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Michael Pauen

DITHYRAMBIKER DES UNTERGANGS

Gnosis und die Ästhetik der Moderne


Deutsche Zs. f. Philosophie 40 (1992) Heft 8 p. 937-61.

Die These von der Relevanz gnostischer Lehren für die Moderne kann sich
auf einen Kronzeugen dieser Epoche berufen: Jener Dr. Heinrich Faustus,
dessen Gesinnung, so Goethe, »dem modernen Wesen... analog« ist, gibt i

sich nämlich bei näherem Hinsehen als später Nachfahre des bereits in der
Apostelgeschichte erwähnten Gnostikers Simon Magus zu erkennen, den
ii

die »meisten alten und neuen Scribenten vor einen anfänger und ursprung
aller andern kätzereyen« halten.
iii iv

In der Tat ist der Hinweis auf das Fortleben gnostischer Lehren und
Vorstellungen im Denken der Moderne keineswegs neu: Bereits eine der
ersten deutschsprachigen Publikationen zum Thema, F. C. Baurs CHRISTLICHE
GNOSIS von 1835 , hatte die Spur dieser Lehre bis in die zeitgenössische
v

Philosophie verfolgt und damit ein Problem aufgeworfen, das - in


unregelmäßigen Abständen - bis in die jüngste Zeit immer wieder erörtert
wurde. Die Stellungnahmen reichen dabei von dem Hinweis auf
Gnostizismen einzelner Autoren über die Behauptung einer Kompensation
vi

des modernen 'Aufregungsdefizites' durch ein gnostisches Beunruhigungs-


potential bis zu der von Eric Voegelin vertretenen These, die Neuzeit
vii

insgesamt sei schlechterdings als das »gnostische Zeitalter« zu be- viii

trachten. Im Gegensatz dazu steht die Auffassung Hans Blumenbergs, der


die Epoche als endgültige Überwindung des »gnostischen Rezidivs«
ansieht: Erst die Widersprüche und gnostischen Tendenzen innerhalb der
Theologie des späten Mittelalters hätten den endgültigen Anstoß zum
neuzeitlichen Konzept der Selbstbehauptung gegeben. ix

Möglich ist dieser recht willkürliche Umgang mit dem Begriff nur durch
dessen Degeneration zu einem Synonym für die verschiedensten
Spielarten dualistischen, pessimistischen oder auch okkultistischen
Denkens. Die Rede von gnostischen Tendenzen in der Moderne hätte somit
keinen, oder doch nur einen höchst zweifelhaften Sinn: Es wäre in das
Belieben des Interpreten gestellt, welche Theorie oder welches einzelne

1
Bild er als gnostisch bezeichnet, der Begriff verkäme zu einem - je nach
Position - schmückenden oder denunziatorischen Beiwort.
Schuld an dieser Situation scheinen nicht zuletzt die Gnostiker selbst zu
tragen, hatten sie doch recht unbefangen neben mythologischen und
theologischen Vorstellungen der verschiedensten Traditionen auch
divergente philosophische Theoreme ihrer Lehre einverleibt. Diese wurde
im übrigen niemals in irgendeiner Weise kanonisiert und fällt daher selbst
in unterschiedliche Strömungen auseinander.
Bereits Hans Jonas hat jedoch darauf aufmerksam gemacht, daß sich
trotz solcher Divergenzen ein Grundbestand gnostischer Vorstellungen
identifizieren läßt, der eine überraschende inhaltliche Logik und Konsistenz
aufweist. Gnosis bezeichnet demzufolge ein Offenbarungswissen über die
x

Entstehung des Kosmos und die Erlösung der Auserwählten. Anders als in
den meisten übrigen Religionen ist die Erlösung hier nicht an die
Einhaltung ritueller oder ethischer Gebote gebunden, sondern an die
Kenntnis dieses Wissens selbst, dem damit eine unmittelbare
soteriologische Kraft zukommt. Substantiell für die gnostische Lehre ist
überdies die Erfahrung der Fremdheit des Ich, das sich in eine Welt
'geworfen' sieht, die nur noch als Gefängnis beschrieben werden kann,
steht sie doch unter der Herrschaft des Demiurgen, der seine Bosheit und
Unfähigkeit schon zur Genüge bei der Erschaffung dieser schlechtesten
aller möglichen Welten erwiesen hat. Sie ist ein 'ehernes Gehäuse', das als
Gegenstand aktiver Auseinandersetzung, als Ort historischen Fortschrittes
nicht in Betracht kommt. Besserung, so eines der zentralen gnostischen
Theologumena, ist nicht von den sinistren Mächten dieser Welt, sondern
nur aus dem 'Ganz Anderen' zu erwarten, dem sich das Subjekt durch das
pneuma, den Kern seiner Seele verbunden weiß: Keine kontinuierliche
Entwicklung, sondern nur ein abrupter Bruch, die Erlösung, vermag die
Erwählten zu retten.xi

Die Gnosis, so soll gezeigt werden, artikuliert damit Erfahrungen, die


auch die Philosophie am Beginn der Moderne immer dringlicher nach
Antworten suchen lassen, hatte doch die Realisierung jenes Konzeptes der
Naturbeherrschung durch Vernunft immer deutlicher dessen
Schattenseiten zutage treten lassen: Die Macht des Wissens und der aus
ihm hervorgehenden Technik wandte sich gegen die, die in einem
kontinuierlichen Fortschrittsprozeß die »selbstverschuldete Unmündigkeit«
zu besiegen gehofft hatten. Die mit Schopenhauer einsetzende Revision
dieses Programms geht daher nicht nur von einer radikal pessimistischen

2
Gegenwartsanalyse aus, sie muß - schlimmer noch - den Verlust aller
Hoffnung konstatieren, jemals aus dieser erbärmlichen Situation
hinauszugelangen: Der Fehlschlag des aufklärerischen Programms schien
den Glauben an die Perfektibilität des Menschen und an den
wissenschaftlich-gesellschaftlichen Fortschritt grundsätzlich zu widerlegen.
Solche Desillusionierung betrifft in letzter Konsequenz auch die Ratio
selbst, schließlich hatte sie neben jenem gescheiterten Programm auch die
Mittel seiner Realisierung zu verantworten.
Schopenhauer und mit ihm all jene Autoren, die sich einer radikalen
Kultur- und Erkenntniskritik verschrieben haben, geraten damit allerdings
in ein prinzipielles Dilemma: Der fundamentale Zweifel an der
Wahrheitsfähigkeit des Intellekts schlägt nämlich auf ihre eigenen
Erkenntnisse zurück; warum sollte ausgerechnet hier jene Wahrheit zu
finden sein, die sie selbst allen Ergebnissen der Ratio absprechen?
Das Vordringen gnostischer Theorien am Beginn der Moderne liegt
daher nicht nur darin begründet, daß ihre dualistische Ontologie dem
innerweltlichen Pessimismus die Hoffnung auf Erlösung entgegenstellt, sie
sind überdies imstande, der skizzierten Gefahr einer Selbstaufhebung
radikaler Erkenntniskritik zu begegnen. Die Gnosis hatte nämlich eine
Begründung dafür geliefert, daß ihr eigenes Wissen von den Einwänden
der Mehrheit gar nicht erreicht wird - auch dann nicht, wenn diese sich auf
die Erfahrungswirklichkeit stützen kann. Die Wirklichkeit und mit ihr die
meisten Subjekte, die in ihr leben, stehen ja unter der Botmäßigkeit des
Bösen: wer diese Behauptung anzweifelt, erweist nicht nur seine
unrettbare Naivität, sondern handelt selbst schon im Sinne jener finsteren
Mächte und hat sich damit als Diskussionspartner disqualifiziert.
Gleichzeitig ist damit eine Begründung dafür gegeben, daß das Wissen
einer Minderheit den Auffassungen der Mehrheit gegenüber den Primat
beanspruchen kann: Läßt doch die allgemeine Verblendung, die durch die
Naivität der Massen unterstützt wird, eine Ausbreitung jener Wahrheit
nicht zu. In der Gnosis des Basilides wird hieraus ein regelrechtes Gebot:
»Er sagt«, so berichtet Epiphanius, »über den Vater und sein Geheimnis
solle man nichts enthüllen, sondern es in Schweigen bei sich halten.« Der
xii

epistemische Dualismus bringt somit einen anthropologischen hervor: die


Gnostiker selbst ebenso wie ihre modernen Nachfahren unterscheiden sich
durch ihre Fähigkeit zur Einsicht in diesen Verblendungszusammenhang
prinzipiell von jenem 'großen Haufen', der »immer ohne Sinn für das
Vortrefflichste bleiben« wird.
xiii

