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Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Peter Bertau

Die Bedeutung
historischer
Vogelnamen –
Singvögel

Band 2
Peter Bertau
Offenburg
Deutschland

ISBN 978-3-642-41817-4     ISBN 978-3-642-41818-1 (eBook)


DOI 10.1007/978-3-642-41818-1

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Für meine Frau
Zu den Werken Die Bedeutung
historischer Vogelnamen

Fast jedes bis ins frühe 20. Jahrhundert erschienene Buch über Vögel enthält
neben den damals üblichen wissenschaftlichen viele volkstümliche, sogenann-
te Trivialnamen. Der Autor Peter Bertau, ehemaliger Biologielehrer mit den
Schwerpunkten Evolutionsbiologie und Ornithologie, hat vier Wissenschaft-
ler ausgewählt und die in deren wissenschaftlichen Werken veröffentlichten
Trivialnamen gedeutet:

• L
 orenz Oken (1779–1851) lehrte von 1807–1819 in Jena und ab 1833
in Zürich. Er war Verfasser der Isis und hat die letzte umfassende Natur-
geschichte über die unbelebte und belebte Welt geschrieben.
• Auch Friedrich Siegmund Voigt (1871–1850) lehrte nach der Zeit der
universitätszerstörenden napoleonischen Kriege in Jena, hatte aber andere
Schwerpunkte als Oken.
• Johann Friedrich Naumann (1780–1857) aus dem Anhaltinischen Zie-
bigk gilt heute als Vater deutschen Ornithologie. Er verfasste unter meist
schwersten Bedingungen von 1822–1844 sein zwölfbändiges Werk Natur-
geschichte der Vögel Deutschlands.
• Alfred Edmund Brehm (1829–1884) hat als erster ein umfassendes Werk
nur über Tiere veröffentlicht.

Der Autor deutet über 9000 historische Vogelnamen dieser Wissenschaftler,


die sich etwa 480 damals bekannten, meist heimischen Vogelarten zuordnen
lassen.
Der erste Band betrachtet 290 Arten der Nonpasseriformes, zu denen unsere
Schwimm-, Schnepfen-, Greif- und Hühnervögel wie auch Möwen und Tau-
cher gehören. Unter ihnen befinden sich einige außereuropäische Arten, von
denen Reisende Präparate mitgebracht hatten.
Die Singvögel, von denen der zweite Band handelt, bilden eine Unterord-
nung der Sperlingsvögel (Passeriformes). Von den etwa 190 Arten, deren Tri-
vialnamen hier gedeutet werden, leben einige auch außerhalb Europas, vor
allem in Sibirien.
VIII Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Der in diesen Bänden durchweg einfach gehaltene Schreibstil soll nicht nur
Spezialisten, sondern auch Laien, die sich für Vogelkunde interessieren, zum
blätternden Lesen ermuntern.
Der Autor führt in dem Online-Lexikon So hießen unsere Vögel früher. Ein
ungewöhnliches Lexikon historischer Vogelnamen (www.springer.com/978-3-
642-41732-0) neben den circa 9000 historischen Vogelnamen der beiden
Bände über Die Bedeutung historischer Vogelnamen weitere Trivialnamen von
Wissenschaftlern des 17. bis Anfang des 20. Jahrhunderts zusammen. Das
Ungewöhnliche Lexikon enthält über 25.000 verschiedene Trivialnamen.
Einleitung

Der Titel des Buches dürfte außer fragendem Interesse keine Einwände auslö-
sen, vielleicht aber der Untertitel: Warum Sperlingsvögel? Warum nicht Sing-
vögel?
Die Singvögel werden den Sperlingsvögeln zugeordnet. Diese Sperlingsvö-
gel bilden die Ordnung der Passeriformes. Die Singvögel selber bilden als
Unterordnung der Passeri zusammen mit der Unterordnung der Schreivögel
( Tyranni) eine noch nicht benannte Gruppe, die zusammen mit der Unter-
ordnung der neuseeländischen Maorischlüpfer ( Acanthisitti) zur Ordnung der
Sperlingsvögel (Passeriformes) zusammengefasst werden.1 Dementsprechend
trägt der 2. Band von Die Bedeutung historischer Vogelnamen den Untertitel
Sperlingsvögel – Passeriformes.
Was für eine Vogelgruppe sind die Singvögel eigentlich, wenn man ihnen
einen ganzen Bücherband widmet? Heben sie sich irgendwie ab von anderen
Vogelgruppen? Fast jede Vogelgruppe, die man hier Ordnung nennt, ist so
typisch, dass sie sich von anderen Ordnungen deutlich unterscheidet. Dazu
gehört auch die sehr artenreiche Ordnung der Singvögel, zu der etwa 60% der
Vogelarten weltweit gehören. Der Artenreichtum steigt auf unserer Erdhalb-
kugel von Nord nach Süd, verringert sich aber wieder in Richtung Tropen!
Einige typische Kennzeichen der Singvögel seien hier aufgeführt. Es gibt sie,
trotz der großen Unterschiede, die man bei den Singvogelfamilien findet.
Alle Singvögel sind Landbewohner, trotz einiger Spezialisten, die ihre Nah-
rung aus dem Wasser holen, wie Eisvogel oder Wasseramsel.
Zwischen einigen Singvogelfamilien findet man oft große Unterschiede. Bei-
spielsweise liegt das Körpergewicht bei den kleinsten heimischen Singvögeln,
den Wintergoldhähnchen, bei 9 g, während Kolkraben bis zu 1.500 g wiegen.
Singvögel haben einen typischen Klammerfuß. Wegen eines besonderen Ver-
laufes der Beinsehnen ziehen sich die Zehen, von denen drei nach vorne, einer

1
WIKIPEDIA 2014, verschiedene Seiten
X Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

nach hinten gerichtet sind, umklammernd zusammen, wenn sich der Vogel
auf einem Zweig oder Halm niederlässt. Das erklärt auch, weshalb Singvögel
im Schlaf nicht herabfallen.
Viele Singvogelmännchen haben ein besonderes Pracht- und Schlichtkleid.
Männchen anderer Arten, wie Fitis oder Zilpzalp sind auch in der Brutzeit
unscheinbar gefärbt. Bevor (oft) beide Geschlechter in einem mehr oder we-
niger kunstvoll gebauten Nest ihre Nesthocker-Jungen großziehen, werben
die Männchen um die Weibchen – sie balzen. Ein wichtiger Teil des Balzver-
haltens hat den Singvögeln ihren Namen gegeben. Der Gesang, der auf einem
besonders gut ausgebildeten Stimmapparat beruht, kann sehr kunstvoll sein,
wie bei der Nachtigall oder einigen Grasmücken. Er kann aber auch so sein,
dass man Mühe hat, etwa das Gekrächze von Krähen oder Elstern als Gesang
zu bezeichnen. Bei vielen Arten steigt die Schönheit des Gesanges mit der
Schlichtheit des Prachtkleides – und umgekehrt.
Der Gesang, der oft von einer erhöhten Warte stattfindet, dient also zum
Werben um die Weibchen. Diese fühlen sich durch besonders schöne Gesän-
ge, die sie allerdings selbst beurteilen, besonders angezogen. Vor der Balz gilt
es, ein Revier zu kennzeichnen, zu verteidigen oder neu zu erwerben. Dabei
kommt es zu intensiven Gesangsduellen mit dem Konkurrenten, die schon
im sehr zeitigen Frühjahr beginnen können. Sind die Sänger nicht erfolgreich,
kann es zu drohendem Imponierverhalten kommen, bei dem die Ausbildung
der Gefiederfarbe eine große Rolle spielt. So drohen Rotkehlchen mit ihrer
roten Brustfärbung umso erfolgreicher, je stärker die Färbung ausgebildet ist.
Nützt auch das nicht, kommt es zu Kämpfen, die schnell zu Beschädigungs-
kämpfen werden können.
Hat das Männchen erfolgreich um ein Weibchen geworben, werden die Ge-
sänge nicht beendet. Viele von uns vermuten, dass der Vogel aus Freude singt.
Das aber ist sehr anstrengend. Der Vogel würde es nicht tun, wenn er nicht
müsste. Ob er Nesträuber ablenken will, wäre zu diskutieren. Viel wichtiger
für das Männchen ist, das brütende Weibchen auf dem Nest zu halten. Das
Weibchen hat, wenn es allein brütet, eine sehr schwere und entbehrungsrei-
che Zeit bis zum Schlüpfen der Jungen zu überstehen. Schon das Verlassen
des Nestes zum Fressen oder Trinken, kann zum jagenden Kampfsingen des
Männchens führen, wie bei eigenen Beobachtungen bei Erlenzeisigen festge-
stellt werden konnte. Sind nach der letzten Brut die Jungen flügge geworden,
hört das Singen überall ziemlich schlagartig auf. Diesen Effekt kennen viele
von uns aus der Zeit Ende Juni/Anfang Juli.
Das Verhalten der Jungen als Nestlinge ist ebenfalls sehr singvogeltypisch.
Der vorne spitz zulaufende Schnabel wird zum Betteln besonders weit auf-
Einleitung XI

gerissen, wenn die Jungen Erschütterungen durch zum Füttern landende Alt-
vögel bemerken. Die gelbumrandeten Schnäbel und die knallrote Kehle der
Jungvögel, sowie (untergeordnet) deren Bettelrufe lösen bei den Eltern das
Fütterverhalten aus, und zwar wird dorthin am meisten gefüttert, wo vor al-
lem der optische Reiz am stärksten ist. Schwache Nestlinge können so durch-
aus verhungern, wenn Eltern nur begrenzt Futter heranbringen können. Der
Füttertrieb der Eltern wird von einem Kuckucksjungen besonders stark aus-
gelöst.
Noch eine Eigenart so gut wie aller Singvögel ist ihr Kratzen am Kopf. Die
Vögel kratzen sich „hintenherum, indem sie den Fuß am leicht gesenkten
Flügel außen vorbeiführen.“2
Auch in diesem Band 2 wird versucht, die Bedeutung historischer Vogelna-
men zu klären. Wieso aber historisch? Eine aufkommende Neugier könnte zu
einem ersten Durchblättern führen. Diese beiden Bände, so wird man dann
feststellen, kann man zwar als ornithologisches Werk bezeichnen, es fällt aber
schwer, sie irgendwo einzuordnen. Ein Bestimmungsbuch ist es nicht. Ein
Spezialbuch, das für Laien nicht immer zu verstehen ist, auch nicht. Man
wird nämlich schnell entdecken, dass der Inhalt gut verständlich ist, dass
Fremdwörter zwar vorkommen, die aber nicht stören. Ja, das Buch ist für alle
ganz interessant.
Was „historisch“ im Buchtitel bedeutet, wird klar, wenn man Vogelnamen im
Buch sieht. Man könnte sie auch volkstümlich nennen oder einfach alt. Ganz
fremd erscheinen sie jedenfalls nicht. Tatsächlich sind viele Namen alt, „volks-
tümlich“ ist aber nur zum Teil richtig. Viele auch alt erscheinende Bezeich-
nungen sind nämlich Kunstnamen, die irgendwann einmal aus verschiedenen
Gründen für Vögel entwickelt wurden.
Das Buch enthält Vogelnamen, die die Autoren gesammelt bzw. von anderen
übernommen haben. Manche scheinen selbstkonstruiert zu sein, wie beim
jungen OKEN, der sich an dem Bemühen im beginnenden 19. Jahrhundert
beteiligte, Pflanzen und Tieren einen allgemein akzeptierten deutschen Na-
men zu geben. OKEN ist das für einige Begriffe gelungen. „Lurche“, „Kerfe“,
„Echse“, „Vieh“ (für Wiederkäuer), „Nesthocker“ und „Nestflüchter“ stam-
men von OKEN, auf den keine Vogelnamen zurückgehen, wohl aber J. F.
NAUMANN wenige und A. BREHM etliche Jahre später.
Heute haben „historische“ Vogelnamen nur noch in Ausnahmefällen in unse-
rer Sprache Platz. Schon in den 1930er-Jahren setzten sich Vereinfachungen

2
GLUTZ VON BOLTZHEIM / BAUER 1985, 10 / 33f.
XII Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

wie „Kernbeißer“ (aus Kirschkernbeißer), „Trauerschnäpper“ (aus Trauerflie-


genschnäpper) oder „Habicht“ (aus Hühnerhabicht) durch.3 Es ist auch schon
einige Zeit her, als aus dem „Fischreiher“ ein „Graureiher“ wurde. Die Um-
wandlung vom „Grünfink“ in den „Grünling“ hat sich nicht durchgesetzt,
auch der Ersatz des „Ortolans“ durch „Gartenammer“ war nicht erfolgreich.
Der Rotmilan war früher ein „Gabelweih“, die Amsel eine „Schwarzdrossel“.
Zum heute allerorts beliebten Spatz wird hoffentlich nie jemand das abwer-
tend klingende „Hausperling“ sagen. Ein Beispiel aus Ostdeutschland zeigt,
dass auch Namensverbesserungen versucht werden. Dort lernten die Schüler
für das Blässhuhn die richtigere Bezeichnung „Blässralle“. Allerdings: Bei dem
Datenbank-Informations-System Avibase wird dieser Name nicht genannt.
Neue Namen können auch jetzt noch entstehen, dann aber aus anderen Grün-
den. Die Ornithologie unterliegt einem gewaltigen Wandel, vor allem durch
die Molekularbiologie, die der Verwandtschaftsforschung immer neue Ergeb-
nisse, auch in Form neuer deutscher Namen, und Anstöße liefert. Sumpf-
und Weidenmeise, den meisten Experten noch als zur Gattung „Parus“ ge-
hörig bekannt, sind heute unter dem Gattungsnamen „Poecile“ zu finden.
Oder: Die Beutelmeise hieß bisher Remiz pendulinus. Heute gibt es 3–4 neue
Remiz-Spezies mit mehr als 10 Unterarten. Und schließlich: Die bekannte
Schafstelze Motacilla flava besteht heute aus mindestens 5 neuen Arten, von
denen aus der „Schafstelze“ die „Wiesenschafstelze“ wurde, die aber immer-
hin noch eine Motacilla flava ist. Im Norden kommt die Thunbergschafstelze
( M. thunbergi) vor, in England die Gelbkopfschafstelze ( M. flavissima), ferner
leben zwei Arten in Süd- und Südosteuropa.
Viele vermeintlich volkstümliche Namen sind Kunstnamen. Sie entstanden
vermehrt um 1800, als sich immer mehr Wissenschaftler bemühten, Tieren
und Pflanzen deutsche Namen zu geben. Während zu jener Zeit in den deut-
schen Nachbarländern längst Nomenklaturen in den Landessprachen exis-
tierten, stand man in dem politisch zerstückelten Deutschland erst an der
Schwelle zu einer Ordnung bei Pflanzen- und Tier-, also auch bei Vogelna-
men. Im 17. und 18. Jahrhundert hatte in Deutschland kaum Vogelforschung
stattgefunden. Nach dem Tod des als größten Naturforscher seiner Zeit an-
gesehenen Schweizers Konrad GESSNER (1516–1565) und dem englischen
Naturforscher William TURNER (1510–1568), der mehrfach für länge-
re Zeit in Deutschland lebte, schloss nur der Schlesier Caspar SCHWEN-
CKFELD (1563–1609) etwas das Loch, das sich bezüglich einer fehlenden
Entwicklung deutscher Vogelforschung aufgetan hatte. Zwar entwickelten
sich die Naturwissenschaften insgesamt ab dem 17. Jahrhundert in Europa

3
DATHE Orn. Mitt. 6/ 64, 27 - 29
Einleitung XIII

langsam und mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten, sie blieben aber bis


in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts hinein von geringem öffentlichem
Interesse. Zu vorherrschend waren an den Universitäten die Theologie, die
Jurisprudenz, Medizin und die Philosophie.4
STRESEMANN schrieb über die Zeit nach SCHWENCKFELDS Werk
(1603): „Von ganz unbedeutenden und gelegentlichen Bemerkungen abgese-
hen, findet sich der landläufigen Meinung nach im deutschen Schrifttum weit
über 100 Jahre lang nichts Ornithologisches.“5 STRESEMANN schränkte
dann aber selber die „weit über 100 Jahre“ etwas ein, als er auf Ferdinand
Adam Freiherr von PERNAU (1660–1731) und Johann Heinrich ZORN
(1698–1748) zu sprechen kam, die die „ersten wahrhaft bedeutenden Erfor-
scher der Lebensweise europäischer Vögel“ gewesen wären.
Freiherr von PERNAU ist bis heute, wenn überhaupt, nur der Fachwelt be-
kannt.6 Sein seit 1702 mehrfach bearbeitetes und umbenanntes Hauptwerk
von 1720 heißt: Angenehme Land-Lust! Deren man in Städten und auf dem
Lande, ohne sonderbare Kosten, unschuldig geniessen kann. Oder von Unter-
schied/Fang/Einstellung und Abrichtung der Vögel/ Samt deutlicher Erleuterung
derer gegen den Zeit-Vertreib geschehenen Einwendungen, auch nöthigen An-
merkungen über Hervieux von Canarien-Vögeln/ und Aitinger vom Vogelstellen.
PERNAU wird wegen seines Buches bisweilen als einer der Gründerväter der
systematischen Erforschung der europäischen Vogelwelt bezeichnet.
Dass er nicht so bekannt wurde wie seine Werke, liegt an ihm selber. Es gibt
in seinen Büchern keinerlei Hinweise auf den Verfasser. Wie PERNAU ver-
hielten sich auch andere Autoren. Als BECHSTEIN in den 1790er-Jahren
das letzte Buch PERNAUS in die Hand bekam und befand, eine Neuauflage
veranlassen zu sollen, hatte er keinerlei Hinweise auf den Verfasser. Selbst
SUOLAHTI schrieb 1909 in Die deutschen Vogelnamen nur von dem Verfas-
ser der Angenehmen Landlust. Erst ab 1925 herrschte Klarheit, als STRESE-
MANN „den Namen des Freiherrn FERDINAND ADAM VON PERNAU
in die Geschichte der Ornithologie eingeführt“ hatte.7
Der evangelische Pastor Johann Heinrich ZORN (1698–1748) verfasste 1742/
43 das zweibändige, stark von PERNAU beeinflusste Werk Petino-Theologie
oder Versuch, Die Menschen durch nähere Betrachtung Der Vögel Zur Bewunde-
rung, Liebe und Verehrung ihres mächtigsten, weissest- und gütigsten Schöpffers

4
http://de.wikipedia.org/wiki/17._Jahrhundert, Stand 12. 10. 13
5
STRESEMANN, Geschichte der deutschen Vogelkunde, J. f. Ornith. 1925, 4/ 594
6
STRESEMANN 1925, HEFT 4, 594
7
STRESEMANN 1962, Journ. f. Ornith. 103, 250
XIV Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

aufzumuntern. Die Petino-Theologie zählt als wichtiger Meilenstein der Ent-


wicklung der Ornithologie in Deutschland. Deshalb zählt auch ZORN zu
den frühen Wegbereitern der vergleichenden Verhaltensforschung.8
Nur bedingt sollte man Jacob Theodor KLEIN (1685–1759) in die Reihe
derer stellen, die den Fortschritt der Ornithologie in Deutschland besonders
gefördert haben. KLEIN war Jurist und Diplomat in den Diensten der Stadt
Danzig. Er nutzte zahlreiche Reisen zum Aufbau einer der größten privaten
naturkundlichen Sammlungen des 18. Jahrhunderts. In Danzig richtete er
einen botanischen Garten ein, der sehr berühmt und bekannt wurde. Auch
deshalb genoss KLEIN hohes wissenschaftliches Ansehen. Seit 1729 war er
Mitglied der Royal Society of London. 1743 gründete er die Naturforschende
Gesellschaft in Danzig.
Erst relativ spät befasste sich KLEIN im Rahmen seiner Erarbeitung einer
zoologischen Systematik auch mit der Ornithologie, die bei ihm aber nur eine
Nebenrolle spielte.9 Dennoch, „seiner Klugheit und Belesenheit verdanken
wir die deutschen Namen Rabenkrähe, Beutelmeise, Nachtreiher, Mornell
und Ralle.“10 KLEINS Werk Vorbereitung zu einer vollständigen Vögelhistorie
erschien erst nach seinem Tod 1760, wie auch die Verbesserte und vollständige-
re Historie der Vögel in demselben Jahr. Dieses Buch wurde überarbeitet und
herausgegeben von Gottfried REYGER.
Ein deutscher Wissenschaftler, der sich zur selben Zeit, Mitte des 18. Jahr-
hunderts, „auch“ mit Ornithologie beschäftigte, heute aber nur noch Wenigen
bekannt ist, war Johann Leonhard FRISCH (1666–1743), Mitglied der Preu-
ßischen Akademie der Künste in Berlin. Einen wichtigen Teil seiner Arbeit
bildeten naturhistorische Illustrationen, vor allem von Fischen und Vögeln,
die jeweils mit einem Aufsatz erläutert wurden. Berühmt wurde FRISCH,
der 1741 ein zweibändiges Teutsch-lateinisches Wörterbuch veröffentlicht hatte,
zusätzlich durch die Arbeit an zwei umfangreichen zoologischen Kupfertafel-
werken zu den Insekten und Vögeln Deutschlands. Nach seinem Tod 1743
setzten seine beiden Söhne Philipp Jacob und Johann Helfrich die Arbeit fort,
bevor sein Enkel Johann Christoph das Vogelwerk 1763 vollenden konnte.
FRISCHS „Werk über die deutsche Ornithologie brachte einen nachhaltigen
Umschwung in der Erkenntnis des Vogels.“ Bis dahin hätte die Vogelkunde
noch fast völlig im Bann aristotelischer Weltanschaung gestanden.11

8
GEBHARD 2006, 397
9
http://de.wikipedia.org/wiki/Jacob_Theodor_Klein u.a.m.,Stand 10.11.2012
10
GEBHARDT, 2006, 183
11
SCHALOW, Beitr. zur Vogelfauna d. Mark Brandenburg, 1919, 517
Einleitung XV

Erst am Ende des 18. Jahrhunderts kam auch in die deutsche ornithologi-
sche Forschung Bewegung. Der stärkste Impulsgeber war Johann Matthäus
BECHSTEIN (1757–1822). Er begann 1785 als Lehrer für Naturwissen-
schaften und Mathematik in Schnepfenthal/Thüringen und wurde 1800 als
Direktor der späteren Herzöglichen Forstakademie nach Dreißigacker bei
Meiningen berufen. BECHSTEIN veröffentlichte eine Fülle von Schriften,
die ihm den Ruf „Vater der deutschen Vogelkunde“ einbrachten. Sein ers-
tes Werk, das 1789 erschien, war die Gemeinnützige Naturgeschichte Deutsch-
lands nach allen drey Reichen. Ein Handbuch zur deutlichern und vollständigern
Selbstbelehrung besonders für Forstmänner, Jugendlehrer und Oekonomen. Die
Bände 2–4 behandelten Vögel. Eine Zweyte vermehrte und verbesserte Auflage
erschien ab 1801, die 3 Vogelbände 1805, 1807, 1809.
BECHSTEIN war Erstbeschreiber einer ganzen Reihe von Vogelarten. Ihre
wissenschaftlichen Namen gelten heute noch. Dazu gehören Sprosser, Sumpf-
rohrsänger, Sperbergrasmücke oder Zwergschnäpper (versch. Qu.).
Zu BECHSTEINS Zeiten nahm die Zahl der Trivialnamen stark zu. Die Nei-
gung, Kunstnamen zu konstruieren, die nicht nur von Bechstein kam, wur-
de von weiteren Ornithologen übernommen. Stellvertretend seien Bernhard
MEYER (1767–1836), Johann WOLF (1765–1824) und Johann Friedrich
NAUMANN (1780–1857) genannt.
Ein anderer aufstrebender Forscher, der leider viel zu früh gestorben ist, war
Johann Karl Wilhelm ILLIGER (1775–1813), der nach entomologischen
Arbeiten auch verstärkt an der ornithologischen Systematik und Nomenkla-
tur zu arbeiten begonnen hatte.
Die meisten ornithologischen Veröffentlichungen waren ein- oder mehrbän-
dige Werke. Sie alle wurden übertroffen von den Leistungen von Georges-
Louis Marie Leclerc, Comte de BUFFON (1707–1788). Alleine das Vogel-
werk des großen französischen Naturforschers besteht nach der Übersetzung
ins Deutsche aus 35 Bänden. Die Übersetzungen, die zwischen 1772 und
1809 erschienen, erfuhren Ergänzungen oder hatten Nachträge von Friedrich
Heinrich Wilhelm MARTINI (1729–1778) und nach dessen Tod vom Medi-
zinprofessors Bernhard Christian OTTO (1745–1835) aus Frankfurt (Oder).
BUFFONS Bücher erwiesen sich als eine einzigartige, enorm wichtige Infor-
mationsquelle für die Ornithologen ab dem 19. Jahrhundert.
Ein noch gewaltigeres Werk verfasste J. F. NAUMANN, der ab 1820 ein
zwölfbändiges Werk über die Naturgeschichte der Vögel Deutschlands heraus-
gab, das – obwohl es sehr selten war – zum Standardwerk der ornithologi-
XVI Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

schen Wissenschaftler wurde. Es wurde 1905 in einer beispiellosen Team-


arbeit unter Leitung von Carl R. HENNICKE neu aufgelegt.
Bisher gibt es keine Nachschlagewerke für historische Vogelnamen. In BECH-
STEINS Büchern, in NAUMANNS Naturgeschichte oder Brehms Tierleben
findet man zwar viele Trivialnamen, aber nur selten Deutungen oder Erklä-
rungen. Eine Ausnahme bildet das Werk von SUOLAHTI über die Deutschen
Vogelnamen. Sein Anliegen ist in erster Linie die Herkunft von Vogelnamen,
also etymologische Wurzeln aufzuzeigen.
Während der Beschäftigung mit dem Leben und Werk Lorenz OKENS
(1779–1851) anlässlich seines 150. Todestages gelang es mir, die äußerst sel-
tene Ausgabe von OKENS Lehrbuch der Zoologie, 2. Abtheilung Fleischthiere
aus dem Jahr 1816 zu erwerben. Sie war damals noch nicht ins Internet ge-
stellt worden. Bei der Durchsicht des Buches reifte die Idee, alte Vogelnamen
zu sammeln und deren Bedeutung herauszufinden.
Etymologische Probleme, über die man sich in SUOLAHTIS Buch aus dem
Jahr 1909 über Deutsche Vogelnamen informieren kann, sollten nicht mein
Thema sein. Die Herkunft der Namen zu klären war also nicht mein Anlie-
gen. Dort, wo man dennoch auf die Herkunft von Namen eingehen musste,
bin ich nicht in die Tiefe gegangen (Beispiele: Adler, Star, Meise u. a.).
Mich interessierte, warum eine Elster „Heister“ genannt wurde, die Alpen-
braunelle „Gadenvogel“ oder die Wacholderdrossel „Reckoltervogel“. Warum
sagte man zum Auerhahn „Brom“ und was verbirgt sich hinter dem „Hallig-
storch“ der Nordfriesen?
Um mich bei der Arbeit über die „Bedeutung historischer Vogelnamen“ nicht
zu verzetteln, musste ich die Zahl der Wissenschaftler, von denen ich Tri-
vialnamen übernehmen konnte, begrenzen. Lorenz OKEN, der zwar Natur-
wissenschaftler war, sich dann aber zu einem der führenden Naturphiloso-
phen entwickelt hatte und damit manchen Zorn auf sich zog, war meine erste
Wahl. Er hat 1816 das schon erwähnte Lehrbuch der Zoologie, 2. Abtheilung
Fleischthiere veröffentlicht. Sehr viel später erschien 1837 als 7. Band seiner
Naturgeschichte für alle Stände der Band über Vögel. Weitere 6 Jahre später
schloss der Tafelband die 14-bändige Reihe der Naturgeschichte ab. Ihm war
ein Text zu den Eiertafeln beigelegt, so dass ich von OKEN 3 Quellen nutz-
te. Johann Friedrich NAUMANN (1780–1857) war der zweite Ornithologe
meiner Wahl. Sein zwölfbändiges Werk Naturgeschichte der Vögel Deutschlands
erschien zwischen 1820 und 1844 und brachte ihm, nach BECHSTEIN um
die Wende zum 19. Jahrhundert, ebenfalls den „Vater“ der deutschen Orni-
thologie ein. Der dritte Autor war Friedrich Siegmund VOIGT (1781–1850),
Einleitung XVII

dessen Lehrbuch der Zoologie, Band 2: Vögel 1835 erschien. Aus der 2. Hälfte
des 19. Jahrhunderts stammen die erste (1864–1869) und die zweite Auflage
(1876–1879) des Illustrierten Tierlebens (später Brehms Tierleben) von Alfred
Edmund BREHM (1829–1884), dem vierten Wissenschaftler.
Die Werke von BECHSTEIN hatte ich vor allem deshalb nicht berücksich-
tigt, weil die Zahl der dort aufgeführten Trivialnamen den Rahmen dieses
Werkes mit über 3000 zusätzlichen Begriffen gesprengt hätte.
Für die Bearbeitung der volkstümlichen deutschen Namen stand mir, wie aus
dem Literaturverzeichnis ersichtlich, eine umfangreiche alte Fachliteratur zur
Verfügung, bei der die Werke von NAUMANN, BUFFON/MARTINI bzw.
BUFFON/OTTO sowie BECHSTEIN eine besonders wichtige Rolle spiel-
ten. Ich versuchte, wo es ging, meine Aussagen mit authentischen Zitaten zu
belegen. Eigene Deutungsversuche unterließ ich tunlichst, da der „gesunde
Menschenverstand“ häufig nicht zum Ziel führte. Ich habe Zitate auch des-
halb gerne verwendet, weil viele alte Texte von den ausdrucksstarken und
wortgewandten Fähigkeiten damaliger Autoren zeugen.
Im Folgenden werden die vier Wissenschaftler L. OKEN, J. F. NAUMANN,
F. S. VOIGT und A. E. BREHM kurz vorgestellt.
LORENZ OKEN. Der letzte Naturwissenschaftler, der in einem Werk um-
fassende Beschreibungen der belebten und unbelebten Natur in deutscher
Sprache herausgebracht hat, war der auch als Naturphilosoph bekannte Lo-
renz OKEN (1779–1851). Als letzter bedeutender Naturforscher deutscher
Sprache hat er ab 1833 die „drei Naturreiche“, nämlich das unbelebte, das
Pflanzen- und das Tierreich in einer Naturgeschichte erfasst. Im Jahr 1812
erschien von seinem ersten Werk, dem dreibändigen, aber fünfteiligen Lehr-
buch der Naturgeschichte der 1. Band, die Mineralogie, gefolgt 1816 von den
2 Teilen des Lehrbuches der Zoologie. Die beiden Teile des 3. Bandes, der Na-
turgeschichte der Pflanzen, erschienen erst sehr viel später, 1825 und 1826.
Das hatte, zumindest bis 1819, mit OKENS Doppelbelastung durch die
Professur in Jena und dem Start seiner Zeitschrift Isis 1817 zu tun. Die Isis
und sein gestörtes Verhältnis zum übermächtigen GOETHE führten 1819 zu
OKENS Dienstentlassung. Danach war er ab Mitte 1819 Privatgelehrter. Aus
Forschungsgründen, aber auch um eine neue Anstellung zu finden, war er viel
auf Reisen, bis OKEN sich ab 1822/23 wieder vorwiegend in Jena aufhielt.
1832, er war Professor in München, erhielt OKEN einen Ruf als Gründungs-
direktor an die Universität Zürich, wo er zwischen 1833 und 1842 sein zwei-
tes großes Werk über die Natur, die Allgemeine Naturgeschichte für alle Stände
XVIII Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

schrieb, 7 Bände in 13 Teilen mit Register. 1843 schloss sich daran ein um-
fassender Bildband mit 164 Tafeln an.
In diesem Tafelband hatte OKEN den 8 Tafeln über Nester und Eier der Vögel
einen dazugehörigen ausführlichen Textteil beigelegt, der u. a. eine Übersicht
über vor allem europäische Vögel enthält. Die Vögel sind dort in 4 Ordnun-
gen eingeteilt. Viele von ihnen haben deutsche Namen, die OKEN in seinen
früheren Werken nicht verwendet hatte. Der die Vögel behandelnde Band der
Allgemeinen Naturgeschichte war 1837 erschienen.
JOHANN FRIEDRICH NAUMANN (1780–1857) wuchs auf einem
Bauerngut in Ziebigk bei Köthen/Anhalt auf und blieb dort sein ganzes
Leben. Dieses Leben wurde von klein auf geprägt durch den Vater Johann
Andreas NAUMANN (1744–1826), der ein begeisterter Vogelkundler war.
Seine aufsehenerregenden Veröffentlichungen beruhten meist auf eigenen Be-
obachtungen, eigener Vogelstellerei und eigener Jagd. Die produktive Lei-
denschaft des Vaters übertrug sich auf die Söhne Johann Friedrich und Carl
Andreas (1786–1854). Die Brüder arbeiteten zeitlebens eng zusammen, der
eine als Bauer und Besitzer des väterlichen Hofes, der andere als Förster.
Seine „Wunderkind“-Fähigkeiten, er konnte schon mit 9 Jahren nach der Na-
tur zeichnen, führten dazu, dass Johann Friedrich die Bilder und Kupfersti-
che zur Naturgeschichte der Land- und Wasservögel des nördlichen Deutschlands
und angränzender Länder seines Vaters liefern und deshalb das Gymnasium in
Dessau schon mit 15 Jahren verlassen musste. Viele Jahre war der Sohn mit
Ergänzungen zu diesem Werk seines Vaters beschäftigt, für die er alle Bilder
selber malte und auch das Kupferstechen erlernt hatte. Schließlich entschloss
er sich, ein eigenes Werk herauszugeben, über dessen Umfang er sich anfangs
nicht bewusst war. Der erste Band der Naturgeschichte der Vögel Deutschlands
erschien 1820, der 12. und letzte 1844. Dazwischen lagen Jahre der Armut
und voller Arbeit, vor allem in der Landwirtschaft, die gerade so viel Ertrag
brachte, dass die große Familie überleben konnte. Arbeitsmaterial und Gerät-
schaften lernte J. F. NAUMANN selber herzustellen, weil Geld zur Anschaf-
fung fehlte. Wenn irgend Zeit war, widmete er sich der Vogelbeobachtung,
dem Vogelfang und der Vogelbeschreibung. Die ersten Bände der Naturge-
schichte brachten zwar keinen Verdienst, dafür erregte er in der Fachwelt über
die Grenzen Deutschlands beträchtliches Aufsehen. NAUMANN wurde be-
kannt, anerkannt und immer stärker verehrt. Spät, aber hochverdient war
die Verleihung der Ehrendoktorwürde im Jahr 1839. Zwei Jahre zuvor hatte
NAUMANN den Titel „Anhalt Köthener Professor der Naturgeschichte“ von
der Herzoglichen Regierung erhalten.
Einleitung XIX

NAUMANNS Werk war für seine Zeit einmalig. Da er lange Zeit keine Mittel
für Fachliteratur hatte, basierten seine Vogelbeschreibungen, so weit es irgend
ging, auf eigenen Beobachtungen. Alfred Edmund BREHM hat später vieles
aus NAUMANNS Werk für sein Illustriertes Tierleben verarbeitet. Etliche uns
geläufige Vogelnamen, wie „Waldohreule“, „Waldkauz“, „Dorngrasmücke“,
„Schellente“, „Sand-“, „Fluss-“ und „Seeregenpfeifer“, „Brand-“, „Fluss-“ und
„Küstenseeschwalbe“ (jeweils noch als „-meer-“, nicht als „-see“schwalbe) und
viele andere stammen von NAUMANN.
NAUMANN hielt sich bei der Abhandlung eines Vogels an ein Schema, das
er vom ersten bis zum letzten Band durchhielt: 1. Kennzeichen der Art und
Beschreibung (die sehr ausführlich war); 2. Aufenthalt (worunter er Verbrei-
tung und Vogelzug verstand. Hierfür benötigte er Berichte anderer Autoren,
die er gewissenhaft einarbeitete); 3. Eigenschaften (worunter wir heute das
Verhalten verstehen); 4. Nahrung; 5. Fortpflanzung; 6. Feinde; 7. Jagd; 8.
Nutzen; 9. Schaden.
1845 wurde in Köthen ein ornithologischer Verein gegründet, der unter
NAUMANNS Vorsitz die Annahme der Satzung der von OKEN gegründe-
ten „Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte“ beschloss. 1850 ging
aus dem Verein die „Deutsche Ornithologische Gesellschaft“ hervor. Diese
ging 1875 in der „Allgemeinen Deutschen Ornithologischen Gesellschaft“
auf.12
FRIEDRICH SIEGMUND VOIGT (1781–1850) war nur 2 Jahre jün-
ger als Lorenz OKEN. Seit 1803 war er Dozent in Jena. Er wurde nach der
Schlacht bei Jena und Auerstedt 1806 auf Betreiben GOETHES Nachfolger
des nach Heidelberg „geflüchteten“ F. J. SCHELVER und auch (bis 1819)
Direktor des Herzoglichen Botanischen Gartens. Der 1807 zum außerordent-
lichen Professor ernannte F. S. VOIGT hielt schon seit 1805 botanische Vor-
lesungen.
OKEN erhielt 1807 seinen Ruf an die Universität Jena, wo er und VOIGT
bald zu möglicherweise so erbitterten Konkurrenten wurden, dass sich
OKEN 1809 die Bemerkung erlauben konnte, dass die allgemeine Stimmung
gegen VOIGT wäre, „er sei ein Schwachkopf und alles belache ihn.“13 Als
OKEN 1811 VOIGT, der dem großen Fürstengarten vorstand, um dessen
Benutzung zu Vorlesungszwecken bat, wurde ihm das ausdrücklich untersagt.

12
THOMSEN UND STRESEMANN 1957
13
JAHN 1963, 159
XX Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

OKEN konnte aber ab 1812 in den botanischen Garten der medizinischen


Fakultät ausweichen.14
OKEN war ein begnadeter Hochschullehrer, der so packende Vorlesungen
hielt, dass er immer gut gefüllte Hörsäle hatte. Vielleicht war das eine der
Ursachen des Konfliktes. Hinzu kommt, dass OKEN bei dem mächtigen
GOETHE im nahegelegenen Weimar wegen eines tragisch-ärgerlichen Miss-
verständnisses schon sehr früh in dauerhafte Ungnade gefallen war. Nicht je-
doch VOIGT, der intensiv mit GOETHE korrespondierte und mit ihm zu-
sammenarbeitete. Möglicherweise um die Vorlesungspleiten von VOIGT zu
übertünchen, wurde dieser mit GOETHES Hilfe 1809–1810 zu einem For-
schungsaufenthalt nach Paris geschickt, wo er bei CUVIER, LAMARCK u. a.
arbeitete. Ein Brief aus der Zeit um 1810 verweist darauf, dass HUMBOLDT
Friedrich Siegmund VOIGT für eine Reise nach Tibet unaufgefordert 1000
Taler übersandte. „Sie zahlen mir diese Summe, wann Sie wollen, vor oder
nach Tibet, in 5–6–10 Jahren zurück. Ich hoffe, es liegt nichts Beleidigendes
in diesem Schritte. Sie würden dasselbe für mich tun und mehr.“15
F. S. VOIGT war Autor und Mitherausgeber vieler naturwissenschaftlicher
Werke. In der umfangreichen Naturgeschichte der drei Reiche war VOIGT
1835 Autor des Vogelbandes, Band 2 der Speziellen Zoologie. Ich habe daraus
etwa 270 europäische Arten mit über 700 Trivialnamen in meine Arbeit über-
nommen. VOIGTS Buch und OKENS fast zeitgleicher Vogelband (1837)
haben keinerlei Ähnlichkeiten. Für die Vogelnamen-Bearbeitung habe ich das
Werk aber gerade deshalb gut gebrauchen können.
VOIGT blieb in Jena, wo er 1850 starb.
ALFRED EDMUND BREHM (1829–1884) war auf dem Gebiet der Na-
turbeschreibung durchaus als direkter Nachfolger OKENS anzusehen. Er war
geprägt durch seinen Vater, den berühmten Vogelpastor Christian Ludwig
BREHM (1787–1864) aus dem thüringischen Renthendorf, mit dem OKEN
gut bekannt war und von dessen vogelkundlichen Beiträgen er viele in seiner
Zeitschrift Isis abgedruckt hatte. Ob OKEN auch dessen Sohn, den 1829
geborenen Alfred Edmund BREHM, kennengelernt hat, ist nicht bekannt.
BREHM verfasste von 1864–1869 das sechsbändige Werk Illustrirtes Tierle-
ben, dessen spätere Auflagen als Brehms Tierleben berühmt wurden. In seinen
Büchern beschritt er ganz neue Wege, beschrieb eigene Forschungen und Er-
lebnisse in Ich-Form, benutzte auch sehr ausführlich Berichte zeitgenössischer

14
JAHN 1963, 170
15
INTERNET-Quelle nicht reproduzierbar
Einleitung XXI

Forschungsreisender, bezog sich aber durchaus auch auf OKEN. Ein Beispiel:
Bei der Wiedergabe altklassischer Stellen wäre er (BREHM) mit seinen Nach-
forschungen nicht immer an die Quellen gegangen. „Ich hatte Wichtigeres zu
thun, als in altem Wust zu wühlen: Wenn also hinsichtlich solcher Angaben
Fehler bemerkt werden, mag OKEN sie verantworten.“16 Wegen der enormen
Zunahme des Wissens über die Lebewesen war es inzwischen praktisch un-
möglich geworden, eine umfassende Naturgeschichte (über Mineralogie, Bo-
tanik, Zoologie) zu schreiben, wie es OKEN wenige Jahrzehnte vorher noch
getan hatte.
Die Beschränkung auf Tiere, wie es der ausgeprägte Tierkundler BREHM
getan hat, war daher folgerichtig und führte dazu, dass das Leben der Tiere li-
teraturfähig wurde. Ein breites Publikum war so begeistert, dass schon 1876–
1879 eine auf 10 Bände erweiterte und aktualisierte 2. Auflage erschien, der
schon 1890–1893 die dritte Auflage folgte. Die Vogelbände der 2. Auflage
(4–6), die 1878–1879 erschienen waren, hatte BREHM, der 1884 starb,
noch selber bearbeitet. Sie enthalten zahlreiche Trivialnamen, die BREHM
teilweise von OKEN, überwiegend aber von Johann Fiedrich NAUMANN
(1780–1857) und Johann Matthäus BECHSTEIN (1757–1822) übernom-
men hatte. Eine ganze Reihe dieser Namen waren ursprünglich längere Kunst-
namen, die BREHM bearbeitet und verkürzt hatte.
Im Vorwort zur 2. Auflage schrieb BREHM: „Nach wie vor soll das ‚Thierle-
ben‘ bestimmt sein, in gebildeten Familien sich einzubürgern und zu einem
Hausschatze im besten Sinne des Wortes zu werden. Für streng wissenschaft-
liche Kreise ist es nicht geschrieben, für unreife Kinder ebensowenig.“17
Der junge Alfred BREHM hatte in Altenburg das Maurerhandwerk erlernt
und dort die Kunst- und Handwerkerschule absolviert, bevor er in Dresden
ein Architekturstudium begann. Das brach er aber ab, als der damals bekannte
Ornithologe J. W. von MÜLLER ihm 1847 anbot, ihn auf eine Forschungs-
reise nach Afrika zu begleiten, die schließlich 5 Jahre dauerte. 1855 schloss
BREHM nach nur 2 Jahren ein Studium der Naturwissenschaften in Jena
mit der Promotion ab. Es folgten weitere Reisen, von denen Aufsätze und
Berichte aus der Tierwelt in der Bevölkerung großen Anklang fanden. Von
1863–1866 leitete BREHM den Zoologischen Garten in Hamburg und bis
1878 das Berliner Aquarium, das er 1869 gegründet hatte. Krankheiten und
private Schicksalsschläge setzten ihm so zu, dass er, der inzwischen wieder in

16
BREHM 1864, 1/ Vorwort
17
BREHM 1876, 1/ Vorwort
XXII Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

seinem Geburtsort Renthendorf in Thüringen wohnte, dort schon 1884 starb


(Quellen: BREHM-Biografien).
War OKEN also der letzte Naturwissenschaftler in Deutschland, dem es noch
gelang, die Geologie mit der Mineralogie sowie die pflanzlichen und tieri-
schen Lebewesen zu einem umfassenden Werk zu vereinen, war BREHM der
erste, der mit einer umfassenden Beschreibung nur der Tiere den explosions-
artig anwachsenden Wissenszuwachs des 19. Jahrhunderts dokumentierte.

Zur Herkunft von Vogelnamen


Das Aussehen führte zum Namen

Das besondere Gefieder eines bestimmten Vogels veranlasste viele Menschen,


Namen zu erfinden. Viele haben sich lange gehalten. Die „Blau“-merle hieß
auch „Blau“-amsel und der Pirol war eine „Gold“-drossel“ oder ein „Gelb“-
vogel. Die „Trauer“seeschwalbe war auch eine „Schwarze Wasserschwalbe“.
Sehr viele Vögel erhielten so zusätzliche Bezeichnungen, die aber in vielen
Fällen auch regional begrenzt waren. Auf der nordfriesischen Insel Föhr war
ein „Witj Bakker“ eine Flußseeschwalbe („Weißer Picker“), die Schafstelze
nannte man dort „Gülbükk“ („Gelbbauch“).
Oft schienen Trivialnamen aber auch ziemlich daneben zu liegen. Es gehört
schon Phantasie dazu, im dunkel gefärbten Sichler einen „Grünen Sichler“
zu erkennen, dem KLEIN mit „roth“, „braunroth“, „dunkelbraun“ und
„schwarz“ noch einige weitere Farben gab.18 Der Metallglanz des Gefieders
macht die Namen aber verständlich. Ähnliches gilt für den „Gold“- regen-
pfeifer als „Grünes Dütchen“ oder den Steinadler, von dem es dunklere Varie-
täten gibt, als „Schwarzem Adler“. Auch andere Körperteile waren namens-
gebend, wie „Dickfuß“ für den Triel, „Dickschnabel“ für den Kernbeißer oder
„Rotbeinlein“ für den Rotschenkel. „Kreuz“-schnäbel sind heute allgemein
bekannt.

Die Stimme als Namensgeber

Die meisten der alten Vogelnamen hatten onomatopoetische, also lautmaleri-


sche Ursprünge. Viele Beispiele ließen sich anführen, besonders bei den Limi-
kolen, der großen Gruppe der Regen-„pfeifer“-artigen. Ein „Pfeiferle“ ist der

18
KLEIN/ REYGER 1760, 112
Einleitung XXIII

Uferläufer, eine „Düte“, ein „Dütvogel“ oder „Grünes Dütchen“ der Gold-
regenpfeifer. Ein „Jütvogel“ ist der Große Brachvogel, die „Dumme Düte“
ist der Mornell, eine „Dütschnepfe“ der Rotschenkel usw. Der „Wiesenknar-
rer“, der Wachtelkönig, hat sogar Geschichte geschrieben, als sein hölzern
schnarrender „crex-crex“-Ruf Ende des 20. Jahrhunderts in einer Hamburger
Elbniederung zu hören gewesen sein sollte und dadurch eine großflächige
wirtschaftliche Nutzung des Areals um Jahre verzögert wurde.
Zum erst spät aus dem Süden zurückkehrenden Pirol passen Gold-„amsel“
und „Loriot“, aber „Bieresel“? Nach NAUMANN hätten die Menschen im-
mer versucht, den Ruf des Pirols in Worte zu fassen. Die wohltönend geflö-
teten „Gidaditleo“ und „Ditleo“ wurden von einigen als „Bühlow“ gedeutet.
Andere, Feldarbeiter in der heißen Maisonne, hörten aus dem Ruf „Pfings-
ten, Bier hol’n“ und „aussaufen, mehr hol’n“. Sie „scheinen in Anerkennung
der Bedeutung dieser Wahrsprüche an dem ‚Bieresel‘ ein ganz absonderliches
Wohlgefallen zu haben“ (NAUMANN). Abgewandelt aus dem „Bieresel“ ent-
stand daraus wohl der „Berolft“ oder „Beerhold“. Auch „Bülau“ oder „Schulz
von Milo“ lassen sich aus dem Ruf des Pirols ableiten.
Die Namen vieler anderer Singvögel entstanden ebenfalls aus deren Rufen
und Stimmen. Stellvertretend seien „Wisperlin“ für den Fitis oder „Bastard-
nachtigall“ und „Spötterling“ für den Gelbspötter genannt.

Vögel und Ernährung. Vogelfang

Vögel spielten für die Ernährung unserer Vorfahren eine sehr große Rolle. Da-
rauf weisen aber nur wenige Namen mehr oder weniger deutlich hin. Hatte
ein Vogel viele Trivialnamen, konnte das an seiner Bekanntheit als Fleischlie-
ferant liegen. Andere Vögel waren so bekannt, dass ein Hauptname genügte,
wie Bekassine, Ortolan oder Krammetsvogel.
Begehrt waren Wachteln und Rebhühner genauso wie Auer- und Birkwild,
Enten sowie die Bekassinen und andere Schnepfenvögel. Alle wurden z. B.
mit Schrotflinten oder Blasrohren bejagt, auf Vogelherden oder in Netzen ge-
fangen. Von den Singvögeln hat man vor allem die verschiedenen Drosseln,
Stare, viele Finken, selbst die kleinen Schwalben für die Küche gefangen. Zu
besonderer Berühmtheit kamen die nach Feldknoblauch schmeckenden Leip-
ziger Lerchen, von denen pro Jahr Hunderttausende gefangen wurden. Sehr
begehrt waren auch der Ortolan, die Gold- oder die Grauammer, die man als
„Fettammern“ kannte. Heutigem Unverständnis sei entgegengehalten, dass
viele Menschen damals keine Alternativen zur Vogeljagd hatten. Die norma-
le Bevölkerung war in vielen Gegenden aus verschiedensten Ursachen und
XXIV Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

schuldlos sehr arm, oft so arm, dass viele Menschen gezwungen waren auszu-
wandern. Bekannte Beispiele gibt es genügend. Verständlich ist der damalige
Vogelfang auch aus einem anderen Grund. Bei OKEN kann man nämlich
über scheinbar unerschöpfliche natürliche Quellen lesen: „Wie ungeheuer
groß die Zahl dieser Vögel [Krammetsvögel, Wacholderdrosseln] ist, kann
man daraus ermessen, daß in einem Jahr zu Danzig 30.000 Kluppen verzollt
wurden [eine Kluppe sind 4 Stück]; in Ostpreußen glaubt man, daß jährlich
600.000 Kluppen verzehrt werden.“19
Obwohl man schon Ende des 19. Jahrhunderts begann, den Vogelfang in
Deutschland durch Verordnungen immer stärker einzuschränken, wird er
auch heute noch in einigen Ländern Europas, die von Zugvögeln überflogen
werden, genauso grausam wie damals weitergeführt. Italien und Frankreich
sind dafür bekannt, aber auch Belgien und in Nordafrika Ägypten, wo man
pro Jahr 140 Millionen Vögel in kilometerlangen Netzen fängt. Anderswo
werden und wurden zum Vogelfang Lockvögel verwendet, die durch Haltung
und Behandlung auf schlimme Weise für ihre Tätigkeit abgerichtet werden.
In Trivialnamen der Vögel findet sich das alles so gut wie nicht wieder. Ausge-
nommen sind einige Greifvogelarten, die man zur Vogeljagd abgerichtet hat,
wie z. B. der „Baitzfalke“ (Wanderfalke).

Vögel als mögliche Nahrungskonkurrenten

Vögel, die in irgendeiner Weise als Nahrungskonkurrenten zum Menschen


angesehen werden könnten, finden wir im Listenband (Band 3) schon eher:
Der „Austern“-fischer erhielt seinen Namen, weil man ihn irrtümlich für
einen Austernfresser hielt, der dem Menschen etwas wegnimmt. So entstan-
den auch „Auster“-dieb, „Austern“-egel oder Strand-„elster“.
Der „Bienenfresser“, „Bienenfänger“ oder „Bienenfraß“ war, davon war man
teilweise erbittert überzeugt, eine Gefahr für die Honigerträge des Menschen.
Letzteres unterstellte man auch dem Wespenbussard, den man deshalb auch
„Honigbussard“ nannte.
Auch Fischadler und Seeadler hatten einige ihrer Beinamen, wie „Fischaar“
oder „Fischgeier“ wegen ihrer Nahrung. Der Graureiher wird als „Fischreiher“
noch heute nicht gerne an fischhaltigen Gewässern gesehen.

19
OKEN 1837, 57
Einleitung XXV

Die Saatkrähe heißt außer „Ackerkrähe“ auch „Haferkrähe“. Hafer war für
große Teile der Bevölkerung über Jahrhunderte das wichtigste Nahrungsmit-
tel. Überhaupt nicht gut kommt der von uns inzwischen durchaus geliebte,
früher aber in riesigen schädigenden Schwärmen aufgetretene Haussperling
weg, den man „Dieb“, „Gerstendieb“ oder „Kornwerfer“ nannte, der aber
auch ein „Mistfink“ war, weil er Pferdemist nach Haferkörnern durchsuchte.
Dieses Bild gehört wegen der modernen Futtermittel für Pferde leider end-
gültig der Vergangenheit an.
Vielen von uns ist der bis in die heutige Zeit gebrauchte Begriff „Hühner“-
Habicht noch bekannt. Ein „Hühnerdieb“, ein „Hühnergeier“ war aber auch
der Rotmilan, den mancher gar nicht mehr kennt. Die Hanf- und Leinsamen
fressenden Vögel, wie die Hänflinge und Birkenzeisige, spielen als Nahrungs-
konkurrenten für den Menschen keine Rolle.

Vogelhandel

Auch für Singvögel, die nicht unbedingt wichtig für die Ernährung waren,
gab es viele Namen, was für deren verbreitetes Bekanntsein spricht. Dazu
zählten Birkenzeisige, Hänflinge, Gimpel, Stieglitze u. a. Der Grund: Mit
ihnen wurde auch ein reger Handel betrieben. Die Vögel wurden im Haus
in großen oder kleinen Käfigen oder in Zimmern, in denen sie fliegen konn-
ten, gehalten. Die Menschen liebten ihren Gesang, ihr Verhalten, ihr Aus-
sehen. Solche Tierhaltung war früher normal, darüber dachte man nicht
nach. Heute empfinden sie viele (berechtigt oder nicht) als Quälerei. Dass
Vögel geblendet wurden, damit sie länger und schöner singen, mögen wir uns
nicht vorstellen. Damals erzeugte das kein Unrechtsbewusstsein. Im Gegen-
teil. Betrachtet man alte Bilder oder im Erzgebirge hergestellte Holzfiguren
von Vogelhändlern, findet man Vögel (auch geblendete) in winzigen Käfigen
dargestellt, in denen sie sich kaum rühren konnten. Diese Käfige wurden in
mächtigen Traggestellen vertäut, mit denen die Händler die Mittelgebirge
durch- und überquerten. Es war ihre Art des Broterwerbs. Aus dieser Art der
Vogelbehandlung sind bestimmt auch etliche Namen abzuleiten, was aber
nicht so einfach ist wie beim Girlitz, den man auch „Italiänischer Kanarien-
vogel“ oder „Kanarienzeischen“ nannte. Auch die Bezeichnungen „Tannen-
papagei“, „Kiefernpapagei“ für Kreuzschnäbel dürften durch Vergleiche mit
ebenfalls in Käfigen gehaltenen Papageien entstanden sein.
XXVI Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Volksglaube

Ein anderer Ursprung vieler Vogelnamen war der Volksglaube oder Volks-
aberglaube, wie immer man den Begriff fassen mag. Der Kampf ums tägliche
Brot, dazu Tod und Krankheit waren früher allgegenwärtig. In der Vergabe
von Namen, die damit zu tun hatten, waren unsere Vorfahren nicht wäh-
lerisch. Sperlings- und Steinkauz waren „Toteneulen“ oder „Leicheneulen“,
auch „Wehklage“ oder „Klageeulen“ genannt. Die Vögel wurden vom Licht
der Häuser angezogen, das man im Todesfall in den Zimmern anmachte. Der
Ruf der Eulen, den man nach dem Sterben eines Menschen hörte, war in
seiner Unheimlichkeit so eindrucksvoll, dass man irgendwann die Reihen-
folge umdrehte und glaubte, der Ruf eines Kauzes, einer Eule ginge dem Tod
voraus, bringe Tod oder anderes Unheil. BREHM schrieb dazu: „In vielen
Gegenden Deutschlands, wo der Glaube noch groß ist unter den Leuten, gilt
der anmuthige Steinkauz als Unheil weissagender Vogel. Man gibt sich gar
nicht die Mühe, selbst zu prüfen, man glaubt eben das, was einfältige Weiber
als wahr auftischen. Die Stimme des Kauzes, welche den Forscher ergötzt, hat
das Unheil verschuldet.“ Eulen als Unglücksvögel – das verstand man ja. Aber
warum bringen Unglückshäher oder Steinrötel Unglück? Als Totenvogel gal-
ten eine ganze Reihe von Vögeln, neben Krähen, Raben und Schwarzspecht
auch die zierlichen Birkenzeisige, Braunkehlchen, Grauschnäpper oder Stein-
schmätzer. Der Seidenschwanz galt als Pestvogel, weil sein massenhaftes Auf-
treten Krankheiten und Tod anzukündigen schien. Dabei war er selber seiner
Heimat wegen eines extrem harten Winters und deshalb auf der Suche nach
Futter entflohen. Ganz anders wurde das Rotkehlchen angesehen, das seine
rote Brust erhielt, als es dem gekreuzigten Jesus einen aus der Dornenkrone
eingedrungenen Stachel aus der Stirn entfernten wollte. Der Storch auf dem
Dach wendet Blitzgefahr für Haus oder Hof ab. Und schließlich: Eine Taube
brachte Noah als Zeichen des Friedens einen Ölzweig.

Zu den Bänden 1 und 2

Das Zusammenstellen der Trivialnamen von OKEN, NAUMANN, VOIGT


und BREHM erbrachte über 9000 verschiedene Begriffe. Ich hatte mir die
Aufgabe gestellt, diese Begriffe zu erklären, herauszubekommen also, was sie
bedeuten. Überwiegend, bei 99,5 % der Namen, war ich erfolgreich.
Die Bücher sind so gestaltet, dass sie echte Nachschlagewerke wurden, in die
man sich hineinlesen kann. Das ist möglich, weil die Texte nur in wenigen
Einleitung XXVII

Fällen aufeinander aufbauen. Erwünscht ist: blättern und weiterlesen. Sie sind
deshalb keine Lexika. Die Ordnung der behandelten Vogelarten erfolgte nach
der Artenliste der Vögel Deutschlands von P. H. BARTHEL und A. J. HELBIG
aus dem Jahr 2005. Die „Nonpasseriformes“, die Nichtsingvögel, werden in
Band 1 behandelt, die „Passeres“, Singvögel, in Band 2. Vogelarten, die nicht
in der Deutschlandliste stehen, wurden mithilfe moderner Bestimmungsbü-
cher zugeordnet. Aus der Artenliste habe ich auch die Ordnungen und Fami-
lien, zu denen BARTHEL und HELBIG die Vögel gestellt hatten, übernom-
men. Ich habe sie jeweils mit einem Kurztext gekennzeichnet.
Zu den modernen deutschen Namen der Vogelarten, von Ordnungen, Fa-
milien usw. ist immer die gültige wissenschaftliche Bezeichnung angegeben.
Die Deutung der heutige Namen war nicht Anliegen dieses Werkes. Ich habe
moderne deutsche Namen nur erklärt, wenn sie schon von den alten Autoren
angeführt worden sind.
Häufig habe ich den Vogelkapiteln eine Übersicht für zwei oder mehr Arten
vorangestellt. Ich habe dort Begriffe erklärt, die sich sonst häufig wiederholen
würden. So muss man nicht für jeden Vogel, den es betrifft, die Erklärung von
„Ente“, „Möwe“, „Gans“, „Specht“ oder „Grasmücke“ beifügen.
Wissenschaftliche Artentrennungen waren im frühen 19. Jahrhundert erst
teilweise vollzogen. Deshalb gab es viele gemeinsame Trivialnamen z. B. für
„Gänse-“ und „Mittelsäger“ oder „Winter-“ und „Sommergoldhähnchen“.
Auch die Akzeptanz des von C. L. BREHM erstbeschriebenen Gartenbaum-
läufers bereitete Schwierigkeiten.
Besonders gerne habe ich zu jedem Kapitel über einen Vogel einleitend einen
kurzen Text geschrieben. Dieser „Vorspann“ enthält interessante Informatio-
nen, die bei der nachfolgenden Behandlung dieser Vogelart nicht gegeben
werden konnten. Beispielsweise kommt die Vogeljagd auf den Färöern vor 200
Jahren zur Sprache oder die Herstellung von Leuchtöl für die Bewohner des
winterdunklen Nordens aus einer Art Sputum des Eissturmvogels. Außerdem
kann man etwas über die Leckerbissen vergangener Zeiten erfahren, zu denen
Krammetsvögel (Wacholderdrosseln), Ortolane oder Leipziger Lerchen ge-
hörten. Solche „Eingangsstories“, die ein Kennzeichen dieser beiden Bücher
sind, sollen auch den Gebrauch der Bücher zum „Schmökern“ begünstigen.
Die dann folgenden Trivialnamen der Vögel wurden einzeln behandelt oder,
wo es sich ergab, zu Gruppen zusammenfasst. Fortlaufende Texte gibt es nicht.
Die Namen stehen dick gedruckt an den Zeilenanfängen und sind so optimal
auffindbar. Es war auch nicht beabsichtigt, die Namen wie in einem Lexikon
kurz und so knapp wie möglich oder stichwortartig zu erklären, im Gegen-
XXVIII Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

teil. Um die Bücher interessant und lesbar zu machen, habe ich die Begriffe,
wenn es sich anbot, relativ ausführlich behandelt und oft auch verschiedene
Autoren mit unterschiedlichen Meinungen zitiert.
Trotz vorangestellter Übersichten über sich wiederholende Namen trat immer
wieder das Problem auf, Verschiedenes doch wiederholen zu müssen. Manch-
mal wurde mit einem „siehe bei…“ auf vorhergehende Texte verwiesen, da
häufiges Verweisen stören kann. Außerdem können sich Wiederholungen als
willkommen erweisen.
Mancher Trivialname scheint so eindeutig zu sein, dass man glaubt, nichts
weiter erklären zu müssen. Diese Einstellung habe ich jedoch nach einigen
Überraschungen bald aufgegeben. Beispielsweise sind „Graureiher“, „Ge-
meiner Reiher“ und „Großer Reiher“ Trivialnamen des Graureihers. Dass der
Vogel ein graues Gefieder hat, sieht man. Dass er „gemein“ ist, also überall
vorkommt, ist bekannt. Ein Blick ins Bestimmungsbuch zeigt zudem, dass
er mit dem Silberreiher der größte Reiher ist. Damit wäre also auch „Großer
Reiher“ erklärt. Zum Glück hatte ich mich mit diesen Erklärungen nicht
zufriedengegeben. Ich wollte nämlich wissen, was in der alten Literatur steht,
was unsere Vorfahren sich bei der Namensvergabe gedacht hatten. Und da
steht, dass BECHSTEIN (und er war nicht der einzige) den „Großen Rei-
her“, den er „Ardea major“ genannt hatte, vor 1793 für ein altes Männchen
und den „Grauen Reiher“ ( Ardea cinerea) für ein Weibchen oder Jungvogel
hielt. 1793 tendierte er dann sogar zu 2 Arten. Einige Jahre später (1797)
schrieb er: „Der große Reiher ist das alte Männchen und der gemeine Reiher
das Weibchen, oder auch junge, männliche oder weibliche Vögel vom ersten
bis zum dritten Jahr.“ Das war, zugegeben, ein literarischer Zufallsfund. Von
solchen Zufallsfunden, von denen es viele gibt, lebt dieses Werk.
Ich hatte mich auch entschlossen, so viel wie möglich zu zitieren, weil das für
das Verständnis der Denkweise der Vorfahren nützlich sein kann. Ich woll-
te damit dazu beitragen, die Vergangenheit mit ihrer doch oft vielseitigen
und schönen Sprache nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Und ich wollte
gegen den Irrglauben angehen, dass man 200–300 Jahre alte Texte „ja doch
nicht versteht“ – was manchmal vorgehalten wird (und was in Einzelfällen
zutreffen kann). Das beschriebene Reiher-Beispiel hat mich davor zurückge-
halten, vorschnell eigene Deutungsversuche zu wagen. Die Lehre: Mit unserer
heutigen Denkart können wir nicht oder nur begrenzt in die damalige ein-
dringen.
Immer wieder stellte sich das Problem, ob ich solche Zitate, die aus heutiger
Sicht fachlich Unrichtiges, Überholtes beinhalten und auf die ich nicht ver-
zichten wollte, korrigierend ergänzen sollte oder nicht? Ich wollte kein Lehr-
Einleitung XXIX

buch schreiben. Deshalb fiel es mir – mit wenigen Ausnahmen – leicht, mich
für das durchaus interessante „alten Wissen“ zu entscheiden. Es gibt viele
Bücher, die modernes Wissen vermitteln. Deshalb glaubte ich, dem interes-
sierten Leser zumuten zu dürfen, sich selber um weiterführende Literatur zu
kümmern.
Es wird vielleicht verwundern, dass ich mich an deutsche Vogelnamen ge-
halten und auf wissenschaftliche in der Regel verzichtet habe. Ein Blick in
den Naumann-Hennicke, die Neuauflage des Naumann bringt Klarheit: In
den letzten Jahrhunderten haben die wissenschaftlichen Namen so oft ge-
wechselt, dass ihr Zitieren unpassend gewesen wäre. Zudem gab es keine ein-
heitliche wissenschaftliche Nomenklatur. Folglich erscheinen die Vogelnamen
in diesem Werk auf Deutsch. Dennoch war es wichtig, immer wieder einmal
wissenschaftliche Ausdrücke (lateinische/griechische Vogelnamen) zu ver-
wenden.
In den deutsch geschriebenen Fachbüchern des 18. Jahrhunderts waren latei-
nische Namen nicht üblich. Ein Beispiel ist die 35-bändige Naturgeschichte
der Vögel von BUFFON, deren deutsche Übersetzung von MARTINI und
OTTO ab 1772 erschien. Auch in der lateinischen Literatur (TURNER,
GESSNER oder SCHWENCKFELDT) findet man die deutschen Vogelna-
men.
Die Sprache habe ich in den Büchern bewusst „normal“ gehalten. Für Fach-
ausdrücke oder bestimmte fachliche Redewendungen habe ich deutsche Be-
griffe und nur selten Fremdwörter verwendet. Dadurch sollten die Texte für
Laien lesbar bleiben.
Zu den Deutungen und Erklärungen ist in Fußnoten die verwendete Litera-
tur zu finden. Bei deren Durchsicht fällt ein geringer Anteil des Internets auf,
das für die Suche nach Begriffsinhalten so gut wie nicht zu gebrauchen war.
Nützlich war besonders das Internetlexikon „Wikipedia“ für aktuelle Infor-
mationen.
Manchmal habe die Kürzel „o. Qu.“, „versch. Qu.“ („ohne Quellenangabe“,
aus „verschiedenen Quellen“) verwendet. Der vorausgegangene Text wurde
in diesen Fällen aus mehreren Literaturstellen zusammengetragen. Bei kurzen
Informationen aus gängigen Bestimmungsbüchern habe ich oft auf Literatur-
angaben verzichtet, bei längeren nicht. Wenn ich aus dem Deutschen Wörter-
buch von J. und W. GRIMM zitiert habe, habe ich zum besseren Verständnis
dort kleingeschriebene Substantive groß geschrieben. Um die Literaturquel-
len von J. L. FRISCH angeben zu können, musste ich mitunter auf die Vogel-
Tafelnummern ausweichen. FRISCH, sowie später sein Sohn und sein Enkel
XXX Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

haben zu den Tafeln sehr informative Texte verfasst, dem Werk aber keine
Seitenzahlen gegeben.
Für mein Anliegen, alte Vogelnamen zu deuten, ihren Inhalt zu ergründen,
brauchte ich die Herkunft des Namens in der Regel nicht zu berücksichtigen.
Ich habe deshalb einfache etymologische Erklärungen nur dort gegeben, wo
es nötig war, beispielsweise für Begriffe wie „Adler“, „Schwan“, Meise“ oder
„Grasmücke“.
Das Werk dient dem gezielten Suchen, soll aber auch zum nachschlagenden
Lesen anregen. Es informiert dadurch auf eigene besondere Weise. Deshalb
kann und soll es kein Bestimmungsbuch oder eine spezielle und etymolgische
Fachliteratur ersetzen.
Dieses Werk könnte helfen, historische Namen, Volksnamen zu erklären, zu
deuten, die in der deutschen Literatur oder bei landeskundlich-historischen
Arbeiten auftreten. Es könnte sich ferner bei Deutscharbeiten in Seminaren
oder im Deutschunterricht in Schulen als nützlich erweisen sowie als Nach-
schlagewerk für diejenigen, die mit alter bis älterer ornithologischer Literatur
arbeiten. Es soll aber auch Freude am Lesen und „Schmökern“ vermitteln.
Ein Lexikon der historischen Vogelnamen finden Sie zum Download unter
http://www.springer.com/978-3-642-41817-4.

Zur Vogelartenliste des 2. Bandes

Die folgende Liste enthält die 189 Singvogelarten (Passeriformes), über die in
den anschließenden Textteilen zu lesen ist. Wie in Band 1 soll die alphabeti-
sche Reihenfolge zu schnellerer Orientierung führen: Da die Autoren Brehm,
Naumann, Oken und Voigt noch nicht alle heute bekannten mitteleuropäi-
schen Vogelarten kennen konnten, informiert die alphabetische Anordnung
z. B. darüber, ob die gewünschte Vogelart überhaupt in der Liste steht oder
nicht.
Die deutschen und die wissenschaftlichen Namen entsprechen auch hier
denen der „Artenliste der Vögel Deutschlands“ von Peter H. Barthel und An-
dreas J. Helbig (2005), die auch Vorlage für die Reihenfolge der Arten im
folgenden Haupttext war.
Die nicht in dieser Artenliste enthaltenen, ausländischen Vogelarten wurden
im Wesentlichen nach der Vorgabe im „Kosmos Vogelführer, 2011“ von L.
Einleitung XXXI

Svensson, K. Mullarney und D. Zetterström eingeordnet. Wissenschaftliche


Namen wurden mit „Avibase“ (letzter Stand September 2012) abgeglichen.
Die Buchstaben B, N, O, V stehen jeweils für einen der vier Autoren: B steht
für BREHM, N für NAUMANN, O für OKEN und V für VOIGT. OKEN
hat 3 Werke über Vögel verfasst, die zeitlich deutlich auseinander liegen. Ent-
sprechend gilt: O1 ist OKEN 1816, O2 ist OKEN 1837 und O3 ist OKEN
1843. Den Leser wird interessieren, welcher oder welche der vier Wissen-
schaftler eine bestimmte Art behandelt haben. Die in der Liste rechts ste-
henden abgekürzten Namen geben Auskunft darüber. So haben alle vier die
Alpenbraunelle abgehandelt, über die Blauelster dagegen kann man nur bei
dem deutlich jüngeren BREHM lesen. Sie war den anderen, obwohl 1776
von PALLAS beschrieben, noch nicht genügend bekannt.
Weitere Informationen sind in der Einführung im 3. Band zu finden.
In der folgenden Übersicht stehen die Werke, aus denen die hier bearbeiteten
Trivialnamen stammen (Literaturverzeichnis am Ende dieses Bandes).
Naumann, Johann Friedrich, Hennicke, Carl R.: Naturgeschichte der Vögel
Mitteleuropas, 12 Bände. Neubearbeitung 1897–1905, Herausgeber Carl R.
Hennicke, Gera.
Oken, Lorenz: Lehrbuch der Zoologie, 2. Abtheilung, Jena 1816.
Oken, Lorenz: Allgemeine Naturgeschichte für alle Stände, Band 7, Vögel,
Stuttgart 1837.
Oken, Lorenz: Allgemeine Naturgeschichte für alle Stände, Tafelband: Hier
Textheft zu der Eierliste, Stuttgart 1843.
Voigt, Friedrich Siegmund: Lehrbuch der Zoologie, 2. Band, Spezielle Zoologie
– Vögel, Stuttgart 1835.

Die alphabetische Vogelartenliste der


Passeriformes (Sperlingsvögel) mit Inhalts
verzeichnis
Alpenbraunelle (Prunella collaris) 331 B,N,O2,V
Alpendohle (Pyrrhocorax graculus) 028 B,N,O1,V
Alpenkrähe (Pyrrhocorax pyrrhocorax) 030 B,N,O1,V
Amsel (Turdus merula) 253 B,N,O1
Bachstelze (Motacilla alba) 383 B,N,O1,V
XXXII Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Balkanmeise/Trauermeise (Poecile lugubris) 089 B,N


Bartmeise (Panurus biarmicus) 120 B,N,O2,V
Baumpieper (Anthus trivialis) 362 B,N,O1,V
Bergbraunelle (Prunella montanella) 341 B,N
Bergfink (Fringilla montifringilla) 391 B,N,O1
Berghänfling (Carduelis flavirostris) 437 B,N,O2
Berglaubsänger (Phylloscopus bonelli) 130 B,N
Bergpieper (Anthus spinoletta) 372 B,N,O2,V
Beutelmeise (Remiz pendulinus) 069 B,N,O1,V
Bindenkreuzschnabel (Loxia leucoptera) 416 B,O2
Birkenzeisig (Acanthis flammea) 439 B,N,O1,V
Blassspötter (Hippolais pallida) 169 B
Blauelster (Cyanopica cyanus) 035 B
Blaukehlchen (Luscinia svevica) 312 B,N,O2,V
Blaumeise (Parus caeruleus) 072 B,N,O2,V
Blaumerle (Monticola solitarius) 293 B,N,O2
Bluthänfling (Carduelis cannabia) 433 B,N,O1,V
Brachpieper (Anthus campestris) 359 B,N,O2,V
Braunkehlchen (Saxicola rubetra) 296 B,N,O2,V
Brillengrasmücke (Sylvia conspicillata) 194 B
Buchfink (Fringilla coelebs) 386 B,N,O1,V
Dohle (Corvus monedula) 050 B,N,O1,V
Dorngrasmücke (Sylvia communis) 190 B,N,O1,V
Drosselrohrsänger (Acrocephalus arundinaceus) 165 B,N,O1,V
Eichelhäher (Garrulus glandarius) 040 B,N,O1,V
Einfarbstar (Sturnus unicolor) 235 B,N
Einsiedlerdrossel (Catharus guttatus) 244 B
Elster (Pica pica) 036 B,N,O1,V
Erddrossel (Zoothera dauma) 241 B,N
Erlenzeisig (Carduelis spinus) 430 B,N,O1,V
Feldlerche (Alauda arvensis) 104 B,N,O2,V
Feldschwirl (Locustella naevia) 145 B,N,O2
Feldsperling (Passer montanus) 346 B,N,O1,V
Felsenkleiber (Sitta neumayer) 219 B
Felsenschwalbe (Ptyonoprogne rupestris) 114 B,N,V
Fichtenammer (Emberiza leucephalos) 463 B,N
Fichtenkreuzschnabel (Loxia curvirostra) 417 B,N,O1,V
Fitis (Phylloscopus trochilus) 132, 136 B,N,O1,V
Einleitung XXXIII

Gartengrasmücke (Sylvia borin) 181 B,N,O1,V


[Garten-Rohrsänger (Sylvia (Calamoherpe)
horticola N.)/
Teichrohrsänger 164 N]
Gartenrotschwanz (Phoenicurus phoenicurus) 318, 323 B,N,O1,V
Gebirgsstelze (Motacilla cinerea) 376 B,N,O1,V
Gelbbrauenammer (Emberiza chrysophrys) 478 B
Gelbspötter (Hippolais icterina) 170 B,N,O1,V
Gimpel (Pyrrhula pyrrhula) 399 B,N,O1,V
Girlitz (Serinus serinus) 410 B,N,O1
Goldammer (Emberiza citrinella) 460 B,N,O1,V
Goldhähnchenlaubsänger (Phylloscopus 142 B
proregulus)
Grauammer (Miliaria calandra) 454 B,N,O1,V
Grauortolan (Emberiza caesia) 474 B,N
Grauschnäpper (Muscicapa striata) 277 B,N,O2,V
Grünfink (Carduelis chloris) 422 B,N,O1,V
Hakengimpel (Pinicola enucleator) 404 B,N,O1
Halsbandschnäpper (Ficedula albicollis) 289 B,N,O2,V
Haubenlerche (Galerida cristata) 096 B,N,O2,V
Haubenmeise (Parus cristatus) 079 B,N,O2,V
Hausrotschwanz (Phoenicurus ochruros) 318, 321 B,N,O1,V
Haussperling (Passer domesticus) 342 B,N,O1,V
Heckenbraunelle (Prunella modularis) 335 B,N,O1,V
Heckensänger (Cercotrichas galactotes) 275 B,N
Heidelerche (Lullula arboea) 101 B,N,O2,V
Himalayadrossel (Zoothera mollissima) 243 B,N
Italiensperling (Passer italiae) 351 B,O2
Kalanderlerche (Melanocorypha calandra) 090 B,N,O2
Kanarengirlitz (Serinus canaria) 415 B,O2,V
Kappenammer (Emberiza melanocephala) 479 B,N,V
Karmingimpel (Carpodacus erythrinus) 408 B,N
Katzenvogel (Dumetella carolinensis) 228 B,N
Kernbeißer (Coccothraustes coccothraustes) 396 B,N,O1,V
Kiefernkreuzschnabel (Loxia pytyopsittacus) 420 B,N,O2,V
Klappergrasmücke (Sylvia curruca) 187 B,N,O1,V
Kleiber (Sitta europaea) 214 B,N,O1,V
Kohlmeise (Parus major) 076 B,N,O2,V
Kolkrabe (Corvus corax) 066 B,N,O1,V
XXXIV Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Kurzzehenlerche (Calandrella brachydactyla) 093 N


Lapplandmeise (Poecile cinctus) 088 O3
Lasurmeise (Cyanistes cyanus) 075 B,N
Mariskenrohrsänger (Acrocepalus 150 B,N
melanopogon)
Maskengrasmücke (Sylvia rueppelli) 198 B
Maskenwürger (Lanius nubicus) 016 B
Mauerläufer (Tichodroma muraria) 211 B,N,O2,V
Mehlschwalbe (Delichon urbica) 118 B,N,O1,V
Meisengimpel (Uragus sibiricus) 445 O2
Misteldrossel (Turdus viscivorus) 246 B,N,O1,V
Mittelmeer- (Südlicher) Raubwürger (Lanius 026 B,O3
meridionalis)
Mittelmeersteinschmätzer (Oenanthe hispanica) 328 B,N
Mohrenlerche (Melanocorypha yeltoniensis) 093 B,N
Mönchsgrasmücke (Sylvia atricapilla) 177 B,N,O1,V
Nachtigall (Luscinia megarhynchos) 308 B,N,O1,V
Nebelkrähe (Corvus cornix) 062 B,N,O1,V
Neuntöter (Lanius collurio) 008 B,N,O1,V
Nonnensteinschmätzer (Oenanthe pleschanka) 330 B
Ohrenlerche (Eremophila alpestris) 108 B,N,O1,V
Olivenspötter (Hippolais olivetorum) 175 B,N
Orpheusgrasmücke (Sylvia hortensis ) 186 B,N,O2,V
Orpheusspötter (Hippolais polyglotta) 174 B
Ortolan (Emberiza hortulana) 470 B,N,O1,V
Pirol (Oriolus oriolus) 001 B,N,O1,V
Provencegrasmücke (Sylvia undata) 195 B
Rabenkrähe (Corvus corone) 059 B,N,O1,V
Raubwürger (Lanius excubitor) 020 B,N,O1,V
Rauchschwalbe (Hirundo rustica) 114 B,N,O1,V
Ringdrossel (Turdus torquatus) 250 B,N,O2,V
Rohrammer (Emberiza schoeniclus) 474 B,N,O1,V
Rohrschwirl (Locustella luscinoides) 148 B,N
Rosengimpel ( Carpodacus roseus ) 444 B,N
Rosenstar (Sturnus roseus) 232 B,N,O1,V
Rostflügeldrossel (Turdus eunomus) 258 B,N
Rostschwanzdrossel (Turdus naumanni) 256 N
Rotdrossel (Turdus iliacus) 268 B,N,O1,V
Rötelschwalbe (Cecropis daurica) 120 B,N
Einleitung XXXV

Rotkehlchen (Erithacus rubecula) 303 B,N,O1,V


Rotkehldrossel (Turdus ruficollis) 259 B,N
Rotkehlpieper (Anthus cervinus) 371 B,N
Rotkopfwürger (Lanius senator) 013 B,N,O2,V
Saatkrähe (Corvus frugilegus) 055 B,N,O1,V
Samtkopfgrasmücke (Sylvia melanocephala) 198 B
Sardengrasmücke (Sylvia sarda) 196 B
Schafstelze/Wiesenschafstelze (Motacilla flava) 380 B,N,O1,V
Schieferdrossel (Zoothera sibirica) 242 B,N
Schilfrohrsänger (Acrocephalus schoenobaenus) 155 B,N,O1
Schlagschwirl (Locustella fluviatilis) 147 B,N
Schneeammer (Plectrophenax nivalis) 449 B,N,O2,V
Schneesperling (Montifringilla nivalis) 355 B,N,O2
Schwanzmeise (Aegithalos caudatus) 123 B,N,O1,V
Schwarzkehlchen (Saxicola torquata) 300 B,N,O2,V
Schwarzkehldrossel (Turdus atrogularis) 260 B,N
Schwarzstirnwürger (Lanius minor) 016 B,N,O2,V
Seggenrohrsänger (Acrocephalus paludicola) 151 B,N
Seidensänger (Cettia cetti) 127 B
Seidenschwanz (Bombycilla garrulus) 206 B,N,O1,V
Singdrossel (Turdus philomelos) 264 B,N,O1,V
Sommergoldhähnchen (Regulus ignicapillus) 204 B,N,V
Sperbergrasmücke (Sylvia nisoria) 185 B,N,O,V
Spornammer (Calcarius lapponicus) 447 B,N,O3
Spornpieper (Anthus richardi) 358 B,N,V
Sprosser (Luscinia luscinia) 305 B,N,O1,V
Star (Sturnus vulgaris) 229 B,N,O2,V
Steinrötel (Monticola saxatilis) 290 B,N,O1
Steinschmätzer (Oenanthe oenanthe) 325 B,N,O1,V
Steinsperling (Petronia petronia) 353 B,N,O2,V
Stieglitz (Carduelis carduelis) 425 B,N,O1,V
Strandpieper (Anthus petrosus) 374 N
Streifenschwirl (Locustella certhiola) 143 B
Strichelschwirl (Locustella lanceolata) 144 O2
Stummellerche (Calandrella rufescens) 095 B
Sumpfmeise (Poecile palustris) 083 B,N,O2,V
Sumpfrohrsänger (Acrocephalus palustris) 157 B,N,O1
Tannenhäher (Nucifraga caryocatactes) 046 B,N,O1,V
XXXVI Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Tannenmeise (Parus ater) 081 B,N,O1,V


Teichrohrsänger (Acrocephalus scirpaceus) 161 B,N,O1,V
Theklalerche (Galerida theklae) 099 B
Trauermeise siehe Balkanmeise 089
Trauerschnäpper (Ficedula hypoleuca) 283 B,N,O1,V
Trauersteinschmätzer (Oenanthe leucura) 330 B
Uferschwalbe (Riparia riparia) 110 B,N,O1,V
Unglückshäher (Perisoreus infaustus) 045 B,N,O2
Wachholderdrossel (Turdus pilaris) 261 B,N,O1,V
Waldammer (Emberiza rustica) 479 B,N
(Wald-)Baumläufer (Certhia familiaris) 220 B,N,O1
Waldlaubsänger (Phylloscopus sibilatrix) 128 B,N,O1,V
Waldrapp (Geronticus eremita) 032 N,O2
Wanderdrossel (Turdus migratorius) 274 B,N,O2
Wanderlaubsänger (Phylloscopus borealis) 142 B
Wasseramsel (Cinclus cinclus) 236 B,N,O1,V
Weidenammer (Emberiza aureola) 481 B,N
Weidenmeise (Poecile montana) 087 B
Weidensperling (Passer hispaniolensis) 352 B
Weißbartgrasmücke (Sylvia cantillans) 197 B
Weißbrauendrossel (Turdus obscurus) 256 N
Weißflügellerche (Melanocorypha leucoptera) 092 B
Wiesenpieper (Anthus pratensis) 367 B,N,O1,V
Wilsondrossel (Catharus fuscescens) 245 N
Wintergoldhähnchen (Regulus regulus) 200 B,N,O2,V
Wüstensteinschmätzer (Oenanthe deserti) 324 B
Zaunammer (Emberiza cirlus) 465 B,N,O1,V
Zaunkönig (Troglodytes troglodytes) 224 B,N,O1,V
Zilpzalp (Phylloscopus collybita) 132, 139 B,N,O1
Zippammer (Emberiza cia) 468 B,N,O2,V
Zistensänger (Cisticola juncidis) 176 B,O2
Zitronenzeisig (Serinus citrinella) 428 B,N,O1
Zitronenstelze (Motacilla citreola) 379 B
Zwergammer (Emberiza pusilla) 478 B,N
Zwergdrossel (Catharus ustulatus) 246 B,N
Zwergschnäpper (Ficedula parva) 282 B,N
Inhalt

Zu den Werken Die Bedeutung historischer Vogelnamen��������������������������    VII

Einleitung ���������������������������������������������������������������������������������������������������������������    IX

Inhalt������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������ XXXVII

PASSERES – SINGVÖGEL �����������������������������������������������������������������������������������������    1

Literaturverzeichnis ����������������������������������������������������������������������������������������������    483


PASSERES – SINGVÖGEL

Pirole – Oriolidae
Die Pirole (Oriolidae) sind eine Familie der Sperlingsvögel (Passeriformes).
Es sind etwa amselgroße, sehr farbenfrohe Vögel. Die meisten Arten leben in
den Tropen der Alten Welt, von Afrika über Süd- und Ostasien bis Australien.
Lediglich der Pirol ( Oriolus oriolus) lebt in Europa.1

Pirol (Oriolus oriolus)


In Pommern hieß der Pirol Bülow, „weil man sich einbildet, daß seine Stim-
me diesen Nahmen ausrufe.“2 „Dieses ist auch der Nahme einer alten be-
rühmten adelichen Familie in Niedersachsen, welche auch ehedem hier im
Lande [Pommern] gewesen ist, wie die Wappen in den Kirchen zeigen; der
berühmte schwedische General, Barthold von Bülow, welcher 1667 zu Stettin
starb, gehörte zu derselben Familie, welche auf dem Helm einen Vogel, viel-
leicht unsern Bülow, führen. Die Freyherren von Bülow haben auch in zwey
Schilden einen solchen Vogel.“3
Pirol, Gemeiner Pirol, Eigentlicher Pirol: „Der Name ‚Pirol‘ geht offenbar
auf ein Wortspiel Konrad von Megenberg‘s zurück. Dieser nannte ihn um
1350 lautmalend, liebevoll ‚pruoder Piro‘.“4 SUOLAHTI nannte das folgen-
de Zitat von Konrad von MEGENBERG (1309–1374) „das älteste erreich-
bare Zeugnis des deutschen Vogelnamens.“ MEGENBERG schrieb: „Wir
haizen in ze däutsch pruoder Piro nâch seiner stimm, wan er ruoft mit seinr
stimm sam er sprech pruoder Piro.“ Er fuhr fort: „Pruoder Piro, pruoder Piro!
waz bedäut daz? treun, daz wil ich dir sagen: Piro in wälhisch haizt Peter und

1
http://de.wikipedia.org/wiki/Pirole, Stand: 20.09.2013
2
KRÜNITZ 1787, 39/ 198
3
OTTO in BUFFON/OTTO 1782, 8/ 171
4
FEIGE 1986, 50

P. Bertau, Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel,


DOI 10.1007/978-3-642-41818-1_1, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014
2 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

sant Peter was der êrst pâbst und ein gruntvest des hailigen römischen stuols,
als Christus selber hinz ihm sprach.“5
„Gemeiner Pirol“ war der Leitname des Pirols bei BECHSTEIN.6
Loriot: „Dieser Vogel ist Brissons Le Loriot.“7 „Einige leiten den Nahmen
Loriot aus dem griechischen Chlorion, andere aus dem lateinischen Aureolus,
und noch andere von dem Geschrey des Vogels, her.“8
Chlorion: „Chlorion“ ist der alte griechische Name des Pirols. Das Wort be-
deutet „gelbgrün“ und meint das Gefieder vor allem weiblicher oder junger
Vögel.
Witewal, Widewal, Wittewald, Wittewalch: Das mhd. „Witewal“ ist der
älteste historisch überlieferte Name des Pirols, der etwa aus dem 13. Jahrhun-
dert stammt. „Wîdewâl“ aus Ostfriesland und „Wittewald“ aus Preußen sind
etwas jünger. „Wittewalch“ war laut GESSNER Ende des 16. Jahrhunderts in
der Schweiz üblich.9
Wiedwalch, Widewall, Wiedewall, Wiederwalch, Witwell, Weidwall:
„Wiedwalch“ und „Wi(e)dewall“ sind nach dem 13. Jahrhundert erfolgte re-
gionale Umbildungen von „witewal“.10 Auch die anderen Begriffe waren oft
an bestimmte Regionen gebunden. Die Namen waren noch in der Zeit des
16. Jahrhunderts und später verbreitet. Ihnen ist der westgermanische Ur-
sprung gemeinsam.11
Bülau, Gemeiner Bülau, Bülow, Büloon-Vogel, Vogel Püloh: „Die zahllo-
sen Namensformen stehen in engster Verbindung mit dem hellen, flötenden
Rufe des Pirols, in dem man sich leicht einbildet, menschliche Worte zu hö-
ren.“12 „Die Locktöne sind von yo bis bülo.“13 FEHRINGER hielt den flö-
tenden lauten Ruf „tutüdlio“ oder „Vogel Bülow“ für die laute Schlussstrophe
des Gesanges.14
Golddrossel, Goldamsel, Goldmerle: MÜLLER schrieb zu „Golddrossel –
Oriolus galbula“: „Aldrovandus hat sie Galbula genennet. Plinius gab ihr den
Namen Icterus. Bei den Venetianern heißt sie Becquafigo, obgleich diese Be-

5
SUOLAHTI 1909, 171 und MEGENBERG 1994, 216
6
BECHSTEIN 1791, 478
7
BUFFON/OTTO 1782, 8/ 170
8
BUFFON/OTTO 1782, 8/ 171
9
SUOLAHTI 1909, 169 + 170
10
GRIMM/GRIMM 1984, 29/ 1512
11
FEIGE 1986, 50
12
SUOLAHTI 1909, 172
13
OKEN 1837, 69
14
FEHRINGER 1951, 60
PASSERES – SINGVÖGEL 3

nennung nur der Ficedula, oder dem Feigenfresser zukommt.“ Und etwas
später: „In Deutschland wird sie auch wohl Kirschendieb und Weidwall ge-
nannt, doch ist Golddrossel der gemeinste und bekannteste Name.“15
„Die Goldamsel hat diesen Nahmen theils von ihrem fürtrefflichen gelben,
und Kohl-schwarzen Flügeln, theils von ihrem Gesang, welcher in einem lau-
ten Pfeiffen bestehet, welcher aber tiefer lautet, als der Amsel, doch von weni-
gen Abwechslungen ist.“16
„Die schöne gelbe Gefiederfarbe und die helle flötende Stimme haben den
Namen Goldmerle, den Gesner aus Niederdeutschland anführt, veranlaßt.
Heute [1909] ist Goldmêrel in Luxemburg die übliche Bezeichnung des Pi-
rols.“17
Der Pirol wurde früher zu den Drosseln gezählt. Das taten 1864 auch noch
BREHM/ROSSMÄLER: „Die meisten Naturforscher zählen den Pirol … zu
den Drosseln [Merle], andere dagegen zu den Paradiesvögeln. Wir thun wohl,
wenn wir uns den Ersteren anschließen.“18
Olivenmerle: Mit „Oliven-“ war die Färbung des Rückengefieders der Jungen
und der Weibchen gemeint. Häufig findet man die Bezeichnung „Olimerle“,
die schon GESSNER kannte.19
Galbulavogel: Für „galbula“ wurde keine Übersetzung gefunden, wohl aber
Hinweise, dass dieses aus dem Griechischen stammende Wort ähnlich wie
„chlorion“ „grüngelb“ bedeutet. In der Literatur findet man für „Galbula“
mehrfach das Wort „Glanzvogel“. GESSNER berichtete, dass ein Spanier ihm
„galbula“ in seiner Sprache mit „oroyendola“ übersetzt hätte, „das scheint mir
‚oriolus‘ zu sein.“20 LINNÉ hat Oriolus und Galbula als gleichwertige Gat-
tungsnamen behandelt.21
Gelbling, Gelbvogel: Beide Namen beziehen sich auf das vorherrschende
Gelb im männlichen Gefieder.
Gelbe Rake: „Gelbe Racke“ ist ein Kunstname von BECHSTEIN (zuerst
1802), der aber erst 1805 schrieb: „Unser Pirol, den ich jetzt die gelbe Racke
nenne …“ Der Vogel habe den wahren Rackenschnabel und passe deshalb
nicht zu den vielen ausländischen Pirolarten.22 Im Handbuch der Jagdwissen-

15
MÜLLER 1773, 186
16
ZORN 1743, 320
17
SUOLAHTI 1909, 173
18
BREHM/ROSSMÄLER 1864, 1/ 501
19
SPRINGER/KINZELBACH 2009, 274
20
SPRINGER 2007, 259
21
BUFFON/OTTO 1782, 8/ 171
22
BECHSTEIN 1802, 98 + 1805, 2/ 1293
4 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

schaft schrieb BECHSTEIN: „Er gehört mit der Mandelkrähe zu einerley


Ordnung.“23 In der zweiten Auflage seiner Naturgeschichte lautete die Über-
schrift zum Pirol-Kapitel „Die gelbe Racke oder der gemeine Pirol.“
NAUMANN übernahm den Namen als „Gelbe Rake“.24
Pfingstvogel: So hieß der Pirol in Meißen und Anhalt, weil er im Frühling
oft erst um Pfingsten, wenn die Bäume voll belaubt sind, aus dem Süden
zurückkommt.
Sommerdrossel: „Als Zugvogel ist einer von denjenigen, die Deutschland am
ersten, nämlich schon im August, familienweiße verlassen, und im Frühjahr,
wenn die Bäume schon ausgeschlagen sind, im Mai erst wieder ankommen.“25
Kirsch-Pirol, Kirschvogel, Kirschdrossel, Gelbe Kirschdrossel, Kirsch-
dieb, Kirschholdt, Kirschholf: „Kirsch-Pirol“ ist Leitname des Vogels u. a.
bei NAUMANN.26 Pirole leben von Insekten und Würmern, „allein ihre vor-
züglichste Nahrung, nach welcher sie am begierigsten sind, sind Kirschen und
Feigen, Vogelbeeren, Erbsen u. d. gl. Es werden nur zwey von diesen Vögeln
erfordert, um in einem Tage einen reichlich tragenden Kirschbaum zu be-
rauben, weil sie nur eine Kirsche nach der andern, und zwar nur den reifsten
Theil derselben anhacken.“27
In Frankreich lautet der Pirolgesang übersetzt: „Es ist der Vetter Lorio, der
frißt die Kirschen und läßt die Steine.“28
Kersenrife: „Der Wittewal wird auch ein … / Kersenrife/ darum weil er reiffe
Kirschen isset, genennt.“29 Der Name, der von TURNER (1544) kommt und
übersetzt „Kirschenreifer“ bedeutet, stammt aus dem kölnischen Dialekt.30
Beerhold: Dieser Name hat mit Bier (s. u.) nichts zu tun, sondern bedeutet
eher „Beerenholer“, wobei mit den Beeren u. a. Kirschen gemeint sind.31
„Färskähl sagt, daß sie im Brachmonath [Juni] nach Constantinopel kämen,
und daselbst bis zum Herbstmonath [September] verblieben, sich von Feigen,
Weintrauben und Maulbeeren nährten, und alsdann in wärmere Länder zö-
gen.“32

23
BECHSTEIN 1802, 35
24
NAUMANN 1822, 2/ 171
25
BECHSTEIN 1791, 480
26
NAUMANN 1822, 2/ 171
27
BUFFON/OTTO 1782, 8/ 182
28
OKEN 1837, 69
29
GESSNER/HORST 1669, 132b
30
SUOLAHTI 1909, 173
31
SUOLAHTI 1909, 173
32
BUFFON/OTTO 1782, 8/ 179
PASSERES – SINGVÖGEL 5

Feigenfresser: „…in wärmern Ländern, wie in Italien, der Levante und in


Aegypten fressen sie auch Maulbeeren und Feigen.“ Entsprechend deuten
Bauern in Italien den Gesang, der übersetzt heißt: Bauer sage, ist schon zeitig
die Feige?33
„Wenn diese Vögel im Frühlinge ankommen, nähren sie sich von Insecten, Kä-
fern, Raupen, Würmern; kurz, von demjenigen, was sie bekommen können;
allein ihre vorzüglichste Nahrung, nach welcher sie am begierigsten sind, sind
Kirschen und Feigen, daher man sie auch in einigen Ländern ∑ukOφαYOς
(Feigen-Fresser) genannt hat; und diese Nahrung macht vielleicht ihr Fleisch
so gut zu essen.“34
Regenkatze, Pfeifholder: „Man will nach ihrer Ankunft zuverlässig wissen,
daß keine Nachtfröste mehr kommen“. BECHSTEIN war gegen diesen
Volksglauben. „Sie sind auch keine sichern Wetterpropheten, denn nach ihrer
Ankunft kommen oft noch Nachtfröste, die die Gartenfrüchte zerstöhren.“
BECHSTEIN fuhr fort: „Aus ihrem Pfeifen prophezeit man Regen, und
wenn die Jungen in Gärten und Erlen, wie die Katzen mauen, so kommt ge-
wöhnlich ein Gewitter.“35
Den Namenszusatz „-katze“ bekam der Pirol, weil die Jungen „flöten io, io,
io, welches sie einige Mahl hören lassen, und welches Einige mit dem Mauen
der Katzen vergleichen (…) Mit dem Katzen-Geschreye aber scheint es von
allen angegebenen Tönen die wenigste Aehnlichkeit zu haben.“36
Bierhold, Bierole, Bierholf, Byrolf, Bruder Berolft, Berolft, Gerolft, Be-
erold, Pirold: MEGENBERG löste mit seinem „pruoder Piro“ (s. o.) eine
Lawine vielfältiger rufnachahmender Bezeichnungen aus: Um 1480 entstan-
den „Bruder Hiltroff, Bruder Birolff“, um 1550 „Bierolff, Birolff, Bruder Be-
rolft, Byrolt, Gerolff“ u. a. Auch die anderen Namen entstanden in der Zeit
um 1600. Aus dem Vogelruf will man irgendwann die Aufforderung verstan-
den haben Bier zu holen.
Für die auf auf -olf oder -holt endenden Eigennamen haben „ohne Zweifel die
Hähernamen ‚Markolf, Marwolt, und Herold‘ als Muster gedient.“37
Bieresel: „Die Bauern sagen, er singe: Pfingsten, Bier holen, aussaufen, mehr
holen! Oder auch: hast du gesoffen, so bezahl auch!“38 „NAUMANN schreibt,
indem er ebenfalls der Meinung ist, Bieresel und alle mit Bier in Zusammen-

33
OKEN 1837, 69
34
KRÜNITZ 1785, 39/ 206
35
BECHSTEIN 1805, 2/ 1304
36
KRÜNITZ 1787, 39/ 201
37
SUOLAHTI 1909, 172
38
OKEN 1837, 69
6 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

hang gebrachte Namen des Vogels seien onomatopoetischer Natur, [dass] die
späte Ankunftszeit der Goldamsel die Veranlassung zu diesen Bezeichnungen
gegeben habe, da man in der Pfingstzeit auf dem Lande oft wahre Gelage ab-
halte, bei denen Bier die Hauptsache ist. Was nun dem Landmann an Pfings-
ten das Wichtigste sei, das Bier, das hört er im Gesang des Vogels.“39
Pirreule: Stark abgewandelte Bezeichnung für „Bierholer“ (Pîrholer in Sach-
sen). „Pirreule“ ist ein Kunstname, der erst spät im 19. Jahrhundert in der
Literatur auftrat, (o. Qu.).
Schulz von Milo, Schulz von Therau, Schulz von Bülow: Die Bauern im
Havelland in der Mark Brandenburg haben den Vogel „Schulz von Milo“ ge-
nannt. Auch hier handelt es sich um ungefähre Nachahmungen des Rufes.40
„Schulz von Therau“ entstand wohl aus „Schulz von Tharau“ und ist damit
genauso ein preußischer Name wie der pommersche „Schulz von Bülow“
(s. o.).41
Weihrauch, Weihrauchsvogel, Bruder Wyrauch: Die zwei letzten Laute sei-
nes „Gepfeiffes“ klingen wie i und o. Daher ist in fast allen seinen Namen i
und o beibehalten worden. „Gleichwie andere seinen Namen ‚Wyrock‘, wel-
cher das i und o hat, für Plat-teutsch angesehen, und haben ihn verfälscht
‚Weihrauch‘ ausgesprochen.“42 Dazu ergänzend findet man bei GRIMM/
GRIMM, dass die Stimme des Vogels nicht nur zu den lautmalenden Be-
zeichnungen „Pirol“, „Bülow“, „Berolft“, „Wiedewal“ geführt habe, sondern
auch zu „wirok“, woraus „Weihrauchvogel“ entstanden sei. Der Name war im
18. Jahrhundert als „Weyrauch“ verbreitet.43
Tyrolk: Den durch Lautmalung entstandenen Begriff findet man als „Tyrolt“
bei Hans SACHS.44
Gugelfahraus, Kugelfihaus: „Gugelfahraus“ bedeutet Pirol, Pfingstvogel.
Guckauch, Gucker, Gugel „heißt soviel als Guckguck. Dieser Vogel kommt
etwas später noch, als der Guckguck: und ahmet auch dessen Stimme nach.
Das Wort Gugelfiaus, zeigt also einen gelben oder glänzenden Guckguck an.“
Fiaus ist ein anderer Name für den Pirol. In Italien heißt dieser „vireone“, im
mittleren Latein „vireo“, „vermuthlich von dem griech. φІαρως, glänzend.

39
GATTIKER/GATTIKER 1989, 189
40
GRIMM/GRIMM 1984, 15/ 1994
41
FRISCHBIER 1882, 1/ 82
42
FRISCH 1763, T. 31
43
GRIMM/GRIMM 1984, 28/ 732 + 748
44
HANS SACHS 1531, V. 105
PASSERES – SINGVÖGEL 7

Hievon ist unser Viraus, oder mit gewöhnlich verschlucktem r, Viaus ent-
standen.“45
Viduel: FEIGE ordnete „Viduell, Viduel“ (KRÜNITZ: „Vidual“) in die
Gruppe der Namen mit westgermanischem Ursprung ein. „Aus den Grund-
formen ‚wuduwal-ôn‘ oder ‚widuwal-ôn‘ leiteten sich im deutschsprachigen
Raum“ im 15. Jahrhundert am Niederrhein „weduwal“ und später etliche an-
dere Namen ab, die zu „Viduel, Viduell“ oder „Vidual“ geführt haben könn-
ten.46
Gottesvogel: Diesen Namen hat BREHM eingeführt, vielleicht wegen der
Schönheit des Vogels auch als Eigenprägung.47 Vorher gab es den Namen
schon für etliche andere Vögel. So benannte OKEN eine Paradiesvogelart,
in einer Sprachforschungszeitschrift ging es 1862 um eine Sperlingsform und
wieder an anderer Stelle um eine Taubenart.
Gutmerle: Den Namen findet man zuerst bei BUFFON in seiner Original-
ausgabe, bei BECHSTEIN oder auch noch viel später bei BREHM, aber
insgesamt nicht sehr oft.48 Auch FEIGE erwähnte „Gutmerle“, auch er, ohne
zu erklären.
Da der Pirol, abgesehen von seinem bekannten Gesang, auch andere Laute
(Rufe, Alarmrufe) zur Verfügung hat, sollte man zur Deutung von „Gutmer-
le“ auch Lautmalerei in Betracht ziehen, zumal die meisten alten Namen (vor
dem 19. Jahrhundert) durch eine Beschreibung von Aussehen oder Stimme
entstanden sind.

Würger – Laniidae
Würger sind mittelgroß, haben einen langen Schwanz, einen hakenartig zuge-
spitzten kräftigen Schnabel und kräftige, scharfkrallige Füße. Sie spähen lange
bewegungslos nach Beute, zu der auch Kleinvögel und Kleinsäuger gehören.49

45
HOEFER 1815, 1/ 336 + 214
46
FEIGE 1986, 50
47
BREHM 1879, 3/ 531
48
BUFFON/MARTINI 1775, 1/ 254 und BECHSTEIN 1791, 478 und BREHM/ROSSMÄLER
1864, 1/ 501
49
SVENSSON et al. 2011, 352
8 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Die Gruppe der Würger


„Würger“ kommt vom ahd. „wargengil“, vielleicht einem Diminutiv zu
„warc“ (Räuber), also kleiner Räuber. „Wargengil“ wurde im 17. Jahrhundert
missgedeutet als „Würg-Engel“ und schließlich von HALLE (1760) zu „Wür-
ger“ (für Lanius) verkürzt.50
Der Name „Lanius“ stammt von GESSNER: „Unseren ‚lanius cinereus‘
könnte man, wie einige meinen, auch mit einem anderen lateinischen oder
griechischen Namen belegen. Ich wollte ihm aber, da ich keine Beschreibung
der Alten gesehen habe, die ihm nahe genug kommt, lieber den neuen Namen
‚lanius‘ geben: weil er gegen andere Vögel, nicht nur kleiner, sondern sogar
größer als er selbst, zu wüten pflegt, indem er sie zerfleischt.“51
LINNÉ hat den Namen fast 200 Jahre später übernommen: „In diesem Ge-
schlecht kommen solche Vögel vor, die, ob sie gleich nicht sehr groß sind,
dennoch in der räuberischen Art den größten nichts nachgeben. Das ganze
Geschlecht wird dahero von dem Ritter [LINNÉ] Lanius genennet, weil diese
Vögel alles, was sie anfallen, zerreißen und zerfleischen, und obgleich sich vie-
le nur über Insecten machen, so hat man doch wahrgenommen, daß sie deren
verschiedene töden, und zusammen sparen, um auf einmal eine gute Mahlzeit
zu thun, dahero sie Neuntöder heißen, weil sie gleichsam nicht ruhen, bis sie
neun oder mehr Creaturen um das Leben gebracht haben.“52
„Obwohl diese Vögel nur klein, auch mit einem zarten Körper und Gliedern
begabet sind, müssen sie dennoch wegen ihres Muthes, wegen ihres breiten,
starken und krummen Schnabels und wegen ihrer Begierde nach Fleisch
unter die Raubvögel gezählet, und sogar in die Reihe der verwegensten und
blutgierigsten gesetzet werden.“53
„Die Würger sind wirkliche Raubvögel, ob sie gleich in ihrer Lebensart und
ihrem Gesange Aehnlichkeit mit den Sängern haben. Sie müssen ohne Zwei-
fel gleich hinter den Eule zu stehen kommen.“54

Neuntöter (Lanius collurio)


„Ein weit größerer Räuber, dem Lanius excubitor [Raubwürger] an Kühnheit
gleich, oder überlegen ist unstreitig der rothrückige Würger, Lanius collurio.
Er besitzt oft eine unglaubliche Dreistigkeit, und eine solche Raubbegierde,

50
STRESEMANN 1941, 98 und HALLE 1760, 220
51
GESSNER 1585, 579 und SPRINGER 2007, 259
52
MÜLLER 1773, 108
53
BUFFON/MARTINI 1787, 2/ 210
54
C. L. BREHM 1820, 1/ 383
PASSERES – SINGVÖGEL 9

daß er nicht selten seine eigne Sicherheit darüber vergißt.“ So verfolgte einmal
ein Würger ein Hausrotschwanzpärchen immer wieder, versuchte auch das
Nest zu plündern, mußte aber schließlich von seinem Vorhaben ablassen. „Es
war unglaublich, welchen Muth das Sängerpaar dabei bewies.“ Dann wurde
es doch noch dramatisch: „Aber noch war er [der Sänger] 10 Schritte [von
der Bank des Erzählers] entfernt, als der Würger mit dem Schnabel nach ihm
griff, und indem jener zu Boden fiel, mit kreischendem Geschrei und solcher
Heftigkeit auf ihn stürzte, daß er ihn gewiß getödtet haben würde, wenn wir
nicht hinzugesprungen wären, und ihn verjagt hätten. Nun war meine Ge-
duld zu Ende und ich ergriff sogleich mein Gewehr…“55
Kleiner Würger, Kleinster Würger: Die beiden häufigsten Würger in
Deutschland waren und sind der Raubwürger, der „Große Würger“ und der
Neuntöter, der „Kleine Würger“. Vergleicht man auch mit dem Schwarzstirn-
würger, ist der Neuntöter der „Kleinste Würger“.
Rothrückiger Würger, Rothrückiger Neuntödter, Kleiner aschfarbener
Neuntöter, Kleiner rother Neuntöter, Blauköpfiger Würger, Rothgrauer
Würger, Bunter Würger, Neunwürger: Der Kopf des Männchens und der
Bürzel sind aschgrau. Je nach Sicht kann man auch hellblau sagen. Durch die
Augen geht ein schwarzer Streif, der Rücken ist braunrot, die Brust schwach
rosenrot.56 Bunt ist der Vogel wegen seines schönen Prachtkleides. Der Neun-
würger spießt angeblich neun oder mehr Insekten auf, bevor er sich an dem
„reich gedeckten Tisch“ sattfrisst.
Neuntödter, Neunmörder: Das Wort „Neuntöter“ stammt als „Nüntöder“
von GESSNER (1555).57 Den Raubwürger hatte GESSNER „grose Nuen-
moerder“ genannt.58 „Er vertilgt eine Menge Maykäfer, Roßkäfer, Bremsen,
Gryllen und Heuschrecken, und spießt sie an Schwarz- und Weißdorn an,
bisweilen auch einen jungen Vogel, Frosch, eine Maus, Eidechse, oder Stü-
cke davon, daher er den Namen Neuntödter bekommen hat.“59 Der Zusatz
„Neun-“ entspringt der Vorstellung, dass der Vogel bis zu neun Beutestücke
aufspießt, wobei einmal neun pro Tag gemeint ist oder auch die Obergrenze
neun. Nach anderen alten Fabeln muss er erst neun Tiere aufspießen, bevor er
mit dem Fressen beginnen kann, bzw. muss er jeden Tag neun Vögel fressen,
um nicht zu sterben.

55
Freih. v. Seyffertilz in C. L. BREHM, Ornis 2, 1826, 57
56
NAUMANN 1822, 2/ 30
57
STRESEMANN 1941, 98
58
SPRINGER 2007, 259
59
OKEN 1837, 84
10 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

„Leider macht sich dieser so muntere und singfähige Vogel in anderer Hin-
sicht im höchsten Grade unbeliebt. … Naumann hat beobachtet, daß er jun-
ge Dorngrasmücken, gelbe Bachstelzen und Spießlerchen [Wiesenpieper] er-
würgte und fortschleppte.“60 Wegen der bei der Bevölkerung empfundenen
grausamen Eigenschaften kamen Namen wie „Neunmörder“ zustande und
im Englischen „Butcherbird“ oder „Murderingpie“.61
Warkengel, Warkvogel: „Warkengel“ ist seit dem 16. Jahrhundert in
Deutschland belegt.62 Der althochdeutsche Ausdruck „warc-gengil“ wurde
auch als „Wolfgänger“ gedeutet. Danach wäre der Vogel eigentlich ein in
Wolfsgestalt umherstreichender böser Geist. „Warc-gengil“ könnte aber auch
mit dem angelsächsischen „wergenga“ in Zusammenhang gebracht werden,
was „Varäger, umherstreichender Fremdling“ bedeute. „Da manche Würger-
arten nordische Vögel sind, welche in Deutschland nur als wandernde Gäste
angetroffen werden, so könnte man sie als Varäger auffassen, ebensogut wie
man in dem Seidenschwanz einen Böhmen oder Friesen sah.“63
Kleiner bunter Warkengel, Kleiner Wahnkrengel, Kleiner bunter Würg-
engel: Die Ausdrücke werden in der Einführung erklärt. Auch hier handelt
es sich um das gegensätzliche Paar „kleiner“ Neuntöter und „großer“ Raub-
würger. Die anderen beiden Würgerarten sind in diese Namensgruppe kaum
oder nicht einbezogen.
Dorndreher, Dorndrechsler, Dorngreuel, Todtengreuel: Der Dorndreher
spießt seine Beute auf die spitzen Dornen. Das Wort ist sehr alt und stammt
vom althochdeutschen „dorndrâil“, das im Laufe der Zeit alle möglichen Um-
bildungen erfuhr. Eine solche ist das mittelalterliche „dorndrahsel“, das zu
„Dorndrechsel“ führte. Eine andere verlief über „dorndroscel“ zu „Dorndrö-
scherl“ (Dorndrossel). In einem Glossar des 13./14. Jahrhunderts ist „dor-
nacreiel“ belegt, aus dem in Bayern „Dorngreuel“ und in Österreich „Tod-
tengreuel“ enstanden. Eine andere alte Variante ist „dornorahil“, aus dem der
„Dornreich“ hervorging.64 Auch „Dorntreter“ dürfte aus diesem Ursprungs-
kreis stammen.
Es gab aber auch andere „Dorntreter“- und „Dornreich“-Deutungen. „Dorn-
treter möchte er heißen, weil er meistens in Dornhecken auf Feldern und
Gärten hecket und daselbst auch wohnet.“65

60
BREHM 1866, 3/ 700
61
SUOLAHTI 1909, 147
62
GESSNER/HORST 1669, 154b und SPRINGER 2007, 263
63
SUOLAHTI 1909, 149
64
SUOLAHTI 1909, 147f
65
LANGGUTH 1776, 2/ 369
PASSERES – SINGVÖGEL 11

Dorntreter: „Weil er nun mit einem solchen Bissen oder gefangenen Käfer,
den er verwahren will, lange auf den Dorn-Strauchen herum trit, ehe er eine
bequeme Spitze dran findet; so nennen ihn einige Dorn-Treter.“66
Dornreich, Großer Dornreich: „Dornreich“ ist ein Geschlechtsname ver-
schiedener Vögel, die in den Dornen und dicken Gebüschen hecken und sin-
gen.67 „Es heissen ihn auch einige Dornreich, weil er sich bey den Dornen
meistens aufhält und vermengen damit die große Art Graß-Mücken, welche
von einigen Dornreich genennet wird, und deren Gesang der Neuntöder sehr
eigen nach machen kan, deren ärgster Feind er auch ist.“68 FRISCH schrieb
dies zum Rotkopfwürger, der aber weniger „Dornreich“ genannt wurde.
Singwürger: BREHM berichtete, was ein Graf Gourcy seinem Vater erzählt
hatte: „Wenn ein Sänger den Namen Spottvogel verdient, so ist es unbestreit-
bar dieser. Nach meiner Meinung hat er, außer einigen rauhen Strophen, kei-
nen eigenen Gesang … Mit immer erneueter Lust hört man ihn seine vielfach
abwechselnden Gesänge vortragen.
Der, welchen ich jetzt besitze, ist ein vorzüglicher Vogel, welcher auf eine
täuschende und entzückend schöne Art die Gesänge der Nachtigall, der Feld-
lerche, Rauchschwalbe, Sperber-Grasmücke, des Mönchs, Goldammers, den
Ruf der Amsel und des Rebhuhns nachahmt und auf eine so feine Art in
einander verschmilzt, daß man durchaus keinen Übergang bemerkt.“ Schließ-
lich, an anderer Stelle, meinte er noch: „Nur schade, daß beinahe ein jeder
seinen schönen Liedern einige schlechte Töne beimischt! Besonders ist es der
Unkenruf, den sich fast alle zu eigen machen.“69
Finkenbeißer: „Bisher war ich immer der Meinung, daß sich der Dorndreher
nur an ganz jungen oder aber an schwachen und kranken Vögeln vergreife.
Vor kurzem sollte ich eines Besseren belehrt werden. Ende Mai brachte man
mir ein frisch gefangenes Weibchen des rotrückigen Würgers; ich war gerade
im Begriff, auf einige Tage zu verreisen und steckte deshalb den Vogel mit in
eine große Flugvoliere, in welcher sowohl Körner- wie Wurmfresser gehalten
wurden. Diese Unvorsichtigkeit mußte ich bitter bereuen, denn als ich nach 5
Tagen zurückkehrte, sah ich zu meinem Schrecken, daß es der Würger vorge-
zogen hatte, sich von seinen gefiederten Nachbarn statt von den in reichlicher
Auswahl gebotenen Mehlwürmern, Ameisenpuppen, Fleisch und Mischfutter
zu nähren. In den 5 Tagen hatte er überwältigt, aufgespießt oder verzehrt: 3
Buchfinken, 1 Grünfink, 1 Bergfink, 1 Leinzeisig und 1 Berghänfling … Da-

66
FRISCH 1763, T. 61
67
KRÜNITZ 1776, 9/ 440
68
FRISCH 1763, T. 61
69
BREHM 1866, 3/ 700
12 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

raufhin habe ich während des Sommers den von Würgern bewohnten Dorn-
büschen besondere Aufmerksamkeit geschenkt und noch mehrfach alte Vögel
auf seinen Schlachtbänken gefunden. Nach diesen Beobachtungen kann es
keinem Zweifel unterliegen, daß der rotrückike Würger in Gärten, Parks und
Anlagen auf das rücksichtsloste verfogt werden muß, wenn anders man sich
einen guten Bestand von brütenden Singvögeln sichern will.“70
„Bey den Deutschen aber ist er unter dem Namen Finkenbeißer bekannt,
weil er auf die kleinen Vögel hitzig ist, und sich mit jedem herumbeist, den
er erwischen kann71“
Spießer, Eigentlicher Spießer: „Er ist einer der abscheulichsten Feinde der
kleinen Singvögel, welchen wir kennen … So findet man bei schönem Wetter
fast nur … Kerbthiere …, bei kalter, stürmischer Witterung hingegen oft
ganze Gehecke junger Vögel an die Dornen gespießt.“72
Dornhäher, Dornheher: Wegen des „Geschreis“ aus den Büschen wurden
die Vögel auch „Häher“ oder „Elstern“ genannt.
Quarkringel: Der Name gehört in die Namengruppe um „Wargengel“.
Dem „Quarkringel“ ähnliche Wörter sind „Quarkvogel“, „Quorkringel“ oder
„Wörgengel“.
Millwürger, Mandelbrauner Millwürger: „Millwürger ist ein Vogel, welcher
zu der Gattung Lanius, Würger, gehört und der Dorndreher, Lanius spinitor-
quus, in Thüringen kleiner Neuntödter genannt wird.“73 In der älteren Li-
teratur erscheint der „Mandelbraune Millwürger“ recht häufig, immer (wie
im obigen KRÜNITZ-Zitat) an den Neuntöter gebunden und nie mit einer
Namenserklärung. Es könnte sich bei dem Millwürger um einen „Vielwür-
ger“ handeln.
Der Name konnte nicht weiter gedeutet werden.
Scheckiger Würger: Das Brustgefieder des Jugendkleides, bedingt auch das
der Weibchen, erscheint durch die braun-weißgraue Bänderung gescheckt.
Schäckerdickkopf: Das Zuordnen von „Schäcker-“ zur Stimme, wie man es
zur Deutung auch findet, dürfte nicht stimmen.
Der Wortteil muss vielmehr mit „scheckig“ in Zusammenhang gebracht
werden. Dafür sprechen: „Scheckiger Würger“ für den Neuntöter bei NAU-
MANN und „Schäckiger“ und „Schäckicher Würger“ (auch für den Neun-

70
FLOERICKE 1896, 50
71
MÜLLER 1773, 113
72
BREHM 1866, 3/ 700
73
KRÜNITZ 1803, 90/ 705
PASSERES – SINGVÖGEL 13

töter) bei BECHSTEIN 1791 bzw. 1802. Noch um 1800 wurde der Neun-
töter bei Dessau „Schäckerdickkopf“ genannt (J. A. NAUMANN).74 Diesen
Namen hatten außerdem noch der Rotkopfwürger und der Schwarzstirn-
würger. Letzterer hieß auch noch „Schäckelster“. Man kannte um 1800 in
Deutschland außer diesen 3 Würgerarten nur noch den Raubwürger, dessen
Jungvögel als einzige keine Scheckungen im Gefieder haben. Hier waren also
Jungvögel gemeint. „Dickkopf“ weist auf den auffällig größeren Kopf gegen-
über anderen heimischen Singvögeln hin.

Rotkopfwürger (Lanius senator)


Der Rotkopfwürger „ist von großer Gelehrigkeit, setzt sich auf die Baumspit-
zen und singt den Gesang der meisten Vögel, die um ihn sind, nach; am voll-
kommendsten den der Nachtigall, des Mönchs und Stieglitzes; nur singt er
leise und nicht mit so abgerundeten Tönen. Zwischen diese Gesänge mischt
er einige unangenehme kreischende Strophen aus seinen eigenen Mitteln. Sei-
ne Lockstimme ist ein rauhes: Aetsch, äätsch! oder der Ruf des Sperlings; im
Affekte schreyt er in einemweg: Gäck, Gäck, Gäck! und breitet dabey den
Schwanz fächerförmig aus, bald rechts, bald links, bald aufwärts.“75
Rothkopfwürger, Rothköpfiger Würger, Rothköpfiger Neuntödter, Rost-
nackenwürger, Rothkopf, Rostnackiger Neuntöter, Schwarzöhriger
Neuntöter: Dieser Vogel ist seltener und mehr auf den Süden beschränkt. Er
lebt überwiegend von Insekten, fängt nur ausnahmsweise kleine Wirbeltiere
und legt sich in der Regel laut BEZZEL auch keine Nahrungsvorräte an.76
NIETHAMMER war noch anderer Meinung: „… Insekten, die oft aufge-
spießt werden“.77
Der Vogel hat einen rotbraunen Scheitel und Nacken sowie eine schwarze
Maske, Stirn und Mantel. Schultern und Oberschwanzdecken sind weiß, der
Rücken aschgrau.78
Mittlerer Neuntöter, Kleiner rostiger Neuntöter, Grosser rother Neun-
töter: Der Rotkopfwürger steht in der Länge zwischen Raubwürger und
Neuntöter, er ist größer als der „Rotrückenwürger“, der Neuntöter. Der Name
„Kleiner rostiger Neuntöter“ ist schon von SCHWENCKFELD (1603) er-
wähnt worden.79 Bezugsvögel sind wieder der Raubwürger, gegen den der

74
BECHSTEIN 1791, 399 + 1802, 103 und J. A. NAUMANN 1802, 4-1
75
BECHSTEIN 1805, 2/ 1331
76
BEZZEL 1993, 520
77
NIETHAMMER 1937, 1/ 231
78
SVENSSON et al. 2011, 356
79
KLEIN/REYGER 1760, 52
14 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Rotkopfwürger „klein“, und der Neuntöter, gegen den sein Rot „rostig“ statt
rot ist.
Rother Warkengel, Kleiner rother Wartengel: Die Namen weisen nur des-
halb auf den Rotkopfwürger hin, weil es Farbangaben (wie rot, rotbraun) für
den auch mit „Warkengel“ bezeichneten Neuntöter nicht oder kaum gibt.
Brauner Dorndreher, Großer Dorndreher: Der Dorndreher spießt seine
Beute auf die spitzen Dornen. Das Wort ist sehr alt und stammt vom alt-
hochdeutschen „dorndrâil“, das im Laufe der Zeit alle möglichen Umbildun-
gen erfuhr. Eine solche ist das mittelalterliche „dorndrahsel“, das zu „Dorn-
drechsel“ führte. Eine andere verlief über „dorndroscel“ zu „Dorndröscherl“
(Dorndrossel). In einem Glossar des 13./14. Jahrhunderts ist „dornacreiel“
belegt, aus dem in Bayern „Dorngreuel“ und in Österreich „Todtengreuel“
enstanden. Eine andere alte Variante ist „dornorahil“, aus dem der „Dorn-
reich“ hervorging.80
„Was er von den grössern Ungeziefer nicht gleich verzehren kan, das steckt er
mit dem Schnabel auf einen Dorn, damit es sterben und nicht herab fallen
soll, wovon ihn viele den Dorn-Dreher heissen, weil er seine übrige Speise,
als Käfer und dergleichen, gleichsam auf den Dorn drehet, bis sie fest stecken
bleiben.“81
Der Name „Großer“ Dorndreher“ stammt von OKEN und kommt eigentlich
dem Raubwürger zu. Der Rotkopfwürger ist größer als der häufige Bezugsvo-
gel, der Neuntöter „Lanius collurio“. Er ist der drittgrößte der vier „heimisch-
mitteleuropäischen“ Würger.82
Finkenbeißer, Finkenwürgvogel: „Dieser Vogel ist an mehrern Orten unter
den Namen des Finkenbeissers bekannt, weil er so zänkisch ist, daß er sich
mit allen Vögeln, die in seiner Gegend wohnen herumbeißt, besonders aber
mit den Elstern, und im Herbst und im Frühjahr mit den Finken. – Daß er
aber die Finken tödten soll, wie einige behaupten, hat die Erfahrung noch nie
bestätiget, so wie er überhaupt mit Unrecht unter die Raubvögel gerechnet
wird.“83
„Den Namen führt er, weil er auf die Finken sehr hitzig ist, und sich mit je-
dem herumbeißt, den er nur fassen kann.“84

80
SUOLAHTI 1909, 147f
81
FRISCH 1763, T. 61
82
OKEN 1837, 85
83
HEPPE 1798, 271
84
BUFFON/MARTINI 1787, 2/ 238
PASSERES – SINGVÖGEL 15

Waldkater, Waldkatze: „Die Engländer nennen ihn Wood-Chat oder Wald-


katze, weil er den Mäusen in den Wäldern und auf den Feldern nachstellet.“85
Waldelster: „Wegen seines Fluges und besonders wegen seiner weißen Flügel-
zeichnung heißt er in Thüringen: Waldelster.“86
Krickelster, Rotköpfige Krickelster, Steinelster, Dornelster: „In manchen
Gegenden werden die Würger als Elstern oder Häher benannt, wobei wohl
das Geschrei der verbindende Vergleichspunkt ist.“ Diese Zuordnung kennt
man schon aus dem 16. Jahrhundert. Ähnlich der „Krigelster“ (Blauracke) ist
auch „die Zusammensetzung in ihrem ersten Teil onomatopoietisch.“87
Der Rotkopfwürger ist nicht auf bestimmte Biotope festgelegt. Er liebt sonni-
ge, trockene halboffene Landschaften mit (Dorn-)Büschen, halboffene Wald-
biotope, in denen Bodenvegetation teilweise fehlen kann.88
Pomeraner, Pommeraner, Pommerscher Würger: Im Jahr 1786 hatte der
Schwede Anders SPARRMAN eine Arbeit veröffentlicht, die er „Museum
Carlsonianum“ nannte und in der er „100 Arten aus der privaten Sammlung
von Johan Gustaf von Carlson (1743–1801) aus Mälby (Södermanland)“ be-
schrieben und illustriert hatte.89
Eine dieser Arten war ein Rotkopfwürger, den SPARRMAN und GMELIN
als „Lanius pommeranus“ beschrieben.90
Johann Friedrich GMELIN, der Herausgeber der 13. Auflage von LINNÉs
Systema naturae, schrieb 1789 über diesen Lanius pommeranus u. a.: „Habitat
Pomerania“, d. h. er lebt in Pommern.91 Wenige Jahre später, 1794, konnte
man bei GOEZE unter „Der Pomeraner“ lesen: „Dieß ist der letzte der euro-
päischen Neuntödter, soviel uns deren bekannt ist. Viel können wir nicht von
ihm sagen, als was uns ein einziger Beobachter davon gemeldet hat. Er ist in
Pommern zu Hause.“92
Zum „Lanius pommeranus“ bemerkte BECHSTEIN 1805: „Der Pommersche
Würger ( Lanius pommeranus) wird auch fälschlich für eine besondere Art von
Sparmann, Gmelin und Goeze angenommen.“93

85
BUFFON/MARTINI 1787, 2/ 238
86
BECHSTEIN 1805, 2/ 1331
87
SUOLAHTI 1909, 151 + 16
88
BEZZEL 1993, 522
89
http://de.wikipedia.org/wiki/Anders_Sparrman, Stand: 17.08.2011
90
MUSEUM HEINEANUM 1851, 1/73
91
GMELIN 1789, 1/ 302
92
GOEZE 1794, 4/ 318
93
BECHSTEIN 1805, 2/ 1335
16 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Schäckerdickkopf, Schäferdickkopf: Zu „Schäckerdickkopf“ siehe ausführ-


lichen Beitrag beim Neuntöter.
„Schäferdickkopf“ erschien erstmalig bei NAUMANN für den Rotkopfwür-
ger, sonst praktisch nicht mehr, außer bei BREHM für den Schwarzstirnwür-
ger. Es dürfte sich um eine Verfälschung aus „Schäckerdickkopf“ handeln94

Maskenwürger (Lanius nubicus)


Der Maskenwürger bewohnt „reich strukturierte Landschaften, in denen
kurzrasige offene Flächen mit dichterem Baum- und Buschbewuchs durch-
setzt sind. Optimalhabitate weisen einen durchschnittlich dichteren Baum-
bestand auf als die bevorzugten Habitate der meisten anderen Lanius-Arten.
So besiedelt er Pappelalleen, alte, im Idealfall durch extensive Weidewirt-
schaft genutzte Obstgärten, Olivenhaine, aufgelockerte Eichen-, Pinien- und
Zedernwälder sowie Wacholderbestände. Er kommt vom Meeresniveau bis
in Gebirgslagen von über 2000 Meter vor, scheint aber Hügel- und Vorge-
birgsland zu bevorzugen. Auf dem Hermon, an dessen Hängen der Rotkopf-
würger, der Südliche Raubwürger und der Neuntöter sympatrisch mit dem
Maskenwürger vorkommen, war der Maskenwürger vor allem in Obstgärten
unter 1000 Metern anzutreffen. … Der Maskenwürger scheint nirgendwo
häufig zu sein.“95
Maskenwürger: Der Vogel, der etwa gleich groß ist wie der Neuntöter,
kommt in Mitteleuropa nicht vor. Er ist Sommervogel auf dem südlichen
Balkan und im östlichen Mittelmeerraum. Den Namen hat er wegen eines
schwarzen Augenstreifs im weißen Gesicht (das galt früher z. B. beim Mas-
kenball als Maske). Kopf, Kehle und Unterseite sind weiß, der Hinterkopf hat
eine schwarze Kappe, sodass der Name begründet ist.

Schwarzstirnwürger (Lanius minor)


„Seine Stimme klingt kyäck, kyäck! oder schäck; kwiae! kwi-ell! kwiell! und
perletsch, holletsch. Von seiner bewundernswürdigen Gelehrsamkeit, vermö-
ge welcher er den Gesang vieler kleiner Singvögel ganz ohne Anstoß nach-
singen soll, habe ich mich nie ganz überzeugen können, ohnerachtet er sich
in meiner Gegend so häufig aufhält und ich ihn täglich zu beobachten Gele-
genheit habe. Ich habe ihn hören die Lockstimme des Schwunsches [Grün-
fink], des Sperlings, der Schwalbe, des Stieglitzes und mehrerer andern kleiner

94
NAUMANN 1822, 2/ 22 und BREHM 1879, 5/ 484
95
http://de.wikipedia.org/wiki/Maskenwürger, Stand: 10.09.2011
PASSERES – SINGVÖGEL 17

Vögel, und mitunter auch eine Strophe aus ihrem Gesange unter einander
mengen, worunter dann auch seine Locktöne öfters mit ertönten, und auf
diese Art einen nicht unangenehmen Gesang hervorbringen; aber einen or-
dentlichen zusammenhängenden Gesang eines andern Vogels habe ich ihn nie
hören nachahmen; und er soll doch sogar den Gesang der Nachtigall, nur aber
nicht so laut nachsingen, ohne eine Sylbe davon auszulassen.“96
Schwarzstirnwürger, Schwarzstirniger Würger: Der Nachweis dieses Vogels
für Köln stammt laut GESSNER aus der Zeit um 1544. Zwischen 1780 und
1850 war er ein über ganz Deutschland verbreiteter Brutvogel.97
Farblicher Hauptunterschied zum Raubwürger ist die schwarze Stirn. Für
BREHM gehörte er zu den schönsten der Familie, womit er Farbe, Gestalt,
Haltung und Flug meinte.98
Grauer Würger, Grauwürger, Kleiner Würger, Kleiner grauer Würger,
Kleiner grauer Neuntödter, Kleiner aschgrauer Neuntöter: Der Vogel er-
scheint als die etwas verkleinerte Ausgabe des Raubwürgers. Daher „klein“
und „grau“ im Namen. Er jagt von der Warte aus und spießt die Beute nicht
auf. Bei schlechtem Wetter sucht er die Nahrung am Boden oder ist auf Rüt-
telsuchjagd. Er frisst überwiegend Insekten, nur selten Wirbeltiere.
Gemeiner aschgrauer Würger: „Gemein“ war dieser Würger wegen seiner,
zumindest regionalen, Häufigkeit. „Da er alle Jahre in Menge um mich woh-
net, und dieses Jahr zwey in meinem Garten nisten, so habe ich ihn genau
beobachten können.“99
Kleiner aschgrauer Dorndreher, Kleiner grauer Dorndreher, Kleiner
aschgrauer Dorntreter, Kleiner grauer Dorntreter: „Er hat eine eigene Art,
Insekten zu haschen. Er sitzt entweder auf einem Baumgipfel, sieht mit un-
verwandtem Blick auf die Erde herab, und schießt, sobald er einen Käfer oder
anderes Insekt gewahr wird, wie ein Pfeil herab, nimmt es auf und verfügt sich
wieder auf den Baum, um den Raub, den er unter die Füße nimmt, in Ruhe
zu verzehren. … Er tödtet die Insekten oft aus bloßer Mordsucht, und läßt
sie liegen.“100 Anders als es die „Dorndreher“- und -„treter“-Namen vermuten
lassen, spießt dieser Würger seine Beute in der Regel nicht auf Dornen.
Auch der Neuntöter hatte die Namen „Dorndreher“ und „Dorntreter“. Dort
wurde Folgendes zitiert: „Was er von den grössern Ungeziefer nicht gleich ver-

96
J. A. NAUMANN 1802, 79
97
SPRINGER 2007, 263
98
BREHM 1866, 3/ 697
99
BECHSTEIN 1791, 382
100
JESTER 1823, 4/ 292
18 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

zehren kan, das steckt er mit dem Schnabel auf einen Dorn, damit es sterben
und nicht herab fallen soll, wovon ihn viele den Dorn-Dreher heissen, weil
er seine übrige Speise, als Käfer und dergleichen, gleichsam auf den Dorn
drehet, bis sie fest stecken bleiben.“101
„Weil er nun mit einem solchen Bissen oder gefangenen Käfer, den er ver-
wahren will, lange auf den Dorn-Strauchen herum trit, ehe er eine bequeme
Spitze dran findet; so nennen ihn einige Dorn-Treter.“102
„Dorntreter möchte er heißen, weil er meistens in Dornhecken auf Feldern
und Gärten hecket und daselbst auch wohnet.“103
Drillelster: Der Name war in der Mark Brandenburg üblich und ist wohl
auch durch die Sage „Die Kra un där Gril-Elster“ bekannt geworden. Außer-
dem war das Wort ein Anredepronom für alle Personen, die man nicht mit
„du“ anredet: „Ihr, nemlich die Drillelster.“104
Der Name, der nicht sehr verbreitet war, kam schon im 18. Jahrhundert vor
und wurde auch für den Raubwürger verwandt. So ist „Drillen“ hier im Sinne
von „Aufspießen“ zu verstehen und passt damit weniger gut zum Schwarz-
stirnwürger.105
Sommerkriekelster, Sommer-Kriekelster: „In manchen Gegenden werden
die Würger als Elstern oder Häher benannt, wobei wohl das Geschrei der
verbindende Vergleichspunkt ist.“106 Diese Zuordnung kennt man schon aus
dem 16. Jahrhundert. Ähnlich der „Krigelster“ (Blauracke) ist auch „die Zu-
sammensetzung in ihrem ersten Teil onomatopoietisch.“107
Für die „Kriekelster“ gilt Ähnliches, was OKEN zum Raubwürger schrieb:
„Weil die Färbung Ähnlichkeit mit der Aelster hat, und er sich beständig mit
anderen Vögeln herum zankt, so hat man ihm den Namen Kriegs-Aelster ge-
geben.“108
„Unter den im Frühling zurückkehrenden Sommervögeln ist der schwarzstir-
nige Würger einer der letzten …, ebenso tritt er mit am frühesten, gewöhnlich
schon im Spätsommer, Ende Augusts, seine Reise wieder an.“109

101
FRISCH 1763, T. 61
102
FRISCH 1763, T. 61
103
LANGGUTH 1776, 2/ 369
104
ENGELIEN/LAHN 1868,115: Der Volksmund in der Mark Brandenburg
105
GRIMM/GRIMM 1984, 2/ 1410
106
SUOLAHTI 1909, 151
107
SUOLAHTI 1909, 16
108
OKEN 1837, 86
109
BREHM 1866, 3/ 697
PASSERES – SINGVÖGEL 19

Kleine Kriekelster, Kleine Bergelster, Kleine Steinelster: „Ihr Flug ist


schwankend, und daher nennt man sie auch Berg-Aelster.“110 Die Betonung
liegt hier auf „Aelster“.
Kriekelster, Bergelster und Steinelster waren auch Trivialnamen des größeren
Raubwürgers. Beide Arten bevorzugen offene oder halboffene Landschaften
mit niedriger Vegetation und niedrigen Büschen und Hecken, aber auch ex-
tensiv bewitschaftete Obstwiesen. Die Vorsilben „Berg-“ und „Stein-“ haben
nichts mit einem Vorkommen in kargen Gebirgsregionen zu tun, eher mit
dem Vorkommen der Vögel in Vorbergzonen. Die Vögel sind meist Flach-
landbewohner.
Kleine Scheckelster: „Ruft elsterähnlich tsche, tsche“.111 Das „Scheck-“ be-
zieht sich aber nicht auf die Elster, sondern, wie bei Neuntöter und Rotkopf-
würger, auf das Jugendkleid.
Scheckelster war auch ein Nebenname der Elster. In dem Fall kommt der
Name von der Stimme.112
Grauer Schäckerdickkopf, Schäferdickkopf: Zu „Schäckerdickkopf“ siehe
ausführlichen Beitrg beim Neuntöter.
„Schäferdickkopf“ erschien erstmalig bei NAUMANN für den Rotkopfwür-
ger, sonst praktisch nicht mehr, außer bei BREHM, diesmal aber für den
Schwarzstirnwürger. Es dürfte sich um eine Verfälschung aus „Schäckerdi-
ckkopf“ handeln.113
Italienischer Würger, Rosenwürger: C. L. BREHM hatte den Schwarzstir-
nigen Würger „Kleiner rosenbrüstiger Würger“, „Lanius minor, Linn.“ und
„Lanius Italicus, Lath.“ genannt. Die Färbung von Brust und Bauch war für
ihn „rosenroth“. Alfred BREHM machte aus dem von seinem Vater vergebe-
nen Namen den „Rosenwürger“.114 Aus LATHAMS „Lanius Italicus“ hatte
schon BECHSTEIN den „Italiänischen Würger“ gemacht.115 „Dieser Würger,
der dem großen so ähnlich sieht, ist vor dem Thüringerwalde nicht selten;
sonst bewohnt er noch Italien, Spanien, England und Rußland.“116

110
OKEN 1837, 86
111
SVENSSON et al. 2011, 352
112
BEHLEN 1842, 324
113
NAUMANN 1822, 2/ 22 und BREHM 1879, 5/ 484
114
BREHM 1879, 5/ 484
115
BECHSTEIN 1802, 101
116
BECHSTEIN 1791, 382
20 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Raubwürger (Lanius excubitor)


„In einem, am Walde vorstehenden, Dickige fing eine Schwarzdrossel jäm-
merlich zu schreien an. Bald darauf kam sie heraus, und ein großer Würger
hinter ihr her, welcher unaufhörlich mit dem Schnabel auf sie stieß. Sie konn-
te kaum noch fliegen und fiel ermattet vor unsern Füßen nieder. Wir hoben
sie auf, konnten ihr aber die Freiheit nicht wiedergeben; denn sie war so ver-
wundet, daß sie in kurzer Zeit starb. So hatte also der Würger einen Vogel
getödtet, welcher noch ein Mal so schwer, als er selbst ist. Und diesen Vogel
soll man nicht hinter den Raubvögeln stehen lassen, sondern zu den Insecten
fressenden, d. h. zu den Singvögeln setzen? Er wird sich die Nachbarschaft
recht gern gefallen lassen.“117
Raubwürger, Großer grauer Würger, Großer Würger: „Großer grauer
Würger“ ist der Leitname bei BECHSTEIN.118 Die Würger sind „ein zahl-
reiches Vogelgeschlecht, von so tapferen, muthigen, räuberischen Wesen, daß
sie manche Naturforscher zu den Raubvögeln gebracht haben.“119 Wie diese
greifen auch die Würger andere Vögel an „und würgen dieselben ab. – Diese
grausamen Eigenschaften kommen denn auch zum Ausdruck in den volks-
tümlichen Benennungen der lanius-Arten.“120
Der Raubwürger ist der größte unserer heimischen Würger. Nach BREHM
tötet er durch Würgen mit den Klauen.121 NIETHAMMER nannte das „Kne-
ten mit den Krallen“.122
„Insekten und andere Kleintiere werden immer mit dem Schnabel gepackt
und durch Bisse in den Thorax getötet, Wirbeltiere oft mit dem Schnabel
gefaßt und gleichzeitig mit den Beinen niedergedrückt oder mit den Füßen
gegriffen und anschließend durch Nackenbisse getötet. Säugetiere werden
meist, Vögel gelegentlich ohne Beineinsatz angegriffen und durch heftige
Schnabelschläge gegen den Hinterkopf getötet.“123
Würgvogel, Würgengel, Warvogel, War-Krungel, Wan-Krengel, Worgen-
gel: Der Wortteil „Würg-“ in den Vogelnamen bedeutet nicht erwürgen. Im
Althochdeutschen bedeutet „warc“ so viel wie „Räuber“.124 Die anderen Wort-
teile, hier „-Krungel“ und -Krengel“ können von „-engel“ abgeleitet werden

117
C. L. BREHM 1821, 2/ 693
118
BECHSTEIN 1791, 376
119
VOIGT 1835, 180
120
SUOLAHTI 1909, 147
121
BREHM 1866/ 695
122
NIETHAMMER1937, 1/ 259
123
GLUTZ VON BLOTZHEIM/BAUER 1993, 13/ 1302
124
SUOLAHTI 1909, 149
PASSERES – SINGVÖGEL 21

und sind ursprünglich Verkleinerungen wie z. B. die heutige Silbe „-chen“.


„War-Krungel“ und „Wan-Krengel“ bedeuten demnach etwa „Räuberchen“
oder „Kleiner Räuber“.125
Der althochdeutsche Ausdruck „warc-gengil“ ist als „Warkengel“ seit dem 16.
Jahrhundert in Deutschland belegt.126 Er wurde auch als „Wolfgänger“ gedeu-
tet. Danach wäre der Vogel eigentlich ein in Wolfsgestalt umherstreichender
böser Geist. „Warc-gengil“ könnte aber auch mit dem angelsächsischen „wer-
genga“ in Zusammenhang gebracht werden, was „Varäger, umherstreichender
Fremdling“ bedeute. „Da manche Würgerarten nordische Vögel sind, welche
in Deutschland nur als wandernde Gäste angetroffen werden, so könnte man
sie als Varäger auffassen, ebensogut wie man in dem Seidenschwanz einen
Böhmen oder Friesen sah.“127 (Siehe auch bei Neuntöter)
Wehrvogel, Wahrvogel: Die Begriffe könnten aus wergel, wärgel entstan-
den sein, welche Wörter wieder um von „warg“ für Übeltäter, Unhold ab-
stammen.128 Im Zusammenhang mit Lanius excubitor und Lanius collurio
geht „warg“ auf die „ursprüngliche Bedeutung von ‚Würger‘ zurück“. „Der
Wargengel erwürgt erst soviele Vögel, als er in der Nähe sieht, bevor er sie
verzehrt.“ Die Autoren halten für „Wargengel“ und die daraus abgeleiteten
Begriffe eine diminutive Bildung für möglich.129
Gemeiner Würger, Grauer Würger, Aschfarbiger Würger, Großer blauer
Würger: BECHSTEIN führte diesen „in Deutschland allenthalben bekann-
ten Vogel“ als „Gemeiner Würger“, dessen hellgraue Gefiederbereiche auch
als „aschfarbig“ und „blau“ angesehen wurden.130 In der Übersetzung von
BUFFONS Naturgeschichte findet man den Raubwürger als „Aschfarbiger
Würger“.131
Neuntödter, Neunmörder, Gemeiner Neuntöter, Großer europäischer
Neuntöter, Größter europäischer Neuntöter, Neunmörder: Das Wort
„Neuntöter“ stammt als „Nüntöder“ von GESSNER (1555).132 Den Raub-
würger hatte GESSNER „grose Nuenmoerder“ genannt.133 „Er vertilgt eine
Menge Maykäfer, Roßkäfer, Bremsen, Gryllen und Heuschrecken, und spießt
sie an Schwarz- und Weißdorn an, bisweilen auch einen jungen Vogel, Frosch,

125
HOFFMANN 1937, 60
126
GESSNER/HORST 1669, 154b
127
SUOLAHTI 1909, 149
128
GRIMM/GRIMM 1984, 28/ 306 + 27, 2016
129
SUOLAHTI 1909, 149
130
BECHSTEIN 1805, 2/ 1308
131
BUFFON/MARTINI 1787, 2/ 215
132
STRESEMANN 1941, 98
133
SPRINGER 2007, 259
22 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

eine Maus, Eidechse, oder Stücke davon, daher er den Namen Neuntödter
bekommen hat.“134 Der Zusatz „Neun-“ entspringt der Vorstellung, dass der
Vogel bis zu neun Beutestücke aufspießt, wobei einmal neun pro Tag gemeint
ist, oder auch die Obergrenze neun. Nach anderen Fabeln muss er erst neun
Tiere aufspießen, bevor er mit dem Fressen beginnen kann, bzw. muss er je-
den Tag neun Vögel fressen, um nicht zu sterben.
„Leider macht sich dieser so muntere und singfähige Vogel in anderer Hin-
sicht im höchsten Grade unbeliebt. … Naumann hat beobachtet, daß er jun-
ge Dorngrasmücken, gelbe Bachstelzen und Spießlerchen [Wiesenpieper] er-
würgte und fortschleppte.“135 Wegen der bei der Bevölkerung empfundenen
grausamen Eigenschaften kamen Namen wie „Neunmörder“ zustande und
im Englischen „Butcherbird“ oder „Murderingpie“.136
„Gemeiner“ und „Großer europäischer Neuntöter“ findet man 1791 bei
BECHSTEIN. Letzteren Namen hat BECHSTEIN 1802 in „Größter euro-
päischer Neuntöter“ verbessert.137
Den wohl schon früh verbreiteten Namen „Großer Neuntödter“ findet man
bei PERNAU (1702), GÖCHHAUSEN (1731) und ZORN (1743).
Blauer Neuntöter, Aschfarbiger Neuntöter: Die hellblaugrauen Gefieder-
bereiche waren wie bei anderen Würgern auch hier namengebend.
Thornkrätzer, Thornkraser: SPRINGER verband „Thornkrätzer“ und
„Thornträer“ mit den lateinischen „torquispinum oder „spinilanium“.138 Diese
Wörter beinhalten mit „-spinum“, „spini-“ Dorn, dornig, stechend, mit „tor-
qui-“ foltern, plagen, quälen und mit „-lanium“ Metzger.139
Großer Dorndreher: „Doctor Geßner hat diesem Vogel den Lateinischen
Namen [Lanius cinereus, der graue (Zer-)Fleischer] darumb gegeben, weil er
andere Vögel, so nicht allein kleiner, sondern auch größer sind als er, zerzerret
und zerreisset. Zu Teutsch wird er Dorndreher und Dornkrätzer darumb ge-
nennt, weil er die Käfer oder Vögelein, so von ihm gefangen worden, an einen
Dorn stecket, und daran umbdrehet und ertödtet.“140
Das Wort ist seit dem 16. Jahrhundert belegt und geht zurück auf das alt-
hochdeutsche Wort „dorndrâhil“.141

134
OKEN 1837, 84
135
BREHM 1866, 3/ 700
136
SUOLAHTI 1909, 147
137
BECHSTEIN 1791, 376 + 1802, 100
138
SPRINGER 2007, 260
139
PETSCHENIG (Kleiner Stowasser), 1971
140
GESSNER/HORST 1669, 152b
141
GRIMM/GRIMM 1984, 2/ 1294
PASSERES – SINGVÖGEL 23

Auch der Neuntöter hatte den Namen „Dorndreher“. Im dortigen Kapitel


wurde zitiert: „Was er von den grössern Ungeziefer nicht gleich verzehren
kan, das steckt er mit dem Schnabel auf einen Dorn, damit es sterben und
nicht herab fallen soll, wovon ihn viele den Dorn-Dreher heissen, weil er seine
übrige Speise, als Käfer und dergleichen, gleichsam auf den Dorn drehet, bis
sie fest stecken bleiben.“142
Namen mit „-elster“: Viele Trivialnamen, wie die folgenden, tragen den
Wortteil „-elster“. „Seine Flügel, relativ kürzer als die der anderen … Wür-
gerarten… Überall fällt er durch sein lebhaftes Wesen sowie das leuchtend
schwarz-weiße Gefieder und den langen schönen Schwanz auf.“143 Dazu kom-
men der schwankende Flug und sein zänkisches Wesen.144
„In manchen Gegenden werden die Würger als Elstern oder Häher benannt,
wobei wohl das Geschrei der verbindende Vergleichspunkt ist.“145 Diese Zu-
ordnung kennt man schon aus dem 16. Jahrhundert.
Krieg-Aelster, Kriegelelster, Kriekelster, Griegelelster, Winter-Kriekel-
ster: „Weil die Färbung Aehnlichkeit mit der Aelster hat, und er sich bestän-
dig mit anderen Vögeln herum zankt, so hat man ihm den Namen Kriegs-
Aelster gegeben, woraus im Französischen ‚Pie-Griéche‘ geworden ist“.146 Der
Name ist auch im „ersten Teil onomatopoietisch.“147 Der Raubwürger ist ein
Jahresvogel, daher der Name „Winter-Kriekelster“.
Strauchelster, Buschelster, Bergelster, Bergälster: Bei FRISCH war „Berg-
Aelster“ der Leitname für den Raubwürger. „Sein gemein Geschrey kommt
kommt der Aelster ihrem fast gleich. Er bleibt auch im Winter über im Lan-
de, und raubt in den Büschen was er von Gevögeln zwingen kan. In der Fal-
conier-Kunst kan man ihn abrichten, daß er einen Vogel, den man ihm zeigt
mit der Hand, in das dickeste Gesträuch verfolgt und tödtet. Weil er sich
ebenfalls in Büschen und Dorn-Sträuchern, besonders zur Heck-Zeit aufhält,
und von der Aelster auch Geschrey, auch wackeln mit dem Schwantze, vieles
an sich hat, so nennen ihn einige die Strauch-Aelster, andere heißen ihn auch
die Berg-Aelster.“ Die Erklärung von „Bergelster“ blieb FRISCH schuldig.148

142
FRISCH 1763, T. 61
143
FEHRINGER 1951, 104
144
OKEN 1937, 86
145
SUOLAHTI 1909, 151
146
OKEN 1937, 86
147
SUOLAHTI 1909, 16
148
FRISCH 1763, T. 59
24 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

„Im Sommer ist sein Aufenthalt in Wäldern und Gebirgen, im Winter kömmt
er auf die Ebenen, und nähert sich bewohnten Plätzen. Er horstet im Wald
oder in bergigen Gegenden, auf den höchsten Bäumen.“149
„Er nistet an Waldrändern in der Nähe von Viehweiden mit Gebüsch und
Wiesen, am liebsten, wo wilde Birnbäume und Dornbüsche sind, auf einem
hohen Baum.“150 „Ihr Flug ist schwankend und daher nennt man sie auch
Berg-Aelster.“151
Sperelster, Sperrelster: „Die Bildung Speralster, welche Popowitsch a. a.
O. aus Österreich angibt (in der Steiermark Sperrgalster), ist vielleicht aus
Spar-alster (Sperlingselster) entstanden.“152 Diese Deutung passt eher auf den
Neuntöter als auf den Raubwürger.
Straußelster: „Strauß“ bedeutet hier Kampf, Streit. So ist ein Straußhahn ein
Kampfläufer.153 Der Raubwürger wurde als zänkisch beschrieben.
Kruckelster: „Den Nahmen Kruckälster hat er vermuthlich von seinem vor-
nen etwas gebogenen schwarzen Schnabel.“ ADELUNG verwies auf eine
„Krücke“, einen krummen, gebogenen Gegenstand oder Werkzeug, mit dem
aber keine Gehhilfe gemeint war.154
Krauselster: Mit „kraus“ ist meist in irgendeiner Form krauses Haar gemeint.
Es kann sich aber auch auf Büsche und Bäume beziehen, „deren Laub von
jeher mit Haar verglichen ward.“155
Steinelster: Der Name wurde viel gebraucht, zitiert, dessen Herkunft aber
nicht erklärt. „Steinelster“ nannte man außer dem Neuntöter alle anderen
Würger. Alle haben ähnliche Lebensräume, nämlich sonnige offene bis halb-
offene, „steinige“ Landschaften. Die eigentliche Elster lebt zwar auch in sol-
chen Landschaften, braucht aber Wälder oder Gehölze zur Brut.156
Bei ADELUNG findet man einige mit „Stein-“ beginnende Vogelnamen, zu
denen er etwa schrieb: „Vermuthlich wegen ihres Aufenthaltes in felsigen und
gebirgigen Gegenden.“157

149
BUFFON/MARTINI 1787, 2/ 228
150
HECK 1849, (Bilderatlas) 1/ 454
151
OKEN 1837, 86
152
SUOLAHTI 1909, 152
153
ADELUNG 1801, 4/ 429
154
ADELUNG 1796, 2/ 1801
155
GRIMM/GRIMM 1984, 11/ 2089
156
BEZZEL 1993, 5/ 22 + 534
157
ADELUNG 1801, 4/ 336f
PASSERES – SINGVÖGEL 25

Wildelster, Wilde Elster: Diesen Namen hatte der Raubwürger vor allem
in Österreich.158 Das „Wild-“ im Namen bedeutet „unecht, uneigentlich.“159
Sinngemäß soll das heißen, dass der Vogel zwar „Elster“ genannt wird, aber
keine ist.
Wildwald: Bei analoger Anwendung von „Wild-“ wie bei dem vorigen Na-
men könnte man das Wort so deuten, dass der Raubwürger nur scheinbar ein
Waldvogel ist, weil er offenere Biotope bevorzugt. Der Name, den BECH-
STEIN schon 1791 zitierte, wird in der Literatur durchaus häufig genannt, er
wird aber nicht erklärt.
Wächter, Wachender Würgvogel: MÜLLER hat den Raubwürger „Wäch-
ter“ genannt „Weil er fleißig auf seiner Hut ist, die großen Habichte wahrzu-
nehmen, so pflegt er durch sein Geschrei die kleinen Vögel davon zu benach-
richtigen, daher man ihm den Namen ‚Excubitor‘ oder Wächter gegeben.“160
„Dem wehrlosen Getier gegenüber ist er recht forsch und draufgängerisch;
doch beherrscht ihn selbst eine auffallenden Raubvogelangst, und er zeigt
einen Sperber schon von weitem durch seinen schrillen Ruf an, der auch die
übrigen Vögel warnt, daher sein Name ‚excubitor‘, ‚der Wächter‘. Die Falkner
des Mittelalters benutzten diesen Meldedienst gern, wenn sie Beizvögel ein-
fangen wollten.“161
Abdecker: Das Wort wurde von MÜLLER aus dem französischen „Écor-
cheur“ mit „Abdecker“ übersetzt.162 Der Vogel lebt großenteils von kleinen
Wirbeltieren, die er mit kurzem Biss ins Genick tötet, also nicht mit den
Klauen würgt. Vögel rupft er vor dem Herausreißen mundgerechter Stücke,
er zieht ihnen scheinbar die Haut ab, „deckt“ sie ab, um an das Fleisch zu
kommen.163
Früher war der „Abdecker“ ein Beruf, den man auch „Schinder“ nannte.
Metzger, Metzcher: „Metzger“ ist der ins Deutsche übersetzte lateinische
Gattungsname „Lanius“. „Die Engelländer heißen sie Metscher-Vögel, oder
Butcher-Bird.“164
Waldhäher, Waldherr: „In manchen Gegenden werden die Würger als Els-
tern oder Häher benannt, wobei wohl das Geschrei der verbindende Ver-

158
POPOWITSCH 1780, 410
159
GRIMM/GRIMM 1984, 30 + 63
160
MÜLLER 1773, 113
161
FEHRINGER 1951, 104
162
MÜLLER 1773, 108
163
BREHM 3/ 695
164
MÜLLER 1773, 108
26 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

gleichspunkt ist. Gesner nennt die Ausdrücke Waldhäher und Waldherr aus
Freiburg [Schweiz].“165 Als „Waldhäher“ („Waldheher“) war der Eichelhäher
bekannt, als „Waldherr“ eher nicht. Dieser Name gehörte dem Neuntöter
und dem Raubwürger.
Buschfalk, Gebüschfalke, Buschfalke: Der Raubwürger ist überwiegend
Wartenjäger (2–5 m Höhe), der seine Beute am Boden schlägt. Er macht auch
kurze Rüttelflüge. Bei Mäusen landet er häufig neben der Beute, auf Vögel
stößt er herab. Nach Fehlstößen kommt es besonders im Winter zu langan-
dauernden Verfolgungsjagden.166 Zu Busch-, Gebüsch- siehe „Buschelster“.
Großer grauer Afterfalke: Würger wurden früher als Afterfalken bezeichnet,
was soviel heißt wie unechte, falsche Falken.167 Sie wurden allgemein erst im
Anschluss an die eigentlichen Greifvögel behandelt. Trotz der Unterschiede
im Körperbau sah man mit den Greifvögeln Gemeinsamkeiten im Verhalten.
„Diese kleinen Raubvögel gehören auch zu den Falken, und können After-
falken genennet werden.“168
Ottervogel, Bläulicher Ottervogel: „Ottervogel“ ist die genaue Übersetzung
des englischen, bei BUFFON/MARTINI zu findenden „Adder-bird“.169
Der Ottervogel oder Nattervogel ist eigentlich der Wendehals wegen seines
schlangenartig beweglichen Halses. Das passt nicht zum Raubwürger. NAU-
MANN verglich dessen Bogenflug mit einer Schlangenbewegung: „Ihr Flug
ist weder schnell noch lange dauernd, aber mit sehr geschwinder Flügelbewe-
gung und in schlangenförmigen Bogen, fast wie der Flug eines Spechtes.“170
Waldather: „Besser wol Waldatter (auch Attervogel, Ottervogel genannt).“
Der Name wurde schon von BUFFON genannt, ist also schon älter.171

Mittelmeer-Raubwürger (Lanius meridionalis)


Der Mittelmeer-Raubwürger ist in Südfrankreich und auf der Iberischen
Halbinsel verbreitet. In einigen Gebieten Südfrankreichs kommt er sympat-
risch mit dem Nördlichen Raubwürger vor. Hybride dieser beiden Arten sind
nicht bekannt – was für selbständige Arten spricht.

165
SUOLAHTI 1909, 152
166
GLUTZ VON BLOTZHEIM/BAUER 1993, 13/ 1301f
167
GRIMM/GRIMM 1984, 1/ 186
168
KLEIN/REYGER 1760, 52
169
BUFFON/MARTINI 1787, 2 /216
170
NAUMANN 1822, 2/ 7
171
GRIMM/GRIMM 1984, 27/ 1093 und BUFFON/MARTINI 1787, 2/ 216
PASSERES – SINGVÖGEL 27

Der Südliche Raubwürger ähnelt dem Nördlichen im Aussehen sehr, dennoch


sind beide feldornithologisch an den unterschiedlichen Färbungen des Ober-
sowie des Brust- und Bauchgefieders gut unterscheidbar.
Auch die Lautäußerungen beider Arten sind sehr ähnlich. Den Mittelmeer-
Raubwürger kennzeichnen rauhe, krächzend-kreischende Rufe oder recht fei-
ne, langanhaltende Pfiffe, aber auch melodiöse, trillernde Strophen, die plau-
dernd-schwätzend vorgetragen werden. In diese eher leisen Strophen werden
gelegentlich Gesangselemente anderer Singvögel eingestreut, doch kommen
Gesangsimitationen seltener vor als beim Raubwürger L. excubitor.172
Südlicher Würger: TEMMINCK hat den Vogel 1820 beschrieben und ihn
„Lanius meridionalis“ genannt, was nur OKEN in seinen Abbildungsband
übernahm. Der deutsche Name ist ein Kunstname, der von C. L. BREHM
stammt. „Er vertritt im Süden, nämlich in Dalmatien, dem mittäglichen Ita-
lien, Frankreich und Spanien, auch in Egypten die Stelle unsers großen, ist
ihm in der Größe fast oder ganz gleich und in der Zeichnung ähnlich.“173
Hesperidenwürger: „Hesperidenwürger“ war der Leitname BREHMS für
„Lanius meridionalis“, den er wahrscheinlich selber gebildet hat und der au-
drücken sollte, dass der Vogel aus dem Süden stammt: In der dritten Auflage
des Tierlebens wurde die Art als „Südlicher Raubwürger oder Hesperiden-
würger“ vorgestellt.174
„Die Hesperiden sind Nymphen (die hellsingenden Töchter) der griechischen
Mythologie. Ihre Zahl schwankt je nach Quelle zwischen drei und sieben. Sie
hüteten in einem wunderschönen Garten einen Wunderbaum mit goldenen
Äpfeln, den Gaia der Hera zu ihrer Hochzeit mit Zeus wachsen ließ. Die Äp-
fel verliehen den Göttern ewige Jugend.“175

Krähenverwandte – Corvidae
„Diese Vögel haben einen scharfen Geruch, und sämmtlich die besondere Ei-
genschaft, allerlei glänzende Dinge zusammen zu tragen und zu verstecken. Es
sind sehr gesellige Vögel, die fast zu allen Jahreszeiten in Heerden beisammen
leben. … Es sind listige und gelehrige Vögel.“176

172
http://de.wikipedia.org/wiki/Südlicher_Raubwürger, Stand: 4.07.2012, verändert.
173
C. L. BREHM 1823, 86 und OKEN 1843, 9
174
BREHM 18795/ 486
175
http://de.wikipedia.org/wiki/Hesperiden, Stand: 11.09. 2011
176
NAUMANN 1822, 2/ 41
28 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Alpendohle (Pyrrhocorax graculus)


„Er hat ein seltsames Gelüste zum Feuer, zieht oft den brennenden Docht aus
den Lampen und verschluckt denselben; ebenso des Winters kleine Gluthen
aus dem Camin, ohne daß es ihm im Geringsten schadet. Er hat eine beson-
dere Freude, den Rauch aufsteigen zu sehen, und so oft er ein Kohlenbecken
wahrnimmt, sucht er ein Stück Papier, einen Lumpen oder einen Splitter,
wirft es hinein und stellt sich dann davor, um den Rauch anzusehen. Sollte
man daher nicht vermuthen, daß dieser der brandstiftende Vogel (Avis incen-
diaria) der Alten sey?“177 Der Sage nach raubt der nicht näher bestimmbare
„incendiaria avis“ glühende Kohlen von Altären und ist ein Unglücksvogel.
Alpendohle, Bergdohle: „Alpendohle“ für „Pyrrhocorax graculus“ ist ein
Kunstname von A. BREHM.178 BUFFONS Leitname für den Vogel war
„Bergdohle“.179
Alpenrabe, Gemeiner Alpenrabe, Alprabe, Alpenkrähe, Alpkräher, Berg-
tul, Bergdule, Schneedohle, Steindohle, Krähdohle, Schneealpenrabe:
Berge, Gebirge, Steinwüste, Schnee – dort leben die Alpendohlen, die schon
im 16. Jahrhundert als „bergdol“ bekannt waren.180 Der sommerliche Lebens-
raum liegt mehr im Hochgebirge, bis 4000 m, im Winter kommen sie in
tiefere Lagen. Mit den namensgleichen Dohlen aus der Gattung Corvus haben
die gelbschnäbeligen, rotbeinigen Vögel, außer der Gefiederfarbe, nicht viel
gemein.
Da eine Verwechslung mit der in den Alpen seltenen Alpenkrähe eher nicht
geschah, ist verständlich, dass für einen größeren schwarzen Vogel in den
Alpen, besonders in der Schweiz, wo die Namen überwiegend entstanden
sind, die für Rabenvögel bekannten Bezeichnungen verwendet werden. So
entstanden neben „Dohle“, mit den Vorsilben Alpen-, Berg-, Stein-, Schnee-,
auch „Rabe“ oder „Krähe“ mit ähnlichen Vorsilben.
Alpkachel: In der Umgebung von Glarus (Schweiz) meinte man im 16. Jahr-
hundert mit „Alpkachlen“ die Alpendohlen. Der Name leitet sich nach SUO-
LAHTI aus dem Mittel- und Althochdeutschen ab und bedeutet soviel wie
„laut lachen“.181
Alprapp, Bernen, Wildetul, Steinhetz: „Außer Alpkachlen sollen die Vö-
gel in Glarus auch Wilde Tulen [wilde Dohlen] genannt werden, in Wallis

177
OKEN 1837, 339
178
BREHM 1866, 3/ 341 und STRESEMANN 1941, 80
179
BUFFON/OTTO 1781, 7/ 154
180
GRIMM/GRIMM 1984, 2/ 695
181
SUOLAHTI 1909, 190
PASSERES – SINGVÖGEL 29

Alprapp (Alpenrabe), bei den Rätiern Beenen [woraus auch Bernen werden
konnte], anderwärts Steinhetzen (zu Hetze, Elster).“182
Alpkray, Schneekrähe: Aus einigen Gegenden der Schweiz kennt man Schnê-
Chräje oder Alp-Chräje und Berg-Chräje für die Alpendohle.
Schneetahe, Tahen, Schneedachel, Dähe: Die Namen bedeuten „Schnee-
dohle, Dohle“. Dach(el) kommt von „dahle“, was „Dohle“ bedeutet. Dah-
le entstand aus dem ahd. taha. In der Schweiz auch dähi. „Schneetahe“ für
„Alpendohle“ kommt aus der Schweiz, „Schneedahe“ aus der Steiermark.
Taha war allerdings bei den Rätiern (Schweiz) eine Bezeichnung für die
Alpenkrähe, welche in Bayern – ähnlich – eine „Steintahe“ (nicht Schneeta-
he) genannt wurde.183
Flütäfi, Flüetäfi, Täfie, Däfi: Flü aus Fluh, das heißt in schweiz. Mundart
„Felswand“ (ahd. fluoh). Daraus entstand „Nagelfluh“, das ein Konglomerat
aus Geröllen, Kalksteinen und anderen Gesteinen bezeichnet und Lebens-
raum der Alpendohle ist. „Täfi“ kommt in der Schweiz aus „däfi“, das aus
„dahle“ entstand, dieses aus dem ahd. taha (s. o.).
Chächty: Auch „Chäch“ (etwa „Häher“) leitet sich über „Schneechächli“ und
„Schneedachel“ von „Dohle“ ab.184
Alpenamsel, Grosse Amsel der Alpen: BUFFON beschrieb die Darstellung
der Alpendohlenbeine bei verschiedenen Autoren, die sie von rot (GESS-
NER) über schwarz (BRISSON) bis gelb (im Winter) beschrieben hätten.
„Diese gelben Füße, und der Schnabel, welcher von gleicher Farbe, und viel
kleiner als an der Dohle ist, haben einigen Anlaß gegeben, die Bergdohle für
eine Amsel zu halten, und sie die große Amsel der Alpen zu nennen.“185
Auch GLOGER glaubte, gewisse Ähnlichkeiten der Alpendohlen mit Dros-
seln (Amseln) feststellen zu können. „Ein etwas drosselartiger Schnabel- und
Fußbau läßt sich dieser Art, gegen andere Arten der Rabengattung gehalten,
in der That nicht absprechen; was auch der Name Dohlendrossel besagen soll.
Die größere, wenn gleich bedingte Gesangsfähigkeit bietet, wie es scheint,
eine zweite Ähnlichkeit dar. … einen theils krähenden, theils volltönig und
amselartig pfeifenden Gesang.“186
Feuerrabe: „Feuer-rabe“ ist eine Übersetzung von „Pyrrho-corax“.

182
SUOLAHTI 1909, 190
183
SUOLAHTI 1909, 191
184
SUOLAHTI 1909, 190
185
BUFFON/OTTO 1781, 7/ 155
186
GLOGER 1834, 158
30 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Riester, Ryestere: Beide Namen hatte die Alpendohle nur in einigen Gebie-
ten der Schweiz. Nicht nur bei VOIGT: „Bisweilen kommt er in die Thäler,
hinter den Pflugschaar …“, sondern auch bei NAUMANN: „Wenn sie dem
Landmann hinter dem Pfluge folgen“, liest man von der Neigung der Vögel,
in der Zeit der Bestellung der im Gebirge gelegenen Felder auf frisch gepflüg-
ten Äckern nach Nahrung zu suchen. Dieses Verhalten fällt deshalb auf, weil
sich die Alpendohlen normal in höheren Regionen befinden.187 Und es hat
wohl zu den Namen geführt: Laut GRIMM/GRIMM ist ein „Riester“ Teil
eines Pfluges (Pflugschar, Pflugsterze).188
Auch der Name „Plogstert“ (Pflugsterz) für die Bachstelze ist so entstanden.

Alpenkrähe (Pyrrhocorax pyrrhocorax)


„Nach SCOPOLI [1769] kommt er nach dem Grummet [zweite Wiesen-
mahd] in Kärnthen zu Hunderten auf die niedrigern Wiesen, um Heuschre-
cken zu fressen; er liebt jedoch auch Wachholderbeeren und steigt in Krei-
sen in die Luft. Einige bekommen im Herbst schwarze Füße; sie laufen und
schreyen beständig, und nehmen einander die Nahrung vor dem Maule weg.
Sie fürchten weder Hunde noch Füchse, und wenn einer geschossen nieder-
fällt oder man einen Hut in die Höhe wirft, so kommt die ganze fliehende
Heerde wieder zurück, um dem Cameraden zu helfen.“189
Alpenkrähe: Alpenkrähe für „Pyrrhocorax pyrrhocorax“ ist ein Kunstname von
A. BREHM.190
Steindohle, Steinkrähe, Schneekrähe, Gemeiner Waldrabe: „Da die ältern
Schriftsteller selten gute Beschreibungen der Vögel gaben, und ihre Ausleger
oder Uebersetzer oft gar nicht wußten, von welchem Thiere eigentlich die
Rede sey, so entstand eine Vermischung der Nahmen, die Eigenschaften von
zwo ganz verschiedenen Vögelarten, wurde zusammen geworfen, aus zweyen
Nahmen eines einzigen Vogels machte man oft zwo Arten Vögel, und ge-
wöhnlich nahmen die Irrthümer mit der Zahl der Ausleger zu. Dies bemerkt
man auch bey der Steindohle. Der Herr von Büffon scheint diesen Vogel auch
nicht selbst beobachtet zu haben.“191
Was OTTO beklagte, setzte sich bis Mitte des 19. Jahrhundert fort, wie fol-
gende Auswahl deutscher Namen für die Alpenkrähe zeigt. Die wissenschaft-

187
VOIGT 1835, 162 und NAUMANN 1822, 2/ 120
188
GRIMM/GRIMM 1984, 14/ 953
189
OKEN 1837, 336
190
BREHM 1866, 3/ 334 und STRESEMANN 1941, 80
191
OTTO in BUFFON/OTTO 1781, 2/ 14
PASSERES – SINGVÖGEL 31

lichen Namen, die lediglich Verwirrung gestiftet hätten, wurden hier wegge-
lassen. Zuordnungskriterium war jeweils der rote Schnabel des Vogels.
BUFFONS „Steindohle“ wurde 1791 von BECHSTEIN übernommen, der
aber 1802 im Ornithologischen Tagebuch zum Begriff „Alpenkrähe“ wechselte
und 1805 zu „Schneekrähe“ (weil das die übliche Schweizer Bezeichnung ge-
wesen sei). NAUMANN (1822) bevorzugte den noch heute geltenden Begriff
„Alpenkrähe“ ( Corvus pyrrhocorax). OKEN (1837) wählte neben „Steinkrä-
he“ den Namen „Gemeiner Waldrabe“. Kurz vorher (1835) hatte VOIGT
den Vogel ebenfalls „Steindohle“ genannt. Obwohl BREHM ab der ersten
Auflage seines Tierlebens den Vogel „Alpenkrähe“ genannt hatte, wurde das
Namensdurcheinander noch 1902 von REICHENOW fortgesetzt, später
aber korrigiert.
Stein-Krähe: Die rotschnabelige Alpenkrähe ist kleiner als eine Krähe der
Gattung Corvus, mit der sie eigentlich nichts zu tun hat. Sie lebt wie die
Alpendohle auch im (steinigen) Hochgebirge, ist allerdings kein solcher Hoch-
gebirgsvogel wie diese. Die Zuordnungen der Begriffe „Dohle“ und „Krähe“
zur Alpendohle und Alpenkrähe waren nach WEMBER willkürlich.192
Steinrabe, Steinalpenrabe, Alpenrabe, Gebirgsrabe: Größere schwarze Vö-
gel, vor allem, wenn keine Notwendigkeit genauerer Bezeichnung besteht,
gelten heute noch als Raben.
Rotbeinige Krähe: Die Alpenkrähe hat rote Beine, wie auch die Alpendohle.
Allerdings wird die Beinfarbe der Alpendohle nicht immer als rot beschrie-
ben, sondern auch als orangerot, gelb oder auch schwarz. Der Ausdruck ist
wahrscheinlich ein Kunstname für die Alpenkrähe von BECHSTEIN.193
Feuerrabe: „Feuer-rabe“ ist eine Übersetzung von „Pyrrho-corax“ (s. auch bei
Alpendohle).
Krähendohle, Schwarze Krähendohle: Aus bekannten Namen wie „Krähe“
und „Dohle“ wurden neue gebildet, um einen Vogel zu kennzeichnen, der
eben keine ( Corvus-)Dohle oder ( Corvus-)Krähe ist. BREHM: Die Alpen-
krähe erinnere lebhaft an die Dohle, fliege aber leichter und zierlicher und sei
noch klüger und vorsichtiger als diese.194 Das gilt auch für den Lebensraum:
Dohlen leben nicht im Hochgebirge. Krähendohlen waren nur die Alpenkrä-
hen, nicht die Alpendohlen.

192
WEMBER 2005, 149
193
BECHSTEIN 1805, 3/ 1238
194
BREHM 1866, 335
32 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Schweizerkrähe: Dieser Ausdruck war im 18. Jahrhundert bekannter als im


19. Jahrhundert. Er stammt aus den Schweizer Bergen, war dort häufig und
galt für beide Vogelarten.195
Schwarzer Geist mit feurigen Augen: „ … endlich sind seine Augen auch
mit kleinen rothen Ringen eingefaßt.“196 Der schwarze Geist ist der Vogel,
über dessen tiefschwarzes Gefieder NAUMANN schrieb: „Dieser schöne Me-
tallschimmer … ähnelt dem des Saatraben.“197
Steinduhle, Steintähn, Steintahe: Die Namen bedeuten soviel wie „Stein-
dohle“.
Steinfache: „Stein-“ bedeutet hier „Fels, Gebirge“. Das Teilwort „-fache“
dient der Bestätigung, Bekräftigung des ersten Wortteils „Stein-“, wie z. B.
in „einfach“. Eine Steinfache ist ein in steiniger, felsiger Landschaft lebender
Vogel.198

Die Autoren, deren Trivialnamen hier bearbeitet werden, hatten folgende Be-
griffe der Alpenkrähe zugeordnet. Sie gehören zum Waldrapp und werden
unter „Waldrapp“ behandelt.
Waldrapp, Klausrabe, Eremit, Thurmwiedehopf, Scheller, Waldrabe, Ge-
meiner Waldrabe, Steinrapp, Alpenrabe.

Waldrapp (Geronticus eremita)


Der Waldrapp oder „Waldrabe“, wie er damals hieß, starb im im ersten Drit-
tel des 17. Jahrhunderts in Mitteleuropa aus, wahrscheinlich als Folge der Be-
jagung durch den Menschen. Das hatte damals aber niemand mitbekommen.
Niemand wusste vom Verschwinden des Vogels. Für die Generationen danach
entstand demzufolge ein Problem: Man hatte zwar die Beschreibung eines
„Waldraben“, z. B. in GESSNERS angesehenem Fachbuch, dort sogar mit
einer Abbildung. Man konnte in der Natur aber keinen Vogel finden, auf den
GESSNERS Beschreibung passte. In der Folge stieg GESSNERS Waldrabe
bei einigen Forschern zu einem Fabeltier auf. Andere mutmaßten, GESSNER
sei mit einem Vogelbalg betrogen worden. Viele kümmerten sich aber über-
haupt nicht weiter um das Thema.

