder eine Artbezeichnung für den Buchfin-
ken, z. B. bei FRISCH oder BUFFON/OTTO.2271 „Gemeiner Fink“ war ein
Leitname von BECHSTEIN,2272 „die Finke“ stammt aus dem schlesischen
Dialekt.2273
Buchfink: Als der bekannteste unter den Finken verdankt der Buchfink seine
Artbezeichnung der besonderen Vorliebe für die herbstlichen Samen der Bu-
chen, den Bucheckern. Der Name, der heute weit verbreitet ist, wird schon
im 13. Jahrhundert bezeugt, so als „buchfinke“, „buchfinck“.2274
„ … von dem Buch-Baum aber hat er den Namen, weil er gern in den Buchen
hekt.“2275
Bookfink, Bogfink: „Bookfink“ und „Bogfink“ sind Namen des Buchfinks
im Niederdeutschen, Plattdeutschen.
2268
BREHM 1866, 134
2269
HOFFMANN 1937, 25
2270
SUOLAHTI 1909, 109
2271
FRISCH 1734, T. 1 und BUFFON/OTTO 1785, 11/ 83
2272
BECHSTEIN 1807, 3/ 75
2273
SUOLAHTI 1909, 111
2274
GATTIKER/GATTIKER 1989, 54 und SUOLAHTI 1909, 110
2275
FRISCH 1763, T. 1
388 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
Edelfink: Der Buchfink ist der Edelfink „wegen des guten Schlags.“2276 „Seine
guten Eigenschaften als Stubenvogel, die Mannigfaltigkeit seines Gesanges,
vielleicht auch seine Größe, denn er ist vollkommen so groß als ein Haussper-
ling, haben ihm den Titel Edelfink verschafft.“2277
Der Edelfink werde immer mit leichter Mühe gefangen. „Der Fink wird vor-
züglich häufig auf dem Finkenheerd gefangen, auch benutzt man sein zorni-
ges, eifersüchtiges Wesen, um ihn mit dem sogenannten Finkenstechen zu
bekommen. Bemerkt man nämlich einen guten Finken im Wald, so nimmt
man ein Männchen, das seinen gewöhnlichen Lockton Fink! Fink! hören läßt,
bindet ihm die Flügel zusammen, sezt auf diese oder den Schwanz einen klei-
nen mit Vogelleim bestrichenen Zweig, und läßt ihn in der Gegend, unter
dem Baume, wo jener sizt, los. Kaum hat er seine Stimme hören lassen, so
fährt der wilde zornig auf ihn herab, packt oder sticht ihn, und bleibt am Vo-
gelleim kleben. Oft hat der Stockfink den Lockfink dabei getödtet.“2278
Rothfink, Rottfink, Rottefink: Das alte Männchen hat im Frühling einen
blauen, schwarzspitzigen Schnabel, eine tiefschwarze Stirn, Scheitel, Genick
und Nacken sind schön schieferblau. Der Vogel hat zudem rötlichbraune
Schultern und Oberrücken sowie ein angenehmes Rostbraun an Kehle, Kopf-
seiten und der Brust.2279 Das „angenehme Rostbraun“ ist bei vielen Männchen
ein kräftiges Rostrot, das das Aussehen des Vogels maßgeblich mitbestimmt.
Mit „rott“ ist hier rot gemeint.
„Rotfink“ steht schon 1552 bei EBER und PEUCHER.2280
Schildfink: Der Name ist laut GATTIKER/GATTIKER in der Schweiz und
Holland gebräuchlich und bezieht sich auf die Gefiederfärbung.2281 Nach
SUOLAHTI bedeutet „Schild“ (in der Bedeutung „Flecken“) in Vogelnamen
allgemein eine bunte Gefiederfarbe.2282
Vierspiegeliger Fink: Die normalen Buchfinken haben auf den Spitzen der
beiden äußeren Schwanzfedern jederseits je einen großen weißen Fleck, sie
sind „gewöhnliche Viermäler“.2283
2276
KLEINSCHMIDT 1963, 5
2277
CURTMANN/WALTER 1846, 227
2278
VOIGT 1835, 225
2279
NAUMANN 1826, 5/ 13
2280
SUOLAHTI 1909, 110
2281
GATTIKER/GATTIKER 1989, 54
2282
SUOLAHTI 1909, 110
2283
NAUMANN 1826, 5/ 13
PASSERES – SINGVÖGEL 389
2284
KLEINSCHMIDT 1963, 5
2285
BECHSTEIN 1802, 115
2286
VOIGT 1835, 223
2287
VOIGT 1835, 223
2288
NAUMANN 1826, 5/ 13
2289
KRÄGENOW 1986, 8 und AVIBASE 10.2011
2290
GRIMM/GRIMM 1984, 17/ 54
2291
MÜLLER 1773, 580
2292
SOULAHTI 1909, 169
2293
VOIGT 1835, 223
2294
BECHSTEIN 1795, 366
390 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
2295
BECHSTEIN 1797, 323f
2296
CURTMANN/WALTER 1846, 227
2297
NAUMANN 1826, 5/ 13
2298
BREHM 1866, 134
2299
C. L. BREHM in: OKENS ISIS 1837, 699
2300
SOULAHTI 1909, 112
PASSERES – SINGVÖGEL 391
Weingesang: Auch hier hat man einen Buchfinken nach seinem besonderen
Schlag benannt. Die in Stuben gehaltenen Buchfinken wurden früher in der
Regel nach ihrem Gesang benannt, wobei „Weingesang“, wie oben beschrie-
ben, nur ein Name von vielen anderen ist. „Ein anderer [Finken-Schlag] heißt
der ‚gleiche Scharfe‘ oder der scharfe Weingesang und lautet: ziziziwillillill-
ti dododododo weingie“.2301 Derselbe wird auch so geschildert: „Fritz. Fritz,
Fritz, willst du mit zum Wein gehen.“2302
Wintsche, Wintsch, Feink: „Wintsche“ wird bei BUFFON/OTTO als deut-
scher Ausdruck für den Buchfink genannt. Alle diese drei Begriffe sind aus
„Fink“ entstanden.2303
Unverheyrateter Fink: (Der Name stammt von BOCK). „Daß das Weibchen
allein gegen den Winter unsre nördliche Gegend verlasse und, wenn die Bäu-
me ausschlagen, zum Begatten wiederkomme, weshalb von Linne in einen
unverheyrateten Finken nennet, verdienet mehrere Bestätigung.“2304
2301
CURTMANN/WALTER 1846, 227
2302
NAUMANN 1826, 5/ 13
2303
BUFFON/OTTO 1785, 11/ 83
2304
BOCK 1782, 4/ 426
392 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
war für diese Nacht zu Ende, alle Vorbereitungen und Strapazen waren um-
sonst. Wehe dem armen, ungeschickten Schützen!2305
Bergfink: Der Name „Fink“ galt erst nur für den Buchfink. Heute bilden die
Verwandten des Buchfinks die Familie der Finken, die Fringillidae.
„Fink“ gab es schon in den westgermanischen Sprachen (als vinke, finke, vink,
finc, finch, fink u. a.). Er beruht auf den kurzen hellen Pink-pink-Rufen des
Buchfinks.2306
Der Bergfink ist ein Vogel der Taiga und Baumtundra, aber kein Bergvogel.
Er brütet im nordeuropäischen Nadelwaldgürtel und in Birkenwäldern Fen-
noskandiens und fehlt in dichten hohen Wäldern. Er zeigt auch im Winter-
quartier keine besondere Vorliebe für Berge.
Der Name „Bergfink“ geht als „Berg-Finck“ auf PERNAU (1702) zurück.
STRESEMANN hielt für PERNAUS Namensschöpfung eine Übersetzung
von ALDROVANDIS „Fringilla montana“ (oder „Montifringilla“) aus dem
Jahr 1600 für möglich.2307 WEMBER machte die fehlerhafte Übertragung
eines griechischen Vogelnamens im Rahmen einer ARISTOTELES-Überset-
zung im 15. Jahrhundert für den unpassenden Ausdruck „Berg“-Fink ver-
antwortlich.2308
Das konnte PERNAU noch nicht wissen. In der Angenehmen Landlust von
1720 erklärte er den Ausdruck „Bergfinck“ folglich damit, dass dieser Vogel
im Sommer nicht bei uns ist, „sondern nur im spaten Herbst von der Kälte
aus denen Nordischen Gebürgen/ dahero man auch Bergfinck nennet/ zu uns
hergetrieben wird/ im Früling aber alsbalden seinen Abschied nimmt“.2309
Waldfink, Tannenfink: Diese Namen wurden im 16. Jahrhundert in der
Schweiz verwendet und sind durch das Straßburger Vogelbuch von 1554 be-
zeugt. „Tannfink“ war noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Schwaben die
übliche Bezeichnung für den Bergfinken.2310 Die Namen entstanden aus den
bevorzugten Aufenthaltsorten dieser Wintergäste.2311
GESSNER nannte den Vogel „Waldfinck“. „Zů Latin wirt diser vogel von
den bergen haer Fringilla montana genennt/ in welchen er wonet/ und würm-
lin ißt/ zů Teütsch/ Rowert/ Schneefinck/ Winterfonck. … Er hat ein kirsch-
2305
BREHM 1891, 4/ 283
2306
SUOLAHTI 1909, 109
2307
STRESEMANN 1941, 81 und PERNAU 1702, 40
2308
WEMBER 2005, 152
2309
PERNAU 1720, 250
2310
SUOLAHTI 1909, 113
2311
ADELUNG 1801, 4/ 1355
PASSERES – SINGVÖGEL 393
ende unliebliche stimm. Die unseren nennend disen/ oder den so dem nit
ungleych/ Waldfinck/ oder Thannfinck.“2312
Buchfink: „In Ostthüringen z. B. und auch anderwärts versteht man unter
‚Buchfink‘ stets den Bergfinken ( Fr. montifringilla) und niemals den Edel-
finken ( Fr. coelebs). (Wegen seiner Lieblingsnahrung verdient der Bergfink
allerdings weit eher den Namen Buchfink wie unser Edelfink.) In anderen
Gegenden soll das Wort Buchfink für Edelfink volkstümlich sein. Ich selbst
habe diese Bezeichnung in manchen Gegenden bei den Gebildeten gefunden,
wo der gemeine Mann unter Buchfink nur den Quäker ( Fr. montifringilla)
meinte.“2313
Baumfink, Laubfink: Die Bergfinken finden ihre Nahrung nicht nur im Na-
delwald, sondern überall dort, wo es Sämereien gibt. „Im Herbst zieht sich die
Mehrzahl in die Buchenwälder, wo es viel Buchen (Bucheckern, Buchnüsse)
giebt, und diese sind, solange sie ihnen der Schnee nicht entzieht, dann fast
ausschließlich ihre Nahrung. Sie lieben diese Früchte so sehr, dass sie in dieser
Zeit solche Wälder, gleich den Heuschrecken der Morgenländer, in unermess-
lichen, wolkenähnlichen Zügen überziehen.“2314
Winterfink, Schneefink: Diese alten Namen hatte der Vogel, weil er erst in
größeren Schwärmen kam, wenn es winterlich kalt wurde und geschneit hat.
Nach anderer Deutung kündigte ihr Erscheinen Winter und Schnee an.
Böhmer, Böhemmer: Der Bergfink ist normaler, häufiger Wintergast in ganz
Europa, also auch in Deutschland. Unter bestimmten Bedingungen, wie stren-
ger Kälte oder starkem Schneefall, kann es zu Masseneinflügen von Zehntau-
senden Vögeln kommen. Für die Bevölkerung schienen diese Schwärme aus
dem Osten, aus Böhmen zu kommen: „Wo die Vögel sich dann plötzlich
niederlassen, hat die Landbevölkerung von der Heimat der Fremdlinge ihre
eigenen Gedanken. In einigen Landschaften werden sie als Böhmen aufge-
faßt, und diese Anschauung läßt sich in das 16. Jahrhundert verfolgen.“2315
„Im Jahr 1780 überwinterte eine Schaar, die etliche 100.000 Stück stark war,
am Fuße des Thüringerwaldes.“2316
„Fragt man nach den Ursachen derartig auffälliger Invasionen und den zu-
grundeliegenden Evasionen, so wird klar, daß allgemein zwei Faktoren eine
2312
GESSNER/MILT 1557/ 1980, 35
2313
LIEBE 1893, 50
2314
NAUMANN 1826, 5/ 44
2315
SUOLAHTI 1909, 65
2316
BECHSTEIN 1795, 376
394 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
2317
BERTHOLD 1996, 40
2318
ADELUNG 1793, 1/ 868
2319
GRIMM/GRIMM 1984, 8/ 676
2320
GRIMM/GRIMM 1984, 27/ 238
2321
SUOLAHTI 1909, 114
2322
GRIMM/GRIMM 1984, 31/ 814
2323
ADELUNG 1796, 2/ 1733
2324
SUOLAHTI 1909, 111
PASSERES – SINGVÖGEL 395
auf die Höfe kommt, um seine Nahrung im Miste zu suchen.“2325 Das passt
zu Kotfink.
Rowert: „Rowert“ ist als Bezeichnung des Bergfinken seit dem 16. Jahrhun-
dert bekannt und ist identisch mit dem Eigennamen „Robert“, den man dem
Vogel gegeben hatte. „Doch liegt der Verdacht nahe, daß der in Köln lebende
Engländer Turner den Vogelnamen aus seiner Heimat kannte, denn in eng-
lischen Dialekten ist Roberd ein Name des Buchfinken.“ Turner selbst hatte
in seinem Werk von 1544 „Rowert“ als deutsche Benennung angeführt.2326
Goldfink: Die Bezeichnung ist seit dem 16. Jahrhundert belegt und wurde
außer für den Bergfink und andere Vögel für den Gimpel verwendet. Nicht
nur das Prachtkleid, auch das Schlichtkleid des Wintergastes hat leuchtend
(gold-)orange Gefiederteile, die vor allem bei Schnee zur Wirkung kom-
men.2327
Rothfink: Auch der Buchfink und der Gimpel hatten diesen Namen, der sich
auf rote bis rötliche, beim Bergfink orangefarbene Gefiederteile bezieht. Wie
dehnbar „rot“ bei der Beschreibung von Vögeln ist, erkennt man aus dem Ver-
gleich mit dem genauso dehnbaren Wort „goldfarben“, welches für die rote
Brust des Gimpels verwendet wurde.
Icawetz, Nikabitz, Nikawiss: In der Steiermark gebrauchte man „Igawitz“
für den Bergfinken. Das Wort ist entlehnt aus dem tschechischen Namen
„jicavec“. „Eine Nebenform mit unorganischem ‚n‘ im Anlaut“ ist „Nikabitz“
oder „Nikawiss“. In der „Angenehmen Landlust“ von 1720 wird „Nikabitz“
dagegen als österreichischer Name des „Quäkers“ erwähnt.2328
Pienken: Auch dieses Wort ist ein österreichisches Synonym, das aber eher als
eine Entlehnung aus dem Slawischen, denn als eine Nachbildung des Lock-
rufs (vor allem des Buchfinken) zu betrachten ist.2329
Angermannländischer Distelvogel: Angermannland ist eine mittelschwedi-
sche Landschaft am Bottnischen Meerbusen. Der Bergfink kommt genau-
so wenig nur aus Angermannland, wie der Knutt (Islandstrandläufer) nur
aus Island oder der Rauhfußbussard (norwegischer Falke) nur aus Norwegen.
„Angermannländisch“ bedeutet nordisch. Der Vergleich mit dem Stieglitz
(Distelvogel) kam zustande, weil das bunte Federkleid des Bergfinken an das
des ganz anders aussehenden, aber ebenfalls bunten Stieglitzes erinnern kann.
2325
OKEN 1837, 273
2326
SUOLAHTI 1909, 114
2327
GRIMM/GRIMM 1984, 8/ 771
2328
SUOLAHTI 1909, 114
2329
SUOLAHTI 1909, 114
396 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
2330
BECHSTEIN 1795, 373
2331
BUFFON/OTTO 1785, 11/ 83
2332
ZORN 1742, 149
2333
CURTMANN/WALTER 1846, 224
2334
BUFFON/OTTO 1790, 10/ 5
2335
BECHSTEIN 1807, 3/ 35 und NAUMANN 1824, 4/ 435
2336
STRESEMANN 1941
PASSERES – SINGVÖGEL 397
Alles geschieht in einer halben, höchstens ganzen Minute und mit so großer
Gewalt, daß man das Aufknacken auf dreißig Schritte weit hören kann.2337 Aus
dem Plattdeutschen kommt „Kaarnbicker“, was genauso wie „Kirschklöpfer“
soviel wie „Kernhacker“ bedeutet. Das Teilwort „-hacker“ führt, wörtlich ge-
nommen, zu Missverständnissen, denn der Vogel hackt nicht, er beißt.
Fichtenhacker: Fichtensamen sind nicht gerade die Lieblingsspeise des Vo-
gels, die er aber nicht aufhackt. Auch einen Zapfen behackt er nicht, sondern
sammelt die Samen heraus.
Steinbeißer, Nußbeißer: „…/ dieweil er mit seinem schnabel Coccos, das ist
Kirschenstein/ zerbeisset/ dz er die Kern darauß esse. Zu Teutsch wird er ein
Steinbeisser/ Klepper/ Kernbeisser/ Kirschfinck/ Kirschenschneller/ und Bol-
lenpicker genennt: weil er von den Bollen der Bäumen und der Kirschenstein
lebt.“2338 Dass der „Nußbeißer“ (1754 von Kramer genannt) keine Hasel-
oder Walnüsse frisst, wussten auch die damaligen Namensgeber.
Bollenbeißer, Bollenpick: „…weil er von den Bollen der Bäume und der
Kirschenstein lebt.“2339 Bollen sind Knospen.
Kirschvogel: Obwohl es die Kirschen nur eine kurze Zeit lang gibt und sich
der Vogel in der übrigen Zeit von den Samen anderer Pflanzen ernähren
muss, beinhalten viele Trivialnamen „Kirsch-“. „Kirschvogel“ verführt dabei
sogar zu der Vorstellung, dass der Kernbeißer auch das Fruchtfleisch frisst,
was er überwiegend nicht tut.