3
Zumindest in Ansätzen zeichnet sich hier ab, daß moderne und antike
Gnosis nicht eklektizistisch durch einige gemeinsame Motive miteinander
verbunden sind, sondern daß es eine charakteristische Konstellation
gnostischer Vorstellungen gibt; in ihr verweisen Dualismus, Pessimismus
bezüglich der Wirklichkeit, die Ablehnung immanenten Fortschrittes und
die Hoffnung auf Erlösung in einer anderen Welt sowie eine eigentümliche
Form der Legitimation des Wissens aufeinander: Insbesondere die
Konsensfähigkeit einer Erkenntnis gilt hier nicht mehr als Zeichen ihrer
Wahrheit, sondern als Verdachtsmoment.
Hieraus ergibt sich die Möglichkeit, den Begriff des gnostischen Denkens
in einem prägnanten Sinne zu verwenden: Von aufklärerisch-rationalen
Traditionen unterscheidet es sich durch seine fundamentale Skepsis
gegenüber der Allgemeinverbindlichkeit rationaler Erkenntnis und durch
seinen Pessimismus bezüglich des von den Aufklärern prognostizierten
Fortschrittes. Fundamentale Unterschiede betreffen schließlich auch den
Begriff der Öffentlichkeit. War die Aufklärung überzeugt, daß sich allein in
dieser Sphäre Wahrheit zutage fördern lasse, so vermögen die Gnostiker
hier nur das Wirken eines 'Verblendungszusammenhanges' zu erkennen.
Gnostisches Denken unterscheidet sich auch vom Mythos, insbesondere
von der 'Neuen Mythologie' der Frühromantik, die sich als »Wink... über
den geheimen Zusammenhang und die innre Einheit des Zeitalters« xiv

versteht; eine Funktion, die auch die neuere Diskussion zu diesem Thema
hervorhebt: »Mythen dienen dazu, den Bestand und die Verfassung einer
Gesellschaft aus einem obersten Wert zu beglaubigen. Man könnte das
auch die pragmatische oder besser: die kommunikative Funktion des
Mythos nennen.« Die gnostischen Lehren haben demgegenüber einen
xv

exklusiven Charakter. Sie wenden sich an eine dem Selbstverständnis


nach elitäre Minderheit; eine Eigenheit, die sie auch von der orthodoxen
christlichen Lehre unterscheidet.
Hier soll indessen nicht allein nach Stellen gesucht werden, an denen
die Lehren der alexandrinischen Gnosis direkt oder vermittelt durch die
niemals abreißenden apokryphen Strömungen in die okzidentalen
Traditionen eindringen; der folgende geschichtliche Abriß will vielmehr
auch jene Entwicklung verfolgen, die den philosophischen Diskurs der
Moderne selbst gnostische Strukturen ausbilden läßt.
Von besonderem Interesse ist dabei neben den geschichtsphilosophi-
schen, metaphysischen oder ontologischen Aspekten dieser Thematik ein

4
Bereich, der traditionell kaum mit gnostischem Denken in Verbindung
gebracht wird - die Ästhetik. Vor allem zwei Faktoren sind für ihre zentrale
Bedeutung innerhalb der Theorie der Moderne verantwortlich: Einerseits
zeitigt die aus dem skizzierten Pessimismus sich ergebende Folgerung,
Erlösung finde im 'Ganz Anderen' statt, das Bedürfnis wenigstens nach ei-
nem Vorschein des Erhofften im Diesseits. Zudem zwingt die zusehends ra-
dikaler werdende Erkenntniskritik, wie sie bei Schopenhauer und in der auf
ihn folgenden Tradition Begriffe wie den 'Schleier der Maja', den
'Sokratismus', die 'Seinsvergessenheit' oder den 'Identitätszwang' hervor-
bringt, zur Suche nach einem Residuum unmittelbarer Wahrheit. Fündig
wird diese Suche - so versichern nahezu alle hier zu Wort kommenden
Autoren - bei der autonomen Kunst, die, unberührt gleichermaßen von den
Depravationen der gesellschaftlichen Realität wie von den Zwängen
wissenschaftlicher Begriffsbildung, nicht nur genuine Erkenntnis gewähre,
sondern gleichzeitig auch Erlösung antizipiere. Kunst wird zum
eigentlichen Fluchtpunkt jener Theorien, die der Wissenschaft den
Anspruch auf substantielle Wahrheit, der Wirklichkeit die Fähigkeit einer
Wende zum Besseren streitig machen. Es ist daher symptomatisch, wenn
xvi

Hugo Ball 1916 feststellt, »daß die modernen Künstler Gnostiker sind und
Dinge tun, die die Priester längst vergessen wähnen.« xvii

I
Programmatisch formuliert wird jenes Konzept der 'Selbstbehauptung',
gegen das sich der Pessimismus der Moderne richtet, in Francis Bacons
NOVA ATLANTIS (1624). Irdisches Glück, so verheißt der Text, sei realisierbar
als Produkt wissenschaftlicher Rationalität. Die Vernunft zeichne den Weg
vor, auf dem durch stetig anwachsende Herrschaft über die äußere Natur,
aber auch über die verderblichen Triebe der inneren Natur, das irdische
Paradies Wirklichkeit werde. Knapp ein Jahrhundert später glaubt dann
xviii

Fontenelle die von Bacon prognostizierte Entwicklung bereits festzustellen:


»Il est très agréable... de voir la Route que l'Esprit Humain a tenue, et pour
parler géometriquement, cette espièce de progression dont les intervalles
sont d'abord extrêmement grands, et vont ensuite naturellement en se
serrant toujours de plus en plus.« Auch Lessing gibt sich in der ERZIEHUNG
xix

DES MENSCHENGESCHLECHTS (1780) überzeugt, daß die »Zeit der Vollendung«

»gewiß kommen« werde. Kant schließlich meint im STREIT DER FAKULTÄTEN


xx

(1798) : »Es ist also ein... auch für die strengste Theorie haltbarer Satz:

5
daß das menschliche Geschlecht im Fortschreiten zum Besseren immer ge-
wesen sei, und so fernerhin fortgehen werde.« Kant beobachtet hier »die
xxi

Vollziehung eines verborgenen Plans der Natur«, dessen Verwirklichung


xxii

durch die ungehinderte, wissenschaftliche Diskussion in der Öffentlichkeit


garantiert werde, schließlich sei es »beinahe unausbleiblich«, daß »ein
Publikum sich selbst aufkläre..., wenn man ihm nur Freiheit läßt.« xxiii

II
Erste Zweifel an solch optimistischem Geschichtsverständnis, das
weniger enthusiastisch, aber doch unüberhörbar noch aus der Einleitung
zur Hegelschen Rechtsphilosophie spricht, waren bereits in Schillers
xxiv

Briefen über die ÄSTHETISCHE ERZIEHUNG laut geworden: Unter den


gegenwärtigen äußeren Bedingungen sei an Aufklärung überhaupt nicht zu
denken, dennoch stelle diese die Voraussetzung zu einer Veränderung
eben jener Bedingungen dar - der historische Prozeß blockiere sich somit
selbst. Hoffnung, so Schillers Argumentation, biete allein die Kunst, sei
xxv

sie doch kraft ihrer Autonomie den gesellschaftlichen Depravationen


entzogen. Nur hier finden sich die »Quellen..., die sich bei aller politischen
Verderbnis rein und lauter erhalten.« xxvi

Eingeleitet ist damit ein fundamentaler Wandel im Verhältnis von Kunst


und Wirklichkeit. Während das Schöne in den älteren Theorien aus seiner
Affinität zum Bestehenden verstanden wird: schon bei Plotin, später auch
bei Crousaz und Leibniz, als Symbol der kosmischen Harmonie , bei xxvii

Gottsched und den Schweizern als Instrument des gesellschaftlichen und


moralischen Fortschritts , bei Kant aus seiner Verwandtschaft zu
xxviii

diskursiver Erkenntnis, so gilt nun in zunehmendem Maße die konstitutive


Distanz der Kunst zu allem, was ist, als Gewähr für ästhetische Qualität:
»Der Künstler ist zwar der Sohn seiner Zeit, aber schlimm für ihn, wenn er
zugleich ihr Zögling oder gar noch ihr Günstling ist... Den Stoff zwar wird
er von der Gegenwart nehmen, aber die Form von einer edleren Zeit, ja
jenseits aller Zeit, von der absoluten unwandelbaren Einheit seines
Wesens entlehnen. Hier aus dem reinen Äther seiner dämonischen Natur
rinnt die Quelle der Schönheit herab, unangesteckt von der Verderbnis der
Geschlechter und Zeiten, welche tief unter ihr in trüben Strudeln sich
wälzen.« xxix

Der emphatische Autonomiebegriff, der die Kunst als das 'Ganz Andere'
der Realität versteht, erweist sich als Komplement einer pessimistischen

6
Abwertung der Gegenwart: Unverkennbar spricht bereits aus der Äußerung
Schillers der gnostische Dualismus von finsterer Welt und pneumatischer
Natur des Erwählten; authentische Kunst, so sucht Schiller zu zeigen, weist
sich aus durch ihre Teilhabe an jener göttlichen Substanz.

Eigentliche Absicht der Schillerschen Schrift ist jedoch die Erziehung des
Menschen, sie bleibt mithin einer - wenn auch bereits gebrochenen - Vor-
stellung von gesellschaftlichem Fortschritt verpflichtet. Von Grund auf in
xxx

Frage gestellt wird dieses geschichtsphilosophische Konzept erst durch


Schopenhauer: Reine Illusion sei die Hoffnung auf einen positiven Verlauf
der menschlichen Geschichte. Nur eine Erlösung durch die Verneinung je-
xxxi

nes blinden Willens, dem Schopenhauer die Verantwortung für diese Welt
des Leidens und der Finsternis anlastet, sei noch denkbar; unmöglich aber,
in den Begriffen dieser Welt zu beschreiben, was auf die Erlösten wartet. xxxii

Von Bedeutung ist neben dem Schopenhauerschen


Geschichtspessimismus vor allem seine Erkenntniskritik. Die Macht des
Willens nämlich beschränke sich nicht allein auf den historischen Prozeß,
sie greife auch in die menschliche Erkenntnistätigkeit ein. Reine Täuschung
daher jene Welt aus Raum, Zeit und Kausalität, die der Wille dem
menschlichen Bewußtsein vorgaukle. Schopenhauer begnügt sich nicht mit
einer pessimistischen Umwertung der Kantischen Erkenntnistheorie,
sondern bemüht sich um eine anthropologische Herleitung. Zurückzu-
führen seien jene Formen der Anschauung nämlich auf die Instrumentali-
sierung des Intellekts durch den Selbsterhaltungstrieb. Als »Sklave und
Leibeigener des Willens« sei der Intellekt seiner Funktion nach identisch
xxxiii

mit den tierischen Instinkten und wie diese begreiflicherweise nicht an


Wahrheit, sondern allein an der Arterhaltung interessiert, die damit als das
eigentliche - irrationale - Agens auch des wissenschaftlichen
Erkenntnisstrebens identifiziert ist.
Indem Schopenhauer so die Ratio dem tierischen Erbe des Menschen zu-
schlägt, leitet er jenen fundamentalen Wandel ein, an dessen Ende dann
bei Klages der Geist als 'Widersacher der Seele' auftritt. Bereits Nietzsche
denunziert den erkennenden Menschen als eine »Thierart, welche nur
unter einer gewissen relativen Richtigkeit, vor allem Regelmäßigkeit ihrer
Wahrnehmungen... gedeiht.« Einen Schritt weiter noch geht Musils MANN
xxxiv