195
GRIMM/GRIMM 15/ 2474
196
BUFFON/OTTO 1781, 7/6
197
NAUMANN 1822, 2/ 107
198
GRIMM/GRIMM 1984, 3/ 1221
PASSERES – SINGVÖGEL 33

BECHSTEIN bildete den Vogel 1805 zwar auch noch ab, bezweifelte aber
seine Existenz. „Er bespricht den Waldraben unter ‚Corvus graculus‘, scheint
also der Ansicht, daß er ein künstlich ausgeschmücktes, aus einer Alpenkrähe
hergestelltes Präparat gewesen sei. Der ‚Waldrapp‘ fiel damit der Vergessen-
heit anheim, er war ausgestorben in der Natur und Literatur“.199 So schien es
aber nur. Es wurde nämlich in der Natur noch weitergesucht. Man brauchte
einen Vogel, auf den die Beschreibung GESSNERS einigermaßen passte.
Irgenwann entstand die Überzeugung, diesen Vogel in der Alpenkrähe ge-
funden zu haben. NAUMANN dazu: „Nach den genauesten Untersuchun-
gen der neuesten und würdigsten Naturforscher der Schweiz ist C. Geßners
Waldrapp ( Corvus sylvaticus Gessn. oder Corvus Eremita Linn.) unbezweifelt
unsere Steinkrähe.“200
Die Trivialnamen für die Alpenkrähe hatten sich in der Folge mit denen für
den Waldrapp vermischt. Es dauerte bis zum Jahr 1901, als HENNICKE in
der Neuausgabe des NAUMANN zu entmischen begann und einige Trivial-
namen angab, die den Waldrapp und nicht die Alpenkrähe betrafen: „Eremit,
Eremitrabe, Berg- oder Schweizereremit, Turmwiedehopf, Klausrapp.“201
Dazu kommen weitere Trivialnamen, die vorher der Alpenkrähe zugeordnet
worden waren und im Rahmen dieser Bearbeitung auf den Waldrapp übertra-
gen wurden: „Waldrapp, Alpenrabe, Klausrabe, [Eremit, Thurmwiedehopf ],
Scheller, Waldrabe, Gemeiner Waldrabe, Steinrapp.“
Waldrabe, Gemeiner Waldrabe, Klausrapp, Steinrapp: Unter der Über-
schrift „Von dem Wald-Raben. Corvus sylvaticus“ schrieb GESSNER: „Der
Vogel/ welches Figur hie verzeichnet stehet/ wird von den unsern gemeinig-
lich ein Wald-Rab genennet/ dieweil er in den einöden Wäldern wohnet: da er
dann in den hohen Felsen/ oder alten Türmen und Schlössern nistet/ daher er
auch ein Steinrab genennet wird/ und anderswo in Bayern und Steyrmark ein
Klaußrab/ von den Felsen und engen Klausen/ darin er sein Nest macht.“202
„In der That hat der Vogel viel Rabenartiges in seinem Gefieder. Der Rabe hat
auch ein purpurnes, oft bronzegläzendes Feld im Flügel und einen ähnlich
verteilten Farbenschiller. Da tiefere Schwarz des Raben läßt nur gewisserma-
ßen die Metallfarben nicht so deutlich zur Geltung kommen.“203

199
KLEINSCHMIDT in: NAUMANN/HENNICKE 1897, 7/ 201
200
NAUMANN 1822, 2/ 121
201
NAUMANN/HENNICKE 1901, 4/ 48
202
GESSNER/HORST 1669, 24b
203
KLEINSCHMIDT in: NAUMANN/HENNICKE 1897, 7/ 201
34 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Waldrapp, Schopfibis, Mähnenibis: Der Waldrapp (mit „Rapp“ meint man


in der Schweiz „Rabe“) hat ein nacktes, rotes Gesicht und einen ebenfalls
roten, langen, nach unten gebogenen Schnabel. Dieser besteht nicht wie bei
den meisten Vögeln aus Horn, sondern aus einem durchbluteten Knochen,
der mit verhornter Haut (Keratin) bespannt ist und Tastsinneskörper enthält.
Der Hinterkopf und der Nacken weisen verlängerte Federn auf, was zu der
Bezeichnung „Schopfibis“ oder „Mähnenibis“ geführt hat. – Das Gewicht
eines ausgewachsenen Waldrapps beträgt bis zu 1,4 Kilogramm. Er erreicht
eine Körperlänge von 65 bis 67 Zentimeter und hat eine Lebenserwartung
von etwa 15 bis 20 Jahren.204
Kahlibis: Die Ibisse oder Sichler sind in der Regel ans Wasser gebundene
Schreitvögel, meist mit langen, gebogenen Schnäbeln und unbefiederten
Köpfen oder Gesichtspartien.
Der Waldrapp bevorzugt trockene oder halbtrockene hügelige Landschaften
mit Felswänden und Schluchten (als Nistplätze). Zur Nahrungssuche sind sie
in angrenzenden trockenen Feldern und an Flüssen und Bächen.205 In den
Alpen sind es etwa Grasflächen und abgeerntete Felder. Feuchtgebiete gibt
es genug. Das sah KLEINSCHMIDT noch etwas anders: „Im Gegensatz zu
anderen Ibissen ist der Waldrapp gar kein Sumpfvogel, sondern lebt in trocke-
nen felsigen Gebirgen. Wüste Felswände, altes Gemäuer, verfallene Schloßrui-
nen sind und waren sein Lieblingsaufenthalt.“206
Meerrapp: „In Lothringen und bey dem Pavier See wird er ein Meer-Rab
genennet.“207 In der Literatur findet man immer wieder Hinweise auf Ver-
wechslungen/Verbindungen des Waldrapps mit dem Kormoran (damals
auch „Wasserrabe“). So ist z. B. der wissenschaftliche Name „Phalacroco-
rax“ („kahlköpfiger Rabe“) vom Waldrapp auf den Kormoran übertragen
worden.208 BELON „bildete einen Waldrappen mit kahlem Kopf, aber ohne
verlängerte Nackenfedern ab. Er nannte ihn auch zunächst noch eindeutig
‚phalacrocorax‘, … warf ihn im weiteren Text allerdings wieder mit Kormoran
und Alpenkrähe zusammen.“209
Klausrabe, Eremit: Felsspalten, in denen der Waldrapp gerne brütete, wur-
den auch „Klausen“ genannt („ein Klaußrab/ von den Felsen und engen Klau-
sen/ darin er sein Nest macht …“, GESSNER s. o.). Eine Klause ist aber auch

204
http://de.wikipedia.org/wiki/Waldrapp, Stand: 10.10.2011
205
BEAMAN/MADGE1998, 112
206
KLEINSCHMIDT in: NAUMANN/HENNICKE 1897, 7/ 201
207
GESSNER/HORST 1669, 24b
208
ZUM LAMM 2000, 84
209
ZUM LAMM 2000, 85
PASSERES – SINGVÖGEL 35

eine Klosterzelle oder eine Einsiedelei, die ein Eremit bewohnt. So entstanden
die falschen Vorstellungen von dem Waldrapp als Einzelgänger, denen auch
LINNÉ 1758 bei der Namensvergabe „Upupa eremita“ erlag (s. u.).
Thurmwiedehopf: „Als nun LINNÉ im Jahre 1758 die bekannten, ihm
selbst aber zum Teil nur aus Büchern bekannten Vogelarten in X. Ausgabe
seines Natursystems klassifizierte, gab er dem Waldrapp den Namen ‚eremita‘
(Klausner, Klausrapp) und stellte ihn vermutlich auf Grund der ALBINschen
Abbildung wegen des darauf sehr deutlich gezeichneten gebogenen Schnabels
und der Haube zu den Wiedehopfen als ‚Upupa eremita‘. Nach dem ersten
Grundsatz unserer Nomenklatur: ‚Ein Name ist nur ein Name‘, ist damit
der Vogel wissenschaftlich benannt, obgleich er weder ein Eremit ist (er lebt
im Gegenteil gesellig) noch mit den Wiehopfen irgendwelche Verwandschaft
zeigt.
Im Jahre 1766 stellte LINNÉ den Vogel in die Gattung ‚Corvus‘ und da blieb
er fortan stehen.“210
„In den rhätischen Gebirgen nistet er mitunter auf den Kirchthürmen der
oberen Bergdörfer, nach Art der Dohle.“211
Scheller: „Stimme wie Kuhschelle, …, Ka ka, kä, kä!, daher Scheller.“212 „Von
seiner Stimm wird er auch ein Scheller geheissen.“213

Blauelster (Cyanopica cyanus)


Die Blauelster ist ein zoogeographisches Phänomen: Ihr Verbreitungsgebiet
ist in zwei weit auseinanderliegende Populationen zergliedert. Die eine liegt
in Südwesteuropa auf der Iberischen Halbinsel, die andere, sehr viel größere
in Südostasien. Dort besiedelt sie große Teile Chinas, Korea, Japan und den
Süden der Mongolei.
Nur eine der insgesamt acht „bisherigen“ Subspezies, „Cyanopica cyanopica
cooki“, kommt in Europa (Iberische Halbinsel) vor. Laut European Bird Cen-
sus Council liegt der Bestand in Portugal und Spanien stabil bei 250.000–
360.000 Brutpaaren.
Zur Entstehung des europäischen Bestandes wird angenommen, dass es ehe-
mals eine durchgehende Population zwischen dem mediterranen Becken und

210
KLEINSCHMIDT in: NAUMANN/HENNICKE 1897, 7/ 202
211
BREHM 1866, 3/ 334
212
OKEN 1816, 469
213
GESSNER/HORST 1669, 24b
36 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Ostasien gegeben hat. Die Vergletscherungen in der Eiszeit führten zu einer


Zweiteilung des Verbreitungsgebiets.
Neueren genetischen Untersuchungen zufolge unterscheidet sich die euro-
päische Population so deutlich, dass sie eine eigene Art, „Cyanopica cooki“,
bildet.214
Dies wurde inzwischen von AVIBASE (2011) anerkannt mit der Einschrän-
kung, dass noch nicht alle Autoren zustimmen würden.
Blauelster, Blaue Elster: Aus der Analyse des alten Wortes „agalastra“ er-
fährt man die Bedeutung, den Inhalt des Wortes „Elster“ (siehe dort), näm-
lich „schreiender Zaubervogel“. Ein Zaubervogel ist die Elster wegen ihrer
schönen, „bunten“ Farben.
Obwohl 1776 als „Cyanopica cyanus“ von PALLAS beschrieben, wird der
Vogel weder von BECHSTEIN noch von NAUMANN erwähnt. SCHINZ
schrieb 1840 als einer der Ersten eine kurze Abhandlung, bevor BREHM
1866 Ausführlicheres zu dem Vogel herausbrachte.215 Die Blauelster kommt
als Jahresvogel in Spanien und Portugal vor. Dieser Vogel ist etwa 33 cm lang,
davon misst der Schwanz etwa 18 cm (Elster: etwa 45 cm lang, bzw.25 cm
Schwanzlänge). Er hat einen braunrosa Mantel, eine schwarze Kappe, weiße
Kehle und prächtig hellblaue Flügel und Schwanz.216

Elster (Pica pica)


„Die Elster ist nicht immer ein Bösewicht, sie ist zuweilen ein neckischer
Schelm, über dessen lose Streiche man lachen muß. Man hat sie nach dieser
Seite hin mit Recht mit dem Fuchse verglichen: was der rotpelzige Hallunke
und Freibeuter auf der Erde ausführt, überträgt der schwarzweiße Federheld
in die Lüfte. Ja noch mehr: eine jung eingefangene Elster wird ganz zahm
und trägt schon durch ihren hüpfenden Gang und durch ihr drolliges Wesen,
durch ihre Gelehrigkeit, die sie sogar einige Worte sprechen läßt, viel zur zeit-
weiligen Erheiterung der ländlichen Hausbewohner bei.“217
Ganz anders OKEN: Sie „fliegen schwer, langsam und nicht weit, sitzen gern
auf den höchsten Bäumen…, schreyen laut, wie ein Gelächter, und schäckern
beständig mit einander; daher man von einem Menschen, der nichts ver-
schweigen kann, sagt, er habe Aelster-Eyer gegessen. …Fliegen sie einem in

214
http://de.wikipedia.org/wiki/Blauelster, Stand: 21.09.2011
215
SCHINZ 1840, 145 und BREHM 1866, 3/ 374
216
SVENSSON et al. 2011, 360
217
KÖHLER 1908, 20
PASSERES – SINGVÖGEL 37

einem Walde über den Weg, so hält man das sonderbarer Weise für eine böse
Vorbedeutung.“218
Im Volksglauben gilt die Elster als zänkisch, geschwätzig und diebisch. Daher
kommt die Redensart, dass jemand wie eine Elster (Rabe) stiehlt. Am ver-
breitetsten ist der Ruf der Elster als einer schimpfenden Schwätzerin. Dass
dieser Ruf auch schon sehr alt ist, bezeugt OVID in seinen Metamorphosen,
wo eine Frau in eine Elster verwandelt wird.219
Elster, Gemeine Elster, Europäische Elster: Die überlieferten althoch-
deutschen Belegformen lassen sich auf zwei Grundformen „ag-alstra“ und
„ag-astra“ zurückführen, von denen die Erstere die normale althochdeutsche
Benennung ist.“220 „Agalstra“ ist lautmalend und urverwandt mit dem grie-
chischen „gelân (lachen) und „kaleîn“ (rufen) oder dem lateinischen „gal-
lus“(der Schreier).221
Das Wort „Elster“ gibt es seit dem 16./17. Jahrhundert.222 Es kann aus „agel-
ster“ abgeleitet werden. Daneben gibt es in der heutigen Volkssprache noch
die ähnlichen „Alaster“, „Schalaster“, „Scholaster“. Aus der Analyse des Wor-
tes „agalastra“ erfährt man die Bedeutung, den Inhalt des Wortes „Elster“,
nämlich „schreiender Zaubervogel“. Ein Zaubervogel ist die Elster wegen
ihrer schönen, „bunten“ Farben. Dialekte wandelten die alten Namen. So
sind Ägerst, Egerste schwäbische Abwandlungen, niederdeutsch sind Agester,
Egester, Hexter, Heister.223
„bei jedermann an allen orten
konnten sie von der weisheit schwetzen,
gleichwie die elstern un die hetzen (heher)“. (Hans SACHS um 1560)
„ein elster dunkt sich stolz und klug
sie etzet sehr und trieb viel mancherlei geschwetz,
hub an und tanzet mit ihrem elsterschwanz,
den schlug sie ofte nieder,
und hub ihn auf bald wieder. (Hofmann)
(Quellen: GRIMM/GRIMM224).
Acholaster, Agerist, Agerluster, Alelster, Algarde, Algarte, Argerst, Aster,
Egerste, Heste, Hetsche: Alle vorstehenden und nachfolgenden Begriffe be-

218
OKEN 1837, 346
219
RÖHRICH 1973, 236 und OVID V, 296
220
SUOLAHTI 1909, 192
221
ZUM LAMM 200, 295
222
KLUGE 1905, 94
223
GRIMM/GRIMM 1984, 1/ 189
224
GRIMM/GRIMM 1984, 3/ 417
38 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

deuten „Elster“. Die geographische Zugehörigkeit der vorstehenden Namen


konnte nicht genau ermittelt werden, genausowenig wie das Alter dieser Na-
men.
Ägerst: Bei GESSNER in seiner Historia avium als schweizerisch bezeugt.225
Der Name kam auch in Schwaben vor.226
Aegerste: Dieser Ausdruck lässt sich im Elsaß nordwärts bis in die Nähe von
Colmar verfolgen. Aber auch in Schwaben bis nach Sigmaringen im Osten
verbreitet.227
Aelster, Älster: Aus Agalaster gebildet, wurde der Name seit dem 18. Jahr-
hundert bevorzugt.228
Alster: Alster ist eine Variante zur althochdeutschen Normalform „agalstra“.
Aus agalstra lasse sich die Bedeutung „scheuer Schillervogel“ für die Elster
ableiten, was SUOLAHTI aber ablehnte. Alster erscheine schon in „bairisch-
österreichischen“ Handschriften des 12. Jahrhundert. und sei bis „heute“ (um
1900) die dortige Namensform geblieben.229
Alster bedeutete in Tirol „Schwätzer“ („alstern“ von altem „galstern“, d. h.
schwätzen).230
Agelhetsch: … wurde die Elster in Schwaben genannt.231
Aglaster, Algaster: Diese Namen gab es neben Alster und Aglister in der
Steiermark, Aglàster in Tirol (SUOLAHTI).
Aglàster, Alàster: Die Bezeichnungen stammen aus Schlesien.232
Agelaster: Ein aus Agalaster gebildeter Name, den es schon im 16. Jahrhun-
dert. gab.233
Atzel, Azel: Atzel ist seit dem 15. Jahrhundert belegt, war in Hessen, im Elsass
und der Wetterau üblich und kam bis in die Schweiz hinein vor. Der Aus-
druck hat sich nach Norden und Osten ausgebreitet und kam mit Auswande-
rern auch nach Preußen.234

225
SUOLAHTI 1909, 195
226
GRIMM/GRIMM 1984, 189
227
SUOLAHTI1909, 195
228
KLUGE 1905, 94
229
SUOLAHTI 1909, 195
230
ANZINGER 1911, 7/ 52
231
WEBER, Ökonom. Lex. 1838, 15
232
SUOLAHTI 1909, 196
233
KLUGE 1905, 94
234
SUOLAHTI 1909, 194
PASSERES – SINGVÖGEL 39

Egester, Heister: Diese Begriffe sind Lautformen, die im Laufe der Sprach-
entwicklung im Mittelniederdeutschen auftraten.235 Den Namen „Heister“,
den es auf den nordfriesischen Inseln und Helgoland gibt/gab, kann man
heute auch noch in Nordfriesland hören.236
Heister, Hêster: Heute findet man auf niederländisch-niederdeutschem
Sprachboden diese Elster-Namen, z. B. in Ostfriesland oder Pommern.237
Hetze: Den Namen findet man im Straßburger Vogelbuch von 1554. Heute
noch nennt man die Elster so in Schwaben vom oberen Neckar bis in den
äußersten Norden des Landes.238
Häster: Bei Häster handelt es sich um einen Namen aus Norddeutschland.239
Hutsche: Hutsche ist ein alter Name für die Elster. Möglicherweise hat die
Existenz des Wortes „hutschen“ die Namensbildung aus einem anderslauten-
den Begrif, z. B. Hetsche, begünstigt. Das Wort „hutschen“ war weit ver-
breitet und hatte oft ähnlichen Inhalt: auf dem Boden gleiten, am Boden
kriechen (niederd.), auf dem Hintern fortrutschen (rhein.) u. a. Die Elster
sucht ihre Nahrung bevorzugt am Boden und bewegt sich dabei auf typische
Weise, aber nicht kriechend, rutschend(!) fort (o. Qu.).
Schalaster: Dieser Elster-Name findet sich im Anhalter Dialekt und in Böh-
men, als „Schalàster“ auch in Schlesien und Siebenbürgen.240
Gartenkrähe, Gartenrabe: Die Elster ist seit ältesten Zeiten nicht aus der Be-
gleitung der Menschen in und um Deutschland wegzudenken. Seit es Häuser,
Siedlungen gab, gab es auch Elstern in der Nähe. Als Bewohner des offenen
bis halboffenen Kulturlandes lebt die Elster auch auf Höfen, in Dörfern in
Menschennähe (Gärten, Parks). Die Namen zeigen auch, dass man schon
länger die Zugehörigkeit der Elster zu den Rabenvögeln annahm. Welchen
enormen Einfluss diese Vogelart auf die Menschen hatte, zeigt ihre Rolle im
Volksglauben, nachzulesen bei GATTIKER/GATTIKER.241
Keckersch: Das heisere, anhaltende unmelodische Keckern (Schackern) der
Elster ist überall bekannt und führte zur Namensgebung.

235
SUOLAHTI 1909, 197
236
SCHMIDT/COLMORGEN 1990, 286
237
SUOLAHTI 1909, 197
238
SUOLAHTI 1909, 193
239
DUDEN 7, 1963/ 135
240
SUOLAHTI 1909, 196
241
GATTIKER/GATTIKER 1989, ab 166
40 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Krückelster: Eine Krücke ist ein krummer, gebogener Gegenstand oder


Werkzeug.242 Hier ist entweder der etwas gebogene Oberschnabel gemeint
oder der oft nach oben gebogene Schwanz.
Gemeiner Häher: „Die Elstern nähern sich in ihrem Gebaren den Hähern,
sind äußerst unruhige, bewegliche Vögel und lieben es wie die Letzteren paar-
oder familienweise kleine Gehölze zu durchstreifen, wobei sie beständig durch
Warnungsrufe, das bekannte Schackern, auf jede auffallende Wahrnehmung
einander aufmerksam machen.“243 Das schrieb NAUMANN 1822. Wie be-
rechtigt es aber war, dass (offensichtlich) NAUMANN die Elster in einem
Kunstnamen als „Gemeiner Häher“ bezeichnete, bleibe dahingestellt.
Im Niederdeutschen gebe es für Elster und Häher etliche gemeinsame Na-
men.244

Eichelhäher (Garrulus glandarius)


„Weil er überall neugierig auslugt, entgeht seinen scharfen Augen selbst der
mit allergrößter Vorsicht auf dem Pirschgange einherschleichende Jäger nicht.
Kaum hat er ihn erspäht, so ertönt kreischend und mißtönend sein rätschen-
des Geschrei durch den Wald, und der Jäger kann ruhig seine Büchse über
den Rücken hängen und nach Hause gehen; denn das von dem Geschrei
aufmerksam gemachte Wild bekommt er nun doch nicht zum Schuß. Wieder
begleitet ihn dann wie Hohn und Spott das Geschrei des Hähers, der seine
Frechheit oft sogar so weit treibt, dem abziehenden Jägersman zu folgen, na-
türlich in sicherer Entfernung.245“
Eichelhäher, Eichel-Häher, Eichelheher, Eichenheher, Eichelkehr: Der
Name „Häher“ war schon in den westgermanischen Sprachen verbreitet. „Hä-
her“, wie auch das Wort „Reiher“, entstanden aus denselben Wurzeln, wie
ahd. „heigaro“ oder „hehara“ und beziehen sich auf das rauhe Geschrei der
Vögel („kraikr“ bedeutet heiser schreien).246
„Er heißt Eichelhäher von einem Nahrungsmittel, das sonst nur die Schwei-
ne lieben, den Eicheln.“247 „Die Eicheln versteckt er unter Moos und Laub,
verschluckt sie ganz und weicht sie im Kropf ein, daher er meistens schlecht
fliegt.“248

242
KRÜNITZ 1791, 54/ 118
243
NAUMANN 1822, 2/ 101
244
SUOLAHTI 1909, 197
245
KÖHLER 1908, 17
246
SUOLAHTI 1909, 198
247
CURTMANN/WALTER 1846, 271
248
OKEN 1837, 341
PASSERES – SINGVÖGEL 41

„Eichelkehr“ ist wahrscheinlich ein Kunstname von BECHSTEIN (1791).


Vor 1791 ist dieser Begriff nicht zu finden.249
Gemeiner Häher, Häher, Heher, Hehr, Heyer, Hatzel, Baumhatzel,
Hatzler, Hätzler, Hassler: „Die Namen Heher, Hecher, Hatz, Hatzl, Hetz,
Gratsch und Grantschn sind Klangbilder seiner verschieden modulierten Ru-
fe.“250 „Hätzel“, „Hätzler“, „Baumhätzel“ wurden schon 1585 von GESSNER
genannt.251
Bei GESSNER lautete die Überschrift für diesen Vogel „Von dem Häher/
oder Hätzler. Pica glandaria. Garrulus“. Von einer engen Verwandtschaft mit
der Elster war bei den alten Autoren immer wieder die Rede. „Dieser Vogel
wird von den Teutschen nicht allein mit dem Namen Häher oder Hätzler/
welcher letztere sich fast auff den vorerwähnten Namen (Atzel) ziehet/ genen-
net, sondern man nennt ihn auch Baumhätzel/ Herrnvogel/ Herr/ und im
Schwabenland Jäck/ Marcolfus/ Marggraf/ Holtzschreyer.“252
Eichelrabe, Eichelkrähe: Schwarze Vögel sind für das Volk, das wissenschaft-
liche Namen nicht schätzt, fast immer Raben oder Krähen. Der Eichelhäher
ist zwar bunt und nicht schwarz, aber seine Rufe ähneln denen von Raben
und Krähen.253
„Eichelkrähe“ ist einer der beiden Leitnamen von BECHSTEIN.254
Holzhäher, Holzheher, Holzschreier, Waldhäher, Waldheher: „Holzheher“
ist der andere der beiden Leitnamen von BECHSTEIN. Das Wort bedeutet
„Waldschreier“ (Holz- = Wald, -häher = Schreier).255 EBER und PEUCER
erwähnten den „Holtzschreyer“ schon 1552.256
Heger, Hägert, Hägerd: Diese Namensformen, alte Namen für Häher,
stammen aus Nordwestdeutschland. „Hierzu ist wohl letztenendes der laute,
durchdringliche und meist … herabgezogene Ruf ‚hieähg‘ oder ‚hiejäh‘ dieses
Vogels das Vorbild gewesen.“257
Herold: „Herold“ ist neben „Herolz“ und „Jäckel“ ein anderer Name des
Eichelhähers. Die Anfänge von „Herold“ lassen sich nicht klar erkennen.
Vielleicht ist „Herold“ über Begriffe wie „Holtz-Heher“ und „Heerholtz“, die

249
BECHSTEIN 1791, 449
250
ANZINGER 1911, 7/ 52
251
SPRINGER 2007, 272
252
GESSNER/HORST 1669, 30b
253
GATTIKER/GATTIKER 1989, 161
254
BECHSTEIN 1805, 2/ 1243
255
BECHSTEIN 1805, 2/ 1243
256
SUOLAHTI 1909, 202
257
HOFFMANN 1937, 14
42 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

man bei KLEIN findet, entstanden. Dazu könnte „Heher“ zu „Hêr“ kontra-
hiert worden sein.258
Heerholz: „In einigen Gegenden ein Nahme des Holzhähers, aus welchem
Worte derselbe auch verderbt ist.“259
Heier, Holzheister, Nussheyer: „Heigster“ bedeutete in Ostpreußen „Hä-
her“. „Holz-“ steht für Wald. Ähnliche Namen mit gleicher Bedeutung gibt
es auch für die Elster.
Herenvogel, Herrenvogel, Herrnvogel, Herre: Grundlage dieser Namen
ist das ahd. „hëhara“ für „Häher“. Über „here“, „heera“ entstanden in der
Schweiz „Hêr“, „Hêre“, „Hêrenvogel“.260 Diese Lautformen wurden volks-
etymologisch auch mit Hêr, „Herr“ in Zusammenhang gebracht, wie man bei
KRÜNITZ lesen kann: „Entweder als eine verderbte Aussprache des Wortes
Häher, oder auch so fern er wegen seiner bunten Farben, spaßhaften Stellun-
gen und Gelehrigkeit von vornehmen Personen ehedem mehr geliebt wurde,
als jetzt geschieht.“261
„Herrenvogel“ stammt laut GESSNER (1585) aus der Nähe von Freiburg/
Schweiz, „Herrnvogel“ wurde 1781 von BUFFON/OTTO angeführt.262
Hornvogel, Horrevogel: Möglicherweise stammen die Namen von Herrn-
und Herrenvogel ab, Namen, die sich auf die Stimme des Eichelhähers be-
ziehen. Die früheste Quelle für „Horrevogel“ war (auch für DONNDORF)
BECHSTEIN. Dennoch wird kein Kunstname vermutet, sondern eher eine
Bildung aus „Herrenvogel“.263
Markolf, Markolfus, Margolf, Margolfus, Marquard, Markwart, Mur-
kolf: „Er ist ein unruhiger, vorsichtiger Vogel, der gleich wegfliegt mit einem
lauten Geschrey gäk, aber nicht weit; er maut wie eine Katze, ruft Marcolfus
und ahmt andere Vögel nach; dabey macht er immer tiefe Verbeugungen und
hüpft beständig herum.“264 Nicht nur OKEN lag mit dieser Deutung falsch.
Richtig ist, dass der Eichelhäher nach dem Spötter Markolf der Heldensage
benannt worden ist. Der Häher als geschickter Nachahmer von Stimmen an-
derer Vögel ist ein Spötter, wie z. B. auch der Gelbspötter. Als Spötter wurde
er schon in dem angelsächsischen Runenrätsel dargestellt.265

258
FRISCHBIER 1882, 1/ 286 und KLEIN 1750, 61 und SUOLAHTI 1909, 204
259
ADELUNG 1796, 2/ 1053
260
SUOLAHTI 1909, 200
261
KRÜNITZ 1780, 20/ 637
262
SPRINGER 2007, 272 und BUFFON/OTTO 7, 219
263
BECHSTEIN 1791, 449
264
OKEN 1837, 341
265
SUOLAHTI 1909, 202
PASSERES – SINGVÖGEL 43

„Der geschwätzige lustige Vogel gilt nach der gemeinen Anschauung als Spaß-
macher unter den Vögeln des Waldes, daher er auch Markolt, Markwart, Mar-
kolf, Bruder Markolf, Bruder Morolf genannt wird.“266
„Er wird bald kirre und ist dann durch seine Bewegungen sehr unterhal-
tend.“267
Jäck, Jeck, Jäckel, Nußjäck, Nussjeck: In Schwaben gab es den Ausdruck
„Jäck“, in Voralberg „Jäcke“ als Kurzform des Eigennamens „Jakob, Jaques“.
Allerdings ist auch in Preußen „Jäckel“ die Bezeichnung für den Häher.268
Auch GESSNER kannte schon „Jaeck“.269 „Da in Frankreich Jaques als Name
des Hähers sehr weit verbreitet ist, so darf man wohl für die deutschen Aus-
drücke romanischen Ursprung annehmen.“270 Bei „Nußjäck“ ist die bevor-
zugte Nahrung Teil des Namens.
Eine Verbindung zum Rheinischen, wo Jeck ein Spaßmacher ist, liegt hier
nicht vor.
Fäck: Der Name ist aus „Jäck“ (s. o.) verfälscht worden.
Gäckser: Hühner gäcksen (gacksen), wenn sie ein Ei gelegt haben: „Nit an-
derst dan wie ein henn thůt die ein ei hat geleit, die gaxet das haus vol in allen
winkeln, sie hat kein růg dan bisz sie sich selber darumb bringt und bisz man
ir das ei dannen (weg) nimpt.“ NAUMANN beschrieb die Fähigkeiten des
Vogels der Stimmnachahmung: „… bald wechselte er mit dem nachgemach-
ten Gackern eines Haushuhns, wenn es ein Ei gelegt hat, und mit dem hellen
Kickerikie des ihm nahenden Haushahns so possierlich ab, dass man nicht
wußte, woran man war, bis man dem Vogel nachschlich und ihn erkannte.“271
Nußhäher, Nußheher, Nußhacker, Nusshecker, Nussbeisser: Hasel- und
andere Nüsse, die er im Wald findet, gehören zur Lieblingsnahrung des Eichel-
hähers. „Nußhecker“ wird in diesem Fall aus „Nußhacker“ abzuleiten sein.
Holzschrat: Der Begriff wurde aus dem mecklenburgischen „Holtschrâg ab-
geleitet“, das mit „Waldschreier“ übersetzt werden kann.272
Eichelhabicht: Über den Eichelhäher gab es durchaus auch schlechte Mei-
nungen. Weil er auch als Nesträuber bekannt war, der Eier und Junge frisst,
galt er als „Raubvogel, welcher sich in den europäischen Gehölzen aufhält,

266
GRIMM/GRIMM 1984, 10/ 158
267
VOIGT 1835, 159
268
SUOLAHTI 1909, 201
269
SPRINGER 2007, 272
270
SUOLAHTI 1909, 201
271
GRIMM/GRIMM 1984, 4/ 1130 und NAUMANN 1822, 2/ 122
272
SUOLAHTI 1909, 202
44 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

wo er fast beständig schreyt, von Eicheln und Nüssen lebt, auch wohl auf die
Saat, junge Erbsen und Kirschen fällt.“273
Hayart, Baumhayel: Ein Hay ist in einigen Gegenden ein gehägter Wald, ein
Hag. Ein Hayart wäre dann ein „Waldvogel“, der sich in Bäumen (Baumhayel)
aufhält.274 Dazu passt, dass es einen Trivialnamen des Eichelhähers „Baumha-
gel“ gibt (o. Qu.).
Bräfaxter: BECHSTEIN hatte 1805 den Namen „Bräsaxter“ angeführt. Bei
NAUMANN gab es bei der Übernahme des Begriffs offensichtlich einen Feh-
ler: In der Originalausgabe des NAUMANN steht „Bräfaxter“. Das könnte
an der Ähnlichkeit von f und s in der benutzten alten deutschen Druckschrift
gelegen haben.275
Wahrscheinlich handelt es sich um eine Abwandlung von „Broesexter“, wel-
ches Wort man bei BUFFON/OTTO findet.276
Noch früher und noch etwas anders erschien der Name bei GESSNER: Der
Häher hieß dort „Niederländisch Broeckexter“. ALDROVANDI hat diesen
Namen in sein Kapitel „De Pica Glandaria“ übernommen als „Brabantinis
Broeckexter, quasi Pica palustris“. Pica palustris kann man mit „Sumpfelster“
übersetzen. Weil das aber wenig Sinn gibt, wäre (Bruch-)Waldelster ange-
brachter.277
Matschke: Im Italienischen ist das Wort „matto“ ein Narr, im Leben des Mit-
telalters war es mattus, welche beide den gleichen Ursprung wie Matz (Mat-
thäus, Matthias) haben können. Man hört für „Matz“ auch „Matschke“, vom
polnischen „Maczek“ (spr. Matschek), und das gewöhnlich in spottendem
Sinne. Wenn Matschke in der Pansche sitzt, befindet er sich in Verlegenheit.
Von dem Gebrauch des Namens „Matz“ mag es wohl auch kommen, dass
man einen Star, einen Matz oder Starmatz nennt, wegen seiner paar gelernten
Wörter, „die oft dumm genug sind, und die er beständig wiederholt“. Dies
hat man dann ausgedehnt und nennt einen Vogel, den man z. B. im Bauer
aufmuntert, Mätzchen, Matschke, Matz.
Der „Matschke“ erschien bei NAUMANN, der den Eigenschaften des Eichel-
hähers sehr zugetan war: „Es ist ein munterer, kecker, listiger und äusserst ver-
schlagener Vogel, der mit allerlei possierlichen Stellungen wechselt.“278

273
KRÜNITZ 1780, 20/ 637
274
ADELUNG 1796, 2/ 1040
275
BECHSTEIN 1805, 2/ 1243 und NAUMANN 1822, 2/ 122
276
BUFFON/OTTO 1781, 7/ 219
277
GESSNER/HORST 1669, 30b und ALDROVANDI 1681, 788
278
BERND 1820, 70 und NAUMANN 1822, 2/ 122
PASSERES – SINGVÖGEL 45

Unglückshäher (Perisoreus infaustus)


Überrascht, „schreckt er beim Wegfliegen in der düsteren Einsamkeit jener
Wälder, deren tiefste Stille er liebt, nicht selten den Wanderer mit einem
lauten, hell gellenden, und durchdringenden, überhaupt häherartigen, wie
s’kruih, s’kruih klingenden Geschrei. … Wodurch er nicht bloß die Gegen-
wart von Menschen und Thieren anzeigt, sondern sich wahrscheinlich auch
den früheren, abergläubigen Bewohnern des Landes furchtbar gemacht, und
in den Ruf eines Verkündigers von Mißgeschick gebracht hat. Daher denn
sein, zum Theil noch jetzt gangbarer Name Unglücksvogel; daher die man-
cherlei Unwahrheiten über seine Eigenschaften, besonders über die Kühnheit
und Zudringlichkeit, mit welcher er den Reisenden in der Wildniß bei ihren
Mahlzeiten die Lebensmittel unter den Händen wegstehlen sollte; und noch
andere Fabeln oder übertriebene Erzählungen von ihm, mit denen man in
verflossenen Zeiten sich trug.“279
Unglückshäher, Unglücks-Häher, Unglücksheher, Unglücksrabe, Un-
glücksvogel: Der Name „Häher“ war schon in den westgermanischen Spra-
chen verbreitet. Die ahd. Wörter „heigaro“ oder „hehara“ beziehen sich auf
das rauhe Geschrei der Vögel.280
Im Volksglauben rankten sich verschiedene Erzählungen um den Unglücks-
häher. Für die einen brachte er Unglück, denn wenn der Vogel im Mittelalter
in Mitteleuropa auftauchte, weil er in strengen Wintern nicht genügend Fut-
ter fand, wurde das als Vorzeichen für drohende Pest, Krieg oder andere Not
gedeutet. Wohl deshalb hat er im lateinischen Namen die (Art-)Bezeichnung
„infaustus – unheilvoll“ erhalten.
Die Samis (Bewohner Lapplands) betrachten ihn als Glücksvogel. Sie glau-
ben, dass überall dort, wo sich der Unglückshäher aufhält, keine gefährlichen
Tiere wie Bären oder Greifvögel in der Nähe sind.281
Nordlandshäher, Sibirischer Häher: Unglückshäher leben in den Wäldern
Skandinaviens sowie in der sibirischen Taiga. „Er findet sich im Norden von
Europa … ziemlich häufig in Wäldern …, wo er sich durch seinen durchdrin-
genden, sogenannten Unglücksschrey bald verräth. Er ist so neugierig und
wenig scheu, daß er sich den Holzmachern auf den Hut setzt.“ Kommt man
ihm aber zu nahe, flieht er mit gellenden Rufen. „Er ist sehr raubgierig, soll

279
GLOGER 1834, 141
280
SUOLAHTI 1909, 198
281
http://gruppen.greenpeace.de/central/weblogs/gpred/archives/2005/04/tierkunde_ungla.html,
Stand: 19.09.2011
46 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

oft kleine Vögel fangen und frißt auch große in Schlingen an, wie Wald- und
Auerhühner, zum großen Aerger der Vogelfänger.“282
Schreihäher: „Unglückshäher informieren ihre Artgenossen mit über 25
spezifischen Rufen über ihre Feinde. Dies fanden Biologen der Universität
Uppsala in Schweden heraus, als sie die Reaktion der Tiere auf Attrappen von
Eulen und Habichten testeten.
Die kommunikativen Vögel teilen mit, um welchen Feind es sich handelt und
wie groß die von ihm ausgehende Gefahr ist. In Familiengruppen ertönen die
Warnrufe häufiger als bei nicht verwandten Vögeln.“283
Rothschwänziger Häher, Rothschwänziger Heher: Der drosselgroße Vo-
gel hat ein rötlichgraubraunes Gefieder, einen dunkler braunen Scheitel und
etwas heller braunweiße Kehle. An den Schwanzseiten, an der Schwanzbasis
und auf dem Handflügel ist er rostrot.284

Tannenhäher (Nucifraga caryotactes)


„In den Kalkalpen sieht man Tannenhäher im Spätsommer und Herbst regel-
mäßig mit vollem Kropf von den Tälern in die Wälder hinauf fliegen. Die Vö-
gel sammeln Haselnüsse, um sie in ein Versteck zu tragen. Besonders wichtig
ist die Sammeltätigkeit aber für die Arve (Zirbe, Zirbelkiefer). Dort, wo sie
vorkommt, leben den ganzen Winter hindurch Tannenhäher von versteckten
Arvennüßchen. Die Verstecke sind entweder im Boden oder in der Baumkro-
ne (…) angelegt. Der Vogel findet die Bodenverstecke auch bei geschlossener
Schneedecke mit 80%iger Sicherheit.“ In einem Jahr mittlerer Ernte versteck-
te in der Schweiz jeder Tannenhäher etwa 100.000 Nüßchen, bei schlechter
Ernte etwa 47.000. „Selbst wenn man annimmt, daß nur ein verschwindend
geringer Bruchteil“ der Arvennüßchen vom Tannenhäher nicht wiedergefun-
den werden sollte, „ergibt sich immerhin, daß etwa 0,2–0,8 % der Samen
als Verjüngungspotential des Waldes vorhanden sind.“ Wahrscheinlich gehen
80–100 % des Jungwuchses auf die Verstecktätigkeit des Tannenhähers zu-
rück.285
Ein Arvennüßchen, eine Zirbel-„nuss“, ist der aufrecht stehende Zapfen einer
Zirbelkiefer. Die Zirbelkiefer ( Pinus cembra) wächst in den Alpen und Karpa-
ten ab 1300 m Höhe.

282
OKEN 1837, 342
283
FOCUS 25, 2009
284
SVENSSON et al. 2011, 362
285
BEZZEL 1995, 477
PASSERES – SINGVÖGEL 47

Tannenhäher, Tannen-Häher, Tannenheher, Tannenheger: Wie beim


Eichelhäher beschrieben, war der Name „Häher“ schon in den westgerma-
nischen Sprachen verbreitet. Er entstand aus denselben Wurzeln wie ahd.
„heigaro“ oder „hehara“ und bezieht sich auf das rauhe Geschrei („kraikr“
bedeutet „heiser schreien“) der Vögel.
Den Namen „Tannen“-Häher hat der Vogel bekommen, weil er sich gerne
in Tannenwäldern aufhält und in Ermangelung der bevorzugten Haselnüsse
auch Samen aus Tannen- und Fichtenzapfen frisst.286
Der Tannenhäher hat seinen Lebensraum in Alpen und Mittelgebirgen. Fich-
ten sind als Brutstätten für ihn wichtiger als Tannen. Als Allesfresser ernährt
er sich außer von Nüssen und Nadelbaumsamen auch von Eicheln, Beeren
und anderen Früchten der Laubbäume und Sträucher.
Zirbelkrähe, Zirbelkrach: „Geschlossene Nadelwälder unserer Hochgebirge
sowie die ausgedehnten Waldungen des hohen Nordens der Alten Welt bilden
die Heimat dieses Vogels, für dessen ständiges Vorkommen die Zirbelkiefer
maßgebend ist. Auf unseren Alpen begegnet man ihm ebenso regelmäßig wie
im hohen Norden, am häufigsten immer da, wo die gedachten Bäume wach-
sen. Aber auch er zählt zu den Zigeunervögeln, nimmt seinen Aufenthalt im
wesentlichen je nach dem Gedeihen oder Nichtgedeihen der Zirbelnüsse, be-
wohnt daher im Sommer gewisse Striche in Menge und fehlt in anderen be-
nachbarten gänzlich.“287
„Zirbelkrach“ bedeutet „Zirbelkrähe“.
Zirmgratschen: „Mit den Gratschen ratschen heißt übersetzt: mit den Tan-
nenhähern plaudern. Sie heißen auch ‚Zirmgratschen‘, weil sie sich die Nah-
rungsvorräte gerne aus dem Zirbenwald holen“.288
Zirm bedeutet Zirbel. Zum Eichelhäher schrieb ANZINGER: „Die Namen
Heher, Hecher, Hatz, Hatzl, Hetz, Gratsch und Grantschn sind Klangbilder
seiner verschieden modulierten Rufe.“ Das kann für den Tannenhäher über-
nommen werden.289
Steinhäher, Steinheher, Berghäher, Bergheher, Bergjäck: „Die Vögel lieben
gänzlich die Gebürgsgegenden.“ Man sieht sie auf den Bergen, welche mit
Tannenwäldern bewachsen sind. „Man findet sie bis in Schweden, aber nur in

286
KRÜNITZ 1789, 46/ 520
287
BREHM 1879, 5/ 446
288
http://www.ausflug.tirol.at/xxl/de/home/_articleId/1477139/index.html, Stand: 27.09.2011
289
ANZINGER 1911, 7/ 52
48 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

den mittäglichen Gegenden desselben, und selten weiter hin.“290 „Die Italiä-
ner nennen ihn die alpische Berg- und Steinmerle.“291
Beim Eichelhäher steht zu „Jäck“: In Schwaben gab es den Ausdruck „Jäck“,
in Voralberg „Jäcke“ als Kurzform des Eigennamens „Jakob“. Allerdings ist
auch in Preußen „Jäckel“ die Bezeichnung für den Häher. Auch GESSNER
kannte schon „Jaeck“.292
Birkhäher, Birkheher: „Birghäher“ bezeichnet ihn als Gebirgsvogel.293
Nußhäher, Nußheher, Nußrabe, Gemeiner Nußknacker, Nußknacker,
Nußbeißer, Nußpicker, Nußbrecher: Die Tannenhäher „nähren sich Herbst
von Haselnüssen, denen sie den ganzen September und October durch nach-
fliegen, von Bucheckern, Eicheln, Ebereschenbeeren … Um die Haselnüsse,
Eicheln und Bucheckern leicht aufknacken zu können, dazu dient ihnen der
erhabene harte Leisten im Unterkiefer, … Sie können mit leichter Mühe eine
Haselnuß öffnen, und es knackt so stark, daß man sie im Haselgebüsch die-
selben eher öffnen höret, als man sie zu sehen bekömmt.“294
„Nußheher“ war der Leitname bei BUFFON/OTTO.295
Nußkrähe: BECHSTEIN nannte den Tannenhäher „Die Nußkrähe oder der
Tannenheher“. Da der Schnabel etwas von einem Krähenschnabel und einem
Spechtschnabel hätte, „so haben ihn die neuern französischen Naturforscher
getrennt und machen eine besondere Gattung aus ihm. Ich halte es nicht für
nötig.“ Er stellte die Art weiterhin zu „Corvus“ ( Corvus Caryocatactes), was die
-„krähe“ im Namen erklärt.296
Nußkretscher, Kretscher: Eine andere Schreibweise ist (Nuß-)„Krätscher“.
Krätschen bedeutet „grell schreien“.297
Nußjäägg: In der Schweiz gibt es den Namen „Nußjäk“ mit der Bedeutung
„Nußhäher“.298
Schwarzheher, Schwarzer Nußhäher, Schwarzer Holzschreier: Das dun-
kelbraune, mit weißen Flecken übersäte Gefieder wurde von einigen Autoren
auch als „schwarzbraun“ bezeichnet. HALLE unterschied von ihm eine rot-
braune Variante. Er nannte sie „Rothbrauner Nußheher“ und „Schwarzbrau-

290
BUFFON/OTTO 1781, 7/ 255
291
GOEZE/ DONNDORF 1794, 497
292
SUOLAHTI 1909, 201 und SPRINGER 2007, 272
293
SUOLAHTI 1909, 206
294
BECHSTEIN 1805, 2/ 1264
295
BUFFON/OTTO 1781, 7/ 251
296
BECHSTEIN 1805, 2/ 1257 + 1258
297
GRIMM/GRIMM 1984, 11/ 2069
298
SUOLAHTI 1909, 205
PASSERES – SINGVÖGEL 49

ner Tannenheher“.299 „Die Farbe ist schwarzbraun, weiß getröpft“ und: „Das
Weibchen ist mehr rost- als schwarzbraun.“ Der alte Ausdruck „Holzschreier“
(EBER und PEUCER 1552: „Holtzschreyer“ für den Eichelhäher) wurde zu
Recht vom Eichelhäher übernommen („Holz“ ist Wald).300 „Schreit laut, un-
angenehm Grä grä grä! auf Baumspitzen unaufhörlich. … merkt er einen
Jäger, so schreit er gewaltig, und verscheucht das Wild.“301
Tannenelster: „Uebrigens hat er viele Aehnlichkeit mit diesen beyden Arten
der Vögel [Häher, Elster], und die mehresten Naturkündiger, die nicht an
ihr System gebunden sind, haben keine Schwierigkeit gemacht, ihn bey den
Hehern und Elstern, und sogar bey der Dohle, welche, wie man weiß, den
Elstern sehr ähnlich, aufzustellen; aber man sagt, er sei noch geschwätziger als
diese Vögel.“302
Spechtrabe, Gefleckter Spechtrabe: „Dieser Vogel scheint halb Rabe, halb
Specht zu sein.“ Er hüpft mit großer Geschicklichkeit auf den Ästen und
Stauden herum und klebt sich wie die Meisen so an den Stamm, als ob er
an dem Baum herumklettere. „Wie ein Specht hängt er sich an Stämme und
Zweige, und wie ein Specht meiselt er mit seinem scharfen Schnabel in der
Rinde desselben.“303
Gefleckt ist er, „obgleich der Nußheher kein glänzendes Gefieder hat, so fällt
dasselbe doch, durch die weißen dreyeckigen Flecken, welche, ausgenommen
auf dem Kopf, überall zerstreut sind, sehr in die Augen.“304
Türkischer Holzschreier, Türkischer Vogel, Italienischer Vogel, Afrika-
nischer Vogel: „Den Namen ‚Türkscher Holzheher‘ hat Nucifraga, schreibt
FRISCH, vom Pöbel bekommen, welcher alles, was nicht oft gesehen wird
und unbekannt ist, von einem weit entfernten Lande herschelten.“ Als „Tür-
kischer Holzschreier“ wurde der Tannenhäher im Gebiet des brandenburgi-
schen Luckenwalde bezeichnet.305
„Die gemeinen Leute in Deutschland haben sie den türkischen, den italiäni-
schen, den afrikanischen Vogel genannt; und man weiß, daß in der Sprache
des Volkes diese Nahmen nicht einem Vogel, sondern einem fremden Vogel,
dessen Vaterland man nicht kennt, bedeuten.“306

299
HALLE 1760, 261
300
BECHSTEIN 1805, 2/ 1257
301
OKEN 1816, 466
302
BUFFON/OTTO 1781, 7/ 253
303
GOEZE/DONNDORF 1794, 499 und BREHM 1879, 5/ 448
304
BUFFON/OTTO 1781, 7/ 255
305
SCHALOW 1919, 493
306
BUFFON/OTTO 1781, 7/ 255
50 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Margolf, Schwarzer Markvard, Markolph: „Markolf“, „Markolfus“ heißt


der Eichelhäher nach dem dem Spötter Markolf der Heldensage. Auch der
Tannenhäher ist ein geschickter Nachahmer von Stimmen anderer Vögel, ein
Spötter.
Kläm: Das Wort hat OKEN beigetragen. Handwerker hatten früher die
Namen Klempener oder Klämperer „von dem Getöse, welches sie durch das
Hämmern des Bleches auf dem Amboße machen“ Der Name bezieht sich auf
das Geschrei des Vogels.307
Unschuldsvogel: „Dieser Vogel ist, da er so sehr von den Menschen ent-
fernt wohnt, so wenig scheu, daß [ihn] die Thüringischen Kuhhirten in den
tiefen, stillen Gebirgen mit dem Stocke todschlagen können, und ihn den
Unschuldsvogel nennen, er müßte wegen seiner unschuldigen Einfalt noch
gerades Weges aus dem Paradiese kommen.“308
Nußprangel: Das Wort hat BREHM beigetragen. „Prangen“ heißt „drücken,
pressen“. Das Wort bedeutet mundartlich „Nussknacker“, „-brecher“.309

Dohle (Corvus monedula)


Nach Vorstellung der Römer waren Vögel in der Lage, mit Menschen Verträge
abzuschließen. Dazu liest man bei RINK (1997): Dohlen galten wegen ihrer
Fressgier den antiken Griechen als Wohltäter, „weil sie deren Heuschrecken-
plage abhelfen. Da ihre Gefräßigkeit aber auch vor Feldfrüchten nicht halt-
macht, schließen die [römischen] Veneter Verträge mit ihnen ab, um die Ern-
te zu verschonen. … Zur Zeit der Aussaat schicken die Veneter den Dohlen
Opferkuchen und Gerstenbrote; diese bleiben außerhalb der Grenzen, senden
jedoch zwei als Gesandte ausgewählte Artgenossen voraus, um die Menge der
Gaben zu prüfen. Nach ihrer Prüfung rufen sie die übrigen Vögel herbei, mit
deren Verhalten sich erst alles entscheidet. Fressen sie die Geschenke, ist der
Vertrag geschlossen. … Entscheidungsbefugt sind aber nur die Vögel in ihrer
Gesamtheit, denn erst durch ihre Zustimmung ist der Vertrag mit den Men-
schen rechtskräftig.“ Das Verhalten der Dohlen entspricht dem Bild von der
athenischen Demokratie.310
Dohle: Die mittelhochdeutschen Wörter „dâhele“, „Tâle“ oder „tâhe“ ent-
standen aus dem althochdeutschen „tâha“, das „noch jetzt“ (1905) im Schwä-
bischen als „dach“, in Tirol als „toche“ oder in Wien als „dächer“ fortlebt.

307
OKEN 1816, 466 und KRÜNITZ 1787, 40/ 346
308
BECHSTEIN 1791, 459
309
BREHM 1879, 5/ 446 und GRIMM/GRIMM 1884, 13/ 2064
310
RINK 1997, 125 + 53 + 66
PASSERES – SINGVÖGEL 51

Im älteren Neuhochdeutsch gab es dann zwei Namen für die Dohle, „ein
Schwanken zwischen Dohle – Dahle“, das FRISCH 1741 zugunsten von
„Dohle“ entschied. Im 16. Jahrhundert herrschte in Südwestdeutschland
„Tul“, „Tule“ vor, das sich bis in die Neuzeit im schwäbisch-schweizerischen
Raum erhalten hat.311
„Taha“ ist wahrscheinlich eine lautnachahmende Bildung aus dem Lockruf
des Vogels. „Dalen“, „tallen“, „tullen“ bedeutet schwatzen. Danach hat der
Vogel seine Namen wegen der sprichwörtlich gewordenen Geschwätzigkeit
erhalten.312
Das Wort „Dohle“ lässt sich bis ins 13. Jahrhundert zurückverfolgen. Die
lautliche Übereinstimmung mit dem zweiten Teil des Wortes „monedula“ ist
ohne Zweifel zufällig.313
Gemeine Dohle: Der Name „Dohle“ schloss auch die „Bergdohle“ (Alpen-
dohle) und die „Steindohle“ (Alpenkrähe) mit ein: „Zwey Verwandte unsrer
gemeinen Dohlen, die Bergdohle und die Steindohle, werden in Deutschland
selten oder gar nicht gesehen.“314 Außerdem unterschied man einige Variatio-
nen, z. B. eine „Schwarze Dohle“ u. a. (s. u.). Die „Gemeine Dohle“ ist nur
die bekannte Form „Corvus monedula“.
Doole, Tole, Thole, Duhle, Dhul, Tul, Thule, Doel: „Verschieden von ahd.
‚taha‘, obgleich identisch damit angesehen, ist unser neuhochdeutsches Wort
‚Dohle‘. Die Geschichte desselben lässt sich bis ins 13. Jahrhundert zurück-
verfolgen. Zuerst erscheint ‚tole‘, … im 14. Jahrhundert ‚tul‘ … .“ Alle Na-
men sind als Abwandlungen von „tole“ zu verstehen. „Dol“ und „Dul“ wer-
den im Straßburger Vogelbuch von 1554 erwähnt.315
Als „Tole“ bezeichnete GESSNER den Vogel.316
Graue Dohle, Schwarze Dohle: Die Dohle ist ein kleiner (30–34 cm lang),
überwiegend schwarzer Krähenvogel. Nacken und Kopfseiten sind grau, Keh-
le und Scheitel schwarz. Beide Namen stammen von FRISCH (1763), der
sie auf den Tafeln 67 und 68 abgebildet hat. Die „Graue Dohle“ ist die be-
kannte Form. Zur „Schwarzen Dohle“ schrieb er: „Diese hat mit der vorigen
Art der Natur nach alles gemein, auch das beständige Stehlen, da sie Geld,
Ringe, Ohrengehänge und alle gläntzende kleine Dinge, verstecken und in
ihre Nester tragen. Sie unterscheidet sich aber in der Farbe, denn diese Art

311
KLUGE 1905, 79
312
SUOLAHTI 1909, 187 und GRIMM/GRIMM 1984, 2/ 695
313
SUOLAHTI 1909, 185
314
FUNKE 1805, 1/ 309
315
SUOLAHTI 1909, 187
316
GESSNER/HORST 1669, 188b
52 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

ist gantz schwartz, doch nicht so schön als Raben und schwartze Krehen.“
BECHSTEIN dazu: „Ist eine gewöhnliche Spielart der gemeinen Dohle. Ich
finde sonderlich, daß die jungen Weibchen gerne ohne den weißgrauen Na-
cken erscheinen.“317
Dohlen-Rabe, Dohlenkrähe: Mit „Dohlenrabe“, vermutlich eine Eigen-
konstruktion, bezeichnete NAUMANN den Vogel: „Dies ist die kleinste
unter den deutschen Rabenarten.“318
Der Name „Dohlen-Krähe“ wurde nicht oft benutzt. Vor GLOGER (1833),
der ihn vermutlich selbst aus Zuordnungsgründen gebildet hat, konnte er
nicht nachgewiesen werden.
Thurmdohle, Thurmrabe, Thurmkrähe: Zu den „Thurm“-Begriffen haben
Beobachtungen wie diese geführt: „Sie bewohnen die höchsten Thürme, die
Mauern alter Schlösser.“319 „Sie brüten in Gesellschaft auf alten Thürmen
und Schlössern.“320 Der Begriff „Thurmdohle“ selber lässt sich erst 1794 bei
GOEZE/DONNDORF nachweisen und wurde im 18. Jahrhundert erst spät
und nicht sehr oft angewendet. Der Ausdruck „Thurmrabe“, ein Kunstname,
stammt von MEYER/WOLF.321 „Thurmkrähe“ war der Leitname BECH-
STEINS für die Dohle, ein 1802 von ihm selber geprägter Kunstname.322
Tahe: Tahe ist, wie oben beschrieben, ein althochdeutsches Wort für Dohle.
KONRAD VON MEGENBERG erzählte um 1350 unter der Überschrift
„Von der Tahen“ eine uns bekannte Eigenschaft der Dohle: „Monedula haizt
ein tâh und ist ze latein als vil gesprochen als ain münzheb, sam Jacobus
spricht, dar umb, daz diu tâch gar gern pfennig aufhebt und hât die münz
liep. Wenn diu tâch golt und silber vint, daz verstilt si und verpirgt ez.“323
Thale, Thalicke (I): „Aus dem Namen Dohle machte der Pöbel an einigen
Oertern Tahle, und wegen der kleinen Gestalt Tahlecke, und endlich hieraus
Tahlick.“324
Thalicke (II), Dachlicke, Dachlücke, Licke: „Dahe“ und „Dache“ sind wei-
tere Formen, die in Österreich und Süddeutschland aus „taha“ entstanden
sind. In Niedersachsen gab es um Göttingen und Grubenhagen (bei Einbeck)

317
BECHSTEIN 1793, 637
318
NAUMANN 1822, 2/ 93
319
HALLE 1760, 252
320
OKEN 1837, 347
321
MEYER/WOLF 1810, 1/ 99
322
BECHSTEINS 1805, 2/ 1213
323
KONRAD VON MEGENBERG 1861, 206
324
FRISCH 1763, T. 67–68
PASSERES – SINGVÖGEL 53

die Namen Dâleke, Tâleke.325 Die Namen sind diminutiv (z. B. aus Thale)
und/oder aus dem Dialekt zu verstehen (Sie haben mit einer Lücke nichts
zu tun). Danach könnte man z. B. Thalicke „übersetzen“ mit „Thale-chen,
Dohlchen“.
Talk, Thalk, Thalke: „Fast in jeder Provinz von Europa hat dieser Vogel an-
dere Namen. Bey uns im Harz heißen sie ‚Thalke‘, und die wenigsten würden
das Wort ‚Dohle‘ oder ‚Dule‘ verstehen, unter welchem sie anderwärts be-
kannt sind. Vermuthlich eine Nachahmung ihrer Stimme.“326
Gäcke, Schneegäcke, Schneekäke, Schneegake, Schneedohle, Schneedah-
le, Schneekrähe: „Gäcken“ ist ein altes Wort für „schreien“. Es wurde für die
Laute der Krähen, Elstern und anderer Vögel angewendet. Ein Gäckler war
ein Schwätzer.327 „Ihr ganzes Betragen ist munterer, hurtiger und lebhafter,
und sie unterscheiden sich auch von den andern, durch ihr helles Geschrey:
‚Gak, Gak, Gak!‘ daher sie auch an einigen Orten ‚Schneegäcken‘ genannt
werden.“328 Im Herbst erscheinende Dohlenschwärme gelten als Anzeichen
des Winters. „Schneedohle“ ist „in einigen Gegenden ein Name der gemeinen
Dohlen, weil sie sich bei einem gefallenen tiefen Schnee, oder vielmehr bei
hohem Schneestande mit großem Geschrei gern um die Wohnungen auf-
halten.“329
Kaike, Kayke: Die Namen beziehen sich auf die Stimme der Dohle. „Sicher
onomatopoietisch ist das mittel- und niederdeutsche Synonym, welches in
althochdeutschen Handschriften als kâ(a) überliefert ist.“ GRIMM/GRIMM
leiten daraus über „kau“ für die Dohle zur „Kaike“.330
Aelke, Älke, Elke, Klaas: In Niederdeutschland werden die Dohlen an man-
chen Orten mit Personennamen benannt, deren Koseformen zu Zuordnungs-
begriffen, wie der Geschwätzigkeit des geselligen Vogels, geworden sind. Aus
dem Mittelniederdeutschen stammt „Al(l)eke“ (Kosewort von Adelheid) als
Bezeichnung für die Dohle. Daraus entstand der sächsische Ausdruck „Ael-
ke“. Andere Beispiele sind „Alk“, „Aleke“ oder „Alke“.331
In der Altmark hieß die Dohle „Klaos“, um Lübeck „Klas“ (aus Nicolaus).332

325
SUOLAHTI 1909, 186
326
GOEZE/DONNDORF 1794, 4/ 469
327
GRIMM/GRIMM 1984, 4/ 1129
328
GOEZE/DONNDORF 1794, 4/ 472
329
KRÜNITZ 1827, 147/ 353
330
SUOLAHTI 1909, 188 und GRIMM/GRIMM 1984, 11/ 304
331
STRATHMANN 2008, 2/ 453
332
SUOLAHTI 1909, 189
54 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Die Verwendung des Vornamens „Klas“ für die Dohle ist als Ausdruck großer
Vertrautheit mit dem Vogel zu werten und deutet wohl auf einen Benen-
nungsanlass, der sich aus der Zähmung des Vogels oder deren Möglichkeit er-
gibt.333 Aus dem deutschen „Jakob“ entstand der englische Name „Jackdaw“.
Duljäck: Jäck (Jäk) bezieht sich auf den Lockruf. „…sie schreyen immer
jäck…“ Die (alte) Vorsilbe „Dul-“ steht für Dohle. „Duljäck“ hat also nichts
mit dem englischen „Jack“ zu tun.334
Geile, Gaile: Diese Wörter können vielfältig gedeutet werden, es muss aber
der Bezug zur Dohle bleiben. Deshalb können Beziehungen zur „Geilheit“
genanntem üppigen Planzenwuchs ebenso vernachlässigt werden wie die in
der Waidmannssprache als „Gailen“ oder „Geilen“ bezeichneten Hoden des
Wildprets oder die Gleichsetzung von geil mit brünstig. GRIMM/GRIMM
nennen mehrere gotische, alt- und mittelhochdeutsche Stammformen, die
„fröhlich, lustig, ausgelassen, übermütig“ bedeuten. Das findet man auch bei
KLUGE. Auch die ältere Literatur bestätigt diese Deutung, allerdings fast
ausschließlich für den Menschen.335
Die Namen könnten also aus dem Verhalten der Dohle entstanden sein,
denn ein gewisser Übermut ist besonders von gezähmten Dohlen durchaus
bekannt.
Die Namen lassen sich aber auch aus der Neigung der Dohlen erklären,
Gegenstände (u. a. Geld) zu stehlen.336
Schocker, Tschokerle, Zschokerll: Der zweite und dritte Name sind aus
dem ersten, dem „Schocker“, gebildet worden. Mit „Schock“, „Schreck“ hat
das Wort nichts zu tun, vielmehr mit Schaukel/schaukeln. Man sagte z. B.
„schookle“, schockle“ (beide in Pommern), „Schockel“ (in Mecklenburg)
oder „schockeln“ (in Schlesien). Wer selber einmal um einen Turm o. ä.
schwärmende Dohlen beobachtet hat, kann der ausführlichen Schilderung
von NAUMANNS Dohlenflugbeschreibung nur zustimmen: „Sie spielen
sehr gerne, ergötzen sich im Fluge öfters durch kühne Wendungen, durch
Steigen und Fallen und machen besonders bei starkem Winde allerlei artige
Schwenkungen in der Luft“.337
Tagerl: Der seltene, von BECHSTEIN wiederentdeckte Name ist zuerst bei
KRAMER zu finden, der ihn als österreichischen Ausdruck kennzeichnete.338

333
STRATHMANN 2008, 2/ 454
334
OKEN 1837, 347
335
GRIMM/GRIMM 1984, 5/ 2581f und KLUGE 1905, 138
336
GRIMM/GRIMM 1984, 5/ 2581f
337
NAUMANN 1822, 2/ 93
338
BECHSTEIN 1805, 2/ 1213 und KRAMER 1754, 334
PASSERES – SINGVÖGEL 55

Man kann davon ausgehen, dass er wie „taga“ und ähnliche Ausdrücke aus
„taha“ und oder „dahle“ entstanden ist.339

Saatkrähe (Corvus frugilegus)


In Ovids Metamorphosen wird der Ursprung der Feindschaft zwischen Krä-
hen und Eulen erklärt: Cornix war eine schöne Prinzessin, die Tochter des
Coroneus. Auf der Flucht vor Neptun, der sie entführen wollte, rettete die
Göttin Minerva sie, indem sie Cornix in eine Krähe verwandelte. So erhielt
sie, die ohne irgendeine Schuld war, einen Ehrenplatz als Dienerin Minervas.
Durch aus ihrer Sicht harmloses Geplapper wurde sie aus Minervas Gefolge
verstoßen und muss hinter der Nachteule zurückstehen. Das konnte sie nicht
verstehen, denn ihren Platz hatte jetzt die in eine Eule verwandelte Nyctime-
ne, deren Verwandlung doch eine Strafe für die Entweihung des Bettes ihres
Vaters war.340
Saatkrähe, Feldkrähe, Ackerkrähe, Haferkrähe: Auch für die Krähen haben
die germanischen Sprachen eine gemeinsame Benennung: ahd. „kraja“, mhd.
„kra(w)e“, mnd. „kra“. Die Namen lassen sich von „krähen“ herleiten, dem
krächzenden Geschrei der Vögel.
„Sie folgen vorzüglich dem Pfluge und stecken den Schnabel sehr tief in die
Erde nach Würmern und Engerlingen, wobey sie sich die Stirnfedern abrei-
ben; das thun sie auch des Winters, um das Getraide und Graswurzeln unter
dem Schnee hervorzuholen; sie fressen auch Mäuse, Mist und selbst Aas. Sie
schaden den keimenden Erbsen, Bohnen, Wicken und Cartoffeln, und man
macht daher im nördlichen Deutschland gemeinschaftliche Jagd auf sie, wel-
ches Krähenschießen heißt, weil die Fänge von der Regierung bezahlt wer-
den.341“
Der Name des Vogels stammt von HALLE, der ihn „Schwarze Saatkrähe“
nannte.342
Saatrabe, Schwarze Ackerkrähe: Diese Namen sind treffend für die Saatkrä-
he, die auf Äckern, auf Feldern nach Nahrung sucht (und keine Aaskrähe ist).
Saatrabe war der Leitname bei NAUMANN.343

339
SUOLAHTI 1909, 186 und GRIMM/GRIMM 1984, 2/ 695
340
RINK 1997, 116 und OVID 1994, 48
341
OKEN 1837, 349
342
HALLE 1780, 250
343
NAUMANN 1822, 2/ 78
56 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Schwarze Krähe, Schwarze Kreye, Schwarze Krau, Schwarze Krah: Als


„Schwartze Kraehe“ bezeichnete FRISCH um 1740 die Saatkrähe.344 Die Na-
men sind Saatkrähennamen, während man die der anderen schwarzen Krähe,
der Rabenkrähe, mehr mit dem „Raben“ in Verbindung brachte. Die Be-
griffe „Kreye“ (holl. Krey), „Kraye“ (weniger Krau oder NAUMANNS Krah)
sind mit oder ohne Verbindung mit „schwarz“ schon im 18. Jahrhundert ge-
bräuchlich gewesen, bevor sie von BECHSTEIN gesammelt wurden.
Rooke, Roeck, Rouck, Rouk: „Für die Saatkrähe besitzen die germanischen
Sprachen einen besonderen alten Namen, der im Althochdeutschen ‚hruoh‘
lautet. In den verwandten Dialekten entsprechen mnd. ‚rok(e)‘, mndl. nndl.
fries. ‚roek‘, ne. ‚rook‘“ diesem Begriff. Diese, wie auch die ähnlichen folgen-
den Namen wurden „nach dem Gekrächze des Vogels gebildet“.345
„Im Althochdeutschen wurde mit hruoh sowohl die Saatkrähe wie der Hau-
bentaucher – beides laute Schreier – bezeichnet.“346
„Den ‚Spermologum‘ aber nennen die Engelländer ‚Rook‘, wie er dann auch
gemeiniglich ein Roeck genennt wird … Dieser Vogel hat seinen Auffenthalt
auff den Aeckern/ und nicht wie die vorgenannte Krähen/ umb die Häuser
und Mistgruben.“347
„Weil sie zur Erndten-Zeit häufig aufs Feld fliegen, und auf den Manteln
[Garben] das Korn aus den Aehren fressen, so wird ihnen auch der Name
Mantel-Krähe beygelegt, daher auch unterschiedliche Autores das σ П ε ρ μ
ω λ O Y O ς [spermologos] von diesem Vogel erklären.“ Im Folgenden setzte
FRISCH die Begriffe „Spermologus“ und „Frugilega“ inhaltlich gleich. „Fru-
gilega“ bedeutet „Früchtesammler“.348
Man findet auch andere Deutungen zu „Spermologus“: Es heißt soviel wie
Schwätzer oder er ist einer, der „mit unnützem Gewäsch hin und wieder im
Lande sich nehret.“349
Die Deutschen nennen die Saatkrähe „Roeck“, „Rouck“, „vielleicht wegen
seines unebenen rauhen Schnabels.“350

344
FRISCH 1763, T. 64
345
SUOLAHTI 1909, 183
346
STUDER/FATIO 1956, 3868
347
GESSNER/HORST 1669/ 319a
348
FRISCH 1763, T. 64
349
STARKE/STARKE 1745, Synopsis 2, 17
350
BUFFON/OTTO 1781, 7/ 98
PASSERES – SINGVÖGEL 57

Rauch, Rooche: Die Namen „der Rauk“ und „die Rôke“ wurden in West-
falen bezeugt, „Rooke“ und „Rooche“ in Schlesien (SCHWENCKFELD
1603). „Rauch“ dürfte aus „Rauk“ entstanden sein.
Rouch, Rouche: „Von dem Ruochen“. So betitelte MEGENBERG im 14.
Jahrhundert das Kapitel über die Saatkrähe. „Graculus haißt ain ruoch. der
vogel ist krâen geslähtes, aber er ist klainer an dem leib denne ain krâw.“351
Ruck, Rücke: „Rucke“ findet man in einem Glossar von 1502, „Rücke“ 1746
bei Doebel.352
Haferrücke: „Hafer-Rücke“ wurde zu „Hafer-Ricke“ – „eine in Meißen üb-
liche Benennung einer ganz schwarzen Krähe, mit einem rauhen, halb weißen
Schnabel.“353
„Die erste Hälfte dieses Nahmens rührt von dem Hafer her, wovon die Saat-
Krähe sich nährt; die zweyte vermuthlich von ihrem rauhen unebenen Schna-
bel, oder auch von ihrem Geschreye.“354
Ruech: Die Saatkrähe ist „eine körnerfressende ‚cornix‘ mit weißem Schna-
bel, das Übrige schwarz, die von den Deutschen in der Volkssprache ‚ein Ru-
ech‘ genannt wird.“355
Kurock, Kareck, Karechel: Wenn das niederdeutsche Wort [Karok] nicht
aus einem slavischen Dialekte (akslav. ‚kruku‘) entlehnt ist, könne es als ein
Kompositum Kâ-Rôk (zu Kâ ‚Dohle‘) „Dohlenkrähe“ aufgefasst werden.“356
(Rok steht für Saatkrähe)
„In mittelniederdeutschen Quellen ist Karok als Name der Saatkrähe be-
legt.“357 Es soll ein „pommerisches Wort“ sein: „Dieser Vogel ist des Sommers
in Pommern sehr allgemein, und heisset hier der Kurock.“ – „In Pommern
[heißt sie] Karock.“358 Die Saatkrähe heißt so nach ihrem Lockton.359
„In Preußen lautet der Name ‚Karechel‘, ‚Kareichel‘, ‚Kareikel‘.360 Unter „Ka-
rechel“ führten KLEIN/REYGER die Saatkrähe. Karechel ist ebenso zu ver-
stehen wie der pommersche Name „Karok“.361

351
MEGENBERG 1861, 199
352
SUOLAHTI 1909, 184
353
KRÜNITZ 1780, 21/ 91
354
KRÜNITZ 1789, 46/ 488
355
SPRINGER 2007, 276 (zitiert GESSNER 1555)
356
SUOLAHTI 1909, 184
357
SUOLAHTI 1909, 184
358
OTTO in BUFFON/OTTO 1781, 7/ 106 + 98
359
JAEGER in: Das Ausland 1867, 40/ 381
360
KLEIN 1750, 59
361
KLEIN/REYGER 1760, 58
58 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Gesellschaftliche Krähe: „Die Saat-Krähe fliegt nicht allein in Schaaren, son-


dern sie nistet auch, so zu sagen, in Gesellschaft von ihrer Art, nicht ohne ein
großes Geschrey zu machen, denn sie gehören, hauptsächlich wenn sie Junge
haben, zu den sehr lärmenden Vögeln.“362
Pommerscher Rabe, Sächsischer Rabe, Altenburgischer Rabe: Diese Na-
men sind erst bei BECHSTEIN in seiner Naturgeschichte ab 1791 zu fin-
den. Es sind Kunstnamen, die aus Anlass der Übersetzung der Vogelbücher
von BUFFON (hier Band 7, 1781) durch Professor OTTO gebildet wur-
den. OTTO hatte 1781 über ein möglicherweise regionales Sammeln gro-
ßer Schwärme Saatkrähen zur Zugzeit in Pommern und Sachsen berichtet.
Altenburg liegt in der Nähe von BECHSTEINS damaligem Wohnort. Sie
kommen vor in „Europa, doch nur stellenweis, z. B. selten am Rhein, in Ita-
lien, dagegen sehr häufig in Pommern, Sachsen, Thüringen, immer in großen
Schaaren … Strichvögel nach Südwest, mit Dohlen zu Tausenden.“363
„Rabe“ bedeutet „Schwarzer Vogel“.
Grindschnabel, Nacktschnabel, Steinkrähe: „Ihr besonderes Artenmerk-
mal, die weißlich graue, schäbige Haut um die Nasenlöcher und Schnabel-
wurzel, haben ihr die schweizerischen Namen Nackt- und Grindschnabel ein-
getragen.“364 Um den Schnabel fehlen den adulten Vögeln die Federn. Ein
Grind, eine Grinde ist in Süddeutschland ein nicht bewachsener Bergkopf
(Hornisgrinde im Schwarzwald).
„Da von Wurzeln und Körnerausklauben die Borstenfedern der Schnabel-
wurzel gewöhnlich abgerieben sind, nennt man sie auch Nacktschnabel, oft
auch Grindschnabel, Feldkrähe oder fälschlich Steinkrähe. Ihre verticale Ver-
breitung reicht kaum bis zu den untern Grenzen der Bergregion.“365
Krahenveitel, Kranveitl: „Veit“ ist ein männlicher Vorname, „Krahen-“,
„Kran-“ heißt allgemein „Krähe“. Mit „Krähe“ kann man die Saatkrähe nicht
kennzeichnen, wohl aber mit einem weiteren Namen. Vornamen, wie hier
Veit, wurden für viele Vogelnamen benutzt.
Schiebjäck: Dieses Wort findet man nur bei OKEN in seinem frühen Lehr-
buch der Zoologie.366 Das Wort erwartet man eher für die Dohle. OKEN
schrieb von ihrem unaufhörlichen heiseren Geschrei, dass sie in der Nähe von
Dörfern vorkämen, in großen Scharen „mit Dohlen zu Tausenden“, spielten

362
BUFFON/OTTO 1781, 7/ 101
363
OKEN 1816, 470 und BUFFON/OTTO 1781, 7/ 98f
364
GATTIKER/GATTIKER 1989, 159
365
TSCHUDI 1853, 487
366
OKEN 1816, 470
PASSERES – SINGVÖGEL 59

gerne, „lassen sich vom Sturm schaukeln wie Dohlen“. Das kann erklären,
warum OKEN „-jäck“ wählte.367
Für „Schieb-“ findet man bei GRIMM/GRIMM den Verweis auf „Schibicke“,
Bezeichnung des Holunders ( Sambucus nigra), besonders in mitteldeutschen
Gegenden.368 Die Übersetzung könnte lauten: Schwarzer, temperamentvoller
Vogel.
Von den Wissenschaftlern, die sich ab etwa 1800 um eine einheitliche deut-
sche zoologische Nomenklatur bemühten, war Johann Karl Wilhelm ILLI-
GER (1775–1813) der einfluss- und erfolgreichste. OKEN beschäftigte sich
in seinem fünfbändigen Lehrbuch der Naturgeschichte ab 1813 mit dem Pro-
blem, indem er eine Fülle neuer, meist kurzer Namen schuf, von denen sehr
viele – wie viele und welche, weiß man nicht – von ihm erfunden wurden und
nicht gedeutet werden können.

Rabenkrähe (Corvus corone)


„Im Frühjahr sind die Rebhühner-Eyer ihre hauptsächlichste Nahrung. Sie
sind sehr begierig darnach, und verstehen so geschickt ein Loch darin zu ma-
chen, daß sie dieselben mit der Spitze des Schnabels ihren Jungen bringen
können. Da sie sehr viele Eyer verzehren, und nur wenige Augenblicke ge-
brauchen, die Hoffnung einer ganzen Familie zu zerstöhren, so kann man mit
recht sagen, daß sie nicht sehr unschädliche, ob gleich nicht sehr blutgierige
Raubvögel sind. Glücklicherweise sind sie nicht sehr zahlreich.“369
Rabenkrähe, Krähe: Wie für den Raben, so haben die germanischen Spra-
chen auch für die Krähe eine gemeinsame Benennung: ahd. „kraja“, mhd.
„kra(w)e“, mnd. „kra“. Die Namen lassen sich von „krähen“ herleiten, dem
krächzenden Geschrei der Vögel.
„Rabenkrähe“ ist ein Kunstname von KLEIN (1750). BECHSTEIN schrieb
zu seiner Namensvergabe an diesen Vogel: „Dieß ist der schlichteste Name,
um Mißverständnissen auszuweichen.“370
Die Rabenkrähe „ist zwar in mancher Betrachtung, insonderheit in Ansehung
der Größe und einiger natürlichen Gewohnheiten, sehr von dem gemeinen
großen oder Kolk-Raben ( Corvus Corax L.) unterschieden, hat aber doch,
von einer andern Seite betrachtet, viele Aehnlichkeit mit demselben, sowohl

367
OKEN 1816, 470
368
GRIMM/GRIMM 1984, 14/ 2633
369
BUFFON/OTTO 1781, 7/ 78
370
BECHSTEIN 1791, 2/ 412
60 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

in ihrem Bau und Farbe, als auch im Natur-Triebe, und führt daher die Be-
nennung Raben-Krähe mit Recht.“371
„Erst mit seinem [des Kolkraben] Rückgang tritt an seine Stelle die bedeutend
kleinere Rabenkrähe, die im Laufe der Zeit aber ihr Feld auf dem Gebiete des
Volks- und Aberglaubens so vollständig behauptete, daß bei Vergleichen der
römischen und germanischen Augurien (Weissagung, Vermutung) mit dem
Aberglauben der Gegenwart beide nicht mehr auseinanderzuhalten sind.“372
Krähenrabe: „Krähenrabe“ (ohne den Zusatz „schwarz“) ist ein Kunstname
von MEYER/WOLF. Unter deren „Rabenartige Vögel“ und „Corvus“, wozu
neben Kolkraben, Raben-, Nebel-, Saatkrähe und Dohle auch Elster und Hä-
her gehörten, endeten alle Namen auf „-rabe“.373 NAUMANN hat das im
Wesentlichen übernommen, nahm aber noch Alpendohle und -krähe in die
Gruppe seiner „Wahre Raben“ mit auf.374
BECHSTEIN (1791) gebrauchte schon früh die heute noch üblichen Na-
men, BUFFON/OTTO (1781) diese nur für die Raben-, die Saatkrähe und
die Elster.
Schwarzer Krähenrabe, Krährabe: Beide Namen sind wahrscheinlich
Kunstnamen, die von BECHSTEIN stammen. Der erste Name hat sich als
Trivialname nicht durchgesetzt, der zweite nur wenig.375
Gemeine Krähe, Schwarze Krähe, Kleine Krähe, Kleiner Rabe: „Gemeine
Krähe“ war eine übliche Bezeichnung für die Rabenkrähe, weniger für die
Nebelkrähe. „Schwarze Krähe“ galt für Raben- und Saatkrähe“.
Die Größen der Krähen wurden (und werden auch heute noch) unterschied-
lich angegeben. Die Saatkrähe wurde in der Regel als die kleinere Krähe
beschrieben, manchmal auch als die größere. Raben- und Nebelkrähe sind
gleich groß, auch wenn die Nebelkrähe oft als die größere bezeichnet wur-
de. FRISCH begründete die Reihenfolge seiner Teilkapitel: „Der Grösse nach
hätten wir billig die graue oder Nebel-Krähe zuerst nehmen müssen, indem
dieselbe ein ziemlich Theil größer, als die schwartze ist. Weil diese aber wegen
ihrer gantz schwartzen Farbe dem Raben am ähnlichsten, und mit Recht der
kleine Rabe kan genennet werden: so wollen wir ihr den Vorzug geben.“376

371
KRÜNITZ 1789, 46/ 456
372
GATTIKER/GATTIKER 1989, 159
373
MEYER/WOLF 1810, 94
374
NAUMANN 1822, 2/ 42f
375
BECHSTEIN 1791, 2/412 + 1802, 86
376
FRISCH 1763, T. 64
PASSERES – SINGVÖGEL 61

Hauskrähe: Diese Bezeichnung kam nur der Rabenkrähe zu und drückt eine
gewisse Vertrautheit des Menschen zu diesem normalerweise recht scheuen
Vogel aus. Den Namen findet man schon als ‚Hußkräe‘ bei GESSNER Hist.
avium.377
Aaskrähe: Raben- und Nebelkrähe wurden früher häufig Aasvogel oder Aas-
krähe genannt, weil sie „vor anderen begierig auf das Aas“ fallen.378 Lange Zeit
war „Aaskrähe“ der gemeinsame Artname von Raben- und Nebelkrähen, die
heute zwei Arten sind.
Schwarze Raubkrähe: Entgegen der Saatkrähe gehört die Rabenkrähe nicht
nur zu den aasfressenden Vögeln, sondern auch zu den Nesträubern (Eier und
Junge), wie in der Eingangsgeschichte beschrieben ist.
Rabe, Gemeiner Rabe, Schwarzer Rabe: „Einige heissen diese schwartze
Krähe den Raben, und den großen nennen sie zum Unterschied den Kolck-
Raben.“379
„Die ständige Raben- und Nebelkrähe und die als Wintergast hier [Tirol]
vorkommende Saatkrähe werden hier gewöhnlich verwechselt und mit dem
Namen Rab, Rabb,Krah und Kruh (Klangbilder des Rufes) belegt.“380
„Der ‚Corvus corone‘ heisst fast in ganz Deutschland der Rabe oder der ge-
meine Rabe, nur in wenigen Gegenden die Krähe.“381
Als „Gemeiner Rabe“ wurde das Kapitel über Corvus corone von FRIČ be-
titelt. Allerdings lautete schon der erste Satz von FRIČ: „Der gemeine Rabe
ist nach neueren Ansichten nichts anderes als eine ganz schwarze Krähe.“382
Die Benennung „Gemeiner Rabe“ ist noch bis in das 20. Jahrhundert hinein
zu finden. Noch heute unterscheiden fast nur Kenner und Interessierte Kolk-
raben von Krähen. Vielen Menschen ist eine Aufklärung kaum zu vermitteln.
„Schwarzer Rabe“ ist zwar schon im 18. Jahrhundert zu finden, aber selten.
Viel normaler war es, von „Schwarzer Krähe“ zu schreiben.
Krade, Krahe, Kräge, Kraye: Alle diese Wörter bedeuten in verschiedenen
Regionen „Krähe“. „Kräe“ und „Kräye“ erscheinen schon 1585 bei GESS-
NER.383

377
SUOLAHTI 1909, 181
378
ZORN 1843, 261
379
FRISCH 1763, T. 64
380
ANZINGER 1911, 7/ 52
381
SNELL in ZOOLOGISCHER GARTEN 1864, 5/ 287
382
FRIČ, Naturgeschichte 1870, 221
383
SPRINGER 2007, 278
62 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Schneegäke: „Sie schreit fliegend und sitzend, bis ins Frühjahr hinein, und ihr
Ruf ist immer ein Zeichen kalter Winde oder nachkommenden Schnees.“384
Gäke (Gake) steht für „Krähe, Rabenvogel“.385
Mittelrabe: Die Rabenkrähe ist kleiner als der Kolkrabe, „ja kleiner als die
graue Krähe und viel größer als die Dohle.“386
Quaag, Quake: Nach Quäcker, wie der Vogel im Elsaß wegen seines Rufs
genannt wurde. „Quake“ kam auch „im badischen Oberlande“ vor, aber für
den Kolkraben, genauso wie, auch nach SUOLAHTI, „Quäker“ im Elsass.387

Nebelkrähe (Corvus cornix)


„Da die Krähen und Raben sich gemeiniglich des Winters, wenn viel Schnee
gefallen ist, häufig an solchen Orten zu versammeln pflegen wo sie etwas Aaß
finden, so kann man sich ihrer daselbst auf folgende sehr kurzweilige und lus-
tige Art bemächtigen. Man nimmt ein Stück frisches Fleisch, und zerschnei-
det es in kleine Stücke; versieht sich mit einem Buche etwas steifen Papieres
und mit einem kleinen Topfe voll Vogel-Leim. Hierauf begibt man sich an
den Ort, wo man weiß, daß viele Krähen sich versammeln werden. Alsdann
macht man von dem Papiere so viele Düten, als man Stücke Fleisch hat. Zu
jeder Düte nimmt man einen ganzen oder halben Bogen Papier, und sticht
sie, damit sie sich nicht so bald aufschlage, unten und oben mit einer Steck-
Nadel zusammen. Darauf legt man eines von den Stücken Fleisch hinein, und
beschmiert die Düten ein wenig nach oben inwendig mit Vogel-Leim, stellt
sie alle in gewissen Entfernungen hin, und begibt sich auf die Seite. Die nach
diesem frischen Fleische lüsternen Vögel fallen mit größter Begierde darüber
her, und stecken den Kopf bis unten in die Düte hinein, um ihre tief unten
liegende Beute zu erreichen. Weil nun die Düten, wegen des inwendig befind-
lichen Vogel-Leimes, an ihren Federn kleben bleiben, so können die Vögel
den Kopf nicht wieder heraus ziehen, noch sich von den Düten frey machen,
sondern taumeln entweder auf der Erde herum, oder wenn sie ja auffliegen,
fo fallen sie doch bald wieder an demselben Orte nieder, wo sie aufgeflogen
sind, und man kann sich alsdann leicht ihrer bemächtigen. Es ist ein wahres
Vergnügen, in einer Minute, 10, 12 und mehrere dieser Vögel mit einem
Mahle auffliegen, und nachher einen nach dem andern wieder niederfallen
zu sehen.“388

384
VOIGT 1835, 156
385
GATTIKER/GATTIKER 1989, 161
386
KRÜNITZ 1789, 46/ 456
387
SUOLAHTI 1909, 178
388
KRÜNITZ 1789, 46/ 466
PASSERES – SINGVÖGEL 63

Nebelkrähe, Graue Krähe: „Der teutsche Name Kräe, scheinet von ihrem
Geschrey herzukommen, weil sie zuweilen gantz fein wie ein Haushahn
gleichsam krähet, und ihr grob ordentlich Geschrey diesen Namen Krähe
eigentlich ausdrückt.“389 Zu Krähe sonst siehe Rabenkrähe. Der Name „ne-
belkraha“ stammt von der Hl. Hildegard um 1150.390 Die Nebelkrähe hat
(nebel-)graues Gefieder mit schwarzen Flügeln, Schwanz, Kopf und Brust-
latz. Da der Vogel die Krähe des europäischen Nordens ist, ist die Verbindung
von Grau und Nebel verständlich. Als „Graue Krähe“ wurde der Vogel bei
BUFFON/OTTO bezeichnet. OTTO schrieb bei den Zusätzen: Die graue
Krähe ist im nördlichen Deutschland einer der gemeinsten und bekanntesten
Vögel.“ In den südlichen Ländern sei sie selten. „Die graue Krähe ist größer
als die schwarze und als die Saatkrähe.“ Das liest man häufig in der alten Lite-
ratur, lässt sich aber mit der gängigen Fachliteratur kaum bestätigen.391
„Sie ist weniger pflanzenfressend, aber dummer als die vorige, von langsa-
merem Flug und eckelhaft stinkend, daher ihr Fleisch auch von Jagdhunden
verabscheut wird.“392
Nabelkraye: „Kraye“ ist der alte niederländische Name für „Krähe“.393
Krähe, Gemeine Krähe, Krah, Kräge: „Dieser Vogel ist eigentlich unter
dem Namen Krähe, oder Kräe bekannt.“394 Auch ZORN hatte den Vogel
1743 neben „Nebelkrähe“ als „die Krähe“ bezeichnet.395 „Krah“ und „Kräge“
bedeuten „Krähe“. „Krahe“ stammt aus Niedersachsen, „Kräge“ aus Däne-
mark.396 Eine „Gemeine Krähe“ war eher die Rabenkrähe.
Grauer Krährabe, Nebelrabe: Bei der Rabenkrähe (siehe dort) steht sinn-
gemäß unter „Krähenrabe“: „Krähenrabe“ ist ein Kunstname von MEYER/
WOLF. Unter deren „Rabenartige Vögel“ und „Corvus“, wozu neben Kolkra-
ben, Raben-, Nebel-, Saatkrähe und Dohle auch Elster und Häher gehörten,
endeten alle Namen auf „-rabe“. NAUMANN hat das im Wesentlichen über-
nommen. Die Nebelkrähe war demnach ein „Nebelrabe“.
Grauer Rabe, Mehlrabe: „Grauer Rabe“ findet man schon bei SCOPOLI
(s. u.). „Mehlrabe“ hieß der Vogel an der Saale. „Raben“ waren sie wegen ihrer
Verwandtschaft zum Kolkraben.

389
FRISCH 1763, T. 64
390
STRESEMANN 1941, 96
391
BUFFON/OTTO 1781, 114 + 125
392
VOIGT 1835, 157
393
GESSNER/HORST 1669, 316a
394
FRISCH 1763, T. 64
395
ZORN 1743, 263
396
KRÜNITZ 1789, 46/ 454
64 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Graubunte Krahe, Bunte Krähe: Ein Vogel galt früher als bunt, wenn er
nicht einheitlich gefärbt war. Auch die Farben Schwarz und Grau sind bunte
Farben. Zu „Bunte Krähe“ schrieb SUOLAHTI: „Das Synonym ‚Bundtekräe‘
(‚Pundterkräe‘) gibt Gesner [1585] aus Niederdeutschland an.“397 Für SCO-
POLI war die Nebelkrähe eine „Grau bunte Krähe“.398
FRISCH beschrieb eine „Bunte oder Scheckige Krehe“ als eigene Art ( Cornix
varia).399 BECHSTEIN nannte sie „Die schwarze- und weißbunte Nebelkrä-
he“ und bezeichnete eine Farbabänderung der Nebelkrähe. Möglicherweise
handelte es sich um einen Bastard mit der Rabenkrähe.400
Haubenkrähe: Im Englischen heißt die Nebelkrähe wie zu BECHSTEINS
Zeiten noch heute „Hooded Crow“. Ihr Name ist in Schottland „Hoodie“.401
Nach COLLINS bedeutet „hooded“: „Covered with, having, or shaped like
a hood.“ „Hood“ bedeutet mehr als Kappe oder Haube, wie „Haubenkrähe
vorgibt, sondern auch Kapuze. Und „hooded“ kann auch „verhüllt“ sein.402
Die Nebelkrähe hat keine Haube, aber der schwarze Kopf setzt sich gegen das
Grau des Rumpfgefieders ab wie eine Verhüllung.
Mantelkrähe, Graumantel: Zur Saatkrähe schrieb FRISCH (1743): „Weil
sie zur Erndten-Zeit häufig aufs Feld fliegen, und auf den Manteln [Garben]
das Korn aus den Aehren fressen, so wird ihnen auch der Name Mantel-Krähe
beygelegt.“ Das ist für die Nebelkrähe nicht zu übernehmen, vielmehr kommt
der Name von der Gefiederfärbung. Deren schwarzer Anteil „ist gleichsam
abgeschnitten, von einer Art weißgrauen Mantel, welcher sich oben und
unten von den Schultern bis zu Ende des Leibes erstreckt.“ Wegen dieser Art
Mantel haben die Italiener diese Krähe „die Nonne“ und die Franzosen „die
Mantelkrähe“ genannt.
Schildkrähe, Sattelkrähe, Graurücken: Der Ausdruck „Schiltkrae“ ist in
Sachsen durch EBER und PEUCER (1552) bezeugt.403 Mit Schild und Sattel
ist vor allem der graue Rücken gemeint.
Schneekrähe, Winterkrähe, Winterkrahe: Die Nebelkrähe ist die Krähe des
Nordens und Ostens und kommt als Strichvogel erst in der kalten Jahres-
zeit vermehrt aus dem Norden zu uns. Deshalb gilt sie als Ankündigerin des
Winters und wird Schnee- oder Winterkrähe genannt. Nach anderen Quellen

397
SUOLAHTI 1909, 182
398
SCOPOLI 1770, 31
399
FRISCH 1763, T. 66
400
BECHSTEIN 1805, 2/ 1189
401
COLLINS 1979, 705
402
SCHÖFFLER/WEIS 1954, 234
403
SUOLAHTI 1909, 182
PASSERES – SINGVÖGEL 65

bleibt die Krähe, wie z. B. in Bereichen Norddeutschlands, im Winter im


Lande und hat daher die Namen.
„In einigen Gegenden Deutschlands, z. B. in Pommern, nistet sie, und bleibt
auch den Winter über: Auch in der Mark nisten sie häufig, und sind schon,
gleich hinter Magdeburg, mitten im Sommer anzutreffen. In anderen Gegen-
den von Europa heißt sie deswegen die Herbst- oder Winterkrähe, weil sie
sich dann sehen lässet.“404
GESSNER nannte den Vogel 1585 u. a. „Winterkräe“, im Straßburger Vogel-
buch (1554) steht „Winterkrey“.
Aaskrähe, Luderkrähe, Luderkrah: Raben- und Nebelkrähe wurden früher
Aasvogel oder Aaskrähe genannt, weil sie „vor anderen begierig auf das Aas“
fallen.405 Deshalb waren und sind Raben- und Nebelkrähen „Aaskrähen“.
„Luder“ ist Aas. Siehe auch „Luderkrähe“ beim Schwarzspecht. Die Vögel
haben diesen Namen gemeinsam.
Holzkrähe: Mit Holz wurden auch (lichte) Wälder bezeichnet. „Im Frühlinge
vertheilen sich die grauen Krähen parweise, und bauen ihre Nester aus klei-
nen Zweigen und Reisern, in den Aesten der Bäume, ungefähr wie die Raben
und Saat-Krähen. Man wird aber nie mehr als ein Nest auf einem Baume oder
in nahe stehenden Bäumen sehen, und darin sind sie den Raben-Krähen ähn-
licher, als den Saat-Krähen.“406 Die ebenso bekannte Dohle („Dohlenrabe“)
baut ihr Nest in Höhlen, Klippen, Felsspalten usw.
„Holzkrähe“ war nicht selten der Hauptname der Nebelkrähe. Den Namen
hatten auch noch der Schwarzspecht, die Blauracke und der Tannenhäher.
Astkrähe: „Astkrähe“ findet man üblicherweise für die Nebelkrähe, so auch
1782 bei GATTERER. Man kann es ähnlich der obigen „Holzkrähe“ deu-
ten. Damit waren aber GRIMM/GRIMM nicht einverstanden: Das Wort
sei entweder aus „Aschkrähe“ oder „Aster, Aglasterkrähe“ entstellt.407 Aller-
dings: „Aschkrähe“ (für Nebelkrähe) und „Aster“ (ein Trivialname der Elster
bei BECHSTEIN) waren bekannt, „Aglasterkrähe“ („Elsterkrähe“) dagegen
überhaupt nicht.

404
KRÜNITZ 1789, 46/ 510
405
ZORN 1843, 261
406
KRÜNITZ 1789, 46/ 511
407
GRIMM/GRIMM 1984, 1/ 589
66 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Kolkrabe (Corvus corax)


Im 15. Jahrhundert lebte in Merseburg der Bischof Tilo von Trotha. Er be-
saß einen goldenen Siegelring, ein Geschenk seines Freundes, des Bischofs
von Naumburg. Eines Morgens ließ er ihn am offenen Fenster liegen und
bemerkte nach kurzer Abwesenheit den Verlust des Ringes. In seinem Zorn
bezichtigte er seinen langjährigen Diener des Diebstahls. Obwohl dieser seine
Unschuld beteuerte, ließ ihn der Bischof in den Kerker werfen und hinrich-
ten. Nach einer Gewitternacht musste an einem der Türme des Schlosses die
Dachverkleidung erneuert werden. Hoch oben wurde in einem Rabennest der
Siegelring des Bischofs entdeckt. Somit war die Unschuld des treuen Dieners
erwiesen. Es muss als eine etwas eigentümliche Sühne seiner blinden Strafwut
und als Mahnung, kein Urteil im Jähzorn zu fällen, angesehen werden, dass
Bischof Tilo von Trotha durch ein Vermächtnis anordnete, fortan auf ewige
Zeit im Schlosshof zu Merseburg einen lebenden Raben in einem prächtigen
Vogelbauer zu halten.408
Ein solcher Rabe wird auch heute noch in einem Käfig gehalten, die alte
Sitte ist aber bei Tierschützern umstritten. So fanden Ende 2004 Protestak-
tionen zugunsten des „inhaftierten Schloss-Raben“ statt. Im Juni 2006 erfolg-
te deshalb eine wesentliche Vergrößerung des angestammten Käfigs vor dem
Schloss. Der Rabe lebt nun mit einer Partnerin in einer nun fast neun Meter
langen und vier Meter breiten Voliere.409
Rabe, Raab, Rab, Rapp, Rave, Raue: Die germanischen Sprachen haben
für „Rabe“ eine gemeinsame Benennung, nämlich das althochdeutsche Wort
„hraban“ (etwa 6. Jahrhundert), dann das mittelhochdeutsche „raben“ oder
später „raven“. Sicher ist die onomatopoietische Bildung von „hraban“, nach
der Stimme des Vogels. Schon im Mittelhochdeutschen entstand „Rabe“, von
dem dann in den Ländern und Landschaften vielfältige Abänderungen ent-
standen.410 „Rapp“ oder „Raue“ sind solche regionalen Bildungen aus „Rabe“.
Gemeiner Rabe, Eigentlicher Rabe, Großer Rabe, Größter Rabe: „Gemei-
ner Rabe“ war der Leitname von BECHSTEIN für den Kolkraben: „Dieser
bekannte große Vogel, der größte seiner Gattung, bewohnt ganz Europa …
In Thüringen nistet er nur einzeln, ob er gleich im Winter häufig angetroffen
wird.“411

408
KÖHLER 1908, 25
409
http://de.wikipedia.org/wiki/Merseburg, Stand: 23.10.2011
410
SUOLAHTI 1909, 175
411
BECHSTEIN 1791, 402
PASSERES – SINGVÖGEL 67

Auch Krähen wurden und werden noch heute häufig als Raben bezeichnet.
Sie sind aber nicht so groß wie der Kolkrabe. BECHSTEIN ordnete die Ra-
benvögel unter „Krähen. Corvus“ ein.412 Mit „Eigentlicher Rabe“ meinte man
ausdrücklich keine Krähen.
Kolkrabe, Kohlrabe, Kulkrabe, Kolkraue, Colgrave, Kolkrave, Volkrabe:
Man findet den Namen, der aus Sachsen stammt, als „Kolckrabe“ schon 1555
bei GESSNER.413
Der Zusatz „Kolk-“ in „Kolkrabe“ kann auf verschiedene Weisen erklärt wer-
den. Es ist denkbar, dass mit „kol-krawe“ eine Kohlkrähe (kohl- bedeutet
verkohlt) gemeint ist und die kohlschwarze Farbe des Gefieders bezeichnet.414
Man könnte „Kolk-“ aber auch aus „kolken“ herleiten, was „aufstoßen, er-
brechen“ heißt. „Oft streckt nämlich der Kolkrabe beim Rufen den Kopf weit
nach vorn und etwas nach oben, während die Kehle stark nach außen durch-
gedrückt wird, so daß sich hier die Federn sträuben; es ist als würden die
Rufe hervorgewürgt. Ja, es kommt sogar zum wirklichen Hervorwürgen oder
wenigstens zu einer Art von Erbrechen, indem unverdauliche Speisereste in
der Gestalt von sog. Gewöllen den Körper von Zeit zu Zeit durch die Ein-
gangspforte wieder verlassen.“415
„Der Name Kolik-Rabe, ist vom Laut seines groben Geschreyes hergenom-
men, ob es gleich den Schein hat, als wenn er erst der kolschwartze, hernach
der Kol-Rabe, ferner der kolige Rabe, und endlich durch Verderbung des Pö-
bels der Kolck-Rabe genent wird.“416
Edelrabe: Der Kolkrabe war mit seinem martialischen und vor allem edleren
Aussehen ein Heilsbringer der alten Römer und ebenso der Bote nordischer
Götter. Erst mit seinem Rückgang trat die kleinere Rabenkrähe an seine Stel-
le.417
Große Krähe: Mit „Große Krähe oder Kolkrabe“ betitelte BECHSTEIN den
Vogel.418
Gemeine Krähe: Dieser Name wurde in der Literatur für den Kolkraben
nicht benutzt. Es handelt sich um einen Kunstnamen, der wahrscheinlich von

412
BECHSTEIN 1805, 2/ 1147
413
STRESEMANN 1941, 96
414
SUOLAHTI 1909, 177
415
HOFFMANN 1937, 64
416
FRISCH 1763, T. 63
417
GATTIKER/GATTIKER 1989, 159
418
BECHSTEIN 1805, 2/ 1148
68 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

BECHSTEIN stammt und nur bei ihm und NAUMANN, der eine große
Zahl von BECHSTEIN-Namen übernommen hat, zu finden ist.419
Schwarzer Rabe, Gemeiner schwarzer Rabe: Der „Gemeine schwarze Rabe“
war der Leitname für den Vogel bei HALLE.420
Alle Raben sind schwarz. Der Pleonasmus „Schwarzer Rabe“, den es auch
bei „Schwarze Krähe“ gab, demonstriert, wie sehr das sehr schöne schwarze
Gefieder die Menschen beeindruckt hat. Ein „Schwarzer Rabe“ ist allerdings
auch eine (Raben- oder Saat-)Krähe.
Galgenvogel, Großer Galgenvogel: „Ich kann mit Gewißheit versichern,
daß im Jahre 1812 die Raben aus Thüringen der großen französischen Armee
nachzogen, und keiner um diese Zeit mehr zu sehen war, was damals schon
allgemein als ein böses Vorzeichen für sie galt.“421 Die Kolkraben sind die
größten Rabenvögel, die man häufig bei Aas und Leichen fand, nicht nur
auf Schlachtfeldern, sondern auch auf Richtstätten in der Nähe von Galgen:
„ … weil diese gemeiniglich bey Galgen und Rädern den ersten Besuch ab-
statten“.422
Goldrabe: Den Namen erhielt der Kolkrabe in der Wetterau, weil die schwar-
ze glänzende Gefiederfarbe „an der Sonne wie Gold spielet“.423
Aasrabe, Großer Aasrabe: Krähen und Kolkraben sind als Aasfresser be-
kannt. Saatkrähen gehen vor allem im Winter an frische Kadaver, die aber
klein und bereits zerrissen sein müssen. Die Raben- und Nebelkrähen ernäh-
ren sich zwar überwiegend animalisch und auch von Kadavern, doch tun sie
letzteres in durchaus unterschiedlichem, auch geringem Maße. In einer Höhe
von über 150 m ü. M. spielt Aas eine immer größere Rolle. Auf den Kolk-
raben passt die Bezeichnung als Aasfresser am besten, denn er ernährt sich
außer von Kleinsäugern von Aas, Kadavern von Nutztieren, Nachgeburten
von Weidevieh usw.424 ZORN benutzte „Aaß-Rabe“ schon 1743: „Also nen-
net man den größten unter diesen Vögeln darum, daß er vor andern begierig
auf das Aaß fället.“425
Steinrabe: Der Kolkrabe ist in seiner Habitatwahl sehr vielseitig. So bewohnt
er in Europa neben offenem bis halboffenem Gelände und Wäldern auch
Felsküsten, Mittel- und Hochgebirgslandschaften, wo er auch in Felsregionen

419
BECHSTEIN 1802, 85
420
HALLE 1760, 242
421
VOIGT 1835, 155
422
KRÜNITZ 1812, 120/ 194
423
ADELUNG 1796, 2/ 750
424
GLUTZ VON BLOTZHEIM/BAUER 1993, 13
425
ZORN 1743, 261
PASSERES – SINGVÖGEL 69

brütet.426 „Stein-“ ist im Sinne von Gebirge, Felsen in volkstümlichen Vogel-


namen sehr häufig.
Der Name wurde eigentlich mehr für Waldrapp, Alpendohle und -krähe be-
nutzt. BUFFON/OTTO haben ihn zwar für den Kolkraben angegeben, den-
noch war er für diesen Vogel nicht üblich.427
Kielrabe: Beim „Großen Brachvogel“ schrieb NAUMANN „Großer Keil-
oder Kielhaken“. „Kiel-“ ist niederdeutsch und bedeutet „Keil“. Der Kolk-
rabe ist an seinem keilförmigen Schwanz zu erkennen, zum deutlichen Unter-
schied zu den Krähen.428
Golker: „Der Golkrabe, im gemeinen Leben, eine Benennung des ganz
schwarzen Raben, der am häufigsten der Rabe schlechthin genannt wird; zum
Unterschiede von den Krähen, welche an einigen Orten gleichfalls Raben ge-
nannt werden. Vermuthlich von dem Laute, welchen er im Sitzen von sich
gibt, und welcher Gluck lautet.“429

Beutelmeisen – Remizidae
Die Beutelmeisen (Remizidae) sind eine Familie kleiner Singvögel, die mit
den echten Meisen nahe verwandt sind. Die meisten Arten bauen hängende
Nester an Bäumen, meist in Wassernähe. Nach anderen Quellen gehört die
Unterfamilie der Remizinae zur Familie der Paridae (Meisen). Auch hier muss
man weitere Systematik-Ergebnisse abwarten (versch. Qu.).

Beutelmeise (Remiz pendulinus)


„Die Remiznester wurden zu verschiedenen Absichten gebraucht. In Italien
geht man, wie mit vielen andern nichts zu bedeutenden Dingen abergläubisch
damit um. Man hängt sie an die Thürbalken und Pfosten, und ist versichert,
daß alsdenn der Blitz in diese Häuser nicht einschlägt. In Polen hergegen
und in Rußland nützt man sie besser; man verkauft sie nach Säcken; den
Sack voll bisweilen für einen Ducaten. Man bedienet sich ihrer in Geschwuls-
ten zum Auflegen. Denn die trockene Wärme, welche durch den wolligten
Umschlag des Nestes gelinde erreget wird, kann gar wohl zu Zertheilung des
Geschwulstes beytragen. Man räuchert auch damit, weil die Materialien des

426
BEZZEL 1993, 569
427
BUFFON/OTTO 1781, 7/ 28
428
NAUMANN 1836, 8/ 477
429
ADELUNG 1796, 2/ 752
70 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Nestes oftmals aus den besten und stärksten Kräutern bestehen. Es haben
sogar Aerzte bestätiget, daß die Nester bey geschwollenen Hälsen, wenn sie
aufgeleget worden, gar gute Wirkung gethan haben. Strahlenberg meldet:
die russischen Kaufleute handelten diese Nester gern an sich: denn man ge-
brauche sie erstlich als Fußsocken, fürs andere gäben sie etliche Einwohner
den kranken Pferden, klein geschnitten unter dem Futter ein; und drittens,
pflegten auch einige Russen sich damit zu curiren. Er weiß aber nicht, ob es
Wirkung habe.“430
Beutelmeise: Die Beutelmeise ist seit dem 13. Jahrhundert unter verschie-
denen Namen bekannt. Damals wurde ein Nest des Tieres zum ersten Mal
von ALBERTUS MAGNUS (1280) beschrieben. Es stammte vermutlich aus
der Nähe von Köln. Bis zur Erstbeschreibung der Art durch LINNÉ (1758)
wurde der Vogel häufig in der Literatur erwähnt, wenn auch ohne genaue
Fundorte oder Daten.431
Die Vögel hängen ihre Nester wie Beutel an Zweige. Heute weiß man, dass
die Beutelmeisen nicht zu den Meisen gehören, sondern eine eigene Familie
(Remizidae) mit 3 Gattungen bilden. Eine von ihnen ist „Remiz“, mit nur
einer Art, der Beutelmeise „Remiz pendulinus“, von der es mehrere Unterarten
gibt.
Remitz, Polnische Beutelmeise: In Polen, wo die Beutelmeise schon früher
weit verbreitet war, nannte und nennt man sie heute noch „Remiz“. Über das
Alter des Namens „Remiz“ werden keine genaueren Angaben gemacht. „In
Pohlen Remez, remis, remiz, remezawy Ptak, remicz …“432 TITIUS veröf-
fentlichte 1757 eine „Beschreibung der kleinsten Maise oder des lithauischen
Remizvogels“, in der er die Meinung vertrat, der Vogel komme ursprünglich
aus Italien. „Die Polen und Russen nennen ihn Remiz, welches Wort mir
eben so viel als Römisch zu seyn scheint: dergestalt, daß der Vogel Remiz, den
römischen oder welschen Vogel bedeutet.“
Volhynische Beutelmeise: Im Deutschen fehlte der Name „Remiz“, meinte
TITIUS (1757). KLEIN nannte die Art „Volhynische Beutel-Meise, Parus
Lithvanicus“, die in Volhynien, Sendomir und verschiedenen Gegenden von
Litthauen lebte.433

430
TITIUS 1757, 248
431
http://www.beutelmeise.de/remiz_facts.html, Stand: 6.08.2011
432
BUFFON/OTTO 1791, 17/ 128
433
KLEIN 1750, 86
PASSERES – SINGVÖGEL 71

Das Gebiet der Südwest-Ukraine ist die hügelige Landschaft der Wolhynisch-
(Volhynisch-) Podolischen Platte, wo auch Lwow (Lemberg) liegt. Nach Wes-
ten schließt sich das südpolnische Gebiet Kraukau-Sendomir an.
Litauischer Remiz: „Nach Fischer sind sie in Litthauen häufig; aber im nörd-
lichen Deutschlande, wenigstens in Pommern, habe ich nie etwas von ih-
nen erfahren können.“434 Und BUFFON äußerte sich an derselben Stelle:
„Daniel Titius bemerkt, daß es wirklich viele Sümpfe und Wasserbäume oder
Pflanzen, als Weiden, Erlen, Pappeln, Jaceen, Asters, Habichtskraut u. s. w.
in Volhynien, Litthauen und anderen pohlnischen Provinzen gebe, welche die
Remize vorzüglich gern bewohnten.“435
Pendulin, Pendulinus, Pendulinmeise, Florentiner Meise, Languedoc-
sche Meise: Mit diesen Begriffen sind Variationen gemeint, die in Italien und
Südfrankreich vorkommen und die heute zu der oben zitierten „Pendulinus-
Gruppe“ gehören. Um diese Beutelmeisen ging es in der von KLEIN/REY-
GER (s. o.) beschriebenen Arbeit über die Zugehörigkeit von „Remiz“ und
„Pendulino“ zu einer Art.436
Eine Pendule ist eine Pendeluhr. Das Nest der Beutelmeise, oft an dünnen
Weiden- oder Pappelzweigen angebracht, „pendelt“ im Wind mitunter sehr
stark. „Die Italiäner haben ihm den Namen Pendulino gegeben, weil er sein
wunderbar gebautes Nest, an einem der kleinsten Weidenäste, übers Wasser,
an einem hanfenen gedrehten Faden aufhängt.“437
Cottonvogel: „Cotton-“ bezieht sich auf den Aufbau, das Aussehen des Beu-
telnestes des Vogels. „Die Baumaterialien sind Hanffäden, Bastfäden, Gras-
halmen, Wolle von Pappeln, Weidenkätzchen, Distelflocken, Teichkolben
( Typha), welche zu einem dichten, zähen, kaum zerreißbaren Filz verwebt
werden.“438 Baumwolle, als die man die hier angegebenen Pflanzenmateria-
lien im weitesten Sinn bezeichnen kann, ist ital. „Cotone“, franz. „Coton“.439
„Diese Nester, welche man in der kalten Jahreszeit, wo das Geröhrig lichter
und von Menschen oft besucht oder gar weggeschafft wird, leicht auffindet, –
werden statt der Strümpfe als eine bequeme Fußbekleidung benutzt: die, mit
etwas vergrößerter Öffnung, sonst für kleine Füße schon paßt, von großen
Personen aber über die Zehen angezogen, und zum Theile selbst als Handels-

434
OTTO in BUFFON/OTTO 1791, 17/ 141
435
BUFFON/OTTO 1791, 17/ 141
436
KLEIN/REYGER 1760, 89
437
TITIUS 1757, 229
438
KRÜNITZ 1802, 88/ 36
439
KRÜNITZ 1786, 36/ 10
72 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

waare betrachtet wird. Ehedem schrieb ihnen der Aberglaube sogar allerhand
geheime Kräfte zu.“440
Österreichischer Rohrspatz, Persianischer Spatz, Türkischer Spatz: BUF-
FON zählte mit diesen Namen auf, wie die Beutelmeise damals in Österreich
genannt wurde. Den „Spatz“ oder „Rohrspatz“ in den Namen dürfte die Beu-
telmeise, wie auch die anderen als Rohrspatz bezeichneten Vögel, wegen ihrer
andauernden, wenn auch feinen, nicht lauten Rufe haben.441
Sumpfbeutelmeise, Sumpfmeise, Beutel-Rohrmeise, Grasmücke an
Sümpfen: Die Beutelmeise brütet in Laubbaumbeständen an den Ufern von
Flüssen und stehenden Gewässern sowie in schilf- und rohrbestandenen,
buschreichen Sumpfgebieten. Sie braucht für die Nestanlage geeignete Bäume
mit lang herabhängenden Zweigen, wie Weiden oder Pappeln und Erlen, baut
ihr Nest aber nicht an Reetpflanzen (o. Qu.).
Es konnte nicht in Erfahrung gebracht werden, ob der einfach zu deutende
Begriff „Grasmücke an Sümpfen“ eine Eigenschöpfung BECHSTEINS ist
oder nicht.

Meisen – Paridae
„Meise“ ist ein uraltes germanisches Wort (altnord. meisingr), das sehr weit
verbreitet war und abgeändert heute in vielen Sprachen zu finden ist Der
Ursprung des Wortes ist dunkel, eine Übersetzung gibt es wohl nicht.442 Die
heutigen Meisennamen sind zusammengesetzte Namen, wie z. B. „Hauben-
meise“, was die Deutung erleichtert.
SCHMIDT-BEY meinte, der Name des Kleinvogelfängers „Merlin“ sei von
einem indogermanischen Wort für „Kleinvogel“ abgeleitet. Auf dieses Wort
gehe sowohl „Meise“ zurück, als auch die romanischen „merula, merola, mer-
le“ für die Amsel.443

Blaumeise (Parus caeruleus)


Im Jahr 1785 schrieb BUFFON über die Blaumeise: „Ein anderer Umstand,
der dazu beigetragen haben kann, die Blaumeise (…) von einer übeln Seite,
kennbar zu machen, ist der Schaden, den sie in unsern Gärten verursacht, in-

440
GLOGER 1834, 374
441
BUFFON/OTTO 1791, 17/ 129
442
GRIMM/GRIMM 1984, 12/ 1946
443
SCHMIDT-BEY 1936, 128
PASSERES – SINGVÖGEL 73

dem sie die Knospen der Obstbäume abbeißt. Sie bedient sich sogar mit einer
besondern Geschicklichkeit ihrer kleinen Klauen, die schon ganz ausgebildete
Frucht von ihrem Zweige los zu machen, und sie darauf in ihren Vorrath
zu tragen. Dieß ist jedoch nicht ihre einzige Nahrung: denn sie hat einerlei
Geschmack wie die andern Meisen, eben solche Neigung zum Fleische, und
sie naget es so vollkommen von kleinen Vögeln, deren sie habhaft werden
kann, ab, daß Klein vorschlägt, sie Gerippe daraus bereiten zu lassen. – Er
räth, zuvor den größten Teil des Fleisches und des Gehirns von dem Vogel zu
nehmen, von dem man ein gutes Gerippe zu haben wünscht.“444
Blaumeise, Blaue Meise: Die Blaumeise hat eine kleine blaue Kappe, blaue
Flügel und einen blauen Schwanz. Die Körperunterseite ist gelb, das weiße
Gesicht von schwarzen Streifen umgeben.445
Bleimeise: Der Name leitet sich von Blaumeise ab. „Bleifarben“ bedeutet
auch blau, bläulich.446
Bienenmeise, Bienmeise, Pynmaiß: „Bey Nürnberg wird dieser Vogel ein
Bienmeise genennt/ ohn Zweifel darumb/ weil sie Bienen frißt.“447 Die Blau-
meise wurde auch Pynmaiß genannt (belegt seit 1531), was Bienenmeise be-
deutet.448 Bienen gehören allerdings nicht zur Nahrung der Blaumeise, die
fast ausschließlich Kleininsekten frisst.
Pinelmeise: Dieser Name ist gleichbedeutend mit „Bienmeise“.449
Pimpelmeise, Bümbelmeise: Das Wort „pimpeln“ ist „ein von pim abge-
leitetes lautmalendes Frequentativum [oft gebrauchtes Wort], eigentlich wie
eine Schelle fortwährend klingeln (bimmeln).“450 Den Namen hat die Blau-
meise wegen ihres bekannten hellklingenden Gesanges.
„Vermuthlich von dem noch im Englischen üblichen Pimpel, ein kleines ver-
ächtliches Ding, weil diese Meise die kleinste unter allen ist; es müßte denn
dieser Nahme eine Nachahmung ihrer Stimme seyn. Im gemeinen Leben der
Hochdeutschen ist pimpeln, so wohl mit kleinen Glocken läuten, als auch,
sich mit schwacher Stimme beklagen.“451
Siehe auch bei „Jungfermeise“.

444
BUFFON/OTTO 1791, 17/ 103f
445
SVENSSON et al. 2011, 342
446
GRIMM/GRIMM 1984, 2/ 88
447
GESSNER/HORST 1669, 350a
448
SUOLAHTI 1909, 156
449
NAUMANN 1824, 4/ 62
450
GRIMM/GRIMM 1984/ 13, 1858
451
ADELUNG 1798, 3/ 770
74 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

„Bümbelmeise“ entstand aus „Pimpelmeise“.452


Pumpelmeise: „Pumpeln“ ist „stampfen, stoßen.“ Im Märchen heißt es: „Was
rumpelt und pumpelt in meinem Bauch herum?“453 Für die Meise ist damit
das unermüdliche Hämmern auf die Baumrinde zur Nahrungssuche gemeint.
Blaumüller: „Blau gilt namentlich als Symbol der Landesfruchtbarkeit, des
Ehebündnisses und des Glückes. … Die Blaumeise heißt Blaumüller, ihr Er-
scheinen mahnt den Bauern zum Pfluge zu greifen.“454
„Eher erscheint das plüschige Vögelchen gelegentlich [wie der Müller] mehlig
überstäubt zu sein.“455
Himmelsmeise, Himmelmeise: Nach SUOLAHTI bezieht sich dieser
Name, belegt seit 1551, auf die blaue „Himmels-“Farbe des Vogels.456
Hundsmeise: Laut GRIMM/GRIMM verstand man darunter eher Tannen-
und Sumpfmeise.457 Der abwertende Name ist unter „Sumpfmeise“ erklärt.
Mehlmeise: BUFFON: „Ein deutscher Vogelliebhaber sagte …, daß man sie
in seinem Lande Mehlmeise nenne, weil sie das Mehl gerne fressen.“ OTTO
ergänzte (ebenda): „Mehlmeise heißt sie vielleicht, weil der Kopf wie gepudert
aussieht.“458
Käsemeise: „Nach der Nahrung, welche die Blaumeisen auf den Höfen und
bei den Häusern finden, haben sie noch andere Namen erhalten.“459 Aus einer
Schrift um 1750 stamme „Käsemeischen“. „ … vielleicht weil sie gern Käse
speiset.“460
Ringelmeise: Der Name bezieht sich auf den Gesang der Meise. „Ringeln“
heißt „mit Ringeln versehen“. Eine andere Herkunft hat das gleichlautende
dänische „ringle“, was „klingeln, schellen, klirren“ bedeutet, entstanden aus
dem altnordischen „hringja“, „eine Glocke läuten“.461
Merlmeise: Die Silbe „Merl-“ gehört nicht zur frühesten germanisch-römi-
schen Entlehnungsschicht. „Merla“ ist seit dem 13. Jahrhundert nachweisbar
und bezog sich vor allem auf die Amsel. Im Lateinischen bedeutet „merus“

452
G. GERLAND 1869, 134: „Intensiva und Iterativa …“
453
GRIMM/GRIMM 1984, 13/ 2228
454
ROCHHOLZ 1867, 274
455
ZUM LAMM 2000/ 283
456
SUOLAHTI 1909, 155
457
GRIMM/GRIMM 1984, 10/ 1939
458
BUFFON/OTTO 1791, 17/ 102
459
SUOLAHTI 1909, 156
460
KRÜNITZ 1785, 35/ 540
461
GRIMM/GRIMM 1984, 14/ 997
PASSERES – SINGVÖGEL 75

ungemischt, lauter, rein. Das trifft für die flötende Stimme der Amsel, der
Turdus merula, zu. Vom Gesang der Blaumeise war man früher weniger an-
getan, jedoch treffen ungemischt, lauter und rein zu.
Schon einmal zitiert: SCHMIDT-BEY meinte, der Name des Kleinvogelfän-
gers „Merlin“ sei von einem indogermanischen Wort für „Kleinvogel“ abge-
leitet. Auf dieses Wort gehe sowohl „Meise“ zurück, als auch die romanischen
„merula, merola, merle“ für die Amsel.462
Jungfermeise: Die Blaumeise hat „den Beinamen die ‚Jungfer‘ wegen ihres
zarten, weichlichen Wesens; wie sie auch, weil sie oft sehr pimplich thut, hier
und da ‚Pimpel‘-Meise genannt wird.“463

Lasurmeise (Cyanistes cyanus)


Die Lasurmeise war offensichtlich schon lange vor ihrer Erstbeschreibung in
der Fachliteratur bekannt. „Die Abbildung dieses Vogels ist dem Aldrovand
[1522–1605] durch den Marquis Faschinetto mitgetheilt, und Aldrovand hat
sie nicht anders als in der Abbildung gesehen; sie machte einen Theil der
ausgemahlten Abbildungen von Vögeln aus, welche einige reisende Japaner
dem Papste Benedikt XIV. [Papst 1740–1758] schenkten, und welche dem
Willughby [1635–1672] verdächtig [er-]schienen [waren]. Dieser geschickte
Naturkündiger hielt sie für Gemählde der Einbildungskraft, welche erdichte-
te oder wenigstens sehr verunstaltete Vögel vorstelleten.“ BUFFON zitierte
Aldrovandis Beschreibung und fuhr dann fort: „Das Hellblaue herrschte über
den ganzen oberen Theil des Vogels, das Weiße auf dem unteren, ein sehr
dunkles Blau auf den Schwanz- und Flügelfedern …“ Er glaubte Aldrovandis
Beschreibung nicht und hielt Willughbys Verdacht für gerechtfertigt.464
Dem widersprach OTTO, denn inzwischen war die Beschreibung der Lasur-
meise von PALLAS (1770) in den „Petersburger Kommentarien“ erschienen,
„welches sehr mit der aldrovandschen Beschreibung überein stimmt.“465
Säbische Meise, Große blaue Meise „Der Herr Sparrman beschreibt aus der
Vogelsammlung des Herrn Staatssekretärs und Ritters Carlson eine auf dessen
Landguthe Säby in Südermannland gefundene Meise als eine besondere Art.“
Es folgte eine Beschreibung, dann fuhr BUFFON fort: „Es scheint dieser
Vogel eine bloße Spielart der Blaumeise zu seyn, die am Rücken, Brust und
Bauche weiß geworden ist; es sey denn, daß er zu der großen blauen Meise

462
SCHMIDT-BEY 1936,128
463
HOLTEI 1848, 259
464
BUFFON/OTTO 1791, 17/ 211f
465
OTTO in BUFFON/OTTO 1791, 17/ 213
76 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

gerechnet werden könne.“ BUFFON schrieb dies 1785. Er unterschied zwi-


schen der „Säbyschen Meise“, der „großen blauen Meise“, was auch PALLAS
in seinen „Nordischen Beiträgen“ tat („Parus caerulescens“, bzw. „Parus ma-
jor“) und außerdem einer „Knjäsziok“ genannten Variante.466
BECHSTEIN führte beide als „Säbysche Meise“, die „aller Vermuthung nach
eine bloße Spielart unserer Blaumeise“ sei.467
Lasurmeise, Lasurblaue Meise: 1787 übersetzte ZIMMERMANN den eng-
lischen Namen „Azur Titmouse“ von PENNANT aus dem Jahr 1785 als „La-
surblaue Meise“. BECHSTEIN verkürzte den Begriff zu „Lasurmeise“. „Ich
gebe ihr diesen Namen statt lasurblaue Meise wegen der Übereinstimmung
aller deutscher Meisen-Namen, da sie alle kein Beywort haben, sondern aus
einem zusammengesetzten Hauptwort bestehen.“468
Der Wortteil „Lasur-“ bedeutet hier lasurblau, wie es z. B. der Lasurstein oder
Lasurit ist, hinter dem sich das tiefblaue Mineral Lapislazuli verbirgt.
Hellblaue Meise: „Hell“-Blau widerspricht nicht dem Lasurblau, es be-
schreibt eher den Gesamteindruck des Gefieders des Vogels, das aus teilwei-
se hellen Blautönen und Weiß besteht. Der Kunstname steht seit 1807 bei
BECHSTEIN.469
Prinzchenmeise: „Lepechin erwähnt einer Meise, die sich in den sibirischen
Eichenwäldern aufhält und obigen Namen [Knjäsziok] wegen der Schönheit
ihrer Federn führt. Dieser Name Knjäsziok, den sie zu Sinbrzk führt, heißt
nämlich soviel als Prinzchen.“470
GMELIN/LINNÉ führten diesen Vogel 1789 als „Parus Knjäsciok“.

Kohlmeise (Parus major)


„Ich habe bisweilen sechs und mehrere Kohlmeisen in einem Zimmer fliegen
lassen, worin Goldammern, graue Ammern, Finken und andere Vögel mit
abgeschnittenen Flügeln herumliefen. Zuerst machten die Kohlmeisen Jagd
auf die schwachen Goldammern, mehrere Kohlmeisen halfen sich, mit dem
Schnabel auf den Kopf der Goldammer zu stoßen; sie machten diese dadurch
endlich sehr matt, und tödteten sie völlig, aber fraßen doch den gestorbenen
das Gehirn aus der durchbohrten Hirnschale. Die Meisen, die dieses einige

466
BUFFON/OTTO 1791, 17/ 114 + 211f + 174 und PALLAS 1783, 10
467
BECHSTEIN 1795, 737
468
BECHSTEIN 1807, 3/ 865 und STRESEMANN 1941, 83
469
BECHSTEIN 1807, 3/ 865
470
BUFFON/OTTO 1791, 17/ 174
PASSERES – SINGVÖGEL 77

Mahle gethan hatten, wurden so sehr zu dieser Jagd gewöhnt, daß sie, bei völ-
ligem Futter aller Art, bald alle Goldammern und Schwächern ihrer eigenen
Art tödteten, und endlich gar die Finken und die stärkern grauen Ammern
angingen.“471
Die moderne Literatur beschreibt „Scharmützel“ unter Artgenossen, die in
Schwärmchen oder bei Revierkämpfen stattfinden und mitunter tödlich en-
den. In Extremsituationen können Kleinvögel getötet werden, deren Gehirne
verzehrt werden.472
Kohlmeise, Kollmeise, Große Kohlmeise: Die Kohlmeise hat einen mal
blauschwarz glänzenden, dann wieder kohlschwarz, wie angebrannt ausse-
henden Kopf. Der Name dieses Vogels ist als „kolmeis“ schon aus dem 15.
Jahrhundert überliefert.473
„Sie bauen ihr Nest in dem Loche eines Baumes oder einer Mauer, beson-
ders in den Mauern einzelner Häuser nahe an den Wäldern zum Beispiele
der Kohlenbrenner, wovon, wie einige sagen, diese Meise den Nahmen der
Kohlenmeise (Charbonniére) bekommen haben.“ Dem BUFFON-Überset-
zer OTTO blieb zu dieser abenteuerlichen Deutung nur der Einwand: „Viel-
leicht heißt sie Kohlmeise wegen ihrer kohlschwarzen Kopfplatte.“474
Ganz anders war die Vorstellung von GOEZE: „Kohlmeise, weil sie sich über-
aus gern in den Kohlgärten und den nahe an den Dörfern liegenden Kohl-
stücken aufzuhalten, und den Kern auszuhacken pflegt.“475
Große Waldmeise, Große schwarze Meise: Die der Kohlmeise ähnliche
Tannenmeise wurde „Waldmeise“ oder „Kleine Waldmeise“ genannt. Das gilt
auch für den zweiten Namen.
Brandmeise: Die Bezeichnung „Brantmeyse“ findet man schon im Strass-
burger Vogelbuch von 1554. Namensgebend sind die schwarzen Kopf- und
Brustteile, die wie verbrannt aussehen.476 „Die Männlein haben einen breitern
schwartzen Strich längs den Bauch hinunter als die Weiblein, davon sie auch
Brand-Maisen genennet werden.“477
Schwarzmeise: Dieser Begriff wurde für alle Meisen mit schwarzem Kopf
oder schwarzer Kopfbedeckung verwendet.

471
OTTO in BUFFON/OTTO 1791, 17/ 38f
472
GLUTZ VON BLOTZHEIM/BAUER 1993, 13/ 774f
473
SUOLAHTI 1909, 154
474
BUFFON/OTTO 1791, 17/ 42
475
GOEZE 1796, 6/ 78
476
SUOLAHTI 1909, 154
477
FRISCH 1763, T. 13
78 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Spiegelmeise: Mit „Spiegelmeise“ war die Kohlmeise gemeint, nicht etwa


auch die in der Färbung ähnliche „Kleine Kohlmeise“, die Tannenmeise:
„Dieses Meißlein nennt man mehrentheils in Teutschland eine Kohlmeiß:
wiewol die Sachsen und andere/ auch die grosse oder Spiegelmeiß also nen-
nen.“478 Ein Spiegel ist normalerweise ein weißer Fleck oder Gefiederbereich.
Hier sind die weißen Wangenflecken am sonst schwarzen Kopf des Vogels
gemeint.479 „Wegen der gelben und weisen Flecken dazwischen, heissen sie
einige Spiegel-Maisen.“480
Finkmeise, Finkenmeise, Meisenfink: Der Größe des Vogels entsprechend
sind auch seine Locktöne und Zurufe kräftig; insbesondere ist sein Schlag,
ein kurzes helles „pink“, das ihm den Namen „Pink“-Meise eingetragen hat,
klangvoller als viele andere Meisenlaute, fast wie das „pink“ des Edelfinken,
nur klangreiner und nicht ganz so robust.481 „…wenigstens verdient diese
Meise, mehr als irgend eine andere Art den Nahmen Finkenmeise.“482 „We-
gen des Geschreys, das mit der Finken-Geschrey überein kömmt, gebrauchen
einige den Namen Fink-Maise.“483
Der Name „Meisenfink“ würde in Deutschland zwar gebraucht, die ältere
und bekanntere Bezeichnung „Kohlmeise“ aber vorgezogen.484
Speckmeise, Schinkenmeise, Talgmeise: Die Namen weisen auf Vorlieben
der Kohlmeisen auch für Speck und Fleisch hin, die sie in der Nähe des Men-
schen finden, mitunter auch als Bestandteile von Abfällen. „Bereits im Alt-
nordischen begegnet als Bezeichnung der Meise der Name spiki, welcher aus
spik ‚Speck‘ abgeleitet ist.“485 Ihr Ruf ist „Schinkendieb“.486
„Wenn im Winter ein Schwein geschlachtet wird, ist sie [die Kohlmeise]
gleich bei der Hand und zerrt sich hier möglichst große Stücke herunter:
diese Fleischgier erklärt mehrere ihrer Volksnamen.“487
„Im Schwedischen wird die Kohlmeise talgoxe … genannt. … Preußische
Ausdrücke sind Talgmöske und Talghacker“488 Talg ist dem Schweineschmalz
entsprechendes Rinderfett.

478
GESSNER/HORST 1669, 350a
479
ZUM LAMM 2000, 284
480
FRISCH 1763, T. 13
481
VOIGT 1933, 75
482
OTTO in: BUFFON/OTTO 1791, 17/ 42
483
FRISCH 1763, T. 13
484
BUFFON/OTTO 1791, 17/ 34
485
SOULAHTI 1909, 155
486
GRIMM/GRIMM 1984, 15/ 205
487
BREHM 1866, 933
488
SUOLAHTI 1909, 155
PASSERES – SINGVÖGEL 79

Große Meise, Großmeise: „Große Meise“ ist neben „Kohlmeise“ einer der
Leitnamen bei BUFFON/OTTO. Die „Kleine Meise“ ist die ihr ähnliche
Tannenmeise.
DÖBEL nennt die Kohlmeise „Pick- oder Großmeise“, sie ist „die grösseste
unter den Meisenarten.“489
Pickmeise: Die Pickmeise hält größere und kleinere tierische oder pflanz-
liche Nahrungsbrocken, die verzehrt werden sollen, auf einem Zweig mit den
Füßen fest und bearbeitet sie durch Picken. „Kein Vogel ist fast so neugierig,
als dieser. Er kriecht in alle Ritzen, Höhlen und Löcher. Wenn er an einem
Baume herumspringt, so bleibt fast kein Plätzchen übrig, das er nicht mit
seinem Schnabel bepickt. Davon die Pickmeise.“490
Pinkmeise: „Wegen des Tons aber, wenn er recht lustig oder in Gefahr ist:
Pink! Pink! Pink! heißt er auch Pinkmeise.“491
Grasmeise: „Grasmeise“ ist ein möglicherweise schon älterer, dennoch aber
kaum erwähnter Name, der sich auf Farben des Gefieders bezieht: „Gleich wo
der Hals sich anfängt, kommt eine Farbe, die weder grün noch blau aussiehet,
sondern ist das Mittel von beyden Farben, spielet jedoch mehr grün, als blau,
und reichet den ganzen Rücken hinab, bis zum Schwanz, wird aber vor dem
Schwanz etwas heller.“492
Ein Hinweis einer Ableitung von „Grasmeise“ (auch „Graßmeise“) aus „Groß-
meise“ wurde nicht gefunden.

Haubenmeise (Parus cristatus)


Die Haubenmeise ist eine ausschließliche Bewohnerin des Nadelwaldes. „Da
diese Art im Kiefernstangenholz und überhaupt im gut durchforsteten Na-
delwald vielfach nicht in der Lage ist, ihr Nest in Baumhöhlen anzulegen,
so nimmt sie, ähnlich wie die Tannenmeise, auch mit alten, faulen Stubben
am Boden oder mit Rindespalten morscher Eichenbäume fürlieb und nistet
sich im Notfall in alten Raubvogel- oder Eichhornnestern ein; die Höhe ist
ihr dabei gleichgültig. Fliegt eine Haubenmeise in der Brutzeit aus dem Na-
delwald in benachbarte Laubbäume, so kann man mit ziemlicher Sicherheit
annehmen, daß sie dort ihr Nest hat.“493

489
DÖBEL 1785, 1/ 223
490
GOEZE 1796, 6/ 79
491
GOEZE 1796, 6/ 79
492
PHILOPARCHUS 1774, 731
493
HEINROTH 1965, 1/ 126
80 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Haubenmeise, Häubelmeise, Haubelmeise, Heubelmeise: Die „Hauben-


meise“ hat ein Federbüschel auf dem Kopf.
Kuppenmeise, Kuppmeise, Kupmeise, Kupfmeise, Koppmeise, Koppen-
meise: „Kuppe“ und „Koppe“ bedeuten u. a. ein „Federbüschel auf dem Kop-
fe der Vögel.“494 „Die Kuppmeise … hat eine braune Kuppe aufm Kopfe.“495
Kobelmeise, Schopfmeise, Straußmeise: Auch hier sind Kobel, Schopf
oder Strauß für Federbusch wieder Synonyme zur Haube unserer Meise.
„Die Teutschen nennen es gemeiniglich vom Strauß her/ ein Kobelmeißlein/
Straußmeißlein/ Häubelmeißlein/ oder Heydenmeißlein.“496
Toppelmeesken: Ein „Top“ ist im Niederdeutschen, Plattdeutschen ein Fe-
derbüschel auf dem Kopf, „Toppel“ oder „Töppel“ (s. Haubenlerche) sind
daraus abzuleiten.497
Hörnermeise: Laut BECHSTEIN hat man die Haubenmeise in Thüringen
„Hörnermeise“ genannt. Der spitz zulaufende Federbusch sieht aus wie ein
Horn.498
Meisenkönig: Die Haubenmeise ist die einzige Meise mit einer „Krone“.
Außerdem wurde sie vom Volk vielfach als Führerin bei den herbstlichen
Streifzügen der Meisengesellschaften angesehen.499
Eine andere Deutung: Den Namen „Meisenkönig“ hat die Haubenmeise
mit einigen anderen Vögeln, wie dem Zaunkönig, der Sumpfmeise und der
Mönchsgrasmücke gemeinsam.500 Das Wort „Meisenkönig“ hat sich (über
Meuß König) aus dem westdeutschen „Mäusekönig“ gebildet, mit dem der
Zaunkönig bezeichnet wurde. Der Zaunkönig ist so klein, dass er auch in
Mauselöcher schlüpfen kann. Er bewegt sich so, dass eine Verwechslung mit
einer Maus möglich ist. Der – veränderte – Name wurde für andere (durch
das Gestrüpp) „schlüpfende“ Vögel übernommen, zu denen mitunter auch
der Schwarzstirnwürger gezählt wird.501
Haidenmeise, Heidenmeise: „Heide“ wurde früher auf vielfältige Weise ge-
braucht. Zum einen war „Heide“ das Gegenteil von urbar gemachtem Land,
zu anderen Zeiten galt das aber nur eingeschränkt, nämlich als Land ohne
Wälder, Wiesen oder Auen. „Heide“ ist aber auch mit Nadelwald bestande-

494
GRIMM/GRIMM 1984,11/ 1784
495
GRIMM/GRIMM 1984, 11/ 2772
496
GESSNER/HORST 1669, 351a
497
GRIMM/GRIMM 1984, 11/ 870, 875
498
BECHSTEIN 1795, 718
499
HOFFMANN 1937, 70
500
GRIMM/GRIMM 1984/ 12, 1947
501
SUOLAHTI 1909, 152
PASSERES – SINGVÖGEL 81

ner Heideboden. „So heißen in der Mark alle Wälder Heiden, bei Halle a. d.
Saale ein ausgedehnter Nadelwald“ usw. Nadelwälder sind Lebensräume der
Haubenmeisen.502
Eine andere Deutung bietet SUOLAHTI an. Danach ist „Heidenmays“ eine
synonyme Benennung zu Namen, die mit der Haube in Zusammenhang
stehen. Aus den aus dem 16. Jahrhundert belegten Namen „Heubelmaiß“,
„Heybelmais“ ist eine Veränderung über beispielsweise „Heydenmaiß“ oder
„Heidenmays“ zu „Haidenmeise“ anzunehmen.503

Tannenmeise (Parus ater)


„Diese kleine dickköpfige Meise ist ein munteres, keckes Vögelchen, bestän-
dig in Bewegung, und im Klettern und Anhakeln an den Bäumen und an den
zartesten Spitzen der Zweige giebt sie keiner ihrer nächsten Verwandten etwas
nach; ihrem Wesen scheint jedoch die List und Verschlagenheit und der stete
Frohsinn der meisten anderen, wenigstens in dem hohen Grade, zu fehlen;
sie sieht sozusagen dümmer aus und scheint öfters düster gelaunt. Bei ihrem
Hange zur Geselligkeit ist sie doch auch zänkisch, bissig und jähzornig, so-
bald ihr ein anderer Vogel in den Wurf kommt.“504 „Sie ist auch zänkisch, und
hängt sich allen Vögeln an den Schwanz an, wenn sie mit denselben wegen
des Futters in Collision kommt.“505
Tannenmeise, Waldmeise: Die Tannenmeise brütet in Nadelwäldern, in
Südeuropa auch in immergrünen Laubbeständen. Da sie Fichtenwälder be-
vorzugt, ist sie überall in Kieferwäldern weniger häufig. Ihre Nahrung sucht
die Tannenmeise auch in Laubbäumen.506
GESSNER berichtete „Von dem Wald- oder Tannmeißlein – Parus sylvati-
cus“. („Andere heissen es/ aber nicht recht/ Waldzeißlein.“), welche SUO-
LAHTI aber nur für eine Spielart hielt. Schon 1585 hatte GESSNER ein
Kapitel mit „De paro atro“ überschrieben. Der wissenschaftliche Terminus
war damals also schon bekannt.507 Die Erstbeschreibung erfolgte aber erst
1758 durch LINNÉ.

502
GRIMM/GRIMM 1984, 10/ 798
503
SUOLAHTI 1909, 158 und GRIMM/GRIMM 1984, 19/ 1035
504
NAUMANN 1824, 4/ 34
505
REIDER/HAHN 1835, 457
506
BEZZEL 1993, 457
507
GESSNER/HORST 1669, 352a und SUOLAHTI 1909, 158 und SPRINGER 2007, 284
82 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Tannmeise: „Tannmeise“ ist ein älterer Ausdruck für Tannenmeise, den


OKEN noch benutzt. Laut GRIMM/GRIMM ist ein Tann eine Tanne, aber
auch „ein weiter Wald“.508
Kleine Kohlmeise, Kleine Meise: Diese Namen, die die Ähnlichkeit zur grö-
ßeren Kohlmeise (11,5 zu 14 cm Länge) ausdrücken sollten, waren früher in
Deutschland üblich. Ersterer diente OTTO auch als Leitname in dem BUF-
FON-Kapitel über die Tannenmeise.509
Kleine Schwarzmeise, Schwarzmeise, Schwarzemeise: „Gesner und Aldro-
vand nennen sie die Schwarze Meise ( Parus ater), und sagen, daß die meis-
ten Deutschen sie Kohlmeise nannten, obgleich die Sachsen auch der großen
Meise diesen Nahmen beilegten.“510 Bei DÖBEL hieß der Vogel „Schwarz-
meise“.511
Holzmeise: „In der angenehmen Landlust [1720, 222] ist dieser Vogel Holz-
meise genannt und gut bezeichnet; wenn aber das Weiße daran nicht so hell
als an der Kohlmeise, sondern wie bei andern kothig genannt wird, so paßt
dieses doch nicht immer.“512
Der Name, der dieselbe Bedeutung hatte wie Tannen- oder Waldmeise, war
noch zu Beginn des 20. Jahrhundert in der Schweiz üblich.513
Hundsmeise: Schlesische Bezeichnung der Tannenmeise, in Österreich auch
der Sumpfmeise. Sie haben den Namen „wegen ihrer Geringschätzigkeit, als
eine unedle Art des Maisengeschlechtes.“514
Sparmeise: „Dieser hübsche Bewohner der Tannenwälder frißt Insekten und
Samen der Nadelbäume und soll in Baumlöchern Vorratskammern anlegen,
weshalb er auch Sparmeise genannt wird.“515
Pechmeise: „Die Tannenmeise wird auch Pechmeise gerufen, weil sie schwar-
zen Kopf und Hals führt.“516

508
OKEN 1837, 244 und GRIMM/GRIMM 1984, 21/ 109
509
BUFFON/OTTO 1791, 17/ 54
510
BUFFON/OTTO 1791, 17/ 67
511
DÖBEL 1785, 223
512
BUFFON/OTTO 1791, 17/ 68
513
SUOLAHTI 1909, 158
514
HÖFER 1815, 2/ 77
515
Der Zoologische Garten: Band 36/ 1895
516
VON HOLTEI 1848, 259
PASSERES – SINGVÖGEL 83

Speermeise: In Österreich heißt die Tannenmeise auch Spermeise oder Sperr-


mais.517 „Sper“ heißt „trocken, mager“. Die „Spermaise“, Parus ater, „heißt so,
als eine kleine und magere Meise, indem sie nur zwey Drachmen wiegt“.518
Harzmeise: Der Name weist auf den Nadelwald, auf die Fichten, Kiefern und
Tannen hin und ist synonym mit Tannenmeise.
Kreuzmeise: „Kreuzmeise“, in Österreich „Kreuzmaise“, war bekannt, wurde
nicht oft gebraucht und nirgends erklärt. Der älteste Fundort des Begriffs war
bei GATTERER.519 Da auch die Sumpfmeise den Namen hatte, kann die
Ursache des Begriffs nicht die Gefiederfarbe sein.
Der Name konnte nicht gedeutet werden.

Sumpfmeise (Poecile palustris)


Die Sumpfmeise (ein Standvogel) beginnt sich ab Spätherbst für Höhlen oder
potenzielle Nistbäume zu interessieren. Ein intensives Höhlensuchen setzt
aber erst im März ein. Die Vögel wählen in der Regel in Morschholz an-
gefangene Höhlen, die dann vom Weibchen durch Hackarbeit fertiggestellt
werden. Dabei wechseln 15–20 Minuten dauernde Hackschübe mit 5-10 Mi-
nuten langen Pausen ab. Innerhalb eines Hackschubes fliegt das Weibchen
zwar ständig ein und aus, bleibt aber etwa Dreiviertel der Zeit in der Höhle.
Die losgehackten Späne werden im Schnabel 2–10 Meter weit weggetragen
und unter Kopfschütteln und Schnabelwischbewegungen fallengelassen. Das
Männchen hält sich währenddessen zwar häufig in Höhlennähe auf, nimmt
aber keinerlei Anteil am Höhlenbau.520
Die Trivialnamen beziehen sich, vor der Beschreibung der Weidenmeise
(1827), auf die „Sumpf-/Weidenmeise“.
Sumpfmeise: Bei GOEZE/DONNDORF (eine Weidenmeise o. ä. gab es
nicht) wurden die Trivialnamen zu „Sumpfmeise“ vorgestellt. Danach fuhr
man fort: „Viele derselben sind bloß provinzialisch, und drücken das Charak-
teristische des Vogels nicht aus. Verschiedene kommen auch schon andern Ar-
ten, als der Blaumeise zu, und machen Verwirrung. Schwarzplatte wäre wohl
der passendste unter allen. Es ist Büffons ‚Mesange de marais, ou Nonnette
cendrée, und des Aristolteles Schaukler oder Junke. …

517
SUOLAHTI 1909, 158
518
HÖFER 1815, 3/ 158
519
GATTERER 1782, 434
520
GLUTZ VON BLOTZHEIM/BAUER 1993, 13/ 397
84 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

In Deutschland wohnt sie auch nur in dicken Wäldern von Tannen und Fich-
ten, wo morastige Stellen sind, bleibt den ganzen Winter, kommt im Herbst
aus dem Dickicht hervor, und begiebt sich in die Gärten, und auf die Ber-
ge.“521
Um 1827 schrieb der Schweizer Conrad von BALDENSTEIN, der „Ent-
decker“ der Weidenmeise“, zu dem Ausdruck „Sumpfmeise“: „Vor allem
Andern muß ich mich gegen die Benennung Sumpf-Meise ‚parus palustris‘
erklären, welche Linné diesem Vogel beylegte [das lateinische Wort paluster
bedeutet „Sumpf, sumpfig“]. Er mag zwar seine guten Gründe dazu gehabt
haben, allein für unsere Gegenden taugt sie gar nicht, denn die Mönchs-Mei-
se ist in Bünden einer unseren gemeinsten Vögel und wir haben weit und breit
keine Sümpfe; auch habe ich nie in Erfahrung gezogen, dass diese Meise nur
im geringsten wässerige Oerter vorgezogen hätte, sondern ich traf sie selbst
brütend, an den trockensten Stellen an. Deshalb möchte ich sie schlichtweg
‚Parus cinereus‘, Mönchs- oder Aschgraue Meise nennen.“522
Für gebirgige Landschaften ist das richtig, im Flachland bewohnt die Meise
auch feuchte Biotope. Die eigentliche Sumpfbewohnerin ist nach GERLACH
aber die Weidenmeise, von der FEHRINGER meint, dass sie mit größerem
Recht den Namen „mattköpfige Sumpfmeise“ verdiene.523
Mönchmeise, Münchmeise: Den Namen „Mönchmeise“ hatte die Sumpf-
meise wegen ihrer dunklen Kappe. Er wurde zumindest in der Schweiz regel-
mäßig gebraucht. Heute findet man „Mönchsmeise“ auch für die Weiden-
meise. „Münchmeise“ bedeutet „Mönchmeise“.524
Nonnenmeise, Gemeine Nonnenmeise: „Oben ist der Vogel graugefärbt,
unten weiß, und die ganze Tracht hat in England den Vergleich mit einer ver-
schleierten Nonne hervorgerufen.“525
Aschmeise, Aschenmeise, Aschgraue Nonnenmeise, Graumeise, Graue
Meise: Der Name bezieht sich auf den grauen, aschenfarbenen Rücken und
wurde schon von GESSNER gebraucht (Aschmeißlein, Aeschmeißle).526
Mehlmeise: Mehl ist weißlich-grau. Eine Mehlmeise, auch „Meelmaise“, ist
eine weißlich-graue Meise mit einem schwarzen Oberkopf.527

521
GOEZE/DONNDORF 1795, 5-2/ 177
522
VON BALDENSTEIN in: STUDER/FATIO 1907, 481
523
GERLACH 1953, 81 und FEHRINGER 1951, 122
524
GRIMM/GRIMM 1984, 12/ 2669
525
SUOLAHTI 1909, 157
526
GESSNER/HORST 1669, 351
527
GRIMM/GRIMM 1984, 12/ 1869
PASSERES – SINGVÖGEL 85

Schwarzmeise: Die Sumpfmeise hat einen schwarzen Scheitel und Hinter-


kopf und wurde im Münsterland auch „Swattkoppmêse“ genannt.528 Denk-
bar ist auch eine andere Erklärung: Der Ausdruck „Schwarzmeise“ war auch
für Kohl- und Tannenmeise bekannt. „Schwarz-“ bezieht sich nicht auf die
schwarzgefärbten Kopfteile dieser Vögel, sondern kommt von „Schwarz“-
Wald, wie man Nadelwälder früher bezeichnete. Während Sumpf- und Kohl-
meise dort eher im Winter zur Nahrungssuche zu finden sind und nur sel-
ten in Nadelbaumhöhlen brüten, ist die Tannenmeise ein echter „Schwarz“-
Waldvogel.
Gartenmeise: „Ist nicht selten in Laubholz und Gärten, frißt Samen, Holun-
derbeeren und auch Insecten.“529 Auch in Parks und großen Obstgärten kann
man den Vogel finden. Dieser Name kommt „ihr nicht mehr zu als einigen
anderen Arten“ ist also sehr unspezifisch.530 „So ist der Namen Garten-Maise
auch nicht genug, denn die Kohl- und Blau-Maisen fliegen auch in die Gär-
ten.“
Mauermeise: Beide Vogelarten bevorzugen zum Nisten natürliche Baumhöh-
len. Sie nehmen in Ausnahmefällen, wie einige andere Meisenarten, aber auch
Fels- und Mauerhöhlen an.
Glattmeise, Plattmeise, Plattenmeise: Nach KLEINSCHMIDTS Unter-
suchungen 1897 unterschied man die glanzköpfigen Nonnenmeisen (heute
Sumpfmeisen) von den mattköpfigen Weiden- und Sumpfmeisen (heute Wei-
denmeisen).531 Der Name „Glattmeise“ bezieht sich auf die fast glänzende,
im Licht metallisch glänzende Kopfhaube der Sumpfmeise. Dasselbe meinen
auch „Plattenmeise“ und „Plattmeise“: „…also benannt nach der schwarzen
Platte, welche den ganzen Oberkopf bedeckt.“532
Blechmeise: „Blech“ ist aus der in „bleichen“ steckenden altnordischen Wur-
zel „blik“ mit der Bedeutung „glänzend“ gebildet. Die Haube der Sumpfmei-
se glänzt bei bestimmter Beleuchtung tatsächlich metallisch.533
Hanfmeise: Die Sumpfmeise ist ein Insektenfresser. Insekten gibt es auch
dort, wo Hanfabfälle abgelagert wurden. Ab dem Herbst spielen Sämerei-
en eine wichtige Rolle.534 „Unter vielerlei Sämereien frißt sie die Kerne von

528
SUOLAHTI 1909, 157
529
OKEN 1837, 245
530
BUFFON/OTTO 1791, 17/ 74 und FRISCH 1763, T. 13
531
NAUMANN/HENNICKE 1897, 2/ 290
532
ZORN 1743, 149
533
KLUGE 1905, 47
534
BEZZEL 1985, 443
86 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Sonnenblumen und Hanfsamen am liebsten.“ Auf die Vogelherde gestreuten


Hanf holen sich die Vögel mit Vorliebe.535
„Diese Liebhaberin von Hanfkörnern, versteckt dieselben zwischen die Rin-
den der Bäume und holt sie bei Gelegenheit wieder ab.“536
Wie die Beispiele zeigen, fehlte es nicht an Versuchen, den seltsamen Namen
„Hanfmeise“ zu deuten. Vielleicht hatte F. ANZINGER recht, als er auf einen
Leserbrief in der „Gefiederten Welt“ antwortete: „Daß der Name Hanfmeasl
[für die Sumpfmeise] statt Hänfling auf einer Unkenntnis und daraus resul-
tierender Verwechslung beruht, dürfte wohl unschwer erkannt werden.“ Ent-
sprechend lehnte FRISCH die Benennung schon vor über 250 Jahren ab.
„Der Name Hanf-Maise ist nicht werth, daß man ihn beibehält.“537
Kothmeise, Pfützmeise: Hans SACHS (1531) bezog „Kotmaiß“ auf die
„sumpfigen Stellen, in denen der Vogel den Sommer gerne verbringt.“538
GESSNER: „… daher sie von etlichen Aschmeißlein geheissen wird, und von
anderen Kohtmeißlein: vielleicht darumb, weil sie in dem Koht und bey den
Pfützen wohnet.“539 (Koth: feuchte Erde, Lehm und Sumpf )
Murrmeise, Reitmeise: Im Straßburger Vogelbuch von 1554 ist der Ausdruck
„Murmeiße“ zu finden, von „Muer, Sumpf“. Mur ist über Muor (ahd., mhd.)
mit Moor verbunden. Auch GESSNER schrieb von „Murmeiß“ (Moormeise)
oder „Reitmeiß“ (Riedmeise).540
Dornreich: „Dornreich“ ist ein Sammelname für viele Vögel, die in Dorn-
hecken und dichten Gebüschen brüten und singen. Dazu gehörten neben
Grasmücken und Neuntötern auch die Meisen insgesamt, besonders aber die
„Mönchsmeise mit ihren Unterarten.“541
Speckmeise: Wie die Kohlmeise kommt dieser Vogel in winterlichen Not-
zeiten an Futterstellen, an denen Speck oder Speckreste ausgelegt sind. Der
Name ist nicht sehr bezeichnend.
Kehlmeise: Im Unterschied zu den Jungvögeln, bei denen er klein ist oder
fehlen kann, ist der Kehlfleck bei den Erwachsenen dieser eher tristen Vögel
auffällig, wenn auch nicht sehr groß. Bei anderen Meisen treten andere Eigen-
schaften in den Vordergrund.

535
NAUMANN 1824, 4/ 50
536
HALLE 1760, 357
537
ANZINGER 1991, 143 und FRISCH 1763, T. 13
538
SUOLAHTI 1909, 157
539
GESSNER/HORST 1669, 351
540
SUOLAHTI 1909, 450 und GESSNER/HORST 1669, 351a
541
GRIMM/GRIMM 1984, 2/ 1299
PASSERES – SINGVÖGEL 87

Meisenkönig: Nach GRIMM/GRIMM hat die Sumpfmeise den Namen ge-


meinsam mit einigen anderen Vögeln, wie dem Zaunkönig, der Haubenmeise
und der Mönchsgrasmücke. Der „Meisenkönig“ hat sich (über Meuß König)
aus dem westdeutschen „Mäusekönig“ gebildet, mit dem der Zaunkönig be-
zeichnet wurde (siehe dort). Der Zaunkönig ist so klein, dass er auch in Mau-
selöcher schlüpfen kann. Er bewegt sich so, dass eine Verwechslung mit einer
Maus möglich ist.542
Hundsmeise: In Schlesien und anderorts war die Tannenmeise die „Hunds-
meise“, in Österreich war es die Sumpfmeise, wiederum woanders auch die
Kohlmeise. Der Name ist ziemlich alt, er wurde schon bei SCHWENCK­
FELD 1603 erwähnt.543 Bei SCOPOLI ist „Hundsmeise“ der Leitname für
die Sumpfmeise. „Ihr Gesang ist nichts wert; sie wird auch deshalb nicht im
Käfige gehalten. Werden statt Kohl- und Tannenmeisen Sumpfmeisen gefan-
gen, so werden sie gewöhnlich wieder freigelassen, da es nur ‚Hundsmeisen‘
sind.“544 Dazu GRIMM/GRIMM: „Wenn Menschen Hunde genannt wer-
den, so geht dieses Bild gewöhnlich von der verächtlichen Stellung des Hun-
des aus.“ MEDICUS bestätigte das: „Viel seltener werden durch … Zusam-
mensetzungen mit Hund auch unedlere Thierarten bezeichnet. Das bekann-
teste und vielleicht einzige Beispiel dazu liefert die ‚Hundsmeise‘, worunter
die Sumpfmeise verstanden wird.“545
Rindsmeise: Der Name tauchte als „Rindmaislein“ schon bei HALLE auf.
KLEIN: Rindmäuslein. „Rindsmeise“ wurde in der älteren Literatur oft zu-
sammen mit „Hundsmeise“ gebracht und dürfte einen ähnlichen Inhalt ha-
ben.546 MEDICUS schrieb zu „Rind“ in der Sprache: „Das Rind wird zweck-
mäßig auf den Esel folgen, da es einerseits eine ähnliche untergeordnete Stel-
lung dem Pferde gegenüber einnimmt, auf der andern Seite in der allgemei-
nen Vorstellung ebenfalls einen hervorragenden Platz unter den Vorbildern
des Unverstandes und der Dummheit behauptet.“547

Weidenmeise (Poecile montana)


Sumpf- und Weidenmeise wurden lange Zeit als eine Art angesehen. Bis in
die 1820–1830er-Jahre gab es nur die Sumpfmeise. 1827 schrieb der Schwei-
zer Conrado VON BALDENSTEIN in der „Neuen Alpina“: „Ich habe nem-

542
GRIMM/GRIMM 1984, 12/ 1947
543
BUFFON/OTTO 1791, 17/ 74 und SUOLAHTI 1909, 158
544
SCOPOLI 1770, 201 und NORDBÖHM. EXKURSIONSKLUB, 1882
545
GRIMM/GRIMM 1984, 10/ 1910 und MEDICUS 1867, 130
546
HALLE 1760, 357 und KLEIN 1760, 159
547
MEDICUS 1867, 54
88 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

lich auf meinen vielen Jagd-Streifereyen in die Hochgebirge unsers Kantons


die Ueberzeugung erhalten, dass es zweyerley Mönchs-Meisen giebt, welche
miteinander zwar ähnlich sind, sich aber nicht miteinander vermischen, in
Lebensart und Gesang sehr voneinander abweichen und deswegen nicht
unter eine und dieselbe Benennung gehören … Ich gebe hier der gemeinen
Mönchs-Meise den Namen Parus cinereus communis, der neuentdeckten Parus
cinereus montanus, die Berg-Mönchs-Meise…“548
Die Entdeckung scheint nicht sehr bekannt geworden zu sein, denn um 1860
teilte Kantonoberst von SALIS eigene Beobachtungen „unserm einzigen Or-
nithologen in Bünden, Herrn Thomas Conrado v. Baldenstein mit, um seine
Ansichten über dieselbe zu erfahren. – Statt anderer Antwort sandte er mir
einen Band der schweizerischen Alpina vom Jahr 1827 zu, worin ich zu mei-
ner nicht geringen Verwunderung einen von ihm gelieferten Aufsatz fand, der
nicht nur die Ankündigung der Entdeckung der Bergmönchsmeise, sondern
auch deren genaue Beschreibung in Parallele mit der Sumpfmeise enthielt.“549
Noch sehr viel später, im Jahre 1897, bemühte sich der berühmte deut-
sche Ornithologe O. KLEINSCHMIDT, die „verwickelte, außerordentlich
schwierige Gruppe“ der zwei Arten mit mehreren Subspezies „einer befriedi-
genden Auffassung näher zu bringen.“550
Alpenmeise: Der von dem Entdecker der Weidenmeise, VON BALDENS-
TEIN, 1827 mit „Berg-Mönchsmeise – Parus cinereus montanus“ bestimmte
Name setzte sich eine Zeit lang durch, bis man zu der Erkenntnis gelangte,
dass es sich hier um eine alpine Form handelte, die BAILLY 1853 „Parus alpi-
nus – Alpenmeise“ nannte.551 Die alpine Varietät der Weidenmeise wird auch
heute noch Alpenmeise genannt.
Bergmeise: Für BREHM, der sie in seiner ersten Auflage (1866) nicht er-
wähnt hatte, ist „Bergmeise“ gleichbedeutend mit „Alpenmeise“ und kein
Trivialname („Alpen- oder Bergmeise“).552

Lapplandmeise (Poecile cinctus)


Die Lapplandmeise ist mit etwa 12,5–14 cm Länge etwas gößer als die ähn-
lich aussehende Sumpfmeise. Sie hat eine graubraune Kopfplatte, einen hell-
braungrauen Rücken und rostbraune Flanken. Ihr Schnabel ist schwarz, eben-

548
STUDER/FATIO 1907, 481
549
STUDER/FATIO 1907, 487
550
NAUMANN/HENNICKE 1897, 2/ 284
551
STUDER/FATIO 1907, 492
552
BREHM 1879, 5/ 549
PASSERES – SINGVÖGEL 89

so wie das Schwanzgefieder und der Kehlbereich. Die Brust und der Bereich
unterhalb der Augen dagegen sind weiß. Durch die bräunliche Kopfplatte
ist sie leicht von der Sumpfmeise und der Weidenmeise zu unterscheiden,
allerdings ähnelt ihre Stimme der der Weidenmeise, unter anderem ein lang-
gezogenes „dih“, das vier- bis fünfmal wiederholt wird.
Die Lapplandmeise bevorzugt Birkenwälder oder mit Birken gemischte Na-
delwälder, bewohnt aber auch Au- und Mischwälder. Man findet sie von
Nordskandinavien ostwärts über Sibirien bis Alaska.553
Sibirische Meise: Die Lapplandmeise wurde 1783 von BODDAERT wissen-
schaftlich beschrieben und benannt. Sie ist also schon ziemlich lange bekannt.
Älter als 1783 ist BUFFONS Bearbeitung im Jahre 1768. Er hatte dieser Mei-
se den Namen „La Mésange à ceinture blanche de Sibérie“ gegeben.554 „Wir
wissen gar nicht die Geschichte dieser Meise, welche wir in der Sammlung des
Herrn Mauduit gesehen haben. … Es kann sein, daß sie sich in Dänemark
nicht findet, obgleich sie aus Sibirien geschicket ist.“555
Von den Ornithologen wurde der Vogel erst ab etwa 1840 stärker beachtet:
Weder BECHSTEIN noch NAUMANN oder C. L. BREHM erwähnten ihn.

Balkanmeise (Poecile lugubris), früher Trauermeise


Die Balkan-, früher Trauermeise lebt als Jahresvogel in ganz Südosteuropa
und gelangt umherstreifend auch nach Italien. Im Osten reicht ihr Verbrei-
tungsgebiet bis Persien. Sie bevorzugt Ebenen und niedrige Gebirgslagen mit
Mischwäldern und anstehenden Felsen. Ihr Nest baut sie in Baumhöhlen und
gelegentlich zwischen Felsen. Das Verhalten ähnelt dem der anderen Meisen.
Im Winter vereinigt sie sich selten zu gemischten Trupps.556
Trauermeise: Sie ist mit etwa 14 cm Länge deutlich größer als die Sumpfmei-
se, der sie ähnelt. Das Flügelfeld ist heller. Die Kopfplatte, das Kinn und der
Kehllatz sind viel ausgedehnter schwarz, wodurch die weißen Wangenfelder
verengt werden. Auch der Schwanz ist länger.557
Die wissenschaftliche Erstbeschreibung des Vogels erfolgte 1820 durch TEM-
MINCK.

553
http://de.wikipedia.org/wiki/Lapplandmeise, Stand: 4.05.2011, aber verändert
554
NAUMANN/HENNICKE 1897, 2/ 297
555
BUFFON/OTTO 1791, 17/ 182
556
http://de.wikipedia.org/wiki/Trauermeise, Stand: 2.08.2011
557
BEAMAN/MADGE 1998, 712
90 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Lerchen – Alaudidae
Die eigentliche Bedeutung des Wortes „Lerche“ ist trotz mancher Erklärungs-
versuche völlig dunkel. Es bestehen sogar Zweifel, ob es ein deutsches und
nicht ursprünglich fremdes Wort ist, von deutschen Stämmen übernommen
und deutsch gemodelt. Vielleicht hat es gallischen Ursprung wie das lateini-
sche „alauda“.558
SUOLAHTI hielt den Namen „Lerche“ für gemeingermanisch. Im Althoch-
deutschen gibt es „lêrihha“, im Mittelhochdeutschen „lêrche“, „lërche“, im
Mittelneudeutschen „lêwerike“, „lêwerke“. Er führte weitere Beispiele aus
Skandinavien und England an, darunter das altnordische „ló, lóa“, aus „lôw“
entstanden und „Strandpfeifer“ bedeutend. Das sei aber nicht gesichert. „Eine
sichere Deutung des Namens bleibt noch zu wünschen“.559
Um 1800 gab es auch folgende Erklärung: „Unser deutscher Nahme Lerch,
der zuweilen Lerich ausgesprochen wird, soll seyn eine Nachahmung ihres
Gesanges.“560
Einige Lerchen und Pieper und andere Singvögel wurden auch als „Brach“-
lerchen (-vögel) bezeichnet. „Brachvogel“ wurde ausführlich im 1. Band er-
klärt (s. Einleitung zu den Limikolen). Nach ADELUNG hat sich „Brachvo-
gel“ zu „Zugvogel“ verselbständigt. Aber auch andere Deutungen, wie die von
BOCK, dürften zutreffen: „Alle Brachvögel haben den deutschen Namen von
den Brachäckern, auf welchen man die mehresten zur Herbstzeit antrift.“561

Kalanderlerche (Melanocorypha calandra)


„Sie ist einer der geschicktesten Sänger und ahmt die Stimmen vieler Vögel
nach, bald die der Feldlerche, bald die der Cirl-Ammer, des Hänflings, Grün-
lings, bald das Pfeifen des Wiesenpiepers, der weißen Bachstelze, so daß selbst
der Jäger dadurch getäuscht wird.“562
„Von allen Vögeln, welche ich hörte, besaß keiner die Kunst, so viele und ver-
schiedenartige Gesänge in dieser Vollkommenheit nachzuahmen. … Es sind
nun 5 Jahre, daß ich jene Kalanderlerche besaß, und wegen ihres zu lauten
und durchdringenden Gesanges weggab. Der Vogelhändler hat sie seit dieser

558
GRIMM/GRIMM 1984, 12/ 759
559
SUOLAHTI 1909, 97
560
KRÜNITZ 1799, 77/ 167
561
BOCK 1782, 4/ 354
562
OKEN 1837, 293
PASSERES – SINGVÖGEL 91

Zeit wohl 20 Mal verkauft, aber immer wieder zurück erhalten, weil kein
Käufer die Stärke ihrer Töne im Zimmer ertragen konnte.“563
Kalanderlerche, Kalander-Lerche, Calanderlerche, Kalander: Über die
Herkunft des Namens gibt es keine einheitlichen Vorstellungen. Für die in
Europa nur im Süden vorkommende Kalanderlerche wurde der Name aus
Italien (Calandra) und Spanien (Calandria) übernommen.
„Eine große Rolle spielte in der Dichtung des deutschen Mittelalters die Ka-
landerlerche, welche wegen des kräftigen schönen Gesanges in ihrer Heimat
besonders geschätzt wird. Diese wird nur im Süden Europas angetroffen. …
Der mhd. Name galander, golander wurde in der Zeit der französischen Kul-
turströmung (etwa ums Jahr 1200) aus dem gleichbedeutenden afrz. calandre
entlehnt.“564
ADELUNG versuchte eine Herkunft des Namens aus „Gal, gallen“ (Gesang,
singen) herzustellen und verwies auf die Nachtigall.565
Ringlerche, Große Lerche: Die Kalanderlerche kann bis zu 20 cm lang wer-
den und ist damit die größte europäische Lerchenart. Sie wurde früher oft
„Ring-“ statt „Kalanderlerche“ genannt. HALLE führte den Vogel als „Große
Ringlerche“.566 „Die Farbe der Kalander- oder Ringlerche ist auf dem obern
Theile ihres Körpers die gewöhnliche Erdenfarbe, wie bey den übrigen Ler-
chenarten; unten ist sie ganz weiß, die Halsbinde und einige Punkte auf der
Brust ausgenommen.“567 Der Vogel hat seitlich am Hals zwei schwarze Fle-
cken, die bisweilen nach vorne scheinbar zu einem Ring verfließen. Auch bei
der Ringeltaube oder der Ringelgans sind solche Halsflecken namensgebend
geworden.
Als „Große Lerche“ hat man auch oft die Haubenlerche bezeichnet.
Sibirische Lerche: Die Kalanderlerche ist ein Vogel der warmen Länder im
Süden und kommt weder in Sibirien noch in der Mongolei vor.
ERSCH/GRUBER schrieben in ihrer Allg. Enzyklopädie über eine „Alauda
sibirica“, die „gelbköpfige, weißflügelige Sibirische Lerche“: „Diese von Pallas
auf den Steppen am Irtisch entdeckte, von ihm nur beobachtete Lerche ist der
Kalander ( Alauda Calandra) so ähnlich, daß Pallas, bis er diese durch eigene
Anschauung kennen lernte, sie dafür hielt und in seiner Reise so benannte.“

563
OKEN, ISIS 1830/786
564
SUOLAHTI 1909, 100
565
ADELUNG 1796, 2/ 390
566
HALLE 1760, 315
567
KRÜNITZ 1799, 77/ 197
92 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Es handelte sich hier um die heutige „Weißflügellerche“ ( Melanocorypha leu-


coptera).568
Mongolische Lerche: Im Jahre 1782 veröffentlichte die „Königlich schwe-
dische Akademie“ in den Abhandlungen aus der Naturlehre (40. Band) einen
Beitrag von PALLAS aus dem Jahr 1778 unter folgendem Titel: „Die mongo-
lische Lerche ( Alauda mongolica), ein seltener Vogel aus dem östlichen Sibi-
rien, gefunden und beschrieben von Pet. Simon Pallas.“ Dem Autor „kam ein
andrer schöner Vogel vor“, der zu den merkwürdigsten gehörte, die er da ge-
funden hätte. „Es ist eine Lerche, welche ich die mongolische nenne, zwar der
Alauda Calandra ziemlich ähnlich, … aber nicht dieselbe, sondern gleichsam
ein Mittel zwischen ihr, und einer andern Lerchenart“, die er nicht nannte.569
Schon bald wurde die „Mongolische Lerche“ als Unterart, Rasse der Kalan-
derlerche gesehen und ab der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts nicht mehr als
Alauda mongolica erwähnt.

Weißflügellerche (Melanocorypha leucoptera)


„Die Weißflügellerche ist ein Brutvogel in der Steppenzone der Zentralpalä-
arktis. Das Verbreitungsgebiet reicht von der unteren Wolga über den Süd-
westen der Mongolei bis in den Nordwesten Chinas. In Europa brütet die Art
nur in Russland. Der Brutbestand beträgt dort zwischen 20.000 und 65.000
Brutpaare. … Die Art ist ein Kurzstreckenzieher und überwintert im Nord-
westen Pakistans und im Norden Irans bis nach Anatolien, im Süden Russ-
lands und in der Ukraine. Gelegentlich gibt es überwinternde Populationen
auch an der Schwarzmeerküste Rumäniens und im Norden Griechenlands.“570
Die Erstbeschreibung erfolgte 1811 durch PALLAS. Siehe dazu unter „Kalan-
derlerche“ die „Sibirische Lerche“.
Spiegellerche: Die Lerche ist etwas größer als die Feldlerche und hat in allen
Kleidern auffällig weiße Armschwingen, die jedoch nur im Flug zu sehen
sind. Am Boden erscheinen auch Gesicht und Unterseite auffallend weiß. A.
BREHM beschrieb sie erstmals kurz in der zweiten Auflage seines Tierlebens
als „Spiegellerche“.571

568
ERSCH/GRUBER, Allg. Enzyklopädie 1815, 321
569
PALLAS in: Königlich schwedische Akademie 1782, Band 40
570
http://de.wikipedia.org/wiki/Weißflügellerche, Stand: 2.09.2010
571
BEAMAN/MADGE 1998, 544 und BREHM 1879, 5/ 258
PASSERES – SINGVÖGEL 93

Mohrenlerche (Melanocorypha yeltoniensis)


NAUMANN hatte die Mohrenlerche nicht als eigene Art behandelt, weil er
in ihr eine mögliche Varietät der Feldlerche sah. Wenn man eine Feldlerche
„in ungenügend hellen Zimmern“ bei zu „hitzigem“ Futter, besonders viel
Hanfsamen hält, findet man immer wieder Tiere, die ein mehr oder weniger
schwarz gefärbtes Gefieder bekamen. Auch anders gefärbte Varietäten waren
möglich. Das konnte durch Beobachtungen im Freien allerdings nicht be-
stätigt werden. „Sie sind ebenso wenig besondere Arten wie die sogenann-
ten Schwarzbeine oder Mohrenlerchen, welche immer etwas kleiner und
dunkler gefärbt sind und schwärzlich überlaufene Füsse haben, im Herbst
den Lerchenzug beschließen und deshalb wohl aus den entferntesten Gegen-
den kommen, auch wohl von verspäteten Bruten sein mögen, sondern ganz
unbedeutende und auch bei anderen gemeinen Vögeln öfters vorkommende
Verschiedenheiten.“572
Mohrenlerche, Mohren-Lerche, Schwarze Lerche: Das Männchen hat ein
schwarzes Körpergefieder. Lediglich auf dem Rücken sind seine Federn blass
gesäumt. Der kräftige Schnabel ist weißlich. Das kleinere, braungraue Weib-
chen dagegen hat eine dunkel gefleckte Körperoberseite. Die Körperunterseite
ist blasser. Die Beine sind dunkel und die Unterflügel schwarz (versch. Qu.).
Tartarenlerche: Das Verbreitungsgebiet der Mohrenlerche, das man als „tar-
tarisch“ i. w. S. bezeichnen kann, reicht von der unteren Wolga bis nach Mit-
telasien. In Europa brütet diese Lerche nur in Russland. Der Bestand dort
wird auf 4000 bis 70.000 Brutpaare geschätzt.573

Kurzzehenlerche (Calandrella brachydactyla)


Die Kurzzehenlerche besiedelt weite Teile der südlichen Paläarktis. In Ost-
West-Richtung reicht die Verbreitung von Nordwestafrika und Spanien bis
China. In Nord-Süd-Richtung reicht das mehr oder weniger geschlossene
Areal im Westen von Nordspanien, Südfrankreich und Norditalien bis Nord-
afrika an den Nordrand der Sahara. In Deutschland ist der Vogel selten.
„Die Art bewohnt trockene, baum- und buschlose Offenlandschaften wie
Trockenrasen und Halbwüsten sowie Brachland und Ödflächen in der Kul-
turlandschaft. Die nördlichsten Vorkommen in West- und Mitteleuropa be-
finden sich an strukturell vergleichbaren Sonderstandorten, in Frankreich an
den Küsten in Dünen und auf flachen Felseninseln.

572
NAUMANN/HENNICKE 1900, 3/ 21
573
http://de.wikipedia.org/wiki/Mohrenlerche, Stand: 2.09.2010
94 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Der Weltbestand der Art ist sehr groß. Gesicherte Angaben dazu gibt es nicht,
sehr grobe Schätzung geben 91 bis 840 Mio. Individuen an. Im Winterquar-
tier am Südrand der Sahara war die Kurzzehenlerche in den 1950er-Jahren in
einigen Gebieten die häufigste Lerche überhaupt, in Indien gelten die große
Winterschwärme als Gefährdung des Flugverkehrs.“574
Kurzzehenlerche, Kurzzehige Lerche: Die Zehen sind relativ kurz, die Nä-
gel „ebenfalls nicht groß und beinahe gerade“. Die Mittelzehe dieser Lerche
ist mit Nagel 10 mm lang. Sie ist sehr viel kürzer als die der nur wenig größe-
ren Feldlerche, deren Mittelzehe 22 mm mit Nagel misst. Bei der Kurzzehen-
lerche beträgt die Länge der Hinterzehe mit dem Sporn, wie der Nagel auch
genannt wird, 14 mm, bei der Feldlerche sind es 25 mm.575
Isabelllerche: NAUMANNS Hauptname für die Kurzzehenlerche war „Isa-
belllerche“, was ERNST HARTERT in der Neuausgabe des NAUMANN
(1900, 3/ 13) zu der Bemerkung veranlasste: „Es ist wünschenswert, NAU-
MANNS ‚Isabell-Lerche‘ zu ändern, wegen steter Verwechslung mit TEM-
MINCKS ‚Alauda isabellina‘ = ‚Ammomanes deserti‘.“ Diese Verwechslungs-
möglichkeit ist NAUMANN nicht vorzuwerfen, denn die „Steinlerche“
(früher auch „Wüstenlerche“), um die es hier geht, wurde erst 1823 von
LICHTENSTEIN beschrieben, als NAUMANNS 4. Band mit den Lerchen
(erschienen 1824) schon fertig war.576
NAUMANN beschrieb, was er unter isabellfarben verstand: „Eine Farbe wie
dunkler Ocker, oder aus braun, gelb und rot gemischt und sehr blaß aufgetra-
gen oder mit vielem Weiß versetzt.“
Für blaß isabellfarben hielt er die Farben der männlichen Lerche an den Sei-
ten des Kropfes und den Weichen. Die Wangen seien isabellfarben und braun
gefleckt, Oberkopf, Hinterhals und Rücken isabellfarben mit dunkelbraunen
Schaftflecken. Schließlich hätten alle dunkelbraunen Flügelfedern isabellfar-
bige Kanten.
Gesellschaftslerche: „In ihrem Betragen soll sie … sich beständig auf dem
Erdboden aufhalten, schnell laufen und leicht fliegen, sich gerne zu jenen
[Feld- oder Kalanderlerchen] gesellen oder in eigenen Gesellschaften leben
und nur in der Begattungszeit sich paarweise über die Gefilde verbreiten.“
Zur Brutzeit lebt sie territorial, außerhalb derselben gesellig und vor allem

574
http://de.wikipedia.org/wiki/Kurzzehenlerche, Stand: 15.07. 2012
575
NAUMANN 1824, 4/ 188
576
HARTERT in: NAUMANN/HENNICKE 1900, 3/ 13
PASSERES – SINGVÖGEL 95

im Winterquartier oft zu losen Scharen von 100 bis über 1000 Individuen
zusammengeschlossen.577
Kalandrelle: Der Gesang klingt „als wenn man den der Kalanderlerche, wo-
von die kurzzehige nur eine ganz kleine Ausgabe zu seyn scheint, und deß-
wegen bei den Italiänern Calandrella heißt, um mehrere Octaven höher ge-
stimmt hörte.“578

Stummellerche (Calandrella rufescens)


Im Jahr 1814 wurde die „Kurzzehenlerche“ nach dem 1813 verstorbe-
nen J. P. A. LEISLER benannt. Er hatte sie selber „als selbständige Art
herausgefunden“.579 Die Kurzzehenlerche lebt auch in Südeuropa und ist et-
was größer als die ihr sehr ähnliche, nach Gefiedermerkmalen so benannte
„Stummellerche“, einer östlich des Schwarzen Meeres vorkommenden Art.
Letztere ist 1811 von P. S. PALLAS (in dessen Todesjahr) anhand von Vo-
gelbälgen beschrieben worden und erhielt, auch von PALLAS, den Namen
„Calandrella pispoletta“.580
NAUMANN übernahm lediglich die „Kurzzehenlerche“ und nannte sie „Isa-
belllerche“. LEISLERS „Alauda brachydactyla“ veränderte er nicht.581 Der
wissenschaftliche „Gattungs“-Name wurde in den Folge-Jahrzehnten immer
wieder verändert, dagegen erwies sich der Artname „brachydactyla“ als recht
„stabil“.
Anders erging es der „Stummellerche – Calandrella pispoletta“, die etwas
untertauchte und dazu mit Homeyer und Vieillot weitere „Erstbeschreiber“
bekam. Der deutsche Name musste sogar für eine Subfamilie der Lerchen
herhalten.582 Bei A. BREHM erschien „Stummellerche, Gesellschaftslerche“
mit dem Namen „Calandritis brachydactyla“: „Mehrere als besondere Arten
unterschiedene Stummellerchen ( Calandritis pispoletta u. a.) müssen wahr-
scheinlich mit der Gesellschaftslerche vereinigt werden.“583
Im NAUMANN/HENNICKE findet man dann das Ergebnis der Arbeit
von ERNST HARTERT. Die „Kurzzehige Lerche, Calandrella brachydactyla
(Leisl.)“ wurde aus NAUMANNS „Isabelllerche“ umbenannt. Die „Stum-
mellerche“ wurde zur „Calandrella pispoletta (Pall.)“ und erhielt angelehnt an

577
NAUMANN 1824, 4/ 188 und GLUTZ VON BLOTZHEIM/BAUER 1985, 10/ 127
578
OKEN, ISIS 1830, 787
579
GEBHARD 2006, 1/ 211
580
Ornithologische Mitteilungen 2001, Band 53
581
NAUMANN 1824, 4/ 188
582
CABANIS, Museum Heineanum 1851,1/ 121
583
BREHM 1879, 5/ 270
96 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

den englischen Namen „Pallas‘ short-toed Lark“ die Beinamen „Pallas‘ kurz-
zehige Lerche“ und „Pallas‘ Stummellerche“.584
Stummellerche: Der Name erschien weder bei NAUMANN, noch bei
OKEN oder VOIGT, sondern nur, wie zitiert, bei BREHM (s. o.), der den
Begriff auch eigenwillig deutete. Auch die dritte Auflage, die nicht mehr von
BREHM überarbeitet wurde, hat die Deutung gebracht.

Haubenlerche (Galerida cistata)


„Die Haubenlerche gehört zu den sehr wenigen Vögeln, die auch die ‚lang-
weiligste‘ Landschaft noch beleben, ja, die dieser gerade angehören. Wenn es
erlaubt ist, von Landstraßenfauna zu reden, dann gebührt der Haubenlerche
der erste Platz. Dort, wo der Ausblick aus dem Abteilfenster die ödesten Stre-
cken am Bahndamm und beim Rangierbahnhof zeigt, wohnt die Haubenler-
che! Da, wo das Land so trostlos ist, daß nicht einmal frisches Grün zu sprie-
ßen wagt und wo der Mensch die Truppenübungsplätze angelegt hat, trippelt
die spitzgehäubte graubraune Lerche munter einher und läßt ihr melodisches
‚ditritrieh‘ ertönen.“585
Haubenlerche, Hauben-Lerche, Häubellerche, Große und gehörnte Ler-
che: Die Haubenlerche hat graubraunes Gefieder und ist mit etwa 18 cm
Länge) wenig größer als die Feldlerche (etwa 17 cm). Sie hat eine lange spitze
Federhaube, die auch zusammengelegt am Hinterkopf sichtbar ist.
Kammlerche, Kuppenlerche, Hupplerche, Schopflerche, Schupslerche:
Für die Haube gibt es etliche Ausdrücke, wie Kobel (Federhaube), Häubel,
Hupp, Kappe, Schopf, Schups (Schubs), Federschopf, Zopf und auch Kamm.
„Schupslerche“ war der Name der Haubenlerche in Preußen, „Kuppenler-
che“ stammt aus Thüringen. Die Bezeichnung „Hupplerche“ gab es in der
Schweiz, im Kanton Chur.586
Zopflerche: „Zopflerche“ war der Name bei BUFFON/OTTO: „Diese Ler-
che hat den Nahmen Cochevis erhalten, weil man den Federbusch, womit ihr
Kopf versehen ist, als eine Art Hahnenkamm angesehen hat, und folglich als
ein Stück Aehnlichkeit mit einem Hahn.“587

584
NAUMANN/HENNICKE 1901, 3/ 13 + 16
585
FRIELING 1942, 49
586
GRIMM/GRIMM 1984, 11/ 2772 und STUDER/FATIO 1914, 1941
587
BUFFON/OTTO 1788, 14/ 265
PASSERES – SINGVÖGEL 97

Töppellerch: Im Niederdeutschen bedeutet „Töppellârk“ soviel wie „Zopf-


lerche“, also Haubenlerche.588
Zobellerche, Kobellerche: Die Bezeichnung „Zobel“-lerche erschien nur bei
BREHM. GRIMM/GRIMM brachten den Namen „Zobellerche“ ohne wei-
tere Erklärung, aber mit der Bemerkung dass „Brehms Tierleben“ den Namen
in der 4. Auflage nicht mehr anführt. Das lässt auf einen Druckfehler schlie-
ßen. Es hätte „Kobellerche“ (dieser Name erschien bei NAUMANN) heißen
müssen, wobei mit Kobel der Federbusch gemeint war.589
Edellerche: MEISNER/SCHINZ schrieben 1815, dass Edellerche im Kan-
ton Basel der Name der Haubenlerche sei. „Diese Lerche ist in der Schweiz
eine Seltenheit, so daß unter 1000 Feldlerchen kaum eine Haubenlerche ge-
fangen wird.“ Die Haube „edelt“ den Vogel.590
Hauslerche: „Obschon man die Schwalbe vorzüglich unter die ersten Bienen-
würger rechnet, so ist doch, nach meiner Beobachtung, die sogenannte Haus-
lerche (House-lark), ein kleiner aschgrauer Vogel von der Größe der Wiesen-
lerche (titlark) [Feldlerche] und nach diesem die Meise (tomtit) den Bienen
am gefährlichsten. Diese Vögel sollte man daher ohne weiters da, wo man
Bienen hält, tödten.“591 In einer Anmerkung dazu beklagte der Herausgeber
(DINGLER), dass man nicht wisse, welcher Vogel mit „tomtit“ und „Hou-
se-lark“ gemeint sei: „Wann wird man es endlich einsehen lernen, daß man
naturhistorische Kenntnisse besizen müße, wenn man über naturhistorische
Gegenstände schreibt.“592 Von „Hauslerche“ und „house lark“ schrieb aber
auch schon A. G. KAESTNER 1766. Die Hauslerche sei ein kleiner brauner
Vogel mit schwarzem Schnabel, ein großer Vertilger der Bienen.593
Aus diesen interessanten Bemerkungen ergibt sich, dass die Haubenlerche
nicht gemeint gewesen sein konnte. Der Name „Hauslerche“ war aber weit
verbreitet. Man sollte ihn aus Folgendem ableiten: „Sie ist … ein ausgespro-
chener Kulturfolger und recht wenig scheu. Ursprünglich Steppenvögel, sind
die Haubenlerchen aus dem Osten eingewandert… . Ihre Vorliebe für Stra-
ßen, Flachdächer und Bahnhofsgelände darf uns eigentlich etwas bedrücken,
zeigt sich doch hier einmal aus der ‚Vogelperspektive‘, wie unsere Steinwüs-
ten als Ödländer eingeschätzt werden und wie ihr ‚Steppencharakter‘ dieses
Naturkind zum Brüten reizt.“ – „Sie kommen … (im Winter) in das Innere

588
SUOLAHTI 1909, 99
589
GRIMM/GRIMM 1984, 32/ 7 und NAUMANN 1824, 4/ 134
590
MEISNER/SCHINZ 1815, 134
591
I. ESPINASSE in: DINGLER: Polytechnisches Journal 1820, 2/ 186
592
DINGLER: Polytechnisches Journal 1820, 2/ 186
593
A. G. KAESTNER, Bienenzucht, 1766, 172 und WILDMANN, Wartung der Bienen, 1769, 197
98 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

der Dörfer und Städte herein: sie werden zu Bettlern vor den Scheuern und
Küchen.“
Weil sie kaum fliegt, am Boden bleibt und „ungemein angenehm und ab-
wechselnd“ singt, wurde die Haubenlerche gerne als Stubenvogel gehalten,
daher der Name.594
Weglerche, Wegelerche: Der Vogel sucht, besonders im Winter, seine Nah-
rung in Dörfern auf Wegen und Plätzen, wo er oft mit Abfällen, u. a. Pferde-
mist, zufrieden sein muss. Wenn möglich, ernährt er sich vom Herbst bis zum
Frühjahr aber von Sämereien. „Das ander geschlächt wirt in allen Sprachen
von seinem Kobel här genennt, als bei den Latinern Galerita, bey den Teüt-
schen aber Heübellerch, Kobellerch und Wäglerch, darumb daß es offt an den
Fußwägen gesehen wirt.“595
„Gessners ‚wäglerche‘ ist ein recht charakteristischer Namen vom Verhalten
der Haubenlerche abgeleitet …“ und: „waeglerch.. ‚das heißt Wegelerche,
denn (wie Galen schreibt) wir sehen sie oft auf den Wegen.‘ Dieses Merkmal
spricht eindeutiger als die Haube für die Haubenlerche.“596
Kothlerche, Kothmönch: Den Wortteil „-mönch“ in Kothmönch hat diese
Lerche „vermuthlich darum, weil sie gewöhnlich allein, und ohne Gesellschaft
erscheinet.“597 Unter Kot, Koth verstand man „jede flüssige oder flüssig gewe-
sene Unreinigkeit, welche in der niedrigern Sprechart Dreck genannt wird. …
Besonders mit Wasser befeuchtete oder flüssig gemachte Erde, besonders so
fern sie sich auf den Straßen oder Wegen befindet; im Nieders. Modder …“598
Heidlerch, Heidelerche: Diese Namen hatten mehrere Lerchen- und Pieper-
arten. Mit der Heidelerche hatten sie nichts zu tun, sondern waren Hinweise
auf Biotope. Als „Heide“ ist hier das zu verstehen, was HARTERT in der
Neuauflage des NAUMANN/HENNICKE beschrieb: „Die Haubenlerche
bewohnt lediglich offenes Gelände mit wenig Vegetation, und besonders mit
niedrigem Unkraut bewachsene Stellen, dessen Samen sie liebt, und in rei-
chem Ackerlande ist sie ganz und gar auf die breiten Landstraßen, Schuttab-
lagerungsstätten, Exerzierplätze, Sandgruben, Ladeplätze und ähnliche brach-
liegende Örtlichkeiten beschränkt.“599
Salatlerche: Dieser Begriff war, auch als „Sallatlerche“ weit verbreitet und
wurde von den Vogelstellern benutzt. Die Haubenlerche brütet auch in Gär-

594
FEHRINGER 1951, 129 und BREHM 1866, 268 und BECHSTEIN 1795, 145
595
HEUSSLIN/GESSNER 1551, in: GRIMM/GRIMM 1984, 27/ 3123
596
SPRINGER 2007,289
597
HÖFER 1815, 2/ 158
598
ADELUNG 1796, 2/ 1733
599
HARTERT in: NAUMANN/HENNICKE 1900, 3/ 41
PASSERES – SINGVÖGEL 99

ten unter Stauden oder anderen etwa höheren Pflanzen. „Nest auf der Erde
unter vertrockneten Büschen und Wachholdersträuchern, in Kohlgärten im
Gemüse.“600
Weinlerche: „Weinlerche“, nicht so häufig wie „Salatlerche“, ist bei NEM-
NICH 1793 belegt.601 In der Zoologie des Talmuds findet man unter „Der
Weintrinker“: „Der Name deutet auf einen Vogel, der die Weinfrucht ißt,
vielleicht die Weindrossel ( Turdus iliacus), welche so heißt, weil sie Weinbee-
ren in den Weinbergen stiehlt und ißt; indessen sei bemerkt, das die[-se all-]
gemeine Drossel ein reiner [zu essen erlaubter] Vogel ist, was übrigens noch
immer zuläßt einen andern Vogel deselben Geschlechtes als unrein zu erklä-
ren. – Vielleicht ist hier die Weinlerche ( Alauda cristata) gemeint; sie gehört
zu den acht, in Beziehung der Reinheit zweifelhaften Vögeln.“602
Dazu passt: Haubenlerchen sind in der Regel Standvögel. NAUMANN be-
richtete aber von Haubenlerchen aus den nördlichsten Verbreitungsgebieten,
die in Süddeutschland am Main und Rhein, in Thüringen und Franken über-
wintern. Das wird von GLUTZ VON BLOTZHEIM/BAUER bestätigt. In
allen Fällen handelt es sich nur um geringe Zahlen von Lerchen, die von Sep-
tember bis November registriert werden. In den ersten dieser Monate findet
die Weinlese in den genannten Gebieten statt.603
Lürle: Es handelt sich hier um BUFFONS „Kleine Zopflerche oder Lulu“,
etwas später auch „Waldlerche“ genannt, also um die Heidelerche.604
Unter „Zopflerche“(!) erschien bei BUFFON „Lürle“ als „luerle“. „Luerle“
sei bereits 1603 (p. 192, Sp. 2) bei SCHWENCKFELD, u. a. als „Alauda
capellata“ genannt worden.605 Auch GESSNER meinte die Heidelerche: „Ihre
Stimm ist/ Lü/ lü/ diese wiederholet sie sehr offt.“606

Theklalerche (Galerida theklae)


In der Nachdarwin-Zeit taten sich die Ornithologen teilweise schwer, die Er-
kenntnisse aus der Abstammungslehre anzunehmen. Beispiele dafür sind der
neue Artbegriff und daraus entstandene Konsequenzen für den Subspezies-
Begriff. Oder die Bedeutung geographischer Trennung für die Entwicklung
neuer Subspezies, bis hin zu Arten, aber auch konvergenter Entwicklungen

600
BECHSTEIN 1803, 197
601
GRIMM/GRIMM 1984, 28/ 960
602
LEWYSOHN 1858,185
603
NAUMANN 1824, 4/ 134 und GLUTZ VON BLOTZHEIM/BAUER 1985, 10/ 168
604
BUFFON/OTTO 1788, 14/ 277
605
BUFFON/OTTO 1788, 14/ 266
606
GESSNER/HORST 1669, 335a
100 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

nicht verwandter Arten. Um Letzteres ging es in einem Wissenschaftler-


Disput zwischen den deutschen Ornithologen Otto KLEINSCHMIDT und
Ernst HARTERT. C. L. BREHM hatte 1858 die Theklalerche als eigene Art
neben der Haubenlerche beschrieben.
KLEINSCHMIDT und sein Mentor C. v. ERLANGER hatten nun he-
rausgefunden, dass die Theklalerche und die Haubenlerche keine direkten
Verwandten, sondern zwei verschiedene konvergente Arten sind. KLEIN-
SCHMIDT teilte das im Spätjahr 1898, noch vor der Veröffentlichung, sei-
nem Freund HARTERT mit. Dieser verkannte „dieses schöne Beispiel von
Parallel-Entwicklung“ und bezweifelte KLEINSCHMIDTS Ansicht, worauf-
hin dieser scharf reagierte. Nun erst untersuchte HARTERT das Problem
selbst und musste KLEINSCHMIDTS Befunde bestätigen. Er tat das, indem
er, ohne KLEINSCHMIDT vorher zu verständigen, das Ergebnis im Februar
1899 selber erstveröffentlichte. Trotz dadurch weiter erhöhter Spannungen
konnte ein Bruch zwischen beiden schließlich doch noch vermieden werden.
KLEINSCHMIDT hatte nämlich schon einmal belegt, dass äußerliche Ähn-
lichkeiten keine nahe Verwandtschaft bedeuten müssen, sondern auch auf pa-
rallele, getrennte Entwicklungen zurückgeführt werden könnten. Er hatte das
Prioritätsrecht dafür auf seiner Seite, nicht aber das für die Konvergenz der
beiden Lerchenarten, das ihm Hartert streitig zu machen versucht hatte.607
Lorbeerlerche: Im Süden Spaniens vertritt die „Lorbeerlerche“ ( Galerita
Theclae) die Haubenlerche. Sie unterscheidet sich von ihr durch einen kür-
zeren Schnabel, eine längere Haube sowie durch schmale, scharf ausgeprägte
dunkle Bruststrichelung, dunkel gefleckte Unterbacke und in der Endhälfte
der Innenfahne roströthliche äußere Schwanzfedern.608
Der in Spanien lebende Reinhold BREHM, Bruder von Alfred Edmund
BREHM und Sohn des „Vogelpastors“ Christian Ludwig BREHM, schickte
seinem Vater einen Balg dieser Vogelart. C. L. BREHM beschrieb den Vo-
gel und benannte die Art 1858 zum Gedenken an seine verstorbene einzige
Tochter Thekla BREHM.609 Er führte den Namen „Galerita theklae“ (heute
Galerida) aber nicht in die wissenschaftliche Literatur ein. Das übernahm sein
Sohn Alfred, der deshalb öfter, statt seines Vaters, als Erstbeschreiber genannt
wird.610
Alfred E. BREHM hat den Vogel nach dessen Lebensraum in Lorbeerlerche
umbenannt. Den deutschen Namen „Theklalerche“ erwähnte er nicht.