Kirschfink: Nachdem der große niederländische Zoologe Coenraad Jacob
TEMMINCK (1778–1858) in seinem zwischen 1815 und 1840 erschiene-
nen Hauptwerk den Kernbeißer den Finken zugeordnet hatte, äußerte sich
C. L. BREHM dazu: „Der Kirschkernbeißer ist durchaus kein Finke. Sein
großer Kopf und ungeheurer, aus- und inwendig ganz merkwürdig gebilde-
ter Schnabel, sein plumper Körper, sein plumper Gang und seine Nahrung
unterscheiden ihn hinlänglich. Er frißt zwar auch den Saamen der Kohl- und
Krautarten, im Nothfall auch Vogelbeeren, aber die, von einer harten Schale
eingeschlossenen Kerne, welche kein anderer inländischer Vogel aufknacken
kann, bleiben doch immer seine Hauptnahrung. Und ein solcher ausgezeich-
neter, in unserm Vaterlande einziger Kernbeißer soll ein Finke werden? dieß
geht unmöglich an.“2340 Dazu passt, was sein Sohn A. BREHM schrieb: Er
„ist der dickleibigste und plumpeste aller deutscher Finken, deshalb mit kei-
2337
BREHM 1866, 174
2338
GESSNER/HORST 1669, 138b
2339
GESSNER/ HORST 1669, 138b
2340
C. L. BREHM 1821, 2/ 345
398 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
nem andern zu verwechseln. Für ihn gelten die Kennzeichen der Familie im
vollen Umfange.“2341
Kirschschneller: Ein Schneller ist „ein Ding, welches mit Schnellkraft ab-
oder in die Höhe fähret.
… An dem Schlosse eines Feuergewehres ist der Schneller derjenige Theil,
welcher den Hahn bey der geringsten Berührung abschnellen oder abschnap-
pen läßt; der Abdruck, der Abzug.“2342 Bei unserem Vogel ist der knackende
Schnabel gemeint.
Brauner Kernbeißer, Brauner Steinbeisser: Im Gefieder überwiegen Braun-
töne. Der Rücken ist braun, die Unterseite hellbraun-beige, der Kopf ist noch
heller braun.
Finkenkönig, Buchfink: „Die Sassaresen [Bezirk auf Sardinien] geben ihm
[dem Kernbeißer], in Rücksicht der Aehnlichkeit der Farbe, welche zwischen
ihm und dem Buch-Finken stattfindet, und wegen seiner vorzüglichen Grö-
ße, den Nahmen Finken-König.“2343 Damit ist auch der Name „Buchfink“
geklärt, den der Kernbeißer wegen Farbenähnlichkeiten im Gefieder bekam.
Klepper, Kirschknöpper: Klepper kommt von ndd. „kneppen, knallen“.2344
Der Vogel wird auch Kirsch-Knepper genannt, „weil man ihn beym Aufbei-
ßen der Kirsch-Steine knacken hören kann.“2345 „Kirschknöpper“ entstand
aus „Kirschknepper“.
Leske, Leschke, Kirschleske: Diese Namen stammen aus dem schlesischen
Dialekt. Sie sind aus dem Tschechischen („dlesk“) und dem Polnischen
(„klesk“) entlehnt.2346 Wie andere Namen auch, sind sie mit dem stark entwi-
ckelten mittelalterlichen Vogelhandel nach Deutschland gekommen.2347 Das
heutige polnische Wort „klask“ (s. o. „klesk“) kann mit „Knallen“ übersetzt
werden, dem Geräusch, das der Kernbeißer beim Aufbrechen der Kirschkerne
macht.2348
Lysblicker: BREHM nannte in den ersten 3 Auflagen seines „Tierlebens“
den „Lysblicker“ als Trivialnamen des Kernbeißers. SUOLAHTI nannte ihn
„Lysklicker“. Der Ausdruck sei eine Bezeichnung des Flussuferläufers, der, wie
der Kernbeißer, auch als Steinbeißer (allerdings aus anderen Gründen) be-
2341
BREHM 1866, 173
2342
ADELUNG 1796, 2/ 1591
2343
KRÜNITZ 1787, 39/ 192
2344
SUOLAHTI 1909, 135
2345
KRÜNITZ 1787, 39/ 191
2346
SUOLAHTI 1909, 136
2347
HOFFMANN 1937, 90
2348
KALINA 1965, 187
PASSERES – SINGVÖGEL 399
2349
SUOLAHTI 1909, 136
2350
OKEN 1837, 264
2351
SUOLAHTI 1909, 139
2352
BUFFON/OTTO 1790, 13/ 21
400 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
2353
SUOLAHTI 1909, 137
2354
SUOLAHTI 1909, 137
2355
BREHM 1866, 3/ 113
2356
SUOLAHTI 1909, 138
2357
GRIMM/GRIMM 1984, 8/ 875
2358
ZUM LAMM 2000, 327
2359
SUOLAHTI 1909, 138
2360
GESSNER/HORST 1669, 55a
PASSERES – SINGVÖGEL 401
Die Zuordnung zu den Finken war nicht immer unumstritten. Der Gimpel
ist „ein Sangvogel, welchen Klein zu den Dickschnäblern, andere aber zu den
Finken rechnen.“2361
Rothgimpel, Rothfink, Rothvogel, Rottvogel: Typisches Kennzeichen die-
ses Vogels ist die rote Unterseite. Der kräftige Schnabel, mit dem der Vo-
gel auch größere Samen und Früchte zerbeißen kann, erinnert an den etwas
größeren Kernbeißer, der aber kein so auffallendes Rot wie der Gimpel hat.
„Rothgimpel“ war der Leitname bei NAUMANN.2362
Rothfink, Blutfink, Goldfink: „Wegen der rothen Farb an der Brust sollte
er Rot-Fink heißen. Weil aber der Buch-Fink von einigen auch Roth-Fink
genennet wird, so heißt dieser an vielen Orten Blut-Fink, an anderen Gold-
Fink.“2363
Thumherr, Thumpfaff, Thumpfaffe, Dompfaff, Domherr, Dompfaffe,
Dompaap, Pfäfflein, Pfäffchen: Wegen der schwarzen Kappe, vielleicht
auch wegen der vollen Figur wird der Vogel mit einem Geistlichen verglichen.
„Im Aargau brachte einmal ein Mann einen Dompfaff zu einem Chorherren.
Dieser wollte den Namen des Vogels wissen. Auf die Frage, weshalb man ihn
Dompfaff nenne, antwortete der Mann: Weil er nicht schön singe, aber desto
mehr fresse.“2364
„Thumbpfaff und Pfäfflein (heisset er)/ weil er eine Münchskappe an seinem
Halse trägt.“2365 Thum bedeutet „Dom“.
Zuerst ist der Name „Thumpfaff“ 1552 durch EBER und PEUCER in Sach-
sen bezeugt, das niederdeutsche „doemher“ seit 1542. Im mittel- und nieder-
deutschen Sprachgebiet verbreitet waren „Dônpfaff“ in Thüringen, „Daum-
pâpe“ in Göttingen oder „Dômpâp“ in Preußen. Für die Gegend von Frank-
furt bezeugt GESSNER „Pfäfflin“. GESSNER kannte auch „Thumherr“, den
„Domherrn“.2366
Schwarzköpfiger Gimpel, Rothbrüstiger Kernbeißer, Rothbrüstiger Gim-
pel: „Ich habe diesen Vogel nach seiner schwarzen Kopfzeichnung benannt,
weil er sich durch sie von allen einheimischen Gattungsverwandten auszeich-
net. Die rothe Brust hat er mit Haken- rosenfarbenen und karmoisinrothen
Kernbeißer, Loxia enucleator, rosea und erythrina [Haken-, Rosen- und Kar-
2361
ADELUNG 1793, 1/ 1514
2362
NAUMANN 1824, 4/ 383
2363
FRISCH 1763, T. 2
2364
GATTIKER/GATTIKER 1989, 63
2365
GESSNER/HORST 1669, 55a
2366
SUOLAHTI 1909, 139
402 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
mingimpel] gemein, und darf deshalb von ihr den Namen nicht erhalten.2367
Die anderen beiden Namen hatte BREHM in Klammern zugesetzt. Der
„Rothbrüstige Kernbeißer“ stammt von MEYER/WOLF, der „Rothbrüstige
Gimpel“ ist der Leitname bei BECHSTEIN.2368
Gelehriger Kernbeißer: Mit diesem Begriff betitelte BECHSTEIN den
Gimpel in seinem Ornithologischen Taschenbuch 1802.2369 „Dieser Vogel ist
sehr gelehrsam/ und hat bey nahe eine Stimm wie ein Pfeiff. Man kan ihn
aller Vögel Gesang lehren/ mit pfeifen und singen. Er lernet auch zuweilen/
doch selten/ reden/ dieweil er eine breite Zunge hat.“2370
Laubfink: Auch der Bergfink, ebenfalls ein schön gefärbter Vogel, hieß Laub-
fink.2371 Die Vögel sind gefärbt wie das Laub im Spätjahr.
Er heißt „Laubfink, vielleicht, weil er streicht, wenn das Laub abfällt.“2372
Bollenbeißer, Pollenbeißer: Bollen sind Knospen. Der Vogel ernährt sich
fast ausschließlich pflanzlich. Seine Nahrung sind Samen und Knospen einer
großen Zahl von Bäumen, Sträuchern und Kräutern. „Pollenbeißer“ ist aus
„Bollenbeißer“ entstanden.
„Dieser Vogel frisst gern die Bollen von den Baumen ehe dann das Laub her-
für wächst/ sonderlich die Birn- oder Aepffelblüth/ ehe dann sie sich auffthut/
darzu er dann einen bequemen Schnabel hat/ daher ihn auch die Teutschen
einen Bollenbeisser nennen.“2373
Brommeis: Das Wort, das GESSNER schon bekannt war, bedeutet „Knos-
penmeise“, nach dem schweizerischen „Brom“ für Knospe.2374 Den Namen
findet man bei KRÜNITZ.2375 „Brommeis“ bedeutet dann „Knospenfresser“.
Hale, Hahle, Hoylen: Die drei Wörter bedeuten „Gimpel“. SUOLAHTI er-
wähnte den Namen „Hail“. Damit identisch sei der Vogelname „hyl“ in einer
Version des Märchens vom Zaunkönig aus dem 15. Jh. Der Name sei ein
slawisches Lehnwort und gehe auf das tschechische „heyl, hyl“, die dem pol-
nischen „gil“ entsprächen, zurück.2376 „Gil“ ist das polnische Wort für „Gim-
pel“.2377
2367
C. L. BREHM 1821, 2/ 345
2368
MEYER/ WOLF 1810, 147 und BECHSTEIN 1807, 3/ 55
2369
BECHSTEIN 1802, 111
2370
GESSNER/HORST 1669, 55a
2371
GRIMM/GRIMM 1984, 12/ 295
2372
ADELUNG 1793, 1/ 1514
2373
GESSNER/HORST 1669, 55a
2374
SUOLAHTI 1909, 139
2375
KRÜNITZ 1775, 6/ 787
2376
SUOLAHTI 1909, 140
2377
KALINA 1965, 137
PASSERES – SINGVÖGEL 403
„Wegen des hohl-lautenden Thons seines Geschreyes nennen ihn einige Ge-
genden Hahle.“2378
Schnigel, Schniegel, Schnil, Schniel: Ebenso wie „Hail“ geht auch „Schni-
gel“ auf ein slawisches Lehnwort zurück, nämlich auf das polnische „sniegu-
ta“, dem das russische „snigiri“ für Gimpel entspricht.2379
Rothschläger, Rothschlegel: „Rothschlegel“ (genauer „-schlegel“) und da-
mit auch „Rothschläger“ könnten ebenfalls aus den slawischen Lehnwörtern
„snieguta“, „snigiri“ entstanden sein.2380
Man kann das Problem aber auch aus ganz anderer Sicht betrachten. „Roth-
schlag“ ist „eine im Bergbaue übliche Benennung einer Art röthlich braunen
Blende“ und „Rothschlägel“ „in einigen Gegenden, ein Nahme des Gimpels
oder Rothvogels … Die letzte Hälfte ist entweder mit Schlag in dem vo-
rigen Worte [Rothschlag] gleichbedeutend, oder gehöret auch zu schlagen,
singen.“2381 Rotschlag ist ein alter Name für Mineralien wie Sphalerit (ein oft
rotes Zink-Eisensulfid) oder Cinnarit (ein zinnoberrotes Quecksilbersulfid).
Quitschfink, Quietschfink, Quieschfink, Quetschfink: „Das Weiblein
wird zu Teutsch absonderlich Quetsch wegen seiner Stimm genennet.“2382
Die Stimme ist weniger rein und klingt tiefer. „Peucer in seinem Wörterbuch
gibt ihm dem in seinem Land und zu seinen Zeiten gewöhnlichen Namen
Quetsch, von einem Laut, den die Sie dieses Vogels von sich hören läßt.“2383
Das Männchen wurde „Quecker“ genannt.2384
„Wegen ihres eintönigen kreischenden Geschreyes, heißen sie an einigen Or-
ten Quietsch- oder Quetschfinken. Man könnte sie wegen ihrer knarrenden
Stimme auch ‚Schiebkarren‘ nennen.“2385
Hinter „Quieschfink“ und „Quetschfink“ setzte NAUMANN in der Über-
sicht der Trivialnamen in Klammern hinzu: „Von den Eberesche- oder Vogel-
beeren, die in manchen Gegenden Quitschen oder Quetschen heißen.“2386
Güger, Gücker, Giker, Giger, Gieger, Kicker: Alle Begriffe sind lautmalend
entstanden. „Ein schweizerischer Name für den männlichen Vogel ist nach
2378
FRISCH 1763, T. 2
2379
SUOLAHTI 1909, 140
2380
SUOLAHTI 1909, 140
2381
ADELUNG 1798, 1178
2382
GESSNER/HORST 1669, 55a
2383
FRISCH 1763, T. 2
2384
BUFFON/OTTO 1790, 13/ 6
2385
GOEZE 1795, 5-1/ 198
2386
NAUMANN 1824, 4/ 383
404 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
Gesner die Bildung ‚Gügger‘ (zu ‚güggen‘ ‚pfeifen‘).“2387 „Güger heisset er we-
gen seines Gesanges.“2388 In der Literatur werden Laute des Vogels mit „djü“
oder „phü, pjüüüuh“ beschrieben.
Außer „Güger“ bei GESSNER und „Gieker“ bei BOROWSKI, BECHSTEIN
oder GOETZE findet man keinen dieser Namen bei älteren Autoren. Außer
„Giker“, den BREHM aus „Gieker“ entstehen ließ, findet man noch „Giger“
bei OKEN, die anderen verantwortet alle NAUMANN.2389
NAUMANN lobte den leisen, zarten Gesang von gefangen gehaltenen Vö-
geln über alle Maßen und zitiert BECHSTEIN, der sich zur Aufgabe gemacht
hatte, den Vogelgesang in Buchstaben wiederzugeben: „Si, üt, üt, üt, üt, si, re,
üt, üt, üt, üt, üt, üt, si, re, üt, la, ut, mi, ut, la.“2390
2387
SUOLAHTI 1909, 140
2388
GESSNER/HORST 1669, 55a
2389
BREHM 1866, 112 und OKEN 1816, 409 und NAUMANN 1824, 4/ 383
2390
NAUMANN 1824, 4/ 383
2391
NAUMANN 1824, 4/ 403
2392
SUOLAHTI 1909, 139
2393
GLUTZ VON BLOTZHEIM/BAUER 1997, 14/ 1123
PASSERES – SINGVÖGEL 405
Der Hakengimpel ist der größte europäische Fink, sieht man einmal von dem
noch größeren Ausnahmegast Berggimpel ab. Der Oberschnabel ist stark ha-
kig übergebogen.2394 Der Schnabel ist kurz und kräftig und ohne gekreuzte
Spitzen.2395 Kein anderer heimischer Fink hat einen solchen hakenförmigen
Schnabel, der zu dem Namen „Hakenfink“ führte.
Hakenkreuzschnabel, Fichtenkernbeißer, Fichtengimpel, Fichtenhacker:
In der 1. Ausgabe der Naturgeschichte nannte BECHSTEIN den Vogel „Fich-
tenkernbeißer – Loxia Enucleator“, in der 2. Auflage „Haakenkreuzschnabel
oder Fichtenkernbeißer“.2396 NAUMANNS Leitname für den Hakengimpel
war „Fichtengimpel“.2397
Der Hakengimpel liebt Fichtenknospen besonders. Im Winter machen sie
und andere Koniferenknospen einen Nahrungsanteil von 20–25 % aus. Blü-
tenzapfen der Fichte beißt der Vogel stückweise ab. Junge Fichtenzapfen, die
noch grün und zart sind, werden regelrecht geschält und nur die Achse mit
den Samenanlagen gefressen. Die Namensteile „-kernbeißer“ und „-hacker“
sind deshalb irreführend, denn sie können zur Vorstellung verleiten, dass nur
reife, harte Fichtenzapfen bearbeitet werden. Das geschieht jedoch, wenn
überhaupt, nur vereinzelt.2398 BECHSTEIN nannte seine Loxia-Arten meist
Kreuzschnabel oder Kernbeißer.
Er „bewegt sich trotz seiner Größe auch in dünnem Gezweig sehr geschickt,
leicht hüpfend und ähnlich wie ein Kreuzschnabel, … sogar kopfunter oder
mit Schnabelhilfe kletternd“:2399 Der Name darf nur nicht zur Vorstellung
führen, Hakengimpel hätten gekreuzte Schnabelhälften.
„Fichtenhacker“ war ein bekannter Trivialname mit derselben Bedeutung wie
die anderen.
Talbit, Talbitar, Kanadischer Kernbeißer, Hartschnabel: BUFFON/
OTTO führten den Vogel unter „Der Talbit oder canadische Kernbeißer oder
Hartschnabel“. „Den schwedischen Namen Talbit hat er wohl von Tall, einer
Före ( Pinus sylvestris), dessen Samen er frißt.“2400
„Der Vogel aus Canada … ist von uns Hartschnabel (Dur-bec) genannt, weil
es schien, daß er einen härteren, kürzeren und nach Verhältniß stärkeren
Schnabel als die übrigen Kernbeißer habe.“
2394
BREHM 1879, 5/ 348
2395
BEAMAN/MADGE 1998, 808
2396
BECHSTEIN 1795, 289
2397
NAUMANN 1824, 4/ 403
2398
GLUTZ VON BLOTZHEIM/BAUER 1997, 14/ 1123 + 1128
2399
GLUTZ VON BLOTZHEIM/BAUER 1997, 14/ 1123
2400
BUFFON/OTTO 1790, 10/ 81 + 100 + 81
406 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
2401
GOEZE/DONNDORF 1795, 5-1/ 207
2402
BEZZEL 1993, 668
2403
MEYER/WOLF 1810, 1/ 142
2404
BUFFON/OTTO 1790, 10/ 81
2405
GLUTZ VON BLOTZHEIM/BAUER 1997, 14/ 1122
2406
GLUTZ VON BLOTZHEIM/BAUER 1997, 14/ 1128
PASSERES – SINGVÖGEL 407
2407
BUFFON/OTTO 1790, 10/ 81
2408
NAUMANN 1824, 4/ 403
2409
BECHSTEIN 1807, 3/ 28
2410
KLEIN 1760, 175
2411
CAMPE 1809, 3/ 581
2412
GOEZE/DONNDORF 1795, 5-1/ 207
2413
BREHM 1879, 5/ 348
408 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
2414
MÜLLER 1773, 108
2415
GRIMM/GRIMM 1984, 11/ 2066
2416
SUOLAHTI 1909, 142
2417
FRISCHBIER 1883, 2/ 121
2418
KRÜNITZ 1807, 107/ 588
2419
http://www.nature-rings.de/tiere/7/page2.html, Stand: 9.11.2011
2420
STRESEMANN 1941, 81 und NAUMANN 1824, 4/ 418
PASSERES – SINGVÖGEL 409
zieht sich auf die ungeschickten und hüpfenden Bewegungen des Vogels auf
der Erde.“2421
Ausgefärbte Männchen fallen durch ihre rote Färbung, Brust, Kopf und Bür-
zel sind leuchtend karminrot, und ihren Gesang auf. Alle anderen Kleider
sind unscheinbar.2422
Vermutlich ist die Gattung „Carpodacus“ im Himalaya oder in einem Bereich
nördlich davon entstanden. Als einzige Art kommt der Karmingimpel ( C. er-
ythrinus) auch in Europa vor. Er besiedelt große Teile der Paläarktis und hat
sich im Laufe des 20. Jahrhunderts westwärts bis Mitteleuropa ausgebreitet. In
Deutschland brütet er verstreut im Norden, Osten und im Alpenvorland.2423
Es gibt Hinweise, dass Karmingimpel im Mittelalter in Zentraleuropa in
durchaus nennenswerter Zahl vorkamen.2424
Karminköpfiger Fink, Karminhänfling, Carminkernbeißer: „Karminköp-
figer Fink“ stammt von MEYER, der ihn seines Systems gemäß „Fringilla
erythrina“ nannte.2425
Kein anderer Fink in Mitteleuropa hat einen solch karminroten Kopf. Der
„Karminhänfling“ ist ein Kunstname, der von NAUMANN stammt (s. o.).
