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Esoterik

Der Begriff Esoterik stammt aus dem altgriechischen esoterikós, was "innerlich" oder "nach innen
gerichtet" bedeutet und bezeichnete zunächst geheime Lehren. Die heutige Bedeutung deckt sich
weitgehend mit dem moderneren Begriff New Age oder neuer Okkultismus.[1] Der Begriff Esoterik
bezeichnete früher Riten und Gebräuche innerhalb geschlossener Kultverbände, die Außenstehenden
weitgehend verborgen blieben und vor diesen geheim gehalten wurden. Er steht heute für eine große Zahl
recht unterschiedlicher Lehren und Weltanschauungen, denen Annahmen zugrunde liegen, nach denen
eine wissenschaftliche, rationale Beschreibung der Welt unmöglich sei. Dem entsprechend haben
esoterische Lehren eines gemeinsam: Sie sind nicht überprüf- oder falsifizierbar, werden aber mit
Absolutheitsanspruch vertreten. Eine einheitliche und von allen Seiten anerkannte Esoteriklehre gibt es
nicht und wird in der Szene auch nicht angestrebt.
Inhaltsverzeichnis
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 1 Allgemeines
 2 Ersatzreligion
 3 Subjektivierung der Natur
 4 Sprache der Esoterik
 5 Gegenwart
 6 Nationalsozialismus und rechtsgerichtete Gruppierungen der Gegenwart
 7 Beispiele esoterischer Lehren
 8 Esoterik im Gesundheitsbereich
 9 Esoterik- und Heilersucht
 10 Zitate
 11 Anderssprachige Psiram-Artikel
 12 Literatur
 13 Weblinks
 14 Quellennachweis
Allgemeines
Mit Bezeichnungen wie Esoterik, New Age und Okkultismus werden besondere, nicht-religiöse
Erkenntniswege und Handlungsformen zusammengefasst, in denen die Rolle der individuellen, subjektiven,
oft außergewöhnlichen Erfahrung betont wird, die sich einer rationalen Mitteilbarkeit und vor allem einer
intersubjektiven Überprüfbarkeit entzieht. Die Esoterik geht von bestimmten spirituellen Eigenschaften des
Einzelnen aus, deren Beschreibungen in den allermeisten Fällen als nicht wissenschaftlich falsifizierbare
Äußerungen zu verstehen sind. Dennoch wird manchmal auch von Vertretern esoterischer Lehren ein
Anspruch auf wissenschaftliche Überprüfbarkeit bei einzelnen Fragen erhoben, was in der Regel
zu pseudowissenschaftlichen Argumentationsversuchen führt. Ein auffälliges Merkmal bei Esoterikern ist
außerdem der unreflektierte Gebrauch von Wörtern und Begriffen, die aus anderen Wissensgebieten
entlehnt werden, häufig aus den Naturwissenschaften.
Ein verbindendes Element vieler esoterischer Lehren ist der Anspruch auf die Wahrheit zu Schlüsselfragen
der Menschheit. Sie behaupten ein Wissen um "höhere Mächte", um Vergangenheit und Zukunft der
Menschheit, und enthalten Versprechungen zu Aufstiegen in höhere Sphären oder zu höheren
Erkenntnissen, die aber Nichteingeweihten verwehrt bleiben.[2] Nebenbei stellt diese Beschränkung von
Wissen auf Eingeweihte das genaue Gegenteil eines wichtigen Prinzips von Wissenschaft dar: Dort steht
eine gute Idee grundsätzlich allen Menschen zur Verfügung und nicht nur einem erlesenen Kreis.
Die Esoterik bezieht einen Teil ihrer Verführungskraft aus narzisstischen Bedürfnissen: Wer will schon nur
ein Lidschlag der Evolution oder ein "Nanopartikel" in einem unbegreiflichen und unendlichen Universum
sein, wenn er beispielsweise seine Geburt und sein Schicksal als mit kosmischer Bedeutung aufgeladenes
Einzelereignis interpretieren kann? Sorgen um eine prinzipiell nicht vorhersagbare Zukunft rufen nach einer
höheren Instanz, die sagt, wo es langgehen soll. Ein weiterer Teil der Anziehungskraft mag daher kommen,
dass die Welt schwer zu verstehen ist und etablierte Wissenschaften kompliziert und anstrengend sind.
Eine Beschäftigung mit Esoterik kann einem dagegen den schmeichelhaften Eindruck vermitteln, alles zu
verstehen, zu durchschauen und mit Sinn versehen zu können.[3]
Die menschliche Seele wird häufig als unsterblich bezeichnet, das Schicksal des Einzelnen als
vorbestimmt. In esoterischen Praktiken und Lehren konzentriert sich die Sehnsucht vieler Menschen nach
etwas Geheimnisvollem, das sich hinter der banalen materiellen Welt verberge. Eine Kommunikation mit
andern Menschen oder gar mit "höheren Wesen" oder mit Verstorbenen z.B. sei auch auf Wegen möglich,
die zusätzliche "Kanäle" zu den fünf Sinnen des Menschen voraussetzen. Solche Phänomene stellen für
Esoteriker kein logisches Problem dar, da die bekannten Naturgesetze ja aus ihrer Sicht zu beschränkt zur
Erklärung der Welt sind.
Insgesamt fällt eine schwache Institutionalisierung im Esoterikbereich auf.[4]