607
KELM 1960, 409
608
BREHM 1879, 5/ 263
609
WEMBER 2005, 183
610
HAFFER 2003
PASSERES – SINGVÖGEL 101

Heidelerche (Lullula arborea)


BREHM berichtete von einer „Fußreise“ in eine öde Gegend. „Da erhebt
sich die liebliche Haidelerche, läßt zuerst ihren sanften Lockton ‚Lullu‘ hö-
ren, steigt in die Höhe und schwebt laut flötend und trillernd halbe Stunden
lang unter den Wolken herum, oder setzt sich auf einen Baum, um dort ihr
angenehmes Lied zu Ende zu führen. Noch lieblicher aber klingt dieser Ge-
sang des Nachts. Wenn ich in den stillen Mitternachtsstunden ihren ärmli-
chen Wohnplatz durchschritt, in weiter Ferne eine Ohreule heulen oder einen
Ziegenmelker schnurren, oder einen nah vorüberfliegenden Käfer schwirren
hörte und mich so recht einsam in der öden Gegend fühlte, war ich jederzeit
hoch erfreut, wenn eine Haidelerche emporstieg und ihren schönen Triller
erschallen ließ. … Gestärkt setzte ich dann meinen Wanderstab weiter.“611
Heidelerche, Heide-Lerche, Haidelerche: Der Ausdruck „Heydlerch“ ist in
Mitteldeutschland zuerst 1544 belegt. „Von den eigentlichen Lerchen giebt
es 2 Arten, nämlich die Feld- oder Kornlerchen, und die Heidelerchen.“612
„Die Heide-Lerche hat den Nahmen von Heide, Wald, Sylva, ericetum, weil
sie sich im Gehölze aufhält, darinnen brütet, und auf die Bäume sitzet.“613
„Heide bedeutet letztlich lichter Wald.“614
Es „heißen in der Mark alle Wälder Heiden, bei Halle a. d. Saale ein ausge-
dehnter Nadelwald, der auch Laubwald enthält.“615 Bei BEZZEL liest man
über die Biotope der Heidelerche: Lichte Wälder, Kahlschläge, Waldschnei-
sen, Waldweideflächen, aber auch baum- und buschbestandene Trocken- und
Halbtrockenrasen, Wacholderheiden, sandiges Kulturland.616
Baumlerche, Holzlerche, Waldlerche, Buschlerche: „Dieser Vogel hat den
Namen von Heide, sylva, oder ericetum, im Gegensatz der Feld-Lerchen, weil
sich diese Heide-Lerch bisweilen auf die Bäume setzt, welches die Feld-Lerche
niemahl thut, daher andere Baum-Lerche oder Holz-Lerche an statt Heide-
Lerche sagen.“617
Die bekannte Bezeichnung „Baumlerche“ ist seit 1545 belegt. „Auch darin
ist sie verschieden [von der Feldlerche], daß sie sich gern in unbebaueten
Gegenden die nahe an niedrigen Holzungen liegen, aufhält und nistet, oder
auch vorn an in dem jungen Schlagholze, woher sie ohne Zweifel den Namen

611
BREHM 1866, 270
612
ONOMATOLOGIA FORESTALIS 1773, 688
613
ZORN 1743, 293
614
ZUM LAMM 2000, 225
615
GRIMM/GRIMM 1984, 10/ 798
616
BEZZEL 1993, 34
617
FRISCH 1763, T. 15
102 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Baumlerche bekommen, ob sie sich gleich niemahls weit ins Holz begiebt.“618
NAUMANN sprach sich dennoch gegen „Baumlerche“ aus, weil sich der Vo-
gel bevorzugt am Boden aufhält, sich dort ernährt, schläft und nistet. Die
Männchen fliegen nur „auf die Spitzen nahe am Gipfel“ von Bäumen und
Gebüsch, „um ihren Gesang hören zu lassen.“619
Auch „Waldlerche“ ist schon seit dem 16. Jahrhundert bekannt. In England
ist noch heute „Woodlark“ gebräuchlich. „Solche Gegenden, wo Heide …
häufig wächst, liebt sie vor allen anderen, nur müssen auch Bäume und Ge-
büsch dabei sein…. Sie wohnt dann auf den mit Heide und Farrenkraut be-
deckten Blössen in den Wäldern und an den Waldrändern. (…) Nadelholz
ziehen sie dem Laubholz vor.“620
SUOLAHTI übersetzte den luxemburgischen Namen „Böschleierchen“, also
„Buschlerche“, mit „Waldlerche“. Auch die seit 1544 belegte „Holtzlerch“ be-
deutet nichts anderes als „Waldlerche“.621
Heidenachtigall, Haidenachtigall, Waldnachtigall: „Sie ist auch durch den
Gesang von der Feldlerche verschieden, der dem Gesange einer Nachtigall
weit ähnlicher als dem einer Lerche ist, und den sie nicht nur des Tages, son-
dern auch wie die Nachtigall des Nachts hören läßt.“622
„Die Haidelerche kann sich hinsichtlich ihres Gesanges mit der Nachtigall
nicht messen, und dennoch ersetzt sie diese. Das Lied der Nachtigall erklingt
nur während zweier Monate: die Haidelerche aber singt von Anfang des März
bis August und nach der Mauser noch in der letzten Hälfte des September und
in der ersten des Oktober, und sie singt in den öden, armen Gegenden.“623
GERLACH bezeichnete die Heidelerche als seelenvollste Sängerin unserer
einheimischen Vögel. „Jede Landschaft wurde durch diesen Gesang feierlich
wie unter einer Morgenröte.“ Er verbindet mit ihrem Gesang ein Gefühl der
Schwermut, als erhöbe die Natur hier selbst ihre zarteste Stimme. „Aber der
Vogel weiß nichts davon. Er singt nur, wie er muß.“624
Lüdlerche, Lull-Lerche, Lülerche, Dulllerche, Dull-Lerche, Dölllerche:
Die lautnachahmenden Namen, die im Gattungsnamen ( Lullula) wiederzu-
finden sind, kommen von dem weich flötenden Jodeln wie „tluii-tluii oder

618
KRÜNITZ 1799, 77/ 188
619
NAUMANN 1824, 4/ 192
620
NAUMANN 1824, 4/ 192
621
SUOLAHTI 1909, 100
622
KRÜNITZ 1799, 77/ 189
623
BREHM 1866, 3/ 270
624
GERLACH 1953, 48
PASSERES – SINGVÖGEL 103

düdluuii“ in dem Gesang des Vogels, auch als „dlüd-dlüd, dlüe“ oder „lululu-
lu“ und „lüllüllüllüllullullul“ empfunden.625
„Den Nahmen hat sie von ludeln, wutzeln: welches ein Ausdruck ihres lallen-
den Gesanges ist.“626
Schmervogel: „Schmervogel wegen der Fettigkeit.“627 Schmer ist in allen
möglichen Abwandlungen tierisches Fett. Zu Zeiten der Vogeljagd, als auch
die nicht so häufigen Heidelerchen gefangen wurden, schrieb NAUMANN:
„Ihr wohl schmeckendes Fleisch ist noch delikater als das der Feldlerchen,
im Herbst auch meistens sehr fett.“ Der Bearbeiter des 1900 erschienenen
3. Bandes der Neuauflage, ERNST HARTERT, ergänzte: „Jetzt gestattet das
Gesetz in Deutschland nirgend mehr den Heidelerchenfang. Übrigens ist die
Art nicht zahlreich genug an Individuen und der Braten nicht groß genug, um
den Fang solch lieblichen Sängers zu kulinarischen Zwecken zu billigen.“628
Steinlerche: „Stein-“ in Tiernamen bedeutet oft „Fels“ oder „steiniges Gelän-
de“. „Die Steinlêrche [ist] ein Nahme der gewöhnlichen Heide- oder Brach-
lerche, so fern sie sich in felsigen und gebirgigen Gegenden aufhält.“629
Mit „Steinlerche“ meinte man im 18. und 19. Jahrhundert meistens die
Alpenbraunelle. Der Name war für die Heidelerche eher ungewöhnlich. Das
gilt auch für die Feldlerche, die aber schon von EBER und PEUCER (1552)
„Steinlerch“ und bei Hans SACHS (1531, V. 237) „Stainlerch“ genannt wur-
de.630
Man kann davon ausgehen, dass trotz der verschiedenen Namen im 16. Jahr-
hundert nicht immer zwischen den beiden Lerchenarten unterschieden wur-
de. Das zeigt auch ADELUNGs Namensaufzählung für die „Brachlerche“
(bei der „Feldlerche“ beschrieben).
Gereuthlerche: „Reuten“ ist „roden, urbar“ machen durch Entfernen von
Baum- und Strauchwerk. Heidelerchen halten sich gerne auf Gereuten auf, in
„ausgereuteten“ Waldstücken. In solchen Rodungsgebieten brüten sie auch.
„Ihre Eyer legen sie an oder unter alte Stöcke und Baum-Wurzeln, in Wach-
holderbüschlein, oder auch nur in das bloße Gras, und brüten solche im Jun.
oder Julius aus, indem sie ihre Brut erst um Jacobi endigen.“631

625
SVENSSON/GRANT/MULLARNEY/ZETTERSTRÖM 1999, 232 und BERGMANN/HELP
1982, 234
626
HÖFER 1815, 2/ 223
627
HÖFER 1815, 2 /167
628
NAUMANN/HENNICKE 1900, 3/ 37
629
ADELUNG 1801, 4/ 342
630
SUOLAHTI 1909, 100
631
KRÜNITZ 1779, 17/ 379
104 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Mittellerche: „Mittellerche“ ist ein alter Name der Heidelerche, die wegen
ihres, allerdings kleinen Federschopfes auch „Kleine Haubenlerche“ (Klei-
ne Zopf-, Schopflerche) hieß und von mittlerer Größe, auch kleiner als die
Felddlerche, ist. Das wollte man mit „Mittellerche“ ausdrücken.632
Knobellerche: Der Name steht für eine Lerchenart, deren Fleisch wie Knob-
lauch schmecken soll.633 „Der angenehme Geschmack nach Feldknoblauch,
ist auch nicht diesen [Feldlerchen] allein charakteristisch, sondern kommt
nur zufällig bei denen, die dergleichen gefressen haben.“634
Schleierlerche: Die von den im Nacken zusammentreffenden weißen Über-
augenstreifen, die die Kopfplatte begrenzen, vermitteln den Eindruck eines
Schleiers (o. Qu.).

Feldlerche (Alauda arvensis)


Über den Fang der weithin bekannten, nach Feldknoblauch schmeckenden
Leipziger Lerchen schrieb BREHM: „Unter den vielen Feinden, welche die
Lerchen haben, steht der Mensch leider obenan. Er verfolgt die harmlosen und
nützlichen Thiere namentlich während ihres Herbstzuges mit allerlei Netzen
und Fallen, hauptsächlich aber mit dem großen Streichgarn, welches über
ganze Felder hinwegreicht und oft zu gleicher Zeit Hunderten von Lerchen
verderblich wird.“ In einem Oktober seien 403.455 Lerchen nach Leipzig
gebracht worden, eine Zahl, die deutlich höher werde, wenn die Fänge vom
September und November hinzugezählt würden. „Ein großer Theil von Ler-
chen kommt nicht nach Leipzig, weil auf den Dörfern mancher gute Schlu-
cker wohnet, der sich mit Lerchen etwas zu gute thut.“635 Interessant ist eine
Art Rechtfertigung der Massenfänge in der 3. Auflage vom BREHM. Nach
der Aufzählung aller möglicher natürlicher Feinde liest man da: „ … daß der
Mensch, selbst wenn er Massenfang betreibt, nicht entfernt so schlimm unter
den Lerchen haust als die genannten natürlichen Feinde, verdient hervor-
gehoben zu werden. Die Feldlerche nimmt mit der gesteigerten Bodenwirt-
schaft an Menge zu, nicht aber ab.“636
Feldlerche, Gemeine Lerche, Europäische Feld-Lerche, Ackerlerche: Der
Name „Veldt Lerche“ erschien „zunächst“ in Ryffs Tierbuch Alberti 1545, da-
nach auch noch in Quellen aus den Jahren 1552 und 1603.637 Den Begriff

632
KRÜNITZ 1799, 77/ 187
633
GRIMM/GRIMM 1984, 11/ 1449
634
VOIGT 1835, 216
635
BREHM 1866, 3/ 274
636
BREHM 1891, 4/ 219
637
SUOLAHTI 1909, 100
PASSERES – SINGVÖGEL 105

„Feldlerche“ konnte man später auch bei ZORN (1743), FRISCH (1763),
BECHSTEIN (ab 1795) uva. finden. Laut C. L. BREHM ist er ein Kunst-
name.638
Die Feldlerche wird „also genannt, weil sie sich allein in Feldern, oder nahe
bey denselben, auf Heiden und Wiesen aufhält, nähret und brütet, und nicht
in das Gehölze kommt, oder auf Bäume sitzet.“639
„Kein Vogel ist häufiger als sie, keiner so gemein; denn selbst der Haussper-
ling bewohnt nur Gegenden, wo der Ackerbau blüht, und verschwindet, wo
dieser aufhört. Nicht so unsere Lerche: sie bewohnt alle Gegenden.“640
Die Feldlerche ist ein Vogel offener Landschaften: Äcker, Wiesen, Weiden,
Marschen, Sanddünen, auch Moore und alpine Matten. Sie meidet Bäume.641
Brachlerche: „Sie hält sich gern auf den Brachäckern auf, und wird auch
Brachläufer, Heidelerche, Wiesenlerche, Mittellerche, Steinlerche, Saatlerche,
Feldlerche, Sanglerche und Waldlerche genannt.“642 ADELUNG hatte wie
KLEIN, auf den er sich bezog, mit „Brachlerche“ die Heide-, nicht die Feld-
lerche gemeint. BECHSTEIN u. a. haben den Namen aber auch für die Feld-
lerche übernommen.
Unter „Brachäcker“ fällt offenes Gelände mit freiem Horizont, trockene bis
wechselfeuchte Böden und karge Vegetation mit offenen Stellen. Feld- und
Heidelerche sind als Kurzstreckenzieher mitunter schon im zeitigen Frühjahr,
wenn der Schnee noch nicht abgetaut ist, aus den Überwinterungsgebieten in
Südeuropa/Norafrika zurück. Deshalb kann man den Namen „Brachlerche“
nicht mit einer Rückkehr in zeitlicher Nähe zum Brachmonat (Juni) in Ver-
bindung bringen (siehe Triel).
Leewaark, Himmelslerche, Sanglerche, Singlerche, Adlerlerche, Luftler-
che: „Leewark“ bedeutet „Lerche“. Dieser und ähnliche Namen für die Lerche
sind in plattdeutschen Dialekten oder im Niederländischen (wie auch nach
SUOLAHTI das mittelniederländische Leewerke) auch heute noch üblich.
Der Ornithologe Günther SCHUMANN (Jahrgang 1930) schrieb über
den Vogel des Jahres 1998 im INTERNET: „Die Feldlerche gehört zu den
volkstümlichen Vögeln. Sie wurde in vielen Dichtungen und Liedern besun-
gen. Das Zitat ‚Es war die Nachtigall und nicht die Lerche‘ aus Shakespeares
‚Romeo und Julia‘ fällt den meisten Menschen beim Stichwort ‚Lerche‘ ein.

638
C. L. BREHM 1824, 1015
639
ZORN 1743, 289
640
NAUMANN 1824, 4/ 157
641
BEZZEL 1995, 360
642
ADELUNG 1793, 1/ 1143
106 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Besonders bei der Landbevölkerung war sie eh und je bekannt und beliebt,
zeigte sie doch mit ihrem jubilierenden Fluggesang oft schon zeitig im März
und April den beginnenden Frühling an. Ihre Volkstümlichkeit belegt auch
die Vielzahl von Namen, die ihr gegeben werden. Hier seien nur einige ge-
nannt: Ackerlerche, Edellerche, Himmelslerche, Kornlerche, Leewark, Larik,
Luftlerche, Morgenlerche, Saatlerche, Singlerche und Weglerche.“643
Bei KRÜNITZ liest man über „Himmelslerche“, „daß die Lerche bey dem
gänzlichen Mangel an Naturkunde der Alten, und weil sie in der Luft schwe-
bend singet, auch dem Landmanne keinen sichtbaren Schaden im Korne
thut, für einen Himmelsvogel, Vogel Gottes, oder einen Vogel gehalten wor-
den ist, welchen der himmlische Beherrscher besonders liebet – in welchem
sein besonderes Wohlgefallen ruhet.“644
„Ein Sommer, in dem sie fehlen, wäre wie eine Kirche ohne Orgel. Trillernd
jubelt es, und die Tonketten winden sich gleich Girlanden zur Sonne empor.
Sucht man das Himmelsblau mit den Augen ab, so erkennt man droben eben
noch die Lerche…“645
Weglerche: Der Name passt besser zur Haubenlerche, mit welcher die Feld-
lerche verwechselt werden kann. Wenn die Feldlerche am Boden ist, hält sie
sich nur auf Wegen auf, wenn sie dort leichter Nahrung finden kann.
Pardale: „Steigt die Lerche trillernd in die Luft, bedeutet das dem Bauern
schönes Wetter, erklingt aber zwischen den Ackerschollen ihr eintöniger Ruf,
besteht Aussicht auf Regen.“646 Das Wort „pardalus“ bedeutete in älteren na-
turwissenschaftlichen Werken „Regenpfeifer“.647
Kornlerche: „Kornlerche“ findet man schon in der „Angenehmen Landlust“
von PERNAU (1720) oder in der Georgica Helvetica curiosa von KÖNIG
(1706). In Letzterer liest man: Man nennt sie Korn-Lerchen, „weil sie wür-
cklich in denen Korn- und Getraid-äckern zu nesten/ und deren Körner zu
ihrer Speise außzubicken pflegen.“648 Die Bezeichnung „Kornlerche“ für die-
sen Vogel war im frühen 18. Jahrhundert neben „Feldlerche“ als Hauptname
verbreitet, auch bei PERNAU. Bei GESSNER (1557) ist er für die Feldlerche
noch nicht zu finden.

643
www.enilef.de/artikel/v1998.htm, Stand: 16.07.2012
644
KRÜNITZ 1799, 77/ 168
645
GERLACH 1953, 47
646
GATTIKER/GATTIKER 1989, 248
647
SUOLAHTI 1909, 270
648
PERNAU 1720, 213
PASSERES – SINGVÖGEL 107

Saatlerche: Der Name sagt, dass man die Lerche häufig auf Saatfeldern sah.
Er war schon im 18. Jahrhundert verbreitet.649 C. L. BREHM teilte die Feld-
lerche – Alauda arvensis in 4 Gruppen, von denen eine die „Saatlerche – Alau-
da segetum Br.“ war. Die anderen waren die „Berglerche – Alauda montana“,
die „Feldlerche [im engeren Sinn] – Alauda arvensis“ und die „Ackerlerche
– Alauda agrestis“.650
Taglerche: Hier geht es um einen Volksglauben, welche wann gefangene Ler-
che besser singt. Zitat aus einer Dorfzeitung 1840: „Die Liederlerche nennt
man im Thüringischen Nachtlerche.“ Und aus einem Lexikon 1773: „Sonst
unterscheiden einige die Lerchen in Tag- und Nachtlerchen, und verstehen
unter jenen die, so bei Tage, unter diesen aber die, so zur Nachtzeit gefangen
werden.“651
Der Pastor Christian GERBER schrieb 1707 ein Buch über „Die unerkann-
ten Wohlthaten Gottes, In dem Chur-Fürstenthum Sachsen …“ und darin
über Lerchen: „Ich weiß nicht, ob Herr Henelius hierinnen irret, oder ob
in Schlesien unterschiedliche Arten seyn, die in andern Ländern nicht an-
zutreffen. Wir wissen hier in Sachsen nichts von Wege-Lerchen, auch nichts
von Wald-Lerchen: Sondern wir haben zweyerley Arten, Nacht-Lerchen und
Tage-Lerchen, die auch Heide-Lerchen genennet werden. Unsere Nachtler-
chen sind eben die recht schönen Sang- Lerchen, und weil sie an den meisten
Orten des Nachts mit Netzen gefangen werden, heissen sie Nacht-Lerchen.
… Die Nacht-Lerche flieget nun sehr hoch in die Lufft, wie Herr Henelius
schreibet, und hält sich daselbst lange mit Singen auf: Sie kommet aber gleich
wohl herunter auf die Wege, läufft auf denenselben herum, welches Herr He-
nelius allein seiner Wege-Lerche zuschreibet. Die Tage-Lerchen sind bey uns
viel kleiner als die Nacht-Lerchen, lauffen mehr auf den Fußsteigen vor dem
Menschen hin, als die Nachtlerche, singet auch nicht so viel und schön als
jene, werden sowohl des Nachts, als des Tages auf dem Heerde gefangen. Das
sind unsere zwey Arten in Sachsen von Waldlerchen wissen wir gar nichts.“652
Der Begriff „Nachtlerche“ war selten und mehr auf das 18. Jahrhundert be-
schränkt. Anders als in der vorliegenden Beschreibung hielt man die Tagler-
chen (Heidelerchen) für bessere Sänger.

649
KÖNIG 1706, 835
650
C. L. BREHM 1832, 119
651
GRIMM/GRIMM 1984, 13/ 196
652
GERBER 1707, 728 in: Die unerkannten Wohlthaten Gottes, In dem Chur-Fürstenthum Sachsen
108 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Ohrenlerche (Eremophila alpestris)


„Jeder Naturforscher freut sich gewiß mit mir, daß wir endlich über die Brut
des Rothfußfalken u. Sandhuhnes sichere Nachricht erhalten haben, und ich
danke meinem geehrten Freunde dafür und für die gütigst übersandten Eyer
hier öffentlich. Ebenso angenehm ist es mir, über den Winteraufenthalt der
Alpenlerche [die erst 1890 von E. HARTERT Ohrenlerche genannt wurde]
etwas Sicheres zu wissen. Es ist bekannt, daß dieser Vogel in Deutschland zu
den sehr seltenen gehört. Vor mehreren Jahren schoß der Herr Robert Tobias
in Görlitz 3 Stück im December auf dem Reviere jener Stadt – eine davon ziert
jetzt meine Sammlung – und vor etwa 3 Jahren erlegte Hr. Dr.Thienemann
in Dresden ein Paar auf dem Reviere des Herrn Freyherrn von Pöllnitz zu
Oberlödla bey Altenburg. Ich bin nun fest überzeugt, daß die Alpenlerche nur
weit nordöstlich von uns lebt und deßwegen Deutschland so selten auf ihren
Wanderungen trifft.“653
Alpenlerche, Berglerche, Berg-Lerche: „Die Berglerche hält sich besonders
auf den höheren Bergplateaus auf, und ist dort an den Seeküsten häufiger als
im Innern des Landes. An den Alpen geht sie bis in die Birken- und Weiden-
region und liebt flache, sumpfige, begraste öde Stellen.“654 „Alpen“ bedeutet
auch hier „nordisches Gebirge mit alpinen Verhältnissen“. In den eigentlichen
Alpen ist der Vogel nicht zu finden. „Die Alpenlerche trägt ihren Namen
nicht von den Schweizer, sondern von den Nordischen Alpen.“655 Da die nor-
dischen Berge nicht sehr hoch sind und die „Gebirge“ ins Meer übergehen
können, ist auch der Begriff „Berglerche“ etwas irreführend.
Küstenlerche, Uferlerche: „Es ist wohl hauptsächlich die offene, steppen-
ähnliche Beschaffenheit der Küstengegenden, die unseren Vogel die Küsten
folgen läßt: Die Engländer haben ihm den außerordentlich bezeichnenden
Namen Shore-Lark (= Küstenlerche) gegeben.“656 „Uferlerche“ ist synonym.
Schneelerche, Schneevogel: Nach NAUMANN treiben Schnee und Kälte
den Zugvogel in mildere Gegenden. In Deutschland wurden einige Vögel bei
stürmischer Witterung, Schneegestöber und heftiger Kälte unter verschiede-
nen Wintervögeln gesehen. Dazu schrieb ADELUNG: Schneelerchen sind
„eine Art Lerchen, welche sehr spät, wenn es schon geschneyet hat, zu strei-
chen pflegt.“657

653
C. L. BREHM in: OKENS ISIS 1830, 798
654
NAUMANN 1824, 4/ 149
655
BREHM 1879, 5/ 274
656
NAUMANN 1824, 4/ 149
657
ADELUNG 1798, 3/ 1595
PASSERES – SINGVÖGEL 109

Winterlerche: „Sie hält sich bisweilen in Deutschland zur Schneezeit auf,


und deswegen wird sie wohl auch von Frisch die Winterlerche genannt.“658
Glockenvogel: „Ihre Lockstimme ist klar und dabei sanft und melodisch,
kaum durch Silben auszudrücken, und hat ihnen in Lappland den Namen
‚Glockenvogel‘ eingetragen.“659
Gelbköpfige Lerche, Gelbbärtige nordische Schneelerche, Wilde, zwei-
schopfige Alpenlerche: Gesicht und Kehle des gut sperlingsgroßen Vogels
sind hellgelblich. Der schwarze Brustfleck und die schwarzen Wangen kön-
nen bei südeuropäischen Rassen ineinander übergehen. Im Brutkleid fallen
die Männchen durch deutlicheren Kontrast zwischen heller und dunkler
Kopfzeichnung, ein schwarzes Stirnband und abstehende Federohren auf. Bei
den Weibchen ist der Kontrast schwächer, auch haben sie nur kleine, nicht
vorstehende Federohren.660
Hornlerche: Die Federohren wurden früher auch „Hörner“ genannt. Heute
sind es, wie bei den Ohreneulen oder dem Ohrentaucher „Ohren“.
Gelbbärtige Lerche aus Virginien und Kanada, Sibirische Berglerche, Si-
birische oder virginische Lerche: „Bey einigen deutschen Schriftstellern, die
‚virginische‘ Lerche, die ‚gelbbärtige‘ Lerche, die ‚gelbkopfige‘ Lerche. Sie hält
sich in Amerika auf.“661 Bei der Ohrenlerche werden heute bis zu 40 Unter-
arten unterschieden.
Das Verbreitungsgebiet des holarktisch vorkommenden Brutvogels ist sehr
groß. Er ist ein regelmäßiger Wintergast an den Küsten Mitteleuropas.
„Die Ohrenlerche brütet im nördlichen Europa, in Gebirgen des südöstlichen
Europa, im nordwestlichen Afrika, in Asien und in Nordamerika von hoch-
arktischen Gebieten bis zur Landenge von Tehuantepec“ in Mexico.662
Priestergürtel: Den Namen hat der Vogel durch das breite schwarze Kehl-
band erhalten.663

658
KRÜNITZ 1799, 77/ 200
659
NAUMANN 1824, 4/ 149
660
BEZZEL 1995, 357
661
KRÜNITZ 1799, 77/ 200
662
http://de.wikipedia.org/wiki/Ohrenlerche. Stand: 13.02.2011
663
HOFFMANN 1937, 55
110 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Schwalben – Hirundinidae
Schwalben sind kleine Sperlingsvögel mit langen, spitzen Flügeln, breitem
Rachen sowie rasantem, wendigen Flug, an Insektenjagd in der Luft ange-
passt.664
Schwalbe: Das Wort „Schwalbe“ ist ein aus dem Germanischen kommender
Vogelname, ahd. „swalawa“, mhd. „swalwe“.665 Nach GRIMM/GRIMM war
(belegt aus dem 16. Jahrhundert) auch „Schwalm“ für Schwalbe oder neben
Schwalbe gebräuchlich. Die Herkunft des Wortes ist nicht bekannt. Vermutet
werden Verbindungen zu „Schwarm“ oder „sich hin- und herbewegen“ bzw.
„unruhige Bewegung“.666

Uferschwalbe (Riparia riparia)


„Diese soll es vorzüglich seyn, welche man bisweilen erstarrt im Schlamm
findet.“667
Mit großer Überzeugung vertraten viele Menschen, auch Wissenschaftler, zu
dem Verbleib von Schwalben im Winter eine Meinung, deren Unhaltbarkeit
sich im 19. Jahrhundert nur langsam durchsetzte. Wie in vielen Fällen hat-
te auch hier die Lehre des ARISTOTELES noch nach Jahrtausenden soviel
Macht, dass sich neue Erkenntnisse vielfach nur schwer durchsetzen konnten.
Besonders waren – aus unserer heutigen Sicht – Botanik und Zoologie betrof-
fen, wie dieser „Fall“ zeigt, den GERLACH treffend schilderte. „Seit Aristo-
teles in seiner ‚Historia animalium‘ sagte, man habe im Winter oft Schwalben
in Löchern, gänzlich der Federn beraubt, gefunden, ist die Sumpfüberwin-
terung durch mehr als zwei Jahrtausende für wahr gehalten worden. Plinius
übernahm den Irrtum. Sogar noch Linnaeus glaubte, daß Schwalben auf dem
Meeresgrund überwintern.“668
Mitte des 19. Jahrhunderts durfte GLOGER mit Zuversicht „erwarten, daß
nunmehr die lächerlichen Erzählungen von einem Winterschlafe der Schwal-
ben im Wasser ihre Glaubwürdigkeit für immer verloren haben werden. Es
sind Mährchen, deren Entstehung auf einem einfachen Umstande beruht:
daß einer Seits zu früh angekommene Schwalben bisweilen im Frühling in
der Nähe des Wassers vor Hunger ermattet und vor Kälte erstarrt gefunden

664
SVENSSON et al. 2011, 258
665
SUOLAHTI 1909, 23
666
GRIMM/GRIMM 1984, 15/ 2182
667
OKEN 1837, 96
668
GERLACH 1953, 52
PASSERES – SINGVÖGEL 111

werden, sich dann auch wohl in Uferlöcher und dergl. verkriechen, und bald
wieder aufleben, wenn sie hier noch zeitig genug aufgenommen oder hervor-
gezogen und erwärmt werden; – und daß anderer Seits im Herbst beim Abzug
namentlich die Rauchschwalben gern im Rohre und Gesträuche über dem
Wasser übernachten, hier einzelne durch Zufall ins Wasser hinabfallen, und
dadurch die Vermuthung erregt haben, als ob sie sich frei[wil]lich in dasselbe
versenkten, um da im Schlamme zu überwintern.“669
Dennoch, VOIGT schrieb noch 1835: „Es scheint ausgemacht, daß sie den
Winter erstarrt in Morästen zubringt.“670 Und: „Zwei bedeutende deutsche
Zoologen, Ludwig Reichenbach und Harald Othmar Lenz, waren noch 1842
der Ansicht, daß der Schwalbenwinterschlaf möglich sei.“671
Uferschwalbe: Die Uferschwalbe hält sich am liebsten da auf und nistet, wo
sie steile Lehmuferwände findet. Das müssen nicht immer Flussufer sein. Der
Vogel begnügt sich oft auch mit einer steil abfallenden Erdwand oder Kies-
gruben. Der Name ist schon aus Quellen des 16. Jahrhunderts bekannt, so
„Ueber swalbe“ bei TURNER (1544) und „Vberschwalben“ bei EBER und
PEUCER (1552). „Uferschwalbe findet man zuerst 1746 bei DÖBEL.672
Erdschwalbe: „Erdschwalbe“ ist ein Synonym zu „Uferschwalbe“. FRISCH
(ab 1743) nannte den Vogel neben „Ufer-Schwalbe“ auch „Erd-Schwalbe“,
worauf KLEIN hinwies.673
„Sie legt ihr Nest in Uferhöhlen an, welche Wasserratten oder Mullwürfe ge-
macht haben, auch in alte Mauern und Steinbrüche, trägt nur etwas Erde und
Gras hinein, füttert es mit Federn aus und legt 6 weiße, röthlich gewölkte
Eyer. Im Nothfall graben sie sich selbst mit Schnabel und Klauen 6 Schuh
lange Höhlen mit unglaublicher Geschwindigkeit.“674 Sechs Schuh sind etwa
1,90 m. So lang sind die Niströhren nur selten, 60–70 cm sind normal. Und
auch darin irrte OKEN: Die Vögel bevorzugen in der Regel selbst gegrabene
Höhlen. Männchen, die sich oft erst nach Baubeginn verpaaren, beginnen
sogar mehrere Röhren zu graben und vollenden schließlich nur eine.
Graue Schwalbe, Braune Schwalbe: Der Vogel hat eine graubraune Ober-
seite und ein graubraunes Brustband auf der weißen Unterseite. Er kann von
weitem mit der größeren Felsenschwalbe verwechselt werden, die aber eine
dunklere Unterseite hat. Die Uferschwalbe ist über ganz Deutschland verbrei-

669
GLOGER 1834, 407
670
VOIGT 1835, 246
671
GERLACH 1953, 52
672
SUOLAHTI 1909, 26
673
KLEIN 1750, 83
674
OKEN 1837, 91
112 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

tet, dabei weniger in den südlichen Gebirgen, wo dagegen (und in deutsch-


sprachigen Gebieten nur da) die Felsenschwalbe vorkommt. In Deutschland
gibt es demnach so gut wie keine Biotopüberschneidungen, weshalb der
Name „Graue Schwalbe“ eindeutig ist.
„Braune Schwalbe“ ist ein Nebenname, den C. L. BREHM der Uferschwalbe
gab. Es gab ihn vorher für diesen Vogel nicht und er wurde auch nur verein-
zelt übernommen.675
Kotschwalbe, Kothschwalbe, Dreckschwalbe: „Kot(h)“ ist mit „Wasser be-
feuchtete oder flüssig gemachte Erde, besonders so fern sie sich auf den Stra-
ßen oder Wegen befindet; im Nieders. Modder, … im Dithmars. Kley.“676
Neben der Bedeutung „Schmutz, Dreck“ ist Koth also auch Erde, mit der
gebaut wird. Ein Kothwerk ist ein Bau aus Erde oder Lehm und Kothwesen
wird mit Erdarbeit erklärt. In diesem Fall baut die Uferschwalbe aber nichts
aus Erde, also kein Nest wie andere Schwalben, sondern eine Röhre, aus der
Erdmaterial entfernt werden muss. Andere Schwalben hatten diese Namen
nicht.
Meerschwalbe: Die Uferschwalbe bewohnt die Steilküsten am Meer und an
Flüssen. Sie quartiert sich auch in große Lehmgruben und Kalksteinbrüche
ein. In solchen Steinbrüchen findet man oft fünfzig Nester.677
Felsenschwalbe: GESSNER schrieb 1555 von einem „Feelschwalm“: „Das
Vögelchen … brütet gewiss in Höhlen der Ufer des Rheins. Es wird behaup-
tet, dass sie die Löcher selbst graben.“
Den Namen „Feelschwalm“ leitete SUOLAHTI von Fels ab. „In Verbindung
mit dem (völligen) Fehlen einer Schwanzgabel könnte diese Angabe zur Fel-
senschwalbe ( Ptyonoprogne rupestris) führen; doch sind Bild und die sonstige
Beschreibung eindeutig der Uferschwalbe zuzuweisen.“678
Rheinvogel: „Das dritte Schwalbengeschlecht sol das kleinste seyn/ darumb
es von etlichen zu Straßburg ein Rheinvögelein genennt wird … das nistet
gewißlich an den holen Gestaden des Rheins.“679
Rheinschwalbe, Reinschwalbe, Rainschwalbe: „Eine Art Schwalben, wel-
che sich an den Rheinen, d. i. Bächen und Flüssen, aufhält, und sich an dem
steilen Ufer derselben tiefe Löcher gräbt, worin sie überwintert; … Hirundo

675
C. L. BREHM 1823, 394
676
ADELUNG 1796, 2/ 1733
677
BECHSTEIN 1795, 776
678
SPRINGER 2007, 290
679
GESSNER/HORST 1669, 75b
PASSERES – SINGVÖGEL 113

riparia Klein [Uferschwalbe]. Sollte aber die erste Hälfte des Wortes hier zu-
nächst das Ufer bedeuten, so würde es von Rain abstammen, und alsdann
Rainschwalbe geschrieben werden müssen.“680
„Ihr Aufenthalt ist am Strande des Meeres und an den Flüssen, besonders
häufig am Rhein, und daher der Name.“681 Wenn die Uferschwalbe beson-
ders häufig am Rhein gesehen wurde, bedeutet das nicht, dass sie nicht auch
woanders zahlreich vorkommt. ADELUNG versuchte eine besondere Inter-
pretation des Begriffes „Rhein“: Der Name „Rhein“ ist „echten Deutschen
Ursprunges, und, als ein naher Abkömmling von dem Zeitworte rinnen, und
dessen Stammworte reinen, fließen, eigentlich eine allgemeine Benennung
eines jeden Baches oder Flusses. In Graubünden, dem Vaterlande unsers
Rheinstromes, gibt es unzählige Bäche und kleine Flüsse, welche daselbst
Rhein genannt werden, und in der so genannten Romanischen Sprache heißt
jeder Bach Rhen.“682
Sandschwalbe: KLEIN erwähnt in seinen Historiae avium prodromus die eng-
lischen Namen „The Sand-Martin or Shore-Bird“.683
In einem Buch von Thomas FORSTER (1832) findet man: „The sand mar-
tin … builds its nest in holes, which it bores in banks of sand.“ Dabei sind mit
„sand“ die oft lehmigen, festen Bereiche unter dem Mutterboden gemeint.
Zu „martin“ vermutete COLLINS: Als im 15. Jahrhundert der Name ent-
stand, glaubte man, dass die Uferschwalbe aus England erst um die Zeit von
St. Martin (Anfang November) wegzieht.684
Strandschwalbe: In seinen Berichten über Reisen durch das Russische Reich,
erschienen 1777, nannte PALLAS die Uferschwalbe nur „Strandschwalbe“.
Dieser Name, in dem „Strand-“ soviel wie „Ufer-“ bedeutet, war zu der Zeit
für die Uferschwalbe verbreitet.
Wasserschwalbe: „Die Wasser-Schwalbe, Ufer- oder Erdschwalbe heißet
nicht also, daß sie sich etwa aus dem Wasser, z. E. mit kleinen Fischen u. d. g.
ernähret, denn sie fängt … in der Lufft die Fliegen weg; sondern weil sie sich
gerne am Wasser aufhält, in den Gebäuden, so nächst daran liegen, in dem
Gemäuer der Brücken, ingleichen in den Löchern der etwas hohen Ufern,
brütet. Sie schwebt immer über dem Wasser.“685

680
ADELUNG 1798, 3/ 1098
681
OKEN 1837, 95
682
ADELUNG 1798, 3/ 1097
683
KLEIN 1750, 83
684
COLLINS 1979, 905
685
ZORN 1743, 401
114 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Gestettenschwalbe: Gestätten ist ein alter bayerisch-österreichischer Aus-


druck, der aus dem „Gestade“ hevorgegangen ist, für Ufer, besonders künstlich
befestigte Ufer.686 Den Ausdruck „Gestättenschwalbe“ hat POPOWITSCH
(1780) aus Österreich eingeführt.687

Felsenschwalbe (Ptyonoprogne rupestris)


Der Flug ist außerordentlich leicht und rasch. Entlang der Felsen ist die Fel-
senschwalbe wesentlich geschickter und wendiger als die Mehlschwalbe. Sie
jagt dicht am Felsen mit raschen, plötzlichen Wendungen, senkrechtem Auf-
steilen und jähen Sturzflügen, wobei allen Unebenheiten und Vorsprüngen
gefolgt wird. Sie segelt viel im Wechsel mit kurzen, schnellen und flachen
Flügelschlägen und meist gespreiztem Schwanz. Bei der Insektenjagd über
Gewässern fliegt sie geradlinig, mit nur wenigen Flügelschlägen überwiegend
segelnd knapp über die Wasseroberfläche. Am Boden trippelt sie unbeholfen,
kann sich bei heftigen Landungen sogar verletzen.688
Felsenschwalbe, Felsen-Schwalbe, Bergschwalbe, Steinschwalbe: Die Fel-
senschwalbe, die nur im südlichen Europa vorkommt, brütet bis über 2000 m
Höhe in Spalten und Höhlungen an steilen Felswänden, in Schluchten und
manchmal auch in Gebäuden, die im Gebirge stehen.
Klippenschwalbe: Nach der Brutzeit verlassen die Vögel kalte und hochge-
legene Brutgebiete und fliegen bis in die Vorberge, teilweise auch zu Küsten-
klippen.
Graue Felsenschwalbe: Im Gegensatz z. B. zur bekannten schwarzweiß-
braunroten Rauchschwalbe ist das Gefieder der Felsenschwalbe überwiegend
grau.

Rauchschwalbe (Hirundo rustica)


„Die Alten haben vielerley von den Schwalben zu erzählen gewußt; bey den
Griechen heißen sie Chelidones. Sie sollen nicht nach Theben gekommen
seyn, weil die Stadt oft erobert wurde, auch nicht nach Bizia, weil der König
Tereus von Thracien die Progne, die Schwester seiner Frau, Philomele, miß-
handelt und ihr die Zunge ausgeschnitten hat, damit sie es nicht verrrathen
könnte. Seine Frau setzte ihm zur Rache seinen eigenen Sohn Itys gekocht als
Essen auf. Er wurde in einen Wiedehopf, sie in eine Nachtigal, welche ihren

686
GRIMM/GRIMM 1984, 5/ 4205
687
SUOLAHTI 1909, 26
688
GLUTZ VON BLOTZHEIM/BAUER 1985, 10/ 387
PASSERES – SINGVÖGEL 115

Sohn beseufzt, und ihre Schwester in eine Schwalbe verwandelt mit einem
blutrothen Flecken am Halse; daher die Dichter auch das Wort Progne für
Schwalbe gebrauchen“,689 für „den ruhelosen Vogel, der mit dem Blutmal auf
der Brust klagend die Wohnstätten der Menschen umkreist.“690
„Ihren undeutlichen Gesang legt der gemeine Mann so aus: Da ich fortzog,
da ich fortzog, waren alle Kisten und Kasten voll, da ich wieder kam, da ich
wieder kam, war Alles wüst und leer r r r r.“691 Der Dichter Friedrich Rückert
(1788–1866) machte daraus sein bekanntes Schwalbenlied: „Aus der Jugend-
zeit…“
Rauchschwalbe, Rauch-Schwalbe, Schornsteinschwalbe, Küchenschwal-
be, Bauernschwalbe: „Die Rauchschwalbe besiedelt als extremer Kulturfol-
ger Viehställe, Scheunen, Aussiedlerhöfe, Wohnhäuser, und Fabrikhallen. Die
dichteste Besiedlung erreicht sie in bäuerlich geprägten Ortschaften.“692
Die Rauchschwalbe nistete früher häufig in den großen Küchen der Bauern
nahe am Rauch der Kamine, aber auch in den großen Kaminen der Bauern-
häuser. Sie wurde deshalb neben Rauchschwalbe auch Schornsteinschwalbe,
Küchenschwalbe oder Bauernschwalbe genannt. Das für die Rauchschwalbe
als typisch bezeichnete Brüten in Schornsteinen bezieht sich auf die Zeit, in
der eine andere Bauweise von Schornsteinen der Schwalbe geeignete Nist-
möglichkeiten gab.693
Schlotschwalbe: Eine Schlotschwalbe ist „eine Schwalbe, die in der Bauern
großen Kaminen nistet.“694 1517 glossierte TROCHUS den Vogel mit „cami-
naria“, weil er in den großen Küchen der Bauern nistet.695
Hausschwalbe, Gemeine Hausschwalbe, Gewöhnliche Hausschwalbe,
Fensterschwalbe, Giebelschwalbe, Stadtschwalbe: Im Allgemeinen pflegte
man im Volk keinen großen Unterschied zwischen den beiden Schwalben-
arten zu machen – es ist nur von „der Schwalbe“ die Rede. Das erklärt, dass
viele Namen, die für die Mehlschwalbe bekannt waren, auch für die Rauch-
schwalbe verwendet wurden und umgekehrt. Dennoch geht aus der Fülle der
Überlieferungen hervor, dass die Rauchschwalbe, die in Ställen, Scheunen
und Küchen zu nisten pflegt(e), dem Menschen näherstand, mehr Aufmerk-

689
OKEN 1837, 92
690
GERLACH 1953, 51
691
CURTMANN/WALTER 1846, 243
692
SPRINGER 2007, 291
693
WEMBER 2005, 118
694
GRIMM/GRIMM 1984, 14/ 252
695
SUOLAHTI 1909, 24
116 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

samkeit in Anspruch nahm als die Mehlschwalbe, die unter Dachvorsprüngen


außerhalb der Häuser nistet.696
Innere Hausschwalbe: Die Rauchschwalbe bevorzugt das Innere von Gebäu-
den, besonders Ställe, die Mehlschwalbe, die „Äußere Hausschwalbe“, Haus-
wände zum Nestbau.
Feuerschwalbe: Die Feuerschwalbe nistet gerne an Rauchfängen. „…weil im
Haus, am Herd wohnend.“697 Aus einem Sagenbuch: Bei einem Hausbrand
lassen Störche Wasser aus dem Schnabel hoch aus der Luft in das Feuer fallen.
„Noch andere Vögel helfen dem Menschen durch Wasserzutragen, wie die
Feuerschwalbe, welche man daher als heilig nicht verletzen darf.“698
Dorfschwalbe, Landschwalbe, Stallschwalbe: „Sie sind es, welche seit al-
tersgrauer Zeit freiwillig dem Menschen sich anschlossen und sein Haus
zu dem ihrigen machten … sich im Palast wie in der Hütte ansiedeln. …
Ihre Anhänglichkeit an den Menschen hat ihnen dessen Liebe erworben, ihr
Kommen und Gehen … sie von Alters her als Boten und Verkünder guter
und böser Tage erscheinen lassen und einer besonderen Theilnahme werth
gemacht.“699
„Weil die meisten dieser Vögel sich auf dem Land und in Land-Häusern auf-
halten, kann man sie auch Dorf-Schwalben nennen.“700
Blutschwalbe: Wie in der Einleitung beschrieben, hat die Rauchschwalbe
einen „bluthrothen Flecken am Hals“, womit die rotbraune Stirn und der
Kehlfleck gemeint sind – typisch für diese Schwalbe. Nach NAUMANN ent-
standen rotbraune Stirn und Kehlfleck aus der abergläubischen Annahme, sie
steche die Kühe in die Euter und sauge ihnen Blut aus.701
Spießschwalbe: Die äußersten Federn des tief eingegabelten Schwanzes sind
spießartig („Schwanzspieße“). Da man Schwalben trotz ihrer geringen Grö-
ße zum Verzehr gefangen hat, bietet es sich an, unter Spießschwalbe eine
Schwalbe zu verstehen, die man am Spieß braten oder spießweise (meist acht)
verkaufen konnte (Spießvogel). Das gilt ganz sicher für die „Spießlerche“, mit
der man Baum- und Wiesenpieper bezeichnete, aber auch Feld- und Heide-
lerche, nicht aber in diesem Fall.

696
GATTIKER/GATTIKER 1989, 212
697
GRIMM/GRIMM 1984, 3/ 1603
698
SCHÖNWERTH 1858, 2/ 87
699
BREHM 1866, 3/ 630
700
FRISCH 1763, T. 18
701
NAUMANN 1833, 6/ 49
PASSERES – SINGVÖGEL 117

Stachelschwalbe: „Die äußersten Federn [sind] sehr lang und stachelartig,


daher auch der Name Stachelschwalbe der bezeichnendste ist.“702
Stechschwalbe: Der Name war nach ADELUNG in Meissen für die Rauch-
schwalbe üblich.703 Für GRIMM/GRIMM war er eine seltenere Bezeichnung
der Rauchschwalbe wegen ihres „schnellen, dahinstechenden“ Fluges.704 „Die
fröhlichen Stechschwalben schwirrten hoch in der Luft um den Kloster-
thurm.“705
Schwalm: Das Wort wurde früher gleichbedeutend mit Schwalbe benutzt.
Die Form ist eher alemannisch, man findet sie aber auch im Hochdeut-
schen.706 Dieses allgemeine Wort findet man nur bei BECHSTEIN für eine
spezielle Art, wie hier die Rauchschwalbe. Üblich war ein Zusatz, wie bei
Hußschwalm, Haußschwalm, Rauchschwalm.707
Lehmschwalbe, Leimenschwalbe: Diese beiden Namen haben Rauch- und
Mehlschwalbe, mit noch anderen, gemeinsam. GRIMM/GRIMM verstanden
unter „Lehmschwalbe“ eine Schwalbenart, die in Lehmgruben nistet. Rauch-
und Mehlschwalben holen dort ihr Nistmaterial, was GRIMM/GRIMM für
die „Leim(en)schwalbe“ auch bestätigten: Dieser Name geht auf den Glau-
ben zurück, das Nest würde aus „Kot“ oder „Leim“ gebaut, wobei letzteres
Wort aus „Lehm“ abgeleitet ist. Mit „Leimschwalbe“ hat man mehrheitlich
die Mehlschwalbe gemeint.708
Brücheschwalbe: Den Namen „Brücheschwalbe“ findet man nur bei BECH-
STEIN (1802 und 1807) sowie, von ihm übernommen, bei NAUMANN,
sonst nirgends.
Bei KLEIN/REYGER steht bei der Rauchschwalbe (nicht bei der Mehl-
schwalbe): „Bauernschwalbe. Küchen-Brückenschwalbe“. Der Ausdruck
„Brückenschwalbe“ kommt nur dort vor. Er fehlt in KLEINS Vorbereitung…
aus demselben Jahr und fehlt auch in der gesamten Fachliteratur.709 In eini-
gen, auch niederdeutschen Dialekten ist „Brüche“ eine Brücke. Weder der
eine noch der andere Begriff ergeben einen Sinn.

702
FRIDERICH 1849, 204
703
ADELUNG 1780, 4/ 700
704
GRIMM/GRIMM 1984, 17/ 1284
705
MUSÄUS 1797, Volksmärchen 1, 94
706
GRIMM/GRIMM 1984, 15/ 2182
707
BECHSTEIN 1802, 223
708
GRIMM/GRIMM 1984, 12/ 546 + 701
709
KLEIN/REYGER 1760, 84 und KLEIN 1760, 154
118 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Mehlschwalbe (Delichon urbica)


Mehlschwalben haben oft Streit mit Sperlingen, die ihre Nester besetzen.
„Man habe zu Cöln oft bemerkt, daß die Schwalbe, wenn der Sperling das
Haus nicht räumte, durch ihr Geschrey viele andere herbeygerufen, und
diese hätten sodann mit dem größten Eifer Koth herbeygetragen und das
Loch zugeschmiert, daß er erstickt sey; nachher hätten sie es geöffnet und ihn
herausgeworfen.“710 BREHM bestätigte die Probleme mit den Sperlingen, die
nur durch enge Nesteingänge vermieden werden könnten, nannte das Ein-
mauern aber ein „einfältiges Märchen“.711
Mehlschwalbe, Schwalbe mit weißem Bürzel: Der Bürzel der Mehlschwalbe
und ihre Unterseite, einschließlich der Beine und Füße, sind weiß wie Mehl.
Hausschwalbe, Äußere Hausschwalbe, Kirchschwalbe, Dachschwalbe,
Giebelschwalbe, Fensterschwalbe, Laubenschwalbe: Diese Namen nehmen
alle Bezug auf das Nest, welches die Stadtschwalbe in Fensternischen oberhalb
der Fenster, an Dachgiebel, in offene Lauben, in Vorhallen der Gebäude und
unter der Dachrinne anlegt und bis auf ein kleines Schlupfloch zumauert.712
„Sie bauen ihre Nester auswendig an die Häuser unter die Sparren,“713 „an
und auf Kirchen.“714 Der Vogel ist zudem auf jedem Bauernhof daheim und
wurde daher auch „Muttergottesvogel“ (schles.) genannt.
Der Elsässer Johann FISCHART (1546–1590) beschrieb in einem Roman
Grandgoschiers Ehefrau in endlosen Metaphernkatalogen; z. B. nannte er die
Ehefrau eine Hausschwalbe: „Führe mein grandgauchiher ein Haußschwalm
heim, die ihm ein Gesellin sey inn der Not, seins hertzens ein Sessel …“715
Landschwalbe, Dorfschwalbe, Stadtschwalbe: Die Mehlschwalbe ist als
Kulturfolger schon seit langem in allen Siedlungsformen zu finden. „Die
Mehlschwalbe teilt mit der Rauchschwalbe so ziemlich dasselbe Vaterland.
In Deutschland scheint sie die Städte zu bevorzugen.“716 „Weil solche Häuser
mehr in den Städten als auf dem Lande sind, nennt man sie mit Recht Stadt-
schwalbe.“717

710
OKEN 1837, 95
711
BREHM 1866, 635
712
SUOLAHTI 1909, 25
713
OKEN 1837, 95
714
GRIMM/GRIMM 1984, 11/ 811
715
GRIMM/GRIMM 1984, 10/ 689
716
BREHM 1866, 635
717
FRISCH 1763, T. 17
PASSERES – SINGVÖGEL 119

Lehmschwalbe: GRIMM/GRIMM verstanden unter diesem Namen eine


Schwalbenart, die in Lehmgruben nistet.718 Das würde eher zur Uferschwalbe
passen, die aber zumindest nicht von OKEN, NAUMANN, VOIGT oder
BREHM als Lehmschwalbe bezeichnet wurden. Besser: Das Nistmaterial be-
steht, wenn möglich, aus Lehm.
Leimschwalbe: Auch dieser Name geht auf das Nistmaterial zurück, nämlich
Leim (Lehm) oder Kot („Matsch“).719
Spyrschwalbe, Weißspyr: Mit dem Namen verbindet man eher den Mauer-
segler, den schon GESSNER 1585 „spyrschwalbe“ nannte. SPRINGER be-
zog den Namen auf „Sbirre“ für einen abgemagerten Menschen, wobei hier
aber der schlanke Vogel gemeint ist.
Für die Mehlschwalben hatte GESSNER (1585) „Murspyren“, „Münsterspy-
ren“, „Murschwalben“, „Wysse Spyren“ angegeben: „Sie bauen ihre Nester an
Felsen, höhergelegenen Kirchenfenstern und den höchsten Türmen.“720
Ursprung und damit die Bedeutung von „Spyre“ sind schwierig zu ermit-
teln. Der Bezug auf „Sbirre“ ist eine Möglichkeit. GESSNER hielt jedoch die
Turmspitzen für die vor allem in der Schweiz „Spyre“ genannten Mauersegler
für namensgebend.721
Aus dem 15. Jahrhundert kennt man den Ausdruck „spire“. Die langen Flü-
gel- und Schwanzspitzen meinend könnten „spir“, „spiere“ eine „kleine Spit-
ze“, aber auch Turmspitze (wo Mauersegler gerne kreisen) bedeuten.722 Dem
schloss sich HOFFMANN an. Er deutete „spier“ als eine lange, dünne Stan-
ge, die am unteren Ende etwas dicker ist: „Bei Anwendung auf den Mauerseg-
ler hat man wohl an seine unverhältnismäßig langen und zugespitzten, nach
dem Grunde zu etwas breiteren Flügel gedacht.“723
Ganz anders urteilte FRISCH: „Diese Schwalbe heißt eigentlich Spierschwal-
be wegen ihres Geschreys, oder wie man es eigentlich ausgesprochen und bei
den Alten geschrieben findet, Spirckschwalbe, weil ihr Geschrey fast auf sol-
ches Wort lautet.“724

718
GRIMM/GRIMM 1984, 12/ 546
719
GRIMM/GRIMM 1984, 12/ 701
720
SPRINGER 2007, 241 + 291
721
GESSNER/HORST 1669, 74b
722
SUOLAHTI 1909, 21
723
HOFFMANN 1937, 58
724
FRISCH 1763, T. 18
120 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Rötelschwalbe (Cecropis daurica)


Bis in die 1950er-Jahre war die Rötelschwalbe ein extrem seltener und un-
regelmäßiger Irrgast in Mitteleuropa. Seitdem die Art ihr Brutareal in Süd-
europa vergrößert hat, kommt sie fast alljährlich als Irrgast auch nach Mit-
teleuropa. Arealerweiterungen gab es vor allem auf der Iberischen Halbinsel,
wo die Rötelschwalbe ihr Brutareal seit den 1950er-Jahren veranderthalbfacht
hat. Brutnachweise gibt es auch für den Süden Frankreichs. In Rumänien
und auf Korsika ist die Rötelschwalbe seit den 1970er-Jahren regelmäßiger
Brutvogel.725
Röthelschwalbe: Die Rötelschwalbe ähnelt der Rauchschwalbe in Form und
Größe (etwas kleiner), hat aber – anders als die anderen Schwalben – einen
hellrostroten Bürzel, ein rostbraunes Nackenband und eine leicht rötliche
Unterseite (versch. Qu.).
Alpenschwalbe, Höhlenschwalbe: Diese Schwalbe brütet an Klippen in of-
fenen, meist felsigen und nicht zu hoch gelegenen Gebirgsgegenden und an
Steilküsten, auch in Höhlungen von Gebäuden oder Ruinen sowie unter Brü-
cken. In Deutschland ist sie ein seltener Gast. Sie jagt hochfliegende Insekten
in oft unzugänglichen Berggegenden.726

Bartmeisen – Timaliidae
Die Familie der Bartmeisen, die Panuridae, ist monotypisch, d. h. sie be-
steht nur aus einer einzigen Art. So steht es heute in vielen Büchern. Dann
liest man aber, dass die Bartmeise der einzige bei uns vorkommende Vertreter
der überwiegend in Südasien beheimateten Familie der Timaliidae sei, einer
form- und artenreichen Familie in der Ordnung der Sperlingsvögel (Passe-
riformes), die man „Drosselmeisen“ nennen würde. Bei BEAMAN/MAGE
steht die Bartmeise „Drosslingen“ aus der Gattung „Turdoides“ (Familie Ti-
maliidae) nahe.727

Bartmeise (Panurus biarmicus)


LUCANUS zitierte aus dem Journal für Ornithologie 1924–1925: „Eigenartig
ist die Weise, wie dies interessante Vögelchen badet. Seichtes Wasser findet es
an seinen Aufenthaltsorten nicht oder doch nur mit wenig geeignetem, weich

725
http://de.wikipedia.org/wiki/Rötelschwalbe, Stand: 14.01.2011
726
SVENSSON/GRANT/MULLARNEY/ZETTERSTRÖM 1999, 242
727
BEAMAN/MAGE 1998, 708
PASSERES – SINGVÖGEL 121

schlammigem Untergrunde, so stürzt es sich dann einfach in tiefes, näßt da-


bei sein Gefieder gehörig ein und vollführt, was noch übrig bleibt, auf festem
Rohr- oder Schilfsitze, freilich auch dabei nicht lange verweilend. Selbst ein
Glied einer vorüberfliegenden kleinen Gesellschaft sah ich, nachdem die übri-
gen im Schilfdickicht verschwunden waren, sich aus vollem Fluge neben die-
sem klatschend ins Wasser werfen, um erst nach eiligem Putzen und Trocknen
den Gefährten nachzueilen.“728
Bartmeise: Das Wort „Bartmeise“ wurde von HALLE aus dem französischen
„Mésange barbu“ und dem englischen „Bearded Titmouse“ (ALBIN 1731)
übersetzt.729
„Der abstechendste Zug in der Gesichtsbildung des Männchens ist ein
schwarzer, fast dreieckiger Flecken an jeder Seite des Kopfs; die Basis dieses
umgekehrten Dreiecks erhebt sich ein wenig über die Augen, und die nach
unten gekehrte Spitze geht auf dem Halse neun bis zehn Linien [2,7–3 cm]
lang von der Basis herunter. Man hat in diesen beiden schwarzen Flecken,
deren Federn ziemlich lang sind, einige Aehnlichkeit mit Knebelbärten
[Schnauz-, Schnurrbart] gefunden, und darnach diesen Vogel in allen Län-
dern benannt.“730
Die Bartmeise ist nach neueren Ergebnissen näher mit den Lerchen verwandt
als mit den Meisen.731
Bartmännchen: Das Wort wurde schon 1773 von MÜLLER gebraucht,
der feststellte, dass neben der Beutelmeise auch das „Bartmännchen“ in Art,
Gestalt und Farbe mit dem Neuntöter übereinstimmen würde. Außerdem
schrieb er: „Man gibt ihm den Namen Bartmännchen, weil er lange borsten-
artige Haare hat, die ihm aus den Backen über den Schnabel gehen.“732
Rohrmeise, Bartrohrmeise: Die Bartmeise ist die einzige heimische Art der
Familie Panuridae, der Rohrmeisen. „Man trifft sie nur da an, wo Sümpfe und
Seen große morastige und sumpfige Seen machen, die Gebüsch, Schilf und
Rohr enthalten.“733
Bartrohrmeisen „sind ächte Rohrvögel, welche man nirgends anders suchen
darf, als am Wasser in den undurchdringlichsten, dichtesten Rohrflächen des
gemeinen Rohrs ( Arundo phragmitis), an dessen einsamsten Stellen. … Im
Spätjahr, wenn das Rohr abstirbt und lichter wird, kommen sie in das mit

728
LUCANUS 1926, 132
729
HALLE 1760, 360 und STRESEMANN 1941, 83
730
BUFFON/OTTO 1791, 120
731
SVENSSON et al. 2011, 366
732
MÜLLER 1773, 628
733
BECHSTEIN 1807, 3/ 891
122 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Rohr durchwachsene Weidengebüsch, selten aber auf Weiden oder andere am


Wasser stehende Bäume.“734
„Bartrohrmeise“ war der Leitname für den Vogel bei NAUMANN.735
Spitzbärtiger Langschwanz: „Spitzbartiger Langschwanz“ war der Name,
den KLEIN dem Vogel gegeben hatte. Die – langschwänzige – Bartmeise hat
einen „Bart“, der die Kehle entlang nach unten spitz zuläuft.736 „In Italien und
Holland sind sie viel häufiger als bey uns, und da man sie wegen ihrer Schön-
heit, ihres possierlichen Betragens und des sonderbaren Backenbarts gern in
den Zimmern hält, so werden sie von da aus in andere Länder verkauft.“737
Bärtige Sumpfmeise: Bartmeisen wurden mitunter auch wegen ihres Lebens-
raumes als Sumpfmeisen bezeichnet. Heute versteht man unter „Sumpfmei-
se“ die „Poecile palustris“, die allerdings in Sümpfen und Röhricht eher selten
zu finden ist.
Kleinster Neuntöter: Diesen Namen findet man nach BUFFON/OTTO
um 1760 bei SELIGMANN. Schon EDWARD und LINNÉ haben bei der
Bartmeise viele Ähnlichkeiten mit dem Neuntödter gefunden. Eine sei der
für Meisen unüblich große Schnabel (p. 120).738 Eine weitere nennt NAU-
MANN: „Hinsichtlich seiner Farben und ihrer Verteilung hat es [das Vögel-
chen] eine entfernte Ähnlichkeit mit dem alten Männchen des rotrückigen
Würgers.“739
Indianischer Bartsperling: FRISCH (Tafel 8) hat den wissenschaftlichen
Namen „Passer barbatus indicus“ (auch bei KLEIN 1750) mit „Indianischer
Bartsperling“ übersetzt. BUFFON: „Ich weiß nicht ob diese Meise wirklich
in Indien vorkommt, wie die von Frisch angenommene Benennung voraus zu
setzen scheint.“ 740
BUFFONS Einwand war berechtigt, denn „indianisch“ wurde oft in ganz an-
derem Sinne gebraucht. Es konnte soviel bedeuten wie: Aus fremden Ländern
stammend, fremde Herkunft oder einfach fremd. Bei der Bartmeise handelt
es sich ja tatsächlich um einen fremd aussehenden Vogel mit einem „Bart“.

734
FRIDERICH 1849, 195
735
NAUMANN 1824, 4/ 98
736
KLEIN 1750, 86
737
OKEN 1837, 246
738
BUFFON/OTTO 1791, 115
739
NAUMANN 1824, 4/ 98
740
KLEIN 1750, 86 und BUFFON/OTTO 1791, 115
PASSERES – SINGVÖGEL 123

Schwanzmeisen – Aegithalidae
Die Schwanzmeisen sind eng mit den eigentlichen Meisen (Paridae) und den
Beutelmeisen (Remizidae) verwandt. Es handelt sich um kleine, meisenähn-
liche Vögel mit kurzen Flügeln, recht langen Schwänzen und feinen, kurzen
Schnäbeln mit gebogenem First.

Schwanzmeise (Aegithalos caudatus)


„Zorn sagt: Ich habe unlängst von ungefähr eines [Schwanzmeisennest] auf
einem dürren Aste einer Haselstaude angetroffen. Dieser Ast bog sich in die
Krümme, und hatte von außen dei Zacken; zwischen diesen stund das Nest
darin. Es war ovalrund und von außen mit weißem breiten Baummoose dicht
überzogen … Die kleine Öffnung war oben seitwärts gegen Aufgang der Son-
ne.“ – „Ich würde es nicht für ein Vogelnest angesehen haben, wenn ich nicht
den langen Schwanz der alten Meise, welche eben brütete, aus der Öffnung
hervorragend, in etwa beobachtet hätte … Von innen sah ich eine unglaubli-
che Menge nicht nur von zartem und wie geschlagenem oder gekäutem Moo-
se gegen die äußern Wände zu, sondern auch von allerlei kleinen und weichen
Vogelfedern, Hasenhaaren und dergl. in dem Innersten, wo die Eier lagen.
Diese waren so fest ineinander gearbeitet, daß das Nest ziemlich schwer davon
geworden. Die Höhle, wo die kleinen Eichen lagen, sah also ganz glatt aus,
daß sie ohne Verwunderung nicht konnte betrachtet werden.“741
Schwanzmeise: Kennzeichen dieser – und nur dieser – etwa 14 cm langen
Meise ist der 8 cm lange Schwanz. Die Schwanzmeise ist nicht näher mit den
„echten“ Meisen verwandt, sondern ein Mitglied derselben großen Gruppie-
rung, zu der auch Laubsänger, Schwalben und Lerchen gehören.742
„Einige nennen sie nur blos Schwanz-Maisen, als wann die andern nicht auch
Schwänze hätten. Oder, welches ebenso ungereimt ist, wo das Wort Zagel für
Schwanz gewöhnlich, nennt man sie Zagel- oder Zogel-Maisen.“743
Zagelmeise, Zogelmeise, Zahlmeise: Ahd. (um 1000) zagal, mhd. zagel. Der
Zagel ist der Schwanz.744 „In Bayern erscheint die Variante ‚Zaglmaiß‘ bei
Hans Sachs Regim. der Vögel (1531) V. 197. … Daraus ist die Form ‚Zahl-

741
BUFFON/OTTO 1791, 17/ 163
742
SVENSSON et al. 2011, 348
743
FRISCH 1763, T. 14
744
PFEIFER 2011, 1588
124 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Meise‘ bei Klein Hist. av. prodr. (1750) S. 85 geworden.“745 Zagel wurde in
einigen Mundarten, Landschaften in Zahl (zäl, zöl, zael u. a.) umgewandelt.
Zahlmeise „ist ihr Thüringischer Nahme, wo Zahl bey den Vögeln soviel als
Schwanz heißt.“746
Langgeschwänzte Meise: Dieser Ausdruck ist der Leitname für die Schwanz-
meise bei KLEIN.747
Pfannenstiel, Pfannenstielchen, Löffelstiel: Sie „sieht mit dem langen
Schwanze, der so locker sizt, daß man ihn, wenn man sie dabei anfaßt, in den
Händen behält, und dem kurzen Schnäbelchen, sonderbar aus. Daher der
Name Löffel- oder Pfannenstiel.“748
„Pfannenstiel“ kannte schon GESSNER (als „Pfannenstil“) aus der Schweiz.
„Im Elsaß, wo der Name noch heute gebräuchlich ist, begegnet er zuerst im
Strassburg. Vogelb. (1554).“749 FRISCH meinte, die Schwanzmeise habe „vie-
lerley unschickliche Namen“. „Die lächerlichste Vergleichung ist, wann sie
Bauren-Kinder Pfannenstiele heissen.“750
Pfannenstieglitz: „Eberus und Peucerus [16. Jahrhundert] schreybend von
disem Meißlin/ daß es das kleinst unter allen Meisen seye/ und doch den
lengsten schwantz habe/ dazů von jnen ein Zagelmeiß und Pfannenstiglitz
genennt werde.“ – Der „Pfannenstiglitz“ wurde so begründet: „Diß ist vorne-
hin schwartz/ und weyß auf dem rugken/ in mitten in flüglen rot/ als auch zů
underst am bauch/ doch etwas heiterer.“751
Belzmeise, Teufelsbolzen, Teufelspelz, Teufelspelzchen: „Nicht ganz klar
ist, wie man die tirolische Bezeichnung ‚Pelzmeise‘ auffassen soll. Vielleicht
ist sie eine Umgestaltung von ‚Bolzmeise‘, wo ‚Bolz‘ auf den langen Schwanz
hinweisen würde. Der Vogel wird auch ‚Teufelsbolzen‘ und im Anhalter Dia-
lekt ‚Teufelspelzchen‘ genannt.“752
Als „Teufelsbolzen“ hat man die Streichhölzer bezeichnet, mit denen man
statt Geldes spielte. Dieser Name für den Vogel bezieht sich demnach auf des-
sen langen Schwanz. Auch Libellen, die Wasserjungfern, wurden bei OKEN

745
SUOLAHTI 1909, 159
746
KRÜNITZ 1773, 88/ 30
747
KLEIN 1760, 160
748
VOIGT 1835, 148
749
SUOLAHTI 1909, 159
750
FRISCH 1763, T. 14
751
GESSNER/MILT 1557 + 1980, 47
752
SUOLAHTI 1909, 160
PASSERES – SINGVÖGEL 125

mit dem Namen „Teufelsnadel“ beehrt. „Vielleicht dem Kopfe eines Arm-
brustschützen oder Bogenspanners entstammt der Name Teufelsbolzen.“753
Weißköpfige Schwanzmeise, Weißer Pfannenstiel: In Nord- und Osteuro-
pa lebt die Unterart „Nordische Schwanzmeise – Aegithalos caudatus cauda-
tus“, die als einzige einen reinweißen Kopf hat und auch auf der Unterseite
reiner weiß ist als andere Unterarten.754
Der seit 1720 belegte Ausdruck „Schneemeise“ kommt besonders im Süd-
osten des deutschen Sprachgebietes vor, so zu Beginn des 20. Jahrhunderts
in Nordböhmen, als „Schneemasn“ in Niederösterreich oder „Schneamoas“
in Tirol.755
Schneemeise: „Die Schneemeise/ welche etliche Pfannenstiel nennen/ ist die
kleinste unter allen/ hat aber den längsten Schwantz/ der bey ihrem kleinen
Leiblein nicht anderst aussiehet/ als ob der Vogel daran aufgespieset wäre. Sie
ist am Kopf gantz weiß/ ausser daß sie über dene Augen/ und unten an dem
Kienbacken braun und schwärtzlichte Streifen hat.“756
ADELUNG sieht den Ursprung von „Schneemeise“ nicht in dem weißen
Kopf, sondern „weil sie sich im Winter, wenn alles mit Schnee bedeckt ist,
gern den menschlichen Wohnungen nähert.“ „Sie ist die späteste auf ihrem
Strich, davon sie in einigen Orten Schnee-Maise heisset.“757
Schleiermeise: Der weiße Kopf der nordischen Unterart oder der weiße
Scheitel der mitteleuropäischen Unterart wurden Schleier genannt.
Bergmeise: Bei GESSNER heißt die Schwanzmeise auch „Berckmeißle“, bei
GESSNER/HORST wurde sie „Bergmeißlein genannt, dieweil es seine Woh-
nung gern auff den Bergen hat.“758
„Wo aber Berge bey diesen Morästen sind, wo sie sich aufhält, heisset sie die
Berg-Maise.“759
Die Schwanzmeise lebt in Tieflagen bis etwa 1000 m Höhe. Sie geht nur lokal
in die obere Montanstufe und nur an wenigen Stellen der Alpen bis an die
Baumgrenze.760

753
GRIMM/GRIMM 1984, 21/ 281 und HOFFMANN 1937, 57
754
SVENSSON et al. 2011, 348
755
SUOLAHTI 1909, 160
756
PERNAU 1720, 223
757
ADELUNG 1798, 3/ 1595 und FRISCH 1763, T. 14
758
SUOLAHTI 1909, 160 und GESSNER/HORST 1669, 351a
759
FRISCH 1763, T. 14
760
BEZZEL 1993, 435
126 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Mehlmeise: Auch dieser Name wurde für mehrere Meisen verwendet. Das
Gefieder der Schwanzmeise ist im Kopf-Brustbereich weiß bis weißlich, be-
sonders bei der nordischen Unterart.
Mohrmeise, Moormeise, Riedmeise: „Sie hält sich gern an sumpfigen Oer-
tern und bey Rohren auf, davon hat sie den Namen Mor- oder Riet-Maise.“761
Die Schwanzmeise „bevorzugt lichte, bodenfeuchte Wälder mit reichlich
Unterholz, sowie aufgelockerte, reich strukturierte Waldränder, besonders
in Gewässernähe. … Optimale Habitate sind Auwälder und bodenfeuch-
te, reich strukturierte Laubmischgehölze, Sumpfniederungen mit Gebüsch,
Ufergehölze an Fließgewässern, Seen und Teichen, Laub- und Mischgehölze
in kleinen Mooren.“762
Spiegelmeise: Dieser Ausdruck ist Leitname für die Schwanzmeise bei Jo-
hann Andreas NAUMANN, obwohl er auch für andere Meisen in unter-
schiedlicher Bedeutung galt.763
Ein Spiegel ist bei Tieren meist ein leuchtender weißer Bereich, der aber auch
farbig sein kann, wie der Spiegel bei Enten. Die Kohlmeise heißt wegen ihres
schwarzen Kopfes nicht nur Brand-, sondern auch Spiegelmeise. Die mittel-
europäische Unterart der Schwanzmeise, Aegithalos caudatus europaeus, hat
auf jeder Kopfseite über dem Auge einen schwarzen Scheitelseitenstreif, der
dazwischenliegende Scheitel ist weiß, daher „Spiegelmeise“. Mit den Bezeich-
nungen „Schnee“- und „Spiegelmeise“ waren die beiden Unterarten gegen-
einander abzugrenzen.
Backofendrescher: Die Schwanzmeise baut ein kunstvolles oben geschlos-
senes Nest, das an das auch als „Backöfelchen“ bezeichnete Nest des Zaun-
königs erinnert. „In Süddeutschland nennt man den kleinen Baukünstler des-
halb Backöferle, unsere derbe norddeutsche Jugend hat aber einen derberen
Ausdruck dafür und nennt ihn schlichtweg Backofendrescher.“764
Der Ausdruck scheint aber mit dem Nest nicht viel zu tun zu haben. Er geht
wohl auf Johann FISCHART (1546–1591) zurück. Die Hinweise, die es
gab, führen zu „Sehr kleiner Vogel“. „Backowendersker“ ist der westfälische
Ausdruck für dieses Wort, das „Kleiner Mensch“ bedeutet.765 Und: … „auch
den Namen Backofendrescher, was zu Bachofentrescherlein von einem Zwerg

761
FRISCH 1763, T. 14
762
GLUTZ VON BLOTZHEIM/BAUER 1993, 13/ 337
763
J. A. NAUMANN 1796, 1/ 107
764
Naturwissenschaftlicher Beobachter 1869, 10/ 101
765
WOESTE, Wörterbuch der westfälischen Mundart, 2013, 17
PASSERES – SINGVÖGEL 127

stimmt.“766 „Den kleinen Zwerglein aber, die man Backofendrescher zu nen-


nen pflegt.“ (Internet, o. Qu.)
Weinzapfer: Das Wort ist ab 1782 in der Literatur zu finden. Es bezieht sich,
wie „Pfannenstiel“ oder „Backofendrescher“ (1782 bei BLUMENBACH),
auf den langen Schwanz des Vogels.767 Der „Weinzapfer“ ist ein Weinwirt,
Weinschenk, könnte aber auch ein Gerät zum Weinzapfen sein.
Während „Pfannenstiel“ schon seit 1554 bekannt ist, gibt es für die anderen
beiden Namen keinen Nachweis in der älteren Literatur. „Weinzapfer“ und
„Backofendrescher“ scheinen erst relativ spät, Ende des 18. Jahrhundert ent-
standen zu sein.

Buschsänger – Cettiidae
Die Buschsänger (Cettidae) sind eine Familie der „Sylvioidea“, der Grasmü-
ckenartigen. Bei BEAMAN/MADGE gehört die Gattung Cettia noch zur
Familie der Zweigsänger (Sylvidae).768

Seidensänger (Cettia cetti)


Für die Gattung Cettia haben molekulargenetische Untersuchungen erwar-
tungsgemäß die Zugehörigkeit zur Überfamilie Sylvioidea (Grasmückenähn-
liche) bestätigt, nicht dagegen die besondere Nähe zu den äußerlich so ähnli-
chen Rohrsängern ( Acrocephalus) und den Schwirlen ( Locustella). Desgleichen
konnte kein unmittelbarer gemeinsamer Vorfahre mit der Gattung Bradypte-
rus (Buschsänger, ausländisch) bestätigt werden, mit denen die Seidensänger
bisher zusammengefasst wurden. Vielmehr ist die Gattung Cettia nun Typus-
Gattung der Familie Cettiidae.769
Seidensänger: Das einfarbig rotbraune Gefieder der Oberseite kann einen
seidenartigen Eindruck vermitteln. Der Name „Seiden-“Sänger könnte eine
Abgrenzung zu den anderen Rohrsängern, die eine anders gefärbte Oberseite
haben, ermöglichen.770 Der Gesang ist explosiv metallisch, oft in sich über-
schlagenden, schmetternden Serien, glockenhell, aber auch etwas melancho-
lisch.771

766
GRIMM/GRIMM 1984, 1/1193
767
GATTERER 1782, 2/ 435
768
BEAMAN/MADGE 1998, 646
769
http://de.wikipedia.org/wiki/Seidensänger, Stand: 9.06.2011
770
WEMBER 2005, 133
771
SVENSSON/GRANT/MULLARNEY/ZETTERSTRÖM 1999, 294
128 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Cettischer Sänger: Francesco CETTI (1726–1778) hat die Natur Sardiniens


erforscht und eine erste Systematik ihrer Spezies aufgestellt.

Laubsänger – Phylloscopidae
„Die Laubsänger machen eine von den übrigen scharf abgeschnittene Familie
aus … Sie leben meist auf Bäumen und haben deswegen oben eine grünliche
Farbe, singen zum Teil schön, nähren sich fast lediglich von Käferchen, wel-
che sie oft wie Fliegenfänger aus der Luft wegschnappen, wandern, und bauen
… kugelförmige (backofenförmige) Nester.“772

Waldlaubsänger (Phylloscopus sibilatrix)


Sobald die Jungen Mitte Juli flügge sind, ziehen die Waldlaubsänger famili-
enweise durch den schweizerischen Hochwald. Bald finden sie Gesellschaft
von ihresgleichen. Der Schar schließt sich einer Gruppe von Berglaubsängern
an. Nun streicht die ganze Sippschaft, oft weit über hundert Vögel, bis Ende
August herum, unter stetem scharfem „sst, sst“, ähnlich dem Ruf des Fliegen-
schnäppers. Stets vergrößert sich die Gesellschaft, erst mit neuen Wald- und
Berglaubsängerfamilien, dann mit Gruppen von Fliegenschnäppern, Gold-
hähnchen, Hauben- und Tannenmeisen. An den Waldrändern gerät der Zug
ins Stocken. Nun kommen für einige Zeit Fitis und Zilpzalp hinzu. Auch
Gimpel, Baumläufer, Buchfinken, Mönchs- und Gartengrasmücken sowie
Kleiber und Spechte kann man bei solchen Zügen finden. Nur Kohl- und
Blaumeisen, die lieber in Gesellschaft von ihresgleichen streichen, geraten nur
zufällig in die Scharen. Von Anfang August an lichten sich die Reihen. Berg-
und Waldlaubsänger nehmen fast täglich an Zahl ab. Um den 20. August sind
die meisten Tiere dieser beiden Arten fort. Die Schwärme bestehen bald nur
noch aus Schnäppern, Goldhähnchen, Baumläufern und Meisen.773
Waldlaubvogel, Waldlaubsänger: Zu „Laubvogel“ und „Laubsänger“ siehe
unter „Fitis/Zilpzalp“. Der Vogel brütet in hochstämmigen, unterwuchsar-
men Laub- und Mischwäldern, was ihn von anderen Laubsängern unterschei-
det. „Waldlaubsänger“ ist die heute noch gültige Bezeichnung für den Vogel.
„Waldlaubvogel“ ist eine Konstruktion NAUMANNS.774

772
C. L. BREHM 1821, 2/ 191
773
STUDER/FATIO 5, 1908
774
NAUMANNS 1823, 3/ 556
PASSERES – SINGVÖGEL 129

Gemeiner Laubvogel, Laubvögelchen, Laubsänger: Zu OKENS „Gemei-


ner Laubvogel“ passt der Thüringer Volksname „Laubvögelchen“: „Weil man
es wegen seiner schönen Rückenfarbe nicht von den Baumblättern unter-
scheiden kann.“775 STRESEMANN fuhr fort: Dieser Volksname wurde von
BECHSTEIN (1795) „aufgegriffen und von ihm zuerst als deutsche Bezeich-
nung seiner neuen Art Motacilla sibilatrix (unseres Waldlaubsängers) einge-
führt. Diesen Artnamen veränderte er im Ornithologischen Taschenbuch zu
„Laubsänger“, ohne weitere Namenszusätze. C. L. BREHM ging 1823 noch
einen Schritt weiter und benutzte „Laubsänger“ als Gattungsnamen für Phyl-
loscopus. Für Arten benutzte er zusammengesetzte Wörter, wie z. B. Birken-
laubsänger (Fitis) oder Grauer Laubsänger (Zilpzalp).776
Grüner Laubvogel: In seiner Gemeinnützigen Naturgeschichte veränderte
BECHSTEIN den Leitnamen des Vogels 1807 erneut. Er nannte ihn nun
„Der grüne Laubvogel oder das Laubvögelchen“. Auch hier war die Begrün-
dung (außer „der Körper oben zeisiggrün“): „Weil man es wegen seiner schö-
nen Rückenfarbe nicht von den Baumblättern unterscheiden kann.“777
Sänger: „Unsere drei kleinsten europäischen Vögel sind der Haubenkönig,
der Nesselkönig und der Sänger oder Weidenzeisig; letzterer hat zwar keinen
größern Körper als die andern beiden, ist aber etwas länger. Er hat das Ge-
schick, den Wuchs und die Gestalt eines kleinen Feigenfressers; denn der Sän-
ger scheint zu diesem ohnehin schon zahlreichen Geschlechte zu gehören.“778
Mit einem Feigenfresser scheint der Waldlaubsänger tatsächlich etwas zu tun
zu haben: „Alte Laubvögel treiben sich im Herbste in den Obstgärten herum,
thun sich an den Feigen gütlich, indem sie ganze Löcher in die Früchte fres-
sen, und werden dadurch ungemein fett.“779
„Im Herbst verläßt der Sänger die Wälder, und kommt und singt in unsern
Gärten. Seine Stimme klingt zu dieser Zeit wie Tuit, tuit; und dieser beinahe
artikulirte Ton hat in einigen Provinzen, wie in Lothringen, Anlaß zu seinem
Nahmen gegeben.“780 Namensgebend waren also Rufe, nicht die als varia-
tionsfähig beschriebene Stimme.

775
OKENS 1816, 439 und STRESEMANN 1941, 83
776
BECHSTEIN 1795, 688 + 1802, 176 und C. L. BREHM 1823, 1/ 368
777
BECHSTEIN 1807, 3/ 561
778
BUFFON/OTTO 1791, 16/ 266
779
NAUMANN/HENNICKE 1897, 2/ 127
780
BUFFON/OTTO 1791, 16/ 273
130 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

SCHINZ unterschied „Sylvia sibilatrix“, die er den „Grünen Sänger“ nann-


te, von „Sylvia Trochilus“, dem „Weidenlaubsänger“ und „Sylvia rufa“, die er
„Waldlaubsänger“ nannte. Entscheidend war der wissenschaftliche Name.781
Weidenzeisig: Dieser zuerst bei GÖCHHAUSEN 1710 zu findende Aus-
druck war ein Volksname, der sich auf alle Laubsänger bezog (Siehe dazu Fi-
tis/Zilpzalp). „Weidenzeisig“ wurde 1793 von BECHSTEIN auf Phylloscopus
collybita, den Zilpzalp, beschränkt. Der Name kommt von der Annahme, dass
sich die Vögel „im Herbste gern auf Weidenbäumen und in Weidenbüschen
[aufhalten], die Insecten aufzulesen.“782
Schwirrlaubvogel: Wegen eines langen, schwirrenden Schlusstons in seinem
Balzliedchen wurde der Waldlaubsänger vom Volk „Schwirrvogel“ genannt.
„Statt Waldlaubsänger wäre vielleicht der wissenschaftliche Name Schwirr-
laubsänger, abgekürzt Schwirrer, vorzuziehen, zumal die anderen zwei Laub-
sänger in erster Linie auch Waldvögel sind und deshalb im Bestimmungswor-
te ‚Wald‘ nichts Kennzeichnendens liegt.“783
Seidenvögelchen: Der Ausdruck kommt „von dem seidenartigen Glanze des
Gefieders dieses höchst zarten und niedlichen Vogels.“784
Spalliervögelchen, Spaliervögelchen: Der erste Ausdruck kommt von NAU-
MANN und wurde von BREHM übernommen. NAUMANN hatte den Be-
griff, den es auch für die Klapper-, damals Zaungrasmücke gab, aber nicht
selber konstruiert – er ist seit etwa 1820 in der Literatur zu finden.785 NAU-
MANN: Der Waldlaubsänger komme als echter Waldvogel nur zur Zugzeit in
die Gärten, aber nur in solche mit vielen Bäumen und reichlich Buschwerk.
Da Buschwerk in Gärten oft randständig ist, könnte daraus der Begriff „Spa-
liervögelchen“ entstanden sein.
Kleiner Spötterling: In Obersachsen heißen sie kleine Spötterlinge, weil sie
der Bastardnachtigall [Gelbspötter] ähnlich sehen, die der große Spötterling
heißt, weil sie mehrere Vogelgesänge singt.“786

Berglaubsänger (Phylloscopus bonelli)


„Der im Hochwald umherschweifenden Gesellschaft schliessen sich nach und
nach alle in der Nähe heimischen Berglaubsänger sowie die meisten Wald-

781
SCHINZ 1837, 75
782
KRÜNITZ 1780, 19/ 778
783
HOFFMANN 1937, 36
784
MEDICUS 1867, 220
785
NAUMANN 1823, 3/ 556
786
BECHSTEIN 1795, 691
PASSERES – SINGVÖGEL 131

laubsänger an und am Waldrande widerhallt der Wald von all dem Gelärm.
Unermüdlich fliegen die Laubsänger von Ast zu Ast, suchen ihn in raschem
Laufen (mit geöffneten Flügeln) ab, hängen sich an die herabhängenden
Zweige, jagen einander, stürzen im Scherz zu drei und vier auf einen Kame-
raden. Hie und da fliegt einer auf einen Gipfel und hält Umschau. … Nie
sah ich einen der Vögel herab auf die Erde oder in das Gesträuch fliegen; stets
halten sie sich in den höchsten Gipfeln auf. … Die Furcht vor Raubvögeln,
die in unserer Gegend doch zahlreich sind, scheint sehr gering zu sein.“787
Berglaubsänger: Die Laubsänger ( Phylloscopus) sind eine Gattung der Gras-
mückenartigen (Sylviidae). Sie sind kleine Vögel, die im Wald auf dem Boden
brüten, sich aber in Baumkronen aufhalten. Die Laubsänger-Arten sind vom
Aussehen her sehr schwer voneinander zu unterscheiden.
Der knapp fitisgroße Berglaubsänger hat einen matt grünlich braunen Man-
tel. Der weißlichen Unterseite fehlt ein Gelb oder Beige an der Kehle, Brust
und Bauch, die Beine sind dunkel braungrau.788
Der Berglaubsänger brütet in verschiedenen Waldtypen in unterschiedlicher
Höhe in den Alpen, Berg- und Hügelländern des Mittelmeerraumes und des
südwestlichen Mitteleuropas (bis etwa 1950 m).
Der Vogel wurde erst 1819 von Louis VIEILLOT im Nouveau Dictionnaire
beschrieben und mit „Phyllopneuste bonelli“ benannt.789
Berg-Laubvogel, Bergsänger: Der erste Name stammt von NAUMANN,
der alle ihm bekannten Laubsänger „Laubvogel“ nannte.790 C. L. BREHM,
dessen Bezeichnungen für diese Vögel in der Regel „Laubsänger“ waren, hat
NAUMANNS „Berglaubvogel“ 1831 aber nur zu „Deutscher Berglaubvogel“
erweitert. Die „Laubsänger“-Bezeichnung stammt von seinem Sohn Alfred
BREHM.791 Den „Bergsänger“ findet man bei OKEN, der den Vogel als „Syl-
via natteri“ unter die Rohrsänger geordnet hatte. Daraus resultierte auch die
Kurzbenennung „Bergsänger“. Entsprechend war OKEN bei etlichen seiner
„Rohrsänger“ vorgegangen.792
Brauner Laubvogel, Grünsteißiger Laubvogel, Weißbauchiger Laubvo-
gel: Alle diese Namen sind erstmals bei NAUMANN in seinen Nachträgen
erschienen,793 der mit diesen Kunstbegriffen auf Gefiedermerkmale hinwies:

787
STUDER/FATIO 1908/ 704
788
SVENSSON et al. 2011, 328
789
STUDER/FATIO 1908, 699
790
NAUMANN 1860, 417
791
BREHM 1879, 5/ 204
792
OKEN 1843, 7
793
NAUMANN 1860, 417
132 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Stirn, Scheitel, Nacken, Rücken und Schultern sind licht-braungrau oder sehr
hell graubraun. a) Die anderen heimischen Laubsänger sind in diesen Berei-
chen olivgrün gefärbt. b) Der grünlich gelbe Bürzel hebt sich deutlich vom
„Mantel“ ab. Bei Fitis, Zilpzalp und Waldlaubsänger hat der Bürzel die Farbe
des Rückens. c) Die weißliche Unterseite ab der Kehle ist ohne Gelb.
Bonellis Laubvogel, Bonellis Laubsänger: Franco Andrea BONELLI
(1784–1830) war ein Turiner Ornithologe, Zoologe und Sammler. 1811
schrieb BONELLI einen Katalog der Vögel Piemonts, in dem er 262 Arten
beschreibt. 1815 entdeckte er den Berglaubsänger ( Phylloscopus bonelli), der
1819 erstmals von Louis VIEILLOT beschrieben und nach BONELLI be-
nannt worden war. Der wissenschaftliche Name gilt noch heute.794

Fitis (Phylloscopus trochilus) und Zilpzalp


(Phylloscopus colybita)
Eingangs werden Namen behandelt, die schon vor der Auftrennung in zwei
Arten für Fitis und Zilpzalp gemeinsam existierten, und auch solche gemein-
samen Namen, die man nach der Auftrennung beiden Arten beließ. (F, Z)
bedeutet einen vor oder noch nach der Artentrennung gemeinsamen Namen,
(F) bzw. (Z) geben an, welche Art einen früher gemeinsamen Namen bekom-
men hat.
„Fast unter allen Motacillen ist bey keiner die Verwirrung und Verwechselung
der Synonymen größer als hier.“795
Dem englischen Ornithologen Gilbert WHITE (1720–1793) glückte als Ers-
tem die Unterscheidung des Zilpzalp vom Fitis. STRESEMANN zitierte aus
einem Brief Whites an Pennant vom 18. April 1768. „Keine zwei Vögel kön-
nen sich durch ihre Stimme deutlicher unterscheiden, und zwar beständig, als
die beiden Weidenzeisige (willow wrens), mit denen ich vertraut bin, denn
der eine hat einen vergnügten, hell lachenden Gesang, der andere ein heiseres
lautes Zirpen …“.796 STRESEMANN fuhr fort: „Es dauerte aber noch viele
Jahre, nämlich bis zur Wiederentdeckung der gleichen Kennzeichen durch
Bechstein (1793), ehe einige Systematiker sich dazu bequemten, die spezi-
fische Verschiedenheit dieser beiden Laubsänger zuzugeben.“
BECHSTEIN selbst dazu: „Diesen Fitis und den Weidenzeisig haben die
Schriftsteller immer mit einander, und beyde, wenn sie einen Unterschied

794
http://de.wikipedia.org/wiki/Franco_Andrea_Bonelli, Stand: 11.07. 2011
795
DONNDORF 1795, 3/ 726
796
STRESEMANN 1951/ 1996, 300
PASSERES – SINGVÖGEL 133

bemerkt haben, als Männchen und Weibchen, nie aber als verschiedene Arten
getrennt.“797
Weidenzeisig (F, Z), Weidenlaubvogel (Z), Weidenzeislein (Z), Wyder-
le (Z), Weidensänger (F, Z): Wyderle (GESSNER 1555), Weidenzeislein
(NIEDENTHAL 1656), Weidenzeisig (GÖCHHAUSEN 1710) waren
Volksnamen, die sich auf alle Laubsänger bezogen. BECHSTEIN beschränk-
te „Weidenzeisig“ 1795 auf Phylloscopus collybita und verwissenschaftlichte
den Namen 1802 zu „Weidensänger“. NAUMANN (1823) erweiterte den
Begriff zu „Weidenlaubvogel“.798
Bei GESSNER liest man zu „Wyderle“: „…und wird ein Weiderlein genennt/
von den Weiden darinn es wohnet/ wiewol es kein Wasservogel ist. Deß-
gleichen ein Zilzepfflein/ von der oft widerholten Stimm zilzel/ oder Til-tap.
Es lebt von den Fliegen und Spinnen/ auch von den Würmlein/ so in den
Weiden ihre Wohnung haben/ darumb es andere Vögelein vertreibt/ damit es
seine Speiß allein haben möge.“799
Weidenzeisig (F, Z), Kleinste Grasmücke (Z): FRISCH schrieb auf seiner
Tafel 24 „Weiden Zeisig“ und „Die Kleinste Gras-mücke“ sowie „Muscipe-
ta minimus“. „Kleinste“ bedeutete damals logischerweise „kleinste bekannte
Grasmücke“. Hier handelt es sich noch um gemeinsame Bezeichnungen für
Fitis und Zilpzalp.800
Weidenmücke (F, Z): Die Weidenmücke ist „eine Art Grasmücken, welche
sich gern in den Weidengebüschen finden läßt, Motacilla Salicaria Linn. auch
Weidenzeisig.“801
KLEIN (1760) führte „Weidenmücke“ als Hauptnamen für die Art, die er
auch noch „Weidenzeisig“ und die „Kleine graugelbe Grasmücke“ nannte.
Auch KLEIN trennte Fitis und Zilpzalp noch nicht in zwei Arten auf, wie
auch sein Verweis auf die Tafel 24 von FRISCH (vor 1763 fertiggestellt) zeig-
te.802 BECHSTEIN übernahm „Weidenmücke“ für den Fitis, jedoch nicht
für den Zilpzalp. NAUMANN gab beiden Arten diesen Beinamen.803
Nachdem die Artentrennung längst vollzogen war, äußerte sich HOFF-
MANN zur „Weidenmücke“: „Was für Unheil die beim Volke und in der
Gelehrtenwelt üblich gewordene Schreibweise des Wortes Gras-mücke zur

797
BECHSTEIN 1795, 678
798
STRESEMANN 1941, 84
799
GESSNER/HORST 1669, 204b
800
FRISCH 1763, T. 24
801
ADELUNG 1801, 4/ 1449
802
KLEIN 1760, 139
803
BECHSTEIN 1802, 187 und NAUMANN 1823, 3/ 568 + 581
134 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Folge gehabt hat, wird dadurch erwiesen, daß man den Weidenlaubsänger
[Zilpzalp] „Weidenmücke“(!) genannt hat, welchen Namen zum Überfluß
auch der nahe verwandte, fast den gleichen Lebensboden bevorzugende Fi-
tislaubsänger trägt“.804 Der Namensteil „-mücke“ könnte, wie bei der Gras-
mücke erklärt, von „smucka“ kommen, das „schmiegen, schlüpfen“ bedeu-
tet. Die Weidenmücke ist also eigentlich ein Vogel, der durch die Weiden
schlüpft. Der Namensteil könnte aber auch ganz anders zu erklären sein: Bei
Hans SACHS wurde der Zilpzalp „Flinderling“ genannt, der mit dem „Wüst-
ling“ (Gartenrotschwanz) „die Tischgesellschaft vor Mücken wehrt, was zu
den Eigenschaften des Weidenlaubsängers gut stimmt.“805
Weidenzeisig (F, Z), Weidenmücke (F, Z), Weidenlaubsänger (F, Z), Wei-
densänger sind nur einige gemeinsame Namen von Fitis und Zilpzalp. Zu
den noch heute existierenden „Weiden“-Namen kritisierte BEZZEL, dass der
in den Namen für Fitis und Zilpzalp erscheinende Wortteil „Weiden-“ den
falschen Eindruck entstehen lasse, die Vögel bevorzugten Weidenbäume und
-sträucher. Vielmehr lebe der Zilpzalp in allen möglichen lichten Wald- und
Strauchgebieten trockener Standorte und sei in Auwäldern eher selten. Für
den Fitis gelte Ähnliches, allerdings meide er sehr trockene Standorte. Man
finde ihn in trockenen bis ausgesprochen nassen Waldgebieten. Er halte sich
außerhalb der Brutzeit weniger in Bäumen als in niedrigem Gebüsch auf, zu
dem auch Weiden gehören.806
Laubvögelchen (F), Kleinstes Laubvögelchen (Z), Weidenblättchen (F),
Kleines Weidenblättchen (Z): In dem eingangs erwähnten Brief an PEN-
NANT schrieb WHITE auch, dass der „Sänger“ (Fitis) „in jeder Hinsicht
größer“ sei als der „Zirper“ (Zilpzalp) und auch um ein Fünftel schwerer.807
Die Zuordnung von „Laubvögelchen“ zum Fitis und „Kleinstes Laubvögel-
chen“ zum Zilpzalp (dem kleinsten der damals bekannten heimischen Laub-
sänger) stammt von BECHSTEIN. Den Namen „Laubvögelchen“ begründe-
te er: „Weil man es wegen seiner schönen Rückenfarbe nicht von Baumblät-
tern unterscheiden kann.“ Auch den Namen „Weidenblättchen“ für den Fitis
findet man zuerst bei BECHSTEIN. NAUMANN fügte für den Zilpzalp ein
entsprechendes „Kleines Weidenblättchen“ hinzu.808
Gelbfüßiger Laubvogel (F), Braunfüßiger Laubvogel (Z): „Die Beine des
größeren von beiden [Fitis] sind fleischfarben, die des kleineren [Zilpzalp] da-

804
HOFFMANN 1937, 49
805
SUOLAHTI 1909, 76
806
BEZZEL 1993, 391
807
STRESEMANN 1951/ 1996, 300
808
BECHSTEIN 1795, 678 + 682 + 1802, 188 und NAUMANN 1823, 3/ 581
PASSERES – SINGVÖGEL 135

gegen schwarz.“809 Heute liest man, dass der Zilpzalp „meist dunklere“ Beine
als der Fitis habe. Beide Begriffe sind Kunstnamen, die von NAUMANN
stammen.810
Fitislaubvogel (F), Weidenlaubvogel (Z), Fitislaubsänger (F), Weiden-
laubsänger (Z): „Laubvögel“ haben laut NAUMANN sehr schwächliche
kleine Füße, einen dünnen pfriemenförmigen lichtgefärbten Schnabel und
einen geraden oder doch wenig ausgekerbten Schwanz. Die Gefieder-Haupt-
farbe ist grünlich. Sie hüpfen flatternd durch die Zweige, sind „an ebener Erde
aber höchst unbehülflich.“ Ihre Nahrung sind kleine Blätterinsekten und ihre
Larven, die sie teils von den Blättern ablesen, teils im Fluge fangen. Laubsän-
ger nisten meistens auf der Erde und bauen sehr künstliche oder überwöbte
Nester, „mit einem engen Eingange zur Seite“.811
Der Teil-Name „Laubsänger“ stammt von BECHSTEIN, der die Art „Wald-
laubsänger“ so nannte.812 Als Gattungsname für Phylloscopus wurde „Laub-
sänger“ zuerst von C. L. BREHM verwendet.813
„Fitislaubsänger“ und „Weidenlaubsänger“ haben sich bis in unsere Zeit
neben „Fitis“ und „Zilpzalp“ gehalten.
Wisperlein (F), Wisperlin (F), Witwaldlein (Z): „Wisperlein, -lin“ sind
lautmalende Vogelnamen. Nach dem mittelhochdeutsche Schallwort „wis-
peln“, das u. a. „pfeifen“ bedeutet, sind „Wisperlein“ und „Wisperlin“, die
auch für „Sylvia“ trochilus verwendet wurden: „Ein kleiner Vogel, sonst auch
Weidenzeiszlein genannt, so unten gelblich am Leib.“814
„Das Wittwerlein oder Wittwaldlein/Wird dasjenige Weißbauchige kleine
Vöglein genannt/ welches bald nach den Wisperlein oder Weiden-Zeißlein/
dessen Geschrey lautet/wie wann einer mit dem Mund pfeiffet; sich im Früh-
jahr einfindet/und ein ganz kurtzes Gesang/immerdar auf den Bäumen/und
in den Stauden herumhüpffende/wiederholet.“815
In der „Angenehmen Landlust“ unterschied PERNAU 1720, was er 1702 nicht
tat, zwischen „Wisperlein“ und „Witwaldlein“. Über Ersteres schrieb er: „Die-
ses sehr kleine Vögelein bleibet wenige Zeit bey uns/ und ist/ weil es keinen
schönen Gesang hat/ und doch zärtlich gehalten seyn will/ nicht der Mühe
wert/ weder wie man es fangen/ noch wie man es erhalten soll/ zu erzehlen.“

809
WHITE in: STRESEMANN 1951/1996, 300
810
NAUMANN 1823, 3/ 568 + 581
811
NAUMANN 1823, 539
812
BECHSTEIN 1802, 176
813
C. L. BREHM 1823, 1/ 368
814
FRISCH 1741 in GRIMM/GRIMM 1984, 30/ 740
815
PERNAU 1702, 91
136 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Über das „Witwaldlein“ schrieb PERNAU nach dem Hinweis, dass der Pirol
an manchen Orten auch so genannt werde: „Es ist ein kleines Vögelein/ das
wenige Zeit bey uns bleibet/ und noch schlechter singet als das Wisperlein.“
Daraus lässt sich folgern, dass PERNAU mit „Wisperlein“ den heutigen Fitis,
mit „Witwaldlein“ den heutigen Zilpzalp meinte. Dieses frühe Signal von
PERNAU ist von den damaligen Ornithologen nicht erkannt worden.816
Über den Ursprung von „Wittwäldlein“ (und „Wittwerlein“) schrieb ZORN:
„Von seinem kurtzen und traurig lautenden Gesang, den er offt wiederholet,
heißet er das Wittwerlein oder Wittwäldlein“.817
Schmidtl (F), Schmittl (F, Z): BECHSTEIN, von dem diese Namen, wie
auch die ähnlichen „Schmittel“, „Schmitl“ oder „Smitl“, nicht stammen,
übertrug sie zwar zutreffend auf den Zilpzalp, eigenartigerweise aber auch
auf den Fitis.818 Der eintönige Gesang des Zilpzalp solle sich anhören wie das
eintönige Hämmern in einer Schmiede.819

Fitis (Phylloscopus trochilus)


„Auch der Fitis ist sehr häufig und bewohnt namentlich gebüschreiche Wald-
ränder, Feldhölzer und größere Gärten, ist aber in der Wahl seines Aufent-
haltes doch nicht so anspruchslos wie der Weidenlaubsänger. Das hübsche
‚Huid‘, das anscheinend den Lockton darstellt, hat dem Vogel wohl zu dem
Namen Fitis verholfen. (Im Englischen heißt er dagegen Willow-Wren, also
Weiden-Zaunkönig.) Bekannter noch ist die hübsche Gesangstrophe, die al-
lerdings immer wieder in ganz gleicher Weise wiederholt wird und auch bei
den einzelnen Stücken kaum verschieden ist. Oft bin ich gefragt worden, was
das wohl für ein Vogel sei, der ähnlich wie ein Buchfink, aber nicht so feurig
schmetternd sänge, und dann weiß ich schon aus Erfahrung, daß immer der
Fitis gemeint ist. Der Buchfinkenschlag ins Schwermütige übersetzt, das ist
wohl die richtige Bezeichnung für dieses Lied, das in althergebrachter Weise
mit ‚didi di die düe düe dea dea düe deidä da‘ wiedergegeben wird, und das
man bei einiger Übung ganz leidlich nachpfeifen kann.“820
Fitis, Gemeiner Fitis, Fitiß, Fiting, Fitting, Fitichen: Der Name „Fitis“
sei ein Volksname und zuerst 1793 bei BECHSTEIN nachweisbar, meinte

816
PERNAU 1720, 322
817
ZORN 1743, 377
818
BECHSTEIN 1795, 682
819
SUOLAHTI 1909, 76
820
HEINROTH 1966, 1/ 80
PASSERES – SINGVÖGEL 137

STRESEMANN.821 Er ist, wie auch die Namen Fiting und Fitichen „von den
weichen sanften Tönen des Vogels hergeleitet.“822
Ob „Fitis“ ein Volks- oder Kunstname ist, bleibt nach HOFFMANNS Er-
klärung offen: „Die Artbezeichnung fitis rührt von MATH. BECHSTEIN
(1795) her, der sich auf Vogelsteller beruft, die neben dem vid wohl auch
schon das vidi aus dem Gesang herausgehört haben.“823
Bei SVENSSON liest man, dass der Fitis weich pfeifend, zweisilbig und an-
steigend „HÜitt“ ruft. Das klinge bei manchen Vögeln mehr wie ein schnel-
leres, anders betontes „hüITT“ des Zilpzalps.824
Fitissänger, Weidenlaubsänger: C. L. BREHM lehnte in seinen Beiträgen
zur Vögelkunde (1821) den von BECHSTEIN vergebenen Hauptnamen „Fi-
tissänger“ ab: „Der Name Fitissänger, Sylvia Fitis, welchen Bechstein unserm
Vogel gegeben hat, ist eben so schlecht, als der Weidensänger für Sylvia rufa
[Zilpzalp]. Unser Laubsänger schreit nicht eigentlich, fit, sondern hoid.“ Weil
die Benennung nach dem Ruf, den andere Vögel ähnlich auch haben, nicht
eindeutig genug sei, schlug C. L. BREHM „Weidenlaubsänger“ für „Fitis“
vor. Den Zilpzalp nannte er „Grauer Laubsänger“.825
Birkenlaubsänger: Unter diesem Ausdruck führte C. L. BREHM den Fitis
in seinem Lehrbuch der Naturgeschichte aller europäischen Vögel: „Er bewohnt
Europa hoch bis Norwegen hinauf, lebt überall in Laubwäldern und den Vor-
hölzern der Schwarzwälder, besonders da, wo Birken stehen …“826
Weidenblatt, Weidenblättchen: „Der Fitis-Laubvogel, Sylvia trochilus oder
Phylloscopus trochilus, heiszt nach der Lage seines Nestes Weidenblatt … oder
häufiger Weidenblättchen“.827 „Das Nest ist fast immer so versteckt, dass es
sich beinahe am allerschwersten unter allen Vogelnestern auffinden lässt …
Es gehört dann selbst noch ein sehr geübter Blick dazu, das Äussere des Nes-
tes, die Haube, von dem umgebenden alten Gras, Laub, Moos und dergl. zu
unterscheiden.“828
Gelber Fitis: Im Vergleich zum Zilpzalp, der auch „Brauner Fitis“ genannt
wurde, erscheint der Fitis etwas gelber gefärbt.

821
STRESEMANN 1941, 84
822
SUOLAHTI 1909, 75
823
HOFFMANN 1937, 17
824
SVENSSON/GRANT/MULLARNEY/ZETTERSTRÖM 1999, 304
825
C. L. BREHM 1821, 2/ 216
826
C. L. BREHM 182, 373
827
GRIMM/GRIMM 1984, 28/ 579
828
NAUMANN 1823, 3/ 563
138 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Großer Weidenzeisig: „Unser Vögelchen [Fitis] ist übrigens stets ein wenig
größer, von Farbe etwas gelblicher, und die Füsse sind immer lichter gefärbt
als beim Weidenlaubvogel.“829
Laubvögelchen, Weidenvogel: Diese Namen sind weitere Konstrukte, die
sich auf den angenommenen und tatsächlichen Lebensraum beziehen.
Backöfelchen: Die gewölbten Nester auf dem Boden mit ihrem seitlichen
Schlupfloch erinnern an Backöfen. Namen aus England und Finnland könn-
ten mit Ofenvogel übersetzt werden.830
Sommerkönig: Der „König der Vögel“ ist der Zaunkönig. Dort ist beschrie-
ben, wie der Vogel zu diesem Namen kam. Im Englischen wird der Fitis „wil-
low-wren“ genannt, Weiden-Zaunkönig. Das „Sommer-“ im deutschen Na-
men deutet auf den Sommervogel hin. Der Fitis überwintert im tropischen
Afrika.
„Sommerkönig“ für den Fitis stammt von BECHSTEIN. Derselbe Name
existierte schon länger für die Goldhähnchen, z. B. bei KLEIN (1750). SUO-
LAHTI schrieb dazu: „Gelegentlich gibt man dem Goldhähnchen den Namen
Sommerkönig, im Gegensatz zu dem Zaunschlüpfer [Zaunkönig], welcher
der Winterkönig ist … Im volkstümlichen Gebrauch dürfte dieser Ausdruck
jedoch nicht sein; die lebenden Mundarten halten immer den Zaunschlüpfer
für den König der Vögel.“831
Asilvogel: Die Griechen scheinen sie unter dem Namen Oispros (lat. Asilus)
gekannt zu haben.832
Wie der Name entstanden sein könnte, kann man bei GESSNER nachlesen,
der unter der Überschrift „Von dem Asilo“ schrieb: „Dieser Vogel wird auff
Griechisch Oispros genannt/ er ist aus dem Geschlecht derer Vögel/ welche
von den Würmlein leben. Niphus vermeinet dieses sey ein Ungezieffer/ und
aus dem Geschlecht derer so gemeiniglich Bremen [Bremsen] genennt wer-
den/ verwundert sich derhalben daß dieses unter die Vögel gezehlt wird. Wel-
ches aber kein Wunder ist/ dieweil etliche Thier offt nur einen Namen haben/
die doch nicht eines Geschlechts sind/ nur allein darumb/ weil sie in etlichen
Dingen einander gleichen/ als der Natur nach/ oder an der Farb/ Stimm/ oder
andern dergleichen Stücken/ und derohalben so wol ein Roßkäffer als ein
Vogel/ also kann genennt werden.“833

829
NAUMANN 1823, 3/ 568
830
SUOLAHTI 1909, 74
831
BECHSTEIN 1795, 682 und KLEIN 1750, 76 und SUOLAHTI 1909, 78
832
BUFFON/SCHALTENBRAND 1838, 8/ 428
833
GESSNER/HORST 1669, 51a
PASSERES – SINGVÖGEL 139

„Asilus“ war nach KRÜNITZ (1783) ein alter wissenschaftlicher Gattungs-


name für die zu den Fliegen gehörenden Bremsen. Zu der heute „Tabanus“
genannten Gattung gehört u. a. die bekannte Rinderbremse, die einen Teil
der Nahrung dieser Vögel darstellt.834 Diese Bremsen sind für viele Menschen
so lästig und unangenehm, dass ein Vogel auffällt, der sie erbeutet.

Zilpzalp (Phylloscopus colybita)


Was früher zu Verstimmungen zwischen anerkannten Ornithologen führen
konnte, schilderte NAUMANN: „Während diese Bogen gedruckt wurden,
erhielt ich den II. Band von [Christian Ludwig] BREHM‘S Beiträgen etc.
noch zur rechten Zeit, um eine dort aufgestellte sehr einseitige Behauptung
widerlegen zu können. Herr BREHM tadelt S. 237, wie gewöhnlich etwas
bitter, BECHSTEIN und TEMMINCK, dass sie unsern Vogel ( Sylvia rufa)
‚noch im Jahr 1820 auf der Erde nisten lassen‘, weil er diese Nester stets in
niedrigen Fichtendickichten 28–85 cm hoch vom Boden gefunden haben
will. – Dagegen muß ich denn versichern, dass auch noch 1822 viele dieser
Vögel auf dem Erdboden nisten werden, weil ich bisher wenigstens eben so
viel Nester, als Herr BREHM über der Erde [beschrieben hat], … auf der
Erde … gefunden habe, und dass ich mich zu behaupten getraue, dass diese
Vögel in unsern Laubwäldern fast immer so bauen … Hieraus ergiebt sich
denn, dass S. rufa bald auf die Erde, bald dicht über dieselbe baut, so wie sich
ihm die Gelegenheit gerade darbietet. Herrn BREHM‘S Beobachtungen und
Angaben werden daher im vorliegenden Falle so wenig die meinigen, wie die-
se die seinigen umstossen können, da einer dem andern wohl zutrauen darf,
dass er seinen Vogel kennt.“ BEZZEL bestätigte NAUMANNS Einwände.835
Weidenzeisig, Weidensänger, Weidenlaubvogel: Im 3. Band seiner Gemein-
nützigen Naturgeschichte führte BECHSTEIN den Zilpzalp als „Weidenzei-
sig“ und „Weidensänger“.836
„Weidenlaubvogel“ war NAUMANNS Leitname für diesen Vogel.837
Kleiner Weidenzeisig, Kleiner Weidensänger: Entsprechend der Tatsache,
dass auch nach der Artentrennung sowohl Fitis als auch Zilpzalp als „Weiden-
zeisig“ weiterexistierten, ist es verständlich, dass zum „Großen Weidenzeiden-
zeisig“ (Fitis) ein „Kleiner „Weidenzeisig“ (Zilpzalp) hinzukonstruiert wurde.

834
KRÜNITZ 1783, 2/ 528 und GLUTZ VON BLOTZHEIM/BAUER 1991, 12/ 1353
835
NAUMANN 1823, 3/ 581 und BEZZEL1993, 388
836
BECHSTEIN 1807, 3/ 649
837
NAUMANN 1823, 3/ 581
140 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Ein anderes „Namens-Paar“ sind der „Weidensänger“ (Fitis) und der „Kleine
Weidensänger“ (Zilpzalp).
Brauner Weidensänger, Brauner Fitis: Das zarte Vögelchen „ist oft mit dem
Fitislaubvogel verwechselt worden, aber stets etwas kleiner, seine Farbe meis-
tens weniger gelb, vielmehr oftmals etwas ins Röthliche fallend, die Füsse
dunkler, und der Schnabel dünner als beim Fitislaubvogel.“838
Kleine gelbrothe Grasmücke, Eigentliche rothe und gelbrothe Gras-
mücke: OTTO benutzte ersteren Ausdruck neben „Weidenzeisig“ als Leit-
namen, denn er hatte sich noch nicht auf eine „Motacilla Trochilus“ (nach
LINNÈ) oder eine „Curruca rufa“ (nach BRISSON) festgelegt. „Der Nahme
Grasmücke kommt von ihrer fahlen Farbe, die sich bei den meisten unter
diesen Vögeln findet; und diese Etymolgie, sagt Menage, die Belon verwirft,
ist die wahre.“ Zur Gefiederfarbe liest man dort (p. 157): „… daß diese kleine
Grasmücke nur eine Farbe hat, nähmlich so wie bei dem Schwanze der Nach-
tigall; … Wir wollen nur bemerken, daß auf den großen Flügeldeckfedern
eine kleine Zeichnung von Rothgelb ist, die noch schwächer auf den kleinen
Schleusen der Schwungfedern sich zeiget, mit einer sehr schwachen und sehr
hellen Schattirung von Gelbröthlich auf dem Grau des Rückens … Nur sehr
uneigentlich, wie man sieht, hat dieser Vogel den Nahmen der gelbrothen
Grasmücke bekommen.“839
Auch BECHSTEIN teilte diese Ausdrücke dem Zilpzalp zu.840
Mit Phantasie kann man danach auch den zweiten, sehr künstlichen Namen,
den man bei NAUMANN findet, erklären.841
Weidenzeislein: „Sie heißt [nach ZORN, 1743] auch das Weidenzeischen,
weil sie sich gern, sonderlich gegen den Herbst, auf Weidenbäumen und Bü-
schen betreten läßt, wo sie gewisse kleine Insekten (…) die sie vor andern gern
frißt, aufsuchet, und etwas gelblich aussieht, fast wie ein Zeischen.“842
Eigentliche Grasmücke: Auf diesen Weidenzeisig „passet sehr gut Zorns Be-
schreibung seiner eigentlichen Grasmücke … Ich nenne, sagt er, dieses Vögel-
chen nur allein die Grasmücke, weil meinen Landsleuten kein anderer Vogel
unter diesem Nahmen bekannt ist.“843

838
NAUMANN 1823, 3/ 581
839
BUFFON/OTTO 1791, 15/ 153f
840
BECHSTEIN 1795, 682
841
NAUMANN 1823, 3/ 581
842
ZORN 1743, 391 und BUFFON/OTTO 1791, 15/ 160
843
BUFFON/OTTO 1791, 15/ 160
PASSERES – SINGVÖGEL 141

Kleine Grasmücke: Dieser Ausdruck erscheint als typischer Kunstname erst


1802 bei BECHSTEIN.844 Er ist nicht sehr aussagekräftig, da z. B. Garten-
grasmücke und Trauerschnäpper auch so genannt wurden.
Erdzeisig: Hierzu siehe die Einleitung. Das Nest befindet sich „meist etwas
über dem Boden in der Kraut- oder niedrigen Strauchschicht, an Standorten
mit dürftig entwickelter Krautschicht (z. B. Buchenwald) auch auf dem Bo-
den oder in kleinen Bodenvertiefungen.“845 NAUMANN äußerte sich zum
Neststandort wie in der Einleitung zitiert. Und BECHSTEIN schrieb: „Auch
dieser kleine Sänger baut sein Nest auf die Erde zwischen abgefallenes Laub
in eine alte Maulwurfshöhle …an ausgeschwemmten Wurzeln. Es steht mehr
über der Erde, als bey den andern ihm ähnlichen Vögeln.“846
Läufer: „Sie ist eine Bewohnerin der Wälder und in allen nordlichen Gegen-
den einheimisch, nach Verschiedenheit des Climas ist auch ihre Farbe verän-
derlich … Ihr Gesang ist schlecht. Sie läuft aber mit großer Schnelligkeit.“847
Dazu meinte BECHSTEIN: „Gewöhnlich will man das Nest dieser kleinen
Vögel zwischen den Weidenbäumen gefunden haben, allein es ist dies ebenso
erdichtet, wie das, daß sie schnell laufen sollen.“848
Nach anderen Quellen ist „Läufer“ ein Ausdruck für die Lebendigkeit. Er
hört nicht auf, lebhaft von Zweig zu Zweig zu flattern.849
„Der Weidenzeisig oder das Seidenvögelchen ( Motacilla trochilus) ist auch
unter dem Namen Läufer bekannt. Auch hier ist der Begriff der Schnellig-
keit nicht nothwendig damit verbunden. So heißt beiden Vogelstellern der
abgerichtete Vogel, welcher auf dem Herde herumläuft und singt, der Läufer
oder Läufervogel.“850
Grüner König: „Der Oberleib ist olivengrau, ein wenig ins Grünliche schil-
lernd.“851 „König“ soll die damals angenommene systematische Nähe zu
Zaunkönig und Goldhähnchen betonen. BOROWSKI nannte seine „Mota-
cilla Trochilus“ auch „Zaunkönig“ und „Kleinste Grasmücke“ sowie als engli-
sche Bezeichnung „The Green Wren“ (Grüner Zaunkönig).852

844
BECHSTEIN 1802, 188
845
GLUTZ VON BLOTZHEIM/BAUER 1991, 12/ 1262
846
BECHSTEIN 1807, 3/ 653
847
BOROWSKI 1782, 3/ 191
848
BECHSTEIN 1807, 3/ 653
849
BUFFON/SCHALTENBRAND 1838, 8/ 428
850
CAMPE 1808, 3/ 46
851
GRÄSSNER 1860, 75
852
BOROWSKI 1782, 3/ 191
142 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Tyrannchen: „Mehrere Amerikanische Fliegenfänger führen den Namen Ty-


rann oder Tyrannchen, weil sie viele Fliegen und andere Insekten erwürgen
… In einigen Gegenden Deutschlands führt auch der Zaunkönig den Namen
Tyrannchen, wahrscheinlich weil er Insekten tödet und frißt.“853

Goldhähnchenlaubsänger (Phylloscopus proregulus)


Am 6. 12. 2010 wurde im Radio des Schweizer SRF folgende Meldung ver-
breitet: „Dutzende von Ornithologen pilgern in diesen Tagen nach Olten:
Am Aareufer ist ein Goldhähnchen-Laubsänger gelandet. Dieser Vogel aus
Sibirien wurde in der Schweiz bisher noch nie gesichtet.
Eigentlich überwintere dieser Vogel sonst in China oder Indien, sagt Ornitho-
loge Otto Heeb gegenüber Schweizer Radio DRS. Es sei deshalb eine ‚Sen-
sation‘, dass man ihn in der Schweiz gesehen habe. Dutzende von Ornitho-
logen gingen am Wochenende deshalb auf Fototour in Olten. Kein einfaches
Unterfangen: Der Vogel aus Sibirien ist nur knapp 10 Zentimeter gross und
sehr lebhaft“.854
Goldhähnchenlaubsänger: Der Vogel wurde 1811 von PALLAS beschrie-
ben und ist auch als „Asiatischer Goldhähnchenlaubsänger“ bekannt. Sein
englischer Name ist „Pallas’s Leaf Warbler“ (Pallas’ Laubsänger). Der Vogel ist
goldhähnchenähnlich, etwa so groß und oft mit diesen vergesellschaftet. Er
unterscheidet sich aber durch viel schnellere Bewegungen und rastlose Nah-
rungssuche. Sein auffallend hellgelbes Bürzelfeld ist vor allem beim Rütteln
sichtbar. Der dunkelolivgrüne Scheitel ist jederseits von einem schmalen hell-
gelben Scheitelstreif begrenzt (versch. Qu.).

Wanderlaubsänger (Phylloscopus borealis)


Der Wanderlaubsänger ist eine Art des Alten Kontinents. Sein Brutgebiet
ist ein Großteil der eurasischen Taigazone, die sich westwärts bis Finnland/
Nordnorwegen erstreckt. Im Osten ist er über die Beringstraße inzwischen
bis Alaska gekommen.
Der Vogel hält sich vorwiegend in feuchten Lebensräumen auf wie zum Bei-
spiel Misch-, Nadel- und Laubwälder von hochstämmiger Taiga bis zu Knie-
holz mit Weiden- und Birkengestrüpp in der Tundra an der polaren Wald-
grenze auf.

853
KRÜNITZ 1847, 192/ 45
854
http://www.drs.ch/www/de/drs/nachrichten/regional/aargau-solothurn/227982.seltener-vogel-aus-
sibirien-in-olten.html, Stand: 13.07.2011
PASSERES – SINGVÖGEL 143

Der Wanderlaubsänger gehört zu den nicht bedrohten Vogelarten. Sein Ver-


breitungsgebiet erstreckt sich über annähernd 10.000.000 Quadratkilometer.
Die globale Population wird auf etwa 27.000.000 Wanderlaubsänger (Rich
et al. 2003) geschätzt (versch. Qu.).
Wanderlaubvogel: Der Wanderlaubsänger wurde 1858 von Johann Heinrich
BLASIUS beschrieben. Er ist auch unter „Nordischer Laubsänger“, englisch
„Arctic Warbler“ bekannt.
Die Vögel sind ausgesprochene Fernzieher und überwintern in den ostasiati-
schen Tropen. Einzelvögel erreichen Neuguinea und Australien. In Deutsch-
land ist die Art zwischen 1854 und 1989 siebenmal glaubwürdig dokumen-
tiert worden.855

Grassänger – Megaluridae
Die Grassänger beinhalten die Schwirle, zu denen man 9 Arten zählt. Bei
uns kommen regelmäßig drei Arten vor, dazu kommen Irrgäste. Die Arten-
liste der Vögel Deutschlands von 2005 führt sie unter „Grassänger – Megalu-
ridae“. Man findet die Schwirle aber eher unter „Sylviidae“ oder unter dem
Gattungsnamen „Locustella“. Die Vögel, die zur Rohrsängergruppe gehören,
besiedeln Röhrichte, Sumpf- und Grasland und ernähren sich von Insekten.
„Schwirl“ scheint kein Kunstname zu sein, vielmehr ein alter Vogelsteller-
name.856 Man findet ihn schon bei BECHSTEIN für den Schilfrohrsänger.
Den Namen „Schwirl“ für Locustella naevia (Feldschwirl) liest man zuerst bei
NAUMANN. Sein „Grosser Schwirl“ ist der heutige Schlagschwirl ( Locustel-
la fluviatilis).857 „Die [modernen] Namen Schlagschwirl, Rohrschwirl, Feld-
schwirl scheint LIEBE geprägt zu haben. … LIEBE verwendet den sonst im
Schrifttum wenig vorkommenden Namen Schwirl sehr gern.“858

Streifenschwirl (Locustella certhiola)


Der Streifenschwirl brütet in der Taigazone Mittelsibiriens, wo er sich in zwei
Unterarten aufgespalten hat. Im Osten, auf den japanischen Inseln, ist er ein
Ausnahmegast. Etwas zahlreicher sind Irrgastauftreten in Nord- und Nord-
westeuropa. So gibt es für das Jahr 1988 in Norwegen zwei und in Groß-

855
GLUTZ VON BLOTZHEIM/BAUER 1991, 12/ 1077
856
HILDEBRANDT 1941
857
BECHSTEIN 1807, 3/ 625 und NAUMANN 1822, 3/ 701 + 694
858
HILDEBRANDT 1941
144 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

britannien elf Nachweise, wenige weitere über einen längeren Zeitraum in


Mitteleuropa.859
Streifenschwirl: Der 1811 von PALLAS als „Motacilla certhiola“ beschrie-
bene Vogel wirkt gestreift, weil die Federn der Oberseite mit dunklen, fast
schwarzen Schaftstrichen bezeichnet sind, die bis zur Federspitze durchgehen.
Dadurch bilden sich langgestreckte zusammenhängende, vom Scheitel über
den Rücken laufende, dunkle Längsstreifen.860
Dicker Sänger: SCHINZ führte den Vogel unter „Dicker Sänger“, führte
aber auch TEMMINCKS „Bec fin trapu“ an. Dieser Name drückt aus, dass
der Vogel einen eher gedrungenen Schnabel hat. OKEN schloss sich mit „Di-
cker Sänger“ für „Sylvia certhiola, Temm.“ an.861
Der Streifenschwirl ist aber nicht dick. Er hat auch keinen gedrungenen
Schnabel. Beides trifft auf den Strichelschwirl zu, der erst 1840 von TEM-
MINCK beschrieben worden ist, was für das Buch von SCHINZ (1840)
zu spät war. Dennoch darf angenommen werden, dass SCHINZ den Stri-
chelschwirl schon vorher gekannt oder von ihm gehört hat, denn irgendwie
musste er auf den wohl selber gebildeten Namen gekommen sein – den er
dann falsch anwendete.
OKEN hatte den Strichelschwirl offenbar nicht gekannt. Er übernahm 1843
ohne weitere Erklärungen den „Dicken Sänger – Sylvia certhiola, Temm.“

Strichelschwirl (Locustella lanceolata)


Der Brutvogel der mittelsibirischen Taiga und ostwärts bis Hokaido ist ein
Langstreckenzieher, „dessen wichtigste Überwinterquartiere sich in Süd-
ostasien bis in den Westen von Java und Bangladesh erstrecken. Brutvögel
Westsibiriens ziehen zunächst 5000 Kilometer in östlicher Richtung und mi-
grieren dann über Ostchina weitere 4000 bis 6000 Kilometer in Richtung
Süden. Der Wegzug in die Überwinterungsquartiere beginnt Mitte August.
Nach Westsibirien kehren sie im Zeitraum Mitte Mai bis Anfang Juni zurück.
Der [ost-]europäische Brutvogelbestand wird auf 50.000 bis 100.000 Brut-
paare geschätzt. Das dürfte etwas weniger als fünf Prozent des Weltbestands
ausmachen.“862

859
GLUTZ VON BLOTZHEIM/BAUER 1991, 12/ 203
860
NAUMANN/HENNICKE 1897, 2/ 31
861
SCHINZ 1840, 178 und OKEN 1843, 7
862
http://de.wikipedia.org/wiki/Strichelschwirl, Stand: 22.11.2010
PASSERES – SINGVÖGEL 145

Lanzenfleckiger Sänger: Der kleine, kompakt wirkende Vogel ist dem Feld-
schwirl ähnlich, jedoch oben kräftiger schwarz gestreift, bzw. an der Unter-
seite gestrichelt. Auch Brust und Flanken zeigen eine deutliche Strichelung.863

Feldschwirl (Locustella naevia)


Die Bewegungen des Schwirls werden mitunter als rallenartig beschrieben:
„Der zusammengepreßte Körper, die bewunderungswürdige Schnelligkeit im
Laufen und das gefleckte Gefieder stempeln die L. locustella zu einem Reprä-
sentanten der Rallen in der Sängerfamilie. Hat man je Gelegenheit gehabt,
diese Vögel beim Neste zu beobachten: wie sie emsig hin- und herlaufen, auf
nassem Boden selbst über kleine mit seichtem Wasser bedeckte Strecken fort-
gehen, wie sie beim Laufen, ohne sich aufzuhalten, die auf ihrem Wege sich
vorfindenden Insekten gewandt erhaschen …, ein paar Mal schwirren und
dann wieder fleißig suchen; oder wer diese Vögel singend gesehen hat, mit
ausgezogenem Halse und aufgeblasener Kehle, der wird gewiß an die Wasser-
ralle denken.“864
Feldschwirl, Schwirl: Der Name Schwirl ist eine lautmalende Wiedergabe
des grillenähnlichen Dauertons,865 des schwirrenden, eintönigen Gesangs.866
Der Feldschwirl brütet in offenem Gelände mit niedriger Vegetation. Er ruft
monoton insektenartig (heuschreckenartig), trocken schwirrend, oft minu-
tenlang ohne Pause.
Buschrohrsänger, Heuschreckenrohrsänger: „Ich habe zum deutschen
Hauptnamen nicht den häufig gebrauchten: Heuschreckenrohrsänger, ge-
wählt, weil der Flußrohrsänger einen ebenso schwirrenden Heuschreckenge-
sang hat, und nahm deshalb lieber den Namen: Buschrohrsänger, weil unser
Vogel mehr als alle anderen Arten dieser Familie das Gebüsch liebt und sich in
der Begattungszeit so weit vom Wasser entfernt und so tief im Walde aufhält,
als keiner derselben, zumal da die meisten Trivialnamen der vorher beschrie-
benen Rohrsänger ebenfalls ihren Aufenthalt bezeichnen und übrigens auch
gut gewählt sind.“867
Grillenlerche, Pieplerche: Die Vögel, die wir heute „Schwirle“ nennen, wa-
ren im 18. Jahrhundert noch „Lerchen“. BUFFON unterschied die Grillen-
lerche – sie sei, meinte KRÜNITZ, die allerkleinste Art Lerchen in Europa,

863
SVENSSON/GRANT/MULLARNEY/ZETTERSTRÖM 1999, 92
864
NAUMANN/HENNICKE 1897, 2/ 18
865
WEMBER 2005, 8
866
CARL 1995, 237
867
NAUMANN 1823, 3/ Anm. 722
146 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

– von der „Piplerche“, die zwar etwas größer sein soll als die Grillenlerche, die
sich sonst aber so gut wie nicht, auch nicht im Gesang, voneinander unter-
schieden. Außerdem sei die Grillenlerche bisher nur in England gesehen wor-
den. Es sei deshalb wohl zulässig, beide zu derselben Art zu zählen, unserem
heutigen Feldschwirl.868
Mit dem Namen „Pieplerche“ bezeichnete man Ende des 18./Anfang des 19.
Jahrhunderts aber auch andere Vögel. Mal war es die Heidelerche (BECH-
STEIN), mal der Baumpieper (BOROWSKY), dann der Wiesenpieper
(FRISCH) oder, bei NAUMANN, die von BUFFON übernommene „Pipler-
che“ als „Pieplerche“ für den damals von ihm „Buschrohrsänger“ genannten
Feldschwirl.869
Während „Grillenlerche“ mühelos als lautmalend zu deuten ist, will das bei
der (auch lautmalend gebildeten) „Pieplerche“ so nicht gelingen, schon gar
nicht für den Feldschwirl. Dessen von ihm produzierte Pieplaute können
kaum namensgebend gewesen sein.
Heuschreckensänger: „Den Namen Heuschrecken-Sänger hat er deshalb
erhalten, weil sein Gesang viel Ähnlichkeiten mit dem Geschwirr der Heu-
schrecken hat; auch der Name: Schwirl, bezieht sich auf das Geschwirr der
Heuschrecken. Dieser einförmige schwirrende Ton klingt: Sirrrrrrrrrr! und
ist von dem Geschwirr der grünen Heuschrecke ( Locusta viridissima) fast gar
nicht zu unterscheiden.“870
Heuschreckenschilfsänger, Heuschreckenlerche, Zirpender Rohrvogel,
Buschgrille, Grillensänger, Grashüpfer: „Dieser Vogel … findet sich an
Seen und Teichen von Gebüschen umgeben, kriecht immer im Gesträuch
umher, und hat einen Gesang fast ganz wie das Schwirren der grünen Heu-
schrecke.“871 Der Vogel braucht offenes Gelände mit dichter Vegetation. Dazu
zählen Feuchtwiesen mit Hochstauden und niedrigen Büschen, Buschgelände
oder Ufergebüsch mit Büschen im Röhricht.872
„… und welcher sich, wenn er bei Tage ertönt erst nach einiger Übung leicht
und sicher von dem Schwirren der großen lichtgrünen Heuschrecke und der
Maulwurfsgrille unterscheiden läßt.“873

868
BUFFON/OTTO 1790, 14/ 283 + 287 und KRÜNITZ 1799, 77/ 192
869
BECHSTEIN 1792, 1/ 496 + BOROWSKY 1782, 3/ 200 + FRISCH 1763, T. 16 + NAUMANN
1823, 3/ 701
870
SCHILLING 1837, 2/ 140
871
OKEN 1837, 45
872
BEAMAN/MADGE 1998, 651
873
GLOGER 1834, 231
PASSERES – SINGVÖGEL 147

Olivengrüner Rohrsänger, Pieperfarbiger Rohrsänger, Lerchenfarbiger


Spitzkopf: Der Feldschwirl ist (schilf-)rohrsängergroß, graubraun („lerchen-
farbig“), die Oberseite auf olivgraubraunem (pieperfarbigem) Grund dunkel
gestreift. Durch die flache Stirn und den spitzen Schnabel wirkt der ganze
Kopf spitz.

Schlagschwirl (Locustella fluviatilis)


„Nach der Reviergründung ist der Gesang des Männchens am intensivsten.
Von kurzen Pausen bis zu 5 min abgesehen kann es bis zu 6 h ununterbrochen
singen. Der Schnabel bleibt während des ganzen Vortrages geöffnet, der Kopf
wird hin und her gewendet. Nachts sitzt der Vogel etwa 60 cm über dem
Boden in niedrigem Gebüsch, tagsüber auf einer etwas höheren Warte. Beim
partnerwerbenden Gesang beginnt die Strophe meist zögernd mit einigen (bis
8–12) Beschwichtigungsrufen (‚birrr, birrr‘); die Strophe selbst besteht aus ei-
ner Vielzahl von rasch hintereinander, jedoch deutlich getrennt vorgetragenen
wetzenden ‚dze-dze-dze-…‘.“874
Schlagschwirl: LIEBE hat dem Vogel den Namen um 1878 gegeben, weil er
ihn auf Holzschlägen antraf.875
Der Schlagschwirl brütet in dichtem, höherem Bewuchs an Flüssen, Sumpf-
rändern, in Auwäldern, auch in Parks. Der Gesang ist kein Schwirren, son-
dern „bemerkenswert maschinenartig wetzend“, schlagend dze-dze-dze…. 876
Flußsänger, Flußrohrsänger, Fluß-Rohrsänger: MEYER und WOLF be-
schrieben den Vogel 1810 und nannten ihn „Sylvia fluviatilis – Flußsänger“.
„Diese Vögel leben alle im Rohr und Schilf an Teichen, Sümpfen und Flüs-
sen.“ Den lateinischen Artnamen „fluviatilis“ hat er nach seinem Lebensraum
bekommen.877 Der Vogel war schon bald als Fluß-rohr-sänger bekannt. Zur
Neubenennung zum „Schlagschwirl“ durch LIEBE kam es erst 1878.
Rohrsänger mit gefleckter Kehle, Rohrschirf mit gefleckter Kehle: „Kinn
und Kehle [sind] weißlich, mit olivenbraunen, länglichen Flecken.“878 Das
Verb „schirfen“ entstand „tonmalend vom Spatzengezwitscher.“879 OKEN
nannte die Rohrsänger „Schirfe“.880 Ein Rohrschirf unterbricht kaum einmal
sein „Gezwitscher“.

874
GLUTZ VON BLOTZHEIM/BAUER 1991, 12/ 126
875
HILDEBRANDT 1941
876
SVENSSON/GRANT/MULLARNEY/ZETTERSTRÖM 1999, 294
877
MEYER/WOLF 1810, 1/ 229
878
MEYER/WOLF 1810, 1/ 229
879
GRIMM/GRIMM 1984, 15/ 207
880
OKEN 1816, 437
148 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Spitzkopf mit gefleckter Kehle, Grünlichgrauer Spitzkopf: Den Namen


„Spitzkopf“ hat NAUMANN allen Rohrsängern und dem Schlagschwirl ge-
geben, wegen deren spitzen Schnäbeln.881 „Spitzkopf“ stammt aber nicht von
NAUMANN, sondern von BECHSTEIN, der den (späteren) Teichrohrsän-
ger so nannte.882
„Dieser Vogel, welcher seiner Gestalt und Lebensart nach ein echter Rohsän-
ger ist, kommt in der Größe wie in der Färbung seines Gefieders der Garten-
grasmücke sehr nahe, unterscheidet sich bald und leicht durch den dünneren
und längeren Schnabel, den kleineren, spitzigeren Kopf … von dieser.“883
Großer Schwirl: Da Schwirle, wie angeführt, früher als Rohrsänger galten,
passt, was NAUMANN schrieb: „In der Größe übertrifft er – den Drossel-
rohrsänger ausgenommen – alle übrigen Rohrsängerarten.“884

Rohrschwirl (Locustella luscinioides)


„Diese unsrer S[ylvia] fluviatilis wie unsrer S. locustella in jeder Beziehung sehr
nahestehende Art wurde vor etwa 40 Jahren vom Prof. Savi aus Pisa in dasiger
Gegend entdeckt und a. a. O. von demselben beschrieben. Ich bekam sie erst
vor 6 bis 7 Jahren zur Ansicht in 2 Exemplaren mit Nestern und Eiern, aus
Holland kommend, in die Hände, und glaubte, nach dem ersten obeflächli-
chen Anschauen, S. fluviatilis vor mir zu haben, zumal von diesem ein Exem-
plar zum Vergleichen nicht zur Hand war, eine augenblickliche, durch sehr
verdüsterte Beleuchtung der Localität begünstigte Täuschung, die natürlich
beim genauern Betrachten bald schwinden mußte.“885 (Mit S. fluviatilis und
S. locustella waren Schlag- und Feldschwirl gemeint). Der italienische Orni-
thologe Paolo SAVI (1798–1871) beschrieb Sylvia luscinioides 1824.
Rohrschwirl: Der Vogel brütet in weiten, hohen Schilfbeständen. Der Ge-
sang ist ein endloses insektenartiges Schwirren, etwas tiefer als beim Feld-
schwirl. Der Vogel „singt in aufrechter Haltung nahe der Spitze eines Schilf-
halms, besonders in der Dämmerung, aber auch langanhaltend tagsüber und
nachts.“886

881
NAUMANN 1823, 3/ 597f
882
BECHSTEIN 1795, 667
883
NAUMANN 1823, 3/ 694
884
NAUMANN 1823, 3/ 694
885
NAUMANN 1860, 13/ 474
886
BEAMAN/MADGE 1998, 652
PASSERES – SINGVÖGEL 149

„Eine ausgezeichnete Schilderung verdanken wir WODZICKI … L. lusci-


nioides ist ein wahrer Rohrvogel, welcher das Rohr nie verläßt, zänkisch, im-
mer in Bewegung, bald auf der Erde, bald auf dem Rohre.“887
Weiden-Rohrsänger: NAUMANN gab dem Rohrschwirl in seinen Nach-
trägen den Namen „Weiden-Rohrsänger“. „Seine Wohnorte sind, wie beim
Flußrohrsänger, namentlich die seichten Ufer fließender oder stehender Ge-
wässer, welche mit vielem Weidengesträuch, und dieses mit hohen Sumpf-
pflanzen und Gräsern vermischt, über nassen oder feuchten Boden bewachsen
sind.“888
Weidensänger: Diesen Kunstnamen gab BECHSTEIN 1802 der „Sylvia
rufa“, dem (heutigen) Zilpzalp.889 Nur wenig später vergab er „Weidensän-
ger“ als Beinamen an einen Vogel, den er „Rohrsänger – Sylvia salicaria, mihi“
nannte890 und bei dem es sich um den (heutigen) Seggenrohrsänger (früher:
Binsenrohrsänger) handelte. Nach der 1824 erfolgten Erstbeschreibung des
Rohrschwirls von SAVI gab OKEN 1843 der Sylvia luscinoides den Namen
„Weidensänger“, den NAUMANN zu „Weiden-rohr-sänger“ erweiterte (s.
o.).891
Großer Heuschreckensänger, Italienischer Heuschreckensänger: Siehe
Heuschreckensänger beim Feldschwirl. Der Rohrschwirl ist der größte hei-
mische Schwirl. Mit „italienisch“ wollte NAUMANN an den Erstbeschreiber
SAVI aus Pisa erinnern.892
Nachtigallfarbiger Rohrsänger, Nachtigallartiger Weidensänger, Nachti-
gallfarbiger Piepersänger, Nachtigallrohrsänger: Der Artname „luscinioi-
des“ bedeutet „nachtigallenähnlich“, was nicht den Gesang, sondern Ähnlich-
keiten im Aussehen bedeutet. Das betrifft auch den „Pieper“sänger.893 Alle
diese Ausdrücke sind Beinamen, die NAUMANN in seinen Nachträgen an-
führte. Nur der „Nachtigallrohrsänger“ stammt als zweiter Leitname neben
„Rohrschwirl“ nach erfolgter Verkürzung des „Nachtigallfarbigen Rohrsän-
gers“ von BREHM.894

887
NAUMANN/HENNICKE 1897, 2 /28
888
NAUMANN 1860, 13/ 474 + 479
889
BECHSTEIN Orn. Tb. 1802, 188
890
BECHSTEIN 1807, 625
891
OKEN 1843, 7
892
NAUMANN 1860, 13/ 474
893
WEMBER 2005, 131
894
NAUMANN 1860, 13/ 474 und BREHM 1879, 5/ 226
150 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Rohrsängerverwandte – Acrocephalidae
Der Name „Acrocephalus“ (Spitzkopf ) für die Rohrsänger stammt von J. A.
NAUMANN und J. F. NAUMANN aus dem Jahr 1811. Die sechs mittel-
europäischen Acrocephalus-Arten „bewohnen vorwiegend Verlandungszonen
von Gewässern, wo sie geschickt durch Rohrwälder, Seggendickichte und Ge-
büsch schlüpfen.“ Die schlanken Vögel haben einen schmalen bis abgeflach-
ten Schnabel und einen zumeist gestuften bis stark gerundeten Schwanz. Das
Gefieder ist unscheinbar, ungestreift braun bis olivfarben oberseits. Das Ober-
kopfmuster der gleichgefärbten Männchen und Weibchen ist deutlich.895

Mariskenrohrsänger (Acrocephalus melanopogon)


Der Mariskensänger ist ein guter Vertikalkletterer, der auch das als Anpassung
an eng nebeneinander stehende Halme entwickelte Grätschsitzen beherrscht.
Wie andere unterwuchsbewohnende Insektenjäger zeigt der Mariskensänger
ausgeprägtes Flügelzucken, das 60–70° über die Horizontale führen kann und
auffallendes Schwanzzucken mit einem Aufschlag bis 75–80°. Das kann mit
seitlichem Schwanzschlagen und -spreizen verbunden sein. Diese Bewegun-
gen, die in Erregungssituationen besonders stark sind, sind beim ähnlich aus-
sehenden Schilfrohrsänger nur schwach ausgebildet.896
Tamariskenrohrsänger, Tamarisken-Rohrsänger: Die Vorsilbe „Tamaris-
ke-“ oder „Mariske-“ weist darauf hin, dass der Vogel vorwiegend im Süden
lebt (dort, wo Tamarisken vorkommen). Die dort auch an Ufern verschiede-
ner Gewässer neben anderen Sträuchern wachsende Tamariske selbst spielt für
den brütenden Vogel keine große Rolle. Allerdings braucht der Mariskensän-
ger für die Nestanlage einen dichten, von verschiedenen Pflanzenarten (auch
Tamarisken) gebildeten Nistbusch in nassen Sümpfen.897
Schwarzbärtiger Rohrsänger, Schwarzbärtiger Sänger: NAUMANN, des-
sen Tamarisken-Rohrsänger erst in den Nachträgen erschien, beschrieb einen
grauschwarzen Zügel, der sich hinter dem Auge fortsetzt. „Auch zieht sich
ein Schein davon, als ein zweiter dunkler Streifen, wie eine Art Bart, zwi-
schen Wange und Kehle herab, doch ist dieser nicht bei allen Exemplaren
gleich deutlich dargestellt.“ Damit meint er wahrscheinlich den vorderen Teil
der Ohrdecke, was SVENSSON deutlicher ausdrückte: „Schmaler schwarzer
Bartstreif und graue Ohrdecken.“898

895
GLUTZ VON BLOTZHEIM/BAUER 1991, 12/ 209
896
GLUTZ VON BLOTZHEIM/BAUER 1991, 12/ 244
897
GLUTZ VON BLOTZHEIM/BAUER 1991, 12/ 239
898
NAUMANN 1860, 13/ 456 und SVENSSON et al. 2011, 315
PASSERES – SINGVÖGEL 151

Der Gesang ist ähnlich dem des Teichrohrsängers, aber „lebhafter, schneller,
weicher und variabler mit typischen eingeflochtenen Folgen nachtigallähnlich
ansteigender Pfeiftöne.“899
Kastanienbrauner Rohrsänger, Kleiner Schilf-Rohrsänger: Der Marisken-
sänger hat ein rostfarbenes Rückengefieder (inklusive Schwanzoberseite) und
wird beim Vergleichen der gleichgroßen, eher etwas kleineren Schilf- und
Seggenrohrsänger wohl nicht als klein wahrgenommen werden können. Der
Name stammt von NAUMANN, als Resultat von Messungen an Präparaten:
Der Schilfrohrsänger war bei ihm etwas größer als die beiden gleichgroßen
anderen.900

Seggenrohrsänger (Acrocephalus paludicola)


J. F. NAUMANN hatte einen „Seggen-Rohrsänger – Sylvia cariceti“ und ei-
nen „Binsen-Rohrsänger – Sylvia aquatica“ als zwei Arten beschrieben: „Diese
Art [S. cariceti wurde] immer mit S. aquatica verwechselt.“ Man finde „unter
diesem Nahmen [S. aquatica] bald diesen, bald die S. cariceti, aber nicht so,
wie ich beide Arten hier getrennt habe … Koch in seiner Baierschen Zoologie
… beschreibt unter dem Nahmen: Verwandter Rohrsänger, Muscipeta salica-
ria, unsere S. cariceti am sichersten. – In vielen Werken steht sie [S. cariceti]
… unter der Beschreibung des Binsenrohrsängers.“901
A. J. JÄCKEL nahm dazu in den Abhandlungen des Zoologisch-Mineralogischen
Vereines von Regensburg aus dem Jahr 1849 Stellung:
„Naumann war der erste, welcher den Seggenrohrsänger von dem … Binsen-
sänger unterschieden hat. Später hat dies auch [C. L.] Brehm unter dem schon
anderwärts vergebenen Namen Sylvia striata gethan. Keyserling und Blasius
erkennen die Artrechte an, Schlegel ( Kritische Übersicht der europäischen Vö-
gel pg. XXVIII n. 52.) hingegen und Thienemann ( Rhea Heft I. pg. 108. n.
79.) vereinigen beide miteinander. Kochs verwandter Rohrsänger, Muscipeta
salicaria, ist der Naumannsche Vogel [S. cariceti], zu welchem auch das von
Meyer und Wolf im April 1806 aus der Nürnberger Gegend erhaltene und
beschriebene Männchen gehört. Wenn nun Sal[icaria] cariceti wirklich eine
besondere Art ausmacht, so haben wir ihn auch in Bayern, wo er in manchen
Gegenden von Franken, an der Donau und am Bodensee im Rohr und Schilf
auf dem Herbst- und Frühlingszug nicht gar selten vorkommt. … Ich trete
ganz der oben erwähnten Meinung Schlegels bei, dass dieser Vogel identisch

899
SVENSSON et al. 2011, 314
900
NAUMANN 1860, 13/ 456  + 1823, 3/ 648 + 668
901
NAUMANN 1823, 3/ 668 + 686
152 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

mit S. aquatica und nur dessen Sommerkleid sei, weil man S. aquatica nir-
gends noch brütend angetroffen hat.“902
In der Neuausgabe des „NAUMANN“ äußerte sich 1897 auch R. BLASIUS:
„Es ist längst unumstößlich festgestellt, daß beide Vögel ein und dieselbe Art
bilden, nur verschiedene Kleider derselben darstellen, aquaticus bezeichnet
den Vogel im Herbst- und Jugendkleide, cariceti das Frühlingskleid des alten
Vogels.“903
Seggensänger, Seggenrohrsänger, Seggen-Rohrsänger, Binsensänger, Bin-
sen-Rohrsänger: Alle seine Synonyme brachte NAUMANN erst unter „Bin-
sen-Rohrsänger“. Dazu schrieb er einführend bei seinem Seggenrohrsänger:
„Mit Bestimmtheit lassen sich hier [für NAUMANNS Seggenrohrsänger]
keine Synonymen anführen, weil diese Art immer mit S. aquatica [NAU-
MANNS Binsen-Rohrsänger] verwechselt wurde.“904
Der Seggenrohrsänger ( Acrocephalus paludicola) ist heute eine sehr seltene,
weltweit vom Aussterben bedrohte Rohrsängerart, die dem Schilfrohrsänger
( A. schoenobaenus) recht ähnlich ist. Es werden weder geographische Variatio-
nen noch Unterarten unterschieden.905
Der Vogel brütet nur in weiten nassen Seggenwiesen mit fußhoher Vegeta-
tion.906
Der Name „Binsensänger“ stammt von MEYER/WOLF. NAUMANN hat
ihn zu „Binsen-Rohrsänger“ erweitert.907 NAUMANNS „Seggen-Rohrsänger“
wurde bei OKEN zum „Seggensänger“.908
Rohrsänger: BECHSTEIN hatte den Vogel in seiner ersten Ausgabe der Na-
turgeschichte „Rohrsänger – Motacilla salicaria“ genannt und den Namen
„Rohrsänger“ (nun als Sylvia salicaria) 1807 in seine zweite Auflage über-
nommen.909 Wie im vorigen Abschnitt geschildert, nannten ihn MEYER/
WOLF (1810) „Binsensänger“, NAUMANN später (1823) „Binsen-Rohr-
sänger“. NAUMANN führte „Rohrsänger“ als Beinamen weiter – und zwar
nach dem „Vorbild“ BECHSTEINS auch für Schilf-, Sumpf- und Teichrohr-

902
JÄCKEL, Abhandlungen des Zoologisch-Mineralogischen Vereines von Regensburg aus dem Jahr
1849, 1/ 82
903
R. BLASIUS in: NAUMANN/HENNICKE 1897, 2 /39
904
NAUMANN 1823, 3/ 686 ( S. aqu.) + 668 ( S. car.)
905
http://de.wikipedia.org/wiki/Seggenrohrsänger,Stand: 21.07.2012
906
SVENSSON/GRANT/MULLARNEY/ZETTERSTRÖM 1999, 290
907
MEYER/WOLF 1810, 1/ 232 und NAUMANN 1823, 3/ 686
908
NAUMANN 1823, 3/ 668 und OKEN 1843, 6
909
BECHSTEIN 1807, 3/ 625
PASSERES – SINGVÖGEL 153

sänger. Einzig VOIGT nannte den Drosselrohrsänger mit dem Hauptnamen


„Rohrsänger“.910
Rohrvogel: „Rohrvogel“ kam erst in BECHSTEINS zweiter Auflage als Bei-
name zum Kapitel „Rohrsänger – Sylvia salicaria, mihi“ hinzu. Auch ihn
übernahm NAUMANN. BECHSTEIN führte „Rohrvogel“ auch noch als
Beinamen des Drosselrohrsängers an (den er systematisch zu den Drosseln ge-
stellt hatte), nicht aber für die anderen Rohrsänger.911 Das tat dagegen OKEN
(1837), allerdings mit Zusätzen: Der Drosselrohrsänger war der „Große
Rohrvogel“, der Teichrohrsänger der „Gemeine Rohrvogel“ und der Schilf-
rohrsänger der „Kleinste Rohrvogel“.
Während OKEN mit seinen Eingrenzungen die einzelnen Vogelarten meinte,
hatte der Begriff „Rohrvogel“ für viele Autoren jener Zeit eine ganz andere
Bedeutung, so für ADELUNG: Der Ausdruck wurde mit „Ruhrvogel“, auch
„Rührvogel“ gleichgesetzt. Der Ruhrvogel ist „bey den Vogelstellern, ein an
eine Ruthe gebundener lebendiger Vogel, welcher vermittelst einer Schnur
gerühret, d. i. auf und nieder gezogen, wird, damit er flattere, und andere
Vögel auf die Anfälle locke. Ist es eine Lerche, so heißt sie die Ruhrlerche.“912
Rohrsperling: „Rohrsperling“ ist nicht artenspezifisch. Alle Rohrsänger,
Feld- und Haussperling sowie die Rohrammer hatten diesen Ausdruck als
Beinamen, was – teilweise sehr unpassend – von deren Stimme, deren Gesang
abgeleitet wurde. Der Vogel sei „als lauter Vogel bekannt, daher sprichwört-
lich: Er schimpft wie ein Rohrsperling.“913
Rohrgrasmücke, Rohrschliefer: „Leider ist die Bezeichnung Grasmücke
vom Volke auch auf Vögel übertragen worden, die nicht zur Gattung Sylvia
gehören.“914
Die Grasmücke „ist eine Art kleiner meisten Theils aschgrauer Sangvögel,
welche den Mücken und Fliegen im Grase nachstellen …“915 Eine Rohrgras-
mücke ist ebenfalls ein auf etliche Arten zutreffender Begriff für Vögel, die
ihre Nahrung im Schilfrohr suchen.
„Schliefer“ sind Schlüpfer, wie „Grasmücken“ wahrscheinlich „aus dem ähn-
lich klingenden altgermanischen Worte grå-smyge, d. h. grauer Schlüpfer,
entstanden“.916

910
VOIGT 1835, 205
911
BECHSTEIN 1807, 3/ 625 + 402
912
ADELUNG 1798, 3/ 1209
913
GRIMM/GRIMM 1984, 14/ 1133
914
HOFFMANN 1937, 49
915
ADELUNG 1796, 2/ 783
916
GLOGER 1834, 235
154 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Rohrschirf, Gestreifter Rohrschirf: Schirfen kommt tonmalend vom Spat-


zengezwitscher und wurde für die Rohrsänger übernommen.917 Ein Rohr-
schirf unterbricht kaum einmal sein „Gezwitscher“. Die Gefiederoberseite des
Seggenrohrsängers ist gestreift.
Weiderich: „Weiderich“ war ein Name, den man den heimischen Rohrsän-
gern gegeben hatte, außer dem Drosselrohrsänger, den man damals systema-
tisch eher zu den Drosseln als zu den Rohrsängern stellte (s. BECHSTEIN).
Die Vögel schlüpfen zur Nahrungssuche auch gerne durch ufernahe Weiden-
bäume und in Weidenbüsche.
Weidenzeisig, Seltener Weidenzeisig: „Da sie sich im Herbste gern auf Wei-
denbäumen und in Weidenbüschen, die Insecten aufzulesen, finden lassen, so
heißen sie deswegen auch Weidenzeisig und Weidenmücke; denn die Nah-
men zeigen hierin kaum einmahl eine Varietät dieser Vögel an.“918
Über die damalige „Seltenheit“ (oder Häufigkeit) des Vogels in Deutschland
findet man einige Angaben. „Ihr Fleisch schmeckt auch gut, doch da es selte-
ne Vögel sind, so schießt und fängt man sie nicht zum Verspeisen.“919 NAU-
MANN schilderte seinen „Binsen-Rohrsänger“ als eher südlichen Vogel. „Im
mittleren und nördlichen Deutschland kömmt er nur als sehr seltner Vogel
vor.“ Das übernimmt er im Wesentlichen auch für seinen „Seggen-Rohrsän-
ger“.920
Über die heutigen Verhältnisse informierte F. TANNEBERGER: „Der Seg-
genrohrsänger ( Acrocephalus paludicola) ist die einzige global bedrohte Sing-
vogelart Kontinentaleuropas. Noch um 1900 gehörte er zu den häufigsten
Vogelarten der europäischen Niedermoore. Im Laufe des 20. Jahrhunderts
brach die Weltpopulation aufgrund von Habitatverlust durch Moorentwässe-
rung und landwirtschaftliche Intensivierung zusammen. Aktuell besteht die
Weltpopulation nur noch aus ca. 12.500 singenden Männchen, von denen
die Kernpopulation (ca. 90 %) in Weißrussland, Ostpolen und in der Ukraine
brütet. Die kleine und geographisch isolierte Pommersche Population (Nord-
ost-Deutschland/Nordwest-Polen, aktuell 80 singende Männchen) stellt den
letzten Rest eines vormals großen Vorkommens im westlichen Mitteleuropa
dar und ist akut vom Aussterben bedroht.“921

917
GRIMM/GRIMM 1984, 15/ 207
918
KRÜNITZ 1780, 19/ 778
919
BECHSTEIN 1807, 3/ 632
920
NAUMANN 1823, 3/ 686
921
Dr. Franziska Tanneberger in: http://www.dbu.de/stipendien_20004/752_db.html, Stand: 22.07.
2012
PASSERES – SINGVÖGEL 155

Gelber Schwirl, Gestreifter Spitzkopf: „Gelb“ und „gestreift“ beziehen sich


auf das Gefieder. Die Kopfform mit dem Schnabel ähnelt der des Schilfrohr-
sängers. „Schwirl“ kommt von „schwirren“. Der Seggenrohrsänger ist so unru-
hig, dass NAUMANN ihn mit dem Blasrohr nur sehr schwer treffen konnte.

Schilfrohrsänger (Acrocephalus schoenobaenus)


„Unter den Rohrsängern ist er einer von denen, der noch bis [Nord-]Norwe-
gen hinaufgeht. Bei uns in Deutschland, wo er vom April bis in den Oktober
hinein verweilt, ist der Schilfrohrsänger sehr verbreitet. … Wie seine Ver-
wandten ist auch er ein flinker, gewandter Insektenjäger, übertrifft diese aber
noch an Behendigkeit. Im allgemeinen lebt er sehr versteckt und vermeidet
den lichteren Teil der sein Revier bildenenden Wasserpflanzen, doch läßt er
sich zur Paarungszeit einmal auf erhöhten Punkten sehen, von wo aus er sich
für Augenblicke in anmutigem Flugspiel, wie wir solches bei der Dorngras-
mücke und dem Baumpieper wahrnehmen, singend in die Luft erhebt. Der
Gesang unseres Vogels, der teilweise an den des Teichrohrsängers erinnert und
fast in gleichem Tempo vorgetragen wird, ist beachtenswert und bei einiger
Aufmerksamkeitbald zu erkennen, zumal der Schilfrohrsänger während des
Tages fleißig singt.“922
Schilfsänger, Schilfrohrsänger, Rohrsänger: „Der Name ist unglücklich ge-
wählt, denn er liebt durchaus nicht etwa reine Schilfbestände.“923 FEHRIN-
GER nannte den Vogel, wie vor ihm BECHSTEIN, „Schilfsänger“. NAU-
MANN hatte „Schilfsänger“ zu „Schilfrohrsänger“ erweitert.924
„Bewohnt niemals Rohrdickichte, sondern die Ufer von allerlei Gewässern,
Gräben und Sümpfen, wo dieselben mit Weidenbüschen, Schilf, Binsen, ho-
hem Grase und allerlei Sumpfblumen bewachsen sind, mitunter auch Hecken
und dichte Gebüsche in einiger Entfernung vom Wasser und ausnahmsweise
Getreide-, Reis- und Bohnenfelder.“925
Uferschilfsänger: Dieser Ausdruck ist ein Kunstname, den C. L. BREHM
dem Schilfrohrsänger gab. C. L. BREHM nannte alle Rohrsänger, wie damals
üblich, „Schilfsänger“. „Der Uferschilfsänger hat mit andern seiner Familie
mehr oder weniger Ähnlichkeit“. Unter „Nutzen“ fügte C. L. BREHM hinzu:

922
HERMANN 1905, 57
923
FEHRINGER 1951, 82
924
BECHSTEIN 1807, 3/ 633 und NAUMANN 1823, 3/ 648 und STRESEMANN 1941, 84
925
HARTERT 1909 in: STUDER/FATIO 1909, 880
156 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

„Nützlich wird er durch seine Nahrung und durch sein wohlschmeckendes,


im August sehr fettes Fleisch; doch ist sein Körper sehr klein.“926
Seggenschilfsänger: Alfred BREHM hat den Vogel wie sein Vater „Ufer-
schilfsänger“ genannt. „Seggenschilfsänger“ war der Beiname. BREHM sah
den Schilfrohrsänger als Vertreter einer besonderen Untersippe, der „Seggen-
schilfsänger, Calamodus“ ( Calamus bedeutet „Rohr, Halm, Stängel“). Seggen
sind krautige Sauergrasgewächse, die viele Uferzonen kennzeichnen.927
BREHM meinte hier nicht den Seggenrohrsänger ( Acrocephalus paludicola),
den er unter „Binsenrorhsänger“ führte.
Rohrschmätzer: Als älteste Quelle des Namens wurde J. A. NAUMANN
(1797) ausgemacht, der allerdings den Sumpf- und den Teichrohrsänger da-
mit meinte. „Rohrschmätzer“ bezieht sich auf den unermüdlichen Frühjah-
res-Gesang der Vögel, der auch „schmatzende“ Elemente hat.928
Rohrsperling: „Als lauter Vogel bekannt, daher sprichwörtlich: Er schimpft
wie ein Rohrsperling.“ Bekannter ist das Sprichwort: „Er schimpft wie ein
Rohrspatz“. Während der Name zu der am häufigsten „Rohrspatz“ (oder ähn-
lich) genannten Rohrammer mit ihrem eher leiseren Gesang nicht passt und
nur ihre selteneren Warnrufe an einen Spatz erinnern, trifft er auf den Schilf-
rohrsänger eher zu. Der Vogel kann auch tschilpen. Meist singt aber kräftig,
mutig und pausenlos auch denjenigen an, der sich seinem Revier nähert.929
NAUMANN bezog den Namen auf eine gewisse äußere Spatzenähnlichkeit,
was in diesem Fall passt, aber schwerlich für die Rohrammer übernommen
werden kann. „Es ist ein munterer, angenehm gestalteter, netter Vogel, der in
der Färbung seines Gefieders einige Ähnlichkeit mit den Sperlingen hat, da-
her häufig Rohrsperling heisst, aber sonst im Betragen diesen nicht ähnelt.“930
Das Deutsche Wörterbuch von GRIMM/GRIMM unterscheidet den Rohr-
spatz (Beutelmeise, Feldsperling und Schilfrohrsänger) vom Rohrsperling
(Rohrammer, Teichrohrsänger, Sumpfrohrsänger).
Bruchweißkehlchen: „Dieser Name kommt dem Schilfrohrsänger zu, der
während seines oft stundenlangen Singens am oberen Teile eines Schilfsten-
gels seine weiße Kehle geradezu aufdringlich zur Schau stellt. Der Name
stammt … von A. Voigt [um 1900] und ist demnach wohl eine der neu-
esten volkstümlichen Bezeichnungen.“ HOFFMANNS letzte Aussage ist

926
C. L. BREHM 1822, 2/ 276 + 286
927
BREHM 1879, 5/ 217
928
J. A. NAUMANN 1797, 227
929
GRIMM/GRIMM 1984, 14/ 1133
930
NAUMANN 1823, 3/ 648
PASSERES – SINGVÖGEL 157

nicht richtig, denn „Bruchweißkehlchen“ findet man als Beinamen schon bei
NAUMANN.931
Wasserweißkehlchen: „Wasserweißkehlchen“, ein Kunstname von BECH-
STEIN, wurde lediglich von NAUMANN übernommen. „Wasser-“ lässt
noch weniger als die Vorsilbe „Bruch-“ Schlüsse auf den Lebensraum des Vo-
gels zu.932
Gefleckter Rohrsänger: Der Mantel ist „dunkel olivengrün mit schwarzen
Längsflecken … der Unterleib gelblichweiß.“933
Olivenbrauner Spitzkopf: „Kopf und Schnabel sind sehr zugespitzt … der
Oberkopf [ist] schwärzlich mit olivengrauen Federkanten, die ihn gefleckt,
und wenn die Federn recht ordentlich anliegen, so gar in die Länge schwärz-
lich und olivengrau gestreift machen.“934 Heute liest man nicht mehr von
olivengrauen, sondern von beigebraunen oder braunen Gefiederfarben.
Weiderich, Bunter Weiderich, Gefleckter Weiderich: „Weiderich“ war ein
Name, den man den heimischen Rohrsängern gegeben hatte – außer dem
Drosselrohrsänger, den man damals systematisch eher zu den Drosseln als zu
den Rohrsängern stellte. Die Vögel schlüpfen zur Nahrungssuche auch gerne
durch ufernahe Weidenbäume und in Weidenbüsche.
„Bunt“ und „gefleckt“ beziehen sich auf das nicht einfarbige Gefieder.
Kleinster Rohrschirf, Kleinster Rohrvogel: „Schirfen“ kommt tonmalend
vom Spatzengezwitscher. Rohrschirfe waren entsprechend Rohrsänger. NAU-
MANN zählte auch den Schlagschwirl zu ihnen. Der Name scheint nicht
sehr alt und ein Kunstname zu sein, denn man findet ihn erst bei J. A. NAU-
MANN.935 Der Schilfrohrsänger ist neben dem gleichgroßen Seggenrohrsän-
ger der kleinste unserer heimischen Rohrsänger.

Sumpfrohrsänger (Acrocephalus palustris)


Noch um 1910 haben Vogelforscher Vögel geschossen, um sie für bestimmte
Gegenden nachzuweisen. Der schweizer Ornithologe FATIO beschrieb, dass
das nicht immer einfach war. „Beschämt und verzweifelt ging ich in einer
andern Richtung weg, als ich nach etwa einer Viertelstunde in einem anderen
Hanffeld den gleichen Gesang und die nämliche Art [den Sumpfrohrsänger]

931
HOFFMANN 1937, 49 und NAUMANN 1823, 3/ 648
932
BECHSTEIN 1802, 186
933
BECHSTEIN 1802, 186
934
BECHSTEIN 1807, 4/ 635
935
GRIMM/GRIMM 1984, 15/ 207 und J. A. NAUMANN 1797, 1 /215
158 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

wieder erkannte. Meine Hoffnung wuchs und ich stürzte mich wie ein Kind
nach der Gegend hin, wo diese Stimme rief. Ich wollte unter allen Umständen
ins klare kommen, ein Beleg für meine Hypothese erlangen und mich rächen
für all das Missgeschick der letzten Stunden.
Dieses Mal war ich an abgelegener Stelle und ich konnte meinen Vogel be-
obachten, ohne mich verstecken zu müssen. Indessen gelang es mir erst nach
etwa einer Stunde, ihn schussgerecht zu bekommen, als er endlich auf einen
Moment sich auf einen Pflanzenstengel setzte.
Endlich hatte ich die Frucht meiner Bemühungen in Händen und ich beeilte
mich, im Haus des Pfarrers, der allein im ganzen Dorf Fremde beherbergte,
den Vogel zu präparieren.“936
Sumpfsänger, Sumpfrohrsänger, Sumpf-Rohrsänger: Den Kunstnamen
„Sumpfsänger“ hat BECHSTEIN 1798 dem Sumpfrohrsänger in einer LAT-
HAM-Übersetzung zugeordnet. NAUMANN machte daraus später den
„Sumpfrohrsänger“.937
Der Sumpfrohrsänger ist nicht so sehr an Schilf gebunden wie andere Rohr-
sänger. Er brütet in üppiger, feuchter Hochstaudenvegetation an Gräben oder
Gewässerufern.
Sumpfschilfsänger: Der Name stammt von C. L. BREHM. „Mir schien eine
genaue Beschreibung dieses Vogels um so nöthiger, da er von Schinz … gewiß
nicht ganz richtig beschrieben ist, und in Bechsteins Jagdzoologie [1820] ganz
fehlt. Sollte Bechstein durch Wolfs Bemerkung [Taschenbuch der deutschen Vö-
gelkunde 1810, 1/ 238]: ‚Sollte dieser ( Sylvia palustris) wirklich eine besondere
Art seyn? Mir ist er noch nicht zu Gesicht gekommen;‘ zur Auslassung dieses
von ihm bekannt gemachten Sängers veranlaßt worden seyn?“938
Rohrsänger, Rohrgrasmücke: Rohrsänger ist ein Name, mit dem man prak-
tisch jeden im Rohr lebenden kleinen Insektenfresser benannte. „Rohrgras-
mücke“ ist mit ihm synonym.
Rohr-„grasmücke“ ist nach GLOGER „aus dem ähnlich klingenden altger-
manischen Worte grå-smyge, d. h. grauer Schlüpfer, entstanden.“939

936
STUDER/FATIO 1909, 751
937
STRESEMANN 1941, 84 und NAUMANN 1823, 3/ 630
938
C. L. BREHM 1822, 2/ 260
939
GLOGER 1834, 235
PASSERES – SINGVÖGEL 159

Olivengrauer Rohrschirf, Rohrschmätzer: Schirfen kommt tonmalend


vom Spatzengezwitscher und wurde für die Rohrsänger übernommen. Ein
Rohrschirf unterbricht kaum einmal sein „Gezwitscher“.940
Olivengrauer Spitzkopf: Die Gefiederfarbe wird mal mit olivengrau angege-
ben, dann auch als graubraun. Die Kopfform ist ähnlich der des Teichrohr-
sängers, aber mit etwas kürzerem Schnabel. Der „Gesichtsausdruck“ wirkt
freundlicher durch die etwas rundere Kopfform.941
Rohrzeisig, Weidenzeisig, Weiderich: Unter „Rohrzeisig“ verstand man um
1800 andere, ausländische (z. B. eine Pipra) oder heimische Arten (z. B. Gelb-
spötter), nur nicht den Sumpfrohrsänger. NAUMANN hat diesen Namen ins
Spiel gebracht, wohl in Anlehnung an den „Weidenzeisig“.942
Da die Vögel gerne durch ufernahe Weidenbäume und in Weidenbüsche
schlüpfen, um Insekten zu suchen, heißen sie auch Weidenzeisig und Wei-
denmücke oder Weiderich.943 „Weidenzeisige“ waren die kleinen laubvogel-
zeisigartigen Vögel, wie Fitis, Zilpzalp, die Rohrsänger oder Goldhähnchen.
Auch „Weiderich“ war so ein Name, der für alle heimischen Rohrsänger
(außer Drosselrohrsänger) galt.
Rohrspotter, Sprachmeister: Ein Spötter ist ein Vogel, der Stimmen nach-
ahmt. „Andere Ornithologen, die ebenfalls den Sumpfrohrsänger singen hör-
ten, vernahmen noch andere Nachäffungen; derselbe spottet alle Vögel der
Umgebung aus. Temminck hörte ihn in Holland den kleinen Regenpfeifer
und selbst den Austernfischer nachahmen. Gerbe erkannte im Gesang des
Sumpfrohrsängers denjenigen des Distelfinken und der Amsel.“944
Auch den Namen „Sprachmeister“ hat der Vogel wegen seiner großen stimm-
lichen Begabung.945
Nachtschläger, Nachtsänger: „Dieser Vogel singt fast wie die Bastardsnach-
tigall [Gelbspötter], nur nicht mit der vollen Stimme. In der Abend- und
Morgendämmerung und in den warmen Frühlingsnächten ertönt sein holder
Gesang; daher hat er auch den Namen Weidennachtigall erhalten.“946
Der oft auch nachts zu hörende Gesang ist „ein durch kurze Pausen unterbro-
chener Schwall quirlender, gequetschter, rauher und pfeifender Laute, meist

940
GRIMM/GRIMM 1984, 15/ 207
941
SVENSSON/GRANT/MULLARNEY/ZETTERSTRÖM 1999, 296
942
NAUMANN 1823, 3/ 630
943
KRÜNITZ 1780, 19/ 778
944
STUDER/FATIO 1909, 749
945
HOFFMANN 1937, 43
946
KRÜNITZ 1819, 126/ 596
160 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

helle Tonlage und flottes Tempo“ er besteht fast ausschließlich aus brillanten
Imitationen.947
Schwarzblättel: NAUMANN gab Schlesien als Quelle für „Schwarzblät-
tel“ an. „Schwarzblättel“ können Vögel mit einer schwarzen Kappe sein, wie
Mönchsgrasmücke oder Erlenzeisig („Schwarzplättel“), müssen es aber nicht.
SUOLAHTI berichtete nämlich, dass in der Steiermark die „schwarzköpfige
Grasmücke“ die Benennung „Schwarzblattel“ mit dem Gartenrotschwanz tei-
len würde. Bei Letzterem sei aber der schwarze Kehlfleck gemeint. „-blättel“
bedeutete hier also eher Blatt, nicht Platte. Zudem: Im Schlesischen würde
„Schwarze Popel“: „Dunkle Wolken“ bedeuteten. „Schwarz“ muss also nicht
immer auch „schwarz“ sein.948
In der Avifauna Schlesiens von FLOERICKE findet man unter der Nummer
36 die Art: „Acrocephalus palustris (Bechst.) 1802. – Sumpfrohrsänger“. Ohne
weitere Erklärung folgt Nummer 36a eine Unterart: „Acrocephalus palustris
horticolus (Naum.) 1840. – Gartenrohrsänger“. Darunter stehen drei Trivial-
namen: „Sprachmeister, Schwarzblättel, Rohrzeisig“.
In der anschließenden Beschreibung kommt ein Satz vor, der bei der Deu-
tung von „Schwarzblättel“ weiterhelfen könnte: „Naumann’s horticolus, wel-
cher sich hauptsächlich durch dunklere Färbung der Oberseite unterscheidet,
kommt auch in Schlesien vor“.
Da „Schwarzblättel“ sich laut SUOLAHTI nicht auf eine Kopfkappe beziehen
muss und da schwarz auch dunkel bedeuten könnte, könnte mit „Schwarz-
blättel“ ein Sumpfrohrsänger mit der Oberseite dieser Variation gemeint
sein, anders ausgedrückt: Wer „Schwarzblättel“ sagt, meint die Variation, die
FLOERICKE „Gartenrohrsänger nannte.949
Strauchrohrsänger: In der Neuauflage des NAUMANN schrieb R. BLA-
SIUS: „Als Anhang zum Sumpfrohrsänger bringe ich hier den von NAU-
MANN in den Nachträgen beschriebenen und abgebildeten Strauchrohrsän-
ger [der hier unbeachtet bleibt], der mir aber als vollkommen identisch mit
dem Sumpfrohrsänger erscheint.“ NAUMANN hatte den Vogel „Acrocepha-
lus palustris fruticolus“ genannt.950

947
SVENSSON/GRANT/MULLARNEY/ZETTERSTRÖM 1999, 296
948
NAUMANN 1823, 3/ 630 und SUOLAHTI 1909, 47 und SUCHNER 1990, 184
949
FLOERICKE 1892, 135
950
NAUMANN/HENNICKE 1897, 2/ 62
PASSERES – SINGVÖGEL 161

Teichrohrsänger (Acrocephalus scirpaceus)


„Es war im Jahre 1838, als ich in einem vom Wasser ziemlich entfernt gele-
genen, dichten Kiefernzuschlage bei Lübz mehrere Rohrsänger bemerkte, die
mir, nach ihrem Gesange zu schließen, zum Teichrohrsänger, Cal[amoherpe]
arundinacea Boie, zu gehören schienen. Mir war diese Erscheinung sehr auf-
fallend, da noch kein Ornithologe irgend einmal in einem Nadelwalde einen
Rohrsänger und zumal einen Teichrohrsänger gefunden hatte. Ich theilte die-
se merkwürdige Erscheinung meinem Freunde dem Pastor Brehm zu Ren-
thendorf bei Neustadt an der Orla mit, der mir alsbald darauf erwiederte, daß
er diesen Rohrsänger für neu halte und ich mir die möglichste Mühe geben
möchte, ihm ein oder mehrere Exemplare davon zu beschaffen. Es gingen
ein Paar Jahre hin, bevor es mir gelang, ein Stück zu erlegen. Endlich am
20. Mai des Jahres 1840 wurde mir die Freude, einen männlichen Vogel zu
bekommen. Ich hielt ihn, wie ich ihn zuerst sah, für den Teichrohrsänger, mit
dem er auch die täuschendste Ähnlichkeit hat; schickte ihn aber an Brehm,
der sogleich eine neue Art darin erkannte, die er, wegen ihres Aufenthaltes
im Kiefernwalde, Calamoherpe pinetorum nannte. In der Versammlung der
Ornithologen zu Köthen (im Sept. 1845) legte Brehm diesen Vogel als eigene
Art den anwesenden Ornithologen vor, und die Herrn Professoren Naumann
und Thienemann erkannten ihn gleichfalls als solche an.“951
(Siehe dazu unten: Gartenrohrsänger).
Teichsänger, Teich-Rohrsänger: „Teichsänger“ entspricht den vorher be-
schriebenen „Schilfsänger“ und „Sumpfsänger“, alle drei von BECHSTEIN
(1802) so benannt und alle von NAUMANN (1823) mit „-rohr-“ erweitert.
Den „Seggensänger“ findet man erstmals bei OKEN (1843). Der „Seggen-
rohrsänger“ stammt ebenfalls von NAUMANN (1860).952
Der Teichrohrsänger ist nicht an Teiche gebunden. Er brütet in hohen, dich-
ten, im Wasser stehenden Schilfbeständen.
Gemeiner Rohrvogel, Rohrsänger: „Ist ein Zugvogel, und findet sich überall
wo Schilf wächst, an dessen Halmen er ungemein hurtig auf und ab klettert,
und sich so zu verstecken weiß, daß man ihn selten zu Gesicht bekommt.“953
Kleiner Rohrsänger, Kleiner Rohrsperling: „… als lauter Vogel bekannt,
daher sprichwörtlich: Er schimpft wie ein Rohrsperling.“954 Der Teichrohr-
sänger ist mit 12,5 –14 cm Länge der kleinste der drei so ähnlich ausse-

951
ZANDER 1847, 8
952
STRESEMANN 1941, 84
953
OKEN 1837, 46
954
GRIMM/GRIMM 1984, 14/ 1133
162 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

henden Rohrsängerarten (Drosselrohrsänger 16–20 cm, Sumpfrohrsänger


1315 cm).955
Der Teichrohrsänger sei eine von drei Vogelarten, die außer der Rohrammer
mit „Rohrspatz, Rohrsperling“ bezeichnet werden. Der Drosselrohrsänger
sei eine weitere von ihnen, der Schilfrohrsänger die dritte. Nach der Auffas-
sung von MEDICUS, der den Gesang von Teich- und Drosselrohrsänger für
„schnarrend, nicht wohltönend“ hielt, würde dieser aber „wohl für den Urhe-
ber der sprüchwörtlichen Redensart von dem Rohrspatz gehalten werden.“956
Kleiner Schilfsänger, Schilfsänger, Schilfschmätzer, Rohrschmätzer: Der
Vogel bevorzugt senkrechte Schilfstrukturen entlang Gräben, Bächen usw.,
während der Sumpfrohrsänger in ufernäheren Schilfbereichen und der Dros-
selrohrsänger in Altschilfbeständen lebt.957
„Den ganzen Sommer hindurch sieht man diesen Vogel ohne Unterlass längs
den Halmen des Schilfrohrs und den Stengeln der Riedgräser entlang klet-
tern. … Er unterbricht kaum je sein Gezwitscher.“958
Rohrschirf, Brauner Rohrschirf, Wasserweißkehle: Schirfen kommt ton-
malend vom Spatzengezwitscher und wurde für die Rohrsänger übernom-
men.959 Ein Rohrschirf unterbricht kaum einmal sein „Gezwitscher“. Die
Oberseite des Vogels ist einfarbig braun, die Unterseite beigeweiß.960
Wasserdornreich, Schilfdornreich: „Dornreich (entstellt ahd. Dorndrâil)
bezeichnet zunächst den Würger, es wurde dann auf Drosselarten übertra-
gen.“961 BECHSTEIN nannte dementsprechend die Rohr„drossel“, also den
Drosselrohrsänger, „Wasser“dornreich, nicht aber den Teichrohrsänger, den
er allerdings schon 1795 (674) unter „Rohrsänger“ mit dem Nebennamen
„Schilf“dornreich bezeichnet hatte.962
Dornreich ist „ein Geschlechtsnahme verschiedener Vögel, welche in den
Dornen hecken und singen. Gemeiniglich rechnet man dahin, den gemei-
nen Dornreich [Dorngrasmücke], die Mönchsmeise [Sumpf-/Weidenmeise]
mit ihren Unterarten, den braunköpfigen Mönch [Mönchsgrasmücke], den
Schilfdornreich … “.963

955
SVENSSON/GRANT/MULLARNEY/ZETTERSTRÖM 1999, 296
956
MEDICUS 1877, 201
957
MITTELBADISCHE PRESSE 27.04.2011
958
STUDER/FATIO 1909, 784
959
GRIMM/GRIMM 1984, 15/ 207
960
SVENSSON/GRANT/MULLARNEY/ZETTERSTRÖM 1999, 296
961
GRIMM/GRIMM 1984, 27/ 2380
962
BECHSTEIN 1802, 153
963
ADELUNG 1793, 1/ 1527
PASSERES – SINGVÖGEL 163

Spitzkopf, Rostgrauer Spitzkopf: Der Teichrohrsänger hat einen spitzen


Kopf mit flachem Scheitel und langem schmalem Schnabel. Östliche Vögel
haben eine etwas grauere Oberseite und sind unterseits blasser.964
Andererseits: „Es ist auch der Erfahrung gemäß, daß die Sommervögel mehr
graubraun aussehen und die im Herbst nach der Mauser geschossenen einen
mehr olivenfarbenen Anstrich haben.“965
Spitzkopf mit der Schwanzbinde: „BECHSTEIN beschreibt eine merkwür-
dige Spielart: sie hat, bei übrigens ganz gewöhnlich gefärbtem Gefieder, eine
schmale [rötlichgelbe] gelbliche Querbinde durch den Schwanz. Sonst sind
keine Abweichungen, die nicht Bezug auf Alter und Geschlecht hätten, weiter
bekannt.“966
„Wasserzeisig, in der Zoologie, so viel wie Rohrsänger ( Sylvia arundinacea).“967
Teichlaubvogel, Rohrzeisig, Wasserzeisig, Rohrgrasmücke, Rohrschliefer:
„Schliefer“ sind Schlüpfer und, wie auch „Grasmücke“ nach GLOGER, wahr-
scheinlich „aus dem ähnlich klingenden altgermanischen Worte grå-smyge, d.
h. grauer Schlüpfer, entstanden“.968
Als „Teichlaubvogel“ führte BECHSTEIN seine „Sylvia arundinacea“. Den
„Art“namen „arundinaceus“, von arundo für Röhricht, hatte – neben anderen,
wie turdoides – der Drosselrohrsänger.969
Der Ausdruck „Laubvogel“ kann hier inhaltlich mit „Rohrvogel“ gleichge-
setzt werden.
„Rohr-“ und „Wasserzeisig“ sind Kunstnamen von BECHSTEIN, die sich
nicht durchgesetzt haben. NAUMANN hat allerdings beide Ausdrücke für
den Teichrohrsänger übernommen. Er gab neben dem Teichrohrsänger auch
dem kleinen Sumpfrohrsänger den Beinamen „Rohrzeisig“. Der große Dros-
selrohrsänger war für NAUMANN kein Wasserzeisig, sondern eine „Wasser-
nachtigall“.970
Weidenmücke: Gemeint ist der Rohrsänger, „ein zum Geschlecht der Stelzen,
Nachtigallen, Grasmücken usw. gehörender Vogel, welcher sich in Rohr- und
Weidengebüschen aufhält, in schönen Frühlingsnächten singt und auch die
Stimme anderer Vögel nachahmet ( Motacilla salicaria); auch Weidenzeisig,

964
SVENSSON/GRANT/MULLARNEY/ZETTERSTRÖM 1999, 296
965
BECHSTEIN 1807, 3/ 574
966
NAUMANN 1823, 3/ 614
967
KRÜNITZ 1856, 235/ 176
968
GLOGER 1834, 235
969
BECHSTEIN 1807, 3/ 566
970
BECHSTEIN 1807, 3/566 und NAUMANN 1823, 3/ 614 + 597 + 630
164 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Weidengrasmücke, Weidenmücke, Rohrgrasmücke, Rohrschleifer, Rohrsper-


ling …“971 Weidenmücke für den Teichrohrsänger ist ein aus „Grasmücke“
entstandener Kunstname von BECHSTEIN mit der entsprechenden Bedeu-
tung „Weidenschlüpfer“.972
Kleine braungelbe Grasmücke: Der Name stammt von HALLE, der mit
„curruca salicaria“ aber möglicherweise den Schilfrohrsänger meinte.973 „Klei-
ne braungelbe Grasmücke“ für den Teichrohrsänger findet man bei BECH-
STEIN (1795). Er beschrieb die Farben des Oberleibs des Vogels von aschgrau
über zeisiggrün bis olivengrau. Am weißen Unterleib habe die Brust einen
gelblichen Anstrich. BECHSTEIN brachte zwar den Begriff „braungelb“, hat
aber den auch in der realen Beobachtung als braun erscheinenden Oberkör-
per nicht erwähnt. Der Ausdruck wurde in BECHSTEINS zweite Auflage der
Naturgeschichte (1807) und auch von NAUMANN übernommen.974
KLEIN brachte die „Kleine graugelbe Grasmücke“. Der Ausdruck hätte bes-
ser zu BECHSTEINS Beschreibung gepasst.975
Weidengucker: „Und weil daselbst [an Schilfufern] insgemein Weiden ste-
hen, wird er von dem Ritter [Linné] Salicaria, auch wohl von uns Weiderich
oder Weidenguckerlein gemeinet“976
Ein ähnlich alter Nachweis dieses Namens stammt aus einem Lexikon von
Johann HÜBNER aus dem Jahr 1776. Der Begriff ist inhaltlich gleichzu-
setzen mit „Weidenmücke“, da er nach Insekten guckend, suchend durch das
Ufergesträuch schlüpft.
Wyderle: Das Verb „wudeln“ bedeutet „sich hin und her bewegen“. Das
macht der immer aktive Vogel im Röhricht oder Gebüsch.977
Zepste: Der Name wurde nicht gefunden. Er entstammt möglicherweise
einer slawischen Sprache und wurde von einer Reise aus Asien mitgebracht.