„Carminkernbeißer“ ist eine von 6 „Loxia-“ (Kernbeißer-) Arten im Ord-
nungssystem von OKEN, der dazu schrieb: „Ist ein Bewohner des nördlichen
und nordöstlichen Europa’s, wo er an feuchten Ufern im Rohr und Weiden-
gebüsch ein dem des Bluthänflings ähnliches Nest bauen und jährlich zwei-
mal 5–6 grünliche, rothgefleckte, ebenfalls denen des Hänflings gleichende
Eier legen soll, was nur nach Aussage eines Entenfängers bekannt geworden
ist.“2426
Rothhaubiger Fink, Brandfink, Brandhänfling, Feuerfarbiger Fink: „Der
rothhäubige Fink“ war der Leitname bei BECHSTEIN 1795. Im Ornitho-
logischen Taschenbuch (1802) war es der „Brandfink“, später, 1807, wurde es
„Brandhänfling“.2427
Alle diese von NAUMANN übernommenen BECHSTEIN-Namen hatten
von BECHSTEIN die lateinische Bezeichnung „Fringilla flammea“ erhalten.
HARTERT, der den 3. Band der Neuauflage bearbeitet hat, stellte fest: „Die
2421
SUOLAHTI 1909, 139
2422
SVENSSON et al. 2011, 388
2423
http://de.wikipedia.org/wiki/Karmingimpel_(Gattung), Stand: 9.11.2011
2424
www.nature-rings.de, Stand: 9.11.2011
2425
MEYER/WOLF 1822, 3/ 48
2426
OKEN 1843, 15
2427
BECHSTEIN 1795, 483 + 1802, 130 + 1807, 164
410 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
eigentliche ‚Fringilla flammea‘ synonym mit ‚Fr. cristata‘, Gmel. Linn. mit
‚le Friquet huppé‘, Buff. … mit ‚The crimson crowned finch‘, Lath. … ge-
hört nicht hierher, unterscheidet sich durch einen ganz anderen finkenartigen
Schnabel, andere Zeichnungen, und lebt im südlichen Amerika.“2428
„The crimson crowned finch“ kann man mit „Rothaubiger Fink“ übersetzen.
Schwedischer Rosenfink: In Schweden erhielt der Karmingimpel den deut-
schen Namen „Rosenfink“2429 In England heißt der Vogel heute „Common
Rosefinch“, Gemeiner Rosenfink.
Tuti (der Hindu): Der Karmingimpel stammt aus dem Himalayagebiet,
zu dem Indien gehört. Man findet den Namen bei BREHM (1879). Wahr-
scheinlich besteht eine Verbindung zwischen BREHMS Ausdruck und dem
folgenden Zitat aus dem Jahr 1839: Tuti ist der Name eines Papageis, der bei
den Hindus in vorzüglicher Hochachtung steht und der in ihren Sagen und
Erzählungen immer prophetisch auftritt.2430
2428
HARTERT in: NAUMANN/HENNICKE 1900, 3/ 247
2429
NAUMANN 1824, 4/ 418
2430
BREHM 1879, 5/ 342 und Das Ausland, 1839, Bände 11–12, p. 343
2431
FEHRINGER 1951, 151
2432
NAUMANN 1825, 5/ 114
PASSERES – SINGVÖGEL 411
Inzwischen ist der Girlitz auch in Holland, Westrussland und Südengland ein
Sommervogel.
Girlitz: Der Name des Vogels ist zwar schon 1554 als „Girlin“ im Strassburger
Vogelbuch belegt. Der Girlitz hat aber zu jener Zeit („GESSNERS Zeiten“)
nicht als Wildvogel in Deutschland („bei Frankfurt“) gelebt, wie STRESE-
MANN betonte. Der Name „Girlitz“ sei aber laut GESSNER (1555) ge-
bräuchlich gewesen. STRESEMANN fuhr fort: „Schon SUOLAHTI (1909,
p. XXIII, 133) hat auf das fremde Suffix ‚-itz‘ hingewiesen, das den Verdacht
erwecke, der Name sei slavischen Ursprungs. In der Tat finde ich, dass SCO-
POLI (1768, p. 140) ‚Grilitsch‘ als die in Krain [historische Region im heuti-
gen Slowenien] gebräuchliche Bezeichnung unseres Vogels aufgezeichnet hat.
Dazu passt die Angabe von GESNER (1555), der Girlitz werde ‚apud Carint-
hios‘ gefangen. Der Name ‚Girlitz‘ ist also damals zugleich mit dem Vogel aus
Krain nach Frankfurt a. M. importiert worden.“2433
„Girlitz“ könnte man sich durch Lautmalung entstanden denken, zusammen-
gesetzt aus der „bei Vogelnamen häufigen, fremden Endung -itz“ mit dem
lautmalenden „girl“.2434
Serinus: Dieser schon lange für den Girlitz gebrauchte Gattungsname hat
sich verselbständigt. Das Wort ist aus dem französischen „serin“ gebildet wor-
den. Serin kommt vom lateinischen „serinus“ (= sericus) und das bedeutet
„gelbe chinesische Seide“.2435
Grünfink, Grünfinkchen, Eigentliches Grünfinkchen: Für diese Bezeich-
nungen war eine gewisse Ähnlichkeit mit dem deutlich größeren, aber auch
farblich gut unterscheidbaren Grünfinken namensgebend. Die ersten bei-
den Namen findet man bei BECHSTEIN (1795, 294), allerdings stammen
sie, zumindest „Grünfink“, nicht von ihm: „Ich nenne ihn nicht Grünfink
zum Unterschied von dem Grünling, der auch Grünfink genannt wird.“
Wahrscheinlich ist „Eigentliches Grünfinkchen“ ein Kunstname von NAU-
MANN.2436
Girlitzkernbeißer: „Linné zählt ihn zu den Finken; allein er hat nicht nur
einen sehr kurzen und dicken Schnabel, als den Hauptcharakter der Kern-
beißer ( Loxia), sondern auch alle übrige Eigenschaften derselben, wie ich aus
langer Erfahrung weiß, da ich beständig einen oder etliche im Käfig ernähre.
Scopoli setzt ihn also schon mit Recht unter die Kernbeißer.“2437 Fast 30 Jahre
2433
STRESEMANN 1941, 97 (die anderen Quellen sind Teile des Zitates)
2434
GRIMM/GRIMM 1984, 7/ 7548
2435
ZUM LAMM 2000, 315
2436
NAUMANN 1825, 5/ 114
2437
BECHSTEIN 1795, 294
412 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
später beklagte NAUMANN, den Girlitz kaum zu kennen (s. o.)! MEYER/
WOLF nannten ihn nach „Loxia Serinus, Scopoli“ folgerichtig „Girlitz-Kern-
beißer“, im Inhaltsverzeichnis aber „Girliz-Fink“ nach dem ebenfalls von ih-
nen angegebenen „Fringilla Serinus. Gmel. Linn.“ und LATHAMS „Serin-
Finch“.2438
Gelbgrüner Dickschnabel: Dieser Name ist die deutsche Bezeichnung für
„Loxia Serinus“, den Girlitz, bei SCOPOLI/GÜNTHER.2439
Girlitzzeisig: Das von OKEN eingebrachte Wort „Girlitzzeisig“ erschien in
der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts wenige Male. Es war damals (um 1800)
üblich geworden, dass Autoren Vogelgruppen ordneten, wie z. B. die mit „Er-
len-, Zitronen- und Birkenzeisig, Stieglitz, Girlitz und Bluthänfling“ unter
„Zeisig. Spinus“. Dem damaligen deutschen Vogelnamen wurde in diesem
Fall jeweils ein „-zeisig“ angehängt. So machte es OKEN (1843), der den Gat-
tungsnamen „Fringilla“ (Fink) beibehielt, oder BEHLEN (1826), der „Spi-
nus“ benutzte. MEYER/WOLF (1810) verwendeten für die Finken durch-
gehend die Endung „-fink“. NAUMANN (1825) behielt „Fringilla“ bei, teilte
sie aber auf in drei Gruppen: „Schnee-, Buch- und Bergfink“, „Grün-, Blut-,
Berg-, Girlitzhänfling“ und „Distel-, Zitronen-, Erlen-, Birkenzeisig“.2440
Kanarienzeischen: Der Girlitz und der nur wenig größere wilde Kanarienvo-
gel ähneln sich sehr und wurden noch Mitte des 20. Jahrhunderts als Unter-
arten zu derselben Art „Serinus canaria“ gestellt.2441 Beide Vögel ähneln aber
auch dem Erlenzeisig. Der Girlitz hat die „Größe wie ein Zeisig, welchem er
an dem Schnabel gleicht, dem Kopfe nach aber einem Canarienvogel ähnlich
sieht; daher er auch der italiänische gelbe Zeisig, Fr. le Serin d’ Italie, der Ca-
narionzeisig oder das Canarienzeischen genannt wird“.2442
Italienischer Kanarienvogel, Italiänischer Kanarienvogel: „Unter unseren
gefiederten Musikanten ist der Girlitz der Zitherspieler … Seine Stimme sirrt
in der schönen Jahreszeit aus vielen Parkanlagen, Obstgärten und Weinber-
gen. Er zupft eilig zwei helle Töne aus der Kehle, dann vier tiefere, nun wieder
vier helle. Dabei schwingt der Kopf hin und her. Gläsern klirrt es fast ohne
Unterlaß fort, wendet sich auf und ab und schüttet sich perlend aus. Es klingt
ziemlich einförmig, doch ganz reizend.“2443 „Sein Gesang hat, wie sein ganzes
Betragen, die größte Aehnlichkeit mit dem des Canarienvogels, nur mischt er
2438
MEYER/WOLF 1810, 146
2439
SCOPOLI/GÜNTHER 1770, 169
2440
OKEN 1843, 14 und BEHLEN 1826, 198
2441
GERLACH 1953, 26
2442
KRÜNITZ 1781, 23/ 586
2443
GERLACH 1953, 26
PASSERES – SINGVÖGEL 413
2444
BECHSTEIN 1805, 3/ 161
2445
GESSNER/HORST 1669, 149a
2446
KRÜNITZ 1781, 23/ 586
2447
SUOLAHTI 1909, 133
2448
GRIMM/GRIMM 1984, 9/ 314
2449
SUOLAHTI 1909, 133 und GRIMM/GRIMM 1984, 7/ 7548
2450
Gefiederte Welt 1911, 79
414 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
Cinit, Cini, Zinit: BUFFON hatte weder ein eigenes Kapitel über den Girlitz
noch über den Zitronenzeisig. Er behandelte beide beim Kanarienvogel mit,
mit dem er sie teilweise auch vermischte, wie folgende Schilderung zeigt: „In
der glücklichen Gegend Hesperiens (Spaniens) scheint dieser schöne Vogel
seinen Ursprung genommen zu haben, oder wenigstens zu seiner ganzen Voll-
kommenheit gestiegen zu seyn. Denn in Italien kennt man einen Vogel dieser
Art, welcher aber kleiner als dieser Kanarienvogel ist, und in der Provence
findet man eine fast eben so große Art. Beide letzteren sind weit wilder, und
man kann sie als Abkömmlinge eines zahmen Gechlechts ansehen. Diese drei
Arten paaren sich im Gebauer zwar zusammen, aber in ihrem natürlichen Zu-
stande scheint jede für sich in ihrer Gegend sich ohne Vermischung mit einer
andern Art fortzupflanzen; sie machen also drei beständige Abänderungen
aus, daher ich es für gut befinde, jeder einen verschiedenen Namen, damit
man sie nicht verwechsele, beizulegen. Der größte heißt seit Belons Zeiten
[ca 1550] Cinit oder Cini. In der Provence nennt man ihn heute noch [1770]
Cini oder Cigni, und den italiänischen nennt man Venturon. Es werden da-
her der Kanarienvogel, der Venturon und der Cini die eigentlichen Namen
seyn, welche ich annehme, um diese drei Abänderungen zu bezeichnen und
‚Serin‘ soll der Name dieses ganzen Geschlechts andeuten.“2451
Die Größenangaben von BUFFON führen zu Problemen, die nur durch
Lektüre seines Kapitels über den Kanarienvogel gelöst werden können. Der
kleinere Vogel in Italien, der Venturon (auch „Zitronenfink“, p. 280), ist der
Zitronenzeisig. Er wurde von BUFFON aber auch „Citrinella Gesner“ und
„Serinus italicus“ genannt (p. 279). Das sei der Girlitz.2452 An anderer Stelle
zitierte BUFFON eine Quelle, nach der der Cini etwas kleiner als der Kana-
rienvogel sei. Damit wären „Cinit oder Cini“ Namen vom Girlitz.
Fädemlein: Das Wort bedeutet „Fädchen, Fädelein“. Es wurde für viele Vo-
gelnamen angewendet und bezog sich bei ihnen auf den Flachs oder Lein,
dessen Früchte als Vogelnahrung sehr wichtig waren.2453
Schwäderlein: Dieses Wort ist nicht leicht zu deuten. „Schwäderlein“, das
man auch „Schwederlein“ schreibt, kommt „vermuthlich von schwirren.“2454
Schwadern oder schwedern bedeutet „schwatzen, plaudern.“2455
Das Wort könnte aber auch, wie „Fädemlein“, mit der Nahrung des Vogels
zusammenhängen. Als „Schwaden“ wurde „der eßbare Same einiger Grasar-
2451
BUFFON/OTTO 1790, 10/ 279f
2452
SPRINGER 2007, 247
2453
GRIMM/GRIMM 1984, 3/ 1231
2454
KRÜNITZ 1781, 23/ 586
2455
GRIMM/GRIMM 1984, 15/ 2173
PASSERES – SINGVÖGEL 415
ten und diese Grasarten selbst“ bezeichnet,2456 woraus das Diminutiv „Schwä-
derlein“, also „Grassamenfresser“, enstanden sein könnte.
2456
ADELUNG 1798, 1704
2457
BUFFON/OTTO 1790, 10/ 275
2458
BEAMAN/MADGE 1998, 770
2459
in: GRIMM/GRIMM 1984, 11/ 158
2460
ZUM LAMM 2000, 314
416 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
Canario: In Spanien und Portugal übliche Namen dieses Vogels, den die Ita-
liener „Canarino“ nennen.
Zuckervogel: „Im Lauenburger Taschenbuch vom Jahr 1784 heißt es: ‚Man
nannte die Kanarienvögel Zuckervögel, weil man sagte, daß sie das Zuckerrohr
lieben, und weil sie Zucker in Mengen verzehren können. Dieser Umstand ist
allerdings sonderbar, weil dieses Salz manchen Vögeln ein Gift ist‘.“2461
Der Name ist, auf den Kanarienvogel bezogen, schon sehr alt. Import und
Zucht des Vogels begannen im 16. Jahrhundert, 1603 findet man den Namen
„Zucker Vogel“ in der Literatur.2462
Der Zuckerrohranbau begann auf den Kanaren und den Azoren im 15. Jahr-
hundert und war damals neben dem Weinbau ein bedeutender Wirtschafts-
faktor. Er ist inzwischen eingestellt worden. Ursprünglich gab es Plantagen, in
denen man auch den Kanarienvogel fand, der sich dort gut von Insekten und
körnerproduzierenden „Unkräutern“ ernähren konnte.
2461
OTTO in: BUFFON/OTTO 1790, 10/ 385
2462
SUOLAHTI 1909, 134
2463
GLUTZ VON BLOTZHEIM/BAUER 1997, 14/ 933
2464
SVENSSON et al. 2011, 386
PASSERES – SINGVÖGEL 417
2465
ZUM LAMM 200, 323
2466
GATTIKER/GATTIKER 1989, 65
2467
SVENSSON/GRANT/MULLARNEY/ZETTERSTRÖM 1999, 356
2468
ZORN 1743, 28
418 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
2469
SUOLAHTI 1909, 141
2470
CARL 1995, 81
2471
SUOLAHTI 1909, 141
2472
SUOLAHTI 1909, 141
2473
KRÜNITZ 1790, 49/ 267
2474
SUOLAHTI 1909, 141
PASSERES – SINGVÖGEL 419
2475
SUOLAHTI 1909, 142
2476
FRISCH 1763, T. 11
2477
VOIGT 1835, 234
2478
NAUMANN 1824, 4/ 356
2479
SUOLAHTI 1909, 142
2480
BUFFON/OTTO 1790, 10/ 49
420 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
tet, unterschiedlich weit (bis 4000 km) und nur einmal im Jahr. Die Haupt-
wanderungen beginnen nach der Jungenaufzucht im Sommer. Man nennt
dieses Verhalten „Nomadisieren“. Es ist als Anpassung an dauernd wechselnde
Nahrungsangebote entstanden. So gibt es Kreuzschnäbel, die das ganze Jahr
in einem Gebiet sind und andere, die in großer Zahl im Spätjahr erscheinen.