OHNE EIGENSCHAFTEN, wenn er feststellt, »daß der Mensch gerade seinen

7
Fortschritt dem verdanken soll, was eigentlich der Tierstufe angehört.« xxxv

Ort jener depravierten Form von Erkenntnis ist für Schopenhauer die
Öffentlichkeit: eben jene Sphäre also, die Kant als Sitz des vernünftigen Ur-
teils schlechthin, ja als Gewähr für die Erfüllung der Ziele der Vorsehung
gegolten hatte. Für Schopenhauer dagegen stellt sich Wahrheit nicht mehr
als Produkt des freien Antagonismus der Meinungen her, sondern allein
durch den - nur dem Auserwählten möglichen - Rückzug in jene innerste
Schicht des 'Selbst', die von der allgemeinen Verblendung nicht erfaßt ist.
Das profanum vulgus dagegen gilt ihm nur noch als eine »Fabrikwaare der
Natur, wie sie solche täglich zu Tausenden hervorbringt.« xxxvi

Sämtliche Momente, die konstitutiv sind für die Erkenntnistheorie und


den optimistischen Geschichtsentwurf Kants, erfahren somit bei
Schopenhauer eine Umdeutung im Sinne der Gnosis: Die Welt der
Erscheinungen wird zu einer Täuschung, die Öffentlichkeit zu einer Sphäre
der Verblendung, der Geschichte schließlich spricht Schopenhauer jede
Fähigkeit einer Wendung zum Besseren rundweg ab - die Suche nach
Wahrheit ebenso wie die nach Erlösung können in der Immanenz nicht
mehr fündig werden.
Wiederum droht das Denken somit an einen toten Punkt zu gelangen,
und wiederum ist es die Kunst, die jenes Dilemma überwinden soll. In der
Tat betrachtet Schopenhauer das Schöne als eine Form der Erkenntnis, die
sich antithetisch zum instrumentellen Denken in den Kategorien von
Raum, Zeit und Kausalität verhält; eine Erkenntnis also, der die Dinge
nicht mehr nach ihrer Verwendbarkeit, sondern in ihrem wahrhaften Sein
zugänglich werden, kurz als »die tiefste und wahrste Erkenntniß vom ei-
gentlichen Wesen der Welt.« Bezeichnend sind hier die Verschiebungen
xxxvii

gegenüber der KRITIK DER URTEILSKRAFT, auf die sich Schopenhauers METAPHYSIK
DES SCHÖNEN gleichwohl vielfach bezieht: Suchte das Kantische
Geschmacksurteil seine Legitimation in der Affinität zum Verstandesurteil,
um sich damit als 'allgemeines' auszuweisen, so bestimmt Schopenhauer
die ästhetische Erkenntnis antithetisch gleichermaßen zur rationalen wie
zum Alltagsbewußtsein der Allgemeinheit, der das authentische Kunstwerk
notwendigerweise verschlossen bleiben muß.
Jene Erkenntnis wird dabei in einem ekstatischen Akt der Versenkung
erfahren, der Rezipierende macht sich frei vom »Sklavendienst des
Willens«, er wird »herausgehoben aus dem endlosen Strohm des Begeh-
rens und Erreichens« und gewinnt so einen Zugang zum Grund des
xxxviii

Daseins, der gleichzeitig Vorschein der endgültigen Erlösung ist.

8
Die Rolle, die der Kunst hier im dualistischen Spannungsgefüge von Ver-
worfenheit und Erlösung zufällt, kennen auch die gnostischen
Spekulationen: Vor allem unter dem Begriff der Palingenesie beschreiben
sie eine ekstatische Vorwegnahme der Erlösung, die - wie bei
xxxix

Schopenhauer - nicht nur eine asketische Distanzierung von der Welt


voraussetzt, sondern auch die Überwindung des principium individuationis
impliziert. xl

Alle drei Momente: ästhetische Erkenntnis, Distanzierung vom Getriebe


der Welt und Erlösung sind bei Schopenhauer unmittelbar miteinander ver-
schränkt. Ästhetische Erkenntnis ist ein wesentliches Moment von Erlö-
sung, indem sie - gleich dem gnostischen Heilswissen - dem Subjekt zur
Emanzipation von der Diktatur des demiurgischen Willens verhilft; zu einer
Emanzipation, die ihrerseits wieder der Absentierung der Kunst von aller
Wirklichkeit bedarf.
Die beschriebenen gnostischen Tendenzen Schopenhauers weisen auf
eine strukturelle Affinität, die nur zu einem kleineren Teil auf eine unmit-
telbare Gnosis-Rezeption zurückzuführen ist. Zwar beschäftigt sich der Au-
tor im zweiten Teil der WELT ALS WILLE UND VORSTELLUNG mit Marcion, dem Pessi-
mismus und der Metempsychose-Lehre der Gnosis, im allgemeinen
konzentriert sich sein Interesse jedoch auf die Upanischaden. Der Nachlaß
zeigt indes, daß auch dort nicht die eigentliche Quelle seines Pessimismus
zu suchen ist. Bereits mit siebzehn Jahren, so berichtet der Autor, sei er
»ohne alle gelehrte Schulbildung... vom Jammer des Lebens« ergriffen
worden ; erst zehn Jahre später beginnt, angeregt durch den Herder-
xli

Schüler Friedrich Majer, Schopenhauers Beschäftigung mit den


Upanischaden. Aufschlußreich ist die zitierte autobiographische Äußerung
freilich auch noch insofern, als sie die Eigendynamik des
Schopenhauerschen Pessimismus bezeugt. Schopenhauer spricht nämlich
nicht nur von den 'Data', auf denen jener Pessimismus aufbaue, sondern
auch von seinem pessimistischen 'Glauben', der schließlich die Oberhand
gewonnen habe. In der Tat muß sich Schopenhauer zuweilen hermetisch
xlii

gegen alles verschließen, was sein Bild von der 'schlechtesten aller
denkbaren Welten' in Frage stellen könnte: es scheint, als werde dieser
Pessimismus (noch) nicht vollständig von den Erfahrungen des Autors
gedeckt.

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Gegenstück zu diesem metaphysischen Pessimismus ist Eduard v. Hart-
manns PHILOSOPHIE DES UNBEWUSSTEN, in ihrer tiefverwurzelten Ambivalenz wohl
eines der interessantesten Zeugnisse für die Verunsicherung des auf-
klärerischen Fortschrittsoptimismus. Ausdrücklich bekennt sich Hartmann
zur Wissenschaftstradition des 19. Jahrhunderts, zur aktiven Auseinander-
setzung mit der Natur und zum technischen Fortschritt - dessen
ursprünglicher Sinn freilich wird radikal negiert: Eine Verbesserung der
Lebensumstände, Glückseligkeit gar, seien von ihm nicht zu erwarten. Ziel
des Fortschrittes könne nur noch »die Schmerzlosigkeit des Nichts« sein,
xliii

das ersatzlose Ende der Welt.


Um so stärker scheint sich Hartmann jenen Vorstellungen verpflichtet zu
fühlen, je deutlicher ihm ihre Absurdität bewußt wird: Fortschritt ist
Fortschritt ins 'Nichts', das Hartmann doch nur herbeisehnt, weil die
Produkte dieses Fortschrittsprozesses die Welt als eine erscheinen lassen,
'deren Nichtsein ihrem Sein vorzuziehen wäre.' Nirgends wird somit die
Sinnlosigkeit des technischen Fortschrittes deutlicher als hier, wo er nur
noch seiner eigenen Auflösung wegen gefordert wird, nirgends tritt der
Widersinn einer reinen Ethik der Pflicht stärker hervor als hier, wo jeder
gehalten ist »Hand anzulegen... an seiner Stelle« , nur damit das Werk um
xliv

so schneller der Vernichtung anheimfallen kann, nirgends endlich tritt das


Ausmaß der Desillusionierung klarer zutage als hier, wo diese selbst zu ei-
nem Index des geschichtsphilosophischen 'Fortschrittes' erklärt werden
muß.
Als symptomatisch weisen den Pessimismus Hartmannscher Prägung
nicht nur die zehn Auflagen aus, die das Werk innerhalb der ersten
zwanzig Jahre nach seinem Erscheinen erfuhr, nicht nur die breite Debatte
über den Pessimismus, die es begleitete, sondern auch die Parallelen
beispielsweise zum Desillusionismus Pontoppidans oder zu Werken wie
Philipp Mainländers PHILOSOPHIE DER ERLÖSUNG, die sich für eine Anhebung des
Lebensstandards der Massen nur einsetzt, um auch ihnen das Gefühl der
Desillusionierung zu verschaffen. Um so schneller sei dann die 'Erlösung',
xlv

das absolute Nichts - wenn nötig durch kollektiven Selbstmord - zu


erreichen.xlvi

Ähnlich wie die PHILOSOPHIE DES UNBEWUSSTEN ergreift auch Bachofens acht
Jahre vor der ersten Auflage des Hartmannschen Hauptwerks erschienenes

