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Dramaturgen am Schauspielhaus Düsseldorf

Die Geschichte der Dramaturgen am Schauspielhaus Düsseldorf ist über weite


Strecken die Geschichte des Hauses selbst. Um ein klares Bild von ihrer
Tätigkeit, ihrem geistigen Hintergrund und ihren Zielvorstellungen zu
erhalten, mußte Grundlagenforschung betrieben werden.
Würde man die in den Personalakten angesammelten Korrespondenzen und
Notate zum einzigen Gegenstand der Darstellung und Kritik machen, ergäbe
sich ein unzureichendes Bild, das dem hohen Wollen, den Zielen und auch dem
tatsächlich Erreichten kaum genügen würde. Man hätte lediglich die
»Nachtseite« dieser, für den kulturellen Stand der Region so wichtigen,
Institution »Schauspielhaus« beleuchten. Um es kurz zu sagen, der weitaus
größte Teil dieser Korrespondenzen im Nachlass des Schauspielhaus
Düsseldorf ist von seiner Substanz her unerfreulich. Dabei gilt es zu
beachten, daß die Schriftstücke in sich zwar einen Wahrheitsgehalt bergen,
andererseits aber situativ bedingt sind. Sie sind vielfach zunächst Aus-
druck einer großen Hoffnung auf seiten der Neuankömmlinge wie bei der Büh-
nenleitung. Später verweisen die auffindbaren Dissonanzen auf die Span-
nungen, den Vertrauensschwund und letztlich mit dem Scheitern auf die
Trennung nach einer mehr oder weniger produktiven Phase. Daß fast alle
Dramaturgen diese relativ stereotype Karriere aufweisen, belegt den hohen
künstlerischen Anspruch der Schauspielhausleitung. Es wirft aber auch ein
Licht auf die geistige Leitfigur Louise Dumont, die in ihrer maxima-
listischen Art künstlerische Grundlagen erwartete, welche realistischer
Weise nur als Zielprojektion wünschbar und erreichbar gewesen wären.
Um das offensichtlich einseitige Bild, daß die Korrespondenzen bieten,
zu relativieren, müssen an zusätzlichen Quellen Tagebuchaufzeichnungen,
programmatische Beiträge – z.B. in der Hauszeitschrift »Masken« –,
Spielplanübersichten, Dramaturgiereferate, Jahresberichte etc. herangezogen
werden. Nur so läßt sich ein wirklichkeitsnahes Bild des dramaturgischen
Tätigkeitsfelds, der Zielsetzungen und des geistigen Hintergrunds
rekonstruieren. Für die Darstellung der Grenzen und Möglichkeiten dieser
Tätigkeit ist es unverzichtbar, auf die sie umgebenden Rahmenbedingungen
einzugehen. Dazu gehört ebenso eine grundsätzliche Einordnung der Bühne in
die Theaterlandschaft der Zeit wie eine Skizzierung ihrer inhaltlichen Aus-
richtung.
Für mich liegt die Bedeutung dieser Bühne aber gerade darin, daß sie –
seit ihrer Gründung in einer permanenten Kampfzeit – mit allen inneren und
äußeren Schwierigkeiten nicht nur fertig wurde, sondern vorbildliche Arbeit
im künstlerischen und sozialen Bereich geleistet hat.
Zunächst: Was gab und gibt dem Düsseldorfer Schauspielhaus seine
künstlerische Bedeutung? Die Bedeutung läßt sich kurz auf den Begriff
»Reformtheater« bringen. Damit ist bereits implizit angedeutet, in welchem
Kontext diese Bühne innerhalb der sozial- und kulturreformerischen
Bestrebungen zu Beginn des Jahrhunderts anzusiedeln ist. Angetreten war das
Haus mit dem Ziel, so Wolf Liese, den »Kampf gegen die Routine der
Epigonen«1 des 19. Jahrhunderts zu führen. Diese waren aber bereits durch
den Naturalismus, seine Bühnensprache und seine spezifische Inszenierungs-
technik ins Abseits gedrängt worden. Das Schlagwort, mit dem Louise Dumont
und Gustav Lindemann auch dieser – anfangs so be freiend wirkenden –
Ausdrucksform der

»(...) kleinen und bedrückenden Nachahmung des Alltags draußen mit all
seinen Zufälligkeiten (...)«2

praktisch begegnen wollten, hieß »Stilkunst«, ein Begriff, auf den ich
im Zusammenhang mit Paul Ernst3 noch näher eingehen werde.
Offenbar war die Aversion gegen den Naturalismus zu Beginn so groß, daß
sie als Klammer für die sich auch am Haus befehdenden Richtungen der
»Neuklassik« und »Neuromantik« diente. Doch konnte sich der Gegensatz kaum
entwickeln, weil Dumont-Lindemann stilübergeordnete Prioritäten setzten.
Bereits im »Bericht 1905–06« wurden die Prämissen be stimmt, denen sich das
Haus bis zum erzwungenen Ende von 1932 verpflichtet fühlte und die glei-
chermaßen ursächlich für heftige Auseinandersetzungen im Kunstkörper, aber
auch für den unbestreitbaren Erfolg dieser Bühne im In- und Ausland
verantwortlich sind: »Pflege des Wortes«, werkgetreue Interpretation,
Intensivierung der Regiearbeit, Reduktion der Bühnenausstattung auf das
dramatisch Notwendige. Daß trotz dieser Ansprüche kurz nach der Eröffnung
1905 weitgehend traditionelle Wertvorstellungen den Bühnenalltag
bestimmten, belegt die sehr kritische Äußerung des zunächst enttäuschten
Sympathisanten Wilhelm Schäfer:

»(...) Wenn einer wütend aus den Theater läuft, das er vor einer Stunde
erwartungsvoll betreten hat, und noch dazu im Frack, weil es Eröffnung
eines neuen Hauses und Hebbels Judith ist: so muß es schlimmere Gründe
haben, als daß ein Holofernes schlechte Verse spricht. (...) alles
grundsätzlich umzuformen, dem Dichter wieder treu zu dienen mit
klangvoll ausgesprochenen Worten, mit guten Gesten und mit Dekoration so
schlicht, daß ein jeder die wunderbaren Bilder darauf malen könnte, die
ihm der Dichter, gleich den Gläsern einer Laterna magica, inwendig ein-
zuschreiben weiß, hatte ich gehofft: dies würde der Anfang einer neuen
Musterbühne zu Düsseldorf im Geiste des alten Immermann bedeuten. Statt
dessen brachte der Eröffnungsabend (...) uns einen schlechten Orient
daher, so recht geschaffen für einen Ausstellungsvergnügungspark. Und
war doch Hebbels Judith; so lief ich denn davon, ergrimmt wie selten,
und sah ein Jahr lang kein Theater mehr. (...)«4

Dieses Beispiel zeigt – zugegeben, aus dem subjektiven Blickwinkel des


Kritikers – wie wenig der hochgesetzte und neuartige Anspruch mit der
Theaterwirklichkeit zusammenpaßte. Zweifellos lag dies mit an dem
ästhetischen Aussagevermögen des Bühnenbildners Fritz Rumpf, der sich 1905
immer noch in der Tradition der Meininger sah und mit seinen inzwischen 50
Lebensjahren sicherlich nicht zu den Neutönern am Theater zählte. Daß das
Schauspielhaus nicht bei diesem traditionellen, auch aus der Not geborenen
Zustand stehen blieb, ist bekannt. Die eigentliche Reformphase begann –
Wilhelm Schäfer und der auf Paul Ernst folgende Dramaturg, Wilhelm
Schmidtbonn, haben es bezeugt – mit der Inszenierung von Shakespeares
»Macbeth« am 23.12.1906.
Hinter dem programmatischen Spielplan des Schauspielhauses, vor allem
aber hinter der Art seiner Inszenierungen steckte von Anfang an mehr, als
das aus der Klassik tradierte ethische Wollen vergleichbarer anderer
Bühnen. Der Anspruch, sowohl erzieherisch wie unterhaltsam tätig sein zu
wollen, beschreibt bei diesem Niveau nur Selbstverständlichkeiten, der aber
keineswegs das Wesen des Schauspielhauses in Düsseldorf hinreichend
charakterisiert. Was das Haus grundlegend von anderen unterschied, war sein
»magischer« Anspruch – keine bloße Metapher – der gelegentlich aus den
wenigen Schriften Louise Dumonts heraufschimmert. Allein aus diesem
Blickwinkel erhalten viele Phänomene eine zusätzliche Dimension, die sie
von dem Beigeschmack befreit, womöglich Marotten von schrulligen Einzelgän-
gern zu sein. Die Theosophin5 Louise Dumont bemühte sich, mit dem
Schauspielhaus ein neues Kulttheater als dem Vorreiter eines neuen
Nationaltheaters zu errichten. Vorläufer entdeckte sie lediglich in den
»germanischen Götterspielen in vorchristlicher Zeit« und den »Myste-
rienspielen im Mittelalter«. Ihr ging es jedoch keineswegs um die Wiederer-
weckung dieser vergangenen kultischen Höhepunkte, sondern darum, unter
Verwendung aller wertvollen formalen wie inhaltlichen Anregungen der
Vergangenheit und Gegenwart, im »absoluten Dienst ohne jeden egozentrischen
künstlerischen Eigenwunsch« auf der Bühne so zu inszenieren und zu spielen,
daß

»das Gebilde des Dichters zum blühenden Leben erwachen kann und das
Mysterium Verwirklichung findet, indem die geeinte Seele des Zuschauers
dem Genius des Dichters auf der Schaubühne in wirklicher Erschütterung
begegnen kann. [...]«6

Durch diese Erschütterung sollte der Zuschauer in einem kontinuierlichen


Entwicklungsprozeß – ganz im Sinne der Theosophie –

»zum wahren Selbstbewußtsein der ihm innewohnenden höheren Natur


gelangen.«7

Was steckte dahinter? War ihr »Kulturwille« tatsächlich auch die


Unfähigkeit, innerhalb der Stilrichtungen eine prononcierte Entscheidung zu
treffen? War ihr Wollen Eklektizismus, oder war es nicht vielmehr das
Ergebnis von intuitivem, daß heißt synthetischem Denken, das die Analyse
als einen adäquaten Zugang zum Kunstwerk verneint? Dann wäre die Vielheit
der Erscheinungen eine heterogene Einheit, geboren aus den Nutzen, der
Notwendigkeit und aus dem übergeordneten Ziel. Nach der feierlichen
Inthronisation von Berthold Viertel als Oberspielleiter am 29. August 1926
im Schauspielhaus notiert der Neuling Rudolf Fernau aus der Laudatio Louise
Dumonts:

»Ihr Credo und Amen sei das Ensemble, denn ohne dieses gehe das Theater
zugrunde. Eis zu sein mit dem Kern und nicht mit der Schale, wäre ihr
Prinzip, deshalb schließe sie sich keiner Richtung an. Die Natürlichkeit
von gestern wäre das Pathos von heute und die Natürlichkeit von heute
das Pathos von morgen. Sie wehre sich gegen den Ungeist der Zeit, und
ihr Ziel wäre die Synthese von Geist und Kunst. [...] Demütig vor dem
Geist der Kunst und dem eigenen Ich. Ichisten hätten an ihrer Bühne
keine Heimatstatt, aber Bescheidenheit gehöre zur seelischen Hygiene.
Das Theater könne ein Himmel und ein Golgatha sein, aber nie und nimmer
eine Kloake. Kunst wäre die Sehnsucht der Menschen nach dem Paradies.
[...]« (Rudolf Fernau, Als Lied begann’s. Frankfurt/M. u.a., 1972, S.
172f.)