Die Bevölkerung kannte den Zusammenhang des „Vagabundierens“ mit der
Nahrung, auch war ihr aufgefallen, dass diese Vögel über längere Zeit fast völ-
lig verschwinden konnten. NAUMANN zitierte Christian Ludwig BREHM:
„Seit 1810 und 1811 habe ich in unserer Gegend nicht einen einzigen ge-
sehen; im Jahre 1818 aber kamen sie im Mai ganz einzeln, im Juni familien-
weise, im Juli und August in großen und kleinen Flügen an, sodass es jenen
Herbst und Winter ungewöhnlich viele in unsern Nadelwäldern gab. Die äl-
testen Menschen erinnerten sich nicht, je so viele Fichtenkreuzschnäbel in
unseren Hölzern gesehen zu haben. Das kommt daher, weil der Fichtensamen
im Jahre 1818 bei uns in ausserordentlicher Menge vorhanden war.“ Von den
vielen Vögeln war bald darauf, 1819 ab Ende Juni, keiner mehr zu sehen.2481
2481
BERTHOLD 1996, 43 und NAUMANN 1824, 4/ 356
2482
NAUMANN 1824, 4/ 339
2483
SVENSSON/GRANT/MULLARNEY/ZETTERSTRÖM 1999, 356
2484
BEAMAN/MADGE 1998, 778 und NAUMANN 1824, 4/ 356
PASSERES – SINGVÖGEL 421
2485
GLUTZ VON BLOTZHEIM/BAUER 1997, 14/ 1032
2486
NAUMANN 1824, 4/ 339
2487
ADELUNG 1801, 4/ 530
2488
SUOLAHTI 1909, 141
2489
SUOLAHTI 1909, 141 + 142
422 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
2490
HOFFMANN 1937, 76
2491
GLUTZ VON BLOTZHEIM/BAUER 1997, 14/ 583
2492
SUOLAHTI 1909, 109 + 136
2493
BECHSTEIN 1807, 3/ 45 + 1802, 110 und NAUMANN 1826, 5/ 62
2494
GRIMM/GRIMM 1984, 9/ 382
PASSERES – SINGVÖGEL 423
Grüngelber Fink, Tutter: Mit „Grüngelber Fink“ betitelte HALLE sein Ka-
pitel über den Grünfinken. Die am meisten auffallenden Farben sind Grün
und Gelb.2495
Nach letzterer Farbe bekam der Vogel im Elsass den Namen „Gelbfink“ und
in Frankfurt das Synonym dazu, „Tutter“. „Tutter“ soll wohl als Eigelb ver-
standen werden und auf die gelbe Gefiederfarbe hinweisen.2496
Gründling: Mit „langem ü“ gesprochen, ist die Herkunft von „Grünling“ er-
kennbar. Diesen Namen hatte der Vogel in Kärnten.2497
Grünschwanz, Grönschwanz: Das Wort „Schwanchel“, wie man den Grün-
finken in einigen Gegenden nannte, wurde fälschlicherweise verdeutscht zu
Schwanz.2498 Das Wort „Schwanz“ erhielt dann die Hauptfarbe Grün des Vo-
gels zugeordnet.
In der Marck [Brandenburg] hieß der Vogel „Grünschwantz“. „Mit welchen
Namen man ihn nicht auf seinen Schwantz gesehen, denn er hat ebenso viel
grünes nicht, sondern es ist der in Sachsen gewöhnliche Name, Schwunitz
und Schwanschel im Schwantz verändert worden, und von der Böhmischen
Nachbarschafft und den Wendischen Vogel-Fängern aufgekommen.“2499
Grüngelber Dickschnäbler: Dieser Begriff war der Leitname von KLEIN
für den Grünfink. KLEIN nannte Vögel mit den „dicksten kreiselförmigen“
Schnäbeln Dickschnäbler, „lat. Coccothraustes“.2500
Grüner Dickschnabel, Grüner Kernbeißer: Der Grünfink ist gedrungen
und hat einen relativ großen Kopf mit einem kräftigen Schnabel, worin er
dem Kernbeißer ähnelt. Er ist „mit seinem hohen kegelförmigen Schnabel
die einzige Carduelis-Art, die viele Schoten, Kapseln und fleischige Früchte zu
öffnen bzw. zu zerdrücken vermag; die kleineren Arten müssen das Springen
der Kapseln abwarten und dann aufreißen, um an die Samen heranzukom-
men.“2501 KLEIN und andere stellten den Grünfink zu den Kernbeißern und
nannte ihn u. a „Grüner Dickschnäbler, Coccothraustes viridis“.2502
Grün-Hänfling, Grüner Hänfling, Gelbhänfling: In einigen Gegenden,
z. B. in Schlesien oder der Altmark, wurde der Vogel, wohl auch wegen sei-
ner Vorliebe für Hanf, als Hänfling angesehen. Als typischer Körnerfresser
2495
HALLE 1760, 400
2496
SUOLAHTI 1909, 136
2497
BUFFON/OTTO 1785, 11/ 228
2498
SCHALOW 1919, 496
2499
FRISCH 1763, T. 2
2500
KLEIN 1760, 176
2501
GLUTZ VON BLOTZHEIM/BAUER 1997, 14/ 584
2502
KLEIN 1750, 95
424 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
ernährt er sich dort, wo es möglich ist, natürlich nicht nur, aber auch von
Hanfsaat. NAUMANN nannte den Vogel nur „Grün-Hänfling“.2503
Grünhanferl: „Im Spätjahre sieht man oft große Schaaren dieser Grünlinge
herumziehen, sie sind dann besonders dem Hanf sehr gefährlich.“2504
Hanfvogel: „Im Spätjahr ziehen sie in Heerden oft zu Tausenden herum, und
schaden besonders dem Hanf. Sie werden in Menge gefangen und gegessen.“
Auch NAUMANN beklagte die beträchtlichen Schäden, die die Vögel auch
auf seinen „Hanfstücken“ anrichteten.2505
Rappfink, Rapfink, Hirsenvogel, Hirsenfink, Hirsvogel: Einige Namen er-
hielt der Grünfink nach seiner Nahrung, die aus Hanfsamen, Rübsamen, Hir-
se und anderen Samen besteht. SUOLAHTI zählte auch „Rappfink“ zu dieser
Gruppe und hält ADELUNGS Vorstellung, dass der Grünfink diesen Namen
wegen seiner Stimme bekommen hat, für verfehlt. KRÜNITZ: „Rapa“ ist im
Italienischen und Lateinischen (richtiger rapum?) die „Rübe“. Der „Rapp-
fink“ ist also kein Rapssamen-, sondern Rübsamenfresser.2506
Kuttvogel, Kutvogel: „Ohne Zweifel von seinem Geschreye (…)“ (o. Qu.). „
… weil er mit einem besondern Gelocke streicht.“2507 Für SUOLAHTI waren
dagegen die Erklärungsversuche aus den Naturlauten verfehlt: „Wahrschein-
lich beruht der Ausdruck auf dem elsässischen Jägerworte Kütt ‚Schwarm von
Vögeln‘ und erklärt sich daraus, daß die Grünfinken scharenweise umher-
streichen.“2508
Welscher Hänfling: Nach SUOLAHTI hat der Vogel den Namen in Schle-
sien wegen seiner unsteten Lebensweise erhalten, wegen seines Umherschwei-
fens in Scharen. Welsch bedeutet hier soviel wie „in vielen Gebieten vorkom-
mend, nicht standorttreu“.2509
Schwunsch, Schwunsche, Schwunschvogel, Schwunz, Zwuntsche, Schwa-
nitz, Schwanschel, Schwanzka, Schwaniß, Schaunsch, Schaunz, Schwo-
netz, Wonitz, Wonütz: Diese Namen, von denen es zahlreiche umgestaltete
Namensformen gibt, kamen auf stimmnachahmende Weise zustande. „Auf
slawisch oder wendisch heißt der Vogel schwunitz, polnisch dzwoniec. Beide
Namen gehen auf die Rufe zwui oder zwuid zurück.“2510 „Ich weiß nicht, ob
2503
NAUMANN 1826, 5/ 62
2504
CURTMANN/WALTER 1846, 332
2505
OKEN 1837, 263 und NAUMANN 1826, 5/ 62
2506
SUOLAHTI 1909, 136 und ADELUNG 1798, 9/ 937 und KRÜNITZ 1820, 128/ 158
2507
KRÜNITZ 1780, 20/ 216
2508
SUOLAHTI 1909, 136
2509
SUOLAHTI 1909, 136
2510
HOFFMANN 1937, 23
PASSERES – SINGVÖGEL 425
dieses oder jenes Twuih, was man allenfalls ebensogut Schwoinz aussprechen
könnte, dem Vogel zu dem Namen Schwunsch verholfen haben mag.“2511
„Wonitz“ erscheint schon 1531 bei Hans SACHS in seinem Regiment der
Vögel.
Schwonetz: „Schwonetz heißt im Böhmischen eine Schelle. Weil dieser Vogel
mit einem seltsamen zwey-stimmigen Ruff im Hin- und Herzug sich hören
läßt. Sonst ist sein Gesang zwar kurtz, aber nicht unangenehm, und wird
verbessert, wenn man von ihm und einer Canarie-Sie Eren [Mischlinge]
zieht.“2512
Schwunschhänfling: „In der Lebensart stimmt er so ziemlich mit dem
Hänfling überein, schreyt jäck und schwoinz…“2513 Man kann das Wort als
„Grün(fink)hänfling“ übersetzen s. o.
Römischer Zeisig: „Römischer Zeisig“ war für den Grünfink durchaus ver-
breitet. Der Vogel hat seinen Namen von seinem zeisigähnlichen Gesang und
seinem zahlreichen Vorkommen in Südeuropa. „Der Grünfink wird auch we-
gen seines Gesangs sehr geachtet. Man lehrt ihn reden und ganze Arien pfei-
fen. …Man muß ihn nicht mit dem Zeisig verwechseln, den die Franzosen,
ohne Zweifel wegen seines gedehnten Gesangs, Tarin nennen…. Belon sagt,
der Zeisig habe im Gesang die zweyte Stelle nach dem Grünfinken.“2514
2511
NAUMANN 1826, 5/ 62
2512
FRISCH 1763, T. 2
2513
OKEN 1837, 263
2514
SAURI, Natürl. Gesch. des Erdbodens, 1782, 3/1, 240
2515
GATTIKER/GATTIKER 1989, 53
426 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
Vogels entstanden und zwar aus dem nicht sehr häufigen Ruf „stigelit“ bis
„tsegeli“.2516
Gemeiner Stieglitz: „Der Gesang lautet stichlick, stichlick…“ oder „steglitz,
stichlit“.2517 „Von etlichen wird er auch wegen seiner Stimme Stiglitz geheis-
sen.“2518
Stichlitz, Stechlitz: Die Namen hat der Vogel „von den stechenden und
stachlichten Disteln“.2519
Der Ruf ist charakteristisch und fröhlich klingend „tickeLITT“.2520 Daraus
entstanden durch Lautmalung „Stichlitz“ und „Stechlitz“.2521
Sterlitz: Dieser Name ist eine Abwandlungen von Stieglitz oder Stechlitz. So
sprach man in Anhalt zu NAUMANNS Zeiten vom Sterlitz.2522
Stachlitz, Stachlick: Die Namen entstanden aus Stieglitz, möglicherweise
durch mundartliche Veränderungen. „Der Name Stechlik ist … dem Sprach-
schatz der Wenden und Böhmen entnommen.“2523
Distelzeisig, Distelfink: Nach der damaligen Ordnungsauffassung von
BECHSTEIN hieß der Stieglitz „Distelzeisig“, während MEYER/WOLF ihn
„Distelfink“ nannten.2524
„Dieser Vogel wird … zu Teutsch Distelfinck genennet, weil er auff den Dis-
teln zu sitzen pflegt.“ So heißt er teilweise auch heute noch.2525
Distelvogel: „Distelvogel“ ist der schweizerisch-schwäbische Name des Dis-
telfinken, der 1555 schon bei GESSNER erwähnt wurde, aber noch älter ist
und in althochdeutschen Glossen des 13. Jahrhunderts bezeugt wurde.
Distelein, Distler: Kurzform von Distelfink. Weitere Beispiele sind „Distel“
in der Schweiz, „Dischel, Dissele, Disserle“ im Elsass.2526
Fistelfink: Dieser Name steht in vielen Trivialnamen-Aufzählungen, ist dem-
nach kein Fehler. Von „Distelfink“ ist er nicht abzuleiten. Der Stieglitz hat
eine leise hohe Stimme, die beim Menschen eine Fistelstimme genannt wird.
2516
SUOLAHTI 1909, 117 und HOFFMANN 1937, 24
2517
CURTMANN/WALTER 1846, 229
2518
GESSNER/HORST 1669, 70a
2519
FRISCH 1763, T. 1
2520
SVENSSON/GRANT/MULLARNEY/ZETTERSTRÖM 1999, 350
2521
GATTIKER/GATTIKER 1989, 52
2522
NAUMANN 1826, 5/ 125
2523
SCHALOW 1919, 496
2524
BECHSTEIN 1807, 3/ 200 und MEYER/WOLF 1810, 1/ 167
2525
GESSNER/HORST 1669, 70a
2526
SUOLAHTI 1909, 116
428 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
Gelbflügel, Goldfink: Der Vogel hat ein auffallend breites goldgelbes Band
am Flügel, das auch im Sitzen sichtbar ist.
Kletter, Kletterrothvogel: „Weil er auch auf die großen Kletten fliegt, und
den Saamen heraus frißt, heißen ihn einige, sonderlich in Ost-Frießland,
Kletter.“2527
Rothvogel, Rothvögelein: Der Stieglitz hat ein auffallend rotes Gesicht.
Einen „Rothvogel“ findet man schon 1603 bei SCHWENCKFELD.
Trun: „Bei den deutsch redenden Rhätiern soll der Distelfink, wie Gesner
sich zu erinnern glaubt, Turns heißen.“2528
Jupitersfink: „Dieses niedliche Vögelchen hat sehr karakteristische; aber auch
einige unpassende Provinzialnamen.“2529 Zu Letzteren zählte der Autor neben
Goldfink und Rothvogel auch „Jupitersfink“. KLEIN nannte den „Distelfin-
ke“ dagegen „Fringilla Jovis“, übersetzt „Fink des Jupiter“.2530
„Der Stieglitz ist ein Symbol für Ausdauer, Fruchtbarkeit und Beharrlichkeit.
Wegen seiner Vorliebe zu Disteln (Dornen) ist er auch ein christliches Sym-
bol für die Passion und den Opfertod Jesu Christi. Er ist Begleitvogel auf
vielen Madonnenbildern, in denen er für das Vorwissen über die bevorstehen-
de Kreuzigung steht. … Im Mittelalter wurde der Stieglitz als Talisman zum
Schutz vor der Pest verwendet. Conrad Gesner (1555) erwähnte diesen Vogel
in seinem Vogelbuch und setzte ihn bei Erkrankungen ein. So sollen gebrate-
ne Stieglitze ein geeignetes Heilmittel gegen Bauchgrimmen und Darmgicht
sein. Da man dem Stieglitz die Fähigkeit zuschrieb, Krankheiten anzuziehen,
wurde ein solcher Vogel zu ebendiesen Zweck in das Zimmer eines Schwind-
süchtigen gehängt.“2531
2527
FRISCH 1763, T. 1
2528
SUOLAHTI 1909, 117
2529
GOEZE/DONNDORF 1795, 5-1/ 331
2530
KLEIN 1760, 180
2531
http://de.wikipedia.org/wiki/Stieglitz, Stand: 7.112011
PASSERES – SINGVÖGEL 429
in der Nähe wie: ‚hed, hed, hed, tirrr lilili.‘ Erschreckt ließen beide Gatten
ein scharfes ‚zieh, zit‘ hören; der Lockton, beim Aufsuchen von Nistmaterial
häufig ausgestossen, ist ein sanftes ‚zieh- zwoi‘. Ich beobachtete mehrere Paare
beim Nestbau und fand auch fertige Nester, die denen des Stieglitz ähnlich,
aber etwa glatter und netter gefilzt sind.“2532
Citronenzeisig: Der Zitronenzeisig ( Carduelis citrinella), der auch Zitronen-
girlitz genannt wird, gehört innerhalb der Familie der Finken (Fringillidae)
zur Gattung der Zeisige ( Carduelis). Der Zitronenzeisig (Zitronengirlitz) wird
gelegentlich, vor allem in älterer Literatur, als „Serinus citrinella“ in der Gat-
tung der Girlitze ( Serinus) geführt. Diese Zuordnung gilt, wie die Schreib-
weise „Citronen-“, als veraltet.
Der Zitronenzeisig ist anscheinend näher mit dem Stieglitz ( Carduelis cardue-
lis) verwandt als mit dem Girlitz ( Serinus) (Arnaiz-Villena et al., 1998).2533
Der Artname „citrinella“ bedeutet zitronenfarben, also gelb bis gelbgrün. Der
Zitronengirlitz ist vorherrschend gelbgrün.
Das Wort „Girlitz“ ist lautmalend aus slawischen Sprachen entstanden. Bei
„Zeisig“ handelt es sich um ein Lehnwort aus dem Tschechischen: „Anfang
des 13. Jahrhunderts als mhd. zis, zise dem lautmalenden tschechischen ciz
Zeisig entlehnt.“2534
Citronenfink, Citronfink, Citrongelber Fink: Linné nannte den Vogel Mit-
te des 18. Jahrhunderts „Fringilla citrinella“, was soviel wie „Zitronenfarbener
Fink“ bedeutete. MEYER/WOLF nannten den Vogel „Citronenfink“.2535
Citrinchen, Zitrinchen, Citrinlein, Citrinelle: Schon GESSNER be-
schrieb den Zitronengirlitz als „Citrinlein“ („deß Grünling oder Zeißlein-
Geschlechts“) und ordnete ihn in die Nähe des Girlitz ein. „Den Citrinlein
oder Zeißlein wird auch verglichen … ein Vögelein … Girlein genennet .. an
etlichen Orthen auch Girlitz.“2536
„Ferner ist der italienische Name citrinello zu erwähnen; daraus wurde in
Deutschland Zitrinelle oder Zitrinchen und Zitrinlein (für den Zitronenzei-
sig).“2537
2532
BALDAMUS 1870, 18/ 104
2533
http://de.wikipedia.org/wiki/Zitronenzeisig, Stand: 1.11.2011
2534
GRIMM/GRIMM 1984, 31/ 519
2535
MEYER/WOLF 1810, 175
2536
GESSNER/HORST 1669, 148a
2537
HOFFMANN 1937, 89
430 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
2538
BECHSTEIN 1807, 3/ 241 und NAUMANN 1826, 5/ 148 und BREHM 1879, 5/ 302
2539
OKEN 1837, 262
2540
BECHSTEIN 1807, 3/ 241
2541
BECHSTEIN 1807, 3/ 241 + 242
2542
BECHSTEIN 1807, 3/ 241 und NAUMANN 1826, 5/ 148
2543
BECHSTEIN 1807, 3/ 241
PASSERES – SINGVÖGEL 431
singt er jahrein jahraus, tagtäglich, nur die kurze Zeit der Hauptperiode des
Mauserns ausgenommen, und ermuntert mit seinem immerwährenden Ge-
zwitscher auch andere Stubenvögel zum Singen. Den Deckel aufzuheben, der
Futter- und Wassergeschirr verschließt, zu klingeln, wenn er hungrig ist, auf
den Ruf auf die Hand geflogen kommen und hier oder aus dem Munde das
Futter aufzunehmen, und endlich zum Aus- und Einfliegen sich gewöhnen,
lernt er alles sehr bald, und noch andere Zeisigskünste mehr; allein andere
Melodien und Vogelgesänge nachsingen, das lernt er nicht.“2544
Zeisig, Gemeiner Zeisig: „Dieser Name wird hergeleitet von der tschechi-
schen Benennung čižek, die auf dem Rufe dsisij oder djessij beruht, den junge
flugfähige Zeisige unausgesetzt hören lassen, wenn sie bettelnd ihren Eltern
folgen.“2545
Bei „Zeisig“ handelt es sich um ein Lehnwort, das aus dem Tschechischen
stammt: „Anfang des 13. Jahrhunderts als mhd. zis, zise dem lautmalenden
tschechischen ciz Zeisig entlehnt.“ Der Name wurde wahrscheinlich durch
böhmische Vogelhändler verbreitet.2546
Mit „Der Zeisig“ überschrieb BUFON sein Kapitel, „Gemeiner Zeisig“ war
der Leitname von BECHSTEIN.2547
Erlenzeisig, Erlen-Zeisig, Zeissigfink, Erlenfink, Erlfink: „Von seiner Vor-
liebe für Erlen, deren Samen er frißt, hat der Zeisig den Namen Erlenzeisig
erhalten.“2548 Auch „Erlenfinck“ werde er genannt. „Im Winter fliegen die
Zeisige in ganzen Schaaren auf Erlenbäumen umher, deren Samen ihnen
zur Nahrung dient, was ihnen den Namen Erlenfink verschafft hat.“2549 „Er-
lenfink“ wurde der Vogel auch im 17. Jahrhundert genannt.2550 Der Zusatz
„-fink“ lässt erkennen, dass die Verwandtschaft mit Hänfling, Stieglitz oder
Girlitz bekannt war. Man unterschied den „Erlfink“, den „Zeissigfink“ damit
z. B. vom „Distelfink“ oder vom „Leinfink“.