10
MUTTERRECHT die Partei des abendländischen Fortschrittsglaubens. Ihm stellt
Bachofen die orientalische Passivität und Sinnlichkeit gegenüber: das
'Dionysische', welches das apollinische Prinzip niederkämpfen muß, will es
nicht zugrundegehen wie die Spätantike.
Indes: der Autor selbst demonstriert zuweilen die Faszinationskraft des
so angestrengt perhorreszierten Orients - preist er doch immer wieder die
'dionysische Religion' des Ostens als »die des Friedens, der Ruhe, der sinn-
lichen Fülle« , die gynaikokratische Epoche gar als die »Poesie der Ge-
xlvii

schichte.« Bedeutsamer noch, daß seine eigene Theorie auch den


xlviii

radikalen gnostischen Dualismus übernimmt, wenn sie den kosmischen


Prozeß als den Kampf zweier einander antagonistisch gegenüberstehender
Mächte deutet: »Das Mutterrecht stammt von unten, ist chthonischer
Natur und chthonischen Ursprungs; das Vaterrecht dagegen kömmt von
oben, ist himmlischer Natur und himmlischen Ursprungs; es ist das Recht
der Lichtmächte, wie jenes das Gesetz des dunklen, mit Finsternis erfüllten
Erdschoßes.« Bachofen,
xlix
der die Gnosis als paradigmatische
Erscheinungsform des Dionysischen in der Spätantike betrachtet, rekur- l

riert hier offenbar auch auf gnostische Kosmogonien, die in vielfachen Ab-
wandlungen die Zeugung der Welt aus dem finsteren Mutterschoß be-
schreiben. Ungewollt spielt der Autor damit allerdings den Mächten der
li

Finsternis in die Hände, prädestiniert doch - neben jenen sinnlichen


Lockungen - gerade der strenge Antagonismus zum Apollinischen das
Dionysische zum Fluchtpunkt einer Kulturkritik, die sich dezidiert gegen
das Fortschrittspathos des abendländischen Geistes richtet.

Genau diese letzte Konsequenz, die bei Hartmann und Bachofen um so


angestrengter vermieden wird, je zwingender sie sich aus dem Kontext
ergibt, zieht dann Nietzsche, der in der GEBURT DER TRAGÖDIE nur noch die
Vorzeichen des Dionysischen und Apollinischen verkehren muß, um sielii

mit seiner pessimistischen Kulturkritik in Einklang zu bringen. Die


Gegenwart ist für Nietzsche das Produkt eines jahrhundertelangen
Degenerationsprozesses, der zu einer »völligen Ausrottung und
Entwurzelung der Cultur« geführt habe: Dionysos sei verdrängt worden
liii

durch den demiurgischen »Gott der Maschinen und Schmelztiegel.« liv

Im Gefolge Schopenhauers sucht die GEBURT DER TRAGÖDIE überdies die


»tiefsinnige Wahnvorstellung« zu destruieren, »daß das Denken, an dem

11
Leitfaden der Kausalität, bis in die tiefsten Abgründe des Seins reiche.« In
lv

Wirklichkeit handle es sich hier allein um einen Versuch des Subjekts, sich
der Natur zu bemächtigen, Wahrheit spiele dagegen allenfalls eine
untergeordnete Rolle. Eindeutig ist auch Nietzsches Kritik an der
Öffentlichkeit, die Gestalten wie den Journalisten, den »papierne[n]
Sklave[n] des Tages« hervorgebracht habe - kein Wunder also, daß
lvi

»überall, wo den Massen die Entscheidung in die Hände fällt... die Echtheit
überflüssig, nachtheilig, zurücksetzend wird.« lvii

Konsequenz dieser Vorherrschaft des Sokratischen ist eine Verdrängung


jenes rauschhaften, unmittelbaren Zugangs zum Ursprung des Daseins,
dem sich eine Erkenntnis der letzten Dinge erschließt. Nietzsche
übernimmt also von Bachofen den Dualismus von Geist und Leben, Apolli-
nischem und Dionysischem - Erlösung freilich, so postuliert die GEBURT DER
TRAGÖDIE, ist nur noch von jenem dem Intellekt entgegengesetzten Prinzip
des Dionysischen zu erwarten. In der Gegenwart ist ihm ein letztes
Residuum verblieben: In konstitutiver Distanz zur Realität, wie sie bereits
der Chor der griechischen Tragödie als »eine lebendige Mauer gegen die
anstürmende Wirklichkeit« herzustellen sucht, erweist sich die ekstati-
lviii

sche Erfahrung des Ästhetischen als die 'eigentlich metaphysische Tätig-


lix

keit.'
lx

In die Nähe gnostischen Denkens rückt Nietzsche nicht allein durch sei-
nen Pessimismus oder den Dualismus von Apollinischem und Diony-
sischem. Seine Interpretation des Dionysischen selbst knüpft vielmehr
offensichtlich an gnostische Vorstellungen an; mit ihnen hat sie nicht nur
die Ekstasis als den einzig möglichen Zugang zur Transzendenz gemein,
sondern auch die Erwartung einer Erlösung der Auserwählten, die durch
das Offenbarungswissen verbunden sind. Trotz einer möglichen
Vermittlung durch F. C. Baur und Bachofen kommen diese Affinitäten bei
lxi lxii

Nietzsche aber ähnlich wie bei Schopenhauer ohne eine intensivere


Auseinandersetzung mit gnostischen Theorien zustande - die Frage nach
den Gründen dieser Übereinstimmungen wird zum Schluß noch einmal
aufzugreifen sein.

III
Die Wirkung von Bachofens MUTTERRECHT reicht jedoch über Nietzsches
GEBURT DER TRAGÖDIE hinaus bis zu den Schriften von Ludwig Klages: Ihm wird
der aus dem Gegensatzpaar apollinisch/dionysisch abgeleitete Dualismus

12
von Geist und Leben zum strukturierenden Prinzip seines philosophischen
Werkes. Klages dramatisiert dabei gleichzeitig den Antagonismus, der
lxiii

Geist ist der Feind, der 'Widersacher' der Seele. Deutlicher noch als
Bachofen und Nietzsche zielt Klages zudem auf die zeitgenössische
Wirklichkeit: mit dem 'Geist' sind das Christentum, der Kapitalismus, das
Fortschrittsprinzip, die empirischen Wissenschaften und schließlich auch
die Öffentlichkeit gemeint. Sie alle bilden einen
Verblendungszusammenhang, der die Seele von der eigentlichen
Wirklichkeit abschnürt: »Eine Verwüstungsorgie ohnegleichen hat die
Menschheit ergriffen, die 'Zivilisation' trägt die Züge entfesselter
Mordsucht, und die Fülle der Erde verdorrt vor ihrem giftigen Anhauch. So
also sähen die Früchte des 'Fortschritts' aus!«
lxiv

Klages sieht die Gegenwart als das Produkt einer Verfallsgeschichte, die
mit der Zerstörung des urzeitlichen 'Pelasgertums' durch den Geist
einsetzt und in der apokalyptischen Vernichtung des Kosmos enden wird:
Ähnlich wie bei Schopenhauer schlägt aber auch hier die Vernichtung in
einen Zustand der Erlösung um, der nur noch negativ benannt werden
kann: »Schwellende, steigende, keimfrohe Kräfte übertragen sich unter
anderem auch in das Bewußtsein eines kommenden Unnennbar-Großen
und -Schönen! 'Es redet trunken die Ferne - Von künftigem großen
Glück.'« Zwar propagiert Klages das Denken in zyklischen Abläufen, wie
lxv

es charakteristisch ist für die von ihm als vorbildhaft angesehenen


antik-'heidnischen' Kosmologien, seine eigene Geschichtsphilosophie setzt
sich jedoch offenkundig von solchem zyklischen Denken ab: durch ihre
teleologische Struktur wie durch die triadische Gliederung von Paradies,
Abfall und Erlösung weist sie sich aus als eine Soteriologie. Der
substantiell gnostische Charakter dieser Un-Heilsgeschichte tritt hervor an
dem Verzicht auf Aussagen über den Zustand der Erlösung, vor allem aber
an der Annahme, dieser Prozeß gehe auf das Wirken zweier
antagonistischer Prinzipien zurück.
Einen weiteren Vergleichspunkt mit der Gnosis stellt die Ekstase dar:
Auch Klages schöpft hieraus jenes 'eigentliche' Wissen, das die Schranken
der Wissenschaft transzendiert. Von der Bedeutung der Kunst in dieser
Theorie, deren Genese auf frühe Dichtungen des Autors zurückgeht, zeugt
nicht zuletzt die Auffassung, solche ekstatischen Zustände stellten sich in
der ästhetischen Erfahrung ein, der das eigentliche Wissen in 'Bildern' und
'Symbolen' zugänglich werde: »Wer die Form des Personseins in der
Ekstase zersprengt, für den geht im selben Augenblick die Welt der

13
Tatsachen unter, und es aufersteht ihm mit alles verdrängender
Wirklichkeitsmacht die Welt der Bilder. Die schauende Seele ist deren
innerlicher, die geschaute Wirklichkeit ihr äußerlicher Pol.«
lxvi

Klages' Werk markiert so einen ersten Höhepunkt im Prozeß der


Annäherung der Theorie der Moderne an gnostisches Denken. Zwar betont
der Autor selbst den szientifischen Charakter seines Werkes, bei näherer
Betrachtung zeigt sich jedoch, daß hier alle wesentlichen Charakteristika
gnostischen Denkens versammelt sind: Der Dualismus ebenso wie die
Hoffnung auf Erlösung, der Pessimismus ebenso wie die radikale Skepsis
bezüglich des weltimmanenten Wissens, die Überzeugung, die Realität sei
in Wirklichkeit ein Verblendungszusammenhang, ebenso wie der Glaube,
diese Verblendung könne in der ekstatischen Versenkung transzendiert
werden. Die wohl beste Charakterisierung dieser Variante gnostischen
Denkens stammt von Klages selbst, der in seiner Einleitung zu den
Schulerschen Vorträgen von 'heidnischer Gnosis' spricht: offenkundig trifft
diese Kategorie auf sein eigenes Werk ebenso zu, wie auf die Schriften
Alfred Schulers.
Der Rekurs auf Schuler liegt auch deswegen nahe, weil sich hieraus
Hinweise auf die Verbindungen gewinnen lassen, die zwischen den
apokryphen gnostischen Traditionen und dem 'offiziellen' philosophischen
Diskurs bestehen. In der Tat partizipiert Schuler, auf den Klages
ausdrücklich den eigenen Entschluß zum »Glauben an die Wirklichkeit der
mythischen Mächte« zurückführt, selbst noch an jenen Strömungen, wie
lxvii

sie sich etwa bei den Rosenkreuzern, den Hochgradmaurern oder Templern
erhalten haben. Durch Schuler verbreitet sich der Einfluß dieser
Traditionen über Klages hinaus auf Autoren wie Rilke oder Walter
Benjamin, dessen Theorie vom Verfall der Aura letztlich auf Schuler
zurückgeht.lxviii