Ersatzreligion
Nicht nur evidenzbasiertes, wissenschaftliches Denken, auch die herkömmlichen Religionen werden in der
Esoterik als ungenügend zur Erklärung der Welt angesehen. Esoterische Lehren wurden in der
Vergangenheit auch als "Ersatzreligionen"[5] oder "säkularistische Ersatzreligion" zu den europäischen
Großkirchen angesehen.

Subjektivierung der Natur


Die "Psychisierung" oder Subjektivierung der Natur beispielsweise als Mutter Erde oder Gaia ist ein
weiteres Merkmal vieler esoterischer Vorstellungen.[6]

Sprache der Esoterik


Die Esoterik bedient sich eines eigenen Wortschatzes. So gibt es Begriffsfindungen wie kosmisches
Bewusstsein, Paradigmenwechsel, Transformation oder Wassermannzeitalter. Den einzelnen Begriffen
fehlt jedoch eine exakte Definition. Man kann es sogar als ein wesentliches Merkmal der Esoterik ansehen,
dass klare Definitionen vermieden werden. Teilweise werden Wörter aus den Naturwissenschaften entlehnt
und mit neuer, aber eben unklar gehaltener Bedeutung eingeführt. Es wird nicht gesagt, was
mit Quanten, Energie oder Schwingung gemeint ist, oder wenn, dann durch Scheinerklärungen mit
ebenfalls diffus gehaltenen Begriffen, was esoterischen Darstellungen häufig den Vorwurf der "Schwurbelei"
einbringt.
Das schwammige Vokabular der Esoterik erschwert das Verständnis für esoterische Zusammenhänge,
ermöglicht den Anhängern jedoch, ihre Lehrgebäude fast nach Belieben gegen Kritik oder überhaupt gegen
"außen" zu immunisieren. Es ist auch deshalb erwünscht, weil es das angenehme Gefühl vermitteln kann,
sich mit Gleichgesinnten zu verstehen. In diesem Zusammenhang ist zu beobachten, dass Konsumenten
esoterischer Angebote meist unkritisch sind. Das Einfordern von Erklärungen beispielsweise würde den
Wohlfühleffekt ja auch empfindlich stören, weil man sich damit praktisch selbst aus dem Kreis der
"Wissenden" ausgrenzt.

Gegenwart
Die heutige Ausprägung der Esoterik erreichte Deutschland einmal gegen Ende des 19. Jahrhunderts und
dann vor allem ab den 1970er Jahren. Sie hat eine große wirtschaftliche Bedeutung erlangt
(siehe: Esoterikmarkt) und damit auch Personen erreicht, die ursprünglich nicht die Zielgruppe waren. Im
Gegensatz zu früher ist heute jeder ein potenzieller Kunde esoterischer Produkte und Dienstleistungen.
Faktisch sind esoterische Lehren also keine Geheimlehren mehr, dennoch macht der Anschein eines
"höheren" Wissens, mit dem man sich von anderen absetzen kann, einen großen Teil ihrer Attraktivität aus.
Eine große Zahl von esoterischen Autoren, Beratern und Heilern setzt Jahr für Jahr allein in Deutschland
Milliarden Euro um. Millionen von Menschen suchen auf esoterischem Weg eine Lösung bei
Alltagsproblemen oder Lebenskrisen, obwohl die Wirksamkeit der Angebote zumeist im besten Fall
unbekannt ist. Anbieter wissen oftmals selbst nichts über die Einzelheiten oder die Geschichte ihrer
esoterischen Lehre: Sie ist zur Ware geworden wie andere Konsumgüter. Entsprechend wechseln auch die
Vorlieben der Anhänger der Esoterik. Wenn eine Praktik versagt oder langweilig wird, wird sie gegen eine
andere ausgetauscht.
Die Esoterik bietet eine individuelle Möglichkeit, sich von der Masse der Menschen abzusetzen, sich selbst
als Wissender "höherer Erkenntnisse" zu sehen, sich aber gleichzeitig der persönlichen Verantwortung zu
entledigen. Ihre Anhänger können dazu im Rahmen esoterischer Lehren angehalten werden, alle
Ereignisse der Welt, auch Erscheinungen wie soziale Ungerechtigkeiten und Rassismus, als richtig und
gegeben hinzunehmen. In diesem Sinne kann der esoterische Irrationalismus durchaus systemstützend
wirken. Der Mensch kann unter dem schwammigen Schlagwort einer "Ganzheitlichkeit" im esoterischen
Sinne seiner individuellen Freiheit beraubt werden. Er kann dazu angehalten werden, seine Lebenssituation
oder die anderer Menschen als kosmisch vorgeschrieben oder gewollt anzusehen (siehe: Karma).