Zeiserl, Zeisel, Ziesel, Zeislein, Zieslein, Zislein, Zeißchen, Zeising, Zising,
Zensle, Zinsl, Zischen, Sischen, Ziesk, Zeiske: Dies ist nur eine kleine Auswahl
solcher ähnlicher Namen für den Zeisig, die sehr alt sein können und regional in
Deutschland und den deutschsprachigen Nachbarländern zu finden sind.
2544
NAUMANN 1826, 5/ 155
2545
HOFFMANN 1937, 24
2546
GRIMM/GRIMM 1984, 31/ 519
2547
BUFFON/OTTO 1785, 11/ 321 und BECHSTEIN 1795, 422
2548
SUOLAHTI 1909, 119
2549
CURTMANN/WALTER 1846, 231
2550
GRIMM/GRIMM 1984, 31/ 520
432 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
2551
FRISCH 1763, T. 11
2552
ZORN 1743, 352 und KLEIN 1750, 95
2553
GESSNER/HORST 1669, 211b
2554
BECHSTEIN 1807, 3/ 220 und NAUMANN 1826, 5/ 155
2555
SUOLAHTI, 1909, 119
2556
OKEN 1837, 261
2557
VOIGT 1835, 228
PASSERES – SINGVÖGEL 433
2558
NAUMANN 1826, 5/ 155
2559
BUFFON/OTTO 1785, 11/ 9f
2560
SUOLAHTI 1909, 119
2561
BECHSTEIN 1802, 121
2562
BECHSTEIN 1807, 3/ 141 und BUFFON/OTTO 1785, 11/ 5 und NAUMANN 1826, 5/ 80
434 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
2563
SUOLAHTI 1909, 120
2564
SUOLAHTI 1909, 119
2565
SCHALOW 1919, 496
2566
KRÜNITZ 1789, 48/ 2
2567
BEZZEL 1993, 635
2568
BREHM 1866, 141
2569
NAUMANN 1826, 5/ 80
PASSERES – SINGVÖGEL 435
schimmert. Dies sind die Steinhänflinge, welche, wenn sie an der Brust statt
roth, glänzend röthlichgelb, oder gar orangegelb sind, auch Gelbhänflinge
heißen.“2570
NAUMANN schrieb dazu, dass es in seltenen Fällen auch Männchen gebe,
die kein Rot hätten und dieses auch vor der zweiten Mauser nicht entwi-
ckelten. „Diese gelbbraunen Hänflinge (auch Steinhänflinge, Graubrüste u. s.
w.), eine zufällige Ausartung, bekommen vor der zweiten Mauser keine rothe
Brust und Scheitel, nisten also auch als Graubrüste. Mit der zweiten Mauser
bekommen sie die rothe Farbe. … Weniger selten sind solche, an welchen die
rothe Farbe, statt ins Blaurothe, ins Gelbrothe spielt, welche dann im Früh-
jahr zu brennendem Gelbroth wird. – Alle diese Abweichungen von der Regel
kommen wirklich im Freien vor.“2571
C. L. BREHM, der einen „gelbrothen“, einen „gelben“ und einen „gelbbrau-
nen“ Hänfling anführte, sprach von seltenen „Ausartungen“ innerhalb der
Art.2572
Zusatz zu Rothhänfling, Grauhänfling, Gelbhänfling: „Öfter noch begeg-
net uns der Fall, daß das Volk als scharf geschiedene Arten unterscheidet, was
die Wissenschaft in eine einzige zusammenzieht. Es unterscheidet in Mittel-
deutschland scharf von dem Rothhänfling den Grauhänfling und den Gelb-
hänfling als ganz bestimmte Arten und verwirft die Meinung, daß das Alters-
differenzen seien, als irrig.“2573
Brauner Hänfling, Braunhänfling: Die Rückenfarbe beider Geschlechter ist
braun, im Prachtkleid bis rötlichbraun.
Großer Hänfling, Größerer Rotkopf: Als kleinerer „Hänfling“, kleinerer
„Rotkopf“ galt der Birkenzeisig.
Rothböster: Das Wort bedeutet „Rotbrüster“.
Rubin: „Die Friesen nennen ihn Rubin“, wegen der roten Stirn und roten
Brust im Prachtkleid.2574
Steinhänfling: Der Name „Steinhänfling“ für den Bluthänfling, den „Flachs-
fink“, diente auch zur Unterscheidung vom „Stockhänfling“, womit man
meistens den Birkenzeisig, den „Leinfink“, meinte. In der Steiermark wurde
auch der Name „Steinzeiserl“ gebraucht.2575
2570
BECHSTEIN 1802, 121
2571
NAUMANN 1826, 5/ 84
2572
C. L. BREHM 1820, 1/ 735
2573
LIEBE 1893, 51
2574
GESSNER/HORST 1669, 341a
2575
SUOLAHTI 1909, 123
436 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
2576
BUFFON/OTTO 1785, 11/ 33
2577
KRÜNITZ 1840, 174/ 408
2578
SUOLAHTI 1909, 120
2579
SUOLAHTI 1909, 121
2580
HEPPE 1798, 421
2581
BUFFON/OTTO 1785, 11/ 32
PASSERES – SINGVÖGEL 437
2582
GESSNER/HORST 1669, 1/ 341
2583
GRIMM/GRIMM 1984, 15/ 1602 und KRÜNITZ 1780, 20/ 687
2584
GLUTZ VON BLOTZHEIM/BAUER 1997, 14/ 784
2585
BEZZEL 1993, 638
2586
STRESEMANN 1941, 81
438 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
die meisten an seiner Existenz als eigene Art zweifelten, bis diese Zweifel in
den neuesten Zeiten durch die sichersten Beobachtungen zur Genüge geho-
ben wurden.“2587
Quitter, Gelbschnabel, Gelbschnäbeliger Hänfling: Der auch Quitten-
hänfling genannte Vogel ist „eine Art gelber Hänflinge mit gelben Schnabel,
welche in der Farbe den Quitten ähnlich sehen.“2588 Der Berghänfling ist ein
Wintervogel, der nur im bräunlichen Schlichtkleid in Deutschland zu sehen
ist. Der Schnabel des Vogels im Schlichtkleid ist gelb, daher der Name „Quit-
ter“. Den „gelben Hänfling“, der vielleicht in den Vorstellungen vom Pracht-
kleid oder in unrichtigen Reiseberichten existierte, gibt es nicht.
„Gelbschnäbeliger Fink“ (im dortigen Inhaltsverzeichnis) und „Gelbschna-
beliger Fink“ (im dortigen Textteil) waren die Namen, die B. MEYER dem
Berghänfling gab.2589
Arktischer Fink, Gelbschn[a]äbeliger Fink: BECHSTEIN wählte 1807,
wie auch schon in der ersten Auflage (1795), „Arktischer Fink“ als Leitna-
men, trotz des lateinischen Namens Fringilla „flavirostris“ (gelbschnäbelig).
„Er heißt gewöhnlich gelbschnäbliger Fink, welchen Namen ich aber um des-
willen nicht gewählt habe, weil die Schnabelfarbe nach den Jahreszeiten so
sehr abändert, und mehrere Vögel dieser Gattung, z. B. der Bergfink, einen
gelben Schnabel haben.“ – „Dieser Vogel ist in Schweden, Norwegen und
dem nordöstlichen Teil von Sibirien zu Hause … Nach Deutschland kommt
er nur in kältesten Wintern.“2590
Gelbkehliger Hänfling: NAUMANN meinte in der Beschreibung des alten
Männchens im Winterkleid: „Die Zügel sind bräunlich; Kehle, Gurgel ein
Streif über und die Gegend unter dem Auge dunkelrostgelb oder braungelb,
… Die Mitte der Brust gelbweiss.“ Die ins Gelbliche gehenden Farben der
genannten Gefiederbereiche wurden von BEZZEL bestätigt.2591
Steinhänfling, Felsfink, Felsfinke: Der Vogel brütet in der offenen Tundra
des europäischen Nordens und im skandinavischen Gebirge (Südnorwegen)
auf felsigen „alpinen“ Mattenflächen oberhalb der Baumgrenze.
Grainlein, Greinerlein: „Fleißiger Sänger“, „munterer Gesang“, „knarrende
Strophe“ – das klingt nicht nach „greinen, weinen“. Die Stimme hat dem
Berghänfling also nicht zum Namen verholfen. „Bei Nürnberg wird er von
den Vogelfängern ‚Steinhänfling, Greinerlein‘ genannt und nicht selten gefan-
2587
NAUMANN 1826, 5/ 103
2588
ADELUNG 1798, 3/ 900
2589
MEYER/WOLF 1822, 3/ 54
2590
BECHSTEIN 1807, 3/ 139
2591
NAUMANN 1826, 5/103 und BEZZEL 1993, 637
PASSERES – SINGVÖGEL 439
gen.“2592 Von den Autoren wurde immer wieder betont, dass die Vogelfänger
nicht immer die besten Vogelkenner gewesen seien. Hier wird es sich also
um eine Verwechslung gehandelt haben: „Greinerlein“ ist nämlich ein laut-
malender Begriff, der aus der Zeit stammt, als man Pieper noch als Lerchen
ansah, Baum- und Wiesenpieper nicht trennte und unwissendlich auch den
Berghänfling einbezog. Das Wort „greinen“ bedeutet „weinen, winseln“, lässt
sich seit Mitte des 16. Jahrhunderts in mehreren Quellen nachweisen und
passt natürlich nicht zum Berghänfling. NAUMANN dürfte den Trivialna-
men auch als nicht passend gekannt haben, brachte ihn aber trotzdem, wohl
aus historischen Gründen (s. Baum - und Wiesenpieper).
2592
Naturhist. Ges. Nürnberg 1864, 3/ 95
2593
GLUTZ VON BLOTZHEIM/BAUER 1997/ 14, 812
2594
NAUMANN 1826, 5/ 173
440 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
Bei dem Wort „Zeisig“ handelt es sich um ein Lehnwort aus dem Tschechi-
schen: „Anfang des 13. Jahrhunderts als mhd. zis, zise dem lautmalenden
tschechischen ciz Zeisig entlehnt.“2595
Schwarzbärtchen: Der Vogel besitzt einen kleinen schwarzen Kehlbart (der
Erlenzeisig allerdings auch).
Kleiner rothplattiger Hänfling, Kleiner Rothkopf: Manchmal sieht der
Birkenzeisig aus wie eine verkleinerte Ausgabe des Bluthänflings. Er wurde
auch lange mit ihm verwechselt und sogar zu einer Art vereint. Wegen der
Ähnlichkeit war er der „kleine Hänfling“. Als Verstärkung erhielt er noch den
Zusatz „rotplättig“ für das Rot auf dem Kopf, das auch der Hänfling hat. Für
„Kleiner Rotkopf“ gilt dieselbe Erklärung. Der erste Name ist ein Kunstname,
schon aus dem Jahr 1734 von FRISCH.2596
Leinzeisig, Flachszeisig, Leinfink, Flachsfink: Der „Lein- oder Flachszei-
sig“ ist ein Finkenvogel, der Früchte von krautigen Pflanzen wie Flachs (=
Lein, Linum usitatissimum) bevorzugt. Er holt sich auch kleine Sämereien
von Bäumen, aber nicht so häufig wie der Erlenzeisig (Unterschiede in den
Schnabelformen!).
„Leinzeisig“ ist ein Kunstname von C. L. BREHM. Als „Leinfink“ (aus Frin-
gilla linaria entstanden) wurde der Birkenzeisig früher oft geführt, so auch
noch von SUOLAHTI. „Flachszeisig“ ist ein Kunstname BECHSTEINS,
während „Flachsfink“ durchaus gebräuchlich war und, wie Leinfink, auch aus
„Fringilla linaria“ entstanden ist.2597
Flachshänfling, Karminhänfling, Kleiner Karminhänfling, Kleiner Hänf-
ling: Der Birkenzeisig wurde früher als Hänfling angesehen und von anderen
Hänflingen durch Namenszusätze wie „Flachs-“ (Nahrung), „Karmin-“ (Fär-
bung) oder „Klein“ (Größe) unterschieden.2598
Grasel: „Grasel“ ist vom mittelhochdeutschen „graz“ abgeleitet, was „Tan-
nen- und Fichtensprossen“ bedeutet, sich also auf die Nahrung der Vögel
bezieht.2599
Bergleinfink, Bergzeisig, Großer Birkenzeisig: BREHM unterschied zwei
bis drei Arten: Die erste war der „Leinfink ( Acanthis linaria)“, den er auch
„Bergzeisig“, eine „häufig bei uns erscheinende nordische Art“, nannte. „In
den Alpen ersetzt ihn der Bergleinfink ( Acanthis rufescens).“ Er sei der „Bir-
2595
GRIMM/GRIMM 1984, 31/ 519
2596
FRISCH 1763, T. 10
2597
C. L. BREHM 1820, 1/ 768 und SUOLAHTI 1909, 121
2598
SUOLAHTI 1909, 123
2599
SUOLAHTI 1909, 123
PASSERES – SINGVÖGEL 441
kenzeisig der Alpen“. Bei der dritten Form war sich BREHM nicht sicher.
„Eine noch zweifelhafte Abänderung unserer Art [dem Leinfink] ist der so-
genannte Große Birkenzeisig ( Acanthis linaria holboelli).“2600
Rotzeisel, Rotleinfink: Beide Ausdrücke sind Trivialnamen des im vorgehen-
den Abschnitt beschriebenen „Bergleinfinks“. Bei ihnen sind „Hinterkopf,
Halsseiten, Rücken, Bürzel und Seiten auf gelblich rostbraunem Grunde mit
dunkelbraunen Längsflecken geziert, Zügel und Kehlflecken schwarzbraun,
Stirn und Vorderscheitel dunkel karminrot“.2601
Meerzeisig, Meerzeislein: „Wegen der streichenden Lebensart faßt man die
Leinfinken in vielen Gegenden als überseeische [über das Meer, die Nordsee]
Vögel auf, ähnlich wie Seidenschwänze, Mandelkrähen und andere sporadisch
auftretende Vogelarten.“2602 Viele Menschen hatten nur wenige geographische
Kenntnisse. Nordische Vögel schienen immer über das Meer oder vom Meer
her zu kommen. So entstand der Wortzusatz „Meer-“.2603 „… dann man mey-
net, er komme über das Meer zu uns, weil er fremd ist, und nur nach etlichen
Jahren etwan einmahl kommt.“2604
Nesselzeisig, Nesselzeischen: Das Wort „Nessel“ als Namenszusatz ist bei
GESSNER für den Zaunkönig belegt (Nesselkönig). Der Namenszusatz
„Nessel-“ bezieht sich auf das Schlüpfen des Vogels im Gras und/oder Ge-
strüpp.2605
Es gibt noch eine andere Erklärung dieser Ausdrücke: Die „gelbe Hanfnessel“
(die zur Gattung Galeopsis, den Hohlzahn-Gewächsen, gehört und der Gold-
nessel ähnelt) wurde auch „Nesselhanf“ genannt. Diese Pflanzen sind Kräuter,
die auf Äckern, Schuttgebieten oder Weg- und Waldrändern wachsen. Sie
kommen in den Mittelgebirgen und Alpen bis über 1500 m Höhe vor. Der
„Nesselhanf“ mit seinen Früchten (welche jede in vier einsamigen Teilnüsse
zerfällt) könnte Namensgrundlage für den „Nesselzeisig“ gewesen sein.2606
Todtenvogel: Das unregelmäßige Wandern der nordischen Birkenzeisige „ist
der Grund, daß man sie vielfach als Unglücksboten auffaßt und mit Tod und
Pest in Zusammenhang bringt. Daraus erklärt sich schon der 1603 bezeugte
Namen Totenvogel.“2607 Als unregelmäßige Wintergäste kamen sie oft plötz-
2600
BREHM 1879, 5/ 295
2601
BREHM 1879, 5/ 295
2602
SUOLAHTI 1909, 122
2603
HOFFMANN 1937, 74
2604
FRISCH 1763, T. 10
2605
GESSNER/HORST 1669, 2/ 111 und SUOLAHTI 1909, 83
2606
GRIMM/GRIMM 1984, 13/ 620
2607
GATTIKER/GATTIKER 1989, 61
442 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
lich und scharenweise und verschwanden später genauso schnell wieder. Da-
zwischen lag oft ein strenger, todbringender Winter.
Mausevogel: Den Grund für das plötzliche Auftreten und Verschwinden der
Birkenzeisige in bestimmten Gegenden mit normalerweise strengen Wintern
vermutete man im Verwandeln in Mausevögel:
Schlesische Bauern glaubten früher, dass die Vögel aus Mäusen entstehen und
nur im Winter Vögel sind. Weil man sie im Sommer nicht mehr sieht, würden
sie Frühjahr wieder zu Mäusen verwandelt werden.2608 Dieser Volksglaube lag
in Masseneinfällen von Birkenzeisigen begründet, die dann stattfanden, wenn
diese in ihrer Heimat wegen eines strengen Winters zu wenig Nahrung fanden
oder aber die Zahl von Nahrungskonkurrenten zu groß war. Die Vögel zogen
dann weiter, wenn der Winter auch in Mitteleuropa sehr streng war, sie hier
also nicht überleben konnten. War der Winter z. B. in Schlesien nicht sehr
streng und bot den Vögeln Nahrung, blieben sie dort und zogen nicht weiter.