Innerhalb der verfolgten Entwicklung lassen sich daher vorerst zwei


Faktoren unterscheiden: Auf der einen Seite scheint es eine Tendenz
innerhalb der Philosophie zu geben, die eine zunehmende Skepsis
gegenüber dem historischen Fortschritt, dem Erkenntnisanspruch der
positiven Wissenschaften und der Qualifikation der öffentlichen Meinung
hervorbringt.
Auf der anderen Seite wäre der - bislang erst in Umrissen zutage
getretene - Einfluß gnostischer Lehren selbst zu nennen, wie er nicht nur
durch jene apokryphen Strömungen, sondern auch durch das zunehmende

14
religionsgeschichtliche Interesse an dieser Doktrin hervorgebracht wird.
Beide Tendenzen, so wäre zu vermuten, verstärken einander: Die durch die
historische Erfahrung genährte Skepsis gegenüber Wissenschaft,
Fortschritt und Öffentlichkeit erleichtert die Rezeption gnostischer
Theologumena, die ihrerseits die Skepsis zu stabilisieren vermögen.

Eines der eindringlichsten gnostischen Symbole beschreibt die Welt als


ein Gehäuse, als die »cellula creatoris«, die den Menschen gefangen
lxix

hält. Es taucht wieder auf bei einem Autor, der gemeinhin eher für die
Nüchternheit und Objektivität seiner Analysen bekannt ist; bei Max Weber,
der die zeitgenössische Wirklichkeit als ein 'stählernes Gehäuse'
beschreibt, in dem »die äußeren Güter dieser Welt zunehmende und
schließlich unentrinnbare Macht über den Menschen« gewonnen haben,
»wie niemals zuvor in der Geschichte.« lxx

Benannt sind damit Bedingungen, die - verschärft durch die Katastrophe


des Weltkrieges - das Frühwerk der Weber-Schüler Lukács und Bloch be-
stimmen: jenes »Chaotische der Zeit, das Zerbrechen der alten Gemein-
schaftsformen, Verzweiflung und Sehnsucht, gierig fanatisches Suchen
nach neuen Möglichkeiten des Menschheitslebens,« das auch den
lxxi

Expressionismus umtreibt, dem vor allem Bloch sich verpflichtet weiß.


lxxii

Bereits Lukács' THEORIE DES ROMANS reagiert darauf mit gnostischem Pessi-
mismus; die Gegenwart gilt ihr als das 'mächtige und nichtige Machwerk
des Schöpfergottes', ein »Kerker« , dem der Autor die verlorene Heimat
lxxiii

jener seligen Zeiten gegenüberstellt, »deren Wege das Licht der Sterne er-
hellt.«
lxxiv

Weit stärker als bei Lukács treten die Affinitäten zu gnostischem Denken
jedoch bei dem jungen Ernst Bloch zutage. Dessen Erwähnung im
Zusammenhang mit einer Strömung, als deren Exponent bereits Ludwig
Klages genannt wurde, mag überraschen. Beide Autoren werden
gemeinhin den entgegengesetzten Bereichen des politischen und
geistesgeschichtlichen Spektrums zugeordnet - eine Einschätzung, die sie
selbst zu bestätigen scheinen: Klages, der 'Anti-Bloch', durch seine
lxxv

Polemik gegen die 'unersättliche Programmsucht' und die 'maßlose


Überbewertung' jenes 'Gedankendinges Zukunft', das im Mittelpunkt des
Blochschen Utopiebegriffes steht; Bloch seinerseits durch den Vorwurf,
Klages sei ein 'Tarzan-Philosoph' , der seine Leser zur Rückkehr in den
lxxvi

15
Urwald bewegen wolle. Die Frage, inwieweit Klages durch diesen Vorwurf
lxxvii

tatsächlich getroffen wird, kann hier nicht erörtert werden, immerhin


wendet er sich - wie das obige Zitat zeigt - nicht nur gegen jedes
Programm, sondern bezeichnet auch das 'Pelasgertum' ausdrücklich als
eine mythische Vorstellung - nicht als historisches Vorbild.
In jedem Falle lassen sich aber konkrete Gemeinsamkeiten zwischen
dem Blochschen Frühwerk und der Theorie Klages' feststellen, die es
erlauben, beide Autoren für das eingangs umrissene Konzept gnostischer
Theoriebildung in Anspruch zu nehmen. Auffällig bei Bloch ist zunächst die
ausdrückliche Bezugnahme auf die Gnosis: Es finden sich zentrale
gnostische Begriffe, etwa der des Demiurgen oder des Pleroma, sowie
Rückgriffe auf gnostische Bibeldeutungen, beispielsweise auf die
Interpretation von Genesis 3, die Partei für die Schlange und gegen den
Schöpfergott ergreift. Mehrfach zitiert Bloch zudem die Grundfrage der Va-
lentinianischen Gnosis , zuletzt fast wörtlich am Beginn seines
lxxviii

Hauptwerkes. Bloch, der in seiner Heidelberger Zeit als 'Gnostiker' galt,


lxxix

bezeichnet überdies den GEIST DER UTOPIE im Nachwort ausdrücklich als


'revolutionäre Gnosis'. Um so dringender erscheint eine Offenlegung der
lxxx

gnostischen Tendenzen des Blochschen Frühwerkes, als in der bisherigen


Rezeption eher die Affinitäten zur jüdischen bzw. mittelalterlichen Mystik
im Vordergrund standen. lxxxi

Wichtiger als die zahlreichen Anleihen der Schrift bei der gnostischen
Terminologie ist allerdings die Tatsache, daß sich hier eben die
Konstellation von pessimistischer Kulturkritik und Erlösungserwartung, von
Wissenschaftsskepsis und Dualismus findet, die oben als Kennzeichen
gnostischer Theoriebildungen bezeichnet wurde. Zwar erhebt Bloch,
dessen Dualismus in seiner Radikalität kaum hinter dem Konzept Klages'
zurücksteht, den dort zum 'Satan' erklärten Geist wieder in die Regionen
des Lichtes und bezeichnet dafür die Materie als »mächtig-nichtiges
Machwerk«. Tatsächlich sind die Differenzen aber weit geringer, als es
lxxxii

die Terminologie vermuten läßt: in der Kernfrage stimmt Bloch mit Klages
überein. Die Gegenwart ist auch für ihn die Zeit der »größten
Verdunklung..., die jemals in der Geschichte vorkam.« Bloch folgt Klages
lxxxiii

zudem in der Auffassung, daß neben dem Kapitalismus vor allem der
naturwissenschaftliche Determinismus für diese Situation verantwortlich
sei. Die 'einzelwissenschaftliche Vernunft', so Blochs These, sei »zu einem
baren Schematismus« verdorrt, »der sich sein völlig alogisch gewordenes
Gegenüber nur noch in Rechnungsansätzen, in mehr oder minder

16
ökonomischen Modellen zurechtlegt, ohne Kraft und Ehrgeiz, die Realität in
ihrem alogischen Grauen, in der Totalität ihrer eingetretenen Öde selbst zu
treffen.«
lxxxiv

Den »Idealtypus dieser einzelwissenschaftlich-realistisch abgezielten Er-


kenntnis«, welche »die menschenlose Nacht des totalen Mechanismus,
moralisches Nichts an Stelle des philosophischen Blicks setzen konnte« , lxxxv

stellt für Bloch Emil Du Bois-Reymond dar, der in seiner Schrift ÜBER DIE
GRENZEN DES NATURERKENNENS die Vision einer Wissenschaft entwirft, die durch
»Eine mathematische Formel... Ort, Bewegungsrichtung und
Geschwindigkeit jedes Atoms... zu jeder Zeit« bestimmen kann. Das
lxxxvi

Weltall gleicht einem Uhrwerk, dessen Gang auf ewig bis ins kleinste
bestimmt ist durch jene unabänderlichen Gesetze, deren Erforschung der
Naturwissenschaft obliegt. Der Versuch, in den Lauf dieses Uhrwerks
einzugreifen, ist jedoch auch deshalb zum Scheitern verurteilt, weil es ein
Ich, eine Seele, von der ein solcher Impuls ausgehen könnte,
schlechterdings nicht mehr gibt: Was diesen Namen führt, geht auf in der
mechanisch-deterministischen Beschreibung des Gehirns, zu dem die
'Seele' sich verhält - der Autor bedauert die Härte des 'kecken' Vergleichs -
wie »der Urin zu den Nieren.« lxxxvii

Kaum läßt sich die von Bloch beklagte Verselbständigung der vorgeblich
instrumentellen Naturerkenntnis gegenüber ihren Zwecken deutlicher fas-
sen; die Vision einer Emanzipation von der Naturnotwendigkeit, die am
Beginn der Geschichte der empirischen Wissenschaften steht, ist durch
das Bewußtsein völliger Unterordnung unter diese Gesetze verdrängt
worden.
Die Berufung auf eine andere Wirklichkeit dient daher bei Bloch, bei
Klages und in der Gnosis der Befreiung aus jenem
Determinationszusammenhang: An die Stelle der Gesetze, durch die der
gnostische Demiurg die Welt geknechtet hatte, sind für die modernen
Gnostiker die Gesetze von Naturwissenschaft und Kapitalismus getreten;
ihnen wird das Reich des 'Fremden Gottes' entgegengesetzt, das seinen
lxxxviii