Garten-Rohrsänger (1860: Sylvia (Calamoherpe) horticola N.):


In den Nachträgen beschrieb NAUMANN eine „Sylvia ( Calamoherpe) horti-
cola, Naumann“ und leitete ein: „Da, wie bereits erwähnt, unser C. L. Brehm
(a. a. O.) diesen Vogel unter zwei verschiedenen Namen beschrieb, wird es zu

971
CAMPE 1809, 3/ 856
972
BECHSTEIN 1795, 671
973
HALLE 1760, 323
974
BECHSTEIN 1795, 671 + 1807, 3/ 566 und NAUMANN 1823, 3/ 614
975
KLEIN 1760, 139
976
MÜLLER 1773, 606
977
GRIMM/GRIMM 1984, 30/ 1734
PASSERES – SINGVÖGEL 165

entschuldigen sein, wenn ich keinen von beiden beibehielt, sondern unsern
Vogel mit dem vorstehenden bezeichnete, da er wie jene auf seinen Aufenthalt
Bezug hat.“978
C. L. BREHM hatte einen „Erlenschilfsänger – Calamoherpe alnorum, Brehm“
und einen „Strauchrohrsänger – Calamoherpe arbustorum, Boje et Brehm“ von
dem „Rohrschilfsänger – Calamoherpe arundinacea, Boje“ unterschieden.979
Zu solchem damaligen „Arten-Machen“ („theils eine Wirkung der Eitelkeit
unserer systematischen Naturforscher …“) brachte WILCKENS (1866) ein
Beispiel aus der Zeitschrift Der Zoologische Garten (1863). Danach sei der
Teichrohrsänger „früher“ am Mainufer bei Frankfurt sehr häufig gewesen.
„Als dann später die Ufer eingedämmt waren, ein reger Verkehr sich einstell-
te, die aufwärts gehenden Schiffe durch Pferde bewegt und die Zugleinen
fortwährend über das Uferrohr geschleift wurden, was den Vogel sehr beun-
ruhigte, da habe sich der Rohrsänger aus dem Rohre am Ufer in die nahen
Gärten geflüchtet und dort sein Nest gebaut. Die Zoologen hätten dann den
Vogel unerwarteter Weise im Garten gefunden, den sie früher als Rohrbe-
wohner gekannt hatten – und die neue Art: Garten-Rohrsänger, Calamoherpe
horticola, war fertig und Naumann fügte seinen Namen derselben hinzu. Da
aber der Rohrsänger einmal den ursprünglichen Aufenthaltsort gewechselt
hatte, so lag es nahe, daß er sich auch an andere Orte begab, wenn Gärten
nicht zugegen waren, und so fanden die Zoologen den Rohrsänger in Reben-
gehölzen, in Fichtenwäldern, auf Weidenbäumen, auf Erlen, an Bächen und
Fischteichen, bildeten dann gemäß diesen neuen Aufenthaltsorten neue Arten
und nannten den Rohrsänger, Calamoherpe arbustorum, pinetorum, salicaria,
alnorum, hydrophilos, piscinarum, welche Arten alle vom verstorbenen Vater
[C. L.] Brehm aufgeführt wurden.“980

Drosselrohrsänger (Acrocephalus arundinaceus)


„Während die anderen Vögel, die im Mai aus Afrika zurückkehren, gleich an
den Nestbau gehen können, müssen die Rohsänger noch ein paar Wochen
warten. Denn das Rohr ist noch nicht lang genug. Ehe es nicht anderthalb
Meter hoch ist, bauen sie nicht. … Bevor sie zu bauen beginnen, benutzen
sie die noch von Sorgen nicht beschwerten Tage zum Singen, und auch in
den Nächten verstummen sie kaum. Sie veranstalten ein wahres Panskonzert
im Wettgesang mit den Fröschen. ‚Karre, Karre, Karre, Kied, Kied, Kied‘, so

978
NAUMANN 1860, 13/ 444
979
C. L. BREHM 1831, 443
980
WILCKENS 1866, Der Zoologische Garten Jhg. 1863
166 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

knarrt es in hurtigem Rhythmus fast ununterbrochen, und dabei reißen die


Musikanten die Schnäbel weit auf. ‚Er schimpft wie ein Rohrspatz‘ – das be-
zieht sich eigentlich auf den Drosselrohrsänger.“981
Rohrdrossel, Drossel-Rohrsänger, Drosselrohrsänger, Drosselsänger,
Schilfdrossel, Drosselartiger Sänger, Großer Rohrvogel, Rohrvogel: Rohr-
sänger leben in meist offenen Feuchtgebieten mit Schilf und Gebüsch, wo sie
sich lebhaft bewegen und arttypisch singen. Der Drosselrohrsänger selbst ver-
lässt das Schilf so gut wie nie. Er bevorzugt hohe Röhrichte, die schon einige
Jahre alt sind (o. Qu.).
„Dieser Vogel hat das Schicksal gehabt, bis auf die neuesten Zeiten unter den
Drosseln zu stehen, weil ihn Linne unter sie gesetzt und ihn Turdus arundi-
naceus genannt hatte. Selbst Bechstein weist ihm in seiner Jagdzoologie noch
eine Stelle unter ihnen an. Naumann war der erste welcher ihn unter die
Schilfsänger reihte, und dahin gehört er auch.“982 „Daß man diesen Vogel
früherhin zu der Drosselgattung ( Turdus) zählte und ihn Turdus arundina-
ceus genannt hatte, ist bekannt, und hierzu mochte seine Größe und sein
starker Schnabel, daher etwas Drosselartiges im äußern Aussehen, verleitet
haben.“983 Aber auch der Gesang wurde mit dem der Drosseln verglichen, wie
ADELUNG schrieb: Sie ist „eine Art Drosseln, welche die Gesangdrossel im
Singen nachahmet.“984 „Rohrdrossel“ war deshalb der Name des Vogels bis in
jüngere Zeit.
Tatsächlich besteht zwischen diesen Rohrsängern und Drosseln keine Ähn-
lichkeit, weder in der Größe, noch im Gesang.
„Rohrdrossel, Turdus arundinaceus“ war der Name des Vogels bei BUFFON
und BECHSTEIN, 1795 und auch noch 1807. Beide Autoren hatten den
Vogel zu den Drosseln geordnet.985
Der Name „Drosselrohrsänger“ stammt von NAUMANN, der die Rohrsän-
ger konsequent benannt hat, indem er „-sänger“, wo sinnvoll, durch „-rohr-
sänger“ ersetzt hat.986
Drosselartiger Schilfsänger: C. L. BREHM zählte zu seiner Familie der „Schilf-
sänger“ den „Drosselartigen Schilfsänger – Sylvia turdoides, Meyer“ (Drossel-
rohrsänger), den „Teichschilfsänger – Sylvia arundinacea, Lath.“ (Teichrohr-
sänger), den „Sumpfschilfsänger – Sylvia palustris, Bechst.“ (Sumpfrohrsänger),

981
GERLACH 1953, 146
982
C. L. BREHM 1822, 2/ 240
983
NAUMANN 1823, 3/ 597
984
ADELUNG 1798, 3/1 145
985
BUFFON/OTTO 1782, 8/ 254 und BECHSTEIN 1795, 231 + 1807, 3/ 402
986
NAUMANN 1823, 3/ 597
PASSERES – SINGVÖGEL 167

den „Heuschreckenschilfsänger – Sylvia locustella, Wolfii“ (Feldschwirl), den


„Uferschilfsänger – Sylvia phragmitis, Bechst.“ (Schilfrohrsänger) und den „Ge-
streiften Schilfsänger – Sylvia striata, mihi“ (Seggenrohrsänger). In Klammern
stehen die heutigen Bezeichnungen.
Alle deutschen Namen der deutsch-lateinischen Namenspaare stammen von
C. L. BREHM.987
Weidendrossel, Bruchdrossel: KLEIN hatte diesen Vogel 1750 als „Bruch-
Weiden-Rohrdrossel“ bezeichnet. Schon 1760 fand bei KLEIN/REYGER
eine Auftrennung statt. Eine „Bruchdrossel ( Turdus musicus palustris)“, auch
„Weidendrossel“ genannt, wurde beschrieben – neben einer „Rohrdrossel
( Turdus canorus arundinarius)“.988
„Es soll vorkommen, dass die Rohrdrossel auch ins Weidendickicht baut; aus
der Schweiz ist uns kein solcher Fall bekannt (Blasius, Kleinschmidt, Müller,
Hartert haben solche Fälle publiziert).“ BEZZEL bestätigt das, weist aber da-
rauf hin, dass es sich dann um Ausnahmefälle handelt.989
Flußnachtigall: „Man hat diesen Vogel die Flußnachtigall genannt, weil das
Männchen Tag und Nacht, so lange das Weibchen brütet, singt, und weil er
sich gern an nassen Orten aufhält. Sein Gesang ist doch lange nicht so ange-
nehm als der Nachtigall ihrer, wenn er sich gleich weiter erstreckt.“990
Es gab aber auch andere Wahrnehmungen: „Die Rohrdrossel hat einen ab-
wechselnden schönen Gesang; besonders singt sie des Abends und Morgens
viel, und schön, und bewegt den ganzen Körper dabey. Ihr Aufenthalt sind
die mit Gesträuche und Schilf bewachsenen Ufer der Seen, Flüsse und große
Teiche, daher sie auch in manchen Gegenden den Namen Flußnachtigall er-
halten hat.“991
Sumpfnachtigall, Wassernachtigall, Rohrsprosser: „Obschon sein nichts
weniger als schöner oder melodischer Gesang gar keine Ähnlichkeit mit dem-
jenigen der Nachtigall hat, wird der Vogel doch Sumpf-, Wasser-, Fluß- oder
Rohrnachtigall geheißen.“992
Großer Rohrsänger, Rohrsänger: Der Drosselrohrsänger singt in der Brut-
zeit unermüdlich von der Spitze eines hohen Halmes ein typisches, lautes,
unverwechselbares, sich immer wiederholdendes „Karre-karre-krie-krie“ oder

987
C. L. BREHM 1822, 2/ 238f
988
KLEIN 1750, 178 und KLEIN/REYGER 1760, 70
989
STUDER/FATIO 1909, 812 und BEZZEL 1993, 316
990
BUFFON/OTTO 1791, 8/ 335
991
HEPPE 1798, 119
992
NAUMANN 1823, 3/ 597
168 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

„Karre-karre-karre-krie-krie-krie“. Das Bild des eifrig singenden, eindeutig


größten unserer Rohrsänger, ist anrührend, nicht aber sein Gesang.
Rohrsperling, Großer Rohrsperling, Groote Ruhrsparling: Der Gesang
wird in der Literatur nicht gerade gelobt (eigentümliche Töne, ohrenbetäu-
bende Wirkung, lautes Quaken und Rätschen…). Der Vogel singt unermüd-
lich, was mit dem ebenfalls unermüdlichen Tschilpen des Sperlings gleichge-
setzt werden kann. Nach SUOLAHTI habe dieser Gesang „der dollen Rohr-
sperlinge“ die Redensart „Schimpfen wie ein Rohrspatz“ hervorgerufen.993
Rohrschirf, Großer Rohrschirf: Schirfen kommt tonmalend vom Spatzen-
gezwitscher und wurde für die Rohrsänger übernommen. Ein Rohrschirf
unterbricht kaum einmal sein „Gezwitscher“.994
Wasserdornreich: „Dornreich (entstellt aus ahd. dorndrâil) bezeichnet zu-
nächst den Würger, es wurde dann auf Drosselarten übertragen.“995 „Dorn-
drâil“ entstand aus „dorndrâgil“, worunter man „Dorndreher, Rotkopfwür-
ger“ verstand.996
Nach KRÜNITZ ist „Dornreich“ ein „Geschlechtsname verschiedener Vögel,
die in den Dornen und dicken Gebüschen hecken und singen.“ Danach ist
der Wasserdornreich, unter dem man auch den Teichrohrsänger verstand, ein
Vogel des Röhrichts.997
Rohrschliefer: Schliefen ist „schlüpfen, gleiten“. Der Rohrschliefer schlüpft
im Röhricht umher.998
Wasserweißkehle: Auf der weißlichen Unterseite des Vogels ist die helle vib-
rierende Kehle des singenden Vogels ein Blickfang.
Großer Spitzkopf: Mit dem Gattungsnamen „Acrocephalus“, das „Spitzkopf“
bedeutet, hat Rudolf BLASIUS in der Neuauflage des NAUMANN Drossel-,
Teich-, Sumpf- und Seggenrohrsänger zu „Spitzköpfen“ neu benannt und
auch entsprechende Beinamen aufgeführt:
Der Teichrohrsänger ist der „Rostgraue Spitzkopf“, der Sumpfrohrsänger ist
der „Olivengraue Spitzkopf“, der Seggenrohrsänger ist der „Gestreifte Spitz-
kopf“ und der Drosselrohrsänger als der größte dieser Vögel mit der auffälli-

993
SUOLAHTI 1909, 79
994
GRIMM/GRIMM 1984, 15/ 207 und OKEN 1816, 437
995
GRIMM/GRIMM 1984, 27/ 2380
996
KÖBLER 1993
997
KRÜNITZ 1776, 9/ 440
998
GRIMM/GRIMM 1984, 15/ 670
PASSERES – SINGVÖGEL 169

gen Kopfform ist der „Große Spitzkopf“. Für NAUMANN (1823) gehörten
alle diese Vögel zu „Sylvia“.999
Schlotengatzer: Gatzen bedeutet „gackern, schnattern, schwätzen“. Schlote
kommt von mhd. slâte, Schilfrohr. Ein Schlotengatzer ist ein Vogel, der im
Schilfrohr schnatternd, schwätzend singt, ein Rohrsänger also.1000

Blassspötter (Hippolais pallida)


Der Vogel ist verbreitet von Südspanien über die südlichen Mittelmeerländer,
den Balkan, die Türkei bis hinter das Kaspische Meer. Da der Blassspötter
keine markanten, ihm allein zukommenden Merkmale hat, ist das Verwechs-
lungsrisiko beachtlich, zumal der Vogel nur kurze Zeit ruhig und selten frei
sitzt. Sogar die Stimme, bei vielen Vögeln ein sicheres Kennzeichen, kann für
Verwirrung sorgen.1001
Blaßspötter: Ursprünglich enthält der Gesang der Spötter eingeflochtene
Imitationen anderer Vögel, mit denen er diese „verspottet“. Später ist „Spöt-
ter“ ein systematischer Begriff geworden. Ein Blassspötter ist ein Spötter, der
nicht imitiert. Der überwiegend graue, unscheinbare, also blasse Vogel erin-
nert an einen farblosen Teichrohrsänger.1002
Grauspötter: Für BREHM war der „Grauspötter“ eine eigene Art, dessen
wissenschaftlichen Namen er u. a. mit „Hypolais opaca“ angab. Der Vogel soll-
te im Südosten von Spanien verbreitet sein. Den Namen erhielt der „Grau-
spötter“ wegen seines unscheinbaren Gefieders.1003
Ramaspötter: „In Griechenland vertreten unseren Vogel [gemeint war der
Gelbspötter] zwei nahe verwandte Arten: der merklich kleinere, genau gleich
gefärbte … Blaßspötter ( Hypolais pallida), welcher wahrscheinlich dem Ra-
maspötter ( Hypolais caligata oder Rama) gleichartig ist, und der größere
dunklere Olivenspötter …“1004
Während zu „Ramaspötter“ keine Informationen zu bekommen waren, ver-
birgt sich hinter „Hypolais [heute: Hippolais] caligata“ der fernöstliche Busch-
spötter („Booted [Tree-]Warbler“), der in Indien überwintert. Letzteres dürfte
namengebend gewesen sein.

999
NAUMANN/HENNICKE 1897, 2/ 49f
1000
GRIMM/GRIMM 1984, 15/ 783
1001
GLUTZ VON BLOTZHEIM/BAUER 1991, 12545
1002
SVENSSON/GRANT/MULLARNEY/ZETTERSTRÖM 1999, 302
1003
BREHM 1879, 5/ 201
1004
BREHM 1879, 5 /202
170 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Gelbspötter (Hippolais icterina)


HEINROTH warnte vor einer Verwendung volkstümlicher Namen, die sich
als falsch erwiesen hätten. „Da man durch geeignete Wahl der deutschen Na-
men darauf hinwirken kann, allgemeine Irrtümer auszumerzen, so wäre es
gut, wenn man sich wie in anderen Fällen darüber einigen wollte, nur eine be-
stimmte Bezeichnung für eine Vogelart zu wählen. Würden die anderen mehr
oder weniger unsinnigen Benennungen aus unseren Büchern verschwinden,
so würde sie auch bald keiner mehr gebrauchen. Aber nicht nur der deutsche
Name macht dem mit etwas Sprachgefühl Begabten Kummer, sondern auch
der wissenschaftliche. Im Griechischen heißt bezeichnend ein grasmücken-
artiger Vogel ‚Hypolais‘, d. h. der unter sich Murmelnde, oder wie wir sagen
würden, der vor sich hin Schwatzende, wobei hypo natürlich unten bedeu-
tet. Unglücklicherweise hat nun der alte Brehm 1828 irrtümlich Hippolais
geschrieben. … Die unglückliche Regel, daß immer der ältere Name, auch
wenn er sprachlich noch so falsch ist, und seine Bildung offenbar auf einem
Irrtum beruht, angewandt werden muß, bringt es mit sich, daß wir bei der
sinnlosen Bezeichnung Hippolais bleiben müssen.“1005
Gelber Spottvogel, Spottvogel, Spötterling, Großer Spötterling: Der
Mensch ahmt nicht selten Sprache oder Gebärden anderer nach, was leicht
in Spotten ausartet. Dementsprechend nannte man das Nachahmen fremder
Stimmen, Musik und Geräusche durch Vögel ebenfalls „spotten“. Als man
erkannte, dass der bis dahin „Gartenlaubvogel“ genannte Sänger zu diesen
Vögeln gehört, gab man ihm den Namen „Spottvogel, Gelbspötter“ usw.1006
Der Gesang dieser Spötter ist laut, lang anhaltend, rauh schwätzend oder
melodisch, manchmal mit eingeflochtenen Imitationen anderer Vögel, mit
denen er diese „verspottet“. Er imitiert aber nicht so brillant wie etwa der
Sumpfrohrsänger.1007 GLOGER urteilte 1834 noch anders: „Denn vermöge
einer bewunderungswürdigen Nachahmungsgabe weiß er die Lieder anderer,
ihm nahe wohnender Singvögel, – wie das des Rohr- und Goldammers, der
Rauchschwalbe, des Staares, das Geschwätz der Sperlinge, ja sogar (nur in
weit leiserem Tone) die Stimmen größerer Vögel, wie der Meerschwalben,
der großen Wasserläuferarten, das Schackern der Elster, das Girren oder Gi-
ckern des Thurmfalken, das Geschrei des Lerchenfalken, das Gelock des Pi-
rols, der Amsel, den Schlag der Wachtel u.s.w., – auf eine sonderbare und
höchst possierliche Weise in seine eigenen Tonsätze zu verflechten.“1008 Diese

1005
HEINROTH 1966, 91
1006
HOFFMANN 1937, 42
1007
SVENSSON/GRANT/MULLARNEY/ZETTERSTRÖM 1999, 300
1008
GLOGER 1843, 222
PASSERES – SINGVÖGEL 171

Beschreibung macht den Namen „Großer“ Spötterling verständlich, denn


der Gelb“„spötter“ ist eher kleiner als z. B. der Sumpfrohrsänger oder andere
Spötter.
Bastardnachtigall: Der Name war weit verbreitet. Sie „singen sehr stark und
abwechselnd, fast wie die Nachtigallen.“1009 „Bastard“ wurde dieser Vogel ge-
nannt, weil sein als nachtigallähnlich empfundener Gesang eine Mischung
aus eigenen und imitierten Strophen ist. HEINROTH hielt diesen Namen
für ungeeignet: „Die nach dem Gesang zurechtgemachte Bezeichnung Bas-
tardnachtigall läßt bei dem Uneingeweihten die Vermutung aufkommen, daß
der Vogel mit der Nachtigall stammesgeschichtlich verwandt sei.“1010 Auch
C. L. BREHM wendete sich gegen „Bastardnachtigall“: Der Gesang sei über-
schätzt worden. „Meinem Gefühl ist er schon dem Gesang der schwarzköp-
figen [Mönchs-] und grauen [wahrscheinlich Garten-] Grasmücke nachzu-
setzen.“1011
Gartenlaubvogel, Gartensänger: Der Name „Gelbspötter“ hat sich erst
im Laufe des 20. Jahrhunderts durchgesetzt. Vorher war „Gartenlaubvogel“
ein oft gebrauchter Name, so von NAUMANN oder noch viel später von
KLEINSCHMIDT.1012
Kritik von HEINROTH: „Der Gelbspötter ist eben gerade kein Laubvogel
( Phylloscopus), sondern … ein auf die die Bäume gegangener Rohrsänger,
denn wenn er ein Laubvogel wäre, müßten seine Jungen bedaunt sein, dürf-
ten keine Zungenpunkte haben, und er hätte ein überwölbtes Nest auf oder
in der Erde.“1013
Für BREHM war der Hauptname „Gartensänger“, was dem Einwurf HEIN-
ROTHS entspricht, der Gelbspötter sei ein auf die Bäume gegangener Roh-
sänger.1014
Der Vogel, der eine im Frühjahr leuchtend hellgelbe Unterseite hat, bevorzugt
nicht zu dichte Laubwälder mit großen Bäumen und hohen Büschen, Park-
land und auch Gärten.1015
Sänger, Gelbbäuchiger Sänger, Großer Gesangzeisig: „Der Sänger“ war der
Gelbspötter Ende des 18. Jahrhunderts in Thüringen.1016

1009
OKEN 1837, 32
1010
HEINROTH 1966, 92
1011
C. L. BREHM 1821, 2/ 200
1012
NAUMANN 1823, 3/ 540 und KLEINSCHMIDT 1963, 62, 9. Auflage
1013
HEINROTH 1966, 91
1014
BREHM 1879, 5/ 199
1015
BEAMAN/MADGE 1998, 666
1016
BECHSTEIN 1795, 666
172 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

„Gelbbäuchiger Sänger“ stammt laut MEISNER von BECHSTEIN, der den


Namen als Leitnamen für den Vogel führte.1017 Noch einmal BECHSTEIN:
Der Ausdruck „Großer Gesangzeisig“ stammte von dem BUFFON-Überset-
zer OTTO.1018 Aus OTTOS Beschreibung wird die damalige Unsicherheit
in der Zuordnung eines Vogels zu einer Art deutlich. Als Gesangzeisig wür-
den drei Vögel genannt, „die in der Gestalt und den Farben ziemlich überein
kommen, in der Größe und dem Gesange aber sehr verschieden sind.“ Der
„Große Gesangzeisig“ sei vielleicht Linnes Gelbbrust „Motacilla hypolais“, ein
sehr bekannter Vogel in Deutschland, der fast alle Gesänge der Vögel, selbst
der Nachtigall ihren, nachahmt. Der zweite Vogel sei der Weidenzeisig, mit
dem OTTO anscheinend eher den Waldlaubsänger meinte als den Zilzalp.
Schließlich der dritte Vogel, „unser Sänger, oder der sogenannte kleine Zei-
sig,“ der Fitis.
Gelber Laubvogel, Gelber Laubsänger, Großschnabeliger Laubsänger,
Gelbbrust, Gelbbäuchiger Laubsänger, Gelbbäuchiger Rohrsänger, Gro-
ßer Laubvogel: Für OKEN war der Gelbspötter der „Gelbe Laubvogel“,
denn er „sucht die Insecten unter dem Laub hervor, daher er beständig in
den Hecken umherkriecht.“1019 OKEN benannte den Vogel 1843 in „Gelber
Laubsänger“ um, wohl an C. L. BREHM angelehnt (s. u.).
NAUMANN führte den „Gartenlaubvogel“ (Gelbspötter) unter „Laubvögel
– Phyllopseustae“. Zu den Laubvögeln zählte er auch den „Wald“-, „Fitis“-
und „Weidenlaubvogel“. Sie erhielten, wie alle Arten in den „Familien“ seiner
„Gattung Sänger“ den Namen „Sylvia“.
In der Neuauflage des „NAUMANN“ bekamen die „Laubsänger“ den Gat-
tungsnamen „Phylloscopus“. Der Gelbspötter zählt nicht zu ihnen, sondern
heißt dort „Hypolais“, trotz HEINROTHS Einwand bezüglich „Hippolais“
von C. L. BREHM (s. Einleitung).1020
Der „Großschnabelige Laubsänger“ ist ein Kunstname von C. L. BREHM.
„Der Schnabel ist durchaus sehr breit.“1021 C. L. BREHM nannte den Vogel
neben „Bastardnachtigall“ auch „Gelbbauchiger Sänger“ und „Laubsänger“
und mit lateinischem Namen „Sylvia hippolais“. Die Schnäbel der anderen
Laubsänger beschrieb C. L. BREHM als schwächer, kleiner.
Auch „Gelbbäuchiger Laubsänger“ stammt von C. L. BREHM (1821), wäh-
rend „Großer Laubvogel“ wohl eine Schöpfung von NAUMANN ist. Nur bei

1017
MEISNER 1804, 29 und BECHSTEIN 1802, 173
1018
BECHSTEIN 1807, 4/ 554 und BUFFON/OTTO 1791, 16/ 281
1019
OKEN 1837, 32 + 1843, 5
1020
NAUMANN/HENNICKE 1897, 2/ 82 + 94
1021
C. L. BREHM 1823, 369
PASSERES – SINGVÖGEL 173

NAUMANN findet man auch „Gelbbäuchiger Rohrsänger“ für den Gelb-


spötter.
Wie von OTTO (s. o. bei „Sänger“) angedeutet, stammt „Gelbbrust“ zwar
nicht direkt von LINNÉ, MÜLLER, der „des Ritters Carl von Linnés voll-
ständiges Natursystem“ bearbeitet hat, führte den Gelbspötter aber unter die-
sem Namen.1022
NAUMANN hielt den Gelbspötter für den größten „unter den einheimi-
schen Arten dieser Familie; er weicht auch noch in mancher Hinsicht von
den übrigen Laubvögeln ab. Sein Schnabel ist nämlich nach Verhältnis grösser
und an der Wurzel viel breiter, seine Füsse sind auch grösser und stärker. Dazu
baut er sein Nest auf eine ganz andere Weise, weswegen er denn auch von
einigen Schriftstellern zu den Rohrsängern gezählt wurde.“1023
„Gelbbäuchiger Rohrsänger“ ist ein Beiname von NAUMANN, der ihn aber
nicht als „Rohrsänger“ führte. Für HEINROTH war der Gelbspötter noch
ein auf die Bäume gegangener Rohrsänger.1024 Heute sind die Rohrsänger
( Acrocephalus) und die Spötter ( Hippolais) zwei verschiedene Gattungen der
Grasmückenartigen (Syviidae).
Grüngelbe Grasmücke, Gelbe Grasmücke: In der ältesten gefundenen
Quelle für die „Grüngelbe Grasmücke“ bezeichnete OTTO schon 1789 den
Gelbspötter als „Grüngelbe Grasmücke oder Bastardnachtigall“.1025 Beide Na-
men hat BECHSTEIN später in seine Werke übernommen.
Der entsprechende Nachweis für die „Gelbe Grasmücke“ stammt von GEOR-
GI.1026
Nach den Auffassungen der Zeit schrieb KRÜNITZ über den Begriff „Gras-
mücke“: „Diesen Nahmen [Grasmücke] führen verschiedene Arten kleiner,
mehrentheils aschgrauer, den Gesang der Nachtigalle glücklich nachahmen-
der Sangvögel, die den Mücken, Fliegen und andern kleinen Insecten im Gra-
se nachstellen (daher sie von Einigen auch Fliegenstecher genannt werden),
sich gern am Rande der Bäche und sumpfigen Orte aufhalten, und bey dem
Ritter Linné, in der Ordnung der sperlingsartigen Vögel zum Nachtigallen-
und Bachstelzen-Geschlecht ( Motacilla) gehören. Man unterscheidet inson-
derheit folgende Arten: Die Bastard-Nachtigalle, die Gelbbrust, Motacilla
Hippolais Linn.“1027

1022
MÜLLER 1773, 605
1023
NAUMANN 1823, 3/ 540
1024
HEINROTH 1966, 91
1025
BUFFON/OTTO 1789, 15/ 81
1026
GEORGI 1800, 847
1027
KRÜNITZ 1780, 19/ 776
174 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

HEINROTH kritisierte, dass sich Namen wie „Grasmücke“ für diesen Vogel
so lange gehalten haben. „Eine Grasmücke ist er auch nicht, denn so leuch-
tende schwarze Zungenpunkte wie er hat keine Sylvia [Grasmücke] und auch
kein so verwebtes und verfilztes Nest.“1028
Schackruthchen, Schakerutchen, Tideritchen, Titeritchen: Die Namen
sind lautmalend, also aus dem Gesang entstanden, den NAUMANN be-
schrieb und einzelne Laute in Silben zu fassen versucht.1029 „Ruft schnalzend
dack dack deruih oder däckderuid, tschäckerruith und tr hoid.“1030
„Seine Lockstimme ist schnalzend, aber sanfter als die der Grasmücke: ‚Däck,
Däck, Däck‘, oder ‚Däck Derüht‘ u.s.e. und hat ihm an einigen Orten den
Namen ‚Tideritchen‘ verschafft.“1031
Hagspatz, Haagspatz: Ein Hag ist ein kleiner Wald, ein Gehölz, in dem sich
dieser Vogel, den die Menschen gerne haben, aufhält. Hagspatz ist ein Kose-
name, der auch für andere Vögel existiert, z. B. für einige Grasmücken.
Mehlbrust: Da Mehl weiß bis grau ist und beide Geschlechter des Gelbspöt-
ters eine ähnlich gelbe Unterseite haben, kann mit diesem Namen BREHMS
nur der Jungvogel im ersten Jahr gemeint sein.1032

Orpheusspötter (Hippolais polyglotta)


„In Südeuropa, von Portugal an bis Dalmatien, wie in Nordwestafrika wird
der Gartensänger [Gelbspötter] durch den etwas kleineren und lebhafter ge-
färbten Sprachmeister ( Hypolais polyglotta) vertreten.“1033 Über dessen Gesang
findet man weder bei BREHM noch bei NAUMANN/HENNICKE etwas.
Ausführlich informieren dafür GLUTZ VON BLOTZHEIM/BAUER, z. B.:
„Der Reviergesang des Männchens ist weniger kräftig und auffällig als jener
von Hippolais icterina [Gelbspötter] und trägt kaum weiter als 100 m. Die
wichtigsten Merkmale sind die hastige Vortragsweise, die vor allem durch die
kurze Pausendauer verursacht wird, das Fehlen der für den Gelbspötter typi-
schen ‚hiä‘-Motive und die immer wieder geäußerten Erregungsrufe (‚trrrr‘
oder sehr schnell gereiht ‚tetete‘).“1034

1028
HEINROTH 1966, 91
1029
SUOLAHTI 1909, 73 und NAUMANN 1823, 3/ 540
1030
GLOGER 1834, 222
1031
BREHM 1861, 551
1032
BREHM 1866, 861
1033
BREHM 1879, 5/ 199
1034
GLUTZ VON BLOTZHEIM/BAUER 1991, 12/ 607
PASSERES – SINGVÖGEL 175

Sprachmeister: Den Namen erhielt der Vogel wegen seiner Spötter-Fähig-


keiten. „Neben zahlreichen anderen Imitationen sind besonders solche von
Sperlingsrufen auffällig. Im ersten Teil einer Strophe werden nicht selten Imi-
tationen aneinandergereiht, dann folgt rascher Plaudergesang.“1035

Olivenspötter (Hippolais olivetorum)


In der Neubearbeitung des NAUMANN zitiert R. BLASIUS: „Nach Graf
von der Mühle ‚ist er ein lebhafter, munterer Vogel, neckig und bissig mit
seinesgleichen, wie sein Verwandter Sylvia hypolais; ob er in seinen Raufereien
ebenso mit dem Schnabel klappert, habe ich nicht erfahren können … [er] ist
sehr scheu und flüchtig und schwer zu erlegen; denn wenn er sich auch durch
seinen Gesang dem Jäger verrät, so läßt er sich doch durch seine Färbung,
oben grünlich grau und unten weißlich, die so sehr mit dem Scheine der Oli-
venblätter übereinstimmt, kaum von denselben unterscheiden … Wenn in
der Hitze der Junisonne alles schweigt und ein schattiges Plätzchen sucht, so
hört der schmachtende Wanderer durch solche Olivenwälder nur das schrille
Gezirpe der Baumzikaden, die in Unzahl in jedem Baume sitzen, untermischt
mit dem unmelodischen, durchdringenden Geschrei dieses Spötters, das den
Namen von Gesang nicht verdient‘.“1036
Olivenspötter: Der relativ große Olivenspötter lebt im östlichen Mittelmer-
raum. Im Spätsommer zieht er über Ostafrika in sein Wintergebiet in Süd-
ostafrika. Der Vogel bewohnt bevorzugt ausgedehnte, lichte Olivenhaine, in
deren Bäumen er in etwa Mannshöhe brütet. Zur Nahrungssuche fliegt er
auch in benachbarte Laubholzbestände.1037
Olivensänger: Der Gesang wird aus dem Laubwerk der Olivenbäume vor-
getragen. „Im Klang erinnert er wegen der tiefen Stimmlage manchmal an die
Strophen des Drosselrohrsängers. Auch beim Olivenspötter scheint ebenso
wie beim Blass- und Buschspötter die an sich spöttertypische Eigenschaft zu
fehlen, im Gesang artfremde Lautäußerungen nachzuahmen.“1038

1035
BERGMANN/HELB/BAUMANN 2008, 448
1036
NAUMANN/HENNICKE 1897, 2 /91
1037
BERGMANN/HELB/BAUMANN 2008, 449
1038
BERGMANN/HELB/BAUMANN 2008, 449
176 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Halmsänger – Cisticolidae
Die artenreiche (145 Arten) Halmsänger-Familie, die früher als Unterfamilie
der Grasmücken galt, kommt im südlichen Europa, in Afrika, in Asien und in
der australasiatischen Zone vor, wo sie Wälder, Savannen, Grasland, Sümpfe
sowie halbtrockenes und trockenes Buschland bewohnt.1039

Zistensänger (Cisticola juncidis)


Das beutelförmige Nest dieses nur 10 cm großen Vogels wird in Riedgras
oder Schilf etwa 30 cm über dem Boden gebaut. Die äußere Wand bilden
Riedgrasblätter, die nicht nur ineinander geflochten, sondern wirklich anein-
andergenäht sind – daher der Name „Schneidervogel“. Dazu durchsticht der
Vogel die Blattränder mit seinem Schnabel und zieht durch sie Fäden aus den
Eiersäcken von Spinnen. Wenn keine Spinnenweben verfügbar sind, tun es
auch Fäden der Früchte von Schwalbenwurz, Weiderich oder anderen Pflan-
zen. Für die innere Nestwand wird überwiegend „Samenwolle“ verwendet.1040
Cistensänger: Der kleine, unspektakuläre Cistensänger nützt in seinem sehr
großen südlichen Verbreitungsgebiet vor allem offene, nicht zu trockene Re-
gionen mit mittelhohem Bewuchs.1041
Sein deutscher Name entstand aus der Übersetzung des wissenschaftlichen
„Cisticola“, was „Zistrosenbewohner“ bedeutet.1042
Die Cistaceen (Zistrosengewächse, in der Ordnung der Malvengewächse)
sind kleine Sträucher und krautige Pflanzen vor allem im Mittelmeergebiet.
Der Vogel ist auf trockenen, zistrosebewachsenen Brachen als Brutvogel zu
finden. BREHM schränkte aber ein: „Der Schneidervogel Europas wird wis-
senschaftlich Cisticola schoenicla, im Deutschen gewöhnlich Cistensänger ge-
nannt, obgleich er kaum jemals im Cistengestrüpp gefunden wird.“1043
Schneidervogel, Europäischer Schneidervogel: Der Vogel kann für das
Nest Blätter zusammen„nähen“. Materialien sind Spinnweben und – wie es
im Volksmund heißt – Pflanzenwolle.

1039
http://de.wikipedia.org/wiki/Halmsängerartige, Stand: 14.08. 2012
1040
OKEN 1837, 45
1041
http://de.wikipedia.org/wiki/Cistensänger, Stand: 20.09.2013 (leicht verändert)
1042
WEMBER 2005, 133
1043
BREHM 1866, 876
PASSERES – SINGVÖGEL 177

„Europäischer Schneidervogel“ hieß der Vogel, weil es neben weiteren noch


einen indischen Schneidervogel ( Orthotomus sutorius) gibt, den z. B. OKEN
beschrieb.1044
Pinkpink, Tintin: „Pinkpink“ war der Name des Cistensängers aufgrund sei-
nes Gesanges in Algerien, „Tintin“ hieß er deshalb in der südostspanischen
Region Murcia.1045

Grasmücken – Sylviidae
GLOGER schrieb zum Begriff „Grasmücke“: „Nur die Macht der Gewöh-
nung, oder Mangel an Prüfung kann diesen, zwar einmal eingebürgerten, aber
doch nichts desto weniger ohne Zweifel verdorbenen Namen vor dem Ver-
werfen geschützt haben. Seiner Bedeutung und jetzigen Zusammensetzung
nach ist er ebenso verkehrt und widersinnig, wie die Benennung Bachstelze,
Schafstelze etc. Wahrscheinlich ist er aus dem ähnlich klingenden altgermani-
schen Worte grå-smyge, d. h. grauer Schlüpfer, entstanden.“1046
Der Name der Grasmücke kommt von grasa-smucka, wobei „smucka“ mit
„schmiegen, schleichen“ zu übersetzen ist. Sie ist eigentlich ein Grasschlüp-
fer.1047 Da eine Grasmücke in der Natur aber alles andere als ein „Grasschlüp-
fer“ ist, brachte HOFFMANN das mittelhochdeutsche Wort „gra“ für grau
ins Spiel und übersetzt Grasmücke mit „Grauer Schmieger“. Das entspreche
den natürlichen Verhältnissen eher, „da die Grasmücken vorwiegend grau ge-
färbt sind und durch die Gebüsche schlüpfen, wobei sie sich den Zweigen
oft derartig anschmiegen, daß von ihren Beinen nur die den Zweig umklam-
mernden Füßchen zu sehen sind.“1048

Mönchsgrasmücke (Sylvia atricapilla)


NAUMANN beschrieb ein fast unwirklich erscheinendes Schicksal einer
Mönchsgrasmücke: „Dass sie selbst zuweilen kleine Kirschen ganz verschlu-
cken, beweist folgendes: In meinem Garten wohnte einmal neben Nachtigal-
len, Zaun- und Gartengrasmücken, Gartenlaubvögeln, Rötlingen und vielen
anderen kleinen Sängern eine Mönchgrasmücke, welche ausgezeichnet schön
sang und meinem Vater, der diese Sänger besonders lieb hat, und allen, die sie

1044
OKEN 1837, 46
1045
BREHM 1879, 5/ 230
1046
GLOGER 1834, 235
1047
SUOLAHTI 1909, 69
1048
HOFFMANN 1937, 48
178 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

hörten, grosses Vergnügen machte. Sie sang noch vortrefflich und anhaltend,
als die Sauerkirschen bereits reif waren; allein ihr Gesang verstummte jetzt
auf einmal, und wir fanden sie auch bald unter dem Kirschbaume, das Maul
weit aufgesperrt, tot liegen. Ein Kirschkern steckte ganz vorn an der Schna-
belwurzel in ihrem Schlunde, wo er sich so fest eingepresst hatte, dass er nur
mit Mühe herausgeholt werden konnte. Sie hatte also eine ganze Kirsche ver-
schluckt, das Fleisch derselben hatte sich im Magen abgelöst, worauf sie den
Kern hatte herauswürgen wollen; dieser war jedoch über zwerg [quer] vorn
in ihrem Schlunde stecken geblieben, hatte sich mit seinen spitzen Enden
zwischen den Maxillen festgesetzt, und sie hatte so elend ihren Geist aufgeben
müssen.“1049
Grasmücke, Grasmückchen: Beide Ausdrücke, bei BECHSTEIN zu fin-
den,1050 werden von den verschiedenen Autoren unterschiedlich gebraucht.
Meistens waren sie allgemein gemeint, weniger oft war ein Grasmückchen
die Mönchsgrasmücke. Den Beinamen „Grasmücke“ (ohne spezielles Adjek-
tiv) trugen nicht nur die bei uns bekanntesten heimischen Grasmücken, son-
dern auch Heckenbraunelle und Schafstelze. Fast alle Namen sind in BECH-
STEINS Werken zu finden.
Mönchgrasmücke, Mönch, Kleiner Mönch, Mönchlein: In seiner „Natur-
geschichte“ von 1795 nannte BECHSTEIN diesen Vogel „Der Mönch oder
die schwarzköpfige Grasmücke“. Im Text blieb er bei „Mönch“.1051
Aus diesem „Mönch“ machte NAUMANN den Namen „Mönchgrasmü-
cke“.1052
„Die Kirche und das Klosterwesen spielen bei Benennungen von Pflanzen
und Tieren eine hervorragende Rolle. Besonders bei Pflanzennamen kommt
die kirchliche Nomenklatur in großer Ausdehnung zum Vorschein, aber auch
in der Vogelwelt findet man Mönche und Nonnen, Pfaffen und Klosterfrau-
en.“1053
Die meisten Namen dieses Vogels entstanden wegen der schwarzen Kopfplat-
te, die der Ordenskappe der Mönche entspricht.
Pfaff, Thumpfaffe: „Im allgemeinen mit der Ordenskappe der Mönche ver-
gleichend, ist es zu den Namen Mönch, Plattenmönch, Kardinälchen, Pfaff,

1049
NAUMANN 1822, 2/ 492
1050
BECHSTEIN 1795, 549
1051
BECHSTEIN 1795, 549
1052
STRESEMANN 1941, 84
1053
SUOLAHTI 1909, 71
PASSERES – SINGVÖGEL 179

Thumpfaff oder Klosterwenzel gekommen.“1054 Das Thum- in Thumpfaffe ist


von Dom abgeleitet.
Kardinälchen: Der Vogel, benannt nach seiner schwarzen Kopfplatte, wurde
vielleicht wegen des schönen Gesanges auf die Kardinalsstufe erhoben. Er
wurde auch „Cardinal“ genannt.1055
Klosterwenzel, Mönchswenzel: Wenzel (Wenzeslaus) ist der böhmische Na-
tionalheilige und Schutzpatron. Er wollte die christliche Religion nach seiner
Thronbesteigung zur herrschenden erheben und wurde deshalb 929 ermor-
det.
Plattmönch: In (Sachsen-)Anhalt nannte man den Vogel Plattmönch. In
Böhmen kommt zu Plattmönch und Mönch noch Schwarzblattl, womit
ebenfalls die Tonsur bzw. die Ordenskappe gemeint ist.1056
Schwarzplattige Grasmücke, Schwarzköpfiger Sänger, Schwarzköpfige
Grasmücke, Schwarzscheitelige Grasmücke: „Schwarzplattige Grasmücke“
ist der Hauptname von OTTO,1057 „Schwarzköpfiger Sänger“ der im „Or-
nithologischen Tagebuch“ von BECHSTEIN, „Schwarzköpfige Grasmücke“
nannte er diese Grasmücke in der Neuauflage seiner „Naturgeschichte“;1058
„Schwarzscheitelige Grasmücke“ nannte C. L. BREHM den Vogel in seinem
Lehrbuch der Naturgeschichte.1059
Mohrenkopf, Schwarzplatte, Schwarzkappe, Plattenkopf, Schwarzplätt-
chen, Schwarzplättl, Schwarzscheiteliger Sänger, Schwarzkopf: Wieder
ist die schwarze Kopfplatte namensgebend gewesen. Die ersten vier dieser
Namen erschienen erstmals bei BECHSTEIN und dürften wie die anderen,
außer „Schwarzkopf“, Kunstnamen sein.1060 Der „Schwarzkopff“ existierte
schon bei GESSNER.1061
Rostscheitelige Mönch-Grasmücke, Rotscheitelige Grasmücke, Rotschei-
teliger Mönch, Rostkappe, Mönch mit schwarzer und roter Platte: Bei
GESSNER (1585) kann man lesen: „Ihr Kopf ist, wie ich höre, in der Ju-
gend rot und wird dann schwarz, jedenfalls bei den Männchen: die Weibchen
sind immer rot.“1062 Das scheint aber nicht überall akzeptiert worden zu sein:

1054
GATTIKER/GATTIKER 1989, 68
1055
BOSE 1810, 290
1056
SUOLAHTI 1909, 71
1057
BUFFON/OTTO 1791, 96
1058
BECHSTEIN 1802, 15/ 168 + 1807, 3/ 512
1059
C. L. BREHM 1823, 329
1060
BECHSTEIN 1795, 549
1061
SPRINGER 2007, 295
1062
SPRINGER 2007, 295
180 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

„Nachdem Aldrovand, Jonston und Frisch die schwarzplattige Grasmücke be-


schrieben haben, so scheinen sie aus der braunplattigen eine zweite Art zu
machen; indessen ist sie nur das Weibchen von jener, und es gibt außer dieser
schwarzen Farbe an dem Kopfe des erstern und der braunen bei der zwei-
ten zwischen dem Männchen und Weibchen gar keinen Unterschied.“ Auch
ZORN habe sich in seiner „Petinotheologie“ von 1743 (p. 372, 373) für zwei
Arten ausgesprochen.1063 OTTO hat dann 1789, als die Erstauflage erschien,
FRISCH und ZORN korrigiert.1064
Tatsachen sind: Das Männchen hat eine schwarze Platte, das Weibchen und
junge Männchen haben eine rotbraune. Im ersten Jahreskleid erwachsener
Männchen findet man häufig braune Federn,1065 die Kopfplatte des männli-
chen Ruhekleides hat rostbraune Federsäume, die sich aber bald abnutzen.1066
Es erscheint sehr seltsam, dass BREHM 1866 immer noch zweifelte! In der 1.
Auflage seines Thierlebens ist zu lesen: „Zur Zeit ist es noch nicht ausgemacht,
ob eine Grasmücke, deren Männchen auch im Alter eine rostrothe Kopfplatte
besitzt, der rostscheitelige Mönch ( Curruca ruficapilla), als besondere Art an-
gesprochen oder nur als Spielart des Plattmönchs angesehen werden darf.“ In
der 3. Auflage von 1891 steht darüber nichts mehr.1067
Schwarzköpfige Nachtigall: Der Vogel ist ein „vortrefflicher“ Sänger, der
„sehr manchfaltig und flötenartig“ singt. OKEN meinte, dass die jungen
Männchen auch den Gesang der Nachtigall und des Kanarienvogels lernen
könnten.1068
BREHM zitierte A. VON HUMBOLDT: Der Vogel, „welcher von allen an-
deren der kanarischen Inseln den schönsten Gesang hat, der Capirote, ist
in Europa unbekannt…“ Das sei ein seltsames Missverständnis eines großen
Mannes gewesen, fuhr BREHM fort, welches wenige Tage längeren Verwei-
lens hätte aufgeklärt werden können. Der so hochgefeierte Capirote, welchen
der Kanarier mit Stolz seine Nachtigall nennt, wäre kein anderer als unser
allbekannter Mönch, einer der begabtesten und gefeiertesten Sänger unserer
Wälder und Gärten.1069

1063
BUFFON/OTTO 1791, 15/ 102f und ZORN 1743, 372 + 373
1064
HAFFER 2006, 6
1065
BEZZEL 1993, 359
1066
NIETHAMMER 1937, 1/ 344
1067
BREHM 1866, 844
1068
OKEN 1837, 35
1069
BREHM 1866, 844
PASSERES – SINGVÖGEL 181

Afternachtigall: After- bedeutet hier soviel wie „unecht“, vielleicht auch


„klein“. Die Mönchsgrasmücke wäre demnach aufgrund ihres Gesanges zwar
eine Art „Nachtigall“, aber eine „unechte Nachtigall“.
Würger wurden um 1760 systematisch hinter die Greifvögel geordnet und
Afterfalken, unechte Falken, genannt.
Mauskopf: Der Name wurde schon im 17. Jahrhundert genannt. GESSNER:
„Der Schwartzkopf nistet in den hohlen Bäumen wie die Mäuß.“1070

Gartengrasmücke (Sylvia borin)


„Diese Grasmücke gehört zu den am schwersten zu bestimmenden Vögeln, sie
hat nämlich so gut wie gar keine Abzeichen, an denen man sie erkennen kann,
demzufolge ist sie von sehr namhaften Gelehrten, wenn sie als Balg aus Afrika
kam, des öfteren als verschiedene Vogelform beschrieben worden. Männchen,
Weibchen und auch junge Vögel sind gleichgefärbt.“1071
„Auch sie bevorzugt den Wald; aber sie macht auch ihrem Namen alle Ehre:
denn jeder buschreiche Garten, namentlich jeder Obstgarten, weiß sie zu
fesseln, selbstverständlich umso sicherer, je verwilderter er ist, d. h. je mehr
dichte Hecken und Gebüsche er hat. Sie treibt sich ebensoviel im niederen
Gebüsch wie in den Kronen mittelhoher Bäume umher, wählt aber, wenn sie
singen will, gern eine mäßige Höhe.“1072
Gartengrasmücke, Garten-Grasmücke, Graue Grasmücke, Grasmücke:
Die „Garten“-Grasmücke brütet oft in der Nähe des Menschen, so in ver-
wilderten Gärten, in unterwuchsreichen Parks, vornehmlich aber in lichtem,
gebüschreichem Waldland. Sie sieht unscheinbar aus, ist oberseits olivbraun-
grau gefärbt und ohne bestimmte Merkmale. Als „Graue Grasmücke“ war
auch die Dorngrasmücke bekannt, die aber problemlos identifizierbar ist.
Mit der Mönchgrasmücke hat die Gartengrasmücke die unspezifische Be-
zeichnung „Grasmücke“ gemeinsam. Bei KLEIN/REYGER war „Grasmü-
cke“ sogar der Hauptname der Gartengrasmücke.1073
Der Kunstname „Gartengrasmücke“ für diesen Vogel stammt von BECH-
STEIN (Übers. LATHAM II, 2, 1795, p. 412).1074

1070
GESSNER/HORST 1669, 147a
1071
HEINROTH 1966, 1/ 83
1072
BREHM 1866, 841
1073
KLEIN/REYGER 1760, 74
1074
STRESEMANN 1941, 84
182 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Gartensänger, Grauer Sänger, Graue Nachtigall, Baumnachtigall: „Das


Männchen ist einer unserer vorzüglichsten Singvögel. Sobald es im Frühling
bei uns ankommt, hört man seinen vortrefflichen, aus lauter flötenartigen,
sanften, dabei aber doch lauten und sehr abwechselnden Tönen zusammenge-
setzten Gesang, dessen lange Melodie im mässigen Tempo und meistens ohne
Unterbrechung vorgetragen wird, aus dem Grün der Bäume erschallen, und
zwar vom frühen Morgen bis nach Sonnenuntergang, den ganzen Tag über,
bis nach Johannistag.“1075
Grashexe: Die „-hexe“ kann wortmalerisch aus dem Verb „hetschen“ (z. B.
schluchzen) entstanden sein und sich auf den Gesang beziehen, der oft mit
dem einer Nachtigall verglichen wird.1076
Grauer Spottvogel: Als Spötter bezeichnete Vogelarten übernehmen anschei-
nend wahllos artfremde Rufe und Gesangsanteile. Die biologische Bedeutung
des Spottens ist noch nicht geklärt. Bei der Gartengrasmücke muss man ge-
nauer hinhören, um die gelegentlichen ausgezeichneten, aber verkürzten Imi-
tationen, z. B. vom Buchfinkenschlag, zu erkennen.1077
Feigenfresser, Beccafige: „Dieser Vogel ist nämlich der seit Jahrtausenden be-
rühmte Feigenfresser (Ficedula, Beccafico), wurde aber früher nicht als graue
Grasmücke [Gartengrasmücke], sondern als schwarzer Fliegenschnäpper
[Trauerschnäpper] bezeichnet. Bei der unvollständigen Kenntniß der Vögel
glaubten die Alten, daß sich der schwarze Fliegenschnäpper ( Muscicapa atri-
capilla) bei seiner zweiten Mauser im Herbst in einen grauen Vogel, unsere
wirkliche Gartengrasmücke, verwandelte, wozu Aristoteles, als ältester Na-
turhistoriker, die erste Veranlassung gab; und so wurde vom Fliegenschnäp-
per gerühmt, was eigentlich unserer Grasmücke gebührte, daß nämlich der
Schnäpper von Feigen fett und schmackhaft, und von den Cypriern in Töpfe
eingemacht in alle Welt versandt würde. Die Schnäpper sind aber überall sel-
ten und leben nur von Insekten.“1078
Auch OKEN schrieb ausführlich über den Feigenfresser: In Italien kommen
die Gartengrasmücken auf ihrem Herbstzug „in die Ebenen und setzen sich
auf alle Bäume, wo sie sich unter dem Laub verbergen und Insecten und
Früchte fressen; am häufigsten halten sie sich aber in den Gärten mit Feigen-
bäumen auf und in den Gebüschen des wilden Weinstocks und der Brom-
beeren auf.“ Durch die Ernährung mit Früchten würden sie schließlich „so

1075
NAUMANN 1822, 2/ 478
1076
GRIMM/GRIMM 1984, 10/ 1269
1077
BERGMANN/HELB 1982, 280
1078
FRIDERICH 1849, 80
PASSERES – SINGVÖGEL 183

außerordentlich schmackhaft, daß sie die vorzüglichsten Leckerbissen auf den


Tafeln bilden.“
OKEN fuhr fort: „Überhaupt fressen die meisten Grasmücken im Herbst
weiche Früchte, und daher begreift man mehrere Gattungen unter dem Na-
men Feigenfresser, und das italiänische Sprichwort sagt: Im Monat August
ist jeder Vogel ein Feigenfresser.“ Man habe gebratene Spanferkel mit diesen
Vögeln, die man unausgenommen verzehren könne, gefüllt und auf die Tafeln
gebracht.1079
„Sie sollen auch die in den Feigen befindlichen Würmer aufsuchen, und zu-
gleich den Feigen selbst vielen Schaden thun, davon die Beyspiele sowohl in
Italien, wo die Feigen häufig wachsen, als auch in deutschen Gegenden vor-
handen sind. Denn, man hat angemerkt, daß sie auch in unsern Lustgärten,
wo Feigen-Bäume gepfleget werden, diese Früchte stark anfallen, so gar ehe
sie noch zur Reife gekommen sind. Und wenn die Feigen in unsern Ländern
gleich nicht, wie in Italien, Würmer haben, wonach diese Vögel etwa gehen
könnten, so sind sie vielmehr auf die Früchte selbst begierig, und verursachen
darin großen Schaden.“1080 Auch stellten sie „am häufigsten“ den Fliegen auf
den Feigenbäumen nach.1081
„Beccafico“ bedeutet in Italien noch heute „Feigenfresser“.
Italienische Grasmücke, Welsche Grasmücke: Die Gartengrasmücke brütet
nur vereinzelt in Italien südlich des Alpenvorlandes, ist aber häufiger Durch-
zügler. Sie ist in der Zugzeit so häufig dass sie den Namen „Beccafico“ bekam,
Feigenfresser, der (angeblich) auch wirtschaftlichen Schaden anrichten konn-
te. Siehe oben.
„Welsch“ war früher eine übliche Bezeichnung für romanische (lateinische)
oder romanisierte keltische Völker.1082 Mit „welsch“ war hier Italien gemeint.
Große Weißkehle, Weißkehle, Große weiße Grasmücke, Weiße Grasmü-
cke: Die Gartengrasmücke (bis 14 cm lang) musste von der Klappergras-
mücke mit ihren heute bekannten Unterarten Sylvia curruca curruca, bei uns
heimisch, sowie Sylvia curruca minula, bei uns Wintergast, unterschieden
werden. Die Klappergrasmücke (um 12,5 cm lang) ist aber sichtbar kleiner
als die Gartengrasmücke – sie wurde als „Kleine weiße Grasmücke“ und als
„Kleine Weißkehle“ zutreffend bezeichnet.

1079
OKEN 1837, 285 + 287
1080
KRÜNITZ 1778, 14/ 251
1081
KRÜNITZ 1780, 19/ 778
1082
http://de.wikipedia.org/wiki/Welsch, Stand: 15.08.2012
184 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Kleine Grasmücke: OKEN benannte den Vogel als „Die kleine, graue oder
Gartengrasmücke“. Die Gartengrasmücke ist nach der Klappergrasmücke
die kleinste heimische Grasmücke.1083 Durch den Zusatz „weiß“ wird sie zur
„großen Grasmücke“, weil der Bezugsvogel dann die kleinere Klappergras-
mücke wird.
Grüngraue Weißkehle: „Die gemeine Grasemücke“ sieht „auf dem Kopfe,
Halse, Rücken und Schwanze“ grünlich aschgrau aus. „Die Kehle Bauch und
Brust sind schmutzig gelblich weiß.“1084
Dornreich, Großer Dornreich: Dornreich ist ein Name für verschiedene Vö-
gel, die in den Dornen und dicken Gebüschen hecken und singen.1085
„Sie „macht ein dünnes Nest aus Gras auf geköpfte Linden und in Dornsträu-
cher, daher sie auch Dornreich heißt.“1086 Der Name „Großer Dornreich“
galt auch für die etwas größere Sperbergrasmücke, mit deren Weibchen (bis
17 cm) die Gartengrasmücke (bis 14 cm) verwechselt werden kann. Die mit
der Gartengrasmücke etwa gleichgroße, aber anders gefärbte Dorngrasmücke
war auch ein „Dornreich“ und ein „Gemeiner Dornreich“.
Das „Groß“ bezieht sich wie bei „Große Weißkehle“, „Großer Fliegenschnäp-
per“, „Großer Haagspatz“ wieder auf den Vergleich mit der Klappergrasmü-
cke, deren Namen das Adjektiv „klein“ haben.
Fliegenschnäpper, Großer Fliegenschnäpper: Als Fliegenschnäpper oder
ähnlich bezeichnete man früher etliche insektenfressende Vögel, neben den
eigentlichen Fliegenschnäppern auch das Braun- und Schwarzkehlchen, die
Garten- und Klappergrasmücke, den Steinschmätzer oder die Heckenbrau-
nelle. Die Benennung ist also ziemlich unspezifisch. Die Klappergrasmücke
ist der „Kleine Fliegenschnäpper“.
Großer Haagspatz: Zu dem Namensteil „-spatz“ liest man bei SUOLAHTI,
dass es am Mittelrhein im 16. Jahrhundert die Namensform „Grasmuscha“
gab, die sich u. a. zu „Grasmisch“ oder „Grasmuklen“ entwickelt habe. Die
Begriffe bedeuten soviel wie „Grassperling“ (altmittelfränk. Musca = ndl.
Mösch, Sperling). Der Sperling ist überall auch ein „Spatz“.1087
Ein Haag (Hag) ist ein Gehölz, ein kleines Wäldchen, der bevorzugte Le-
bensraum der Gartengrasmücke. Auch hier: Der „Kleine Haagspatz“ ist die
Klappergrasmücke.

1083
OKEN 1837, 33
1084
J. A. NAUMANN 1797, 1/ 160
1085
KRÜNITZ 1776, 9/ 440
1086
OKEN 1837, 33
1087
SUOLAHTI 1909, 70
PASSERES – SINGVÖGEL 185

Sperbergrasmücke (Sylvia nisoria)


Der deutsche Gesamtbestand der Sperbergrasmücke liegt zwischen 7000 und
9600 Paaren (Ryslavy 2001). Fast alle Sperbergrasmücken brüten in den neuen
Bundesländern. In Mecklenburg-Vorpommern (46 % des ostdeutschen Be-
standes) liegt der Schwerpunkt des Vorkommens im Osten des Bundeslandes.
In Brandenburg, das 3000 bis 4000 Paare beherbergt (Ryslavy 2001), ist die
Sperbergrasmücke etwas lokaler verbreitet (Nicolai 1993). Einige gute bran-
denburgische Gebiete sind die Uckermärkischen Seen (>100 BP; Bukowsky
1998), Schorfheide-Chorin (100–200 BP; OAG Uckermark 1993–1997);
das Untere Odertal (150 BP; Dittberner & Köhler 1998) und die Döberitzer
Heide (200–265 BP; Schoknecht & Zerning 1998). In Sachen-Anhalt (17 %
des ostdeutschen Bestandes) liegen die Schwerpunkte des Vorkommens im
Mittelelbegebiet und um Halle.
In Niedersachsen brüten zwischen 240 und 900 Paare (Heckenroth & Laske
1998). Fast der gesamte niedersächsische Bestand konzentriert sich in dem
Dreieck zwischen der Elbe, der Landesgrenze zu Sachsen-Anhalt und dem
Fluss Jeetzel.1088
Sperbergrasmücke, Sperber-Grasmücke, Gesperberte Grasmücke, Ge-
sperberter Sänger: Der schön singende Vogel mit der gesperberten Unter-
seite ist die größte Grasmücke. Sie kommt als Brutvogel vom Altai bis zum
östlichen Mitteleuropa vor. „Der Bauch mit aschgrauen Querwellen, daher
der Name … Ein plumper Vogel, der singend gegen 20 Fuß [etwa 6 m] in die
Höhe steigt, und einen trefflichen Gesang hat.“1089
Größte Grasmücke, Große Grasmücke, Große gesperberte Grasmücke:
Die Länge des Vogels beträgt 15,5–17 cm. Garten-, Mönch- und Dorngras-
mücke werden bis 14, bzw. 15 cm lang.1090
Gesperberte Nachtigall: „Ebenso nützlich wie ihre Verwandten, steht die
Sperbergrasmücke diesen auch gesanglich um nichts nach. Lieblich mutet das
bald jodelnde, bald flötende Lied an, das in seinen Einzelheiten Stellen aus
dem Gesange der Garten- und Dorngrasmücke sowie aus den Strophen ande-
rer Vögel erkennen läßt.“1091
Große Weißkehle: Die Sperbergrasmücke mit der grauweißen Kehle ist groß
gegenüber anderen weißkehligen Vögeln, wozu andere Grasmücken gehö-

1088
http://www.birdinggermany.de/sperbergrasmuecke.htm, Stand: 20.01.2012
1089
VOIGT 1835, 205
1090
SVENSSON et al. 2011, 304
1091
HERMANN 1905, 40
186 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

ren, aber auch der Steinschmätzer, Schwarzkehlchen, Trauer- und Halsband-


schnäpper, die alle kleiner sind.1092
Blaue Grasmücke: Die Oberseite des männlichen Prachtkleides erscheint
bleigrau bis dunkelblaugrau.
Großer Dornreich: Dornreich ist ein Name für verschiedene Vögel, die in
den Dornen und dicken Gebüschen hecken und singen1093 (zu „groß“ s. Gar-
tengrasmücke).
Großer Feigenfresser: Als Feigenfresser galten um 1800 Garten- und Sper-
bergrasmücke, Trauer- und vereinzelt Zwergschnäpper – von denen die Sper-
bergrasmücke der größte Vogel ist, sowie der Pirol.
Spanier, Spanische Grasmücke: NAUMANN führte „Spanische Grasmü-
cke“ als Trivialnamen der Sperbergrasmücke. BREHM benutzte den verkürz-
ten Ausdruck „Spanier“, den BECHSTEIN auch für die Heckenbraunelle
verwendete.1094 Auch die Gartengrasmücke hatte mitunter die Bezeichnung
„Spanische Grasmücke“.1095„Spanische Grasmücke“ war im 19. Jahrhundert
eine übliche Bezeichnung der seltenen Sperbergrasmücke. „Spanisch“ hat hier
nichts mit Spanien zu tun, denn dort gibt es diesen Vogel nicht. Das Wort be-
deutet vielmehr „fremd“.1096 Wie fremd die Sperbergrasmücke den Ornitho-
logen noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts war, kann man bei NAUMANN
nachlesen: „Weil das Dasein dieses Vogels als besondere Art noch nicht gar
lange bekannt ist, so weiss man über seine Verbreitung bloss soviel, dass er bis
Schweden hinaufgeht, sich in Ungarn findet und auch in der Lombardei vor-
kommt. Wahrscheinlich ist er aber in allen Ländern Europas, von Schweden
an bis Spanien, Griechenland und Italien anzutreffen.“1097

Orpheusgrasmücke (Sylvia hortensis)


Bei Störungen am Nest verleitet der Vogel. Er hüpft mit offenem Schnabel
zeternd, flügel- und schwanzschlagend von Ast zu Ast, lässt sich zu Boden
fallen, flattert dort wild umher oder bleibt einige Sekunden mit ausgebrei-
teten Flügeln liegen. Er kippt auch vom Ast ab und bleibt kopfunter daran
hängen.1098

1092
SVENSSON et al. 2011, 304, 340, 282
1093
KRÜNITZ 1776, 9/ 440
1094
NAUMANN 1822, 2/ 430 und BREHM 1879, 5/ 181 und BECHSTEIN 1797, 166
1095
VERH. D. ZOOL. BOT. VEREINS. WIEN 1856, 6/ 684
1096
HOFER 1815, 2/ 271
1097
NAUMANN 1822, 2/ 430
1098
GLUTZ VON BLOTZHEIM/BAUER 1991, 12/ 746
PASSERES – SINGVÖGEL 187

Orpheusgrasmücke, Orpheussänger, Sänger-Grasmücke, Meistersänger:


Die Leistungen dieser Grasmücke „haben diesen oder jenen Belauscher ganz
besonders erfreut; ragt doch ihr Gesang sowohl durch die Reichhaltigkeit der
Tongebilde, als auch durch die Herrlichkeit des Klangs der Töne über die
musikalischen Darbietungen nicht nur der anderen Grasmücken, sondern al-
ler Singvögel hinaus. Einzelne Töne sollen an den Klang der Orgel erinnern.
Man hat darum die Sängergrasmücke noch durch die Namen Meister- oder
Orpheussänger und Orpheusgrasmücke ausgezeichnet.“1099
GLOGER schrieb 1834: „Wird sehr gerühmt wegen des lauten wohltönen-
den und vielfach abwechselnden Gesanges, den man über die Gesänge aller
der übrigen Grasmückenarten stellt.“1100
Die damalige „Orpheusgrasmücke“ wurde in zwei Arten aufgeteilt, die
„Orpheusgrasmücke“ (Western Orphean Warbler, Sylvia hortensis) und die
„Nachtigallengrasmücke“ (Eastern Orphean Warbler, Sylvia crassirostris).
Sprachmeister: Auch dieser Name weist auf die stimmliche Begabung des
Vogels hin.1101
Südliche Grasmücke, Südlicher Sänger: Die Orpheusgrasmücke brütet im
südlichen Europa und nur in Ausnahmefällen in Mitteleuropa.

Klappergrasmücke (Silvia curruca)


„Dies ist ein außerordentlich lebhafter, munterer und unruhiger Vogel, wel-
cher fast nie lange an einer Stelle verweilt, sondern immer in Bewegung ist,
sich gern mit anderen Vögeln neckt und mit seinesgleichen herumjagt, dabei
die nahe Gegenwart eines Menschen nicht achtet und ungescheut sein We-
sen treibt. Dies bemerkt man besonders da, wo er sich nahe bei Wohnungen
aufhält; an abgelegeneren Orten habe ich ihn dagegen scheuer befunden.“1102
Klappergrasmücke: In der Gesangsstrophe der Klappergrasmücke „folgt auf
einen kurzen, leise schwätzenden Vorgesang ein lautes hölzernes Klappern.
Selten wird daran ein kurzer Nachgesang angehängt. Das Klappern besteht
aus zwei unterschiedlichen, abwechselnden Elementen, von denen eins länger
und kräftig frequenzmoduliert ist.“1103

1099
GLOGER 1834, 239
1100
HOFFMANN 1937, 41
1101
HOFFMANN 1937, 43
1102
NAUMANN 1822, 2/ 451
1103
BERGMANN/HELB 1982, 279
188 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Zaungrasmücke: „Zaungrasmücke“ ist ein alter Name der Klappergrasmü-


cke, der z. T. noch heute benutzt wird. Der Vogel durchschlüpft in Gärten
und lichten Wäldchen Gebüsch und Zäune, wo er Nahrung sucht und in
niedrigen Sträuchern brütet. Was OKEN beeindruckte: „Wenn man ihr zu
nahe kommt, stürzt sie wie ohnmächtig aus dem Nest, [wobei sie] wehmütig
auf der Erde hinflattert; auch die Jungen springen blitzschnell heraus, und
verbergen sich, sobald man sie scharf ansieht.“1104
Müllerchen, Müllerlein, Weissmüller: Der Vogel „schreyt gewöhnlich klap,
klap, und hat daher auch den Namen Müllerchen bekommen…“1105
„Das Müllerchen endlich, die Zaungrasmücke, ahmt mit seinem klappernden
Lied das Geräusch einer Mühle nach; es ist der ‚kleine Müller‘ in Vogelge-
stalt.“1106
NAUMANN ist anderer Meinung: „Ich kann es unmöglich mit dem Klap-
pern einer Mühle vergleichen, wie man oft gethan hat, es müsste denn hier
eine solche kleine Mühle verstanden sein, wie sie die Drechsler zum Spielwerk
für Kinder verkaufen; allein auch hier will der Vergleich, wie mich dünkt,
nicht passen. … Den Namen Müllerchen, scheint diese Grasmücke, wie mir
deucht, mehr von ihrem Kleide, was einigermaßen wie mit Mehl bestäubt
und müllerfarbig aussieht, als von ihrem Gesange bekommen zu haben; des-
halb an manchen Orten auch: Weissmüller.“1107
Kleine geschwätzige Grasmücke, Geschwätzige Grasmücke, Geschwätzi-
ger Sänger: Sie „singt übrigens auch lang, mit verschiedenen Melodien, aber
sehr leise, und heißt daher auch geschwätzige Grasmücke.“1108 Das „Kleine“
im Namen soll von der ganz anders singenden Dorngrasmücke abgrenzen,
die auch leise, schwätzende Elemente in ihrem Gesang hat und auch als „ge-
schwätzige Grasmücke“ bezeichnet wird.
Zaunsänger, Kleiner Waldsänger: Die biotopbezogenen Namen geben He-
cken, Gebüsche und Wäldchen als beliebte Aufenthaltsorte an. Der „Kleine“
Waldsänger unterscheidet die Klappergrasmücke wieder von der Dorngras-
mücke. „Auch der Name Waldsänger, den er gewöhnlich hat, kommt ihm
nur uneigentlich zu, da er unter allen Grasmücken den Wald am wenigsten
besucht.“1109

1104
OKEN 1837, 34
1105
OKEN 1837, 34
1106
CARL 1995, 257
1107
NAUMANN 1902, 2/ 171
1108
OKEN 1837, 34
1109
BECHSTEIN 1807, 3/ 540
PASSERES – SINGVÖGEL 189

Weißkehlchen, Kleines Weißkehlchen, Kleine Weißkehle, Weißbartl: Das


„kleine“ Weißkehlchen (um 12,5 cm lang) wurde vom „großen“ Weißkehl-
chen oder einfach nur „Weißkehlchen“, nämlich der Dorngrasmücke (um
14 cm), unterschieden. Beim Singen dieser Vögel wird auffällig die weiße bis
weißliche Kehle herausgedrückt.
Eine Große „Weißkehle“ war nicht die Dorn-, sondern die Gartengrasmücke
(13,5 cm lang). Auch die Sperbergrasmücke (bis 17 cm lang) wurde „Große
Weißkehle“ genannt.
Das „Weißbartl“ oder Weißbärtchen bedeutet Weißkehlchen.
Kleine weiße Grasmücke, Kleine graue Grasmücke: Dieser Name sollte die
(kleine weiße) Klapper- von der (großen weißen) Gartengrasmücke unter-
scheiden. Die „Große graue Grasmücke“ war die Dorngrasmücke.
Blaue Grasmücke: Die Farbe des Kopfgefieders wird mit grau, graublau be-
schrieben. Graublau wird in Namen öfter als „blau“ bezeichnet.
Kleiner Dornreich: „Dornreich“ ist, wie schon angeführt, ein Name für
verschiedene Vögel, die in den Dornen und dicken Gebüschen hecken und
singen.1110 Der Vogel baut seine Nester in niedrige Sträucher, oft Dornen-
sträucher, wie es auch die Gartengrasmücke, der „Große Dornreich“ oder die
Dorngrasmücke, der „Gemeine Dornreich“, tun.
Kleiner Dorngreul: „Dorngreul“ ist als „dornacreiel“ aus einem Glossar des
13./14. Jahrhunderts belegt, „wo der Vogelname an kræen angelehnt und also
als ‚Dornkräher‘ aufgefaßt worden ist; daher Dornkræel in Baiern und weiter
umgebildet Dorngreuel in Österreich“.1111
Kleiner Fliegenschnäpper: Als Fliegenschnäpper oder ähnlich bezeichnete
man früher etliche insektenfressende Vögel, neben den eigentlichen Fliegen-
schnäppern auch das Braun- und Schwarzkehlchen, die Garten- und Klapper-
grasmücke, den Steinschmätzer oder die Heckenbraunelle. Die Benennung
ist also ziemlich unspezifisch. Das „Kleiner“ dient wieder zur Unterscheidung
von der Gartengrasmücke, dem „Großen Fliegenschnäpper“.
Kleiner Haagspatz: Zu „-spatz“: Am Mittelrhein gab es im 16. Jahrhundert
die Namensform „Grasmuscha“, das sich u. a. zu „Grasmisch“ oder „Gras-
muklen“ entwickelt hat. Die Begriffe bedeuten soviel wie „Grassperling“ (alt-
mittelfränk. Musca = ndl. Mösch, Sperling).1112 Der Sperling ist überall der
Spatz. Ein Haag (Hag) ist ein Gehölz, ein kleines Wäldchen. Auch dieser

1110
KRÜNITZ 1776, 9/ 440
1111
SUOLAHTI 1909, 148
1112
SUOLAHTI 1909, 70
190 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Name soll von der Gartengrasmücke, dem „Großen“ Haagspatz, unterschei-


den.
Liedler, Spötter, Spottvögelchen, Klappernachtigall: „Sein Gesang ist nicht
eben unangenehm und besteht aus einem langen Piano aus allerlei abwech-
selnd zwitschernden und leise pfeifenden, mitunter schirkenden Tönen, dem
am Schluß ein kürzeres Forte angehängt ist, das einem harten Triller gleicht
und wie didlidlidlidlidl (sehr schnell ausgesprochen) klingt. Gewöhnlich hört
man nur das letztere, denn man muß dem Sänger nahe sein, um das erstere
deutlich zu vernehmen, und so hält mancher jenes für sein ganzes Lied. …
Der Triller [wird] aber gleichsam herausgeschüttelt, wobei meistens still geses-
sen und die Kehle weit aufgeblasen wird, so daß man sieht, dass es dem Vögel-
chen Anstrengung kosten muß, ihn hervorzubringen, während das Piano nur
spielend hergeleiert wird.“1113
„Klappernachtigall“ ist ein Kunstname NAUMANNS. Mit dem Zusatz
„-nachtigall“ wollte er auf die Gesangsqualität hinweisen.
Als Spötter wird der Vogel nicht geschildert, auch nicht in modernen Werken.

Dorngrasmücke (Sylvia communis)


PLINIUS beschrieb Feindseligkeiten und Freundschaften zwischen Tieren. In
gegenseitiger Abneigung lebten „die Dorngrasmücke, ein sehr kleiner Vogel,
mit dem Esel; wenn sich dieser nämlich an den Dornhecken reibt, um sich
zu kratzen, zerreißt er ihre Nester, was dieser Vogel so sehr fürchtet, daß er,
wenn er nur die Stimme des schreienden Esels hört, seine Eier hinauswirft,
die Jungen aber aus Furcht von selber herausfallen; er fliegt deshalb auf ihn
und hackt ihm mit dem Schnabel seine Geschwüre aus. … Aisálon (Merlin?)
heißt ein kleiner Vogel, der die Eier des Raben zerhackt; seinen Jungen wird
von den Füchsen nachgestellt. Dafür zerrupft er dessen Junge und ihn selbst;
sobald die Raben dies sehen, eilen sie zur Hilfe herbei wie gegen einen ge-
meinsamen Feind.“1114
Dorngrasmücke, Dorn-Grasmücke, Gemeine Dorngrasmücke, Ge-
meine Grasmücke: Der Kunstname „Dorngrasmücke“ stammt von NAU-
MANN.1115 Die Dorngrasmücke brütet in offener Landschaft mit Buschwerk
und Gestrüpp, gern in dornigen Feldhecken, Rainen mit einzelnen Dornbü-

1113
NAUMANN 1822, 2/ 451
1114
PLINIUS 1986, 137
1115
STRESEMANN 1841, 84 und NAUMANN 1822, 2/ 464
PASSERES – SINGVÖGEL 191

schen, Bahndämmen, aufgelassenen Kiesgruben. Das Nest ist im Dornbusch,


z. B. Weißdorn, an niedriger Stelle.1116
„Gemeine Grasmücke“ ist in der Regel auf die Dorngrasmücke beschränkt.
BECHSTEIN meinte damit auch die Klappergrasmücke.1117
Dornreich, Gemeiner Dornreich: Dornreich ist ein Name für verschiede-
ne Vögel, die in den Dornen und dicken Gebüschen hecken und singen.1118
Während der „Gemeine Dornreich“ ein Name der Dorngrasmücke ist, fallen
unter „Dornreich“ Dorn-, Mönchs-, Gartengrasmücke, die Würger, beson-
ders der Neuntöter, sowie Sumpf-und Weidenmeise.
Hagschlüfer, Haagschlüpfer, (Haagschlüpferli in der Schweiz): Sie ist
„klein, durchkriecht alles, selbst das dichteste Gebüsch, Gras und Getrei-
de.“1119 Ein Hag ist ein Teil einer Flur, der von Hecken und Gehölzen um-
geben ist, aber auch die Hecken selber.1120
Fahle Grasmücke: Diesen Namen erhielt der Vogel in dem Werk „Vorstel-
lung der Vögel Teutschlands“ von Johann Leonhard FRISCH, das zwischen
1743 und 1763 erschien. Der Name, den C. L. BREHM als Kunstnamen
bezeichnete, hat sich durchgesetzt. Dennoch fragt man sich im Freiland nach
dessen Berechtigung. „Der Oberkörper ist fahl aschgrau mit rostgrauem An-
fluge.“1121 Präparate mögen im Vergleich mit anderen subjektiv den Eindruck
erwecken. Es fällt auf, dass BECHSTEIN diesen Namen zwar als Haupt-
namen führte, in der Beschreibung des Gefieders aber keinen Bezug auf ihn
genommen hat.1122
Braune Grasmücke, Braunflügelige Grasmücke, Graue Grasmücke: Das
Flügelgefieder ist deutlich hellbraun. Das ist für eine mitteleuropäische Gras-
mücke ein spezifisches Merkmal.
Auch „Graue Grasmücke“ ist ein zutreffender Kunstname wegen des deutlich
grauen Kopfes des männlichen Prachtkleides. Man findet diese Namen bei
BECHSTEIN, z. B. in der Neuauflage der Naturgeschichte.1123
Weißkehlchen, Kleine braune Weißkehle: Den Namen hat der Vogel wegen
der weißen Kehle (im Englischen Whitethroat). Die Bezeichnung unterschei-

1116
SVENSSON/GRANT/MULLARNEY/ZETTERSTRÖM 1999, 286
1117
BECHSTEIN 1802, 171 + 172
1118
KRÜNITZ 1776, 9/ 440
1119
VOIGT 1835, 207
1120
BROCKHAUS 1969, 8/ 42
1121
SIEDHOFF 1845, 213
1122
BECHSTEIN 1807, 3/ 534
1123
BECHSTEIN 1807, 3/ 534
192 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

det die Dorngrasmücke (etwa 14 cm Länge) von dem „Kleinen Weißkehl-


chen“, der Klappergrasmücke (etwa 12,5 cm lang).
Der Zusatz „Kleine“ bei der „Kleinen braunen Weißkehle“ soll die Dorngras-
mücke von den größeren Grasmücken mit weißer Kehle unterscheiden, das
sind die Garten- und die Sperbergrasmücke.
Große Grasmücke, Grosse graue Grasmücke: Das „Groß“ diente zur Unter-
scheidung von der Klappergrasmücke, die kleiner ist. Eine andere „Große
Grasmücke“ ist die Sperbergrasmücke. Deshalb kann mit „Grosse graue Gras-
mücke“ kein Verwechslungsporoblem entstehen, wohl aber mit der „Großen
Grasmücke“, die als einziger OKEN 1816 verwendete.1124
Grasemucke, Grasemütsche, Grasemückfohle: Alle diese Ausdrücke für
Grasmücke findet man in der Erstausgabe von BECHSTEINS Naturgeschich-
te.1125 Der letzte Ausdruck, der „fahle Grasmücke“ bedeutet, weist auf die
Dorngrasmücke hin, die anderen beiden nicht. Dass es sich wahrscheinlich
um alte Namen handelt, kann man bei SPRINGER nachlesen, die GESS-
NERS De Avium Natura bearbeitet hat.1126
Geschwätzige Grasmücke: Diesen Namen hat die Dorngrasmücke mit der
Klappergrasmücke gemeinsam: Beide Gesänge haben, trotz ihrer Verschie-
denartigkeit, leise schwätzende Elemente.
„Dies ist die Grasmücke, die man am öftersten und fast unaufhörlich im
Frühling hört, man sieht sie auch häufig in einem kleinen Fluge gerade über
die Hecken sich aufheben, sich in der Luft kreisen und niederfallen, indem sie
einen kleinen Teil eines sehr lebhaften, fröhlichen und immer unveränderten
Gesanges singen und jeden Augenblick wiederholen, daher man ihr auch den
Namen der geschwätzigen gegeben hat.“1127
Staudenschwätzer, Heckenschwätzer, Heckenschmätzer, Dornschmätzer,
Dornschmatz: Der „Staudenschwätzer“ erschien, wie auch der „Hecken-
schwätzer“, zuerst, also relativ spät, bei BREHM, der ihr diese Namen aber
nicht gegeben zu haben scheint: In der ausführlichen Beschreibung des Ge-
sanges findet man keinen Hinweis auf ein „Schwätzen“.1128 Die anderen Aus-
drücke hat NAUMANN von BECHSTEIN übernommen.1129

1124
OKEN 1816, 436
1125
BECHSTEIN 1795, 563
1126
SPRINGER 2007, 298
1127
BUFFON/OTTO 1789, 15/ 97f
1128
BREHM 1879, 5/ 189
1129
NAUMANN 1822, 2/ 464 und BECHSTEIN 1807, 3/ 534
PASSERES – SINGVÖGEL 193

Die Stauden, aber auch die Spitzen von (Dornen-)Büschen, Hecken stellen
Singwarten dar, von denen die Grasmücke auch zum Singflug startet.
Waldsänger: Noch zu BUFFONS Zeiten, im ausgehenden 18. Jahrhundert,
hielt man den „Waldsänger“ für eine von der Dorngrasmücke unterschiedene
Art: „Aldrovand erwähnt diese graue Grasmücke unter dem Namen Stopa-
rola, den ihr die Bolognischen Vogelsteller geben, wahrscheinlich sagt dieser
Naturforscher, weil sie die kleinen Wälder und Gebüsche, wo sie ihr Nest
bauet, besucht.“1130
Nachtsänger: Die Dorngrasmücke singt als typischer Tagsänger nicht nachts,
wohl aber während der Brutzeit schon bei Sonnenaufgang, gegen Abend
kaum.1131 Wenn man die Bemerkung von KRÜNITZ liest: „ … im ver-
deutschten Linné Nachtsänger genannt“, kann man wohl davon ausgehen,
dass dieser Name etwas „verunglückt“ ist.1132
Fahler Sänger, Fahle Nachtigall: NAUMANN schilderte ausführlich einen,
nach seiner Auffassung teilweise sehr schönen, angenehmen Dorngrasmü-
cken-Gesang, der den Vogel als guten Sänger ausweise. „Fahl“ in NAU-
MANNS „Fahle Nachtigall“ bezog sich auf den damals üblichen Namen
„Fahle Grasmücke“.1133
Spottvogel: Spötter sind Vögel, die mit ihrem Gesang andere Vögel imitieren.
„Im Singflug und kurz davor bzw. danach wird der Gesang kontinuierlich
und flüssiger, er ist mit vielen Imitationen fremder Arten angereichert.“ Auch
der leise Balzgesang aus dem Gebüsch stecke voller Imitationen.1134
Wüstling: In der Neuauflage des NAUMANN äußerte sich Otto KLEIN-
SCHMIDT zu dem Ausdruck. Ein Wüstling ist ein Bewohner wüster Mar-
ken, dazu gehören offene, halboffene Landschaften, pusztaähnliche Land-
schaften mit etwas Dornengestrüpp oder ausgedehnten Strauchformationen
(wie Sanddorngebüsche).1135
Kuckucksamme: Den Namen erhielt die Dorngrasmücke, weil sie besonders
oft ein Kuckucksei in ihrem Nest ausbrütet und den jungen Kuckuck auf-
zieht (was andere Vögel auch machen, ohne solch einen Namen zu erhalten).
KONRAD VON MEGENBERG schrieb über die Größenzunahme des jun-
gen Kuckucks (des „Gauchs“): „sô fräut sich sein amme diu grasmuk, daz si
ain sô schœn kint prâht hât, und dunket sich des edel an ihr selber und vers-

1130
BUFFON/OTTO 1789, 15/ 91
1131
GLUTZ VON BLOTZHEIM/BAUER 1991, 12/ 874
1132
KRÜNITZ 1780, 19/ 77
1133
NAUMANN 1822, 2/ 464
1134
BERGMANN/HELB 1982, 278
1135
NAUMANN/HENNICKE 1905, 1/ 55
194 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

mæht iriu aigeneu kint gegen dem gauch und verzert sich selber sô gar, daz si
gar âkreftich wirt. Des wirt ir übel gelônet, wan sô der gauch erstarket und auz
fleugt, sô folgt im die amme vor liebe, sô versmæht er sie und peizt se tôd.“1136
Schnepfli: Die Dorngrasmücke ist keine Schnepfe, sondern eher ein Schnäp-
per, der sich von Insekten ernährt.
Neben „Schnepfli“ war auch „Wüstling“ ein Name, den man laut OTTO bei
GESSNER und FRISCH finde.1137

Brillengrasmücke (Sylvia conspicillata)


Kurz nach Erscheinen von Darwins Vom Ursprung der Arten (1859) setzte
sich BREHM mit einer Schilderung des Ornithologen Constantin GLO-
GER auseinander. GLOGER (1803–1863) erlangte weltweite Bekanntheit
durch seine 1833 in der Schrift Das Abändern der Vögel durch Einfluss des
Klimas aufgestellte „Glogersche Regel“ (Danach sind Warmblüterarten in Ge-
bieten mit höherer Luftfeuchtigkeit stärker pigmentiert als Artverwandte in
Trockengebieten). Er war zudem Mitarbeiter des 1852 gegründeten Journals
für Ornithologie. „Man könnte Gloger’s Behauptung (die Brillengrasmücke
sei eine klimatische Spielart der Dorngrasmücke) für einen Scherz halten,
wenn sie nicht gar so ernsthaft gemeint wäre; man könnte es einen Gewinn
für die Wissenschaft nennen, über die Entstehung einer Art in einer so be-
stimmten, jeden Widerspruch ausschließenden Weise unterrichtet zu werden,
wäre die gelahrte Auseinandersetzung mehr, als ein haltloses Geschwätz. Vom
Studirzimmer aus läßt sich ein derartiger Unsinn wohl in die Welt schleu-
dern, und wenn er mit dem Bewußtsein der Unfehlbarkeit vorgebracht wird,
findet er auch seine gläubigen Jünger und Nachfolger: wer aber ehrlich genug
ist, einzugestehen, daß alle Ansichten und Meinungen über die Entstehung
der Arten im Thierreiche zur Zeit nichts weiter sind, als Annahmen, welche
einstweilen noch der Begründung entbehren, der wird auch der Brillengras-
mücke ihr Recht auf Artselbständigkeit lassen, auch wenn er nicht selbst im
Freien beobachtet hätte, wie … ich und Andere.“1138 Dabei ist es durchaus
vorstellbar, dass die Brillengrasmücke in eiszeitlicher geographischer Isolation
entstanden ist. Das könnte auch die im Vergleich zur Dorngrasmücke gerin-
gere Körpergröße erklären.

1136
KONRAD VON MEGENBERG 1861, 178
1137
BUFFON/OTTO 1789, 15/ 97
1138
BREHM 1866, 848
PASSERES – SINGVÖGEL 195

Brillengrasmücke: Die Brillengrasmücke sieht der Dorngrasmücke erstaun-


lich ähnlich. Sie ist nur unbedeutend kleiner, hat einen weißen Augenring-
und ist kräftiger gefärbt.
Brillensänger: Der Vogel ruft kennzeichnend rasselnd „tschärrrr“. Das er-
innert etwas an eine Klapperschlange. Der Gesang ist ähnlich wie bei der
Dorngrasmücke eine Folge schwätzender Phrasen. Die Vortragsweise, auch
aus dem Singflug, ist aber eiliger und etwas höher.1139

Provencegrasmücke (Sylvia undata)


„Besonders anmuthig erscheint der Sänger der Provence, wenn er seine Fami-
lie führt.“ Sobald die vier bis fünf Jungen „nur einigermaßen flugfähig sind,
verlassen sie das Nest, auf ihre, vom ersten Kindesalter an bewegungsfähigen
Füße sich verlassend. Den kleinen unbehülflichen Jungen wird es schwer, sich
in die Höhe zu schwingen, und sie laufen deshalb ganz wie Mäuse auf dem
Boden dahin. Aber die Alten fürchten, wie es scheint, gerade wegen ihres
Aufenthaltes da unten in allem und jedem Gefahr und sind deshalb überaus
besorgt. Abwechselnd steigt eines um das andere von den beiden Eltern nach
oben empor, und unablässig tönt der Warnungs- und Lockruf des Männ-
chens, dem die schwere Pflicht obliegt, die Familie zusammenzuhalten. Sind
die Jungen etwas weiter entwickelt, so folgen sie den Alten auch in die Höhe,
und es sieht dann köstlich aus, wenn erst das Männchen und hierauf eins der
Jungen nach dem anderen auf den Buschspitzen erscheint und dann beim
ersten Warnungsrufe die ganze Gesellschaft mit einem Male wieder in die
Tiefe sich hinabstürzt.“1140
Provencesänger, Sänger der Provence, Provenzialischer Sänger, Provenza-
lischer Sänger: Der Vogel lebt in den Küstengebieten des westlichen Mittel-
meeres und in Westfrankreich. In Südengland kommt sie regelmäßig in ihrer
Unterart Sylvia undata dartfordiensis vor. Die Erstbeschreibung bezog sich auf
Bewohner der Provence.1141 Der Gesang ist kurz, sehr schnell, knatternd zwit-
schernd mit einzelnen eingestreuten Pfeiftönen.1142
Röthlicher Sänger: „Kaum betritt man einen dieser Urwälder der kleinen
Sängerschaft, so vernimmt man sein einfaches, aber gemüthliches Liedchen
… und erblickt, wenn man glücklich ist, das rothgebrüstete Vögelchen auf
der Astspitze eines Busches. Hier dreht und wendet es sich nach allen Seiten,

1139
BEAMAN/MADGE 1998, 670
1140
BREHM 1879, 5/ 198
1141
WEMBER 2005, 137
1142
SVENSSON et al. 2011, 312
196 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

spielt mit seinem Schwanze, den es bald stelzt, bald wieder niederlegt, sträubt
die Kehle und singt dazwischen.“1143
Schlüpfgrasmücke: „Schlüpfgrasmücke“ ist der Leitname BREHMS für den
Vogel. BREHM beschrieb das Huschen und Schlüpfen der Grasmücke bei
Gefahr. So erscheint sie regelmäßig auf der Spitze eines Busches, doch nur um
sich umzusehen: „im nächsten Augenblick ist sie verschwunden.“1144

Sardengrasmücke (Sylvia sarda)


Die Sardengrasmücke brütet auf den Inseln der Balearen, mit Ausnahme von
Menorca, auf Korsika und Sardinien, Capri, Elba und Pantelleria sowie der
tunesischen Insel Zembra. Während die Population auf den Balearen aus
Standvögeln besteht, ziehen die Vögel der östlichen Unterart zum Überwin-
tern ins nördliche Afrika.
Die Vögel brüten an Berghängen mit niedriger Macchia und Garrigue sowie
an Felsküsten im Buschwerk mit Heidekraut und Zistrosen, aber nicht in
Wäldern.
Bei AVIBASE wurden zwei Arten geführt (1.09.2012). WIKIPEDIA schränk-
te ein: Die balearische Art, die Balearengrasmücke ( Sylvia balearica), werde
bisweilen mit der Sardengrasmücke ( Sylvia sarda – Marmora’s Warbler) als
eine Superspezies gesehen. Dies werde mit Unterschieden in Größe, Färbung,
Gesang und Zugverhalten sowie Untersuchungen der mitochondrialen DNA
begründet. Die recht geringfügigen morphologischen Unterschiede schienen
aber einen Artstatus nicht unbedingt zu rechtfertigen. Das Zugverhalten sei
kaum als taxonomisches Merkmal zu werten und die molekulargenetischen
Untersuchungen seien seit mehreren Jahren unveröffentlicht.1145
Sardengrasmücke: Die „Sardengrasmücke“ ähnelt in Größe, Gestalt und
Verhalten der etwas langschwänzigeren „Provencegrasmücke“, unterscheidet
sich jedoch durch die graue Unterseite und deutlich helle Kehlflecke.
Sardensänger, Sardischer Sänger: Der Gesang der Sardengrasmücke besteht
aus kurzen (ca 1,4 sec dauernden), in schnellem Tempo gesungenen Strophen
aus zahlreichen Kurzelementen und einigen gepfiffenen Lauten. Die Autoren
beschrieben auch den so deutlich anderen Gesang der Balearengrasmücke, die
nicht auf den Gesang der Sardengrasmücke reagierten.1146

1143
BREHM 1879, 5/ 198
1144
BREHM 1879, 5/ 198
1145
http://de.wikipedia.org/wiki/Sardengrasmücke, Stand: 7.07.2012
1146
BERGMANN/HELB/BAUMANN 2008, 465
PASSERES – SINGVÖGEL 197

Das alles wussten OKEN und BREHM, von denen diese Namen stammen,
noch nicht. Deshalb sei hier BREHM zitiert: Der Sardensänger lässt „von
Zeit zu Zeit sein klingendes Liedchen erschallen, welches große Ähnlichkeit
mit dem Gezwitscher eines jungen Kanarienvogelmännchens hat, mit dem
Unterschiede jedoch, daß jenes, wie der Gesang des Rotkehlchens, in Moll
schließt. So wenig laut das Lied des sardischen Sängers auch an und für sich
ist, so weit kann man es doch vernehmen, besonders einzelne hellere Töne,
die fast ganz dem Schellen einer Klingel gleichen.“1147

Weißbartgrasmücke (Sylvia cantillans)


„Alle Mittel- und Niedergebirge des nördlichen Spanien deckt ein wunderba-
rer Wald, welchen die Landeseingeborenen bezeichnend Nieder- oder Strauch-
wald nennen: ein Zwergwald im eigentlichen Sinne des Wortes. Prachtvolle
Heidearten, Cisten-, Oleander-, immergrüne Eichen- und Ulmengebüsche
setzen ihn zusammen und einigen sich zum fast undurchdringlichen Dickich-
te.“ Dieser Wald darf als die eigentliche Heimat der zwerghaften [Weißbart-]
Grasmücke bezeichnet werden. „Sie ist ein prächtiger Vogel. Zutraulicher als
alle anderen ihres Geschlechtes, läßt sie sich in größter Nähe beobachten,
und ohne Sorgen vor dem zu ihr heranschleichenden Menschen trägt sie ihr
anmuthiges Liedchen vor. So lange sie nicht verfolgt wird, scheint sie den Erz-
fein der Thiere unter allen Umständen und überall für ein in jeder Hinsicht
ungefährliches Geschöpf zu halten.“1148
Weißbartgrasmücke, Bartgrasmücke, Weißbärtchen, Röthelgrasmücke:
Das Männchen hat einen bleigrauen Kopf und grauen Mantel sowie eine
rötlich-kastanienbraun gefärbte Kehle. Je ein weißer Bartstreifen zieht vom
Unterschnabel unter die Ohrregion.
Sperlingsgrasmücke: C. L. BREHM hatte den Vogel „Sylvia passerina“ ge-
nannt. Der Ausdruck ist von seinem Sohn A. BREHM zwar mit anderen
übernommen worden, übergeordnet war aber „Sylvia subalpina“. „Passerina“
kommt von „passer“, „Spatz, Sperling“. „Sperlingsgrasmücke“ war von C. L.
BREHM selber als Kunstname bezeichnet worden.1149
Weißbärtiger Sänger: OKEN hatte den Vogel „Sylvia leucopogon“ genannt.
„Leucopogon“ bedeutet „weißbärtig“.1150

1147
OKEN 1843, 6 und BREHM 1879, 5/196
1148
BREHM 1879, 5/ 193
1149
C. L. BREHM 1823, 334 und BREHM 1879, 5/ 193
1150
OKEN 1843, 7
198 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Der Gesang dieser Grasmücke ist fast bluthänflingsartig knöternd und stot-
ternd, eine unregelmäßige Folge rauh zwitschernder und kurzer, hell knir-
schender Töne.
Unteralpensänger: Dem „Weißbärtigen Sänger“ stellte OKEN den „Unter-
alpensänger“ als eigene Art „Sylvia subalpina“ zur Seite, obwohl er nach eige-
nen Worten nichts über sie angeben konnte. Der Name bezieht sich auf das
Verbreitungsgebiet in Europa, das südlich der Alpen und Pyrenäen liegt. Bei
BREHM erschien eine daraus „vereinigte“ Art als „Bartgrasmücke – Sylvia
subalpina“ (s. o.).1151

Samtkopfgrasmücke (Sylvia melanocephala)


Die Samtkopfgrasmücke ist ein Jahresvogel und zählt zu den mediterranen
Grasmücken. Sie kommt in großen Teilen Spaniens und Italiens vor, jeweils
mit Ausnahme des Nordens, weiterhin in Marokko. Wegen des milden Kli-
mas muss diese Art im Winter nicht in den Süden ziehen, einige Individuen
ziehen jedoch nach Nordafrika.
Die Samtkopf-Grasmücke lebt in Gegenden mit dichtem Gestrüpp und ho-
hen Büschen, in offenen, niederwüchsigen Wäldern mit Unterwuchs, auch in
menschlicher Nähe in Gärten und Gehölzen. Manchmal ist diese Grasmücke
auch in höheren Bäumen von Obstgärten sowie in Olivenhainen anzutreffen.
Da sich die Samtkopfgrasmücke die meiste Zeit in dichtem Buschwerk auf-
hält, ist eine Beobachtung des kleinen Vogels nicht leicht (versch. Qu.).
Sammetköpfchen, Schwarzköpfchen, Schwarzköpfige Grasmücke, Schw­
arzkopfiger Sänger: Der Vogel hat eine samtartig schwarze Kopffärbung. Die
weiße Kehle und die roten Augen verstärken das Schwarz noch und damit auch
den Samteindruck.

Maskengrasmücke (Sylvia rueppelli)


Diese kleine Grasmücke lebt in Griechenland, Kleinasien, Syrien, Palästina.
Sie bewohnt dort buschige Täler wüstenähnlicher Gegenden. In Griechen-
land ist die Maskengrasmücke selten, sonst aber häufig und in der Umgebung
von Smyrna (heute Izmir) an der türkischen Ägäisküste „die gemeinste Art
ihres Geschlechts“. Man findet sie auf allen mit geeignetem Gestrüpp bedeck-
ten Anhöhen und Berghängen bis ins Gebirge hinauf.1152

1151
OKEN 1843, 7 und BREHM 1879, 5/ 193
1152
BREHM 1879, 5/ 194
PASSERES – SINGVÖGEL 199

Rüppell‘scher Sänger: Eduard W. P. S. RÜPPELL (1794–1884) unternahm


zwischen 1822 und 1850 drei Forschungsreisen nach Afrika. Er stellte die
reichhaltigen Sammlungen seiner Reisen (Vögel und andere Wirbeltiere) dem
Senckenberg-Museums in Frankfurt, dessen Leiter er ab 1862 war, zur Ver-
fügung (o. Qu.).

Goldhähnchen – Regulidae
Goldhähnchen wurden früher zu den Laubsängern gestellt, mit denen sie aber
nicht näher verwandt sind. Sie bilden eine eigene, sehr urtümliche Familie
kleiner Singvögel.1153
Winter- und Sommergoldhähnchen: C. L. BREHM soll derjenige gewesen
sein, der als Erster die beiden Goldhähnchenarten deutlich voneinander ge-
trennt beschrieben habe. „Wir haben in Deutschland 2 Arten, welche wegen
ihrer großen Ähnlichkeit immer mit einander verwechselt worden sind.“ Sie
erhielten die Namen „Das safranköpfige Goldhähnchen – Regulus crococepha-
lus, mihi ( Sylvia regulus, Lath., Motacilla regulus, Linn.)“ und „Das feuerköp-
fige Goldhähnchen – Regulus pyrocephalus, mihi (früher Regulus ignicapilla,
mihi)“.1154
J. P. PRAZAK, der in der Neuauflage des NAUMANN die Goldhähnchen
bearbeitet hat, nannte eine andere Quelle: „Es ist nicht ohne Interesse, dass
beide Goldhähnchenarten schon vor CHR. L. BREHM als Spezies von alten
Wiener Vogelfängern unterschieden wurden, wie es aus den Aufzeichnungen
J. NATTERERS ersichtlich ist.“1155 Joseph NATTERER war im Jahr 1800
Mitgründer und danach bis zu seinem Tod 1823 Aufseher in der Menagerie
im k. k. Hof-Naturalien-Kabinett zu Wien.1156
Tatsächlich findet man die Goldhähnchen-Namen in den „Sitzungsberichten
der Kaiserl. Akademie der Wissenschaften in Wien“ in einem Bericht über
den „Versuch einer Geschichte der Menagerien des österreichisch-kaiserli-
chen Hofes“: „Regulus cristatus. Ray. Gelbköpfiges Goldhähnchen.“ mit dem
Vermerk: „1816. Männchen und Weibchen, die im nämlichen Jahr starben.“
Ferner: „Regulus ignicapillus. Cuvier. Feuerköpfiges Goldhähnchen“ mit dem
Vermerk: „1822. Wurde durch einige Zeit am Leben erhalten.“1157

1153
SVENSSON et al. 2011, 336
1154
C. L. BREHM 1821, 120
1155
NAUMANN/HENNICKE 1897, 2/ 224
1156
Sitzungsber. d. Kaiserl. Akademie der Wissenschaften in Wien, 1853, 10/ 626f, Math.-naturw. Klasse
1157
Sitzungsber. d. Kaiserl. Akademie der Wissenschaften in Wien, 1853, 10/ 639, Math.-naturw. Klasse
200 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Man kann davon ausgehen, dass die Unterschiede zwischen den Goldhähn-
chenarten vor 1800 auch schon bewertet wurden. So liest man z. B. bei
BECHSTEIN: Varietät, … „die man leicht für eine eigene Art halten könn-
te.“ Er entschied sich aber schließlich für eine andere Erklärung: „Ich glaube
allemal bemerkt zu haben, daß so gezeichnete Vögel Junge waren, die sich
zum ersten Mal gemausert hatten. Merkwürdig genug ist deshalb diese Er-
scheinung immer.“1158

Wintergoldhähnchen (Regulus regulus)


„Goldhähnchen, Oberd. Goldhähnlein, gekröntes Königlein, Regulus crista-
tus, einer der kleinsten Vögel in Europa, welcher eine Art der so genann-
ten Königlein oder Zaunkönige ist. Er hat den Nahmen Goldhähnchen, von
seinem goldgelben Schopfe oder Büschel auf dem Kopfe, der ihm wie dem
Hahne der Kamm steht, daher er auch das Sträußchen genannt wird … Weil
das Vögelchen den Winter über nicht wegzieht, so heißt es darum auch Win-
terkönig, zum Unterschiede eines andern Zaunköniges, welchen Klein Som-
merkönig oder Tyrannchen nennt, und ihn für das Weibchen von unserm
gekrönten Königlein hält. Einige haben unserm Goldhähnchen auch den
Nahmen Weidenmeise beygelegt, weil sie einige Ähnlichkeit mit den Meisen
haben, und auf den Weiden nisten; dieserhalb nennen ihn Andere auch Wei-
denzeisig; es unterscheidet sich aber durch das goldgelbe Kuppchen von dem
eigentlichen Weidenzeisig.“1159
Gelbköpfiges Goldhähnchen, Safranköpfiges Goldhähnchen: Wie in der
Einleitung zu den Goldhähnchen beschrieben wurde, schreibt man die Tren-
nung in zwei Arten eher NATTERER (1816) als C. L. BREHM (1821) zu.
NATTERER hatte das spätere Wintergoldhähnchen, wie auch NAUMANN
(1823), „Gelbköpfiges Goldhähnchen“ genannt (s. o.). Für C. L. BREHM
war es das „Safranköpfige Goldhähnchen“, ein Name, der neben Ersterem
ebenfalls als Leitname verwendet wurde. Auch C. L. BREHMS Sohn Alfred
BREHM benutzte ihn noch 1866 in der Erstausgabe seines Thierlebens.
Gemeines Goldhähnchen, Safrangoldhähnchen, Goldhendlein, Goldhan-
nel: Dieser kleinste Vogel Europas hat einen goldgelben, schwarz begrenzten
Scheitelstreif, der zum Vergleich mit einem Hahnenkamm geführt hat. Daher
„Gold-“ und „Hähnchen“ im Namen. Der Vogel ist Jahresvogel oder Durch-
zügler aus Nordosteuropa, er ist also auch im Winter, entgegen dem Sommer-

1158
BECHSTEIN 1795, 699
1159
KRÜNITZ 1780, 19/ 530
PASSERES – SINGVÖGEL 201

goldhähnchen, bei uns. Der Name ist schon alt und taucht nach SPRINGER
schon bei GESSNER als „Goldhenlein“ auf.1160
„Er hat den Nahmen Goldhähnchen, von seinem goldgelben Schopfe oder
Büschel auf dem Kopfe, der ihm wie dem Hahne der Kamm steht, daher er
auch das Sträußchen genannt wird (s. o.).“1161
Safran ist ein gelber Farbstoff, der als Speisefärbe- und -würzmittel genutzt
und aus getrockneten, süß-aromatisch duftenden Stempelfäden von Crocus
sativus hergestellt wird.
Wintergoldhähnchen: Der Name stammt, wie auch „Sommergoldhähn-
chen“, von Alfred BREHM, in dessen mit Emil Adolf ROSSMÄSSLER her-
ausgegebenem Buch Die Thiere des Waldes, 1864, Band 1, S. 346 sie anschei-
nend erstmalig standen. Ob sich der Band 7 des Neuen Konversations-Lexikons
von MEYER aus dem Jahr 1864, in dem man „Wintergoldhähnchen auch
finden kann, auf BREHM/ROSSMÄSSLER bezieht, bleibt ungeklärt. Eine
ältere Quelle wurde nicht gefunden.
Goldköpfchen, Goldvögelchen, Kronvögelchen, Goldvögelein: Die ersten
drei Namen findet man bei BREHM. Sie stammen aber nicht von ihm, ge-
nausowenig wie der vierte von NAUMANN stammt, der ihn als Beinamen
anführte. Solche Bezeichnungen findet man in Fülle bei vielen Autoren der
Zeit um 1800.1162
Goldhähnchen, Haubenkönig, Königlein, Gekrönter Zaunkönig, Hau-
benzaunkönig: Unter den drei Leitnamen „Der Haubenkönig, das Gold-
hähnchen oder das Königlein“ beschrieb OTTO das Goldhähnchen. „Dieser
Vogel ist das wahre Königlein (Roitelet), wie der Herr von Buffon solches sehr
gut gezeigt hat.“1163
„Er hat den Nahmen Goldhähnchen, von seinem goldgelben Schopfe oder
Büschel auf dem Kopfe, der ihm wie dem Hahne der Kamm steht.“ Der gold-
gelbe Federbusch auf dem Kopf ist einer Krone vergleichbar.1164
Auch MÜLLER führte den Vogel als „Haubenkönig“. „Dieser hat viele Eh-
rentitel. Er heißt Regulus, Senator und Rex … englisch: Golden-Crowned-
Wren oder Crested Wren, das ist: Hauben- oder gekrönter Zaunkönig. Er

1160
SPRINGER 2007, 300 und GESSNER 1585, 727, 37–49
1161
KRÜNITZ 1780, 19/ 529
1162
BREHM 1879, 5/ 209 und NAUMANN 1823, 3/ 965
1163
BUFFON/OTTO 1791, 16/ 316
1164
KRÜNITZ 1780, 19/ 530
202 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

führet einen gelben Federbusch: kann ihn aber so niederlegen, daß man ihn
nicht sieht.“1165
König der Vögel, Gekröntes Königchen, Gekrönter Sänger: „Der Scheitel
des Männchens ist mit einem schönen, goldgelben schwarz gefaßten Streif
gezeichnet, diese Federn kann er aufrichten.“1166
Nach KRÜNITZ gebe es nicht nur unter den großen, sondern auch unter den
kleinen Vögeln verschiedene „Könige“, die sich durch Vorzüge im Ansehens
diesen „Titel“ erworben haben, wie z. B. der „Zaunkönig“, der „Schneekönig“
(Zaunkönig) oder der „Wachtelkönig“.1167 Der kleinste unter ihnen wurde
wegen der Haube „gekröntes Königlein“ genannt.
Goldämmerchen, Goldemmerchen, Goldhämmelchen, Goldhammel,
Goldhämmerchen: Die beiden letzten Bezeichnungen hatte das Goldhähn-
chen in NAUMANNS Anhaltinischer Heimat.
Zu Goldhämmelchen/Goldhammel: In seiner Untersuchung von deutschen
Pflanzen- und Tiernamen besprach der Autor Helmut CARL auch Tiernamen
mit dem Suffix „-chen“. So erhielten u. a. verniedlichte Vögel Schmeichel-
namen mit einem „-chen“. „Das Goldhähnchen mit dem gelbroten Feder-
krönchen fängt die Poesie des Waldes ein; wie derb wäre für den Vogelzwerg
der Goldhahn.“1168 Das betrifft danach auch das Namenspaar Goldhämmel-
chen/Goldhammel. Den Ausdruck „Goldhammel“ für „Goldhähnchen“ fin-
det man schon bei BECHSTEIN (1795, 699). NAUMANN übernahm den
Begriff und auch das wohl von ihm konstruierte Wort „Goldhämmelchen“
für das Wintergoldhähnchen.1169 Möglicherweise diente eine alte französische
Goldmünze, der „Mouton d’or, Goldhammel“, als Vorlage für diesen Na-
men des winzigen Goldhähnchens (o. Qu.). Dazu kommt, dass schon früher
„Hammel“, das Diminutiv „Hämmelchen“ oder Zusammensetzungen wie
„Goldhammel“ und „Zuckerhammel“ beliebte Schmeichelworte für Kinder
waren.1170
Sommerkönig, Sommerzaunkönig: Beide Namen findet man bei KLEIN,
aber für verschiedene Vögel. Den „Sommerkönig“ oder „Tyranchen“ nannte
er „Regulus non cristatus“ und schrieb dazu: „Dies ist eigentlich der Zaunkö-
nig.“ Es folgte eine Beschreibung eines „oberwärts dunkelbraunen, aschgrau
und grünen, unterwärts grünen“ Vogels. Das wurde von REYGER wiederholt

1165
MÜLLER 1773, 620
1166
VOIGT 1835, 212
1167
KRÜNITZ 1788, 43/ 554
1168
CARL 1957, 257
1169
BECHSTEIN 1795, 699 und NAUMANN 1823, 3/ 965
1170
MEDICUS 1867, 92
PASSERES – SINGVÖGEL 203

und führte damit auch zu keiner Klarheit. Der eigentliche Zaunkönig wurde
als „Winterkönig“ bezeichnet.
Der „Sommerzaunkönig“ war bei KLEIN auch das „Gekrönte Königchen“,
das er „Regulus cristatus“ nannte und den Hinweis auf die Tafel 24 von
FRISCH mit dem Bild des Goldhähnchens (und des Zaunkönigs) gab.1171
In der Einleitung zu diesem Kapitel hatte KRÜNITZ das Goldhähnchen
auch als „Winterkönig“ bezeichnet, einen „Jahresvogel“, der nach damali-
gen Beobachtungen im Winter nicht wegziehen würde. Darüber gab es aber
wohl schon lange unterschiedliche Meinungen. SPRINGER zitierte GESS-
NER (1585): „Einige unserer Vogelsteller sagen, die ‚reguli‘ würden bei uns
überwintern, andere, sie würden im Winter wegfliegen.“ SPRINGER wertete
diese Bemerkung zudem als einzigen Hinweis GESSNERS auf die Kenntnis
zweier Goldhähnchen-Arten.1172
Deutscher Kolibri, Europäischer Kolibri: OKEN: Er „ist der kleinste Vogel
in Europa und heißt daher auch der europäische Kolibri.“1173
HALLE habe ihn, außer Sommer-Zaunkönig, wegen seiner Kleinheit auch
„Deutscher Kolibri“ genannt.1174
Zaunkönig, Zaunschlupfer, Zaunschlüpflein: Wegen ihrer geringen Kör-
pergröße und weil das Goldhähnchen eine Art der Zaunkönige ist, erhielten
der Zaunkönig und das Goldhähnchen ähnliche Namen.1175 Manchmal hielt
man das Goldhähnchen auch für das Weibchen des Zaunkönigs. Als „Zaun-
könig“ (ohne ergänzenden Adjektiv) hat zuerst BECHSTEIN den Vogel be-
zeichnet. NAUMANN schloss sich mit „Wintergoldhähnchen“ an. Auch
„Zaunschlüpflein“ findet man zuerst bei BECHSTEIN, „Zaunschlupfer“
steht dagegen nur bei OKEN.1176
Sträußchen, Sträußlein: „Wenn das Goldhähnchen in einigen Gegenden im
Diminut Sträußlein genannt wird, so geschiehet es wegen des Straußes oder
Federbusches auf dem Kopfe.“1177
Weidenmeise, Weidenzeislein: „Einige haben unserm Goldhähnchen auch
den Nahmen Weidenmeise beygelegt, weil sie einige Aehnlichkeit mit den
Meisen haben, und auf den Weiden nisten; dieserhalb nennen ihn Andere

1171
KLEIN 1760, 143 und KLEIN/REYGER 1760, 77
1172
SPRINGER 2007, 300
1173
OKEN 1837, 28
1174
BUFFON/OTTO 1791, 16/ 324
1175
ADELUNG 1796, 2/ 748
1176
BECHSTEIN 1802, 190 + 1795, 699 und OKEN 1816, 433
1177
ADELUNG 1801, 4/ 428
204 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

auch Weidenzeisig; es unterscheidet sich aber durch das goldgelbe Kuppchen


von dem eigentlichen Weidenzeisig; übrigens sind beyde gleich klein, und
haben auch sonst sehr viel ähnliches im äußern Ansehen.“1178
Parra: Das Wort findet man 1585 bei GESSNER. Es wird als aus „avis parva“
(kleiner Vogel) gedeutet.1179
„Parra“ ist der lateinische Name eines ungedeuteten Vogels bei PLAUTUS
und PLINIUS, dessen Ruf Unglück andeuten soll.1180
Ochsenäuglein: Bereits GESSNER erwähnte 1585 ein „Ochsseneugle“.1181
Das Wort zielt auf die Kleinheit des Vogels (so groß wie ein Ochsenauge) und
ist eine Nachbildung des italienischen Namens „occhio bovino“.1182
Ziszelberte, (Ziszelperte): Der Name entstand aus der Stimme. GESSNER
schrieb 1585: „Andere [nennen sie] nach der Stimme ‚Zilzelperle‘, denn sie
singt ‚zui zil zalp‘.“1183
Tannenmäuslein, Waldzeislein: Das Wintergoldhähnchen bevorzugt, mehr
noch als Sommergoldhähnchen, Fichtenwälder, in denen es brütet und nach
Nahrung sucht. Tannenmäuslein ist wohl aus Tannenmeislein entstanden.
GESSNER schrieb 1585 zu Thannmeisle: „Fliegt in den Wäldern um die
Tanen herum.“1184 Der Name „Waldzeisig“, den SCHWENCKFELD (1603)
erwähnte, soll sich auf den „sittichgrünen Rücken“ des Vogels beziehen.1185

Sommergoldhähnchen (Regulus ignicapillis)


„Dieses niedliche Vögelchen, das kleinste unter allen deutschen, gewiß auch
unter allen europäischen, ist schon von Bechstein gesehen, obgleich nicht
richtig beschrieben, von [Joh. Andreas] Naumann in seinem Vögelwerke …
gut abgebildet, von Wolf als Abart erwähnt, in Frankreich und Amerika be-
merkt, aber von Niemanden als eine eigne Art, die es ganz unleugbar ist, auf-
geführt worden. Es gereicht mir daher zu einem nicht geringen Vergnügen,
dieses schöne Thierchen durch die vielen Beobachtungen, welche ich seit acht
Jahren gemacht habe, nicht nur mit völliger Gewißheit als eine neue, eigne

1178
KRÜNITZ 1780, 19/ 530
1179
SPRINGER 2007, 299
1180
ZUM LAMM 2000, 275
1181
SPRINGER 2007, 300
1182
SUOLAHTI 1900, 77
1183
SPRINGER 2007, 301
1184
SPRINGER 2007, 300
1185
SUOLAHTI 1900, 78
PASSERES – SINGVÖGEL 205

Art aufstellen, sondern auch seine Naturgeschichte vollkommen ins Reine


bringen zu können.“1186
Sommergoldhähnchen, Goldkronhähnchen: Dieser kleine Vogel hat einen
gelb-orangefarbenen, schwarz begrenzten Scheitelstreif, der zum Vergleich
mit einem Hahnenkamm geführt hat. Daher „Gold-“ und „Hähnchen“ im
Namen. Der Vogel ist als Kurzstreckenzieher nur im Sommer in Mitteleuro-
pa.
Wie „Wintergoldhähnchen“ stammt der Name „Sommergoldhähnchen von
BREHM (1864). Siehe unter „Wintergoldhähnchen“.
Feuerköpfiges Goldhähnchen, Feuerköpfchen: Der Scheitelstreifen hat
deutlich mehr sichtbares Orange als der beim Wintergoldhähnchen.
Wie in der Einleitung zu den Goldhähnchen beschrieben wurde, ist man sich
nicht sicher, ob die Trennung in zwei Arten NATTERER oder C. L. BREHM
zugeschrieben werden muss. Seit dieser Trennung findet man „Feuerköpfiges
Goldhähnchen“ in der Regel als Leitnamen für das Sommergoldhähnchen,
selbst noch in der Erstausgabe von BREHMS Thierleben 1866.
Feuerköpfiger Sänger, Feuerkronsänger: „Die Rufe unterscheiden sich von
denen des Wintergoldhähnchens – sind im typischen Fall tiefer und langsa-
mer und volltönender, weniger durchdringender ‚si-si-siep‘ und einfach oder
wiederholt meisenartig ‚siep‘.“ Die 4–5 unterschiedlichen Gesangsstrophen
sind kürzer als die des Wintergoldhähnchens und werden weniger hastig vor-
getragen.1187
Rubingekrönter Zaunkönig: „Dieses noch kleinere [als der Zaunkönig] Vö-
gelchen hat verschiedene Namen, die ihm gleichsam wegen seiner Kleinheit
spottweise beygelegt sind“ u. a. Gold- oder Rubingekrönter Zaunkönig so-
wie ein Großteil der beim Wintergoldhähnchen angeführten Begriffe. „Der
passendste darunter ist wohl das Goldhähnchen.“ GOEZE/DONNDORF
trennten das Goldhähnchen noch nicht in die zwei Arten auf. Der „Zaun-
könig“ im Namen entstammt der Annahme der Zusammengehörigkeit von
„Zaunkönig – Troglodytes“ und „Zaunkönig – Regulus“ zu einer systemati-
schen Gruppe.
„Rubingekrönter Zaunkönig“ ist einer der Beinamen bei NAUMANN.1188
Der Name, allerdings für „Goldhähnchen“ allgemein und von BECHSTEIN

1186
C. L. BREHM 1821, 2/ 130
1187
BEAMAN/MADGE 1998, 703
1188
NAUMANN 1823, 3/ 983
206 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

verbreitet, wurde schon 1781 in „Neueste Mannigfaltigkeiten“, einer „Gemein-


nützigen Wochenschrift“ gefunden.1189

Seidenschwänze – Bombycillidae
Die Seidenschwänze ( Bombycilla, Bombycillidae) sind eine Vogelgattung und
Familie aus der Ordnung der Sperlingsvögel (Passeriformes), Unterordnung
Singvögel (Passeres) mit nur drei Arten: Seidenschwanz ( B. garrulus), Blutsei-
denschwanz ( B. japonica), Zedernseidenschwanz ( B. cedrorum).1190

Seidenschwanz (Bombycilla garrulus)


Im Offenburger Tageblatt konnte man am 4. Februar 2006 lesen: „Ein Vogel-
grippe-Alarm in Wien, den 40 Seidenschwänze auslösten, hat sich als unbe-
gründet herausgestellt … Die Tiere sind dennoch keines natürlichen Todes
gestorben. Pathologen, die die Tiere untersuchten, kamen zu dem Schluß,
dass sie allesamt betrunken waren und sich das Genick brachen, nachdem
sie – im Vollrausch – gegen Glasscheiben krachten.“ Die Singvögel haben
Beeren von wildem Wein und Eberesche gefressen, die stark angegoren waren.
In den Mägen sei so viel Alkohol freigesetzt worden, dass man die Vögel als
volltrunken bezeichnen könne. Sie wiesen angeblich bereits Merkmale von
chronischen Alkoholikern auf.1191
Seidenschwanz: „Wenn sie durch Sachsen fliegen, nennt man sie daselbst
Seidenschwänze.“1192 Der Ausdruck „Seydenschwantz“ wird zuerst 1552 in
Sachsen belegt.1193 „Dies ist ein sehr schöner Vogel; sein sanftes seidenarti-
ges Gefieder, der schöne Federbusch, die herrliche Verzierung der Flügel, die
Einfassung des Schweifes, alles macht auf den Beschauer einen angenehmen
Eindruck. Als Art einer besonderen Gattung steht er in Europa allein.“1194
Den „Nahmen führt er von dem schönen gelben Streif an den Spitzen seiner
Schwanz-Federn, der einem gelben Seiden-Zeug ähnlich.“1195
BRISSON hatte den Seidenschwanz „Bombycilla bohemica“ genannt. Über
einige Änderungen des Gattungsnamens, z. B. „Ampelis“, hat der Vogel
den alten Namen wiedererhalten. „Bombycilla“ bedeutet übersetzt „Seiden-

1189
GOEZE/DONNDORF 1795, 5-2/ 122
1190
http://de.wikipedia.org/wiki/Seidenschwänze, Stand: 4.09.2012
1191
Offenburger Tageblatt 4. Februar 2006
1192
FRISCH 1763, T. 32
1193
SUOLAHTI 1905, 146
1194
NAUMANN 1822, 2/ 143
1195
ZORN 1743, 315
PASSERES – SINGVÖGEL 207

schwanz“. „Cilla wird von den Wissenschaftlern der frühen Neuzeit in der
Bedeutung von ‚Schwanz‘ verwendet.“1196
Gemeiner Seidenschwanz, Europäischer Seidenschwanz: Mit dem ersten
Namen bezeichnete BECHSTEIN den Seidenschwanz in der ersten Ausgabe
seiner Naturgeschichte, der zweite war der Leitname in der zweiten Ausgabe.
BECHSTEIN wusste von einem amerikanischen Seidenschwanz („Er ist auch
in Nordamerica“), anerkannte ihn aber, trotz von ihm genannter Unterschie-
de, nicht als eigene Art, sodass die Benennung „Gemeiner“ Seidenschwanz
verständlich wird.1197 KLEIN hatte dagegen schon viel früher von einem „Sei-
denschwanz aus Europa“ und einem „Grauen Seidenschwanz von Karolina“
geschrieben, was BECHSTEIN dann 1807 mit dem „Europäischen“ Seiden-
schwanz berücksichtigte.1198
Die Seidenschwänze besitzen „einen sehr sanften Character, große Friedfertig-
keit und ebenso großen Gesellschaftstrieb; aber sehr beschränkte intellectu-
elle Fähigkeiten, verbunden mit großem Hange zu körperlicher Unthätigkeit
und mit ungewöhnlicher Gefräßigkeit: welche letztere allein sie zur Unter-
brechung der ersteren bewegen kann. Ihr kurzer Darmkanal macht, daß die
Speisen sehr schnell und wenig verdaut wieder fortgehen, also im Verhältnisse
zu ihrer Masse nur wenig wirklichen Nahrungsstoff an den Körper abgeben
können. Dazu trinken diese Vögel im Verhältniß mindestens ebenso außer-
ordentlich viel, als sie fressen; lassen aber statt ordentlichen Badens bei einem
leichten Besprühen mit Wasser bewenden.“1199
Rötlichgrauer Seidenschwanz: Dieser Name war NAUMANNS Leitname
für den Vogel.1200 Die Gefiederfarbe wird subjektiv verschieden beschrieben:
Von „rötlichgrau“ über „hell graubraun“1201 bis zu „einer sanften Mischung
des Braunen mit dem Aschgrauen, doch in verschiedenen Schattierungen.1202
Graubauchiger Seidenschwanz: Der Name stammt von MEYER (1822).
TEMMINCK hatte zuvor den Vogel „Bombyciphora garrula“ genannt. „Im
Deutschen gebe ich ihr [der Art] den Namen des ‚graubäuchigen Seiden-
schwanzes‘.“1203 „Der Bauch [ist] röthlich silbergrau.“

1196
WEMBER 2005, 122
1197
BECHSTEIN 1795, 173 + 1807, 3/410
1198
KLEIN 1760, 133
1199
GLOGER 1834, 387
1200
NAUMANN 1822, 2/ 143
1201
BEAMAN/MADGE 1998, 592
1202
BECHSTEIN 1807, 3/ 412
1203
MEYER in: MEYER/WOLF 1822, 3/ 69
208 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Seidenschwänzchen: Der Ausdruck „Seydenschwantz“ (1552, s. o.) erschien


abgewandelt 1579 auch als „Seidenschwentzlein“ und 1582 als „Siden-
schwentzken“, später als „Seidenschwäntzel“.1204
Das dagegen modern erscheinende „Seidenschwänzchen“ tauchte erstmals
bei BECHSTEIN auf und wurde von anderen Autoren kaum beachtet.1205
„Seidenschwänzchen“, das sich wie ein Kosename liest, kann auch eine Rück-
übersetzung aus anderen Sprachen oder Dialekten sein, so aus dem Helgo-
ländischen „Siedenswenske“.1206
Seidenschweif, Seidenschweifel: Diese Ausdrücke sind andere Namen für
„Seidenschwanz“. „Seidenschweiffl“ wurde 1756 von KRAMER ( Elenchus
Vegetabilium et Animalium) zitiert.
Böhmer, Böhmerl, Böhmerlein, Bohemlein: Der Grund „der Nahmens-
Benennung ist eine unbegründete Meinung, daß dieser fremde Vogel aus
Böhmen kommen solle, wo er aber eben so wenig, als bey uns zu Hause ist,
ob er wohl über Böhmen im Strich treffen, und daselbst wegen seines Fraßes
sich gerne aufhalten mag, doch vemuthlich weiter aus den mitternächtlichn
Gegenden“ herstreichet.1207
„Weil er aus den Gegenden von Böhmen zu uns kommt; heißt er bey den …
Bayern, als den nächsten Nachbaren an Böhmen, Böheimle.“1208
Pestvogel, Sterbevogel: „Pestvogel“, auch „Kriegsvogel“ wurde der Seiden-
schwanz genannt, weil sein oft in Scharen erfolgender Anflug Krieg und Tod
verkündigen soll.1209
Es gab laut ALDROVANDI (1522–1605) einige Seidenschwanz-Invasionen
in Italien, denen schwere Pestepidemien folgten.1210
„Auch im Februar des Jahres 1530, als Karl der Fünfte sich zu Bologna krö-
nen ließ, fand dieses [Vogelinvasion, keine Pest] statt. In den Ländern, wo
diese Vögel nur zu unbestimmten Zeiten erscheinen, werden sie, wenn sie in
großen Scharen ankommen, als Vorboten von Unglücksfällen bei dem Volke
betrachtet, z. B. als Verkündiger des Krieges, der Pest, Hungersnoth etc. Von
diesen Begebenheiten müssen doch wenigstens die Erdbeben ausgenommen
werden; denn man bemerkte im Jahre 1551, daß diese Vögel, welche sich in

1204
SUOLAHTI 1909, 146
1205
BECHSTEIN 1802, 154
1206
GÄTKE/BLASIUS 1900 in: „Die Vogelwarte Helgoland“
1207
ZORN 1743, 315
1208
FRISCH 1763, T. 32
1209
GRIMM/GRIMM 1984, 2/ 224
1210
GATTIKER/GATTIKER 1989, 207
PASSERES – SINGVÖGEL 209

Modena, Piazenza und fast allen Theilen Italiens verbreiteten, doch stets das
Ferrarische Gebiet vermieden, als wenn sie das Erdbeben, welches kurz nach-
her entstand, wobei sogar alle Vögel des Landes die Flucht ergriffen, vorher
empfunden hätten.“1211
Haubendrossel, Böhmische Haubendrossel: „Der Seidenschwanz gehört
zur Gattung der Drosseln, oder der Krähen, daher ihn auch Albinus die Böh-
mische Krähe nennet.“1212
KLEIN ordnete den Seidenschwanz zu den Drosseln und nannte ihn nach
seiner Haube „Turdus cristatus“.1213 BECHSTEIN tat das nicht mehr, schrieb
aber: „Die hierher gehörigen Vögel haben vermischte Eigenschaften von der
Flienfänger- und Drosselgattung.“1214 Aus dieser Zeit stammen viele Namen
des Seidenschwanzes, die auf „- drossel“ enden.
Winterdrossel: So und ähnlich nannte man Vögel, die zu Beginn der Käl-
te ankommen, wie z. B. die Rotdrossel, aber auch der drosselgroße Seiden-
schwanz. „Daß die Kälte zu ihren Zügen aus einer Himmelsgegend in die
andere nicht Veranlassung seyn kann, geht daraus hervor, daß sie ihre Reise
schon anfangs des Herbstes anfangen. Büffon ist der Meinung, daß wohl eine
außerordentliche Vermehrung dieser Vögel an ihren Wanderungen Schuld
seyn könnte; allein andere Naturforscher glauben doch, daß die Kälte, und
wenn nicht diese, doch das im Winter mangelnde Futter dazu Veranlassung
geben soll.“1215
„Fragt man nach den Ursachen derartig auffälliger Invasionen und den zu-
grundeliegenden Evasionen, so wird klar, daß allgemein zwei Faktoren eine
große Rolle spielen: geringes Nahrungsangebot und hohe Populationsdich-
te.“1216
Schneevogel, Schneeleschke: „Da der Seidenschwanz in Deutschland
ein Wintergast ist, nennt ihn Schwenckfeld Ther. Sil. (1603) S. 229 einen
‚Schneevogel‘ oder ‚Schnee Leschke‘ (d. h. Schneekernbeißer).“1217
Pfeffervogel, Pfeffervögelchen: Nach SUOLAHTI soll sich die Benennung
auf das zarte, „wolgeschmackte“ Fleisch des Vogels beziehen, das wie „lieblich
gewürzt“ ist.1218 „Das Fleisch ist eine vortreffliche Speise und wird von vielen

1211
KRÜNITZ 1833, 152/ 453
1212
HAUFFE 1773, 207
1213
KLEIN 1760, 133
1214
BECHSTEIN 1807, 3/ 410
1215
KRÜNITZ 1833, 152/ 453
1216
BERTHOLD 1996, 40
1217
SUOLAHTI 1909, 145
1218
SUOLAHTI 1909, 146
210 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

dem sämtlicher Drosselarten vorgezogen. Es hat einen fein gewürzten, etwas


bitteren Beigeschmack, dazu sind diese Vielfrasse unter den Vögeln fast im-
mer wohlbeleibt und fett.“1219
Kreuzvogel: Mit „Kreuz“ ist nicht das Kreuz Christi gemeint, auch nicht das
Grabkreuz, „sondern das harte Schicksal, an dem manche Menschen oft jah-
relang zu tragen haben und das gleichsam vom Seidenschwanz angekündigt
wird.“1220
Die Seidenschwänze kommen, in verschieden großer Anzahl, als Wintergäs-
te nach Mitteleuropa und künden damit Schnee oder einen starken, kalten
Winter an (dgl., p. 73).
Zinzirelle, Ziecerelle: „Er wird nicht leicht zahm gemacht; wenn er singet, so
scheint er immer zizeri auszusprechen.“1221
„Man nennet den Seidenschwanz auch noch … ‚Zinzerelle‘, und ‚Zincirella‘,
wegen seines gewöhnlichen Geschreies ‚Ziziri‘.“1222
BEZZEL schrieb zur Stimme: „Stimmfühlungsruf … hoch ‚srii‘ oder ‚sirr‘,
das leicht schwingend klingt. Gesang aus ‚ssirr‘-Rufen und gedämpftem Rät-
schen, in langen Strophen vorgetragen.“1223
Zuser, Zuserl: „Zuser“ ist eine „anscheinend in Österreich heimische Be-
zeichnung der Gattung Seidenschwanz der Familie Ampelis, Bombycilla gar-
rulus … auch Zuserl.“1224
Nach SUOLAHTI seien „Zinzerelle“ und „Zuserl“ synonym. Für beide Aus-
drücke werde onomatopoietischer Ursprung vermutet. Entsprechend kann
man „Zieserl“ als von einem oder beiden Begriffen abgeleitet verstehen.1225
Wipsterz: Der Name geht nach POPOWITSCH auf SCHWENCKFELD
(1603) zurück. Ein Schwanzwippen konnte weder in der älteren, noch in der
modernen Literatur bestätigt gefunden werden.1226
Schwätzer: „In Frankreich ist ‚jaseur de Bohème‘ (der böhmische Schwätzer)
der allgemein geltende Ausdruck.“1227

1219
NAUMANN 1822, 2/ 143
1220
HOFFMANN 1937, 85
1221
HAUFFE 1773, 207
1222
BUFFON/OTTO 1790, 9/ 311
1223
BEZZEL 1993, 124
1224
GRIMM/GRIMM 1984, 32/ 825
1225
SUOLAHTI 1909, 146
1226
POPOWITSCH 1780, 540
1227
SUOLAHTI 1909, 145
PASSERES – SINGVÖGEL 211

Ihr Gesang „ist unbedeutend, obgleich er ihn viel Anstrengung zu kosten


scheint; sie knirren, zirpen und Trillern sehr eifrig ihr leises Lied, die Weib-
chen fast ebenso gut wie die Männchen, doch nicht so anhaltend, und schla-
gen dabei den Federbusch auf und nieder. Sie singen fast das ganze Jahr.“1228
Goldhahnl: Dieser Name gehört eigentlich dem Goldhähnchen. Dennoch
wurde er vor BECHSTEIN schon von BUFFON/OTTO für den Seiden-
schwanz angeführt. Auch andere Autoren verstanden unter „Goldhahnl“ den
Seidenschwanz.1229
„In Oestreich heißt der Vogel Böhmerl, Zuserl, auch Goldhahnl, ist aber wohl
zu unterscheiden vom kleinen Goldhähnchen.“1230

Mauerläufer – Tichodromadidae
Der Mauerläufer ist ein Vogel aus der Familie der Kleiberartigen (Sittidae)
und der Unterfamilie „Tichodromadinae“. Die systematische Einordnung
dieser Art, die sowohl Merkmale der Sittidae (Kleiber) als auch der Certhiidae
(Baumläufer) aufweist, ist schwierig und wird in der Wissenschaft diskutiert.
Neben der hier gewählten systematischen Stellung ist die Zuordnung zu einer
eigenständigen Familie „Tichodromadidae“ ebenfalls gebräuchlich.1231

Mauerläufer (Tichodroma muraria)


„Herr Götz gibt auch eine Beschreibung des Mauerspechts, und da sie nach
der Natur gemacht ist, wollen wir sie zur Vergleichung hersetzen. Er sagt:
dieser Vogel ist unstreitig einer der schönsten unsers Welttheils. Folgende Be-
schreibung [wird hier nicht zitiert] desselben ist nach 2 Exemplaren in der
vortrefflichen Sammlung des Herrn Gernings zu Frankfurt am Mayn aufge-
setzt. Den einen erhielt er von dem Herrn D. u. Prof. Herrmann in Strasburg,
den andern von Herrn Kaplan Martin in Seckkingen auf seiner Reise in die
Schweitz im Jahre 1780. Der letztere wurde, nachdem er sich lange daselbst
um den Kirchthürmen aufgehalten hatte, in der Kirche erschossen, in die er
flog, ohne den Ausgang wieder finden zu können.“1232

1228
NAUMANN 1822, 2/ 143
1229
BECHSTEIN 1795, 173 und BUFFON/OTTO 1790, 9/ 309
1230
VON HOLTEI 1822, Erinnerungen
1231
http://de.wikipedia.org/wiki/Mauerläufer, Stand: 5.09.2012
1232
BUFFON/OTTO 1791, 18/35
212 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Mauerläufer: Der Vogel brütet in felsigem Gelände an steilabfallenden Fels-


wänden mit etwas Bewuchs und Wasservorkommen in 1000–3000 m Höhe.
Auf ebenem Grund hüpft er meist. An steiler oder senkrechter Wand hängt er
mit parallel gestellten Füßen und nach vorne verlagertem Gewicht, sodass die
Brust die Unterlage berühren kann. Regelrechtes Klettern ist nur an unebe-
nen senkrechten Strukturen möglich. Dabei wird meist von einem Vorsprung
zum nächsten gehüpft oder senkrecht nach oben als Flugsprung.1233
Alpenmauerläufer: „Dieser Vogel hält sich nur bei hohen Kirchthürmen und
Mauern, und zwar in bergigen Gegenden, auf, meisten Theils in den südli-
chen Gegenden von Europa.“1234 „Der Alpenmauerläufer nistet mit Vorliebe
an schwer zugänglichen Felswänden der Berg- und Alpenregion, wo er sein
ziemlich kunstvoll gebautes Nest in Felsspalten anlegt.“1235
Mauerspecht, Gemeiner Mauerspecht, Murspecht: „Mauerspecht nen-
ne ich den Vogel, der so an den Mauern besonders von Türmen hängt wie
der eigentliche Specht an Bäumen. Daher wird er von unsrigen ‚Murspecht‘
und ‚Klättenspecht‘ genannt.“1236 Der wissenschaftliche Name war schon zu
GESSNERS Zeiten „Picus muralis“, also Mauerspecht.
Kletterspecht: „Kletterspecht“ ist wohl ein alter Name. SCHWENCKFELD
(1603) hatte den Vogel „Klettenspecht“ genannt.1237 RAY ( Synopsis avium,
1713) setzte den Mauerläufer „mit Recht nicht zu den Spechten, sondern
unter die Vögel, welche Ähnlichkeit mit den Spechten haben.“1238
Grauspecht, Alpenspecht: Das Rückengefieder des Alpenvogels ist grau.
Mauerklette, Alpenmauerklette, Mauerklettervogel: Den Namen „Alpen-
mauerklette“ gab NAUMANN dem Mauerläufer.1239 Wie beim Kleiber muss
man das Wort Klette mit Klettern in Verbindung bringen, nicht mit (wie eine
Klette) Kleben.1240
Die Alpenmauerklette „hat einen hüpfenden Gang und klettert mit der größ-
ten Gewandtheit an senkrechten Flächen hinan; dies aber auf eine eigene Art
und nicht, wie Spechte, Kleiber und Baumläufer, bloß hüpfend, sondern mit
Hilfe ihrer Flügel in kleineren und größeren Sprüngen … Sie klettert aber im-

1233
BEZZEL 1993, 482
1234
BUFFON/OTTO 1791, 18/40
1235
STUDER/FATIO 1901, 3/ 363
1236
GESSNER 1585 bei SPRINGER 2007, 303
1237
BUFFON/OTTO 1791, 18/ 26
1238
RAY Synopsis avium, 1713, p. 46 und BUFFON/OTTO 1791, 18/26
1239
NAUMANN 1826, 5/421
1240
Nach SUOLAHTI 1909, 161
PASSERES – SINGVÖGEL 213

mer nur aufwärts, Kopf und Schnabel nach oben gerichtet, niemals abwärts
wie ein Kleiber.“1241
Rothflügelige Mauerklette, Rothflügeliger Mauerläufer: Wegen seiner
prachtvollen, karminroten Flügeldecken wird er auch „fliegende Alpenrose“
genannt.1242
Kleiner Baumläufer: Bei der Erstbeschreibung (1766) gab LINNÉ dem
Mauerläufer den lateinischen Namen „Certhia muraria“. Der Vogel bildete
mit dem Gemeinen Baumläufer ( Certhia familiaris) die Gattung „Baumläu-
fer – Certhia“.1243 In der Folgezeit war es normal, den Mauerläufer mit dem
übersetzten „Certhia“ als Baumläufer zu bezeichnen. „Certhia“ ist ein „grie-
chischer Name für einen sehr kleinen Vogel, der an Bäumen lebt und eine
helle Stimme hat.“1244 Das wurde auf den Mauerläufer übertragen, weil man
Ähnlichkeiten festgestellt habe. Es dauerte bis 1811, als ILLIGER dem Vogel
den Namen „Tichodroma“ gab, der „Mauer“ und „laufen“ beinhaltet.1245
Der Name „Kleiner Baumläufer“ war primär nicht für den Mauerläufer ge-
meint gewesen, sondern für den Baumläufer. TURNER hatte (um 1554)
einen Vogel beschrieben, „der immer über Bäume kriecht“ und größer als ein
„regulus“ (Zaunkönig oder Goldhähnchen) sei. SPRINGER meinte, TUR-
NER habe einen (Wald-)Baumläufer, Certhia beschrieben. Daraus erklärt sich
der Name „Kleiner Baumläufer“.1246
Der Bezugsvogel, der „große Baumläufer“, war der Kleiber. Wegen ähnlicher
Lebensweisen wurden der Baumläufer und der Kleiber miteinander vergli-
chen. Der Kleiber war zu GESSNERS Zeiten, um 1585, der Gattung „Picus“
zugeteilt worden und hieß „Picus cinereus“ (Grauspecht, s. Kleiber). Da ein
Picus in der Regel größer war als eine Certhia, wurde der Kleiber zum „großen
Baumläufer“.1247 Auch der Mauerläufer war bei GESSNER ein „Picus“. Für
ihn hat sich aber kein „großer“ oder „kleiner“ Baumläufer durchgesetzt. Erst
durch LINNÉS Zuordnung 1766 wurde der Mauerläufer zu einer „Certhia“
und damit zu einem „kleinen“ Baumläufer.
Mauerbaumläufer: „Mauerbaumläufer – Certhia muraria“ hieß der Vogel bei
BECHSTEIN und auch noch später bei MEYER/WOLF.1248

1241
NAUMANN 1826, 5/421
1242
WÜST 1967, 36
1243
WEIGEL 1806, 10/13
1244
WEMBER 2006, 144
1245
WEMBER 2006, 144
1246
SPRINGER 2007, 306
1247
ALTUM 1868, 237
1248
BECHSTEIN 1805, 2/ 1093 und MEYER/WOLF 1810, 1/ 131
214 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Schöner Baumläufer: Die schönen Farben bei seinem Hüpfen mit ausgebrei-
teten Flügeln geben dem Vogel etwas Schmetterlingshaftes.1249
Der Mauerläufer ist eine Vogelart, „welche wenig größer als ein Sperling ist,
einen langen schwarzen Schnabel und kurze schwarze Füße, auf dem Rü-
cken graue, am Halse und Bauche aber weißliche Federn, und einen kurzen
Schwanz hat.“1250 ADELUNG hat zu den Flügeln nichts geschrieben.
Mauerchlän: „Gesner schildert den Vogel, den er von eigener Anschauung
kennt, unter dem Namen Murspecht und Klättenspecht; heute ist er als
Mûrchlän, Fluehchlän (auch einfach Chlän) in der Schweiz bekannt.“1251
Todtenvogel: Der Mauerläufer wurde auch Todtenvogel genannt. „Diesen
Namen kann ich mir nicht anders erklären, als weil er nach Linnés Versi-
cherung, sogar in den Hirnschädeln der Knochen- oder Beinhäuser auf den
Kirchhöfen hecken soll.“1252 „Aus diesem Grunde müßten es die Sperlinge
auch seyn, die zuweilen in die Todtenköpfe auf dem Rade hecken.“1253 Das
(angebliche) Nisten in Hirnschädeln in Beinhäusern hat zuerst KRAMER
(1756) beschrieben, wurde offensichtlich nicht wieder beobachtet, aber von
sehr vielen Autoren bereitwillig übernommen und weiterverbreitet.

Kleiber – Sittidae
Die Sperlingsvögel, von denen in Mitteleuropa 6 Arten (weltweit etwa 25)
vorkommen, sind klein bis mittelgroß, wirken kompakt und haben einen gro-
ßen Kopf mit kräftigen Füßen. Sie sind auf Klettern an steilen Oberflächen
spezialisiert. Man sieht sie auch kopfvoran abwärts laufen oder an Astun-
terseiten. Der Eingang zu den Nisthöhlen wird von ihnen oft durch Lehm
verengt.1254

Kleiber (Sitta europaea)


„Im stralsundischen Magazine steht doch, daß das im Wasser gefaulte [Klei-
ber-]Fleisch die Pfeile vergifte; und Gmelin der ältere [1674–1728] erzählt,
daß die Tungusen diesen Vogel braten, stampfen, und Fett darunter mischen,
nur kein Bärenfett, weil dieses leicht fault, und mit dieser Vermischung die

1249
JOURN. F. ORN. 1855, 3/ 43
1250
ADELUNG 1798, 3/ 116
1251
SOULAHTI 1909, 165
1252
GOEZE 1794, 4/ 407
1253
BECHSTEIN 1805, 2/ 1097
1254
SVENSSON et al. 2011, 348
PASSERES – SINGVÖGEL 215

Pfeile schmieren, deren sie sich zum Schießen des Wildes bedienen. Auch die
Jakuten haben ihm gesagt, daß sie mit dem Blute oder Fleische dieser Vögel
die sich selbst losschießenden Pfeile beschmieren. Ein Thier, das mit einem
solchen Pfeile getroffen werde, falle gleich auf der Stelle nieder, und könne
nicht einen Schritt weiter gehen.“1255
Kleiber, Gemeiner Kleiber, Europäischer Kleiber: Der Vogelname ist eine
Ableitung von ahd. „kleiben“, das ist „kleben“.1256 „Sie nisten in hohle Eichen
und Buchen, und ist der Eingang zu groß, so tragen sie Schlamm im Schna-
bel herbei, um ihn zu verkleben und gehörig eng zu machen; daher ihr Na-
me.“1257 Was OKEN als Schlamm bezeichnet, ist Lehm oder Ton. Das Bau-
material wird nicht eingespeichelt.
Baumkleiber: „Ihr Nest machen die Spechtmeisen in Baumlöcher und ver-
kleben die Öffnung mit schwerem Lehm, bis auf eine kleine Öffnung, so
fest, daß man es nicht mit der Hand aufbrechen kann. … Daher ihr Name
Baumkleiber.“1258
Klener: Der Name ist vom Verb „klenen“ abgeleitet, „in dem die Bedeutun-
gen ‚kleben‘ und ‚klettern‘ sich … berühren.“1259
Chlän, Chlaen, Baumklähn, Klähn, Blindchlän: GESSNER nennt den
Kleiber nur „Chlän“. Das schweizer Wort „chlänen“ bedeutet wohl ursprüng-
lich „klettern“.1260 Der Vogel klettert am Baumstamm und klebt dabei quasi
an der Rinde, ähnlich wie der Baumläufer. Nach der Beschreibung GESS-
NERS krieche der „Blindchlän“ einem Blinden gleich Bäume entlang. Al-
lerdings hat GESSNER mit diesem Namen den Baumläufer („certhius“ von
TURNER) gemeint.1261
Kleber, Klaber, Klauber: Für sich genommen haben „Kleber“ (kleben) und
„Klauber“ (klauben) völlig unterschiedliche Bedeutungen. Als Trivialnamen
des Kleibers (Kleber, Klaber, Klauber) sind sie offensichtlich auseinander ent-
standen. Ein Dialektname ist „Klaber“, der aus der Gegend von Nürnberg
stammt.1262
Bläulicher Kleiber, Gelbbäuchiger Kleiber: „Der Name ‚bläulicher Klei-
ber, Sitta caesia‘ ist um deswillen unpassend, weil der amerikanische auf dem

1255
OTTO in: BUFFON/OTTO 1791, 17/ 273
1256
SUOLAHTI 1909, 161
1257
OKEN 1837, 207
1258
VOIGT 1835, 136
1259
SUOLAHTI 1909, 162
1260
GESSNER/HORST 1669, 130b und SUOLAHTI 1909, 162
1261
SPRINGER 2007, 307
1262
BUFFON/OTTO 1791, 256
216 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

ganzen Rücken auch bläulich aussieht. Ich behielt deswegen den alten linnei-
schen Namen bey und entlehnte den deutschen [gelbbäuchiger Kleiber] von
der rostgelben Bauchfarbe, welche der amerikanische nicht hat.“1263
Grauspecht, Gemeiner Grauspecht, Blauspecht, Kleberblauspecht, Euro-
päischer Blauspecht: „Picus cinereus“ hieß der Kleiber 1585 bei GESSNER.
Die Übersetzung des Begriffs ist „Grauspecht“.1264
„Weil diese Vögel an den Bäumen in die Höhe steigen, werden sie den Spech-
ten zugezählet.“1265 „Blauspecht“ oder „Grauspecht“ hießen die Vögel wegen
ihrer blaugrauen Oberseite. Der Name „Blauspecht“ war weit verbreitet.
„Man möchte fast lieber Grauspecht sagen, doch weil sie in das bläulichte
fallen, und übrigens den Spechten ziemlich gleich sehen, so kann man es bey
der alten Benennung [Blauspecht] bewenden lassen.“1266
Größte spechtartige Meise, Spechtartige Blaumeise: „Klein sagt, er sei die
größte Meise. Sitta parus maximus est.“1267 An anderer Stelle (p. 259) schrieb
BUFFON zu dem Begriff „Spechtartige Meise“: „Dieser zusammengesetzte
Nahme gibt den besten Begriff von diesem Vogel.“
Spechtmeise: Nach ZORN, der „Kleiber“ als Leitnamen verwendete, war der
„Kleiber“ kein Specht.1268 KLEIN hat ZORNS Argumente zusammengefasst:
Die Füße seien nicht lang, sie hätten vorne drei, nach hinten aber nur eine
Zehe. „Alle Spechte haben zwo Vorder- und zwo Hinterzehen.“ Kleiber haben
also keine Spechtfüße, „doch sind sie mit krummen und spitzigen Klauen
wohl versehen.“ Seine Zunge sei auch keine Spechtzunge, „sondern gestal-
tet wie der Meisen, und anderer kleiner Vögel Zungen.“ Außerdem: „Der
Schwanz selbst ist gar kurz und nicht zugespitzt, wie der größern Spechte.“1269
ZORN (1743) gab als zweiten Leitnamen „Blauspecht“ (s. o.) an. Bei BUF-
FON/OTTO findet man in der Überschrift „Spechtmeise“ und „Blau-
specht“.1270 Vorher schon, in der „Angenehmen Landlust“ hatte PERNAU
den Vogel auch „Blauspecht“ genannt. „In Österreich [wird er] Klener genen-
net.“1271

1263
C. L. BREHM 1822, 3/ 214
1264
SPRINGER 2007, 305
1265
KLEIN 1760, 162
1266
MÜLLER 1773, 231
1267
BUFFON/OTTO 1791, 17/ 262 + 259
1268
ZORN 1743, 274
1269
KLEIN 1760, 163
1270
BUFFON/OTTO 1791, 17/ 256
1271
PERNAU 1720, 104
PASSERES – SINGVÖGEL 217

Gemeine Spechtmeise, Europäische Spechtmeise, Blaue Spechtmeise:


„Gemeine“ Spechtmeise hatte BECHSTEIN den Kleiber genannt: „Dieser
Vogel bewohnt nicht nur das nördliche Europa, sondern auch das nördliche
Asien und Amerika.“1272 Die „Europäische“ Spechtmeise ist eine Übersetzung
des wissenschaftlichen Namens „Sitta europaea“, den LINNÉ dem Kleiber
1758 gegeben hat und der heute noch gilt.
Baumreiter, Baumreuter, Blauer Baumreuter, Baumritter, Baumrutscher,
Großer Baumkletterer, Baumkletterlein, Baumklette: Der Kleiber teilt
seinen Lebensraum mit dem Baumläufer, ist aber nicht mit ihm verwandt.
Seine Klettertechnik ist einzigartig. Dabei dient der kurze Schwanz nicht als
Stütze. „Breitspurig hüpft der Vogel rings um die Stämme und Äste, mit dem
Kopf bald nach oben, bald nach unten.“ Das können weder Baumläufer, noch
die andere Gruppe der Baumstammkletterer, die Spechte. Die nadelspitzen
Krallen der kräftigen Zehen schlagen in die relativ weiche Rinde und geben
dem Vogel in jeder Lage einen sicheren Halt.1273 Die Teilwörter „-reuter“ und
„-ritter“ bedeuten „-reiter“.
Maispecht: „Turner Avium hist. (1544) führt als deutsche Bezeichnung der
Spechtmeise den Ausdruck Meyspecht an, den Gesner Hist. avium mit ‚picus
Maij‘ übersetzt. Sachlich ist diese Deutung etwas zweifelhaft, und man wird
deshalb die Namensform eher auf eine ursprünglichere Lautgestalt Meys-
specht ‚Meisenspecht‘ zurückzuführen haben.“1274
Baumhacker, Baumpicker, Nußhacker, Nußpicker, Nußbickel: Anders
als die Baumläufer behämmert und zerlegt der Kleiber mit seinem starken,
pfriemenartigen Schnabel nicht nur große Insekten, sondern auch bis hasel-
nußgroße Samen und Früchte.1275 „Obschon die Insecten, welche sie aus den
Baumritzen, nicht mit der Zunge, wie die Spechte, sondern mit dem Schna-
bel, hervorholen, ihre vorzüglichste Nahrung sind, so fressen sie doch auch
Fichtensamen, Eicheln, Buch- und Haselnüsse, welche letztere sie in Baum-
ritzen zwängen und mit dem Kopfe nach unten so tüchtig darauf loshacken,
bis sie zerspringen und ihnen den Kern lassen. Häufig fällt die Nuß herunter,
wird aber immer wieder geholt.“1276
Holzhacker: Kleiber besiedeln bevorzugt Spechthöhlen, die sie reinigen und
deren Fluglöcher und das Innere sie „verkleben“. Da die Höhlen eher verklei-
nert werden, hat der Kleiber dort zum Holzhacken nicht viele Gelegenheiten.

1272
BECHSTEIN 1791, 523
1273
WÜST 1967, 37
1274
SUOLAHTI 1909, 161
1275
WÜST 1967, 37
1276
OKEN 1837, 206
218 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Dennoch: „Der Vogel hackt mit seinem Schnabel die Baumrinde, und zwar
mit mehrer Gewalt als die Spechte und Meisen.“1277 Und der „KRÜNITZ“
berichtete von Kleibern in Gefangenschaft, die ihren Schnabel sehr wohl in-
tensiv und erfolgreich als Holzmeißel einsetzten.1278
Zur Nahrungssuche an Baumstämmen hackt der Kleiber keine Löcher in das
Holz wie die Spechte, sondern spaltet Rindenstückchen ab, „was man ihn an
alten Kiefern besonders häufig betreiben sieht.“1279
Nußhaer: „Es ist zu merken, daß dieser Schriftsteller [Charleton] den Blau-
specht mit dem Cariocatactes, dem Tannenhäher … verwechselt.“1280 Ob das
mit dem Namen „Nußhaer“ zusammenhängt, muss offenbleiben: SPRIN-
GER zitierte GESSNER: „Auch Eberus und Peucerus [1552] übersetzen den
Vogel ‚sitta‘ oder ‚sippa‘ auf Deutsch mit ‚Nusszhacker‘ oder ‚Nusshaer‘.“1281
Tottler, Kottler, Gottler, Todler: Die Bedeutung dieser Namen ist unklar, sie
sind wahrscheinlich schweizerisch-schwäbischer Herkunft und onomatopoie-
tische Bildungen nach dem Lockruf des Vogels.1282 Für den, der die Rufe des
Kleibers kennt, ist das allerdings schwer nachvollziehbar. SUOLAHTI bietet
noch eine andere Lösung an, die das schwäbische „tötelen“ zugrunde legt.
Danach würde „Tottler“ einen Vogel bedeuten, der klagend singt, ähnlich
einer zur Leiche läutenden Glocke.
Dazu schrieb FRISCH: „Bei den Russen heißt ein Specht Dætel. Damit
kommt das Wort Ditiler oder Thödler womit man in der Schweiz einen Blau-
Specht andeutet.“1283
Europäischer Sittvogel: BUFFON beklagte, dass kaum ein (Trivial-)Name
des Kleibers den Charakter des Vogels wirklich treffe. „Um alle Verwirrung
zu vermeiden, und um, so viel wie möglich, die alten Nahmen beizubehalten,
habe ich diesen Vogel Sitelle … nach dem lateinischen Sitta, genannt.“1284
„Sitta“, der wissenschaftliche Gattungsname des Kleibers, ist sehr alt und be-
deutete bei den Griechen „Kleiber“. Aus dem Artnamen „europaea“ kann man
folgern, dass es noch außereuropäische „Sittiden“ gibt.

1277
BUFFON/OTTO 1791, 17/ 267
1278
KRÜNITZ 1833, 156/ 710
1279
NAUMANN 1826, 5/ 377
1280
BUFFON/OTTO 1791, 257
1281
SPRINGER 2007, 304 und GESSNER 1585, 712
1282
SUOLAHTI 1909, 163
1283
FRISCH 1763, T. 39
1284
BUFFON/OTTO 1791, 17/ 265
PASSERES – SINGVÖGEL 219

Felsenkleiber (Sitta neumayer)


„Wenn der auf den schlechten Landwegen Griechenlands wandernde Vogel-
kundige stundenlang keinen Vogel sieht oder hört und dann über die große
Armut dieses Landes an gefiederten Geschöpfen nachdenkt, wird er zuweilen
plötzlich durch ein gellendes Gelächter aus seiner Träumerei gerissen. Dieses
Gelächter geht von einer Felswand oder von einigen Felsblöcken aus, und
seine Wiederholung lenkt bald die Blicke nach einer bestimmten Stelle und
damit auf eine Spechtmeise hin, welche als die Urheberin desselben erscheint.
Ist des Beobachters Ohr an Unterscheidung der Vogelstimmen gewöhnt, so
wird er sich sofort sagen müssen, daß der gehörte und gesehene Vogel ohne
Zweifel nicht der gewöhnliche Kleiber, sondern ein anderer sein muß. …
Sein Geschrei ist ein durchdringendes, hoch tönendes Gelächter, welches wie
‚Hidde hati tititi‘ klingt.“1285
Felsenkleiber: Der Vogel lebt auf dem Balkan und in der Türkei an trocke-
nen, von Buschwerk bestandenen Felshängen, in Felsschluchten, Klippen und
Ruinen von der Ebene bis 2000 m Höhe. Er nistet in Höhlen und Spalten
von Felsen und verklebt (ahd. „kleiben“ ist „kleben“) den Eingang so mit
Lehm, dass sich eine kurze Einschlupfröhre bildet (o. Qu.).
Der Felsenkleiber wurde 1830 von Karl MICHAHELLES (1807–1834) be-
schrieben: „Ich bekam diese Spechtmeise zuerst von Naturalienhändlern als
Sitta syriaca, mit dem Bemerken, daß sie in Dalmatien vorkomme. Natur-
historisch ist diese Sitta noch nicht beschrieben, wenigstens in keinem or-
nithologischen Werke oder wissenschaftlichen Journale, weßhalb ich die auf
alle Fälle unzweckmäßige Benennung nicht beachte und diesen europ. Vogel
hier zuerst beschreibe. … als Sitta Neumayer.“1286 Der Autor fuhr fort: „Ich
erhielt mehrere Exemplare durch H. Neumayer, einen thätigen Naturforscher
in Ragusa.“
Der deutsche Name hat sich, obwohl schon früh existent, erst später durch-
gesetzt. „Mehrere Vogelkundigen betrachten diesen Kleiber nur als Abart des
unsrigen; alle Beobachter aber, welche ihn in der Freiheit sahen, stimmen
darin überein, daß nur ein Balgforscher beide für gleichartig halten kann.“1287
Felsenspechtmeise: OKEN hatte den Kleiber nur „Spechtmeise“ genannt.
Folgerichtig nannte er den Felsenkleiber in seinem Bildatlas „Felsenspecht-
meise“.1288

1285
BREHM 1867, 42
1286
MICHAHELLES in: OKENS ISIS 1830, 814
1287
BREHM 1867, 4/ 42
1288
OKEN 1843, 12
220 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Baumläufer – Certhiidae
Die kleinen braunen und weißen Vögel haben einen spitzen, schwach abge-
bogenen Schnabel und steife Steuerfedern. Sie klettern spiralig-ruckartig an
Stämmen empor und fliegen dann zum Fuß des nächsten Baumes.1289 Die
kleine Familie der Certhiidae besteht aus 2 Gattungen mit insgesamt 10 Ar-
ten.1290

(Wald-)Baumläufer (Certhia familiaris)


Der „Vogelpastor“ Christian Ludwig BREHM hatte 1820 zwei Arten des
Baumläufers beschrieben und den „Gartenbaumläufer“ als „Certhia brachy-
dactyla“ benannt. Er stieß auf z. T. erbitterte Ablehnung. „Mehrere berühmte
Naturforscher haben schriftlich gegen mich geäußert, daß es ihnen schwer
werde, den Unterschied zwischen den beiden deutschen, einander sehr ver-
wandten Baumläuferarten an natürlichen Stücken sogleich zu erkennen.“1291
Erst um 1900 wurden die beiden Baumläuferarten allgemein akzeptiert. Ver-
wunderlich ist, dass Alfred Edmund BREHM, der in seinem Tierleben viele
Äußerungen und Vermutungen seines Vaters anführte, zu diesem Problem
schwieg. Noch in der 3. Auflage von 1891, an der BREHM selber nicht mehr
mitgewirkt hat, gibt es nur den „Baumläufer – Certhia familiaris.
Auch NAUMANN wandte sich energisch gegen eine Anerkennung von zwei
Baumläuferarten: „Möge denn immerhin Herr Brehm auf mich anwendbar
finden, was er in seinem Lehrbuche d. Naturg. … sagt, wo er allen denen,
die nicht an seine C. brachydactyla glauben wollen, Mangel an Gelegenheit in
der Natur zu beobachten und Unfähigkeit zu sehen und zu hören zuschreibt;
möge mir auch noch Schlimmeres bevorstehen, ich kann bis heute nicht an-
ders, als seine lang- und kurzschnäbeligen Baumläufer nur für zufällige Ab-
weichungen unserer C. familiaris halten.“1292
Graubunter Baumläufer, Grauer Baumläufer: Unter ersterem Namen wird
der Waldbaumläufer im 1. Band des Taschenbuch der deutschen Vögelkunde
(1810) von MEYER und WOLF geführt. NAUMANN nannte ihn 1826
„Grauer Baumläufer“. Er bemühte sich in seiner Gefiederbeschreibung, auf
Grautöne aufmerksam zu machen: Braungrau an den Wangen und am Bür-
zel, Grauweiß unterhalb der weißen Kehle oder Graugelb am After und den

1289
SVENSSON et al. 2011, 350
1290
http://de.wikipedia.org/wiki/Baumläufer, Stand: 6.09.2012
1291
C. L. BREHM 1821, 2/ 71
1292
NAUMANN 1826, 5/ 398
PASSERES – SINGVÖGEL 221

unteren Schwanzfedern. Das „-bunt“ im Namen bedeutet, dass der Vogel


nicht einfarbig ist.1293
Kurzzehiger Baumläufer, Langschnäbeliger Baumläufer: Hier handelt es
sich um den Gartenbaumläufer, der erstmals von C. L. BREHM beschrie-
ben worden ist. „Ich freue mich, diesen Vogel, den ich schon vor vier Jahren
entdeckte, jetzt so vollständig beschreiben zu können, da ich meine Beob-
achtungen über ihn mit der größten Sorgfalt seit jener Zeit fortgesetzt habe,
daß auch der Ungläubigste überzeugt werden wird, er mache eine eigene Art
aus.“1294
Der (westliche) Gartenbaumläufer hat mit 11,0–16 mm einen etwas längeren
Schnabel (ab Vorderrand des Nasenlochs) als der (östliche) Waldbaumläufer
mit 8,4–12,5 mm Schnabellänge. Bei „kurzzehig“ handelt es sich um kürze-
re Nägel der Hinterzehen, nicht um die Zehen selbst. Die Hinterkralle des
Gartenbaumläufers ist also kürzer als die des Waldbaumläufers: 6,8–8 mm,
gegenüber 7,1–11,5 mm.1295
Europäischer Baumläufer: Es wurde von frühen Autoren wiederholt über-
legt, ob die Baumläufer etwas mit den Kolibris zu tun haben. „Diese Gattung
fließt mit der der Kolibri’s ( Trochilus) zusammen, und es giebt Vögel, die fast
die gemeinschaftlichen Kennzeichen von beyden haben, doch ist der Schna-
bel der Kolibri’s fast allzeit stumpf, und nicht zugespitzt.“1296 Auch BUFFON
diskutierte Zusammenhänge: „Ich weiß, daß einige Schriftsteller unserm
europäischen Baumläufer nur zehn Ruder[Schwanz-]federn beilegen.“1297
Baumläufer, Gemeiner Baumläufer, Baumläuferlein: Wie in der Einleitung
beschrieben, klettert der Vogel spiralig und etwas ruckartig bei senkrechter
Körperhaltung an Stämmen und Ästen empor und fliegt dann zum Fuß des
nächsten Baumes. Waldbaumläufer brüten in Nadel- und Mischwald, Gar-
tenbaumläufer bevorzugen lichte Wälder mit Eichen, Parks, Obstbäume.1298
Wie mehrere andere Vogelarten (z. B. Raben- und Nebelkrähe oder Grün-
und Grauspecht) sind die Baumläufer während der Eiszeit aus einer gemein-
samen Vorfahrenart entstanden, deren Populationen durch das vordringende
Eis in eine westliche und eine östliche getrennt wurden. So ist der „westliche“
Gartenbaumläufer nur in Europa anzutreffen.

1293
NAUMANN 1826, 5/ 398
1294
C. L. BREHM 1820, I/ 570
1295
GLUTZ VON BLOTZHEIM/BAUER 1993, 13/ 923
1296
BECHSTEIN 1805, 2/ 1085
1297
BUFFON/OTTO 1791, 18/3
1298
SVENSSON/GRANT/MULLARNEY/ZETTERSTRÖM 1999, 324
222 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Der Name „Baumläufer“ ist als „Baumlauffer“ (allerdings in der Bedeutung


„Spechtmeise“) seit 1591 bekannt. PERNAU verwendete „Baumläufferlein“
(im Sinne von Certhia) 1720 in seiner Angenehmen Landlust.1299
Noch früher, schon 1702, schrieb PERNAU: „Es ist nicht wol zu sagen/ wel-
ches der kleinste Vogel sey; das Königlein [Zaunkönig]/ so insgemein davor
gehalten wird; das Baumläufferlein/ oder das Goldhänlein.“1300
BECHSTEIN verwendete „Gemeiner Baumläufer“ als Leitnamen: „Er ist in
Thüringen ein sehr gemeiner Vogel“.1301
Lohrückiger Baumläufer: Lohfarben ist die Gerberlohe. Sie ist in der Regel
hell rotbraun, kann aber auch andere braune Farbtöne haben. Die Brauntöne
des Rückengefieders tarnen den Vogel an der oft ähnlich gefärbten Baum-
rinde.
Baumhacker, Kleiner Baumhacker, Baumhäckel, Baumhackel: Der Baum-
läufer galt „bei einigen“ als der kleinste Specht, was diese „-hacker“-Namen
erklärt.1302 Richtig ist: Spechte hacken mit dem Schnabel in die Rinde der
Bäume, um dort ihre Nahrung zu suchen. Der Baumläufer jedoch benutzt
seinen dünnen, gebogenen Schnabel als Pinzette und zieht damit kleine In-
sekten, Eier, Larven und Puppen aus den Ritzen in der Rinde.1303 „Zum Aus-
hacken hat er kein Werkzeug.“1304
Baumklette, Baumkletter, Klettervogel, Gemeiner Klettervogel, Baum-
häkel, Baumreiter, Baumsteiger, Gemeiner Baumsteiger, Kleiner grauer
Baumsteiger, Baumkleber, Krummschnäbeliger Baumkleber, Baumrut-
scher, Rindenkleber, Sichelschnäbler, Sichler: Der Vogel „macht die kleinste
Art Spechte aus, und wird sonst auch Grauspecht, Baumspecht, Hierengryll,
Engl. The Creeper, von dem Klein Falcinellus arboreus, von dem Linné aber
Certhia familiaris genannt. Weil dieser Vogel mit seinen scharfen Klauen an
den Bäumen hinauf und herunter zu laufen pfleget, so hat man ihm daher im
gemeinen Leben auch die Nahmen Baumklette, Baumkletter, Baumkletterlein,
Baumhäkel, Baumläufer, Baumreiter, Baumrutter und Baumsteiger gegeben.1305
„Weil der Vogel an die Bäume hinauf klettert, und seine Nahrung in ihren
Rinden sucht, so wird er auch Baumklette, oder Baumkletter genannt.1306

1299
SUOLAHTI 1909, 164
1300
PERNAU 1702, 19
1301
BECHSTEIN 1805, 2/ 1085
1302
ADELUNG 1793, 1/ 763
1303
WÜST 1967, 36
1304
BECHSTEIN 1805, 2/ 1091
1305
ADELUNG 1793, 1/ 763
1306
ADELUNG 1793, 1/ 764
PASSERES – SINGVÖGEL 223

BUFFON zitierte eine Bemerkung SCHWENCKFELDS (1603): Man müsse


sich nicht wundern, dass man bisweilen den Baumläufern und Grauspechten
(Kleibern) einerlei Namen gegeben habe, da sie mehrere Sitten gemeinschaft-
lich besitzen.1307 Diese „einerlei Namen“ sind „Baumhacker“, „Grauspecht“,
„Baumreiter“, „Baumrutscher“.
Ein Teil der Namen sind Kunstnamen, wie „Sichelschnäbler, Sichler“, die an
viele Vögel mit längerem krummen Schnabel vergeben wurden, dazu kom-
men „Gemeiner Klettervogel“, oder „Krummschnäbeliger Baumkleber“.
Kleinspecht, Grauspecht, Kleiner Grauspecht: Der Baumläufer ist „ein
kleiner grau und weißer Vogel, der eigentlich nicht zu den Spechten gehört,
aber doch, wie sie, mit seinen scharfen Klauen an den Bäumen hinauf und
hinunter klettert, und die unter der Rinde verborgenen Insecten heraus ha-
cket.“1308
Baumreuter, Baumchlän: Das schweizerische „Chlän“ kommt von „klenen“,
das „klettern“ und „kleben“ bedeutet. „-reuter“ kommt von „reiten“.
Schindelkriecher: „Er brütet gerne hinter den Rinden, oder Schindeln, die
von den Bäumen abstehen, daher er den Namen: Schindel-Kriecher, hat.“1309
Baumgrille, Baumgrylle: „In der älteren ornithologischen Literatur erscheint
der Name Hirngrille oft als Bezeichnung des Baumläufers. Der Irrtum, der
dann die analogische Neubildung Baumgrille veranlaßt hat, rührt, wie viele
andere, von Eber und Peucer [1552] her, welche das Wort als Glosse zu ‚cert-
hia‘ geben.“ An anderer Stelle schrieb SUOLAHTI: Einige alte Namen sei-
en „gelehrte Bildungen der Ornithologen“ … „ohne irgend welche Entspre-
chungen im lebendigen Sprachgebrauch“. Dazu gehöre auch „Baumgrille“ für
Baumläufer, „eine Analogiebildung nach Hirngrille“.1310
„Der Baumgrille ist eine Art Sichler, oder Sichelschnäbler (Falcator bey dem
Klein), welcher einen dünnen langen Schnabel hat, der wie eine Sichel ge-
staltet ist; Certhia, L. Weil der Vogel an die Bäume hinauf klettert, und seine
Nahrung in ihren Rinden sucht, so wird er auch Baumklette, oder Baumklet-
ter genannt, und von einigen zu den Spechten gerechnet.“1311
Gemeiner Grieper, Grüper, Krüper: Diese Begriffe aus dem Niederdeut-
schen lassen sich alle auf das Verb „kriechen“ zurückführen.1312

1307
BUFFON/OTTO 1791, 11
1308
KRÜNITZ 1780, 19/ 794
1309
ZORN 1743, 275
1310
SUOLAHTI 1909, 133 + X
1311
ADELUNG 1793, 1/ 763
1312
LAUDE 1995, 216
224 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Brunnenläufer: Brunnenläufer ist ein „Nahme, welchen man im gemeinen


Leben auch dem Baumhacker zu geben pflegt, weil er die Brunnen mit großer
Geschwindigkeit auf- und absteiget.“1313
Baumkrasmerli: „Kräsen“, in Basel und Zürich sagte man „krasmen“, bedeu-
tete in der Schweiz „kriechen, klettern“.1314 MEISNER/SCHINZ gaben den
Namen als Trivialnamen des „Graubunten Baumläufers, Certhia familiaris“
an.1315

Zaunkönige – Troglodytidae
Die braunen Zaunkönige mit dem dunkel quergebänderten Rückengefieder
sind Insektenfresser, haben kurze Flügel und halten ihren kurzen Stoß steil
aufwärts gerichtet. Sie sind klein und unauffällig, abgesehen von ihrem lauten
Gesang. Der Zaunkönig ( Troglodytes troglodytes) kommt als einzige von etwa
80 Arten auch außerhalb Amerikas vor.

Zaunkönig (Troglodytes troglodytes)


„Einst beschlossen die Vögel, derjenige von ihnen solle König sein, welcher
am höchsten fliegen könne. Sie veranstalteten ein Wettfliegen, aus dem dem
Anschein nach der Storch als Sieger hervorgehen sollte. Als er nicht mehr
höher fliegen konnte, erhob sich aber aus seinen Federn, wo er sich verborgen
hatte, der Zaunkönig, schwang sich noch etwas höher und rief: ‚Ich bin der
Höchste‘. Aufgebracht über den kleinen Wicht, riefen alle, daß der ihr König
sein solle, der den niedersten Ort einzunehmen vermöge“, also am tiefsten
in die Erde fallen könnte. Weil auch hier der in ein Mäuseloch schlüpfende
Zaunkönig Sieger blieb, wollten sie den listenreichen Vogel in seinem Loch
mit der Eule als Wache gefangen halten und aushungern. So stellten die Vögel
die Eule als Wächterin und Urteilsvollstreckerin vor das Loch. Als diese aber
einschlief, gelang es dem kleinen Betrüger, durch Nesseln, Busch und Zäune
zu entkommen. Der Hass der Vögel wandte sich gegen die Eule, die sich zur
Strafe tagsüber nicht mehr sehen lassen durfte. Da auch der Zaunkönig den
Missmut der Vögel fürchtete, schlüpft er in den Zäunen herum. Nur wenn
er sich ganz sicher fühlt, ruft er: „König bün ick!“. Seit der Zeit heißt er zum
Spott Zaunkönig.

1313
ADELUNG 1774, 1/ 1098
1314
STALDER 1812, 2/ 129
1315
MEISNER/SCHINZ 1815, 45
PASSERES – SINGVÖGEL 225

Die Erzählung findet sich in verschiedenen Märchen, Gedichten in fast allen


europäischen Nationalliteraturen. Der Zaunkönig wird schon bei ARISTO-
TELES (4. Jahrhundert v. Chr.) und PLUTARCH (1. Jahrhundert n. Chr.)
„basileus“ (König) oder „basiliskos“ (Königlein) genannt. Meist ist allerdings
der Adler das Opfer des Zaunkönigs.1316
Zaunkönig, Gemeiner Zaunkönig: „In dem spärlich belegten ahd. ‚wrendo‘,
‚wrendilo‘ ist ein alter Name des Zaunkönigs bewahrt.“ Daraus habe sich
das neuenglische „Wren“ entwickelt. Ein anderer althochdeutscher Name des
Zaunkönigs ist „kuningilîn“, „Königlein“, an den sich die (oben beschriebe-
ne) weitverbreitete Sage von der Königswahl der Vögel knüpft.1317
Der „Zaun-“ im Namen des Vogels sind Hecken und Sträucher. Vor allem
dort und in Kräutern hält sich der Zaunkönig auf.
Königlein: „Das althochdeutsche kuningilin, Königlein für Zaunkönig hat
sich bis in die Neuzeit erhalten.“1318
„Der Namen Trochilus, und der teutsche Zaunschlupfer sind seiner Natur ge-
mäß. Aber der Namen König gehört ihm nicht, sondern vielmehr einem noch
kleineren Vogel [dem Goldhähnchen], wegen der Zierrat die derselbe auf dem
Kopfe als Krone hat.“1319
Zaunsänger: Er „hat eine starke angenehme Stimme, die er selbst im Winter
hören läßt; einiges davon erinnert an den Canarienvogel.“1320
Zaunschlüpfer, Zaunschlüpferli, Zaunschlüpflein, Zaunschliefer, Zaun-
rutscher: Der Name kommt von der Art des Vogels, Insekten zu suchen: „Sie
nähren sich von kleinen Insekten und ihren Larven, und kriechen daher im-
mer in den Hecken umher.“1321 „Zaunschlüpfer“ ist als „zunsluphe“ schon seit
dem 13. Jahrhundert bekannt und damit älter als „Zaunkönig“.1322 „Schlie-
fen“ ist „schlüpfen, gleiten“.1323
Baumschlüpfer: Er „holt Insecten aus Höhlen und Ritzen, und kriecht daher
immer in hohlen Bäumen und andern Winkeln umher, wie eine Maus, daher
er auch Baumschlüpfer heißt.“1324

1316
GATTIKER/GATTIKER 1989, 203 und http://de.wikipedia.org/wiki/Zaunkönig, Stand:
8.09.2012
1317
SUOLAHTI 1909, 80
1318
GATTIKER/GATTIKER 1989, 199
1319
FRISCH 1763, T. 24
1320
OKEN 1837, 30
1321
OKEN 1837, 28
1322
SUOLAHTI 1909, 84
1323
GRIMM/GRIMM 1984, 15/ 670
1324
OKEN 1837, 30
226 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Meisenkönig: Der Name ist aus dem westdeutschen „Mäusekönig“ (über


„Meuß König“) entstanden. Der Zaunkönig ist so klein, dass er auch in Mau-
selöcher schlüpfen kann. Er bewegt sich auch oft nahe des Bodens oder auf
dem Boden, sodass eine Verwechslung mit einer Maus möglich ist.
Schneekönig, Winterkönig, Winterzaunkönig: „Sich freuen wie ein
Schneekönig“ ist ein bekanntes Sprichwort. Es bezieht sich auf den Zaunkö-
nig, der auch im strengsten Winter bei uns bleibt und trotz Kälte und Schnee
munter pfeift und singt.1325 „Kalte Witterung, selbst Schnee hält ihn [vom
Singen] nicht ab. Er heißt deswegen in der hiesigen Gegend Schneekönig, in
der Volkssprache Schneikönig, weil man nach seinem Gesange Schnee ver-
muthet.“1326
Nesselkönig, Nettelkönig, Nettelkönning, Dornkönig, Schlupfkönig: Der
Vogel schlüpft im Gras, zwischen Kräutern, Brennesselstauden und in Ge-
büschen umher.
„Der Nesselkönig, ein Nahme, welchen an einigen Orten der Zaunkönig füh-
ret, weil er sich gern auf den Zäunen, dem gewöhnlichen Aufenthalte der
Nesseln finden lässet; besonders derjenigen Art, welche auf Meisenkönig,
Schneekönig oder Winterkönig genannt wird; Motacilla Trochlodytes L.“1327
Ferner ist „Nessel“ mundartlich eine unwillige Bezeichnung für ein kleines
unruhiges Mädchen. Deshalb „könnte das Wort Nessel im Vogelnamen auch
auf das unruhige Gebaren des kleinen gefiederten Sängers hinweisen“.1328
Nettelkönig und Nettelkönning stammen aus dem mecklenburger bzw. nie-
dersächsischem Plattdeutsch.
Schnurz, Zaunschnurz, Zaunschnerz: Bestimmte Laute, Lockrufe wie zrrrr,
zerrrr, zerz wurden als Schnurren gedeutet, woraus Zaunschnurz oder Zaun-
schnärz entstanden sind.1329
Troglodyt: Das Wort kommt aus dem Griechischen und bedeutet Bewohner
von Löchern und Höhlen. Dabei handelt es sich z. B. um Felslöcher, -spal-
ten, Höhlen von Baumstrünken, Wurzelteller freigespülter oder umgestürzter
Bäume, Reisighaufen oder Grabenränder. Specht- und Baumhöhlen werden
aber nur in Ausnahmefällen bezogen. Die Nestform könne als „ovaler Back-

1325
RÖHRICH 1973, 871
1326
C. L. BREHM 1821, 2/ 754
1327
ADELUNG 1796, 3/ 470
1328
HOFFMANN 1937, 69
1329
SUOLAHTI 1909, 84
PASSERES – SINGVÖGEL 227

ofenbau mit ovalem Flugloch an der Vorderseite“ beschrieben werden.1330 Das


Nest kann man nach Belieben auch als Höhle bezeichnen.
Tannkönning: Der Tannkönig ist eine Märchenfigur, nach der Theodor
Storm sein gleichnamiges Gedicht schrieb. Weiterhin gibt es ein romantisches
Ballett „Tannkönig“, zu dem E. von Flotow die Musik schrieb.
Wer den Zaunkönig im Winter im Fichtenwald mit seiner lauten und an-
genehmen Stimme singen hört, mag leicht eine Verbindung zu der mythi-
schen Gestalt des Tannkönigs herstellen. Auch der Begriff „Tannkönning“
entstammt dem niedersächsischen Plattdeutsch. BECHSTEIN hat ihn als
einziger gebracht, NAUMANN übernahm ihn.1331
„Der Gesang des Männchens ist schmetternd laut mit Trillern und Rollern
und endet abrupt. Er setzt sich aus etwa 130 verschiedenen Lauten zusam-
men. Von höheren Singwarten vorgetragen, ist er bei einer Lautstärke von 40
bis zu 90 Dezibel auf eine Distanz von bis zu 500 Metern zu hören.“1332
Groht Jochen: Der „Grotjohann“ ist im Plattdeutschen ein Prahlhans (Her-
mann-Winter 1987, 105). „Groht Jochen“ bedeutet dasselbe. „Mit einer un-
verhältnismäßig lauten Stimme schnurrt er seine oft langen und zahlreichen
Lieder von einem selbsterwählten erhöhten Standpunkt aus herunter, wobei
er durch Schnabelaufreißen und sonstige Bewegungen in einer Weise groß
tut, zu der seine Liliputgestalt und seine im allgemeinen versteckte Lebens-
weise gar nicht passen.“1333
In einigen Gegenden galt „Groht Jochen“ als Spottname.
Thomas im Zaune: In Deutschland wurde die Geschichte vom Zaunkönig
von den Gebrüdern Grimm in deren „Hausmärchen“ dahingehend abgewan-
delt, dass der Zaunkönig auf dem Rücken des Adlers Gott auf dem Stuhl
sitzen sehen konnte.
Der Apostel Thomas, „ungläubiger Thomas“ genannt, glaubte erst an die
Existenz Gottes, als er ihn sah. Er hatte an der Auferstehung Jesu zunächst
gezweifelt, bis er selbst die Wundmale des Auferstandenen sah.
Der Zaunkönig schlüpft aus genannten Gründen „im Zaune“, durch Hecken
und Gebüsch herum.
Konikerl: Das Wort bedeutet soviel wie „Kleiner König“.