Hervorgehoben zu werden verdient auch, daß viele Kritiker bereit waren,


den guten Ruf des Hauses für die Vergangenheit unhinterfragt zu
akzeptieren, um sich dann – mehr oder weniger sachkundig – zu aktuellen
Entwicklungen am Haus zu äußern. Der Versuch, verstehen zu wollen, zeigte
sich nur bei wenigen. Auch für diese Untersuchung ist dieses Verständnis
zwingend notwendig, um hinter der Vielfalt der Erscheinungsformen den
Willen zur absoluten Kunst zu erkennen. Denn das Düsseldorfer
Schauspielhaus handelte durchaus im Sinne von Henri Bergson, der in seiner
»Einführung in die Metaphysik« den Begriff der Intuition folgendermaßen
gefaßt hat:

»[...] Intuition heißt jene Art von intellektueller Einfühlung, kraft


der man sich in das Innere eines Gegenstandes versetzt, um auf das zu
treffen, was er an Einzigem und Unausdrückbarem besitzt. [...]«8

Im Bereich des künstlerischen Ausdrucks wurde der selbstgesetzte


Anspruch bald eingelöst. Der Kampf gegen die »Epigonen« und die
»naturalistischen Auswüchse« bedeutete für Louise Dumont und ihren Mann vor
allem, sich auf das einzulassen, was sie als die »natürlichen Gesetze der
Sprache« erkannt hatten. In Übereinstimmung mit der Lauttheorie des schle-
sischen Mystikers Jakob Böhme [1575–1624]9 und der Sprachphilosophie Her-
ders10 entwickelten sie auf der Erfahrungsbasis der eigenen Theaterpraxis
eine neue Methode der Darstellung, das sogenannte »Worttonsprechen«11. Die
Sprache ist demnach

»[...] nicht allein Sinnträger, [...] sondern zuallererst und ursprüng-


lich Klang.«12
Die Arbeit der Bühne am Wort, dessen immanenter Rhythmus der Dichtung
entlockt werden müsse, verstand sich als Experiment zur adäquaten
Interpretation des Textes im Sinne des Autors, eine Arbeitsweise, in der
man sich bewußt von dem Berliner Konkurrenten Max Reinhardt absetzte,
der weniger Respekt vor der Dichtung offenbarte.13
Verständlich, daß die Voraussetzungen für die Bühneneignung eines
Stückes von den Dramaturgen auf generelle Veranlassung der Bühnenleitung
entsprechend hoch angesetzt wurden.14 Daß sich der reine Wille allerdings
nur gelegentlich mit den Realitäten in Einklang bringen läßt, stellte sich
auch in Düsseldorf sehr schnell heraus. Bereits in der ersten Spielzeit
(1905/06) sah man sich zu Konzessionen gegenüber dem Düsseldorfer Publi-
kumsgeschmack veranlaßt.
Diese aus den wirtschaftlichen Erwägungen sicherlich notwendige
Entscheidung führte letztendlich zum Bruch mit dem ersten Dramaturgen Paul
Ernst, der mit, angesichts der herrschenden Möglichkeiten,
wirklichkeitsfremden, nicht ganz uneigennützigen Erwartungen nach
Düsseldorf gekommen war. Mit ihm hatten Dumont-Lindemann für kurze Zeit den
führenden Kopf der neuklassischen Bewegung bei sich verpflichten können.
Ausgehend von der Tragödie als höchster Stufe der dramatischen Kunst
sollte sich – nach Ernst – in der neuzuschaffenden Ideal form des
Schauspiels alles

»[...] in reiner und klarer Vernünftigkeit aus allgemeinverständlichen


sittlichen Motiven [...]«15

erklären. Als ehemaliger Marxist leugnete Ernst keineswegs die


gesellschaftliche Dimension eines Bühnenwerks. Im Gegenteil: Dramatischer
Ausgangspunkt müsse der notwendige

»[...] Konflikt im Menschen zwischen seiner menschlichen Betätigung und


seiner gesellschaftlichen Funktion [...]«16

sein. Diese Notwendigkeit, das Zwingende des Konfliktes, lege den


Verzicht auf die Psychologisierung wie auf die epische Gestaltung des
Stoffes nahe, da dadurch die Bühnenwirksamkeit eines Stückes gemindert
werde. Am treffendsten sah Ernst diese Ideale in den Dramen der
griechischen Antike verwirklicht. Die ausgewogene Form einer »Antigone«,
aber auch Lustspiele aus der Renaissance erfüllten nach seiner Meinung
diesen bühnengerechten Funktionalitätsanspruch, die Kunst sei zuallererst
dazu da, die Triebe der Zuschauer zu befriedigen. Paul Ernst konnte mit
diesen scharfumrissenen Kategorien der Theaterkritik ein brauchbares, wenn
auch dogmatisches Instrumentarium an die Hand geben, doch sein eigenes
dramatisches Werk vermochte er damit kaum zu befruchten.
Am Düsseldorfer Schauspielhaus sollten sich seine in der Praxis doch
recht spröden Vorstellungen nicht durchsetzen: Paul Ernst hatte Weimar
verlassen und war seiner langjährigen geistigen Freundin Louise Dumont mit
dem Wunsch nach Düsseldorf gefolgt, als Dramaturg und Herausgeber einer
Theaterzeitschrift im Sinne Lessings zu wirken.
Mit den »Masken« entstand die erste hauseigene Theaterzeitschrift im
deutschsprachigen Raum, die zuerst im Insel-Verlag erschien, dem damals
maßgeblichen Verlag für Stilkunst. Bereits aus dem ersten Heft geht hervor,
daß Ernst die Stilkunst als zeitgemäßen künstlerischen Ausdruck in der
direkten, überwindenden Fortsetzung des Naturalismus begriff. Ernst, der
die »Masken« gerne als stilbildendes Werkzeug auf seinem Wege zur
neuklassischen Form benutzt hätte, unterwarf sich zunächst den objektiven
Gegebenheiten des Theaterbetriebes. Er schrieb in der Hauszeitschrift:

»[...] Den bedeutendsten Teil werden Untersuchungen über die


aufgeführten Stücke ausmachen; indessen sollen auch, soweit der Raum es
zuläßt, allgemeine dramatische und theatralische Aufsätze und Notizen
gebracht werden. [...]«17

Daneben hatte er mit Louise Dumont die Organisation der »Morgenfeiern«


übernommen18, gab aber aus Scheu vor öffentlichen Auftritten diese Funktion
schon vor dem ersten Mal an Herbert Eulenberg ab, der mit der Regie und
Gestaltung des Matineewesens seine erfolgreichste Unternehmung einleitete.19
Ernst Leopold Stahl, Eulenbergs Nachfolger, definierte die Absicht der
»Morgenfeiern« einmal so:

»[...] Die Grundidee, auf die jede der ungefähr 40 jährlichen


Veranstaltungen, so verschieden sie im Einzelnen natürlich aussehen
mußten, gestimmt wurde, war diese: Vermittlung des Zeitlos-Wertvollen in
Dichtung und Musik und Belebung auch der verborgenen und entfernter
liegenden Schätze der Kunst, wobei die Matineen sich nach Möglichkeit
der Stimmung des Tages anzupassen suchten. Demgegenüber bewußte
Preisgabe alles bloß Aktuell-Anziehenden. Dem Volkstümlichsten und
Urwüchsig-Bodenständigen des deutschen Kunstbesitzes war der erste Platz
eingeräumt. [...]«20

Bei einem genauen Vergleich der Programmschwerpunkte im Matineewesens


des Schauspielhaus Düsseldorf stellt sich rasch heraus, daß die Position
von Stahl zwar eine treffende Selbstbeschreibung seiner Programmpraxis am
Haus bietet, keineswegs jedoch den Anspruch auf Allgemeingültigkeit
erfüllt. Zu unterschiedlich waren schließlich doch die Temperamente, das
Geschmacksempfinden oder auch der geistige Hintergrund derjenigen, die sich
nach Eulenbergs Weggang 1909 häufig abwechselten. Auch die Erfordernisse
der Zeit waren vor 1914 zweifellos andere als in dem darauf folgenden
Weltkrieg oder in der Revolution von 1918/19.
Anfang Oktober 1905 betrachtete sich Paul Ernst noch als theo-
riebildendes Sprachrohr des Schauspielhauses. Eineinhalb Monate später war
seine Enttäuschung bereits so groß, daß sich ein Bruch abzuzeichnen begann.
Als Dramaturg fühlte er sich nicht als gleichberechtigter Partner
behandelt, sah sich ausgenutzt und die künstlerischen Qualitäten des
Hauses, als deren Schützer er sich empfand, durch die merkantilen
Notwendigkeiten gefährdet. In seiner Verbitterung prophezeite der
ästhetische Purist:

»[...] Das Resultat wird denn auch sein, daß Nichts von den
künstlerischen Absichten verwirklicht werden wird. Es wird ein besseres
Provinztheater werden. Wer etwas Großes schaffen will, der muß eben
etwas opfern können, und nicht für sich selber Geschäfte machen
wollen.«21

Der Routine des Alltagsbetriebes sah er sich auf Dauer nicht mehr
gewachsen, fühlte sich fehl am Platze. An Franz Servaes schrieb er:
»[...] höchstens die laufende Saison halte ich es aus; es ist das
entsetzlichste, aufreibenste, dümmste Leben, das man sich denken kann.
Indessen habe ich doch viel gelernt, das mir zustatten kommt; ich glaube
aber, daß ich nichts mehr zulerne. [...]«22

Vollends überwarf er sich mit den beiden Bühnenleitern, als die


Inszenierung seines Lustspiels »Eine Nacht in Florenz« in Frage stand, das
dann aber doch noch am 13.1.1906 uraufgeführt werden konnte. Ernst wartete
das Ende der Saison nicht ab, sondern löste seinen Vertrag trotz des
überraschenden Publikumserfolges seines Lustspiels. Vor allem Louise Dumont
machte er für das unerfreuliche Ende verantwortlich:
»[...] mit der Dumont bin ich seit 7 Jahren befreundet und hielt sie
immer für einen Menschen, in dem zwar böse Instincte schlummern, der
aber auch die Kraft hat, sie zu bändigen und edel zu sein. Nun erlebte
ich, sah und hörte, hier tagtägliche Niedrigkeit, Lüge, Gaunerei,
Unfähigkeit [...].«23