Ausgangspunkt im pneumatischen Kern des einzelnen habe: in der 'Seele',


die sowohl bei Bloch wie bei Klages zum Ausgangspunkt von Erlösung
wird.
Mit seinem Entwurf des zukunftsbezogenen utopischen Prozesses, der
zudem das aktive Eingreifen der Subjekte fordert, unterscheidet sich Bloch
allerdings deutlich von der rückwärtsgewandten, den passiven Einklang
mit der Natur idealisierenden Konzeption Klages'. Dies gilt um so mehr, als

17
dieser Prozeß klare politische Konturen zeigt: eine seiner wichtigsten
Stationen stellt ein anarchistisch getönter Sozialismus dar. Entscheidend
ist indessen, daß auch damit nur eine vorübergehende Phase beschrieben
ist: Das Ziel des utopischen Prozesses wird erst nach der apokalyptischen
Zerstörung des Kosmos in einer anderen Welt erreicht. Keineswegs handelt
es sich dabei um einen willkürlichen Einfall, vielmehr erzwingt Blochs
radikale Ablehnung der historischen Wirklichkeit deren Vernichtung: »Diese
Welt ist ein Irrtum und nichtig, hat vor der absoluten Wahrheit kein
anderes Recht als ihren Untergang.« lxxxix

Sichtbar wird hier, daß die Differenzen zwischen Bloch und Klages
wesentlich geringer sind, als es die Antithese von Utopie und Pelasgertum
vermuten ließe: Das eigentliche Ziel des Weltprozesses, darin stimmen
beide Autoren überein, liege jenseits der historischen Wirklichkeit und
setze die Zerstörung des schlechten Bestehenden voraus; unmöglich sei
es überdies, vorherzusagen, was den Erlösten in jener anderen Welt
erwarte. Klages hatte nur von etwas 'Unnennbar Großem und -
Schönem' gesprochen, und auch Bloch verweigert jede Aussage über die
Gestalt des utopischen Zustandes. Diese Weigerung geht zurück auf die
gnostischen Soteriologien. Sie hatten nicht nur den apokalyptischen
Weltbrand prophezeit, sondern außerdem betont, die Differenz des
Zustandes der Erlösung von aller Realität sei so fundamental, daß er sich
der Beschreibung in den Worten der Immanenz entziehe. Verweisen läßt
xc

sich hier auf Basilides, der spekuliert hatte: »Denn jenes... ist nicht einfach
ein Unsagbares, das genannt... wird; wir nennen es unsagbar, es ist aber
nicht einmal unsagbar. Denn das, was nicht (einmal) unaussprechlich ist,
wird 'nicht einmal unaussprechlich' genannt, ist aber über jeden Namen,
der genannt werden kann, erhaben.« xci

Blochs Utopiekonzept mit seiner paradoxen Vorstellung von der 'Heimat,


in der man noch niemals war und die dennoch eine Heimat ist,' orientiert xcii

sich noch an einem anderen Gnostiker - an Marcion, auf den sich Blochs
Spätschrift über ATHEISMUS IM CHRISTENTUM ausdrücklich bezieht: »'Heimat ist
etwas, worin noch niemand war.' Die Verbindung von Fluchtmotiv aus
unzugehöriger Enge... mit dem Entführungsmotiv des fremden
Hergereisten aus bisher totaler Fremde in das 'unaufgedeckte Angesicht'
unserer selbst in dieser uns einzig wahlverwandten Fremde, - diese
Verbindung kam kaum in einer bisherigen Religionsweise vor.« xciii

Notwendig freilich, zu bestimmen, wo sich jene utopische Erkenntnis ab-


seits der Zwänge des Bestehenden vollziehen kann. Ebenso wie

18
Schopenhauer, Nietzsche und Klages nennt Bloch die Kunst als den Ort des
utopischen Vorscheins: »Hier können uns die Bildwerke, fremdartig
bekannt, wie Erdspiegel erscheinen..., wie die vermummten Ornamente
unserer innersten Gestalt, wie die endlich wahrgenommene, adäquate
Erfüllung, Selbstgegenwart des ewig gemeinten, des Ichs, des Wir, des tat
twam asi, unserer im Geheimen schwingenden Herrlichkeit, unseres
verborgenen Götterdaseins.« xciv

Die in der brahmanischen Formel bereits anklingende Affinität der


xcv

ästhetischen Erfahrung zur ekstatischen Versenkung wird vollends


deutlich, wenn Bloch die Rezeption eines Stillebens schildert. Das
rezipierende Subjekt versenke sich dabei vollständig ins Werk, »die Strecke
hebt sich zwischen dem malerischen Subjekt und dem malerisch darge-
stellten Objekt, das nun... zu seinem Wesen, als dem innersten Prinzip
seiner, unser aller Möglichkeit wiedergeboren werden soll.« Für Bloch
xcvi

wiederholt sich damit jene ekstatische Einswerdung mit dem Urgrund des
Daseins , die die gnostischen Schilderungen der Palingenesie, der
xcvii

Wiedergeburt also, beschrieben hatten: »Das menschliche Innere und das


Innere der Welt rücken zusammen.« xcviii

Innerhalb eines Prozesses zusehends radikaler werdender Kritik an dem


Konzept naturwissenschaftlich-technischer Weltbeherrschung markiert das
Werk Blochs somit eine weitere wichtige Einschlagstelle gnostischer
Mythen und Vorstellungen. Deutlich läßt sich beobachten, wie sich in
diesen Bildern jener radikale Pessimismus artikuliert, der vor allem
angesichts der Erfahrung des Ersten Weltkrieges virulenter denn je zuvor
geworden war. xcix
Keineswegs zufällig daher, daß Bloch aus jener
Dichotomie ausbricht, die bis zur Jahrhundertwende konservative Kultur-
von linker Gesellschaftskritik getrennt hatte. Der Vergleich mit Klages
c

zeigt dabei, daß die Verbindung zwischen den entgegengesetzen


Bereichen des politischen Spektrums vor allem durch originär gnostische
Momente hergestellt wird. In beiden Fällen gewinnt die auf Schopenhauer
und Nietzsche zurückweisende Kulturkritik in ihrer gnostischen
Reformulierung schärferes Profil: Das Pneuma als der innerste Kern des
Selbst stellt den äußersten Punkt des Rückzuges aus der Öffentlichkeit dar,
die ästhetische Erfahrung als Ort der Wahrheit das erklärte Gegenteil
szientifischer Erkenntnis und schließlich die gnostische
Erlösungssehnsucht die entschiedenste Absage an das aufklärerische
Fortschrittspathos.

19
Daß der Gnostizismus in seiner Opposition gegenüber dem Bestehenden
ernst genommen wurde, zeigt beispielsweise Max Scheler, der eindringlich
vor den Gefahren der unter den Zeitgenossen um sich greifenden
»Auflösung... der Wissenschaften in falschen Gnostizismus und trübe My-
stik« warnt, wenden diese sich doch »prinzipiell gegen die positive Wis-
ci

senschaft und die ihr korrelate Technik - in reaktionärer Wertnegation und


in kindischem, kleinbürgerlichem Ressentiment.« cii

In der Tat lassen sich gnostische Einflüsse bei einer Vielzahl von Autoren
feststellen. Zu verweisen wäre beispielsweise auf Ludwig Derleth, E. M.
Cioran oder C. G. Jung, der bereits 1916 unter dem Pseudonym des
Gnostikers Basilides eine Schrift mit dem Titel SEPTEM SERMONES AD MORTUOS
verfaßt, von der er später meint, in ihr sei der Kern seines gesamten
Werkes angelegt. Jenes 'begeisterte Studium der Gnostiker' , das Jung in
ciii civ

der Zwischenkriegszeit betreibt, hat unübersehbare Spuren in seinem


Werk hinterlassen, das sich »über weite Strecken... wie eine Übersetzung
gnostischer Seinserfahrung in heutige Begriffe und deren empirische
Anreicherung mit Mitteln einer wissenschaftlichen Psychologie« darstellt.
cv

Von Jung aus wirken die gnostischen Einflüsse weiter, dies gilt bei-
spielsweise für Hermann Hesse, der im TRACTAT VOM STEPPENWOLF die
cvi

gnostischen Vorstellungen von der Welt als einer Fehlgeburt zitiert, in diecvii

sich die Auserwählten verirrt hätten - 'Götterkinder', die zur Unsterblichkeit


bestimmt seien. Voraussetzung ist auch hier die Erkenntnis des Selbst, der
Blick »tief in das Chaos der eigenen Seele« .
cviii

IV
In der Tradition jener von Scheler als 'reaktionär' und 'konservativ'
abgelehnten Kritik an Technik und positiver Wissenschaft steht auch Martin
Heidegger, bei dem sich, weniger drastisch im Vokabular als bei Bloch
oder Klages, aber ebenso entschieden in der Sache, gnostische Tendenzen
bemerkbar machen. In den BEITRÄGEN ZUR PHILOSOPHIE notiert er:
»Seinsverlassenheit als Zerfall des Abendlandes... zugleich die
Vermassung, Verwahrlosung, Verelendung, alles als Ablösung von dem
Grunde und den Ordnungen, Ent-wurzelung aber zutiefst Verschleierung
der Not, Unkraft zur Besinnung, Ohnmacht der Wahrheit; der Fort-schritt
ins Unseiende als wachsende Verlassenheit vom Seyn.« cix