1330
DALLMANN 1987, 37
1331
BECHSTEIN 1807, 3/ 666
1332
http://de.wikipedia.org/wiki/Zaunkönig, Stand: 13.11.2011
1333
HOFFMANN 1937, 81
228 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Schupkönig: „Stößt ihm aber etwas Merkwürdiges auf, so macht er schnelle


Bücklinge und wirft dazu den Schwanz noch höher als gewöhnlich; … aber
die Bücklinge werden noch tiefer gemacht, noch schneller wiederholt, wenn
er ein Raubtier oder sonst etwas Verdächtiges bemerkt.“ Das fortgesetzte
ruckartige Bewegen passt zum „Schupkönig“.1334
„Schuppen“ oder „schupfen“ ist ein Wort für wiederholtes „Schieben“, wie-
derholten Schub. Die Amme schupft, schuppt das Kind, wenn sie es wieder-
holt „mit den Armen auf und nieder hebt“. Man schupft, zuckt die Ach-
seln.1335 Schupfen, schuppen bedeutet „mit kurzem Stoß bewegen.“1336

Spottdrosseln – Mimidae
Die Mimidae sind eine artenreiche Singvogelfamilie mit zwei großen und
zehn kleinen oder monotypischen Gattungen und mehr als 30 Arten. Sie sind
auf den amerikanischen Kontinent beschränkt. Die Spottdrosseln werden
heute mitunter als Mimini in eine von zwei Tribus zu den Staren (Sturnidae)
gestellt.1337

Katzenvogel (Dumetella carolinensis)


Besonders ausgezeichnet ist die Nachahmungsfähigkeit des knapp amselgro-
ßen Katzenvogels, „welche sich oft bis zum ergötzlichen steigern soll und
demgemäß das Lied, je nach der Gegend und der in ihr lebenden mehr oder
minder guten Sänger, wesentlich verändert. Während der eine den besseren
Sängern ganze Strophen abstiehlt, begnügt sich der andere, das Pfeifen der
Baumhühner, das Glucksen der Henne und das Piepen der Küchlein oder
zufällig gehörte kreischende, knarrende oder heisere Laute getreulich nachzu-
ahmen, leiert dazwischen andere Strophen ab und bringt so einen Vortrag zu
Stande, welcher, wenn auch nicht immer den Beifall der Kenner erringt, so
doch unterhält und erheitert.“1338
Katzenvogel: Der Vogel lebt in Nordamerika und ist in Europa nur Irrgast.
Seine Gestalt erinnert an eine kleine Drossel mit langem Schwanz. Der auch
Katzendrossel genannte Vogel trägt seinen langen, flötenden, mit dem cha-
rakteristischen miauenden Ruf durchsetzten Gesang aus Buschwerk und Bäu-

1334
NAUMANN 1823, 3/ 725
1335
HÖFER 1815, 3/ 119
1336
SCHWENCK 1838, 625
1337
http://de.wikipedia.org/wiki/Spottdrosseln, Stand: 8.09.2012
1338
BREHM 1879, 5/162
PASSERES – SINGVÖGEL 229

men (auch des Kulturlandes) vor. Diesem katzenähnlichen, etwas miauenden


Ton, mit dem er andere Vögel in der Umgebung einschüchtern will, verdankt
er seinen umgangssprachlichen Namen (versch. Qu.).
Der Katzenvogel, „welcher sich einmal nach Helgoland verflog und deshalb
unter den Vögeln Deutschlands aufgezählt wird,“1339 wurde von GÄTKE
(1814–1897), der sich 60 Jahre lang mit dem Vogelzug auf Helgoland be-
schäftigte, nachgewiesen.

Stare – Sturnidae
Die Sturnidae sind eine artenreiche Vogelfamilie. Sie umfasst 25 Gattungen
mit ca. 120 Arten. Die Vögel sind mittelgroß, haben kräftige Füße und ein
typischerweise schwarzes Gefieder mit einem metallischen Glanz. Stare kom-
men nur in der alten Welt natürlich vor.1340

Star (Sturnus vulgaris)


„‘Bei keinem Vogel‘, sagt Lenz, ‚läßt sich so bequem beobachten, wie viel
Nutzen er thut, als bei dem Staare. Ist die erste Brut ausgekrochen, so brin-
gen die Alten in der Regel vormittags alle drei Minuten Futter zum Neste,
nachmittags alle fünf Minuten: macht jeden Vormittag in sieben Stunden
140 fette Schnecken (oder statt deren das Gleichwerthige an Heuschrecken,
Raupen und dergleichen), nachmittags 84. Auf die zwei Alten rechne ich die
Stunde wenigstens zusammen zehn Schnecken, macht in 14 Stunden 140; in
Summa werden also von der Familie täglich 364 fette Schnecken verzehrt. Ist
dann die Brut ausgeflogen, so verbraucht sie noch mehr; es kommt nun auch
die zweite Brut hinzu, und ist auch diese ausgeflogen, so besteht jede Familie
aus zwölf Stück, und frißt dann jedes Mitglied in der Stunde fünf Schnecken:
so vertilgt die Staarenfamilie täglich 840 Schnecken. Ich habe in meinen Gie-
beln, unter den Simsen, an den nahe bei meinen Gebäuden stehenden Bäu-
men zusammen 42 Nistkästen für Staare. Sind diese alle voll, und ich rechne
auf jeden jährlich eine Familie von zwölf Stück, so stelle ich allein von meiner
Wohnung aus jährlich eine Menge von 504 Staaren ins Feld, welche täglich
ein Heer von 35.280 großen, dicken, fetten Schnecken niedermetzelt und
verschluckt.‘ Ich will diese Berechnung weder bestätigen noch bestreiten, aber
ausdrücklich erklären, daß ich mit Lenz vollkommen einverstanden bin.“1341

1339
BREHM 1879, 5/ 162
1340
http://de.wikipedia.org/wiki/Stare, Stand: 8.09.2012
1341
BREHM 1866, 3/ 297
230 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Star, Staar, Stahr, Starl, Stär, Stärlein: „Der Name Staar ist die alte gemein-
germanische Bezeichnung des Vogels.“1342 Das Wort „stare, starn“ oder „stari“
„ist wahrscheinlich urverwandt mit der lateinischen Bezeichnung [Sturnus],
mit der man es schon früh zusammenstellte.“1343 Man könne die Wörter wohl
mit „streuen“ übersetzen, wegen des gesprenkelten Gefieders. Die Lockstim-
me, die wie „Stöar, stöar“ klingt, könnte dem Star auch zu seinem Namen
verholfen haben, mutmaßte FLOERICKE.1344
Gemeine Sprehe, Spree, Spreuwe, Spreu: „Sprehe“, die neuhochdeutsch ge-
wöhnliche Form für den Star, findet sich zuerst in einer Quelle von 1381.1345
Inhaltlich bedeuten „Sprehe“, „Spree“, „Spreuwe“ dasselbe wie „Spreu“.
Aus dem 13. Jahrhundert stammen „sprâ“, „sprêa“, im 15./16. Jahrhundert
„spree“, „sprehe“, „sprew“, „sprên“, „spreyn“ u. a., alle wohl mit beschränkter
geographischer Verbreitung.1346
Die Begriffe sind etymologisch verwandt mit „sprêwen“, „spræjen“, „spræ-
wen“, was „stieben, stäuben, sprühen, spratzeln“ bedeutet.
Der Name kommt demnach von der mit weißen Tüpfelchen gesprenkelten
Färbung des Gefieders des Schlichtkleides1347
Sprehm, Sprue, Sprahe: Auch diese Namen haben die gleiche Bedeutung
wie „sprehe“, „spreu“. Sie stammen, wie viele weitere, aus verschiedenen Re-
gionen.1348
Eine ganz andere Deutung von „Sprehe“ usw. schlug BOJER vor: Der Vogel
habe die üble Gewohnheit, im Frühjahr das Strohdach auf den Bauernhäu-
sern zu beschädigen und auseinander zu „spreihen“, zu spreiten.1349
Sprache: Das Wort „Sprache“ scheint nicht zu den oben genannten zu gehö-
ren, sondern sich auf das sogenannte Sprachvermögen der Vögel zu beziehen.
„Ein Staar kann ohne Unterschied Französisch, Deutsch, Lateinisch, Grie-
chisch, und so weiter, sprechen, und ziemlich lange Redensarten ausdrücken.
Seine biegsame Kehle bequemt sich zu allen Veränderungen und Tönen der
Stimme. Er spricht frei den Buchstaben R aus und erhält ganz wohl seinen
Namen Sansonnet, oder vielmehr Chansonnet, wegen der Lieblichkeit seines

1342
SUOLAHTI 1909, 165
1343
GRIMM/GRIMM 1984, 17/ 256
1344
FLOERICKE 1924, 147
1345
GRIMM/GRIMM 1984, 17/ 9
1346
SUOLAHTI 1909, 167
1347
GRIMM/GRIMM 1984, 17/ 54
1348
SUOLAHTI 1909, 168
1349
BOJER 1938, 231
PASSERES – SINGVÖGEL 231

Gesangs, welcher viel angenehmer als der natürliche ist.“1350 OTTO fügte
hinzu, dass Stare zwar leicht lernten, aber die Lieder und Wörter auch schnell
wieder vergessen würden.
Rinderstar, Rinderstaar: „Da der Star ein guter Freund des Weideviehs ist,
das er von lästigem Ungeziefer befreit, hat er den Namen Rinderstaar erhal-
ten“, den GESSNER 1555 in seiner Hist. avium zuerst erwähnte.1351
„Selbst den Thieren sind sie in dieser Beziehung nützlich, indem sie ihnen
auf den Weideplätzen die Insekten, die sie peinigen und quälen, fortschnap-
pen. Wenigstens hat man sie, wie auch schon oben angeführt worden, dem
Rindviehe und anderem großen Viehe folgen sehen, welches auf den Wiesen
weidete, und das wegen der Insekten geschah, die um dasselbe herumflogen
oder sich im Miste desselben aufhielten. Dieser Gewohnheit wegen haben sie
den Namen Rinderstaar auch in Frankreich erhalten.“1352
Wiesenstar, Gemeiner Wiesenstar: Inhaltlich ist „Wiesenstar“ gleichbedeu-
tend mit „Rinderstar“. Die Vögel ernähren sich von Insekten, Würmern u. a.,
die sie auf Wiesen, Feldern, Äckern finden. Zu Zugzeiten sammeln sich dort
riesige Vogelschwärme.
Starmatz: Vögeln, die man in Käfigen oder in der Wohnung hielt, gab man
früher gerne Kosenamen. „Matz“ ist eine Koseform von Matthias. Bekannt ist
auch „Jakob“ für die Dohle.1353 Siehe „Matschke“ bei Eichelhäher!
Strahl, Rinderstral: Diese Synonyme für Star und Rinderstar kommen
von NAUMANN, der „Rinderstrahl“ als Trivialnamen aufführte, und von
BREHM, der den „Strahl“ erwähnte.1354 Sonst scheint es keine anderen Quel-
len für diese Bezeichnungen zu geben, für die ältere neuhochdeutsche Zeug-
nisse fehlen.1355
Bunter Star, Gemeiner Staar: „Bunter Star“ ist ein Kunstname, unter dem
BECHSTEIN den Star zusammen mit „Gemeiner Staar“ führte.1356 C. L.
BREHM hat ihn später übernommen und mit „Gemeiner Staar“ und „Staar“
gleichgesetzt.1357 BREHM unterschied mit dem „bunten Staar“ vom „einfar-
bigen Staar“.

1350
BUFFON/OTTO 1782, 8/ 21
1351
SUOLAHTI 1909, 167
1352
KRÜNITZ 1835, 162/ 251
1353
SUOLAHTI 1909, 167
1354
NAUMANN 1822, 2/ 187 und BREHM 1866, 3/ 294
1355
SUOLAHTI 1909, 169
1356
BECHSTEIN 1807, 3 /816
1357
C. L. BREHM 1823,1/ 282
232 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Rosenstar (Sturnus roseus)


In Armenien sind die Vögel als Bekämpfer der Heuschreckenplage sehr be-
liebt und geehrt. „Tartaren wie Armenier veranstalten Bittgänge, wenn die
Rosenstare erscheinen, da sie als Vorläufer der Heuschrecken gelten (…) Nach
Ansicht der Türken tötet der Rosenstar erst 99 Heuschrecken, bevor er eine
einzige verzehrt. Das will nichts anderes heißen, als daß der Vogel mehr Heu-
schrecken umbringt, als er frißt. Leider aber läßt er es damit nicht bewenden,
sondern fällt, sobald seine Jungen groß geworden sind, verheerend in Obst-
gärten ein, besonders in Maulbeerpflanzungen und Weinberge. Daher wird er
bei Smyrna im Mai ‚Heiliger‘, im Juli aber ‚Teufelsvogel‘ genannt.“1358
Rosenstar, Rosenstaar, Rosenfarbiger Staar: OKEN beschrieb den Vogel
richtig als etwas kleiner als die Amsel, „der Leib rosenroth, Kopf mit einer
Haube, Hals, Flügel und Schwanz schwarz.“1359 Er ist „von der Größe des
Staares, glänzend blauschwarz, mit schön rosenrothem Rücken und Brust.“1360
Das Wort „rosa“ gab es zu OKENS Zeiten noch nicht, deshalb benutzte man
„rosenfarben“ oder „fleischfarben“.
Rosenfarbige Amsel: Dieser Name steht in der Überschrift zu „Turdus roseus“
bei BUFFON/OTTO1361. Der Name „Rosenstar“ scheint treffender als z. B.
„Rosenamsel“. Rosenstar und Star sind nämlich mit 19–22 cm gleich lang,
die Amsel mit 24–29 cm dagegen, teilweise deutlich, größer.1362
„Ein schöner und dabei interessanter Vogel, der die Lebensart der Drosseln
und Staare theilt, und eifrig hinter die Heuschrecken her ist, daher er in sei-
nem Vaterlande sehr verehrt wird.“1363
Haarzopfige Drossel, Rosenfarbige Drossel, Rosendrossel: Als „Haarzopfi-
ge Drossel“ hatte REYGER den Vogel bezeichnet, nachdem KLEIN ihn im
selben Jahr „Rosenfarbige Drossel“ genannt hatte.1364 Bei BUFFON/OTTO
erschien der Name noch einmal, leicht abgewandelt, als „Haarzöpfigte Dros-
sel“. Der Rosenstar hat einen langen herabhängenden Federschopf.1365
Rosenroter Krammetsvogel: Ein Krammetsvogel konnte auch einmal ein
anderer Vogel als eine Wacholderdrossel sein, er musste jedoch bestimmte Be-
dingungen erfüllen: „Krammets-Vögel (…) nennt man überhaupt diejenigen

1358
GATTIKER/GATTIKER 1989, 111
1359
OKEN 1837, 67
1360
VOIGT 1835, 169
1361
BUFFON/OTTO 1790, 9/ 74
1362
SVENSSON et al. 2011, 296
1363
VOIGT 1835, 169
1364
KLEIN/REYGER 1760, 70
1365
BUFFON/OTTO 1790, 9/ 71
PASSERES – SINGVÖGEL 233

Vögel, deren Gefieder gesprenkelt, (…) oder auf der Brust mit gewissen klei-
nen regelmäßigen Flecken bezeichnet zu seyn scheint, so wie man hingegen
Amseln diejenigen Vögel nennt, deren Gefieder gleichförmig, oder nur an
ganzen großen Stellen verschieden ist.“1366
Das passt nicht zum Rosenstar, der aber dennoch gemeint ist. BECHSTEIN
brachte den Ausdruck 1795. Er wurde aber bis auf Ausnahmen nicht beach-
tet.1367
Fleischfarbige Amsel, Rosenfarbige Staaramsel, Staaramsel: Statt „rosen-
farbig“ hat man früher auch das zutreffendere „fleischfarben“ verwendet. So
beschreibt eine Zeichnung des Engländers EDWARDS: „Die rosenrothe,
oder fleischfarbene Amsel Aldrovands ist von Edwards in seiner natürlichen
Größe abgebildet. Der Form nach kommt der Vogel einem Staare sehr ähn-
lich wiewohl er einen etwas längeren Schwanz hat; der aber doch nicht so lang
wie an den Amseln ist.“1368
„Rosenfarbige Staaramsel“ war der Leitname für den Rosenstar bei NAU-
MANN.1369
Viehstaar, Rosenfarbiger Viehstar, Viehamsel, Viehvogel: „In Italien er-
scheint sie [die Rosendrossel] manchmal mit den Staaren, macht sich unter
die Viehheerden und setzt sich auf den Mist.“1370 „Er folgt auch den Viehher-
den, setzt sich auf den Rücken der Thiere, um ihnen die Larven wegzufangen,
läuft aber auch viel auf der Erde.“1371
Ackerdrossel, Rosenfarbige Ackerdrossel: „Ob er gleich das prächtigste An-
sehen hat, und einer der schönsten Vögel ist; so liegt er doch beständig auf
dem Miste der Aecker.“1372 Die Nahrung besteht aus Insekten die sie aus dem
„Miste“ der Äcker holt. Solches oder Ähnliches liest man in der Literatur der
damaligen Zeit.
„Rosenfarbige Akkerdrossel“ war der Leitname für den Rosenstar bei HAL-
LE.1373
Heuschreckenvogel: Die Herrero rösteten die Heuschrecken zum Verzehr
oder zerrieben und zerstießen sie auch oft, wenn sie gedörrt waren. Für sie
waren die Rosenstare echte Nahrungskonkurrenten. „Ebenso mästen sich

1366
KRÜNITZ 1789, 45/ 758
1367
BECHSTEIN 1795, 235
1368
BUFFON/OTTO 1790, 9/ 81
1369
NAUMANN 1822, 2/ 206
1370
OKEN 1837, 68
1371
VOIGT 1835, 170
1372
GOEZE/DONNDORF 1795, 5-1/ 146
1373
HALLE 1760, 301
234 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Hyänen, wilde Hunde, Affen und Hühner davon“, dazu auch Strauße und
Störche. Der „Heuschreckenvogel folgt immer den Heuschreckenschwärmen
und vernichtet eine große Anzahl dieser Tiere. Die Zahl, die ein solcher Vogel
unfähig macht, scheint zu beweisen, daß er es wohl mehr auf Zerstörung als
auf Nahrung absieht.“1374
Der Rosenstar liebt das Herumzigeunern, wobei er den großen Heuschre-
ckenschwärmen folgt. 1906 fielen etwa 30.000 Rosenstare in die ungarische
Hortobagy-Puszta ein, wo sie Heuschrecken in riesiger Zahl töteten: In vier
untersuchten Vogelmägen sollen – schwer zu glauben – zwischen 317 und
519 dieser Insekten gezählt worden sein.1375
Rosenfarbiger Gryllenfresser: Obwohl Grillen keine Heuschrecken sind,
aber durchaus gemeint sein konnten, ist der Name gleichwertig mit „Heu-
schreckenvogel“.
Hirtenvogel: Bis in die neuere Zeit war der Gattungsname des Rosenstars
„Pastor“, der von TEMMINCK 1815 stammt. Die Übersetzung dieses Gat-
tungsnamens „Pastor“ bedeutet „Hirtenvogel“ und war auch war die Bezeich-
nung von GLOGER für den Rosenstar, den er „Rosenfarbiger Hirtenvogel“
nannte: „Die Hirtenvögel haben nach Eigenschaften und Gestalt augen-
scheinlich weit mehr mit den Staaren gemein, deren nächste und wirklich
sehr nahe Verwandte sie sind, als mit den Drosseln, zu welchen manche von
ihnen früher gezählt wurden, und welche durch sie allerdings mit jenen zu-
sammenhängen. … Er [der Schnabel] sieht daher vorn mehr wie ein Drossel-,
hinten fast wie ein Staarenschnabel aus.“1376
Seestaar, Meerstaar: „Aldrovand … sagt blos, sie zeigen sich bisweilen in den
Gefilden um Bologna, wo die Vogelsteller sie unter dem Namen Seestaare
(Etourneaux de mer) kennen; sie lassen sich auf Misthaufen nieder, werden
sehr fett, und ihr Fleisch schmecke vorzüglich gut.“1377
„Turdus roseus, Seestaar bei den Italiänern.“1378 Vorsilben wie „See“- oder
„Meer-“ in einem Vogelnamen sollten oft ausgedrücken, dass es sich um einen
Vogel unbekannter Herkunft handelte.
Rosenfarbige Bruchweidendrossel: In den südlichen Steppen „ist er überall
gemein, besonders soll dies in solchen der Fall sein, in denen es mit Bäumen
und Gebüsch besetzte Wassergräben giebt.“ Etwas später in demselben Ka-

1374
AUS DER NATUR 1869, 47/ 155
1375
FLOERICKE 1924, 147
1376
GLOGER 1834, 168
1377
BUFFON/OTTO 1790, 9/ 77
1378
HALLE 1760, 301
PASSERES – SINGVÖGEL 235

pitel: „Man wird übrigens den Rosenstar nur an solchen Orten finden, wo
sich die gemeinen Stare aufhalten; denn in dichten oder großen dichten Wal-
dungen sind sie nicht; dagegen aber auf Viehtriften, Hutungen, überhaupt
an solchen Orten, wo Vieh weidet, es sei in Feldern, auf Wiesen, in lichten
Wäldern …“1379

Einfarbstar (Sturnus unicolor)


Der Einfarbstar ersetzt den Star südlich der Pyrenäen. Derzeit breitet er sich
langsam nach Südfrankreich aus. Sein schwarzes Prachtkleid ist ungefleckt,
wirkt „öliger“ als beim Star und schimmert lila oder blau, nicht grün. Die
kleinen grauweißen Flecken im Schlichtkleid führen zu einem ähnlichen Ge-
fieder wie beim Star im Schlichtkleid und lassen den Vogel aus der Entfernung
leicht grau aussehen. Der Einfarbstar singt ähnlich wie ein Star, aber einfa-
cher.1380 Die Arten leben allopatrisch, d. h. ihre Lebensräume sind getrennt.
Durch Ausdehnung ihrer Brutgebiete seit Ende des 19. Jahrhunderts sind sie
sowohl in Nordspanien als auch in Sizilien seit den 1950er-Jahren in Kontakt
gekommen. In einer schmalen Überlappungszone in Katalonien (1987 etwa
50 km breit) sind beide Arten seitdem bei gleichen Habitatansprüchen sym-
patrisch, in der Regel ohne Bildung von Mischpaaren und Hybridisation.1381
Einfarbstaar, Einfarbiger Star: Der Name „Star“ wurde bereits erklärt, siehe
dort. Der Einfarbstar hat ein Gefieder, das völlig ungefleckt schwarz ist.
Schwarzer Star, Schwarzstaar, Schieferfarbiger Star: Auch das Brutkleid
der Einfarbstare ist, im Unterschied zum Star, ohne helle Fleckung. Es hat
einen matten purpurnen Schiller, wodurch die Vögel wie „eingeölt“ wirken.
Im Winterkleid erscheinen sie von weitem ganz schwach gräulich getönt zu
sein.1382 Daraus erklärt sich „schieferfarben“.
Sardinischer Star: Der Einfarbstar wurde 1820 von TEMMINCK beschrie-
ben. NAUMANN bearbeitete den Vogel nicht mehr für den 1822 erschiene-
nen Hauptband. Seine Beschreibung des Einfarbstars findet man erst 1860 in
den Nachträgen. „Sardinischer Star“ stammt von C. L. BREHM (1823, 284),
der ihn als Beinamen in seinem Kapitel „Der einfarbige Star“ anführte.
C. L. BREHM äußerte sich weder in diesem, noch in einem späteren Werk
über den Lebensraum dieses Vogels. Deshalb sei hier NAUMANN zitiert,
der aber auch noch nicht wusste, dass das Hauptverbreitungsgebiet der Art

1379
NAUMANN 1822, 2/ 206
1380
JONSSON 1992, 484
1381
GLUTZ VON BLOTZHEIM/BAUER 1993, 13/ 2026
1382
BEAMAN/MADGE 1998, 754
236 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

die Pyrenäenhalbinsel war: „Der einfarbige Staar ist für Europa ein südlicher
Vogel, doch nur, soviel bis jetzt als ganz sicher bekannt, auf einen kleinen
Ländercomplex beschränkt. Er bewohnt hauptsächlich Sardinien, Sicilien,
Corsika und andere diesen gegenüber liegende Länder von Italien, doch, wie
es scheint, weniger die diesseits als jenseits der Apenninen gelegenen, von wo
er jedoch einzeln bis ins südliche Frankreich heraufstreicht.“1383

Wasseramseln – Cinclidae
Die Wasseramseln bilden mit fünf Arten die einzige Gattung der Familie Cin-
clidae. Die Vögel wurden wegen morphologischer und verhaltensbiologischer
Ähnlichkeiten in die Nähe der Zaunkönige gestellt. DNA-DNA-Hybridisie-
rungen in den 1980er-Jahren führten zur Einordnung der Cinclidae zwischen
Drosseln (Turdidae) und Seidenschwänzen (Bombycillidae). Neuere geneti-
sche Untersuchungen zeigten schließlich, dass die Wasseramseln am nächsten
mit den Drosseln verwandt sind.1384

Wasseramsel (Cinclus cinclus)


„Nicht um ein Jota besser ist es mit der Wasseramsel, mit diesem so ver-
schrieenen Vogel bestellt. Dieser steht wieder auf der Proskriptionsliste an-
derer, gewaltiger Nimrode, nämlich auf derjenigen der Fischereibesitzer und
Fischzüchter. Diese sorgen schon in ausgiebiger Weise für die Dezimierung
dieses – man kann wohl getrost sagen – fast ganz unschädlichen, harmlosen
Geschöpfes; und warum sie diesen Vogel verfolgen, warum sie ihm den Krieg
erklärt haben, nun – das wissen sie ja selber nicht! Es ist ganz gewiß noch
keinem einzigen von diesen Nimroden eingefallen, den erlegten Vogel zu un-
tersuchen, ihm den Magen zu öffnen und zu sehen, womit dieser angefüllt ist.
Hand aufs Herz! Es ist wahr, daß die Wasseramsel dann und wann, vielleicht
öfter – ein Fischlein nimmt, worüber uns so manche Untersuchungen Auf-
schluß geben; aber von einem der Fischerei zugefügten und berechenbaren
Schaden wird wohl kaum die Rede sein können.“1385
Wasseramsel, Gemeine Wasseramsel, Wassermerle, Wasserdrossel: „Die
Schriftsteller nennen diesen durchgängig Wassermerle … Deutsch Wasser-
amsel, Bach- oder Seeamsel, denn man hat ihn von je her unter andere Ge-

1383
C. L. BREHM 1823, 284 und NAUMANN 1860, 13/ 231
1384
http://de.wikipedia.org/wiki/Wasseramseln, Stand: 11.09.2012
1385
RZEHAK 1896, 13
PASSERES – SINGVÖGEL 237

schlechter geordnet, nun aber soll er Wasserstaar, holländisch Waater Spreeuw


heißen.“1386
„Das Volk hat, wie aus den verschiedenen Namen hervorgeht, von jeher seine
Familienähnlichkeit mit den Drosseln erkannt, und der Forscher muß der
volksthümlichen Anschauung beipflichten.“1387
BREHM, der betonte, dass es um äußere Ähnlichkeiten zu den Amseln,
Drosseln gehe, ordnete die Wasseramsel einer eigenen Vogelgruppe zu, die der
Drosselfamilie nahestand und mit ihr die Drosselvögel bildete. Heute wird
die Familie der Wasseramseln, der Cinclidae, nach einigen anderen Zuord-
nungen, wieder zur weiteren Drosselverwandtschaft gezählt. „Merle“ ist das
französische Wort für Drossel.
Während „Wasseramsel“ auf GESSNER (1555) zurückgeht, findet man eine
frühe Veröffentlichung des Begriffs „Wasserdrossel“ bei KLEIN.1388
Bachamsel, Seeamsel, Bachdrossel, Seedrossel: „Lieblingsplätze sind die
klaren, vom Walde beschatteten Forellenbäche, an denen unsere Hoch- und
Mittelgebirge so reich sind… Je rauschender der Waldbach ist, je mehr Fälle
er bildet, je ärger er braust und zischt, um so geeigneter erscheint er ihm.“1389
„Von der Wasseramsel“ schrieb GESSNER (1555): „Diser vogel wirt von den
unseren auch Bachamsel genennt. Die hat einen rotschwartzen rugken und
kopf: auff den flüglen ist sy eins teils schwartz/ anders teils äschenfarb/ an
dem halß und an der brust weyß/ rot am bauch/ mit etlichen weyssen oder
äschenfarben fläcken/ mit rosafarben beinen/ schwartzem kurtzem schwantz:
der schnabel ist nit lenger dann der Amsel/ gar schwartz.“1390
An stehenden Gewässern hält sich die Wasseramsel nur ausnahmsweise auf.
Sie lebt vor allem an nicht zu schmalen Fließgewässern. Das sah man früher
anders, sodass die Wasseramsel „am großen See“ (Lago Maggiore) in Italien
sogar den eigenen Namen „folun d’aqua“ erhielt. Ferner sei er ein Vogel der
Seen und Bäche der hohen Berge.1391
Gemeiner Wasserstar, Wasserstaar, Bachsprehe, Sprehe: Die Größe und
der kurze Schwanz des Vogels hätten geradezu den Vergleich mit dem Star
aufgedrängt und führten zu Namen wie Wasserstar, den z. B. R. BLASIUS im

1386
MÜLLER 1773, 525
1387
BREHM 1866, 817
1388
SPRINGER 2007, 309 und KLEIN 1760, 129
1389
BREHM 1866, 816
1390
GESSNER 1555, 21 und GESSNER/HORST 1689, 46
1391
BUFFON/OTTO 1798, 28/ 246
238 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

NAUMANN/HENNICKE gebrauchte,1392 oder auch zu Bachstar, Bachspre-


he und Wassersprehe.1393 Die Wasseramsel wurde tatsächlich zeitweise und
örtlich verschieden den Staren, den „Sprehen“, zugeordnet, so in Westfalen
der „Bikistarn“, der „Wasserspron“ in Luxemburg, der „Waterspreeuw“ in
Holland.1394 Sogar die Norweger, deren Nationalvogel die Wasseramsel 1963
wurde (CREUTZ), hatten einen „Strömstare“, „Strömstaer“ (Stromstar). Mit
dem Star hat die Wasseramsel allerdings wenig zu tun.
Stromamsel, Stromdrossel: Die Begriffe entstanden aus dem norwegischen
„Strömstare“, „Stromstar“ ähnlich wie „Wasserstar“ und „Wasserdrossel“ aus
GESSNERS „Wasseramsel“ (1555).
Wasserschwätzer, Wasserschmätzer, Gemeiner Wasserschwätzer, Schwät-
zer, Wassersänger: Der Gesangseifer des Vogels regte zur Namensgebung an.
„Während der Name Wassersänger nur wenig Anklang fand, hat sich ‚Was-
serschmätzer‘ besser eingebürgert, wohl wegen des treffenden Hinweises auf
die schmatzenden Laute, die in das Vogellied eingeflochten werden.“1395 Sie
„singen fröhlich, selbst auf dem Eise, einige helle Strophen, die mit schnar-
renden, gleichsam schwatzenden Tönen unterbrochen werden.“1396 CREUTZ
schlug daher vor, für diesen Vogel dauerhaft den Namen „Wasserschwätzer“
zu verwenden, da er die Eigenart des lang anhaltenden schwatzenden Gesan-
ges treffend zum Ausdruck bringe.
Jahre vorher hatte STRESEMANN geschrieben, dass es „Wasserschwätzer“
für die Wasseramsel schon einmal gegeben habe. Der Kunstname stamme
von BECHSTEIN (1802) und solle die älteren „Wasseramsel“ oder „Was-
serstar“ ersetzen. „Erst PECHUEL-LOESCHE, der nicht Ornithologe war,
entstellte den hübschen Namen „Wasserschwätzer“ in der dritten Auflage von
BREHMS Tierleben zu ‚Wasserschmätzer‘. Da REICHENOW (1902) diesen
Fehler kopierte, fand er rasch allgemeine Verbreitung.“1397
Weißbrustiger Wasserschwätzer: Bei AVIBASE 2012 stehen für „Cinclus
cinclus“ 14 Subspezeis, von denen fünf europäisch sind. Es sind die nörd-
liche, vor allem skandinavische dunkelbäuchige Wasseramsel „Cinclus cinclus
cinclus“, eine in Mitteleuropa hauptsächliche verbreitete rotbraunbäuchige
Form, „Cinclus cinclus aquaticus“, die mehr im Osten der Britischen Inseln
lebende „Cinclus cinclus gularis“, die „Cinclus cinclus hibernicus“ im westli-

1392
R. BLASIUS in: NAUMANN/HENNICKE 1897, 2/ 208
1393
CREUTZ 1986, 21
1394
SUOLAHTI 1909, 86
1395
CREUTZ 1986, 21
1396
OKEN 1837, 54
1397
STRESEMANN 1941, 85 und BREHM Vögel I, 1891/ 69
PASSERES – SINGVÖGEL 239

chen Großbritannien sowie die cyprische Unterart „Cinclus cinclus olympicus“.


Alle, bis auf C. c. cinclus (black bellied, schwarzbäuchig) und C. c. olympicus
(Cyprus Dipper), haben in der englischen Bezeichnung ein „white throated“
(weißkehlig).1398 Zwei von ihnen hat SVENSSON abgebildet.1399
Erst Anfang des 19. Jahrhunderts begann man, sich mit Variationen der Was-
seramsel ernsthafter zu befassen. „Wir haben in Deutschland 2 Arten, von
denen die eine erst durch uns entdeckt worden ist“ schrieb C. L. BREHM,1400
der den „Braunbäuchigen Wasserschwätzer ( Cinclus aquaticus, Bechst.)“ von
dem „Bewohner des Nordens“, dem „Schwarzbäuchigen Wasserschwätzer
( Cinclus melanogaster, mihi)“ unterschied. Letzteren nannte sein Sohn A.
BREHM, der die kürzere Namengebung bevorzugte, später „Schwarzbauch-
wasserschwätzer“. NAUMANN, der sich C. L. BREHMS Auffassung der Ar-
tenaufspaltungen nicht anschloss, sondern die Formen weiterhin für Variatio-
nen hielt, nannte die Wasseramsel „Wasserschwätzer – Cinclus aquaticus“.1401
Der „Weißbrustige Wasserschwätzer“ war eine von OKEN benannte Varia-
tion, „über ganz Europa verbreitet“, also „white throated“ mit, im Vergleich
zur im Norden verbreiteten Wasseramsel, hellerer brauner Oberseite und hel-
lerer rotbrauner Unterseite.1402

Drosseln – Turdidae
Die Drosseln sind eine artenreiche Vogelfamilie mit weltweit 19 Gattungen
und ca. 150 Arten. Die Abgrenzung gegen die Fliegenschnäpper (Muscica-
pidae) wird kontrovers diskutiert. Die Schmätzer (Saxicolinae), eine Unter-
familie der Fliegenschnäpper, werden als „Kleindrosseln“ manchmal zu den
Drosseln gestellt. Andererseits werden von manchen Autoren die Drosseln
insgesamt in die Fliegenschnäpper einbezogen.1403
Drossel und Amsel: Drossel ist ein Vogelname, der im Germanischen zahl-
reiche Lautvarianten hat. Ahd. „drosca, droscala“, mhd. „droschel“.1404 Das
Wort ist eigenständig, ohne besondere Bedeutung, ein Schlagwort.1405

1398
AVIBASE 2012
1399
SVENSSON et. al. 2011, 273
1400
C. L. BREHM 1821, 2/ 100 u. 111
1401
NAUMANN 1897, 3/ 925
1402
OKEN 1843, 8
1403
http://de.wikipedia.org/wiki/Drosseln, Stand: 12.09.2012
1404
KLUGE 1905, 83
1405
MACKENSEN p. 106
240 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

P. L. S. MÜLLER bot eine (nicht ganz ernst zu nehmende) Deutung für den
Ausdruck „Drossel“ an: „Man fängt sie in Schlingen, worinnen sie sich er-
drosseln, deßwegen sie auch etwann die Drosseln heißen.“1406
Die unterschiedliche Beurteilung der Begriffe „Amsel“ und „Drossel“ wur-
de schon bei der „Blaumerle“ erwähnt. Über die Auffassungen darüber am
Ende des 19. Jahrhunderts kann man bei LEVERKÜHN nachlesen. „Diese
Zusammenstellung von ‚Krambsvogel‘ und ‚Drossel‘ scheint mir ganz so zu
verstehen sein, wie die Worte auch jetzt noch gemeinhin gebraucht werden.
‚Krambsvögel‘ vom Standpunkt der Jäger und Vogelfänger sind die auf dem
Herd gefangenen, in erster Linie die durchziehenden nordischen Arten T. pi-
laris und iliacus, dann viscivorus und schließlich alles andere, was in den Doh-
nen und auf dem Herd bleibt, dazu also auch musicus und merula.“ … „Amsel
wird in jener Zeit schon längst unterschieden.“1407 [Lateinische Namen: s.
unten].
Vom naturgeschichtlichen Standpunkt sind „Drosseln“ in erster Stelle die Sing-
drossel und das Genus „Drosseln“ überhaupt gemeint. Das Wort „Kram(b)
svogel“ (entspricht „Krammetsvogel“) war wohl zunächst nur T. pilaris und
nicht noch andere Arten. Das mittelhochdeutsche Wort „Ziemer“ war nach
LEVERKÜHN ein Name des Krammetsvogels. Nach SUOLAHTI ist „Zie-
mer“ dagegen ein in hochdeutschen Dialekten weit verbreitetes Wort für
„Drossel“, von dem erste Kenntnisse aus dem 15. Jahrhundert stammen.1408
Nach Quellen aus dem 16. Jahrhundert ist „Ziemer“ außer an „Drossel“ dann
aber immer mehr mit „Wacholderdrossel“ verbunden. SCHWENCKFELD
schloss 1603 noch die Mistel- und Rotdrossel in den Begriff mit ein, nicht
aber die Singdrossel. SUOLAHTI schilderte die wechselnden Inhalte des Be-
griffs „Ziemer“ und schloss: „Wahrscheinlich [hat] auch ‚Ziemer‘ ursprüng-
lich eine bestimmte Art bezeichnet, dann aber seinen Geltungsbereich er-
weitert, insbesondere dort, wo der alte Drosselname nur auf die Singdrossel
beschränkt wurde.“
Ziemer heißen die Vögel „vermutlich wegen ihrer Stimme“.1409 Die Rotdros-
sel heißt Ziemer „aufgrund des Rufes ;zieh‘“.1410
In Störsituationen hört man bei der Misteldrossel ein gleichbleibend hohes
gedehntes ‚ziiiii‘, bei der Wacholderdrossel „im Kontakt mit Artgenossen am-
selartig ‚zri‘“. Bei der Weindrossel ist als nächtlicher Zugruf, beim Abflug

1406
MÜLLER 1773, 185
1407
LEVERKÜHN 1890, 146
1408
SUOLAHTI 1909, 60
1409
ADELUNG 1801, 4/ 1711
1410
SPRINGER 2007, 317
PASSERES – SINGVÖGEL 241

oder bei Flugintention ist ein hohes, gedehntes und durchdringendes „ziih“
zu hören.1411
„Die Amsel wird in der Volksvorstellung gewöhnlich nicht als eine Drosselart
aufgefaßt, ebensowenig wie in der älteren zoologischen Literatur.“ So hat das
Angelsächsische Begriffe, die dem althochdeutschen „amsala“ entsprechen,
„aber in den nächstverwandten kontinentalen Dialekten fehlt der Name; statt
dessen gelten hier ‚lîstera‘ und ‚merla‘.“1412 Bis heute finde man noch „Merle“,
„Mêrel“ oder „Mirel“ u. a.

Zu den oben genannten Namen:


Turdus pilaris ist die Wacholderdrossel, Turdus iliacus die Rotdrossel, Turdus
viscivorus die Misteldrossel, Turdus musicus die Singdrossel und Turdus erula
ist die Amsel.

Erddrossel (Zoothera dauma)


Der Vogel brütet in Indonesien, Südostasien, entlang des Himalayas, bis
Nordostpakistan, Japan, Korea und von Ostsibirien bis (noch vereinzelt) in
den Ural. Er ist in Nord-, West- und Mitteleuropa Ausnahmegast, doch mit
relativ vielen Nachweisen seit dem 19. Jahrhundert.1413 Der Name „Erddros-
sel“ ist relativ jung und soll wohl auf die schwarz-grau-braune, schuppige Ge-
fiederfarbe hinweisen, mit der der Vogel sich hervorragend tarnen kann und es
wegen seiner Scheu auch tut. NAUMANN nannte ihn „White’s Drossel“.1414
Bunte japanische Drossel, Bunte asiatische Drossel: Die Namen weisen auf
die Brutgebiete des Vogels hin, während „bunt“ wie in vielen anderen Fällen
aus den Farben schwarz und weiß(lich) gebildet werden kann. Hier kommen
noch Brauntöne hinzu. „Bunt“ kann aber auch gemustert, gefleckt, geschuppt
bedeuten, was für das Gefieder der Erddrossel zutrifft.
Grosse mondfleckige Drossel: Mit 27–31 cm ist der Vogel länger als unsere
größte heimische Drossel, die Misteldrossel. „Mondfleckig“ bezieht sich auf
das Schuppenmuster des Brust- und Bauchgefieders, wo eine Schuppe einer
Mondsichel ähnelt.
Golddrossel, Bunte Golddrossel: NAUMANN war begeistert von dem Vo-
gel: „So ein herrlicher Vogel auch schon solch ein altes Weibchen, wie das
eben beschriebene, ist, so wird es doch vom alten Männchen dieser impo-

1411
BERGMANN/HELB/BAUMANN 2008, 503 + 508 + 511
1412
SUOLAHTI 1909, 55
1413
BEZZEL 1993, 220
1414
NAUMANN 1860, 13/ 262
242 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

santen Art an Schönheit noch bei weitem übertroffen. Die Art und Weise,
wie Farben und Zeichnungen, obgleich ziemlich dieselben, hier aufs höchste
ausgeprägt sind, machen es noch um vieles bunter und hübscher.“ NAU-
MANN beschrieb den goldfarbigen Schein der Gefiedergrundfarbe, die mit
Goldfarbe begrenzten Federn oder goldfarbige Tüpfel, er malte das Gefieder
mit Worten.1415

Schieferdrossel (Zoothera sibirica)


Wie die anderen sibirischen Drosselarten ist auch die Schieferdrossel ein in
Europa seltener Gast. Aus dem 20. Jahrhundert gibt es nur wenige Nachweise
für Mitteleuropa, aus dem 19. Jahrhundert dagegen deutlich mehr. Der Vogel
war von PALLAS 1776 als „Turdus sibiricus“ beschrieben worden und wurde
lange Zeit „Sibirische Drossel“ genannt.
In der Neuauflage des NAUMANN werden 11 Belege für Deutschland (vor
1900) einzeln angegeben, für Holland, Belgien, Frankreich, England 6 Tiere,
dazu 1 aus Bulgarien.1416
Sibirische Drossel: Der singdrosselgroße Vogel brütet in der Taiga von Mit-
telsibirien und ostwärts bis Japan (o. Qu.).
Schwarzblaue Drossel: „Diese schöne Drossel ist, wenn sie ausgefärbt, mit
einer anderen inländischen Art nicht zu verwechseln, namentlich das alte
Männchen hinsichtlich seiner im Gefieder allgemein vorherrschenden dun-
kelen Schieferfarbe, mit ihren schroffen weissen Abzeichen.“1417
Mondfleckige Drossel: Die jungen Männchen weichen bis zum 1. Sommer
so stark vom Aussehen der alten Männchen ab, dass man sie lange Zeit für
eine eigene Art hielt, bis Übergangsformen Klarheit brachten.1418 Männchen
im 1. Jahr können eine Mixtur aus männlichen und weiblichen Gefieder-
merkmalen zeigen. Hals- und Brustbereich sind braungefleckt, die Flanken
weisen eine schiefergrau-weiße halbmondförmige Schuppung auf – insgesamt
„mondfleckig“.1419
Gelbliche Drossel: Die Weibchen sind singdrosselähnlich, haben aber einen
hell ockerfarbenen Überaugen- und Kehlstreif. Die Brust ist gelbweiß mit
dunklen mondsichelförmigen Querflecken.

1415
NAUMANN 1860, 13/ 262
1416
NAUMANN/HENNICKE 1905, 1/ 140
1417
NAUMANN 1860, 13/ 348
1418
NAUMANN 1860, 13/ 348
1419
BEAMAN/MADGE 1998, 621
PASSERES – SINGVÖGEL 243

Wechseldrossel: Unter dem Namen „Wechseldrossel“ führte BREHM den


Vogel ab seiner zweiten Auflage des Tierlebens. In der Erstauflage hatte er
ihn noch „Sibirische Drossel“ genannt. Die Vögel machen in ihrer Indivi-
dualentwicklung einige Gefiederfarbenwechsel durch, dazu kommen die Ge-
schlechtsunterschiede (vergleiche NAUMANN).1420

Himalayadrossel (Zoothera mollissima)


Die Himalayadrossel erhielt 1842 von BLYTH ihren heutigen wissenschaftli-
chen Artnamen „mollissima“ (lat. mollis heißt weich). Diese Drossel, ein Vogel
Mittelasiens, Hinterindiens und des Himalayagebiets, kommt bei uns nicht
vor, auch nicht als Ausnahmegast. NAUMANN wusste jedenfalls von keinem
Nachweis dieser Vogelart in Mitteleuropa. „Dass sie in diesem Werk unter
die europäischen mit aufgenommen, hielt ich mindestens nicht für überflüs-
sig, weil eine gute Abbildung von ihr mir nicht bekannt, dieser Vogel in den
Sammlungen immer noch recht selten und doch in mehrfacher Hinsicht ein
merkwürdiger ist, so dass er sogar noch mit anderen ähnlichen Arten seines
Vaterlandes verwechselt worden …“1421
Weichfederige Drossel: Unter diesem Namen führte NAUMANN die Dros-
sel in seinen Nachträgen. Die Deckfedern des Gefieders sind sehr weich.1422
Hodgsons Misteldrossel vom Himalaya, Mondfleckige Drossel: Der Vogel
lebt in der Himalayaregion und hat nicht nur die Größe der Misteldrossel
(27 cm), sondern ähnelt ihr auch im Gefieder. Da, wo die Misteldrossel rund-
gefleckt ist, hat die Himalayadrossel mondsichelförmige Flecken.
Brian Houghton HODGSON (1800–1894) war war ein britischer Ethnolo-
ge, Orientalist und Naturforscher. Er verbrachte einige Jahre (1833–1844) als
britischer Gesandter in Kathmandu, Nepal. In diesen Jahren stellte er ethno-
logische Untersuchungen an, erforschte die Kultur und die Sprachen Nepals
und beschäftigte sich außerdem mit den Tieren des Landes. Er entdeckte 39
Säugetier- und 124 Vogelarten, von denen er 79 als Erster beschrieb und von
denen etliche nach ihm benannt wurden, so die Tibetanische Antilope ( Pant-
holops hodgsonii). AVIBASE führte am 30.03.2011 25 Vogelnamen, die an
HODGSON erinnern.1423

1420
BREHM 1879, 5/ 153 + 1866, 800 und NAUMANN 1860, 13/ 348
1421
NAUMANN 1860, 13/ 257
1422
NAUMANN 1860, 13/ 257
1423
http://de.wikipedia.org/wiki/Brian_Houghton_Hodgson, Stand: 21.02.2011
244 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Einsiedlerdrossel (Catharus guttatus)


Die Einsiedlerdrossel ist in Westeuropa ein Ausnahmegast aus Nordameri-
ka. BEZZEL nannte wenige Nachweise für Deutschland im 19. Jahrhundert,
keine aus dem 20. Jahrhundert! Allerdings wurden seit 1975 einige Tiere in
England, Schweden und Island gesehen.1424 In ihrer nordamerikanischen Hei-
mat liebt der Vogel dichten Unterwuchs und Lichtungsränder in feuchtem
Nadel- oder Mischwald, besonders in Fluss- und Moornähe.1425 Für die Bear-
beitung des Vogels (Beschreibung, Bild) standen NAUMANN um 1825 aus
einer Sammlung 8 Vogelpräparate aus Nordamerika zur Verfügung. Am 22.
Dezember 1825 fing sein Bruder eine Einsiedlerdrossel am Dohnenstieg im
Kleinzerbster Forst.1426 Dieses Belegstück gibt es heute noch in der Sammlung
des NAUMANN-Museums in Köthen.1427
Einsame Drossel: „Diese kleine Drossel ein stiller, harmloser Vogel, dabei
nicht ungesellig gegen andere ihrer Art und deshalb nicht einsam zu nen-
nen.“1428 Wer dem Vogel den Namen gegeben hat, muss ihn vor Ort erlebt
haben, gehört oder/und gesehen. „Einsam“ muss nicht „allein“ bedeuten, es
kann sich auch auf den sehr schönen Gesang des Vogels beziehen. In der
Neuauflage des „NAUMANN“ wurde ein amerikanischer Ornithologe zi-
tiert: „Wenn ich in die Wälder eintrat und den kleinen Singvögeln lauschte
oder die Stille um mich her bewunderte, stets erreichte mein Ohr ein Klang
aus der Tiefe der Wälder, der für mich der schönste Klang der ganzen Natur
ist, nämlich der Sang der ‚Einsamen Drossel‘. … Es scheint die Stimme der
ruhigen, stillen Feierlichkeit zu sein.“1429
Kleine Drossel, Zwergdrossel, Einsame Zwergdrossel: Der Vogel ist 16 cm
lang und hat damit die Größe einer Feldlerche. Die ähnliche, uns gut be-
kannte Singdrossel misst 22 cm. Die Bezeichnung „Zwergdrossel“ ist zwar
zutreffend, wird heute aber für eine andere kleine nordamerikanische Drossel
verwendet, nämlich „Catharus ustulatus“. Allerdings kam dieser heute übliche
Name „Zwergdrossel“ für diesen Vogel erst relativ spät, nach der Umbenen-
nung der „früheren“ „Swainson-Drossel“ zustande. Deshalb ist mit den drei
Namen am Beginn des Abschnitts die „Einsame Drossel“ gemeint.
Rostschwänzige Zwergdrossel: Der rostbraune Schwanz ist ein gutes Unter-
scheidungsmerkmal gegenüber allen anderen kleinen Drosseln.1430

1424
BEZZEL 1993, 223
1425
BEAMAN/MADGE 1998, 622
1426
NAUMANN 1860, 13/ 273
1427
BUSCHING 2001, 67
1428
NAUMANN 1860, 13/ 273
1429
NAUMANN/HENNICKE 1905, 1/ 237
1430
BEAMAN/ MADGE 1998, 622
PASSERES – SINGVÖGEL 245

Zwergsingdrossel, Zwergzippe: „Diese niedliche Drossel ähnelt an Farbe


und Zeichnung unserer Singdrossel oder Zippe ganz ungemein und sieht da-
her, weil sie um ein Drittel kleiner, fast aus, als sei sie bloss ein verkümmertes,
d. i. im Wachstum zurückgebliebenes Junges derselben.“1431 Die Singdros-
sel wird Zippe genannt wegen der verhältnismäßig oft zu hörenden „dsibb-
dsibb-dsibb“-Rufe.

Wilson-Drossel (Catharus fuscescens)


Alexander WILSON (1766–1813) kam aus armen Verhältnissen in Schott-
land, als er 1794 nach Amerika auswanderte und sich zum „Vater der ameri-
kanischen Ornithologie“ entwickelte. Die 9 Bände seiner American Ornitho-
logy erschienen 1808–1814. Das Werk stellte 268 Vogelarten vor, von denen
26 zuvor noch nicht beschrieben worden waren.
Nach der Verfolgung eines Vogels in einem Fluss erkrankte er an Ruhr und
starb kurz darauf. WILSONS Werk verschwand relativ schnell aus der öf-
fentlichen Wahrnehmung, da die ab 1827 erscheinenden Birds of America
von John James AUDUBON erheblich populärer wurden. Mehrere ameri-
kanische Vogelarten wurden später nach WILSON benannt, neben der Wil-
son-Drossel noch Wilson’s Storm-petrel (Buntfuß-Sturmschwalbe), Wilson’s
Plover (Dickschnabel-Regenpfeifer) und Wilson’s Phalarope (Wilson-Wasser-
treter). Charles Lucien BONAPARTE, der 1831 eine vierbändige Auflage
der Ornithology in Edinburgh betreute, benannte die Waldsänger – Gattung
Wilsonia mit den drei Arten Kanadawaldsänger, Kapuzenwaldsänger und
Mönchswaldsänger nach ihm.1432
Wilsondrossel, Kleine Drossel: Der Vogel wurde 1817, also einige Jahre
nach WILSONS Tod, von STEPHENS beschrieben. Er „brütet in feuchten
Laubwäldern im südlichen Kanada und der nördlichen USA und überwintert
im östlichen Südamerika. In Westeuropa taucht er selten als Irrgast auf“. Die
mit 17 cm Länge (Amsel: etwa 25 cm lang) wirklich kleine Drossel (sie ist so
groß wie eine Feldlerche) ist oben hellbraun und unten, bis auf die hellbraun
gefleckte Brust, weiß gefärbt.1433

1431
NAUMANN 1860, 13/ 273
1432
http://de.wikipedia.org/wiki/Alexander_Wilson, Stand: 2.04.2011
1433
http://de.wikipedia.org/wiki/Wilson-Drossel, Stand: 12.04.2010
246 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Zwergdrossel (Catharus ustulatus)


Die Zwergdrossel, die oft schweigsam ist, war früher die „Einsame Drossel –
Turdus solitarius“. Sie gehört zu den gewöhnlichen Vögeln in Nordamerika,
wo sie sich in feuchten oder nahe am Wasser gelegenen Waldungen im dich-
ten Buschholze aufhält und die Nähe der Menschen scheut. Sie lebt paar- und
familienweise und gleicht in ihrer Lebensweise ganz der Singdrossel.“1434 In
Europa ist sie ein seltener Gast, vorwiegend im Herbst.
Im Englischen wird diese Drossel „Swainson’s Thrush“, „Olive-backed Thrush“
oder „Oregon Thrush“ genannt.
Sängerdrossel: „Ihr, wenigstens zu Anfang schwacher Gesang verdient kaum
diesen Namen. Sie läßt alsdann nur sanfte Klagetöne, denen eines verlaufenen
jungen Hühnchens vergleichbar, hören, welche bloß auf eine sehr geringe
Strecke hin vernommen werden können; ist überhaupt ein stilles Geschöpf.
Später aber, nach einiger Übung, soll ihr trefflicher, sehr lebhafter und man-
nichfaltiger Gesang hinsichtlich des Melodischen, seiner Annehmlichkeit und
Kraft dem ihrer berühmten europäischen Verwandten, der Nachtigall, zur
Seite zu stellen sein.“1435

Misteldrossel (Turdus viscivorus)


Die Misteldrossel frisst gerne Mistelbeeren, deren noch keimfähigen Samen
sie „mit ihrem Unrat an die Bäume“ klebt; daher stamme laut GRIMM/
GRIMM ein altes Sprichwort: „Darumb sagt man ein Sprüchwort von denen,
so inen selbs ein Unglück auf den Hals ladend: turdus ipse sibi malum cacat
[die Drossel bereitet sich ihr Unheil selbst], das ist, der Ziemer schmeiszt im
sein eigen Übel, dieweyl von seinem Kaat [Kot] Mistel wachst, darausz man
Kläb- oder Vogelleym macht, von welchem er nahin gefangen wird.“1436
OKEN dazu deutlicher: Sie lieben „Mistelbeeren, woraus man den Leim
macht, mit dem man sie fängt; daher bei den Alten das Sprichwort: Die Dros-
sel macht sich ihr Unglück selbst.“1437
BREHM meint, sie sei förmlich erpicht auf die Mistelbeere, suche sie überall
auf und streite sich wegen ihr auf das Heftigste. „Schon die Alten behaupte-
ten, daß die Mistel nur durch diese Drossel fortgepflanzt werde.“1438

1434
FRITSCH 1870, 141
1435
GLOGER 1834, 178
1436
GRIMM/GRIMM 1984, 31/ 1114
1437
OKEN 1837, 55
1438
BREHM 1866, 796
PASSERES – SINGVÖGEL 247

Misteldrossel, Mistel-Drossel: Die Misteldrossel ist eine Drosselart, die,


wenn es möglich ist, von Mistelbeeren lebt. Der Vogel frisst eine große Zahl
von Früchten und Beeren, lebt aber auch – und vorwiegend im Sommerhalb-
jahr – animalisch!
Die Namen „Mistler, Misteldrossel, Mistelziemer“ hatte der Vogel vor allem
in der Schweiz.1439 MÜLLER führte den Vogel aber auch schon als „Mistel-
drossel“.1440
Mistler: GESSNER bezeugte die Ableitung „Mistler“ für seine schweizerische
Heimat. Im Vogelbuch steht: „Dieser Vogel hat seinen Namen vom Mistel,
welchen er zur Speiß brauchet, bekommen.“1441
Das lange Verweilen nordischer Vögel in ihren Winterquartieren lasse das
Landvolk auf einen späten Frühling schließen. GATTIKER/GATTIKER
brachten dazu eine alte Bauernregel:
Sitzt der Mistler hoch am Baum,
Pfleget Winter noch zu werden,
Wählt er in der Mitt’ den Sitz,
Grünt hingegen bald die Erden.1442

Grosse Drossel: HALLE führte die Misteldrossel als „Große Drossel“. Sie ist
deutlich die größte aller heimischen Drosseln.1443
Großer Krammetsvogel, Gemeiner Krammetsvogel, Doppelter Kramms-
vogel: „Krammets-Vögel (…) nennt man überhaupt diejenigen Vögel, deren
Gefieder gesprenkelt, (…) oder auf der Brust mit gewissen kleinen regelmä-
ßigen Flecken bezeichnet zu seyn scheint, so wie man hingegen Amseln die-
jenigen Vögel nennt, deren Gefieder gleichförmig, oder nur an ganzen großen
Stellen verschieden ist.“1444
Schnarrdrossel, Schnerr, Schnerre, Schnerrer, Schnarr, Schnarre, Schnär-
re, Schnaar, Scharre, Zarizer, Zaritzer, Zerrer: Die Misteldrossel ruft im
Flug oder bei Störungen charakteristische, hart schnärrende Strophen, wie
„trrrr“, „tzrrr“, „tschrrr“, auch rhythmisiert wie „tschrtschr…“ oder „tschrak-
…“1445

1439
BUFFON/OTTO 1791, 8/ 334
1440
MÜLLER 1773, 528
1441
GESSNER/HORST 1669/ 29b
1442
GATTIKER/GATTIKER 1989, 71
1443
HALLE 1760, 277
1444
KRÜNITZ 1789, 45/ 758
1445
BERGMANN/HELB/BAUMANN 2008, 503
248 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

„Viele Mundarten benennen die Misteldrossel mit onomatopoietischen Be-


nennungen, die auf den schnarrenden Lauten des Vogels beruhen.“1446 GESS-
NER (1585) brachte z. B. „Ziering“, „Zerrer“ aus Kärnten und „Schnerrer“
aus Bayern.1447 SCHWENCKFELD (1603) „Schnarre“ und „Schnerre“ für
Schlesien, „Schnarrer“ für Böhmen, „Schnärre“ für Anhalt und „Schnarr“ für
Mecklenburg. POPOWITSCH führte „Zarrezer“ aus Österreich und „Zär-
rer“ aus der Steiermark an.1448
„Die Schnarre, ein schnarrendes Ding. So wird das hölzerne Werkzeug, wel-
ches die Nachtwächter an einigen Orten führen, und womit man auch die
Sperlinge aus den Gärten und Feldern zu verscheuchen pflegt die Schnarre,
und wenn es größer ist, die Schnurre genannt.“1449
Zahrer, Zarer, Zehrer, Zehner, Zeher: In der Steiermark bedeutet „zaren“,
„zarren“, „zerren“ soviel wie „laut schreien“. Bei der Misteldrossel ist der voll-
tönende Gesang gemeint.
Ziemer, Zeumer, Mistelziemer, Schnarrziemer, Schnärrziemer: Unter „Zie-
mer“ (Name belegt seit 1482 als „zemer“) fasste SCHWENCKFELD (1603)
drei Drosselarten zusammen, die Wacholder-, Mistel- und Rotdrossel. Wie
manche anderen Ausdrücke für Drosseln „hat wahrscheinlich auch Ziemer
ursprünglich eine bestimmte Art bezeichnet, dann aber den Geltungsbereich
erweitert, insbesondere dort, wo der alte Drosselname nur auf die Singdrossel
beschränkt wurde. Der Ursprung des Wortes ist dunkel.“1450 Die Deutung
wurde dennoch versucht: Stimmfühlungslaute der Misteldrossel sind leises
„sieh“, der Wacholderdrossel und der Rotdrossel ein langgezogenes „zieh“,
woraus der Ziemer entstand (o. Qu.).
Ziering, Zierling: GESSNER hatte das Wort „Ziering“ gebracht, aber nichts
über seine Herkunft ausgesagt. Es gehört aber zu demselben Stamm wie
„zarren“ oder „zerren“ (laut schreien), womit der Gesang gemeint ist. „Zier-
ling“ ist daraus abgeleitet, denn: „Zierlig“ ist ein Lokalname aus Appenzell/
Schweiz.1451
Brachvogel, Brackvogel: Aus mittelhochdeutscher Zeit gibt es Zeugnisse für
„brachvogel“, das mit „turdus“ übersetzt wurde. Die Drosselart ist nicht zu
ersehen. Um 1552 erschien das Wort wieder. „Aus der kurzen Beschreibung
möchte man auf die Weindrossel schließen. In Niederdeutschland ist Brâkva-

1446
SUOLAHTI 1909, 60
1447
SPRINGER 2007, 312
1448
SUOLAHTI 1909, 60
1449
ADELUNG 1798, 3/ 1588
1450
SOULAHTI 1909, 61
1451
STUDER/FATIO 1911, 7 + 8/ 1162
PASSERES – SINGVÖGEL 249

gel aber heutzutage in einigen Landschaften der Name der Misteldrossel.“1452


Der Brachvogel sucht auf Brachäckern seine Nahrung. Brachäcker sind un-
bestellte Felder, die im Brachmonat, im Juni, umgebrochen werden. Im Juni
sucht die Drossel noch Nahrung für die Jungen (2. Brut).1453
Mistelfink: „Gesner bezeugt in Hist. avium (1555) S. 728 die Ableitung
„Mistler“ und das Kompositum „Mistelfinck“ für seine schweizerische Hei-
mat.“1454
Bleifarbene Drossel: Eine „Bleifarbene Drossel“ gab es nur bei BECHSTEIN
und bei NAUMANN, der den Namen übernommen hatte.1455 BECHSTEIN
hielt diesen Vogel für eine Farbvariation der Misteldrossel: „Grau – entweder
aschgrau, oder röthlichgrau.“
Schneekater, Doppelter Schneekader: „Schneekater“ oder „Schneekader“
waren Ringdrossel und Misteldrossel in Bayern und Schwaben, Letztere we-
gen der Größe auch der „Doppelte“ Schneekader. „Häufig [kommt oft vor] ist
namentlich auf den höheren Bergen die Ringelamsel oder der ‚Schneekater‘,
wie hier die Leute den Vogel nennen.“1456
SUOLAHTI konnte den Namen nicht sicher deuten: „Offenbar ist dieser
letztgenannte Name [Schneekater], den bereits Ostermann Vocab. (1591)
S. 337 als Schneekatter und Henisch a. a. O. als weiß Schneekatter bezeu-
gen, ebenso wie der bairische Pflanzenname Schneekater [Schneeglöckchen],
Schneekaterle, eigentlich identisch mit der Koseform des Eigennamen Katha-
rina, welche Katel, Katerle lautet.“1457
Die Misteldrossel hieß um den Tegernsee „Schneekader“.1458 „Die Schneerose
( Helleborus niger), [wird] von den Einheimischen auch als Schneekader be-
zeichnet.“1459
Einen möglichen Hinweis gibt ein Zitat von ZORN: „Er singet laut, sobald
im Februar der Schnee weggehet…“. Zur selben Zeit beginnen die Kater um
die Katzen zu werben.1460
Was sich bei diesen offensichtlich alten Volksnamen wirklich hinter „Kater“
für den Vogel verbirgt, bleibt verschlossen. Lautmalung (z. B. „Katzenjam-

1452
SUOLAHTI 1909, 59
1453
PFEIFER 2011, 163
1454
SUOLAHTI 1909, 59
1455
BECHSTEIN 1802, 143 und NAUMANN 1822, 2/ 248
1456
AUS DER NATUR 1865, 33/ 550
1457
SUOLAHTI 1909, 58
1458
VON PAULA SCHRANK 1798, 1/ 164
1459
http://www.communi.eu/ftopic2572.html, Stand: 27.03.2011
1460
ZORN 1743, 305
250 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

mer“) kann man ausschließen. Erinnert sei an „Tierkater“ für den Mauer-
segler.

Ringdrossel (Turdus torquatus)


„Die Ringdrossel bewohnt Europa, liebt die hohen Gebirge, und gehört in
Thüringen unter die ersten Zugvögel, die sobald als im September Nebel und
kalte Nächte kommen, in der Schneuß gefangen werden. Sie lieben auch auf
ihren Zügen die hohen Gebirge, und werden höchst selten in den platten
Feldhölzern angetroffen. Acht Tage nach der Ankunft des ersten Truppes be-
merkt man keine mehr. Zu Ende des Märzes und den ganzen April durch
trifft man sie auf ihrer Rückreise an.
Sie nähren sich von Insekten und Beeren, Hagebutten, und fressen vorzüg-
lich die Weinbeeren gern. Auf ihrem Zuge fliegen sie in den Wäldern nach
den Wachholderbeeren, und lesen die noch übrigen Heidelbeeren ab. … Ihr
Fleisch ist eine sehr angenehme Speise, und da es große und seltene Vögel
sind, so werden auch nur 2 Stück zu einem Clubb, statt 4 von andern, ge-
rechnet.“1461
Ringdrossel, Ring-Drossel, Ringamsel, Ringtrost: Die Ringdrossel ist eine
Amsel, eine schwarze Drossel (Ringdrossel und Amsel sind etwa gleichgroß)
mit einem weißen Halbmond („Ring“) auf der Brust. „Trost“ ist ein sehr altes
Wort für Drossel. Die daraus entstandene „Trostel“ (elsäss. und schweiz.) sind
seit 1535 bzw. 1550 nachweisbar.1462
Dianenamsel: Diana ist ein alter Name für Silber. Der Brustring ist (silber-)
weiß.
Schildamsel, Schilddrossel: Der Name der Schildamsel ist seit 1746 belegt.
„Schild-“ bedeutet in Vogelnamen die bunte Gefiederfarbe, wobei „bunt“ sich
auch auf schwarz-weiß (hier schwarzes Gefieder mit weißem Halbmond) be-
schränken kann.1463
Singmerle: Der Gesang besteht aus laut und wehmütig klingenden Strophen
mit 2–4 gleichartigen Silben oder Motiven in ruhigem Tempo. Er klingt rau-
her als der Amselgesang.1464

1461
HANDBUCH f. Forst- u. Jagdk. 1796, 2/ 859
1462
SUOLAHTI 1909, 54
1463
SUOLAHTI 1909, 34
1464
SVENSSON/GRANT/MULLARNEY/ZETTELSTRÖM 1999, 276
PASSERES – SINGVÖGEL 251

Bergamsel: Die Bergamsel „hat ihren Nahmen daher, weil sie nur in großen
Gebürgen, als etwa in Tyrol, hecket.“1465
„Beim Weibchen ist das Weiße dieses Fleckes matter, mehr mit roth gemischt.
Da überdies das Weibchen braunrothes Gefieder hat, so wird der Flecken auf
einem Grunde von fast gleicher Farbe, weniger auffallend, hört oft ganz auf,
bemerkbar zu seyn. Gewiß hat dies einige Nomenklatoren veranlaßt, aus die-
sem Weibchen eine besondere Art, unter dem Namen der Bergamsel (Merle
de montagne) zu machen.“1466
„Bey uns wirt sie in bergen gefunden: darumb man sie Waldamsel und Bir-
gamsel nennet. Item Steinamsel und Rosßamsel/ darumb daß sy in waeldern
wuermlin sůcht im rosßmist. Churamsel/ villeycht darumb/ daß sy daselbst
am meisten funden wirt.“1467
Meeramsel, Seeamsel: „Von der Meer-Amßel“. Für GÖCHHAUSEN war
dies der Leitname. „Es ist ein schwarzgrauer Vogel, etwas wenig weiß einge-
sprenget, und etwas grösser als die schwartze Amßel, hat eine weisse Kehle,
fast wie eine Wasser-Amßel.“1468
„Wahrscheinlich macht die Ringamsel eine Reise von zwanzig und mehreren
Meilen über das Meer, wenn sie von Norden im Sommer zu uns kommt,
und hat auch viele Meilen zu fliegen, wenn sie im Anfange des Frühlings
von Süden ankommt, ohne Gebirge anzutreffen, so wie es derselben keine in
unserem Pommern giebt.“1469
„Auf die Bewohner der Ebene muß der Gebirgsvogel den Eindruck eines
Fremdlings machen, und in noch höherem Grade gilt dies von der nordi-
schen Ringamsel, die im Winter nach Mittel- und Südeuropa wandelt. Daher
erklären sich die Ausdrücke Meeramsel, Seeamsel …“, die seit 1631 bekannt
seien.1470
Erdamsel, Strauchamsel: Die Ringdrossel brütet im Gebirge zwischen 1200
und 2400 m über dem Meeresspiegel in Gebüschen der Krummholzkiefer
oder jungen Fichten, mindestens 40 cm über dem Boden, aber nicht nur
dort. Das erklärt aber die „Strauchamsel“.1471 Von 448 Nestern in der Schweiz
waren fast alle Nester über dem Boden, in Fichten, Tannen, Kiefern, Lärchen.
Bodennester fand man im Fels und an Böschungsstandorten, vor allem über

1465
ZORN 1743, 319
1466
BUFFON/OTTO 1790, 9/ 49
1467
GESSNER/MILT 1577/1980, 17
1468
GÖCHHAUSEN 1727, 81
1469
OTTO in: BUFFON/OTTO 1790, 9/ 53
1470
SUOLAHTI 1909, 58
1471
STUDER/FATIO 1911, 1101 und NAUMANN 1822, 2/ 318
252 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

der Waldgrenze.1472 Die Namen „Erdamsel“ und „Strauchamsel“ erschienen


erst spät bei BECHSTEIN.1473
Roßdrossel, Rostdrossel: GESSNER erklärte den Ausdruck „Roßdrossel“
damit, dass der Vogel im Pferdemist Würmer sucht.1474
„Bisweilen wird die Roßdrossel mit Rostdrossel zusammengeworfen, was zu
der Vermutung führen könnte, ‚Roß‘ sei eine Entstellung aus ‚Rost‘, also aus
einer Farbbezeichnung“ entstanden.1475 Aber weder Weibchen noch Junge
sind rostbraun. Der Ausdruck erschien erst bei BREHM.1476
Waldamsel, Kureramsel: Die Ringamsel „wird in der Schweitz umb die Ber-
ge gefunden/ und Waldamsel oder Birgamsel genennet. Man nennet sie auch
Steinamsel und Roßamsel/ dieweil sie in den Wäldern die Würmlein im Roß-
mist sucht. Deßgleichen Churamsel/ vielleicht darumb, weil sie bey der Stadt
Cuur am meisten gefunden wird.“1477 Der Ausdruck „Kureramsel“ erschien
1585 bei GESSNER.1478
Schneedrossel: Die nordischen Ringamseln künden mit ihrem Kommen
Schnee oder einen kalten Winter an. In den Alpen finden sich die dortigen
Ringamseln nach Schneefällen in den Tälern an „warmen Quellen und in
schneefreien Heidel- und Wachholderbeerschlägen zu kleinen Truppen zu-
sammen.“1479
Stockamsel, Stockziemer, Stickziemer, Stabziemer: Ursprünglich der
scheue Waldvogel, der als Nistplatz gerne die Wurzelstöcke auf Waldlichtun-
gen und im Unterholz wählt. „Stock“ hat, wie öfter bei Vogelnamen, die Be-
deutung von „Wald“.1480
Krammetsmerle: „Krammets-Vögel (…) nennt man überhaupt diejenigen
Vögel, deren Gefieder gesprenkelt, (…) oder auf der Brust mit gewissen klei-
nen regelmäßigen Flecken bezeichnet zu seyn scheint, so wie man hingegen
Amseln diejenigen Vögel nennt, deren Gefieder gleichförmig, oder nur an
ganzen großen Stellen verschieden ist.“1481

1472
GLUTZ VON BLOTZHEIM/BAUER 1988, 11/ 822
1473
BECHSTEIN 1807, 3/ 369
1474
GESSNER/HORST 1669, 43a
1475
MAJUT 1972, Hippolog. Bezeichnungen
1476
BREHM 1866, 3/ 798
1477
GESSNER/HORST 1669, 43a
1478
SPRINGER 2007, 313
1479
STUDER/FATIO 1911, 1104
1480
SUOLAHTI 1909, 325
1481
KRÜNITZ 1789, 45/ 758
PASSERES – SINGVÖGEL 253

Offizierkragen: Die Ringdrossel ist „mit Bezug auf den von seiner schwarzen
Umgebung sich sehr auffällig abhebenden halbmondförmigen weißen Fleck
auf der Vorderbrust mit dem Namen Offizierskragen ausgezeichnet wor-
den.“1482 „Ringamsel mit dem Offizierskragen.“1483

Amsel (Turdus merula)


„Die Schwarzdrossel ist in neuester Zeit vielfach angefeindet und mit schlim-
men Schimpfnamen belegt worden. Man macht ihr zum Vorwurf, daß sie da,
wo sie zahlreich auftritt, anderen Singvögeln, namentlich der Nachtigall, den
Aufenthalt verleide. … Weiter wird die Amsel bezichtigt, daß sie in Erdbeer-
pflanzungen, in Weinbergen und Obstgärten, wo sie die feineren Birnensorten
bevorzugt, … auch Schaden anrichte. Dagegen, sollte man meinen, könnte es
nicht an Abwehrmitteln fehlen, ohne zur Vernichtung der Übeltäter schreiten
zu müssen. Es will uns bedünken, daß ein so strenges Urteilen und Verfahren
gegen den Sänger“, dessen pirolähnliches Flötenkonzert ein wahrer Genuss
ist, „ein nicht eben schönes Licht auf den wirft, der dieses Urteil fällt und dies
Verfahren anwendet. Ist es denn wirklich ein nennenswerter Schaden, wenn
einmal da eine Birne angehackt oder dort eine Erdbeere genascht oder endlich
eine strotzende Weintraube einiger Beeren beraubt wird? Zähme deine Miß-
gunst, dämpfe deinen Ärger, verbanne deinen Undank!“1484
Amsel, Gemeine Amsel, Amssel: „Amsel“ oder „Amssel“ entstanden aus den
althochdeutschen Begriffen „amisala, amsala, amfsla“, für die keine weitere
Deutung angegeben wird.1485 Die Amsel wurde in der Volksvorstellung ge-
wöhnlich nicht für eine Drosselart gehalten. „Amssel“ nannte man den Vogel
um 1800 in Sachsen-Anhalt.
„Diser vogel/ so von Teütschen Amsel/ Merl/ oder Lyster genennt wirt/ hat
mancherley gstalt. Etliche sind gantz schwartz und gemein. Die habend einen
goldgaelen Schnabel/ ein gleyssende farb/ sunst nit ungleych dem Räckhol-
tervogel [Wacholderdrossel]. … Sy singt ganz lieblichdurch den gantzen sum-
mer: zů nacht aber und winterszeyt schweygt sy.“1486
Amazl: Das Wort bedeutet Amsel. Eine Herkunftsbestimmung war nicht
möglich.

1482
HOFFMANN 1937, 55
1483
HALLE 1760, 287
1484
KÖHLER 907, 24
1485
GRIMM/GRIMM 1984, 1/ 279
1486
GESSNER/MILT 1577/ 1980, 17
254 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Merle, Merel, Merlane, Amselmerle: Diese Namen der Amsel, abgeleitet


vom lat. Turdus merula, haben am Mittel- und Niederrhein den germani-
schen Namen „Amsel“ verdrängt; „diser vogel, so von Teütschen amsel, merl,
merlaer, und meerel, oder lyster genennt wird.“1487 „Nach Herrn Salerne, … ,
kommen alle diese Namen sehr augenscheinlich von Merula her, welches die
Etymologisten wieder abstammen lassen von Mera, allein, einsam. – Und die-
se Benennung paßt auf die Amsel, die man nie in Schaaren fliegen sieht.“1488
„Merle“ ist auch „eine im Oberdeutschen übliche Benennung der Amsel, wel-
che mit dem Latein. Merula überein kommt, und in einigen Gegenden auch
im männlichen Geschlechte der Merl lautet.“
Ich horte ein merlikin wol singen
Das mih duhte der sumer wolte entstan,
Hr. Ulrich. von Guotenburg.1489
Lyster: Zu BUFFONS Zeiten um 1780 war „Lyster“ der Name der Amsel
in Holland.1490 Der Name ist etwa im 13. Jahrhundert in dem Bereich West-
falen-Friesland meist für die Singdrossel entstanden, gilt nach SUOLAHTI
aber wohl auch für andere Drosselarten. Die Vorgeschichte des Vogelnamens
ist nicht aufgeklärt.1491
Fichtenamsel: Die Amsel, die ihr Nest ins Gebüsch baut. Der Name ent-
stand, weil „Specialisten einen Unterschied zwischen Schwarzamsel oder
Fichtenamsel und Stockamsel [machen]; leztere soll ihr Nest auf alte Baum-
stöcke bauen, jene ins Gebüsch.“1492
Schwarzamsel, Schwarze Amsel, Gemeinschwarze Amsel, Kohlamsel,
Schwarzdrossel, Schwarz-Drossel: „Das ausgewachsene Männchen dieser
Art Vögel ist noch schwärzer als der Rabe; das Schwarze ist ächter, reiner, und
wird durch keinen Widerschein entfärbet.“1493
Diese Namen sind scheinbar Pleonasmen, denn nichtschwarze Amseln gab
und gibt es eigentlich nicht. Dennoch machten die Zusätze „Schwarz-“ oder
„Kohl-“ Sinn. „Viele [Vögel] werden im gemeinen Leben irrig zu den Amseln
gezählet, und alsdann wird die wahre Amsel auch Schwarzamsel genannt.“1494

1487
GRIMM/GRIMM 1984, 12/ 2109
1488
BUFFON/OTTO 1790, 9/ 6
1489
ADELUNG 1798, 3/ 184
1490
BUFFON/OTTO 1790, 9/6
1491
SUOLAHTI 1909, 68
1492
VOIGT 1835, 188
1493
BUFFON/OTTO 1790, 9/ 5
1494
ADELUNG 1793, 1/ 251
PASSERES – SINGVÖGEL 255

Obwohl es die Trennung von Amsel und Drossel gab, setzte sich auch die Be-
zeichnung „Schwarzdrossel“ durch, und das nicht nur als Beiname. OTTO
schrieb 1790: „In Pommern heißt die Amsel gewöhnlich schwarze Dros-
sel.“1495 Sie ist vielerorts heute noch als „Schwarzdrossel“ bekannt.
Stockamsel: Noch Mitte des 19. Jahrhundert galt die Amsel ausschließlich
als scheuer Waldvogel und auch heute noch bewohnen sie Wälder. Andere
Vertreter der Art sind dem Menschen in die Städte gefolgt (Kulturfolger) und
haben sich dort schon so stark ausgebreitet, dass sie sogar lokal den Haussper-
ling verdrängt haben. „Stock“ hat, wie öfter bei Vogelnamen, die Bedeutung
von „Wald“. Das Wort bedeutet demnach „Waldamsel“ und meint auch die
Ringdrossel.1496 Ursprünglich hat der reine Waldvogel den Nistplatz gerne
in Wurzelstöcken auf Waldlichtungen und im Unterholz gewählt.1497 NAU-
MANN meinte mit dem Namen besonders den weiblichen Vogel1498 (s. fol-
genden Absatz).
Bergamsel, Graudrossel, Grauamsel: Die Weibchen und jungen Vögel wer-
den wegen der ziemlichen Verschiedenheit in der Färbung noch unrichtiger-
weise als eine eigene Art angesehen und mit folgenden Namen belegt: Berg-
amsel, Stockamsel, Grauamsel, Graudrossel.1499
BREHM meinte mit „Bergamsel“ nur die Ringdrossel, bei NAUMANN galt
der Name auch für junge und weibliche Amseln.1500
Ganz anderer Meinung war BECHSTEIN: Die Schwarzdrossel „variiert in
der Farbe, denn … die Jungen sehen alle vor dem ersten Mausern den Weib-
chen ähnlich oder genauer sind am Unterleibe bis zum Bauch rostgelb, un-
deutlich schwärzlich gewellt, und am Kopf und Hals schwärzlich, rostgelb
gemischt, und wenn man sie in der Stube hat, so behalten manche Männchen
diese Farbe und bekommen dazu eine weiszliche Kehle; das sind dann die so-
genannten Stock- oder Bergamseln.“1501
Braunmerle: Dieser Name galt für Jungvögel und weibliche Amseln. Wäh-
rend Jungvögel immer braun sind, sind im überwiegend dunkelbraunen Ge-
fieder der Weibchen auch graue bis graubraune Zonen an Kehle, Brust oder
Bauch möglich (Farbvariationen).

1495
BUFFON/OTTO 1790, 9/ 31
1496
SUOLAHTI 1909, 325
1497
GRIMM/GRIMM 1984, 19/ 49
1498
NAUMANN 1822, 2/ 326
1499
FRIDERICH 1849, 228
1500
BREHM 1879, 5/ 152
1501
BECHSTEIN 1803, 149
256 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Weißbrauendrossel (Turdus obscurus)


Die Weißbrauendrossel ist ein Ausnahmegast in Europa. Sie brütet in der
Taiga Sibiriens. BEZZEL führte für Deutschland 12 Nachweise im 19. Jahr-
hundert an und nur 4 im 20. Jahrhundert bis 1979.1502 „Vor 1822 hatte ich
nur ein einziges Exemplar von dieser hübschen Art, das dem Verein der na-
turforschenden Freunde zu Berlin angehörte, in den Händen gehabt und …
einstweilen bloss für eine Varietät der Rotdrossel gehalten. Da ich nun aber
seit jener Zeit mehr als ein halbes Dutzend dieser Vögel, fast alle im Nord-
osten unseres deutschen Vaterlandes vorgekommen, von gleicher Zeichnung
und gleichen Körperverhältnissen, ja einen selbst frisch in den Händen ge-
habt, musste ich von meinem Irrtum zurückkommen.“1503 Die 10 Vogelbälge,
die NAUMANN für seine Bearbeitungen zur Verfügung hatte, waren alle von
Asien-Reisen mitgebracht worden.
Blasse Drossel, Blassbauchige Drossel: Der Vogel, von PALLAS beschrie-
ben, war zu NAUMANNS Zeiten als „Blasse Drossel“ bekannt. Der Körper
„ist gelblichaschgrau; die unteren Theile weißlich, am Halse ins Gelbe spie-
lend; der Schwanz aschbraun, die äußeren Federn an den Spitzen weiß. – Er
ist in Sibirien zu Hause, und wird daselbst nur jenseits des Baikal-Sees an-
getroffen.“1504
Weindrossel mit ungefleckter Brust, Ungefleckte Drossel: „Die meisten
Nachweise betreffen Vögel, die sich im Spätherbst den Rotdrosselschwärmen
anschlossen.“1505 NAUMANN, der auf Reiseberichte angewiesen war, hat mit
seinen Kunstnamen wohl etwa dies ausdrücken wollen. Die Rotdrossel, auch
Weindrossel genannt, hat eine kräftig gefleckte Brust.1506

Rostschwanzdrossel (Turdus naumanni)


Die beiden Arten „Rostschwanzdrossel ( Turdus naumanni)“ und „Rostflügel-
drossel ( Turdus eunomus)“, die 1820 bzw. 1831 von Temminck benannt wor-
den sind, findet man mitunter noch als Unterarten der „Naumann-Drossel“
( T. naumanni). Die „Rostschwanzdrossel“ wurde dazu lange Zeit als „Nau-
mannsdrossel“ neben der „Rostflügeldrossel“ geführt.
Die beiden Arten sind deutlich unterscheidbar. Sie wurden zu NAUMANNS
Zeiten, in der zweiten Auflage von BREHMS Tierleben und auch noch von

1502
BEZZEL 1993, 240
1503
NAUMANN 1860, 13/ 289
1504
HÖPFNER 1802, 608
1505
BEAMAN/MADGE 1998, 625
1506
NAUMANN 1860, 13/ 289
PASSERES – SINGVÖGEL 257

REICHENOW und FLOERICKE als zwei selbständige Arten angesehen.1507


NIETHAMMER hatte sich für die „Unterarten“ entschieden.1508
Die „Rostschwanzdrossel“ ist Ausnahmegast aus Asien. BEZZEL ging bis ins
19. Jahrhundert zurück, als er die wenigen Nachweise in Deutschland auf-
zählte. Die Heimat der Rostschwanzdrossel reicht von Mittelsibirien ostwärts
bis an den Pazifik.1509
Naumannsdrossel, Naumannische Drossel: „Bei NAUMANN (1822) lesen
wir: ‚…mein Vater war der erste, welcher ihn 1804 zuerst beschreibt und
von mir abbilden ließ. Er erhielt ihn damals von einem aufmerksamen Jäger,
welchem wir manche Seltenheit verdanken, der ihn im November, als eben
die Rothdrosseln häufig zogen, im Walde wenige Stunden weit von unserem
Wohnorte in den Dohnen gefangen hatte.‘“1510 Das belegt, dass der Vogel
schon Jahre vor der Namensgebung durch TEMMINCK beschrieben worden
ist.
Darüber äußerte sich NAUMANN: „Da aber mein Vater der erste war, der
eine genaue Abbildung und Beschreibung von unserem Vogel gab, so legte
TEMMINCK diesem den Namen seines Entdeckers bei und nannte ihn Tur-
dus Naumanni.“ „Naumannsdrossel“ bezieht sich also nicht auf Johann Fried-
rich NAUMANN, sondern auf dessen Vater Johann Andreas NAUMANN
(1744–1826).1511
Bergdrossel: Dieser Name bezieht sich nicht auf die Heimat des Vogels, das
bergig-gebirgige Mittel- bis Ostasien, wo die Vögel in Wäldern, Waldrand-
gebieten und Büschen bis hinauf zur Südgrenze der Tundra brüten. Gemeint
sind vielmehr die Weinberge, in denen die Vögel zusammen mit Rotdrosseln
gesehen und wohl auch mit ihnen verwechselt wurden.
Kleiner Krammetsvogel: „Ob er gleich der Zeichnung am Kopfe oder der
roten Unterflügel wegen eine Ähnlichkeit mit der Rotdrossel, der Rücken-
farbe und der Brustzeichnung wegen aber mit der Wachholderdrossel hat, so
unterscheidet er sich doch so sehr von ihnen, …, daß ihn jeder auf den ersten
Blick für eine eigene, von allen verschiedene Art halten muß.“1512 Auch in
der Stimme gebe es Ähnlichkeiten. Drosseln mit gesprenkelter Brust wurden
„Krammetsvögel“ genannt. „Klein“ ist sie im Verhältnis zur Misteldrossel. Die
Wacholderdrossel ist nur wenig größer.

1507
BREHM 1879, 153 und REICHENOW 1902, 128, FLOERICKE 1924, 253
1508
NIETHAMMER 1937, 1/ 372
1509
BEZZEL 1993, 242
1510
BUSCHING 2003, 15
1511
NAUMANN 1822, 2/ 295
1512
NAUMANN 1822, 2/ 288
258 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Kleiner Ziemer: Der Name „Ziemer“ hat sich verselbständigt, sodass in ei-
nigen Gegenden alle Drosseln Ziemer waren. Dafür scheint auch die Rost-
schwanzdrossel (Naumanndrossel) ein Beispiel zu sein, zumal die Stimme des
in Deutschland äußerst seltenen Vogels von kaum einem Menschen wahrge-
nommen wird. „Kleiner“ Ziemer: Im Verhältnis zu Amsel und Misteldrossel
ist der Vogel etwas kleiner, aber größer als z. B. Rot- oder Singdrossel.
Zweideutige Drossel: „Dieser Vogel darf durchaus nicht mit Bechsteins zwei-
deutiger Drossel ( Turdus dubius, B.) verwechselt werden. Er ist von dieser so
sehr verschieden, wie die Ringdrossel von der Rothdrossel.“1513
Dass es dennoch zu Verwechselungen kam, zeigt dieser Name für die „Rost-
schwanzdrossel“.
Hügeldrossel: BREHM hatte die Turdus naumanni in seiner Erstauflage
noch „Naumannsdrossel“ genannt, den Namen dann aber ab der zweiten Auf-
lage des Thierlebens ausgetauscht gegen den Leitnamen „Hügeldrossel“. Hätte
BREHM den Namen „Bergdrossel“ nicht der schon früher durch LATHAM
beschriebenen Turdus (heute Zoothera) dauma gegeben (heute „Erddrossel“),
hätte es vielleicht keine „Hügeldrossel“ gegeben. Ein Bezug zur Heimat dieser
Drossel ist bei BREHM nicht ersichtlich.1514

Rostflügeldrossel (Turdus eunomus)


Die Rostschwanzdrossel ist Brutvogel im südlichen Mittel- und Ostsibirien,
die Rostflügeldrossel brütet in den nördlichen Teilen Mittel- und Ostsibi-
riens. Umherstreifende Vögel gelangen selten bis Mittel- und Westeuropa.
Aus der Verbreitungskarte bei GLUTZ VON BLOTZHEIM/BAUER ist er-
sichtlich, dass sich die Biotope der Vögel teilweise überschneiden. Sympatri-
sches Vorkommen spricht in der Regel für unterschiedliche Arten, nicht für
Unterarten (s. o.).1515
Rostflügeldrossel, Rostflügelige Drossel, Dunkelbraune Drossel, Bräun-
liche Drossel: Diese Namen, „Rostflügeldrossel“ und drei Beinamen, findet
man bei NAUMANN/HENNICKE.1516 Das Rückengefieder ist „von einem
ziemlich dunkeln, röthlichen Braun und bei der Färbung dieser Theile bei
unserer Wachholderdrossel erinnernd.“1517 Die Flügel sind heller, nämlich

1513
NAUMANN 1822, 2/ 288
1514
BREHM 1866, 800 + 1879, 5/ 153
1515
GLUTZ VON BLOTZHEIM/BAUER 1988, 11/ 949
1516
NAUMANN/HENNICKE 1905, 1/ 175
1517
NAUMANN 1860, 13/ 297
PASSERES – SINGVÖGEL 259

kastanienbraun (rostfarben) und heben sich deutlich gegen die dunklere Um-
gebung ab.1518

Rotkehldrossel (Turdus ruficollis)


Schwarzkehldrossel und Rotkehldrossel galten in vielen Bestimmungsbüchern
bis um das Jahr 2000 als Unterarten der „Bechsteindrossel – Turdus ruficollis“.
Beide Arten (Schwarzkehl- und Rotkehldrossel), die in Mittel- bis Ostasien
leben (sog. „Sibirische Drosseln“), sind in Deutschland überaus selten. NAU-
MANN berichtete von einer einzigen, im Oktober 1836 bei Radeberg (nahe
Dresden) gefangenen Rotkehldrossel. Für die Schwarzkehldrossel gibt es aus
der Zeit keine Nachweise.1519 BEZZEL zählte Nachweise aus Europa bis zu-
rück ins 19. Jahrhundert auf. Er nannte beide Spezies Ausnahmegäste.1520 „Re-
gelmäßiger Durchzügler in geringer Zahl“ meinte man bei ZUM LAMM.1521
Die guten Kenntnisse über die Vögel, von denen man bei NAUMANN liest,
gehen auf Reiseberichte zurück, auf von Reisen mitgebrachte Vogelbälge, die
später zum Teil ausgestopft wurden und nur zum kleineren Teil auf Fänge in
Deutschland.
Rothhalsige Drossel, Rosthalsige Drossel, Rothkehlige Drossel, Roth-
halsdrossel, Rothhals: Die Männchen sind am Gesicht und an der Kehle
ziegelrot, Kopfoberseite und Rücken sind graubraun. Bei den Weibchen ist
nur der obere Brustbereich wenig rostbraun.
NAUMANN beschrieb die „Rosthalsige Drossel – Turdus ruficollis“, trotz der
Entdeckung von PALLAS im Jahr 1776, erst in seinen Nachträgen. Er erklär-
te das mit dem Mangel an Material und der Seltenheit dieser Vögel, die zu
Verwechslungen mit der Schwarzkehl- oder Naumann- (Rostschwanz-) und
Rostflügeldrossel geführt hätten. Diese Verwechslungen seien aber bei genau-
erer Prüfung leicht zu korrigieren gewesen, vor allem, wenn man sie „beisam-
men haben kann“.1522
In der Neubearbeitung NAUMANN/HENNICKE wurde aus „Rosthalsige
Drossel“ die „Rothalsige Drossel“.1523

1518
BEAMAN/MADGE 1998, 626
1519
NAUMANN 1860, 13/ 329
1520
BEZZEL 1993, 245
1521
ZUM LAMM 200, 262
1522
NAUMANN 1860, 13/ 316
1523
NAUMANN/HENNICKE 1905, 1/ 170
260 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Schwarzkehldrossel (Turdus atrogularis)


NAUMANN hatte die Schwarzkehldrossel als „Bechsteindrossel – Turdus
Bechsteinii“ bezeichnet. Vorher wurde sie auch „Turdus atrogularis“ genannt,
„nach Hrn. Joh. Natterer in Wien, welcher diesen seltenen Vogel zuerst ent-
deckte und benannte. Ob er gleich in keiner gedruckten Beschreibung Notiz
von ihm gab, so war jener doch schon seit langen Jahren unter uns im Brief-
wechsel gebräuchlich und der Vogel uns bekannt.“1524
In einer Anmerkung schrieb NAUMANN dazu weiter: „Wie ich schon oben
in der Note erwähnte, entdeckte NATTERER in Wien den alten Vogel dieser
Art zuerst und nannte ihn Turdus atrogularis [wörtlich: Schwarzkehldrossel,
s. u.], welchen Namen auch TEMMINCK in der neuen Ausgabe seines Ma-
nuel d’Orn. annahm. Allein dieser Name paßt nur auf den alten Vogel, und
NATTERER würde ihn schwerlich gewählt haben, wenn er damals schon
den jungen Vogel gekannt hätte, welchen der Geheime Kammer- und Forst-
rat BECHSTEIN … zuerst beschrieben hatte. Aus dieser Ursache habe ich
denn auch jenen Namen nicht angenommen und nenne unseren Vogel lieber
nach seinem ersten Entdecker Turdus Bechsteinii. Ich folge hier dem Beispiel
TEMMINCKS, welcher die ‚zweideutige Drossel‘ meines Vaters [Joh. And-
reas NAUMANN] nach ihrem Entdecker T. Naumanni nannte, und benenne
nun die ‚zweideutige Drossel‘ BECHSTEINS nach diesem.“
Das war 1822. Kurze Zeit danach hat NAUMANN die „Turdus Bechsteinii“
zurückgenommen und den Vogel „Schwarzkehlige Drossel – Turdus atrigula-
ris“ genannt.1525
1819 wurde der Name von dem polnischen Zoologen JAROCKI als „Turdus
atrogularis“ veröffentlicht.1526
„Atrogularis“ ist zusammengesetzt aus „atro-, atri“ für schwarz und „gularis“
für „an der Kehle befindlich.“1527
Schwarzkehlige Drossel, Schwarzkehliger Ziemer: Die Männchen sind am
Gesicht, an der Kehle und an der Brust schwarz, die übrige Unterseite ist
weißlich, die Oberseite ist matt graubraun. Die Weibchen haben eine weiß-
liche Kehle mit dunkler Fleckung.
Einige Drosseln wurden Ziemer genannt wegen ihrer oft leisen Stimmfüh-
lungslaute „sieh“ oder „zieh“, woraus der Name entstand. Auch die Schwarz-

1524
NAUMANN 1822, 2/ 310 + 311 + 318
1525
NAUMANN/HENNICKE 1905, 1/ 188
1526
AVIBASE unter „Turdus atrogularis“
1527
HENTSCHEL/WAGNER 1986, 112 + 290
PASSERES – SINGVÖGEL 261

kehldrosseln haben als Gesangselement ein dünnes „zih“, das vor allem beim
Flug ertönt.1528
Der Name „Ziemer“ hat sich, wie schon früher beschrieben, verselbständigt,
sodass in einigen Gegenden alle Drosseln „Ziemer“ genannt wurden.
Kleiner Krammetsvogel: Als Krammetsvögel wurden und werden die Wa-
cholderdrosseln bezeichnet. „Ich habe den Vogel mehreren hiesigen Jägern
und Vogelstellern gezeigt, welche mir betheuerten, daß sie mehrere solcher
Vögel gesehen und gefangen hätten, und daß dieß die kleinen Krammetsvögel
wären. So nennten sie diese Art. Sie kämen in Gesellschaft der Ringdros-
seln.“1529 Die Vögel scheinen damals tatsächlich öfter in Deutschland gefan-
gen worden zu sein: „Er wurde zu Ende des Octobers in der Nähe von Coburg
auf der Südseite des Thüringer Waldes gefangen, und war in einer Gesellschaft
von 14 Stücken, wovon noch einer von einem anderem Vogelsteller gefangen
wurde.“1530
Zweideutige Drossel: Der Name war der Leitname von „Turdus dubius“, die
BECHSTEIN „Zweydeutige Drossel“ nannte: „Wenn man den Vogel an-
sieht, so zeigt seine ganze Gestalt eine Wachholderdrossel, wohin auch die
Farbe des Unterleibes und der Beine gehören; die übrigen Farben aber ge-
hören mehrentheils der Weindrossel. In der Größe steht er … zwischen der
Wachholder- und Weindrossel mitten innen. Wenn man daher nicht wüßte,
daß die Drosselarten sich alle untereinander so sehr ähnlich wären, so würde
man sie für eine Bastardart von einer Wachholderdrossel und Weindrossel
machen; denn eine bloße Varietät von einem von beyden Vögeln kann es um
deßwillen nicht seyn, weil vierzehn Stück von dieser Sorte in einem Flug be-
ysammen waren. Ich halte sie daher für eine besondere Art.“1531
Eine andere „zweideutige Drossel“, die auch rätselhaft war, gab es bei NAU-
MANNS Vater Joh. Andreas NAUMANN. Bei ihm handelte es sich um die
„Naumannsdrossel“ (s. o.), heute „Rostschwanzdrossel – Turdus naumanni“.

Wacholderdrossel (Turdus pilaris)


Welche Bedeutung für die Ernährung der Menschen besonders die Wachol-
derdrosseln noch im 18. Jahrhundert hatten, schilderte KRÜNITZ: „In was
für einer erstaunenden Menge die Krammets-Vögel im Herbste an manchen
Orten gefangen werden, kann man aus folgendem zuverlässigen Beyspiele er-

1528
BEAMAN/MADGE 1988, 627
1529
BECHSTEIN 1795, 245
1530
BECHSTEIN 1795, 242
1531
BECHSTEIN 1795, 240 + 242
262 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

sehen. Im Herbste 1746, wurden in Danzig nur allein 30.000 Par Krammets-
Vögel beym Zoll angegeben, und wohl eben so viele sind ausser der Stadt
in den Gärten und auf den Land-Gütern um Danzig verspeiset worden.“1532
OKEN berichtete von sogar 600.000 Kluppen (Paaren), die jährlich verzehrt
wurden. Und weiter: „Ihr Fleisch ist schmackhaft und gesund, und hat von
den Wachholderbeeren eine gewürzhafte Bitterkeit.“1533 Aufgrund immer
ausgeklügelterer Fangmethoden nahmen die Zahlen der durchziehenden Wa-
cholderdrosseln schon Ende des 18. Jahrhunderts so stark ab, dass örtlich nur
noch ein Viertel der ursprünglichen Fangzahlen erreicht wurde.1534
„Die Wacholderdrosel war im 16. Jahrhundert häufiger Durchzügler und
Wintergast. Ihre große Zahl machte sie, wie schon im ganzen Mittelalter, zu
einem wichtigen Volksnahrungsmittel.“1535
Wachholderdrossel, Wachholder-Drossel, Krammetsvogel, Gemeiner
Krammetsvogel, Eigentlicher Krammetsvogel: Der Vogel hat den Namen
von den Wacholderbeeren, früher Krammetsbeeren genannt, bekommen, die
er auf dem Zug in den Süden bevorzugt. „Bey uns kommen sie im Novem-
ber in ungeheuern Schaaren an, und halten sich vorzüglich da auf, wo es
Wachholderbeeren gibt. Sie lieben jedoch auch Vogelbeeren, Weißdorn- und
Saurachbeeren [Berberitze].“1536
„Krammetsvogel, zusammengez. Krams-Vogel, ein Nahme, welchen verschie-
dene Arten der Drosseln bekommen, welche sich im Herbste von Krammets-
oder Wachholder-Beeren mästen, und alsdann für eine angenehme Speise
gehalten werden. In engerer Bedeutung wird am häufigsten der Ziemer also
genannt.“1537 Krammetsvögel waren zudem die Drosseln mit gesprenkeltem
Gefieder, im Gegensatz zu den Amseln.
Kranwetsvogel, Kranvitvogel, Kranevitsvogel, Krannabetvogel, Kramm­
tsvogel, Krammetsvogel, Krammsvogel, Krannabeter, Krannabet, Krans-
vogel: Je nach Mundart gibt es etliche vom Wort „Krammetsvogel“ abwei-
chende Begriffe. „In der mittelhochdeutschen Zeit ist ‚kranevitevogel‘ die
übliche Bezeichnung des Vogels.“ Den „Kramet(s)vogel“ findet man bei
SCHWENCKFELD (1603), den „Krammetsvogel“ (Steiermark und Elsass)
und „Krammsvogel“ (Mecklenburg, Holstein, Steiermark). In einigen Orten

1532
KRÜNITZ 1789, 46/ 777
1533
OKEN 1837, 57
1534
KRÜNITZ 1789, 46/ 778
1535
ZUM LAMM 200, 263
1536
OKEN 1837, 56
1537
KRÜNITZ 1789, 46/ 758
PASSERES – SINGVÖGEL 263

erscheinen statt des zusammengesetzten Namens (siehe oben) Kurzformen


wie „Kranabeter“ u. a.1538
Reckholdervogel: Reckholdervogel war der übliche schweizer Name des Vo-
gels.1539 Reckolder ist in alemannischen Gegenden (Südbaden) eine andere
Bezeichnung des Wacholders.1540 Der Name „Reckoltervogel“ war bereits
GESSNER bekannt.1541
Schon vor einem halben Jahrtausend waren die Wacholderdrosseln gesuchte
und gut bezahlte Leckerbissen. „Ein guter, frischer Reckholtervogel galt anno
1578 gerne seine zwei Schilling.“1542
Schacker: Der (scharfe) Lockruf ist „tschak, tschak tschak“.1543 Aber auch
im Flug schäckert sie laut. „Wegen ihres Gesanges würden sie … keine Stelle
unter den Stubenvögeln bekommen. Wegen ihrer Lockstimme aber erhalten
sie sie beym Jäger und Vogelsteller, der sie auf dem Vogelherde braucht, wo
auf diese Vögel vorzüglich gestellt wird.“1544
Schomerling, Schomer: Alter Name für die Wacholderdrossel, der zuerst bei
BUFFON/OTTO gefunden wurde: „Im deutschen Lothringen Schomer-
lin.“1545 Eine genauere Quelle wurde nicht genannt. „Schomer“ heißt im He-
bräischen „Wächter“.1546 Nach NAUMANN findet man die menschenscheue
Wacholderdrossel als guten Lockvogel oft mit anderen Vögeln, die auf die
Lockrufe reagiert haben, vergesellschaftet. Der Wächter „Schomerling“ wäre
dann mit dem „Locker“, aber auch „Warner“ gleichzusetzen.1547
„Schomer“ ist eine Verkürzung, die OKEN vorgenommen hat.1548
Ziemer, Zeimer: „Ziemer“ entstand aus dem langgezogenen Lockruf „zieh“.
Er ist der Name mehrerer Drosselarten und ist lautmalender Herkunft. BAS.
FABER (1587) „scheidet zwischen dem eigentlichen ziemer oder krametvogel
oder wecholdervogel … und dem groszen ziemer oder schnerrer.“ Der „zie-
mer ist ein vogel, der so gern wacholderbeer friszt, davon sein fleisch einen gu-
ten geschmack bekömmt, ist von dem geschlecht der drossel und die kleinste
gattung derselben“. Die Fangart ist besungen worden:

1538
SUOLAHTI 1909, 62f.
1539
SUOLAHTI 1909, 63
1540
http://de.wiktionary.org/wiki/Reckholder, Stand: 28.03.2011
1541
SPRINGER 2007, 315
1542
GATTIKER/GATTIKER 1989, 82
1543
NAUMANN 1822, 2/ 296
1544
BECHSTEIN 1807, 3/ 340
1545
BUFFON/OTTO 1782, 8/ 276
1546
DUDEN-Familiennamen 2000, 593
1547
NAUMANN 1822, 2/ 296
1548
OKEN 1816, 458
264 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

„eben hierorts, da das roht der gereiften eibischbeeren


durch die grühnen blätter blickt, die den ziemer oft betöhren
und ihn lokken in den strük.“
ZESEN 16801549
Zimmer, Zeumer: „Zimmer“ ist seit 1502 bezeugt, „Zeumer“ und „Zeimer“
(s. o.) sind ähnlich alte sächsiche Lautformen, alle für die Wacholderdros-
sel.1550
Blauziemer, Blawziemer, Großziemer, Großer Blauziemer: Die auffälligen
Gefiederfarben von Bürzel, Scheitel und Nacken werden als grau, schiefer-
oder aschgrau beschrieben, erscheinen dem Beobachter aber häufig blaugrau.
„Blauziemer, weil der Rücken bleyfarbig.“1551 „Gros Ziemer“ ist nach SUO-
LAHTI ein schlesischer Ausdruck.1552 Die Wacholderdrossel ist länger als eine
Rotdrossel, aber kürzer als eine Misteldrossel.
Brinauka: „ … in Krain Brinauka genannt.“1553
Das ehemalige Herzogtum Krain ist ein Teil Sloweniens, dessen einstige
Hauptstadt Laibach (Ljubljana) heute die slowenische Hauptstadt ist.1554

Singdrossel (Turdus philomelos)


„Sobald im März sonniges, mildes Wetter die Oberhand gewinnt, mischt sich
im Walde in das Flöten der Amsel der Drosselgesang. Die Bezeichnung ‚Sing‘-
Drossel ist eine hohe, aber wohlverdiente Auszeichnung. Die Singdrossel ringt
mit der Amsel um den Sängerpreis. Diese hat ja ein so volles klangschönes
Organ und singt in ruhigem, würdevollem Tempo; dafür leisten die besseren
Drosseln ganz Wunderbares im Erfinden und Abwandeln der Melodien. Die
laut pfeifenden geben bei eiligem Strophenwechsel dem Drosselgesang etwas
Frisches, Keckes; um so sonderbarer wirken die schirkenden Motive schlechter
Sänger, gepreßte Laute, wie sie das Rotkehlchen hervorwürgt, oder ein Schril-
len wie das ‚Sprien‘ der Stare oder allerlei halblautes, minderwertiges Dichten.
Während gute Sänger auf solche Unart nur kurz vorübergehend verfallen,
scheinen andere nicht viel mehr zu bringen als das. Junge Männchen singen
nicht selten so hoch und dünn, daß man kaum die Drossel heraushört.“1555

1549
GRIMM/GRIMM 1984, 31/ 1112
1550
SUOLAHTI 1909, 61
1551
KLEIN/REYGER 1760, 65
1552
SUOLAHTI 1909, 64
1553
WINCKELL 1822, 3/ 872
1554
http://de.wikipedia.org/wiki/Krain, Stand: 29.03.2011
1555
A. VOIGT 1933, 41
PASSERES – SINGVÖGEL 265

Singdrossel, Sing-Drossel: „Einen eigenständigen Namen hat die Singdros-


sel nicht. Der Name Singdrossel geht auf Eber/Peucer (1552) zurück, von wo
ihn Gessner übernahm, ohne eine verbindliche artliche Zuordnung.“1556
Die Singdrossel wurde wegen ihrer klaren, reinen Stimme für den schönsten
Sänger unter den Drosseln gehalten. Dementsprechend gab es viele Versuche,
den Gesang in Worten auszudrücken. GATTIKER/GATTIKER wählten
folgende aus Mecklenburg: „Wilhelm, Wilhelm, söök mi doch, dor bün ik,
dor bün ik.“ „Uns lütt Friedrich küßt de diern, de diern in’t holt.“1557 Und
schließlich OKEN: „David! David! Drei Rösel für eine Kanne – Prosit, prosit!
Kottenhans, Kuhdieb!“1558
Sangdrossel, Gesangdrossel, Sangdruschel, Pfeifdrossel: „Sie verdient auch
den Namen der Gesangdrossel vorzüglich. Das Männchen sitzt im Frühjahr
bisweilen auf dem obersten Gipfel der höchsten Bäume im Sonnenschein,
und hat alsdann einen anhaltenden, mannigfaltigen, angenehmen Gesang,
desgleichen ich nie an den andern Drosseln gehöret habe.“1559 „Pfeifdrossel“
kommt von dem flötenden Gesang.
Waldnachtigall, Nachtigall des Nordens: „Die Gesänge der Drosseln ge-
hören zu den besten aller Singvögel überhaupt. Unserer Singdrossel gebührt
die Krone … Mit Stolz nennt der Norweger sie ‚Nachtigall des Nordens‘ und
der Dichter Welcker, in Anerkennung ihrer köstlichen Lieder, ‚Waldnachti-
gall‘.“1560
Eigentlich sogenannte Droschel, Droschel, Drosch, Dröschel, Drossel,
Drossig, Drostel, Drosthel, Durstel, Drustel: Auch ohne nähere Bezeich-
nung der Art ist mit diesen mehr allgemeinen Namen die Singdrossel ge-
meint. Sie wurden angewendet „zur Unterscheidung von den übrigen weniger
gutsingenden Drosseln.“1561
„Die eigentliche Drossel. … deutsch Drossel, Drostel; ein Wort, welches nach
sieben bis acht verschiedenen Arten, nach den verschiedenen Dialekten, aus-
gesprochen wird, und zu welchem man bisweilen Beiwörter setzt, welche mit
dem Gefieder oder dem Gesange des Vogels übereinkommen, als Singdrossel,
Weißdrossel u.s.w.“1562 Zu Drostel siehe folgenden Abschnitt (Trostelvogel).

1556
SPRINGER 2007, 316
1557
GATTIKER/GATTIKER 1989, 72
1558
OKEN 1816, 457
1559
OTTO in: BUFFON/OTTO 1791, 8/ 308
1560
BREHM 1879, 5/ 155
1561
ANZINGER 1911, 6/ 45
1562
BUFFON/OTTO 1791, 8/ 290
266 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Die „Eigentlich sogenannte Droschel“ findet man bei ZORN.1563 „Droschel“


und „Drosthel“ sind ältere Ausdrücke, die man schon 1774 bei ADELUNG
findet. „Drustel“ stammt aus dem anhaltinischen Dialekt, während „Durs-
tel“, „Drossig“, „Drosch“ und „Dröschel“ erst bei BECHSTEIN 1802 gefun-
den wurden und möglicherweise auch von ihm stammen.
Trostelvogel, Herrenvogel: „Da sie vorzüglich auf die Tafeln der großen Her-
ren kommen, so heißen sie auch Herrenvögel oder Trostelvögel von Drost,
Herr, deren es noch im Hannöverischen gibt.“1564
Weißdrossel, Weißdrostel, Weißdroschl: „Weißdrossel“ war der Leitname
bei BUFFON/OTTO.1565 Warum aber gerade „Weißdrossel“ für die Sing-
drossel? Dazu schrieb ZORN, dass der Vogel „Weißdrossel“ heiße „in Absicht
auf die Roth-Drossel, die im Herbst vor dem Krammets-Vogel zu uns her-
kommt. Sie ist den Farben nach, auf dem Kopf, Halß, Rücken, Flügeln und
Schwanz, hell-braun. An den kleineren Federn auf den Flügeln hat sie gelbe
Dupfen, und unter den Flügeln sind die Federn gleichfalls durchaus gelblich.
Gleich von der Kehle an, ist sie im Grund weiß, das Männlein aber mehr
gelb.“1566
Die „Wyßtrostel“, lateinisch Turdus albus, sollte nach GESSNER (1585) das
„Gegenstück“ zur Rotdrossel sein.1567
Klar und deutlich war FRISCH (1763): „Dieser Turdus wird Weiß-Drostel
genennet, weil sie unter den Flügeln nicht so roth als die Wein-Drostel, son-
dern meistens weiß oder ein wenig weiß-gelb ist.“1568
Bergdrossel, Weindrossel, Wiendrossel, Weindroschl: „Insonderheit aber
belustige sie sich zur Herbstzeit in den Weinbergen an den Trauben, welches
vielleicht zu ihrem Namen [Wein-]Bergdrossel und Windrossel Anlaß gege-
ben hat.“1569
Neben der Rotdrossel wurde schon 1603 die nächstverwandte Zippdrossel
[Singdrossel] am häufigsten „Weindrossel“ genannt, „doch auch Grammets-
vögel“ (um 1711) und nach einer Quelle von 1779 sogar Buchfinken.1570

1563
ZORN 1743, 306
1564
OKEN 1837, 58
1565
BUFFON/OTTO 1791, 8/ 290
1566
ZORN 1743, 306
1567
SPRINGER 2007, 316
1568
FRISCH 1763, T. 27
1569
KRÜNITZ 1776, 9/ 643
1570
GRIMM/GRIMM 1984, 28/ 876
PASSERES – SINGVÖGEL 267

Kragdrossel: „Krag-“ kommt von Kragen, welches Wort auch im Sinne von
Hals, Kehle oder Kropf der Vögel verwendet werden kann.1571 Unter den Ohr-
decken hat die Singdrossel eine sich verlierende Andeutung eines Halsringes.
Sommerdrossel, Sommerdroschl: „Die Weiszdrossel, Zippdrossel, Singdros-
sel, Drossel, Turdus musicus, die vom März bis zum October in unsern Gegen-
den weilt und den ganzen Sommer hindurch singt.“1572
„Bey einigen ein Nahme der Zipp- oder Weißdrossel, weil sie noch im Som-
mer anfängt zu streichen [fortzuziehen]; zum Unterschiede von der Roth-
oder Weindrossel, welche wegen ihres spätern Striches auch die Winterdrossel
genannt wird.“1573
Zierdrossel: Die Misteldrossel wurde „Zerrer“ genannt, mit dem das von
GESSNER erwähnte „Ziering“ verwandt sei.1574 „Zerren“ würde „laut schrei-
en“ bedeuten. Eine „Zierdrossel“ sei danach eine laut singende Drossel.
Zippe, Zippdrossel, Ziepdrossel, Zippdrustel: OKEN: „Sie locken zipp…
“.1575 Aus dem Lockruf entstand im 18. Jahrhundert der Name „Zippe“ (s. bei
Rotdrossel), „Zipdrossel“ ist seit 1579 belegt, „Ziepdruschel“ war GESSNER
aus Sachsen bekannt.1576
Die Singdrossel heißt auch Zippe wegen der verhältnismäßig oft zu hörenden
Rufe „dsibb, dsibb, dsibb“. Sie sind meist Lockrufe, aber ≤ gereiht und härter
– auch Ausdruck von Erschrecken.1577
Graue Drossel: „Ein Holländer, welcher auf Reisen gewesen war, versicherte
mich, daß unsere gemeine Drossel, welche in Holland sehr häufig ist, da-
selbst, wie auch in Riga und andern Orten, unter dem Namen des Krammets-
vogels (Litorne) bekannt sey (weil man nämlichan vielen Orten sowohl diese
graue Drossel als die Misteldrossel, Ziemer und Rothdrossel gemeinschaftlich
Krammetsvögel nennt).“1578
„Die Weißdrossel wird in Pommern vorzüglich die graue Drossel, oder die
Zipdrossel, wegen ihrer Stimme genannt.“1579

1571
GRIMM/GRIMM 1984, 11/ 1956
1572
GRIMM/GRIMM 1984, 16/ 1523
1573
ADELUNG 1801, 4/ 137
1574
SUOLAHTI 1909, 60
1575
OKEN 1837, 58
1576
SUOLAHTI 1909, 67
1577
HOFFMANN 1937, 17
1578
BUFFON/OTTO 1791, 8/ 291
1579
OTTO in: BUFFON/OTTO 1791, 8/ 308
268 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Graagdrossel: Das kaum benutzte Wort steht als frühester Nachweis bei
BECHSTEIN (1795). „Graag“ ist ein altes niederdeutsches Wort für grau.1580
„Aus Mecklenburg erwähnt Nemnich … als Bezeichnung des grauen Fliegen-
fängers den Ausdruck ‚De graag Hüting‘ (= Das graue Rotschwänzchen).“1581
Eine „Graagdrossel“ ist eine „Graudrossel“ (s. o.).
Kleine Misteldrossel: Die Länge der Singdrossel beträgt um 21 cm, die der
Misteldrossel um 27 cm. Je nach Sichtweise gleichen sich die Vögel mehr oder
weniger stark.
Rotdrossel, Weinrote Drossel: Die gleichgroßen Sing- und Rotdrosseln wur-
den oft verwechselt, zumal wenn sie in gemeinsamen Schwärmen auftraten
und bekamen auch gleiche Namen.
„Es ist gewöhnlich, daß in den Naturhistorischen Schriften öfters diese be-
yden Arten mit einander verwechselt oder doch wenigstens ihre Eigenschaf-
ten unter einander gemischt werden.“1582 So kamen diese beiden für die Sing-
drosseln unpassenden Namen zustande.
Winterdrossel: Dieser eigentlich mehr zur Rotdrossel passende Name wurde
auf solche Singdrosseln übertragen, die in Mitteleuropa überwintern und sich
mit ebenfalls hier überwinternden Rotdrosseln vergesellschaften.

Rotdrossel (Turdus iliacus)


„Dieses ist die eigentliche Singdrossel, obgleich die meisten solches der vo-
rigen [Singdrossel] zugeschrieben. Ich habe solches bereits in meiner Jugend
erfahren, da ich sie auf dem höhesten Baume eine lange Weile singen hörete,
mit einem starken und angenehmen Gesange, der dem Schlagen einer Nach-
tigall gleich kam. Ich wußte aber nicht, was es für ein Vogel war, darum ich sie
aus Neubegierde herunter schoß, und also erfuhr, daß die rothe Drossel, die
rechte Singdrossel sey. Hr. Linnaeus stimmet darinn mit mir überein, indem
er gleichfalls saget, daß sie auf den höchsten Bäumen sehr lieblich singe.“1583
Rothdrossel, Rothdroschl: Zu „Drossel“ siehe Einleitung. Den heute (nach
Weindrossel) wieder üblichen Ausdruck „Rotdrossel“ findet man schon bei
GESSNER als „Rottrostel“.1584 Gemeint sind die rostroten Unterflügel und
Flanken.

1580
BECHSTEIN 1795, 208
1581
SUOLAHTI 1909, 144
1582
HEPPE 1798, 1/ 94
1583
KLEIN 1760, 66
1584
GESSNER/HORST 1669, 31b
PASSERES – SINGVÖGEL 269

Ziemer, Kleinziemer: Unter Ziemer wurden früher bis zu drei Drosselarten


zusammengefasst, die Wacholder-, Mistel- und Weindrossel (heute Rotdros-
sel), aber nicht die Singdrossel, welche GESSNER noch dazuzählte.1585
„Vermutlich wegen ihrer Stimme.“1586 Siehe obige Einleitung. Die Mistel-
drossel ist deutlich größer als die Rotdrossel.
Zippe, Sippdrossel, Rothziemer, Rothzippe: „Zipdrossel aber wird er [der
Vogel] genennet, weil er nicht singt, sondern nur wie junge Vögel einen pie-
penden Laut, das nach Zip klingt, von sich giebt, daher er wohl auch Pfeif-
drossel, sonst aber, wegen der weißen Flecken über den Augen, Weißdrossel
heißt.“1587
Allerdings, sie „locken nicht zipp, sondern zischen bloß st, wodurch aber den-
noch ein lautes Gezwitscher entsteht.“1588 Es sei schwierig, aus den Lauten der
Rotdrossel das Zipp herauszuhören.1589
Mit „Roth“-Ziemer und „Roth“-Zippe ist die Rotdrossel gemeint. „Zippe“,
„Sipp-“ und „-ziemer“ sind lautmalend entstanden, wie bei Mistel- und Sing-
drossel.
Pfeifdrossel: „Die Zip- oder Pfeifdrossel ist eine schlechtere und magere Art,
die von der Singdrossel unterschieden ist, da sie nicht singt, sondern nur zip
zip pfeifet.“ 1590
Weißlich, Weißdrossel: Der Name „Weißlich“ ist „ein Nahme der Pfeif-
oder Sommerdrossel, wegen ihres weißen Striches über den Augen, Turdus
Iliacus Klein.“1591 (Siehe MÜLLER bei „Zippe“). Für „Weißdrossel“ gilt hier
Entsprechendes.
Weindrossel: Er (der Ziemer) ist „ein Weintrostel/ weil er von den Trauben
lebt/ in Sachsen ein Weingartvogel/ Weindruschel/.“1592
„Ihren Namen hat sie empfangen weil sie Frankreich den Weingärten großen
Schaden zufüget. In Preussen hat man sie so genannt, weil man bey dieser
angenehmen Herbstspeise ein Glas Wein zu trinken pfleget, dieselben auch
in Weinhäusern zu Königsberg, und Danzig in großer Menge zubereitet und
verspeiset werden. Sie wird im Herbst 14 Tage vor und nach Michael [29.

1585
SUOLAHTI 1909, 61 und SPRINGER 2007/ 317
1586
ADELUNG 1801, 4/ 1711
1587
MÜLLER 1773, 530
1588
OKEN 1837, 60
1589
BEZZEL 1993, 258
1590
BOCK 1782, 4/ 411
1591
ADELUNG 1801, 4/ 1468
1592
GESSNER/HORST 1669, 31b
270 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Sept.] in vielen 1000 Paaren, besonders an den Küsten der Ostsee und der
beyden Nehrungen, wohin sie Lappland, Sibirien und Liefland längst der Cu-
rischen Grenze ziehen, in den aufgestellten Dohnen mit Quitschbeeren [von
Eberesche] als ihrer Lockspeise gefangen… Man würde nicht zuviel sagen,
wenn man die Anzahl der allein in Ost-Preussen jährlich gefangenen und ver-
zehrten, auf 600.000 Paar angäbe.“1593
GLOGER vertrat eine andere Meinung: „Sie frißt, wie die Singdrossel, sonst
alle Sorten Beeren, nur gerade keine Weintrauben; so gern sie auch in Wein-
bergen verweilt. … Ihr Name ‚Weindrossel‘ mag also wohl entweder diesem
letzten Umstande, oder der Zeit ihres ersten Erscheinens bei uns, dem Wein-
monate, seinen Ursprung verdanken.“1594
Weinziepe: Dieser Ausdruck von BECHSTEIN wurde von FLOERICKE als
„Weinzippe“ angegeben. „Die Ziepdrossel aber singt nicht, sondern giebt nur
die Stimme, zip! zip! von sich.“1595 (Zu Zippe s. o.)
Buntdrossel, Blutdrossel: Unter „Abänderungen“ beschrieb BECHSTEIN
eine „bunte Rothdrossel. Turdus iliacus varius. Die Farbe ist heller, übrigens
ist sie an verschiedenen Theilen des Leibes, besonders auf dem Rücken, weiß
gefleckt.“1596
Eine Variation „Blutdrossel“ wurde nicht beschrieben, man kann aber davon
ausgehen, dass bei ihr die rötlichen Gefiederbereiche intensiver gefärbt sind.
Rothsittiger Krammetsvogel: „Aber auch ihr [der Drosseln] Fleisch ist sehr
wohlschmeckend. Deswegen sind sie leider noch immer unter dem durch-
aus falschen Gesamtnamen ‚Krammetsvögel‘ den mörderischen Schlingen der
Dohnenstiege ausgesetzt, die den lieblichen und angenehmen Sänger ihrer
Gattung ebenso erbarmungslos erwürgen wie den, dem die Gesangstimme
versagt ist.“1597 Zu „rotsittiger“ konnte keine Erklärung gefunden werden.
Das Wort ist den Lexika unbekannt. Es ist aber nicht schwer, es mit der Rot-
färbung an Flanken und Unterflügeln in Verbindung zu bringen.
„Krammets-Vögel (…) nennt man überhaupt diejenigen Vögel, deren Ge-
fieder gesprenkelt, (…) oder auf der Brust mit gewissen kleinen regelmäßigen
Flecken bezeichnet zu seyn scheint, so wie man hingegen Amseln diejenigen
Vögel nennt, deren Gefieder gleichförmig, oder nur an ganzen großen Stellen
verschieden ist.“1598

1593
BOCK 1782, 4/ 411
1594
GLOGER 1834, 179
1595
BECHSTEIN 1802, 146 und FLOERICKE 1924, 252 und KLEIN 1760, 124
1596
BECHSTEIN 1807, 3/ 363
1597
KÖHLER 1907, 3
1598
KRÜNITZ 1789, 45/ 758
PASSERES – SINGVÖGEL 271

Singdrossel, Drossel: Über die Bewertung des Gesanges der Rotdrossel gab
es unterschiedliche Auffassungen. KLEINS positive Bewertung wurde in der
Einleitung zitiert. Nach BUFFON/OTTO empfand KLEIN, dass diese Vögel
„den Gesang der Nachtigallen nachahmeten; er nennt sie diesfalls auch Sing-
drossel, beschreibt sie aber so, daß man sieht, er meine diese Rothdrossel.“1599
BOIE war anderer Meinung: Der Gesang der Rotdrossel hat nichts „von den
reinen und flötenden Tönen im Frühlingsliede des Turdus musicus [Sing-
drossel]“.1600 C. L. BREHM schloss sich an: „Auch ich fand den Gesang der
Rothdrossel nicht sonderlich.“1601 Das klang einige Seiten vorher noch anders:
„Ihr Gesang, der den Wanderern in diesen nördlichen Gegenden [Norwegen]
so melancholisch schön vorkommt, besteht aus einigen reinen Fötentönen,
denen ein kurzes und schnell ausgestossenes Gezwitscher folgt. Letzteres hört
man indes nur in unmittelbarer Nähe.“1602
Heute bekommt man z. B.folgende Auskunft: Der Gesang ist variabel, wohl-
tönend, zweiteilig, eine Reihe von mehreren weittragenden, flötenden, ab-
oder ansteigenden Tönen, gefolgt von einem recht leisen gepressten und krat-
zenden Zwitschern. Gelegentlich wird der Gesang stärker variiert und erin-
nert dann etwas an eine Singdrossel.1603
Gixer, Gixerle: Die Rotdrossel hieß „zu Basel ein Gixerle“.1604 Der Ausdruck
„ist von dem Verbum gîxen ‚in hohem feinem Tone pfeifend‘ abgeleitet.“1605
Bei GRIMM/GRIMM findet man für Vögel eine ganze Reihe von Deutun-
gen unter „gicksen“, wie „einen hellen Laut, Ton geben“, „einen feinen Schrei
ausstoßen“ oder „gackern“ u. a. Ein Gicks (auch Giks, Gix, u. a.) ist ein heller,
schriller Schrei.1606
Winser, Winsel, Winze, Winesel: „Zu Zürch wird er ein Winsel oder Wintze
wegen seiner Stimm genennet.1607 Der Name kommt wohl von winseln, vom
klagenden Klang der Stimme.1608 SUOLAHTI erklärte den Namen anders. Er
sei als Winzer zu deuten. Die weite Verbreitung der Ausdrücke könnte man
auf die weite Verbreitung durch die Vogelsteller zurückführen. „Winsel, winze
u. ä. von Wein.“1609

1599
BUFFON/OTTO 1791, 8/ 387
1600
BOIE 1822, 66
1601
C. L. BREHM 1824, 3/ 65
1602
C. L. BREHM 1824, 3/ 63
1603
BEAMAN/MADGE 1998, 629
1604
GESSNER/MILT 1577/ 1980, 15
1605
SUOLAHTI 1909, 66
1606
GRIMM/GRIMM 1984, 7/ 321
1607
GESSNER/HORST 1669, 31b
1608
GRIMM/GRIMM 1984, 30/ 410
1609
SPRINGER 2007, 317
272 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

„… in der Schweiz Winsel, von Wein, wie Winser an einigen Orten ein Wein-
gärtner heißt.“1610
„Das dritt Ziemerglaecht … hat mancherley namen bei den Teütschen: dann
bey uns wirt es ein Winsel oder Wintze von seiner stimm waegen genent:
zů Glaris in der Eydgnoschafft ein Bergtrostel: anderschwo Boemerle/ Boe-
merlin/ Beemerziemar u. a. Item ein Wyntrostel/ darumb daß er der treübel
gelaebt/ und Rottrostel. Zu Cöln heißt er ein Bitter, zů Basel ein Gixerle/ in
Saxen ein Weingartvogel.“1611 Zu den angeführten Namen folgen die Deu-
tungen unten.
Weisel, Weitzel: Ganz unklar ist der Ausdruck „Wisel“ (seit 1550 bekannt)
und in anderer Lautform „Weisel“ (= turdus montanus), seit 1560 bezeugt.1612
„Weitzel“ dürfte von „Weisel“ abgeleitet worden sein.
Bitter: „Zu Cöln heißt er ein Bitter.“ Der Name kam „vom Volk“ „aufgrund
des bitteren Geschmacks ‚ab amaritudine nomen indidit‘ [Der Name wurde
wegen der Bitterkeit gegeben]“.1613 Im Gegensatz dazu beschrieben BECH-
STEIN, NAUMANN u. a. das Fleisch als vorzüglich und sehr wohlschme-
ckend.1614
Böhmle, Behemle, Beemerziemer: Bezeichnungen wie „Boemerle“, „Böh-
mer“, „Boemerli“, „Böhmle“, „Beemerziemar“ u. a. wurden für Vogelarten
verwendet, die unregelmäßig in großer Zahl eintrafen, wie Rotdrossel, Sei-
denschwanz oder Bergfink. Die Namen waren auch in der Schweiz unter den
Vogelstellern bekannt.1615
„In den Gegenden, wo die Vögel sich dann plötzlich niederlassen, hat die
Landbevölkerung von der Heimat der Fremdlinge ihre eigenen Gedanken.
In einigen Landschaften werden sie als Böhmen aufgefaßt, und diese An-
schauung läßt sich in das 16. Jahrhundert verfolgen.“ In seinem Vogelbuch
habe GESSNER Rotdrosseln „fremde Vögel“ genannt, die in Ungarn oder
Böhmen brüteten.1616
„Im Herbst des Jahres 1852 hörte ich in einem Walde über mir plötzlich
furchtbares Brausen, welches mit einem scharf heulenden Laute verbunden
war. Das Geräusch erschreckte mich, … Bald aber wurde das Rätsel gelöst;

1610
FRISCH 1763, T. 28
1611
GESSNER/MILT 1577/ 1980, 15
1612
SUOLAHTI 1909, 66
1613
GESSNER/MILT 1577/ 1980, 15 und BUFFON/OTTO 1791, 8/ 378 und GESSNER 1585/
SPRINGER 2007, 317
1614
BECHSTEIN 1807, 3/ 368 und NAUMANN 1822, 2/ 276
1615
GESSNER/MILT 1980/ 1577, 15 und SPRINGER 2007, 317
1616
SUOLAHTI 1909, 65
PASSERES – SINGVÖGEL 273

denn ich befand mich plötzlich unter mehr als 10.000 Rotdrosseln, welche,
aus einer außerordentlichen Höhe herabstürzend, auf allen rings um mich
stehenden Bäumen auffielen.“1617
Bergdrossel, Bergtrostl, Weingartvogel, Weindrostel, Weindrustel: „In-
sonderheit aber belustige sie sich zur Herbstzeit in den Weinbergen an den
Trauben, welches vieleicht zu ihrem Namen Bergdrossel und Weindrossel An-
laß gegeben hat.“1618
„Weingartvogel“ ist seit 1552 belegt und zwar „in Saxen … Item ein Wyntros-
tel/ darumb daß er der treübel geläbt [sich laben].“1619
Winterdrossel, Winterdroschel: Name einiger zu Beginn der Kälte kom-
mender Drosselarten, besonders die Wein- oder Rotdrossel. „Winterdrossel“
kam nach SUOLAHTI bevorzugt in Österreich vor.1620
Walddrossel, Walddröscherl, Heidedrossel, Haidedrossel, Heideziemer:
Die Rotdrosseln brüten in Laub-, Misch- und Nadelwäldern sowie Grenzli-
nien an Wiesen, Feldern oder Ufern von der Küste bis ins Gebirge. Sie bevor-
zugen subalpine Birkenwälder, im Tiefland feuchte Standorte, in Osteuropa
Pappel-, Erlen- und Weidenbestände. Auf dem Durchzug sind sie häufiger
auf offenen Grünlanflächen zu finden. Die Nahrung besteht im Frühjahr und
Sommer aus tierischer Nahrung, im Herbst und Winter aus Früchten und
Beeren, z. B. Holunder, Sanddorn, Hartriegel, Berberitze, Weißdorn, Wein-
trauben.1621
„Sie brütet in den Wäldern um Danzig und nistet fast niehmals in Frank-
reich.“1622
„Im Herbst des Jahres 1852 hörte ich in einem Walde über mir plötzlich
furchtbares Brausen …“ siehe dazu BREHMS Schilderung unter „Böhmle“!
„Heide Drossel“ ist ein spezifisch schlesischer Ausdruck.1623
Bäuerling: FLOERICKE brachte mit „Bäuerlein“ einen dem „Bäuerling“
ähnlichen Namen.1624 Das spricht dafür, sie gleich zu bewerten wie die
„Ackermännchen“-Namen der Bachstelzen. Im März und April „ziehen die
zurückkommenden Schaaren wieder durch Deutschland in nördlichere Ge-

1617
BREHM 1866, 806
1618
KRÜNITZ 1776, 9/ 643
1619
SUOLAHTI 1909, 65 und GESSNER/MILT 1980/ 1577, 15
1620
SUOLAHTI 1909, 66
1621
BEZZEL 1993, 261
1622
BUFFON/OTTO 1791, 8/ 381
1623
SUOLAHTI 1909, 66
1624
FLOERICKE 1924, 252
274 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

genden“.1625 Diese „Schaaren“ fallen auf, wenn sie, wie es auch die Bachstelzen
tun, auf den frisch gepflügten Äckern nach Nahrung suchen.
Den Namen findet man zuerst 1795 bei BECHSTEIN. Er wurde 1822 von
NAUMANN übernommen, sonst aber kaum beachtet.
Gererle, Gerer: Dieser Begriff erschien ebenfalls erstmals bei BECHSTEIN,
von dem ihn NAUMANN und BREHM übernahmen.1626
Im Althochdeutschen gibt es das Verb „geren“, das „begehren, verlangen,
wünschen“ bedeutet. Die Rotdrossel fiel in die Weingärten ein. Besteht ein
Zusammenhang?1627

Wanderdrossel (Turdus migratorius)


„Die spanischen Ritter der Conquista, die mit Bluthunden nach den Gold-
ländern [Amerikas] zogen, kümmerten sich wenig um diese Sänger des Wal-
des; anders die „Pilgerväter“, die gekommen waren, um in Neuengland den
Wald urbar zu machen: sie lauschten den Liedern der Vögel, die sich in der
Nähe der Blockhütten niederließen, und sie fanden bald jene gefiederten Sän-
ger heraus, welche gern in der Nachbarschaft der Menschen nisten.
Als der erste Winter, den die „Pilgerväter“ in Massachusetts zubrachten, zu
Ende ging, da erblickten sie in den heimkehrenden Vögeln die Boten des na-
henden Frühlings, und zu den ersten dieser Boten zählten zwei liebliche Sän-
ger, der Hüttensänger und die Wanderdrossel. Trotz Schnee und Eis schmet-
terten diese Vögel ihre Jubellieder hoffnungsvoll durch den kahlen Wald, und
die Pilgerväter nannten den einen, der sich durch die rote Färbung der Brust
auszeichnete, Robin (oder Robin Redbreast) und dachten dabei an das trau-
liche, von ihnen so sehr geliebte Rothkehlchen ihrer Heimath. Es war die
Wanderdrossel, welche die ersten Gründer der Vereinigten Staaten in ihr Herz
schlossen und die noch heute in den Staaten von Neuengland besonders hoch
geschätzt und auf alle Weise gehegt und geschützt wird.“1628
Wanderdrossel, Amerikanische Wanderdrossel: Ihren Namen haben die
„Wanderdrosseln“ offensichtlich von den relativ weiten Wanderungen der
nördlichen Populationen aus den Waldzonen Nordamerikas in die Überwin-
terungsgebiete. Diese liegen im Süden der USA und erstrecken sich bis Mit-

1625
BECHSTEIN 1795, 212
1626
BECHSTEIN 1795, 213 und NAUMANN 1822, 2/ 276 und BREHM 1879, 5/ 151
1627
KÖBLER 1993, 154
1628
http://www.lexikus.de/Aus-der-nordamerikanischen-Vogelwelt-Wanderdrossel-Huettensaenger-
Spottdrossel, Stand: 2.04.2011
PASSERES – SINGVÖGEL 275

telamerika. Vögel aus südlicheren Populationen ziehen bis zu den karibischen


Inseln.1629
Der Ausnahmegast aus Nordamerika ist das neuweltliche Gegenstück zur
Amsel mit auffälliger Ähnlichkeit in Größe, Gestalt und Verhalten.1630
Amerikanischer Rothvogel, Rothbrüstige Drossel: Die Hauptkennzeichen
dieses bis 25 cm großen Vogels sind neben seiner dunkelgrauen Oberseite die
Rostrotfäbung der gesamten Brust, Flanken und Vorderbauch.1631
Robin: Wie oben beschrieben, war „Robin“ für Auswanderer der „rotbrüstige
Ersatz“ für das europäische Original: „Robin“ bedeutet im Englischen „Rot-
kehlchen“.

Schnäpperverwandte – Muscicapidae
Die Muscicapidae sind eine artenreiche Familie der Sperlingsvögel (Passerifor-
mes), die ausschließlich in der Alten Welt vorkommt. Die Systematik dieser
Gruppe von Vögeln ist umstritten. Sie sind nahe verwandt mit den Drosseln
und umfassen die Unterfamilien „Eigentliche Fliegenschnäpper (Muscicapi-
nae)“ und „Schmätzer (Saxicolinae)“.1632

Heckensänger (Cercotrichas galactotes)


„Dieser ansehnliche Vogel scheint schon seinem bloßen Aussehen nach in kei-
ne der Unterabteilungen unserer Gattung ‚Sylvia‘ passen zu wollen, und da er
auch hinsichtlich seiner Lebensweise weder eine Nachtigall, noch eine Gras-
mücke, oder noch weniger ein Rohrsänger ist, obgleich er von diesen allen
Ähnlichkeiten in sich vereint, so hat man in neuerer Zeit, wo man für gut be-
funden, die abgesonderten Gruppen der zu umfangreichen früheren Gattung
‚Sylvia‘ zu besonderen Gattungen zu erheben, für ihn eine eigene: ‚Aedon‘
oder ‚Agrobates‘ festgestellt, zumal sich noch einige außereuropäische Arten
zu ihr gesellen lassen. Da sich jedoch keiner dieser beiden aus dem Griechi-
schen entnommenen Namen verständlich und kurz verdeutschen läßt, möch-
te ich vorschlagen, die Gattung: Heckensänger zu nennen, in Bezug auf ihren
gewöhnlichen Aufenthalt in und bei dichten Hecken und Gesträuch.“1633

1629
http://www.vogelarten.de/arten/wanderdrossel/wanderdrossel.shtml, Stand: 2.04.2011
1630
BEAMAN/MADGE 1998, 629
1631
SVENSSON/GRANT/MULLARNEY/ZETTERSTRÖM 1999, 278
1632
http://de.wikipedia.org/wiki/Fliegenschnäpper, Stand: 20.09.2013, verändert
1633
NAUMANN 1860, 398
276 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Nachtigallartiger Heckensänger: Der Vogel erinnert hinsichtlich Größe,


Gestalt und versteckter Lebensweise an eine Nachtigall. Dazu kommt der
melodische und abwechslungsreiche Gesang mit Trillern und Imitationen.1634
Der Heckensänger brütet in trockener, offener Landschaft mit dichtem
Buschwerk und Hecken.1635
Rostfarbiger Sänger, Rostfarbiger Rohrsänger, Röthlicher Sänger: Bür-
zel und Schwanz sind rostbraun. Bei nicht aufgestelltem und gefächertem
Schwanz erscheint der Vogel unauffällig. Das Rückengefieder der westlichen
Unterart ist rotbeige, das der östlichen graubraun.1636
„Rostfarbiger Sänger“ war der Leitname NAUMANNS für den Vogel, den er
außerdem „Sylvia galactodes“ nannte. Dieser Name sowie „Rostfarbiger Rohr-
sänger“ kommen nur bei ihm vor. NAUMANNS „Röthlicher Sänger“ wurde
nur von OKEN als Leitname für seine „Sylvia rubriginosa“ übernommen. Da
angenommen werden darf, dass die drei Namen auch von NAUMANN stam-
men, ist „Rostfarbiger Rohrsänger“ insofern zu kritisieren, als Röhricht in der
Regel nicht zum Lebensraum der Heckensänger gehört. Der Vogel hält sich
allerdings auch an verbuschten Ufern von Wasserläufen auf.1637
Rostrote Drossel: C. L. BREHM berichtete, dass der Vogel von Johann NAT-
TERER (1787–1843), einem österreichischen Zoologen, entdeckt worden
sei. „So habe ich die deutsche Benennung, unter welcher sie von seinem Bru-
der aufgeführt wurde, ins Lateinische übertragen und ihr Natterers Namen
vorgesetzt. Sie wurde von ihrem Entdecker bloß in einer felsigen Schlucht
des St. Roccoberges nicht weit von Gibraltar und in den Thälern bei Algestras
vorzüglich auf Oleanderbüschen bemerkt.“ Der Vogel bekam den Namen
„Die kleine Drossel (Rostrothe Drossel) – Turdus minutus, Natterer.“1638
Die Heckensänger gehören heute laut AVIBASE (15.09.2012) zu den „Mu-
scicapidae“, den „Schnäpperverwandten“. So liest man es auch in der Arten-
liste der Vögel Deutschlands von 2005. SVENSSON et al. stellte sie aber, wie
etliche andere Autoren modernerer Bestimmungsbücher immer noch zu den
Drosseln (Turdidae), wie es lange Zeit üblich war.
Ménétries Rohrsänger: Der französische Entomologe Eduard MENETRIES
(1801–1861), der bei dem berühmten G. CUVIER und dem „Vater der In-
sektenkunde“ P. LATREILLE in Paris studiert hatte, arbeitete als Wissen-
schaftler in Russland. U. a. gründete er in St. Petersburg eine zoologische

1634
BEAMAN/MADGE 1998, 599
1635
SVENSSON/GRANT/MULLARNEY/ZETTERSTRÖM 1999, 258
1636
SVENSSON/GRANT/MULLARNEY/ZETTERSTRÖM 1999, 259
1637
NAUMANN 1860, 398 und OKEN 1843, 6
1638
C. L. BREHM 1823, 1/ 305
PASSERES – SINGVÖGEL 277

Sammlung.1639 Auf seinen Reisen war er auch in der Türkei, wo er den dorti-
gen Heckensänger beschrieb. Auch die Tamariskengrasmücke ( Sylvia mysta-
cea), die er 1832 beschrieb, trägt heute noch im Englischen seinen Namen:
„Menetries’s Warbler“1640
Baumnachtigall: Unter diesem Namen führte A. BREHM den Vogel, den
er häufig in Steppenwäldern und Bergwaldungen (nicht aber im Urwald
und hohen Gebirge) hörte. „Die Baumnachtigall macht einem ihrer Namen:
‚Agrobates‘, alle Ehre; denn sie liebt es in der That, auf die Spitzen zu gehen.“
Von dort aus trägt sie ihr Lied vor oder späht nach Beute. „Ihr Gesang kann
sich mit dem einer Nachtigall nicht vergleichen.“ Er sei als einförmig und
grasmückenähnlich bezeichnet. BREHM: „Ich muß beistimmen, will aber
ausdrücklich vermerken, daß er mir, trotz seiner Einfachheit, stehts wohl-
gefallen hat.“1641

Grauschnäpper (Muscicapa striata)


In der Neubearbeitung des NAUMANN zitierte R. BLASIUS aus einem
Zeitschriftenbeitrag von 1879: „Gewöhnlich sitzt er so, dass die Füsse gröss-
tenteils durch die Bauchfedern verhüllt werden, sodass er anscheinend auf
dem Bauche ruht; dabei lässt er die Flügel etwas hängen und zieht sie ruck-
weise hier und da einmal etwas an, wobei er ein wenig mit dem Schwanze
wippt. Auf diese Weise kann er stundenlang auf einem Platze sitzen und sich
amüsieren. Mit Nichtsthun? Ei nein, müssig ist er nicht. Mit den kleinen
hellen Augen späht er scharf umher, um auf jedes Kerbtier, welches sich in
sein Revier wagt, im Fluge Jagd zu machen, und sieht er sitzend etwas plump
und träge aus, so zeigt er sich im Fluge ausserordentlich gewandt. Soviel ich
beobachtet habe, stösst er niemals fehl, während man doch bei Maikäfer fan-
genden Spatzen so manchen Fehlstoß sieht. Während ich auf der Gartenbank
sass, trieb mein Fliegenschnäpper ganz unbekümmert dicht neben mir seinen
Fang … Alle Augenblicke verliess das Vögelchen seinen Sitz, um einer vor-
beieilenden Fliege oder Mücke nachzujagen und sie wegzuschnappen, und
kehrte dann geschwind wieder auf seinen Standort zurück, wo es sofort, ohne
sich zu rühren, still sass und des Weiteren gegenwärtig war.“1642
Grauer Fliegenschnäpper, Fliegenschnäpper, Grauer Fliegenfänger, Flie-
genfänger: „Hinter der letzten Reihe der großen Classe fleischfressender Vö-

1639
http://www.scricciolo.com/Nuovo_Neornithes/MenetriesEduard.htm, Stand: 25.06.2011
1640
http://avibase.bsc-eoc.org/species.jsp?lang=DE&avibaseid= AA027706CFDB4C9A, Stand:
24.06.2011
1641
BREHM 1879, 5/ 165
1642
R. BLASIUS in: NAUMANN/HENNICKE 1901, 4/ 160
278 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

gel hat die Natur eine kleine Art Jagdvögel hervorgebracht, die unschuldiger
und nützlicher sind, und ihre Anzahl sehr zahlreich gemacht. Dies sind alle
die Vögel, die nur von Fleisch leben, sich aber von Fliegen, Mücken und an-
deren fliegenden Insekten ernähren, ohne weder Früchte noch Körner anzu-
rühren. Man hat sie Fliegenschnäpper, Fliegenfänger genannt.“1643
Nach SUOLAHTI findet man „bereits im 15. Jahrhundert in der Glosse fice-
dula = fliege, sneppe, welche in fliegesneppe ‚Fliegenschnepper‘ zu verbessern
ist.“1644
BECHSTEIN und NAUMANN verwendeten in ihren Texten konsequent
„Fliegenfänger“. Der Ausdruck erschien schon 1773 bei MÜLLER.1645
Die Ausdrücke „Fliegenfänger“ und „-schnäpper“ sind als gleichwertig zu be-
handeln. Ein System, weshalb ein Autor diesen, ein anderer jenen Begriff vor-
gezogen hat, lässt sich nicht erkennen.
A. BREHM verkürzte „Grauer Fliegenschnäpper“ zu „Fliegenschnäpper“ und
„Grauer Fliegenfänger“ zu „Graufliegenfänger“.1646 Als „Fliegenschnäpfer“
und „Fliegenfänger“ kamen verkürzte Begriffe aber schon bei BECHSTEIN
1795 bzw. 1802 vor.1647
Graubrauner Fliegenfänger, Graugestreifter Fliegenfänger, Graugestreifter
Fliegenschnäpper, Gefleckter Fliegenfänger, Gefleckter Fliegenschnäpper:
Der Grauschnäpper ist graubraun mit dunkler Strichelung auf dem Kopf und
auf der Brust der schmutzigweißen Unterseite. Nach der Farbe des Rücken-
gefieders erhielt der Vogel nach DATHE 1932 den modernen Kurznamen
„Grauschnäpper“, der bis heute neben „Grauer Fliegenschnäpper“ existiert.1648
Die Strichelung ist beim Altvogel zarter und weniger ausgedehnt als beim
Jungvogel, der mit „Gefleckter Fliegenfänger“ gemeint ist. Das Jugendkleid
hat eine hell gefleckte Oberseite.
Graugestreifter Fliegenschnäpper, Gefleckter Fliegenfänger: 1788 hatte
OTTO das Kapitel über den Vogel, den BUFFON als „Gobe-mouche“ be-
zeichnet hatte, mit „Der graue gestreifte Fliegenschnäpper“ überschrieben.1649

1643
BUFFON/OTTO 1788, 14/ 5
1644
SUOLAHTI 1909, 143
1645
MÜLLER 1773, 595
1646
BREHM 1879, 5/ 517
1647
BECHSTEIN 1795, 495 + 1802, 156
1648
DATHE 1964
1649
BUFFON/OTTO 1788, 14/ 10
PASSERES – SINGVÖGEL 279

NAUMANN hatte seine 13. Gattung „Fliegenfänger – Muscicapa“ genannt


und den Grauschnäpper, wie BECHSTEIN vor ihm, „Der gefleckte Fliegen-
fänger“ (siehe auch oben).1650
Gestreifter europäischer Fliegenfänger: Der Name, von NAUMANN über-
nommen, erschien nur einmal, nämlich 1802 bei BECHSTEIN. Wie man
sich bei MÜLLER (1773) überzeugen kann, führte man eine ganze Reihe
ausländischer Vögel ebenfalls unter „Fliegenfänger, -schnäpper“. Dagegen galt
es wohl, die heimischen Arten abzugrenzen.1651 Dazu kommt möglicherweise,
dass man versucht hat, bei europäischen Fliegenschnäppern besondere Kenn-
zeichnen zu finden, wie es NAUMANN demonstrierte: „Die Europäischen
Fliegenfänger haben den Sing-Muskelapparat am unteren Kehlkopfe, mar-
kige Oberarmknochen … und stimmen auch im übrigen fast ganz mit den
Sängern ( Sylvia) überein.“1652
Großer Fliegenschnäpper, Großer Fliegenfänger: Der Grauschnäpper ist
mit 12–13,5 cm Körperlänge etwas größer als die anderen heimischen Flie-
genschnäpper. Sein dickerer Kopf vergrößert sein Erscheinungsbild noch ein-
mal.
Mückenfänger: Das Wort bedeutet dasselbe wie Fliegenfänger. In vielen Ge-
genden werden Fliegen auch als Mücken oder Mucken bezeichnet. Mücken
sind aber ein üblicher Teil der Nahrung des Grauschnäppers. In Niedersach-
sen gab es z. B. den „Muggensnapper“,1653 einen „Muggenstecher“ bei GESS-
NER 1555 oder den Mückenstecher bei POPOWITSCH 1780. 1654
„Er läßt sich nicht zähmen, aber dennoch fängt man ihn, setzt ihn in die
Stube auf einen Stock mit einem Querholz in einem Sandkästchen, damit
er sie von Fliegen reinige, was sehr bald geschieht: dann läßt man ihn wieder
fliegen.“1655
Schwalbengrasmücke: „Leider ist die Bezeichnung Grasmücke vom Volke
auch auf Vögel übertragen worden, die nicht zur Gattung Sylvia gehören.“1656
Wie schon beschrieben, hat man die Fliegenschnäpper noch im 18. Jahrhun-
dert zu den Grasmücken geordnet. An die Schwalbe erinnern die geschickten
Flugbewegungen beim Insektenfang. Auch in ihrem Verhalten hat man Ähn-
lichkeiten mit Schwalben gesehen: „In der Zugzeit im August sieht man oft,

1650
NAUMANN 1822, 2/ 215 und BECHSTEIN 1795, 490
1651
BECHSTEIN 1802, 156
1652
NAUMANN 1822, 2/ 215
1653
HÄPKE 1871, 301
1654
SUOLAHTI 1909, 143
1655
OKEN 1837, 73
1656
HOFFMANN 1937, 49
280 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

wie sie familienweise bei in Baumgärten liegenden und mit Gebüsch umgebe-
nen Teichen herumflattern und Mücken fangen, denn in dieser Zeit werden
die Fliegen und dergleichen schon seltener, sie ziehen sich nach den Gebäu-
den, andere Insekten nach den Gewässern, was man auch aus dem Betragen
der Schwalben merken kann.“1657
Grauer Hüting, Graag Hüting, Hütick: „Aus Mecklenburg erwähnt Nem-
nich … als Bezeichnung des grauen Fliegenfängers den Ausdruck ‚De graag
Hüting‘ (= Das graue Rotschwänzchen).“1658
„Bisweilen schreyen sie doch auch hüt, hüt; und da sie deshalb wie auch noch
in andern Stücken ein wenig Aehnlichkeit mit den Weibchen des Gartenrö-
thlings ( Motacilla Phoenicurus) der Hütik, Hütik-tik schreyet, hat, so wird er
an einigen Orten bey uns der Graue Hütik genannt.“1659
„Der Gartenrotschwanz ruft oft bei Erregung oder zur Warnung für seine
Jungen hü(i)d teg, hü(i)d teg teg; ein niederdeutscher Beobachter aus dem
Volke hat daraus für das Gartenrötel den Namen Hütick (= Hüte Dich!) ge-
prägt.“1660 „Hüting“ ist bei beim Rotschwänzchen und Grauschnäpper laut-
malend zu verstehen. Bei STRATHMANN kann man dazu lesen: Die ono-
matopoietische Bezeichnung des Grauschnäppers als „Hüting“ sei vergleich-
bar mit der für den Gartenrotschwanz, zumal beide Vögel in gleichen Bio-
topen vorkommen könnten. Der Ausdruck „Graag Hüting“ sei in dem Sinn
als Abgrenzung gegen den Gartenrotschwanz zu verstehen, nicht gegen den
Trauerschnäpper.1661
Nesselfink, Pestilenzvogel, Todtenvogel: Nach HOFFMANN ist „Nessel“
mundartlich eine unwillige Bezeichnung für ein kleines unruhiges Mädchen.
Deshalb „könnte das Wort Nessel im Vogelnamen auch auf das unruhige Ge-
baren des kleinen gefiederten Sängers hinweisen“.1662
Diese Vermutung HOFFMANNS ist nicht richtig. Vielmehr findet man
„Pestvogel, Nesselfink, Todtenvogel“ (in dieser Reihenfolge) unter „Pest“ im
Wörterbuch der Bildersprache von A. BREYSIG aufgeführt. Eine Seite später
wurde „Nesselfink“ mit „Pestilenzvogel“ erklärt.1663

1657
NAUMANN 1822, 2/ 216
1658
SUOLAHTI 1909, 144
1659
OTTO in: BUFFON/OTTO 1788, 15
1660
HOFFMANN 1937, 27
1661
STRATHMANN 2008, 2/ 408
1662
HOFFMANN 1937, 69
1663
A.BREYSIG 1830, 638
PASSERES – SINGVÖGEL 281

KLEIN führte den Grauschnäpper als „Todtenvogel, Pestilenzvogel, Nossel-


fink“.1664 Früher glaubte man, der Grauschnäpper künde Krankheiten und
Tod an, weil er sich angeblich vor einer Pest besonders häufig in den Gär-
ten sehen ließ. Da man damals diese Fliegenschnäpper noch für Grasmücken
hielt, gab man ihnen den Namen „Sylvia pestilentialis“.1665
„Nesselfink“ wurde gleichbedeutend verwendet mit „Nossel- oder Nösselfink“,
schlesischen Namen, die nach SUOLAHTI nicht sicher deutbar sind.1666
Regenpieper: Als Regenankündiger (also „Regenpieper, -pfeifer) ist der
Grauschnäpper nicht bekannt. Es ist daher nicht verwunderlich, dass man
den Namen vor BREHM nicht findet. Woher BREHM ihn hat, muss auch
offen bleiben.1667
Kothfink: Beinamen mit der Vorsilbe „Koth-“ erhielten viele Vögel. Sie
wurden durchaus verschieden gedeutet, zum Beispiel wurden Buchfinken,
Spatzen und andere Vögel so genannt, weil sie ihre Nahrung in den Abfällen
auf den Straßen suchten. Grauschnäpper bekamen die Namen, weil sie dort
umherschwirrende Insekten fingen.1668
Spießfink: Ein Spießvogel ist ein Vogel, der am Spieß gebraten oder spieß-
weise verkauft wurde. Bei der Menge ging es um acht Vögel pro Spieß oder
um so viele, wie auf den Spieß passten. Die Literatur nennt als Beispiel häufig
die Spießlerche, „ein Nahme der Heidelerche, vermuthlich, weil sie am häu-
figsten gebraten gegessen wird. „Spießfink“ dürfte auch so deuten sein, zumal
das Fleisch des Grauschnäppers als „wohlschmeckend“ beschrieben wurde.1669
Schurek: Der Name könnte aus dem polnischen „szurek“ stammen, das
„Schelmchen“ bedeutet, oder ist auf das russische „stsurka“ für „Bienenfän-
ger“ zurückzuführen.1670
Pipsvogel: Der Grauschnäpper hat eine meist unauffällige, einfache Stimme.
„Der Gesang ist schlecht, und besteht aus allerlei piependen und leisen Tö-
nen.“1671 Der Name stand zuerst bei BECHSTEIN, der sich ähnlich zur Stim-
me äußerte: „Er singt nicht, sondern ruft, wenn er auffliegt, immer heiser: St!
St! und sein Angstgeschrey ist Tschih-rek. kek, kek!“1672

1664
KLEIN/REYGER 1760, 79
1665
KRÜNITZ 1808, 109/ 295
1666
SUOLAHTI 1909, 144
1667
BREHM 1879, 5/ 517
1668
SUOLAHTI 1909, 111
1669
GRIMM/GRIMM 1984, 16/ 2471 und ADELUNG 1801, 4/ 207 und NAUMANN 1822, 2/ 216
1670
SUOLAHTI 1909, 144
1671
FRIDERICH 1849, 199
1672
BECHSTEIN 1807, 3/ 421
282 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Zwergschnäpper (Muscicapa parva)


Der etwa laubsängergroße Zwergschnäpper ist rundlich und hat einen dicke-
ren Kopf. Er brütet in der borealen und gemäßigten Zone sowie in Gebirgs-
regionen von Ostmitteleuropa bis Kamtschatka, nach Norden etwa bis zum
Polarkreis, nach Süden bis zum Beginn der Steppen. Für Deutschland gibt es
etliche Brutnachweise, die nach Westen hin aber immer weniger werden. Der
Zwergschnäpper brütet gerne in schattigen und ziemlich dunklen Laub- und
Mischwäldern. Vor allem im Osten begnügt er sich aber auch in mit dunklen
Nadelwäldern. Die Nahrung besteht aus fliegenden Insekten, aber auch abge-
lesenen Larven. Im Spätjahr nimmt er auch kleine Beeren. Der Vogel ist ein
Langstreckenzieher, der in Süd- und Südostasien überwintert.1673
Zwergfliegenfänger: Der Name „Zwergfliegenfänger“ für Muscicapa parva
ist nach STRESEMANN ein Kunstname, der von BREHM stammt.1674 Der
orangerotkehlige Zwergschnäpper mit 11–12 cm Länge der kleinste dieser
Vogelgruppe. Er hat eine mitunter kräftige Stimme mit schönem Gesang.
Kleiner Fliegenfänger: Unter diesem Namen führte BECHSTEIN den
Zwergschnäpper, den er 1792 beschrieben hatte ( Muscicapa parva, mihi), in
seinen Werken von 1795 bis 1807. NAUMANN übernahm den Namen als
Leitnamen ( Muscicapa parva, Bechst.).1675
Kleiner Fliegenschnäpper, Kleiner Feigenfresser: NAUMANN hatte für
den Zwergschnäpper nur zwei Beinamen. Außer „Kleiner Fliegenschnäpper“,
der in der Vornaumannzeit nur selten zu lesen war, war es der „Kleine Feigen-
fresser“. Diese (letztere) Bezeichnung scheint analog zu den anderen „Fei-
genfressern“ von NAUMANN gebildet worden zu sein, obwohl der Zwerg-
schnäpper mit Feigen oder Insekten auf diesen Früchten überhaupt nichts zu
tun hat.1676

Trauer- und Halsbandschnäpper


Sie haben wegen ihrer großen Ähnlichkeit das Schicksal gehabt, oft mit einan-
der verwechselt oder für eine einzige Art gehalten zu werden. C. L. BREHM
führte als Beispiele LINNÉ an, der beide Vögel Muscicapa atricapilla nannte,

1673
BEZZEL 1993, 410f
1674
STRESEMANN 1941, 83 und BREHM 1866, 3/ 737
1675
BECHSTEIN z. B. 1807, 3/ 442 und NAUMANN 1822, 2/ 241
1676
NAUMANN 1822, 2/ 241
PASSERES – SINGVÖGEL 283

oder BECHSTEIN und WOLF, die den Halsbandschnäpper nicht zwingend


als eigene Art sahen.1677

Trauerschnäpper (Ficedula hypoleuca)


„Dieser Fliegenfänger hatte das Schicksal, früherhin mit dem folgenden [Hals-
bandschnäpper] verwechselt und beide für eine Art gehalten zu werden.“1678
BUFFON meinte, es könne „nach den verschiedenen Jahreszeiten vier ver-
schiedene Kleider“ für den männlichen Trauerschnäpper geben und bezog
den damals noch nicht beschriebenen Halsbandschnäpper mit ein: „Das eine,
welches das Herbst- oder Winterkleid, ist kaum oder gar nicht von dem bey
dem Weibchen unterschieden, welches diesen Farbenveränderungen nicht
unterworfen ist.“
„In dem zweyten Zustande, wenn diese Vögel nach der Provence oder in Ita-
lien kommen, sind die Federn des Männchens ganz der dunkelgrauen Gras-
mücke gleich.“
„Das dritte Gewand ist das, was er einige Zeit nach seiner Ankunft in unse-
rem Lande annimmt, und was man eigentlich sein Frühlingskleid nennen
kann.“ BUFFON beschrieb, dass er einen solchen Vogel „dieses Frühjahr“
einige Tage gefüttert habe. „Jeder bewunderte ihn, ob ihm gleich einer seiner
schönsten Zierden (der[!] Halsband) fehlte. Alles weiße, was er hat, ist das
schönste weiß, und das schwarze, was er hat, ist das schönste schwarz.“
Das Frühlingskleid ist „gleichsam die Schattirung, wodurch er zum vierten,
welches das Sommerkleid ist, übergeht, und welches man mit Recht sein
Hochzeitskleid nennen kann, weil er es nur erst annimmt, wenn er sich paart
und sogleich nach der Heckzeit verliert; der Vogel ist dann in seiner ganzen
Schönheit. Ein weißer Halsband, drey Linien hoch, geht um seinen Hals, der
so wie sein Kopf das schönste Schwarz hat, die Stirn und das Gesicht aus-
genommen, die ein sehr schönes Weiß haben … aber diese Schönheiten ver-
schwinden vom Anfang des Julius an; die Farben werden schwach und braun,
zuerst vergeht der Halsband, und der ganze übrige Theil verliert bald seinen
Glanz und wechselt die Farben: der männliche Vogel ist dann völlig unkennt-
lich, er verliert seine schönen Federn in den ersten Tagen des Julius“.1679
Trauerfliegenfänger: Dieser Kunstname stammt von C. L. BREHM. Die
Männchen sind im Prachtkleid schwarzweiß. Die schwarze Oberseite, durch

1677
C. L. BREHM 1821, 2/ 377f
1678
NAUMANN 1822, 2/ 231
1679
BUFFON/OTTO 1788, 14/ 19
284 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

die sich der Vogel von den anderen Schnäppern unterscheidet, führte zum
„Trauer-“ im Namen. Nach dem „Trauerfliegenfänger“ entstand die Bezeich-
nung „Trauerfliegenschnäpper“, die man heute noch hören kann. Ab 1932
begannen DATHE und andere, die daraus entstandene Kurzform „Trauer-
schnäpper“ zu verwenden.1680
„Fliegenschnäpper sind Ansitzjäger. Hoch oben auf dem Dachfirst beobach-
ten sie den ‚Luftraum‘. Plötzlich erheben sie sich einige Meter senkrecht in die
Luft, bleiben für einen Augenblick mit den Fügeln rüttelnd stehen, schnap-
pen hörbar mit den beiden Hälften des langen, spitzen Schnabels und kehren
wieder zum Ruhepunkt ihrer Aussichtswarte zurück.“1681
Gemeiner Fliegenschnäpper, Gemeiner Fliegenschnapper, Gemeiner Flie-
genfänger: Der Trauerschnäpper war früher der „gemeinere“, der gewöhn-
lichere der beiden bekannten europäischen Fliegenschnäpper: „Der schwarz-
plattigte Fliegenschnäpper ist die zwote unter den beyden Arten der Euro-
päischen Fliegenschnäpper“. Die erste Art nannte OTTO „Grauer gestreifter
Fliegenschnäpper“.1682
Schwarzplattiger Fliegenfänger, Schwarzplattiger Fliegenschnapper,
Schwarzplattigter Fliegenschnäpper, Schwarzrückiger Fliegenschnäp-
per, Schwarzrückiger Fliegenschnapper, Bunter Fliegenfänger, Bunter
Fliegenschnapper, Bunter Fliegenschnäpper, Scheckiger Fliegenfänger,
Scheckiger Fliegenschnapper, Scheckiger Fliegenschnäpper, Schwarzer
Fliegenschnäpper: Wie beim Grauschnäpper entsprechen sich bei diesem Vo-
gel „-schnäpper (-schnapper)“ und „-fänger“. „Fliegenfänger“, „-schnäpper“,
„-schnapper“ erbeuten ihre Nahrung aus der Ansitzjagd, wie schon geschildert.
Der Vogel „hat keine anderen Farben als schwarz und weiß mit wohlgezeich-
neten Platten und Flecken.“ Eine „Platte“ ist eine relativ große Gefiederflä-
che, wie z. B. der Rücken: Der Trauerschnäpper ist „schwarzplattig, „schwarz-
rückig“. Bei OTTO hieß schwarzplattig „schwarzplattigt“.1683
Von hinten und beim Wegfliegen wirkt der Vogel schwarz. „Bunt“ waren
auch schwarze und weiße Gefiederfarben. Die Verteilung von Schwarz und
Weiß an Ober- und Unterseite, an der Stirn und im Flügel-Schwanzbereich
hat man Scheckung genannt.

1680
C. L. BREHM 1831, 225 und DATHE 1964
1681
SCHWERDT 2003, 36
1682
BUFFON/OTTO 1788, 14/ 17 + 10
1683
BUFFON/OTTO 1788, 14/ 17f
PASSERES – SINGVÖGEL 285

Schwarzer Fliegenstecher: Den Namen „Fliegenstecher“ führten verschiede-


ne kleine „Sangvögel, die den Mücken, Fliegen und andern kleinen Insecten
im Grase nachstellen.“1684
Lothringischer Fliegenschnäpper, Lothringischer Fliegenschnapper,
Lothringischer Fliegenfänger: „Man hat ihn auch den Lothringischen Flie-
genschnäpper genannt, und man kann diese Benennung mit Recht zu der
erstern hinzufügen, da er in dieser Provinz zum erstenmal recht gesehen und
gut beschrieben ist, wo er auch bekannter und wahrscheinlich häufiger ist.“ –
„Dieser Vogel kömmt gegen Mitte des Aprils in Lothringen.“1685
Die letzten beiden Namen („Lothringischer Fliegenschnapper“, „Lothringi-
scher Fliegenfänger“) sind von OTTOS Bezeichnung abgeleitete Kunstna-
men, die von BECHSTEIN und NAUMANN stammen.1686
Schwarzgrauer Fliegenfänger, Schwarzrückiger Fliegenfänger, Grau-
rückigen Fliegenfänger: Unter dem ersten Namen wurde der Trauerschnäp-
per bei NAUMANN und bei NAUMANN/HENNICKE behandelt.1687 Den
zweiten benutzte BECHSTEIN als Leitnamen, später auch C. L. BREHM,
der aber noch einen „Graurückigen Fliegenfänger“ anbot.1688
In Mittel- und Osteuropa kann das männliche Prachtkleid oberseits auch
schwärzlich oder dunkel braungrau sein.1689
Brauner Fliegenfänger, Brauner Fliegenschnapper, Brauner Fliegen-
schnäpper, Braunellchen: Die Weibchen haben ein braunweißes Gefieder,
einen braungefärbten Rücken und keinen weißen Stirnfleck.
Die Namen könnten aber auch Männchen im Schlichtkleid bedeuten.
Mohrenköpfchen: Diese Bezeichnung meint die schwarze Kopfoberseite des
Männchens.
Feigenfresser, Gemeiner Feigenfresser, Beccafige, Beckfige: In Italien hal-
ten sich Singvögel verschiedener Arten, darunter auch der Trauerschnäpper,
auf ihrem Herbstzug gerne in Gärten mit Feigenbäumen und Weinstöcken
auf. Sie sollen sich von den Früchten ernähren und dadurch so außerordent-
lich schmackhaft werden, „daß sie die vorzüglichsten Leckerbissen auf den Ta-
feln bilden … Man hat gebratene Spanferkel mit diesen Vögeln gefüllt auf die

1684
KRÜNITZ 1773, 19/ 776
1685
BUFFON/OTTO 1788, 22
1686
BECHSTEIN z. B.1802, 157 und NAUMANN 1822, 2/ 231
1687
NAUMANN 1822, 2/ 231 und NAUMANN/HENNICKE 1901, 4/ 163
1688
BECHSTEIN 1795, 499 + 1802, 156 + 1807, 3/431 und C. L. BREHM 1831, 224 + 226
1689
SVENSSON et.al. 2011, 340
286 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Tafeln gebracht.“1690 Durch einen alten Volksglauben, dass sich nämlich Gar-
tengrasmücken und Trauerschnäpper durch Mausern ineinander verwandeln
könnten, erhielten (vor allem) diese beiden Vögel den Namen „Feigenfresser“.
„Dieser und der vorhergehende Fliegenfänger [der Halsbandschnäpper] wa-
ren den Alten als vorzügliche Leckerspeise bekannt und Apicius gedenkt ihrer
schon unter den delikatesten Vögeln. Dass aber diese Vögel ihren vortreffli-
chen Geschmack von den Feigen und Weinbeeren bekommen, ist nicht wahr,
indem sie solche nicht fressen, sondern nur die Insekten, die sich auf diesen
süssen Früchten aufhalten, verzehren.“1691
Beccafico bedeutet in Italien noch heute „Feigenfresser“.
Siehe dazu Ausführlicheres bei der Gartengrasmücke.
Kleiner Fliegenfänger, Kleiner Fliegenschnapper, Kleiner Fliegenschnäp-
per: Der Trauerschnäpper ist mit 12–13,5 cm Länge etwas kleiner als der
Grauschnäpper mit 13,5–15 cm.
Schwarzscheckiger schmätzender Fliegenvogel, Weißscheckiger schmät-
zender Fliegenvogel: Beide Namen hat NAUMANN aus ZORNS langer
Benennung „Schwarz- und weiß-scheckigter schmätzender Fliegen-Vogel“ ge-
macht. „Sein Nest verräth er durch sein kläglich schreyen, welches fast lautet,
wie das Pipen der Jungen Tauben, unter welchen er doch immer schmätzet.
Sonst hat er keinen Gesang.“1692
Brauner Fliegenschnäpper mit einem weißen Flügelfleck: „Man kann das
Weiblein abgebildet sehen bey Herrn Frischen, auf der II. Haubt-Art V. Ab-
theilung 11. Platte, unter dem Nahmen: der braune Fliegen-Schnäpper, mit
einem weisen Flügel-Flecken, Curruca fusca, alba macula in alis. Es ist aber
ein Irrthum, wann man das Weiblein für eine besondere Art hält, welches
auch der Verfasser [Pernau] der angenehmen Land-Lust gethan.“1693
Braune Curruce mit weißem Flügelfleck: BECHSTEIN konstruierte diesen
Namen aus ZORNS langer Bezeichnung, verwendete aber „Curruke“, was
NAUMANN in „Curruce“ änderte. In der Zeit von FRISCH und ZORN
(um 1740) ordnete man die Fliegenschnäpper zu den Grasmücken.1694

1690
OKEN 1837, 285
1691
MEYER/WOLF 1822, 76
1692
NAUMANN 1822, 2/ 231 und ZORN 1743, 383 + 364
1693
ZORN 1743, 385
1694
BECHSTEIN 1807, 5/ 431 und NAUMANN 1822, 2/ 231
PASSERES – SINGVÖGEL 287

Schwarze Grasmücke mit bunten Flügeln: Durch Bearbeitung des vorigen


Vogelnamens („Braune Curruke mit weißem Flügelfleck“) gelangte BECH-
STEIN zu diesem Kunstnamen.1695
Totenvogel, Trauervogel: Das vorherrschende Schwarz-Weiß im Gefieder ist
eine Ursache der Namen. Es braucht dann nur noch der Zufall es wollen, dass
geschieht, was HEUSSLIN, der Übersetzer von GESSNERS Historia avium
von 1555, schrieb: „villicht darumb/ daß er zü zeyt der pestilentz nach bey
der statt gesähen wirt.“1696
Todtenköpfchen: „Bey jüngeren Männchen siehet man fast gar nichts hell-
weißes auf der Stirn; bey älteren ist es bisweilen ein Flecken, bisweilen zwey,
die in der Mitte durch einen schwarzen Strich getheilt sind … und dann
einige Aehnlichkeit mit gemahlten, oder auf Husarenmützen gestickten Tod-
tenköpfen haben. Man nennt diesen Vogel deshalb bey uns das Todtenköpf-
chen.“1697
Lochfink, Lockfink: Vor allem weibliche höhlenbrütende Trauerschnäpper
hat man „Lochfink“ genannt, von welchem Begriff „Lockfink“ stammt.1698
Kleiner Holzfink: OTTO übersetzte BUFFONS „Motacilla Ficedula“ mit
„Kleiner Holzbuchfink“. Auch dieser weiblichen Vögeln gegebene Name be-
zieht sich auf Nisthöhlen.1699
Meerschwarzplättchen, Meerschwarzblättchen, Meerschwarzblattl: Mit
diesen Namen meinte man Trauerschnäpper, die auf ihrem Zug in den Süden
„irgendwoher“ aus dem Norden kamen. „Man wußte von vielen nur – tiergeo-
graphische Erfahrungen hatte man noch nicht in genügendem Maße –, daß
sie von Norden, d. h. übers Meer oder wenigstens vom Meere [Norden] her-
kamen und brachte dies mit dem Bestimmungswort Meer zum Ausdruck.“1700
Kleine Grasmücke, Weißling: Diese Namen weiblicher Trauerschnäpper, die
man Ende des 18. Jahrhunderts noch zu den Grasmücken geordnet hatte,
entstanden aus der Ähnlichkeit mit der etwas größeren Gartengrasmücke,
die man beide als Feigenfresser bezeichnete. „Weißling“ bezieht sich auf die
hellere Unterseite des weiblichen Trauerschnäppers, die die Gartengrasmücke
nicht hat.

1695
BECHSTEIN 1802, 156
1696
Zitat aus HOFFMANN 1937, 85
1697
OTTO in: BUFFON/OTTO 1788, 14/ 28
1698
NAUMANN 1822, 2/ 231
1699
BUFFON/OTTO 1788, 14/ 19
1700
HOFFMANN 1937, 74
288 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Baumschwalbl, Baumschwälbchen, Schwalbengrasmücke: Der Flug dieser


Waldvögel ist schnell und gewandt. Sie nehmen fliegend Kerfe von den Blät-
tern auf.1701
„Er hat einen schnellen Flug und durchschneidet die Luft auf weite Strecken
in flachen Bogen oder in einer Schlangenlinie.“1702
Während der erste Name schon im 18. Jahrhundert zu finden ist, stammen
die letzten beiden aus der Zeit von BREHM oder sind von ihm (s. Kleine
Grasmücke).
Wüstling weibl+juv.: Haus- und Gartenrotschwanz wurden Wüstling ge-
nannt. Gedeutet wurde der Name einmal über eine slawische Bezeichnung,
zum zweiten mit dem Ursprung aus „whistling“, was englisch „pfeifend“ be-
deutet. Die erste Möglichkeit entfällt, weil auch Männchen einbezogen wer-
den müssten. Die zweite Möglichkeit könnte passen, wenn man sich auf die
Jungvögel beschränkt. „Wüstling“ könnte damit über die Stimme der Jung-
vögel erklärt werden.
Waldschäck, Gartenschäck: Der Trauerschnäpper ist ein Waldvogel, der auf-
gelockerte Laub- und Mischwälder bevorzugt, aber auch in baumbestandenen
Gärten und Parkanlagen zu finden ist.1703 Die Namen bedeuten „gescheckter
Wald- bzw. Gartenvogel“. In der Neuauflage des NAUMANN werden beide
Begriffe mit „e“ geschrieben (-scheck).1704
Distelfink: 1795 beschrieb BECHSTEIN einen „Schwarzrückigen Fliegen-
fänger – Muscicapa atricapilla Lin.“ (Verweis auf FRISCH-Tafel 24) und da-
neben einen „Schwarzgrauen Fliegenfänger – Muscicapa muscipeta mihi“ (Ver-
weis auf FRISCH-Tafel 22), den er mit einem Beinamen „Distelfink“ nannte,
ohne diesen zu begründen. Diese Gliederung behielt BECHSTEIN in seiner
Ausgabe von 1807 bei. Dazu schrieb NAUMANN, dass BECHSTEIN junge
und alte Vögel im Herbstkleid für spezifisch verschieden von den Frühlings-
vögeln gehalten habe. Seine „Muscicapa muscipeta“ sei von „M. atricapilla“
nur nach Alter, Jahreszeit und Geschlecht verschieden, nicht aber als Art. Den
„Distelfink“ hat NAUMANN aber übernommen, allerdings nur für Weib-
chen und Jungvögel – und auch ohne Deutung.1705

1701
BREHM 1879, 5/ 521
1702
NAUMANN 1822, 2/ 231
1703
GLUTZ VON BLOTZHEIM/BAUER 1993, 13/ 212
1704
NAUMANN/HENNICKE 1901, 4/ 163
1705
BECHSTEIN 1795, 499 + 502 bis 1807, 431 + 435 und NAUMANN 1822, 2/ 231
PASSERES – SINGVÖGEL 289

Rothauge: „Rothauge“ erschien erst 1807 bei BECHSTEIN für seine „Mu-
scicapa muscipeta“, NAUMANN übernahm und bezog ihn ebenfalls auf
Weibchen und Jungvögel – und auch hier ohne Deutung.
Dornfink: Dieser Begriff wurde als „Loch- oder Dornfink“ bei J. A. NAU-
MANN gefunden, von dem er zu BECHSTEIN in sein Ornithologisches Ta-
schenbuch von 1802 gelangte, ebenfalls als „Loch- oder Dornfink“ – und ge-
nauso steht es bei NAUMANN. In allen Fällen wurden die Namen gekoppelt
transportiert.1706 „Lochfink“ ist für den Höhlenbrüter einfach zu deuten. Der
„Dornfink“ sucht im Gestrüpp nach Insekten.

Halsbandschnäpper (Ficedula albicollis)


Diese Vögel jagen auf ihrem Herbstzug in Italien einige Tage in Gärten, Wein-
bergen und Büschen nach Insekten. Dabei untersuchen sie auch Nester an-
derer Vögel nach Nahrung. „Deßhalb heißen sie Baliae (Ammen), weil es das
Aussehen hat, als wenn sie sich der Nesthocker annähmen.“ Der Vogel sei
in Deutschland selten, komme aber bis an das Kap der guten Hoffnung vor
„und in China, wenigstens nach chinesischen Gemälden.“1707
Halsbandfliegenfänger, Kragenschnäpper: Die Ähnlichkeit mit dem
Trauerschnäpper ist groß. Kennzeichen des Halsbandschnäppers ist das breite
weiße Nackenband („Kragen“) bei den Männchen, das die schwarze Obersei-
te durchtrennt. Der Bürzel ist hellgrau oder weiß.1708 Als „Kragenschnäpper“
hatte OKEN den Vogel bezeichnet.1709
Ähnlich dem Trauerschnäpper steigt der Vogel von einer nicht sehr hohen
Warte plötzlich auf, um ein Insekt zu fangen, nach ihm zu schnappen. Er
kehrt danach wieder direkt oder über einen Umweg zu seiner Warte zurück.
Weißhalsiger Fliegenfänger, Fliegenfänger mit dem Halsbande: „Weißhal-
siger Fliegenfänger“ war NAUMANNS Leitname.1710 Das weiße Halsband
ist auffällig breit und immer vollständig. Das unterscheidet ihn vom Halb-
ringschnäpper mit nur etwas über einem halben weißen Ring und von einem
Hybrid mit dem Trauerschnäpper, der eine schwarze Nackenbrücke hat.
Schwarzköpfiger Fliegenfänger: Das deutlich weiße Halsband lässt den
schwarzen Kopf als eine sich abhebende schwarze Kappe erscheinen.