Auf den ersten Blick scheinen die Motive, die Paul Ernst dazu bewogen,
sich wieder nach Weimar zurückzuziehen, sehr persönlicher Natur, ein
Einzelfall, den man vernachlässigen könnte. Schaut man sich aber die mehr
oder weniger kurzen Karrieren der ihm folgenden Dramaturgen an, so ergibt
sich ein vollkommen anderes Bild: Hier zeigt sich, daß die oben ge-
schilderten Ereignisse keineswegs singulär waren und daß sie, von den
spezifischen Gegebenheiten am Haus einmal abgesehen, typische Merkmale
aufweisen, die für das Berufsbild des Dramaturgen allgemein kennzeichnend
sind. Arthur Kahanes selbstironisches, in der Sache aber sicherlich
zutreffendes »Tagebuch eines Dramaturgen« mag hier weiterhelfen:

»[...] Der Beruf des Dramaturgen ist allseitig: er ist das ›Mädchen für
alles‹ und der Prügelknabe am Theater. Welche Ansprüche werden an ihn
gestellt! [...] Jeder Augenblick bringt ihm ein Examen in Geschichte,
Kunstgeschichte, Literatur und Personalkunde. Alle Stücke, alle Rollen,
alle Besetzungen und alle Schauspieler muß er wie am Schnürchen parat
haben. Er ist [...] das künstlerische Gewissen seines Theaters [...].
Seine Tätigkeit vollzieht sich im kühlen Schatten einer nicht immer
freiwilligen Anonymität. Ihm blüht kein Lorbeer und kein Erfolg; die
teilen sich Direktor, Regisseur und Schauspieler: er darf die Mißerfolge
einheimsen. In nichts selbständig wird er für alles verantwortlich
gemacht. [...]«24

Soviel zum Atmosphärischen des dramaturgischen Alltags. Doch wie sah nun
die Tätigkeit des Dramaturgen im einzelnen aus? Einiges ließ sich bereits
der Schilderung entnehmen, die ich zu Paul Ernst vorgenommen habe. Das
breitgefächerte Aufgabenfeld gliederte sich am Schauspielhaus in drei
Schwerpunkte: Da war zum einen die Gestaltung des Spielplans mit allen sich
daraus ergebenden Funktionen, wie: Kontakt mit den Autoren, Verlegern,
Agenten; Lektüre der täglich eintreffenden neuen Stücke; Annahme, bzw.
Ablehnung der angebotenen Stücke; Vorschläge für die Rollenbesetzung; Kon-
takt mit den Schauspielern; Kontakt mit der Presse. Daneben die Herausgabe
der Theaterzeitschrift »Masken« und als dritter Schwerpunkt die Konzeption
bzw. Realisation der sogenannten »Morgenfeiern«. Verständlich, daß man bald
arbeitsteilig vorgehen mußte, um das anfallende Arbeitspensum zu
bewältigen.
Besonders die Herausgabe der Zeitschrift als hauseigener Publikation und
die Einführung eines kontinuierlichen Matineewesens bedeutete eine Novität
in der damaligen Theaterwelt. Zwar wurden auch an anderen Bühnen
gelegentlich Matineen veranstaltet. Ihre regelmäßige Durchführung auf der
Grundlage eines ebenso bildenden wie unterhaltsamen Kulturprogramms war
jedoch neu.
Aus der Arbeitsteilung unter den dramaturgischen Mitarbeiter des Hauses
läßt sich eine Hierarchie erkennen, die wiederum Aufschluß über die
Wertigkeit innerhalb der drei Hauptschwerpunkte bietet. Es ist auffällig,
daß sich der sogenannte »1. Dramaturg« um die Spielplangestaltung und die
Herausgabe der »Masken« zu kümmern hatte, während dem »2. Dramaturgen«,
sofern man ihn für unverzichtbar hielt, die Sorge um das Matineenwesen
übertragen wurde. Sein Aufgabenbereich konnte in Krisenzeiten fortfallen.25
Zweifellos war die Leitung also eher bereit, das kulturelle Beiprogramm
einzuschränken, als Abstriche in den »Hauptbereichen« zuzulassen.
Die traditionell vornehmste Aufgabe, klassische Texte für die Bühne der
Zeit zu aktualisieren, spielte am Schauspielhaus Düsseldorf nur eine
untergeordnete Rolle und wurde weitgehend von Regisseuren mit übernommen,
zumal das Primat der textgetreuen Interpretation herrschte.
Blieb für den Dramaturgen die große Aufgabe, das Repertoire für die neue
Spielzeit zusammenzustellen. Die Möglichkeit des Dramaturgen, eigene Ideen
in den Spielplan hereinzutragen, wurden durch die inhaltlichen Vorgaben
einer quasi autokratischen Bühnenleitung erheblich eingeschränkt. Prag-
matische Überlegungen, vor allem aber der ökonomische Zwang, auch
Kassenerfolge verbuchen zu müssen, um damit das künstlerische Gesamtniveau
finanzieren zu können, taten ihr übriges. Das gebotene Programm am Haus war
in der Regel so anspruchsvoll, daß es nur von einem festen Ensemble zu
realisieren war.
Auch verknüpfte sich mit der inhaltlichen Ausrichtung ein weltan-
schauliches Programm. Es lassen sich regelrechte Schwerpunkte erkennen.
Bemerkenswert ist die Häufung von Werken aus der griechischen Antike, von
Shakespeare, Dramen der deutschen Klassik, Stücke russischer und
skandinavischer Autoren. Hier kam vor allem dem Werk Henrik Ibsens eine
herausragende Bedeutung zu, verstand sich das Schauspielhaus Düsseldorf
schon in seiner konzeptionellen Phase als Ibsen-Bühne.
Daneben wurden immer wieder dramatische Neuentdeckungen vorgestellt,
einige von so unterschiedlichen Autoren wie Leonard Frank, Hanns Johst,
Georg Kaiser, Erwin Guido Kolbenheyer, Franz Werfel oder Arno Holz wurden
uraufgeführt.
Vergleicht man den Spielplan in dieser Hinsicht mit dem anderer
ambitionierter Bühnen, so läßt sich lediglich in Bezug auf Ibsen ein
Unterschied in der Schwerpunktsetzung erkennen. Die Zusammensetzung des
Spielplans läßt dennoch den berechtigten Schluß zu, daß das Schauspielhaus
Düsseldorf zu den führenden Bühnen seiner Zeit gezählt werden muß.
So wichtig der künstlerisch-ethische Anspruch auch für die Bewertung
sein mag, er war nicht ausschließlich bestimmend für die Zusammensetzung
des Spielplans. Eine gründliche Betrachtung des Repertoires zwischen 1905
und 1932 ergibt eine Restmenge von Stücken, die sich den oben angeführten
Schwerpunktbereichen nicht zuordnen lassen. Es gibt da eine beträchtliche
Anzahl von Bühnenwerken leichterer Bauart, deren Autoren keinen Nieder-
schlag in der Literaturgeschichtsschreibung gefunden haben, zum Teil »Ein-
tagsfliegen«, die ihre Bedeutung aus dem zeitabhängigen Unterhaltungswert
zogen. Wenn diese Stücke auch keine weitergehende Untersuchung
rechtfertigen, so sind sie für den Gesamteindruck doch nicht unerheblich.
Ihre Existenz beweist keineswegs Beliebigkeit in der Programmauswahl oder
den mangelnden Reformwillen der Bühnenleitung. Diese Stücke sind lediglich
ein Reflex auf den konventionellen Geschmack des Publikums, dem ein Privat-
unternehmen, wie das Schauspielhaus Düsseldorf, das sich zunächst mehrere
Jahre ohne städtische Subventionen behaupten mußte, Rechnung trug.
Hans Franck, langjähriger Dramaturg am Haus, schrieb über die generellen
Möglichkeiten seiner Einflußnahme nüchtern:

»[...] Das Theater kann neben den Einstudierungen von Werken großer
Dramatiker der Vergangenheit im günstigsten Fall jährlich fünf
Aufführungen nachrückender Dramatiker der Gegenwart bringen. Davon
liegen drei oder vier durch unbestreitbar große Erfolge im Inland oder
Ausland fest. Allewelt spricht davon. Das Publikum will sie sehen. Der
Theaterdirektor muß diesem Verlangen seiner zahlenden Besucher nach-
kommen. Verbleiben mithin für den Dramaturgen im Jahr ein bis zwei
Stücke. Beileibe nicht zum Vollzug der Annahme! Sondern zum Vorschlag
der Annahme durch die Direktion. [...]«26

Zwar besaß der Dramaturg in der Regel das alleinige Vorschlagsrecht, am


Düsseldorfer Schauspielhaus wurden jedoch vor jeder neuen Saison die
»künstlerischen Vorstände« zur Beratung mit hinzugezogen. Durch Hans Franck
ist der Verlauf einer solchen Arbeitssitzung überliefert. Er legt darin
auch eine der demokratischen Gepflogenheiten offen, die an dieser Bühne
seit ihrer Gründung üblich waren. Andererseits läßt Franck über den rein
funktionellen Charakter dieser Sitzung keinen Zweifel aufkommen. Zur
offenen Rede aufgefordert, konnten Regisseure, Bühnen- und Kostümbildner
ihren Unmut über die vergangene Spielzeit äußern; auch ihre Ver-
besserungsvorschläge wurden angehört. Direkten Einfluß auf die Entschei-
dungen der Bühnenleitung konnten sie damit jedoch nicht nehmen. Hans Franck
schreibt:

»[...] Außer Louise Dumont, ihrem Gatten Gustav Lindemann und dem
Dramaturgen HF erschienen sämtliche Regissöre, der Bühnenbildner, die
Kostümbetreuerin und zwei von der Künstlerschaft gewählte
Vertrauensleute der Schauspieler. [...] Louise Dumont nahm jeden Tadel
hin, erkannte das angeblich falsch Gemachte als falsch an, lenkte die
Aussprache auf das künftig zu Geschehene [...] ›[...] Seien Sie
überzeugt: Jede Anregung von Ihnen, auch die scheinbar winzigste, wird
durch uns und von unserm verehrten Dramaturgen HF sachgemäß geprüft.
Vorschläge!‹ [...] nach drei, vier Stunden [war] die Sitzung beendet
[...] Alle [hatten] sich erhoben, um zu gehen [...] Hans Franck blieb.
Sobald alle anderen gegangen waren [...], erklärte Louise Dumont ihrem
Dramaturgen: ›So! Was wir nicht spielen werden, wissen wir jetzt.
Welches Stück schlagen Sie, mein Lieber, als nächstes vor?‹ HF nannte in
solchen Augenblicken stets eine Dichtung, deren Gespieltwerden ihm seit
längerem schon am Herzen lag. Louise Dumont war begeistert. Gustav
Lindemann machte Einwendungen. Aber seine Frau überrannte ihn.«27