Nationalsozialismus und rechtsgerichtete Gruppierungen der


Gegenwart
Ein besonderes Kapitel ist die Esoterik im Nationalsozialismus und der heutigen "braunen Esoterik". In der
Tat zeigen sich heute Bezüge zwischen Esoterik und der extremen Rechten in Deutschland, aber auch im
Ausland. Nach Ansicht von Barth hat die esoterische Bewegung Positionen, welche bis vor zehn Jahren als
Rechtsaußen galten, zu breiter Akzeptanz verholfen. Insbesondere in der Verharmlosung der Verbrechen
des deutschen Faschismus ist ihr eine Vorreiterrolle zuzurechnen.[7] So ist es in solchen Kreisen nicht
unüblich, den Holocaust als unausweichliche Folge des jüdischen Karmas zu erklären.
Es gibt jedoch auch Überschneidungen von Esoterik und links-alternativem Milieu, wie z.B.
im Veganismus und Ökologismus.

Beispiele esoterischer Lehren


Als Beispiele für typische esoterische Weltanschauungen können die Astrologie, die neopagane Bedeutung
des Schamanismus, die Theosophie und die Anthroposophie von Rudolf Steiner angesehen werden.
Weitere Beispiele für aktuelle esoterische Lehren sind der Breatharianismus (Lichtfasten) und die indigene
Spiritualität.

Esoterik im Gesundheitsbereich
Viele alternativmedizinische Angebote sind esoterisch beeinflusst. Ein typischer Exponent dieser Szene
ist Rüdiger Dahlke, der selbst davon spricht, "esoterische Medizin" auszuüben.[8] Esoterische
Grundannahmen scheinen bei fehlenden Wirksamkeitsnachweisen unentbehrlich zu sein, um das
entsprechende Angebot attraktiv zu gestalten und gegen herkömmliche Therapieangebote abzugrenzen
und in Schutz zu nehmen. Die ungenau und unterschiedlich definierten Begriffe der heutigen Esoterik
lassen sachliche Kritik an entsprechenden Heilverfahren scheinbar ins Leere laufen.
Übergänge zu solchen alternativmedizinischen Angeboten, die durchaus den Anspruch erheben, auf
wissenschaftlichem Boden zu stehen, sind fließend: Esoterische Elemente finden sich auch in
Beschreibungen von pseudomedizinischen Verfahren
wie Energiemedizin, Quantenmedizin, Bioresonanz und so weiter. Das betrifft beispielsweise die
Vermeidung von sauberen Begriffserklärungen.
Im esoterisch beeinflussten Medizinmarkt werden oft nicht nur unhaltbare Gesundheitsversprechen
gemacht, die Verfahren sind auch eine potenzielle Gefahr für Klienten oder Patienten: Das zum Überleben
notwendige rationale logische Denken droht nebensächlich zu werden; kompetente Hilfe durch Experten in
Anspruch zu nehmen kann versäumt oder verweigert werden. Verbreitet ist bei solchen Menschen auch
eine Wissenschaftsfeindlichkeit. Vorurteile und Vorbehalte werden durch esoterische Literatur und
entsprechende Internetseiten und TV-Kanäle gefördert. Ein typisches Beispiel ist der esoterisch
beeinflusste Bereich der Impfkritik, die beispielsweise unter Anthroposophen verbreitet ist.

Esoterik- und Heilersucht


Die Inanspruchnahme esoterischer und alternativmedizinischer Angebote kann sich zu einer Sucht
entwickeln.
Siehe Esoteriksucht