1706
J. A. NAUMANN 1797, 1/ 201 und BECHSTEIN 1802, 157 und NAUMANN 1822, 2/ 231
1707
OKEN 1837, 72
1708
SVENSSON et. al. 2011, 340
1709
OKEN 1837, 72
1710
NAUMANN 1822, 2/ 224
290 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Grauer Fliegenschnäpper mit zwei weißen Flügelflecken: Diesen langen


Namen findet man nur bei NAUMANN, der auch die Begründung lieferte.
Die Männchen im Prachtkleid sind kontrastreich schwarz-weiß gefärbt. „Das
Herbstgewand des Männchens, das es im Spätsommer anlegt und worin es
fortzieht“ ist deutlich anders. „Alle oberen Teile des Vogels sind schwärzlich-
grau, auf dem Unterrücken am lichtesten und im Nacken, wo das Halsband
sein sollte, bloß nur mit einem weißlichen Schein.“
Auf dem schwarzen Flügel sind zwei weiße Flecken: ein großer und am Flü-
gelrand ein kleinerer, der im Verhältnis zu dem im Jugendkleid relativ groß
erscheint.1711

Steinrötel (Monticola saxatilis)


„Es scheint, nur sein Mißtrauen mache ihn wild, und die Bekanntschaft mit
allen den Gefahren, die die Nachbarschaft der Menschen mit sich bringt.
Doch ist diese Nachbarschaft ihm weniger gefährlich, wie vielen andern Vö-
geln, höchstens läuft seine Freiheit Gefahr; denn da er von Natur gut singt,
überdies gelehrig ist, noch besser singen zu lernen, so sucht man ihn, unge-
achtet er auch ein gutes Essen abgiebt, nicht sowohl zur Speise, als vielmehr,
um sich an seinem Gesange vergnügen zu können, der sanft und abwechselnd
ist, viele Aehnlichkeit mit dem Gesange der Grasmücke hat. Er ist überdies
bald im Stande, den Ton andrer Vögel, und selbst unsrer Musik sich zu eigen
zu machen.“1712
Steinröthel: Am auffälligsten am Prachtkleid sind der graublaue Kopf, Hals
und Vorderrücken. Die Namensgebung erfolgte aber nach dem rostorangenen
Schwanz und der ebenso gefärbten Unterseite. Der Steinrötel ist ein Bergvo-
gel und brütet in Gebieten mit sonnenexponierten Felsen oder Geröllhängen
mit schattigen Plätzen und hohem Anteil an kurzrasiger Vegetation.1713
Der Name ist alt und war schon zu Zeiten von Hans SACHS (1531, V. 87)
bekannt, der von dem „Stainrötlein“ schrieb.1714

Steinamsel, Steindrossel, Steinmerle:


a) Steinamsel: „Le petit Merle de roche“ war BUFFONS Hauptname. OTTO
machte daraus die „Steinamsel“.1715. „Der Name, dem man diesem Vogel ge-

1711
NAUMANN 1822, 2/ 224
1712
BUFFON/OTTO 1780, 9/ 90
1713
BEZZEL 1985, 218
1714
SUOLAHTI 1909, 49
1715
BUFFON/OTTO 1790, 9/ 87
PASSERES – SINGVÖGEL 291

geben hat, giebt sattsam zu erkennen, an was für Orten man ihn suchen muß;
er wohnt auf Felsen und Bergen, man trifft ihn auf den bugenischen Gebir-
gen, und in den ödesten Gegenden an.“
b) Steindrossel: Zu BECHSTEINS und NAUMANNS Zeiten ordnetet man
den Steinrötel zu den Drosseln. Der Vogel hatte bei ihnen den Namen „Tur-
dus saxatilis“. Bei BECHSTEIN hieß der Vogel in allen Ausgaben „Steindros-
sel“.1716 Der Ausdruck ist nach C. L. BREHM ein Kunstname.1717 Ihm wird
„Steintrostel“ zu grunde gelegen haben, ein Begriff, der schon bei GESSNER
bezeugt ist.1718
c) Steinmerle: NAUMANN wählte „Steinmerle“ als deutschen Hauptnamen,
ein Name, den man schon 1773 bei MÜLLER und anderen Autoren des aus-
gehenden 18. Jahrhundert findet. Er ist nichts anderes als eine Abänderung
von Stein„amsel“.1719
Nach ADELUNG ist eine Amsel eine Art schwarzer Drosseln, welche einen
gelben Schnabel hat „und pfeifen lernet“. „Es gibt verschiedene Arten der-
selben; viele aber werden im gemeinen Leben irrig zu den Amseln gezählet,
und alsdann wird die wahre Amsel auch Schwarzamsel genannt. Im Ober-
deutschen heißt dieser Vogel nach dem Latein. auch Merl.“1720
So festgelegt wie ADELUNG war GESSNER noch nicht. Zu seinem Genus
„merula“ gehörten außer Amsel und Ringdrossel auch Steinrötel und Blau-
merle. Das macht die Namenswahl („Steinamsel“) von BUFFON verständ-
lich.1721
Gebirgsamsel, Hochamsel: Der Steinrötel brütet auf hochgelegenen Matten
oder an steilen, felsigen Hängen, fast stets in Höhen über 1500 m.1722 Laut
BEAMAN/MADGE ist der Vogel in den Gebirgen Mittel- und Südeuropas
gebietsweise häufig. Er hält sich oft in der Nähe von Gebäuden und Hoch-
gebirgsdörfern auf. In Deutschland ist der Steinrötel inzwischen ein sehr sel-
tener, unregelmäßiger Brutvogel in den Bayerischen Alpen.1723
Großer Rothschwanz, Großes Rothschwänzel, Großes Rothschwänzchen,
Rothbäuchiger Steinschmätzer: Die Namen weisen einmal auf die Gefieder-
färbung hin und stellen andererseits eine Verbindung zu den Rotschwänzen

1716
BECHSTEIN 1807, 3/ 386
1717
C. L. BREHM 1824, 1017
1718
SPRINGER 2007, 319
1719
NAUMANN 1822, 2/ 348 und MÜLLER 1773, 534
1720
ADELUNG 1793, 1/ 2117
1721
SPRINGER 2007, 319
1722
SVENSSON/GRANT/MULLARNEY/ZETTERSTRÖM 1999, 272
1723
BEAMAN/MADGE 1998, 620
292 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

her, von denen der Steinrötel der größte ist. „Rotbäuchiger Steinschmätzer“
ist ein Kunstname NAUMANNS.1724
Blauköpfige rothe Amsel: „Blauköpfige Rothe Amsel“ war der Name, den
FRISCH dem Vogel gab.1725
Großer Rothwüstling: „Wüstling“ ist ein Name des Gartenrotschwanzes. Zu
„Großer Roth-Wüstlich“ schrieb FRISCH: „Das ist, das grosse Rothschwänz-
gen oder Rothkehlgen, wegen der Geberden desselben, die mit dem kleinen
Rothschwänzlein gleich sind.“1726
Unglücksvogel, Kleiner Unglücksvogel: Nach BUFFON/OTTO benann-
ten die Schweden „unsere Steinamsel“ als „Olyksfogel“ (Unglücksvogel): „Er
scheint ganz andre Sitten zu haben; denn Linné schildert ihn, als verwegen
und gefräßig, und einen Vogel, der statt die Menschen zu fliehen, ihnen wohl
gar das Fleisch vom Tische wegnimmt.“ OTTO setzt dem hinzu: „Dieses sagt
Linné doch eigentlich von dem Unglücksvogel (…, Lanius infaustus L.) des-
sen beigesetzte Namen und Schriftstellen sich freilich auch auf die Steinamsel
beziehen. Diesen Unglücksvogel [-häher] oder dreizehnte Drossel des Brisson
hält Hr. v. Büffon doch für einerlei Vogel mit der Steinamsel.“1727 Der „Kleine
Unglücksvogel“, der Steinrötel, ist deutlich kleiner als der Unglückshäher.
BECHSTEIN hielt den „Unglücksvogel, Lanius infaustus“, für das junge
Männchen des Steinrötels. „Von diesem Vogel wird gewöhnlich das jüngere
Männchen unter dem Namen Unglücksvogel ( Lanius infaustus Lin. 13te Aus-
gabe) beschrieben, und das Weibchen nur hier [13. Ausg.] unter dem Namen
Steinamsel.“1728
Steinreitling: Man findet „Steinreitling“, aus „Steinrötling“ entstanden, 1795
unter den Trivialnamen in der 1. Auflage BECHSTEINS, allerdings auch
nicht vorher.1729
Slegur: Bei BECHSTEIN ist „Slegur“ schon seit der ersten Auflage ein Name
des Steinrötels, NAUMANN übernahm ihn aber – wohl fälschlich – für die
Blaumerle. „Slegur“ ist noch heute die slowenische Bezeichnung für den
Steinrötel. Er könnte soviel wie „Gebirgsvogel“ bedeuten. Mehr konnte nicht
ermittelt werden. Der bei NAUMANN/HENNICKE unter „Blaumerle“ ste-
hende „Stegur“ ist falsch.1730

1724
NAUMANNS 1822, 2/ 348
1725
FRISCH 1763, T. 32
1726
FRISCH 1763, T. 32
1727
BUFFON/OTTO 1780, 9/ 88
1728
BECHSTEIN 1795, 227
1729
BECHSTEINS 1795, 230
1730
AVIBASE (Steinrötel) 2012 und NAUMANN/HENNICKE 1897, 2/ 130
PASSERES – SINGVÖGEL 293

Blaumerle (Monticola solitarius)


Im Jahre 1557 schrieb Conrad GESSNER: „Von dem Blawvogel, Coeruleus
… Diser Vogel Cyanus genennt/ hasset von Natur den menschen/ fleücht
derhalben alle versammlungen der selbigen/ auch alle wildinen [einsame Ge-
biete] darinn menschen wonend: hat lieb die einöden ort/ und höhen gibel
der bergen. Epirum und andere Insslen [in Griechenland] so behauset wer-
dend/ hasset er: liebet dagegen Scyrum/ und andere dergleychen einöde und
unfruchtbare ort/ als Elianus schreybt. Aristoteles schreibt/ dass diser vogel
yetz von Griechen Petrocossypho genennt werd/ das ist Steinamsel. Er ist aber
kleiner dann die Amsel/ gantz blaw/ und kostlich/ also daz er umb seinen
gesangs willen in ein kefe verschlossen wird. Er hat der Amsel stimm.“1731
Blaumerle: Der deutsche Name „Blaumerle“ hat sich erst durchgesetzt, als
NAUMANN seine „Turdus cyanus“ „Blaumerle“ nannte.1732 Vorher erschien
der Name als „Merle bleu“ um 1760 bei BRISSON. MÜLLER (1773) u. a.
machten daraus eine „Blaue Merle“. Bis dahin waren „Blauvogel“ und ähn-
liche Namen üblich.1733
Das Männchen ist dunkelblaugrau mit dunklen Flügeln, das Weibchen dun-
kelbraun mit gebänderter Unterseite.1734
Blauvogel: Der Name ist bereits als „blaifögeli“ aus dem 15. Jahrhundert
bekannt. „Der vogel welchen von der blawen farb die Teütschen Blawvogel
nennend …“1735
Blauamsel, Blaue Drossel, Blaudrossel, Blauziemer, Kleiner Blauziemer:
GESSNER hielt die Blaumerle zum Geschlecht der Amseln gehörig. Daraus
würden sich die Namen ergeben, die das Gefieder oder den Lebensraum be-
treffen.1736 Ein solcher Name, „Blaue Amsel“, war weit verbreitet. Zu einem
Begriff zusammengezogen findet man ihn in „Blauamsel“ (für die Blaumerle)
bei NAUMANN, auf den auch die „Blaumerle“ zurückgeht.1737
Wie beim Steinrötel wurden die Begriffe „-amsel“ und „-drossel“ auch für die
Blaumerle gleichberechtigt behandelt. Auf die Unterscheidungen im Franzö-
sischen mit „merle“ (für Amsel) und „grive“ (für Drossel) sei hier aber hinge-

1731
STUDER/FATIO 1911, 1247
1732
NAUMANN 1822, 2/ 341
1733
DONNDORF 1795, 2/ 313
1734
SVENSSON/GRANT/MULLARNEY/ZETTERSTRÖM 1999, 272
1735
SUOLAHTI 1909, 49 und GESSNER 1557 in: STUDER/FATIO 1911, 1247
1736
SPRINGER 2007, 323
1737
NAUMANN 1822, 2/ 341
294 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

wiesen. So stammt „Blaue Drossel“ von C. L. BREHM. Diesen Begriff findet


man zu „Blaudrossel“ verkürzt erstmals bei OKEN.1738
„Ziemer“ ist ein anderes Wort für „Drossel“. Auch den Begriff „Blauziemer“
(für die Blaumerle) kann man wahrscheinlich NAUMANN zuschreiben. Die
Blaumerle ist ein „Kleiner“ Blauziemer und die nur wenig größere Wachol-
derdrossel (wegen des graublauen Kopf- und Rückengefieders) der „Große“
Blauziemer. „Blauziemer“ wurde neben „Großer Blauziemer“ auch für die
Wacholderdrossel verwendet.
Gebirgsamsel, Blaue Steindrossel: „Er hält sich nur auf hohen Gebirgen auf,
wo es schroffe Felsenwände und kahle Klippen giebt, liebt besonders hochge-
legene alte Ruinen, auch Kirchtürme und Schlösser in Hochgelegenen Berg-
dörfern … Er bewohnt nicht die eigentlichen Hochgebirge, sondern nur die
mittlere Region derselben und die Seite steiler Berge und Felsen, die gegen
Mittag liegt.“1739
Früher hat man die Blaumerle oft mit dem Steinrötel verwechselt oder sie für
eine Art gehalten, was zu gemeinsamen Trivialnamen führte. Dazu schrieb
K. SPRINGER in ihrer Dissertation über GESSNER: „Es tritt stellenweise
Verwechslung von Steinrötel und Blaumerle auf, verständlich, lassen doch
beide lieblichen Gesang vernehmen, halten sich auf Felsen auf, sind beide
sehr begehrt und daher für den Markt wertvoll, und leben schließlich einzel-
gängerisch ‚solitarius‘.“1740
„Allein von den nahegelegenen Bergen schallt ein melodischer Flötenton he-
rüber, der von einem seltenern Vogel, der Berg- oder Steinamsel herkommt.
Ihr Gesang ist schmachtend und höchst lieblich; darum nennen sie auch die
Türken die Gebirgsnachtigall. In den größten Städten der Türkei hält man sie
häufig als Stubenvögel, und bezahlt oft eine mit hundert Piaster.“1741
Einsame Drossel, Blauer Einsiedler, Einsiedler: Der wissenschaftliche
Name der Blaumerle ist „Monticola solitarius“, was „einsamer, ungeselliger
Bergbewohner“ heißt.1742 „Er nistet um den Lacus Larius (Comer See) in
buschbewachsenen Felsen. Und er lebt einsam, nicht zusammen mit anderen
Vögeln, daher sein Name. Dies ist nicht erstaunlich, da er vom Geschlecht der
Amseln ist, welche davon den Namen haben, dass sie allein (‚merae‘) fliegen.

1738
C. L. BREHM 1823, 303 und OKEN 1843, 8
1739
NAUMANN 1822, 2/ 341
1740
SPRINGER 2007, 319
1741
Magazin von merkwürdigen Reisebeschreibungen, 1801, Band 24, 155
1742
WEMBER 2005, 130
PASSERES – SINGVÖGEL 295

Er kann auch genannt werden ein ‚SteinamselÄ oder ‚ein grawe Steinamsel‘,
schließlich ‚cyanus‘, ein ‚Blawe Steinamsel‘.“1743
Einsamer Sperling, Einsamer Spatz: GESSNER bezeichnete den Vogel
1585 (608,I) als „passer solitarius“, während er zu gleicher Zeit in Trient „me-
rulus solitarius“ genannt wurde.1744
Die Autorin SPRINGER fuhr fort: „Die Deutschen verwenden den latei-
nischen Namen ‚passer solitari‘, den sie zweifellos von den Italienern über-
nommen haben … Der einsame Spatz ist ein schwarzer Vogel, (graubraun),
kleiner als eine Amsel, gesangsfreudig und wird ‘solitarius‘ genannt, weil er
sich mit keinem der gleichen Art zusammenschart außer in der Brutzeit. Er
hält sich in Mauern auf, verbindet sich mit anderen Sperlingsvögeln (‚pass-
eres‘) und fliegt mit diesen zur Nahrung, diejenigen, die seiner Art (‚genus‘)
zugehören gänzlich verachtend, nach Albertus.“ (Wie Qu. 1744).
Tiefsinnige Drossel: Die junge Blaumerle „lernte innerhalb kurzer Zeit ver-
schiedene Stimmen von anderen Vögeln, mit denen sie zusammen war. Ihr
Gesang sei so vielfältig gewesen, dass diesem Geschlecht kein anderes gleich
kam. (…) ‚Wegen ihres Gesanges standen sie in hoher Wertschätzung und
wurden in Käfigen gehalten‘.“1745
NAUMANN, der bedauerte, nie eine Blaumerle gesehen zu haben und des-
halb auf das angewiesen gewesen zu sein, was ihm in Briefen mitgeteilt wor-
den war, schrieb über den Gesang dieses Vogels: „… aber der Gesang des
Männchens wird von jedem, der ihn hörte, für einen der schönsten Vogelge-
sänge gehalten. Er soll aus mehreren abwechselnden Strophen bestehen und
diese aus sehr sanften, flötenden, zum Teil melancholischen und schmelzen-
den Tönen zusammengesetzt sein.“1746 Auch SVENSSON betonte den sehr
melancholischen Klang.1747
Italienische Drossel: Die Blaumerle war in Südeuropa und den Inseln des
Mittelmeers seit langem bekannt. BUFFON hielt sie für die „Kleine Amsel
des Aristoteles“. Nach dem lateinischen Namen „Passer oder Turdus solitarius“
machten die Italiener daraus „Passera solitaria“, auch „Merulo solitario“. Die-
se Namen bildeten Vorlagen für eine Reihe deutscher Namen.1748

1743
SPRINGER 2007, 322, nach GESSNER
1744
SPRINGER 2007, 322
1745
SPRINGER 2007, 324
1746
NAUMANN 1822, 2/ 341
1747
SVENSSON/GRANT/MULLARNEY/ZETTERSTRÖM 1999, 272
1748
BUFFON/OTTO 1780, 9/ 115
296 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

„Diese Drossel ist, … , ein südlicher Gebirgsvogel, und wird … ziemlich häu-
fig in Oberitalien angetroffen.“1749
Manillische Drossel: „Manillische Drossel“ oder „Manillischer Krammets-
vogel“ waren Namen für die „Tiefsinnige Drossel“. „Das Weibchen ist im
Vergleich mit dem Männchen in einfarbiger Vogel; es hat weder Blaues noch
Orangefarbenes, und ist ganz bräunlich mit Flecken von dunklerm Braun
am Kopf, am Hals und an den untern Theilen, die ohnehin blässer sind als
die obern. Diese Drossel wurde von Sonnerat aus Manilla mitgebracht.“1750
Manilla (Manila) ist die Hauptstadt der Philippinen. MÜLLER hat 1776
eine philippinische Unterart der Blaumerle beschrieben, die heute den wis-
senschaftlichen Namen „Monticola solitarius philippensis“ trägt.1751 Pierre
Sonnerat (1748–1814) war ein französischer Naturwissenschaftler und Ent-
decker.1752
Hogamsel: „Hogamsel“ findet man vor allem für den Steinrötel. Das Wort
bedeutet soviel wie „Gebirgsamsel“.1753
Slegur: Beim Steinrötel steht zu diesem Namen: Bei BECHSTEIN ist „Sle-
gur“ schon seit der ersten Auflage (1795) ein Name des Steinrötels, NAU-
MANN übernahm ihn aber für die Blaumerle. „Slegur“ ist noch heute die slo-
wenische Bezeichnung für den Steinrötel.1754 Er könnte soviel wie „Gebirgs-
vogel“ bedeuten. Mehr konnte nicht ermittelt werden. Der bei NAUMANN/
HENNICKE stehende „Stegur“ für die Blaumerle ist falsch.

Braunkehlchen (Saxicola rubetra)


„Im Frühling ist das Männchen ein unermüdlicher Sänger. In die kurzen,
häufig etwas harten, aber recht abwechselnden Strophen wird spottend allerlei
Fremdes eingeflochten. Merkwürdigerweise hört man dabei auch Laute von
Vögeln, die in der Wiesenschmätzergegend nicht vorkommen. So erinnere ich
mich eines Männchens, das im weiten, baumlosen Sumpfgelände lebte und
einen Teil des Finkenschlages brachte … Wo mag das Tier sich den Finken-
schlag angeeignet haben? Daß diese Art aber auch da lernt, wo sie geboren
und aufgewachsen ist und wo sie brütet, geht daraus hervor, daß häufig die
Laute umliegender Sumpfvögel, wie Rotschenkel und Brachvogel, übernom-
men werden. In der gewöhnlich sonst recht eintönigen Örtlichkeit hat dieser

1749
FRIDERICH 1849, 237
1750
ALLG. REAL-WÖRTERBUCH 1802, B. 22, 617
1751
AVIBASE 2012
1752
http://de.wikipedia.org/wiki/Pierre_Sonnerat, Stand: 14.01.2011
1753
MEYER 1850, 992, Das grosse Conversations-Lexicon für die gebildeten Stände: Hog
1754
AVIBASE 2012
PASSERES – SINGVÖGEL 297

Gesang immer etwas Frisches und Belebendes und läßt sich manchmal bei
seiner Abgehacktheit geradezu in Worte kleiden. ‚Ich komm jetzt mit‘, rief da
immer einer ganz deutlich, den wir alljährlich an einem bestimmten Zaun an
der Wiese trafen.“1755
Braunkehlchen: Der Name stammt von MÜLLER, der Kehle und Brust
als „bräunlichtgelb“ beschrieb – nicht ganz richtig, denn Kehle und Brust
sind eher orangebeige bis „fuchsroth“ (s. u). Sonst ist die vorherrschende Ge-
fiederfarbe jedoch braun.1756 Nach WEMBER hat sich das Wort „Kehlchen“
verselbständigt und bezieht sich nicht auf die Kehle, sondern bedeutet hier
„brauner Vogel, der zur Gruppe der Kehlchen gehört“. Eine systematische
Gruppe der Kehlchen gibt es allerdings nicht. Man hat sie nur zur sprach-
lichen Vereinfachung geschaffen.1757
BECHSTEIN hatte schon 1795 bemängelt, dass der Name „Braunkehlchen“
existiere, er diesen aber nicht akzeptieren könne, weil der Name etwas Cha-
rakteristisches, wenigstens nicht Falsches an dem Vogel ausdrücken solle.1758
Braunkehliger Steinschmätzer, Braunkehliger Wiesenschmätzer: Die Zu-
ordnung zu derselben Familie geschah auch in der Vordarwinzeit schon auf-
grund von Gemeinsamkeiten z. B. im Aussehen oder Verhalten. Man ordnete
die Wiesenschmätzer ( Pratincola) mit Braun- und Schwarzkehlchen und die
Steinschmätzer ( Saxicola) in die Unterfamilie der Drosseln (Turdinae) ein.
Als Gemeinsamkeit der beiden Gattungen empfand man die auf einen reinen
Pfeifton folgenden Rufe oder Gesangsteile, die manche Leute an Schmatzge-
räusche von Menschen oder Tieren denken ließen. So entstand für diese und
einige andere Vögel der Name „Schmätzer“.1759
„Braunkehliger Steinschmätzer“ war BECHSTEINS Name für das Braun-
kehlchen. Die Benennung „Steinschmätzer“ in dem Kunstnamen „Braun-
kehliger Steinschmätzer“ hatte mehr systematische Gründe,1760 NAUMANN
hatte den Vogel später „Braunkehliger Wiesenschmätzer“ genannt, womit er
auf den Lebensraum hindeutete. Der Name wurde zu einem verbreiteten Be-
griff im 19. Jahrhundert, bis ins 20. Jahrhundert hinein.1761
Die Zuordnung in gemeinsame „systematische“ Gruppen förderte auch die
Vergabe ähnlicher deutscher Namen. So erhielten einige Arten, die die Knick-

1755
HEINROTH 1966, 1/ 19
1756
MÜLLER 1773, 609
1757
WEMBER 2005, 128
1758
BECHSTEIN 1795, 648
1759
HOFFMANN 1937, 39
1760
BECHSTEIN 1795, 648
1761
NAUMANN 1823, 3/ 903
298 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

se des Steinschmätzers – wenn auch nur abgeschwächt – „nachmachen“,


ebenfalls als Namensteil „Steinschmätzer“, wie Braun- und Schwarzkehlchen
oder Haus- und Gartenrotschwanz.
Die heutige Systematik ordnet die Gattungen Saxicola und Oenanthe der Fa-
milie der Muscicapidae, Fliegenschnäpper, zu.
Braunellert: Der Name bezieht sich auf die Gefiederfärbung, wie bei
„Braun“kehlchen. Vorlagen für den zweiten Wortteil sind schon alt. GESS-
NER schrieb 1555 von einer „Prunella“ und Hans SACHS 1531 von der
„Praunellen“.1762 Weitere Erklärungen gab es aber nicht.
Schwarzbraunes Braunkehlchen: Das Prachtkleid des Männchens hat dun-
kelbraune bis schwarzbraune Gefiederteile, z. B. die Kopfseiten.
Kleiner Steinpicker, Kleiner Steenpicker: Der „(große) Steinpicker“ war
der Steinschmätzer, dessen Beiname aus den kurzen harten „tök-tök“-Rufen
erklärt werden kann.1763 Das kann für die Warnlaute des Braunkehlchens be-
dingt übernommen werden.1764
Als „Steinpicker“ (plattdeutsch „Steenpicker“) bezeichnete man gelegentlich
den Steinschmätzer, weil er bei seinen Wipp- und Knicksbewegungen auf den
Steinen scheinbar pickt, was das Braunkehlchen nicht macht.
Steinpatsche, Steinfletscher, Kleiner Steinschmätzer: Namen wie Stein-
patsche, Steinschmatz, Steingall erhielt das Braunkehlchen, weil es „in Stein-
haufen und Felsen brütet, und seine Stimme so lautet, als wenn man mit
der Zungen schmatzet, fletschet.“1765 Für SUOLAHTI sind „-patsche“, „-flet-
scher“, „-schmätzer“ aus den schmatzenden und schnalzenden Tönen des
Steinschmätzers entstanden. Die Namen wurden auf Braun- und Schwarz-
kehlchen übertragen.1766
„Der kleine Steinschmätzer“ war neben „Braunkehlchen“ der Leitname bei
BUFFON/OTTO.1767
Braunkehlige Grasmücke: Den Namen Grasmücke (latein. Curruca, franz.
Fauvette) „führen verschiedene Arten kleiner, mehrentheils aschgrauer, den
Gesang der Nachtigalle glücklich nachahmender Sangvögel, die den Mücken,
Fliegen und andern kleinen Insecten im Grase nachstellen (daher sie von Ei-

1762
SUOLAHTI 1909, 86
1763
SUOLAHTI 1909, 49
1764
SVENSSON/GRANT/MULLARNEY/ZETTERSTRÖM1999, 272
1765
ADELUNG 1801, 4/ 339
1766
SUOLAHTI 1909, 49
1767
BUFFON/OTTO 1789, 15/ 252
PASSERES – SINGVÖGEL 299

nigen auch Fliegenstecher [s. u.] genannt werden), sich gern am Rande der
Bäche und sumpsigen Orte aufhalten.“1768
Kohlvögelchen, Krautvogel, Krautvögelchen, Krautlerche: „Ein Zugvogel,
fast so häufig als die gemeine Bachstelze, in allen Gärten und Wiesen zwischen
den Feldern, gewöhnlich auf Steinen und Gipfeln der Sträucher, von wo er
die Insecten von der Luft oder auf der Erde holt, und bis tief in die Nacht hi-
nein singt; im Herbste streichen sie in den Haber-[Hafer-] und Krautfeldern
umher.“1769 „Dieser Vogel wohnt auf Wiesen, an grasreichen Berghängen, im
Herbst in Kohl-, Rüben- und Kartoffeläckern.“1770 Der Name „Kohlvögel-
chen“ war ziemlich verbreitet.
Gestattenschlager: Gestätten sind im bayerisch-österreichischen Sprachraum
Ufer, Uferdämme, die künstlich befestigt wurden. Gestattenschlager, auch
Gestätten-, Gestettenschläger war der Name des Braunkehlchens im dama-
ligen Unterösterreich, „vielleicht, weil der Vogel auf ähnliche Weise den Ort
seines Aufenthalts gegen die herabsinkende Erde zu sichern weiß, wie man
sonst eine Gestetten schlaget.“1771
Rötling: „Kehle und Brust [sind] fuchsröthlich.“1772 Auch NAUMANN be-
nutzte Farbeindrücke von rostfarbig über rostrot bis rostbraun für seine Ge-
fiederbeschreibung.1773
Fliegenstecher, Fliegenstreckerlein, Fliegenschnäpper, Brauner Fliegen-
vogel, Bräunlicher Fliegenvogel: Den Namen „Fliegenstecher“ führten ver-
schiedene kleine „Sangvögel, die den Mücken, Fliegen und andern kleinen
Insecten im Grase nachstellen.“1774 Daraus erklären sich auch „Fliegenschnäp-
per“ und „Fliegenvogel“, „Fliegenstreckerlein“.
Für „Fliegenstreckerlein“ konnte keine ältere Quelle gefunden werden als die
bei BECHSTEIN.1775
Nesselfink, Nösselfinke: Nach HOFFMANN ist „Nessel“ mundartlich eine
unwillige Bezeichnung für ein kleines unruhiges Mädchen. Deshalb „könnte
das Wort Nessel im Vogelnamen auch auf das unruhige Gebaren des kleinen
gefiederten Sängers hinweisen.“1776

1768
KRÜNITZ 1780, 19/ 776
1769
OKEN 1837, 44
1770
LÖBE 1854, 226 Illustrirtes Lexikon der gesammten Wirtschaftskunde
1771
GRIMM/GRIMM 1984, 5/ 4205
1772
BOSE/LEONHARDI 1810, 2/ 257
1773
NAUMANN 1823, 3/ 903
1774
KRÜNITZ 1780, 19/ 776
1775
BECHSTEIN 1795, 655
1776
HOFFMANN 1937, 69
300 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Er schlüpft ständig durch Gras und Gestrüpp, wie es auch andere Vögel tun,
von denen der Zaunkönig deshalb den Namen „Nesselkönig“ erhielt.1777
Die Literatur ist bezüglich des Ausdrucks „Nösselfink“ äußerst zurückhal-
tend. SUOLAHTI hält diesen (schlesischen) Namen für schwer deutbar.1778
Nach BREYSIG ist „Nesselfink“ gleichbedeutend mit „Pestvogel und Todten-
vogel“ (s. Grauschnäpper). Ebenfalls gleichbedeutend mit „Nesselfink“ ist der
„Nösselfinke“. Im Deutsch-Kroatischen Wörterbuch von B. ŠULEK steht unter
Nösselfink: „s. Pestvogel“.1779
Todtenvogel: Das Braunkehlchen nannte man „Totenvogel“, weil es „sich
des Nachts hören ließ, was abergläubische Leute für ein böses Zeichen hiel-
ten“,1780 außerdem noch „Pestilenzvogel“, weil man glaubte, dass es sich vor
einer Pest häufig in Gärten sehen lasse.1781
Pfäffchen: Im Prachtkleid kann das Körpergefieder wie eine braune Kutte
und der braungescheitelte Kopf des Vogels mit den schwarzbraunen Kopfsei-
ten mit den weißen Überaugenstrichen von Weitem wie die Kopfbedeckung
eines Geistlichen wirken.

Schwarzkehlchen (Saxicola torquata)


„Dieser sehr lebhafte und sehr muntere Vogel ist niemahls in Ruhe: indem er
immer von einem Busche auf den andern flattert, setzt er sich nur einige Au-
genblicke, während welcher er auch nicht aufhört, die Flügel aufzuheben, um
alle Augenblicke fort zu fliegen; er hebt sich in kleinen Sprüngen in die Luft,
und fällt kräuselnd auf seinen Platz zurück. Man hat diese Bewegung mit der
an einer Mühlenklapper verglichen … Obgleich der Flug des Weißkehlchens
[so nannte BUFFON das Schwarzkehlchen] niedrig ist, und sich selten zum
Gipfel der Bäume erhebt, so setzt es sich doch immer oben auf die Büsche
und auf die Zweige, die aus den Hecken und Gesträuchern am meisten hervor
ragen, oder in den Feldern auf die Spitze der türkischen Weitzenstängel, und
auf die höchsten Pfähle in den Weinbergen.“1782
Schwarzkehlchen: Anders als beim Braunkehlchen stimmt hier der Name.
Die Kehle ist schwarz, dazu der ganze Kopf. WEMBER meinte, im Verhält-
nis zum schwarzen Kopf sei die schwarze Kehle nicht auffällig genug, um

1777
SUOLAHTI 1909, 83
1778
SUOLAHTI 1909, 144
1779
BREYSIG 1830, 638 und B. ŠULEK 1860, 974
1780
BECHSTEIN 1807, 3/ 684
1781
KRÜNITZ 1806, 102/ 681
1782
BUFFON/OTTO 1791, 15/ 305
PASSERES – SINGVÖGEL 301

namensbestimmend gewesen zu sein. Wahrscheinlich sei die Zugehörigkeit


zur Gruppe der „Kehlchen“ die Ursache zur Namensvergabe gewesen: Das
Schwarzkehlchen ist ein schwarzköpfiger Vogel, der zu der Gruppe der „Kehl-
chen“ gehört.1783 Das ist wohl nicht ganz richtig, denn die „Kehlchen“-Na-
men entstanden anders. Die Bezeichnung „Schwarzkehlchen“ für diesen Vo-
gel sollte laut STRESEMANN (1941) von A. BREHM (1866) stammen.
Er steht jedoch schon 1795 als Beiname bei BECHSTEIN. Der Name des
Braun-„Kehlchens“ stammt von MÜLLER 1773. Die beiden anderen „Kehl-
chen“ haben mit 1544 (TURNER – Rötkelchen) bzw. 1702 (PERNAU –
Blaukehligen) noch ältere Ursprünge.1784
Schwarzkehliger Wiesenschmätzer, Schwarzkehliger Steinschmätzer: Als
„Schwarzkehligen Wiesenschmätzer“ bezeichnete NAUMANN das Schwarz-
kehlchen, nachdem BECHSTEIN den Vogel „Schwarzkehliger Steinschmät-
zer“ genannt hatte.1785
Auf einen reinen Pfeifton folgen gepaarte Rufe, die manche Leute an Schmatz-
geräusche von Menschen oder Tieren denken ließen. So entstand für einige
Vögel der Name „Schwätzer“.1786
Weißkehlchen: Schwarzkehlchen haben einen deutlichen weißen „Kragen“,
der bei der östlichen, sibirischen Unterart noch ausgeprägter ist als bei der
europäischen. Wie schon das „Braunkehlchen“ wollte BECHSTEIN auch das
„Weißkehlchen“ nicht akzeptieren, weil der Name falsch sei. Er habe sich des-
halb für den in Thüringen üblichen Namen „Schwarzkehliger Steinschmät-
zer“ entschieden. BUFFON/OTTO führten den Vogel als „Weißkehlchen“
und blieben im Text auch konsequent bei diesem Namen.1787
Kleiner Steinschmätzer, Steinschmätzer, Steinpicker, Kleine Steinklat-
sche, Schwarzkehliger Steinsänger: „Klein“ sind die Braun- und Schwarz-
kehlchen im Verhältnis zum größeren Steinschmätzer, von dem einige Trivial-
namen auf sie übertragen worden sind. Die mit „Stein-“ beginnenden Namen
erhielten das Schwarz- sowie das Braunkehlchen also nicht, weil es – wie der
Steinschmätzer ( Oenanthe oenanthe) – „in Steinhaufen und Felsen brütet, und
seine Stimme so lautet, als wenn man mit der Zungen schmatzet, fletschet“.
Für SUOLAHTI sind die Namensteile „-klatsche“, „-schmätzer“, auch „-pi-
cker“ aus den schmatzenden und schnalzenden Tönen des Steinschmätzers

1783
WEMBER 2005, 130
1784
STRESEMANN 1941, 85 und BECHSTEIN 1795, 659 und MÜLLER 1773, 609 und PERNAU
1720, 123
1785
NAUMANN 1823, 3/ 884 und BECHSTEIN 1795, 656
1786
HOFFMANN 1937, 39
1787
BECHSTEIN 1795, 648 und BUFFON/OTTO 1791, 15/ 305
302 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

entstanden. Auch diese Namen wurden auf Braun- und Schwarzkehlchen


übertragen.1788
Ein Steinsänger ist in der Regel „Oenanthe oenanthe“, aber nicht das Schwarz-
kehlchen.
Schwarzkehlige Grasmücke, Schwarzer Fliegenstecher mit weißem Hals-
ring, Schwarzer Fliegenschnäpper, Weißer Fliegenschnäpper: Was für das
Braunkehlchen gilt, gilt in diesem Fall auch für das Schwarzkehlchen: Den
Namen Grasmücke (latein. Curruca, franz. Fauvette) „führen verschiedene
Arten kleiner, mehrentheils aschgrauer, den Gesang der Nachtigalle glück-
lich nachahmender Sangvögel, die den Mücken, Fliegen und andern kleinen
Insecten im Grase nachstellen (daher sie von Einigen auch Fliegenstecher ge-
nannt werden), sich gern am Rande der Bäche und sumpsigen Orte aufhal-
ten.“1789
Der „weiße Halsring“ führte zum Namen „Weißkehlchen“ (s. o.), daher auch
„Weißer Fliegenschnäpper“.
Braunkehlchen: Dieser Name für das Schwarzkehlchen steht in BUFFONS
Naturgeschichte. BUFFON meinte, dass „das Braunroth auf der Brust des
Weißkehlchens seine auffallendste Farbe ist: sie geht, indem sie immer matter
wird, bis unter den Bauch.“1790
Schollenhüpfer: Das Wort bezieht sich auf die Fortbewegung auf dem Bo-
den oder das bodennahe kurze Fliegen des Steinschmätzers. Es wurde für das
Schwarzkehlchen übernommen, das sich in der Regel seltener am Boden auf-
hält.
Christöffl: Dieser volkstümliche Name bezieht sich auf den im 3. Jahrhun-
dert enthaupteten Heiligen Christophorus, einen Schutzpatron gegen die
Pest, welche man auch „Schwarzer Tod“ nannte. Als solchen bezeichnet man
besonders die europäische Pandemie 1347–1353. Infizierte hatten schwarze
Fingernägel. Zwischen dem 14. und 18. Jahrhundert kam es in Europa zum
Aussterben ganzer Landstriche und Ortschaften (Versch. Qu.).
Ein „Christoffelsgebeth“ ist ein Gebet an eben diesen Christophorus, der
Christus, der ihm als Knabe erschienen war, über den Jordan getragen haben
soll.1791

1788
ADELUNG 1801, 4/ 339 und SUOLAHTI 1909, 49
1789
KRÜNITZ 1780, 19/ 776
1790
BUFFON/OTTO 1791, 15/ 311
1791
OERTEL 1816, 1/ 172
PASSERES – SINGVÖGEL 303

Nach einem Volksglauben in der Schweiz hat man die Schwarzkehlchen ge-
schützt: Auf derjenigen Alp, auf welcher solch ein Vogel getötet wird, geben
die Kühe von Stund an rote Milch.1792 War Christophorus ein Schutzpatron
gegen die Pest und hatte ein kleiner Vogel mit „Christöffl“ den Namen des
Schutzpatrons, dann war dessen Erscheinen offensichtlich mit der Hoffnung
verbunden, von dem Vogel vor der Pest bewahrt zu werden – im Gegensatz
zum Braunkehlchen, das man „Totenvogel“ und „Pestilenzvogel, Sylvia pesti-
lentialis, Frisch.“ nannte, weil man glaubte, dass es sich vor einer Pest häufig
in Gärten sehen lasse.1793

Rotkehlchen (Erithacus rubecula)


GESSNER beschrieb einen alten Volksglauben: „Die Alten haben vermeint/
daß sich ihre Farb ändere/ und die Röthe an der Brust in den Schwantz
komme/ daher er Phoenicurus [Rotschwanz] genennt worden/ welcher im
Sommer wiederumb zu einem Erithaco/ das ist/ Röthelein verändert werde:
wiewol diß zween ungleiche Vögel sind/ wie wir auß der nachfolgenden Mei-
nung Turneri [William Turner ca. 1500–1568] verstehen werden/ welcher
also spricht: Aristoteles und Plinius haben geschriben/ daß die zween Vögel
Erithacus und Phoenicurus, je einer in den andern verändert werde/ und einer
im Winter/ der ander aber im Sommer gesehen werde.“1794
Rothkehlchen, Rothkehlchen-Sänger, Rothbrüstchen: Der Name ist alt
und wurde schon 1544 von TURNER erwähnt. Entsprechend findet man
„Rotkehlchen“ als Leitnamen bei BECHSTEIN, VOIGT, BREHM, BUF-
FON/OTTO u. a., während NAUMANN konsequent beim „Sänger“-Zu-
satz für die Erdsänger blieb und den Vogel „Rothkehlchen-Sänger“ nannte.
OKEN wich dagegen mit seinem „Rothbrüstchen“ von diesem Weg ab.1795
Die älteste deutsche Benennung „rotil“ oder „rotilo“ entstammt dem Alt-
hochdeutschen. Daraus entstand das neuhochdeutsche „Rötele“, ein aleman-
nisches Wort, schon von GESSNER im 16. Jahrhundert genannt.1796
In der Dominikanerkirche im elsässischen Colmar (Frankreich) steht in der
Erklärung zu Martin Schongauers Bild „Maria im Rosengarten“, auf dem
auch einige Vögel zu sehen sind, über das Rotkehlchen: „Der Vogel, der sich
im Feuer des Himmels sein Herz verbrannte.“ Dazu schrieben GATTIKER/

1792
BREHM 1866, 781
1793
KRÜNITZ 1773, 102/ 681
1794
GESSNER/HORST 1669, 59b
1795
OKEN 1837, 42
1796
SUOLAHTI 1909, 40
304 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

GATTIKER: „Als Jesus voll Schmerz und Pein am Kreuz hing, sah er in ei-
niger Entfernung ein kleines Vöglein im Walde. Das trauerte am Rand seines
Nestes. Bittere Tränen rannen aus seinen Augen, als es die scharfen, stache-
ligen Dornen sah, die das Haupt unseres Heilandes durchbohrten. Da sagte
es zu sich: ‚Niemand kommt, um seine Leiden zu mildern. So will ich ihn zu
trösten suchen.‘ Es fliegt zum Kreuz, und es glückt ihm, einen Dorn aus dem
Haupt zu lösen. Zugleich springt ein Blutstropfen auf des Vögleins Brust.
Und Jesus sprach: ‚Zum ewigen Gedächtnis, liebes Vöglein, sollst und deine
Nachkommen das rote Flecklein auf der Brust behalten, und die Menschen
sollen euch Rotkehlchen nennen‘.“1797
Für das Rotkehlchen gibt es kaum andere Namen, als solche, die sich auf die
rote Farbe der Brust und der Kehle bis zur Stirn beziehen.
Es folgen weitere Synonyme: Röthelein, Rothbrüstiger Sänger, Rothbrüst-
chen, Rottbrüstlein, Rothkehliger Sänger, Rothkehle, Kehlröthchen,
Rothkröpfchen, Rottkröpflein: „Sie werden bald zahm, fressen mit aus der
Schüssel und halten 8 Jahre und mehr aus, singen angenehm und lernen auch
den Gesang der Nachtigallen, sind aber sehr zänkisch, leiden keinen anderen
Vogel an ihrem Geschirr und beißen ihn gar todt. Sie fressen alles, was man
ihnen vorwirft, Fleisch, Brod, Hanf und Käse, fangen die Stubenfliegen weg
und in den Schlafkammern sogar die Flöhe.“1798
Rothbart, Rothbärtchen: „Man nennt es Rothkehlein, weil die andern zwar
auch noch etwas von der rothrn Brust haben aber an der Kehle von unterschie-
denen Farben sind. Die so ihn Rothbart nennen, geben ihm keinen eigent-
lichen Namen, dann er ist weiter hinab rothals der Bart sonsten reicht.“1799
Waldröthchen, Waldrötlein: Der Name Wald-Röthelein wird schon von
GESSNER im 17. Jahrhundert genannt.1800 Er weist auf den bevorzugten
Lebensraum Wald (Waldrand, Park) hin.
Winterröthchen, Winterröthelein: „Den Namen Rötele teilt der Rotschwanz
mit dem Rotkehlchen. Im Gegensatz zu diesem [Rotkehlchen], dem Winter-
rötele, heißt jener [Rotschwänzchen] bei Gesner (1555) S. 699 Summerröte-
le, ‚weil er beim Herannahen des Winters wegzieht oder sich versteckt‘.“1801

1797
GATTIKER/GATTIKER 1989, 92
1798
OKEN 1837, 42
1799
FRISCH 1763, T. 19
1800
GESSNER/HORST 1669, 59b
1801
SUOLAHTI 1909, 42
PASSERES – SINGVÖGEL 305

Das Rotkehlchen, das auch im Winter singt, hat seine auffallende Farbe, die
rote Kehle, Brust und Gesicht nicht nur zur Brutzeit, sondern das ganze Jahr
über.

Sprosser (Luscinia luscinia)


Mitte der 1970er-Jahre untersuchte man das „Prinzip der akustischen Re-
viermarkierung“ an schwedischen Nachtigallen, also Sprossern. Das Ergebnis:
Auch der schönste Vogelgesang, den man in Europa hören kann, ist in seiner
eigentlichen Bedeutung nichts als Abschreckungsgeschrei. Wissenschaft kann
auch schon mal ernüchtern. Dennoch: Der Gesang verlor nicht an Faszina-
tion, als man begann, ihn für das zu nehmen, was er ist, die nachtigallisch-
sprosserische Ansage: Hier ist mein Revier, Abstand halten!1802
Sprosser, Sprossvogel: Der nachtigallenähnliche Vogel hat eine leicht diffus
graubraune, gesprenkelte Brust, er hat „Sprossen“ auf der Brust. Die Brust
der Nachtigall dagegen ist einheitlich beige-braun. Der Sprosser ist größer,
hat einen dickeren Kopf und seine Farbe und sein Gesang sind „merklich
verschieden“.1803
Heute wird für Nachtigall und Sprosser die gleiche Länge von 16,5 cm ange-
geben. NAUMANNS Größenmesswerte machen den Sprosser minimal grö-
ßer. Die Maße erhielt man damals durch Vermessen frisch erlegter Vögel und
solcher aus Sammlungen.1804
Schmetternde Grasmücke: Der Sprosser „hat eine viel stärkere, schmettern-
de und hohlere Stimme; singt weit langsamer und abgebrochener; hat die
mannigfaltige und besonders die angenehmen, ziehenden Strophen und die
accordmäßigen Endtöne nicht, und hackt und zertheilt gleichsam alle ihre
Strophen, weswegen man auch ihren Gesang mit dem Gesange der Singdros-
sel und der Misteldrossel vergleicht, ob er gleich diesen weit vorzuziehen ist
… Wegen ihrer schmetternden Stimme ist man fast nicht im Stand, sie im
Zimmer auszuhalten.“1805
Auennachtigall, Aunachtigall: Der Österreicher W. H. KRAMER hat 1756
unter „Auennachtigall“ den Sprosser von der Nachtigall, die er „Waldnachti-
gall“ nannte, als eigene Art abgetrennt.1806

1802
LIEKFELD-STRAASS 2002, 180
1803
BECHSTEIN 1795, 536
1804
NAUMANN 1822, 2/ 362 + 373
1805
BECHSTEIN 1795, 538
1806
HAFFER 2003
306 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Polnische Nachtigall, Wiener (auch Ungarische) Nachtigall, Wiener (auch


östreichischer) Sprosser, Großer Wiener: Der Sprosser ist „die Nachtigall“
des Nordens und des Ostens. Sein Verbreitungsgebiet beginnt heute östlich
einer von NW nach SE verlaufenden Grenze, etwa von Schleswig-Holstein
bis Ungarn, anfangs noch sympatrisch, d. h. in einem Überschneidungsgebiet
mit der Nachtigall. Ab Polen gibt es praktisch nur noch Sprosser.
Der Sprosser ist „schon ziemlich häufig in Ungarn, Polen und Oesterreich,
geht auch bis Böhmen, Schlesien, Pommern, Sachsen und Franken, gerade
so weit als die Wenden ehemals gekommen waren… Sie kommen von Wien
nach Leipzig und heißen daher Wiener Nachtigallen. Sie werden mit 5–10
Reichsthalern bezahlt. Nach Wien kommen sie aus Ungarn, nach Berlin aus
Polen; man hält aber die ungarischen für bessere Sänger.“1807
Bei GLOGER kann man lesen: „Die ungarischen scheinen in der Regel die
dunkelsten, die polnischen heller gefärbt, die gleichfalls lichten pommerschen
die kleinsten – und die ersteren auf dem Continente Europa’s die besten,
letztere aber die schlechtesten Schläger zu sein, und sollen im Gesange der
Nachtigall so ähneln, daß sie hieran oft kaum, oder wenigstens nicht sogleich
zu unterscheiden seien. – Doch werden durch beständiges Wegfangen der
besten Schläger die recht vorzüglichen selbst schon in dem oberen Ungarn,
nicht bloß um Wien etc., jetzt selten.“1808
Dort, wo Nachtigall und Sprosser nebeneinander vorkamen (Letzterer „ist in
Ungarn, Polen, Oestreich ziemlich häufig und in einzelnen Gegenden dort
zahlreicher vertreten als die gewöhnliche Nachtigall), erhielt er vor der „Nach-
tigall“ einen Zusatz. „ … wesshalb er auch den Namen Polnische, Ungarische
und Wiener Nachtigall erhalten hat.“1809 „Wiener Nachtigall“ bedeutet dem-
nach immer Sprosser, nie Nachtigall.
Große Nachtigall: Der Name stammt aus der Zeit nach der Abtrennung des
Sprossers („Aunachtigall“, s. o.) von der Nachtigall. BECHSTEIN schrieb
dazu: „Zum Unterschied von Motacilla Luscinia. Gewöhnlich heißt sie sonst,
da sie für eine Varietät gehalten wird, Luscinia major, die große Nachtigall.“1810
Sprossersänger: Auch dieser Erdsänger erhielt von NAUMANN den Zusatz
„-sänger“. Die Bezeichnung hat sich aber genausowenig durchgesetzt, wie
NAUMANNS andere Erdsänger-Namen.1811

1807
OKEN 1837, 39
1808
GLOGER 1834, 213
1809
GRÄSSNER 1860, 84
1810
BECHSTEIN 1795, 536
1811
NAUMANN 1822, 2/ 362
PASSERES – SINGVÖGEL 307

Sprossergrasmücke: Der Kunstname stammt von MEYER/WOLF, die dem


Sprosser den von BECHSTEIN stammenden wissenschaftlichen Namen
„Sylvia Philomela, Bechstein“ gaben.1812 BECHSTEIN führte Nachtigall und
Sprosser als Grasmücken, die die erste Familie seiner 22. Gattung bildeten.1813
Nachtphilomele: In der griechischen Mythologie war Philomela (oder Prog-
ne? s. BUFFON/OTTO (1791, 15/ 73) eine Königstochter aus Athen, die in
eine Nachtigall verwandelt wurde. So kam die Nachtigall zum Namen „Phi-
lomele“. Mehr dazu siehe bei der Nachtigall.
Weil viele Nachtigallen über den Tag singen, Sprosser aber bevorzugt nachts,
führte HALLE für die Nachtigall den Namen „Tagphilomele“ und für den
Sprosser „Nachtphilomele“ ein. HALLES „Nachtphilomele“ bekam die Bei-
namen „Sprosser“ und „Nachtsängerschläger“. „Diese verschönert die Som-
mernächte; und sie ist die lezte, die die Schaubühne mit ihren Solos beschlies-
set.“1814
Nachtsänger, Nachtschläger: KLEIN schrieb zu „Luscinia major & minor“,
wie er Sprosser und Nachtigall nennt: „Frisch T. 21 stellet zweyerley Gat-
tungen vor; die eine ist der Rothvogel, weil er mehr Röthliches an sich hat,
und heißt auch Tageschläger, Dörling; der andere ist der Sproßvogel, Sprosser,
welcher etwas größer ist, und vornehmlich des Nachts singt, daher er auch
Nachtschläger genennet wird.“1815
Davidschläger: „Auch ihre Locktöne sind verschieden: sie ruft nämlich Hi!
Glock Arrr! oder, wie man sagt, David und Jacob.“1816
„Man hält die Ungarischen Sprosser für bessere Sänger als die Pohlnischen.
Man hat auch ein gewisses Kennzeichen, wodurch sich diese verschiedenen
Landsleute voneinander unterscheiden. Die erstern nämlich rufen allzeit nur
einmal, also einzeln David oder Jacob, hingegen letztere das David etlichemal
hintereinander hören lassen.“1817
Bastardnachtigall, Zweischaller: „Im Übrigen hat dieser König unter den
Sängern mit der Königin, der Nachtigall, einerlei Lebensart und Behand-
lungsweise. Paaren thun sie sich nicht, daher der Ausdruck Bastardnachtigall
unpassend ist.“1818 Dass dennoch der Ausdruck „Bastardnachtigall“ weiterhin
existierte, liegt daran, dass der Sprosser in Überlappungsgebieten Gesangsteile

1812
MEYER/WOLF 1810, 1/ 222
1813
BECHSTEIN 1807, 3/ 477 + 507
1814
HALLE 1760, 318
1815
KLEIN 1760, 74
1816
BECHSTEIN 1807, 3/ 510
1817
BECHSTEIN 1795, 538
1818
VOIGT 1835, 203
308 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

der Nachtigall in den eigenen aufnehmen kann. Das hat ihm zusätzlich den
Namen „Zweischaller“ eingebracht. „Da, wo Sprosser und Nachtigall neben-
oder durcheinander leben, geschieht es nicht selten, daß die eine Art ihrem
Gesange Strophen aus dem Schlage der anderen Art einwebt und damit zum
sogenannten Zweischaller wird.“1819 Der Zweischaller ist aber keine „Lusci-
nia hybrida“, wie man auch lesen kann: „Außer den genannten beiden Arten
unterscheidet man noch den Zweischaller (L. hybrida), von der Größe des
Sprossers, oberseits wie dieser, unterseits fast ganz wie die Nachtigall gefärbt,
in Polen.“1820
„Im Überschneidungsgebiet der beiden Verbreitungsareale [gibt es] auch
‚Mischsänger‘ […] (in der älteren Literatur oft als ‚Zweischaller‘ bezeichnet),
die Gesangseigenschaften von beiden Arten haben. Bei diesen Mischsängern
handelt es sich – soweit eindeutig bestimmt – meistens um Sprosser.“1821 Und
schließlich: Beim Sprosser „lassen sich gute und schlechte Sänger unterschei-
den. Die geschätztesten Virtuosen sind solche, welche in ihrem Liede mehrere
Strophen aus dem Nachtigallenschlage aufnehmen und die dann ‚Doppel-
schläger‘ oder ‚Zweischaller‘ genannt werden.“1822

Nachtigall (Luscinia megarhynchos)


„Das Männchen hat ein sehr starkes, schmetterndes Gesang, welches man
Schlag nennt und wegen seiner Melodie und Manchfaltigkeit ungemein gern
hört. Sein Lied hat eine Menge Strophen, die bald minutenlang melancho-
lisch gezogen werden und immer stärker wachsen, bald schmettern und sanft
endigen. Bechstein hat 25 dergleichen Strophen unterschieden und diesel-
ben durch Sylben auszudrücken gesucht, welche alle Vocale und eine Menge
Consonanten enthalten; daher schon die Alten von ihnen sagten, sie könnten
griechisch und lateinisch sprechen.“1823 Bei VOIGT findet man diese BECH-
STEIN-Strophen:
„Tiuu tiuu tiuu tiuu,
Spe tiu zqua
Tio tio tio tio tio tio tio tix
Qutio qutio qutio qutio
Zquo zquo zquo zquo;
Tzü tzü tzü tzü tzü tzü tzü tzü tzü tzi.
Quorror tiu zqua pipiqui.

1819
BREHM 1866, 760
1820
www.peter-hug.ch/lexikon/Sprosser
1821
de.academic.ru/dic.nsf/meyers/155160/Zweischaller
1822
GRÄSSNER 1860, 84
1823
OKEN 1837, 36
PASSERES – SINGVÖGEL 309

Zozozozozozozozozozozozo Zirrhading:
Tsisisi tsisisisisisisi,
Zorre zorre zorre zorre hi;
Tzan, tzan tzan, tzan, tzan, tzan tzan, zi.
Dlo dlo dlo dlo dlo dlo dlo dlo dlo dlo:
Quio tr rrrrrrr itz
Lü lü lü lü ly ly ly ly li li li li *),
Quio didl li lülyli.
Ha gürr gürr quipio
Qui qui qui qui qi qi qi qi gi gi gi gi **)
Goll goll goll goll gia hadadoi.
Quigi horr ha diadiadillsi.
Hezezezezezezezezezezezezezezezeze quarrhozehoi,
Quia quia quia quia quia quia quia quia ti:
Qiqi qi io io io ioioioio qi -
Lü ly li le lä la lö lo io quia,
Hi gaigaigaigaigaigai gaigaigaigai.
Quior zio zio pi.“
*) Diese ziehenden melancholischen Töne wiederholt ein Vogel 32–50-mal.
**) Dies klingt viel schärfer als das Obige.1824

Nachtigall, Gemeine Nachtigall: „Die Nachtigall hat ihren Namen von dem
berühmten Gesange erhalten, den sie in nächtlicher Stunde ertönen läßt;
germ. ‚nahtagalôn‘ ist in dem zweiten Kompositionsgliede eine Ableitung von
‚galan‘, ‚singen‘. Die Bildung, die also den Vogel als ‚Nachtsängerin‘ bezeich-
net, ist westgermanisch: ahd. ‚nahtagala‘, mhd. ‚nachtegal(e)‘.“1825
Dass die Nachtigall nicht nur ein Nachtsänger ist, kann man schon bei PER-
NAU (1702) lesen, der den Vogel, wie wir heute und damals durchaus üblich,
„Nachtigall“ nannte.1826 Den Namen „Nachtigall“ und das Tag- und Nacht-
singen kannte auch schon GESSNER.1827
Tagnachtigall, Nachtsänger, Repetiervogel: Tagnachtigall heißt sie, „weil sie
mehr am Tage, der Sprosser hingegen mehr des Nachts schlägt.“1828
„Die Männchen kommen im Frühjahr 8 Tage vor den Weibchen an, und sin-
gen dann fast die ganze Nacht, um die vorbeystreichenden Weibchen anzu-
locken; nachher singen sie vom frühen Morgen abwechselnd den ganzen Tag

1824
BECHSTEIN 1807, 3/ 483
1825
SUOLAHTI 1909, 37
1826
PERNAU 1702, 70
1827
GESSNER/HORST 1669, 353a
1828
VOIGT1835, 200 und BECHSTEIN 1807, 3/ 483
310 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

durch. Es gibt aber auch, welche immer vor und nach Mitternacht singen,
und diese heißen Nachtvögel, andere, welche nur zuweilen des Nachts sich
hören lassen, Repetiervögel.“1829
Modernes Wissen: „Im zeitigen Frühjahr singen unverpaarte Nachtigallen-
männchen ab elf Uhr nachts bis in den Morgen; der Nachtgesang dient wohl
vor allem zur Anlockung einer Brutpartnerin und wird nach erfolgter Paar-
bildung eingestellt. Ab Mitte Mai singen daher meist nur noch unverpaarte
Männchen nachts.
Während der ganzen Brutsaison bis Mitte Juni singen Nachtigallenmännchen
auch tagsüber. Der Gesang während der Morgendämmerung dient wohl vor
allem zur Verteidigung des Revieres gegen andere Männchen.“1830
Nachtigall-Sänger: NAUMANN hat alle „Erdsänger“ durch den Zusatz
„-Sänger“ gekennzeichnet.1831
Heute ist „Erdsänger“ ein mehr informeller Begriff, unter dem man Rotkehl-
chen ( Erithacus), Nachtigall und Verwandte ( Luscinia), Rotschwänze ( Phoe-
nicurus), Blauschwänze ( Tarsiger), Wiesen- und Steinschmätzer ( Saxicola und
Oenanthe) zusammenfasst.1832
Dorling: Nach SUOLAHTI ist dieser Name schon im 13. Jahrhundert be-
zeugt als „durlinc“. Das Wort leitet sich ab von „dorlen“ (wirbeln), „Dorl“
(Kreisel) und meint den trillernden Gesang.1833
Kleine Nachtigall, Sächsische Nachtigall: Die Vogelsteller nennen sie auch
„kleine und Sächsische Nachtigal, um sie von der folgenden zu unterschei-
den“, womit BECHSTEIN den damals an der Weichsel neben der Nachtigall
vorkommenden, auch als „Polnische Nachtigall“ bekannten größeren Spros-
ser meinte.1834
Waldnachtigall: Der Österreicher W. H. KRAMER hat 1756 die Nachtigall
und den Sprosser als verschiedene Arten erkannt und sie unter dem Namen
„Waldnachtigall“ und „Auennachtigall“ voneinander getrennt.1835 Nur weni-
ge Jahre später beschrieb auch HALLE „die beiden Arten der Nachtigallen“,
die er „Nachtigall. Tagphilomele“ und „Nachtphilomele“ nannte.1836

1829
OKEN 1837, 37
1830
http://de.wikipedia.org/wiki/Nachtigall, Stand: 24.01.2011
1831
STRESEMANN 1941, 76
1832
http://de.wikipedia.org/wiki/Schmätzer, Stand: 4.10.2010
1833
SUOLAHTI 1909, 38
1834
BECHSTEIN 1807, 3/ 477
1835
HAFFER 2003
1836
HALLE 1760, 317–318
PASSERES – SINGVÖGEL 311

Rotvogel: „Rothvogel zum Unterschied von Sprosser, welcher weniger roth


am Schwanze ist.“1837
„Ihre Farbe besteht im Rothlichaschgrauen … Unter dem Schwanze ist mehr
Zusaz von einem Ziegelrothen, so wie am Flügel.“1838
Philomele: In der griechischen Mythologie wurde die Königstochter Philo-
mela aus Athen von Thereus entehrt. Um die Tat nicht verraten zu können,
hatte er ihr auch die Zunge geraubt. Aus Rache tötete Philomela den Sohn
des Thereus und setzte ihn dem Vater zur Speise vor. Daraufhin wurde sie in
eine Nachtigall verwandelt, denn in der Gestalt der Nachtigall war sie vor
den Verfolgungen des Thereus sicher, muss aber ewig seufzend ihre Tat be-
reuen.1839 Bezüglich der Philomele liegt ein offensichtlich alter Fehler vor, der
bei BUFFON/OTTO korrigiert wurde. „Uibrigens muß man bemerken, daß
nach den Griechen, die hier die Originalschriftsteller sind, Progne es war, die
in eine Nachtigall verwandelt ward, und Philomele ihre Schwester in eine
Schwalbe: die lateinischen Schriftsteller haben diese Nahmen verändert oder
verwechselt, und ihr Irrthum ist zum Gesetze geworden.“1840
Bergnachtigall, Wassernachtigall, Gartennachtigall: „Die Vogelsteller be-
nennen sie auch nach ihrem Aufenthalte, Wald-, Berg-, Wasser-, Gartennach-
tigall.“1841
Schlagende Grasmücke: BECHSTEIN führte den Vogel als „Die Nachti-
gall oder schlagende Grasmücke“. Vorher hatte er seine „zwey und zwanzigste
Gattung“ ‚Sänger. Sylvia‘ genannt, die der Familie der „Grasmücken (Curru-
ca)“ angehört.1842
Rothgelbe Grasmücke: Der Ausdruck stammt von BECHSTEIN und wur-
de von NAUMANN übernommen, später aber kaum beachtet. „Rothvogel
zum Unterschied von Sprosser, welcher weniger roth am Schwanze ist.“1843
BECHSTEIN blieb eine Erklärung von „rothgelb“ schuldig, erwähnte aber
„gelblich weißgefleckt“ oder „rostgelb“ im Ornithologischen Taschenbuch.
Hatten Vogelsteller eine Nachtigall gefangen und wollten sie als Sänger im
Käfig halten, war eine Geschlechtsbestimmung anhand des Gefieders für sie
nicht möglich, da Männchen und Weibchen gleich aussahen. Dennoch wollte
man wissen, ob man ein Männchen hatte oder nicht. „Da es sehr wichtig ist,

1837
BECHSTEIN 1807, 3/ 477
1838
HALLE 1760, 317
1839
GATTIKER/GATTIKER 1989, 86
1840
BUFFON/OTTO 1791, 15/ 73
1841
BECHSTEIN 1807, 3/ 477
1842
BECHSTEIN 1807, 3/ 477
1843
BECHSTEIN 1807, 3/ 478 + 1802,1 66
312 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

sich die Zeit nicht damit zu verderben, daß man Weibchen aufzieht, so hat
man viele auszeichnende Merkmale angegeben, um die Männchen zu erken-
nen; sie haben, sagt man, ein größeres Auge, einen runderen Kopf und an der
Grundfläche breitern Schnabel.“1844 Davon hat sich aber nichts bewahrheitet.
Bei einem Frühlings-Männchen sollten die graubraunen Schwungfedern ins
Rotgelbe fallen, auch die Farbe des Schwanzes sollte rotgelber sein.
Waldvogel: Dieser Begriff von BECHSTEIN hat wenig Aussagekraft, da er
zu unpräzise ist. Da „Waldvogel“ aber nicht für andere Vögel angewendet
wurde, konnte NAUMANN den Namen für die Nachtigall übernehmen.1845
Es trifft wohl auch für diesen Fall zu, was BECHSTEIN zu Berg-, Wasser-
und Gartennachtigall schrieb (s. o): „Die Vogelsteller benennen sie auch nach
ihrem Aufenthalte.“1846

Blaukehlchen (Luscinia svecica)


Die geographische Variation der Blaukehlchen ist ausgeprägt und komplex.
Die Zahl der Unterarten wird deshalb auch unterschiedlich angegeben. Nach
BEAMAN/MADGE (1998) sind es sechs, nach AVIBASE (2011) zehn Sub-
spezies.
Die ganz Europa bewohnenden Blaukehlchen fasst man zu zwei Rassengrup-
pen zusammen: Die „Rotsternigen Blaukehlchen“ (mit rotem Kehlfleck) bil-
den die „svecica-Gruppe“. Sie bewohnen den Norden Europas ostwärts und
mit kleineren Vorkommen die Nordkarpaten und die Alpen. Die „Weiß-
sternigen Blaukehlchen“ (mit weißem Kehlfleck) bilden die „cyanecula-Grup-
pe“. Diese Vögel brüten in Mitteleuropa, dem südlichen Osteuropa und Tei-
len Südeuropas.
Möglicherweise ist der Färbungstyp „blaue Kehle mit weißem Stern“ der ur-
sprüngliche. Sowohl das einheitlich blaue Kehlfeld einiger Rassen als auch der
rostrote Stern mögen von dem cyanecula-Typ phylogenetisch abzuleiten sein.
Isolierte Vorkommen in Spanien, südlich des Kaukasus und dem Iran kön-
nen als Reste eines früher geschlossenen Areals im Mittelmeerraum angesehen
werden, von dem aus das Blaukehlchen postglazial nach Norden und Osten
vordrang und dabei unter Hybridisierung auf die östlichen rotsternigen Popu-
lationen stieß, die ihrerseits von Zentralasien nach Westen und Nordosten
vorgedrungen waren.1847

1844
BUFFON/OTTO 1791, 15/ 66
1845
NAUMANN 1822, 2/ 373
1846
BECHSTEIN 1807, 3/ 477
1847
GLUTZ VON BLOTZHEIM/BAUER 1988, 11/ 210
PASSERES – SINGVÖGEL 313

Blaukehlchen: Die Vögel haben eine leuchtend blaue Kehle, in die ein klei-
nes, als Stern bezeichnetes, aber nicht sternförmiges rotes oder weißes Band
eingelagert ist, das auch fehlen kann. Solch einen Stern haben nur die erwach-
senen Männchen.
Die beiden bekanntesten Subspezies sind „Luscinia svevica svevica“, das „Rot-
sternige Blaukehlchen“, das in Nordeuropa, Nordasien und den Alpen lebt,
sowie „Luscinia svevica cyanecula“, das „Weißsternige Blaukehlchen“, das in
Mitteleuropa vorkommt.
Wie alt der Name „Blaukehlchen“ o. ä. ist, lässt sich nur abschätzen. GESS-
NER kannte den Vogel 1555 schon, nannte ihn aber „Wegflecklin“.1848 PER-
NAU berichtete in der Angenehmen Landlust von einem „Blaukehligen“. Es
kann nur vermutet werden, dass es sich um ein weißsterniges Blaukehlchen
handelte. Diesen Vogel meinte aber ZORN, der ihn „Blau-Kehle“ nannte.1849
KLEIN schrieb von einem „Blau Kehlein“.1850 OTTO übersetzte die Bezeich-
nung „Cyanecula“, die BRISSON dem Vogel (um 1760) gab, mit „Blaukehl-
chen“, von cyanos (griech.) für blau und cula (lat.) für Kehle.1851
Blaukehlchen-Sänger: NAUMANN hat alle Erdsänger durch den Zusatz
„-Sänger“ gekennzeichnet.1852
Zu den Erdsängern (Erithacinae) gehören heute Rotkehlchen ( Erithacus),
Nachtigall und Verwandte ( Luscinia), Rotschwänze ( Phoenicurus), Blau-
schwänze ( Tarsiger), Wiesen- und Steinschmätzer ( Saxicola und Oenanthe).
Wolf ’sches Blaukehlchen: C. L. BREHM stellte die Johann WOLF gewid-
mete und als „Sylvia Wolfii, mihi“ („Wolfisches Blaukehlchen“) beschriebe-
ne „Art“ dem „Schwedischen Blaukehlchen ( Sylvia cyanecula)“, das er auch
„Weißsterniges Blaukehlchen“ nannte und beschrieb, gegenüber und notierte
in einer Anmerkung zu seiner Namensgebung: „Diese geringe Huldigung der
großen Verdienste eines unserer ersten Naturforscher wird gewiß Allen will-
kommen seyn, welche die große Verehrung gegen ihn mit mir theilen.“1853
Heute versteht man unter Wolf‘schen Blaukehlchen Vögel, denen der weiße
Kehlspiegel fehlt („gelegentlich fehlend“), die aber weder eine Art, noch eine
Unterart bilden.1854

1848
SUOLAHTI 1909, 42
1849
PERNAU 1720, 123 + 1702 und ZORN 1743, 430
1850
KLEIN 1750, 77
1851
BUFFON/OTTO 1791, 15/ 290
1852
STRESEMANN 1941, 76
1853
C. L. BREHM 1822, 173
1854
GLUTZ VON BLOTZHEIM/BAUER 1988, 11/ 238
314 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Johann WOLF (1765–1824), war ein einflussreicher Ornithologe aus Nürn-


berg. Er arbeitete ab 1805 mit dem Herausgeber Dr. Bernhard MÜLLER
(1767–1836) an der Naturgeschichte der Vögel Deutschlands. Diese bedeutende
Ausgabe [der MÜLLER/WOLF] wurde ab 1820 von J. F. NAUMANNS weit
vollkommenerem gleichnamigem Werk abgelöst.1855
Weißsterniges Blaukehlchen, Weißsternblaukehlchen, Blaukehlein mit
weißgeflecktem Brustlatze: Die weißsternigen Blaukehlchen Mittel- und
Südwesteuropas sowie der Ukraine werden heute in mehrere Unterarten ein-
geteilt, von denen L. s. cyanecula die in Deutschland verbreitete ist. C. L.
BREHM unterschied 5 Blaukehlchen-„Arten“, von denen eine das „Weiß-
sternige Blaukehlchen“ war. Sein Sohn, A. BREHM, verkürzte den Namen
zu „Weißsternblaukehlchen“.1856 Das „Blaukehlein mit weißgeflecktem Brust-
latze“ ist eine Varietät bei KLEIN.1857
Schwedisches Blaukehlchen, Lappländisches Blaukehlchen, Sibirisches
Blaukehlchen, Östliches Blaukehlchen, Rothsterniges oder Gelbsterniges
Blaukehlchen: In seinen Nachträgen schrieb NAUMANN von den Fort-
schritten in der Ornithologie auch bezüglich des Wissens über Blaukehlchen,
die er zuletzt 1822 behandelt habe. Er könne jetzt feststellen, „daß unser
früher, als Sylvia suecica. Lath. beschrieben, als nur Eine Art dargestelltes
Blaukehlchen in mehrere Arten zerfallen müßte, von denen, als im mittlern
Deutschland vorkommend, ich jedoch vor der Hand nur von Dreien, als spe-
cifisch verschieden von einander mich überzeugen konnte, wie sie nacheinan-
der hier folgen sollen.“ NAUMANN hatte 1822 den „Blaukehlchen-Sänger
Sylvia suecica“ vorgestellt und eine Anzahl von Beinamen zugefügt. In den
Nachträgen von 1860 folgten: „Das weißsternige Blaukehlchen – Sylvia ( Cya-
necula) leucocyana. Brehm.“, ohne Trivialnamen, „Das Wolffsche Blaukehl-
chen – Sylvia ( Cyanecula) Wolfii. Brehm.“, ebenfalls ohne Trivialnamen und
„Das schwedische Blaukehlchen – Sylvia ( Cyanecula) suecica. Br.“ mit den
obigen Beinamen, von denen alle, bis auf das „Östliche Blaukehlchen“ von
C. L. BREHM, von NAUMANN stammen.1858 NAUMANN beschrieb das
Männchen des „Schwedischen Blaukehlchens“ mit „einem großen hochrost-
gelben oder rostrothen Stern“ und bildete „Gelbsternige“ Blaukehlchen auch
auf seiner Tafel 366 ab. NAUMANN hatte sich nach eigenen Worten mit den
ausgestopften Vögeln von C. L. BREHM beschäftigt.
An anderer Stelle fuhr NAUMANN fort: „Die Sommerwohnsitze dieser Art
sind über eine ungeheure Länderfläche der nördlichen Theile der alten Welt,

1855
STRESEMANN 1996, 407
1856
C. L. BREHM 1831, 353 und BREHM 1879, 5/ 126
1857
KLEIN 1760, 145
1858
NAUMANN 1860, 13/ 371ff + 387 + 395
PASSERES – SINGVÖGEL 315

nämlich von Kamtschatka durch das ganze asiatische und europäische Ruß-
land bis an die Küste des obern Norwegens ausgedehnt.“ Das erklärt die Bei-
namen mit „lappländisch, sibirisch, östlich“ und auch im Leitnamen „schwe-
disch“.
Tundrablaukehlchen: BREHM fasste die NAUMANN-Begriffe zusammen
und nannte das „Schwedische Blaukehlchen“ NAUMANNS nun „Tundra-
blaukehlchen – Cyanecula suecica“. Dazu kamen das „Weißsternblaukehlchen
– Cyanecula leucocyana“ und das „Blaukehlchen – Cyanecula Wolfii“.1859 Diese
Gliederung hatte BREHM schon 1864 in seinem Werk „Die Thiere des Wal-
des“ verwendet.
Blaukehle, Blaukehlein: „Blaukehle“ findet man als Beinamen unter „Blau-
kehlchen-Sänger“ von NAUMANN. Als „Blaukehlein“ bezeichnete FRISCH
den Vogel.1860
Blaukehliger Sänger, Blaukröpfel: Unter dem ersten Namen führte BECH-
STEIN 1802 den Vogel. 1795 und 1807 war sein Leitname jeweils „Blaukehl-
chen“.1861 „Blaukröpfel“ (was auch Blaukehlchen heißt, Kröpfel ist Kropf )
stammt aus der Steiermark (o. Qu.).
Bleikehlchen: Die Vorsilbe „Blei“- wurde oft für „Blau“- verwendet.
Wassernachtigall: Das Blaukehlchen braucht zur Brut Feuchtbiotope, in den
Bergen nasse Hänge. Es wird Wassernachtigall genannt, „weil es sich vorzüg-
lich in niederem Buschwerk nahe am Wasser aufhält.“1862
„Die Blau-Kehle, [ist] ein ungemein schöner Vogel, der sich am liebsten im
Gebüsche oder Gehölze, nahe am Wasser, finden lässet … schreyet fast wie
die Nachtigall, und schmätzet auch dabey; ihr schöner Gesang lautet fast wie
der Nachtigall, ob er wohl nicht so laut ist, daher sie der Herr Verfasser des
öffters angeführten Zeitvertreibs p.72 [gemeint ist PERNAUS Angenehmer
Zeitvertreib von 1716, dem 1720 die Angenehme Landlust folgte] mit Recht
die Wasser-Nachtigall nennet.“1863
Dagegen hatte BECHSTEIN etwas einzuwenden: „Sein Gesang ähnelt viel-
mehr dem der weißen Bachstelze, als dem der Nachtigall, und er führt mit
Unrecht den Namen Wassernachtigall.“1864

1859
BREHM 1879, 5/ 126
1860
NAUMANN 1822, 2/ 414 und FRISCH 1763, T. 19
1861
BECHSTEIN 1802, 178
1862
SCHUBERT 1886, 10
1863
ZORN 1743, 430
1864
BECHSTEIN 1795, 597
316 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Der nicht weittragende Gesang ist wegen seiner variablen Strophengliederung


auffällig. Halblaut schnurrende, zischende, klirrende und rein klingende oder
flötende Lautreihen sind eingeflochten. Charakteristisch ist das hohe Spott-
vermögen. Das Blaukehlchen kann nicht nur Motive der meisten Singvo-
gelgesänge des Brutgebietes übernehmen, sondern auch Enten, Rebhühner,
Wachteln, Limikolen, Grillen, Heuschrecken und auch Frösche nachahmen.
Die Lappen nennen diesen Sänger daher „Hundertzüngiger Vogel“.1865
Spiegelvogel, Spiegelvögelchen, Silbervogel: „Unter den erwachsenen
Männchen haben einige eine ganz blaue Kehle, andre hingegen haben einen
Flecken, wie einen halben Halsband von einem schönen Weiß, dessen Glanz
Frisch mit dem Glanze des polirten Silbers vergleicht, nach welchem Kennzei-
chen unsre Märkschen Vogelsteller dem Blaukehlchen den Namen des Spie-
gelvogels gegeben haben.“1866
Schildnachtigall: Obwohl die Bedeutung von „Schild-“ in der Literatur
nicht eindeutig geklärt ist. kann man in diesem Fall davon ausgehen, dass der
Kehlfleck des Vogels gemeint ist. Möglicherweise ist das gemeingermanische
Wort „Schild“ wurzelverwandt mit „schallen“, was hier auch passen würde.1867
Blaues Rothkehlchen: Was man heute weiß und damals noch nicht wusste,
ist, dass Rotkehlchen und Blaukehlchen verschiedenen Familien angehören,
also nicht verwandt sind – trotz gewisser Ähnlichkeiten. „Nach der Gestalt,
der Größe und der ganzen Bildung scheint das Blaukehlchen nur ein andres
Rothkehlchen zu seyn. … Die Kehle ist mit einem schönen glänzenden Azur-
blau bedeckt, anstatt diese bei dem Rothkehlchen orangeroth ist; es scheint
sogar, daß die Natur die Aehnlichkeit zwischen diesen beiden Vögeln, selbst
bei ihrer Verschiedenheit, hat deutlich zeigen wollen, da dieser blaue Fleck
sich unten ins Schwärzliche und dieses ins Orangenfarbne verliert, welche
Farbe über den Obertheil der Brust fortläuft.“1868
Man könnte auch vermuten, dass BECHSTEIN, der den Beinamen 1795
brachte, ein rotsterniges Blaukehlchen gemeint hätte. Dagegen spricht aber
seine Einschränkung, dass der Vogel in Thüringen „Blaues Rotkehlchen“ ge-
nannt würde.1869
Nachtigallkönig: Der Gesang des „fleißigen Sängers“ wird überwiegend ger-
ne gehört und als herrlich (Schwedische Nachtigall), angenehm, anmutig,
sanft mit hellen Pfeiftönen beschrieben (siehe dazu Wassernachtigall). Der

1865
GLUTZ VON BLOTZHEIM/BAUER 1988, 11/ 215
1866
KRÜNITZ 1819, 127/ 789
1867
GRIMM/GRIMM 1984, 15/ 109
1868
KRÜNITZ 1819, 127/ 788
1869
BECHSTEIN 1795, 601
PASSERES – SINGVÖGEL 317

Name „Nachtigallkönig“ ist erstmals bei MEISNER/SCHINZ zu finden, da-


nach bei NAUMANN, später nur noch wenig.1870
Rothkehlchen von Gibraltar: Der Name erschien schon bei BUFFON/
OTTO. Er steht auch in der Neuauflage von BECHSTEINS Naturgeschichte,
ebenso wie ein „Blaukehlchen von Gibraltar“, das BRISSON 1760 „Gorge-
bleue de Gibraltar“ genannt habe. Es „ist auch nichts weiter, als das Weibchen
von unserem Vogel“. Dazu wieder BUFFON: „Nach dem Verhältnisse der
Gestalt, der Größe und der ganzen Bildung scheint das Blaukehlchen nur
ein anderes Rothkehlchen zu seyn; es unterscheidet sich von demselben nur
durch das glänzende und himmelblaue Blau, das seine Kehle bedeckt, anstatt
dise bei den andern orangeroth ist.“1871
Ostindische Nachtigall, Italienische Nachtigall: Diese Namen gab BECH-
STEIN dem schön singenden rotsternigen Blaukehlchen wegen seiner Selten-
heit in Mitteleuropa. Es werde in Thüringen so genannt.1872 Es sind schöne
Beispiele wohlklingender Namen, ohne genauere Aussagekraft der geographi-
schen Angaben, die sich auch nicht durchgesetzt haben.
Wegflecklein: GESSNER erwähnte den Namen, ohne den Vogel zu beschrei-
ben. Dafür wird HEUSLINS Deutung, der GESSNERS 1. Ausgabe von 1555
ins Deutsche übersetzt hat, von SUOLAHTI zitiert: „Der teutsch namen ist
vom wëg her gegeben: dann wenn es in wëgen, äckeren stets sitzt; andersteils
von der blauwen masen [Fleck] der Brust.“ Den Namen habe GESSNER aus
Straßburg gekannt („Wegfleck“ im Straßburger Vogelbuch von 1554).1873
SUOLAHTI schrieb aber auch, dass die HEUSSLIN-Erklärung angezweifelt
werde. Das „Weg-“ könne aus „sich bewegen“ entstanden sein.
Rothschwanz, Halbrothschwanz: Man erkennt das Blaukehlchen von hin-
ten an der deutlich breiten schwarzen Schwanzspitze und an der ebenfalls
deutlich rostroten Schwanzwurzel. „Halbrotschwanz“ ist die genau richtige
Bezeichnung. „Rotschwanz“ passt auch zu anderen Vögeln.
Zweyter Rothschwanz: BECHSTEIN unterschied u. a. zwischen spät „aus-
geheckten“ Vögeln des Vorjahres und „sehr Alten“, die unterschiedliche Brust-
gefieder hätten. Letztere könnten mit „Zweyter Rothschwanz“ gemeint sein.
Der Name ist bei keinem anderen Autor zu finden und BECHSTEIN nimmt
auch keine Stellung zu ihm.1874

1870
MEISNER/SCHINZ 1815/ 115 und NAUMANN 1822, 2/ 414
1871
BUFFON/OTTO 1791, 15/ 297 + 288 und BECHSTEIN 1807, 3/ 589
1872
RIEDEL 1839, 199: Die Grasmücken und Nachtigallen in Europa
1873
GESSNER/HORST 1669, 64b und SUOLAHTI 1909, 42
1874
BECHSTEIN 1802, 178 + 1807, 3/ 589
318 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Weidenguckerlein: GESSNER beschrieb ein Weidengückerlein („ein kleines


Vögelein“ mit hellroten Beinen), das aber nicht das Blaukehlchen, sondern
ein Zilpzalp ist.1875
„Gückerlein“ kommt von „gicken“, was „piepen“ bedeutet und sich eher auf
Pieper bezieht.1876 Das Weidenguckerlein, hier das Blaukehlchen, ist ein Vo-
gel, der rufend aus Weiden zu hören war. Obwohl Weiden zum Biotop der
Blaukehlchen gehören, scheint dieser Name, der nur bei BECHSTEIN vor-
kommt, für den Vogel nicht sehr glücklich gewählt.
Erdwistel: Auch dieser Name ist nur bei BECHSTEIN (und infolgedessen
auch bei NAUMANN) zu finden.1877 BECHSTEIN hatte das „Blaukehl-
chen“ zu den „Sängern“ geordnet, aber erst NAUMANN (1822) hatte seine
„Sänger“ in Gruppen unterteilt, von denen die „Erdsänger“ eine waren. Den-
noch scheint BECHSTEIN schon 1807 mit „Erdwistel“ einen „Erdsänger“
gemeint zu haben, denn zum einen dürfte ihm der Begriff „Erdsänger“ ge-
läufig gewesen sein, zum anderen dürfte er gewusst haben, dass das englische
Verb „to whistle, pfeifen“ mehrfach für Namenserklärungen verwendet wor-
den ist. So findet man bei Hans SACHS (1531, V. 104) und später auch bei
anderen Autoren für den Rotschwanz den Ausdruck „Wüstling“, der mit „to
whistle“ zusammenhängen könnte.1878
Karlsvogel: Das Blaukehlchen hat man auch „die schwedische Nachtigall“
genannt.1879 Der Vogel erhielt den Namen wegen der „königlichen“ azurblau-
en Farbe der Kehle. „Karl“ bot sich an, weil viele (bis 1700 zwölf ) schwedi-
sche Könige so hießen.

Gemeinsames zu Gartenrotschwanz (G) und


Hausrotschwanz (H)
Beide Namen sind schon alt und waren auch GESSNER bekannt, der zwar
zwischen dem Wald- und dem Hauß-Röthelein (Hußrötele, GESSNER
1555) unterschied, aber doch sehr ungenau blieb. Vor und nach GESSNER
unterblieb diese Auftrennung oft, was etliche gemeinsame Trivialnamen zur
Folge hatte.1880

1875
GESSNER/HORST 1669, 204b
1876
SUOLAHTI 1909, 94
1877
BECHSTEIN 1807, 3/ 589
1878
SUOLAHTI 1909, 47
1879
GRIMM/GRIMM 1984, 11/ 218
1880
GESSNER/HORST 1669, 59b–61b
PASSERES – SINGVÖGEL 319

Gemeines Rothschwänzchen (G), Gemeines Rothschwänzel (G), Roth-


schwänzchen (G), Rotschwänzchen (H), Rothschwanz (G, H): „Dieser
wird … ein Rothschwäntzlein/ von seinem Schwantz: desgleichen Rothzagel/
Rothsterz … genennet.“1881 Das „Rotschwentzlin“ steht schon im Straßburger
Vogelbuch von 1554.
Rothsterz (G, H), Rothstiert (H), Rothstärt (G), Rothsterzchen (G),
Rothstörzchen (G), Rothzagel (H), Rotzzagel (H), Rothzägel (G), Roth-
zahl (H): Alle diese Namen bedeuten Rotschwanz. Sterz, Steert wird als Be-
zeichnung für das Hinterteil, bei Vögeln für den Schwanz verwendet (s. Bach-
stelze). Zagel ist mittelhochdeutsch und bedeutet Schwanz. „Rotstertz“ oder
„Rotstertzlein“ sind aus dem 16. Jahrhundert bekannt.1882 „Rotzzagel“ steht
neben dem „Rotzagel“ für den Hausrotschwanz bei NAUMANN.1883
Röthling (G, H), Röthlein (G), Rottele (H): Diese Namen betonen den
roten Schwanz beider Arten und, beim Gartenrotschwanz, das Rot an der
Unterseite des Vogels. Sie unterscheiden den Garten- aber nicht vom Haus-
rotschwanz.
Schwarzbauchiger Sänger (G, H), Schwarzbäuchiger Sänger (H),
Schwarzkehliger Sänger (G), Schwarzbrüstchen (H), Schwarzkehlchen
(G), Rothkehlchen mit schwarzem Kinn (G), Pechrothschwanz (H),
Schwarzer Rothschwanz (H), Rothbäuchlein (G), Rothbrüstlein (G): So-
wohl die Kehle als auch die Brust und der Bauch sind bei der europäischen
Unterart des Hausrotschwanz ( Phoenicurus ochruros gibraltariensis) und bei
der türkischen Unterart ( Phoenicurus ochruros ochruros) grauschwarz, bei Letz-
terer ist allerdings der „Unterbauch“ rostrot.
Der Gartenrotschwanz hat eine schwarze Kehle, sonst sind Vorderseite rot,
der Bauch hellrotrosa. „Schwarzbauchige“ Gartenrotschwänze gibt es nicht,
hier handelt es sich um einen Fehler von VOIGT.1884
Der Gartenrotschwanz singt mit kurzen Strophen in weichen wehmütigen
hohen Tönen. Der Hausrotschwanz hat einen ganz anderen Gesang. Auf
Pfeiftöne folgt eine klappernde Tonreihe, dann, nach einer Pause, ein typi-
scher Knirschton.1885 Er singt zwar, auch von oft hoher Warte sehr fleißig,
dennoch ist der Gesang vom Hausrotschwanz nicht so, dass man ihn als guten
Sänger bezeichnen könnte.

1881
GESSNER/HORST 1669, 61b
1882
SUOLAHTI 1909, 44
1883
NAUMANN 1823, 3/ 525
1884
VOIGT 1835, 208
1885
SVENSSON/GRANT/MULLARNEY/ZETTERSTRÖM 1999, 262
320 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Hüting (G, H): „Der Gartenrotschwanz ruft oft bei Erregung oder zur War-
nung für seine Jungen hü(i)d teg, hü(i)d teg teg; ein niederdeutscher Beob-
achter aus dem Volke hat daraus für das Gartenrötel den Namen Hütick (=
Hüte Dich!) geprägt.“1886
„…wird das Locken des Gartenrotschwanzes in Altmark als ‚Hüt-dick-dick-
dick‘ aufgefaßt und der Vogel daher Hütik oder Hüting genannt.“1887
Der Hausrotschwanz hat einige dem Gartenrotschwanz ähnliche Rufelemen-
te, die zum gemeinsamen Namen „Hüting“ geführt haben. So ruft er erregt:
„fid teck teck“.1888
Saulocker (G, H): „Seine Lockstimme ist ein heller Pfiff … wie füid oder
hüid, dem meist ein schmatzendes Tick tick angehängt wird. Weil dieses Tick
Ähnlichkeit mit dem Schnalzen hat, was man vorbringt, wenn man die Zun-
genspitze an das Zahnfleisch der oberen Vorderzähne setzt und schnell ab-
zieht, mit welchem Ton man die jungen Schweine zu locken pflegt, so nennt
man unseren Vogel in manchen Gegenden Saulocker.“1889
In Preußen hat der Ruf dem Rotschwänzchen die Benennung Saulocker ein-
getragen, „weil er also schmatzet, wie die Landleute, wenn sie die Schweine
zum Troge rufen; welches er thut, so lange die Jungen noch unter seiner Pflege
sind.“1890
Wistling (G, H), Wüstling (G): Seit dem 16. Jahrhundert ist der Name „Wüst-
ling“ bekannt. NAUMANN führte beim Hausrotschwanz den „Wistling“ auf
die Lockstimme zurück, deren erste Silbe beinahe wie „wist“ klinge.1891 In der
Neuauflage des „NAUMANN“ äußerte sich Otto KLEINSCHMIDT über
die beiden Ausdrücke. Folgende Erklärungen seien möglich: 1. Von der Stim-
me, wie geschildert, oder es liege das englische Wort „whistler“ für Pfeifer zu-
grunde. 2. Vom Aufenthalt: Wüstling, Bewohner wüster Marken = zerstörter
Dörfer, Ruinen, Steinbrüche (dies trifft weniger auf den Gartenrotschwanz
zu). 3. Vom slawischen Namen für Rotschwanz „Chvistek“, der sich aber we-
niger auf die Stimme beziehe als auf den sich immer in Bewegung befind-
lichen Schwanz. Es sei möglich, dass zwischen dem schlesischen „Swistek“,
dem mährischen „Chvistek“ und dem deutschen Wistling ein Zusammen-
hang bestehe.1892 Punkt 3 wurde von GRIMM/GRIMM bestätigt.

1886
HOFFMANN 1937, 27
1887
SUOLAHTI 1909, 46
1888
NAUMANN 1823, 3/ 525
1889
NAUMANN 1823, 3/ 525
1890
KLEIN/REYGER 1760, 78
1891
NAUMANN 1823, 3/ 525
1892
NAUMANN/HENNICKE 1905, 1/ 55 und GRIMM/GRIMM 1984, 30/ 2469
PASSERES – SINGVÖGEL 321

Hausrotschwanz (Phoenicurus ochruros)


Im Geröll der Höhen, im Gebirge, hat der Hausrotschwanz die zierlich-
ruckhaften Bewegungen gelernt, das Leichte und Hurtige, das Wendige und
Plötzliche. Aufgerichtet sitzt er da. Sowie er etwas sieht, was ihn erregt, macht
er einen Bückling. Auch die Gartenrotschwänzchen verbeugen sich, indem sie
den Leib niederdrücken und in die Ausgangsstellung zurückschnellen. Es ist
ein Ausdruck der Gemütsbewegung. Vielleicht ist dieses Knicksen aus dem
Bestreben hervorgegangen, besser zu sehen und sich zu verstecken.1893
Hausrothschwanz, Hausrothschwänzchen, Haus-Rothschwänzel: Der
rote, ständig zitternde Schwanz ist in vielen Bezeichnungen, die man für den
Vogel kennt, namensbestimmend. Der Vogel, ursprünglich in gebirgigen
Felsregionen beheimatet, hält sich gerne in der Nähe von Häusern auf, daher
der Name. Das „Hauß-Röthelein“ findet man schon bei GESSNER: „Dieser
wird ein HaußRöthelein genennet/ dieweil er bey den Häusern wohnet/ ein
Sommer-Röthelein/ weil er im Winter hinwegfliegt oder verborgen liegt; ein
Rotschwäntzlein/ von seinem Schwantz: deßgleichen ein Rothzägel/ Roth-
sterz.“1894 Zu GESSNERS Hinweis, das „Sommer-Röthelein“ liege im Winter
verborgen: Man glaubte zu der Zeit (und bis in das 19. Jahrhundert hinein),
dass viele Vögel nicht in den Süden ziehen, sondern bei uns Winterschlaf
abhalten, den sie, wie die Uferschwalbe, teilweise sogar im Schlamm unter
Wasser verbringen.
Hausröthling, Hausröthele: „Als schweizerischen Ausdruck nennt Gessner
noch Hußrötele, das er nach dem Aufenthalt des Vogels in der Nähe der Häu-
ser und Gärten erklärt.“1895
Schwarzer Rothschwanz, Blauer Rothschwanz, Schwarzer und blau-
er Rothschwanz: Den Namen hat BECHSTEIN aufgetan. In Thüringen
nenne man den Vogel „Schwarzer und blauer Rotschwanz“. BECHSTEIN
wiederholte den Ausdruck in dieser Form auch in späteren Ausgaben.1896
NAUMANN verstand den Ausdruck nicht so und machte daraus einen
„Schwarzen“ und einen „Blauen Rotschwanz“. Der Vogel ist überwiegend
grauschwarz bis schwarz und mag bei besonderem Licht auch einmal blau-
schwarz erscheinen.1897
Schwarzbäuchiger Steinschmätzer: Der Vogel ist dem nahe verwandten
Steinschmätzer (der eine helle Unterseite hat), noch ähnlicher als der Garten-

1893
GERLACH 1953, 35
1894
GESSNER/HORST 1669, 61b
1895
SUOLAHTI 1909, 43
1896
BECHSTEIN 1795, 607
1897
NAUMANN 1823, 3/ 525
322 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

rotschwanz. „Sitzend oder hüpfend biegt er die Fersengelenke nur wenig und
trägt dazu die Brust und den ganzen Vorderkörper erhaben, schüttelt dabei
in kurzen Zwischenräumen den Schwanz, und wenn er etwa Auffallendes er-
blickt, so macht er dazu schnelle Bücklinge. Dies alles giebt ihm ein keckes
Ansehen.“1898 Ein „-schmätzer“ sollte der Hausrotschwanz sein, weil auf einen
reinen Pfeifton gepaarte Rufe folgen, die manche Leute an Schmatzgeräusche
von Menschen oder Tieren denken ließen. So entstand für einige Vögel der
Name „Schwätzer“.1899
Sommerrothschwanz, Sommerrottele: „Den Namen Rötele teilt der Rot-
schwanz mit dem Rotkehlchen. Im Gegensatz zu diesem, dem Winterrötele,
heißt jener bei Gesner (1555) S. 699 Summerrötele, ‚weil er beim Heran-
nahen des Winters wegzieht oder sich versteckt‘.“1900 Der Hausrotschwanz ist
vor allem in Mittel- und Südeuropa zu Hause, wo er als Zug- und Standvogel
häufig vorkommt. Er ist, wie auch Rotkehlchen und Zaunkönig, als Winter-
sänger mit etwas Glück zu hören.
Stadtrothschwanz, Stadtrothschwänzchen, Stadtröthling: Der Name be-
deutet praktisch dasselbe wie Hausrotschwanz. Der Vogel ist auch in größeren
Siedlungen, in Städten zu finden ist. Der wetterfeste Hausrotschwanz ver-
bringt den Sommer ebenso gerne auf den Felszinnen des Hochgebirges wie
inmitten der Häuser einer Stadt.1901
Steinrothschwänzchen, Steinrothschwanz: Der Vogel ist ursprünglich ein
Felsenbewohner, wo man ihn auch häufig findet: An Geröllhalden, in Stein-
brüchen, an Felsküsten oder im Gebirge.
Waldrothschwänzchen, Waldrothschweif: NAUMANN wurde in der Vor-
rede zum ersten Band der Neuauflage zitiert, dass er mit Mühe und Vorsicht
die Synonyme gesammelt und zu ordnen versucht und dabei sein Möglichstes
getan habe.1902 Immer ist ihm das nicht gelungen, denn diese beiden Aus-
drücke passen nur zum Gartenrotschwanz, für den BREHM ersteren auch
verwendet hat.
Nachtrothschwanz: Der Hausrotschwanz ist auch nachtaktiv. Im Frühjahr
und Frühsommer fängt er vor dem Hellwerden an zu singen. Nachts kann
man ihn bisweilen auch hören, aber nur in hellen Nächten. Die Ankunft und
der Wegzug aus dem und in den Süden erfolgen ebenfalls nachts.1903

1898
NAUMANN 1823, 3/ 525
1899
HOFFMANN 1937, 39
1900
SUOLAHTI 1909, 42
1901
WÜST 1967, 48
1902
NAUMANN/HENNICKE 1905, 1/ IX
1903
BEZZEL 1993, 180
PASSERES – SINGVÖGEL 323

Gartenrotschwanz (Phoenicurus phoenicurus)


„Es ist dem Gartenrotschwanz nachgesagt worden, er sei ein Feind des Bie-
nenvolkes und richte an Bienenständen empfindlichen Schaden an durch
Wegfangen und Verspeisen der ein- und ausfliegenden Honigfabrikanten.
Das ist aber eine arge Übertreibung der Tatsachen und eine Verleumdung.
Zugegeben wird ohne weiteres, daß der auf dem Dachfirst oder an der Kante
der Gartenmauer sitzende Gartenrotschwanz wohl einmal ein vorübersum-
mendes Bienlein in übermütiger Jagdlust wegschnappt: das ist aber auch al-
les – und doch keine große Schädigung, am wenigsten die Ausübung einer
vernichtungsgierigen Feindschaft. Zugunsten des Angeklagten lesen wir in
Naumanns unanfechtbarem Vogelbuche: ‚Ein sehr erfahrener Bienenzüchter
versicherte, daß der Rotschwanz, der auf der schwäbischen Alb in keinem
Dorfe fehlt, nur kranke, mattfliegende oder krank und ruhig dasitzende Bie-
nen hole, daher an Bienenständen eher Nutzen als Schaden stifte.‘… Bei sol-
chen Zeugnissen muß wohl der Angeklagte freigesprochen werden.“1904
Gartenrothschwanz, Gartenrothschwänzchen, Gartenröthling: Der heuti-
ge Name des Vogels wurde erstmals von PERNAU in der Angenehmen Land-
lust (1720, 287) genannt.1905
Der Vogel hat den Namen wegen seines auffallenden, oft zitternden roten
Schwanzes und der roten Unterseite. Der Name „Garten-Rothschwäntzlein“
war bereits Anfang des 18. Jahrhunderts bekannt. Der Vogel brütet in Obst-
und Hausgärten, in Parklandschaften, lichten oder aufgelockerten Altholz-
beständen, an Waldrändern u. a.1906
„Eine weitere -chen-Namensgruppe umfaßt die verniedlichten Vögel. Sie sind
ausgesprochene Lieblinge des Menschen (…) und haben Schmeichelnamen
erhalten. Denn warum sonst sollte man den Rotschwanz und die Rotkehle
in das vertraute Rotschwänzchen und das heimelige Rotkehlchen wandeln?“
Der weniger bekannte, aber genauso schöne Seidenschwanz habe diese Na-
mensendung nicht.1907
Waldrothschwanz, Waldrothschwänzchen, Waldrothschweifel, Baum-
rothschwanz, Baumröthlein: Der Gartenrotschwanz brütet in aufgelo-
ckerten Altholzbeständen, an Waldrändern, in Parkanlagen, auch Obst- und
Hausgärten, auch in Nisthöhlen.

1904
KÖHLER 1907, 19
1905
STRESEMANN 1941, 85
1906
BEZZEL 1993, 185
1907
CARL 1995, 257
324 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Schwarzkehliger Steinschmätzer: Der Vogel sitzt sehr aufrecht, ähnlich wie


der nahe verwandte, kaum größere Steinschmätzer, der eine helle Kehle hat.
Den Namen hat ihm NAUMANN gegeben.1908
Auf einen reinen Pfeifton folgen gepaarte Rufe, die manche Leute an Schmatz-
geräusche von Menschen oder Tieren denken ließen. So entstand für einige
Vögel der Name „Schwätzer“ (s. Hausrotschwanz).1909
Sommerröthele: „Den Namen Rötele teilt der Rotschwanz mit dem Rot-
kehlchen. Im Gegensatz zu diesem, dem Winterrötele, heißt jener bei Gesner
(1555) S. 699 Summerrötele, ‚weil er beim Herannahen des Winters wegzieht
oder sich versteckt‘.“1910 (s. o.)
Bienenschnappe: In Preußen nannte man den Vogel „Bienenschnapp“, im
Elsass „Immenbicker“.1911 „Das Röthelein isset die Bienen/ wie Bellonius
schreibt.“1912 Siehe dazu die Einleitung von KÖHLER.
Fritzchen: In dem Buch „Versuch einer Naturgeschichte von Livland“ von J.
B. FISCHER findet man folgenden Eintrag: „Erizchen, Rothbäuchlein. M.
Phoenicurus. L. lett. Erizkins, ein bekanntes Singvögelchen mit rother Brust
und Kehle.“ Vom lettisch-deutschen „Erizchen“ zu „Fritzchen“ ist nur ein
kleiner Schritt.1913

Wüstensteinschmätzer (Oenanthe deserti)


Neben einem kurzem Singflug von etwa 5 sec Dauer gibt es einen davon
in Höhe und Reichweite „abweichenden Schauflug, in dem das Männchen
meist 8–10 m, aber auch so hoch aufsteigt, daß es den Augen des Beobachters
entschwindet. Es fliegt dann mit gemessenem Flügelschlag weite horizontale
Bogen, steigt plötzlich kurz hoch, bleibt einen Augenblick in der Luft stehen,
stürzt anschließend mit angelegten Flügeln und leicht gespreiztem Schwanz
einige Meter abwärts und setzt den Bogenflug bis zum neuen Aufsteigen fort.
Der Kreisflug erfolgt stumm, mit dem Aufsteigen setzt die Trillerstrophe ein
und der Absturz wird von gezogenen ‚ij-jü ij-jü … ‘ begleitet.“1914

1908
NAUMANN 1823, 3/ 510
1909
HOFFMANN 1937, 39
1910
SUOLAHTI 1909, 42
1911
SUOLAHTI 1909, 47
1912
GESSNER/HORST 1669, 60b
1913
FISCHER 1778, 102
1914
GLUTZ VON BLOTZHEIM/BAUER 1988, 11/ 643
PASSERES – SINGVÖGEL 325

Wüstensteinschmätzer: Der Wüstensteinschmätzer brütet in wechselnden


Höhenlagen in einem ausgedehnten, von der Westsahara bis China reichen-
den Gürtel von Tiefland- und Hochgebirgs-Halbwüsten.
Hinter dem beige-weißen, im Flug leuchtenden Bürzel ist der Schwanz fast
vollständig schwarz. Die Schwingen sind grauschwarz und der Flügelbug hell.
Beim Weibchen sind die Flügeldecken weiß gesäumt. Das Schwarz des männ-
lichen Prachtkleides zieht von Gesicht und Kehle zu den Flügeln. Oberkopf
und Rücken sind sand-ockerfarben.
Es gibt in Deutschland 4 Nachweise auf Helgoland aus den Jahren 1855,
1856, 1880 und 1970.1915

Steinschmätzer (Oenanthe oenanthe)


„Auf meiner Reise nach Island [1819] kam ein Weibchen dieser Species in
einem Sturm, 30 Meilen von allem Lande, im atlantischen Meere zu uns,
und setzte sich ermüdet auf das Schiff. Tages darauf verschwand es, der Wan-
derungstrieb führte es stets nach Norden, aber Gegenwind trieb es wieder
nach unserm Schiffe zurück; endlich verschwand es ganz. Indem diese kleinen
Geschöpfe den stark wirkenden Gesetzen des Wanderungstriebes gehorchen,
und sich über unermeßliche Meere wagen müssen, werden sie oft eine Beute
der rasenden Elemente.“1916
Steinschmätzer, Steinschmatzer: Er fliegt von einem Stein zum anderen und
gibt dabei schmatzende, schnalzende Laute von sich.1917 „…bückt sich im
Sitzen beständig, breitet den Schwanz aus, ruft hit hit und läßt einen schmat-
zenden Ton hören, singt auch ein wenig, aber ziemlich krächzend. Er nistet
nur einmal in Steinhaufen, Steinbrüchen…“1918
„Schmätzer, (Singvogel Oenanthe) Vogel, der schmatzende Laute (‚tack‘) er-
zeugt.“1919 Der Vogel brütet in offenem, steinigem, felsigem Gelände, Ge-
birgsgegenden usw.
Großer Steinschmätzer, Größerer Steinschmätzer, Graurückiger Stein-
schmätzer, Grauer Steinschmätzer: Oenanthe oenanthe ist wie andere Stein-
schmätzer etwa sperlingsgroß, wirkt im Freien aber meist deutlich größer.1920
Im männlichen Prachtkleid sind Nacken und Rücken aschgrau. „Großer

1915
GLUTZ VON BLOTZHEIM/BAUER 1988, 11/ 640
1916
FABER 1822, 18
1917
VOIGT 1835, 194
1918
OKEN 1837, 44
1919
Carl 1957, 237
1920
BEZZEL 1995, 398
326 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Steinschmätzer“ war der Leitname von BECHSTEIN, „weil er der größ-


te unter den drey inländischen Arten ist“1921, „Grauer Steinschmätzer“ war
NAUMANNS Leitname.1922
Weißkehlchen, Weißkehlchen mit schwarzen Backen: Die Kehle, die noch
etwas ausbleichen kann, ist eher gelb-beige als weiß. Die Unterseite ist weiß-
lich. Die „schwarzen Backen“ sind schwarze „Augenmasken“.1923 Den zweiten
Namen brachte BECHSTEIN nur 1802 im Ornithologischen Taschenbuch.
Die „schwarzen Backen“ konnte er bei FRISCH finden.1924
Die Bezeichnung „Weißkehlchen“ (für den Steinschmätzer) findet man in
allen Werken BECHSTEINS. Eine frühere Quelle ist MÜLLER 1773, nach
dem der Name zu seiner Zeit bekannt war.1925
Weißschwanz, Weißbürzel, Weißschwänziger Steinschmätzer, Weiß-
schwanziger Steinschmätzer, Weißschwänziger Steinsänger: Der Bürzel
und die Schwanzbasis sind auffallend weiß und heben sich scharf von dem
breiten schwarzen Schwanzende und der schwarzen Schwanzmitte ab.1926
„Weißschwänziger Steinschmätzer“ ist der Leitname bei BECHSTEIN.1927
„‘Der ganze untere Bauch, so wie auch der Bürzel oben und unten und ein
Theil des Schwanzes, sind weiß; daher er den Zunahmen des Weißschwanzes
erhalten hat.‘“1928
Weißgeschwänzte Bachstelze: Steinschmätzer gehörten auch zu den „Mota-
cilliden“, also den Bachstelzenartigen des 18. Jahrhunderts. LINNÉ bezeich-
nete den Steinschmätzer 1758 als „Motacilla oenanthe“. „Sie gleichen ziemlich
den Bachstelzen.“ Er „wippt wie die Bachstelzen stets mit dem Schwänzchen
(s. u.).“1929
Steinelster: Der Name kommt vom Lebensraum und von den auffälligen
schwarzen und weißen Gefiederteilen des Vogels.
Bergnachtigall, Steinsänger, Steinquaker, Steinquäker: Der Gesang, oft
von erhöhtem Platz oder in kurzem Singflug, besteht aus explosiven, schnel-

1921
BECHSTEIN 1795, 640 + 1807, 3/ 676
1922
NAUMANN 1823, 3/ 363
1923
SVENSSON/GRANT/MULLARNEY/ZETTERSTRÖM 1999, 264
1924
BECHSTEIN 1802, 218 und FRISCH 1760, 147
1925
MÜLLER 1773, 609
1926
BEZZEL 1995, 398
1927
BECHSTEIN 1807, 3/ 675
1928
BELON, um 1555 in: BUFFON/OTTO 1791, 16/ 5
1929
TSCHUDI 1853, 88
PASSERES – SINGVÖGEL 327

len, hart zwitschernden und knirschenden Strophen, variierend, mitunter


spottend.1930
Der Gesang ist bei den Steinschmätzern von nicht langer Dauer. „Alle stim-
men in schmatzenden oder schnalzenden Lock- und Angsttönen überein,
welche sie mit unaufhörlichen Verbeugungen begleiten und zwar außer der
Heckzeit selten, während derselben jedoch oft hören lassen … Diese Stimme
und der Aufenthalt der meisten haben den deutschen Namen der Gattung
veranlaßt.“1931
„Der Weißschwanz, im [schweizerischen] Simmenthal Bergnachtigall ge-
nannt, der größte von unsern Steinschmätzern … ist flink und kräftg, scheu
und vorsichtig und wippt wie die Bachstelzen stets mit dem Schwänzchen.
Wenn er seinen kurzen, halb krächzenden Gesang zum Besten geben will,
setzt er sich auf einen Stein oder Zaun und fliegt schief ansteigend oft hoch in
die Luft, eigenthümlich aufflatternd, um sich wieder überpurzelnd auf seinen
frühern Standort herabzustürzen.“1932
Steinschwacker, Schwacker: „Schwack“, Schwacke“ ist der Ansatz einer Peit-
schenschnur, der das knallende Geräusch hervorbringt. Das passt zu der Be-
schreibung des Gesanges, die SVENSSON, s. o., als teilweise explosiv, schnell,
hart zwitschernd beschrieb.1933
Steinbeißer: PERNAU schrieb 1702 in der 1. Ausgabe der späteren Angeneh-
men Landlust: „Wann der Nahme Steinbeisser mir nicht im Weeg stünde/ der
ihm gar nicht zukommt/ und ihm doch muß gelassen werden/ weil er unter
keinen andern bekannt ist; …“1934
Großer Steinfletschker, Steinfletschker, Steinkletsche, Steinklatsche,
Steinklitsch, Kletsch Steinpatsche, Steinschmatz, Steingall, Steinpicker,
Steinbeisser (s. o.): Alle Namen erhielt der Vogel wegen der schmatzenden
oder fletschenden Laute, welche er von sich gibt. „Steinfletschker“ stammt
aus dem Anhalter Dialekt. „Steinschmatz“ ist als „Stainschmatz“ nachweis-
bar bis zu Hans SACHS. „Steinklatsche“ ist seit 1746 bekannt. „Steinpicker“
kann aus den kurzen harten „tök-tök“-Rufen erklärt werden. „Steinklatsche“
stammt laut BECHSTEIN aus Thüringen.1935 – Die für die Steinschmätzer-
namen übliche Vorsilbe „Stein-“ sollte man bei der Beurteilung dieser Aus-
drücke ausblenden.

1930
SVENSSON/GRANT/MULLARNEY/ZETTERSTRÖM 1999, 264
1931
GLOGER 1834, 192
1932
TSCHUDI 1853, 88
1933
GRIMM/GRIMM 1984, 15/ 2167
1934
PERNAU 1702, 85
1935
SUOLAHTI 1909, 49 und Hans SACHS 1531, V. 174 und BECHSTEIN 1807, 3/ 676
328 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Gelbbrüstiger Fliegenschnäpper, Gelbbrüstiger Fliegenvogel mit ober-


halb weißem Schwanze: Der zweite Ausdruck stammt von FRISCH um
1738 („… mit oberhalb Weissen Schwantz.“).1936 Die Namen entstammen
dem Nahrungserwerb. Der Vogel schnappt nach fliegenden oder auf dem
Boden laufenden Insekten. Der erste Name könnte eine Ableitung vom
FRISCH-Ausdruck sein: Er findet sich zuerst bei BECHSTEIN.1937
Sommervogel: In der NAUMANNIA erschien von J. JÄCKEL ein Verzeich-
nis der Trivialnamen der bayerischen Vögel, in das der Verfasser nach eigenen
Worten nur Volksnamen aufgenommen hat. Für Saxicola oenanthe erschien
u. a. ein „Sommervogel“, den A. BREHM übernommen hat. Sonst taucht der
Name in der gängigen Literatur für den Steinwälzer nicht auf. Er ist einfach
zu deuten, denn der Steinschmätzer überwintert von Oktober bis März im
tropischen Afrika. Rätselhaft bleibt die Ursache des Namens, denn er würde
für alle Zugvögel passen.1938
Todtenvogel: Dieser für den Steinschmätzer unerklärliche Name steht bei
BREHM. Sonst konnte keine weitere Quelle aufgespürt werden. Nach
BECHSTEIN nannte man z. B. das Braunkehlchen „Totenvogel“, weil
es „sich des Nachts hören läßt, welches abergläubische Leute für ein böses
Zeichen halten.“ Andere Totenvögel waren, aus verschiedenen Gründen so
genannt, Sperlings- und Steinkauz, Grau- und Trauerschnäpper, Birkenzei-
sig, Mauerläufer oder Seidenschwanz. Für den Steinschmätzer können nur
die schwarzen und weißen Gefiederteile namensgebend gewesen sein. In
BREHMS erster Ausgabe (1866) fehlte dieser Ausdruck noch.1939

Mittelmeersteinschmätzer (Oenanthe hispanica)


Mittelmeersteinschmätzer gibt es in den Mittelmeerländern Europas, in der
Türkei südlich des Schwarzen Meeres bis Ostasien und im westlichen Nord-
afrika bis West-Lybien. Auf den Mittelmeerinseln kommt er, bis auf Kreta,
nicht vor (weitere Vorkommen siehe Fachliteratur). Man unterscheidet zwei
Subspezies, die auch schon als Arten angesehen werden: Oenanthe hispani-
ca hispanica (LINNÉ 1758), im Westen bis Italien vorkommend, hat einen
rotocker-sandfarbenen Oberkopf und Rücken. Die östliche O. h. melanoleu-
ca (GÜLDENSTÄDT 1775) ist auf dem Oberkopf und dem Rücken weiß

1936
FRISCH 1763, T. 22
1937
BECHSTEIN 1802, 218
1938
NAUMANNIA 1853, 391 + A. BREHM 1879, 5/ 145
1939
BREHM 1879, 5/ 145
PASSERES – SINGVÖGEL 329

bis weiß-gelblich sandbeige gefärbt. Beide (Sub-)Spezies haben hell- und


schwarzkehlige Morphen, die jeweils nebeneinander leben.1940
Weisslicher Steinschmätzer, Schwarzkehliger gelber Steinschmätzer:
NAUMANN nannte den Vogel „Weisslicher Steinschmätzer – Saxicola. sta-
pazina. Temm.“
„Dieser Steinschmätzer wurde sonst als Spielart zum vorher beschriebenen
[Saxicola oenanthe. Bechst.] gezählt; allein schon die ganz andere Kopf-
zeichnung charakterisirt ihn als eigene Art.“ Nach der Kennzeichnung der
schwarzen Gefiederteile (Kehle, Schwanzende, Flügel) folgte: „Alles Uebrige,
Scheitel, Nacken, Rücken, Brust, Bauch u.s.w. ist weiß, auf dem Hinterhalse,
Oberrücken und an der Oberbrust mehr oder weniger rostgelb angeflogen.“
NAUMANN hatte die schwarzkehlige Morphe von „Oenanthe hispanica
melanoleuca“ beschrieben, der er den deutschen Namen „Weisslicher Stein-
schmätzer“ gab. Ob NAUMANN von GÜLDENSTEIN (s. o.) wusste, der
den Vogel schon 1775 beschrieben hatte, also vor TEMMINCK, ist nicht
bekannt.1941
Rostgelber Steinschmätzer, Röthlicher Steinschmätzer, Röthlicher
Weissschwanz: C. L. BREHM nannte den Vogel „Rostgelber Steinschmät-
zer“ ( Saxicola stapazina) und mit Beinamen „Röthlicher Steinschmätzer“
nach dem rostfarben überflogenen Hinterhals und Rücken. Vor allem aber:
„Nach der Herbstmauser ist der Oberkörper tief röthlichgrau, das Schwarz an
dem Vorderhalse und den Flügeln mit roströthlichem Federsaume, die Brust
roströthlich und der übrige Unterkörper roströthlichweiß.“1942
Der Begriff „Röthlicher Weissschwanz“ erschien 1822 als Leitname für S. sta-
pazina in MEYERS „Zusätzen“ und wurde von NAUMANN als Beiname
übernommen.1943
Weissrückiger Weissschwanz: Das Weiß des Schwanzes geht in das Weiß
des Bürzels über, welches wiederum etwas weiter den Rücken hinauf reicht.
Die schwarze Schwanzspitze ist ungleich breit. Außerdem ist an der Schwanz-
außenseite mehr und in der Schwanzmitte weniger Schwarz als z. B. beim
Steinschmätzer.1944
Schwarzöhriger Steinschmätzer, Ohrensteinschmätzer: „Schwarzöhriger
Steinschmätzer“ erschien ebenfalls 1822 im MEYER/WOLF und wurde

1940
BEAMAN/MADGE 1998, 613, AVIBASE 2011 u. a.
1941
NAUMANN 1823, 3/ 879 + T. 90
1942
C. L. BREHM 1823, 310
1943
MEYER/WOLF 1822, 3/ 98
1944
SVENSSON/GRANT/MULLARNEY/ZETTERSTRÖM 1999, 266
330 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

„Saxicola aurita“ genannt, was „Ohrensteinschmätzer“ (Leitname bei C. L.


BREHM) bedeutet. „Wangen, Augen- und Ohrengegend schwarz, … , Kopf,
Kehle, Vorderhals, Steiß und der gesamte Unterleib weiß“ bedeutet, dass hier
die hellkehlige Morphe gemeint ist. Eine Aufteilung in die beiden Unterarten
erfolgte auch hier nicht.1945
Röthelsteinschmätzer: BREHM führte statt eines Mittelmeersteinschätzers
den „Röthel- oder Ohrensteinschmätzer“, „Saxicola rufescens, aurita“ und be-
schrieb die Gefiederfarbe u. a. mit „unterseits grau röthlichweiß“. Dann folgte
noch: „Das Weibchen ist düsterer und mehr rostroth gefärbt“.1946

Nonnensteinschmätzer (Oenanthe pleschanka)


Der Vogel ist verbreitet in einem Gebiet vom Schwarzen Meer über die Innere
Mongolei bis Nordostchina. Eine Unterart, Oenanthe pleschank cyprica, lebt
isoliert auf Zypern. Sie wird von „einigen Autoren“ als „full species: Oe. cypri-
aca“ anerkannt (AVIBASE 2011).
Der Vogel ist ein Fernzieher. Die östlicheren Populationen legen einen Zug-
weg von 7000–8000 km zurück, um in einem relativ kleinen Gebiet von
SW-Arabien bis Ostafrika (Somalia, Äthiopien, Sudan) zu überwintern.1947
Schäckiger Steinschmätzer: Unter diesem Namen führte C. L. BREHM den
Vogel. „Schäckig“ bedeutet hier „verschiedene Farben“, bei diesem Vogel sind
es vor allem Schwarz und Weiß. Das schwarze Gesicht, die schwarzen Rücken
und Flügel, die fast weiße Unterseite mit beigefarbener Brust, der weiße Bür-
zel mit dem schwarz-weißen „Steinschmätzerschwanz“ und die weiße Kopf-
kappe.1948

Trauersteinschmätzer (Oenanthe leucura)


Die erste Unterart „Oenanthe leucura leucura“, 1789 von J. F. GMELIN be-
schrieben, lebt auf der Pyrenäenhalbinsel und im südlichsten Frankreich. Die
zweite, Oenanthe leucura syenitica, 1869 von HEUGLIN beschrieben, ist über
Nordwestafrika östlich bis Nordwest-Libyen verbreitet. „Der Jahresvogel be-
wohnt Felswüsten und Gebirge. Das Nest wird in Höhlen zwischen Felsen
gebaut. Es besteht aus dicht zusammengeflochtenen Grashalmen und Würzel-

1945
MEYER/WOLF 1822, 3/ 98 und C. L. BREHM 1823, 311
1946
BREHM 1879, 5/ 145
1947
GLUTZ VON BLOTZHEIM/BAUER 1988, 11/ 593 + 600
1948
C. L. BREHM 1823, 313
PASSERES – SINGVÖGEL 331

chen, die im Inneren sorgfältig mit Ziegenhaaren ausgefüttert sind. Häufig ist
der Eingang durch einen kleinen Wall von Kieselsteinen geschützt.“1949
Trauersteinschmätzer: Bis auf den Bürzel ist das Gefieder schwarz wie eine
Trauerkleidung. Der Hinterkörper ist unten und der Bürzel ist weiß, der
Schwanz am Grunde auch. Schwanzende und -mittelteil sind schwarz, wie
beim Steinschmätzer Oenanthe oenanthe.
Lachender Steinschmätzer: Der Name stammt von OKEN, der den Vogel
nach „Saxicola cachinans, Temm.“ benannte. Der Erregungsruf ist ein hohes
„pie-pie-pie“, „krirr“ oder „hihihihi“. Ein Lachen konnte sonst nirgends be-
stätigt werden, weshalb GMELINS Bezeichnung „Oenanthe leucura“ (Weiß-
schwanz) sinnvoller ist.1950

Braunellen – Prunellidae
Die kleinen spitzschnäbeligen Sperlingsvögel halten sich viel am Boden oder
in niedriger Vegetation auf, wo sie in geduckter Haltung nach Nahrung su-
chen. Ihr Gefieder ist meist braun, beige, grau und schwarz.1951

Alpenbraunelle (Prunella collaris)


„Ihre Lieblingsaufenthalte sind die rauhen, steinreichen Hochtriften oder
Grünfelder zwischen Holz- und Schneegrenze, durchschnittlich aber zwi-
schen vier und sechstausend Fuß über dem Meere. Im Winter verläßt sie die
höheren Gürtel, geht auf die Vorberge in die Alpenthäler und selbst in das
nahe Tiefland hinab, hält sich gern zu den Heuställen und sucht den Heu-
samen auf oder die Obstträberhaufen, um die Kerne hervorzupicken. Sowie
aber die Höhen nur einigermaßen frei sind, zieht sie sich wieder zu ihrem
Lieblingsaufenthalt zurück, wo sie mit ihrem kurzstrophigen, lerchenartigen,
klaren, flötenden Gesang die öden Felsen melodisch belebt.“1952
Alpenbraunelle: Das Wort „Braunelle“ war im 16. Jahrhundert schon wei-
ten Kreisen bekannt: Hans SACHS erwähnt 1531 im Regiment der anderhalb
hundert Vögel das „Praunellen“. In der Angenehmen Landlust 1720 findet man
das „Braunellein“ („Hat den Namen von der Farb.“) ebenso wie 1743 bei

1949
http://de.wikipedia.org/wiki/Trauersteinschmätzer, Stand: 11.2011
1950
OKEN 1843, 7 und http://de.wikipedia.org/wiki/Trauersteinschmätzer, Stand: 11.2011
1951
SVENSSON et al. 2011, 274
1952
BREHM 1866, 915
332 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

ZORN: „ … hat den Nahmen von der dunkelbraunen Farbe. Ist auch ein
Gewürm- und Fliegenvogel.“1953
GESSNER hatte geschrieben, dass „unsere Weydleut“ kleine Vögel wegen
ihrer Farbe „prunellen“ nennen würden.1954
Der Name „Braunelle“ kommt aus dem alt- und mittelhochdeutschen Wort
brūn oder brûn, für das braune Gefieder. Wahrscheinlich wurde der wissen-
schaftliche Gattungsname „Prunella“ aus dem Deutschen latinisiert.1955
Obwohl die reichliche Literatur, die zur Verfügung stand, keine Antwort gibt,
kann man davon ausgehen, dass der Name „Alpen“-braunelle“ ebenso wie
„Hecken“-braunelle“ von NAUMANN stammt, denn vor 1823 gab es zwar
die „Braunelle“, aber keinen Namen „Alpenbraunelle“.1956
In den Alpenregionen, besonders in der Schweiz, dominierten andere Na-
men. BREHMS „Alpenflüevogel“ ist ein Beispiel, OKENS „Blüttling“ und
BUFFON/OTTOS „Alpengrasmücke“ sind andere.1957 Etliche weitere sind
aus dem Folgenden zu ersehen.
Alpenflüevogel, Alpenfluevogel, Flüevogel, Fluhvogel: „Fluhe“ (Flüe, Flue,
Fluh) ist ein nur im Oberdeutschen, besonders der Schweiz übliches Wort.
Dabei handelt es sich um eine Steinmasse, welche sich in beträchtlicher Breite
oder Höhe erstreckt und auch als Flötz bezeichnet werden kann. Man findet
Quarz- und Sandsteinfluhen. Eine Fluhe kann auch ein Fels, eine Felswand
sein.1958
Die Alpenbraunelle ist ein Vogel der Hochgebirge. In Mitteleuropa findet
man sie in den Alpen, den Karpaten und den Sudeten. Ihr Lebensraum im
Hochgebirge sind sonnige Felshänge oberhalb der Baumgrenze. Auch auf fel-
sigen alpinen Matten kann man sie sehen. Ihr Verbreitungsgebiet liegt zwi-
schen 1500 und 3000 Meter NN. Sie liebt felsiges Gelände und hält sich
meist auf dem Boden auf. Bei Gefahr versteckt sie sich in Felsspalten, unter
überhängenden Steinen oder im Dickicht von Latschenkiefern (o. Qu.).
Der typische Hochgebirgsvogel, der bis zur Schneegrenze vorkommt, weicht
nur im Winter in tiefere Lagen aus. Dann zeigt sich die Alpenbraunelle auch
in Bergdörfern oder bei Skihütten.

1953
SUOLAHTI 1909, 86 und Hans SACHS 1531, V. 119 und PERNAU 1720, 107 und ZORN 1743,
390
1954
SPRINGER 2007, 337
1955
SUOLAHTI 1909, 86
1956
NAUMANN 1823, 3/ 940
1957
BREHM 1866, 914 und OKEN 1837, 52 und BUFFON/OTTO 1791, 15/ 183
1958
ADELUNG 1796, 2/ 230
PASSERES – SINGVÖGEL 333

Alpenlerche, Steinlerche, Flüelerche, Flühelerche: Der Name „Alpenler-


che“ wurde nicht einheitlich aufgefasst. Man verstand darunter nicht nur die
zeitweise „Accentor alpinus, Bechst.“ genannte Alpenbraunelle, sondern vor
allem „Alauda alpina“, die nordische Ohrenlerche.1959
„Der Alpenflüevogel, welcher die Sippe der Flüelerchen ( Accentor) vertritt,
hat mit einer Lerche wirklich große Ähnlichkeit." Sie hat „einen angenehmen,
dem der Feldlerche ähnlichen, lang anhaltenden Gesang, aber noch heller“.1960
„Er ist ein Berg- doch kein Alp-Vogel, und hält sich auf den an die Alpen
gränzenden Mittelgebürgen auf; nistet daselbst auf der Erde, oder auch in den
Rizen und Löchern der Felsen, daher er bei uns, obwol unrecht, Flühelerche
heisset.“1961
„Ein eigentlicher Alpenvogel“ widersprachen MEISNER/SCHINZ.1962
Alpengrasmücke: „Alpengrasmücke“ war der Leitname bei BUFFON/
OTTO. „Man findet den Vogel auf den Alpen und den hohen Bergen, der
wenigstens die Größe eines grauen Ammers hat und folglich alle Grasmücken
an Größe weit übertrifft, er nähert sich aber ihrem Geschlecht durch so viele
Kennzeichen, daß wir ihn nicht davon trennen dürfen.“1963
„Dieser Vogel ist in der Schweiz und anderen Gebirgsgegenden wegen seines
angenehmen melancholischen Gesangs beliebt, und wird dort häufig in den
Stuben gehalten. Er gehört zu den Sängern (Motacillen), und hat also die
Geschlechtkennzeichen derselben.“1964
Zur Familie der „Motacillen“ gehören die Braunellen heute nicht mehr, und
auch die Grasmücken bilden eine eigene Familie, die „Sylviidae“.
Bachstelze der Alpen: Linné hatte den Vogel 1758 „Motacilla modularis“ ge-
nannt und ihn damit zu den Bachstelzen (Motacillidae) geordnet.1965 Zu den
sog. „Motacillen“ zählte man im 18. Jahrhundert noch eine Reihe anderer
Vogelgruppen, so auch die Grasmücken, Nachtigallen, Sänger, Zaunkönige.
Die „Bachstelze der Alpen“ wurde schon bei BUFFON/OTTO erwähnt. „Sit-
zend wippen sie dem Schwanze, bewegen wohl auch die Flügel und machen

1959
TSCHUDI 1853, 85 oder BREHM 1866, 265
1960
BREHM 1866, 914 und VOIGT 1835, 210
1961
ANDREAE 1776, 203
1962
MEISNER/SCHINZ 1815, 127
1963
BUFFON/OTTO 1789, 15/ 141
1964
LIPPOLD/FUNKE Lexikon 1801, 1/ 62
1965
ADELUNG 1793, 1/ 1165
334 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

dazu schnelle Verbeugungen“. Das Schwanzwippen war damals ein Merkmal


für die Zuordnung zu den Bachstelzen.1966
Alpenstar, Halsbandstar, Star mit dem Halsbande: In Briefen aus der
Schweiz, nach Hannover geschrieben äußerte sich J. G. R. ANDREAE: Die
Flüelerche „ist den meisten Ornithologen unbekant. Unser Conrad Geßner,
die Zierde unseres Vaterlandes, hat zwar denselben [Vogel] schon gekant, in
dem Anhang seiner Ornithologie ‚p. 725. Edit. Francofurt‘ einige Nachricht
davon gegeben, und mit der Aufschrift ‚Avis Kyburgensis‘, zwar schlecht,
doch kennbar genug abgebildet. Nach diesem herschet ein allgemeines Still-
schweigen von diesem Vogel, auch selbst bei Brisson, welcher mit so grossem
Fleiß alles aus seinen Vorgängern gesammelt hat, bis daß Scopoli denselben
unter dem Namen ‚Sturnus collaris‘ [was heißt: Star mit dem Halsbande]
in ‚Ann.1. Hist. Nat. p. 131‘ … Meldung gethan“ hat. In England hieß die
Alpenbraunelle damals auch „The collared Stare“.
Das „Halsband“ ist ein zart hell gesprenkelter Fleck unter dem Schnabel in
der Kehlmitte.1967
Bergspatz, Fluhspatz, Bergvogel: Diese Namen waren lokal in der Schweiz
verbreitet, „Fluhspatz“ in Luzern, „Bergspatz“ in Appenzell. Die Alpenbrau-
nelle wurde so genannt, weil sie ähnlich den Spatzen die Gewohnheit hatte, in
kälteren Zeiten bei den Ställen die Heureste zu durchsuchen.1968
„Bergvogel“ ist ein Kunstname für die Alpenbraunelle, der von Alfred
BREHM stammt.1969
Bergtrostel: Trostel bedeutet Drossel. Man hatte Ähnlichkeiten mit Drosseln
gesehen, vielleicht auch wegen des drosselähnlich empfundenen melodischen
Gesanges. Für die Alpenbraunelle findet man den Namen nur bei NAU-
MANN. „Bergtrostel“, „Berdrossel“ waren vor allem Drosselbezeichnungen,
wie z. B. für die Rotdrossel bei BECHSTEIN.1970
Gadenvogel: Die Alpenbraunelle war ein „Gadenvogel“, weil sie im Winter
zu den Gäden, den Viehställen fliegt. Das Wort „Gaden“ bedeutet in den
Alpenländern außer Stall, auch einräumiges Haus, Sennhütte, Schuppen. Die
Alpenbraunelle kommt im Winter aus höhergelegenen Berggebieten zur Nah-
rungssuche zu Heuställen der Alpentäler.1971

1966
BUFFON/OTTO 1789, 15/ 141 und FRIDERICH 1849, 138
1967
ANDREAE 1776, 202
1968
TSCHUDI 1856, 301
1969
BREHM 1866, 914
1970
BECHSTEIN 1802, 147
1971
Alpina: E. Schrift d. Genauern Kenntniß d. Alpen gewidmet – 1806, Band 1 – Seite 227
PASSERES – SINGVÖGEL 335

Blüttling, Blüttlig: „Blütter“ ist etwas wie Schlamm, „Matsch“ auf Straßen,
Kuhfladen, wo die Vögel – im Winter – nach Nahrung suchen. Die Benen-
nung „Blüttling“ kommt aus „Bündten“. „Blüttling“ bedeutet inhaltlich etwa
soviel wie „Gadenvogel“.1972
Blümtvogel, Blümtlerche, Blümthürlig, Blumthürlig, Blumtüteli, Blum-
trittli: Die Alpenbraunelle hieß im Berneroberland „Blümtvogel oder Blum-
thürlig“. Unter Blümt, Heublümt versteht man die Heusämchen, die die Vö-
gel im Winter in der Nähe von Ställen gerne fressen.1973 Hürlig (Heuerling)
ist ein kleiner (weil junger) Fisch, aber auch wohl ein kleiner (weil junger)
Mensch, sodass der Begriff wohl auch auf einen kleinen Vogel ausgeweitet
werden kann, der Blümt frisst (versch. Quellen).
Spitzvogel: Dieser Name stammt, wie „Bergvogel“, von Alfred BREHM.
BREHM erklärte beide Namen nicht. Da er kurze Bezeichnungen bevor-
zugte, sie durch Umformen auch selber bildete, darf vermutet werden, dass
„Spitzvogel“ auch so ein Kunstname ist, der sich auf den spitzen Schnabel
beziehen könnte.1974

Heckenbraunelle (Prunella modularis)


„Die Heckenbraunelle nistet auf vielen Friedhöfen und Fichtenschonungen.
Aber die meisten Menschen verkennen diesen Vogel und halten ihn für einen
Spatzen. Das Gefieder hat allerdings einige Ähnlichkeit, doch ist der Schna-
bel kein Kegel, sondern ein Pfriemen; die Kehle und die Brust sind bleigrau,
der Kopf ist schmal, die Gestalt schlank: wenn man genauer hinsieht, bleibt
nichts Spatzenhaftes. Trotzdem wird die in Großbritannien heimische Unter-
art „Hedge-sparrow“, Heckensperling genannt.“1975
Braunelle, Braunel, Braunelchen, Braunellichen, Brunellchen, Prunel-
le, Prunellert: Das Wort „Braunelle“ wurde bei der Alpenbraunelle erklärt.
„Braunelle“ war schon im 16. Jahrhundert bekannt und erschien als „Prunel-
len“, „Praunellen“ oder „Braunellein“ bei GESSNER, Hans SACHS, PER-
NAU und ZORN. Weiteres s. o.
Der Name kommt aus dem alt- und mittelhochdeutschen Wort brūn oder
brûn, für das braune Gefieder. Wahrscheinlich wurde der wissenschaftliche
Gattungsname „Prunella“ aus dem Deutschen latinisiert.1976

1972
STALDER 1812, 1/ 194
1973
STALDER 1812, 1/ 194
1974
BREHM 1866, 914
1975
GERLACH 1953, 32
1976
SUOLAHTI 1909, 86
336 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

„Ein Zusammenhang zu lat. prunus = Pflaumenbaum ist eher unwahrschein-


lich, weil sich die Braunelle typischerweise gar nicht in Obstbäumen auf-
hält.“1977
Heckenbraunelle: NAUMANN erweiterte das ältere Wort „Braunelle“ zu
„Heckenbraunelle“. Dabei scheint sich NAUMANN der Vorlage von MEY-
ER bedient zu haben, denn bereits 1822 erschien dort der „Heckenflüevo-
gel“.1978
Schieferbrüstiger Flüevogel, Schieferbrüstiger Fluevogel, Waldflüevogel:
Die Bezeichnung „Fluh“, auch „Fluhe“ und „Flüh“ (verkleinert Flühli), „Flü-
he“ (verkl. Flüheli) sowie alemannisch „Flue“, seltener „Flueh“ und „Flüe“
(verkl. Flüeli, auch Flieli) stehen für „Felsen, Felswand oder Felsgipfel“, auch
„Felsabbruch“.1979
Namen, in denen „Fluevogel“ vorkommt, waren im 18. Jahrhundert eher sel-
ten. Erst Anfang des 19. Jahrhunderts verbreiteten sie sich wie Modebegriffe.
Den Anfang machten MEYER/WOLF, es folgten u. a. C. L. BREHM, NAU-
MANN, OKEN, dann viele weitere.
Die hier angeführten Ausdrücke erwecken den Anschein als sei die Hecken-
braunelle ein Gebirgsvogel, der sie teilweise auch ist. Sie ist über ganz Euro-
pa und darüberhinaus verbreitet. Die bleigraue Färbung von Kopfteilen und
Brust kennzeichnen den sonst überwiegend braun gemusterten Vogel.
Bleikehlchen, Bleikehlchen mit gefleckten Augen: Die Brust des Bleikehl-
chens „hat eine sich verlierende Bleifarbe.“1980 Und weiter steht dort: „Unter
den Augen ist ein gelber Flekken.“ Das stimmt jedoch nicht: Die Ohrdecken
und Federn unter dem Auge bis zum Schnabelwinkel sind graubraun mit
weißen Schaftstrichen.1981
Graukehlchen: Die Heckenbraunelle wurde früher auch „Graukehlchen“ ge-
nannt wegen ihrer grauen Kehle und „zum Unterschiede von dem Rothkehl-
chen, Schwarzkehlchen, Blaukehlchen u.s.f.“1982
Schieferbrüstiger Sänger, Blaukehlchen: „Schieferbrüstiger Sänger“ war
bei MEYER/WOLF der Leitname für „Sylvia modularis, Latham“: „Unter-

1977
WEMBER 2005, 124
1978
STRESEMANN 1941, 85 und NAUMANN 1823, 3/ 951 und MEYER/WOLF 1822, 254
1979
http://de.wikipedia.org/wiki/Fluh, Stand: 11.2011
1980
HALLE 1760, 336
1981
GLUTZ VON BLOTZHEIM/BAUER 1985, 10/ 1082
1982
ADELUNG 1796, 2/ 789
PASSERES – SINGVÖGEL 337

hals und Brust schieferblau.“1983 Das Wort „Blaukehlchen“ ist schon älter. Es
stammt von BECHSTEIN.1984
Wintergrasmücke, Winternachtigall, Zaunsperling, Heckensperling,
Wilder Sperling: „Alle Grasmücken ziehen um die Mitte des Herbstes fort:
mit dieser geht es umgekehrt; sie bleibt die ganze unangenehme Jahreszeit
über bei uns, und man hat sie mit dem wahren Nahmen Wintergrasmücke
benannt; auch nennt man sie in verschiedenen Provinzen Frankreichs Win-
ternachtigall; in Italien Wilder Sperling (passara salvatica) und in England
Zaunsperling (hedge sparrow). Diese beiden letzteren Nahmen bezeichnen
die Aehnlichkeit seiner schwarz, grau und braunröthlichbunten Federn des
Sperlings.“1985
C. L. BREHM konnte sich das nur für Südfrankreich vorstellen: „Buffon
nennt ihn ‚Wintergrasmücke‘ und wenn dieser Name richtig ist, so verlebt
er wenigstens zuweilen den Winter im südlichen Frankreich. Dieß muß ihm
umso leichter werden, da er die Sämereien, wovon er sich großen Theils nährt,
den ganzen Winter hindurch auf offenen Stellen finden kann. Im mittleren
Deutschland habe ich ihn nie im Winter angetroffen.“1986
„Wo ein Teil der Heckenbraunellen überwintert, lebt der Gesang nach der
Mauserperiode im September oder Oktober wieder etwas auf, ist dann bei
gutem Wetter gelegentlich auch im Winter zu hören“ und setzt noch vor der
Heimkehr der weggzogenen Heckenbraunellen wieder voll ein.1987
Heute wie um 1800, neben „hedge warbler“, wird der Vogel in England
„hedge sparrow“ genannt, also „Heckensperling“. Ein anderer dort verwen-
deter Name ist „dunnok“ („dun“ ist braungrau). Die Heckenbraunelle ist in
England etwa so häufig geworden wie man in neueren Zeiten den (seltener
gewordenen) Sperling in Deutschland empfindet.
Titling: „Titling“ war, neben „hedge sparrow“, ebenfalls ein Name der He-
ckenbraunelle in England. Der Name könnte durch Lautmalung entstanden
sein, z. B. aus der eilig zwitschernden Folge „TÜtelliTItellitiTÜtellü …“1988
Baumnachtigall: Die Heckenbraunelle singt zwar gerne von der Spitze nicht
zu hoher Bäume, aber auch von den Spitzen der höchsten Bäume.1989 Der Ge-

1983
MEYER/WOLF 1810, 245
1984
BECHSTEIN 1807, 3/ 616
1985
BUFFON/OTTO 1791, 15/ 167
1986
C. L. BREHM 1821, 2/ 93
1987
GLUTZ VON BLOTZHEIM/BAUER 1985, 10/ 1092
1988
BUFFON/OTTO 1791, 15/ 167 und SVENSSON/GRANT/MULLARNEY/ZETTERSTRÖM
1999, 256
1989
BEZZEL 1993, 146
338 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

sang besteht aus sehr schnell vorgetragenen Strophen mit silberhellem Klang.
Die Strophendauer variiert in weiten Grenzen. Die Vögel können sehr leise,
aber auch kräftig singen.1990
„Dieser Vogel, dem man mit Unrecht den Namen Baumnachtigall beylegt,
da sein Gesang, ob er gleich nicht unangenehm klingt, doch nichts als eine
einzige Strophe enthält, in welcher die Töne ‚Dihudi, Hudi!‘ etliche Mal wie-
derholt abnehmend und herabsteigend vorkommen … “1991
BREHM zitierte seinen Vater: „Ihr Gesang besteht aus wenigen Tönen, wel-
che durch einander gewirbelt werden und nicht viel Anmuthiges haben.“1992
NAUMANN empfand die Stimme anders: „Der Gesang des Männchens ge-
hört zwar nicht unter die ganz vorzüglichen, hat aber doch auch vieles An-
genehme.“1993 Und schließlich: „In der Nacht singet sie sehr angenehm.“1994
Bergnachtigall: BECHSTEIN hatte diesen Namen für die Heckenbraunelle
erfunden und NAUMANN hat ihn übernommen – ein nicht sehr glück-
lich gewählter Ausdruck. Vorlage könnte der „Flüevogel“ gewesen sein. In der
Literatur war keine weitere diesbezügliche Quelle zu finden. „Bergnachtigal-
len“ waren überwiegend Bergfinken, daneben Steinschmätzer, ausnahmsweise
auch die Nachtigall.1995
Bastardnachtigall: Die Benennung ist unpassend. BECHSTEIN schrieb
1795 (p. 576): „Sein leiser, einförmiger, zärtlicher Gesang ist nicht unan-
genehm.“ Darunter folgte eine Fußnote: „Daß er dem Gesang der Nachti-
gall ähnele, ist unbegründet.“ BECHSTEIN wiederholte den Namen in al-
len Werken, NAUMANN übernahm ihn, – aber eine „Bastardnachtigall“ ist
sonst fast ausschließlich der Gelbspötter.1996
Schön singende Bachstelze: Über die Zuordnung zu den Bachstelzen, den
„Motacillen“, im 18. Jahrhundert siehe die Einleitung zu den Motacilliden.
Linné hatte den Vogel schon 1758 zu den Bachstelzen ( Motacilla modularis)
gezählt.1997

1990
BERGMANN/HELP 1982, 256
1991
BECHSTEIN 1795, 570
1992
BREHM 1866, 913
1993
NAUMANN 1823, 3/ 951
1994
FISCHER 1791, 101
1995
BECHSTEIN 1807, 3/ 616
1996
BECHSTEIN 1795, 576
1997
ADELUNG 1793, 1/ 1165
PASSERES – SINGVÖGEL 339

„Ihr Gesang ist beliebt. Sie wiederholen oft mit sanften zitterndem Tone: Ti-
tit-tititit (Büffon), und lassen ihre Klagetöne auch am meisten des Abends
hören.“1998
Großer Zaunschlüpfer, Großer Zaunkönig, Zaunschliefer: „Dieser Vogel
hat viele Ähnlichkeiten mit dem Zaunschlüpfer [Zaunkönig], und heißt da-
her auch „Großer Zaunschlüpfer“.1999 Die Heckenbraunelle ist etwa 14 cm
lang, der Zaunkönig 10 cm. „Zaunschliefer“ bedeutet „Zaunschlüpfer“.
Eisensperling, Eisenvogel, Eisenkrämer: BUFFON schrieb: „Man sieht ihn
in Schweden, und es könnte sogar nach dem Nahmen, den ihm Linne gibt,
scheinen, daß er sich im Winter nicht von da entfernt, und daß seine Federn,
der Wirkung eines strengen Klima unterworfen, in dieser Jahreszeit daselbst
weiß werden.“ Und a. a. O: „Passer canus ward er vielleicht nach dem schwe-
dischen Nahmen („Järnsparf, Eisensperling“) genannt.“2000 „Canus“ (lat.) be-
deutet grau. Eisen kann auch grau sein und das Gefieder sollte unter dem
Einfluss der Kälte „weiß(er)“ werden.
Ein „Eisenkrämer“ handelt mit allerlei Eisenteilen. BUFFONS angeblicher
jahreszeitlicher und kälteabhängiger Gefiederfarbwechsel des Vogels mag
BECHSTEIN zu der Vergabe des Kunstnamens „Eisenkrämer“ beeinflusst
haben.2001
Isserling: Die Braunelle „hat in Thüringen den Namen ‚Isserling‘ von ihrem
lauten scharftönenden Geschrey ‚Ißri!‘ erhalten, welches sie gern frey sitzend,
damit es desto weiter schallet, und mit einer jedesmaligen Verbeugung von
sich giebt.“2002
SUOLAHTI übernahm diese „Vorlage“ nicht: In dem niederdeutschen Sy-
nonym „Iserling“ steckt das in der Umgebung von Göttingen gebrauchte
Wort „îser“ für Eisen, dessen Farbe der der Braunelle ähnelt („schieferfarbige
Brust“).2003
Es bleibt die in diesem Fall unwahrscheinliche Möglichkeit, dass „Iserling“
und „Isserling“ nicht zusammenhängen.
Prunellgrasmücke, Braunellgrasmücke, Graufahle Grasmücke, Gesang-
grasmücke: Zu den sog. „Motacillen“ zählte man im 18. Jahrhundert noch
eine Reihe von Vogelgruppen, zu denen auch die Grasmücken, Nachtigallen,

1998
MARTINI 1784, 5/ 19
1999
OKEN 1837, 52
2000
BUFFON/OTTO 1791, 15/ 177 + 178
2001
BECHSTEIN 1807, 3/ 616
2002
BECHSTEIN 1795, 572
2003
SUOLAHTI 1909, 87
340 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Sänger, Zaunkönige gehörten. Durch diese damals angenommenen systema-


tischen Verwandtschaften kamen Namensübertragungen zustande wie hier
„Grasmücke“ für oder mit „Braunelle“. So konnte aus der (Hecken-)Braunel-
le eine „Wintergrasmücke“ (s. o.) werden oder eine „Graufahle Grasmücke“,
die ihren Namen vom braungrauen, nicht auffallenden Gefieder hatte.
Als „Gesanggrasemükke“ bezeichnete MARTINI diesen Vogel, obwohl weder
ein besonders schöner Gesang (er sei aber „angenehm“) noch Gesangsintens-
tität ihn auszeichneten.2004
„Prunell-Grasmücke“ ist der Leitname, den OTTO dem Vogel gab. NAU-
MANN machte daraus die „Braunellgrasmücke“.2005
Grasmücken waren früher allgemein kleine „meisten Theils aschgraue Sang-
vögel, welche den Mücken und Fliegen im Grase nachstellen, und daher von
einigen auch Fliegenstecher genannt werden.“2006
Falkensperling, Strauchgrasmücke: Der Ausdruck „Falkensperling“ stammt
zusammen mit „Strauchgrasmücke“ von BRISSON (um 1760), übersetzt von
OTTO.2007
Es ist schwer vorstellbar, dass ein Vogel von Sperlingsgröße, der (engl.) „hedge
sparrow“ heißt und in Sträuchern und Hecken lebt, falkenähnliche „Eigen-
schaften“ haben soll. Der Vogel „hat stark gebaute Beine und erhebliche
Sprungkraft.“2008 Das ermöglicht ihm pfeilschnelle Abflüge, behendes und
wendiges Huschen, Sturzflüge und rasche Richtungsänderungen beim Flie-
gen, geradlinige und stark beschleunigte Zielflüge.
Brauner Fliegenstecher, Braunröthlich bunter Fliegenvogel: Als „Braunen
Fliegenstecher“ führte HALLE eine „Prunella“. Den Namen „Fliegenstecher“
hatten verschiedene kleine „Sangvögel, die den Mücken, Fliegen und andern
kleinen Insecten im Grase nachstellen.“ „Bunt“ ist ein Gefieder, das nicht
einfarbig ist.2009
Spanier: „Spanier“ waren die teilziehenden Braunellen, die in Spanien über-
winterten oder von denen man glaubte, dass sie es täten. Das Wort war wohl
eher lokal verbreitet, z. B. „bei den Vogelfängern hiesiger Gegend.“2010

2004
MARTINI 1785, 5/ 17
2005
BUFFON/OTTO 1791, 15/ 170 und NAUMANN 1823, 3/ 951
2006
ADELUNG 1796, 2/ 783
2007
BUFFON/OTTO 1791, 15/ 170
2008
GLUTZ VON BLOTZHEIM/BAUER 1985, 10/ 1109
2009
HALLE 1760, 336 und KRÜNITZ 1780, 19/ 776
2010
NAUMANN 1823, 3/ 951
PASSERES – SINGVÖGEL 341

Speckspanier: „Sein Fleisch ist sehr wohlschmeckend und fast immer fett, im
Herbst oft so fett wie bei den Lerchen; deswegen hieß er auch sonst bei den
alten Vogelstellern der hiesigen Gegend der Speckspanier.“2011
Krauthänfling: Diese Bezeichnung gehört eigentlich den Hänflingen, die
man auch auf kräuterbestandenen Ländereien sehen kann. Das trifft aber
auch auf die insektenfressende, dort Nahrung suchende Heckenbraunelle zu,
die den Hänflingen entfernt ähnelt.
Strohkratzer: „Bei der stärksten Kälte in dieser rauhen Jahreszeit nähert sich
diese Grasmücke den Scheunen und Dreschtennen, wo man Korn drischt,
um in dem Stroh einige kleine Körner auszusuchen. Wahrscheinlich kommt
daher der Name Strohkratzer. … Sobald die Kälte wieder nachläßt, fährt er
fort in die Hecken zu gehen und sucht auf den Zweigen die Puppen und tod-
ten Blattläuse auf.“2012
Wollentramper: Der „Wollentramper“ erschien bei GATTERER 1782 als
einer von drei Leitnamen für die „Motacilla modularis“. Eine Erklärung des
Wortes zu finden, war nicht möglich.
Eine Trampe ist „im Feuer geschmiedetes Eisen“2013, das grau-schwarz aus-
sieht, nach kurzer Zeit aber Rost ansetzt. „Wollen-“ könnte sich hier auf das
Gefieder beziehen. OKEN erwähnte ein „Woll“huhn aus Japan, „mit lockern,
haarartigen Federn.“ Bedeutet Wollentramper „Vogel mit rostbraunem Ge-
fieder“?

Bergbraunelle (Prunella montanella)


Die Bergbraunelle kommt in den Nadelwäldern der Taiga Sibiriens bis zum
Rand der Tundra und im Hochgebirge bis zur Baumgrenze vor. „Ihr Brutge-
biet erstreckt sich vom Ural ostwärts bis zur Tschuktschen-Halbinsel und in
einem dünnen Band von der Mongolei bis zum Baikalsee.“ Im Herbst zieht
sie über Kasachstan und die Mongolei Richtung Süden und überwintert in
Ostchina, Nordindien oder westlich des Himalayas. In Europa ist die Berg-
braunelle eine Ausnahmeerscheinung.2014
Bergfluevogel: Diese Braunelle lebt von offenem, gebüschfreiem Nadel- und
Birkenwald über die Waldtundra bis zur offenen Tundra, vom Tiefland bis zur

2011
NAUMANN 1823, 3/ 951
2012
BUFFON/OTTO 1791, 15/ 176
2013
GRIMM/GRIMM 1984, 21/ 1178 und OKEN 1837, 607
2014
http://de.wikipedia.org/wiki/Bergbraunelle, Stand: 11.2011
342 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

montanen Baumgrenze.2015 Fluh heißt in schweiz. Mundart „Felswand“ (ahd.


fluoh), siehe Alpenbraunelle.
Der Vogel erhielt 1822 von MEYER seinen ersten deutschen Namen:
„Schwarzköpfiger Flüevogel – Accentor montanellus, Temm.“2016 Die Bezeich-
nung „Bergfluevogel“ stammt von C. L. BREHM, die „Bergbraunelle“ von
NAUMANN.2017
Sibirische Braunelle, Sibirischer Flüevogel, Sibirischer Steinschmätzer:
Die Namen, die alle Kunstnamen von NAUMANN sind, bedeuten, dass es
sich um eine Braunelle aus Sibirien handelt, die in steinigen Gebieten lebt.
Mit dem Steinschmätzer hat sie wegen der Augenmaske ganz entfernte Ähn-
lichkeit.

Sperlinge – Passeridae
Früher glaubte man, dass die Familie der Sperlinge eng mit den afrikanischen
Webervögeln verwandt sei und ordnete demzufolge die Sperlinge als Unter-
familie (Passerinae) der Familie der Webervögel zu. Vergleiche der DNA-Se-
quenzen verschiedener Arten haben ergeben, dass ebenfalls Verwandtschafts-
beziehungen zu Stelzen, Piepern und Braunellen bestehen. Auch wenn dies
weiterhin umstritten ist, sieht man die Sperlinge heute deshalb als eigenstän-
dige Familie (Passeridae).2018
Zu Haus- und Feldsperling: Etliche Namen mit derselben Vorsilbe (Feld-,
Baum-, Wald- u. a.) enden auf „-sperling“, „-fink“ und „-spatz“. Bei „-sper-
ling“ ist die Gruppenzugehörigkeit zu den Sperlingen gemeint, „-fink“ und
„-spatz“ sind die Übersetzungen der lateinischen Namen „Fringilla“ und „Pas-
ser“, die man den Sperlingen, die heute dauerhaft „Passer“ heißen, wechsel-
weise gegeben hat.

Haussperling (Passer domesticus)


„Kein Vogel wird so häufig gescholten, mißachtet und verfolgt wie der Spatz.
Er wird schlechtweg zu den ‚Schädlingen‘ gerechnet … Das einzig Nützliche,
was man ihm nachsagt, ist noch, daß man den Vogel essen kann …[und]
daß der Kot des ‚treuen Hausfreundes‘, der er doch eigentlich ist, wenigstens

2015
BEAMAN/MADGE 1998, 48
2016
MEYER/WOLF 1822, 101
2017
C. L. BREHM 1823, 256 und NAUMANN 1823, 3/ 949
2018
http://de.wikipedia.org/wiki/Haussperling, Stand: 24.10.2011
PASSERES – SINGVÖGEL 343

etwas an dem verhaßten Gesellen sei, das sich verwenden ließe: gegen Som-
mersprossen solle er ein bewährtes Mittel sein, und die Leute auf dem Land
hätten ihn mit Öl aufgewärmt, um so ihre Zahnschmerzen zu lindern. Man
brauche dieses Mittel nur hinter das Ohr der schmerzhaften Seite zu stecken!
… und – ein wenig davon genossen, sei ein herzhaftes Mittel, um die Verdau-
ung zu regeln. Gesegnete Mahlzeit!“2019
Früher, noch um 1800, hat es so viele Spatzen gegeben, dass sie zur Plage
wurden. Was in einem Regierungs-Amtsblatt, das am 20. Januar 1816 im
niedersächsischen Dülmen erschien, stand, beschrieb G. PETERS (2004):
„Bis zum 1. April muß laut Verordnung des Oberpräsidenten von Vincke,
jeder Bewohner eines Hauses in der Stadt 2, auf dem Lande 4 Sperlinge der
Polizei einliefern bei Vermeidung einer Strafe von 2 Groschen für jedes bis da-
hin nicht gelieferte Stück. Die Spatzen wurden den Polizeidienern übergeben,
diese rissen ihnen die Köpfe ab und lieferten solche an den Bürgermeister.“
Haussperling, Sperling, Gemeiner Sperling: Der Name des Sperlings
kommt aus dem Germanisch-Althochdeutschen. Dort hieß der Sperling „spa-
ro“, mittelhochdeutsch „spar“ oder „spare“ und wurde dann später zu „spar-
link“ und „sperlink“. „Sparo“ bezieht sich möglicherweise auf die hüpfende
Fortbewegung des Vogels.2020
Es werden auch Ableitungen des Namens aus dem Griechischen für zutref-
fend gehalten. So heißt „spergoulos“ „kleiner Vogel“, und ein anderes Wort,
„spairein“ bedeutet „zappeln“, was der Sperling bei seinem Ruf ja tatsächlich
dauernd tut (o. Qu.).
„Haussperling“ ist der Leitname bei BUFFON/OTTO.2021
Spatz, Hausspatz: „Spatz“ ist als Koseform aus sparo entstanden.2022 Das
Wort wird seit dem 13. Jahrhundert verwendet. „Der Namen Spatz kommt
mit dem Lateinschen ‚Passer‘ überein.“2023 „Hausspatz“ ist eine Übersetzung
von „Passer domesticus“.
Dieb, Hausdieb, Speicherdieb, Felddieb: Die Lautnachahmung stand
Pate für einen Begriff, den die Menschen auch so meinten. „…das tschirp
tschirp…, welches manche als Dieb verstehen…“ und „…locken Schilk und
Dieb, …“.2024

2019
FRIELING 1942, 15
2020
SUOLAHTI 1909, 124
2021
BUFFON/OTTO 1790, 10/ 172
2022
SOULAHTI 1909, 126
2023
FRISCH 1763, T. 8
2024
CURTMANN/WALTER 1846, 232 und OKEN 1816, 395
344 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Die Sperlinge bildeten früher oft sehr viel größere Trupps als wir sie heute
kennen. Dadurch wurden sie für die Bauern merkbar schädlich.
„Mit Recht gilt der Sperling für den Garten- und Getreidebau als gefährlicher
Schädling und erscheint deswegen schon in Kleins ‚Historiae‘ [1760] als Spei-
cherdieb und Korn-Werfer, und noch heute heißt er in ganz Niederdeutsch-
land Korndieb, dann auch Haus-, Siecher-, Feld-, Gerstendieb. Da er sowohl
ein unordentlicher als auch aufdringlicher, nur mit Mühe und Gewalt zu ver-
treibender Vogel ist“, beschimpfe man ihn eigentlich überall,2025 inzwischen
zu Unrecht. Es ist kaum vorstellbar, wie sehr die Zahl der Sperlinge zurück-
gegangen ist. „In Deutschland z. B. ging der Bestand von rund 14 Millionen
Brutpaaren auf 6 Millionen Paare um mehr als 50 % zurück, Großbritannien
verlor ebenfalls rund 6 von früher 12 Millionen Paaren. … Haussperlinge als
ehemalige ‚Mitesser‘ finden heutzutage … keine Ersatznahrung in unseren
ausgeräumten Landschaften.“2026
Gerstendieb: Wie auch der Feldsperling hatte der Haussperling diesen Na-
men, „weil er der Gerste nachstellet, daher er auch Felddieb genannt wird“.2027
Kornsperling, Kornwerfer: Er kommt überall vor, wo es Getreide gibt, be-
sonders auf Getreidefeldern und Kornböden. „Er ist bekanntlich ein arger
Korndieb, und schreyt selbst beständig Dieb.“2028 Mit dem „Werfen“ wird auf
das „großzügige“ Picken hingewiesen, bei dem die Körner in alle Richtungen
fliegen.
Lüning: Dieses Wort wurde im Niederdeutschen verwendet. Es ist als „hliu-
ning“ aus dem Altniederdeutschen des 9. Jahrhunderts bekannt. Die Bedeu-
tung des Ausdrucks ist völlig unklar.2029 Dagegen: In Norddeutschland wird
er je nach Region Lüning, Lüntje, Lünk oder Dacklüün genannt, was soviel
heißt wie „der Lärmende“.2030
Sperk: Auch dieser Sperlingsname scheint sehr alt zu sein und kommt als
„sperch“ vielleicht sogar schon aus der vorgermanischen Zeit. Belegt ist er seit
dem 11. Jahrhundert (p. 126). Die spätalthochdeutsche Namensform „sper-
ke“ könnte man so deuten, dass der Sperling im Gegensatz zu den fliegenden
Vögeln ein „Hüpfling“ wäre (p. 125).2031

2025
GATTIKER/GATTIKER 1989, 96
2026
BERTHOLD/MOHR 2006, 8
2027
ADELUNG 1796, 2/ 595
2028
OKEN 1837, 274
2029
SUOLAHTI 1909, 127
2030
http://de.wikipedia.org/wiki/Haussperling, Stand: 24.10.2011
2031
SUOLAHTI 1909, 126 + 125
PASSERES – SINGVÖGEL 345

„Es haben einige gemeint, sein Name komme von den Dach-Sparren her,
zwischen welchen er zu hecken pflegt: Allein ist es wahrscheinlicher von sei-
nem Geschrey, welches, wie aller andrer kleiner Vögel-Gesang, sperken oder
spirken vor Alters hieß. Daher nennt man ihn in Francken Sperk.“2032
Rauchsperling, Hofsperling: Der Sperling nistete auf Bauernhöfen auch in
verlassenen Nestern der Rauchschwalbe in der Nähe von Feuerstellen (Küche).
„Man trifft Sperlinge an, die weit fauler, aber auch zu gleicher Zeit dreister als
die andern sind, und die sich nicht bemühen, ihr Nest zu bauen, sondern die
Schwalben aus ihrem Neste verjagen.“2033
„Hofsperling“ findet man schon 1759 bei GROSSKOPFF. Der Name bedeu-
tet „Haussperling“.2034
Sparling, Spaarling: In Göttingen und Grubenhagen war „Sparling“ der üb-
liche Ausdruck, ebenso in Preußen und Pommern.2035
Spar, Sparr, Sperr: „Spar“ war früher neben „Sparr“ in Mundarten neben
„Sperling“ und der Koseform „Spatz“ verbreitet (Belege von etwa 1600), wur-
de aber aus der neuhochdeutschen Schriftsprache verdrängt.2036 Nach HEY-
SE/HEYSE ist „Sperling“ eine Verkleinerungsform von „Spar“.2037
Faulsperling: „Sie folgen der menschlichen Gesellschaft, um auf deren Un-
kosten zu leben. Da sie faul sind und viel fressen, so nehmen sie ihren Unter-
halt aus schon ganz aufgefüllten Vorräthen, das heißt, sie leben von den Gü-
tern eines andern. Unsere Scheunen, Kornböden, Höfe, Taubenhäuser, mit
einem Worte, alle Oerter wo man Korn sammlet oder ausschüttet, besuchen
sie am vorzüglichsten. Und da sie ebenso gefräßig als zahlreich sind, so thun
sie mehr Schaden als Nutzen stiften; denn ihre Federn taugen zu nichts, ihr
Fleisch ist nicht wohlschmeckend, ihre Stimme beleidigt unsre Ohren, ihre
Zudringlichkeit ist beschwerlich, ihr unverschämter Muthwillen ist lästig, sie
sind überhaupt Geschöpfe die man überall antrifft, und von denen man nicht
weiß, was man mit ihnen machen soll und die so viel Verdruß verursachen,
daß sie in gewissen Gegenden in die Acht erklärt und ein Preis auf ihr Leben
gesetzt worden ist.“2038
Hausfink: Nachdem BECHSTEIN den Vogel lange als „Haussperling“ be-
zeichnet hatte, betitelte er die Überschrift 1807 mit „Der Hausfink oder

2032
FRISCH 1763, T. 8
2033
BUFFON/OTTO 1790, 10/ 198
2034
GROSSKOPFF 1759, 174
2035
SUOLAHTI 1909, 129
2036
GRIMM/GRIMM 1984, 16/ 1919
2037
HEYSE/HEYSE 1849, 979
2038
BUFFON/OTTO 1790, 10/ 183
346 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Haussperling. Fringilla domestica“.2039 Auch MEYER/WOLF übernahmen


den „Hausfink“ und „Fringilla domestica“, dem NAUMANN 1824 aber nicht
folgte.2040
„Hausfink“ ist eine Übersetzung des wissenschaftlichen Namens „Fringilla do-
mestica“. Fringilla bedeutet „Fink“.
Mistfink: Bevor die „moderne“ Pferdenahrung sich durchsetzte, kannte jeder
Bilder von Spatzen, die frischen Pferdemist nach unverdauten Getreidekör-
nern durchsuchten.
Leps: Das niederdeutsche, auch in Thüringen gebräuchliche Wort „Leps“
könnte abgeleitet sein aus „Lepigkeit“, was „Schalkheit“ bedeutet.2041 Es
könnte aber auch lautmalend aus der Stimme, dem Tschilpen, entstanden
sein.

Feldsperling (Passer montanus)


Vor noch gar nicht langer Zeit standen die Sperlinge noch in einem denkbar
schlechten Ruf. „Die Nahrung ist dieselbe wie die des Haussperlings und dem-
gemäß auch seine Schädlichkeit fast die gleiche, zum Teil noch eine größere,
wenigstens was seine verderbliche Tätigkeit in Getreidefeldern anlangt. Zur
Zeit der Kornreife und kurz vor derselben, wenn die Getreidekörner noch in
der Milch stehen, fallen große Schwärme von Feldsperlingen in die Getreide-
felder, mit ganz besonderer Bevorzugung in Weizenfelder ein und vernichten
oft durch Auspicken der Körner und völlige Zerstörung der Ähren die Ernte
ganzer Breiten. Daß er dadurch von den Bauern grimmig gehaßt und nach-
drücklich verfolgt wird, braucht nicht erst noch gesagt zu werden.“2042
Feldsperling, Feldspatz, Feldfink: Wie schon beim Haussperling beschrie-
ben: Der Name des Sperlings war althochdeutsch „sparo“, mittelhochdeutsch
„spar“ oder „spare“ und wurde dann später zu „sperlink“. „Sparo“ bezieht sich
möglicherweise auf die hüpfende Fortbewegung des Vogels.2043 „Die althoch-
deutsche Glosse ‚ahasparo‘ (abasparo), die eigentlich ‚Wassersperling‘ (aha ist
Wasser) bedeutet, enthält den ältesten überlieferten Namen für den Feldsper-
ling.“2044

2039
BECHSTEIN 1807, 3/ 107
2040
MEYER/WOLF 1810, 1/ 156
2041
BÖNING 1984, 64
2042
KÖHLER 1908, 15
2043
SUOLAHTI 1909, 124
2044
SUOLAHTI 1909, 130
PASSERES – SINGVÖGEL 347

Der Ausdruck „FeldSperling“ ist zuerst im Jahr 1603 bei SCHWENCKFELD


bezeugt.2045 In Pommern gehörte „Feldsperling“, zusammen mit „Baumsper-
ling“ (s. u.) und „Ringelsperling“ (s. u.), zu den gebräuchlichen Namen.2046
Der Feldsperling brütet in Wäldern, Gehölzen, auch nahe landwirtschaftli-
chen Flächen, daher der Name. Er nistet in Baumhöhlen.
Feldspaarling, Boomspaarling: Beide Begriffe stammen aus dem mecklen-
burger Platt.2047 Zu „Baumsperling“ s. u.
Feldsperk: Über den Haussperling schrieb FRISCH: „Es haben einige ge-
meint, sein Name komme von den Dach-Sparren her, zwischen welchen er
zu hecken pflegt: Allein ist es wahrscheinlicher von seinem Geschrey, welches,
wie aller andrer kleiner Vögel-Gesang, sperken oder spirken vor Alters hieß.
Daher nennt man ihn in Francken Sperk.“2048 Das bestätigen Namen beim
Nürnberger Hans SACHS (1531): Moß-„sperck“ und Kor-„spercken“, das
wohl Kornspercken heißen sollte.2049 Der Feldsperk ist entsprechend der Feld-
sperling, den FRISCH noch „Baumsperling“ nannte.
Fink, Spatz: „Spatz“ ist als Koseform aus „sparo“ entstanden. Das Wort wird
seit dem 13. Jahrhundert verwendet.2050
GESSNER wusste von zwei Spatzenarten („Passeres sylvestres werden leich-
ter gefangen als domestici“2051), behandelte sie aber zusammen und nannte
sie „Spatz“. „Dieser Vogel ist über die massen unkeusch/ also daß er einer
Stund zwantzig mahl auffsitzet/ oder eines Tags dreyhundert mahl/ wie Ur-
sinus schreibet. Darum hat man ein Sprichwort von den unkeuschen Leuten
gemacht/ da man spricht: du bist geiler als ein Spatz. … Die Männlein kön-
nen nicht lang leben/ ihrer großen Unkeuschheit halben/ und wegen des ste-
tigen fliegens: denn sie sitzen nimmer still/ dadurch die innerliche natürliche
Feuchtigkeit verzehret wird: aber das Weiblein lebt länger.“2052
Baumsperling, Bergsperling: „Ob er gleich Montana, das ist Bergsperling,
holländisch Bergmosch, heißt; so ist er doch der bekannte Baumsperling,
der in den Löchern hohler Bäume nistet, und sein Winterquartier daselbst
nimmt.“2053 LINNÉ hatte den Feldsperling „Fringilla montana“ genannt.

2045
SUOLAHTI 1909, 131
2046
OTTO in BUFFON/OTTO 1790, 10/ 228
2047
SIEMSEN 1794, 124
2048
FRISCH 1763, T. 8
2049
Hans SACHS 1531, V. 169 + V. 195
2050
SOULAHTI 1909, 126
2051
SRINGER 2007, 337
2052
GESSNER/HORST 1669, 108b
2053
MÜLLER 1773, 593
348 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Nach BUFFON hätten einige „Naturforscher“ den Bergsperling als eine Va-
riation („nur sehr wenig merkliche Abänderungen“) des Feldsperlings ange-
sehen. OTTO dazu: „Es sind nicht einmal Spielarten, sondern einerlei Vö-
gel.“2054
Den Namen „Bergfink“ gab es als „fringilla montana“ schon 1585 bei GESS-
NER.2055
Baumfink, Baumspatz, Waldsperling, Waldfink, Waldspatz, Holzsper-
ling, Holzfink, Holzspatz: „Waldsperling, eine Art Sperlinge, welche in den
Wäldern wohnen, uns aus denselben die Felder bestehlen.“2056 „Er ist weniger
schlau und scheu als der Sperling, aber noch beweglicher, nistet in Löcher, be-
sonders der Obstbäume.“2057 Feldsperlinge brüten, wenn möglich, in Baum-
höhlen. Man findet sie deshalb auch in Gebieten mit lichten Baumbeständen,
Wäldern, an Waldrändern oder in Feldgehölzen. Der Feldsperling brütet auch
an Häusern und in Gärten wie der Haussperling. Er bevorzugt zwar natür-
liche Baumhöhlen, nimmt aber auch Nistkästen oder Nischen an Häusern
an.2058 „Holz-“ in den Namen steht für „Baum-“ oder/ und „Wald-“.
Weidensperling, Weidenfink, Weidenspatz: Es besteht kein Zusammenhang
mit dem „Weidensperling“ genannten Feldsperling und dem auch „Weiden-
sperling“ genannten „Spanischen Sperling“ ( Passer hispaniolensis). Die Namen
„Wydenspatz“ und „Weidensperling“ könne man nach SUOLAHTI schon
bei GESSNER, SCHWENCKFELD u. a. finden.2059
„Er liebt besonders Eichen und Weiden, denn er bewohnt auch die bloßen
Kopfweidenpflanzungen in den Auen und Feldern.“2060
Muschelsperling, Holzmuschel: „Holzmuschel oder wilder Sperling“ waren
die Leitnamen für den Feldsperling bei DÖBEL.2061 „Holzmuschel“ ist offen-
bar eine Umdeutung des rheinischen „Musche“.2062
Der Ursprung des Namens ist Holland. „Wir haben nämlich in dem Bestim-
mungswort nichts anderes als eine den ursprünglichen Sinn völlig verdrehen-
de Abänderung des holländischen, in Deutschland aber vielseits nicht ver-
standenen Namens Musch (= Sperling) vor uns. Die Bezeichnung Muschel-

2054
BUFFON/OTTO 1790, 10/ 233
2055
SPRINGER/KINZELBACH 2009, 67
2056
ADELUNG 1801, 4/ 1361
2057
OKEN 1837, 275
2058
SVENSSON/GRANT/MULLARNEY/ZETTERSTRÖM 1999, 342
2059
SUOLAHTI 1909, 131
2060
NAUMANN 1824, 4/ 480
2061
DÖBEL 1785, 1/ 225
2062
SUOLAHTI 1909, 131
PASSERES – SINGVÖGEL 349

sperling ist sonach im Grunde genommen eine Verschmelzung zweier Begriffe


gleichen Inhalts zu einem neuen.“2063
„Im Oberdeutschen ist das Wort Mucke von einem viel weitern Umfange,
indem es nicht nur fast alle Insecten mit zwey Flügeln bezeichnet, ja auch oft
mehrere Arten kleiner Vögel, in welchem letztern Falle es denn daselbst im
gemeinen Leben oft Musch und Muschel lautet, welches dem Lat. Musca am
nächsten kommt. So wird der Waldsperling daselbst die Holzmuschel, der
Muschelsperling, oder nur die Muschel schlechthin genannt. In dem Nah-
men der Grasmücke hat sich diese Bedeutung auch noch bey uns erhalten.
Es scheinet daher das Wort Mücke eigentlich ein sehr allgemeiner Nahme zu
seyn, welcher nicht nur ein fliegendes Insect, sondern auch kleine Vögel be-
deutet.“2064
Braunsperling, Braunfink, Braunspatz, Rothsperling, Rothfink, Roth-
spatz: Laut OTTO war „Braunsperling“ in Deutschland eine übliche Be-
zeichnung.2065
Im Gegensatz zum Haussperling mit seiner grauen Kopfkappe und dem un-
scheinbaren Weibchen sind beide Geschlechter des Feldsperlings gleich und
haben eine weinrotbraune Kopfkappe.
Nußsperling, Nußfink, Nußspatz: Der Vogel nistet in Nußbäumen, ver-
breiteten Bäumen in der offenen Kulturlandschaft, er hält sich dort gerne auf.
Ringelsperling, Ringelfink, Ringelspatz, Sperling mit dem Halsbande:
„Ringelfink“ war der Leitname des Vogels bei MEYER/WOLF.2066 Der Vogel
hat ein weißes, fast komplettes, nur im Nacken unterbrochenes Halsband.
„Von dem Ringel-Spatzen“ schrieb bereits GESSNER: „Sie haben weisse
Halßfedern/ wie ein Halßband gestaltet: daher auch der Nahme Ringelspatz
kommet.“2067
Bergfink, Bergspatz, Gebirgssperling: Der Feldsperling hieß schon seit
LINNÉ „Fringilla montana“ = „Bergfink“, später „Passer montanus“ = „Berg-
spatz“. Streng genommen müsste man „montanus“ genauer übersetzen, was zu
„Fink bzw. Spatz auf Bergen“ führen würde. Das wird wohl auch zur Bildung
des Kunstnamens „Gebirgssperling“, wahrscheinlich von BECHSTEIN, ge-
führt haben.2068

2063
HOFFMANN 1937, 90
2064
ADELUNG 1798, 3/ 296
2065
BUFFON/OTTO 1790, 10/ 228
2066
MEYER/WOLF 1810, 1/ 158
2067
GESSNER/HORST 1669, 109
2068
BECHSTEIN 1795, 401
350 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Der Feldsperling ist ein Bewohner des Waldes, der aber genug alte Bäume
mit Höhlen darin haben muss. Dabei geht er stets höher (bis 1000 m) in die
Gebirge hinauf als der Haussperling, daher wohl „montanus“ im wissenschaft-
lichen Namen.2069
Rohrsperling, Rohrfink, Rohrspatz: Mit „Rohrsperling“ bezeichnete man
den Vogel früher im heutigen Sachsen-Anhalt.2070
Im Sommer übernachten die Feldsperlinge gerne in dicht belaubten Weiden-
bäumen, aber auch im hohen Rohr der Teiche, „wo sie vor dem Schlafen-
gehen, hier wie dort, gewöhnlich erst ein sehr lautes gemeinschaftliches Ge-
schwätz halten und sehr viel Lärm machen“.2071
Das Rohr (norddeutsch „Reet“) ist auch tagsüber bei diesen Vögeln sehr be-
liebt. Es werden aber mehr die Randbereiche genutzt. Die unter diesem Na-
men bekannteren „Rohrspatzen“, die Rohrammern, nutzen die ganzen Reet-
flächen. Als „Rohrsperlinge“ kannte man auch Schilf-, Drossel- und Teich-
rohrsänger.
Rohrleps: Auch diesen Namen hat die Rohrammer mit dem Feldsperling
gemeinsam, woraus gefolgert werden kann, dass „Rohrleps“ mit „Rohrspatz“
gleichzusetzen ist.
Gerstendieb, Felddieb: Die Lautnachahmung stand Pate für einen Begriff,
den die Menschen auch so meinten. „…das tschirp tschirp…, welches man-
che als Dieb verstehen…“.2072
Die Sperlinge waren für die Bauern merkbar schädlich. „Im gemeinen Leben
[ist Gerstendieb] eine Benennung des Baum- oder Waldsperlings, weil er der
Gerste nachstellet, daher er auch Felddieb genannt wird.“2073
Wilder Sperling: „Wilder Sperling“ (Leitname bei DÖBEL, s. o.) war ein
üblicher, verbreiterter Name für den Feldsperling, im Gegensatz zum „Haus“-
Sperling. Wild war also keine Temperamentsbeschreibung.
Fricke, Frick: In seinem Werk „Histoire de la nature des oyseaux“ aus dem
Jahr 1555 bezeichnete Pierre BELON den Feldsperling als „Friquet“, aus
dem OKEN (1816) wahrscheinlich das deutsche „Frick“ machte.2074 „Fricke“
stammt von NAUMANN.

2069
NAUMANN 1824, 4/ 480
2070
NAUMANN 1824, 4/ 149
2071
NAUMANN 1824, 4/ 480
2072
CURTMANN/WALTER 1846, 232
2073
ADELUNG 1796, 2/ 595
2074
BUFFON/OTTO 1790, 10/ 227 und OKEN 1816, 396
PASSERES – SINGVÖGEL 351

Italiensperling (Passer italiae)


Am 2. Oktober 2011 veröffentlichte der österreichische „Standard“ einen Be-
richt, der Klarheit in ein lange strittiges Thema bringen könnte: Norwegische
Forscher seien überzeugt, dass der Italiensperling aus dem Hausspatz und
dem Spanischen Spatz (Weidensperling) hervorgegangen sei. „Seit langem
diskutieren Experten, ob der Italienische Spatz eine eigenständige Art oder
doch eine Unterart ist. Eine Forschungsgruppe der Universität von Oslo rund
um Glenn-Peter Sætre ist davon überzeugt, endgültige genetische Beweise für
das Vorliegen einer eigenen Art gefunden zu haben und damit die Diskussion
beenden zu können. Wie das Team im Journal ‚Molecular Ecology‘ schreibt,
sei der Italienische Spatz ( Passer italiae, Italiensperling) aus dem allgegenwär-
tigen Hausspatz ( Passer domesticus, Haussperling) und dem Spanischen Spatz
( Passer hispaniolensis, Weidensperling) hervorgegangen.
Die Forscher hatten Populationen des Italienischen Spatzes und des Spani-
schen Spatzes untersucht, die sich im Südosten Italiens denselben Lebensraum
teilen. Sie entnahmen den Vögeln Blutproben, um deren DNA extrahieren zu
können. Die Analysen zeigten, dass der Italienische Spatz gemischter Her-
kunft ist: ‚Er ist ein Hybrid des Hausspatzes und des Spanischen Spatzes‘,
wird Sætre von BBC zitiert. Zudem – was vielleicht gleich wichtig sei – wür-
den sich die zwei Vogelarten nicht paaren, obwohl sie quasi nebeneinander le-
ben. Wäre dies doch der Fall, hätten die Forscher Vögel mit den Genen beider
Arten finden müssen. Die – so nehmen die Forscher an – zwischen den zwei
Arten entstandene ‚Reproduktionsbarriere‘ könnte am Aussehen liegen oder
sich durch unterschiedliche Paarungszeiträume entwickelt haben.“2075
Italiänischer Sperling: Als eigenständige Art ( Fringilla italiae) wurde der
Italiensperling 1817 von VIEILLOT beschrieben. OKEN nannte ihn 1837
„Italiänischer“ Sperling. Schon vorher, 1823, hatte C. L. BREHM über den
„Italienischen“ Sperling, den er wissenschaftlich „Fringilla cisalpina Temm.“
nannte, in seiner Naturgeschichte geschrieben.2076
Auf der Apenninhalbinsel ist der Italiensperling die häufigste Vogelart. Seine
Verbreitung nach Norden wird durch den Alpenbogen begrenzt. Phänoty-
pisch reine Italiensperlinge erreichen auch Tiroler Täler nördlich der Alpen
und erscheinen vereinzelt auch in Südkärnten.

2075
http://derstandard.at/1317018813507/Seltener-Gluecksfall-Italienischer-Spatz-ist-eine-neue-Spezi-
es, Stand: 25.10.2011
2076
OKEN 1837, 274 und C. L. BREHM 1823, 184
352 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Im Gegensatz zum recht abrupten Artübergang zum Haussperling im Norden


ist in der Mitte und im Süden Italiens der Italiensperling durch eine breite
fließende Übergangszone mit dem Weidensperling verbunden.
Die Italiensperlinge Korsikas ähneln in ihrem Aussehen denen Norditaliens,
und der Übergang zu den Weidensperlingen auf Sardinien ist hier recht deut-
lich. Auch Kreta ist vom Italiensperling besiedelt.2077

Weidensperling (Passer hispaniolensis)


Der Weidensperling galt lange Zeit als Unterart des Haussperlings, heute sieht
man ihn als eigene Art. Weiden- und Haussperling leben auf der Iberischen
Halbinsel, dem Balkan und Teilen Nordafrikas weitgehend sympatrisch, ohne
dass es zu Hybridisierungen kommt. Das gilt als Beleg für die Eigenständig-
keit der Arten.
Ökologisch und ernährungsbiologisch stimmen die Arten weitgehend über-
ein, die Gefieder der Männchen und die Lautäußerungen weichen aber deut-
lich voneinander ab. In gemeinsamen Verbreitungsgebieten besetzen die
Haussperlinge Städte und Ortschaften und „überlassen“ den Weidensperlin-
gen die ländlichen Lebensräume. Solche Unterschiede und andere in Nest-
bau, Gefiedermerkmalen, Stimme und Zugverhalten werden als Isolations-
mechanismen angesehen. Vor allem in Ostalgerien und Tunesien scheinen
solche Isolationsbarrieren stellenweise aber weitgehend zusammenzubrechen,
denn es kommt dort aufgrund von Hybridisierungen zu sehr variablen Sper-
lingspopulationen.2078
Halsbandsperling: Durch die Verteilung von Schwarz, Weiß und Braun am
Hals des Vogels scheint er beim gedrungenen Sitzen, von der Seite gesehen,
ein helles Halsband zu haben. BREHM sah kein helles Halsband: „ … die
sehr dunkle Kehle, Brust und Seiten sind schwarz, einem aufgelösten, in
schwarzen Perlen zerfließenden Halsbande vergleichbar“.2079
Weidensperling: Der Name „Weidensperling“ für diese Art stammt wahr-
scheinlich von BREHM (1879), der den Vogel noch 1866 „Spanischer oder
Sumpfsperling“ genannt hatte. Jetzt liest man: „Von einzelnen wird der Hals-
bandsperling, Weiden- oder Sumpfsperling (…) als ständige Abart unseres
Haussperlings betrachtet.“2080

2077
http://de.wikipedia.org/wiki/Italiensperling, Stand: 25.10.2011
2078
http://de.wikipedia.org/wiki/Weidensperling, Stand: 25.10.2011, verändert
2079
BREHM 1866, 3/ 162
2080
BREHM 1879, 5/ 317
PASSERES – SINGVÖGEL 353

Weidensperlinge sind nicht so stark wie Haussperlinge an menschliche Sied-


lungen gebunden. Sie besiedeln offenes, hügeliges Kulturland (dazu gehören
Weiden- und Grasflächen), aber auch Kulturland mit Gebüschen, Bäumen
und Wäldchen. Man findet sie ferner oft in Wassernähe und dort auch in
Schilfbeständen.2081
Spanischer Sperling: Der Name ist wie die englische Bezeichnung „Spanish
Sparrow“ eine Übersetzung des wissenschaftlichen Ausdrucks „Passer hispa-
niolensis, (Temminck, 1820)“. Man findet ihn, wie hier zitiert, schon bei C.
L. BREHM und als „Spanischer Fink, Fringilla hispaniolensis“ bei MEYER/
WOLF.2082
Sumpfsperling: „Der spanische Sperling ( Passer hispanicus) oder, wie er mit
größerem Recht genannt zu werden verdient, der Sumpfsperling ( Passer sali-
cicolus), kommt unserem Haussperling an Größe gleich.“ Etwas später liest
man: „Flußthäler, Kanäle und sumpfigte Feldstrecken, wie der Reisbau sie
verlangt, sagen ihm besonders zu, und hier tritt er in außerordentlich starken
Banden auf. In Spanien fand ich ihn im Thale des Tajo sehr zahlreich, aber
immer nur in unmittelbarer Nähe des Flusses.“ Dem „salicicola“ liegt „Salix-
Weide“ zugrunde. „Passer salicicola“ könnte man deshalb auch als „Weiden-
sperling“ übersetzen.2083

Steinsperling (Petronia petronia)


Steinsperlinge kommen in Europa südlich von Alpen und Pyrenäen in Südeu-
ropa, auf Madeira und auf den Kanarischen Inseln vor. In Mitteleuropa sind
sie ausgestorben. Die letzten mitteleuropäischen Brutvorkommen erloschen
in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Ein Wiederansiedlungsversuch in
Rheinland-Pfalz in den Jahren 1959 und 1960 scheiterte. Irrgäste erreichen
jedoch gelegentlich Gegenden bis Polen.
Als Ursache des Verschwindens des Steinsperlings gelten neben menschlicher
Nachstellung und einer zunehmenden Nistplatzkonkurrenz mit Star und
Haussperling auch kühlere, feuchtere Sommer. Die prognostizierte Klima-
erwärmung führte bisher nicht zu einer Wiederbesiedlung der vormaligen
mitteleuropäischen Brutgebiete. Es wird aber erwartet, dass bis zum Ende
des 21. Jahrhunderts der Steinsperling wieder an der niederländischen und
belgischen Küste brütet.2084

2081
BEAMAN/MADGE 1998, 757
2082
C. L. BREHM 1823, 1/ 185 und MEYER/WOLF 1822, 3/ 53
2083
BREHM 1866, 3/ 162
2084
http://de.wikipedia.org/wiki/Steinsperling, Stand: 28.10.2011
354 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Steinsperling, Steinfink: Zu „Sperling“ siehe Haussperling. Der Steinsper-


ling brütet in vegetationsarmen Bereichen, wie Felsen, Schluchten, Steinbrü-
chen, Geröll, Ruinen. Er lebt in Südeuropa, Nordafrika und Vorderasien. Im
19. Jahrhundert brütete er noch in Thüringen, wo ihn C. L. BREHM be-
nannte: Um an das Nest mit den „noch nie gesehenen Eiern zu gelangen“,
ließ er junge Leute mit langen Leitern steile Felsen hochklettern, in deren
Höhlen die Vögel ihre Jungen aufzogen. „So bin ich denn in den Besitz von
zwei Nestern und sechs Eiern gesetzt, und diese rechtfertigen die Benennung
‚Steinsperling‘, welche ich diesem Vogele gegeben habe, vollkommen.“2085
LINNÉ hatte dem Vogel 1767 den Namen „Fringilla petronia“ gegeben, da-
her der deutsche Name Stein-„Fink“.
Bergsperling: „Er scheint vorzüglich nur gebirgige Gegenden zu besuchen,
zum längeren Aufenthalt wenigstens bloß solche zu wählen, wo es kahle
schroffe Felswände, alte Burgen und andere hohe einsame Ruinen giebt, die
Feld in der Nähe haben, wo es wohl Bäume und Wald, aber doch keine sehr
großen zusammenhängenden Waldungen giebt.“2086
Graufink, Graubrauner Fink, Grauer Hänfling: Ein großer Teil der weiß-
lichen Unterseite ist markant braungrau gestreift, der Rücken ist erdbraun
und bräunlichweiß längsgestreift. Aus der Ferne, wenn die Musterung nicht
zu erkennen ist, erscheint er graubraun, ähnlich dem Weibchen des Haussper-
lings (versch. Qu.).
Ein „Graufink“ hieß der Steinsperling bei BUFFON/OTTO, „Graufink oder
Ringsperling“ bei BECHSTEIN. LINNÉS Finkenname „Fringilla petronia“
wurde beibehalten.2087 „Grauer Hänfling“ ist ein Kunstname, der wahrschein-
lich auf BECHSTEIN zurückgeht.2088
Ringsperling, Ringelspatz, Sperling mit dem Halsbande: „Graufink, Berg-
sperling [Feldsperling], und der Sperling mit dem Halsbande sind einerley
Vögel, nämlich Petronia und vom Feldsperlinge nur durch eine weißliche
Halsbinde oben am Halse verschieden.“2089
Waldfink, Waldsperling: MÜLLER hatte den Vogel „Waldfink“ genannt.2090
BUFFON: Er „besitzt ein ganz anderes Naturell als der Haussperling. Letz-
terer hält sich in Städten auf, der Graufink aber wohnt nur in Wäldern, und

2085
C. L. BREHM 1820, 1/ 724
2086
NAUMANN 1824, 4/ 497
2087
BUFFON/OTTO 1790, 10/ 255 und BECHSTEIN 1807, 3/ 133
2088
BECHSTEIN 1802,120
2089
GOEZE/DONNDORF 1795, 5-1/ 217
2090
MÜLLER 1773, 591
PASSERES – SINGVÖGEL 355

aus diesem Grunde ist er von den meisten Naturforschern der Waldsperling
genannt worden“.2091
Die heutige Biotopbeschreibung sieht anders aus als die von NAUMANN
und BUFFON: Der Steinsperling ist „Brutvogel warmer, oft trockener Ge-
biete vom Kulturland bis in aride Steppengebiete oder felsige Gebirge, über-
wiegend in offenem Gelände mit steilen Wänden, Steinbrüchen Ruinen oder
auch in Siedlungen und in locker mit Bäumen bestandenem Kulturland“.2092
Baumfink, Baumsperling: Der offensichtliche Kunstname „Baumfink“ für
diese Art stammt von BECHSTEIN (1807), für den es diesen Namen für den
Steinsperling 1795 noch nicht gab. NAUMANN „vollendete“ mit Baum-
sperling“. Die Namen scheinen nach der Vorlage von „Waldfink, -sperling“
inhaltsgleich gebildet worden zu sein.2093
Weidensperling: Der Name ist eine Erfindung NAUMANNS, bis zu der
man unter „Weidensperling“ immer den Feldsperling verstanden hatte. Im
GOEZE/DONNDORF wurde sogar vor einer Verwechslung mit „Petronia“
gewarnt.2094
Nußsperling: Man nannte den Vogel „Nußsperling“, „weil er sich oft auf
hohe Nußbäume setzt“.2095
Der Steinsperling brütet in fast allen denkbaren Arten von Höhlen oder Spal-
ten, zu denen Baumhöhlen (Eichen, Nuss- und Obstbäume u. a.) gehören,
aber auch Felsspalten oder Löcher und Ritzen in Mauerwerk.2096
Wilder Sperling: C. L. BREHM beschrieb den Vogel als äußerst scheu, rasch
und schnell. Die Scheuheit „in solchem Maße“ kenne er von keinem anderen
Vogel. „Das Sonderbarste dabei ist, daß er an dem Orte, wo er Nachtruhe
hält, am Allerscheusten ist.“2097 Auch NAUMANN beschrieb den Steinsper-
ling zwar als munter und keck, aber auch sehr scheu und dem Haussperling
im Verhalten ähnlich.