Die hier geschilderte Situation darf auch für die Stellung anderer
Dramaturgen am Schauspielhaus als repräsentativ angesehen werden. Von der
Notwendigkeit zur Arbeitsteilung, angesichts der vielfältigen Funktionen im
dramaturgischen Bereich, habe ich bereits gesprochen. Konnte die im
Dramaturgiebüro eintreffende Lektüre, zahllose Dramen junger Autoren,
anfangs noch von einem Dramaturgen bewältigt werden, fertigten Paul
Henckels und der später bekannt gewordene Theaterwissenschaftler Ernst
Leopold Stahl seit 1909/10 gemeinsame Dramaturgiereferate an. Franck, der
nicht nur Dramaturg, Herausgeber der »Masken«, sondern auch Leiter der Düs-
seldorfer »Hochschule für Bühnenkunst« am Schauspielhaus war, deligierte
die Lektüretätigkeit an ein Lesekollegium. Daß dadurch auch Fehlentschei-
dungen möglich wurden, beweist Georg Kaisers »Frauenopfer«, das zunächst
abgelehnt, später auf Hinweis von Gustav Landauer noch einmal herbestellt
wurde und dann am 23.3. 1918, von der Zensur freigegeben, zur Uraufführung
kam.
Zwischen der Prinzipalin und »ihrem« Dramaturgen bestand in der Regel
ein besonderes Vertrauensverhältnis, ohne das Kreativität unmöglich zur
wahren Entfaltung finden konnte. Dieses besondere Verhältnis ließ zum Teil
sogar Dienstverträge überflüssig erscheinen. Hans Franck schreibt über
sich:

»[...] Er fühlte sich [...] nicht als Angestellter eines hochgeachteten


Institutes. Sondern als Beauftragter eines ungewöhnlichen Menschen.
Sozusagen als dessen oberster, für Alles verantwortlicher Minister.
Besaß HF dessen Vertrauen, so blieb er auch dann im Amt, wenn es
Angriffe hagelte. War es eines Tages nicht mehr vorhanden, dieses
grundlegende Vertrauen, so brauchte es nur Eines Wortes. In der gleichen
Stunde legte HF seine gesamte Tätigkeit nieder. Ohne inneres
Widerstreben. Ohne geldliche Ansprüche. Ohne rechtliche Maßnahmen.
[...]«28

Gerade aber in der überdurchschnittlich langen Anstellungszeit von


Franck – immerhin mit Unterbrechungen von 1914 bis 1920 – gab es mehrfach
Situationen, in der die gemeinsame Vertrauensbasis durch publizistische
Ungeschicklichkeiten, aber auch durch das pazifistische Engagement des
Dramaturgen auf dem Spiele stand. Als im Oktober 1918 in den »Masken« ein
eindeutig erotisches Gedicht von Hans F. Fischer erschien, war der
Herausgeber Franck gegen den Proteststurm der Schulen, Kirchen und
städtischen Behörden nicht mehr zu halten.
Landauer, der bereits seit Beginn der Spielzeit 1918/19 die Leitung der
»Morgenfeiern« übernommen hatte, riet den verzweifelten Leitern, sich von
Franck zu trennen, um das »große Werk« nicht zu gefährden. Louise Dumont
löste daraufhin den Vertrag mit ihrem Dramaturgen.
Daß sich Louise Dumonts Sehweise unter dem Eindruck des Krieges
vorrübergehend radikalisierte und ein gewaltloser gesellschaftlicher
Wandlungsprozeß unter der Ägide des Geistes hin zur Gemeinschaft als
zwingend erforderlich erachtet wurde, ist ebenfalls auf den Einfluß des
libertären Sozialisten Gustav Landauer zurückzuführen. Die Möglichkeit
einer staatsfreien Theaterkonzeption erhielt aber durch Landauers Ermordung
in München einen schweren Rückschlag.
Inflation und fehlende Subventionierung durch die Stadt Düsseldorf
zwangen Dumont-Lindemann, das Haus 1922 für zwei Spielzeiten zu schließen.
Der erhoffte Neuanfang 1924 mit Felix Emmel und Kurt Heynicke erwies sich
als Trugschluß. Berthold Viertel, den man als Nachfolger gewinnen wollte,
hielt es nicht lange. Zu unterschiedlich war sein Arbeitsstil zu dem, was
erwartet wurde. Mit seinem Fortgang 1927 schließt sich die Reihe der
literaturträchtigen Namen. Zurück blieb ein Künstlerpaar, daß zwar noch
manchen überregionalen Bühnenerfolg verbuchen konnte, dem aber die Lust am
Experimentieren vergangen war.
Anmerkungen

1 Wolf Liese: Louise Dumont. Ein Leben für das Theater. Hamburg/Düsseldorf [: Marion von
Schröder], 1971, S. 247.

2 Schauspielhaus-Bericht, (Düsseldorf) 1905–1906, o.P.

3 Paul Ernst (1866–1933), Hauptvertreter der »Neuklassik«. Dramaturg und Herausgeber der
»Masken« während der Spielzeit 1905–06 (bis 23.1.1906).

4 Wilhelm Schäfer: Im Geiste Immermanns? Vier Abende im neuen Schauspielhaus zu


Düsseldorf. In: Die Rheinlande, (Düsseldorf), Jg. 8 (1907), S. 37f.

5 Seit wann Louise Dumont der theosophischen Weltanschauung nahestand, ist bisher noch
nicht hinreichend erforscht worden. Theosophie [griech. ] bedeutet soviel wie
»Gottesweisheit«. Ob sie jemals Mitglied einer der zahlreichen theosophischen Gesell-
schaften war, die seit den achtziger Jahren des letzten Jahrhundert auch im deutschen
Reichsgebiet bestanden, läßt sich bisher nur vermuten. Fest steht jedoch, daß Louise
Dumont sich zumindest mit der Literatur dieser Bewegung intensiv und zustimmend
auseinandergesetzt hat; vgl. dazu die handschriftlichen Anmerkungen in der relativ
umfangreichen Auswahl an theosophischen Werken von Franz Hartmann, Helena Blavatsky,
Annie Besant, aber auch älteren Vertretern wie Jakob Böhme, die sich in der Privatbib-
liothek der Prinzipalin erhalten haben. [Fundort: DLA-Dssd]

6 Louise Dumont: Vermächtnisse. Reden und Schriften. Hrsg. von Gustav Lindemann.
Düsseldorf [: A. Bagel], 1932, S. 29.
2
7 Horst E. Miers: Lexikon des Geheimwissens. München [: Goldmann], 1979, S. 403
[Stichwort: Theosophie].