Zitate
 Der faule Zauber ist nicht anders als die faule Existenz, die er bestrahlt. (Theodor W. Adorno)
Anderssprachige Psiram-Artikel
 English: Esotericism
 Français: Ésotérisme
Literatur
 Friedrich Balke: Mystische Subjektivierung oder: Die Kunst der Erhebung über das Wissen. In:
Erfahrung und System. Mystik und Esoterik in der Literatur der Moderne. Bettina Gruber.
Opladen: Westdeutscher Verlag 1997, S.27-48
 Claudia Barth: Über alles in der Welt – Esoterik und Leitkultur – eine Einführung in die Kritik
irrationaler Welterklärungen. Alibri-Verlag, 2003, 206 Seiten, ISBN 3-932710-36-3
 Hans-Michael Baumgartner (Hrsg.): Verführung statt Erleuchtung. Sekten, Scientology,
Esoterik. Düsseldorf: Patmos 1993 (aus katholischer Sicht).
 Antoine Faivre: Esoterik im Überblick (zuerst frz. 1992), Freiburg / Basel / Wien 2001
 Antoine Faivre / Wouter J. Hanegraaff (Hrsg.): Western Esotericism and the Science of
Religion. Leuven 1998
 Wouter J. Hanegraaff: Dictionary of Gnosis & Western Esotericism, Bd. 1, Leiden / Boston
2005
 G. Kern, L. Traynor (Hrsg.): Die esoterische Verführung. Angriffe auf Vernunft und Freiheit.
Aschaffenburg: Internat. Bücherdienst der Konfessionslosen (IBDK) 1995
 H. Platta: Das Böse – zu rechtsextremistischen Denkstrukturen in der zeitgenössischen
Esoterikbewegung. Psychologie Heute, Juli 1997
 Wolf Schneider: Kleines Lexikon esoterischer Irrtümer. Von Astrologie bis Zen. Gütersloher
Verlagshaus [1]
 Hugo Stamm: Achtung Esoterik – Zwischen Spiritualität und Verführung. Pendo-Verlag Zürich
und München, 2000. ISBN 3-85842-388-2
 Kocku von Stuckrad: Was ist Esoterik? Kleine Geschichte des geheimen Wissens, München
2004
 Herbert Uhlen: Vom ungläubigen Thomas lernen. Warum sich Wissenschaft und Religion nicht
vertragen. K. Fischer, Aachen 2006
 Der Spiegel: Reise-Ziel Sirius Heft 3/1998, S.166-175
Weblinks
 Edzard Ernst: "Esoterik in der Medizin" (Video, Juni 2019)
 SEBASTIAN LOSCHERT: Der Wotan in uns (In allen Gesellschaftsschichten ist Esoterik
angesagt. Das macht ihre Nähe zum rechten und verschwörungstheoretischen Gedankengut
umso gefährlicher), Jungle World, 19.3.2015
 Holger Kreitling: "Dann kam ein Engel" – Esoterik selbst getestet. welt.de, 24. Januar 2013
 Maria Wölflingseder: Esoterik und die Linke. trend onlinezeitung, 4/2001
 Maria Wölflingseder: Esoterik - rationale Irrationalität. 31.12.2002
 http://web.archive.org/web/20080608011652/http://www.infosekta.ch/is5/themen/
esoterik_flam1999.html
 http://web.archive.org/web/20080608204325/http://www.infosekta.ch/is5/themen/
li_esoterik.html
 Herbert Rätz: Was ist die Moral der Esoterik...? Oder: was kann man denn noch glauben?
Vortragsskrikpt, 2009
 http://www.philolex.de/esoterik.htm
 Protokoll einer Radikalisierung: Von der esoterischen Lebenshilfe zum Angstregime
Quellennachweis
1. Hochspringen↑ Bochinger, Christoph (1994): 'New Age' und moderne Religion. Gütersloh
2. Hochspringen↑ Heelas, Paul (1996): The New Age Movement. Oxford.
3. Hochspringen↑ H. Uhlen: Vom ungläubigen Thomas lernen. Warum sich Wissenschaft und Religion
nicht vertragen. K. Fischer, Aachen 2006, S.225
4. Hochspringen↑ Knoblauch, Hubert (1989), Das unsichtbare neue Zeitalter. "New Age", privatisierte
Religion und kultische Milieus, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie
5. Hochspringen↑ Möth Ingo: (1989) New Age und Esoterik – Ersatzreligionen oder Protestbewegung?
IWK-Reihe "New Age"
6. Hochspringen↑ Irmgard Oepen, Krista Federspiel, Amardeo Sarma: Lexikon der
Parawissenschaften: Astrologie, Esoterik, Okkultismus, Paramedizin, Parapsychologie kritisch
betrachtet. Lit-Verlag 1999, Seite 88. ISBN-10: 3825842770
7. Hochspringen↑ Claudia Barth, Über alles in der Welt - Esoterik und Leitkultur - eine Einführung in die
Kritik irrationaler Welterklärungen. Alibri-Verlag, 2003, 206 Seiten, ISBN 3-932710-36-3
8. Hochspringen↑ http://www.metamedizin.info/imma/
artikel_ruedigerdahlke_krankheitalssprachederseele.shtml
Kategorie:
 Esoterik

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