Um so tückischer ist diese Seinsverlassenheit, als sie auch noch sich

20
selbst unkenntlich macht. Aufgabe genuiner Erkenntnis muß es daher
cx

sein, die substantielle Fremdheit des 'Geworfenseins' zu Bewußtsein zu


bringen: Erst »die in der Angst erschlossene Unbedeutsamkeit der Welt...
bedeutet... ein Aufleuchten-lassen der Möglichkeit eines eigentlichen
Seinkönnens.« cxi

Heidegger entfaltet hier einen Gedankengang, der eine zentrale Rolle


bereits in der gnostischen Mythologie spielt: die - im LIED VON DER PERLE be-
schriebene - Vorstellung, der Mensch habe seinen göttlichen Ursprung,
seine Fremdheit der irdischen Welt gegenüber vergessen und müsse nun
durch einen schmerzlichen 'Ruf' an seine Herkunft, die auch die Gnosis als
Geworfensein versteht, erinnert werden.
cxii

Mit Schopenhauer, Nietzsche, Klages und Bloch verbindet Heidegger die


Überzeugung, daß nur noch die Kunst jene Wahrheit zum Vorschein
bringen könne, die dem szientifischen Denken verborgen bleibe: »Schön-
heit ist eine Weise, wie Wahrheit als Unverborgenheit west.« Die Kunst,
cxiii

so heißt es an anderer Stelle, bringt das »allgemeine Wesen der Dinge« cxiv

zum Vorschein. Konstitutiv für Heideggers Begriff der Rezeption des


Ästhetischen ist »das ekstatische Sicheinlassen des existierenden
Menschen in die Unverborgenheit des Seins,« dem - anders als bei
cxv

Nietzsche - freilich das Rauschhafte fehlt: »Bewahrung des Werkes ist als
Wissen die nüchterne Inständigkeit im Ungeheuren der im Werk
geschehenden Wahrheit.« cxvi

Paradigmatische Bedeutung hat für Heidegger insbesondere die


Dichtung Hölderlins; erst aus seinem Werk erhält die Frage nach dem Sein
ihre eigentliche Legitimation und Sicherheit: »In all dem Ungestützten
solchen Fragens nach der Wahrheit des Seyns« kann sich »die Vermutung,
der Stoß des Seyns möchte schon eine erste Erschütterung in unsere
Geschichte hereingeworfen haben«, nur auf ein 'Einziges' stützen: »daß
Hölderlin jener Sagende werden mußte, der er ist.« Hölderlin wird damit
cxvii

zum Boten und seine Kunst zum Ort der erlösenden Erscheinung jenes cxviii

letzten Gottes, dessen Ankunft in der Welt der Seinsverlassenheit


Heidegger in einem gnostischen Szenario beschreibt:

»Nur die großen und verborgenen Einzelnen werden dem Vorbeigang des
Gottes die Stille schaffen und unter sich den verschwiegenen Einklang
der Bereiten. Das Seyn als das Einzigste und Seltenste gegen das Nichts
wird sich aus der Massenhaftigkeit des Seienden zurückgezogen haben,
und alle Geschichte wird dort, wo sie in ihr eigenes Wesen hinabreicht,
nur diesem Entzug des Seins in seine volle Wahrheit dienen. Alles
Öffentliche aber wird in seinen Erfolgen und Niederbrüchen schwärmen
und sich jagen, um seiner Art gemäß nichts zu ahnen von dem, was

21
geschieht. Nur zwischen diesem Massenwesen und den eigentlich
Geopferten werden sich die Wenigen und ihre Bünde suchen und finden,
um zu ahnen, daß ihnen etwas Verborgenes geschieht.«cxix

Deutlich sichtbar wird hier der Rückgriff auf die eingangs darstellte
Begründung gnostischen Wissens: Angesichts der Seinsverlassenheit des
'Massenwesens' ist Wahrheit nur noch in den Bünden der Auserwählten zu
finden; jede Kritik daran gibt sich selbst als Produkt jener
'Ahnungslosigkeit' zu erkennen und disqualifiziert sich damit selbst.

Die hier abermals deutlich zutage tretende Konstellation von Fort-


schrittspessimismus, Erkenntniskritik und Ablehnung des Öffentlichen
zeigt sich schließlich auch bei Adorno. Kants Vorstellungen vom
cxx

Fortschritt durch vernünftige Naturbeherrschung zum Trotz stellt sich die


cxxi

Wirklichkeit der NEGATIVEN DIALEKTIK als ein »geschlossenes und darum den
Subjekten unversöhntes System« dar, ein 'mythisches Verhängnis', das
cxxii cxxiii

die Menschen in seinen 'Bann' zwinge, kurz als ein 'universaler


cxxiv

Verblendungszusammenhang'.
Auch Adorno setzt mit seiner Erkenntniskritik beim Kausalitätsprinzip an,
das ihm als das Paradigma instrumentellen Denkens gilt: »Der Satz vom
Widerspruch ist das System in nuce. Erkenntnis besteht in der Subsumtion
unter Prinzipien... Jedes inhaltliche Ziel, auf das die Menschen sich berufen
mögen... ist nach dem strengen Sinn der Aufklärung Wahn, Lüge.« Nicht cxxv

weniger problematisch ist jedoch für Adorno die - bereits von Klages
diagnostizierte - identifizierende Macht des Begriffs, der die Gegenstände
immer schon nach seinem eigenen Maß zurechtstutze, um zu ignorieren,
was sich nicht fügt: »Denken heißt identifizieren. Befriedigt schiebt
begriffliche Ordnung sich vor das, was Denken begreifen will.« cxxvi

Die Fragwürdigkeit rationaler Erkenntnis und der 'universale Verblen-


dungszusammenhang' untergraben schließlich das Vertrauen in den
historischen Fortschritt, sind doch Bedürfnisse und Entscheidungen der
angeblichen Subjekte des geschichtlichen Prozesses so tief in die
schlechte Realität verstrickt, daß kaum Hoffnung bleibt, sie könnten sich
ihr in Zukunft einmal aus eigener Kraft entziehen. Eine Erwartung, die
cxxvii

auch der historische Rückblick bestätigt: Was als technischer Fortschritt


gilt, enthüllt sich bei näherem Hinsehen als die Entwicklung von der
Steinschleuder zur Wasserstoffbombe.

22
Rettung erhofft auch Adorno vor allem von der Kunst, die dank ihrer Au-
tonomie gegen jene Depravationen abgeschottet sei. Den
cxxviii

Anstrengungen des Selbsterhaltungstriebes, sich die Natur zu unterwerfen,


setzt sie den Versuch entgegen, jenen Momenten auf die Spur zu kommen,
die in solcher Vereinnahmung untergehen; Kunst ist »im Stande von
Rationalität die einzige Figur, in der etwas wie Sprache der Schöpfung
widerscheint.« Jenes
cxxix
'Nichtidentische', das den begrifflichen
Abstraktionen zum Opfer fällt, sucht die ästhetische Erkenntnis zu retten:
»Von sich aus will jedes Kunstwerk die Identität mit sich selbst, die in der
empirischen Wirklichkeit gewalttätig allen Gegenständen als die mit dem
Subjekt aufgezwungen und dadurch versäumt wird. Ästhetische Identität
soll dem Nichtidentischen beistehen, das der Identitätszwang in der
Realität unterdrückt.« cxxx

Kunst erweist sich damit freilich nicht nur als eine spezifische Form von
Wahrheit jenseits der Zurichtungen begrifflichen Denkens. Als »Anamnesis
des Unterlegenen, Verdrängten, vielleicht Möglichen« kommt ihr
cxxxi

gleichzeitig auch ein utopisches Moment zu; ästhetische Erkenntnis wird


zum 'Vorschein von Erlösung', ja zu deren eigentlichem Bürgen: »Daß aber
die Kunstwerke da sind, deutet darauf, daß das Nichtseiende sein könnte.
Die Wirklichkeit der Kunstwerke zeugt für die Möglichkeit des
Möglichen.« cxxxii

Deutlich wird hier die Affinität zum Blochschen Begriff der Utopie, eine
Beobachtung, die von Adorno selbst bestätigt wird, der in einem Aufsatz
zum GEIST DER UTOPIE bekennt, er habe »nie etwas geschrieben..., was seiner
nicht, latent oder offen, gedächte«. Insbesondere die für Adornos
cxxxiii

Utopiebegriff charakteristische Dialektik von Nähe und Fremdheit zeigt


cxxxiv

überdies, daß hier, vermittelt durch den GEIST DER UTOPIE, die Vision des
Gnostikers Marcion von der 'Heimat, in der noch niemand war',
weiterwirkt. Mit Bloch und Klages teilt Adorno schließlich die Überzeugung
von der zentralen Bedeutung und dem ekstatischen Charakter
ästhetischer Erfahrung: »Betroffenheit durch bedeutende Werke... gehört
dem Augenblick an, in dem der Rezipierende sich vergißt und im Werk
verschwindet: dem von Erschütterung. Er verliert den Boden unter den
Füßen; die Möglichkeit der Wahrheit, welche im ästhetischen Bild sich ver-
körpert, wird ihm leibhaft.« Im kultischen Charakter dieser 'Epiphanie'
cxxxv

wirkt die gnostische Palingenesie nach. Hier wie dort kann das Telos jenes
ekstatischen Vorgriffs auf Erlösung überdies nur negativ, durch seine
substantielle Verschiedenheit von allem Bestehenden benannt werden -

23
auch für Adorno würde Versöhnung verraten, wollte Kunst sie direkt
herbeizitieren: »Was anders wäre, das nicht länger verkehrte Wesen, wei-
gert sich einer Sprache, welche die Stigmata des Seienden trägt: Theolo-
gie redete einmal vom mystischen Namen.« cxxxvi