Schneesperling (Montifringilla nivalis)


„Alle Finken lieben die Bäume, nicht so die Schneefinken; sie wohnen im
Sommer hoch über dem Holzwuchse und setzen sich nur ungern im Winter

2091
BUFFON/OTTO 1790, 10/ 257
2092
BEZZEL 1993, 596
2093
BECHSTEIN 1807, 3/ 133 und NAUMANN 1824, 4/ 497
2094
GOEZE/DONNDORF 1795, 5-1/ 213
2095
GOEZE/DONNDORF 1795, 5-1/ 217
2096
GLUTZ VON BLOTZHEIM/BAUER 1997, 14/ 238
2097
C. L. BREHM 1820, 1/ 709 und NAUMANN 1824, 4/ 497
356 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

auf die Bäume. Alle ächten Finken nisten auf Bäume, die Schneefinken in
Felsen. Alle ächten Finken haben einen eigenthümlichen Flug und hüpfen;
die Schneefinken fliegen fast wie die Staaren, und gehen wie die Lerchen.“2098
Schneefink: Der 1766 von LINNÉ „Fringilla nivalis“, übersetzt „Schnee-
fink“, genannte Vogel hieß im Englischen bei LATHAM „Snowfinch“, also
„-finch“, nicht „-sparrow“.
BECHSTEIN übernahm die „Schneefink“-Übersetzung. „Der Name dieses
Finken kann theils von seiner weißen Farbe, theils von seinem Aufenthalte auf
den höchsten Gebirgen, theils von der Aehnlichkeit herkommen, die er mit
dem Schneeammer hat.“2099
Die „Fringillinae“ bilden heute die Unterfamilie der Edelfinken mit den drei
Arten Buch-, Berg- und Teidefink. Es sind die einzigen europäischen Vögel
der Familie „Fringillidae“, deren Name mit -fink endet. Außereuropäische
„Finken“ sind z. B. die Darwin-Finken, die aber nicht zu den Fringillidae
gehören. „Montifringilla nivalis“ gehört in die Familie der „Passeridae – Sper-
linge“, weshalb er zu Recht den Namen Schnee„sperling“ trägt. Dennoch
wird der Vogel immer noch häufig als „Schneefink“ bezeichnet, ein Name,
der noch zu Zeiten NAUMANNS auch ein Trivialname der Schneeammer
war (versch. Qu.). Auch für NIETHAMMER (1937) war der Vogel noch ein
Schneefink.
Alpenfink, Schneevogel, Steinfink: „Alpenfink“ und „Schneevogel“ findet
man zuerst bei NAUMANN.2100 „Schneevogel“ hatte man für mehrere Arten
verwendet, nicht aber für den Steinsperling. „Steinfink“ wurde für diese Art
nur einmal „vor NAUMANN“ in einer Quelle aus dem Jahr 1816 gefun-
den.2101 Die drei Kunstnamen bedeuten das gleiche. Der Vogel lebt in felsigen
Bergregionen, im Hochgebirge oft zwischen 1900 m und 3100 m Höhe. Sein
Verbreitungsgebiet ist allerdings nicht auf die Alpen beschränkt: „Alpen“ ist
ein alter Ausdruck für Gebirge. „Der Schneefink hält sich immer da auf, wo
der ewige Schnee beginnt. Dort lebt er gesellig in größeren Truppen von In-
sekten und Sämereien und nistet in Felsritzen.“2102 Auch im Winter bleibt er
in der hochalpinen Zone. Dann sucht er an Futterplätzen, um Berghütten
und -stationen oder schneefreien Bereichen nach Sämereien.

2098
C. L. BREHM in: OKEN ISIS 1830, 793
2099
BECHSTEIN 1795, 4/ 404
2100
NAUMANN 1826, 5/ 4
2101
KOCH 1816, 216: Die Säugethiere und Vögel Baierns
2102
SCHUBERT 1886, 13
PASSERES – SINGVÖGEL 357

Stelzenverwandte – Motacillidae
Zu den Motacillidae gehören Pieper und Stelzen. Pieper sind braungestreifte
Vögel mit weißen oder weißgestreiften Schwanzkanten, die weniger schlank
sind als Stelzen. Manche haben eine lange Kralle an den Hinterzehen. Die
Geschlechter sind gleichgefärbt.
Die eigentlichen Stelzen sind schlank und kräftig gezeichnet, haben einen
schlanken Schnabel, lange Beine und einen langen Schwanz. Die Geschlech-
ter sind mehr oder weniger deutlich unterscheidbar. Sie nisten am Erdboden,
in Felsen oder Spalten.2103

Allgemeines zu den „Motacilliden“ des 18. Jahrhunderts,


nach MARTINI
„Bachstelzen nennt man gewöhnlich nur die … weiße gemeine, und die gelbe
Bachstelze. Linné belegt dieselben, mit vielen andern, ihnen in Ansehung ih-
res Baues ähnlichen Vögeln, mit dem Geschlechtsnamen Motacilla. Professor
Müller nimmt dafür im Deutschen zum Geschlechtsnamen aller neun und
vierzig Motacillen des Linné, die allgemeine Benennung, Bachstelzen. … und
wir werden hier über hundert mehr als der Ritter von Linné, beschreiben,
indem wir verschiedne aus Brißons, Büffons, Gmelins, Lepechins, Scopolis,
Pallas u. a. Werken hinzugesetzt haben. Die ganze Anzahl beträgt hier über
150 Arten [darunter viele ausländische], von welchen aber manche wohl nur
Abarten sind, weil kein Schriftsteller im Stande gewesen ist, sie alle genau
nach dem Leben mit einander zu vergleichen.“2104 Es folgen Gemeinsamkei-
ten im Körperbau und Einteilungsvorschläge, z. B. „sie werden in drey Gat-
tungen vertheilet, in die Nachtigallen oder Graßmükken ( Luscinia, Curruca);
in die Zaunkönige ( Trochlodytes, Regulus) und die Brustwenzel ( Sylvia).“ Da-
mit werden fast alle insektenfressenden Singvögel erfasst.
Die Pieper (Anthus) sind verhältnismäßig kleine, schlanke, in der Regel un-
auffällig gefärbte Insektenfresser mit spitzem Schnabel und einem mittel- bis
langen Schwanz.
„Vater Bechstein erfand für die Anthus-Arten den deutschen Namen Pieper:
an verschiedenen Punkten des Thüringer Waldes und Ostthüringens ver-
drängt jetzt im Volksmunde dieser Name Pieper den ursprünglichen heimi-
schen Namen Spitzlerche.“2105

2103
http://de.wikipedia.org/wiki/Stelzen_und_Pieper, Stand: 5.10.2012
2104
MARTINI 1784, 5/ 6
2105
LIEBE 1893, 50
358 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Der Name der Vogelgruppe entstand vor allem aus den Lockrufen des Wie-
senpiepers. Andere Pieper wurden nach der Verwandtschaft mit dem Wiesen-
pieper benannt, nicht nach eventuellen Piep-Rufen. Die Gesänge werden oft
in typischem Singflug vorgetragen.
Die im Straßburger Vogelbuch von 1554 und die bei GESSNER genannten
Namen sind Ableitungen von dem onomatopoietischen Verb „gicken“, das
„piepen“ bedeutet. Die in der Schweiz damals gebräuchlichen Begriffe leiten
sich ab von „gixen“ oder „gipsen“, das ist „in feinem hohem Ton piepsen“.2106
„So wie diese Vögel dem blossen Ansehen nach ein Bindeglied oder einen
Übergang von den Bachstelzen zu den Lerchen bilden, so bestätigen sie dies
auch durch ihre Sitten und Lebensart. – Man zählte sie sonst zu den Lerchen,
aber mit Unrecht, weil sie keine Sämereien fressen; doch kann man sie eben-
sowenig der Bachstelzengattung, der sie hinsichtlich ihrer Nahrung gleichen,
beigesellen, weil ihr Betragen von dem dieser wieder zu sehr abweicht.“2107
So erklären sich viele Piepernamen, die auf „-lerche“ oder „-bachstelze“ enden.
„Die Pieperarten sind in den meisten älteren Werken so miteinander verwech-
selt, daß sich diese Verwirrung nicht lösen läßt.“2108

Spornpieper (Anthus richardi)


40 Pieper- und 11 Stelzenarten bilden heute die Vogelfamilie der Motacilli-
dae. Pieper sind braungestreift und weniger schlank als Stelzen. Manche ha-
ben eine lange Kralle an den Hinterzehen. Die Geschlechter sind etwa gleich-
gefärbt.
Die schlanken Stelzen sind kräftig gezeichnet und haben lange Beine und
einen langen Schwanz. Die Geschlechter sind mehr oder weniger deutlich
unterscheidbar.
Aus seinem stelzenähnlichen Verhalten ist der Kunstname „Stelzenpieper“ für
den Spornpieper entstanden: „Er bewegt sich am Boden schrittweise, sehr
gewandt und schnell, richtet sich oft hoch auf, blickt um sich und läuft wie-
der eine Strecke. Dabei bewegt er den langen Schwanz langsam auf und nie-
der.“2109

2106
SUOLAHTI 1909, 94
2107
NAUMANN 1823, 3/ 743
2108
NAUMANN 1823, 3/ 745
2109
NAUMANN/HENNICKE 1900, 3/ 71
PASSERES – SINGVÖGEL 359

Spornpieper, Sporenpieper: Der Name „Spornpieper“ stammt von GLO-


GER. Bei dem Vogel ist die sehr lange Hinterkralle, der Sporn, länger als die
Hinterzehe.2110
Der Spornpieper ist ein seltener, aber regelmäßiger Durchzügler, meistens an
den Küsten zu finden. Er lebt in einem Gebiet von Westsibirien bis an den
Pazifik und bevorzugt dort feuchte bis nasse Grassteppen in der Ebene wie
auch an Berghängen.
Richard‘scher Piper: Nach „Richards Pieper“ von MEYER/WOLF und „Ri-
chardischer Pieper“ von C. L. BREHM nannte OKEN ihn „Richard‘scher
Piper“. Der französische Ornithologe VIEILLOT (1748–1831) hatte 1818
den Spornpieper nach seinem Landsmann, dem Naturforscher Richard de
LUNÉVILLE, benannt, der ihm den Vogel als neue Spezies zugesandt hat-
te.2111

Brachpieper (Anthus campestris)


Der Brachpieper bewohnt in erster Linie offene, warme Landschaften, in de-
nen er sein aus feinem pflanzlichem Material bestehendes Nest versteckt am
Boden anlegt. „In Mitteleuropa ist die Verbreitung lückenhaft und im We-
sentlichen auf sandige Offenflächen und Kultivierungen beschränkt, daneben
werden Küstendünen, Kahlschläge und Brandflächen in trockenen Nadelwäl-
dern bis hin zu städtischen Brachen besiedelt. Wichtig für eine Besiedlung sind
ausgedehnte, vegetationsfreie oder kaum bewachsene Flächen, kleinflächige
Grashorste und Zwergsträucher sowie einzelne Bäume als Sitzwarten.“2112
Brachpieper, Brachpiper: Der Brachpieper ist ein Zugvogel, der erst relativ
spät aus dem Süden zurückkommt und mit der Brut erst im Mai bis Juni,
dem „Brachmonat“, beginnt. Er „kommt im Sommer auf die Brachfelder,
und hat wenig Gesang. Er nährt sich von Insekten.“2113 „Brachpieper“ ist ein
Kunstname von BECHSTEIN.2114
Brachbachstelze, Brachstelze, Feldlerche, Heidelerche, Feldstelze, Feld-
pieper: Pieper und Bachstelzen wurden noch Ende des 18. Jahrhunderts
gewöhnlich zu den Lerchen gezählt, denen sie in mehreren Eigenschaften
ähneln. „Er ist ein schlank gebauter, netter Vogel, von einem mehr bach-
stelzen- als lerchenartigen Aussehen. … Er läuft mit großer Gewandtheit und

2110
GLOGER 1834, 269
2111
OKEN 1843/ 8
2112
http://de.wikipedia.org/wiki/Brachpieper, Stand: 1.01.2011
2113
VOIGT 1835, 194
2114
BECHSTEIN 1807, 3/ 722 und STRESEMANN 1941, 82
360 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Schnelligkeit am Boden entlang und meistenteils eine lange Strecke in einem


fort, steht dann einige Augenblicke still, ehe er wieder einen Strich forläuft,
und ähnelt hierin vielmehr einer Lerche als einer Bachstelze, läuft aber noch
schneller als jene.“2115 Den Begriff „Pieper“ führte BECHSTEIN 1807 ein
(Siehe die Einleitung zu den Piepern).
Die Vorsilben „Feld-“ oder „Heide-“ dieser Kunstnamen für den Brachpieper
beziehen sich auf seinen Lebensraum. „Brach-“ weist auf die in diesem Le-
bensraum enthaltenen brachliegenden Flächen, vor allem aber auf den Brach-
monat Juni hin, in dem (oder kurz vorher) der Vogel mit der Brut beginnt.
BREHM verkürzte BECHSTEINS „Brachbachstelze“ zu „Brachstelze“.2116
BECHSTEIN erfand die Namen „Feldlerche“ (1795) und „Heidelerche“
(1807) für diesen Pieper, und BREHM konstruierte „Feldstelze“.2117 Der Aus-
druck „Feldpieper“ stammt nicht von VOIGT. Er steht z. B. in den Göttingi-
schen gelehrten Anzeigen von 1820.2118
Gereuthlerche: Früher war der Vogel allgemein als Gereuthlerche bekannt.
„Die Gereuth-Lerche wird also genennet, weil sie ihren Aufenthalt im Ge-
hölze, und zwar in jungen Schlägen hat, da zuvor das gewachsene Holz aus-
gereutet worden, und daselbst unter dem Gereissig, und kleinen Büschen vier
biß fünf Eyer ausbrütet.“2119
Krautlerche: Wie beim Baum- und Wiesenpieper angeführt, entstand
„Kraut-“ aus „Gereut“, „aus Gereut verderbt“2120 (Siehe Wiesen- und Baum-
pieper).
Anderer Meinung war NAUMANN: „Auf solchen Feldern sieht man sie auch
zuweilen in den mit Hülsenfrüchte besäeten Stücken, doch am meisten im
Kohl oder Kraut, weswegen sie in vielen Gegenden Kraut- oder Kohlvögel-
chen genennt werden.“2121
Brachlerche, Kotlerche: „Die Brach- oder Koth-Lerche heisset also, wegen
ihrer Farbe, die der Erde, oder Koth mehr, als der übrigen Arten gleichet.
Oder auch, weil sie sich gerne an den kothigen Feldwegen aufzuhalten pfle-
get.“ (o. Qu.)

2115
NAUMANN 1823, 3/ 745
2116
BREHM 1879, 5/ 254 und BECHSTEIN 1807, 4/ 722
2117
BECHSTEIN 1795, 133 + 1807, 4/ 722 und BREHM 1879, 5/ 254
2118
GÖTTINGISCHE gelehrte Anzeigen 1820, 3/ 2071
2119
ZORN 1743, 295
2120
KRÜNITZ 1779, 17/ 379
2121
NAUMANN 1823, 3/ 913
PASSERES – SINGVÖGEL 361

Unter „Kot“ verstand man früher mit Wasser befeuchtete oder flüssig gemach-
te Erde, besonders, sofern sie sich auf den Straßen oder Wegen befindet, also
Matsch, Dreck.2122 Nach anderen Quellen bedeutet „kotig“ auch „sumpfig“.
Feldbachstelze: PERNAU schrieb in der Angenehmen Landlust: „Ich verste-
he nemlich denjenigen Vogel [als Kothlerche]/ welcher im Sommer als eine
Kornlerche schreyend über weite Felder/ meistens an dürren Hügeln/ dahin
flieget/ und mit dem Schwantz wie eine Gereuthlerche zittert; im Herbst aber
mit einem Geschrey/ das fast einer Bachstelze gleichet/ auf rasigte Wege nie-
derfällt/ und dahero wol eine Feld-Bachstelze genennet werden könte.“2123
Greinerlein, Grienvögelchen: Das Wort „greinen“ bedeutet „weinen,
winseln“ und lässt sich seit Mitte des 16. Jahrhunderts in mehreren Quellen
nachweisen. Wahrscheinlich kommt „Grien-“ von „greinen“.2124 Die Ausdrü-
cke beziehen sich lautmalend auf die Stimme.
GESSNER beschrieb einen Vogel, den er neben Guckerlein, Gickerlein auch
„Grienvögelein“ nannte. Er hatte dessen Bild von einem Straßburger Maler
erhalten hat, ohne zu wissen, welcher Vogel sich dahinter verbirgt. Der Brach-
pieper war wohl nicht gemeint.2125
Wiesen-, Baum- und Brachpieper haben etliche Namen gemeinsam. Um hier
nicht mehrfach Wiederholungen zu bringen, wird auf ausführlichere Erklä-
rungen bei Baum- und Wiesenpieper verwiesen. Es sei hier und auch für das
Folgende an den NAUMANN-Satz in der Einleitung erinnert: „Die Pieperar-
ten sind in den meisten älteren Werken so miteinander verwechselt, daß sich
diese Verwirrung nicht lösen läßt.“2126
Gickerlein, Guckerlein: Die beiden Namen lassen sich von „gicken“ ablei-
ten, was „piepen“ bedeutet (Siehe Wiesen- und Baumpieper).
Hüster: „Lautmalend ist auch der Name Hister für unseren Wiesenpieper.
Dieser stimmt häufig einzelne hisd oder histid an, die zuweilen zu langen
Reihen hististististisd ausgesponnen und damit Bestandteile des Gesanges
werden.“2127 Obwohl der Vogel damit gemeint ist, passt der Name „Hüster“
also nicht zum Brachpieper, wohl aber zu dem eingangs von NAUMANN
beklagten Benennungs-Durcheinander.

2122
ADELUNG 1796, 2/ 1733
2123
PERNAU 1720, 339
2124
SUOLAHTI 1909, 94
2125
GESSNER/HORST 1669, 153
2126
NAUMANN 1823, 3/ 745
2127
HOFFMANN 1937, 18
362 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Stoppelvogel, Stöppling: Man sieht die Vögel auf dem Herbstzug neben
Brachfeldern bevorzugt auch auf Stoppelfeldern, bei Kohläckern, auf Gras-
flächen. Sie hassen fruchtbares Land, meint NAUMANN, „sodass sie selbst
auf ihren Reisen, wo sie gezwungen sind, auch in fruchtbaren Feldern sich
niederzulassen, allemal hier die dürresten Stellen dazu aussuchen“.2128 (Siehe
Baumpieper)
Spießlerche: Einige Lerchen und Pieper hießen so, vermutlich, weil sie am
häufigsten gefangen und an Spießen gebraten und dann gegessen wurden.2129
Spießlerchen wurden „spießweise“, zu acht Stück, verkauft und am Spieß ge-
braten.2130 Brachpieper sollen sehr gut geschmeckt haben (Siehe Wiesen- und
Baumpieper).
Graue Lerche, Weißbäuchige Lerche: „Der Brachpieper ist schon seiner
lichten Farbe wegen nicht leicht mit einem anderen einheimischen Pieper zu
verwechseln.“2131 Die Altvögel sind oberseits fast ungezeichnet grausandfar-
ben, die Unterseite ist ungestrichelt beigeweiß, hell sandfarben.
Braunfalbe Lerche: Die Gefiederfarbe, als sandfarben bezeichnet oder gelb-
grau, auch braungrau, hell olivengelb usw. ist nicht einfach in Worte zu fassen
und wird von den verschiedenen Autoren auch unterschiedlich gesehen. Nur
so ist „braunfalb“ zu verstehen, was etwa bräunlichweiß bedeutet.

Baumpieper (Anthus trivialis)


„Von seinem Zweig flattert er plötzlich empor, beinahe so hoch wie die Wip-
fel der Bäume sind. Dabei beginnt er zu singen, zuerst zwitschernd, dann im
Accelerando schmetternd, mit den Flügeln wirbelnd, nun im Bogen wieder
herabfahrend und im weichen Ritardando mit gezogenen leiseren Tönen ver-
schwebend. Er kehrt zu dem Zweig zurück, von dem er aufstieg. Zuweilen
beginnt der Vogel schon im Sitzen zu singen und fliegt dann erst auf.“2132
Baumpieper, Baumpiper: „Pieper“ für Anthus stammt wie auch „Baumpie-
per“ von BECHSTEIN.2133 Der Baumpieper „setzt sich bisweilen auf Bäume,
lockt pip und singt ziemlich laut 3 trillernde Strophen, steigt auch dabey
etwas in die Höhe, kehrt aber wieder auf die alte Stelle zurück“.2134

2128
NAUMANN 1823, 3/ 745
2129
KRÜNITZ 1833, 158/ 396
2130
GRIMM/GRIMM 1984, 16/ 2471
2131
NAUMANN 1823, 3/ 745
2132
GERLACH 1953, 34
2133
BECHSTEIN 1807, 3/ 704 und STRESEMANN 1941, 82
2134
OKEN 1837, 49
PASSERES – SINGVÖGEL 363

„Ihr Gesang, den sie wie andere Lerchen im Aufschwingen, doch auch auf
den Gipfeln der Bäume, verrichtet, wo bey sie sich von einem Baum auf den
anderen begiebt, damit sie von dem Weibchen besser möge gehöret werden,
ist fürtrefflich.“2135
„Er verdient daher mehr als ein [anderer] Vogel dieser Gattung den Namen:
Baumpieper.“2136 „Sein Gesang hat Aehnlichkeit mit der Nachtigall, ist aber,
nach [C. L.] Brehms Meinung, noch viel schöner.“2137
Waldpieper: „Er ist ein wahrer Waldvogel und liebt vorzüglich solche Wälder,
die nicht zu gut bestanden sind, oder die, welche viel Unterholz und mitunter
Blössen haben.“2138 Auch dieser Ausdruck stammt von BECHSTEIN.
Waldbachstelze: PERNAU, „öffters belobter Verfasser den angenehmen
Landlust [1720], … will diese Gattung, weil sie den Schwanz immer bewe-
get, lieber unter die Bachstelzen, als Lerchen rechnen: aber die Farben, Füsse,
Aufenthalt, Gesang, und die Weise, wie dieses verrichtet wird, mag wohl nicht
gestatten, sie vor etwas anders, als Lerchen auszugeben.“2139 Diese Meinung
von ZORN ist in dem Namen „Waldbachstelze“ zusammengefasst.
(Siehe NAUMANNS Erklärung in der Einleitung zu den Piepern).
Baumlerche, Waldlerche, Buschlerche, Holzlerche, Wiesenlerche, Hei-
delerche, Weidenlerche, Gartenlerche: Die Pieper wurden noch Ende des
18. Jahrhunderts wegen einiger Ähnlichkeiten von verschiedenen Autoren
zu den Lerchen gezählt, beispielhaft bei BECHSTEIN, z. B. unter „Piep-
lerche“ (1795) nachzulesen.2140 Piep-„lerche“ war später der Ausgangsbegriff
für BECHSTEINS „Pieper“ 1807, s. o. Auch „Waldlerche“, „Buschlerche“,
„Holzlerche“, Wiesenlerche“, „Heidelerche“ und „Weidenlerche“ stammen
von BECHSTEIN, während „Gartenlerche“ von NAUMANN kommt.2141
Die Thüringer nannten den Baumpieper im Herbst und Frühjahr „Heide-
lerche“ und im Sommer „Pisperling“ wegen unterschiedlicher Laute zur Brut-
und Zugzeit.2142 Heute unterscheidet man zwischen Gesang, Nest-, Alarm-
sowie Zugrufen.

2135
ZORN, 1743, 296
2136
NAUMANN 1823, 3/ 758
2137
VOIGT 1835, 192
2138
NAUMANN 1823, 3/ 758
2139
ZORN, 1743, 297 und BECHSTEIN 1802, 205
2140
BECHSTEIN 1795, 135
2141
BECHSTEIN 1802, 205 und NAUMANN 1823, 3/ 758
2142
BECHSTEIN 1795, 142
364 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Buschpieper, Holzpieper, Gartenpieper, Weidenpieper: Diese Begriffe


stammen von BREHM (1866), der sich zu keinem Leitnamen bekannte, aber
die Aufzählung seiner Piepernamen mit dem „Baumpieper“ begann.2143
Die Singwarten dieser Vögel sind nicht nur hohe Bäume, sondern auch Sträu-
cher, Büsche. „Holzpieper“ bedeutet hier soviel wie „Waldpieper“.
„Auch in großen Baumgärten, welche mit etwas wildem Holze umschlossen
sind und von Wiesen begrenzt werden, auch in diesen, wenn einzelne Baum-
gruppen nicht fehlen, und in der Zugzeit auch auf den Feldern in der Nähe
der Gebüsche und auf Wiesen trifft man den Baumpieper an.“2144 Es wurde
beobachtet, dass sich die Baumpieper mitunter gerne auf Weiden, in Auwäl-
dern, aufhalten. Feuchtgebiete werden aber gemieden.
Gereuthlerche: Im Frühjahr besiedeln die Vögel „wieder ihre alten Stände.
Ihren Aufenthalt haben sie eigentlich in den vordern Wäldern gebirgiger Ge-
genden und in den Gärten und Wiesen, die in der Nähe liegen. Sie suchen
sich im Walde mehrentheils die lichten Gegenden aus, wo Holz ausgereutet
ist, daher der Name Gereuthlerche, den ihnen die Jäger, sowie dem Brach-
pieper, geben“.2145 „Reuten“ ist „roden, urbar machen“ durch Entfernen von
Baum- und Strauchwerk, auch von Heidegebieten. Sie bauen mitunter ihr
Nest ins Heidekraut.
Krautlerche, Krautvogel, Kreutvogel: „Sie wird im gem[einen] Leben auch
Krautlerche, Krautvogel genannt, welcher Nahme in Ansehung der ersten
Hälfte aus Gereut verderbt ist.“2146 „Kraut-“ entstand demnach aus „Gereut“.
„Krautlerche“ ist ein alter Vogelstellername, den „Krautvogel“ findet man bei
Hans SACHS.2147
Leimvogel, Lehmvogel: Die Wörter sind steirische Benennungen des Vogels,
die von den Leimen-Klössen erklärt werden, unter denen die Vögel ihr Nest
bauen.2148 Da, wo Lehm ist, brüten diese Bodenbrüter auch in flachen, ge-
schützten Mulden oder hinter Erd- oder Lehmbrocken, aber nicht darunter,
wie BECHSTEIN meinte.2149
Leinvogel: Dieser Name steht, statt „Leimvogel“ nur bei BECHSTEIN
(1802). In BECHSTEINS anderen Werken gibt es dafür „Leimvogel“. „Lein-
vogel“ fehlt. Das lässt auf einen Druckfehler in der Ausgabe von 1802 schlie-

2143
BREHM 1866, 891
2144
NAUMANN 1823, 3/ 758
2145
BECHSTEIN 1807, 3/ 717
2146
KRÜNITZ 1779, 17/ 379
2147
H. SACHS 1531, V. 206 und SUOLAHTI 1909, 95
2148
SUOLAHTI 1909, 96
2149
BECHSTEIN 1807, 3/ 706
PASSERES – SINGVÖGEL 365

ßen. Daran ändert auch nichts, dass bei BREHM in der 1. Auflage (1866) nur
„Leimvogel“ steht, in der 2. und 3. Auflage aber auch „Leinvogel“.2150
Spitzlerche: „In manchen Gegenden, wie z. B. im Meiningischen [Thürin-
gen] ist dieser Vogel unter dem Namen Spitzlerche, weil sie nämlich unter
allen sogenannten Lerchenarten am schlankesten oder spitzigsten aussieht,
ein Lieblingsvogel im Zimmer.“2151
Pieplerche: In einer Anmerkung seiner Neuauflage schrieb BECHSTEIN,
dass er zwar „diesen Pieper“, den Baumpieper, mit dem Wiesenpieper „für
einerley gehalten, im Grunde aber eigentlich bloß den Baumpieper unter dem
Namen Pieplerche beschrieben“ habe. „Andere Schriftsteller, wie Linné, Büf-
fon und Latham, haben bald die Beschreibung, bald die Geschichte dieser
Vögel mit einander verwechselt oder unter einander gemischt.“2152
Aus „Pieplerche“ entstand 1807 BECHSTEINS „Pieper“ (s. o.)
Da der Name „Pieplerche“ aus dem Gesang des Wiesenpiepers entstanden ist,
wird Weiteres beim Wiesenpieper beschrieben.
Greinerlein, Grienvögelchen: „Gesner erwähnt den Baumpieper an zwei
verschiedenen Stellen seines Vogelbuchs (S. 76 und 762) unter dem Namen
Grynerlin und Grienuögelin, ohne freilich zu wissen, welcher Vogel damit
gemeint ist. Das erstgenannte Wort, das von greinen, ‚weinen, winseln‘ her-
geleitet ist, begegnet als Greynerlein bei H. Sachs im Regim. der Vögel (1531)
V. 205 und als Greinerlein in Sachsen bei Eber und Peucer Vocab. (1552)
(…); später haben verschiedene Quellen das Wort aus Gesner abgeschrieben.
Die Variante Grienvogel ist an Grien ‚Kiessand‘ angelehnt worden.“ Dagegen:
„Identisch mit Greinerlein.“2153
Schmalvogel, Schmelvogel, Schmelchen: Schmalvogel ist ein veralteter Be-
griff für „kleiner Vogel“, womit etwa spatzengroße Vögel gemeint waren, ahd.
smalfogal. Da dieser Ausdruck auf viele Vögel anwendbar ist, hier aber der
„Baumpieper“ gemeint ist, ist eine Ableitung von „Schmelvogel“ wahrschein-
licher. Dieser Ausdruck aus der Steiermark ist ebenfalls nicht an einen einzel-
nen Vogel gebunden und meint z. B. die Feldlerche. Die Pieper wurden bis
Ende des 18. Jahrhunderts auch als „Lerchen“ bezeichnet, s. o. Die Literatur
nennt „Schmelvogel“, „Schmelchen“ zwar regelmäßig mit einem Verweis auf

2150
BECHSTEIN 1802, 205
2151
BECHSTEIN 1807, 3/ 715
2152
BECHSTEIN 1807, 3/ 707
2153
SUOLAHTI 1909, 94 und GRIMM/GRIMM 1984, 9/ 265
366 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

den Vogel oder auf die steirische Herkunft der Wörter, Erklärungen unter-
bleiben jedoch.2154
Breinvogel: Brein sind „Körner der Hirse, des Hafers usw.“ in Österreich,
aber auch andere Gräser, deren Samen zu Zugzeiten gefressen werden.2155
Auch ein „Breinvogel“ ist nicht nur eine Vogelart. Der Ausdruck bezieht sich
auf Lerchen und damals auch auf Pieper.
Spießlerche, Spisslerche: Die schnellfliegenden, aber wenig scheuen Pieper
können leicht mit dem Blasrohr oder der Flinte erlegt werden. Wegen ihres
angenehm schmeckenden Fleisches wurden sie bejagt und als „Spießlerchen“
spießweise, zu acht Stück, verkauft und am Spieß gebraten.2156 „Spießlerchen“
waren vor allem die Pieper und auch einige Lerchenarten, die man vermutlich
am häufigsten gefangen, an Spießen gebraten und gegessen hat.2157
Stoppelvogel, Stöppling: „Stoppelvogel, werden diejenigen Vögel genannt,
welche sich gleich nach der Erndte auf den Feldern in den Stoppeln einfin-
den, und eine Nachlese der Körner machen.“2158 Der Name war allerdings
sehr allgemein und betraf auch Sperlinge, Ammern, Krähen u. a.
„Auf dem Zuge scheint er [Baumpieper] abends den Wald nicht oder doch
nur gelegentlich aufzusuchen, wenigstens habe ich während der Zugzeit bei
schon heraufziehender kalter Nacht auf Stoppelfeldern und Wiesen oft Vögel
aufgejagt, deren Locktöne keinen Zweifel liessen, dass es Baumpieper wa-
ren.“2159 Die Vögel finden auch auf Stoppelfeldern Nahrung, sonst hätte sich
das uns heute bekannte Zugverhalten im Laufe der Evolution nicht durchge-
setzt. Ob sie auch Pflanzliches zu sich nehmen, ist nicht auszuschließen, aber
eher unwahrscheinlich.
Grillenlerche: Unter „Farbvarietäten“ beschrieb BECHSTEIN in der Neu-
auflage einige Rassen(?) des Baumpiepers, von denen die „Grillenlerche“ eine
war. Sie sollte kleiner als der Baumpieper sein, sich farblich, wie dort beschrie-
ben, von ihm unterscheiden, aber auch Ähnlichkeiten mit dem Wiesenpieper
(„Pieplerche“) haben. „Sie hat eben den Gesang, wie diese, und besucht jähr-
lich den ganzen Sommer über den Kirchsprengel Whiteford in Flintshire, wo
sie in den Weidenbüschen nahe am Teiche lebt. Es scheint auch hier bloß ein
weiblicher Vogel der Art beschrieben zu seyn. Sonst wüßte ich keinen Vogel,

2154
GRIMM/GRIMM 1984, 15/ 926 + 15/ 1010
2155
SUOLAHTI 1909, 95
2156
GRIMM/GRIMM 1984, 16/ 2471
2157
KRÜNITZ 1833, 158/ 396
2158
KRÜNITZ 1840, 174/ 507
2159
NAUMANN 1823, 3/ 758
PASSERES – SINGVÖGEL 367

der zu dieser Beschreibung paßte, als etwa den Schilfsänger ( Sylvia phragmitis,
mihi).“2160 Mehr dazu siehe „Wiesenpieper“.

Wiesenpieper (Anthus pratensis)


„Sie ziehen in großen Heerden, wie die Feldlerchen. Im südlichen Frankreich
wird sie vom Fressen der Trauben sehr fett, und kommt dann unter dem Na-
men Bec-figue et Vinette [Feigenfresser und Weinvogel] auf die Tafeln, wie
anderwärts, vorzüglich in Italien.“2161
„Im Herbst gibt ihr dick mit Fett überzogener Körper ein sehr delikates Ge-
richt, und man würde sie ebenso gern, vielleicht lieber noch als die Feldlerche
verspeisen, wenn sie nicht so klein wären. Man verkauft sie deshalb auch im-
mer billiger.“2162
Wiesenpieper, Wiesenpiper, Pieper: Der Name der Vogelgruppe entstand
vor allem aus den Lockrufen des Wiesenpiepers. Andere Pieper wurden nach
der Verwandtschaft mit dem Wiesenpieper benannt, nicht nach eventuellen
Piep-Rufen.
Man findet diese Vögel den ganzen Sommer hindurch in großen Brüchen
und Mooren. „Jetzt sind sie halbe Sumpfvögel und immer in der Nähe des
Wassers.“ Solche Lebensräume, dazu wirkliche Wiesen, die mit Viehweiden
abwechseln, wo „nur hin wieder einzelne Kopfweiden und verkrüppeltes Seil-
windengebüsche wächst, sind ihnen am liebsten.“2163
Wasserlerche, Sumpflerche: Der Wiesenpieper hält sich gerne auf nassen
Wiesen und in Sümpfen auf, auch auf Mooren und Heidefächen oder offe-
nen Wiesen. „Wasserlerche“ war deshalb ein Name des Wiesenpiepers, aber
auch einer eigenen Art, aus der erst Ende des 20. Jahrhunderts, jetzt „Was-
serpieper“ genannt, Berg- und Strandpieper wurden. Bei NAUMANN war
die „Wasserlerche“, aber auch die „Sumpflerche“ zum einen Beinamen des
„Wiesenpiepers – Anthus pratensis“ zum anderen des „Wasserpiepers – Anthus
aquaticus“.2164
„Sumpflerche“ war ein Beiname des „Wiesenpiepers“, aber auch des „Wasser-
piepers“ und des „Baumpiepers – Anthus trivialis“. „Sumpflerche“ war aber
auch eine eigene Art ( Alauda mosellana), die man bei BECHSTEIN finden

2160
BECHSTEIN 1807, 3/ 712
2161
OKEN 1837, 51
2162
NAUMANN 1823, 3/ 774
2163
NAUMANN 1823, 3/ 774
2164
NAUMANN 1823, 3/ 774 + 1823, 3/ 789
368 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

kann und die sich als „Mosellerche“ oder „Morastlerche“ sogar eine Zeit lang
durchgesetzt hatte.2165
Wiesenlerche, Kleine Lerche, Kleinste Lerche: BUFFON schrieb über die
„Wiesenlerche“: „Belon und Olina sagen, daß diese die kleinste unter allen
Lerchen ist, das macht aber, weil sie die Piplerche, wovon wir in der Folge
reden werden, nicht kannten.“2166
„Die lange Klaue an der hintern Klaue der Füsse, samt der Farb und dem Ge-
schrey, machet daß man diesen Vogel zu den Lerchen rechnen muß.“2167 Die
„Wiesenlerche“ ist LINNÈs „Alauda pratensis“, also der heutige Wiesenpieper.
Pieplerche, Piplerche: Über die Piplerche liest man bei BUFFON: „Diese
Lerche ist unter unsern französischen die kleinste. Ihr teutscher Nahme Pi-
plerche und ihr englischer Nahme pipit sind offenbar von ihrem Geschrey
hergenommen, und dergleichen Benennungen sind immer die besten, weil sie
den benannten Gegenstand so viel als möglich darstellen.“2168
„Ihren Nahmen hat sie offenbar von ihrem Geschrey, welches mit dem Ge-
schrey einer Heuschrecke verglichen wird, aber stärker und durchdringender
ist: sie läßt es hören, sie mag fliegen oder sich auf die höchsten Zweige der
Gesträuche.“2169
Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts war „Pieplerche“ ein (unbewusster) Sam-
melbegriff: Er vereinigte Lerche und Pieper, Wiesen- und Baumpieper sowie
Wiesenpieper und als eigene Art(en) angesehene Varietäten, wie die Grillen-
lerche.
Grillenlerche: BUFFON behandelte die „Grillenlerche“ nur kurz. Auf Wie-
sen- und Baumpieper passende Begriffe und Beschreibungen verhindern eine
Zuordnung zu einer dieser beiden Arten, aber mit „Vorteilen“ für den Wie-
senpieper. „Die Grillenlerche ist von der Piplerche weder durch ihren Sporn,
noch durch ihren Gang verschieden, noch durch den Gesang, der nehmlich
dem Gesange einer Heuschrecke ähnlich ist, daher ich für sie auch den Na-
men der Grillenlerche, den ihr Willughby gegeben hat, beybehalten habe.“2170
Hister, Hiester, Hüster, Diester: „Lautmalend ist auch der Name Hister für
unseren Wiesenpieper. Dieser stimmt häufig einzelne hisd oder histid an, die

2165
BECHSTEIN 1795, 152
2166
BUFFON/OTTO 1788, 14/ 203
2167
FRISCH 1763, T. 16
2168
BUFFON/OTTO 1788, 14/ 218
2169
KRÜNITZ 1799, 77/ 194
2170
BUFFON/OTTO 1788, 14/ 214
PASSERES – SINGVÖGEL 369

zuweilen zu langen Reihen hististististisd ausgesponnen und damit Bestand-


teile des Gesanges werden.“2171
Die Stimme des Wiesenpiepers „ist ein heiseres feines Hist oder Ist, was häufig
mehrmals und oft sehr schnell nacheinander mit weit geöffnetem Schnabel
ausgerufen wird, wie Ist, ist, ist, ist, ist, ist, ist“.2172
Pisperling, Pasperling, Wisperlin, Wisperle: NAUMANN zitierte eine Fül-
le italienischer Namen aus seiner Zeit für den Wiesenpieper, unter denen sich
auch „pispola“ befand.2173 Dieses „pispola“ hat nach SUOLAHTI ebenfalls
einen lautmalenden Ursprung. Davon lassen sich wiederum „Pasperling“ und
„Wisperling“ und „Wisperle“ ableiten.2174
Greinerlein, Grienvögelchen: Die lautmalenden Begriffe stammen aus der
Zeit, als man Pieper noch als Lerchen ansah und Baum- und Wiesenpieper
nicht trennte. Diese beiden Begriffe passen besser zum Baumpieper. Siehe
auch dort.
Das Wort „greinen“ bedeutet „weinen, winseln“ und lässt sich seit Mitte des
16. Jahrhunderts in mehreren Quellen nachweisen.2175 GESSNER beschrieb
einen Vogel, den er „Guckerlein, Gickerlein, Grienvögelein“ nannte und des-
sen Bild er von einem Straßburger Maler erhalten hat, ohne zu wissen, wel-
cher Vogel sich dahinter verbirgt. Es gebe Hinweise sowohl auf den Wiesen-
als auch auf den Baumpieper.2176
Bezüglich des „Grienvögelchens“ wäre am wahrscheinlichsten eine Ableitung
von „greinen“, „womit der abfallende Gesang des Baumpiepers beschrieben
sein könnte“.2177
Guckerlein, Gixer: Wie oben unter „Grienvögelein“ beschrieben, nannte
GESSNER diesen Vogel auch Guckerlein und Gickerlein.2178 Die Wörter sind
Ableitungen von dem onomatopoietischen Verb „gicken“, das „piepen“ be-
deutet. „In der Schweiz lauten die entsprechenden Benennungen Gîpser(li)
und Gîxer (zu gîpsen, gîxen ‚in feinem hohem Tone piepsen‘).“2179
Zwitschlerche, Ziplerche: Auch diese Namen sind lautmalend.

2171
HOFFMANN 1937, 18
2172
NAUMANN 1823, 3/ 774
2173
NAUMANN 1823, 3/ 774
2174
SUOLAHTI 1909, 96
2175
SUOLAHTI 1909, 94
2176
GESSNER/HORST 1669, 153a und SPRINGER 2007, 340
2177
SPRINGER 2007, 340
2178
GESSNER/HORST 1669, 153
2179
SUOLAHTI 1909, 94
370 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Isserling, Isperle, Isperling: „Isserling“ nannte man auch die Heckenbrau-


nelle wegen ihrer braunen Farbe im Gefieder (von „îser“, Eisen). Wiesen- und
Baumpieper haben ein gestricheltes Gefieder, dem NAUMANN die Farbtö-
ne olivbraun, schwarzbraun, braunschwarz, braungrau gab.2180 Während die
Mehrheit der Autoren „Isserling“ für die Braunellen angab, ordnete BECH-
STEIN ihn und die beiden anderen den Piepern zu. „Isperle“ wird in der
Literatur überhaupt nicht geführt, „Isperling“ vereinzelt.2181
Schaflerche: „Dieses Vögelein/ … / lebt von Fliegen/ darumb hält es sich gern
bey dem Vieh auf/ da es viel Fliegen findet.“2182
„Vor dem Abzug heerdenweis unter den Schafen, denen sie die Bremsen und
Zecken wegfressen, und daher auch Schaflerchen heißen.“2183
Spießlerche: BECHSTEIN schrieb 1802: „Ich habe statt des Verwirrung
bringenden Nahmens Pieplerche den Nahmen Spieslerche gewählt, weil
unter demselben dieser Vogel fast allen Jägern und Vogelstellern Deutsch-
lands bekannt ist.“2184
Spießlerchen wurden „spießweise“, zu acht Stück, verkauft und am Spieß ge-
braten.2185 Siehe dazu auch unter „Baumpieper“.
Kleine Spitzlerche: Vom Kapitel Baumlerche übernommen: „In manchen
Gegenden, wie z. B. im Meiningischen [Thüringen] ist dieser Vogel unter
dem Namen Spitzlerche, weil sie nämlich unter allen sogenannten Lerchen-
arten am schlankesten oder spitzigsten aussieht, ein Lieblingsvogel im Zim-
mer.“2186
Krautlerche, Krautvögelchen Krautlerche, Krautvogel, Kreutvogel:
„Kraut-“ entstand aus „Gereut“, die Namen gehören deshalb besser zum
Baumpieper. Auf das Verwechslungsproblem wurde schon hingewiesen. Aus
diesem Grund hatte auch der Wiesenpieper diese Bezeichnungen. „Sie wird
im gem[einen] Leben auch Krautlerche, Krautvogel genannt, welcher Nahme
in Ansehung der ersten Hälfte aus Gereut verderbt ist.“2187
Steinlerche: Als „Steinlerche“ galt meistens die Alpenbraunelle. BECH-
STEIN brachte den Namen für den Wiesenpieper erst in seiner Neuauflage
1807, NAUMANN und BREHM übernahmen ihn, wie nur wenige außer

2180
NAUMANN 1823, 3/ 758 + 774
2181
BECHSTEIN 1807, 3/ 732
2182
GESSNER/HORST 1669, 153
2183
OKEN 1837, 51
2184
BECHSTEIN 1802, 205
2185
GRIMM/GRIMM 1984, 16/ 2471
2186
BECHSTEIN 1807, 3/ 715
2187
KRÜNITZ 1779, 17/ 379
PASSERES – SINGVÖGEL 371

ihnen.2188 VON TSCHUDI schrieb, dass man in einzelnen Kantonen der


Schweiz den „Wasserpieper“ (heute Bergpieper) so nennen würde. Andere
„Steinlerchen“ sollten Feld-, Heide- und Kalanderlerche sein.2189 Bei KRÜ-
NITZ findet man eine Erklärung, die besagt, dass sich die Steinlerche in fel-
sigen und gebirgigen Gegenden aufhält – was auf den Wiesenpieper mitunter
zutrifft.2190
„Der Bergpieper erhält in der Schweiz des Winters, wenn er sich an den Ge-
wässern zeigt, die gleichen Namen, wie der Wiesenpieper. Im Glarnerlande
heißt er Steinlerche; in St.Gallen Gipser, in Bern Gixer, in Zürich Weißler
und im Kanton Schwyz das Herdvögeli.“2191

Rotkehlpieper (Anthus cervinus)


Obwohl PALLAS den Vogel schon 1811 als „Anthus cervinus“ beschrieben
hat, kommt er 1823 bei den Piepern in NAUMANNS Naturgeschichte noch
nicht vor, sondern erst 1860 in den Nachträgen, danach auch bei BREHM
(1879). Vorher hatte allerdings C. L. BREHM (1824) einen „Rothkehli-
gen Pieper“ beschrieben, den er „Anthus rufogularis, mihi“ nannte.2192 Heute
teilt man die Art in zwei Unterarten (ohne besondere deutsche Namen) auf:
„Anthus cervinus cervinus – Pallas, 1811“ und „Anthus cervinus rufogularis –
Brehm, C. L. 1824“.
Rothkehlchenpieper: Die adulten Vögel haben im Sommer eine rötlichbrau-
ne Kehle, die bei den nahezu gleich gefärbten Weibchen nicht ganz so intensiv
ist. Die Farbintensität ist im Winter vermindert. Das „cervinus“ im wissen-
schaftlichen Namen heißt „hirschfarben“.
Rothkehliger Wiesenpieper: Dieser Name stammt aus den „NAUMANN-
Nachträgen“ (1860), aber nicht mehr von NAUMANN selbst, sondern von
BLASIUS/BALDAMUS/STURM.2193
Die Vögel sehen den Wiesenpiepern in Größe und Gestalt ähnlich und kom-
men auch, mitunter als Brutvögel, in denselben Habitaten vor. Sie brüten in
der nördlichen Taiga und Tundra Eurasiens und sind im Herbst in Mittel-
europa seltene Durchzügler.

2188
BECHSTEIN 1807, 3/ 715
2189
VON TSCHUDI 1853, 282
2190
KRÜNITZ 1838, 172/ 614
2191
STEINMÜLLER 1827, 2 / 29
2192
C. L. BREHM 1824, 963
2193
BLASIUS/BALDAMUS/STURM 1860, 97II
372 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Bergpieper (Anthus spinoletta) (früher Wasserpieper –


Anthus spinoletta)
Vor noch nicht langer Zeit, um 1990, hatte der „Wasserpieper ( Anthus spino-
letta)“ zwei Unterarten, den Bergpieper ( A. s. spinoletta) und den Strandpieper
( A. s. petrosus). Heute findet man den Wasserpieper nicht mehr. Er wurde in
drei Arten aufgeteilt: Anthus spinoletta ist der „Bergpieper“, Anthus petrosus ist
der „Strandpieper“ und Anthus rubescens der „Pazifik-Wasserpieper“.
LINNÉ vergab 1758 den wissenschaftlichen Namen „Alauda spinoletta“
einem Vogel, der lange Zeit sowohl „Wasser-“ als auch „Bergpieper“ hieß:
„Hochdeutsch: Wasserpieper; Bergpieper.“2194 Warum das so war, kann man
1827 bei STEINMÜLLER nachlesen. „Ich nehme als bekannt an, daß die
Ornithologen nun, unter den beiden oben angeführten Benennungen [Was-
ser- und Bergpieper, Anthus aquaticus et montanus], einen und denselben Vo-
gel verstehen müssen. In wie ferne er beide Namen mit gleichem Rechte tra-
gen könne, will ich nur kurz bemerken. Anthus montanus zu heißen, vedient
er vom Monat April an bis in den Herbstmonat oder anfangs Weinmonats,
jenach der Witterung, während welcher Zeit er im Sommerkleide … unsre
Berge und namentlich auch unsre trockensten Alpen bewohnt.
Anthus aquaticus kann man ihn mit Recht vom Ende des Herbstmonats an
bis zum Anfang Aprils nennen, weil er während dieser Zeit nicht mehr die
Alpen bewohnt, sondern im Winterkleide … seine vorige Natur verändert zu
haben scheint, und nun vorerst in Thälern einzeln, paarweise und in Flügen
an wässerigen Orten, bald aber in wärmern Klimaten an eben solchen, an-
getroffen wird.“2195
NAUMANN schrieb über den „Wasserpieper“: „Wasser, nacktes Gestein und
Felsen müssen nahe vereint sein, wo er sich im Sommer aufhalten soll, und
er könnte ebensogut Berg-, Stein- oder Felsenpieper als Wasserpieper heißen,
ja noch füglicher, da er nicht an jedem Gewässer angetroffen wird und der
Wiesenpieper sich auch gern am Wasser aufhält. – Er liebt das Meerwasser
und im Gebirge die kalten Quellwasser und über Felsen oder Kiesgrund hin-
rieselnde Bäche, vorzüglich aber die morastigen Quellen der höchsten Berge.
Aus alledem scheint hervorzugehen, daß er für einen kälteren Himmelsstrich
geschaffen ist, weil er sich in südlicheren Gegenden auf den hohen Gebirgen
eine Temperatur sucht, die derjenigen gleicht, in welcher er in den genannten
nördlichen Ländern am Gestade des Meeres lebt.“2196

2194
MORBACH Vögel der Heimat 1940, 2/ 41
2195
STEINMÜLLER 1827, 2/ 21
2196
NAUMANN 1823, 3/ 789
PASSERES – SINGVÖGEL 373

Wasserpieper, Wasserpiper: Aus den obigen Texten von STEINMÜLLER


und NAUMANN kann man Trennungstendenzen in andere Arten nicht un-
bedingt erkennen. Es scheint sie aber gegeben zu haben, wenn man GLOGER
richtig versteht: „Gründe, welche zur specifischen Trennung der am Seeufer
lebenden Pieper dieser Art von den auf Bergen wohnenden auch nur einiger-
maßen genügen zu können, liefert weder die Verschiedenheit ihres Aufent-
halts, deren Extreme sich fast überall berühren; noch können einige geringe
und durchaus unstandhafte Farbenabweichungen als Argumente dafür gel-
ten.“ GLOGER hielt am „Wasserpieper“ fest.2197
„Als Herbstzugvogel ist er besonders unsern Enten- und Vorstehhundjägern
wohlbekannt. Er hält sich auf dem Zug gern auf Sumpfgebieten, auch an
den Flüssen, Bächen und Seen auf und warnt durch seinen scharfen Pfiff die
Enten und andere Wasser- und Sumpfvögel vor dem herannahenden Hund
und Jäger.“2198
Bergpieper: „In der Schweiz gehört er [der Bergpieper] zu den gemeinsten
Alpenvögeln.“ NAUMANN kennzeichnete den Vogel wie folgt: „Oben tief
olivengrau oder braungrau, mit wenig bemerkbaren schwarzgrauen Flecken;
die großen Füße dunkel kastanienbraun oder schwarz. Der Nagel der Hinter-
zeh viel länger als diese und ziemlich stark gebogen.“2199
Moorlerche, Mohrlerche, Sumpflerche, Wasserlerche: Der Vogel wurde
wegen seiner langen Hinterzehenkralle, die OKEN als „gerade Lerchenklaue“
bezeichnete, „Lerche“ genannt.2200 „Moor-“, „Sumpf-“, „Wasser-“ beziehen
sich auf vom Bergpieper bevorzugte gebirgige Feuchtbiotope.
Kothlerche, Drecklerche: Kotig (kothig) bedeutete „sumpfig, matschig“. Der
Vogel brütet in der alpinen Zone oberhalb der Baumzone nahe der Schnee-
grenze und hält sich nach der Brutzeit gerne in feuchten Gegenden oder an
stehenden oder langsam fließenden Gewässern auf.
Unter schweizer Lokalnamen findet man für den Bergpieper auch „Wetter-
vogel“, „Wetterpfiffer“ und „Wättervögeli“. Ein Wettervogel sagt durch seine
Rufe oft Schlechtwetter, verbunden mit Schmutz und Kot („Matsch“), voraus
und wurde auch Kothvogel (hier Kothlerche) genannt.2201
Weißler: Der Gesang des Bergpiepers ist kräftiger als der des Wiesenpiepers,
dazu melodischer und länger anhaltend. „Das Wort Weissel kommt von dem

2197
GLOGER 1834, 262
2198
STUDER/FATIO 1914, 1825
2199
BREHM 1866, 892 und NAUMANN 1823, 3/ 789
2200
OKEN 1837, 51
2201
STUDER/FATIO 1914, 1801
374 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Provinzialwort Weissen, laut und rein schreien, stärker als singen. … Er heißt
im Kanton Zürich Weissler wegen seiner schreienden Stimme.“2202
Gipser: „Gipsen“ bedeutete in der Schweiz „in feinem hohen Tone piep-
sen.“2203 Damit sind Laute, wie Flugruf-, Lock- oder Warnlaute gemeint. Der
Name ist vom Wiesenpieper übernommen worden.
Herdvögelchen: So bezeichnete man „bey den Vogelstellern, zahm gemachte
Vögel, welche als Lockvögel auf den Vogelherden gebraucht werden. Inglei-
chen Vögel, welche man auf solchen Herden zu fangen pfleget“.2204
Florentinische Lerche: Für BUFFON gehörte die „Florentische Lerche“ zum
Brachpieper. „Linné kannte sie nicht, und macht eine besondere Art daraus,
ohne weitere Kennzeichen davon anzugeben, als daß sie in Italien lebe und
braungraue Ruderfedern habe, von welchen die beyden äußersten schräge
halb weiß wären, welches aber auch auf die Brachlerche passen kann.“ Etwas
später schrieb BUFFON: „Linné hat diese Art nie zu Gesichte bekommen,
und nennet sie Spinoletta. Er glaubt ihr den wahren florentinischen Namen
zu geben; allein ihre eigentliche Benennung ist daselbst Pispoletta. Was Linné
weiter von diesem Vogel sagt, daß er in Italien wohnt, hat seine völlige Rich-
tigkeit, denn er ist daselbst allgemein bekannt, wird fleißig gefangen und für
einen köstlichen Leckerbissen gehalten.“2205
Die Wissenschaftler folgten BUFFONs Zuteilung zum Brachpieper nicht.
Für sie handelte es sich bei der „Florentinischen Lerche“ um den Bergpieper
(Wasserpieper).
Braunfalbe Lerche: „Braunfalbe Lerche“ ist ein anderer Name für „Florenti-
sche Lerche“. „Die Farbe von oben aschfarbengrünlich oder braunfalb, unten-
her weis.“2206

Strandpieper (Anthus petrosus)


Bis in die 1980er-Jahre gab es mit „Anthus spinoletta“ den Wasserpieper, der
mitunter in Bergpieper ( Anthus spinoletta) und Strandpieper ( Anthus petrosus)
aufgeteilt wurde. Die wissenschaftlich begründete Aufspaltung geschah dann
aber bald, wobei mit dem Pazifischen Wasserpieper ( Anthus rubescens) eine
dritte Art hinzukam. Heute unterscheidet man vom Strandpieper schon wie-
der mehrere Unterarten. Zwei leben in Großbritannien mit Irland und Frank-

2202
STUDER/FATIO 1914, 1804
2203
SUOLAHTI 1909, 94
2204
KRÜNITZ 1773, 23/ 54
2205
BUFFON/OTTO 1788, 14/ 233
2206
HALLE 1760, 2/ 316
PASSERES – SINGVÖGEL 375

reich, bzw. Nordwesteuropa und Skandinavien. Zwei weitere findet man in


kleineren Verbreitungsgebieten auf den Hebriden und den Färöern.
Strandpieper leben einzelgängerisch und sind standorttreu. Sie bevorzugen
die felsigen Küsten Nord- und Mitteleuropas. Nur die Strandpieper Nord-
europas ziehen im Winter in südlichere Regionen bis nach Algerien und Ma-
rokko an flache Küsten mit offenen Sand- und Muschelstränden.
Mit „Anthus spinoletta“ wird heute nur der Bergpieper bezeichnet. Einen
europäischen Wasserpieper gibt es nicht mehr (versch. Qu.).
Strandpieper: In der Einleitung zum „Bergpieper“ steht: Vor noch nicht lan-
ger Zeit, um 1990, hatte der „Wasserpieper ( Anthus spinoletta)“ zwei Unter-
arten, den Bergpieper ( A. s. spinoletta) und den Strandpieper ( A. s. petrosus).
Heute findet man den Wasserpieper nicht mehr. Er wurde in drei Arten auf-
geteilt: Anthus spinoletta ist der „Bergpieper“, Anthus petrosus ist der „Strand-
pieper“ und Anthus rubescens der „Pazifik-Wasserpieper“.
Den Namen „Strandpieper“ findet man erst 1866 bei BREHM. Im Kapi-
tel über den „Wasserpieper“, in dem er „Strandpieper“ nicht als Beinamen
führte, schrieb BREHM: „Einzelne gehen gelegentlich ihrer Wanderung auch
weiter nach Süden. So finden sie sich in strengen Wintern zuweilen an der
Meeresküste Griechenlands oder selbst Egyptens und regelmäßig in Spanien.
Wie weit sie nach Norden hinaufgehen, ist aus dem Grunde nicht zu sagen,
weil eine Streitfrage noch nicht entschieden ist: ein dem Wasserpieper sehr
ähnlicher Vogel nämlich, der Strandpieper ( Anthus rupestris) wird von einigen
Naturforschern nicht als Art, sondern höchstens als Abart von jenem [Wasser-
pieper] angesehen; der Strandpieper aber ist es, welcher den ganzen Norden
Europas, namentlich Skandinavien, sehr häufig bewohnt.“2207

Die Stelzen
Früher hieß die Gruppe Bachstelzen ( Motacilla). Die Vögel sind schlank, ha-
ben lange Beine und einen langen Schwanz. Die Geschlechter sind unter-
scheidbar.
„Im Laufen senken sie den Schwanz beständig wackelnd auf und nieder; wäh-
rend des Stillstehens, und wenn sie sich eben aus der Luft niedergelassen ha-
ben, wippen sie noch schneller und heftiger damit, und breiten ihn zugleich
aus.“2208

2207
BREHM 1866, 893
2208
GLOGER 1834, 252
376 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Den Namensteil „-stelze“, „-stels“ hat der gerne in Wassernähe lebende Vogel,
weil er einherstelzt, seiner „langen dünnen Beine wegen,“ – „wegen der steifen
stelzenartigen Gangart“.2209
BUFFON unterschied zwischen Bachstelzen und Sticherlingen (heute Ge-
birgs- und Schafstelzen). „Die erstere hält sich gewöhnlich am Ufer des Was-
sers auf und die Sticherlinge besuchen häufig die Mitte der Wiesen, und fol-
gen den Herden. Beide flattern oft in dem Felde um den Ackersmann herum,
und begleiten den Pflug.“ Sie seien aber keine Fliegenschnäpper, weil diese auf
Bäumen auf ihre Beute lauerten und darauf Jagd machten, die Sticherlinge
aber sie auf der Erde suchten und verfolgten.2210

Gebirgsstelze (Motacilla cinerea)


Die auch „Bergstelze“ genannte Gebirgsstelze ist stärker an das Wasser ge-
bunden als andere europäische Stelzenarten. Typische Brutbiotope sind be-
waldete, schattenreiche, schnellfließende Bäche und Flüsse mit Geröllufern,
zeitweise trockenfallenden Geschiebeinseln, wildbachartigem Charakter und
Nistmöglichkeiten bietenden Steilufern. Der Vogel kommt aber auch an
baumarmen Bachläufen, über der Baumgrenze und auch an sehr kleinen Bä-
chen vor, solange sie rasch fließen und geeignete Nistplätze, schattige Stellen
sowie hohe Singwarten vorhanden sind.
Die Nahrung ist der starken Biotopbbindung angepasst. Bei einer Zählung
in der Schweiz waren von 415 ans Nest gebrachten Beutetiere 178 = 42,9 %
Dipteren (Zweiflügler: Fliegen, Mücken), 86 = 20,7 % Plecopteren (Steinflie-
gen), 78 = 18,8 % Ephemopteren (Eintagsfliegen), 18 = 4,3 % Trichopteren
(Eintagsfliegen). Die Beutetiere sind überwiegend (96 %) nicht größer als
10 mm.2211
Gebirgsstelze: Die Gebirgsstelze kommt bei uns in den Alpen (bis fast 200 m
Höhe) und bis zum Nordrand der Mittelgebirgsschwelle vor. Sie fehlt oder ist
selten in größeren Tal- und Beckenlandschaften sowie der der niederländich-
norddeutschen Tiefebene.2212
Waldstelze: Von den heimischen Stelzen ist die Gebirgsstelze am meisten an
das Wasser gebunden. Optimale Lebensräume sind bewaldete, schattenreiche,

2209
GRIMM/GRIMM 1984, 27/ 2516
2210
BUFFON/OTTO 1791, 16/ 29
2211
GLUTZ VON BLOTZHEIM/BAUER 1985, 870
2212
BEZZEL 1993, 114
PASSERES – SINGVÖGEL 377

schnellfließende Bäche und Flüsse mit Wildbachcharakter. Zur Nestanlage


sind Steilufer nötig.2213
Wasserstelze, Gelbe Wasserstelze: Das althochdeutsche „wazzirstelza“, „waz-
zerstelza“ stammt aus dem oberdeutschen Sprachgebiet und ist in alemanni-
schen und schwäbischen Quellen des 15./16. Jahrhunderts öfter zu finden.2214
Den Namensteil -stelze, -stels hat der gerne in Wassernähe lebende Vogel, weil
er einherstelzt, seiner „langen dünnen Beine wegen“ – „wegen der steifen stel-
zenartigen Gangart“.2215 Man liest auch, dass sie mit zierlichen Bewegungen
stelzt.2216 BECHSTEIN nannte die Bachstelze ( Motacilla alba) „Wasserstel-
ze“, aber auch „Weiße Bachstelze“. Die Gebirgsstelze war für ihn die „Gel-
be Wasserstelze“ (p. 163).2217 BREHM strich „weiß“ und „gelb“ und nannte
beide Vögel „Wasserstelze“.2218 Nach BREHMS Vater hätte die Gebirgsstelze
„Wasserstelze“ am ehesten verdient, siehe „Schwefelgelbe Bachstelze“.
Winterstelze, Winterbachstelze: In dem Tagebuch über seine Norwegenrei-
se 1817 schrieb Friedrich BOIE, dass er in Südnorwegen speziell diesen Vogel
gesucht, aber nicht gesehen habe. Die Gebirgsstelze kommt in Skandinavien
nur im Süden vor. BOIE weiter: „Die Winterbachstelze erscheint schon in
Deutschland nicht weit nördlich.“ Heute ist sie in Norddeutschlands Mittel-
gebirgen ein relativ seltener Brutvogel.2219
Die Namen „Winterstelze“ und „Winterbachstelze“ entstanden aus der Be-
obachtung, dass nicht alle Gebirgsstelzen im Winter Deutschland oder den
Alpenraum verlassen. Als einzige heimische Stelze ist die Gebirgsstelze ein
Stand- oder Strichvogel.
Frühlingsstelze, Frühlingsbachstelze: Die Gebirgsstelze wird für West- und
Mitteleuropa als Standvogel beschrieben, ist aber auch Teilzieher nach Süd-
west- und Westeuropa. Der Heimzug beginnt im Februar/März, früher als
der der erst ab Mitte April heimkehrenden Schafstelze.2220 Dennoch galten
„Frühlingsbachstelze“, wie auch „Frühlingssticherling“ (s. u.) für beide Stel-
zenarten. S. dazu die Erklärung bei der Schafstelze.
Schwefelgelbe Bachstelze, Gelbe Bachstelze, Gelbe Stelze, Gelbbrüstige
Bachstelze, Gilbstelze: Eine alte wissenschaftliche Bezeichnung für die Ge-
birgsstelze ist „Motacilla sulphurea“, was „schwefelgelber Wippschwanz“ be-

2213
BEZZEL 1993, 116
2214
SUOLAHTI 1909, 87
2215
GRIMM/GRIMM 1984, 27/ 2516
2216
CARL 1995, 237
2217
BECHSTEIN 1802, 161
2218
BREHM 1879, 5/ 241 + 243
2219
BOIE 1822, 29
2220
BEZZEL 1993, 116
378 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

deutet. Alle diese Namen beziehen sich denn auch auf die gelbe Unterseite
des Vogels, die stärker auffällt als das vorherrschende Grau/Grauschwarz des
Rücken-, Flügel- und Schwanzgefieders. BECHSTEIN und alle Autoren, die
diese Namen nach ihm verwendet haben, haben alle mit den hier angegenen
Bezeichnungen ausschließlich die Gebirgsstelze gemeint, wodurch eine Ver-
wechslung mit der Schafstelze vermieden wurde.
C. L. BREHM nannte die Gebirgsstelze „Schwefelgelbe Bachstelze“ und setz-
te sie in seiner „Die Gattung Bachstelze. Motacilla“ an die erste Stelle. „Ich
setze diese Bachstelze zuerst, weil sie den Namen Bachstelze am Meisten ver-
dient; denn sie entfernt sich selten von den Ufern der Bäche, Teiche und
Flüsse, da die andern sehr oft auf Aeckern, Wiesen, in Gärten und auf Triften
sind, und oft lange Zeit nicht an Bäche kommen.“2221
Gelbe Bachstelze mit schwarzer Kehle: Das Gebirgsstelzen-Männchen im
Prachtkleid hat als einzige „gelbe Stelze“ eine schwarze Kehle. Der Name
„Gelbe Bachstelze mit schwarzer Kehle“ erschien 1795 bei BECHSTEIN. Ob
er ihn auch gebildet hat, ist nicht sicher. Wahrscheinlicher ist, dass er daraus
diesen Begriff für sein Ornithologisches Taschenbuch gemacht hat.2222
Graue Bachstelze: Die Oberseite dieser Stelze ist deutlich grau, anders als
die der Schafstelze, bei der sie graugrünlich/graubraun ist. BECHSTEIN,
NAUMANN oder OKEN nannten die Gebirgsstelze die „Graue Bachstelze“.
Sie unterschieden sie von der „Gelben Bachstelze“, der Schaftstelze, die mehr
Gelb im Gefieder hat.2223
Sticherling, Gelber Sticherling, Frühlingssticherling: Sticherlinge waren
auch Grauschnäpper, Steinschmätzer oder Gelbspötter, alles Vögel, die nach
Insekten schnappen.
Gebirgsstelzen sind schon früh, Ende Februar/Anfang März aus dem Winter-
quartier zurück, wenn sie überhaupt wegziehen.2224
Gelbes Ackermännchen: Wieder teilt sich hier die Gebirgsstelze den Namen
mit der Schafstelze, wenn es nicht sogar eine Verwechslung mit der Schafstel-
ze ist. Das eigentliche „Ackermännchen“ ist die (weiße) Bachstelze. „Gelbes
Ackermännchen“ passt nicht zur Gebirgsstelze.
„Zu Bologna nannte man diese Bachstelze Boarolo oder Boarina (Kuhstelze);
daher der lateinische Name Boarula entstanden, welcher aber nach der Ge-

2221
C. L. BREHM 1820, 1/ 893
2222
BECHSTEIN 1802, 162
2223
BECHSTEIN 1802, 163 und NAUMANN 1803, 3/ 824 und OKEN 1837, 48
2224
BEZZEL 1993, 116
PASSERES – SINGVÖGEL 379

schichte des Vogels zu urtheilen, mehr der Schafstelze zukommen sollte, vom
Linné aber verwechselt worden ist.“2225
Gelbkopf: Den „Gelbkopf“ führte VOIGT unter „Gelbe Bachstelze“ (passt
auf Gebirgs- und Schafstelze). An Beinamen nannte VOIGT noch „Schwe-
felgelbe Bachstelze“ (Gebirgsstelze), an wissenschaftlichen Namen sowohl
„Motacilla sulphurea“ (Gebirgsstelze) als auch „Motacilla flava“ (Schafstelze).
Französisch heiße sie „Begeronette“ (Schafstelze).2226
Ein „Gelbkopf“ ist die Gebirgsstelze nicht. Es ist auch nicht zu ergründen,
woher VOIGT den Namen für diesen Vogel hatte. Dieser in Deutschland
nicht seltene Vogel lebe mehr am Gewässer der Gebirgsgegenden.
Die andere gelbe Stelze führte VOIGT als „Kuhstelze“, gab ihr Beinamen
der Schafstelze, dann aber kam auch „Motacilla boarula“ (Gebirgsstelze). In
Deutschland sei sie in schattigen Waldgegenden, zumal an kalten Bächen und
Quellen, nicht selten (Gebirgsstelze).
VOIGT hat sich über diese Vögel, die er hätte kennen können, schlecht in-
formiert. Er war übrigens ein von GOETHE protegierter Gegner OKENS
in Jena.
Irlin: Das Wort kann man auf altindische Ursprünge zurückführen, die etwa
„fließen, gleiten, sich rasch bewegen“ bedeuten. Irlin könnte dann ein kleiner
Vogel sein, der sich an fließenden Gewässern aufhält.2227
BUFFON unterschied drei gelbe Stelzen: den grauen Sticherling, den Früh-
lingsticherling und den gelben Sticherling. Die zweite Art sei der „Irlin“
SCHWENCKFELDS (1603, p. 67).2228

Zitronenstelze (Motacilla citreola)


„Vom Nordosten Europas her hat sich eine der schönsten, wenn nicht die
schönste aller Stelzen, die Sporenstelze, wie wir sie nennen wollen (…), wie-
derholt nach Westeuropa und so auch nach Deutschland verflogen. … Wie in
Gestalt und Färbung, ist die Sporenstelze auch im Sein und Wesen ein Mittel-
glied zwischen Gebirgs- und Schafstelze, steht der letzteren aber näher als der
ersteren.“ Von den obersten Strauchspitzen lässt das Männchen einen kurzen
Gesang hören, „welcher zwar dem einfachen Liedchen der Schafstelzen eben-

2225
HEPPE 1798, 477
2226
VOIGT 1835, 191
2227
GRIMM/GRIMM 1984, 10/ 2159
2228
BUFFON/OTTO 1791, 16/ 57
380 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

falls ähnelt, sich aber doch durch bestimmte, etwas schärfer klingende Töne
und den ganzen Bau der Strophe unterscheidet“.2229
Citronenstelze: Das Verbreitungsgebiet dieses Vogels beginnt in Mittelruss-
land und der Ukraine und erstreckt sich nach Osten, wo er in feuchtem Wie-
sengelände, auf offenen Mooren, an feuchten Flussufern und in der Strauch-
tundra brütet. Seit den 1950er-Jahren beobachtet man eine Expansion nach
Westen, so sind in Polen bereits Bruten festgestellt worden, auch eine in
Deutschland.2230
Den Namen hat diese Stelze von dem ganz zitronengelben Kopf und der gel-
ben Unterseite des Männchens im Prachtkleid.
Sporenstelze: Die Hinterzehe ist mit 8 mm zwar deutlich kürzer als die Mit-
telzehe mit 14 mm, dafür ist der Nagel der Hinterzehe, der Sporn oder die
Spore, mit 12 mm deutlich der längste (Mittelzehe 6 mm). Der Name stammt
von BREHM, s. o.

Schafstelze (Motacilla flava) (Neuer Name:


Wiesenschafstelze)
In Deutschland wurden außer der heimischen Motacilla flava flava vier wei-
tere Formen regelmäßig beobachtet, die man lange (und teilweise bis heute,
2012) als Unterarten betrachtete. Im Folgenden werden die 5 Unterarten,
ihre Erstbeschreibungen und ihre Vorkommen aufgezählt:

• Schafstelze – Motacilla flava flava (Linné 1758); Mitteleuropa, Teile West-


europas, Südskandinavien.
• Englische Schafstelze – Motacilla flava flavissima (Blyth 1834); Großbri-
tannien
• Aschköpfige Schafstelze – Motacilla flava cinereocapilla (Savi 1831); Italien
• Nordische Schafstelze – Motacilla flava thunbergi (Billberg 1828);
Nordskandinavien
• Maskenstelze – Motacilla flava feldegg (Michahelles 1830); Balkan, Türkei

Diese fünf Unterarten der Schafstelze werden auf der Basis genetischer Be-
funde immer öfter als eigene Arten aufgefasst. Dementsprechend zählt in der
Liste der Vögel Deutschlands (2005) nur die mitteleuropäische Schafstelze zur
Art „Motacilla flava“ und trägt den deutschen Namen „Wiesenschafstelze“.

2229
BREHM 1879, 5/ 245
2230
BEZZEL 1993, 111
PASSERES – SINGVÖGEL 381

Heute unterscheidet man:

• Wiesenschafstelze – Motacilla flava


• Gelbkopf-Schafstelze – Motacilla flavissima
• Aschkopf-Schafstelze – Motacilla cinereocapilla
• Thunbergschafstelze – Motacilla thunbergi
• Maskenschafstelze – Motacilla feldegg (versch. Qu.)

Schafstelze, Kuhstelze, Kuhbachstelze, Rinderstelze, Viehstelze, Gelbe


Viehbachstelze: „Im Gegensatz zu dem ‚Ackermann‘ oder der weißen Bach-
stelze ist die gelbe der ‚Viehhirt‘, der in Gesellschaft von Rindern und Pferden
angetroffen wird und auf den niederen Viehtriften seiner Nahrung nachgeht.
In Preußen wird der Vogel Kuhstelze, anderwärts auch Viehstelze genannt.“2231
„Viele überwintern schon in Egypten; die große Mehrzahl aber fliegt bis in
das Innere Afrikas. Hier sieht man während der Wintermonate jede Rinder-,
Schaf- oder Ziegenherde, ja jedes Kamel, jedes Pferd, jedes Maulthier oder
jeden Esel von den niedlichen Vögeln umgeben, und auf den Weideplätzen
wimmelt es zuweilen von ihnen.“2232
Kuhscheiße, Kohspinken: „Kuhscheiße“ ist ein Vogel, die Kuhstelze. „Sie
verfolgt das Rindvieh, um da Stechfliegen abzusuchen.“ Der Name wurde
1531 schon von Hans SACHS verwendet.2233 Der Vogel sammelt Insekten
von den Kuhfladen und bekam vor allem daher den wenig freundlichen Na-
men. Für „Kohspinke“ gilt dasselbe. Ein Spinke ist eine Sommersprosse.
Gelbe Bachstelze, Goldgelbe Bachstelze, Gelbbrüstige Bachstelze, Gold-
bäuchige Bachstelze, Große gelbe und grüne Bachstelze: Das Männchen ist
unterseits satt gelb gefärbt, das Weibchen etwas weniger. Diese Kunstnamen,
die man bei BECHSTEIN findet, haben jedoch keinen eindeutig kennzeich-
nenden Wert, weil sie sowohl für die Schafstelze als auch für die Gebirgsstelze
gelten könnten. In der Neubearbeitung des NAUMANN wurde beklagt, dass
beide Stelzenarten „noch immer“ verwechselt werden.2234
Der letzte, lange Name stammt von VOIGT: „Obenher grau, ins Olivengrü-
ne; der Unterleib schön gelb.“ Bezüglich des „groß“ lag VOIGT falsch. Die
Schafstelze ist die kleinste heimische Stelze.2235

2231
SUOLAHTI 1909, 92
2232
BREHM 1866, 908
2233
GRIMM/GRIMM 1984, 11/ 2582
2234
BECHSTEIN 1807, 3/ 466 und NAUMANN/HENNICKE 1900, 3/ 120
2235
VOIGT 1835, 191
382 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Kleine Bachstelze: Der Vogel wird bis 16 cm lang, die Gebirgsstelze bis
20 cm. Die Bachstelze ist mit bis zu 19 cm Länge auch deutlich größer.
Gelber Wippsterz, Geeler Wippstärt: Der zweite Ausdruck ist plattdeutsch
und bedeutet dasselbe wie der erste.
Namensformen, die als zweiten Teil das Wort „Sterz“, „Stert“ haben, wei-
sen auf den beweglichen, fortwährend wippenden Schwanz des Vogels hin.
„Sterz“ bedeutet „Schwanz“.2236 Das Wort kann aus dem Germanischen ab-
geleitet werden, wo „stert“ „ragen, sich drehen“ bedeutet oder aus dem Grie-
chischen, wo es „Spitze der Lanze“ heißt oder „Zinke, Zacke“.2237
Triftstelze: „Trift“ ist „Weide, besonders Schafweide, benutztes freies Gras-
land oder Wald auszerhalb der Feldmark; häufig Gemeindebesitz. Früh be-
legt; in Mundarten weit verbreitet.“2238
Wiesenstelze: Das Wort stammt von BECHSTEIN, wurde aber so gut wie
nicht aufgegriffen, bis es im 20. Jahrhundert relativ häufig genannt wurde.2239
Wie in der Einleitung dargestellt, ist „Wiesenstelze“ der neue Name der mit-
teleuropäischen Schafstelze. Ob er sich durchsetzt, bleibt dahingestellt.
Schafstelzen sind Feld- und Sumpfvögel. Man findet sie auch auf Wiesen, wo
keine Viehherden weiden.
Gelber Sticherling: Sticherling war ein Name für mehrere Arten kleiner
Singvögel durchweg mit raschen stichartigen Schnabelbewegungen: Dazu
gehören die Schafstelze, die Gebirgsstelze, aber auch Fliegenschnäpper und
Steinschmätzer.2240
Frühlingsbachstelze, Frühlingssticherling: Obwohl die Schafstelze als letzte
der heimischen Stelzen aus dem Süden eintrifft, wurde sie als Frühlingsbote
angesehen. Das lag wohl auch an ihrer auffälligen Färbung und ihrem men-
schennahen Lebensraum. BECHSTEIN hat die Namen „Frühlingsbachstel-
ze“, „Frühlingssticherling“ auch der Gebirgsstelze gegeben. Dabei bemängelte
er, dass Ornithologen seiner Zeit, außer BUFFON, nicht zwischen den bei-
den Arten (Schaf- und Gebirgsstelze) unterschieden.2241
Kurzschwänzige Bachstelze: Der Schwanz der Schafstelze ist kürzer als der
der Bachstelze und deutlich kürzer als der der Gebirgsstelze.

2236
GRIMM/GRIMM 1984, 18/ 2530
2237
KLUGE 1905, 379
2238
GRIMM/GRIMM 1984, 22/ 498
2239
BECHSTEIN 1807, 3/ 466
2240
SUOLAHTI 1909, 74
2241
BECHSTEIN 1807, 3/ 460 + 466
PASSERES – SINGVÖGEL 383

Gelber Ackermann, Geeler Ackermann, Ackermännchen: Wieder teilt sich


hier die Schafstelze den Namen mit der Gebirgsstelze, „Ackermännchen“
sogar mit der Bachstelze: Das eigentliche „Ackermännchen“ ist die (weiße)
Bachstelze. Mit „Gelber Ackermann“ ist die Schafstelze gemeint, zur Gebirgs-
stelze passt er nicht.
Grasmücke, Gelbe Grasmücke: „Gelbe Grasmücke“ für diesen Vogel stammt
von NAUMANN.2242 Der Ausdruck wurde nicht beachtet, zumal die Schaf-
stelze mit der Grasmücke nichts gemein hat, außer, dass sie wie diese das Gras
„durchschlüpfend“ nach Insekten absucht.

Bachstelze (Motacilla alba)


„Hat ein Sperber sich am Rain auf einem Pfahl niedergelassen, sind die Bach-
stelzen so keck, ihn mit schrillen Rufen zu umfliegen und nach ihm zu sto-
ßen. Der Raubvogel kennt ihren wogenden Sturzflug, dem er nicht zu folgen
vermag. … Ihre Gewandtheit macht sie sicher, und sie suchen nicht in Bü-
schen Zuflucht.“2243
Bachstelze, Gemeine Bachstelze: „Der Nider-teutsche Namen hat die Aus-
sprach des Ober-Teutschen Pöbels sehr verstellt, aus Wacksterte ist Bachstelze
geworden.“2244
Die Bachstelze ist „ein an Bächen herlaufendes und unablässig den Schwanz
rührendes, munteres zierliches Vöglein.“2245 SUOLAHTI schrieb, dass nicht
das ältere „Wasserstelze“, sondern „Bachstelze“ in der Schriftsprache gebräuch-
lich geworden sei. „Bachstelze“ erschien als „pachsteltz“ zuerst in bayerischen
Handschriften des 14. Jahrhunderts.2246
„Die Bachstelze (lavandiere) hat diese Benennung im Französischen, weil sie
zutraulich an den Flüssen herum geht, beständig, den Hintern aufhebt, ihren
Schwanz bewegt, wie eine Waschfrau, die ihr Zeug klopft.“2247
Wasserstelze, Gemeine Wasserstelze, Wasserstels: Das althochdeutsche
Wort „wazzirstelza“, „wazzerstelza“ stammt aus dem oberdeutschen Sprach-
gebiet und ist in alemannischen und schwäbischen Quellen des 15./16. Jh.
öfter zu finden.2248 Den Namensteil -stelze, -stels hat der gerne in Wassernähe

2242
NAUMANN 1823, 3/ 839
2243
GERLACH 1953, 70
2244
FRISCH 1763, T. 23
2245
GRIMM/GRIMM 1984, 1/ 1063
2246
SUOLAHTI 1909, 88
2247
BUFFON/OTTO 1789, 16/ 39
2248
SUOLAHTI 1909, 87
384 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

lebende Vogel, weil er einherstelzt, seiner „langen dünnen Beine wegen“ –


„wegen der steifen stelzenartigen Gangart“. Man liest auch, dass sie mit zier-
lichen Bewegungen stelzt.2249
Wassersterz: Ist mit „Sterz“ normalerweise bei Vögeln der Schwanz gemeint,
ist in diesem Fall (Kombination mit „Wasser“-) der Wortteil „-sterz“ von
„-stelze“ abgeleitet worden.2250
Hausstelze, Hausbachstelze: Der Vogel nistet und lebt auch in der Nähe von
Wohnungen, in Dörfern und bis in Stadtgebiete hinein.
Blaue Bachstelze, Blaue Wasserstelze, Blaustelze: Die Farben des Vogels
sind schwarz, weiß und aschgrau. Das Rückengefieder des männlichen Pracht-
kleides findet man auch als blaugrau, aschblau u. a. beschrieben. Während die
ersten beiden Begriffe schon alt sind, so kam „Blaue Wasserstelze“ 1760 bei
HALLE vor, ist die „Blaustelze“ ein typisches verkürztes (spätes) Wort von
BREHM.2251
Bläuliche Bachstelze: Den Namen findet man als „Blauliche Bachstelze“
schon bei ZORN. „Auf dem Rücken ist sie Asch-blau, oder dunkel-grau.“
Und etwas später: „Ich hab öffters bemerket, daß sie am Gestade des Wassers,
die bey warmen Sonnenschein da herausgegangene kleine Fischlein gefangen,
die sie so lange zerbissen, biß sie weich, und zum verschlucken tüchtig wor-
den.“2252
Weiße Bachstelze, Weiße Wasserstelze, Weißbunte Bachstelze, Weißstel-
ze, Graue Bachstelze, Graue Wasserstelze, Graustelze: Als „Weiße Bach-
stelze – Motacilla alba“ wurde der adulte Vogel bezeichnet. Die „Graue Bach-
stelze“, die manche Autoren auch „Motacilla cinerea“ nannten, war der junge
Vogel oder ein Weibchen im Schlichtkleid, wegen des nicht weißen grauen
Wangenspiegels.
„Weißstelze“ und „Graustelze“ sind wieder Kurznamen von BREHM.2253
Graues Schwarzkehlein: Unter dem Hauptnamen „Klosterfräulein“ führten
KLEIN/REYGER die Bachstelze, die die Nebennamen „Graues Schwarzkeh-
lein“ und „Weiß und schwarze Bachstelze“ bekamen. Namengebend war vor
allem der schwarze Kehlbereich.2254

2249
GRIMM/GRIMM 1984, 27/ 2516 und CARL 1995, 237
2250
GRIMM/GRIMM 1984, 1/ 1063
2251
BREHM 1879, 7/ 241
2252
ZORN 1743, 432
2253
BREHM 1879, 7/ 241
2254
KLEIN/REYGER 1760, 79
PASSERES – SINGVÖGEL 385

Steinstelze, Steinbachstelze: „Steinbachstelzen“ sind diejenigen „schwarz-


kehligen Bachstelzen“ die in oder in der Nähe von Siedlungen leben.2255
„Steinstelze“ ist auch hier ein BREHM-Ausdruck.
Wippschwanz, Bebeschwanz, Wedelschwanz, Wippsterz, Wippsteert,
Wippstärt, Wippstaart, Witte Weepstirten: Den Bachstelzen gemein ist ein
ständiges Wippen mit dem langen Schwanz, das als eine Art Gefühlsbarome-
ter bei der leisesten Erregung zu funktionieren scheint.2256
Die oft niederdeutschen Namensformen, die als zweiten Teil das Wort „Sterz,
Stert“ u. ä. haben, weisen auf den beweglichen, fortwährend wippenden
Schwanz des Vogels hin. Sterz bedeutet Schwanz. Das Wort kann aus dem
Germanischen abgeleitet werden, wo „stert“ „ragen, sich drehen“ bedeutet
oder aus dem Griechischen, wo es „Spitze der Lanze“ heißt oder „Zinke, Za-
cke“.2257 „Witte Wippstirten“ ist der weiße Wippschwanz.
Quäksterz, Quecksterz, Queckstaart, Queckstelze: Diese Ausdrücke er-
scheinen in vielen Variationen. Es lässt sich zurückführen auf quekstert,
quikstert (quik – lebendig, queken – beleben), holl. „kwikstaart“.
Wackelstärt: Das Wort bedeutet „Wackelschwanz“ und war eine Bezeich-
nung auf Rügen.
Wegesterz: „Diese wassersteltz wird auch ein bachsteltz, anderswo quikstertz,
begestertz oder wegestertz genennt.“2258 Der „Wegesterz“ liegt wohl „Wagen-
sterz“ zugrunde, von „wagen“, „sich hin und her bewegen, schwanken“.2259
Ackermännchen, Ackermann, Blauer Ackermann, Plogsteert: „…weil es
wie ein kleiner Mann dem pflügenden Bauern auf dem Acker folgt“ – um
dort auf dem frisch bearbeiteten Boden nach Nahrung (Insekten, Würmer) zu
suchen.2260 Die Weißen Bachstelzen folgen gern dem Pflüger.2261 Heißt auch
in Frankreich hin und wieder „semeur“, „Säemann“, „sädesärla“ in Schweden.
Das altnordische „erla“ wird von „erja arare, laborare“ (arbeiten) abgeleitet.
Die Volkssage verglich wohl die rührige Bewegung des Schwanzes bei die-
sem Vogel mit dem Pflügen.2262 „Plog“ (auch „Ploog“) in „Plogsteert“ ist der
„Pflug“.

2255
KRÜNITZ 1774, 3/ 329
2256
FEHRINGER 1951, 106
2257
GRIMM/GRIMM 1984, 18/ 2530 und KLUGE 1905, 379
2258
HEUSZLIN um 1560, zitiert bei GRIMM/GRIMM 1984, 27/ 3141
2259
GRIMM/GRIMM 1984, 27/ 474
2260
CARL 1995, 258
2261
GERLACH 1953, 70
2262
GRIMM/GRIMM 1984, 1/ 174
386 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Bauvogel: „Dafür habe ich erst kürzlich erfahren, daß der Name ‚Bauvogel‘
für die weiße Bachstelze vom Landmann deshalb gebraucht wird, weil der
Vogel beim Bestellen der Äcker (Bauen sagt der Landmann) hinter diesem
herläuft und nach Nahrung sucht.“2263
Klosterfräulein, Stiftsfräulein, Klosternonne, Nonne: Die Bachstelze er-
hielt diese Bezeichnungen wegen ihres an Ordenstrachten erinnernden ein-
fachen schwarz-grau-weißen Kleides und weil sie sich um zu nisten und
Nahrung zu suchen gerne bei Klöstern eingestellt hat.2264 „Weisse Bach oder
Wasser Steltz, so auch von wegen irer Schwartzs und weis getheilten farb Ein
Closter Fräwlein genant wird.“2265
Trauerbachstelze: Britische Rasse der Bachstelze, „Motacilla alba yarrellii“.
Sie hat einen schwarzen Rücken und kommt lokal auch an der kontinentalen
Westküste vor.
Wächter: „Im Freien fliegt sie oft in großen Bogen, schreit so oft sie einen
Raubvogel sieht, und hält alle vorüberfliegende Vögel an. Sie schreit laut,
warnt andere Vögel, die sich auf ihr Geschrei versammeln, und heißt daher
auch der Wächter.“2266
Schwiehierd: Das Wort bedeutet „Schweinehirt, -hüter“. Die Bachstelze
trippelt furchtlos auf dem morastigen Boden zwischen Schweinen herum, als
wolle sie auf diese aufpassen.

Finken – Fringillidae
Kennzeichen dieser kleinen körnerfressenden Sperlingsvögel sind der mehr
oder weniger große kegelförmige Schnabel, der schmale eingekerbte Schwanz
oder der kraftvoll-wellenförmige Flug. Die oft hervorragenden Sänger leben
außerhalb der Brutzeit meist gesellig.2267

Buchfink (Fringilla coelebs)


„Der Gesang wird Schlag genannt, weil er aus einer oder zwei regelmäßig
abgeschlossenen Strophen besteht. Sie werden mit größter Ausdauer und sehr
oft, rasch nach einander wiederholt, vorgetragen, und ihnen [ver]dankt der

2263
ANZINGER, Gefiederte Welt 1911, 143
2264
HOFFMANN 1937, 55
2265
ZUM LAMM 2000, 240
2266
VOIGT 1835, 189
2267
SVENSSON et al. 2011, 376
PASSERES – SINGVÖGEL 387

Fink die Hochachtung und den Ruhm, welche er sich bei den wahren Lieb-
habern erwarb.
Letztere unterscheiden eine Menge verschiedene Finkenschläge und haben
jedem derselben einen besondern Namen gegeben. Die Kunde dieser Schläge
ist zu einer förmlichen Wissenschaft geworden, welche jedoch ihre eigenen
Priester verlangt und einem nicht unter Liebhabern großgewordenen Men-
schen immer dunkel bleiben wird. Es gibt gewisse Gegenden in dem Gebir-
ge, wo diese Wissenschaft mehr gepflegt wird, als jede andere. Berühmt sind
die thüringer, die harzer und die oberösterreichischen Finkenliebhaber wegen
ihrer außerordentlichen Kenntniß der betreffenden Schläge. Während das un-
geübte Ohr nur einen geringen Unterschied wahrnimmt, unterscheiden diese
Leute mit untrüglicher Sicherheit zwischen zwanzig und mehr verschiede-
nen Schlägen.“2268 „Gewisse Buchfinken sind wegen der wie wührdsjibjühr,
reidsug oder reidsjer klingenden Schlüsse ihrer Lieder bei Vogelzüchtern und
-händlern als Würzgebühr-, Reitzug- und Reiterfinken bekannt.“2269
Fink, Eigentlicher Fink, Gemeiner Fink, Finke: Den Namen „Fink“ gab es
schon in den westgermanischen Sprachen (als vinke, finke, vink, finc, finch,
fink u. a.). Er beruht auf den kurzen hellen pink-pink-Rufen des Buchfinks.2270
„Fink“ war aber auch immer wieder eine Artbezeichnung für den Buchfin-
ken, z. B. bei FRISCH oder BUFFON/OTTO.2271 „Gemeiner Fink“ war ein
Leitname von BECHSTEIN,2272 „die Finke“ stammt aus dem schlesischen
Dialekt.2273
Buchfink: Als der bekannteste unter den Finken verdankt der Buchfink seine
Artbezeichnung der besonderen Vorliebe für die herbstlichen Samen der Bu-
chen, den Bucheckern. Der Name, der heute weit verbreitet ist, wird schon
im 13. Jahrhundert bezeugt, so als „buchfinke“, „buchfinck“.2274
„ … von dem Buch-Baum aber hat er den Namen, weil er gern in den Buchen
hekt.“2275
Bookfink, Bogfink: „Bookfink“ und „Bogfink“ sind Namen des Buchfinks
im Niederdeutschen, Plattdeutschen.

2268
BREHM 1866, 134
2269
HOFFMANN 1937, 25
2270
SUOLAHTI 1909, 109
2271
FRISCH 1734, T. 1 und BUFFON/OTTO 1785, 11/ 83
2272
BECHSTEIN 1807, 3/ 75
2273
SUOLAHTI 1909, 111
2274
GATTIKER/GATTIKER 1989, 54 und SUOLAHTI 1909, 110
2275
FRISCH 1763, T. 1
388 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Edelfink: Der Buchfink ist der Edelfink „wegen des guten Schlags.“2276 „Seine
guten Eigenschaften als Stubenvogel, die Mannigfaltigkeit seines Gesanges,
vielleicht auch seine Größe, denn er ist vollkommen so groß als ein Haussper-
ling, haben ihm den Titel Edelfink verschafft.“2277
Der Edelfink werde immer mit leichter Mühe gefangen. „Der Fink wird vor-
züglich häufig auf dem Finkenheerd gefangen, auch benutzt man sein zorni-
ges, eifersüchtiges Wesen, um ihn mit dem sogenannten Finkenstechen zu
bekommen. Bemerkt man nämlich einen guten Finken im Wald, so nimmt
man ein Männchen, das seinen gewöhnlichen Lockton Fink! Fink! hören läßt,
bindet ihm die Flügel zusammen, sezt auf diese oder den Schwanz einen klei-
nen mit Vogelleim bestrichenen Zweig, und läßt ihn in der Gegend, unter
dem Baume, wo jener sizt, los. Kaum hat er seine Stimme hören lassen, so
fährt der wilde zornig auf ihn herab, packt oder sticht ihn, und bleibt am Vo-
gelleim kleben. Oft hat der Stockfink den Lockfink dabei getödtet.“2278
Rothfink, Rottfink, Rottefink: Das alte Männchen hat im Frühling einen
blauen, schwarzspitzigen Schnabel, eine tiefschwarze Stirn, Scheitel, Genick
und Nacken sind schön schieferblau. Der Vogel hat zudem rötlichbraune
Schultern und Oberrücken sowie ein angenehmes Rostbraun an Kehle, Kopf-
seiten und der Brust.2279 Das „angenehme Rostbraun“ ist bei vielen Männchen
ein kräftiges Rostrot, das das Aussehen des Vogels maßgeblich mitbestimmt.
Mit „rott“ ist hier rot gemeint.
„Rotfink“ steht schon 1552 bei EBER und PEUCHER.2280
Schildfink: Der Name ist laut GATTIKER/GATTIKER in der Schweiz und
Holland gebräuchlich und bezieht sich auf die Gefiederfärbung.2281 Nach
SUOLAHTI bedeutet „Schild“ (in der Bedeutung „Flecken“) in Vogelnamen
allgemein eine bunte Gefiederfarbe.2282
Vierspiegeliger Fink: Die normalen Buchfinken haben auf den Spitzen der
beiden äußeren Schwanzfedern jederseits je einen großen weißen Fleck, sie
sind „gewöhnliche Viermäler“.2283

2276
KLEINSCHMIDT 1963, 5
2277
CURTMANN/WALTER 1846, 227
2278
VOIGT 1835, 225
2279
NAUMANN 1826, 5/ 13
2280
SUOLAHTI 1909, 110
2281
GATTIKER/GATTIKER 1989, 54
2282
SUOLAHTI 1909, 110
2283
NAUMANN 1826, 5/ 13
PASSERES – SINGVÖGEL 389

Sechsspiegel, Sechsspiegeliger Fink: Der sechsspiegelige Fink ist eine Ab-


erration „mit sechs am Ende weißgefleckten Federn im Schwanz“.2284 „Wegen
der weißen Flecken auf den drey ersten Schwanzfedern.“2285 Nach VOIGT
sind sie die vorzüglichsten Singvögel im Zimmer.2286
Ringelfink: Der „Ringelfink ist eine Varietät des Buchfinken mit einem wei-
ßen Ring um den Hals.2287 Bei NAUMANN findet man dazu die Bestätigung
und den Hinweis, dass es etliche Varietäten des Buchfinks gebe, die aber nicht
so unterschieden seien, dass sich Subspezies bilden ließen.2288 Heute sind etli-
che Unterarten bekannt, von denen AVIBASE über 20 aufzählte.2289
Spreufink: „Spreu“ ist etymologisch verwandt mit mhd. „spræjen, spræwen,
sprewen“ für „stieben, stäuben, sprühen“, auch mit „spratzeln“.2290 Mit Spreu-
fink ist der weißgetüpfelte, weißgefleckte Vogel gemeint.
„Spreufink, weil er aus dem Spreu die übrigen Körner hervorsucht.“2291
Sprottfink: Das niederdeutsche Dialektwort „Sprutter“ gehört wohl zu mnd.
„sprote – Fleck, Sprosse“, „sprût(e) – Sommersprosse“.2292 Der „Sprottfink“
hat, wie der „Spreufink“, ein weißgeflecktes Flügelgefieder.
Gartenfink, Waldfink: Noch Anfang des 19. Jahrhunderts gab es die Auf-
fassung, dass „Wald-“, „Dorf-“ oder „Gartenfink“ auf einen bevorzugten Auf-
enthaltsort des Buchfinken hinweisen würden. So unterschied man den Gar-
tenfink mit einem mehr bläulichen Kopf vom Waldfink mit einem grauen
Kopf.2293 Auf der anderen Seite hat BECHSTEIN die Trennung in Wald- und
Gartenfinken (mit verschiedenfarbenen Eiern) als unbegründet bezeichnet.2294
Dörpfink, Dorpfink: Dörp und Dorp sind platt-/niederdeutsch und bedeu-
ten „Dorf“. Der Vogel hält sich gerne auch in Dörfern auf.
Schlagfink: Der Name bezieht sich auf den Finkenschlag, den Gesang des
Buchfinks. Ein Finkenschlag wurde nach der letzten Silbe des Gesanges be-
nannt und kennzeichnet u. a. die Gesangsqualität, die Herkunft des Vogels
oder den augenblicklichen eigenen Standort. BECHSTEIN hat die Schläge
geordnet. In Thüringen schätzte man folgende Schläge „am vorzüglichsten“:

2284
KLEINSCHMIDT 1963, 5
2285
BECHSTEIN 1802, 115
2286
VOIGT 1835, 223
2287
VOIGT 1835, 223
2288
NAUMANN 1826, 5/ 13
2289
KRÄGENOW 1986, 8 und AVIBASE 10.2011
2290
GRIMM/GRIMM 1984, 17/ 54
2291
MÜLLER 1773, 580
2292
SOULAHTI 1909, 169
2293
VOIGT 1835, 223
2294
BECHSTEIN 1795, 366
390 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Härzerdoppeltschlag, Grader Doppelschlag, Schmalkälder Doppelschlag,


Tambacher Doppelschlag, Reitzug, Guter Weingesang, Scharfer Weingesang,
Bräutigam, Gutjahr, Quakia, Pithia.
Die übrigen Finkengesänge, die man allenthalben hört, die aber nicht geach-
tet werden, sind: Hochzeitgebühr, Hochzeitbier, Weizenbier, Gerichtsgebühr,
Kurzer Doppelschag, Dünner Doppelschlag, Kurzes Kienöl, Märzgebühr,
Giekgaack, Gerader Weingesang, Weinscheere, Tolles Gutjahr, Werr.
Die „vorzüglichsten geschätzten Gesänge“ in Österreich: Reitzug oder Reit-
herzu, Ritscher oder Weitschuh, Ziehende, Lachende oder Uebergebende,
Wilsfeuer oder Dißdered, Großrollender, Kleinrollender, Sitzaufthül, Mus-
ketier, Malfesier, Kuhdieb, Wey, Sparbarezier, Doiteret, Gutjahr, Mitsoviel,
Zitzigall, Pfinkelste.
Der Finke singt nur 5–6 Monate, und muss allemal den Gesang gleichsam
von neuen lernen, welches man sein Zirpen nennt … und ein im Gangbrin-
gen der Gurgel zu sein scheint“.2295
Bräutigam: „Eine Weise (Schlag) heißt ‚der Bräutigam‘, weil er ungefähr
klingt wie: zizizizizizizizizizizirrrrrrrbräutigamgie.“2296 BECHSTEIN, der im-
mer gerne Vogelgesang in Worte übersetzt hat, wird von NAUMANN zitiert:
„Fink, fink, fink, fink, hörst du, willst du mit dem Bräutigam zieren.“2297
Reiterzug: Der „gemeine Reiterzug“ ist die Bezeichnung für einen beson-
deren Finkenschlag: „Zizizizirrrrihtjobjobjobjobjeroitihe“.2298 C. L. BREHM
schrieb in OKENS ISIS über einen Fußmarsch „über“ den Thüringer Wald.
C. L. BREHM berichtete, er habe unter unzähligen Finken keine mit gutem
Finkenschlag gehört. „Ich erklärte mir dieses Räthsel durch die Annahme,
daß die guten Schläger von den vielen Liebhabern des Finkenschlages auf
dem Thüringer Walde weggefangen wurden. Allein auch in den Orten, wel-
che Bechstein als Hauptsitze der im Käfig gehaltenen guten Finken nennt,
z. B. in Lauscha und Steinach, hörte ich keine ausgezeichneten Schläger. Es
waren allerdings mehrere vorhanden, welche den Reiterzug recht gut vortru-
gen; allein einen schönen Doppelschläger, wie ich ihn in Nürnberg gehört
hatte, suchte ich … vergebens.“2299 Der Reiterzug wurde als „Reiterzů“ schon
im Straßburger Vogelbuch von 1554 (V.409) erwähnt.2300

2295
BECHSTEIN 1797, 323f
2296
CURTMANN/WALTER 1846, 227
2297
NAUMANN 1826, 5/ 13
2298
BREHM 1866, 134
2299
C. L. BREHM in: OKENS ISIS 1837, 699
2300
SOULAHTI 1909, 112
PASSERES – SINGVÖGEL 391

Weingesang: Auch hier hat man einen Buchfinken nach seinem besonderen
Schlag benannt. Die in Stuben gehaltenen Buchfinken wurden früher in der
Regel nach ihrem Gesang benannt, wobei „Weingesang“, wie oben beschrie-
ben, nur ein Name von vielen anderen ist. „Ein anderer [Finken-Schlag] heißt
der ‚gleiche Scharfe‘ oder der scharfe Weingesang und lautet: ziziziwillillill-
ti dododododo weingie“.2301 Derselbe wird auch so geschildert: „Fritz. Fritz,
Fritz, willst du mit zum Wein gehen.“2302
Wintsche, Wintsch, Feink: „Wintsche“ wird bei BUFFON/OTTO als deut-
scher Ausdruck für den Buchfink genannt. Alle diese drei Begriffe sind aus
„Fink“ entstanden.2303
Unverheyrateter Fink: (Der Name stammt von BOCK). „Daß das Weibchen
allein gegen den Winter unsre nördliche Gegend verlasse und, wenn die Bäu-
me ausschlagen, zum Begatten wiederkomme, weshalb von Linne in einen
unverheyrateten Finken nennet, verdienet mehrere Bestätigung.“2304

Bergfink (Fringilla montifringilla)


Die Einwohner von Bergzabern waren früher als „Böhämmer“ bekannt. Die-
sen volkstümlichen Namen hatte auch der Bergfink, der im Winter auf eine
eigenartige Weise gejagt wurde. Sobald Späher die Ankunft der Finken im
Wald verkündet hatten, geriet die ganze Stadt in Aufregung. Mit beginnender
Abenddämmerung brachen Gruppen auf, deren Teilnehmer Körbe, Speisen,
Wein, Pfannen und Beleuchtungsmaterial mit sich führten. Die letzten waren
die Schützen, die 3 m lange Blasrohre trugen. Mithilfe vom Licht der Fackeln
wurden die Nachtquartiere einer schlafenden Vogelgesellschaft ausgespäht.
Die brennenden terpentinhaltigen Lappen in den Leuchtpfannen gaben der
Umgebung ein mondartiges Licht und machten das Zielen möglich. Ein ge-
troffener Vogel fiel zu Boden, an seine Stelle rückten dann von beiden Seiten
die Nachbarn nach, um den Kälteschutz wieder herzustellen. Ein guter, vor-
sichtiger Blasrohr-Schütze schoss so des Öfteren eine aus mehreren Dutzend
bestehende Vogelreihe von einem Ast herab. Konnte jedoch nur ein einzi-
ger, schlecht getroffener Vogel ein „Piepsen“ ausstoßen, erwachte der gan-
ze, auf einer einzigen starken Tanne zu Hunderten und Tausenden zählende
Schwarm. Ein Sausen und Brausen wie bei einem heftigen Orkan ging durch
die Luft, wenn auch andere Vögel aufschreckten und davonstoben. Die Jagd

2301
CURTMANN/WALTER 1846, 227
2302
NAUMANN 1826, 5/ 13
2303
BUFFON/OTTO 1785, 11/ 83
2304
BOCK 1782, 4/ 426
392 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

war für diese Nacht zu Ende, alle Vorbereitungen und Strapazen waren um-
sonst. Wehe dem armen, ungeschickten Schützen!2305
Bergfink: Der Name „Fink“ galt erst nur für den Buchfink. Heute bilden die
Verwandten des Buchfinks die Familie der Finken, die Fringillidae.
„Fink“ gab es schon in den westgermanischen Sprachen (als vinke, finke, vink,
finc, finch, fink u. a.). Er beruht auf den kurzen hellen Pink-pink-Rufen des
Buchfinks.2306
Der Bergfink ist ein Vogel der Taiga und Baumtundra, aber kein Bergvogel.
Er brütet im nordeuropäischen Nadelwaldgürtel und in Birkenwäldern Fen-
noskandiens und fehlt in dichten hohen Wäldern. Er zeigt auch im Winter-
quartier keine besondere Vorliebe für Berge.
Der Name „Bergfink“ geht als „Berg-Finck“ auf PERNAU (1702) zurück.
STRESEMANN hielt für PERNAUS Namensschöpfung eine Übersetzung
von ALDROVANDIS „Fringilla montana“ (oder „Montifringilla“) aus dem
Jahr 1600 für möglich.2307 WEMBER machte die fehlerhafte Übertragung
eines griechischen Vogelnamens im Rahmen einer ARISTOTELES-Überset-
zung im 15. Jahrhundert für den unpassenden Ausdruck „Berg“-Fink ver-
antwortlich.2308
Das konnte PERNAU noch nicht wissen. In der Angenehmen Landlust von
1720 erklärte er den Ausdruck „Bergfinck“ folglich damit, dass dieser Vogel
im Sommer nicht bei uns ist, „sondern nur im spaten Herbst von der Kälte
aus denen Nordischen Gebürgen/ dahero man auch Bergfinck nennet/ zu uns
hergetrieben wird/ im Früling aber alsbalden seinen Abschied nimmt“.2309
Waldfink, Tannenfink: Diese Namen wurden im 16. Jahrhundert in der
Schweiz verwendet und sind durch das Straßburger Vogelbuch von 1554 be-
zeugt. „Tannfink“ war noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Schwaben die
übliche Bezeichnung für den Bergfinken.2310 Die Namen entstanden aus den
bevorzugten Aufenthaltsorten dieser Wintergäste.2311
GESSNER nannte den Vogel „Waldfinck“. „Zů Latin wirt diser vogel von
den bergen haer Fringilla montana genennt/ in welchen er wonet/ und würm-
lin ißt/ zů Teütsch/ Rowert/ Schneefinck/ Winterfonck. … Er hat ein kirsch-

2305
BREHM 1891, 4/ 283
2306
SUOLAHTI 1909, 109
2307
STRESEMANN 1941, 81 und PERNAU 1702, 40
2308
WEMBER 2005, 152
2309
PERNAU 1720, 250
2310
SUOLAHTI 1909, 113
2311
ADELUNG 1801, 4/ 1355
PASSERES – SINGVÖGEL 393

ende unliebliche stimm. Die unseren nennend disen/ oder den so dem nit
ungleych/ Waldfinck/ oder Thannfinck.“2312
Buchfink: „In Ostthüringen z. B. und auch anderwärts versteht man unter
‚Buchfink‘ stets den Bergfinken ( Fr. montifringilla) und niemals den Edel-
finken ( Fr. coelebs). (Wegen seiner Lieblingsnahrung verdient der Bergfink
allerdings weit eher den Namen Buchfink wie unser Edelfink.) In anderen
Gegenden soll das Wort Buchfink für Edelfink volkstümlich sein. Ich selbst
habe diese Bezeichnung in manchen Gegenden bei den Gebildeten gefunden,
wo der gemeine Mann unter Buchfink nur den Quäker ( Fr. montifringilla)
meinte.“2313
Baumfink, Laubfink: Die Bergfinken finden ihre Nahrung nicht nur im Na-
delwald, sondern überall dort, wo es Sämereien gibt. „Im Herbst zieht sich die
Mehrzahl in die Buchenwälder, wo es viel Buchen (Bucheckern, Buchnüsse)
giebt, und diese sind, solange sie ihnen der Schnee nicht entzieht, dann fast
ausschließlich ihre Nahrung. Sie lieben diese Früchte so sehr, dass sie in dieser
Zeit solche Wälder, gleich den Heuschrecken der Morgenländer, in unermess-
lichen, wolkenähnlichen Zügen überziehen.“2314
Winterfink, Schneefink: Diese alten Namen hatte der Vogel, weil er erst in
größeren Schwärmen kam, wenn es winterlich kalt wurde und geschneit hat.
Nach anderer Deutung kündigte ihr Erscheinen Winter und Schnee an.
Böhmer, Böhemmer: Der Bergfink ist normaler, häufiger Wintergast in ganz
Europa, also auch in Deutschland. Unter bestimmten Bedingungen, wie stren-
ger Kälte oder starkem Schneefall, kann es zu Masseneinflügen von Zehntau-
senden Vögeln kommen. Für die Bevölkerung schienen diese Schwärme aus
dem Osten, aus Böhmen zu kommen: „Wo die Vögel sich dann plötzlich
niederlassen, hat die Landbevölkerung von der Heimat der Fremdlinge ihre
eigenen Gedanken. In einigen Landschaften werden sie als Böhmen aufge-
faßt, und diese Anschauung läßt sich in das 16. Jahrhundert verfolgen.“2315
„Im Jahr 1780 überwinterte eine Schaar, die etliche 100.000 Stück stark war,
am Fuße des Thüringerwaldes.“2316
„Fragt man nach den Ursachen derartig auffälliger Invasionen und den zu-
grundeliegenden Evasionen, so wird klar, daß allgemein zwei Faktoren eine

2312
GESSNER/MILT 1557/ 1980, 35
2313
LIEBE 1893, 50
2314
NAUMANN 1826, 5/ 44
2315
SUOLAHTI 1909, 65
2316
BECHSTEIN 1795, 376
394 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

große Rolle spielen: geringes Nahrungsangebot und hohe Populationsdich-


te.“2317
Quäker, Queck, Gägler, Gegler, Gögler, Gogler, Kegler, Käkler, Quäk-
fink, Quitschfink, Quätschfink: Sein Lockton ist ein kurz ausgestoßenes
„jäck-jäck“ oder ein langgezogenes, auffallendes „quäk, quäk“. Der Bergfink
wurde „wegen seines quäkenden Geschreys“ unter dem Namen Quäker be-
kannt. Er wurde auch „Gegler“, im Oberdeutschen „Gogler“, in Niedersach-
sen „Quaker“ genannt.2318 Gogler, Gögler, Gägler, Gegler sind seit dem 17.
Jahrhundert belegt. Alle Namen sind „onomatopoetische Bildungen nach
dem Laut des Vogels.“2319 Der Bergfink gehört zur Gattung „Fringilla“, was
ein „-fink“ im Namen ausdrückt.
Wäckert, Wickert: Auch diese beiden Wörter sind durch Lautnachahmung
entstanden.2320
Zerling, Zehrling: Die Stimme des Bergfinks wird auf sehr verschiedene Wei-
sen beschrieben. Darunter befindet sich auch „zerrendes Geschrei“, worauf
sich diese Namen beziehen.2321
Zetscher: Wie andere Bezeichnungen, entstand auch „Zetscher“ durch Laut-
malung, aus der Stimme, hier aus dem polnischen „czeczotka“.2322
Kothfink: Als Kot bezeichnete man „mit Wasser befeuchtete oder flüssig ge-
machte Erde, besonders so fern sie sich auf den Straßen oder Wegen befindet;
im Nieders. Modder“2323 oder Matsch.
Ein Kotfink war mitunter ein Wettervogel, der das Wetter, oft Schlechtwetter,
verbunden mit Schmutz und Kot, durch Rufe voraussagt. Das trifft für den
Buchfinken mit seinem „Regenruf“ vielleicht zu. Hier bedeutet der Name
eher, dass der Bergfink zusammen mit anderen Vögeln, wie Spatzen oder
Goldammern, Nahrung in den Abfällen auf den Straßen (im „Kot“) sucht.2324
Mistfink: „Sein eigentlicher Aufenthalt ist der Norden von Europa, von wo
er gegen den Winter in großen Schaaren zu uns kommt und sich besonders
in den Schwarz- und Buchwäldern aufhält, deren Samen er frißt, und auch

2317
BERTHOLD 1996, 40
2318
ADELUNG 1793, 1/ 868
2319
GRIMM/GRIMM 1984, 8/ 676
2320
GRIMM/GRIMM 1984, 27/ 238
2321
SUOLAHTI 1909, 114
2322
GRIMM/GRIMM 1984, 31/ 814
2323
ADELUNG 1796, 2/ 1733
2324
SUOLAHTI 1909, 111
PASSERES – SINGVÖGEL 395

auf die Höfe kommt, um seine Nahrung im Miste zu suchen.“2325 Das passt
zu Kotfink.
Rowert: „Rowert“ ist als Bezeichnung des Bergfinken seit dem 16. Jahrhun-
dert bekannt und ist identisch mit dem Eigennamen „Robert“, den man dem
Vogel gegeben hatte. „Doch liegt der Verdacht nahe, daß der in Köln lebende
Engländer Turner den Vogelnamen aus seiner Heimat kannte, denn in eng-
lischen Dialekten ist Roberd ein Name des Buchfinken.“ Turner selbst hatte
in seinem Werk von 1544 „Rowert“ als deutsche Benennung angeführt.2326
Goldfink: Die Bezeichnung ist seit dem 16. Jahrhundert belegt und wurde
außer für den Bergfink und andere Vögel für den Gimpel verwendet. Nicht
nur das Prachtkleid, auch das Schlichtkleid des Wintergastes hat leuchtend
(gold-)orange Gefiederteile, die vor allem bei Schnee zur Wirkung kom-
men.2327
Rothfink: Auch der Buchfink und der Gimpel hatten diesen Namen, der sich
auf rote bis rötliche, beim Bergfink orangefarbene Gefiederteile bezieht. Wie
dehnbar „rot“ bei der Beschreibung von Vögeln ist, erkennt man aus dem Ver-
gleich mit dem genauso dehnbaren Wort „goldfarben“, welches für die rote
Brust des Gimpels verwendet wurde.
Icawetz, Nikabitz, Nikawiss: In der Steiermark gebrauchte man „Igawitz“
für den Bergfinken. Das Wort ist entlehnt aus dem tschechischen Namen
„jicavec“. „Eine Nebenform mit unorganischem ‚n‘ im Anlaut“ ist „Nikabitz“
oder „Nikawiss“. In der „Angenehmen Landlust“ von 1720 wird „Nikabitz“
dagegen als österreichischer Name des „Quäkers“ erwähnt.2328
Pienken: Auch dieses Wort ist ein österreichisches Synonym, das aber eher als
eine Entlehnung aus dem Slawischen, denn als eine Nachbildung des Lock-
rufs (vor allem des Buchfinken) zu betrachten ist.2329
Angermannländischer Distelvogel: Angermannland ist eine mittelschwedi-
sche Landschaft am Bottnischen Meerbusen. Der Bergfink kommt genau-
so wenig nur aus Angermannland, wie der Knutt (Islandstrandläufer) nur
aus Island oder der Rauhfußbussard (norwegischer Falke) nur aus Norwegen.
„Angermannländisch“ bedeutet nordisch. Der Vergleich mit dem Stieglitz
(Distelvogel) kam zustande, weil das bunte Federkleid des Bergfinken an das
des ganz anders aussehenden, aber ebenfalls bunten Stieglitzes erinnern kann.

2325
OKEN 1837, 273
2326
SUOLAHTI 1909, 114
2327
GRIMM/GRIMM 1984, 8/ 771
2328
SUOLAHTI 1909, 114
2329
SUOLAHTI 1909, 114
396 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Diesen Namen hat BECHSTEIN aufgespürt. Er blieb aber unbeachtet.2330


Wintsch, Wintsche: Diese Begriffe könnten aus „Fink“ entstanden sein.2331

Kernbeißer (Coccothraustes coccothraustes)


„Man sehe nur einen Kernbeißer oder Kirschknäpper an: wie schön macht
ihn sein dicker Kopf bei der übrigen Einrichtung seines Körpers! Wie dient
derselbe nicht zu seiner schnellen Bewegung! Wie geschickt ist der Vogel da-
durch gemacht, sein Futter zu zermalmen! Man nimmt wahr, wie daran auf
beiden Seiten bei den Kinnen die stärksten Muskeln, welche ganz sichtbar
da liegen, fest gemachet sind, vermittelst welcher dieser Vogel in Stand ge-
setzt ist, seinem auch dicken Schnabel die Stärke zu geben, daß er damit die
härteste[n] Kirsch-, Schlehen- und andere Körner, und derselben zwar viele
hinter einander, wenn er sonderlich Junge hat, nur durch einen Zusammen-
druck des Schnabels zerbrechen kann, womit nur ein Mensch, der gute Zähne
hat, genug zu thun hätte, und deren schwerlich viele nach einander sollte
zerbeißen können. Er weiß nicht, was für harte Schalen die kleine Frucht
habe, die an den Hage- oder Steinbuchen [Hainbuche] wächst? Diese ist dem
Kernbeißer ein rechter Leckerbissen.“2332
Kernbeißer, Gemeiner Kernbeißer, Kirschkernbeißer, Kirschknacker,
Kirschbeißer, Dickschnabel: „[Er] geht im Sommer an die Kirschen, deren
Fleisch er abschält, die Steine aber mit großer Geschicklichkeit an der Naht
aufknackt und den Kern verzehrt. Sein unverhältnismäßig dicker, ganz kegel-
förmiger Schnabel, ist gerade zum Aufspalten harter Kerne geeignet.“2333
Mit „Der Kernbeißer“ überschrieb OTTO das Kapitel über diesen Vogel.2334
„Gemeiner Kernbeißer“ und „Kirschkernbeißer“ waren die Leitnamen bei
BECHSTEIN, Letzterer auch bei NAUMANN.2335
Der Name „Kernbeißer“ lässt sich auf „kernbeyss“ im 15. Jahrhundert zu-
rückführen.2336
Kernknacker, Kernhacker, Kaarnbicker, Kirschklöpfer: „Er beißt die Kir-
sche ab, befreit den Kern von dem Fleische, welches er wegwirft, knackt ihn
auf, läßt die steinige Schale fallen und verschluckt den eigentlichen Kern. Dies

2330
BECHSTEIN 1795, 373
2331
BUFFON/OTTO 1785, 11/ 83
2332
ZORN 1742, 149
2333
CURTMANN/WALTER 1846, 224
2334
BUFFON/OTTO 1790, 10/ 5
2335
BECHSTEIN 1807, 3/ 35 und NAUMANN 1824, 4/ 435
2336
STRESEMANN 1941
PASSERES – SINGVÖGEL 397

Alles geschieht in einer halben, höchstens ganzen Minute und mit so großer
Gewalt, daß man das Aufknacken auf dreißig Schritte weit hören kann.2337 Aus
dem Plattdeutschen kommt „Kaarnbicker“, was genauso wie „Kirschklöpfer“
soviel wie „Kernhacker“ bedeutet. Das Teilwort „-hacker“ führt, wörtlich ge-
nommen, zu Missverständnissen, denn der Vogel hackt nicht, er beißt.
Fichtenhacker: Fichtensamen sind nicht gerade die Lieblingsspeise des Vo-
gels, die er aber nicht aufhackt. Auch einen Zapfen behackt er nicht, sondern
sammelt die Samen heraus.
Steinbeißer, Nußbeißer: „…/ dieweil er mit seinem schnabel Coccos, das ist
Kirschenstein/ zerbeisset/ dz er die Kern darauß esse. Zu Teutsch wird er ein
Steinbeisser/ Klepper/ Kernbeisser/ Kirschfinck/ Kirschenschneller/ und Bol-
lenpicker genennt: weil er von den Bollen der Bäumen und der Kirschenstein
lebt.“2338 Dass der „Nußbeißer“ (1754 von Kramer genannt) keine Hasel-
oder Walnüsse frisst, wussten auch die damaligen Namensgeber.
Bollenbeißer, Bollenpick: „…weil er von den Bollen der Bäume und der
Kirschenstein lebt.“2339 Bollen sind Knospen.
Kirschvogel: Obwohl es die Kirschen nur eine kurze Zeit lang gibt und sich
der Vogel in der übrigen Zeit von den Samen anderer Pflanzen ernähren
muss, beinhalten viele Trivialnamen „Kirsch-“. „Kirschvogel“ verführt dabei
sogar zu der Vorstellung, dass der Kernbeißer auch das Fruchtfleisch frisst,
was er überwiegend nicht tut.
Kirschfink: Nachdem der große niederländische Zoologe Coenraad Jacob
TEMMINCK (1778–1858) in seinem zwischen 1815 und 1840 erschiene-
nen Hauptwerk den Kernbeißer den Finken zugeordnet hatte, äußerte sich
C. L. BREHM dazu: „Der Kirschkernbeißer ist durchaus kein Finke. Sein
großer Kopf und ungeheurer, aus- und inwendig ganz merkwürdig gebilde-
ter Schnabel, sein plumper Körper, sein plumper Gang und seine Nahrung
unterscheiden ihn hinlänglich. Er frißt zwar auch den Saamen der Kohl- und
Krautarten, im Nothfall auch Vogelbeeren, aber die, von einer harten Schale
eingeschlossenen Kerne, welche kein anderer inländischer Vogel aufknacken
kann, bleiben doch immer seine Hauptnahrung. Und ein solcher ausgezeich-
neter, in unserm Vaterlande einziger Kernbeißer soll ein Finke werden? dieß
geht unmöglich an.“2340 Dazu passt, was sein Sohn A. BREHM schrieb: Er
„ist der dickleibigste und plumpeste aller deutscher Finken, deshalb mit kei-

2337
BREHM 1866, 174
2338
GESSNER/HORST 1669, 138b
2339
GESSNER/ HORST 1669, 138b
2340
C. L. BREHM 1821, 2/ 345
398 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

nem andern zu verwechseln. Für ihn gelten die Kennzeichen der Familie im
vollen Umfange.“2341
Kirschschneller: Ein Schneller ist „ein Ding, welches mit Schnellkraft ab-
oder in die Höhe fähret.
… An dem Schlosse eines Feuergewehres ist der Schneller derjenige Theil,
welcher den Hahn bey der geringsten Berührung abschnellen oder abschnap-
pen läßt; der Abdruck, der Abzug.“2342 Bei unserem Vogel ist der knackende
Schnabel gemeint.
Brauner Kernbeißer, Brauner Steinbeisser: Im Gefieder überwiegen Braun-
töne. Der Rücken ist braun, die Unterseite hellbraun-beige, der Kopf ist noch
heller braun.
Finkenkönig, Buchfink: „Die Sassaresen [Bezirk auf Sardinien] geben ihm
[dem Kernbeißer], in Rücksicht der Aehnlichkeit der Farbe, welche zwischen
ihm und dem Buch-Finken stattfindet, und wegen seiner vorzüglichen Grö-
ße, den Nahmen Finken-König.“2343 Damit ist auch der Name „Buchfink“
geklärt, den der Kernbeißer wegen Farbenähnlichkeiten im Gefieder bekam.
Klepper, Kirschknöpper: Klepper kommt von ndd. „kneppen, knallen“.2344
Der Vogel wird auch Kirsch-Knepper genannt, „weil man ihn beym Aufbei-
ßen der Kirsch-Steine knacken hören kann.“2345 „Kirschknöpper“ entstand
aus „Kirschknepper“.
Leske, Leschke, Kirschleske: Diese Namen stammen aus dem schlesischen
Dialekt. Sie sind aus dem Tschechischen („dlesk“) und dem Polnischen
(„klesk“) entlehnt.2346 Wie andere Namen auch, sind sie mit dem stark entwi-
ckelten mittelalterlichen Vogelhandel nach Deutschland gekommen.2347 Das
heutige polnische Wort „klask“ (s. o. „klesk“) kann mit „Knallen“ übersetzt
werden, dem Geräusch, das der Kernbeißer beim Aufbrechen der Kirschkerne
macht.2348
Lysblicker: BREHM nannte in den ersten 3 Auflagen seines „Tierlebens“
den „Lysblicker“ als Trivialnamen des Kernbeißers. SUOLAHTI nannte ihn
„Lysklicker“. Der Ausdruck sei eine Bezeichnung des Flussuferläufers, der, wie
der Kernbeißer, auch als Steinbeißer (allerdings aus anderen Gründen) be-

2341
BREHM 1866, 173
2342
ADELUNG 1796, 2/ 1591
2343
KRÜNITZ 1787, 39/ 192
2344
SUOLAHTI 1909, 135
2345
KRÜNITZ 1787, 39/ 191
2346
SUOLAHTI 1909, 136
2347
HOFFMANN 1937, 90
2348
KALINA 1965, 187
PASSERES – SINGVÖGEL 399

zeichnet worden sei. Die irrtümliche Gleichsetzung der beiden „Steinbeißer“


habe dazu geführt, mit dem (völlig unpassenden) Begriff „Lysklicker“ auch
den Kernbeißer zu meinen (siehe Flussuferläufer).2349

Gimpel (Pyrrhula pyrrhula)


„Sie werden außerordentlich zahm, lernen allerley Stückchen pfeifen und wer-
den besonders in Waldgegenden von Leinwebern und Schustern unterrichtet
und sehr theuer verkauft. Er ist wegen seiner Zärtlichkeit besonders bey den
Frauenzimmern beliebt; er fliegt auf die Hand, läßt sich streicheln, aus dem
Munde füttern und gewöhnt sich sogar auszufliegen, dauert aber höchstens
6 Jahre aus. Sie lassen sich sehr leicht fangen und werden daher für dumm
gehalten; man pflegt sie zu essen, obschon sie bitter schmecken.“2350
Gimpel, Gemeiner Gimpel, Gumpf: „Gimpel“ ist ein vorzugsweise bay-
erisch-österreichisches Wort. Ein früherer Begriff, „Gümpel“, ist zuerst bei
Oswald von WOLKENSTEIN (1377–1445) nachweisbar, daraus wurde bei
GESSNER „Gympel“ und in der Angenehmen Landlust (PERNAU 1720)
schließlich „Gimpel“. Der Name ist abgeleitet von „gumpen“, „hüpfen“ und
bezieht sich auf die ungeschickten und hüpfenden Bewegungen des Vogels
auf der Erde.2351
„Wenn man hingegen auf die Leichtigkeit siehet, … mit der sie sich fangen
lassen, so muß man gestehen, daß ihre Aufmerksamkeit oft mangelhaft ist.
Man nennet ihn [den Gimpel] desfalls dumm, und glaubt, er habe seinen
Namen Gimpel desfalls erhalten (ZORN).
Nach Herrn Krünitz ist das Wort Gimpel vermuthlich eine Nachahmung des
ihm eigenthümlichen Geschreies, und weil dieser Vogel bei aller Gelehrigkeit
sehr einfältig ist, so wird ein einfältiger Mensch in der niedrigen Sprechart
auch wohl ein Gimpel genannt.
Gimpel ist ein altes deutsches Wort, und bedeutet einen Schleier der Weiber,
gleichsam einen Wimpel. Von dieser Bedeutung wird der Blutfink also ge-
nannt, weil er auf dem Kopfe einen ganz schwarzen Fleck, gleich wie einen
Schleier hat.“2352
Lohfink: Die am frühesten nachweisbaren Namen für den Vogel führen
nicht zu „Gimpel“, sondern zu „Lohfink“. Aus dem 9. Jahrhundert kennt

2349
SUOLAHTI 1909, 136
2350
OKEN 1837, 264
2351
SUOLAHTI 1909, 139
2352
BUFFON/OTTO 1790, 13/ 21
400 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

man „lohfinco“, aus mittelhochdeutscher Zeit „lovinke“ und schließlich


von SCHWENCKFELD (1603) die schlesische Bezeichnung „Loh Fincke“.
Wahrscheinlich ist der Vogelname ursprünglich eine Zusammensetzung von
„Fink“ (finco) und dem althochdeutschen „lôh“, welches Wort „Wald, Ge-
büsch“ bedeutet. Daraus ergibt sich „Waldfink“.2353
Luh, Lüch, Lüff, Lübich, Lübig, Liebich: Wie erklärt, entstand Lohfink aus
„loh“ und „Fink“ und bedeutet „Waldfink“. Der umgestaltete Name „Lob-
fink“ wird durch EBER und PEUCER 1552 aus Sachsen bezeugt. Schließlich
sind aus dem „Lob“ in Schlesien „Luh“ und „Lüch“ entstanden, aber auch das
schmalkaldische Wort „Lüft“. Wahrscheinlich gehörten auch das thüringische
„Lüwich“ und der Name „Liebig“ zu Lob.2354 Alle obigen Namen bedeuten
also sinngemäß „Waldfink“.
Das steht im Gegensatz zu der Deutung, die bei BREHM zu finden ist: „Der
Lockton, welche beide Geschlechter hören lassen, ist ein klagendes ‚Jüg‘
oder ‚Lüi‘ und hat im Thüringischen unserm Vogel den Namen Lübich ver-
schafft.“2355
Goldfink: Wegen seiner zinnoberroten Unterseite war der Vogel mindestens
schon seit dem 16. Jahrhundert ein „Goldfinck“. In einigen Gegenden Nie-
derdeutschlands, so um Münster, gab es den „Goldfink“ noch zu Beginn des
20. Jahrhunderts.2356
Goll: „Goll“ bedeutet soviel wie Gimpel. Es ist vor allem im Alemannischen
belegt (1556) und war mundartlich nur dort, wo man zudem das Wort „Gim-
pel“ nicht findet, gebräuchlich. Goll dürfte von „golen“ abgeleitet sein: „Un-
fug treiben, ausgelassen sein.“2357 „Goll“ könnte aber auch ein Kürzel des vol-
len Namens „Goldfink“ sein.2358
Blutfink: In Turners Avium historia von 1544 erscheint der Name „Bloedt-
finck“, so genannt wegen der roten Unterseite.2359 „Bluthfinck“ hieß der Vogel
auch bei GESSNER.2360 Noch um 1900 soll „Bluetfink“ im Elsass und in der
Schweiz vorgekommen sein.

2353
SUOLAHTI 1909, 137
2354
SUOLAHTI 1909, 137
2355
BREHM 1866, 3/ 113
2356
SUOLAHTI 1909, 138
2357
GRIMM/GRIMM 1984, 8/ 875
2358
ZUM LAMM 2000, 327
2359
SUOLAHTI 1909, 138
2360
GESSNER/HORST 1669, 55a
PASSERES – SINGVÖGEL 401

Die Zuordnung zu den Finken war nicht immer unumstritten. Der Gimpel
ist „ein Sangvogel, welchen Klein zu den Dickschnäblern, andere aber zu den
Finken rechnen.“2361
Rothgimpel, Rothfink, Rothvogel, Rottvogel: Typisches Kennzeichen die-
ses Vogels ist die rote Unterseite. Der kräftige Schnabel, mit dem der Vo-
gel auch größere Samen und Früchte zerbeißen kann, erinnert an den etwas
größeren Kernbeißer, der aber kein so auffallendes Rot wie der Gimpel hat.
„Rothgimpel“ war der Leitname bei NAUMANN.2362
Rothfink, Blutfink, Goldfink: „Wegen der rothen Farb an der Brust sollte
er Rot-Fink heißen. Weil aber der Buch-Fink von einigen auch Roth-Fink
genennet wird, so heißt dieser an vielen Orten Blut-Fink, an anderen Gold-
Fink.“2363
Thumherr, Thumpfaff, Thumpfaffe, Dompfaff, Domherr, Dompfaffe,
Dompaap, Pfäfflein, Pfäffchen: Wegen der schwarzen Kappe, vielleicht
auch wegen der vollen Figur wird der Vogel mit einem Geistlichen verglichen.
„Im Aargau brachte einmal ein Mann einen Dompfaff zu einem Chorherren.
Dieser wollte den Namen des Vogels wissen. Auf die Frage, weshalb man ihn
Dompfaff nenne, antwortete der Mann: Weil er nicht schön singe, aber desto
mehr fresse.“2364
„Thumbpfaff und Pfäfflein (heisset er)/ weil er eine Münchskappe an seinem
Halse trägt.“2365 Thum bedeutet „Dom“.
Zuerst ist der Name „Thumpfaff“ 1552 durch EBER und PEUCER in Sach-
sen bezeugt, das niederdeutsche „doemher“ seit 1542. Im mittel- und nieder-
deutschen Sprachgebiet verbreitet waren „Dônpfaff“ in Thüringen, „Daum-
pâpe“ in Göttingen oder „Dômpâp“ in Preußen. Für die Gegend von Frank-
furt bezeugt GESSNER „Pfäfflin“. GESSNER kannte auch „Thumherr“, den
„Domherrn“.2366
Schwarzköpfiger Gimpel, Rothbrüstiger Kernbeißer, Rothbrüstiger Gim-
pel: „Ich habe diesen Vogel nach seiner schwarzen Kopfzeichnung benannt,
weil er sich durch sie von allen einheimischen Gattungsverwandten auszeich-
net. Die rothe Brust hat er mit Haken- rosenfarbenen und karmoisinrothen
Kernbeißer, Loxia enucleator, rosea und erythrina [Haken-, Rosen- und Kar-

2361
ADELUNG 1793, 1/ 1514
2362
NAUMANN 1824, 4/ 383
2363
FRISCH 1763, T. 2
2364
GATTIKER/GATTIKER 1989, 63
2365
GESSNER/HORST 1669, 55a
2366
SUOLAHTI 1909, 139
402 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

mingimpel] gemein, und darf deshalb von ihr den Namen nicht erhalten.2367
Die anderen beiden Namen hatte BREHM in Klammern zugesetzt. Der
„Rothbrüstige Kernbeißer“ stammt von MEYER/WOLF, der „Rothbrüstige
Gimpel“ ist der Leitname bei BECHSTEIN.2368
Gelehriger Kernbeißer: Mit diesem Begriff betitelte BECHSTEIN den
Gimpel in seinem Ornithologischen Taschenbuch 1802.2369 „Dieser Vogel ist
sehr gelehrsam/ und hat bey nahe eine Stimm wie ein Pfeiff. Man kan ihn
aller Vögel Gesang lehren/ mit pfeifen und singen. Er lernet auch zuweilen/
doch selten/ reden/ dieweil er eine breite Zunge hat.“2370
Laubfink: Auch der Bergfink, ebenfalls ein schön gefärbter Vogel, hieß Laub-
fink.2371 Die Vögel sind gefärbt wie das Laub im Spätjahr.
Er heißt „Laubfink, vielleicht, weil er streicht, wenn das Laub abfällt.“2372
Bollenbeißer, Pollenbeißer: Bollen sind Knospen. Der Vogel ernährt sich
fast ausschließlich pflanzlich. Seine Nahrung sind Samen und Knospen einer
großen Zahl von Bäumen, Sträuchern und Kräutern. „Pollenbeißer“ ist aus
„Bollenbeißer“ entstanden.
„Dieser Vogel frisst gern die Bollen von den Baumen ehe dann das Laub her-
für wächst/ sonderlich die Birn- oder Aepffelblüth/ ehe dann sie sich auffthut/
darzu er dann einen bequemen Schnabel hat/ daher ihn auch die Teutschen
einen Bollenbeisser nennen.“2373
Brommeis: Das Wort, das GESSNER schon bekannt war, bedeutet „Knos-
penmeise“, nach dem schweizerischen „Brom“ für Knospe.2374 Den Namen
findet man bei KRÜNITZ.2375 „Brommeis“ bedeutet dann „Knospenfresser“.
Hale, Hahle, Hoylen: Die drei Wörter bedeuten „Gimpel“. SUOLAHTI er-
wähnte den Namen „Hail“. Damit identisch sei der Vogelname „hyl“ in einer
Version des Märchens vom Zaunkönig aus dem 15. Jh. Der Name sei ein
slawisches Lehnwort und gehe auf das tschechische „heyl, hyl“, die dem pol-
nischen „gil“ entsprächen, zurück.2376 „Gil“ ist das polnische Wort für „Gim-
pel“.2377

2367
C. L. BREHM 1821, 2/ 345
2368
MEYER/ WOLF 1810, 147 und BECHSTEIN 1807, 3/ 55
2369
BECHSTEIN 1802, 111
2370
GESSNER/HORST 1669, 55a
2371
GRIMM/GRIMM 1984, 12/ 295
2372
ADELUNG 1793, 1/ 1514
2373
GESSNER/HORST 1669, 55a
2374
SUOLAHTI 1909, 139
2375
KRÜNITZ 1775, 6/ 787
2376
SUOLAHTI 1909, 140
2377
KALINA 1965, 137
PASSERES – SINGVÖGEL 403

„Wegen des hohl-lautenden Thons seines Geschreyes nennen ihn einige Ge-
genden Hahle.“2378
Schnigel, Schniegel, Schnil, Schniel: Ebenso wie „Hail“ geht auch „Schni-
gel“ auf ein slawisches Lehnwort zurück, nämlich auf das polnische „sniegu-
ta“, dem das russische „snigiri“ für Gimpel entspricht.2379
Rothschläger, Rothschlegel: „Rothschlegel“ (genauer „-schlegel“) und da-
mit auch „Rothschläger“ könnten ebenfalls aus den slawischen Lehnwörtern
„snieguta“, „snigiri“ entstanden sein.2380
Man kann das Problem aber auch aus ganz anderer Sicht betrachten. „Roth-
schlag“ ist „eine im Bergbaue übliche Benennung einer Art röthlich braunen
Blende“ und „Rothschlägel“ „in einigen Gegenden, ein Nahme des Gimpels
oder Rothvogels … Die letzte Hälfte ist entweder mit Schlag in dem vo-
rigen Worte [Rothschlag] gleichbedeutend, oder gehöret auch zu schlagen,
singen.“2381 Rotschlag ist ein alter Name für Mineralien wie Sphalerit (ein oft
rotes Zink-Eisensulfid) oder Cinnarit (ein zinnoberrotes Quecksilbersulfid).
Quitschfink, Quietschfink, Quieschfink, Quetschfink: „Das Weiblein
wird zu Teutsch absonderlich Quetsch wegen seiner Stimm genennet.“2382
Die Stimme ist weniger rein und klingt tiefer. „Peucer in seinem Wörterbuch
gibt ihm dem in seinem Land und zu seinen Zeiten gewöhnlichen Namen
Quetsch, von einem Laut, den die Sie dieses Vogels von sich hören läßt.“2383
Das Männchen wurde „Quecker“ genannt.2384
„Wegen ihres eintönigen kreischenden Geschreyes, heißen sie an einigen Or-
ten Quietsch- oder Quetschfinken. Man könnte sie wegen ihrer knarrenden
Stimme auch ‚Schiebkarren‘ nennen.“2385
Hinter „Quieschfink“ und „Quetschfink“ setzte NAUMANN in der Über-
sicht der Trivialnamen in Klammern hinzu: „Von den Eberesche- oder Vogel-
beeren, die in manchen Gegenden Quitschen oder Quetschen heißen.“2386
Güger, Gücker, Giker, Giger, Gieger, Kicker: Alle Begriffe sind lautmalend
entstanden. „Ein schweizerischer Name für den männlichen Vogel ist nach

2378
FRISCH 1763, T. 2
2379
SUOLAHTI 1909, 140
2380
SUOLAHTI 1909, 140
2381
ADELUNG 1798, 1178
2382
GESSNER/HORST 1669, 55a
2383
FRISCH 1763, T. 2
2384
BUFFON/OTTO 1790, 13/ 6
2385
GOEZE 1795, 5-1/ 198
2386
NAUMANN 1824, 4/ 383
404 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Gesner die Bildung ‚Gügger‘ (zu ‚güggen‘ ‚pfeifen‘).“2387 „Güger heisset er we-
gen seines Gesanges.“2388 In der Literatur werden Laute des Vogels mit „djü“
oder „phü, pjüüüuh“ beschrieben.
Außer „Güger“ bei GESSNER und „Gieker“ bei BOROWSKI, BECHSTEIN
oder GOETZE findet man keinen dieser Namen bei älteren Autoren. Außer
„Giker“, den BREHM aus „Gieker“ entstehen ließ, findet man noch „Giger“
bei OKEN, die anderen verantwortet alle NAUMANN.2389
NAUMANN lobte den leisen, zarten Gesang von gefangen gehaltenen Vö-
geln über alle Maßen und zitiert BECHSTEIN, der sich zur Aufgabe gemacht
hatte, den Vogelgesang in Buchstaben wiederzugeben: „Si, üt, üt, üt, üt, si, re,
üt, üt, üt, üt, üt, üt, si, re, üt, la, ut, mi, ut, la.“2390

Hakengimpel (Pinicola enucleator)


NAUMANN schilderte den Hakengimpel als harmlos, einfältig und „dumm“,
womit man früher Vögel bezeichnete, die nicht menschenscheu sind und sich
deshalb leicht fangen oder schießen ließen. „Von seiner Dummheit erzählt
jeder, der ihn im Freien beobachtete, mit Verwundern; man will solche Vö-
gel zu sechs bis acht Stücke einzeln und einen nach dem anderen von einem
Baum geschossen haben, ohne dass ein einziger sich durch Fortfliegen zu ret-
ten versucht hätte; man hat einzelnen, indem sie sich mit Fressen beschäftig-
ten, eine Schlinge, welche an das Ende eines langen dünnen Stocks befestigt
war, leise über den Kopf gezogen und sie so gefangen; auf einem Vogelherde
bei Schlieben [Brandenburg] fing man vor drei Jahren [um 1820] von vier
Stücken drei auf einen Zug, und ehe das Netz nur wieder aufgestellt werden
konnte, kroch der vierte auch noch darunter. Sie sind also noch dümmer als
die Kreuzschnäbel.“2391
Hakengimpel, Hakenfink: „Gimpel“ ist abgeleitet von „gumpen, hüpfen“
und bezieht sich auf die ungeschickten und hüpfenden Bewegungen des Vo-
gels auf der Erde.2392 Diese, für den Dompfaff ( Pyrrhula pyrrhula) zutreffen-
de Beschreibung des Hüpfens passt auch zum Hakengimpel: Er „hüft auf
dem Boden mit gimpelartig schiefer Körperhaltung und wirkt dort insgesamt
schwerfällig.“2393

2387
SUOLAHTI 1909, 140
2388
GESSNER/HORST 1669, 55a
2389
BREHM 1866, 112 und OKEN 1816, 409 und NAUMANN 1824, 4/ 383
2390
NAUMANN 1824, 4/ 383
2391
NAUMANN 1824, 4/ 403
2392
SUOLAHTI 1909, 139
2393
GLUTZ VON BLOTZHEIM/BAUER 1997, 14/ 1123
PASSERES – SINGVÖGEL 405

Der Hakengimpel ist der größte europäische Fink, sieht man einmal von dem
noch größeren Ausnahmegast Berggimpel ab. Der Oberschnabel ist stark ha-
kig übergebogen.2394 Der Schnabel ist kurz und kräftig und ohne gekreuzte
Spitzen.2395 Kein anderer heimischer Fink hat einen solchen hakenförmigen
Schnabel, der zu dem Namen „Hakenfink“ führte.
Hakenkreuzschnabel, Fichtenkernbeißer, Fichtengimpel, Fichtenhacker:
In der 1. Ausgabe der Naturgeschichte nannte BECHSTEIN den Vogel „Fich-
tenkernbeißer – Loxia Enucleator“, in der 2. Auflage „Haakenkreuzschnabel
oder Fichtenkernbeißer“.2396 NAUMANNS Leitname für den Hakengimpel
war „Fichtengimpel“.2397
Der Hakengimpel liebt Fichtenknospen besonders. Im Winter machen sie
und andere Koniferenknospen einen Nahrungsanteil von 20–25 % aus. Blü-
tenzapfen der Fichte beißt der Vogel stückweise ab. Junge Fichtenzapfen, die
noch grün und zart sind, werden regelrecht geschält und nur die Achse mit
den Samenanlagen gefressen. Die Namensteile „-kernbeißer“ und „-hacker“
sind deshalb irreführend, denn sie können zur Vorstellung verleiten, dass nur
reife, harte Fichtenzapfen bearbeitet werden. Das geschieht jedoch, wenn
überhaupt, nur vereinzelt.2398 BECHSTEIN nannte seine Loxia-Arten meist
Kreuzschnabel oder Kernbeißer.
Er „bewegt sich trotz seiner Größe auch in dünnem Gezweig sehr geschickt,
leicht hüpfend und ähnlich wie ein Kreuzschnabel, … sogar kopfunter oder
mit Schnabelhilfe kletternd“:2399 Der Name darf nur nicht zur Vorstellung
führen, Hakengimpel hätten gekreuzte Schnabelhälften.
„Fichtenhacker“ war ein bekannter Trivialname mit derselben Bedeutung wie
die anderen.
Talbit, Talbitar, Kanadischer Kernbeißer, Hartschnabel: BUFFON/
OTTO führten den Vogel unter „Der Talbit oder canadische Kernbeißer oder
Hartschnabel“. „Den schwedischen Namen Talbit hat er wohl von Tall, einer
Före ( Pinus sylvestris), dessen Samen er frißt.“2400
„Der Vogel aus Canada … ist von uns Hartschnabel (Dur-bec) genannt, weil
es schien, daß er einen härteren, kürzeren und nach Verhältniß stärkeren
Schnabel als die übrigen Kernbeißer habe.“

2394
BREHM 1879, 5/ 348
2395
BEAMAN/MADGE 1998, 808
2396
BECHSTEIN 1795, 289
2397
NAUMANN 1824, 4/ 403
2398
GLUTZ VON BLOTZHEIM/BAUER 1997, 14/ 1123 + 1128
2399
GLUTZ VON BLOTZHEIM/BAUER 1997, 14/ 1123
2400
BUFFON/OTTO 1790, 10/ 81 + 100 + 81
406 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

„Die Landleute nennen ihn Talbit, auch Talbitar.“2401


Der Hakengimpel ist Brutvogel der borealen Zone der Holoarktis (nördliche
Nadelwälder) von Nordwest-Norwegen bis Nordostsibirien und Alaska, Ka-
nada, West-USA.2402 In Kanada-Alaska gibt es eigene Unterarten des Haken-
gimpels.
Hakenkernbeißer: „Haken-Kernbeißer“ war der Leitname bei MEYER/
WOLF, die ihn in ihre 2. Familie: „Eigentliche Kernbeißer“ eingeordnet ha-
ben. Er bekam dementsprechend den lateinischen Namen „Loxia Enucleatur“.
Im Inhaltsverzeichnis boten die Autoren einen anderen Namen an: „Hacken-
fink – Fringilla Enucleatur“.2403
Der Vogel ist kein Kernbeißer im Sinne von Kern-zer-beißer. Seine Haupt-
nahrung besteht, wenn möglich, aus Knospen. Bei Beerennahrung werden
Samen und ein Teil des Fruchtfleisches verzehrt. Die ausgequetschten Häute
werden fallengelassen.
Fichtendickschnabel, Nachtwache, Nachtwächter, Größter Dickschnabel,
Größter europäischer Dickschnabel: Der Hakengimpel wurde von BUF-
FON wegen seines Schnabels auch Canadischer Dickschnabel (Grosbec de
Canada) genannt.2404 Er stellte fest, dass „der europäische größte Dickschna-
bel, welcher mit dem amerikanischen eine Art ausmacht“, des Nachts sehr
angenehm singe. Deshalb werde er in Schweden „Natewatta“, „Nachtwache“
genannt.
Der Hakengimpel ist tag-, besser helligkeitsaktiv. Er brütet dort, wo es im
Sommer nachts nicht dunkel wird und beginnt schon sehr früh am Morgen
gegen 1 Uhr mit der Fütterung der Jungen.2405
Der dicke Schnabel ist eine Anpassung an die Beanspruchung durch (unreife)
Koniferenzapfen, von denen die Fichtenzapfen bevorzugt werden. Die Zapfen
bilden aber bei Weitem nicht den Hauptbestandteil der Nahrung, die sich
beim Hakengimpel aus Knospen, Beeren und Sämereien, im Sommer dazu
aus etwa 15 % tierischer Nahrung zusammensetzt.2406
Großer Kernbeißer, Kernfresser, Großer Kernfresser: Die Namen hat er
wegen der Körpergröße und weil es noch andere, kleinere „Kernbeißer“ gibt,
zumal „Kernbeißer“ auch systematisch gemeint ist. Es wurde schon darauf

2401
GOEZE/DONNDORF 1795, 5-1/ 207
2402
BEZZEL 1993, 668
2403
MEYER/WOLF 1810, 1/ 142
2404
BUFFON/OTTO 1790, 10/ 81
2405
GLUTZ VON BLOTZHEIM/BAUER 1997, 14/ 1122
2406
GLUTZ VON BLOTZHEIM/BAUER 1997, 14/ 1128
PASSERES – SINGVÖGEL 407

hingewiesen, dass ein „Kernfresser“ nach Sämereien und samenhaltigen Bee-


ren sucht.
Großer pomeranzenfarbiger Kernbeißer, Rother Kernbeißer: „Brisson
glaubt, der Vogel bekomme seine schönen Farben mit dem Alter. Linné sagt
aber im Gegentheil, daß er zuerst roth sey und im Alter gelb werde.“2407 Nach
NAUMANN hat BRISSON recht. „Ein rotes Männchen, in den Käfig ge-
sperrt, wird bald lichter rot, dann nach und nach immer gelber, ja die rote
Farbe verschwindet oft noch vor der nächsten Mauser ganz und für immer.
Statt der roten kommt in dieser nur ein sattes Gelb, häufig Pomeranzengelb,
zum Vorschein.“2408
Großer Kreuzschnabel, Großer Kreuzvogel: Für BECHSTEIN hatte die
Benennung „Kreuzschnabel“ systematische Gründe, denn er ordnete Fichten-
und Kiefernkreuzschnabel zusammen mit dem Hakengimpel („Haakenkreuz-
schnabel“) zu der Familie der Kreuzschnäbel.2409
Der Name „Kreuzvogel“ ( Loxia) ist schon bei KLEIN zu finden. Das „Kreuz-“
im Namen steht für eine systematische Nähe zu den Kreuzschnäbeln.2410
Finnischer Papagei, Finnischer Dompfaffe, Finscherpapagei, Finscher:
„Wegen einer Ähnlichkeit in Ansehung der Farben oder des gekrümmten
Schnabels führen uneigentlich auch einige andere Vögel den Namen Papa-
gei“, nämlich neben der „Mandelkrähe“ (Blauracke) auch „der Finnische Pa-
pagei [Hakengimpel], der große Kernbeißer, oder der Finnische Dompfaffe
( Loxia enucleator L.).“2411 Die Vögel kamen in Finnland immer wieder in grö-
ßerer Zahl vor.
„In Schweden wird dieser Vogel häufig gefunden, und das Stück eines recht
schönen karminrothen Männchens für einen Platen (ungefähr 1 gl. [Gro-
schen]) verkauft. Man kennt ihn daselbst unter dem Namen des schwedi-
schen Papageyes.“2412
„Finschpapagei“ und „Finscher“ kann man bei BREHM finden. „Finnisch“
ist zu „Finsch-“ verkürzt worden.2413

2407
BUFFON/OTTO 1790, 10/ 81
2408
NAUMANN 1824, 4/ 403
2409
BECHSTEIN 1807, 3/ 28
2410
KLEIN 1760, 175
2411
CAMPE 1809, 3/ 581
2412
GOEZE/DONNDORF 1795, 5-1/ 207
2413
BREHM 1879, 5/ 348
408 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Krappenfresser, Krabbenfresser: „Krappenfresser“ ist der Leitname von


MÜLLER für den Hakengimpel, wegen dessen Schnabel.2414 Eine Krappe war
z. B. die gekrümmte Spitze einer Schlagfeder bei den Büchsenmachern.2415
Parisvogel: „In Preußen soll dieser Vogel Paradiesvogel genannt werden.“2416
Das wurde von FRISCHBIER bestätigt: „Paradiesvogel“ ist der „Fichtenkern-
beißer“, der Hakengimpel.2417 KRÜNITZ bestätigte dasselbe, nur für den
„Parisvogel“. Beide Begriffe bedeuten dasselbe. Verbreitet war aber der „Paris-
vogel“. Mit dem Namen war das auffällige, schönfarbige Gefieder gemeint.2418

Karmingimpel (Carpodacus erythrinus)


„Gleich im Mai, wenn die Karmingimpel aus Indien oder dem Iran zum Brü-
ten in mitteleuropäische Regionen kommen, fangen sie mit voller Kraft zu sin-
gen an. Die Männchen sind mit ihren charakteristischen Pfeifstrophen weit-
hin zu hören. Und obwohl die gepfiffenen Motive häufig wiederkehren, wirkt
ihr Gesang nicht monoton. Je 3 bis 7 Töne sind steigend oder auch fallend
angeordnet. … Jedes Männchen behält seinen ganz individuell arrangierten
Gesangstyp während der Saison bei. In der folgenden Brutperiode kann sich
ein einzelnes Männchen demnach anders anhören als zuvor. Die Variationen
bleiben aber dennoch erkennbar typischer Karmingimpel-Gesang.
Das Männchen trägt seine Pfiffe von exponierten Plätzen, beispielsweise
Buschspitzen aus vor. Es lässt dabei seine wunderschön rosenrot gefärbten
Federn an Kopf, Brust und Bürzel sehen.
Der Karmingimpel scheint trotz der Signalfarben und -pfiffe kein großer
Kämpfer zu sein. Jedenfalls singt er hauptsächlich zu Paarungszwecken und
verstummt anschließend weitgehend.
Statt sich mit Eindringlingen in seinem Revier anzulegen, zieht er es vor, dem
Weibchen stets auf den Fersen zu bleiben, bis die Eiablage stattgefunden hat.
Letzteres singt außerhalb der Brutsaison ebenfalls. Sein Gesang ist sehr viel
abwechslungsreicher in den Motiven als der des Männchens.“2419
Karmingimpel: „Karmingimpel“ ist ein Kunstname, der von NAUMANN
stammt.2420 „Der Name [Gimpel] ist abgeleitet von gumpen, hüpfen und be-

2414
MÜLLER 1773, 108
2415
GRIMM/GRIMM 1984, 11/ 2066
2416
SUOLAHTI 1909, 142
2417
FRISCHBIER 1883, 2/ 121
2418
KRÜNITZ 1807, 107/ 588
2419
http://www.nature-rings.de/tiere/7/page2.html, Stand: 9.11.2011
2420
STRESEMANN 1941, 81 und NAUMANN 1824, 4/ 418
PASSERES – SINGVÖGEL 409

zieht sich auf die ungeschickten und hüpfenden Bewegungen des Vogels auf
der Erde.“2421
Ausgefärbte Männchen fallen durch ihre rote Färbung, Brust, Kopf und Bür-
zel sind leuchtend karminrot, und ihren Gesang auf. Alle anderen Kleider
sind unscheinbar.2422
Vermutlich ist die Gattung „Carpodacus“ im Himalaya oder in einem Bereich
nördlich davon entstanden. Als einzige Art kommt der Karmingimpel ( C. er-
ythrinus) auch in Europa vor. Er besiedelt große Teile der Paläarktis und hat
sich im Laufe des 20. Jahrhunderts westwärts bis Mitteleuropa ausgebreitet. In
Deutschland brütet er verstreut im Norden, Osten und im Alpenvorland.2423
Es gibt Hinweise, dass Karmingimpel im Mittelalter in Zentraleuropa in
durchaus nennenswerter Zahl vorkamen.2424
Karminköpfiger Fink, Karminhänfling, Carminkernbeißer: „Karminköp-
figer Fink“ stammt von MEYER, der ihn seines Systems gemäß „Fringilla
erythrina“ nannte.2425
Kein anderer Fink in Mitteleuropa hat einen solch karminroten Kopf. Der
„Karminhänfling“ ist ein Kunstname, der von NAUMANN stammt (s. o.).
„Carminkernbeißer“ ist eine von 6 „Loxia-“ (Kernbeißer-) Arten im Ord-
nungssystem von OKEN, der dazu schrieb: „Ist ein Bewohner des nördlichen
und nordöstlichen Europa’s, wo er an feuchten Ufern im Rohr und Weiden-
gebüsch ein dem des Bluthänflings ähnliches Nest bauen und jährlich zwei-
mal 5–6 grünliche, rothgefleckte, ebenfalls denen des Hänflings gleichende
Eier legen soll, was nur nach Aussage eines Entenfängers bekannt geworden
ist.“2426
Rothhaubiger Fink, Brandfink, Brandhänfling, Feuerfarbiger Fink: „Der
rothhäubige Fink“ war der Leitname bei BECHSTEIN 1795. Im Ornitho-
logischen Taschenbuch (1802) war es der „Brandfink“, später, 1807, wurde es
„Brandhänfling“.2427
Alle diese von NAUMANN übernommenen BECHSTEIN-Namen hatten
von BECHSTEIN die lateinische Bezeichnung „Fringilla flammea“ erhalten.
HARTERT, der den 3. Band der Neuauflage bearbeitet hat, stellte fest: „Die

2421
SUOLAHTI 1909, 139
2422
SVENSSON et al. 2011, 388
2423
http://de.wikipedia.org/wiki/Karmingimpel_(Gattung), Stand: 9.11.2011
2424
www.nature-rings.de, Stand: 9.11.2011
2425
MEYER/WOLF 1822, 3/ 48
2426
OKEN 1843, 15
2427
BECHSTEIN 1795, 483 + 1802, 130 + 1807, 164
410 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

eigentliche ‚Fringilla flammea‘ synonym mit ‚Fr. cristata‘, Gmel. Linn. mit
‚le Friquet huppé‘, Buff. … mit ‚The crimson crowned finch‘, Lath. … ge-
hört nicht hierher, unterscheidet sich durch einen ganz anderen finkenartigen
Schnabel, andere Zeichnungen, und lebt im südlichen Amerika.“2428
„The crimson crowned finch“ kann man mit „Rothaubiger Fink“ übersetzen.
Schwedischer Rosenfink: In Schweden erhielt der Karmingimpel den deut-
schen Namen „Rosenfink“2429 In England heißt der Vogel heute „Common
Rosefinch“, Gemeiner Rosenfink.
Tuti (der Hindu): Der Karmingimpel stammt aus dem Himalayagebiet,
zu dem Indien gehört. Man findet den Namen bei BREHM (1879). Wahr-
scheinlich besteht eine Verbindung zwischen BREHMS Ausdruck und dem
folgenden Zitat aus dem Jahr 1839: Tuti ist der Name eines Papageis, der bei
den Hindus in vorzüglicher Hochachtung steht und der in ihren Sagen und
Erzählungen immer prophetisch auftritt.2430

Girlitz (Serinus serinus)


Von seinen südeuropäischen-nordafrikanischen Verbreitungsgebieten aus be-
gann der Girlitz erst in den letzten Jahrhunderten sich nach Norden auszu-
breiten. Dazu kann man in FEHRINGERS Welt der Vögel von 1951 lesen:
„Der Girlitz Serinus canaria serinus bewohnt Nordwestafrika, Süd- und Mit-
teleuropa und Kleinasien. Er hat die Tendenz, sich weiter von Süden nach
Norden hin auszubreiten, denn im deutschen Südwesten tauchte er erst gegen
Ende des 18. Jahrhunderts auf und hat heute bereits Norddeutschland bis zur
Küste, Dänemark, Skandinavien erreicht, doch fehlt er noch auf den Brit-
schen Inseln, in Holland und Rußland.“2431 Das macht auch NAUMANNS
Anmerkung zu seinem Kapitel über den Girlitz verständlich: „Es war mir
bisher nicht vergönnt, dies angenehme Vögelchen hinlänglich im Freien be-
obachten zu können, auch sah ich nur einmal ein lebendes Exemplar im Vo-
gelbauer, weshalb ich mich genötigt sah, obiges über Lebensart und Betragen
mühsam aus dem Briefwechsel mit meinen Freunden und aus anderen glaub-
würdigen Nachrichten zusammen zu tragen. Da ich mit Vorsicht wählte, so
hoffe ich, keine Unwahrheiten darin aufgenommen zu haben.“2432

2428
HARTERT in: NAUMANN/HENNICKE 1900, 3/ 247
2429
NAUMANN 1824, 4/ 418
2430
BREHM 1879, 5/ 342 und Das Ausland, 1839, Bände 11–12, p. 343
2431
FEHRINGER 1951, 151
2432
NAUMANN 1825, 5/ 114
PASSERES – SINGVÖGEL 411

Inzwischen ist der Girlitz auch in Holland, Westrussland und Südengland ein
Sommervogel.
Girlitz: Der Name des Vogels ist zwar schon 1554 als „Girlin“ im Strassburger
Vogelbuch belegt. Der Girlitz hat aber zu jener Zeit („GESSNERS Zeiten“)
nicht als Wildvogel in Deutschland („bei Frankfurt“) gelebt, wie STRESE-
MANN betonte. Der Name „Girlitz“ sei aber laut GESSNER (1555) ge-
bräuchlich gewesen. STRESEMANN fuhr fort: „Schon SUOLAHTI (1909,
p. XXIII, 133) hat auf das fremde Suffix ‚-itz‘ hingewiesen, das den Verdacht
erwecke, der Name sei slavischen Ursprungs. In der Tat finde ich, dass SCO-
POLI (1768, p. 140) ‚Grilitsch‘ als die in Krain [historische Region im heuti-
gen Slowenien] gebräuchliche Bezeichnung unseres Vogels aufgezeichnet hat.
Dazu passt die Angabe von GESNER (1555), der Girlitz werde ‚apud Carint-
hios‘ gefangen. Der Name ‚Girlitz‘ ist also damals zugleich mit dem Vogel aus
Krain nach Frankfurt a. M. importiert worden.“2433
„Girlitz“ könnte man sich durch Lautmalung entstanden denken, zusammen-
gesetzt aus der „bei Vogelnamen häufigen, fremden Endung -itz“ mit dem
lautmalenden „girl“.2434
Serinus: Dieser schon lange für den Girlitz gebrauchte Gattungsname hat
sich verselbständigt. Das Wort ist aus dem französischen „serin“ gebildet wor-
den. Serin kommt vom lateinischen „serinus“ (= sericus) und das bedeutet
„gelbe chinesische Seide“.2435
Grünfink, Grünfinkchen, Eigentliches Grünfinkchen: Für diese Bezeich-
nungen war eine gewisse Ähnlichkeit mit dem deutlich größeren, aber auch
farblich gut unterscheidbaren Grünfinken namensgebend. Die ersten bei-
den Namen findet man bei BECHSTEIN (1795, 294), allerdings stammen
sie, zumindest „Grünfink“, nicht von ihm: „Ich nenne ihn nicht Grünfink
zum Unterschied von dem Grünling, der auch Grünfink genannt wird.“
Wahrscheinlich ist „Eigentliches Grünfinkchen“ ein Kunstname von NAU-
MANN.2436
Girlitzkernbeißer: „Linné zählt ihn zu den Finken; allein er hat nicht nur
einen sehr kurzen und dicken Schnabel, als den Hauptcharakter der Kern-
beißer ( Loxia), sondern auch alle übrige Eigenschaften derselben, wie ich aus
langer Erfahrung weiß, da ich beständig einen oder etliche im Käfig ernähre.
Scopoli setzt ihn also schon mit Recht unter die Kernbeißer.“2437 Fast 30 Jahre

2433
STRESEMANN 1941, 97 (die anderen Quellen sind Teile des Zitates)
2434
GRIMM/GRIMM 1984, 7/ 7548
2435
ZUM LAMM 2000, 315
2436
NAUMANN 1825, 5/ 114
2437
BECHSTEIN 1795, 294
412 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

später beklagte NAUMANN, den Girlitz kaum zu kennen (s. o.)! MEYER/
WOLF nannten ihn nach „Loxia Serinus, Scopoli“ folgerichtig „Girlitz-Kern-
beißer“, im Inhaltsverzeichnis aber „Girliz-Fink“ nach dem ebenfalls von ih-
nen angegebenen „Fringilla Serinus. Gmel. Linn.“ und LATHAMS „Serin-
Finch“.2438
Gelbgrüner Dickschnabel: Dieser Name ist die deutsche Bezeichnung für
„Loxia Serinus“, den Girlitz, bei SCOPOLI/GÜNTHER.2439
Girlitzzeisig: Das von OKEN eingebrachte Wort „Girlitzzeisig“ erschien in
der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts wenige Male. Es war damals (um 1800)
üblich geworden, dass Autoren Vogelgruppen ordneten, wie z. B. die mit „Er-
len-, Zitronen- und Birkenzeisig, Stieglitz, Girlitz und Bluthänfling“ unter
„Zeisig. Spinus“. Dem damaligen deutschen Vogelnamen wurde in diesem
Fall jeweils ein „-zeisig“ angehängt. So machte es OKEN (1843), der den Gat-
tungsnamen „Fringilla“ (Fink) beibehielt, oder BEHLEN (1826), der „Spi-
nus“ benutzte. MEYER/WOLF (1810) verwendeten für die Finken durch-
gehend die Endung „-fink“. NAUMANN (1825) behielt „Fringilla“ bei, teilte
sie aber auf in drei Gruppen: „Schnee-, Buch- und Bergfink“, „Grün-, Blut-,
Berg-, Girlitzhänfling“ und „Distel-, Zitronen-, Erlen-, Birkenzeisig“.2440
Kanarienzeischen: Der Girlitz und der nur wenig größere wilde Kanarienvo-
gel ähneln sich sehr und wurden noch Mitte des 20. Jahrhunderts als Unter-
arten zu derselben Art „Serinus canaria“ gestellt.2441 Beide Vögel ähneln aber
auch dem Erlenzeisig. Der Girlitz hat die „Größe wie ein Zeisig, welchem er
an dem Schnabel gleicht, dem Kopfe nach aber einem Canarienvogel ähnlich
sieht; daher er auch der italiänische gelbe Zeisig, Fr. le Serin d’ Italie, der Ca-
narionzeisig oder das Canarienzeischen genannt wird“.2442
Italienischer Kanarienvogel, Italiänischer Kanarienvogel: „Unter unseren
gefiederten Musikanten ist der Girlitz der Zitherspieler … Seine Stimme sirrt
in der schönen Jahreszeit aus vielen Parkanlagen, Obstgärten und Weinber-
gen. Er zupft eilig zwei helle Töne aus der Kehle, dann vier tiefere, nun wieder
vier helle. Dabei schwingt der Kopf hin und her. Gläsern klirrt es fast ohne
Unterlaß fort, wendet sich auf und ab und schüttet sich perlend aus. Es klingt
ziemlich einförmig, doch ganz reizend.“2443 „Sein Gesang hat, wie sein ganzes
Betragen, die größte Aehnlichkeit mit dem des Canarienvogels, nur mischt er

2438
MEYER/WOLF 1810, 146
2439
SCOPOLI/GÜNTHER 1770, 169
2440
OKEN 1843, 14 und BEHLEN 1826, 198
2441
GERLACH 1953, 26
2442
KRÜNITZ 1781, 23/ 586
2443
GERLACH 1953, 26
PASSERES – SINGVÖGEL 413

einige Lerchenstrophen mit ein.“ An anderer BECHSTEIN-Stelle liest man:


„Dieser Vogel bewohnt vorzüglich das südliche Europa, Spanien, Italien, die
südlichen Provinzen Frankreichs, Deutschlands und der Schweiz.“2444
Hirngrille, Hirngrill, Hirngrylle, Hirngrillerl, Hirngirl, Hirngritterl, Gri-
litsch: Wie sich das Wort „Hirngrille“ gebildet hat, ist schwer zu deuten.
Nach GESSNER entstand es durch den schrillen Gesang des Vogels, vielleicht
auch auf das Insekt „Grille“ bezogen: „ … /und in Teutschland träget/ da sie
Hirngrillen genennet werden. Sie singen gar lieblich/ und haben vielleicht
diesen Namen von ihrem steten Gesang bekommen/ dieweil sie ohn Unter-
laß singen/ wie die Grillen oder Hammelmäußlein/ auff dem Felde/ und in
den Häusern bey den Oefen pflegen zu thun/ oder weil sie auß angebohrner
Fantasey ihre Stimme stets so ändern/ und wunderlich richten/ wie die Men-
schen/ von welchen man sagt/ daß sie Grillen im Kopff haben.“2445
Zum ersten Wortteil meinte KRÜNITZ dagegen: „Seine Stimme ist überaus
hell, durchdringend und schallend, woher er vermuthlich auch den Nahmen
Hirngrille hat, nicht so fern sein Gesang in das Gehirn schallet, wie Frisch
bey dem Worte Grille will, sondern von dem alten haren, hiren, rufen, schrey-
en.“2446
Auch SUOLAHTI war nicht GESSNERS Meinung: Der zweite Wortteil
könne aus „Girle“ entstanden sein und als Nachbildung der Stimme des Vo-
gels aufgefasst werden.2447 Durch eine volksetymologische Umdrehung scheint
daraus „-grylle“ oder „-grille“ geworden zu sein. Auch „Girlitz“ könnte sich
daraus entwickelt haben.2448
Der Inhalt des Wortes „Girle“ ist schwer zu ergründen. Es sei ein fremder
Name. „Girle“ könnte aber auch von slowenischen Begriffen, wie „grlo“
(Kehle, Stimme) oder „grliti“ (girren) abgeleitet sein.2449
„Grilitsch“ kann man sich aus einer Kombination von „(Hirn-)Grille“ und
„Girlitz“ entstanden denken.
Aus einem Leserbrief in der „Gefiederten Welt“ zu Hirngrillerl: „Ich leite das-
selbe von Hirse, welche vom Landvolk aller Alpenländer mit Hirn bezeichnet
wird, ab.“2450

2444
BECHSTEIN 1805, 3/ 161
2445
GESSNER/HORST 1669, 149a
2446
KRÜNITZ 1781, 23/ 586
2447
SUOLAHTI 1909, 133
2448
GRIMM/GRIMM 1984, 9/ 314
2449
SUOLAHTI 1909, 133 und GRIMM/GRIMM 1984, 7/ 7548
2450
Gefiederte Welt 1911, 79
414 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Cinit, Cini, Zinit: BUFFON hatte weder ein eigenes Kapitel über den Girlitz
noch über den Zitronenzeisig. Er behandelte beide beim Kanarienvogel mit,
mit dem er sie teilweise auch vermischte, wie folgende Schilderung zeigt: „In
der glücklichen Gegend Hesperiens (Spaniens) scheint dieser schöne Vogel
seinen Ursprung genommen zu haben, oder wenigstens zu seiner ganzen Voll-
kommenheit gestiegen zu seyn. Denn in Italien kennt man einen Vogel dieser
Art, welcher aber kleiner als dieser Kanarienvogel ist, und in der Provence
findet man eine fast eben so große Art. Beide letzteren sind weit wilder, und
man kann sie als Abkömmlinge eines zahmen Gechlechts ansehen. Diese drei
Arten paaren sich im Gebauer zwar zusammen, aber in ihrem natürlichen Zu-
stande scheint jede für sich in ihrer Gegend sich ohne Vermischung mit einer
andern Art fortzupflanzen; sie machen also drei beständige Abänderungen
aus, daher ich es für gut befinde, jeder einen verschiedenen Namen, damit
man sie nicht verwechsele, beizulegen. Der größte heißt seit Belons Zeiten
[ca 1550] Cinit oder Cini. In der Provence nennt man ihn heute noch [1770]
Cini oder Cigni, und den italiänischen nennt man Venturon. Es werden da-
her der Kanarienvogel, der Venturon und der Cini die eigentlichen Namen
seyn, welche ich annehme, um diese drei Abänderungen zu bezeichnen und
‚Serin‘ soll der Name dieses ganzen Geschlechts andeuten.“2451
Die Größenangaben von BUFFON führen zu Problemen, die nur durch
Lektüre seines Kapitels über den Kanarienvogel gelöst werden können. Der
kleinere Vogel in Italien, der Venturon (auch „Zitronenfink“, p. 280), ist der
Zitronenzeisig. Er wurde von BUFFON aber auch „Citrinella Gesner“ und
„Serinus italicus“ genannt (p. 279). Das sei der Girlitz.2452 An anderer Stelle
zitierte BUFFON eine Quelle, nach der der Cini etwas kleiner als der Kana-
rienvogel sei. Damit wären „Cinit oder Cini“ Namen vom Girlitz.
Fädemlein: Das Wort bedeutet „Fädchen, Fädelein“. Es wurde für viele Vo-
gelnamen angewendet und bezog sich bei ihnen auf den Flachs oder Lein,
dessen Früchte als Vogelnahrung sehr wichtig waren.2453
Schwäderlein: Dieses Wort ist nicht leicht zu deuten. „Schwäderlein“, das
man auch „Schwederlein“ schreibt, kommt „vermuthlich von schwirren.“2454
Schwadern oder schwedern bedeutet „schwatzen, plaudern.“2455
Das Wort könnte aber auch, wie „Fädemlein“, mit der Nahrung des Vogels
zusammenhängen. Als „Schwaden“ wurde „der eßbare Same einiger Grasar-

2451
BUFFON/OTTO 1790, 10/ 279f
2452
SPRINGER 2007, 247
2453
GRIMM/GRIMM 1984, 3/ 1231
2454
KRÜNITZ 1781, 23/ 586
2455
GRIMM/GRIMM 1984, 15/ 2173
PASSERES – SINGVÖGEL 415

ten und diese Grasarten selbst“ bezeichnet,2456 woraus das Diminutiv „Schwä-
derlein“, also „Grassamenfresser“, enstanden sein könnte.

Kanarengirlitz (Serinus canaria)


„Wenn die Nachtigall die Sängerin der Wälder ist, so verdient der Kanarien-
vogel den Namen des Sängers unserer Wohnungen. Die Erstere hat alles von
der Natur erhalten, letzterer nimmt aber an unsern Künsten Antheil. Ob-
gleich der Kanarienvogel keine so starke und laute Stimme als die Nachtigall
hat, sie auch nicht mit so vielen abwechselnden Tönen geschmückt ist, so
besitzt er dafür mehr Gehör, mehr Geschicklichkeit, Töne nachzuahmen, und
ein besseren Gedächtniß … so findet man, daß der Kanarienvogel, [welcher]
ein aufmerksameres Gehör hat, das sehr leicht fremde Eindrücke fassen und
behalten kann, doch ein geselligeres, sanfteres und umgänglicheres Thier ist.
Er kann Menschen voneinander unterscheiden, und scheint gegen solche Zu-
neigung zu bekommen. – Er wird so vertraut, so einschmeichelnd, daß er sehr
oft seinen Herrn küßt und ihn mit seinem Schnabel pickt, und nie unterläßt
seinem Rufe zu folgen.“2457
Kanarienvogel: Mit 13 cm ist der heute Kanarengirlitz genannte Vogel et-
was größer und langschwänziger als unser heimischer Girlitz (11,5 cm). Der
kleine Fink lebt auf den westlichen Kanaren, Madeira und den Azoren. Dort
findet man den häufigen und anpassungsfähigen Vogel in nahezu allen eini-
germaßen geeigneten Habitaten, also Obstgärten, Hainen, an Waldrändern
und überall dort, wo es Büsche und Bäume gibt.2458 Wegen seines Gesanges ist
der Kanarienvogel, dessen gezüchtete Rassen von 10–18 cm variieren können,
überall bekannt und weit verbreitet. Früher war es üblich, den Vogel „Canari-
vogel“ oder „Canarievogel“ zu nennen.
„Oft ließ, der Kunst und seinem Wirth zu Ehren,
sich der Canarievogel hören.“ Gellert 1784
„Die Lerche bemüht sich ihm nachzusingen,
und trug nach vieler Müh zuletzt das Glück davon,
canarisch fehlerfrei zu singen.“2459
Die wahrscheinlich frühesten Abbildungen des gelben Kanarienvogels in Mit-
teleuropa sind vor 1600 entstanden. Man findet sie im Thesaurus Pictuarum
von Marcus zum Lamm.2460

2456
ADELUNG 1798, 1704
2457
BUFFON/OTTO 1790, 10/ 275
2458
BEAMAN/MADGE 1998, 770
2459
in: GRIMM/GRIMM 1984, 11/ 158
2460
ZUM LAMM 2000, 314
416 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Canario: In Spanien und Portugal übliche Namen dieses Vogels, den die Ita-
liener „Canarino“ nennen.
Zuckervogel: „Im Lauenburger Taschenbuch vom Jahr 1784 heißt es: ‚Man
nannte die Kanarienvögel Zuckervögel, weil man sagte, daß sie das Zuckerrohr
lieben, und weil sie Zucker in Mengen verzehren können. Dieser Umstand ist
allerdings sonderbar, weil dieses Salz manchen Vögeln ein Gift ist‘.“2461
Der Name ist, auf den Kanarienvogel bezogen, schon sehr alt. Import und
Zucht des Vogels begannen im 16. Jahrhundert, 1603 findet man den Namen
„Zucker Vogel“ in der Literatur.2462
Der Zuckerrohranbau begann auf den Kanaren und den Azoren im 15. Jahr-
hundert und war damals neben dem Weinbau ein bedeutender Wirtschafts-
faktor. Er ist inzwischen eingestellt worden. Ursprünglich gab es Plantagen, in
denen man auch den Kanarienvogel fand, der sich dort gut von Insekten und
körnerproduzierenden „Unkräutern“ ernähren konnte.