In solchen Gebieten mit den weniger kalten Wintern überlebten aber auch
viele Mäuse. Zogen die Vögel nun im Frühjahr wieder in ihre Brutgebiete,
kamen die Mäuse etwa zeitgleich zum Vorschein, was dann zur Vorstellung
vom „Mausevogel“ führte.2609
Ziserinchen: Das Wort ist entlehnt aus dem französischen „sizerin“ und
mit der deutschen Diminutivendung versehen. Das besonders in der Mark
Brandenburg bekannte Wort sei durch die „massenhafte Einwanderung der
Refugies aus der Provence und dem Languedoc in die Mark“ eingeführt wor-
den.2610
„In der Marck Brandenburg nennt man diesen Hänfling von der Gleichheit
mit dem Zeißlein oder Zising, Ziserenigen.“2611
Tschetscherling, Schittscherling, Tschetscher, Tschettchen, Tschetchen,
Schättchen, Tschezke, Tschötscherl, Tschätschke, Zitscherlein, Zwitscher-
ling, Zittscherling, Zizcherlein, Tschütscherlein, Zötscherlein, Zätscher:
Etliche Namen des Birkenzeisigs – wie diese – leiten sich scheinbar von „zwit-
schern“ ab, sind also lautmalender Natur.
SUOLAHTI bezweifelte diese „Zwitsche-Herkunft“ aber und schlug dafür
den Lockruf („tschett-tschett-tschett“) des Vogels vor. Er führe alle lautma-
lenden Namen, zu denen er auch die Namen um „Schösserlein“ zählt, auf
denselben Ursprung zurück. Ziehe man in Betracht, dass der Birkenzeisig in
2608
SUOLAHTI 1909, 121
2609
HOFFMANN 1937, 85
2610
SCHALOW 1919, 496
2611
FRISCH 1763, T. 10
PASSERES – SINGVÖGEL 443
2612
SUOLAHTI 1909, 123 und HOFFMANN 1937, 24
2613
GESSNER/HORST 1669, 1/ 342
2614
KLEIN/REYGER 1760, 99
2615
SUOLAHTI 1909, 123
2616
FRISCH 1763, T. 10
2617
HEPPE 1798, 429
444 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
Das Wort ist seit 1495 als „Scheßlin“ belegt, nachher (1591) als Geschöß-
lin. Noch um 1900 hießen die Vögel in der Schweiz „Schössli“.2618 Es drängt
sich also eine Deutung nicht lautmalender Herkunft dieser Namen auf. Der
Birkenzeisig habe diese Namen „wegen seines Fluges, welcher schußweise ge-
schiehet.“2619 Auch GRIMM/GRIMM vermuteten bei den letzten Namen
einen Zusammenhang mit dem schießenden Flug des Vogels.2620
Blutschößlein: Noch um 1900 kam Bluetschössli neben Schössli in der
Schweiz vor.2621 „Blut-“ bezieht sich auf die rote Brust und die rote Stirn von
Carduelis flammea.
Rebschößlein, Steinschößling: Der erste Name kommt nur bei NAU-
MANN vor, der zweite, von BECHSTEIN, wurde sehr selten zitiert. Beide
Begriffe sind Kunstnamen. Zu „-schößling“ siehe den Text unter „Schösser-
lein“.2622
2618
SUOLAHTI 1909, 122
2619
ADELUNG 1798, 3/ 1636
2620
GRIMM/GRIMM 1984, 15/ 1601
2621
SUOLAHTI 1909, 122
2622
NAUMANN 1826, 5/ 173 und BECHSTEIN 1795, 483
2623
NAUMANN 1824, 4/ 425
PASSERES – SINGVÖGEL 445
2624
BEAMAN/MADGE 1998, 782
2625
BUFFON/OTTO 1785, 11/ 186
2626
MEYER/WOLF 1822, 47
2627
NAUMANN 1824, 4/ 425
446 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
umfangreichen Brutgebiets als sehr verbreitet beschrieben wird und nur stel-
lenweise selten ist, gilt sie als nicht gefährdet.2628
Langschwänziger Kernbeißer: Der Meisengimpel wurde 1773 von PAL-
LAS als „Loxia Sibirica“ beschrieben und erschien 1823 als „Langschwänziger
Gimpel“ („Langschwänziger Fink oder Kernbeißer“) bei C. L. BREHM, der
seine „Erste Abtheilung. Dickschnäbler“ in 3 Gattungen, „Kreuzschnabel“,
„Gimpel“ und „Kernbeißer“, untergliederte.2629
OKEN erwähnte diesen Namen, der sich sonst aber, weil der Vogel in Europa
nicht vorkommt, nicht durchgesetzt hat: „Unbekannt ist die Fortpflanzung
des langschwänzigen Kernbeißers – Loxia sibirica.“2630
Der Meisengimpel aus der Familie der Finken ist der einzige Vertreter der
Gattung Uragus und steht den Karmingimpeln ( Carpodacus) sehr nahe. Die
Art hat ihren deutschen Namen dem für Finken sehr langen Schwanz zu ver-
danken, der ihr eine gewisse Ähnlichkeit mit der Schwanzmeise verleiht. Mei-
sengimpel besiedeln große Teile der gemäßigten Zone Asiens.2631
Ammern – Emberizidae
Ammern haben kegelförmige Schnäbel, relativ lange Schwänze sowie typische
Gefiederfärbungen und -musterungen, vor allem am Kopf. Sie leben in halb-
offenen Habitaten am Rand von Kulturlandschaften. Ihre Gesänge sind laut
und oft kurz. Die Zugvögel bevorzugen Grassamen.
Ammer
kommt vom althochdeutschen „amero“ (mhd. amer), einem alten westger-
manischen Vogelnamen. SUOLAHTI hielt Überlegungen zur Abstammung
„ameros“ von „amer“ (Emmer, eine Weizenart) zwar für verlockend, verfolgte
sie aber nicht weiter. Die Begriffe „amero“ und „amer“ seien als gleich alte
Begriffe nur zufällig ähnlich. Dagegen ist man bei ZUM LAMM von einer
Verbindung zu der Getreideart Emmer überzeugt.2632
2628
http://de.wikipedia.org/wiki/Meisengimpel, Stand: 11.11.2011
2629
C. L. BREHM 1823, 1/ 174
2630
OKEN 1843, 15
2631
http://de.wikipedia.org/wiki/Meisengimpel, Stand: 11.11.2011
2632
SUOLAHTI 1909, 101 und ZUM LAMM 2000, 332
PASSERES – SINGVÖGEL 447
Eine weitere Deutung kam von WEMBER, für den der Name „Ammer“ aus
der Stimme der Goldammer entstanden ist. Er hänge mit dem „hämmern-
den“ Gesang zusammen, was aber nicht mehr unmittelbar zu erkennen ist.2633
„Emmeritz“ und „Emmerling“ waren Namen, die die Ammern in bestimm-
ten Gegenden früher hatten. „Emeritz“ lasse sich aus dem althochdeutschen
„amirizo, amiriza“ ableiten, „Emmerling“ aus den ebenfalls althochdeutschen
„amerling“ oder „amering“.2634
Eine wie auch immer berechtigte Verbindung zum Emmer findet man immer
wieder, begründet wohl dadurch, dass die Vögel dieses Getreide gerne fressen.
Emmer ist eine alte Kulturpflanze, auch „Amer“ oder „Zweikorn“ genannt
und ein Vorläufer unseres heutigen Weizens.
2633
WEMBER 2005, 8
2634
SUOLAHTI 1909, 102
2635
BREHM 1879, 5/ 337
2636
NAUMANN 1824, 4/ 318
2637
BUFFON/OTTO 1785, 11/ 133
448 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
Grauer Sporner, Lerchenfink (I): Diese beiden Namen stehen in der Über-
schrift bei BECHSTEIN in dessen Naturgeschichte von 1807: „Ich gebe ihm
den schicklichen Namen grauer Sporner und Lerchenfink, weil er nicht nur
in der Farbe, sondern auch durch den großen Sporn der Feldlerche so sehr
gleicht, daß ihn viele beym ersten Anblick für eine Lerche halten.“2638
Sporner(I), Lerchenfink (II), Lerchenfarbiger Sporner: Zu ihrer Gattung
„Sporner. Plectrophanes“ zählten MEYER/WOLF 1810 im Text nur den
„Lerchenfink – Fringilla calcarata“. Die Schneeammer erschien erst später als
„Ammer. Emberiza“ unter „Schneeammer – Emberiza nivalis Linn.“ Im In-
haltsverzeichnis wurde daraus „Lerchenfarbiger Sporner – Plectrophanes calca-
ratus“, bearbeitet von MEYER 1822. Aus der Schneeammer, die im 1. Band
blieb, wurde der „Schneesporner – Plectrophanes nivalis“.2639
Spornammer, Lerchenammer, Sporner (II), Lerchenspornammer: NAU-
MANN behandelte unter „Spornammern, Lerchenammern, Sporner“ die
Spornammer, die er „Lerchenspornammer“, und die Schneeammer, die er
„Schneespornammer“ nannte. Ein wichtiges Kennzeichen, der lange Hinter-
zehen-Nagel, sei „sehr wenig gebogen, ein wahrer Lerchensporn. Die Flügel
sind länger, schmäler und spitzer, als bei anderen Ammern … Sie halten sich
ausschließlich auf platter Erde auf, … laufen schrittweise und betragen sich
ganz wie die Lerchen.“2640
Lerchengraue Spornammer, Lerchensporner: Die Namen stammen von
VOIGT und OKEN. Beide Autoren ordneten diesen Vogel (wie auch die
Schneeammer) zu „Sporner – Plectrophanes“.2641
Spornfink, Sporenfink, Gespornter Fink: Die Spornammer wurde seit Mit-
te des 18. Jahrhundert immer wieder als „Fringilla“ bezeichnet: LINNÉ hat-
te sie 1758 „Fringilla lapponica“, BRISSON (um 1760) „Fringilla montana“
oder MEYER/WOLF (1810), wie oben zitiert, „Fringilla calcarata“ genannt.
Letzterer Name (der von PALLAS stammt) kann als Übersetzungsvorlage
für alle drei Namen dienen, denn das lateinische „calcar“ bedeutet „Sporn“
(versch. Qu.).
Lappländer, Lappenammer: „Lappländer“, von NAUMANN übernom-
men, findet man zuerst bei BECHSTEIN, hat sich aber nicht durchgesetzt.
Der Kunstname „Lappenammer“ stammt von BREHM.2642
2638
BECHSTEIN 1807, 3/ 246
2639
MEYER/WOLF 1810, 1/ 176 + 187 und MEYER 1822, 3/ 57
2640
NAUMANN 1824, 4/ 318
2641
VOIGT 1835, 238 und OKEN 1843, 16
2642
BECHSTEIN 1807, 4/ 246 und BREHM 1879, 5/ 276
PASSERES – SINGVÖGEL 449
2643
OKEN 1843, 16 und NAUMANN 1824, 4/ 318
2644
BREHM 1879, 5/ 276
2645
MÜLLER 1763, 579
2646
BUFFON/OTTO 1785, 11/ 133
2647
KLEIN 1760, 172 und BECHSTEIN 1802, 130
450 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
2648
http://www.schutzstation-wattenmeer.de/wissen/tiere/voegel/schneeammer/, Stand: 2.12.2011
2649
BUFFON/OTTO 1790, 12/ 222
2650
HOFFMANN 1937, 73
2651
SCOPOLI/GÜNTHER 1770, 176
2652
BUFFON/OTTO 1790, 12/ 222 + 244
2653
KRÜNITZ 1827, 147/ 337
2654
BECHSTEIN 1795, 337
PASSERES – SINGVÖGEL 451
2655
BUFFON/OTTO 1790, 12/ 235
2656
NAUMANN 1824, 4/ 318
2657
ADELUNG 1798, 3/ 475 + 477
2658
OTTO in BUFFON/OTTO 1790, 12/ 244
2659
FRISCH 1763, T. 6
2660
BUFFON/OTTO 1790, 12/ 244
2661
MARTINI 1775, 2/ 393
2662
BUFFON/OTTO 1790, 12/ 224
2663
ADELUNG 1801, 4/ 1566
452 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
2664
MÜLLER 1773, 561 + 560
2665
BOCK 1782, 4/ 423
2666
FABER 1822, 15
2667
SCHWENCKFELD 1603, 256
2668
KLEIN/REYGER 1760, 93
2669
HALLE 1760, 387
2670
BREHM 1879, 5/ 337
2671
NAUMANN 1824, 4 /297
PASSERES – SINGVÖGEL 453
2672
HALLE 1760, 388
2673
SCHILLING 1837, 2/ 162
2674
BECHSTEIN 1802, 137
2675
NAUMANN 1824, 4/ 297
2676
C. L. BREHM 1820, 1/ 790 + 793 + 800 + 807 + 815
454 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
2677
BECHSTEIN 1795, 340 + 332
2678
BECHSTEIN 1807, 3/ 305
2679
NAUMANN 1824, 4/ 314
PASSERES – SINGVÖGEL 455
dem die Laute z, i, r und s zugleich klingen, wird schier unermüdlich her-
ausgequetscht, dabei plustert sich der Sänger merkwürdig auf, und wenn er
seinen Sitzplatz wechselt, so läßt er im sonderbaren Flatterfluge, gleichsam
zur Federkugel geballt, die Beine so herunterhängen, daß man glaubt, er sei
weidwund geschossen. Auch das tut kein andrer heimischer Ammer.“2680
Grauammer, Gemeiner Ammer, Großer grauer Ammer: „Großer grauer
Ammer“ war der Leitname bei KLEIN: „Er ist von Farbe wie eine Lerche, und
wird auch Ortulan oder der größte Hortulan, mit einem schwarzen Schnabel
von fünf Gran, genennet.“2681 (1 Gran/Grän wiegt etwa 0,8 g). Neben dem
am meisten gebrauchten „Grauer Ammer“ war „Gemeiner Ammer“ ein für
die Grauammer (und nur diese) häufig verwendeter Hauptname.
Die Grauammer, unsere größte Ammer, ist trotz ihrer Größe ein unauffälliger
Vogel, der ohne besondere Feldkennzeichen ist und insgesamt grau wirkt.
Emmerling: Neben „amaro“ sind im Althochdeutschen auch erweiterte
Bildungen wie „amering“ oder „amerling“ zu finden. Davon abgeleitet sind
„Emerling“, 1531 bei Hans SACHS, und „Emmerling“, 1552 bei EBER und
PEUCER.
„Emerling“ gehörte als Trivialname vor allem der Goldammer. NAUMANN
gab ihn auch der Grauammer.2682
Große Ammer, Großer Ammer, Großer lerchenfarbener Ammer, Lerche-
nammer: Mit „Großer lerchenfarbener Ammer“ war das Kapitel zur Grau-
ammer bei HALLE überschrieben.2683
„Dies ist der grösste unter den einheimischen Arten dieser Familie und über-
trifft hierin die Feldlerche, mit welcher er übrigens in der Farbe und Zeich-
nung des Gefieders recht viel Ähnlichkeit hat, noch um vieles. Unter den
Ammern steht er als ein starker, nicht sowohl plumper, als vielmehr kraft-
voller Vogel, an welchem die Kennzeichen dieser Gattung besonders … stark
ausgedrückt sind.“2684
Wiesenammer: NAUMANN beschrieb, wo sich die Grauammer bevorzugt
aufhält und meinte dann: „Der Name: Wiesenammer, wäre daher für ihn sehr
auszeichnend, wenn man ihn nicht auch anderen beigelegt hätte, obgleich
keine Art so gern die freien Wiesen bewohnt, als diese.“2685
2680
HEINROTH 1966, 1/ 195
2681
KLEIN 1760, 169
2682
Hans SACHS 1531, V. 175 und NAUMANN 1824, 4/ 213
2683
HALLE 1760, 384
2684
NAUMANN 1824, 4/ 213
2685
NAUMANN 1824, 4/ 213
456 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
2686
GESSNER/HORST 1669, 123b
2687
SUOLAHTI 1909, 107
2688
NIETHAMMER 1937, 1/ 117
2689
BECHSTEIN 1795, 306
2690
SUOLAHTI 1909, 107
2691
BECHSTEIN 1807, 3/ 267
2692
C. L. BREHM 1820, 3/ 243
PASSERES – SINGVÖGEL 457
NAUMANN bestätigte das: „Man kann diese Vögel ebenso gut mästen und
schnell fett machen wie die Ortolanen, und man würde vielleicht noch besser
mit ihnen thun als mit diesen, denn sie sind viel dauerhafter und ihre dicke
runde Brust allein größer als der ganze Körper eines jener Vögel.“2693
Grauer Ortolan: Der Name „Grauer Ortolan“ ist nur eine Verstärkung des
auf die Grauammer bezogenen Begriffs „Ortolan“. Der echte, nicht heimische
Grauortolan ( Emberiza caesia), der erst 1827 beschrieben (nicht entdeckt)
wurde, war noch relativ unbekannt. Nur Fachleute kannten diesen in Süd-
griechenland und der Türkei lebenden Vogel, der genausowenig wie der Or-
tolan ( Emberiza hortulana) grau ist.
Winterortolan, Winterling: Es gibt unter den Grauammern viele Tiere, die
im Winter nicht oder nur bei schlechten Bedingungen fortziehen und von
den Menschen in der kalten Jahreszeit dann auch vermehrt wahrgenommen
werden. Als ursprüngliche Steppenbewohner sind die Vögel an niedrige Tem-
peraturen angepasst. Der Winterortolan ist eine Grauammer, die nicht fort-
gezogen ist.
Die Grauammer ist in Mittel- und Südeuropa ein „Kurzstrecken- und Teilzie-
her, Standvogel mit Dismigrationen [Zerstreuungswanderungen] und Win-
terfluchtbewegungen“.2694
Winterammer: „Winterammer“ erscheint mehrfach in der älteren Literatur.