8 Henri Bergson: Einführung in die Metaphysik. In: Materie und Gedächtnis und andere
Schriften. Frankfurt/a.M. [: S. Fischer], 1964, S. 9.

9 Vgl. dazu: Ernst Benz: Zur metaphysischen Begründung der Sprache bei Jakob Böhme. In:
Euphorion, Jg. 37 (1936), S. 340-357.– Wolfgang Kayser: Böhmes Natursprachlehre und
ihre Grundlage. In: Euphorion, Jg. 31 (1930), S. 521-562.

10 Vgl. dazu Wolf Liese, a.a.O., S. 247.

11 Diese – offenbar auch von Louise Dumont und ihrem Mann so verwandte – Begrifflichkeit
läßt sich den handschriftlichen Aufzeichnungen des Komponisten und ehemaligen Mit-
glieds des Düsseldorfer Schauspielhauses, F. C. Hempel, entnehmen; die Aufzeichnungen
befinden sich im Besitz des Heinrich-Heine-Instituts.

12 Liese, a.a.O., S. 247.

13 Herbert Ihring charakterisierte diesen grundlegenden Gegensatz der Kontrahenten


folgendermaßen: »[...] Louise Dumont gehörte zu den Gründern der Reinhardt-Bühne. Ihr
Gedanke war es, dem naturalistischen Theater [Otto] Brahms ein Theater der klassischen
Form und Gebundenheit gegenüberzustellen. Aber Reinhardt machte aus dieser Idee genau
das Gegenteil: ein farbiges, impressionistisches, romantisches Theater. Louise Dumont
sah in Reinhardt nicht den Aufbauer einer neuen Bühne, sondern den Zersetzer des Thea-
ters überhaupt; und der Betrieb der Berliner Bühnen, wie er durch Reinhardt legitimert
wurde, gab ihr recht. [...]«. Herbert Ihring: Zum Tode Louise Dumonts. In: Von Rein-
hardt bis Brecht. Berlin [DDR] [: Aufbau], 1961, Bd.3, S. 10f.
14 Vgl. dazu auch die Dramaturgiereferate des Düsseldorfer Schauspielhauses [ab 1910/11],
die im Theatermuseum/Dumont-Lindemann-Archiv aufbewahrt werden.

15 Paul Ernst: Henrik Ibsen. Berlin/Leipzig [: Schuster & Loeffler], o.J. [1904], S. 47.
(Die Dichtung. Eine Sammlung von Monographien hrsg. von Paul Remer, Bd.1)

16 Paul Ernst, a.a.O., S. 11f.

17 Paul Ernst: Zur Einführung. In: Masken, (Düsseldorf), Jg. 1 (1905/06), H. 1, S. 1.

18 Das noch von Paul Ernst mitverantwortete Programm der »Dichter- und Tondichter-
Vormittage des Schauspielhauses Düsseldorf«, zusammengestellt im September 1905, ist
ein Kuriosum: es gibt Einblick in den Bildungskanon seiner Verfasser, ohne in der
Praxis so realisiert worden zu sein. Denn Eulenberg setzte – nicht zuletzt mit seiner
aufsehenerregenden Heine-Matinee – wesentlich andere Akzente.

19 Eine Übersicht über Herbert Eulenbergs »Morgenfeiern« [1905–1909] findet sich bei
Frank Thissen: Die »Morgenfeiern« des Düsseldorfer Schauspielhauses – Herbert
Eulenbergs Bühnengottesdienste. In: Das literarische Düsseldorf. Zur kulturellen
Entwicklung von 1850–1933. Hrsg. von Gertrude Cepl-Kaufmann und Winfried Hartkopf.
Düsseldorf [: Teubig], 1988, S. 269-271. Für den Folgezeitraum siehe unter »Herbert
Eulenberg« in der Dokumentation: »Dramaturgen am Düsseldorfer Schauspielhaus« im
Anhang der vorliegenden Veröffentlichung.

20 Ernst Leopold Stahl: Wege zur Kulturbühne. Jena [: E. Diederichs], 1917, S. 63.

21 Karl August Kutzbach [Hrsg.]: Die neuklassische Bewegung um 1905. Paul Ernst in
Düsseldorf. Emsdetten [: Lechte], 1972, S. 150.

22 Ebenda, S. 153.

23 Ebenda, S. 165.

24 Arthur Kahane: Tagebuch des Dramaturgen. Berlin 1928, S. 10f. Kahane war langjähriger
Dramaturg bei Max Reinhardt.

25 Leiter der »Dichter- und Tondichter-Matineen« am Düsseldorfer Schauspielhaus waren:


1905–1909, Herbert Eulenberg; 1909–1911, Ernst Leopold Stahl; 1911–1917, keine
reguläre Besetzung der Leiterfunktion; 1917–1918, Friedrich Märker; 1918–1919, Gustav
Landauer; 1919–1920, Hermann von Boetticher; 1920–1921, Herbert Kranz; 1921–1922, Emil
Feigerl; mit der Neueröffnung 1924/25 bis zur erneuten Schließung des Hauses 1932
erfolgte keine reguläre Besetzung der Leiterfunktion mehr.

26 Hans Franck: Ein Dichterleben in 111 Anekdoten. Stuttgart [: Kreuz Vlg.], 1961, S.
233f.

27 Hans Franck, a.a.O., S. 221f.

28 Hans Franck, a.a.O., S. 219f.

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