Bindenkreuzschnabel (Loxia leucoptera)


Der Bindenkreuzschnabel ist ein seltener Gast in Mitteleuropa und nur in
Russland regelmäßiger Brutvogel. Er lebt holoarktisch in Koniferenwäldern
der „dunklen“ Taiga aus Pinus sibirica, Picea abies, Abies sibirica sowie in den
weitgehend einheitlichen Lärchenwäldern ( Larix sibirica und Larix gmelini)
in der nördlichen „hellen“ Taiga.2463
Bindiger Kreuzschnabel, Bandkreuzschnabel, Weißbindenkreuzschna-
bel, Zweibindiger Kreutzschnabel: Bei Kreuzschnäbeln stehen Ober- und
Unterschnabel über Kreuz, um die Zapfen besser aufbrechen zu können. Die-
se kreuzförmig übereinander greifenden Schnabelenden sind einmalig unter
den Vögeln. Der Bindenkreuzschnabel sieht fast genauso aus wie der Fichten-
kreuzschnabel und ist nur wenig kleiner. Er ist vor allem durch zwei breite
Flügelbinden gekennzeichnet. Seine Hauptnahrung sind Koniferen- vor allem
Lärchensamen, aber auch andere Sämereien und Insekten. Dementsprechend
ist der Schnabel etwas schwächer als bei den anderen Kreuzschnäbeln.2464

2461
OTTO in: BUFFON/OTTO 1790, 10/ 385
2462
SUOLAHTI 1909, 134
2463
GLUTZ VON BLOTZHEIM/BAUER 1997, 14/ 933
2464
SVENSSON et al. 2011, 386
PASSERES – SINGVÖGEL 417

Fichtenkreuzschnabel (Loxia curvirostra)


„Der Kreutz Vogel hatt Dießes besonder, wan er dem Haus darinnen Er ist,
durch tödtlichen abgang iemans aus demselben, oder sonß etwas anders ein
Unfall Zusthen soll, das er sich ein viertheil Jar zuuor aus dem keffig in wel-
chem er gehalten würdt, loß Zu beisen understhet und dauon fleicht, oder
aber wan er dasselb nit zu wegen bringen kan, sich mit enthaltung essens
unndt drinckens Zu todt hungert.“ Am Verhalten des Kreuzschnabels ist
demnach ersichtlich, ob den Bewohnern eines Hauses ein Unglück droht,
was Grund genug war, sich solch einen Vogel im Käfig zu halten. Weiterhin
wurde das Wasser, von dem der Kreuzschnabel getrunken hat, als Heilwasser
für Kinder verwendet. Im Fall, dass es geholfen hat, das Kind also wieder
gesund ist, stirbt der Vogel. „Haben auch noch ferner diese kraft wan jemants
jung oder Alt die Gelbsucht hatt, undt dieser Vogel in einem Keffig über das
bette darin der Kranck ligt, gehenckt wurde, Zeucht er sie von.“ Der Vogel
zieht also die Gelbsucht auf sich, wenn der Käfig über dem Bett hängt.2465
Steht er in der Brautnacht unter dem Bett, wird zuerst ein Knabe geboren.2466
Fichtenkreuzschnabel, Kreuzschnabel, Gemeiner Kreuzschnabel, Gemeiner
Kreutzschnabel, Langschnäbeliger Kreuzschnabel, Kleiner Kreuzschnabel,
Kleiner Kreutzschnabel: Dieser Vogel ist der bei uns häufigste und am wei-
testen verbreitete Kreuzschnabel, der seine Nahrung in Fichten- und Tannen-
wäldern sucht, im Gegensatz zu dem mehr nordischen und etwas größeren
Kiefernkreuzschnabel, der in dortigen Kiefernwäldern auf Nahrungssuche
geht. Als Anpassung an die Nahrung hat der Fichtenkreuzschnabel einen gro-
ßen Kopf und Stiernacken mit einem kräftigem Schnabel.2467 Der Schnabel
ist etwas länger, wohl klobig, aber nicht so kräftig wie beim Kiefernkreuz-
schnabel. Ober- und Unterschnabel stehen über Kreuz, um die Zapfen besser
aufbrechen zu können. Diese kreuzförmig übereinander greifenden Schnabel-
enden sind einmalig unter den Vögeln.
Den Namen „Kreuzschnabel“ gibt es erst seit kurz vor 1750 u. a. in Regionen
Norddeutschlands. Er entstand durch die Kombination der älteren „Kreuz-
vogel“ und „Krummschnabel“.
„Er muß ihn [den Samen] aber zuerst unter denen fest zugeschlossenen
Schuppen der Fichten Zapfen herfür suchen, und so hat er an seinem Schna-
bel unten und oben einen Hacken, welche bey nahe ein Creutz abbilden,
daher er auch den Namen, Creutz-Vogel, führet.“2468

2465
ZUM LAMM 200, 323
2466
GATTIKER/GATTIKER 1989, 65
2467
SVENSSON/GRANT/MULLARNEY/ZETTERSTRÖM 1999, 356
2468
ZORN 1743, 28
418 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Kreuzvogel, Chrützvogel, Langschnäbeliger Kreuzvogel: Kreuzvogel und


die ähnlich klingenden Namen sind alt und waren in der Schweiz, in Hessen,
im Elsass oder in der Steiermark gebräuchlich.2469
Über die Herkunft des krummen Schnabels gibt es diese kleine Geschichte:
Die „Kreuzvögel“ sollen ursprünglich grade Schnäbel gehabt haben. Damit
wollten sie „dem Heiland am Kreuz helfen und bemühten sich erfolglos, mit
den schwachen Schnäbeln die Nägel zu lösen. Zum Dank für ihre gute Ab-
sicht ist für sie der Tisch selbst im Winter gedeckt, wenn andere frieren und
hungern. Denn sie finden die reifen Samen der Nadelhölzer unabhängig von
der Jahreszeit.“2470
Kreuzschnäbeliger Kernbeißer: Die Hauptnahrung des Vogels sind über das
ganze Jahr Fichtensamen. Samen von Laubbäumen und krautigen Pflanzen,
frische Triebe, Knospen und Blütenstände, Beeren und Insekten ergänzen den
Speisezettel.
Krummschnabel: „Krumbschnabel“ wurde von Hans SACHS 1531 in sei-
nem Regiment der Vögel verwendet. Das Wort „Krummschnabel“ stammt da-
gegen aus Österreich, wo es anscheinend in der Steiermark neben „Kreuzvo-
gel“ gebraucht wurde.2471
Grünitz, Krünitz, Grinitz, Grienitz, Krinitz, Grönitz, Krünsch: Der Name
„Grünitz“ ist, wie so viele andere Benennungen für Finkenvögel, aus den sla-
wischen Sprachen übernommen; hier entspricht dem mhd. krînis das tsche-
chische krivonos, d. h. „Krummschnabel.“ Die Form Krinitz sei teilweise an
„grün“ angelehnt und zu Grünitz umgebildet worden.2472
„… weil er zu gewissen Zeiten einen grünen oder grüngelblichen Kopf und
Rücken hat.“2473
Christkrinitz: „Als schlesisches Synonym führt POPOWITSCH [1780] den
Ausdruck ‚Christvogel‘ an, den er daraus erklärt, daß der Kreuzschnabel ‚um
Weihenachten auf den Fichtenbäumen seine Jungen aushecket‘. Wahrschein-
licher ist jedoch, daß dieser Name durch die Benennung ‚Kreuzvogel‘ veran-
laßt wurde, indem man hier das Kreuz im christlichen Sinne faßte.“2474

2469
SUOLAHTI 1909, 141
2470
CARL 1995, 81
2471
SUOLAHTI 1909, 141
2472
SUOLAHTI 1909, 141
2473
KRÜNITZ 1790, 49/ 267
2474
SUOLAHTI 1909, 141
PASSERES – SINGVÖGEL 419

Bunter Kreuzschnabel, Bunter Krinitz: Die Breite der Farbvariationen, die


den Fichtenkreuzschnabel kennzeichnet, ist lange bekannt. SUOLAHTI zi-
tierte SCHWENCKFELD, der 1603 schrieb, dass die schlesischen Vogelstel-
ler nach der Farbe verschiedene Arten Kreuzschnäbel unterscheiden: „Rote,
Geelbe; Graue, Bundte, Recht oder Lincks geschrenckte Krinisse.“ (Letzteres
bezieht sich auf die Richtung der Schnabelkreuzung)2475
Gelber Kreuzschnabel, Gelber Krinitz: Alte Männchen können überwie-
gend gelb sein.
Grauer Kreuzschnabel, Grauer Krinitz: Erwachsene Weibchen sind in der
Regel grau-grün. Variationen sind deutlich grau. Farbveränderungen zu Grau
fand man auch bei Käfigvögeln.2476
Rother Kreuzschnabel, Rother Krinitz: Männchen variieren stark von rot,
rötlich über intensiv orange (die meisten) bis fast grünlich mit geringem Rot-
anteil, was nicht altersbedingt zu sein scheint.
Tannenpapagei: Alle Männchen hätten Rot oder Gelbrot im Gefieder, wobei
letztere Farbe aber in Gefangenschaft stets in Grüngelb oder Blaßgelb über-
gehe. „Dieses Zinnoberroth und Grüngold giebt aber den Kreutzschnäbeln
allerdings ein papageienartiges Ansehen.“2477 NAUMANN nannte das Ver-
halten papageienartig: „Hierbei [Nahrungssuche] sind sie immer munter und
geschäftig, flattern und klettern von einem Zweige zum anderen, in welchem
sie eine so große Fertigkeit haben, dass es ihnen gleich ist, ob der Kopf unten
oder oben, oder ob sie auf- und niederwärts klettern, oder an der Seite der
Nadel. Zapfenbüschel herumsteigen, wobei sie ihren hakenartigen Schnabel,
wie die Papageien, zu Hilfe nehmen.“2478
Zapfenbeißer, Zapfennager, Tannenvogel: Diese Namen sind in Preußen
(Zapfenbeißer), in Mitteldeutschland (Tannenvogel, Tannenpapagey, s. o.)
und in der Steiermark (Zapfenbeißer) entstanden.2479
Winterkrinitz, Sommerkrinitz: „Im Frühling und Sommer hat die grüne
und rothe Farbe, im Winter die gelbe, die Oberhand, und die Farben verän-
dern sich alle Jahre mindestens dreimal.“2480
Der Fichtenkreuzschnabel wurde im Volksmund auch „Vagabundenvogel“
genannt, weil er zwar wandert, das aber unregelmäßig, unterschiedlich gerich-

2475
SUOLAHTI 1909, 142
2476
FRISCH 1763, T. 11
2477
VOIGT 1835, 234
2478
NAUMANN 1824, 4/ 356
2479
SUOLAHTI 1909, 142
2480
BUFFON/OTTO 1790, 10/ 49
420 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

tet, unterschiedlich weit (bis 4000 km) und nur einmal im Jahr. Die Haupt-
wanderungen beginnen nach der Jungenaufzucht im Sommer. Man nennt
dieses Verhalten „Nomadisieren“. Es ist als Anpassung an dauernd wechselnde
Nahrungsangebote entstanden. So gibt es Kreuzschnäbel, die das ganze Jahr
in einem Gebiet sind und andere, die in großer Zahl im Spätjahr erscheinen.
Die Bevölkerung kannte den Zusammenhang des „Vagabundierens“ mit der
Nahrung, auch war ihr aufgefallen, dass diese Vögel über längere Zeit fast völ-
lig verschwinden konnten. NAUMANN zitierte Christian Ludwig BREHM:
„Seit 1810 und 1811 habe ich in unserer Gegend nicht einen einzigen ge-
sehen; im Jahre 1818 aber kamen sie im Mai ganz einzeln, im Juni familien-
weise, im Juli und August in großen und kleinen Flügen an, sodass es jenen
Herbst und Winter ungewöhnlich viele in unsern Nadelwäldern gab. Die äl-
testen Menschen erinnerten sich nicht, je so viele Fichtenkreuzschnäbel in
unseren Hölzern gesehen zu haben. Das kommt daher, weil der Fichtensamen
im Jahre 1818 bei uns in ausserordentlicher Menge vorhanden war.“ Von den
vielen Vögeln war bald darauf, 1819 ab Ende Juni, keiner mehr zu sehen.2481

Kiefernkreuzschnabel (Loxia pytyopsittacus)


„Sie sind nie scheu, sondern vielmehr sehr einfältig, und man sieht an ihnen,
dass, wie fast durch die ganze lebendige Natur, Dummheit mit Gefräßigkeit
verschwistert ist; denn wenn sie recht erpicht aufs Fressen sind, sind sie gerade
am dümmsten und unvorsichtigsten, sodass sie selbst der Knall eines auf sie
gethanen Fehlschusses nicht einmal immer von demselben Baume oder doch
nie weit wegjagt. Man kann sie öfters auf solche Art erschrecken, ehe sie die
Gegend mit der nächsten vertauschen.“2482
Kiefernkreuzschnabel: Der Vogel brütet in Nord- und Nordosteuropa in
Nadelwäldern mit hohem Kiefernanteil. Auch er hat einen großen Kopf und
Stiernacken und einen kräftigen Schnabel, bei dem Ober- und Unterschnabel
über Kreuz stehen, um die Zapfen besser aufbrechen zu können.2483
Großer Kreuzschnabel, Kurzschnäbeliger Kreuzvogel: Der Kiefernkreuz-
schnabel ist etwa 1 cm länger als der Fichtenkreuzschnabel und wirkt dadurch
massiger. Sein Schnabel ist deutlich höher (ca 15 mm gegenüber 11 mm) und
mit etwa 21 mm bis zu 2,5 mm länger als der Schnabel des Fichtenkreuz-
schnabels. Er ist also nicht kürzer, wie der Name, der nur bei NAUMANN
erschien, vorgibt.2484

2481
BERTHOLD 1996, 43 und NAUMANN 1824, 4/ 356
2482
NAUMANN 1824, 4/ 339
2483
SVENSSON/GRANT/MULLARNEY/ZETTERSTRÖM 1999, 356
2484
BEAMAN/MADGE 1998, 778 und NAUMANN 1824, 4/ 356
PASSERES – SINGVÖGEL 421

Großschnäbeliger Kernbeißer, Scherenschnäbeliger Kernbeißer: Die


Hauptnahrung des großschnäbligeren Kiefernkreuzschnabels sind Koniferen-
samen, vor allem von Kiefern und Fichten, seltener von Lärchen. Als Zusatz-
nahrung bei Mangel an Koniferensamen werden auch Beeren und Samen von
Stauden genommen. Nur wenn die Samenproduktion dort ausfällt, findet
man die Vögel gelegentlich auch in Fichtenwäldern. Der starke Schnabel des
Kiefernkreuzschnabels macht die Nutzung der noch ungeöffneten Zapfen je-
weils etwas früher möglich als beim Fichten- und Bindenkreuzschnabel. Fich-
tenzapfen werden ab Anfang August, Kiefernzapfen ab Anfang März „aus-
gebeutet“.2485
Kiefernpapagei, Kieferpapagei, Tannenpapagei: Da, wo Kiefern- und Fich-
tenkreuzschnäbel gemeinsam vorkommen, werden sie sehr leicht miteinander
verwechselt. Daraus lässt sich erklären, warum sie etliche Trivialnamen ge-
meinsam haben.
„Sie klettern äußerst geschickt an den dünnen Spitzen der Zweige und an den
Samenzapfen der Nadelbäume herum, oft in verkehrter Stellung, den Kopf
nach unten, sich anklammernd, und bei diesem Herumsteigen gebrauchen
sie ihren hakenartigen Schnabel häufigst, wie die Papageien, als eine Stütze
oder dritten Fuß.“2486 „… weil er sich gern auf Tannenbäumen finden läs-
set.“2487 Letzteres mag bedingt auf den Fichtenkreuzschnabel zutreffen, der
auch Tannensamen erntet, für den Kiefernkreuzschnabel aber nicht. Deshalb
ist „Tannenpapagei“ für ihn der falsche Name.
Krummschnabel: Auch mit diesem Namen wurde ursprünglich der Fichten-
kreuzschnabel gemeint. „Krumbschnabel“ wurde von Hans SACHS 1531 in
seinem Regiment der Vögel verwendet. Das Wort „Krummschnabel“ stammt
dagegen aus Österreich.2488
Krünitz, Roßkrinitz: Der Name „Krünitz“ ist, „wie so viele andere Benen-
nungen für Finkenvögel, aus den slawischen Sprachen übernommen; hier
entspricht dem mhd. krînis das tschechische krivonos, d. h. Krummschna-
bel.“ Die Form Krinitz ist teilweise an grün angelehnt und zu Grünitz um-
gebildet worden.
Roßkrinitz bedeutet „Großer Krinitz“. Hier ist eindeutig der größere Kiefern-
kreuzschnabel gemeint.2489

2485
GLUTZ VON BLOTZHEIM/BAUER 1997, 14/ 1032
2486
NAUMANN 1824, 4/ 339
2487
ADELUNG 1801, 4/ 530
2488
SUOLAHTI 1909, 141
2489
SUOLAHTI 1909, 141 + 142
422 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Welscher Kreuzschnabel, Welscher Kreutzschnabel: Welsch bedeutet hier


soviel wie „aus fremden, auch nordischen Ländern stammend, fremde Her-
kunft“. Der Vogel der nördlichen Nadelwälder ist bei uns selten. Unsere Vor-
fahren kannten ihn zwar, für sie war er aber ein ausländischer Vogel, eben ein
„Welscher Kreuzschnabel“.2490

Grünfink (Carduelis chloris)


Im Winterhalbjahr nächtigen Grünfinken in Schlafgemeinschaften von ein
paar Dutzend bis zu mehreren Hundert Vögeln in immergrünen Sträuchern
und Bäumen. In der Dämmerung werden aus 6–8 km Entfernung hohe kahle
Bäume angeflogen. An solchen Sammelplätzen sind die Vögel erregt, ruffreu-
dig, mobil. Gegen Sonnenuntergang werden dann recht plötzlich die eigent-
lichen Schlafplätze bezogen, wo die Vögel gleich verstummen.2491
Grünfink, Grünling: Viele Namen des Grünfinks beziehen sich auf sein Ge-
fieder, das durchaus unterschiedlich wahrgenommen wurde. Den Namen
„Fink“ gab es schon in den westgermanischen Sprachen (als vinke, finke, vink,
finc, finch, fink u. a.). Er beruht auf den kurzen hellen Pink-pink-Rufen des
Buchfinks. Die Ausdrücke „Grünfinck“ und „Grünling“ erschienen schon
1555 bei GESSNER.2492
Grünvogel, Gröning, Grönnig: Im Gefieder sind die Farben Grün, Gelbgrün,
Gelb, aber auch Graugrün und Grau typisch. Abwandlungen von „Grün“ fin-
det man, verbunden mit landsmannschaftlichen Besonderheiten, in Dialek-
ten. So passt „Gröning, Groining“ zum pommerschen Dialekt. „Gröning“ ist
auch ein Name der Goldammer. „Grön“ ist plattdeutsch für „Grün“.
Grööling: Bei BECHSTEIN (1807) findet man „Grööling“, nachdem im
Ornithologischen Taschenbuch von 1802 „Gröönling“ steht. „Grööling“ ist von
einigen Autoren übernommen worden, auch von NAUMANN. Man kann
davon ausgehen, dass es sich um ein niederdeutsches Wort für „Grünlig“ han-
delt.2493
Grinzling: Das Wort bedeutet „Grünling“. In verschiedenen mittel- und ost-
deutschen Dialekten wurde ein „ü“ mehr wie ein „i“ ausgesprochen. Schon
1382 gab es einen „Grintzling“ neben einem „Grüntzling“.2494

2490
HOFFMANN 1937, 76
2491
GLUTZ VON BLOTZHEIM/BAUER 1997, 14/ 583
2492
SUOLAHTI 1909, 109 + 136
2493
BECHSTEIN 1807, 3/ 45 + 1802, 110 und NAUMANN 1826, 5/ 62
2494
GRIMM/GRIMM 1984, 9/ 382
PASSERES – SINGVÖGEL 423

Grüngelber Fink, Tutter: Mit „Grüngelber Fink“ betitelte HALLE sein Ka-
pitel über den Grünfinken. Die am meisten auffallenden Farben sind Grün
und Gelb.2495
Nach letzterer Farbe bekam der Vogel im Elsass den Namen „Gelbfink“ und
in Frankfurt das Synonym dazu, „Tutter“. „Tutter“ soll wohl als Eigelb ver-
standen werden und auf die gelbe Gefiederfarbe hinweisen.2496
Gründling: Mit „langem ü“ gesprochen, ist die Herkunft von „Grünling“ er-
kennbar. Diesen Namen hatte der Vogel in Kärnten.2497
Grünschwanz, Grönschwanz: Das Wort „Schwanchel“, wie man den Grün-
finken in einigen Gegenden nannte, wurde fälschlicherweise verdeutscht zu
Schwanz.2498 Das Wort „Schwanz“ erhielt dann die Hauptfarbe Grün des Vo-
gels zugeordnet.
In der Marck [Brandenburg] hieß der Vogel „Grünschwantz“. „Mit welchen
Namen man ihn nicht auf seinen Schwantz gesehen, denn er hat ebenso viel
grünes nicht, sondern es ist der in Sachsen gewöhnliche Name, Schwunitz
und Schwanschel im Schwantz verändert worden, und von der Böhmischen
Nachbarschafft und den Wendischen Vogel-Fängern aufgekommen.“2499
Grüngelber Dickschnäbler: Dieser Begriff war der Leitname von KLEIN
für den Grünfink. KLEIN nannte Vögel mit den „dicksten kreiselförmigen“
Schnäbeln Dickschnäbler, „lat. Coccothraustes“.2500
Grüner Dickschnabel, Grüner Kernbeißer: Der Grünfink ist gedrungen
und hat einen relativ großen Kopf mit einem kräftigen Schnabel, worin er
dem Kernbeißer ähnelt. Er ist „mit seinem hohen kegelförmigen Schnabel
die einzige Carduelis-Art, die viele Schoten, Kapseln und fleischige Früchte zu
öffnen bzw. zu zerdrücken vermag; die kleineren Arten müssen das Springen
der Kapseln abwarten und dann aufreißen, um an die Samen heranzukom-
men.“2501 KLEIN und andere stellten den Grünfink zu den Kernbeißern und
nannte ihn u. a „Grüner Dickschnäbler, Coccothraustes viridis“.2502
Grün-Hänfling, Grüner Hänfling, Gelbhänfling: In einigen Gegenden,
z. B. in Schlesien oder der Altmark, wurde der Vogel, wohl auch wegen sei-
ner Vorliebe für Hanf, als Hänfling angesehen. Als typischer Körnerfresser

2495
HALLE 1760, 400
2496
SUOLAHTI 1909, 136
2497
BUFFON/OTTO 1785, 11/ 228
2498
SCHALOW 1919, 496
2499
FRISCH 1763, T. 2
2500
KLEIN 1760, 176
2501
GLUTZ VON BLOTZHEIM/BAUER 1997, 14/ 584
2502
KLEIN 1750, 95
424 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

ernährt er sich dort, wo es möglich ist, natürlich nicht nur, aber auch von
Hanfsaat. NAUMANN nannte den Vogel nur „Grün-Hänfling“.2503
Grünhanferl: „Im Spätjahre sieht man oft große Schaaren dieser Grünlinge
herumziehen, sie sind dann besonders dem Hanf sehr gefährlich.“2504
Hanfvogel: „Im Spätjahr ziehen sie in Heerden oft zu Tausenden herum, und
schaden besonders dem Hanf. Sie werden in Menge gefangen und gegessen.“
Auch NAUMANN beklagte die beträchtlichen Schäden, die die Vögel auch
auf seinen „Hanfstücken“ anrichteten.2505
Rappfink, Rapfink, Hirsenvogel, Hirsenfink, Hirsvogel: Einige Namen er-
hielt der Grünfink nach seiner Nahrung, die aus Hanfsamen, Rübsamen, Hir-
se und anderen Samen besteht. SUOLAHTI zählte auch „Rappfink“ zu dieser
Gruppe und hält ADELUNGS Vorstellung, dass der Grünfink diesen Namen
wegen seiner Stimme bekommen hat, für verfehlt. KRÜNITZ: „Rapa“ ist im
Italienischen und Lateinischen (richtiger rapum?) die „Rübe“. Der „Rapp-
fink“ ist also kein Rapssamen-, sondern Rübsamenfresser.2506
Kuttvogel, Kutvogel: „Ohne Zweifel von seinem Geschreye (…)“ (o. Qu.). „
… weil er mit einem besondern Gelocke streicht.“2507 Für SUOLAHTI waren
dagegen die Erklärungsversuche aus den Naturlauten verfehlt: „Wahrschein-
lich beruht der Ausdruck auf dem elsässischen Jägerworte Kütt ‚Schwarm von
Vögeln‘ und erklärt sich daraus, daß die Grünfinken scharenweise umher-
streichen.“2508
Welscher Hänfling: Nach SUOLAHTI hat der Vogel den Namen in Schle-
sien wegen seiner unsteten Lebensweise erhalten, wegen seines Umherschwei-
fens in Scharen. Welsch bedeutet hier soviel wie „in vielen Gebieten vorkom-
mend, nicht standorttreu“.2509
Schwunsch, Schwunsche, Schwunschvogel, Schwunz, Zwuntsche, Schwa-
nitz, Schwanschel, Schwanzka, Schwaniß, Schaunsch, Schaunz, Schwo-
netz, Wonitz, Wonütz: Diese Namen, von denen es zahlreiche umgestaltete
Namensformen gibt, kamen auf stimmnachahmende Weise zustande. „Auf
slawisch oder wendisch heißt der Vogel schwunitz, polnisch dzwoniec. Beide
Namen gehen auf die Rufe zwui oder zwuid zurück.“2510 „Ich weiß nicht, ob

2503
NAUMANN 1826, 5/ 62
2504
CURTMANN/WALTER 1846, 332
2505
OKEN 1837, 263 und NAUMANN 1826, 5/ 62
2506
SUOLAHTI 1909, 136 und ADELUNG 1798, 9/ 937 und KRÜNITZ 1820, 128/ 158
2507
KRÜNITZ 1780, 20/ 216
2508
SUOLAHTI 1909, 136
2509
SUOLAHTI 1909, 136
2510
HOFFMANN 1937, 23
PASSERES – SINGVÖGEL 425

dieses oder jenes Twuih, was man allenfalls ebensogut Schwoinz aussprechen
könnte, dem Vogel zu dem Namen Schwunsch verholfen haben mag.“2511
„Wonitz“ erscheint schon 1531 bei Hans SACHS in seinem Regiment der
Vögel.
Schwonetz: „Schwonetz heißt im Böhmischen eine Schelle. Weil dieser Vogel
mit einem seltsamen zwey-stimmigen Ruff im Hin- und Herzug sich hören
läßt. Sonst ist sein Gesang zwar kurtz, aber nicht unangenehm, und wird
verbessert, wenn man von ihm und einer Canarie-Sie Eren [Mischlinge]
zieht.“2512
Schwunschhänfling: „In der Lebensart stimmt er so ziemlich mit dem
Hänfling überein, schreyt jäck und schwoinz…“2513 Man kann das Wort als
„Grün(fink)hänfling“ übersetzen s. o.
Römischer Zeisig: „Römischer Zeisig“ war für den Grünfink durchaus ver-
breitet. Der Vogel hat seinen Namen von seinem zeisigähnlichen Gesang und
seinem zahlreichen Vorkommen in Südeuropa. „Der Grünfink wird auch we-
gen seines Gesangs sehr geachtet. Man lehrt ihn reden und ganze Arien pfei-
fen. …Man muß ihn nicht mit dem Zeisig verwechseln, den die Franzosen,
ohne Zweifel wegen seines gedehnten Gesangs, Tarin nennen…. Belon sagt,
der Zeisig habe im Gesang die zweyte Stelle nach dem Grünfinken.“2514

Stieglitz (Carduelis carduelis)


Als Gott alle Tiere erschaffen hatte und sie nun bemalte, da kam, als er end-
lich seine Arbeit beendet hatte, ein kleiner Vogel, der Stieglitz. Er war nicht
zur rechten Zeit gekommen und sollte nun, da die Farbtöpfe bereits leer wa-
ren, ohne Farbe bleiben. „Über dieses Unglück jammerte der kleine Vogel
sehr, machte aber Gott darauf aufmerksam, daß doch in jedem Topf noch
ein kleines Restchen Farbe übrig sei und bat, er solle ihm doch von jeder nur
einen kleinen Klecks auftragen. Das tat der liebe Gott und so erhielt der Vogel
von allen Farben etwas.“2515
Im Jahre 1844 wurde das Gedicht „Der Stieglitz“ von Johann Friedrich Kind
(1783–1844) veröffentlicht, aus dem hier auszugsweise zitiert wird:
Als Gott der Herr die Vöglein schuf,
Ich denk‘ am fünften Schöpfungstag,
Da standen sie so Stuf‘ zu Stuf‘,

2511
NAUMANN 1826, 5/ 62
2512
FRISCH 1763, T. 2
2513
OKEN 1837, 263
2514
SAURI, Natürl. Gesch. des Erdbodens, 1782, 3/1, 240
2515
GATTIKER/GATTIKER 1989, 53
426 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Wie man sie jetzt noch sehen mag,


Der Dompfaff, Rothschwanz, Meis‘ und Fink,
G‘nug, Adler bis zum Zitscherling,
Doch all‘ noch erdpfahl, todt und stumm,
Um seinen Arbeitsstuhl herum…
Da nahm der Schöpfer Scherb‘ und Topf
Und mengte bunte Farben ein,
Bemalte dem den Hals und Kropf
Und jenem Brust und Flügelein…
Bald waren all‘ die Töpfe leer,
Und nichts gab‘s für den Stieglitz mehr.
Drauf blies der Herr den Vögelein
Alsbald lebend’gen Odem ein…
Der Stieglitz nur blieb still zurück,
Erhob zum Herrn gar trüb‘ den Blick,
Reckt‘ auf das Hälslein und die Zeh‘n,
So kleb‘ ich dir auch das noch an“
„Auch was Citrongelb ist noch hier“ –
Und sprach: Ja, die sind grün und blau,
In jede leere Scherb‘ zu sehn
Ich armes Thier ganz aschengrau; …
Schau, Herr! Hier ist noch Roth im Topf“ –
Gleich gab ihm Gott ein‘n Klecks auf‘n Kopf –
„Hier gibt‘s noch etwas Weiß vom Schwan“ –
Gleich strich‘s ihm Gott am Flügel an –
„Du Bettler, nun so nimm es dir“ –
Da gibt‘s auch Ruß noch, schwarz, wie Nacht,
Womit du Raben hast gemacht.“ –
„Du närr‘scher Kerl!“ spricht Gott und lacht –
„Nun, wenn du mußt von Allem ha‘n,
So, Kleiner, hat der liebe Gott -…
Mit Farb‘ den Stieglitz aufgefrischt,
An ihm die Pinsel ausgewischt.

Stieglitz: Im deutschen Sprachgebiet wurde erstmals in De animalibus von


ALBERTUS MAGNUS (1258) „stygelicz“ belegt. Nach SUOLAHTI ist
„Stieglitz“ dagegen ein slavisches Wort, das im 12. Jahrhundert aus dem Slo-
venischen („ščegljec“ für Distelfink) entlehnt wurde. HOFFMANN hielt das
slovenische Wort („ščegljec“) für durch Lautnachahmung aus dem Ruf des
PASSERES – SINGVÖGEL 427

Vogels entstanden und zwar aus dem nicht sehr häufigen Ruf „stigelit“ bis
„tsegeli“.2516
Gemeiner Stieglitz: „Der Gesang lautet stichlick, stichlick…“ oder „steglitz,
stichlit“.2517 „Von etlichen wird er auch wegen seiner Stimme Stiglitz geheis-
sen.“2518
Stichlitz, Stechlitz: Die Namen hat der Vogel „von den stechenden und
stachlichten Disteln“.2519
Der Ruf ist charakteristisch und fröhlich klingend „tickeLITT“.2520 Daraus
entstanden durch Lautmalung „Stichlitz“ und „Stechlitz“.2521
Sterlitz: Dieser Name ist eine Abwandlungen von Stieglitz oder Stechlitz. So
sprach man in Anhalt zu NAUMANNS Zeiten vom Sterlitz.2522
Stachlitz, Stachlick: Die Namen entstanden aus Stieglitz, möglicherweise
durch mundartliche Veränderungen. „Der Name Stechlik ist … dem Sprach-
schatz der Wenden und Böhmen entnommen.“2523
Distelzeisig, Distelfink: Nach der damaligen Ordnungsauffassung von
BECHSTEIN hieß der Stieglitz „Distelzeisig“, während MEYER/WOLF ihn
„Distelfink“ nannten.2524
„Dieser Vogel wird … zu Teutsch Distelfinck genennet, weil er auff den Dis-
teln zu sitzen pflegt.“ So heißt er teilweise auch heute noch.2525
Distelvogel: „Distelvogel“ ist der schweizerisch-schwäbische Name des Dis-
telfinken, der 1555 schon bei GESSNER erwähnt wurde, aber noch älter ist
und in althochdeutschen Glossen des 13. Jahrhunderts bezeugt wurde.
Distelein, Distler: Kurzform von Distelfink. Weitere Beispiele sind „Distel“
in der Schweiz, „Dischel, Dissele, Disserle“ im Elsass.2526
Fistelfink: Dieser Name steht in vielen Trivialnamen-Aufzählungen, ist dem-
nach kein Fehler. Von „Distelfink“ ist er nicht abzuleiten. Der Stieglitz hat
eine leise hohe Stimme, die beim Menschen eine Fistelstimme genannt wird.

2516
SUOLAHTI 1909, 117 und HOFFMANN 1937, 24
2517
CURTMANN/WALTER 1846, 229
2518
GESSNER/HORST 1669, 70a
2519
FRISCH 1763, T. 1
2520
SVENSSON/GRANT/MULLARNEY/ZETTERSTRÖM 1999, 350
2521
GATTIKER/GATTIKER 1989, 52
2522
NAUMANN 1826, 5/ 125
2523
SCHALOW 1919, 496
2524
BECHSTEIN 1807, 3/ 200 und MEYER/WOLF 1810, 1/ 167
2525
GESSNER/HORST 1669, 70a
2526
SUOLAHTI 1909, 116
428 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Gelbflügel, Goldfink: Der Vogel hat ein auffallend breites goldgelbes Band
am Flügel, das auch im Sitzen sichtbar ist.
Kletter, Kletterrothvogel: „Weil er auch auf die großen Kletten fliegt, und
den Saamen heraus frißt, heißen ihn einige, sonderlich in Ost-Frießland,
Kletter.“2527
Rothvogel, Rothvögelein: Der Stieglitz hat ein auffallend rotes Gesicht.
Einen „Rothvogel“ findet man schon 1603 bei SCHWENCKFELD.
Trun: „Bei den deutsch redenden Rhätiern soll der Distelfink, wie Gesner
sich zu erinnern glaubt, Turns heißen.“2528
Jupitersfink: „Dieses niedliche Vögelchen hat sehr karakteristische; aber auch
einige unpassende Provinzialnamen.“2529 Zu Letzteren zählte der Autor neben
Goldfink und Rothvogel auch „Jupitersfink“. KLEIN nannte den „Distelfin-
ke“ dagegen „Fringilla Jovis“, übersetzt „Fink des Jupiter“.2530
„Der Stieglitz ist ein Symbol für Ausdauer, Fruchtbarkeit und Beharrlichkeit.
Wegen seiner Vorliebe zu Disteln (Dornen) ist er auch ein christliches Sym-
bol für die Passion und den Opfertod Jesu Christi. Er ist Begleitvogel auf
vielen Madonnenbildern, in denen er für das Vorwissen über die bevorstehen-
de Kreuzigung steht. … Im Mittelalter wurde der Stieglitz als Talisman zum
Schutz vor der Pest verwendet. Conrad Gesner (1555) erwähnte diesen Vogel
in seinem Vogelbuch und setzte ihn bei Erkrankungen ein. So sollen gebrate-
ne Stieglitze ein geeignetes Heilmittel gegen Bauchgrimmen und Darmgicht
sein. Da man dem Stieglitz die Fähigkeit zuschrieb, Krankheiten anzuziehen,
wurde ein solcher Vogel zu ebendiesen Zweck in das Zimmer eines Schwind-
süchtigen gehängt.“2531

Zitronenzeisig (Carduelis citrinella)


„Hier [im schweizerischen Engadin] hörte ich auch zum ersten Male mit
voller Sicherheit, den Zitronenzeisig, Citrinella brumalis, singen. Der selbst
beim Nestbau auffallend scheue Vogel steht im Gesang wie in vielen andern
Dingen dem Serinus hortulanus [S. serinus] nahe. Doch ist sein kleines Lied-
chen immerhin noch etwas besser accentuirt und pointirt, als das des gar zu
monoton schwirlenden Girlitz, der Locustella [„Schwirl“] unter den Finken.
Das Hauptmotiv der nicht sehr langen aber oft wiederholten Strophe klingt

2527
FRISCH 1763, T. 1
2528
SUOLAHTI 1909, 117
2529
GOEZE/DONNDORF 1795, 5-1/ 331
2530
KLEIN 1760, 180
2531
http://de.wikipedia.org/wiki/Stieglitz, Stand: 7.112011
PASSERES – SINGVÖGEL 429

in der Nähe wie: ‚hed, hed, hed, tirrr lilili.‘ Erschreckt ließen beide Gatten
ein scharfes ‚zieh, zit‘ hören; der Lockton, beim Aufsuchen von Nistmaterial
häufig ausgestossen, ist ein sanftes ‚zieh- zwoi‘. Ich beobachtete mehrere Paare
beim Nestbau und fand auch fertige Nester, die denen des Stieglitz ähnlich,
aber etwa glatter und netter gefilzt sind.“2532
Citronenzeisig: Der Zitronenzeisig ( Carduelis citrinella), der auch Zitronen-
girlitz genannt wird, gehört innerhalb der Familie der Finken (Fringillidae)
zur Gattung der Zeisige ( Carduelis). Der Zitronenzeisig (Zitronengirlitz) wird
gelegentlich, vor allem in älterer Literatur, als „Serinus citrinella“ in der Gat-
tung der Girlitze ( Serinus) geführt. Diese Zuordnung gilt, wie die Schreib-
weise „Citronen-“, als veraltet.
Der Zitronenzeisig ist anscheinend näher mit dem Stieglitz ( Carduelis cardue-
lis) verwandt als mit dem Girlitz ( Serinus) (Arnaiz-Villena et al., 1998).2533
Der Artname „citrinella“ bedeutet zitronenfarben, also gelb bis gelbgrün. Der
Zitronengirlitz ist vorherrschend gelbgrün.
Das Wort „Girlitz“ ist lautmalend aus slawischen Sprachen entstanden. Bei
„Zeisig“ handelt es sich um ein Lehnwort aus dem Tschechischen: „Anfang
des 13. Jahrhunderts als mhd. zis, zise dem lautmalenden tschechischen ciz
Zeisig entlehnt.“2534
Citronenfink, Citronfink, Citrongelber Fink: Linné nannte den Vogel Mit-
te des 18. Jahrhunderts „Fringilla citrinella“, was soviel wie „Zitronenfarbener
Fink“ bedeutete. MEYER/WOLF nannten den Vogel „Citronenfink“.2535
Citrinchen, Zitrinchen, Citrinlein, Citrinelle: Schon GESSNER be-
schrieb den Zitronengirlitz als „Citrinlein“ („deß Grünling oder Zeißlein-
Geschlechts“) und ordnete ihn in die Nähe des Girlitz ein. „Den Citrinlein
oder Zeißlein wird auch verglichen … ein Vögelein … Girlein genennet .. an
etlichen Orthen auch Girlitz.“2536
„Ferner ist der italienische Name citrinello zu erwähnen; daraus wurde in
Deutschland Zitrinelle oder Zitrinchen und Zitrinlein (für den Zitronenzei-
sig).“2537

2532
BALDAMUS 1870, 18/ 104
2533
http://de.wikipedia.org/wiki/Zitronenzeisig, Stand: 1.11.2011
2534
GRIMM/GRIMM 1984, 31/ 519
2535
MEYER/WOLF 1810, 175
2536
GESSNER/HORST 1669, 148a
2537
HOFFMANN 1937, 89
430 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Ciprinlein, Zyprinchen, Ziprinchen: „Zyprinchen“ stammt von BECH-


STEIN. NAUMANN machte daraus ein „Ciprinchen“ und BREHM ein
„Ziprinchen“. Die Kunstnamen entstanden aus „Citrinlein“ u.s.w.2538
Schneevögelein, Schneevögeli: „Seine eigentliche Heimat sind die Alpen,
von wo er des Winters schaarenweise in die Ebene kommt. … Da es ein Vor-
bote von Schnee ist, wann er in die Thäler herunter kommt, so hat er in der
Schweiz den Namen Schneevögelein erhalten.“2539
Herbstfink: Der Kunstname BECHSTEINS bedeutet dasselbe wie „Schnee-
vögelein“.2540
Italienischer Kanarienvogel: „Der Citronenzeisig, oder, wie er gewöhnlich
genannt wird, der Citronenfink, ist in den südlichen Ländern Europens ein-
heimisch, in ganz Italien, Griechenland, der Türkey, Provence, Languedoc,
Catalonien, auch in Oesterreich und Aleppo, auf den Alpen der Schweiz und
Tyrols, und wahrscheinlich in allen den Gegenden, welche mit den jetzt ge-
nannten einerley Luftbeschaffenheit haben. … Gestalt und Farbe hat er fast
mit dem Canarienvogel gemein, nur ist er etwas kleiner.“ Etwas später schrieb
BECHSTEIN: „Sein Gesang hat viel Aehnlichkeit mit dem Gesange des Ca-
narienvogels, nur ist er nicht so schmetternd, sondern flötender.“2541
Grüner Hänfling, Grünling: Diese beiden Kunstnamen von BECHSTEIN
hat NAUMANN übernommen. Sie beziehen sich auf das Gefieder des Zit-
ronenzeisigs, der sich u. a. gerade hinsichtlich der Schnabel- und der Körper-
größe deutlich vom Grünfinken unterscheidet.2542
Venturon: „Le Venturon de Provence“ war BUFFONS Name für den Zi-
tronenzeisig. Der Vogel wird heute in Frankreich „Venturon montagnard“
genannt.2543

Erlenzeisig (Carduelis spinus)


Über die damals beliebte Haltung des Zeisigs als Stubenvogel berichtete NAU-
MANN: „Er fügt sich ungemein schnell in sein Schicksal, ist gleich zahm,
geht ohne Umstände ans vorgelegte Futter, ist ungemein gelehrig im Erlernen
belustigender Kunststückchen, die oft in Erstaunen setzen, hält die Gefangen-
schaft wohl zehn bis zwölf oder mehr Jahre aus, und ist er ein Männchen, so

2538
BECHSTEIN 1807, 3/ 241 und NAUMANN 1826, 5/ 148 und BREHM 1879, 5/ 302
2539
OKEN 1837, 262
2540
BECHSTEIN 1807, 3/ 241
2541
BECHSTEIN 1807, 3/ 241 + 242
2542
BECHSTEIN 1807, 3/ 241 und NAUMANN 1826, 5/ 148
2543
BECHSTEIN 1807, 3/ 241
PASSERES – SINGVÖGEL 431

singt er jahrein jahraus, tagtäglich, nur die kurze Zeit der Hauptperiode des
Mauserns ausgenommen, und ermuntert mit seinem immerwährenden Ge-
zwitscher auch andere Stubenvögel zum Singen. Den Deckel aufzuheben, der
Futter- und Wassergeschirr verschließt, zu klingeln, wenn er hungrig ist, auf
den Ruf auf die Hand geflogen kommen und hier oder aus dem Munde das
Futter aufzunehmen, und endlich zum Aus- und Einfliegen sich gewöhnen,
lernt er alles sehr bald, und noch andere Zeisigskünste mehr; allein andere
Melodien und Vogelgesänge nachsingen, das lernt er nicht.“2544
Zeisig, Gemeiner Zeisig: „Dieser Name wird hergeleitet von der tschechi-
schen Benennung čižek, die auf dem Rufe dsisij oder djessij beruht, den junge
flugfähige Zeisige unausgesetzt hören lassen, wenn sie bettelnd ihren Eltern
folgen.“2545
Bei „Zeisig“ handelt es sich um ein Lehnwort, das aus dem Tschechischen
stammt: „Anfang des 13. Jahrhunderts als mhd. zis, zise dem lautmalenden
tschechischen ciz Zeisig entlehnt.“ Der Name wurde wahrscheinlich durch
böhmische Vogelhändler verbreitet.2546
Mit „Der Zeisig“ überschrieb BUFON sein Kapitel, „Gemeiner Zeisig“ war
der Leitname von BECHSTEIN.2547
Erlenzeisig, Erlen-Zeisig, Zeissigfink, Erlenfink, Erlfink: „Von seiner Vor-
liebe für Erlen, deren Samen er frißt, hat der Zeisig den Namen Erlenzeisig
erhalten.“2548 Auch „Erlenfinck“ werde er genannt. „Im Winter fliegen die
Zeisige in ganzen Schaaren auf Erlenbäumen umher, deren Samen ihnen
zur Nahrung dient, was ihnen den Namen Erlenfink verschafft hat.“2549 „Er-
lenfink“ wurde der Vogel auch im 17. Jahrhundert genannt.2550 Der Zusatz
„-fink“ lässt erkennen, dass die Verwandtschaft mit Hänfling, Stieglitz oder
Girlitz bekannt war. Man unterschied den „Erlfink“, den „Zeissigfink“ damit
z. B. vom „Distelfink“ oder vom „Leinfink“.
Zeiserl, Zeisel, Ziesel, Zeislein, Zieslein, Zislein, Zeißchen, Zeising, Zising,
Zensle, Zinsl, Zischen, Sischen, Ziesk, Zeiske: Dies ist nur eine kleine Auswahl
solcher ähnlicher Namen für den Zeisig, die sehr alt sein können und regional in
Deutschland und den deutschsprachigen Nachbarländern zu finden sind.

2544
NAUMANN 1826, 5/ 155
2545
HOFFMANN 1937, 24
2546
GRIMM/GRIMM 1984, 31/ 519
2547
BUFFON/OTTO 1785, 11/ 321 und BECHSTEIN 1795, 422
2548
SUOLAHTI 1909, 119
2549
CURTMANN/WALTER 1846, 231
2550
GRIMM/GRIMM 1984, 31/ 520
432 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Es kamen „Zeisel“ (belegt seit 1603) aus den Alpenländern, desgleichen


„Ziesel“ und „Zeislein“ (belegt seit 1743). „Zeiserl“ ist österreichisch, „Zei-
sing“, „Zising“, „Zischen“ (belegt seit 1750) kommen aus Mittel-, Nord- und
Ostdeutschland, „Zeiske“ aus Schlesien, Pommern, Ostpreußen. „Sischen“
stammt aus Friesland (gesammelt aus versch. Quellen).
Zu den Namen „Zieslein“, „Zislein“, „Zeißchen“, „Zensle“, „Zinsl“ und
„Ziesk“ wurden keine Informationen gefunden.
Grüner Hänfling: Die Bildtafel 11 von FRISCH trägt für den Erlenzeisig
die Vogelnamen „Grüner Hänfling, Zeislein, Zising“. Dazu schrieb FRISCH:
„Den Namen Zeißlein oder Zising hat es von seinem Geschrey und Gesang.
… Sein Gesang ist nicht unangenehm, wann er in seiner Vollkommenheit ist,
zuletzt aber wird er knarrig und verdrießlich.“2551
Grüner schwarzplattiger Hänfling, Grüngelbes Zeislein: „Grüngelbes
Zeislein“ erschien bei ZORN, „Grüner schwarzplattiger Henffling“ bei
KLEIN.2552
Gelbvogel: „Dieser wird von den Teutschen … zu Löven [Flandern] ein
Gelbvogel … genennt.“2553 Der männliche Erlenzeisig hat auffällig gelbe Ge-
fiederbereiche.
Gael: Dieser Name stand zuerst bei BECHSTEIN, dann auch bei NAU-
MANN. Eine Verbindung zu „gälisch, keltisch“ bietet sich nicht an. In der
Literatur wurde „gael“ auch mit „gäl“ wiedergegeben, was eine Deutung über
„gelb“ nahelegt. Ein Gael (Gäl, nicht Ga-el) ist danach ein „Gelbvogel“.2554
Angelches, Engelchen: Die beiden Namen bedeuten dasselbe („Angelches“
entstammt einer Mundart) und beziehen sich auf den oft zarten, lieblichen,
wunderschönen Gesang des Vogels. Sie waren nur lokal verbreitet, wurden
aber schon 1544 in Turners Avium hist. erwähnt.2555
Strumpfweber: „Sein Gesang gleicht dem Schnarren eines Strumpfwirker-
stuhls, daher man ihn auch Strumpfweber nennt.“2556 „In seinem Gesang
kommen zwitschernde Töne vor, die wie das Geräusch eines Strumpfwirker-
Stuhles lauten.“2557 Die Wirkerei ist eine Herstellungsweise für Maschenware.
Strümpfe werden heute mit Rundwirkmaschinen hergestellt.

2551
FRISCH 1763, T. 11
2552
ZORN 1743, 352 und KLEIN 1750, 95
2553
GESSNER/HORST 1669, 211b
2554
BECHSTEIN 1807, 3/ 220 und NAUMANN 1826, 5/ 155
2555
SUOLAHTI, 1909, 119
2556
OKEN 1837, 261
2557
VOIGT 1835, 228
PASSERES – SINGVÖGEL 433

Gerstenvogel: „Sie heissen nicht etwa deshalb an manchen Orten in Eng-


land Gerstenvögel, weil sie da [in Dörfern und nahe an Gehöften] Gersten-
körner aufsuchten, sondern weil sie sich dort um die Zeit der Gerstenreife
zeigten.“2558

Bluthänfling (Carduelis cannabia)


BUFFON beklagte einmal, dass der natürliche Gesang des Hänflings „durch
unsere Kunst umgeschaffen“ werde. „Wir zwingen ihn, statt der freyen und
abwechselnden Modulation, die ihm der Frühling und die Liebe einflößen,
Gänge von einförmigen Gesängen zu erlernen, die er unvollkommen wieder-
holt, und worinnen weder das Schöne der Kunst, noch das Anmuthige der
Natur herrscht. Man hat es sogar so weit gebracht, ihm Worte aus verschiede-
nen Sprachen zu lehren. … Verschiedene Liebhaber haben blos deswegen die
Reisen von London nach Kensington gemacht, um ihre Neugierde zu befrie-
digen und den Bluthänfling eines Apothekers anzuhören, welcher die Worte
‚pretty boy‘ deutlich aussprach. Dies war der ganze Gesang des Hänflings
und sogar sein ganzes Geschrey.“ Er habe den Gesang seiner Eltern nach dem
Schlüpfen nicht lernen können, weil man ihn gleich die beiden Worte gelehrt
habe, „die er auch nachahmen lernte.“2559
Hänfling, Hanfer, Hanffer, Hanffink, Hanfvogel: Hänfling bedeutet „Hanf-
samenfresser“. Der Name „haneffinke“ (mhd.) oder „hanepvinke“ (mnd.) ist
schon seit 1511 belegt.2560
Bluthänfling, Gemeiner Hänfling: „Das alte, wenigstens dreyjährige Männ-
chen hat im Frühjahr eine blutrothe Stirn, ist an den Seiten der Brust hoch-
blutroth, und auf dem Steiß blutroth bespritzt. Dies ist der Bluthänfling
( F. cannabina). Wenn nach dem Mausern im Herbst die blutrothe Stirn fast
nicht sichtbar, und die rothe Brust unter den röthlichweißen Federkanten
verborgen ist, so ist dies der gemeine Hänfling ( F. Linota); denn der Winter
mahlt erst alle obige Farben gehörig aus.“2561
BECHSTEIN hatte in der Neuauflage der Naturgeschichte zwei Leitnamen:
„Der gemeine oder Blut-Hänfling“. Nur „Bluthänfling“ hatten BUFFON/
OTTO und NAUMANN.2562

2558
NAUMANN 1826, 5/ 155
2559
BUFFON/OTTO 1785, 11/ 9f
2560
SUOLAHTI 1909, 119
2561
BECHSTEIN 1802, 121
2562
BECHSTEIN 1807, 3/ 141 und BUFFON/OTTO 1785, 11/ 5 und NAUMANN 1826, 5/ 80
434 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Hanefferl: Bezeichnung des Hänflings in der Steiermark.2563


Hemperling: Der Name hat sich aus „Hänfling“ entwickelt. Hanf-,
Hänfling – Hennepling – Hämpling – Hämperling – Hemperling.2564
Krauthänfling: Die Bezeichnung „Krauthänfling“ ist eine Korrumpierung
aus „Grauer Hänfling“.2565
Eine andere Deutung: Der Vogel hält sich gerne in Krautfeldern auf.2566
KRÜNITZ verstand unter Kräutern alle Arten von Gewächsen, welche nicht
Bäume oder Sträucher sind, inklusive Gras- und Getreidearten.
Saatfink: Der Hänfling ernährt sich vorwiegend pflanzlich von Sämereien
von Kräutern und Stauden, aber auch von Baumsamen.2567
Rothbrüster, Blutrother Brüstling, Rothbrüstiger Hänfling, Rothbrüsti-
ger Hänferling, Rothbrüstel, Rother Hänfling, Rothhänfling, Rothkopf:
„Das alte Männchen im Frühjahr gehört unter unsere Prachtvögel. Sein Vor-
derkopf ist hell blutroth; der Hinterkopf, Nacken, die Kopf- und Halsseiten
sind grau; der Rücken ist rostbraun, der Bürzel weißlich, der Vorderhals weiß-
lich graubraun, die Brust brennend blutroth, der übrige Unterkörper weiß, an
den Seiten hellbräunlich.“2568
Grauhänfling, Grauer Hänfling, Grauer Hänferling, Weißhänfling, Mehl-
hänfling: Die einjährigen Männchen haben auf dem Kopfe gar nichts rothes,
mehr schwärzliche Flecken, die Brust ist hellrostfarben, hell und dunkel ge-
wässert. … Der rostfarbene Rücken hat einzelne dunkelbraune und röthlich
weiße Flecken.
NAUMANN schrieb dazu, dass die rote Brustfarbe bei jungen Männchen im
Herbst unter anders gefärbten Federenden steckte und nach der ersten Mau-
ser sichtbar werde. Die Bezeichnungen „Weiß- und Mehlhänfling“ könnten
sich laut NAUMANN auf weißliche Variationen des weiblichen Gefieders
beziehen.2569
Gelbhänfling, Steinhänfling, Graubrust, Gelbbrüstiger Hänfling, Gelb-
brauner Hänfling, Gelbrother Hänfling: „Nach der zweyten Mauser sieht
man auf der Stirn unter den aschgrauen Federrändern, und an der Brust unter
den gelblich weißen Federrändern die blutrothe Farbe, die aber bloß durch-

2563
SUOLAHTI 1909, 120
2564
SUOLAHTI 1909, 119
2565
SCHALOW 1919, 496
2566
KRÜNITZ 1789, 48/ 2
2567
BEZZEL 1993, 635
2568
BREHM 1866, 141
2569
NAUMANN 1826, 5/ 80
PASSERES – SINGVÖGEL 435

schimmert. Dies sind die Steinhänflinge, welche, wenn sie an der Brust statt
roth, glänzend röthlichgelb, oder gar orangegelb sind, auch Gelbhänflinge
heißen.“2570
NAUMANN schrieb dazu, dass es in seltenen Fällen auch Männchen gebe,
die kein Rot hätten und dieses auch vor der zweiten Mauser nicht entwi-
ckelten. „Diese gelbbraunen Hänflinge (auch Steinhänflinge, Graubrüste u. s.
w.), eine zufällige Ausartung, bekommen vor der zweiten Mauser keine rothe
Brust und Scheitel, nisten also auch als Graubrüste. Mit der zweiten Mauser
bekommen sie die rothe Farbe. … Weniger selten sind solche, an welchen die
rothe Farbe, statt ins Blaurothe, ins Gelbrothe spielt, welche dann im Früh-
jahr zu brennendem Gelbroth wird. – Alle diese Abweichungen von der Regel
kommen wirklich im Freien vor.“2571
C. L. BREHM, der einen „gelbrothen“, einen „gelben“ und einen „gelbbrau-
nen“ Hänfling anführte, sprach von seltenen „Ausartungen“ innerhalb der
Art.2572
Zusatz zu Rothhänfling, Grauhänfling, Gelbhänfling: „Öfter noch begeg-
net uns der Fall, daß das Volk als scharf geschiedene Arten unterscheidet, was
die Wissenschaft in eine einzige zusammenzieht. Es unterscheidet in Mittel-
deutschland scharf von dem Rothhänfling den Grauhänfling und den Gelb-
hänfling als ganz bestimmte Arten und verwirft die Meinung, daß das Alters-
differenzen seien, als irrig.“2573
Brauner Hänfling, Braunhänfling: Die Rückenfarbe beider Geschlechter ist
braun, im Prachtkleid bis rötlichbraun.
Großer Hänfling, Größerer Rotkopf: Als kleinerer „Hänfling“, kleinerer
„Rotkopf“ galt der Birkenzeisig.
Rothböster: Das Wort bedeutet „Rotbrüster“.
Rubin: „Die Friesen nennen ihn Rubin“, wegen der roten Stirn und roten
Brust im Prachtkleid.2574
Steinhänfling: Der Name „Steinhänfling“ für den Bluthänfling, den „Flachs-
fink“, diente auch zur Unterscheidung vom „Stockhänfling“, womit man
meistens den Birkenzeisig, den „Leinfink“, meinte. In der Steiermark wurde
auch der Name „Steinzeiserl“ gebraucht.2575

2570
BECHSTEIN 1802, 121
2571
NAUMANN 1826, 5/ 84
2572
C. L. BREHM 1820, 1/ 735
2573
LIEBE 1893, 51
2574
GESSNER/HORST 1669, 341a
2575
SUOLAHTI 1909, 123
436 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Unter „Abänderung des Hänflings“ behandelte OTTO auch einen „Stein-


hänfling“. Er „hält sich wirklich auf dem Gebirge in der Provinz Derby in
England auf. Er ist größer als unser gemeiner Hänfling, sein Schnabel ist dün-
ner, und hat auch das Roth auf dem Bürzel, was sich bey unserm Hänfling auf
dem Kopfe und der Brust befindet.“ Aufgrund der Beschreibung von WIL-
LUGHBY meinte OTTO: „ … so könnte der Steinhänfling wohl ebenfalls
nur eine Abänderung seyn, die das Klima oder eine besondre Gegend erzeugt
hat.“2576
Stockhänfling: Ursprünglich meinte man mit „Stockhänfling“ weder den
Bluthänfling, noch den Birkenzeisig, sondern einen Vogel in Brasilien. „Stock-
hänfling, ein Hänfling, welcher in Brasilien vorkommt [damals wissenschaft-
lich Fringilla Brasiliensis genannt], und der von einigen Naturforschern wegen
seines langen Schwanzes der Stockhänfling genannt wird, der langschwänzige
Hänfling.“2577
Die Bezeichnung „Stockhänfling“ hat man dann später für die beiden ähn-
lichen, kürzerschwänzigen Vogelarten verwendet (Birkenzeisige galten lange
als Hänflingsart).
Artsche: „Artsche“ ist eine niederdeutsche Bezeichnung des Hänflings. Der
Name ist aus einem Lehnwort entstanden, das zu derselben Gruppe östlicher
Entlehnungen gehöre wie „Zeisig“ und „Stieglitz“.2578
Gyntel, Gintel, Straßburger Hänfling: Straßburger Dialektnamen für den
Hänfling waren „Gintel, Gyntel“, deren Herkunft aber nicht nachweisbar
ist.2579 „Der Straßburgischer Hänfling oder Gyntel, Fringilla argentoratensis
(Gmelin) ist der Beschreibung nach zu urtheilen, weiter nichts, als entweder
ein Gelbhänfling … oder vielleicht nur ein Hänflingsweibchen. Mir scheinet,
daß die Beschreibung nach einem Stubenexemplare gemacht worden ist.“2580
OTTO schrieb, dass der Name „Gyntel“ von GESSNER gekommen sei. AL-
DROVANDI habe ihn übernommen.2581
Leinfink, Flachsfink: „Dieser Vogel wird zu Latein Linaria genennet/ weil
er insonderheit von dem Leinsaamen oder Flachssaamen lebet/ daher er auch
von den Teutschen ein Leinfinck/ Flachßfinck/ Hänffling/ oder Schößlein ge-

2576
BUFFON/OTTO 1785, 11/ 33
2577
KRÜNITZ 1840, 174/ 408
2578
SUOLAHTI 1909, 120
2579
SUOLAHTI 1909, 121
2580
HEPPE 1798, 421
2581
BUFFON/OTTO 1785, 11/ 32
PASSERES – SINGVÖGEL 437

heißen worden.“2582 Linaria kommt von Linum, der Pflanzengattung, zu der


der Lein (Flachs) gehört.
Schößzling: Laut GRIMM/GRIMM wurden auch Hänflinge, neben den
Birkenzeisigen, als Schösslinge bezeichnet. Nicht gesichert sei die Ableitung
des Namens aus dem schießenden Flug, trotz der Meinung von KRÜNITZ:
„…und wegen seines schußweisen Fluges im Oberd. auch Schösserlein, oder
Schößlein, heißt.“2583

Berghänfling (Carduelis flavirostris)


Berghänflinge brüten in Europa fast ausschließlich in Norwegen. Sie bevor-
zugen offene, wind- und wetterexponierte, gewöhnlich ganz oder weitgehend
baum- und strauchfreie oder von einzelnen kleinen Büschen durchsetzte
moorige, steinige, felsige Landschaften. Sie brüten aber auch auf Dünen mit
niedriger oder windgeschorener Zwergstrauch-, Gras- oder Moorvegetation,
auch in Adlerfarnfluren, seltener an Hängen mit locker verteiltem Gebüsch,
ausnahmsweise sogar in ganz offenem „Wald“ aus 2–3 m hohen Birken. –
Als Durchzügler und Wintergast halten sich die Berghänflinge an den Küs-
ten, z. B. im nordfriesischen Wattengebiet, vor allem außendeichs in spärlich
bewachsenen Queller- und Strandasterfluren auf. Dort suchen sie auch in
Spülsäumen nach angeschwemmten Samen. Im Binnenland leben die Über-
winterer auf weit offenen Heide- und Weideflächen, auf Brachen und Stop-
pelfeldern.2584
Berghänfling: Zu Hänfling siehe Bluthänfling. Der Berghänfling lebt als
nordischer Vogel vorwiegend in den mehr oder weniger hohen Bergregionen
Nordeuropas. Er kommt aber auch in Hochgebirgen und Steppenzonen Vor-
der-, Mittel- und Zentralasiens vor.2585
Der deutsche Name für diesen Vogel wurde aus BRISSONS „Linotte de
montagne“ (1760) übersetzt und stammt von RAY (1713), der ihn „Linaria
montana“ genannt hatte.2586
Die Verwirrung in der Geschichte des Berghänflings sei so groß, dass nur rela-
tiv wenige Synonyme mit Gewissheit für den Berghänfling angegeben werden
können, schrieb NAUMANN. „Dieser echte Hänfling war früher nur von
einigen wenigen Schriftstellern unvollkommen gekannt, weshalb späterhin

2582
GESSNER/HORST 1669, 1/ 341
2583
GRIMM/GRIMM 1984, 15/ 1602 und KRÜNITZ 1780, 20/ 687
2584
GLUTZ VON BLOTZHEIM/BAUER 1997, 14/ 784
2585
BEZZEL 1993, 638
2586
STRESEMANN 1941, 81
438 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

die meisten an seiner Existenz als eigene Art zweifelten, bis diese Zweifel in
den neuesten Zeiten durch die sichersten Beobachtungen zur Genüge geho-
ben wurden.“2587
Quitter, Gelbschnabel, Gelbschnäbeliger Hänfling: Der auch Quitten-
hänfling genannte Vogel ist „eine Art gelber Hänflinge mit gelben Schnabel,
welche in der Farbe den Quitten ähnlich sehen.“2588 Der Berghänfling ist ein
Wintervogel, der nur im bräunlichen Schlichtkleid in Deutschland zu sehen
ist. Der Schnabel des Vogels im Schlichtkleid ist gelb, daher der Name „Quit-
ter“. Den „gelben Hänfling“, der vielleicht in den Vorstellungen vom Pracht-
kleid oder in unrichtigen Reiseberichten existierte, gibt es nicht.
„Gelbschnäbeliger Fink“ (im dortigen Inhaltsverzeichnis) und „Gelbschna-
beliger Fink“ (im dortigen Textteil) waren die Namen, die B. MEYER dem
Berghänfling gab.2589
Arktischer Fink, Gelbschn[a]äbeliger Fink: BECHSTEIN wählte 1807,
wie auch schon in der ersten Auflage (1795), „Arktischer Fink“ als Leitna-
men, trotz des lateinischen Namens Fringilla „flavirostris“ (gelbschnäbelig).
„Er heißt gewöhnlich gelbschnäbliger Fink, welchen Namen ich aber um des-
willen nicht gewählt habe, weil die Schnabelfarbe nach den Jahreszeiten so
sehr abändert, und mehrere Vögel dieser Gattung, z. B. der Bergfink, einen
gelben Schnabel haben.“ – „Dieser Vogel ist in Schweden, Norwegen und
dem nordöstlichen Teil von Sibirien zu Hause … Nach Deutschland kommt
er nur in kältesten Wintern.“2590
Gelbkehliger Hänfling: NAUMANN meinte in der Beschreibung des alten
Männchens im Winterkleid: „Die Zügel sind bräunlich; Kehle, Gurgel ein
Streif über und die Gegend unter dem Auge dunkelrostgelb oder braungelb,
… Die Mitte der Brust gelbweiss.“ Die ins Gelbliche gehenden Farben der
genannten Gefiederbereiche wurden von BEZZEL bestätigt.2591
Steinhänfling, Felsfink, Felsfinke: Der Vogel brütet in der offenen Tundra
des europäischen Nordens und im skandinavischen Gebirge (Südnorwegen)
auf felsigen „alpinen“ Mattenflächen oberhalb der Baumgrenze.
Grainlein, Greinerlein: „Fleißiger Sänger“, „munterer Gesang“, „knarrende
Strophe“ – das klingt nicht nach „greinen, weinen“. Die Stimme hat dem
Berghänfling also nicht zum Namen verholfen. „Bei Nürnberg wird er von
den Vogelfängern ‚Steinhänfling, Greinerlein‘ genannt und nicht selten gefan-

2587
NAUMANN 1826, 5/ 103
2588
ADELUNG 1798, 3/ 900
2589
MEYER/WOLF 1822, 3/ 54
2590
BECHSTEIN 1807, 3/ 139
2591
NAUMANN 1826, 5/103 und BEZZEL 1993, 637
PASSERES – SINGVÖGEL 439

gen.“2592 Von den Autoren wurde immer wieder betont, dass die Vogelfänger
nicht immer die besten Vogelkenner gewesen seien. Hier wird es sich also
um eine Verwechslung gehandelt haben: „Greinerlein“ ist nämlich ein laut-
malender Begriff, der aus der Zeit stammt, als man Pieper noch als Lerchen
ansah, Baum- und Wiesenpieper nicht trennte und unwissendlich auch den
Berghänfling einbezog. Das Wort „greinen“ bedeutet „weinen, winseln“, lässt
sich seit Mitte des 16. Jahrhunderts in mehreren Quellen nachweisen und
passt natürlich nicht zum Berghänfling. NAUMANN dürfte den Trivialna-
men auch als nicht passend gekannt haben, brachte ihn aber trotzdem, wohl
aus historischen Gründen (s. Baum - und Wiesenpieper).

Birkenzeisig (Carduelis flammea)


Neben Rufen sind drei Gesangsformen dieses Vogels bekannt, die sich in der
Struktur unterscheiden, bezüglich der Funktion aber nicht klar abgrenzbar
sind. Der „plastische Gesang“ enthält kurze Strophen mit einer geringen
Anzahl verschiedener Elemente und ist nur im zeitigen Frühjahr von unge-
paarten Männchen zu hören. Der „Fluggesang“ besteht nur aus Lockrufen,
die im zeitigen Frühjahr überwiegen, und Schwirren, das während der Part-
nerwerbung zunimmt. Allein fliegende Männchen lassen noch andere Rufe
hören. Der „Subsong“ ist ein leiser, unentwickelter Gesang, der von beiden
Geschlechtern gebracht wird und keine bestimmte Funktion hat. Außerdem
lassen sich 19 Rufe unterscheiden, von denen 11 nur zur Brutzeit zu hören
sind, und zwar 4 von den Männchen und 7 von den Weibchen. Am bekann-
testen ist der von beiden Geschlechtern im Sitzen oder im Flug geäußerte
Stimmfühlungsruf „dsched-dsched“, wobei der Vokal wie „e, ä, ü“ oder „i“
klingen kann.2593
Birkenzeisig, Birkenzeislein: „Birkenzeisig“, ein Kunstname, der von NAU-
MANN stammt,2594 war ein Sammelbegriff für alle Birkenzeisig-Varietäten,
die man erst im Verlauf des 19. Jahrhunderts genauer zu beschreiben begann.
Derzeit unterscheidet man 3 Arten (AVIBASE 2011): Carduelis flammea (Tai-
gabirkenzeisig, LINNÉ 1758), Carduelis cabaret (Alpenbirkenzeisig, Statius
MÜLLER 1773), Carduelis hornemanni (Polarbirkenzeisig, HOLBOELL
1843).
Bevorzugte Lebensräume „des“ Birkenzeisigs sind Hochmoore mit Kiefern
oder lichte Birken- und Erlenbestände im Norden Europas.

2592
Naturhist. Ges. Nürnberg 1864, 3/ 95
2593
GLUTZ VON BLOTZHEIM/BAUER 1997/ 14, 812
2594
NAUMANN 1826, 5/ 173
440 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Bei dem Wort „Zeisig“ handelt es sich um ein Lehnwort aus dem Tschechi-
schen: „Anfang des 13. Jahrhunderts als mhd. zis, zise dem lautmalenden
tschechischen ciz Zeisig entlehnt.“2595
Schwarzbärtchen: Der Vogel besitzt einen kleinen schwarzen Kehlbart (der
Erlenzeisig allerdings auch).
Kleiner rothplattiger Hänfling, Kleiner Rothkopf: Manchmal sieht der
Birkenzeisig aus wie eine verkleinerte Ausgabe des Bluthänflings. Er wurde
auch lange mit ihm verwechselt und sogar zu einer Art vereint. Wegen der
Ähnlichkeit war er der „kleine Hänfling“. Als Verstärkung erhielt er noch den
Zusatz „rotplättig“ für das Rot auf dem Kopf, das auch der Hänfling hat. Für
„Kleiner Rotkopf“ gilt dieselbe Erklärung. Der erste Name ist ein Kunstname,
schon aus dem Jahr 1734 von FRISCH.2596
Leinzeisig, Flachszeisig, Leinfink, Flachsfink: Der „Lein- oder Flachszei-
sig“ ist ein Finkenvogel, der Früchte von krautigen Pflanzen wie Flachs (=
Lein, Linum usitatissimum) bevorzugt. Er holt sich auch kleine Sämereien
von Bäumen, aber nicht so häufig wie der Erlenzeisig (Unterschiede in den
Schnabelformen!).
„Leinzeisig“ ist ein Kunstname von C. L. BREHM. Als „Leinfink“ (aus Frin-
gilla linaria entstanden) wurde der Birkenzeisig früher oft geführt, so auch
noch von SUOLAHTI. „Flachszeisig“ ist ein Kunstname BECHSTEINS,
während „Flachsfink“ durchaus gebräuchlich war und, wie Leinfink, auch aus
„Fringilla linaria“ entstanden ist.2597
Flachshänfling, Karminhänfling, Kleiner Karminhänfling, Kleiner Hänf-
ling: Der Birkenzeisig wurde früher als Hänfling angesehen und von anderen
Hänflingen durch Namenszusätze wie „Flachs-“ (Nahrung), „Karmin-“ (Fär-
bung) oder „Klein“ (Größe) unterschieden.2598
Grasel: „Grasel“ ist vom mittelhochdeutschen „graz“ abgeleitet, was „Tan-
nen- und Fichtensprossen“ bedeutet, sich also auf die Nahrung der Vögel
bezieht.2599
Bergleinfink, Bergzeisig, Großer Birkenzeisig: BREHM unterschied zwei
bis drei Arten: Die erste war der „Leinfink ( Acanthis linaria)“, den er auch
„Bergzeisig“, eine „häufig bei uns erscheinende nordische Art“, nannte. „In
den Alpen ersetzt ihn der Bergleinfink ( Acanthis rufescens).“ Er sei der „Bir-

2595
GRIMM/GRIMM 1984, 31/ 519
2596
FRISCH 1763, T. 10
2597
C. L. BREHM 1820, 1/ 768 und SUOLAHTI 1909, 121
2598
SUOLAHTI 1909, 123
2599
SUOLAHTI 1909, 123
PASSERES – SINGVÖGEL 441

kenzeisig der Alpen“. Bei der dritten Form war sich BREHM nicht sicher.
„Eine noch zweifelhafte Abänderung unserer Art [dem Leinfink] ist der so-
genannte Große Birkenzeisig ( Acanthis linaria holboelli).“2600
Rotzeisel, Rotleinfink: Beide Ausdrücke sind Trivialnamen des im vorgehen-
den Abschnitt beschriebenen „Bergleinfinks“. Bei ihnen sind „Hinterkopf,
Halsseiten, Rücken, Bürzel und Seiten auf gelblich rostbraunem Grunde mit
dunkelbraunen Längsflecken geziert, Zügel und Kehlflecken schwarzbraun,
Stirn und Vorderscheitel dunkel karminrot“.2601
Meerzeisig, Meerzeislein: „Wegen der streichenden Lebensart faßt man die
Leinfinken in vielen Gegenden als überseeische [über das Meer, die Nordsee]
Vögel auf, ähnlich wie Seidenschwänze, Mandelkrähen und andere sporadisch
auftretende Vogelarten.“2602 Viele Menschen hatten nur wenige geographische
Kenntnisse. Nordische Vögel schienen immer über das Meer oder vom Meer
her zu kommen. So entstand der Wortzusatz „Meer-“.2603 „… dann man mey-
net, er komme über das Meer zu uns, weil er fremd ist, und nur nach etlichen
Jahren etwan einmahl kommt.“2604
Nesselzeisig, Nesselzeischen: Das Wort „Nessel“ als Namenszusatz ist bei
GESSNER für den Zaunkönig belegt (Nesselkönig). Der Namenszusatz
„Nessel-“ bezieht sich auf das Schlüpfen des Vogels im Gras und/oder Ge-
strüpp.2605
Es gibt noch eine andere Erklärung dieser Ausdrücke: Die „gelbe Hanfnessel“
(die zur Gattung Galeopsis, den Hohlzahn-Gewächsen, gehört und der Gold-
nessel ähnelt) wurde auch „Nesselhanf“ genannt. Diese Pflanzen sind Kräuter,
die auf Äckern, Schuttgebieten oder Weg- und Waldrändern wachsen. Sie
kommen in den Mittelgebirgen und Alpen bis über 1500 m Höhe vor. Der
„Nesselhanf“ mit seinen Früchten (welche jede in vier einsamigen Teilnüsse
zerfällt) könnte Namensgrundlage für den „Nesselzeisig“ gewesen sein.2606
Todtenvogel: Das unregelmäßige Wandern der nordischen Birkenzeisige „ist
der Grund, daß man sie vielfach als Unglücksboten auffaßt und mit Tod und
Pest in Zusammenhang bringt. Daraus erklärt sich schon der 1603 bezeugte
Namen Totenvogel.“2607 Als unregelmäßige Wintergäste kamen sie oft plötz-

2600
BREHM 1879, 5/ 295
2601
BREHM 1879, 5/ 295
2602
SUOLAHTI 1909, 122
2603
HOFFMANN 1937, 74
2604
FRISCH 1763, T. 10
2605
GESSNER/HORST 1669, 2/ 111 und SUOLAHTI 1909, 83
2606
GRIMM/GRIMM 1984, 13/ 620
2607
GATTIKER/GATTIKER 1989, 61
442 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

lich und scharenweise und verschwanden später genauso schnell wieder. Da-
zwischen lag oft ein strenger, todbringender Winter.
Mausevogel: Den Grund für das plötzliche Auftreten und Verschwinden der
Birkenzeisige in bestimmten Gegenden mit normalerweise strengen Wintern
vermutete man im Verwandeln in Mausevögel:
Schlesische Bauern glaubten früher, dass die Vögel aus Mäusen entstehen und
nur im Winter Vögel sind. Weil man sie im Sommer nicht mehr sieht, würden
sie Frühjahr wieder zu Mäusen verwandelt werden.2608 Dieser Volksglaube lag
in Masseneinfällen von Birkenzeisigen begründet, die dann stattfanden, wenn
diese in ihrer Heimat wegen eines strengen Winters zu wenig Nahrung fanden
oder aber die Zahl von Nahrungskonkurrenten zu groß war. Die Vögel zogen
dann weiter, wenn der Winter auch in Mitteleuropa sehr streng war, sie hier
also nicht überleben konnten. War der Winter z. B. in Schlesien nicht sehr
streng und bot den Vögeln Nahrung, blieben sie dort und zogen nicht weiter.
In solchen Gebieten mit den weniger kalten Wintern überlebten aber auch
viele Mäuse. Zogen die Vögel nun im Frühjahr wieder in ihre Brutgebiete,
kamen die Mäuse etwa zeitgleich zum Vorschein, was dann zur Vorstellung
vom „Mausevogel“ führte.2609
Ziserinchen: Das Wort ist entlehnt aus dem französischen „sizerin“ und
mit der deutschen Diminutivendung versehen. Das besonders in der Mark
Brandenburg bekannte Wort sei durch die „massenhafte Einwanderung der
Refugies aus der Provence und dem Languedoc in die Mark“ eingeführt wor-
den.2610
„In der Marck Brandenburg nennt man diesen Hänfling von der Gleichheit
mit dem Zeißlein oder Zising, Ziserenigen.“2611
Tschetscherling, Schittscherling, Tschetscher, Tschettchen, Tschetchen,
Schättchen, Tschezke, Tschötscherl, Tschätschke, Zitscherlein, Zwitscher-
ling, Zittscherling, Zizcherlein, Tschütscherlein, Zötscherlein, Zätscher:
Etliche Namen des Birkenzeisigs – wie diese – leiten sich scheinbar von „zwit-
schern“ ab, sind also lautmalender Natur.
SUOLAHTI bezweifelte diese „Zwitsche-Herkunft“ aber und schlug dafür
den Lockruf („tschett-tschett-tschett“) des Vogels vor. Er führe alle lautma-
lenden Namen, zu denen er auch die Namen um „Schösserlein“ zählt, auf
denselben Ursprung zurück. Ziehe man in Betracht, dass der Birkenzeisig in

2608
SUOLAHTI 1909, 121
2609
HOFFMANN 1937, 85
2610
SCHALOW 1919, 496
2611
FRISCH 1763, T. 10
PASSERES – SINGVÖGEL 443

Deutschland nicht heimisch, dagegen in slawischen Ländern sehr häufig sei,


dürfe man die deutschen Namensvarianten als Entlehnungen aus dem tsche-
chisch-polnischen „čečetka“ betrachen. HOFFMANN verdeutlichte: „Dieses
Wort ist aber wahrscheinlich eine Nachbildung der dsättsdätt- oder der noch
häufigeren dschättdschätt-Rufe, die man im Winter fast ausschließlich von
umherschweifenden Birkenzeisigen zu hören bekommt.“2612
GESSNER vermutete, dass der alte Nürnberger Name „Tschütscherlein“
zu demselben Vogel gehörte, der schon länger als „Zötscherlein“ bekannt
(belegt seit 1531) war. Ob „Tschütscherlein“ der Ursprung der vielen über
Deutschland verbreiteten Namensvariationen (Beispiele siehe oben) war,
bliebe dahingestellt.2613 „Tschätschke bey uns in Preußen.“2614 Aus Schle-
sien stammt, seit 1583 bekannt, Tschetscherlein (daraus entstanden Tschet-
scherling, Tschetscher, im östlichen Mitteldeutschland, und Tschetchen).
Seit 1746 ist Zitscherling (daraus wurde auch Zitscherlein) oder Zwitscher-
ling bekannt. Noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts sagte man in Schlesien
Tschätscher und Tschädschlich, in Thüringen Zetscher, aus Anhalt kannte
man Schättchen.2615
Zitscherlein: Der Birkenzeisig habe mit dem „Zeißlein einige Übereinkunfft.
Er hat auch daher in vielen Gegenden den Namen Zitscherlein, welches so
viel ist als Zeißlein vom Böhmischen ‚Tschischek‘, oder eigentlich von seinem
Geschrey.“2616
„Diese Vögel kommen nicht alle Jahre zu uns, sondern oft in vielen Jahren
nicht. Denn diejenigen, welche alle Herbst und Winter sich bey uns sehen
lassen, sind gewiß solche, die in Deutschland gebrütet worden. Auch habe
ich bemerket, daß sie etwas kleiner sind als die eigentlichen Zugzischerlein.
Es wissen unsre Vogelfänger auch gleich, wenn eines gefangen worden, daraus
zu urtheilen, ob Zugvögel im Lande sind, und sie sagen alsdenn: heuer gibt es
Zitscherlein, weil von den großen einige gefangen worden.“2617
Schösserlein, Schösserle: Ob die Namen um „Schösserlein“ sich mit „Zöt-
scherlein“ verbinden lassen oder eine andere Herkunft haben, kann hier nicht
entschieden werden. Immerhin haben sie schon nebeneinander existiert, denn
zu GESSNERS Zeiten haben Schweizer Vogelfänger den Birkenzeisig schon
als „Schösserlein“ bezeichnet („allerdings wird er bey uns selten gefangen“).

2612
SUOLAHTI 1909, 123 und HOFFMANN 1937, 24
2613
GESSNER/HORST 1669, 1/ 342
2614
KLEIN/REYGER 1760, 99
2615
SUOLAHTI 1909, 123
2616
FRISCH 1763, T. 10
2617
HEPPE 1798, 429
444 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Das Wort ist seit 1495 als „Scheßlin“ belegt, nachher (1591) als Geschöß-
lin. Noch um 1900 hießen die Vögel in der Schweiz „Schössli“.2618 Es drängt
sich also eine Deutung nicht lautmalender Herkunft dieser Namen auf. Der
Birkenzeisig habe diese Namen „wegen seines Fluges, welcher schußweise ge-
schiehet.“2619 Auch GRIMM/GRIMM vermuteten bei den letzten Namen
einen Zusammenhang mit dem schießenden Flug des Vogels.2620
Blutschößlein: Noch um 1900 kam Bluetschössli neben Schössli in der
Schweiz vor.2621 „Blut-“ bezieht sich auf die rote Brust und die rote Stirn von
Carduelis flammea.
Rebschößlein, Steinschößling: Der erste Name kommt nur bei NAU-
MANN vor, der zweite, von BECHSTEIN, wurde sehr selten zitiert. Beide
Begriffe sind Kunstnamen. Zu „-schößling“ siehe den Text unter „Schösser-
lein“.2622

Rosengimpel (Carpodacus roseus)


„’Als ich einstmals gegen Abend von einem der letzten Herbsttage des Jahres
1778 in ein benachbartes Dorf reiten wollte, bemerkte ich im Stoppelfelde,
nahe am Wege, hinter einem Graseraine, einen kleinen Vogel, welchen ich
anfänglich für einen Schneeammer hielt. Da mir jedoch manches an ihm auf-
fiel, was ich bei jenem nie bemerkt hatte, so wurde meine Neugier rege; ich
wünschte ihn näher betrachten zu können, näherte mich deshalb behutsam
… und konnte in dieser geringen Entfernung genau sehen, daß es ein mir
gänzlich unbekannter Vogel war, dessen hohes Karminroth am Scheitel, Halse
usw. mir um so mehr auffiel, als ich es im wilden Zustande bei uns noch bei
keinem Vogel von so ausgezeichneter Schönheit gesehen hatte. Er hüpfte so
schnell, daß er zu laufen schien, und ließ öfters ein ganz eigenes Gezwitscher
hören. … Ich sah den schönen Fremdling [später] nicht wieder; er hatte die
Gegend verlassen, und ich sahe nachher nie wieder einen solchen Vogel.‘ – Als
mein Vater erst vor wenigen Jahren den Rosengimpel zum ersten Mal in die
Hände bekam, erkannte er augenblicklich seinen Vogel.“2623
Rosengimpel: Der Rosengimpel ist Ausnahmegast aus Mittel- und Ost-
sibirien. Das Männchen ist „an Kopf, Bürzel und der gesamten Unterseite
leuchtend rosa; das glänzende Rosaweiß von Stirn und Kehle, die auffällige

2618
SUOLAHTI 1909, 122
2619
ADELUNG 1798, 3/ 1636
2620
GRIMM/GRIMM 1984, 15/ 1601
2621
SUOLAHTI 1909, 122
2622
NAUMANN 1826, 5/ 173 und BECHSTEIN 1795, 483
2623
NAUMANN 1824, 4/ 425
PASSERES – SINGVÖGEL 445

doppelte rosaweißliche Flügelbinde, die kräftige Streifung von Mantel/Schul-


terfedern und die bräunliche Färbung von Flügeln und Schwanz heben sich
kontrastreich ab“.2624
Rosenfarbiger Kernbeißer: „Rosenfarbiger Kernbeißer“ erschien schon
1782 im Dictionnaire russe-allemand-français: Band 2 – Seite 880. PALLAS
hatte den Vogel 1776, also erst kurz vorher, als „Fringilla rosea“ beschrieben.
OTTO übernahm diesen lateinischen Namen in seine Kurznotiz und über-
setzte zu „Rosenfarbigter Fink“.2625 Das Adjektiv „rosenfarbigt“ schien damals
noch üblicher gewesen zu sein als das spätere „rosenfarbig“.
Rosenfarbiger Fink, Rosenfink: Der Wortteil „-fink“ ist genauso zu bewer-
ten wie bei den vorigen Vögeln. „Rosenfarbiger Fink“ (aus OTTOS „Rosen-
farbigter Fink“) stammt von MEYER, der den Vogel, nach PALLAS, mit
„Fringilla rosea“ bezeichnete: „Ich war sonst der Meinung, ‚Fringilla rosea‘ und
‚Fringilla erythrina‘ [Karmingimpel] seye ein und ebenderselbe Vogel, seitdem
ich aber ‚Fringilla rosea‘ bei Temminck sahe, bin ich überzeugt, dass beide als
Arten von einander verschieden sind.“2626
NAUMANN, von dem wohl auch die Bezeichnung „Rosengimpel“ stammt,
verkürzte den deutschen Namen zu „Rosenfink“.2627

Meisengimpel (Uragus sibiricus)


Das Verbreitungsgebiet des Meisengimpels liegt im östlichen Teil der Palä-
arktis und erstreckt sich von Westsibirien bis in den Südteil von Sachalin,
über die Kurilen und nach Hokkaidō. Im Süden reicht die Verbreitung in die
Mongolei, nach Nordostchina und bis Nordkorea. Östlich von Tibet gibt es
in den chinesischen Gebirgsregionen ein relativ kleines, isoliertes Vorkom-
men.
Der Meisengimpel ist ein Teilzieher. Die nördlichen Populationen ziehen
meist beim ersten Frost in südlichere Regionen. Im Winter ist er daher auch
in Kasachstan, Kirgisien und Mittelchina zu finden.
Sehr selten kommen Nachweise in Europa vor. Da diese Art auch bei Vogel-
haltern sehr beliebt ist, handelt es sich wohl meistens um Gefangenschafts-
flüchtlinge. Zahlen zum Bestand fehlen. Da die Art aber in vielen Teilen des

2624
BEAMAN/MADGE 1998, 782
2625
BUFFON/OTTO 1785, 11/ 186
2626
MEYER/WOLF 1822, 47
2627
NAUMANN 1824, 4/ 425
446 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

umfangreichen Brutgebiets als sehr verbreitet beschrieben wird und nur stel-
lenweise selten ist, gilt sie als nicht gefährdet.2628
Langschwänziger Kernbeißer: Der Meisengimpel wurde 1773 von PAL-
LAS als „Loxia Sibirica“ beschrieben und erschien 1823 als „Langschwänziger
Gimpel“ („Langschwänziger Fink oder Kernbeißer“) bei C. L. BREHM, der
seine „Erste Abtheilung. Dickschnäbler“ in 3 Gattungen, „Kreuzschnabel“,
„Gimpel“ und „Kernbeißer“, untergliederte.2629
OKEN erwähnte diesen Namen, der sich sonst aber, weil der Vogel in Europa
nicht vorkommt, nicht durchgesetzt hat: „Unbekannt ist die Fortpflanzung
des langschwänzigen Kernbeißers – Loxia sibirica.“2630
Der Meisengimpel aus der Familie der Finken ist der einzige Vertreter der
Gattung Uragus und steht den Karmingimpeln ( Carpodacus) sehr nahe. Die
Art hat ihren deutschen Namen dem für Finken sehr langen Schwanz zu ver-
danken, der ihr eine gewisse Ähnlichkeit mit der Schwanzmeise verleiht. Mei-
sengimpel besiedeln große Teile der gemäßigten Zone Asiens.2631

Ammern – Emberizidae
Ammern haben kegelförmige Schnäbel, relativ lange Schwänze sowie typische
Gefiederfärbungen und -musterungen, vor allem am Kopf. Sie leben in halb-
offenen Habitaten am Rand von Kulturlandschaften. Ihre Gesänge sind laut
und oft kurz. Die Zugvögel bevorzugen Grassamen.

Ammer
kommt vom althochdeutschen „amero“ (mhd. amer), einem alten westger-
manischen Vogelnamen. SUOLAHTI hielt Überlegungen zur Abstammung
„ameros“ von „amer“ (Emmer, eine Weizenart) zwar für verlockend, verfolgte
sie aber nicht weiter. Die Begriffe „amero“ und „amer“ seien als gleich alte
Begriffe nur zufällig ähnlich. Dagegen ist man bei ZUM LAMM von einer
Verbindung zu der Getreideart Emmer überzeugt.2632

2628
http://de.wikipedia.org/wiki/Meisengimpel, Stand: 11.11.2011
2629
C. L. BREHM 1823, 1/ 174
2630
OKEN 1843, 15
2631
http://de.wikipedia.org/wiki/Meisengimpel, Stand: 11.11.2011
2632
SUOLAHTI 1909, 101 und ZUM LAMM 2000, 332
PASSERES – SINGVÖGEL 447

Eine weitere Deutung kam von WEMBER, für den der Name „Ammer“ aus
der Stimme der Goldammer entstanden ist. Er hänge mit dem „hämmern-
den“ Gesang zusammen, was aber nicht mehr unmittelbar zu erkennen ist.2633
„Emmeritz“ und „Emmerling“ waren Namen, die die Ammern in bestimm-
ten Gegenden früher hatten. „Emeritz“ lasse sich aus dem althochdeutschen
„amirizo, amiriza“ ableiten, „Emmerling“ aus den ebenfalls althochdeutschen
„amerling“ oder „amering“.2634
Eine wie auch immer berechtigte Verbindung zum Emmer findet man immer
wieder, begründet wohl dadurch, dass die Vögel dieses Getreide gerne fressen.
Emmer ist eine alte Kulturpflanze, auch „Amer“ oder „Zweikorn“ genannt
und ein Vorläufer unseres heutigen Weizens.

Spornammer (Calcarius lapponicus)


„Durch ihr Betragen gibt sich die Sporenammer als Mittelglied zwischen Ler-
che und Ammer zu erkennen. Als Ammer zeigt sie sich im Sitzen, sei es, daß
sie auf einem Steine oder auf schwankendem Zweige ruhe, als Lerche und
Ammer zugleich im Laufen und Fliegen. Schreitend, nicht hüpfend, läuft sie
behende dahin, leicht und gewandt fliegt sie, und nach Lerchenart schwebt
sie oft lange Zeit, um zu singen. Sein schwermütiger, der öden Heimat ent-
sprechender Lockton kann durch die Silben ‚Tjü, tjüeb‘ ungefähr wiedergege-
ben werden. Das Weibchen lockt ebenso wie das Männchen, aber etwas tiefer.
Der Warnruf ist ein sperlingsartiges ‚Terrr errr‘. Der sehr einfache, aber an-
genehme Gesang besteht aus einer einzigen Strophe, in welcher der Lockton
oft wiederkehrt und wird nur im Fliegen, jedoch sehr fleißig vorgetragen.“2635
Sporenammer: Die Spornammer lebt im hohen Norden in feuchter Tundra,
großen Moorgebieten und offenen Zwergbirkenwäldern. Ihren Namen hat sie
von der langen, geraden Hinterkralle. Die Zehe ist 8 mm lang, der „Sporn“
10 mm bei jungen, bis 18 mm bei älteren Vögeln.2636
Großer Bergfink: BUFFON nannte den Vogel, den er offensichtlich nicht
oder kaum kannte, „Le grand Pinson de montagne“, was OTTO mit „Großer
Bergfink“ übersetzte: „Dieser Fink ist der größte von den europäischen; Klein
sagt, daß er so groß als eine Lerche sey. Er findet sich in Lappland in der Ge-
gend von Torno.“2637

2633
WEMBER 2005, 8
2634
SUOLAHTI 1909, 102
2635
BREHM 1879, 5/ 337
2636
NAUMANN 1824, 4/ 318
2637
BUFFON/OTTO 1785, 11/ 133
448 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Grauer Sporner, Lerchenfink (I): Diese beiden Namen stehen in der Über-
schrift bei BECHSTEIN in dessen Naturgeschichte von 1807: „Ich gebe ihm
den schicklichen Namen grauer Sporner und Lerchenfink, weil er nicht nur
in der Farbe, sondern auch durch den großen Sporn der Feldlerche so sehr
gleicht, daß ihn viele beym ersten Anblick für eine Lerche halten.“2638
Sporner(I), Lerchenfink (II), Lerchenfarbiger Sporner: Zu ihrer Gattung
„Sporner. Plectrophanes“ zählten MEYER/WOLF 1810 im Text nur den
„Lerchenfink – Fringilla calcarata“. Die Schneeammer erschien erst später als
„Ammer. Emberiza“ unter „Schneeammer – Emberiza nivalis Linn.“ Im In-
haltsverzeichnis wurde daraus „Lerchenfarbiger Sporner – Plectrophanes calca-
ratus“, bearbeitet von MEYER 1822. Aus der Schneeammer, die im 1. Band
blieb, wurde der „Schneesporner – Plectrophanes nivalis“.2639
Spornammer, Lerchenammer, Sporner (II), Lerchenspornammer: NAU-
MANN behandelte unter „Spornammern, Lerchenammern, Sporner“ die
Spornammer, die er „Lerchenspornammer“, und die Schneeammer, die er
„Schneespornammer“ nannte. Ein wichtiges Kennzeichen, der lange Hinter-
zehen-Nagel, sei „sehr wenig gebogen, ein wahrer Lerchensporn. Die Flügel
sind länger, schmäler und spitzer, als bei anderen Ammern … Sie halten sich
ausschließlich auf platter Erde auf, … laufen schrittweise und betragen sich
ganz wie die Lerchen.“2640
Lerchengraue Spornammer, Lerchensporner: Die Namen stammen von
VOIGT und OKEN. Beide Autoren ordneten diesen Vogel (wie auch die
Schneeammer) zu „Sporner – Plectrophanes“.2641
Spornfink, Sporenfink, Gespornter Fink: Die Spornammer wurde seit Mit-
te des 18. Jahrhundert immer wieder als „Fringilla“ bezeichnet: LINNÉ hat-
te sie 1758 „Fringilla lapponica“, BRISSON (um 1760) „Fringilla montana“
oder MEYER/WOLF (1810), wie oben zitiert, „Fringilla calcarata“ genannt.
Letzterer Name (der von PALLAS stammt) kann als Übersetzungsvorlage
für alle drei Namen dienen, denn das lateinische „calcar“ bedeutet „Sporn“
(versch. Qu.).
Lappländer, Lappenammer: „Lappländer“, von NAUMANN übernom-
men, findet man zuerst bei BECHSTEIN, hat sich aber nicht durchgesetzt.
Der Kunstname „Lappenammer“ stammt von BREHM.2642

2638
BECHSTEIN 1807, 3/ 246
2639
MEYER/WOLF 1810, 1/ 176 + 187 und MEYER 1822, 3/ 57
2640
NAUMANN 1824, 4/ 318
2641
VOIGT 1835, 238 und OKEN 1843, 16
2642
BECHSTEIN 1807, 4/ 246 und BREHM 1879, 5/ 276
PASSERES – SINGVÖGEL 449

Lappländische Ammer: „Lappländische Ammer“ ist eine Übersetzung von


„Emberiza lapponica“. Der wissenschaftliche Name stammt von dem Dänen
Sven NILSSON (um 1820). NAUMANN und OKEN hatten ihn übernom-
men.2643
Ammerfink: Der Name „Ammerfink“ für die Spornammer ist ein Konst-
rukt, für das NAUMANN die Übersetzungen aus Fringilla und Emberiza
vermengt hat. Der Name wurde später für diesen Vogel kaum verwendet. Er
erschien auch bei BREHM, der aber in seinem Werk einige Seiten später die
amerikanischen Ammerfinken (damals Passerellinae) abhandelte, von denen
einige Arten auch „Ammerfink“ hießen (Diese Vögel zählt man heute zu den
Emberiziden und dort zur Gattung „Zonotrichia“).2644
Lappländischer Fink, Lappländischer Distelfink: Unter „Der lapländische
Fink. Fringilla Lapponica“ hatte sich MÜLLER wie folgt geäußert: „Der Herr
Rudbeck gab diesem Vogel den Namen lapländischer Distelfink, und dabei
ließ es der Ritter [LINNÉ] bewenden.“2645 Was MÜLLER nicht mitteilte,
war RUDBECKS lateinischer Name für den Vogel: „Carduelis Lapponica“,
der übersetzt „Lappländischer Distelfink“ bedeutet. „Carduelis“ ( carduus, die
Distel) ist der Distelfink. „Lappländischer Fink“ ist eine Vereinfachung.2646
Schwarzköpfiger Goldammer: KLEIN hatte den Vogel „Schwarzköpfiger
Gelb-Goldammer, lat. Emberizacapite nigro, luteis maculis vario“ genannt und
geschrieben, dass die schwarze Haube bis in den Nacken gehe sowie Schna-
bel, Brust und Rücken gelb seien. BECHSTEIN verkürzte den Namen von
„Gelb-Goldammer“ zu „Goldammer“.2647

Schneeammer (Plectrophenax nivalis)


„Wenn es stürmt und schneit, erscheinen an der Küste Trupps von Singvö-
geln, die hier im Sommer niemals zu beobachten sind. Es handelt sich um
arktische Wintergäste, die das Wattenmeer zur Überwinterung nutzen. Als
nördlichster Brutvogel der Welt kommt die Schneeammer hervorragend mit
winterlichem Wetter zurecht. Sie brütet in Felshöhlen der Arktis, wo das ver-
steckte Nest warm mit Federn ausgepolstert wird. Schneestürme übersteht sie
vergraben im Schnee, wo sie mehrere Tage ausharren kann.

2643
OKEN 1843, 16 und NAUMANN 1824, 4/ 318
2644
BREHM 1879, 5/ 276
2645
MÜLLER 1763, 579
2646
BUFFON/OTTO 1785, 11/ 133
2647
KLEIN 1760, 172 und BECHSTEIN 1802, 130
450 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Schneeammern wurden schon über dem grönländischen Inlandeis und sogar


direkt am Nordpol gesehen. Im Oktober verlassen sie ihre hocharktischen
Brutgebiete und verteilen sich auf die Winterquartiere. Hierbei sind sie sehr
flexibel und können den einen Winter in Nordamerika, den nächsten viel-
leicht in Nordfriesland oder Frankreich zubringen. Im März geht es dann
wieder heimwärts.“2648
Schneeammer, Schneeammerling, Schne(e)emmerling, Schneeortolan
(I): FRISCH nannte den Vogel 1734, als die Tafel 6 entstand, schon „Schnee-
ammer“. BUFFON überschrieb später sein Kapitel mit „Schnee-Ortolan oder
Schnee-Ammer“.2649 Die Schneeammer ist mit 15,5–18 cm Länge eine große
Ammer (NAUMANN, der nach eigenen Angaben viele Tiere vermessen hat,
gab 16–17,2 cm Länge an).
Diese große Ammer brütet in hochalpinen Gebieten im hohen Norden und
wirkt im Prachtkleid, bis auf den schwarzen Rücken, großenteils (schnee-)
weiß.
Die Vögel kommen, in verschieden großer Anzahl, als Wintergäste nach Mit-
teleuropa und künden damit Schnee oder einen kalten Winter an.2650
„Schneeemmerling – Emberiza Nivalis“ war der Leitname bei SCOPOLI/
GÜNTHER.2651
Schneeortolan (II): BUFFON zitierte eine französische Quelle, nach der die
Schneeammer mit lateinisch „Hortulanus albus“ benannt war. Dazu kann man
etwas später lesen: „Sein Fleisch schmeckt sehr gut, wenn er gemästet oder fett
gemacht ist; es stehen auch verschiedene der Unsrigen in der Einbildung, daß
dieser Vogel der rechte Hortulana oder Ortolan sey, für welchen die Ausländer
seines herrlichen Geschmacks halber einen Dukaten auszugeben kein Beden-
ken tragen. Allein der Ortolan ist ein ganz anderer Vogel, der auch bisweilen
bei uns, wiewohl sehr sparsam, gefangen wird.“2652
Schneelerche: Die Schneeammern halten sich auf der Erde auf, „wo sie wie
die Lerchen laufen … Man hat sie daher auch Schneelerche genannt“.2653
In Thüringen wurde er „Schneelerche genannt, weil er einen Sporn wie eine
Lerche hat“.2654

2648
http://www.schutzstation-wattenmeer.de/wissen/tiere/voegel/schneeammer/, Stand: 2.12.2011
2649
BUFFON/OTTO 1790, 12/ 222
2650
HOFFMANN 1937, 73
2651
SCOPOLI/GÜNTHER 1770, 176
2652
BUFFON/OTTO 1790, 12/ 222 + 244
2653
KRÜNITZ 1827, 147/ 337
2654
BECHSTEIN 1795, 337
PASSERES – SINGVÖGEL 451

„Einige geschickte Naturkündiger haben den Schnee-Ortolan zu den Lerchen


geordnet; aber Herr Linnäus, dem der große Unterschied, der sich unter die-
sen beiden Arten befindet, auffiel, hat diesen Vogel mit großem Rechte zu
dem Geschlecht der Ammern gerechnet.“2655
Schneeflocke: „Die Zugvögel kommen bei Petersburg schon Ende August
oder im September an, ebenso auf den Färöer-Inseln und den Orkaden [Ork-
ney-Inseln], wo man sie wegen ihrer ungeheuren Menge, in welcher sie dort
erscheinen, ‚Schneeflocken‘ nennt.“2656
Neuvogel: „Dagegen ist bey den Jägern das Neue, oder ein Neues, frisch ge-
fallener Schnee“. Etwas später: „ … ein nur bey den Jägern übliches Wort,
welches theils den Thau und neblige Witterung, besonders des Morgens,
theils aber und am häufigsten auch den Schnee bedeutet. Ein gemachtes Neu-
es, ein frisch gefallener Schnee.“2657
Schneevogel: „Auch in Pommern kommt der Schneeammer in einigen Win-
tern sehr häufig, und heißt hierselbst Schneevogel, Schneeelerche, Schnee-
sperling, wird auch für einen Vorbothe vieles den Winter über einfallenden
Schnees gehalten.“2658
„Er hat daselbst [in Sachsen] den Namen Schneevogel: dann er fällt auf die
Heerde wenn es schon geschneit hat.“2659
Schneesperling: „Man findet ihn alsdenn [im Winter, im Flachland] meistens
an den Wegen laufen, und Körner, oder was sonsten zu seinem Futter dienet,
aufsuchen. Er wird daher der Schneesperling genennet, theils, weil er so weiß
wie der Schnee ist, wenn er flieget, theils, weil er mit dem Schnee kömmt,
und wieder wegziehet.“2660 – „Ihr Gesang ist zwitschernd, außer, wenn man
sie greifen will.“2661
Wintersperling, Winterling: Die Schneeammer wurde auch als „Passer hi-
bernus“ geführt. Der Name kann als „Wintersperling“ übersetzt werden.2662
Der Winterling ist ein „Nahme der Schneeammer in einigen Gegenden, wel-
che auch Wintersperling genannt wird; Emberiza nivalis Linn.“2663

2655
BUFFON/OTTO 1790, 12/ 235
2656
NAUMANN 1824, 4/ 318
2657
ADELUNG 1798, 3/ 475 + 477
2658
OTTO in BUFFON/OTTO 1790, 12/ 244
2659
FRISCH 1763, T. 6
2660
BUFFON/OTTO 1790, 12/ 244
2661
MARTINI 1775, 2/ 393
2662
BUFFON/OTTO 1790, 12/ 224
2663
ADELUNG 1801, 4/ 1566
452 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Wintervogel: MÜLLER, der die „Schneeammer“ als eigene Art beschrieben


hatte, behandelte den „Wintervogel“ als weitere Art, obwohl er ihn, den CA-
TESBY „Schneesperling“ genannt hätte, für eine Variation der Schneeammer
hielt. „Allein der Ritter [LINNÉ] will solches nicht zugeben.“2664
BOCK meinte dagegen: „Er hat seine Benennung, weil er mit dem ersten
Schnee gegen Ende November ankommt, im Winter über den Schnee hüpfet,
und nicht leicht auf Bäumen umherklettert.“2665
Und schließlich eine dritte, wieder andere Meinung, diesmal von FABER: „Sie
hat Wintertracht. Im Sommer ist der Schnabel schwarz, Kopf und Hals des
alten Männchens schneeweiß; im Winter ist der Schnabel gelb mit schwarzer
Spitze, und der Kopf kastanienbraun angelaufen … Der Vogel, besonders das
Männchen, ist im Sommer also weisser als im Winter.“2666
Gescheckter Emmerling: Der „gescheckte emmerling“ ist schon bei
SCHWENCKFELD (1603) zu finden.2667
„Weißfleckiger Ammer, ist derselbige Vogel [Schneeammer], denn er verän-
dert oft die Farben, wie ich denn noch itzt einen ganz weißen habe, wo nur
am Halse etwas gelbliches schimmert, woran es ihm nimmer fehlet.“2668
Nordischer Lerchenammer: Diesen Namen findet man neben „Schneeam-
mer“ unter „Schneevogel“ bei HALLE.2669
In der Einleitung zur „Spornammer“ wurde BREHM zitiert, der den Vogel
anhand von Beispielen als ein Mittelglied zwischen Lerche und Ammer be-
schrieb (siehe dort).2670
Schneespornammer(I), Schneesporner: NAUMANN führte die Schneeam-
mer als Schnee-sporn-ammer ( Emberiza nivalis). Ein wichtiges Kennzeichen,
der lange Hinterzehen-Nagel, sei „sehr wenig gebogen, ein wahrer Lerchen-
sporn. Die Flügel sind länger, schmäler und spitzer, als bei anderen Ammern
… Sie halten sich ausschließlich auf platter Erde auf, … laufen schrittweise
und betragen sich ganz wie die Lerchen.“ Der Sporn der Hinterzehe, der lan-
ge Nagel, ist bei einer Zehenlänge von 9 mm 8–12 mm lang.2671

2664
MÜLLER 1773, 561 + 560
2665
BOCK 1782, 4/ 423
2666
FABER 1822, 15
2667
SCHWENCKFELD 1603, 256
2668
KLEIN/REYGER 1760, 93
2669
HALLE 1760, 387
2670
BREHM 1879, 5/ 337
2671
NAUMANN 1824, 4 /297
PASSERES – SINGVÖGEL 453

Dieser „lappländische Bergbewohner“ erscheint, wenn es bereits geschneit


hat. Den Sommer bringt er auf den Schneegebirgen der Lappländer zu. Daher
gewöhnt er sich mehr auf den Schnee zu laufen, als auf Zweigen zu sizzen. Er
läuft also auf seinen Schlittschuen so gerade, als die Lerche auf der Erde läuft,
und er hüpft auch ebenso“.2672
Eisammer: „Der Schneeammer, auch Berg- und Eisammer genannt … Vater-
land die bekannten nördlichsten Gegenden unseres Erdballs: Lappland, Is-
land, Spitzbergen, Novazembla, Grönland usw.“2673 „Eisammer“ taucht erst-
mals bei BECHSTEIN (1802) auf.2674
Schwarzköpfiger Spornammer, Bergspornammer, Schneespornam-
mer(II): „Dieser Vogel variiert nach dem Alter so außerordentlich, daß man-
che Naturforscher verleitet wurden, die Hauptverschiedenheiten für mehre-
re besondere Arten zu halten, indem mehrere, auch GMELIN, aber nicht
LINNÉ, deren drei: E. nivalis, E. montana und E. mustelina annahmen, die
aber alle zu einer einzigen Art gehören … Auch die verschiedenen Jahreszeiten
bewirken große Veränderungen im Gefieder dieses Vogels, so daß auch dies
wohl zu jenem Irrtume beitrug.“2675
Noch wenige Jahre vorher hatte sich C. L. BREHM dazu geäußert: „Linné
führte von dieser Familie [Spornammern] drei Arten auf, nämlich emberiza
mustelina, montana et nivalis. Bechstein zog montana et mustelina zusammen;
Wolf vereinigte mustelina et montana mit nivalis, und ihm folgten die Andern,
so daß emberiza mustelina und emberiza montana aus der Reihe deutscher
Vögel verschwunden sind. Mir war dies immer auffallend; ich konnte mich
schwer überzeugen, daß Linné … sich so ganz sollte geirrt haben.“2676
C. L. BREHM beschrieb die drei „Arten“, die er „Schwarzköpfiger Spornam-
mer – Emberiza mustelina“, „Bergspornammer – Emberiza montana“ und
„Schneespornammer – Emberiza nivalis“ nannte. C. L. BREHM fertigte eine
dreispaltige Vergleichsübersicht an und äußerte sich hoffnungsvoll, dass es
nun auch dem Ungeübten leicht werde, die drei Spornammern zu unterschei-
den. „Zur besonderen Freude gereicht es mir, den großen Vater der Naturge-
schichte, den scharfsinnigen Linné … gerechtfertigt zu haben.“ NAUMANN
dazu in einer Fußnote: BREHM konnte die Ehre Linnés gar nicht retten, weil
nur Gmelin und die älteren britischen Ornithologen und nachweislich nicht
Linné drei Arten angenommen hätten.

2672
HALLE 1760, 388
2673
SCHILLING 1837, 2/ 162
2674
BECHSTEIN 1802, 137
2675
NAUMANN 1824, 4/ 297
2676
C. L. BREHM 1820, 1/ 790 + 793 + 800 + 807 + 815
454 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Das „schwarzköpfig“ in „Schwarzköpfiger Spornammer“ ist kaum vorstellbar.


Nach Angabe von C. L. BREHM hat der Kopf „im Herbst einen rostbraunen
Überzug auf schwarzem Grunde…“
Bergammer, Lohgelber Ammerfink: In seiner ersten Auflage der Natur-
geschichte behandelte BECHSTEIN nach der „Schneeammer – Emberiza
nivalis“ eine „Bergammer – Emberiza montana et mustelina“, von der C. L.
BREHM später beklagte: „Bechstein zog montana et mustelina zusammen“
(s. bei „Schwarzköpfiger Spornammer“ …). BECHSTEIN begründete sein
Vorgehen: „Emberiza mustelina Lin. ist ein sehr altes Männchen des Embe-
riza montana. Jenen [E. montana] nennt Latham und Pennant ‚Lohgelben
Ammer‘ und diesen [E. mustelina] ‚Bergammer‘ … Ich habe diesen Vogel seit
vielen Jahren beobachtet, und bin also im Stande, eine etwas genauere Be-
schreibung von ihm zu geben.“2677
Wie bei der „Spornammer“ angeführt, ist der Name „Ammerfink“ ein Kons-
trukt, für das NAUMANN die Übersetzungen aus Fringilla und Emberiza
vermengt hat (siehe dort).
Strietvogel: Bei BECHSTEIN hieß der Vogel „Strietvagel“. Striet ist nieder-
deutsch/plattdeutsch und bedeutet „Streit“. „Strietvagel“, aus dem Mecklen-
burger Platt, wurde zuerst bei SIEMSSEN (1794) gefunden.2678
NAUMANN schilderte den Vogel als unruhig, wild und scheu, aber nicht
als aggressiv. Im Gegenteil, in Gefangenschaft seien sie verträglich bis furcht-
sam.2679
Mit dem Namen kann nur das Territorialverhalten der Schneeammern wäh-
rend der Brutzeit gemeint sein, das allerdings aggressiv, aber nicht ungewöhn-
lich ist. Die Biotope der Vögel ließen aber auch schon früher gezieltere Be-
obachtungen zu.

Grauammer (Emberiza calandra)


„Der männliche Grauammer trägt sein einförmiges Lied bekanntlich in der-
selben Weise vor wie die andern Arten; er sitzt dabei auf dem Telegraphen-
draht oder auf einer Baumspitze dicht an Wiese oder Feld, aber seine Strophe
ist so abweichend von der des Gold-, Garten- und Rohrammers, daß man
beim Hören nicht das Gefühl des Ammerartigen hat. Das gedehnte, wie durch
eine Maschine hervorgebrachte, scharfe ‚zick, zick, zick, zick, schnirrrps‘, in

2677
BECHSTEIN 1795, 340 + 332
2678
BECHSTEIN 1807, 3/ 305
2679
NAUMANN 1824, 4/ 314
PASSERES – SINGVÖGEL 455

dem die Laute z, i, r und s zugleich klingen, wird schier unermüdlich her-
ausgequetscht, dabei plustert sich der Sänger merkwürdig auf, und wenn er
seinen Sitzplatz wechselt, so läßt er im sonderbaren Flatterfluge, gleichsam
zur Federkugel geballt, die Beine so herunterhängen, daß man glaubt, er sei
weidwund geschossen. Auch das tut kein andrer heimischer Ammer.“2680
Grauammer, Gemeiner Ammer, Großer grauer Ammer: „Großer grauer
Ammer“ war der Leitname bei KLEIN: „Er ist von Farbe wie eine Lerche, und
wird auch Ortulan oder der größte Hortulan, mit einem schwarzen Schnabel
von fünf Gran, genennet.“2681 (1 Gran/Grän wiegt etwa 0,8 g). Neben dem
am meisten gebrauchten „Grauer Ammer“ war „Gemeiner Ammer“ ein für
die Grauammer (und nur diese) häufig verwendeter Hauptname.
Die Grauammer, unsere größte Ammer, ist trotz ihrer Größe ein unauffälliger
Vogel, der ohne besondere Feldkennzeichen ist und insgesamt grau wirkt.
Emmerling: Neben „amaro“ sind im Althochdeutschen auch erweiterte
Bildungen wie „amering“ oder „amerling“ zu finden. Davon abgeleitet sind
„Emerling“, 1531 bei Hans SACHS, und „Emmerling“, 1552 bei EBER und
PEUCER.
„Emerling“ gehörte als Trivialname vor allem der Goldammer. NAUMANN
gab ihn auch der Grauammer.2682
Große Ammer, Großer Ammer, Großer lerchenfarbener Ammer, Lerche-
nammer: Mit „Großer lerchenfarbener Ammer“ war das Kapitel zur Grau-
ammer bei HALLE überschrieben.2683
„Dies ist der grösste unter den einheimischen Arten dieser Familie und über-
trifft hierin die Feldlerche, mit welcher er übrigens in der Farbe und Zeich-
nung des Gefieders recht viel Ähnlichkeit hat, noch um vieles. Unter den
Ammern steht er als ein starker, nicht sowohl plumper, als vielmehr kraft-
voller Vogel, an welchem die Kennzeichen dieser Gattung besonders … stark
ausgedrückt sind.“2684
Wiesenammer: NAUMANN beschrieb, wo sich die Grauammer bevorzugt
aufhält und meinte dann: „Der Name: Wiesenammer, wäre daher für ihn sehr
auszeichnend, wenn man ihn nicht auch anderen beigelegt hätte, obgleich
keine Art so gern die freien Wiesen bewohnt, als diese.“2685

2680
HEINROTH 1966, 1/ 195
2681
KLEIN 1760, 169
2682
Hans SACHS 1531, V. 175 und NAUMANN 1824, 4/ 213
2683
HALLE 1760, 384
2684
NAUMANN 1824, 4/ 213
2685
NAUMANN 1824, 4/ 213
456 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Grauer Emmeritz, Weißer Emmeritz: Die Unterseite der Grauammer ist


beige-weiß mit dunkler Strichelung. Alle anderen heimischen Ammern, außer
– bedingt – die Rohrammer, haben anders gefärbte Unterseiten. Bereits bei
GESSNER war der Vogel eine „weisse Emmeritz“: „Diese hat nichts gelbes/
und ist von Farben der Lerchen ähnlich/ sonst derselbigen ungleich/ mit
einem weissen Bauch/ von welchem wir sie dann also genennet haben.“2686
Gerstammer, Gerstenammer, Gerstling Gersthammer, Gerstvogel: Die
Bezeichnung „Gersthammer“ stammt von TURNER (1544), von dem an-
dere Autoren, EBER und PEUCER, diesen Namen 1552 übernommen
haben. „Gerstling“ und „Gerstvogel“ sind schlesische Namen, die man bei
SCHWENCKFELD (1603) findet.2687 Die Grauammer hatte die Namen,
weil sie sich öfter als andere Ammerarten von Gerste ernähre.2688
„Der Gerstenammer“ war die Kapitelüberschrift bei BECHSTEIN: „Wun-
derbar ist es, daß beym Sterben dieses Vogels die [graubraunen] Füße allezeit
blutroth werden.“2689
Welscher Goldammer: Diesen an die Grauammer gebundenen Namen fin-
det man schon bei SCHWENCKFELD (1603). Er sollte die Grauammer als
Einwanderer kennzeichnen.2690 Dennoch beschrieben so gut wie alle Autoren
die Grauammer als inländischen Vogel, der allerdings wohl immer wieder
Bestandsschwankungen unterlag: „In Sardinien sind sie ungemein zahlreich.
Cetti sagt: wo man reitet, wird man in jeder Jahrszeit von ihnen umgeben.“2691
Ortolan: „Man wird überhaupt den Fettammer [Ortolan] nach unsern Na-
turgeschichten für viel weiter verbreitet halten als er wirklich ist. Dies kommt
besonders von dem unbestimmten und vielbedeutenden Ausruck ‚Ortolan‘
her. Naumann der Aeltere glaubte anfangs den ‚Rohrammer‘ darunter ver-
stehen zu müssen; in Norddeutschland, z. B. im Brandenburgischen heißt der
‚Grauammer‘ allgemein ‚Ortolan‘, und vor einigen zwanzig Jahren wurden in
einem adeligen Hause 4 Stunden von hier ‚Goldammern‘ als Ortolane ver-
speist; Jedermann legt auf ein Ortolangericht großen Werth, und da dieses
von der ächten Fettammer sehr schwer zu haben ist und nur eigentliche Le-
ckermäuler den Geschmack dieser Vögel kennen, so ist es sehr natürlich, daß
man sich mit ähnlichen, wohlschmeckenden Vögeln zu helfen sucht.“2692

2686
GESSNER/HORST 1669, 123b
2687
SUOLAHTI 1909, 107
2688
NIETHAMMER 1937, 1/ 117
2689
BECHSTEIN 1795, 306
2690
SUOLAHTI 1909, 107
2691
BECHSTEIN 1807, 3/ 267
2692
C. L. BREHM 1820, 3/ 243
PASSERES – SINGVÖGEL 457

NAUMANN bestätigte das: „Man kann diese Vögel ebenso gut mästen und
schnell fett machen wie die Ortolanen, und man würde vielleicht noch besser
mit ihnen thun als mit diesen, denn sie sind viel dauerhafter und ihre dicke
runde Brust allein größer als der ganze Körper eines jener Vögel.“2693
Grauer Ortolan: Der Name „Grauer Ortolan“ ist nur eine Verstärkung des
auf die Grauammer bezogenen Begriffs „Ortolan“. Der echte, nicht heimische
Grauortolan ( Emberiza caesia), der erst 1827 beschrieben (nicht entdeckt)
wurde, war noch relativ unbekannt. Nur Fachleute kannten diesen in Süd-
griechenland und der Türkei lebenden Vogel, der genausowenig wie der Or-
tolan ( Emberiza hortulana) grau ist.
Winterortolan, Winterling: Es gibt unter den Grauammern viele Tiere, die
im Winter nicht oder nur bei schlechten Bedingungen fortziehen und von
den Menschen in der kalten Jahreszeit dann auch vermehrt wahrgenommen
werden. Als ursprüngliche Steppenbewohner sind die Vögel an niedrige Tem-
peraturen angepasst. Der Winterortolan ist eine Grauammer, die nicht fort-
gezogen ist.
Die Grauammer ist in Mittel- und Südeuropa ein „Kurzstrecken- und Teilzie-
her, Standvogel mit Dismigrationen [Zerstreuungswanderungen] und Win-
terfluchtbewegungen“.2694
Winterammer: „Winterammer“ erscheint mehrfach in der älteren Literatur.
BECHSTEIN führte 1795 eine Art, die er „Winterammer“ nannte („Scopolis
Winterammer“), unter „Emberiza brumalis“, „The Brumal Bunting“. Dahin-
ter verbirgt sich unser heutiger Zitronenzeisig ( Carduelis citrinella). BECH-
STEIN korrigierte sich in diesem Sinne in der Neuauflage von 1807. Andere
Autoren meinten mit der „Winterammer“ eine „Emberiza hyemalis ( hiema-
lis)“, die in Nordamerika vorkomme und nur Ausnahmegast bei uns sei. Erst
NAUMANN führte „Winterammer“ auch als Beinamen für die Grauammer
ein, was gegen Mitte bis Ende des 19. Jahrhunderts auch von anderen Auto-
ren übernommen wurde.2695
Hirsenammer: „Er frißt auch Hirsen, und ist von einigen für den Ortolan
gehalten worden, und desfalls auch mit des Ortolans Namen Hirsevogel be-
legt.“2696 „Der graue Ammer geht dem Hirse nicht nach, der Ortolan hin-
gegen ist nie gefräßiger, als wenn er Hirse haben kann, von welchem er un-
glaublich fett wird.“ OTTO zitierte CETTI.2697

2693
NAUMANN 1824, 4/ 213
2694
BEZZEL 1993, 730
2695
BECHSTEIN 1795, 349 + 1807, 3/ 320 und NAUMANN 1824, 4/ 213
2696
OTTO in: BUFFON/OTTO 1790, 12/ 316
2697
BUFFON/OTTO 1790, 12/ 320
458 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Gerste und Weizen bilden im Sommer wohl die Grundnahrung, die je nach
Witterung und Angebot mit tierischer Nahrung, vor allem Insekten, ergänzt
wird. Vom Getreideanbau besteht eine gewisse Abhängigkeit. Das hatte zur
Folge, dass dort, wo Hirse angebaut wurde, der Eindruck entstand, die Grau-
ammer bevorzuge Hirse, wie man bei NAUMANN nachlesen kann.2698
Strumpfwirker, Strumpfweber: „In der Nähe von Banz hörte ich auf den
grasreichen Wiesen das Schwirren des Strumpfwirkerstuhles, und erkannte
bald den auf einer Weidenspitze sitzenden Grauammer. … Ich erkannte von
neuem, daß der Name Strumpfwirker, welchen er in Norddeutschland führt,
sehr passend ist; denn wer nur ein Mal einen Strumpfwirkerstuhl gehört hat,
erkennt ihn in dem Gesange dieses Vogels sogleich wieder.“2699 „Das Männ-
chen hat einen ganz eigenen Gesang. … Er ähnelt den Tönen, welche ein
arbeitender Strumpfweber seinem in Bewegung gesetzten Strumpfwirkerstuhl
entlockt, oder wie zickzickzickzick terillillillillill.“2700
Kornquaker, Kornlerche: Der Vogel singt über Stunden, dabei auf einem
Pfahl, einem Stein, auf der Spitze eines Busches, einem exponierten Ast oder
auf einer Getreidepflanze sitzend. Letzteres brachte ihm den Namen „Korn-
quaker“ ein. „Wegen seiner Farbe ist er in Schweden Kornlerche genannt.“
OTTOkritisierte den unpassenden Namen „Kornlerche“.2701
Baumlerche: Wie „Kornlerche“ sei auch dieser Name unpassend: „Man nen-
net ihn in Pommern wohl auch Baumlerche.“ Das Männchen singt von der
Spitze z. B. einer Weide, eines Busches, eines Pfahls oder einer Distel und auf
einer Wiese, so gut wie nicht am oder im Wald.2702
Knust, Knuster, Knipper, Knustknipper: „Knust“ und „Knipper“ sind of-
fenbar alte preußische Ausdrücke. „Knust“ bedeutet „kleine dicke Person“
und hebt auf die Fettleibigkeit vieler Grauammern ab. „Knipper“ bezieht
sich auf die Stimme des Vogels, „die aus einem klirrenden ‚zick, zick, zick
schnirrrrps‘ besteht.“2703 „Knippen“ bedeutet soviel wie „knipsen, zuschnap-
pen“ bei einem Schloss, „schnippen“.
„Die Stimme klingt wie die Silbe Knipps oder Zicks. Das wird, wenn eine
größere Zahl von Vögeln auffliegt, zu einem ganz sonderbaren Knittern.“2704
„Knustknipper“ findet man, ohne Erklärung, schon bei KLEIN.2705

2698
GLUTZ VON BLOTZHEIM/BAUER 1997, 14/ 1912 und NAUMANN 1824, 4/ 213
2699
C. L. BREHM: in OKEN ISIS 1837, 696
2700
NAUMANN 1824, 4/ 213
2701
BUFFON/OTTO 1790, 12/ 316
2702
OTTO in: BUFFON/OTTO 1790, 12/ 316
2703
SUOLAHTI 1909, 107
2704
NAUMANN 1824, 4/ 213
2705
KLEIN 1760, 169
PASSERES – SINGVÖGEL 459

Braßler: Brasseln bedeutet soviel wie prasseln. Den Schluss der Gesangsstro-
phe der Grauammer kann man als Klirren oder Rasseln bezeichnen, der Aus-
druck „Prasseln“ passt auch sehr gut. „Braßler“ war der Leitname bei KRA-
MER.2706
Doppelter Grünschling, Doppelter Gilberig: „In der Mark [Brandenburg]
heißt er wegen seines grünlichen Rückens Grünzling, in Thüringen Grün-
schling.“2707 Das Zitat gilt für die Goldammer. Auch „Gilberig“ bezieht sich
aber auf die Goldammer und hier auf deren gelbe Gefiederteile (vor allem am
Kopf ). Die Grauammer ist eine Ammer, die viel massiger (doppelt) als eine
Goldammer wirkt und doch immer wieder mit ihr verwechselt wurde.
Der erste Begriff ist ein Kunstname von BECHSTEIN. NAUMANN hat
ihn als „Doppelter Grünschling oder Doppelter Gilberig“ erweiternd über-
nommen.2708
Gergvogel: „Gergel“ oder „gergeln“ sind Begriffe aus der hörbaren Arbeit des
Böttchers. Möglicherweise hat man den Begriff analog zu „Strumpfwirker“ zu
verstehen. Das Wort „Gergvogel“ leitet sich dann wie „Strumpfwirker“ von
der Stimme ab. Den Namen führte BECHSTEIN ein.2709
Gassenknieper, Klitscher, Kerust: Diese drei Begriffe sind Namen, die
BREHM 1879 eingeführt, wenn nicht sogar konstruiert hat. Sie kommen
in der ornithologischen Literatur vor dem Erscheinen seines Tierlebens nicht
vor.2710
„Gassenknieper“ bezeichnet einen nicht „angenehmen“ Gesang, etwa auf
„Gassenhauer-Niveau“. „Knieper“ kommt von „Knipper“ und bezieht sich
auch auf den Gesang (s. o.).
Auch „Klitscher“ soll den Vogelgesang kennzeichnen. Einen Schall wie hohes
Klatschen (Klitsch-Klatsch) nennt man Klitschen. Teile des Gesanges waren
hier namensgebend: Zwei oder drei schnell wiederholte, scharfe, fast klicken-
de „pwit“ oder „pit“, beim Abflug oft zu „pwit-it-it“ kombiniert, im Gesang
eine monotone Reihe tickender Laute, die in ein Klirren übergehen.2711
„Kerust“ könnte aus „Knust“ entstanden sein und sich auf die „kleine dicke
Person“ (s. o.), die für eine Ammer auffällig große Grauammer, beziehen.

2706
GRIMM/GRIMM 1984, 2/ 306 und KRAMER 1756, 372
2707
KRÜNITZ 1777, 10/ 784
2708
GRIMM/GRIMM 1984, 5/ 3633 und BECHSTEIN 1795, 306 und NAUMANN 1824, 4/ 213
2709
BECHSTEIN 1795, 306
2710
BREHM 1879, 5/ 283
2711
BEAMAN/MADGE 1998, 837
460 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Goldammer (Emberiza citrinella)


Im Februar beginnt die Goldammer zu singen: „Wie, wie hab’ ich dich doch
so lieb!“ Jeder kennt das Lied der Landstraße, das der goldgelbe Vogel von den
noch kahlen Zweigen des Apfelbaumes singt. Ein einförmiges Lied, immer-
fort wiederholt. Es ist die Melodie des Landmannes, der hinter dem Pfluge
geht. Wenn die Arbeit beim Morgengrauen anfängt, ruft die Goldammer: „Es
ist, es ist ja noch viel zu früh!“ Und später im Jahr, wenn gemäht wird: „Wenn
ich ’ne Sichel hätt‘, tät ich mit schnied‘!“ Und dann, wenn die Hitze es zu arg
meint: „Bauer, Bauer, willst du ein Bier?“ Ein Vogel, der dem Volksmund so
vertraut ist, sollte eigentlich einen eindeutigen Namen haben. Aber in den
Naturgeschichten steht: „Der (oder die) Goldammer“.2712
Ammer, Goldammer: Das althochdeutsche „amero“ (mhd. amer) ist ein
westgermanischer Vogelname, den SUOLAHTI nicht weiter deutete. Er hielt
Überlegungen zur Abstammung „ameros“ von „amer“ (Emmer, eine Weizen-
art) für verlockend, verfolgte sie aber nicht weiter, weil „amero“ und „amer“
gleich alte Begriffe und nur zufällig ähnlich seien.2713 Ob direkt oder indi-
rekt eine Verbindung zu der Getreideart Emmer bestehe, liest man bei ZUM
LAMM.2714
Der Name „Ammer“ sei aus der Stimme des Vogels entstanden. Er hänge mit
dem hämmernden Gesang zusammen, was aber nicht mehr unmittelbar zu
erkennen sei, bot WEMBER schließlich mit einer weiteren Deutung an.2715
Goldammer heißt der Vogel wegen der überwiegend goldgelben Gefiederfar-
be des Männchens. Der Name ist seit 1552 durch EBER und PEUCER aus
Sachsen bezeugt. Auch GESSNER hat den Namen 1585 verwendet.2716
Nach einer alten Sage aus dem Mittelalter soll der bloße Anblick der (Gold-)
Ammer einen Gelbsüchtigen heilen, worauf der Vogel aber sterben müsse.2717
Ammerling, Emmerling, Gemeiner Emmerling, Gelber Emmerling, Am-
mering, Emmering: Neben „amero“ findet man im Althochdeutschen auch
erweiterte Bildungen, wie „amering“ oder „amerling“. Auf sie lassen sich die
hier angeführten Namen zurückführen.2718 Eine wie auch immer berechtigte
Verbindung zum Emmer findet man immer wieder, begründet wohl dadurch,
dass die Vögel das Getreide gerne fressen. Emmer ist eine alte Kulturpflanze,

2712
GERLACH 1953, 29
2713
SUOLAHTI 1909, 101
2714
ZUM LAMM 2000, 332
2715
WEMBER 2005, 8
2716
SUOLAHTI 1909, 103 und SPRINGER 2007, 354
2717
GRIMM/GRIMM 1984, 1/ 279
2718
SUOLAHTI 1909, 102
PASSERES – SINGVÖGEL 461

auch Amer oder Zweikorn genannt und ein Vorläufer unseres heutigen Wei-
zens.
Embritz, Emmeritz: „Auf der anderen Ableitung amirizo, amiriza beruhen
Embritz und Emmeritz, die Gesner a. a. O. als heimatliche Namensformen
angibt.“2719
Hämmerling: Über den „Hämmerling“ liest man bei HOFFMANN sinnge-
mäß: Schlosser, Schmied und Müller waren die ersten wichtigen Handwerker,
deren Arbeit laute, oft gleichmäßige und andauernde Geräusche erzeugten.
Rhythmisierende und klingende Vogelstimmen setzte man in Bezug zu diesen
gewerblichen Klängen und die Vögel erhielten dann entsprechende Namen,
nämlich die des Klangerzeugers.2720
FRISCH deutete den Begriff anders. „Weil dieser Vogel im Winter so heim-
lich wird, daß er mit den Sperlingen vor die Scheuren und Dresch-Tennen,
ja auch in dieselben fliegt, so scheinet es, er sey vom heim, oder wie man vor
Alters gesagt, ham (domus, habitaculum) also genennet worden. … Georg
Agricola [1494–1555] nennt ihn noch im Teutschen Hämmerling. Heutzu-
tage läßt man das H weg.“2721
Andere Autoren stellen „Hämmerling“ in eine Linie wie z. B. Ammer, Amer-
ling, Ämmerling, Emmerling, zumal es auch noch ähnliche Namen gibt, wie
Hemmerling (Schwaben) oder Hamerling (Thüringen).
Goldhammer: Der Name erscheint als „Goldthammer“ bereits bei GESS-
NER. Er galt später, gegen Ende des 18. Jahrhunderts, als die normale Na-
mensform. „Die gleiche Anlehnung an das Wort ‚Hammer‘ hat auch der
angelsächsische Vogelname erfahren.“ Der Vogel heißt heute in England „Yel-
lowhammer“.2722
Alte und Dialekt-Namen nach SUOLAHTI:2723
Gollammer: Der Name ist seit dem 15. Jahrhundert in Hessen belegt.
Golmer: Das Wort ist aus der nördlichen Pfalz bekannt.
Gaalammer: Auch „Gaal-“ entstand in Thüringen (Gâlamer) aus „Gold-“.
Gohlammer: Als Golammer ist die Goldammer seit dem 16. Jahrhundert
in Bayern bekannt.

2719
SUOLAHTI 1909, 102
2720
HOFFMANN 1937, 33
2721
FRISCH 1763, T. 5
2722
GESSNER/HORST 1669, 121b und SUOLAHTI 1909, 104
2723
SUOLAHTI 1909, 103 und ADELUNG 1793, 1/ 250
462 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Geelammer, Geelfink, Gehling: Geel bedeutet in verschiedenen Dialek-


ten z. B. im Badischen oder Nieder-(Platt-)deutschen „gelb“.
Gehlämmerlich, Gählämmerlich: Diese Namen bedeuten „Gelbammer“,
also Goldammer.
Gorse, Gurse: Der als alt bezeugte Name „Gors“ oder „Geelgors“, für den
bis jetzt eine sichere Deutung fehlt, ist im Niederländischen unverändert er-
halten geblieben. Auch heute noch ist die Goldammer in Holland die „Geel-
gors“. „Sonst wird die Goldammer in niederdeutschen Mundarten vielfach als
‚Gelbgans‘ benannt.“2724
„Gorse“ und „Gurse“ seien als „Gursa“ erstmals bei Albertus Magnus zitiert
und noch nicht geklärt worden.2725
„In dessen Nest wird auch bißweilen der Guckguck gefunden/ daher das
Sprichwort von einem undanckbaren Menschen gesagt wird: Du lohnest mir
wie der Guckguck dem Gorse: dann dieser Vogel auch ein Gorse oder Gurse
genenent wird.“2726
Geelgerst: Das Wort ist in Niederdeutschland aus dem niederländischen „Ge-
elgors“ entstanden. Die Umdeutung des alten Namens zu „Gerste“ (SUO-
LAHTI) wurde dadurch erleichtert, dass sich der Vogel gerne von Gerste er-
nährt (ADELUNG).2727
Geelgöschen Geelgößchen, Goldgänschen: Die Übersetzung des platt-(nie-
der-)deutschen Namens bedeutet „Gelbes Gänschen“ (oder „Goldgänschen“)
und bezieht sich auf die gelbe Brust der Goldammer.2728
Gelbgans: „Gelbgans“ ist der hochdeutsche Name für eine Reihe niederdeut-
scher Ausdrücke. -„gans“ kommt vom alten niederländischen Wort „Gors“,
das SUOLAHTI nach eigenen Worten nicht zu deuten vermag.2729
Gelbling, Gilberig, Gilbling, Gilberschen: Alle diese Namen, von denen
die letzten beiden schon bei GESSNER vorkamen, bedeuten „Vogel mit dem
gelben Kopf und Bauch“. Ähnliche Bezeichnungen gab es in Südwestdeutsch-
land und der Schweiz.2730

2724
SUOLAHTI 1909, 105
2725
ZUM LAMM 2000, 332
2726
GESSNER/HORST 1669, 121b
2727
SUOLAHTI 1909, 105
2728
LINDOW 1984, 76
2729
SUOLAHTI 1909, 104
2730
GESSNER/HORST 1669, 120b
PASSERES – SINGVÖGEL 463

Grünschling, Grintschel, Gröning: „In der Mark [Brandenburg] heißt er


wegen seines grünlichen Rückens Grünzling, in Thüringen Grünschling.“2731
Auch in „Gröning“ steckt „grün“, niederdeutsch „grön“. Der anhaltische Aus-
druck „Grinschling“ sei nach SUOLAHTI nicht ganz klar.2732 Der hier an-
gegebene Name „Grintschel“ leitet sich aber wohl dennoch von „grün“ ab.
„Gröning“ ist auch ein schon vor 1790 bei BUFFON/OTTO verwendeter,
für etwa 1820 von NAUMANN bestätigter schwedischer Name der Gold-
ammer.2733
Gaulammer: „Als ein überaus zutraulicher Vogel folgt sie überall den Spuren
und Ansiedlungen des Menschen, oder richtiger vielleicht noch den Pferden,
weshalb der Trivialname ‚Gaulammer‘ sehr berechtigt erscheinen muß. So hat
sie sich z. B. auf dem Iserkamme erst seit 40 Jahren angesiedelt, nachdem dort
an der Stelle der Ochsen Pferde als Zugtiere eingeführt worden waren.“2734
GESSNER (1585) hat den Namen „Gaulammer“ (Mitte des 16. Jahrhun-
derts) aus Straßburg erhalten, äußerte sich aber nicht zu dessen Bedeutung.2735
„Eine Anlehnung an Gaul scheint sicher vorzuliegen.“2736
Kornvogel: „Kornvogel“ gilt für die Schweiz. Ihm liegt etwas allgemeiner
die Beziehung „Getreide-Vogel“ zugrunde als in „Emmer-Ammer; als Korn
kommt … der Roggen in Frage“.2737
Sternardt: Dieses crainische (heute etwa: slowenisch) Wort ist eingedeutscht
worden.2738 Ähnliche kroatische und tschechische Namen für die Goldammer
findet man bei NAUMANN: „Strnadica“ und „Strnad“.2739

Fichtenammer (Emberiza leucocephalos)


Im Journal of Ornithology begann ein Beitrag von G. NIETHAMMER und
W. THIEDE über die Fichtenammer mit folgenden Sätzen: „Am 3. 2. 1962
wurde 1 Männchen des Fichtenammers an der Neye-Talsperre bei Wipper-
fürth erbeutet und von Herrn ROLF MERTENS dem Museum A. Koenig
in Bonn übersandt. Der Vogel ‚hatte sich am 2. 2. zusammen mit etwa 30
Goldammern an einem Futterplatz mit Druschabfall eingefunden, kaum eine

2731
KRÜNITZ 1777, 10/ 784
2732
SUOLAHTI 1909, 106
2733
BUFFON/OTTO 1790, 12/ 268 und NAUMANN 1824, 4/ 234
2734
FLOERICKE 1924, 179
2735
SPRINGER 2007, 355
2736
SUOLAHTI 1909, 104
2737
ZUM LAMM 2000, 332
2738
BUFFON/OTTO 1790, 12/ 270
2739
NAUMANN 1824, 4/ 234
464 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

halbe Stunde, nachdem ich diesen angelegt hatte, was man wohl als Beweis
dafür ansehen kann, daß er sich den Goldammern schon vorher angeschlos-
sen hatte. Im Verhalten unterschied er sich von diesen in keiner Weise; er war
weder vertraut noch sehr scheu. Des Abends flog er zusammen mit den Gold-
ammern weg und erschien morgens wieder mit ihnen. Auch während der
Freßpausen entschwand die ganze Schar in eine nahegelegene große Weiß-
dornhecke, um von Zeit zu Zeit wieder zum Futterplatz zu kommen‘.“2740
Fichtenammer: Die Fichtenammer brütet im östlichen Sibirien und wird
für Mitteleuropa als Ausnahmegast angesehen. Die Erstbeschreibung durch
S. G. GMELIN erfolgte 1770. NAUMANN konnte nur wenige winterliche
Nachweise aus der Türkei, Böhmen oder dem westlichen Balkan und Öster-
reich anführen, HARTERT in der Neuauflage des NAUMANN zwar einige
weitere bis nach Südfrankreich, er betonte aber auch die Seltenheit des Vogels
in Mitteleuropa.2741
In der Schweiz wurde sie sogar erst Ende 1989 sicher nachgewiesen.2742
Bevorzugter Lebensraum des Vogels ist lichter Nadelwald, er lebt aber ähnlich
wie die Goldammer auch in anderen Landschaften.
Weissköpfiger Ammer, Weissscheiteliger Ammer: Die Fichtenammer ist
eine Zwillingsart der Goldammer, bei der alle gelben Farbtöne durch Weiß
ersetzt sind.2743 Der wissenschaftliche Artname „leucocephalos“ heißt „weiß-
köpfig“. Zu dem weißen Scheitelstreifen kommt noch jederseits ein weißer
Wangenfleck.
Rothkehliger Ammer: Oberhalb des Wangeflecks bis zum Scheitelstreifen
und unterhalb um die Kehle herum ist der Kopf im Prachtkleid rötlichbraun
gefärbt.
Dalmatischer Sperling: Dalmatien (NAUMANN schrieb von „Illyrischen
Provinzen“) ist eine historische Region an der Ostküste der Adria im Süden
Kroatiens. Dort wurden Fichtenammern als Wintergäste schon frühzeitig
nachgewiesen. Der britische Naturforscher John LATHAM (1740–1837)
nannte die Fichtenammer dann auch „Fringilla dalmatica“ und in seiner Spra-
che „Dalmatic-Sparrow“.2744 Ammern wurden früher häufig als Sperling be-
zeichnet. Ein bekanntes Beispiel ist die Rohrammer als „Rohrspatz“.

2740
NIETHAMMER/THIEDE in Journal of Ornithology 1962, Heft 2/3, 289–293
2741
NAUMANN 1824, 4/ 276 und HARTERT in: NAUMANN/HENNICKE 1900, 3/ 210
2742
GLUTZ VON BLOTZHEIM/BAUER 1997, 14/ 1425
2743
SVENSSON/GRANT/MULLARNEY/ZETTERSTRÖM 1999, 372
2744
NAUMANN 1824, 4/ 276
PASSERES – SINGVÖGEL 465

Zaunammer (Emberiza cirlus)


„In der Roten Liste gefährdeter Tiere Deutschlands (1998) ist diese Ammerart
als ‚stark gefährdet‘ eingestuft. Grund für den Rückgang der Art ist über-
wiegend die Lebensraumveränderung. Durch die fehlende Bewirtschaftung
von Grenzertragsstandorten etwa durch die Beweidung mit Schafen und Zie-
gen verbuschen geeignete Habitate und bieten dieser Art keinen Lebensraum
mehr. Niederschlagsreiche und kalte Winter führen außerdem zu vorüberge-
henden Bestandsrückgängen.“2745
Zaunammer, Heckenammer: Der Vogel bevorzugt trocken-warmes, hügeli-
ges Gelände mit einigen großen Bäumen, dichten Buschreihen und Hecken.
„Die Zaunammer ist bei uns ein seltener Vogel; sie gehört mehr dem südli-
chen Europa an und kommt blos als Zugvogel zu uns, brütet auch blos einmal
in Hecken. Sie ist eine der schönsten Ammern.“2746 Man findet Zaunammern
bis 1500 m Höhe. Zum Singen suchen sie sich exponierte Warten.
„Sie nisten in Hecken und Gesträuchen an den Wegen…“2747 Daher hat der
Vogel die Namen „Zaunammer“ und „Heckenammer“.
Ammer mit olivengrüner Brust: „Linné und Büffon beschreiben nur das
Weibchen, ersterer unter dem Namen ‚E. Cirlus‘, letzterer unter dem Namen
‚Le Zizi ou Bruant de haie‘. Es ist aber ein großer Unterschied unter Männ-
chen und Weibchen …; deswegen habe ich ihm auch den ausgezeichnetern
Namen ‚E. Elaeathorax‘, Ammer mit olivengrüner Brust, gegeben.“2748
Weißgefleckter Ammer: Bei FRISCH wurde auf der Tafel 6 ein Vogel als
„Weißfleckige Ammer“, Bruant tacheré, vorgestellt. Für BECHSTEIN war es
eine männliche Goldammer. Für BUFFON/OTTO war es eine Zaunammer,
was vorher schon HALLE festgestellt hatte.2749
Braunfalber Ammer, Gefleckter Ammer: Bei HALLE war „Braunfalbe Am-
mer“ der Leitname für diesen Vogel, für den es noch keinen einheitlichen
deutschen Namen gab. HALLE fügte in einer Unterzeile noch „mit gelbem
Unterleibe“ hinzu. „Die Brust und der Bauch sind gelblich und dunkelbraun-
geflekt; der Leib von oben gelbbraun … An einigen ist der Unterleib zitro-
nengelb, die Kehle voller dichten braunen Flecken, die Bakken braun, der
Kopf von oben gelblich und gefleckt, der Rükken braun voller Striche, der

2745
http://de.wikipedia.org/wiki/Zaunammer, Stand 22.11.2011
2746
SCHUBERT 1886, 12
2747
BECHSTEIN 1807, 3/ 297
2748
BECHSTEIN 1807, 3/ 292
2749
BECHSTEIN 1793, 591 und BUFFON/OTTO 1790, 12/ 289 und HALLE 1760, 387
466 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

übrigen Rükken weis und braun geschuppt.“2750 Die alte Bezeichnung „falb“
bedeutet „graugelb, fahl“.
„Die gefleckte Ammer“ (nicht: „der“ Ammer) war der Leitname bei MÜL-
LER (1773).2751
Pfeifammer: HALLE brachte diesen Trivialnamen neben „Zirlammer“,
schrieb aber nichts über die Stimme. Etliche Autoren brachten den Namen
und schilderten, wenn überhaupt, eine ganz andere Stimme des Vogels. Es
darf vermutet werden, dass der Name durch Verwechslung entstand, sich aber
dennoch gehalten hat. Es gibt keine Beschreibung einer pfeifenden Stim-
me.2752 Allerdings wurde auf den ammerartigen Gesang hingewiesen (Gold-
ammerähnlichkeit), auf das fleißige Singen und das Singen von Baumspit-
zen herab. Einigkeit über die Beurteilung des Gesanges bestand auch nicht.
NAUMANN zitierte die von BECHSTEIN vergebenen Gesangessilben (s. u.
bei TsiTsi) und notierte dazu in einer Fußnote: „BOIE vermutet hier eine
Verwechselung mit dem Ortolan und sagt: der Zaunammer sänge mit einem
heuschreckenähnlichen Zirpen Rir - r - r - r!“2753
Dazu passt der Name „Zirbammer“, den der Vogel von BREHM erhalten
hat.2754
Zizi, Tsitsi: „Die Lockstimme dieses Ammers drückt sich durch die Töne: ‚Zi,
zi,zä,zirr!‘ aus, und sein Gesang, der einige Aehnlichkeit mit dem des Gold-
ammers hat, aber weniger melodisch ist, durch die Sylben ‚Zis. zis, zis! Gör,
gör, gör!‘ Durch diese Töne bin ich auf ihn aufmerksam geworden, da ich ihn
sonst immer für einen Goldammer angesehen und nicht geachtet hatte.“2755
Cirlus, Zizi: „Der Cirlus oder Zizi“ sind die Namen in der Überschrift des
Kapitels zur Zaunammer bei BUFFON/OTTO: „Ich nenne diesen Vogel Zizi
wegen seines gewöhnlichen Geschreies, welche dem Goldammer sehr ähnlich
ist.“2756
Zirlammer, Cirl-Ammer, Zirl: Nach WEMBER ist „cirlus“ ein älteres italie-
nisches Wort für eine Ammer. Es sei wahrscheinlich lautmalend aus „zirren“
entstanden, denn der Gesang ist monoton klappernd.2757

2750
HALLE 1760, 387
2751
MÜLLER 1773, 566
2752
HALLE 1760, 387
2753
NAUMANN 1824, 4/ 251
2754
BREHM 1879, 5/ 284
2755
BECHSTEIN 1807, 3/ 295
2756
BUFFON/OTTO 1790, 12/ 287
2757
WEMBER 2005, 159
PASSERES – SINGVÖGEL 467

„Zirlammer“ war KLEINS Name für die Zaunammer, „von der Stimme zi!
zi!“2758
Steinemmerling: Der Name, allerdings auch die Zippammer betreffend,
stammt aus Österreich. „Diese Vögel halten sich vorzüglich in den gebirgich-
ten Gegenden von Italien und Frankreich auf. In Österreich finden sie sich
ebenfalls, und in Kärnten überwintern sie. Auch hier kann angenommen
werden, dass im 18. Jahrhundert, als beide Vogelarten den Namen erhielten,
diese noch nicht immer erfolgreich auseinandergehalten wurden.2759
Zaunemmerling, Waldemmerling, Zaunemmeritze, Waldemmeriz: „Em-
merling“ bedeutet genauso Ammer wie „Emmeritze“ und „Emmeriz“. „Zaun-
emmeritze“ wurde als Kunstname von BECHSTEIN nur selten benutzt.
BOSE hatte daraus „Zaunemmeritz“ gemacht. Der Name erschien immerhin
bei NAUMANN (1824) und C. L. BREHM (1831), sonst aber kaum noch.
Der Name „Waldemmerling“ wurde schon 1741 von FRISCH genutzt, aber
nicht für die Zaun-, sondern für die Grauammer. Für die Grauammer hielt
sich der kaum verwendete Name, bis BREHM ihn für Zaunammer wählte.
Auch „Zaunemmerling“ ist ein Trivialname BREHMS für die Zaunammer.2760
Zaungilberig: Der Name wurde im 19. Jahrhundert vor allem in der Litera-
tur der Schweiz angeführt. Er erschien aber erstmalig bei NAUMANN und
dann offensichtlich nicht mehr in der deutschen Fachliteratur. Der Name
kann als „Zaunammer mit gelber Brust“ gedeutet werden.2761
Frühlingsammer: „Selbst an den nördlichsten Brutplätzen am Ostabfall des
Pfälzerwaldes Stand- und Strichvogel sowie Kurzstreckenzieher.“2762
„Es sind Zugvögel“, schrieb BECHSTEIN 1795.2763 „Er ist ein Zugvogel,
welcher die nördlicheren Gegenden im November (vielleicht noch viel früher)
verläßt, weit südlicher überwintert und im April wiederkehrt“, war NAU-
MANNS Beschreibung noch 30 Jahre später.2764
Es ist nicht bekannt, ob die Zaunammer ihr Zugverhalten geändert hat oder
ob der „Zugvogel“ aus der Wahrnehmung der Bürger entstand. „Frühlings-
ammer“ (der früheste Nachweis des Namens gelang bei MEISNER/SCHINZ
1815) stammt aber aus Zeiten, in denen die Zaunammer als Zugvogel galt.

2758
KLEIN 1760, 170
2759
GOEZE/DONNDORF 1795, 5-1/ 259
2760
BECHSTEIN 1795, 327 und BOSE 1810, 2/ 14 und BREHM 1879, 5/ 284
2761
NAUMANN 1824, 4/ 251
2762
GLUTZ VON BLOTZHEIM/BAUER 1997, 14/ 1505
2763
BECHSTEIN 1795, 326
2764
NAUMANN 1824, 4/ 251
468 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Grauköpfiger Wiesenammering: Der Name, den man in den Werken von


BECHSTEIN für die Zaunammer findet (von NAUMANN übernommen),
wurde in der Literatur sonst für die Zipammer verwendet. BECHSTEIN sel-
ber gab keinen Hinweis auf die Bedeutung des Begriffs. Es gab aber eine
Meinung gegen die Verwendung des Begriffs für die Zaunammer: „Wiesen-
ammer, Wiesenemmeritz sollte man ihn nicht nennen, weil er sich theils nie
auf den Wiesen aufhält, theils mit andern, die ähnliche Namen führen, leicht
verwechselt wird.“2765
Fettammer: KLEIN (1760, 170) nannte den Ortolan „Fettammer“, die
„Zirlammer“ (= Zaunammer) aber auch: „Beym Frisch, Fettammer“. Dazu
schrieb BUFFON: „Er irret sich wenn er den Cirlus Fettammer nennt; durch
welchen Namen Frisch den Ortolan bezeichnet.“2766
Moosbürz: Das Wort, erstmals bei BECHSTEIN zu finden, war danach
durchaus verbreitet. Der Hinweis, es handele sich um ein Synonym für Zaun-
ammer, ergibt nur die Information, dass „Moosbürz“ ein spezifischer Bei-
name war. NAUMANN: „Der Bürzel ist schmutzig olivgrün und die obern
Schwanzdeckfedern grünlichbraun.“ Alle anderen heimischen Ammern ha-
ben keinen solchen Bürzel.2767

Zippammer (Emberiza cia)


„Die preußischen Vogelfänger fangen bisweilen welche von diesen Vögeln,
und haben bemerkt, daß sie, wenn man sie in ein Vogelhaus setzt, darin ver-
schiedene andre Arten von Vögel sind, mit einer merklichen Zuneigung sich
den gewöhnlichen Goldammern nähern; sie scheinen dieselben als Anver-
wandte zu erkennen. Sie haben auch in der That einerlei Geschrei, einerlei
Größe, einerlei Bildung mit den Ammern, und sind von denselben nur durch
einige Gewohnheiten und das Gefieder verschieden.“2768
Zippammer, Zipammer, Ziepammer: Die Zippammer ist nach ihrem kur-
zen scharfen „Tsi“-Ruf benannt, mit dem auch der Gesang beginnt.
Aschgrauer Goldammer: Die Zippammer ist mit 15–16,5 cm Körperlänge
etwa so groß wie die Goldammer. Sie hat eine kontrastreiche Kopfzeichnung
mit dunklem Scheitelseiten-, Augen- und Wangenstreif, dunkel eingerahmte
Ohrdecken und aschgrauer Kehle und Brust.2769 „Ihr Gesang ist sehr mittel-

2765
GOEZE/DONNDORF 1795, 5-1/259
2766
BUFFON/OTTO 1790, 12/ 288
2767
BECHSTEIN 1802, 135 und NAUMANN 1824, 4/ 253
2768
BUFFON/OTTO 1790, 12 /301
2769
SVENSSON et al. 2011, 402
PASSERES – SINGVÖGEL 469

mäßig, und hat Aehnlichkeit mit unsers Goldammers seinem.“ Auch sonst
hätten diese Ammern verschiedene weitere Gemeinsamkeiten mit den Gold-
ammern.2770
Bartammer: SCOPOLI hatte eine Ammer als „Emberiza Barbata“ beschrie-
ben und OTTO hatte diese entsprechend mit „Bärtige Ammer“ übersetzt.
Laut OTTO habe SCOPOLI diese „Art“ später aber als männliche Zippam-
mer erkannt. Der Übersetzer des „Scopoli“, GÜNTHER, hatte den Vogel
dagegen „Der Emmerling mit schwarzen Barth“ genannt. „Er hat einen asch-
grauen und schwarzgefleckten Kopf. Vom Schnabel, gehet ein schwarzer auf-
wärts gebogener Streif, der bis an das Ohr, und äussern Augenwinkel rei-
chet.“2771
Rothammer: Neben dem grauen Kopf und der grauen Brust fällt das rost-
braune Körpergefieder auf.
Narr, Dummer Zirl: „Die Italiener haben diesen Vogel desfalls den Narren
(Stultus) genannt, weil er ohne Unterschied in alle Schlingen geht, und weil
diese Sorglosigkeit für sich selbst und seine Erhaltung sogar bei den Thieren
der größte Beweis der Thorheit ist.“2772 BUFFON nannte den Vogel auch
„Närrische Ammer“. Er hielt „die Thorheit“ für eine Familienkrankheit, die
die Zippammer in „einem höherem Grade besitzt“.
„In Italien heißt er die dumme Zirl, oder der Narr, weil er sich in allen Arten
von Schlingen fängt.“2773
Wiesenammer, Wiesenemmerling: „Disen vogel nennend unsere weidleüt
also von den wisen/ darinn sy wonend.“2774 GESSNERS Name für den Vogel
war „Wisemmeritz“.
BUFFON stimmte dem nicht zu. Er schrieb, er habe „diesen Namen, den er
in Italien führt [Cirlus stultus], beibehalten, um so mehr, da mir der Name
Wiesenammer ihm nicht zuzukommen schien; denn die aufmerksamsten
Vogelfänger und Jäger haben mich einstimmig versichert, daß sie diese soge-
nannte Wiesenammer niemahls in den Wiesen gesehen haben“.2775
„Wiesenemmerling“ bedeutet „Wiesenammer.
Wiesenmerz: BUFFON ordnete seiner Überschrift „Der Zipammer“ den la-
teinischen Namen „Emberiza pratensis“ zu, „deutsch, Wiesemmerz. Wise-Em-

2770
BUFFON/OTTO 1790, 12/ 300
2771
OTTO in: BUFFON/OTTO 1790, 12/ 303 und SCOPOLI/GÜNTHER 1770, 173
2772
BUFFON/OTTO 1790, 12/ 296
2773
GOEZE/DONNDORF 1795, 5-1/259
2774
GESSNER/MILT 1557/ 1980, 29
2775
BUFFON/OTTO 1790, 12/ 298
470 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

meritz; Ceppa. Gesner de avibus p. 655.“2776 Wiesenmerz entstand demnach


aus „Wiesenemmeritz“.
„Emberiza pratensis“ wurde demnach schon 1585/1555 von GESSNER ge-
braucht.2777 SPRINGER zitierte den von GESSNER gebrachten Namen:
„Wisemmerz“. Dieser Name wurde später von HORST zu „Wiesenmertz“
verändert.2778
Zeppa: „Diesen nennen sie am Verbaner See (Lago Maggiore) Ceppa.“2779
Knipper: BUFFON gab „Knipper“ als deutschen Namen für ALDROVAN-
DIS „Hortulanus cinereus“, der auf polnisch „Gluszek“ heiße.2780 Gluszek ist
aber der Auerhahn. Hier ist das knipsende Geräusch, das Auerhähne von sich
geben können, auf die Ammern übertragen worden.
Steinemmerling, Grauköpfiger Wiesenammerling: Beide Begriffe stammen
aus Österreich und sind bei KRAMER zu finden. Die Zippammer brütet
gerne da, wo es steinig ist: Felsige oder lockersteinige Steilhänge, Geröll- und
Blockhalden, auch mit Büschen, Magerweiden mit Lesesteinen usw.2781 (siehe
Steinemmerling bei der Zaunammer).

Ortolan (Emberiza hortulana)


„Von jeher waren diese Vögel unter dem Namen der Ortolane als Leckerbis-
sen bekannt, die man zuweilen mit ungeheuren Preisen bezahlt haben soll.
(Obgleich sie, genau genommen, vor ihren meisten Familienverwandten im
Wohlgeschmacke des Fleisches kaum etwas voraus haben, und ihnen nament-
lich der Zaun- und Zipammer gleich geschätzt werden; – weshalb man denn
auch nicht immer sie allein mit dem Namen Ortolan belegt.) Sie sind die
Miliaria der Römer, von denen sie in Vogelhäusern gemästet wurden. Ein
Mittel, welches man zum Theile auch jetzt noch zur Erhöhung des Genu-
ßes anwendet. In solchen Zimmern nämlich, die man durch Lampenschein
stets gleichmäßig erhellt, und in denen man so den eingesperrten Vögeln jede
Wahrnehmung des Wechsels von Tag und Nacht entzieht, um sie zum im-
merwährenden Verzehren ihrer Nahrung zu bewegen, welche zum Theil aus
Semmel mit Milch und Gewürzen besteht, – nehmen sie in kurzer Zeit bis zu
3 Loth [ca. 50 g], dem Doppelten ihres sonstigen Gewichtes, zu, und erschei-

2776
BUFFON/OTTO 1790, 12/ 296
2777
SPRINGER 2007, 355
2778
GESSNER/HORST 1689, 123b
2779
SPRINGER 2007, 355
2780
BUFFON/OTTO 1790, 12/ 296
2781
KRAMER 1756, 371 und BEZZEL 1993, 703
PASSERES – SINGVÖGEL 471

nen dann mit Fett dick überzogen. In Südeuropa werden sie, leicht in Wasser
aufgewellt, mit Essig und Gewürz eingelegt. Man will die Zahl derer, welche
so allein die Insel Cypern versendet, auf 80–100.000 jährlich berechnen.“2782
Ortolan, Ortulahn, Hortolan: Der Name „Ortolan“ kommt, wie auch die
beiden anderen, vom lateinischen hortus, der Garten. „Hortolan“ geht zurück
auf hortulana, „die vom Garten“ (s. u.).
Der Ortolan wurde im Deutschen lange als Gartenammer bezeichnet. Trotz-
dem wurde aus der „Gartenammer“ ein Wort entwickelt und durchgesetzt,
das völlig anders ist, nämlich „Ortolan“. WEMBER vermutete, dass sich der
Name wegen des schon den Römern bekannten schmackhaften Fleisches
durchgesetzt habe, denn unter gastronomischen Gesichtspunkten klinge „Or-
tolan“ sicherlich günstiger als „Gartenammer“.2783
Die Bezeichnung „Ortolan“ stammt aus dem Italienischen und erschien zu-
erst als Ortolano bei Hochberg 1682. In Italien hat man den Namen wohl
nicht immer konsequent angewendet, was dazu führte, dass man aus Erman-
gelung echter Ortolane andere Ammern jagte, die auch sehr schmackhaftes
Fleisch hatten, und diese dann auch als „Ortolan“ bezeichnete.2784
„Sicher ist weiterhin, daß gelegentlich des früher reichlich betriebenen Vo-
gelhandels aus Italien nach den süddeutschen Gebieten manche Namen von
dort mit herein gekommen sind, so z. B. der Name Ortolano, verdeutscht
Ortolan.“2785
Urtlan, Utlan: Beide Begriffe erscheinen erst in der zweiten Auflage von
BREHMS Tierleben und gehen auf „Ortolan“ zurück.2786
Hortulan, d. i.Gärtner: NAUMANN gab den Namen so an wie er hier steht.
„Hortulanus“ ist der Gärtner. Er hatte den Ausdruck wohl von BECHSTEIN,
der in seinem Ornithologischen Taschenbuch die Ausdrücke „Hortolan“ und
„Gärtner“ aber nicht, wie später NAUMANN, nebeneinander anführte, son-
dern sie durch andere Beinamen trennte. „Gärtner“ dürfte hier zu verstehen
sein als einer, der sich in Gärten aufhält (BECHSTEIN schrieb: Hortolan,
NAUMANN: Hortulan).2787
Fettammer: Durch das Mästen werden sie „in der That so fett wie kein an-
derer Vogel, selbst bis 3 Loth [50 g] schwer, da selbst die fetteste Feldlerche,

2782
GLOGER 1834, 297
2783
WEMBER 2005, 260
2784
GRIMM/GRIMM 1984, 13/ 1365
2785
HOFFMANN 1937, 89
2786
BREHM 1879, 5/ 286
2787
NAUMANN 1824, 4/ 258 und BECHSTEIN 1802, 134
472 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

die doch um vieles größer ist, nicht über 4 Loth [67 g] schwer wird. Alles ist
mit schwefelgelbem Fette dick überzogen, es hängt in Klumpen an den Seiten
der Brust, am Halse, überzieht den Bauch und sitzt auf dem Rücken so dick,
dass es über den Steiss hinab quillt…“ NAUMANN fuhr an anderer Stelle
fort: „Seines sehr zarten, höchst wohlschmeckenden Fleisches wegen, beson-
ders wenn er gemästet und recht fett ist, stand dieser Vogel schon von jeher
im hohen Werte, und ein Ortolanengericht gehörte zu den allerköstlichsten
Leckerbissen.“2788
„Wenn sie wohl [gut] gefüttert werden, sterben sie zuweilen eines plötzlichen
Todes, indem sie in ihrem eigenen Fette ersticken.“2789
Gartenammer, Feldammer: „Den Namen ‚Gartennammer‘ scheint er mir
gar nicht zu verdienen, denn bei seiner Vorliebe für Wasser und dichtes Ge-
büsch möchte er in den Gärten nur auf dem Strich vorkommen … ich habe
ihn deshalb ‚Fettammer‘ genannt, aber ‚hortulana‘, um keine Verwirrung zu
stiften, beibehalten.“2790 Der Ortolan ist auch eine „Feldammer“, denn er
liebt offene, auch bis in höhere Lagen eher sandige und trockene (Kultur-)
Landschaften.2791
Weinvogel: Nach OKEN wird der Vogel in Burgund „Vinette“ genannt, weil
er auch Weintrauben frisst.2792
„Sie kommen nach der Provence herunter, und bis nach Bourgogne hinauf,
vorzüglich in den heißesten Landstrichen, wo es Wein giebt; sie berühren
doch gar nicht die Trauben, sondern fressen die Insekten, welche an den Re-
ben und Weinstöcken laufen.2793
Heckengrünling: Der „Heckengrünling“ ist, „in Ansehung der Farbe“, ein
Bastard mit dem Grünling oder Finken. Er hat einen Schnabel wie die Grau-
ammer, „Sitten, Flug, Stimme und Bau des Nestes kommen mit dem Gold-
ammer gleich“.2794
Eine passende Deutung findet man bei GOEZE/DONNDORF. „Dieser, we-
nigen recht bekannte Vogel, hat einige sehr passende Namen, als Fettammer,
weil er außerordentlich fett wird: Ortulan, von Hortus, Garten, weil er sich
in den Gegenden, wo er angetroffen wird, mehrentheils in den dicken und
hohen Hecken der Kunstgärten aufhält. Er sollte daher eher Hortulan oder

2788
NAUMANN 1824, 4/ 267
2789
KLEIN/REYGER 1760, 92
2790
C. L. BREHM 1822, 3/ 231
2791
BEZZEL 1993, 707
2792
OKEN 1837, 287
2793
BUFFON/OTTO 1790, 12/ 174
2794
BUFFON/OTTO 1790, 12/ 164
PASSERES – SINGVÖGEL 473

Gartenammer heißen. An einigen Orten wird er auch wirklich Heckengrün-


ling genennt.“2795
Grünzling: Der Name galt für Goldammer und Grünfink, weil sie in irgend-
einer Form (Goldammer) Grün im Gefieder haben. Auf den Ortolan trifft das
nur in Bezug auf Bastardierungen zu, wie beim Heckengrünling von BUF-
FON.
„In der Mark, wegen seines grünlichen Rückens, Grünzling, in Thüringen
Grünschling“ (MARTINI 1775). Gemeint ist die Goldammer.2796
Auch hier ist der Grünzling kein Ortolan: „Pallas sagt im III. B. seiner Reise
S. 647. ‚Der Ortolan kommt schon mit den Grünzlingen, Grauammern und
Tannenfinken im September in die Gegend von Zarizyn an die untere Wol-
ga.“2797
Ammerling, Goldammer: „O wie vielen ist schon begegnet/ was da alle Jahre
einem Vogel/ welcher Ammerling genennt wird/ wiederfahret/ dieser ist gantz
gelb/ als thue er gleichsam prangen mit einem Kleid vor lauter Drap d’Or. Im
Sommer gilt fast keiner mehrer/ als der Ammerling/ er fligt/ er hupfft/ von
einem Baum zum andern/ und singt allzeit/ Edel bin ich/ Edel bin ich.“2798
Der Name „Ammerling“, wenn er überhaupt angewendet wurde, galt, wie im
Zitat, der Goldammer, aber auch für den Ortolan. Zwischen beiden wurden
immer wieder Ähnlichkeiten „festgestellt“, z. B. auch, wenn gemästete Gold-
ammern als Ortolane verkauft wurden. Das führte zum Namen „Goldam-
mer“ für den Ortolan – und umgekehrt. Das Zitat, das aus einer Zeit stammt,
als die Ammern noch nicht zuverlässig systematisiert waren, belegt außerdem,
dass der Name „Ammerling“ nicht erst um 1800 entstanden ist.
Sommerammer, Sommerortolan: „Sommerammer“ findet man beim Vater
von NAUMANN, Johann Andreas NAUMANN. NAUMANN selber mach-
te aus dem Wort noch den „Sommerortolan“. Die Ausdrücke weisen auf den
Ortolan als Zugvogel hin.2799 Es gab aber auch den „Winterortolan“, der ein
Name der Grauammer war.
Windsche: BUFFON/OTTO wiesen auf einen ähnlichen Namen bei GAT-
TERER (1782) hin, der die Deutung erleichtert: „Windsche Goldammer.“
Windsche kann mit „wendisch(e)“ übersetzt werden. „Wendisch“, slawisch,

2795
GOEZE/DONNDORF 1795, 5-1/ 140
2796
MARTINI 1775, 2/371
2797
GOEZE/DONNDORF 1795, 5-1/ 242
2798
A SANCTA CLARA, GEISTL. KRAMERLADEN 1710, 44
2799
J. A. NAUMANN 1796, 1-2/ 6
474 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

weist auf den Südosten Europas hin, wo man den Ortolan regelmäßig an-
trifft.2800

Grauortolan (Emberiza caesia)


„Der Grauortolan ist ein Charaktervogel der Phrygana, einer niedrigen, von
sperrigen Zwerg- und dichten, meist dornigen oder stacheligen (wegen stän-
digen Viehverbisses häufig halbkugelförmigen) Halbsträuchern beherrschten,
sehr offenen und manchmal bis auf verstreute Vegetationshorste und - inseln
reduzierten xeromorphen [gegen Austrocknung geschützten] ‚Heide‘ trocken-
heißer flacher Lehnen bis steiler Hänge, in der der geringe Deckungsgrad der
Vegetation überall Flächen des kargen Substrates aus blankem Fels, Schutt
oder steinigem Rohboden frei läßt.“2801
Rostammer: Der Grauortolan wurde 1827 von CRETZSCHMAR beschrie-
ben. Sein heutiger Name begann sich aber erst Mitte des 20. Jahrhunderts.
durchzusetzen. Bis dahin war der Vogel eine „Rostammer“, die vor BREHM
(1879) kaum in der Literatur zu finden war. „Im südöstlichen Europa, zumal
in Griechenland, ebenso in Kleinasien, Palästina, Westasien und Nordafrika
gesellt sich ihm [Ortolan] der, auch in Süddeutschland und auf Helgoland er-
legte, Rostammer ( Emberiza caesia, …), welcher sich von ihm, seinem nächs-
ten Verwandten, durch grauen Kopf und graue Kopfquerbinde, blaß zimme-
trothe Kehle, dunkel zimmetrothe Unterseite, kleinere weiße Endflecke der
äußeren Schwanzfedern und korallrothen Schnabel unterscheidet.“2802

Rohrammer (Emberiza schoeniclus)


„Dieser kleine Vogel ist fast immer wachsam, um seinen Feind zu entde-
cken, und sobald er einige Jäger gewahr wird, erhebet er ein Geschrei, wel-
ches er ohne Aufhören wiederholet, und welches nicht nur ihnen widerlich
ist, sondern auch zuweilen dem Wildpret eine Warnung ist, sich bei Zeiten
zu verbergen. Ich habe sehr ungeduldige Jäger über dieses Geschrei gesehen,
welches dem Sperling seinem gleichet. Der Rohrammer hat sonst einen sehr
angenehmen Gesang im Mai-Monath, welches die Brütezeit ist.“2803

2800
BUFFON/OTTO 1790, 12/ 168 und GATTERER 1782, 2/ 403
2801
GLUTZ VON BLOTZHEIM/BAUER 1997, 14/ 1636
2802
BREHM 1879, 5/ 287
2803
BUFFON/OTTO 1790, 12/ 199
PASSERES – SINGVÖGEL 475

Rohrammer, Rohrammerling: Die Rohrammer hat den Namen nach ihrem


Lebensraum. Sie brütet in Schilfgebieten, hohen Binsenbeständen oder Ge-
büschen auf feuchtem Untergrund.2804
Rohrsperling, Rohrspatz, Rohrspaarling, Rohrspar, Rohrspatzlin, Ried-
sperling, Reithsperling, Schilfsperling: „Es ist ein munterer, angenehm ge-
stalteter, netter Vogel, der in der Färbung seines Gefieders einige Ähnlichkeit
mit den Sperlingen hat, daher häufig Rohrsperling heisst, aber sonst im Be-
tragen diesen nicht ähnelt.“2805
Nach SUOLAHTI ist die Rohrammer meist unter einem „Rohrsperling“-
Namen bekannt gewesen. Man habe sie sogar mit den Rohrsängern den Sper-
lingen zugeordnet.2806 Diese Zuordnung ist schon sehr alt. GESSNER hatte
„Rorspar“ als schweizerisch bezeichnet. „Rhorspatz“ findet man im Straßbur-
ger Vogelbuch (1554) und auch „Riedspatz“ stamme aus dem Elsass.2807 Auf das
mnd. „rôrsperling“ folgte „Rhorsperling“ (1552 bei EBER und PEUCER).
„Rohr“-, „Ried“-, „Reith“- und „Schilf“- beziehen sich auf den Lebensraum,
auf den der Vogel überwiegend angewiesen ist.
Die Rohrammer sei „als lauter Vogel bekannt, daher sprichwörtlich: Er
schimpft wie ein Rohrsperling“.2808
Die Stimme „klingt ganz eigenthümlich, als ob es ihm ordentlich sauer wür-
de, die einzelnen Sylben hervorzustoßen, und erlangt so Ähnlichkeit mit der
vorm Zorne halb erstickten Stimme eines Scheltenden. Besonders wenn sich
Jemand ihrem Aufenthaltsorte nähert, sollen sie ein sperlingsartiges Geschrei
erheben“.2809
Sperlingsammer: „Dieser bekannte Vogel variiert nach Alter und Geschlecht,
besonders nach den Jahreszeiten, so ausserordentlich, dass man früher diese
Art in zwei verschiedene trennen zu müssen glaubte. Man unterschied die
jüngeren Vögel, auch wohl die alten im Winterkleide, als Art von den übrigen
unter der Benennung: Sperlingsammer, E. passerina PALL. GMEL. u.s.w.,
jedoch mit Unrecht.“2810 Dem widersprach KLEINSCHMIDT: „Der Name
‚Emberiza passerina PALL.‘ (1771 …) bezieht sich aber auf das betreffende

2804
SVENSSON et al. 2011, 392
2805
NAUMANN 1824, 4/ 280
2806
SUOLAHTI 1909, 108
2807
Straßburger Vogelbuch 1554, V. 533
2808
GRIMM/GRIMM 1984, 14/ 1133
2809
MEDICUS 1867, 200
2810
NAUMANN 1824, 4/ 280
476 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Kleid des kleineren lichteren sibirischen Rohrammers und ist deshalb nicht
synonym mit ‚Emberiza schoeniclus (L.)‘.“2811
Moosemmerling, Mosemmerling: „In einigen Gegenden ein Nahme des
Rohrsperlinges, weil er sich gerne in Moosen, d. i. Morästen, aufzuhalten
pflegt.“2812 Unter „Moß-Emmerling/ oder Rohr-Sperling“ findet man die
Rohrammer im ersten Vorläufer der Angenehmen Landlust von PERNAU. In
Unterricht … von 1702 schrieb er: „Dieser Vogel hält sich den gantzen Som-
mer in dem Moß/ wo Schilf wächste und sumpffigte Wiesen sind/ auf/ und
kommet den Leuten wenig ins Gesicht/ ausser wann er im Herbst/ zwar nur
einzlig/auf die Fincken-Heerd einfället.“2813
Mossperling: „Eine Art Sperlinge, welche sich in morastigen und sumpfigen
mit Rohr bewachsenen Gegenden aufhalten, und daher auch Riethsperlinge
und Rohrsperlinge genannt werden. In den gemeinen Sprecharten, besonders
Oberdeutschlandes, wird dieses Wort in Muschelsperling, Muschelnischel
und Mutschelsperling verderbt.“2814
Riedmeise: Bei der Aufzählung der Namen des Vogels in den verschiedenen
Sprachen notierten BUFFON/OTTO für Deutsch, ‚reidmeuss‘ nach Turner;
in der Schweitz ‚Riedt-meiss‘. Letztere beide Namen kommen eigentlich der
Sumpfmeise zu.2815
Wassersperling: ALDROVANDI habe festgestellt, dass der in Bologna ‚Pas-
ser aquatico‘ (Wassersperling) genannte Vogel von dem ‚Reed-sparrow‘ der
Engländer verschieden sei, da er einen längeren Schnabel, braunes Gefieder
und eine weiße Brust habe und auch größer sei.2816
Unabhängig davon wird der „Wasserspatz“ in den Trivialnamensübersichten
immer wieder erwähnt.
Leps, Rohrleps, Rohrleschspatz: Die Ausdrücke bedeuten „Spatz“ und
„Rohrspatz“. Das niederdeutsche Wort „Leps“ könnte abgeleitet sein aus „Le-
pigkeit“, was „Schalkheit“ bedeutet Das passt zu den Spatzen. „Rohrleps“ und
„Rohrleschspatz“ bedeuten jeweils „Rohrspatz“.2817
Dieser „Leps“ stammt von OKEN, der den Namen vom Haussperling auf die
Rohrammer („Rohrspatz“) übertragen hat.2818

2811
KLEINSCHMIDT in: NAUMANN/HENNICKE 1900, 3/ 212
2812
ADELUNG 1798, 3/ 278
2813
PERNAU 1702, 67
2814
ADELUNG 1798, 3/ 279
2815
BUFFON/OTTO 1790, 12, 191
2816
BUFFON/OTTO 1790, 12 /192
2817
BÖNING 1984, 64
2818
OKEN 1816, 417
PASSERES – SINGVÖGEL 477

Meerspatz: Dieser Name wird bei den Verfassern der verschiedenen Fachbü-
cher oft genannt und ist so gut wie immer an die Rohrammer gebunden. Er
erschien schon 1756 bei KRAMER. Für die am Seeufer lebende Rohrammer
bedeutet das, dass „Rohrspatz, -sperling“, „Wassersperling“ und „Meerspatz“
gleichbedeutend sind.2819
Schilfschwätzer, Schilfvogel: Als „Schilfschmätzer“ wurden neben der Rohr-
ammer die Rohrsänger bezeichnet. Daraus entstand der „Schilfschwätzer“,
der erst relativ spät in die Literatur übernommen wurde. Früher als bei GOE-
ZE/DONNDORF (1795) konnte er nicht nachgewiesen werden.
Der Vogel lebt – daher „Schilfvogel“ – in Schilf und singt dort, wobei im Na-
men das Wort „geschwätzig“ enthalten ist, das auf die häufig singende Rohr-
ammer zutrifft.2820
Roter Ammer: „Am Halß und Rücken ist er grau, mit braunen Streiffen, fast
als der Feld-Spatze, wie er dann auch, als dieser, an den Flügeln etwas röthli-
ches mit Weisem hat.“2821
„Der Kopf ist schwarz und hin und wieder röthlich bespritzt … Der Hinter-
hals ist aschgrau röthlich überlaufen … Der Oberrücken und die Schulter-
federn schwarz, rostfarbig und weiß gefleckt; der Unterrücken und die mit-
telmäßigen obern Deckfedern des Schwanzes abwechselnd grau und gelbrö-
thlich.“ Junge Männchen seien im Herbst am Scheitel rostfarben und grau
gesprenkelt.2822 BECHSTEIN führte noch weitere Bespiele rötlich, rostfarben
usw. an.
Schiebichen, Schiebchen: NAUMANNS Vater, Johann Andreas NAU-
MANN, benannte die Rohrammer 1796 mit dem Leitnamen als „Schiebi-
chen“. Diese Wörter bedeuten aber außerdem „Holunder“ ( Sambucus race-
mosa). Holundersträucher wachsen zahlreich an den Reetuferzonen von Seen.
J. A. NAUMANN hat keinen Hinweis auf eine Verbindung gegeben. Besteht
zwischen den schwarzen Beeren und dem schwarzen Vogelkopf ein Zusam-
menhang? Eine Antwort muss (noch) ausbleiben, obwohl die Namen – mehr
für den Holunder als für den Vogel – weit verbreitet waren.2823

2819
KRAMER 1756, 371
2820
GOEZE/DONNDORF 1795, 5-1/ 147
2821
ZORN 1743, 429
2822
BECHSTEIN 1795, 316
2823
J. A. NAUMANN 1796, 1-Teil 2/ 67
478 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Zwergammer (Emberiza pusilla)


Die Zwergammer brütet im äußersten Nordosten Europas in der weiten Tai-
gazone mit Mischwald aus Koniferen und Birken sowie an offenen Stellen des
Nadelwaldes. Nur selten überwintern einzelne Zwergammern im westlichen
Europa. Die Zwergammer ist ein Herbstdurchzügler und ist selten an den
Küsten Nordwesteuropas und auf Inseln, noch seltener im Binnenland auf
Flächen mit Wildkräutern anzutreffen (versch. Qu.).
Zwergammer: Die Zwergammer wurde 1776 von PALLAS als „Emberiza
pusilla“ beschrieben. Diese Vögel sind mit 12–13,5 cm Länge die kleinsten
Ammern in Europa. Die Männchen haben im Prachtkleid einen rotbraunen
Kopf mit schwarzem Scheitelseitenstreif und weißem Augenring. Zwergam-
mern haben eine braune, schwarz gestreifte Oberseite.2824
Lesbische Ammer: Sie ist wild „und schreit bei Erblickung eines Raubvogels.
Die Griechen auf der Insel Lesbos oder jetzigen Metelin hielten sie daher in
Kefigen als Wächter der Höfe“.2825
Man kenne weder die Lebensart noch die Fortpflanzung, schrieb C. L.
BREHM, als er „Lesbische Ammer, Emberiza lesbia“ als Hauptnamen für die
Art brachte. Der lateinische Ausdruck „Emberiza lesbia“ stammt von GME-
LIN.2826

Gelbbrauenammer (Emberiza chrysophrys)


Die Gelbbrauenammer brütet in Ostsibirien und überwintert in Zentral- und
Südchina. Die Männchen kommen im Frühjahr vor den Weibchen in den
Brutgebieten an und besetzen sogleich ein Revier. Sie verhalten sich während
dieser Zeit ausgesprochen territorial und verteidigen ihr Revier gegenüber
Artgenossen und Eindringlingen. Zu den Drohgebärden gehört lautstarker
Gesang von einer exponierten Ansitzwarte aus.
Die Gelbbrauenammer gehört zu den nicht bedrohten Vogelarten. Das globale
Verbreitungsgebiet der Populationen erstreckt sich auf geschätzte 10.000.000
Quadratkilometer. In weiten Teilen dieses großen Areals ist sie meist häufig
anzutreffen (versch. Qu.).
Goldbrauenammer, Goldbrauige Ammer: Der 1776 von PALLAS beschrie-
bene Vogel ist in Mitteleuropa eine extrem seltene Ausnahmeerscheinung aus

2824
SVENSSON et al. 2011, 392
2825
SUCKOW 1801, 2/ 885
2826
C. L. BREHM 1823, 213
PASSERES – SINGVÖGEL 479

Ostsibirien. Nur wenige Vögel werden im September/Oktober beobachtet.


Die Männchen haben im Prachtkleid einen leuchtend gelben Überaugenstreif
und einen schwarzen Scheitel mit einem schmalen weißen Scheitelstreif.2827

Waldammer (Emberiza rustica)


Waldammern mit stark bebrüteten Eiern und Nestlingen zeigen ein intensives
Verleiteverhalten. Folgt ihnen der Eindringling nicht, kehrt der verleitende
Vogel zurück, simuliert zu Füßen des Beobachters einen Zusammenbruch
und versucht ihn erneut wegzuführen. Sehr aufgeregte Ammern laufen auch
Äste entlang oder gleiten mit weit gespreiztem Schwanz abwärts. Manche
Paare verleiten noch, wenn ihre Jungen bereits flugfähig sind.2828
Waldammer, Nordische Ammer: Die Waldammer ist 1776 von PALLAS be-
schrieben worden. Der Zugvogel kommt in den nördlichen Regionen Euro-
pas und Asiens vor. Ihr Verbreitungsgebiet ist der Taiga- und Waldtundren-
gürtel von Skandinavien bis zur Beringstraße. Zumeist ist die Waldammer in
der Nähe eines Gewässers anzutreffen. Als Brutgebiete dienen daher feuchte
Nadelwälder, aber auch Sumpfgebiete der offenen Taiga, lichter Wälder oder
Hochmoore. Die Überwinterungsgebiete liegen im südlichen Ostasien, wo
man die Waldammer in Ostchina bis nach Japan findet (versch. Qu.).

Kappenammer (Emberiza melanocephala)


„Auch der Kappenammer wird den deutschen Vögeln zugezählt, weil er wie-
derholt bei Triest und selbst weiter im Innern Deutschlands gefunden worden
ist; doch gehört er hier überall zu den großen Seltenheiten. Einzelne Verflo-
gene sollen bei Leipzig erlegt worden sein; dieser Angabe fehlt jedoch die
nötige Bestimmtheit. Der Vogel erscheint in Griechenland als Zugvogel Ende
Aprils und zieht im August wieder weg. Wenige Tage nach seinem Abgange
aus Europa erscheint er in Dekan und in den obern Provinzen von Hindostan
[heute Indien], schlägt sich zu ungeheuren Flügen zusammen, welche große
Verwüstungen in den Getreidefeldern anrichten, und verläßt das Land im
März dann wieder. An einem heitern Frühlingsmorgen sind in Griechenland
oft alle Hecken am Meerufer von ihm bedeckt, während Tags vorher noch
keiner zu sehen war.“2829

2827
SVENSSON et al. 2011, 392
2828
GLUTZ VON BLOTZHEIM/BAUER 1997, 14/ 1674
2829
BREHM 1866, 250
480 Die Bedeutung historischer Vogelnamen – Singvögel

Kappenammer, Schwarzköpfige Ammer, Schwarzkopfige Ammer,


Schwarzkopfiger Ammer: Die Kappenammer lebt in Südosteuropa und
um das Schwarze Meer. Sie brütet in offenen trockenen Busch-, Wein- oder
Obstgebieten und Feldlandschaften. Den Namen hat der Vogel wegen einer
schwarzen Kappe beim Männchen, die von einer gelben Kehle und einem
gelben Nackenband begrenzt wird. C. L. BREHM hielt den Namen des 1769
von SCOPOLI beschriebenen Vogels nicht für passend, weil auch andere
Ammern einen schwarzen Kopf haben. „Doch erregt das Namenverändern
so leicht Verwirrung, daß man nur nothgedrungen dazu schreiten muß.“2830
Schwarzköpfiger Goldammer: Eine Verwechslungsgefahr mit der Goldam-
mer besteht weniger. Der Name entstand aber auch bei dieser „Goldammer“
wegen der leuchtend gelben, goldfarbigen Brust.
Schwarzkappige Merle, Schwarzkappiger Ammer: Nach C. L. BREHM
hatte ein Herr Güldenstern, dem sich Dr. Kaulfuß aus Halle anschloss, den
Vogel „Tanagra melanictera“ genannt, „rechnete ihn also unter die Merlen
( Tanagra)“. BREHM stimmte dem nicht zu, denn mit der amerikanischen
Drosselgattung Tanagra habe die Kappenammmer so gut wie keine Gemein-
samkeiten.2831
„Dieser schöne südliche Vogel ist, seiner Gestalt und seinem Betragen nach,
ein wahrer Ammer, und weder eine Tanagra, noch sonst zu einer andern Gat-
tung gehörig. Sein Habitus und die Form des Schnabels sind ammerartig,
denn dieser hat wirklich den Gaumenhöcker, obwohl etwas klein, doch noch
deutlich genug, vor der Spitze aber auch einen kleinen Ausschnitt, wie ihn die
Gattung Tanagra hat. Dadurch steht er also gewissermaßen zwischen dieser
und der Gattung Emberiza mitten inne.“2832
An anderer Stelle schrieb NAUMANN, dass Merula und Merle immer einen
drosselartigen Vogel bezeichneten „und man that daher sehr Unrecht, dass
man vor einiger Zeit ‚Tanagra‘, französisch ‚Tangara‘, [mit] Merle übersetzte,
da doch die mit diesem Namen bezeichnete amerikanische Drosselgattung
gar nichts Drosselartiges hat“.2833
NAUMANN brachte dann auch zu dem nicht von ihm stammenden Bei-
namen „Schwarzkappige Merle“ mit seiner Konstruktion „Schwarzkappiger
Ammer“ eine Art Richtigstellung.2834

2830
C. L. BREHM 1820, 1/7 70
2831
C. L. BREHM 1820, 1/ 770
2832
NAUMANN 1824, 4/ 227
2833
NAUMANN 1822, 2/ 341
2834
NAUMANN 1824, 4/ 227
PASSERES – SINGVÖGEL 481

Ortolankönig, Prachtammer, Königsammer: „Ortolankönig, Pracht- oder


Kappenammer“ waren die Namen, die BREHM dem Vogel gab. Der farben-
prächtige „Ortolankönig“ ist der „König“, der „Pracht“-Ammer wegen (u. a.)
seines schwarzen Kopfes und seines kräftigen Gold-Gelbs des Brust- und
Bauchgefieders, mit denen er im Aussehen den ebenfalls sehr schönen und
nur wenig kleineren Ortolan übertrifft.2835

Weidenammer (Emberiza aureola)


In den Nachträgen zu seiner Naturgeschichte schilderte NAUMANN, was
man damals über die Verbreitung des Vogels, der 1773 von PALLAS beschrie-
ben worden ist, wusste. „Der Weiden-Ammer bewohnt den Nordosten der
alten Welt. Für das nördliche Rußland scheint die Dwina die Westgrenze sei-
ner massenhaften Verbreitung zu sein, obwohl er einzeln bis zum Onega und
Ladoga vorkommt. Nach Süden scheint er nicht über den 50. Breitengrad
herabzugehen. In Sibirien soll er südlicher vorkommen und ist an der Ostküs-
te am Kamtschatka-Flusse … sogar häufig. Er hält sich gern in der Nähe der
Flußufer auf, besonders wenn sie mit Weidengebüsch und kurzem Gesträuch
bewachsen sind, oder fruchtbare Wiesen haben.“2836
Weidenammer: Etwas später fuhr NAUMANN fort: „Es fehlt noch an ein-
gehenden Lebensbeobachtungen. Auf der eben genannten Insel [einer frucht-
baren Heuinsel im Dwina-Fluß] ließen die schön gefiederten Männchen von
den Spitzen der auf einer Wiese einzeln stehenden Weidensträucher ihren
einfachen aber angenehmen, herrlich flötenden Gesang fleißig hören, und
zeigten sich nicht besonders scheu.“
Nach heutigem Wissen bevorzugt die Weidenammer Wiesen mit Büschen,
oft am Wasser. Sie brütet von Mittelfinnland über Nordrussland bis nach
Sibirien und überwintert in Südostasien, Indien und Südchina. Einige Vögel
verirren sich regelmäßig auch nach Westeuropa. In Deutschland werden sie
meistens auf Helgoland gesehen (o. Qu.).
Goldkehlige Ammer: Die Männchen sind im Prachtkleid vom Scheitel bis
zum Bürzel rotbraun. Der Schnabel ist umrundet von Schwarz bis Schwarz-
braun, beginnend an der Stirn, weiter an den Kopfseiten bis hinter die Augen
bis unter den Schnabel. Die gelbe Brust ist von dem gelben Unter-Kehl-Be-
reich, daher „goldkehlig“, durch ein schwarz-schwarzbraunes Band getrennt.

2835
BREHM 1866, 2/ 49
2836
NAUMANN 1860, 13/ 169
Literaturverzeichnis

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Winckell GFD aus dem (1822) Handbuch für Jäger, Jagdberechtigte und
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