BECHSTEIN führte 1795 eine Art, die er „Winterammer“ nannte („Scopolis
Winterammer“), unter „Emberiza brumalis“, „The Brumal Bunting“. Dahin-
ter verbirgt sich unser heutiger Zitronenzeisig ( Carduelis citrinella). BECH-
STEIN korrigierte sich in diesem Sinne in der Neuauflage von 1807. Andere
Autoren meinten mit der „Winterammer“ eine „Emberiza hyemalis ( hiema-
lis)“, die in Nordamerika vorkomme und nur Ausnahmegast bei uns sei. Erst
NAUMANN führte „Winterammer“ auch als Beinamen für die Grauammer
ein, was gegen Mitte bis Ende des 19. Jahrhunderts auch von anderen Auto-
ren übernommen wurde.2695
Hirsenammer: „Er frißt auch Hirsen, und ist von einigen für den Ortolan
gehalten worden, und desfalls auch mit des Ortolans Namen Hirsevogel be-
legt.“2696 „Der graue Ammer geht dem Hirse nicht nach, der Ortolan hin-
gegen ist nie gefräßiger, als wenn er Hirse haben kann, von welchem er un-
glaublich fett wird.“ OTTO zitierte CETTI.2697
2693
NAUMANN 1824, 4/ 213
2694
BEZZEL 1993, 730
2695
BECHSTEIN 1795, 349 + 1807, 3/ 320 und NAUMANN 1824, 4/ 213
2696
OTTO in: BUFFON/OTTO 1790, 12/ 316
2697
BUFFON/OTTO 1790, 12/ 320
458 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
Gerste und Weizen bilden im Sommer wohl die Grundnahrung, die je nach
Witterung und Angebot mit tierischer Nahrung, vor allem Insekten, ergänzt
wird. Vom Getreideanbau besteht eine gewisse Abhängigkeit. Das hatte zur
Folge, dass dort, wo Hirse angebaut wurde, der Eindruck entstand, die Grau-
ammer bevorzuge Hirse, wie man bei NAUMANN nachlesen kann.2698
Strumpfwirker, Strumpfweber: „In der Nähe von Banz hörte ich auf den
grasreichen Wiesen das Schwirren des Strumpfwirkerstuhles, und erkannte
bald den auf einer Weidenspitze sitzenden Grauammer. … Ich erkannte von
neuem, daß der Name Strumpfwirker, welchen er in Norddeutschland führt,
sehr passend ist; denn wer nur ein Mal einen Strumpfwirkerstuhl gehört hat,
erkennt ihn in dem Gesange dieses Vogels sogleich wieder.“2699 „Das Männ-
chen hat einen ganz eigenen Gesang. … Er ähnelt den Tönen, welche ein
arbeitender Strumpfweber seinem in Bewegung gesetzten Strumpfwirkerstuhl
entlockt, oder wie zickzickzickzick terillillillillill.“2700
Kornquaker, Kornlerche: Der Vogel singt über Stunden, dabei auf einem
Pfahl, einem Stein, auf der Spitze eines Busches, einem exponierten Ast oder
auf einer Getreidepflanze sitzend. Letzteres brachte ihm den Namen „Korn-
quaker“ ein. „Wegen seiner Farbe ist er in Schweden Kornlerche genannt.“
OTTOkritisierte den unpassenden Namen „Kornlerche“.2701
Baumlerche: Wie „Kornlerche“ sei auch dieser Name unpassend: „Man nen-
net ihn in Pommern wohl auch Baumlerche.“ Das Männchen singt von der
Spitze z. B. einer Weide, eines Busches, eines Pfahls oder einer Distel und auf
einer Wiese, so gut wie nicht am oder im Wald.2702
Knust, Knuster, Knipper, Knustknipper: „Knust“ und „Knipper“ sind of-
fenbar alte preußische Ausdrücke. „Knust“ bedeutet „kleine dicke Person“
und hebt auf die Fettleibigkeit vieler Grauammern ab. „Knipper“ bezieht
sich auf die Stimme des Vogels, „die aus einem klirrenden ‚zick, zick, zick
schnirrrrps‘ besteht.“2703 „Knippen“ bedeutet soviel wie „knipsen, zuschnap-
pen“ bei einem Schloss, „schnippen“.
„Die Stimme klingt wie die Silbe Knipps oder Zicks. Das wird, wenn eine
größere Zahl von Vögeln auffliegt, zu einem ganz sonderbaren Knittern.“2704
„Knustknipper“ findet man, ohne Erklärung, schon bei KLEIN.2705
2698
GLUTZ VON BLOTZHEIM/BAUER 1997, 14/ 1912 und NAUMANN 1824, 4/ 213
2699
C. L. BREHM: in OKEN ISIS 1837, 696
2700
NAUMANN 1824, 4/ 213
2701
BUFFON/OTTO 1790, 12/ 316
2702
OTTO in: BUFFON/OTTO 1790, 12/ 316
2703
SUOLAHTI 1909, 107
2704
NAUMANN 1824, 4/ 213
2705
KLEIN 1760, 169
PASSERES – SINGVÖGEL 459
Braßler: Brasseln bedeutet soviel wie prasseln. Den Schluss der Gesangsstro-
phe der Grauammer kann man als Klirren oder Rasseln bezeichnen, der Aus-
druck „Prasseln“ passt auch sehr gut. „Braßler“ war der Leitname bei KRA-
MER.2706
Doppelter Grünschling, Doppelter Gilberig: „In der Mark [Brandenburg]
heißt er wegen seines grünlichen Rückens Grünzling, in Thüringen Grün-
schling.“2707 Das Zitat gilt für die Goldammer. Auch „Gilberig“ bezieht sich
aber auf die Goldammer und hier auf deren gelbe Gefiederteile (vor allem am
Kopf ). Die Grauammer ist eine Ammer, die viel massiger (doppelt) als eine
Goldammer wirkt und doch immer wieder mit ihr verwechselt wurde.
Der erste Begriff ist ein Kunstname von BECHSTEIN. NAUMANN hat
ihn als „Doppelter Grünschling oder Doppelter Gilberig“ erweiternd über-
nommen.2708
Gergvogel: „Gergel“ oder „gergeln“ sind Begriffe aus der hörbaren Arbeit des
Böttchers. Möglicherweise hat man den Begriff analog zu „Strumpfwirker“ zu
verstehen. Das Wort „Gergvogel“ leitet sich dann wie „Strumpfwirker“ von
der Stimme ab. Den Namen führte BECHSTEIN ein.2709
Gassenknieper, Klitscher, Kerust: Diese drei Begriffe sind Namen, die
BREHM 1879 eingeführt, wenn nicht sogar konstruiert hat. Sie kommen
in der ornithologischen Literatur vor dem Erscheinen seines Tierlebens nicht
vor.2710
„Gassenknieper“ bezeichnet einen nicht „angenehmen“ Gesang, etwa auf
„Gassenhauer-Niveau“. „Knieper“ kommt von „Knipper“ und bezieht sich
auch auf den Gesang (s. o.).
Auch „Klitscher“ soll den Vogelgesang kennzeichnen. Einen Schall wie hohes
Klatschen (Klitsch-Klatsch) nennt man Klitschen. Teile des Gesanges waren
hier namensgebend: Zwei oder drei schnell wiederholte, scharfe, fast klicken-
de „pwit“ oder „pit“, beim Abflug oft zu „pwit-it-it“ kombiniert, im Gesang
eine monotone Reihe tickender Laute, die in ein Klirren übergehen.2711
„Kerust“ könnte aus „Knust“ entstanden sein und sich auf die „kleine dicke
Person“ (s. o.), die für eine Ammer auffällig große Grauammer, beziehen.
2706
GRIMM/GRIMM 1984, 2/ 306 und KRAMER 1756, 372
2707
KRÜNITZ 1777, 10/ 784
2708
GRIMM/GRIMM 1984, 5/ 3633 und BECHSTEIN 1795, 306 und NAUMANN 1824, 4/ 213
2709
BECHSTEIN 1795, 306
2710
BREHM 1879, 5/ 283
2711
BEAMAN/MADGE 1998, 837
460 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
2712
GERLACH 1953, 29
2713
SUOLAHTI 1909, 101
2714
ZUM LAMM 2000, 332
2715
WEMBER 2005, 8
2716
SUOLAHTI 1909, 103 und SPRINGER 2007, 354
2717
GRIMM/GRIMM 1984, 1/ 279
2718
SUOLAHTI 1909, 102
PASSERES – SINGVÖGEL 461
auch Amer oder Zweikorn genannt und ein Vorläufer unseres heutigen Wei-
zens.
Embritz, Emmeritz: „Auf der anderen Ableitung amirizo, amiriza beruhen
Embritz und Emmeritz, die Gesner a. a. O. als heimatliche Namensformen
angibt.“2719
Hämmerling: Über den „Hämmerling“ liest man bei HOFFMANN sinnge-
mäß: Schlosser, Schmied und Müller waren die ersten wichtigen Handwerker,
deren Arbeit laute, oft gleichmäßige und andauernde Geräusche erzeugten.
Rhythmisierende und klingende Vogelstimmen setzte man in Bezug zu diesen
gewerblichen Klängen und die Vögel erhielten dann entsprechende Namen,
nämlich die des Klangerzeugers.2720
FRISCH deutete den Begriff anders. „Weil dieser Vogel im Winter so heim-
lich wird, daß er mit den Sperlingen vor die Scheuren und Dresch-Tennen,
ja auch in dieselben fliegt, so scheinet es, er sey vom heim, oder wie man vor
Alters gesagt, ham (domus, habitaculum) also genennet worden. … Georg
Agricola [1494–1555] nennt ihn noch im Teutschen Hämmerling. Heutzu-
tage läßt man das H weg.“2721
Andere Autoren stellen „Hämmerling“ in eine Linie wie z. B. Ammer, Amer-
ling, Ämmerling, Emmerling, zumal es auch noch ähnliche Namen gibt, wie
Hemmerling (Schwaben) oder Hamerling (Thüringen).
Goldhammer: Der Name erscheint als „Goldthammer“ bereits bei GESS-
NER. Er galt später, gegen Ende des 18. Jahrhunderts, als die normale Na-
mensform. „Die gleiche Anlehnung an das Wort ‚Hammer‘ hat auch der
angelsächsische Vogelname erfahren.“ Der Vogel heißt heute in England „Yel-
lowhammer“.2722
Alte und Dialekt-Namen nach SUOLAHTI:2723
Gollammer: Der Name ist seit dem 15. Jahrhundert in Hessen belegt.
Golmer: Das Wort ist aus der nördlichen Pfalz bekannt.
Gaalammer: Auch „Gaal-“ entstand in Thüringen (Gâlamer) aus „Gold-“.
Gohlammer: Als Golammer ist die Goldammer seit dem 16. Jahrhundert
in Bayern bekannt.
2719
SUOLAHTI 1909, 102
2720
HOFFMANN 1937, 33
2721
FRISCH 1763, T. 5
2722
GESSNER/HORST 1669, 121b und SUOLAHTI 1909, 104
2723
SUOLAHTI 1909, 103 und ADELUNG 1793, 1/ 250
462 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
2724
SUOLAHTI 1909, 105
2725
ZUM LAMM 2000, 332
2726
GESSNER/HORST 1669, 121b
2727
SUOLAHTI 1909, 105
2728
LINDOW 1984, 76
2729
SUOLAHTI 1909, 104
2730
GESSNER/HORST 1669, 120b
PASSERES – SINGVÖGEL 463
2731
KRÜNITZ 1777, 10/ 784
2732
SUOLAHTI 1909, 106
2733
BUFFON/OTTO 1790, 12/ 268 und NAUMANN 1824, 4/ 234
2734
FLOERICKE 1924, 179
2735
SPRINGER 2007, 355
2736
SUOLAHTI 1909, 104
2737
ZUM LAMM 2000, 332
2738
BUFFON/OTTO 1790, 12/ 270
2739
NAUMANN 1824, 4/ 234
464 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
halbe Stunde, nachdem ich diesen angelegt hatte, was man wohl als Beweis
dafür ansehen kann, daß er sich den Goldammern schon vorher angeschlos-
sen hatte. Im Verhalten unterschied er sich von diesen in keiner Weise; er war
weder vertraut noch sehr scheu. Des Abends flog er zusammen mit den Gold-
ammern weg und erschien morgens wieder mit ihnen. Auch während der
Freßpausen entschwand die ganze Schar in eine nahegelegene große Weiß-
dornhecke, um von Zeit zu Zeit wieder zum Futterplatz zu kommen‘.“2740
Fichtenammer: Die Fichtenammer brütet im östlichen Sibirien und wird
für Mitteleuropa als Ausnahmegast angesehen. Die Erstbeschreibung durch
S. G. GMELIN erfolgte 1770. NAUMANN konnte nur wenige winterliche
Nachweise aus der Türkei, Böhmen oder dem westlichen Balkan und Öster-
reich anführen, HARTERT in der Neuauflage des NAUMANN zwar einige
weitere bis nach Südfrankreich, er betonte aber auch die Seltenheit des Vogels
in Mitteleuropa.2741
In der Schweiz wurde sie sogar erst Ende 1989 sicher nachgewiesen.2742
Bevorzugter Lebensraum des Vogels ist lichter Nadelwald, er lebt aber ähnlich
wie die Goldammer auch in anderen Landschaften.
Weissköpfiger Ammer, Weissscheiteliger Ammer: Die Fichtenammer ist
eine Zwillingsart der Goldammer, bei der alle gelben Farbtöne durch Weiß
ersetzt sind.2743 Der wissenschaftliche Artname „leucocephalos“ heißt „weiß-
köpfig“. Zu dem weißen Scheitelstreifen kommt noch jederseits ein weißer
Wangenfleck.
Rothkehliger Ammer: Oberhalb des Wangeflecks bis zum Scheitelstreifen
und unterhalb um die Kehle herum ist der Kopf im Prachtkleid rötlichbraun
gefärbt.
Dalmatischer Sperling: Dalmatien (NAUMANN schrieb von „Illyrischen
Provinzen“) ist eine historische Region an der Ostküste der Adria im Süden
Kroatiens. Dort wurden Fichtenammern als Wintergäste schon frühzeitig
nachgewiesen. Der britische Naturforscher John LATHAM (1740–1837)
nannte die Fichtenammer dann auch „Fringilla dalmatica“ und in seiner Spra-
che „Dalmatic-Sparrow“.2744 Ammern wurden früher häufig als Sperling be-
zeichnet. Ein bekanntes Beispiel ist die Rohrammer als „Rohrspatz“.
2740
NIETHAMMER/THIEDE in Journal of Ornithology 1962, Heft 2/3, 289–293
2741
NAUMANN 1824, 4/ 276 und HARTERT in: NAUMANN/HENNICKE 1900, 3/ 210
2742
GLUTZ VON BLOTZHEIM/BAUER 1997, 14/ 1425
2743
SVENSSON/GRANT/MULLARNEY/ZETTERSTRÖM 1999, 372
2744
NAUMANN 1824, 4/ 276
PASSERES – SINGVÖGEL 465
2745
http://de.wikipedia.org/wiki/Zaunammer, Stand 22.11.2011
2746
SCHUBERT 1886, 12
2747
BECHSTEIN 1807, 3/ 297
2748
BECHSTEIN 1807, 3/ 292
2749
BECHSTEIN 1793, 591 und BUFFON/OTTO 1790, 12/ 289 und HALLE 1760, 387
466 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
übrigen Rükken weis und braun geschuppt.“2750 Die alte Bezeichnung „falb“
bedeutet „graugelb, fahl“.
„Die gefleckte Ammer“ (nicht: „der“ Ammer) war der Leitname bei MÜL-
LER (1773).2751
Pfeifammer: HALLE brachte diesen Trivialnamen neben „Zirlammer“,
schrieb aber nichts über die Stimme. Etliche Autoren brachten den Namen
und schilderten, wenn überhaupt, eine ganz andere Stimme des Vogels. Es
darf vermutet werden, dass der Name durch Verwechslung entstand, sich aber
dennoch gehalten hat. Es gibt keine Beschreibung einer pfeifenden Stim-
me.2752 Allerdings wurde auf den ammerartigen Gesang hingewiesen (Gold-
ammerähnlichkeit), auf das fleißige Singen und das Singen von Baumspit-
zen herab. Einigkeit über die Beurteilung des Gesanges bestand auch nicht.
NAUMANN zitierte die von BECHSTEIN vergebenen Gesangessilben (s. u.
bei TsiTsi) und notierte dazu in einer Fußnote: „BOIE vermutet hier eine
Verwechselung mit dem Ortolan und sagt: der Zaunammer sänge mit einem
heuschreckenähnlichen Zirpen Rir - r - r - r!“2753
Dazu passt der Name „Zirbammer“, den der Vogel von BREHM erhalten
hat.2754
Zizi, Tsitsi: „Die Lockstimme dieses Ammers drückt sich durch die Töne: ‚Zi,
zi,zä,zirr!‘ aus, und sein Gesang, der einige Aehnlichkeit mit dem des Gold-
ammers hat, aber weniger melodisch ist, durch die Sylben ‚Zis. zis, zis! Gör,
gör, gör!‘ Durch diese Töne bin ich auf ihn aufmerksam geworden, da ich ihn
sonst immer für einen Goldammer angesehen und nicht geachtet hatte.“2755
Cirlus, Zizi: „Der Cirlus oder Zizi“ sind die Namen in der Überschrift des
Kapitels zur Zaunammer bei BUFFON/OTTO: „Ich nenne diesen Vogel Zizi
wegen seines gewöhnlichen Geschreies, welche dem Goldammer sehr ähnlich
ist.“2756
Zirlammer, Cirl-Ammer, Zirl: Nach WEMBER ist „cirlus“ ein älteres italie-
nisches Wort für eine Ammer. Es sei wahrscheinlich lautmalend aus „zirren“
entstanden, denn der Gesang ist monoton klappernd.2757
2750
HALLE 1760, 387
2751
MÜLLER 1773, 566
2752
HALLE 1760, 387
2753
NAUMANN 1824, 4/ 251
2754
BREHM 1879, 5/ 284
2755
BECHSTEIN 1807, 3/ 295
2756
BUFFON/OTTO 1790, 12/ 287
2757
WEMBER 2005, 159
PASSERES – SINGVÖGEL 467
„Zirlammer“ war KLEINS Name für die Zaunammer, „von der Stimme zi!
zi!“2758
Steinemmerling: Der Name, allerdings auch die Zippammer betreffend,
stammt aus Österreich. „Diese Vögel halten sich vorzüglich in den gebirgich-
ten Gegenden von Italien und Frankreich auf. In Österreich finden sie sich
ebenfalls, und in Kärnten überwintern sie. Auch hier kann angenommen
werden, dass im 18. Jahrhundert, als beide Vogelarten den Namen erhielten,
diese noch nicht immer erfolgreich auseinandergehalten wurden.2759
Zaunemmerling, Waldemmerling, Zaunemmeritze, Waldemmeriz: „Em-
merling“ bedeutet genauso Ammer wie „Emmeritze“ und „Emmeriz“. „Zaun-
emmeritze“ wurde als Kunstname von BECHSTEIN nur selten benutzt.
BOSE hatte daraus „Zaunemmeritz“ gemacht. Der Name erschien immerhin
bei NAUMANN (1824) und C. L. BREHM (1831), sonst aber kaum noch.
Der Name „Waldemmerling“ wurde schon 1741 von FRISCH genutzt, aber
nicht für die Zaun-, sondern für die Grauammer. Für die Grauammer hielt
sich der kaum verwendete Name, bis BREHM ihn für Zaunammer wählte.
Auch „Zaunemmerling“ ist ein Trivialname BREHMS für die Zaunammer.2760
Zaungilberig: Der Name wurde im 19. Jahrhundert vor allem in der Litera-
tur der Schweiz angeführt. Er erschien aber erstmalig bei NAUMANN und
dann offensichtlich nicht mehr in der deutschen Fachliteratur. Der Name
kann als „Zaunammer mit gelber Brust“ gedeutet werden.2761
Frühlingsammer: „Selbst an den nördlichsten Brutplätzen am Ostabfall des
Pfälzerwaldes Stand- und Strichvogel sowie Kurzstreckenzieher.“2762
„Es sind Zugvögel“, schrieb BECHSTEIN 1795.2763 „Er ist ein Zugvogel,
welcher die nördlicheren Gegenden im November (vielleicht noch viel früher)
verläßt, weit südlicher überwintert und im April wiederkehrt“, war NAU-
MANNS Beschreibung noch 30 Jahre später.2764
Es ist nicht bekannt, ob die Zaunammer ihr Zugverhalten geändert hat oder
ob der „Zugvogel“ aus der Wahrnehmung der Bürger entstand. „Frühlings-
ammer“ (der früheste Nachweis des Namens gelang bei MEISNER/SCHINZ
1815) stammt aber aus Zeiten, in denen die Zaunammer als Zugvogel galt.
2758
KLEIN 1760, 170
2759
GOEZE/DONNDORF 1795, 5-1/ 259
2760
BECHSTEIN 1795, 327 und BOSE 1810, 2/ 14 und BREHM 1879, 5/ 284
2761
NAUMANN 1824, 4/ 251
2762
GLUTZ VON BLOTZHEIM/BAUER 1997, 14/ 1505
2763
BECHSTEIN 1795, 326
2764
NAUMANN 1824, 4/ 251
468 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
2765
GOEZE/DONNDORF 1795, 5-1/259
2766
BUFFON/OTTO 1790, 12/ 288
2767
BECHSTEIN 1802, 135 und NAUMANN 1824, 4/ 253
2768
BUFFON/OTTO 1790, 12 /301
2769
SVENSSON et al. 2011, 402
PASSERES – SINGVÖGEL 469
mäßig, und hat Aehnlichkeit mit unsers Goldammers seinem.“ Auch sonst
hätten diese Ammern verschiedene weitere Gemeinsamkeiten mit den Gold-
ammern.2770
Bartammer: SCOPOLI hatte eine Ammer als „Emberiza Barbata“ beschrie-
ben und OTTO hatte diese entsprechend mit „Bärtige Ammer“ übersetzt.
Laut OTTO habe SCOPOLI diese „Art“ später aber als männliche Zippam-
mer erkannt. Der Übersetzer des „Scopoli“, GÜNTHER, hatte den Vogel
dagegen „Der Emmerling mit schwarzen Barth“ genannt. „Er hat einen asch-
grauen und schwarzgefleckten Kopf. Vom Schnabel, gehet ein schwarzer auf-
wärts gebogener Streif, der bis an das Ohr, und äussern Augenwinkel rei-
chet.“2771
Rothammer: Neben dem grauen Kopf und der grauen Brust fällt das rost-
braune Körpergefieder auf.
Narr, Dummer Zirl: „Die Italiener haben diesen Vogel desfalls den Narren
(Stultus) genannt, weil er ohne Unterschied in alle Schlingen geht, und weil
diese Sorglosigkeit für sich selbst und seine Erhaltung sogar bei den Thieren
der größte Beweis der Thorheit ist.“2772 BUFFON nannte den Vogel auch
„Närrische Ammer“. Er hielt „die Thorheit“ für eine Familienkrankheit, die
die Zippammer in „einem höherem Grade besitzt“.
„In Italien heißt er die dumme Zirl, oder der Narr, weil er sich in allen Arten
von Schlingen fängt.“2773
Wiesenammer, Wiesenemmerling: „Disen vogel nennend unsere weidleüt
also von den wisen/ darinn sy wonend.“2774 GESSNERS Name für den Vogel
war „Wisemmeritz“.
BUFFON stimmte dem nicht zu. Er schrieb, er habe „diesen Namen, den er
in Italien führt [Cirlus stultus], beibehalten, um so mehr, da mir der Name
Wiesenammer ihm nicht zuzukommen schien; denn die aufmerksamsten
Vogelfänger und Jäger haben mich einstimmig versichert, daß sie diese soge-
nannte Wiesenammer niemahls in den Wiesen gesehen haben“.2775
„Wiesenemmerling“ bedeutet „Wiesenammer.
Wiesenmerz: BUFFON ordnete seiner Überschrift „Der Zipammer“ den la-
teinischen Namen „Emberiza pratensis“ zu, „deutsch, Wiesemmerz. Wise-Em-
2770
BUFFON/OTTO 1790, 12/ 300
2771
OTTO in: BUFFON/OTTO 1790, 12/ 303 und SCOPOLI/GÜNTHER 1770, 173
2772
BUFFON/OTTO 1790, 12/ 296
2773
GOEZE/DONNDORF 1795, 5-1/259
2774
GESSNER/MILT 1557/ 1980, 29
2775
BUFFON/OTTO 1790, 12/ 298
470 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
2776
BUFFON/OTTO 1790, 12/ 296
2777
SPRINGER 2007, 355
2778
GESSNER/HORST 1689, 123b
2779
SPRINGER 2007, 355
2780
BUFFON/OTTO 1790, 12/ 296
2781
KRAMER 1756, 371 und BEZZEL 1993, 703
PASSERES – SINGVÖGEL 471
nen dann mit Fett dick überzogen. In Südeuropa werden sie, leicht in Wasser
aufgewellt, mit Essig und Gewürz eingelegt. Man will die Zahl derer, welche
so allein die Insel Cypern versendet, auf 80–100.000 jährlich berechnen.“2782
Ortolan, Ortulahn, Hortolan: Der Name „Ortolan“ kommt, wie auch die
beiden anderen, vom lateinischen hortus, der Garten. „Hortolan“ geht zurück
auf hortulana, „die vom Garten“ (s. u.).
Der Ortolan wurde im Deutschen lange als Gartenammer bezeichnet. Trotz-
dem wurde aus der „Gartenammer“ ein Wort entwickelt und durchgesetzt,
das völlig anders ist, nämlich „Ortolan“. WEMBER vermutete, dass sich der
Name wegen des schon den Römern bekannten schmackhaften Fleisches
durchgesetzt habe, denn unter gastronomischen Gesichtspunkten klinge „Or-
tolan“ sicherlich günstiger als „Gartenammer“.2783
Die Bezeichnung „Ortolan“ stammt aus dem Italienischen und erschien zu-
erst als Ortolano bei Hochberg 1682. In Italien hat man den Namen wohl
nicht immer konsequent angewendet, was dazu führte, dass man aus Erman-
gelung echter Ortolane andere Ammern jagte, die auch sehr schmackhaftes
Fleisch hatten, und diese dann auch als „Ortolan“ bezeichnete.2784
„Sicher ist weiterhin, daß gelegentlich des früher reichlich betriebenen Vo-
gelhandels aus Italien nach den süddeutschen Gebieten manche Namen von
dort mit herein gekommen sind, so z. B. der Name Ortolano, verdeutscht
Ortolan.“2785
Urtlan, Utlan: Beide Begriffe erscheinen erst in der zweiten Auflage von
BREHMS Tierleben und gehen auf „Ortolan“ zurück.2786
Hortulan, d. i.Gärtner: NAUMANN gab den Namen so an wie er hier steht.
„Hortulanus“ ist der Gärtner. Er hatte den Ausdruck wohl von BECHSTEIN,
der in seinem Ornithologischen Taschenbuch die Ausdrücke „Hortolan“ und
„Gärtner“ aber nicht, wie später NAUMANN, nebeneinander anführte, son-
dern sie durch andere Beinamen trennte. „Gärtner“ dürfte hier zu verstehen
sein als einer, der sich in Gärten aufhält (BECHSTEIN schrieb: Hortolan,
NAUMANN: Hortulan).2787
Fettammer: Durch das Mästen werden sie „in der That so fett wie kein an-
derer Vogel, selbst bis 3 Loth [50 g] schwer, da selbst die fetteste Feldlerche,
2782
GLOGER 1834, 297
2783
WEMBER 2005, 260
2784
GRIMM/GRIMM 1984, 13/ 1365
2785
HOFFMANN 1937, 89
2786
BREHM 1879, 5/ 286
2787
NAUMANN 1824, 4/ 258 und BECHSTEIN 1802, 134
472 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
die doch um vieles größer ist, nicht über 4 Loth [67 g] schwer wird. Alles ist
mit schwefelgelbem Fette dick überzogen, es hängt in Klumpen an den Seiten
der Brust, am Halse, überzieht den Bauch und sitzt auf dem Rücken so dick,
dass es über den Steiss hinab quillt…“ NAUMANN fuhr an anderer Stelle
fort: „Seines sehr zarten, höchst wohlschmeckenden Fleisches wegen, beson-
ders wenn er gemästet und recht fett ist, stand dieser Vogel schon von jeher
im hohen Werte, und ein Ortolanengericht gehörte zu den allerköstlichsten
Leckerbissen.“2788
„Wenn sie wohl [gut] gefüttert werden, sterben sie zuweilen eines plötzlichen
Todes, indem sie in ihrem eigenen Fette ersticken.“2789
Gartenammer, Feldammer: „Den Namen ‚Gartennammer‘ scheint er mir
gar nicht zu verdienen, denn bei seiner Vorliebe für Wasser und dichtes Ge-
büsch möchte er in den Gärten nur auf dem Strich vorkommen … ich habe
ihn deshalb ‚Fettammer‘ genannt, aber ‚hortulana‘, um keine Verwirrung zu
stiften, beibehalten.“2790 Der Ortolan ist auch eine „Feldammer“, denn er
liebt offene, auch bis in höhere Lagen eher sandige und trockene (Kultur-)
Landschaften.2791
Weinvogel: Nach OKEN wird der Vogel in Burgund „Vinette“ genannt, weil
er auch Weintrauben frisst.2792
„Sie kommen nach der Provence herunter, und bis nach Bourgogne hinauf,
vorzüglich in den heißesten Landstrichen, wo es Wein giebt; sie berühren
doch gar nicht die Trauben, sondern fressen die Insekten, welche an den Re-
ben und Weinstöcken laufen.2793
Heckengrünling: Der „Heckengrünling“ ist, „in Ansehung der Farbe“, ein
Bastard mit dem Grünling oder Finken. Er hat einen Schnabel wie die Grau-
ammer, „Sitten, Flug, Stimme und Bau des Nestes kommen mit dem Gold-
ammer gleich“.2794
Eine passende Deutung findet man bei GOEZE/DONNDORF. „Dieser, we-
nigen recht bekannte Vogel, hat einige sehr passende Namen, als Fettammer,
weil er außerordentlich fett wird: Ortulan, von Hortus, Garten, weil er sich
in den Gegenden, wo er angetroffen wird, mehrentheils in den dicken und
hohen Hecken der Kunstgärten aufhält. Er sollte daher eher Hortulan oder
2788
NAUMANN 1824, 4/ 267
2789
KLEIN/REYGER 1760, 92
2790
C. L. BREHM 1822, 3/ 231
2791
BEZZEL 1993, 707
2792
OKEN 1837, 287
2793
BUFFON/OTTO 1790, 12/ 174
2794
BUFFON/OTTO 1790, 12/ 164
PASSERES – SINGVÖGEL 473
2795
GOEZE/DONNDORF 1795, 5-1/ 140
2796
MARTINI 1775, 2/371
2797
GOEZE/DONNDORF 1795, 5-1/ 242
2798
A SANCTA CLARA, GEISTL. KRAMERLADEN 1710, 44
2799
J. A. NAUMANN 1796, 1-2/ 6
474 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
weist auf den Südosten Europas hin, wo man den Ortolan regelmäßig an-
trifft.2800
2800
BUFFON/OTTO 1790, 12/ 168 und GATTERER 1782, 2/ 403
2801
GLUTZ VON BLOTZHEIM/BAUER 1997, 14/ 1636
2802
BREHM 1879, 5/ 287
2803
BUFFON/OTTO 1790, 12/ 199
PASSERES – SINGVÖGEL 475
2804
SVENSSON et al. 2011, 392
2805
NAUMANN 1824, 4/ 280
2806
SUOLAHTI 1909, 108
2807
Straßburger Vogelbuch 1554, V. 533
2808
GRIMM/GRIMM 1984, 14/ 1133
2809
MEDICUS 1867, 200
2810
NAUMANN 1824, 4/ 280
476 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
Kleid des kleineren lichteren sibirischen Rohrammers und ist deshalb nicht
synonym mit ‚Emberiza schoeniclus (L.)‘.“2811
Moosemmerling, Mosemmerling: „In einigen Gegenden ein Nahme des
Rohrsperlinges, weil er sich gerne in Moosen, d. i. Morästen, aufzuhalten
pflegt.“2812 Unter „Moß-Emmerling/ oder Rohr-Sperling“ findet man die
Rohrammer im ersten Vorläufer der Angenehmen Landlust von PERNAU. In
Unterricht … von 1702 schrieb er: „Dieser Vogel hält sich den gantzen Som-
mer in dem Moß/ wo Schilf wächste und sumpffigte Wiesen sind/ auf/ und
kommet den Leuten wenig ins Gesicht/ ausser wann er im Herbst/ zwar nur
einzlig/auf die Fincken-Heerd einfället.“2813
Mossperling: „Eine Art Sperlinge, welche sich in morastigen und sumpfigen
mit Rohr bewachsenen Gegenden aufhalten, und daher auch Riethsperlinge
und Rohrsperlinge genannt werden. In den gemeinen Sprecharten, besonders
Oberdeutschlandes, wird dieses Wort in Muschelsperling, Muschelnischel
und Mutschelsperling verderbt.“2814
Riedmeise: Bei der Aufzählung der Namen des Vogels in den verschiedenen
Sprachen notierten BUFFON/OTTO für Deutsch, ‚reidmeuss‘ nach Turner;
in der Schweitz ‚Riedt-meiss‘. Letztere beide Namen kommen eigentlich der
Sumpfmeise zu.2815
Wassersperling: ALDROVANDI habe festgestellt, dass der in Bologna ‚Pas-
ser aquatico‘ (Wassersperling) genannte Vogel von dem ‚Reed-sparrow‘ der
Engländer verschieden sei, da er einen längeren Schnabel, braunes Gefieder
und eine weiße Brust habe und auch größer sei.2816
Unabhängig davon wird der „Wasserspatz“ in den Trivialnamensübersichten
immer wieder erwähnt.
Leps, Rohrleps, Rohrleschspatz: Die Ausdrücke bedeuten „Spatz“ und
„Rohrspatz“. Das niederdeutsche Wort „Leps“ könnte abgeleitet sein aus „Le-
pigkeit“, was „Schalkheit“ bedeutet Das passt zu den Spatzen. „Rohrleps“ und
„Rohrleschspatz“ bedeuten jeweils „Rohrspatz“.2817
Dieser „Leps“ stammt von OKEN, der den Namen vom Haussperling auf die
Rohrammer („Rohrspatz“) übertragen hat.2818
2811
KLEINSCHMIDT in: NAUMANN/HENNICKE 1900, 3/ 212
2812
ADELUNG 1798, 3/ 278
2813
PERNAU 1702, 67
2814
ADELUNG 1798, 3/ 279
2815
BUFFON/OTTO 1790, 12, 191
2816
BUFFON/OTTO 1790, 12 /192
2817
BÖNING 1984, 64
2818
OKEN 1816, 417
PASSERES – SINGVÖGEL 477
Meerspatz: Dieser Name wird bei den Verfassern der verschiedenen Fachbü-
cher oft genannt und ist so gut wie immer an die Rohrammer gebunden. Er
erschien schon 1756 bei KRAMER. Für die am Seeufer lebende Rohrammer
bedeutet das, dass „Rohrspatz, -sperling“, „Wassersperling“ und „Meerspatz“
gleichbedeutend sind.2819
Schilfschwätzer, Schilfvogel: Als „Schilfschmätzer“ wurden neben der Rohr-
ammer die Rohrsänger bezeichnet. Daraus entstand der „Schilfschwätzer“,
der erst relativ spät in die Literatur übernommen wurde. Früher als bei GOE-
ZE/DONNDORF (1795) konnte er nicht nachgewiesen werden.
Der Vogel lebt – daher „Schilfvogel“ – in Schilf und singt dort, wobei im Na-
men das Wort „geschwätzig“ enthalten ist, das auf die häufig singende Rohr-
ammer zutrifft.2820
Roter Ammer: „Am Halß und Rücken ist er grau, mit braunen Streiffen, fast
als der Feld-Spatze, wie er dann auch, als dieser, an den Flügeln etwas röthli-
ches mit Weisem hat.“2821
„Der Kopf ist schwarz und hin und wieder röthlich bespritzt … Der Hinter-
hals ist aschgrau röthlich überlaufen … Der Oberrücken und die Schulter-
federn schwarz, rostfarbig und weiß gefleckt; der Unterrücken und die mit-
telmäßigen obern Deckfedern des Schwanzes abwechselnd grau und gelbrö-
thlich.“ Junge Männchen seien im Herbst am Scheitel rostfarben und grau
gesprenkelt.2822 BECHSTEIN führte noch weitere Bespiele rötlich, rostfarben
usw. an.
Schiebichen, Schiebchen: NAUMANNS Vater, Johann Andreas NAU-
MANN, benannte die Rohrammer 1796 mit dem Leitnamen als „Schiebi-
chen“. Diese Wörter bedeuten aber außerdem „Holunder“ ( Sambucus race-
mosa). Holundersträucher wachsen zahlreich an den Reetuferzonen von Seen.
J. A. NAUMANN hat keinen Hinweis auf eine Verbindung gegeben. Besteht
zwischen den schwarzen Beeren und dem schwarzen Vogelkopf ein Zusam-
menhang? Eine Antwort muss (noch) ausbleiben, obwohl die Namen – mehr
für den Holunder als für den Vogel – weit verbreitet waren.2823
2819
KRAMER 1756, 371
2820
GOEZE/DONNDORF 1795, 5-1/ 147
2821
ZORN 1743, 429
2822
BECHSTEIN 1795, 316
2823
J. A. NAUMANN 1796, 1-Teil 2/ 67
478 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
2824
SVENSSON et al. 2011, 392
2825
SUCKOW 1801, 2/ 885
2826
C. L. BREHM 1823, 213
PASSERES – SINGVÖGEL 479
2827
SVENSSON et al. 2011, 392
2828
GLUTZ VON BLOTZHEIM/BAUER 1997, 14/ 1674
2829
BREHM 1866, 250
480 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel
2830
C. L. BREHM 1820, 1/7 70
2831
C. L. BREHM 1820, 1/ 770
2832
NAUMANN 1824, 4/ 227
2833
NAUMANN 1822, 2/ 341
2834
NAUMANN 1824, 4/ 227
PASSERES – SINGVÖGEL 481
2835
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2836
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