V
Gnostisch, so lassen sich die dargelegten Beobachtungen
zusammenfassen, ist bei den genannten Autoren nicht nur die Antithese
von Verfallensein und Erlösung, von Verblendungszusammenhang und
Utopie sowie die Erfahrung der Fremdheit des Ich, die gleichzeitig als
Unterpfand seiner Rettung aufgefaßt wird - gnostisch ist auch die
Überzeugung, daß eine spezifische Form wissenschaftsjenseitiger
'Erkenntnis' von entscheidender Bedeutung für die Erlösung sei: Der
Wahrheitsanspruch, den das gnostische Offenbarungswissen erhebt, geht
in der Moderne an die Kunst über; ihr ist der erlösende unmittelbare
Zugang zu den Dingen gewährt, der vom wissenschaftlich-instrumentellen
Denken verstellt wird; sie ist überdies das Bindeglied, welches die
Auserwählten, denen die Offenbarung zuteil wird, zu einer esoterischen
Gemeinschaft vereint.
Das eingangs aufgestellte Postulat eines historisch genauen Begriffs von
Gnosis erfährt spätestens hier seine Legitimation: Nur so ist es möglich,
jene pessimistische Tradition, die bei Schopenhauer anhebt, von gegen-
strebigen Tendenzen zu unterscheiden, denen die Aufklärung, der
Empirismus des 19. Jahrhunderts und in der Gegenwart etwa die
Diskurstheorie zuzurechnen wären. Gnostische Tendenzen bestimmen also
nicht die Moderne, sondern ganz bestimmte, freilich relevante Strömungen
in ihr. Dort allerdings lassen sich ungleich substantiellere
Übereinstimmungen feststellen als jene, die der unverbindlichen Gleichset-
zung von Gnosis und Dualismus in den Blick geraten. Die Kategorie des
modernen Gnostizismus hat indessen - verstanden in dem hier skizzierten
Sinne - nicht nur diskriminative Kraft, sie fördert gleichzeitig Verbindungen
zutage, die über die Grenzen der traditionellen Schulbildungen
hinausweisen und dabei die vertraute politische Topographie in Frage
stellen: zu deutlich sind die Beziehungen zwischen Autoren, die dem
traditionellen links-rechts Schema als reine Antagonisten erscheinen.
Aufzugreifen ist hier noch einmal die Frage nach den Gründen der
Wiederbelebung und Rezeption gnostischer Theologumena. Zweifellos wird

24
der oben bereits als wichtiger Faktor benannte unmittelbare Einfluß
gnostischer Texte durch den Umstand begünstigt, daß einige wichtige
Quellen erst zu Lebzeiten der hier erwähnten Autoren entdeckt bzw.
erstmalig veröffentlicht werden , außerdem beginnt gleichzeitig auch die
cxxxvii

wissenschaftliche Erforschung der Gnosis mit den Arbeiten Baurs, Bous-


sets, Hilgenfelds, Reitzensteins und v. Harnacks.
Benannt ist damit aber nur eine Ursache der dargestellten Entwicklung:
immerhin kann ja darauf verwiesen werden, daß die zentralen Lehren der
Gnostiker in den Schriften der Kirchenväter, später auch in den Kirchen-
und Ketzerhistorien schon lange vorher allgemein zugänglich waren. cxxxviii

Tatsächlich zeugen gerade jene Texte, die strukturelle Übereinstimmungen


mit der Gnosis aufweisen, ohne daß eine intensivere Lektüre gnostischer
Schriften feststellbar wäre, für eine geistesgeschichtliche Dynamik, die
nicht unmittelbar von der Verfügbarkeit bestimmter Quellen abhängig ist.
Über diese beiden Faktoren hinaus wäre daher möglichen historischen
Prädispositionen nachzugehen; immerhin beziehen sich die Autoren in der
Regel selbst ganz ausdrücklich auf konkrete historische Umstände, die
charakteristisch sind für die frühe Moderne. Von besonderem Interesse ist
diese Frage überdies deshalb, weil dabei häufig eine Beziehung zur
Entstehungszeit der Gnosis hergestellt wird. Vertreten wird diese Ansicht
bereits in der Mitte des 19. Jahrhunderts durch Ernst von Lasaulx, dem der
Untergang der Antike »fast wie ein Vorspiel unsere[s] eigenen« erscheint.
Ähnliche Formulierungen lassen sich bei Bachofen, Nietzsche, Sorel,
Mainländer, Schuler und Max Scheler finden, bis schließlich Oswald
cxxxix

Spenglers Geschichtsmorphologie hieraus den Untergang des Abendlan-


des ableiten zu können glaubt. Zwar sind Spenglers Thesen weniger
beweiskräftig als sein schierer Publikumserfolg, der in jedem Falle das
Ausmaß des zeitgenössischen Pessimismus deutlich macht, doch läßt sich
die Vermutung einer historischen Prädisposition für gnostische Lehren
durch die Beobachtung stützen, daß auch anderwärts Zeiten
geschichtlichen Umbruchs pessimistische Erlösungslehren hervorgebracht
haben - Hinweise finden sich in der ägyptischen Literatur aus der Ersten
Zwischenzeit, in der jüdischen Apokalyptik, der Merkaba-Mystik, sowie
cxl cxli cxlii

der Kabbala nach der Vertreibung der Juden aus Spanien. cxliii

Die Gründe für die Entstehung gnostischer Theorien wären somit in


einer Konstellation aufzusuchen, in der zumindest drei Faktoren
wechselseitig aufeinander einwirken: Neben jenen - in zunehmendem

25
Maße philologisch erschlossenen - gnostischen Lehren selbst sind es die hi-
storischen Voraussetzungen ihrer Rezeption, ihrerseits Objekt und Subjekt
dieses Prozesses, sowie die philosophisch-ästhetischen Systemzusammen-
hänge und Traditionen, aus denen jene Theorien entfaltet werden.
Für die Moderne bliebe dabei zu klären, ob die Abkehr vom
Fortschrittsoptimismus allein als Resignation angesichts der
Uneinlösbarkeit des Erhofften zu verstehen ist, oder ob nicht gerade die
Einlösung von Versprechen wie der Beherrschbarkeit der Natur oder der
Herstellung einer breiten Öffentlichkeit erst jenen Umschlag herbeigeführt
haben könnte: immerhin brauchen ja auch deren schärfste Kritiker die
Öffentlichkeit als Forum der Auseinandersetzung. Hinzuweisen wäre
überdies auf die Dynamik der technisch-naturwissenschaftlichen Entwick-
lung, die sich in zunehmendem Maße der Kontrolle derer entzieht, die sie
einst im Namen von Aufklärung und Emanzipation propagiert hatten: Allein
hieraus ließe sich schon eine Tendenz zur Dämonisierung des Fortschritts
und des szientifischen Wissens erklären.
Wichtiger noch ist freilich, daß jene Entwicklung das Subjekt selbst zu
entzaubern droht: Ihm wird nicht nur - durch Kopernikus - sein kosmologi-
sches und - durch Darwin - sein Schöpfungsvorrecht streitig gemacht, son-
dern auch - durch Psychologie und Physiologie - der Glaube an die Verfü-
gung über sich selbst: »Die dritte und empfindlichste Kränkung aber soll
die menschliche Größensucht durch die heutige psychologische Forschung
erfahren, welche dem Ich nachweisen will, daß es nicht einmal Herr im
eigenen Hause... ist.« Schließlich erweist sich angesichts der Entstehung
cxliv

der Massengesellschaften auch die Überzeugung von der Einzigartigkeit


des Individuums noch als blanke Illusion: »Jeder ist der Andere und Keiner
er selbst. Das Man, mit dem sich die Frage nach dem Wer des alltäglichen
Daseins beantwortet, ist das Niemand, dem alles Dasein im
Untereinandersein sich je schon ausgeliefert hat... Zunächst 'bin' nicht 'ich'
im Sinne des eigenen Selbst, sondern die Anderen in der Weise des
Man.« cxlv

Naheliegend also die Forderung nach einem Residuum, in dem das


Individuum sich selbst, aber auch sein Gegenüber als unverfügbar
erfahren kann. Jenen 'innersten Kern', abseits vom psychischen Ich,
cxlvi

abseits erst recht von allem Körperlichen findet die Gnosis im Pneuma, den
'unbekannten Gott' in der Palingenesie: In der Moderne, so behaupten
deren maßgebliche Theoretiker, sei jenes Residuum in der esoterischen
Erfahrung des Ästhetischen zu finden.

26
M. Pauen

27
28
i
Goethe, Zweiter Entwurf zu einer Ankündigung der 'Helena'. Goethes Werke. Hamburger
Ausgabe in 14 Bänden. Hg. v. E. Trunz. Bd. III p. 430. Im folgenden wie alle Werkausgaben
zitiert mit dem Namen des Autors, der Bandzahl in römischen und der Seitenzahl in
arabischen Ziffern.
ii Apg. 8, 13-24.
iii Gottfrid Arnold: UNPARTEYISCHE KIRCHEN= UND KETZER=HISTORIE. Vom Anfang des
Neuen Testaments Bis auff das Jahr Christi 1688. Frankfurt/M. 1700 p. 40.
iv Vor allem die Helena-Episode entstammt wohl der Überlieferung des Simon
Magus, dessen Gefährtin angeblich eine Reinkarnation der griechischen Helena war. Cf.
Philip Mason Palmer, Robert Pattison More: THE SOURCES OF THE FAUST TRADITION FROM SIMON MAGUS TO
LESSING. New York 1936.
v Ferdinand Christian Baur: DIE CHRISTLICHE GNOSIS ODER DIE CHRISTLICHE RELIGIONS-
PHILOSOPHIE IN IHRER GESCHICHTLICHEN ENTWICKLUNG. Tübingen 1835.
vi So z. B. Hans Jonas: ZWISCHEN NICHTS UND EWIGKEIT. Göttingen 1963, Susan Anima
Taubes: THE GNOSTIC FOUNDATION OF HEIDEGGER'S NIHILISM. In: The Journal of Religion XXXIV, 3/1954 p.
155-172; Norbert Bolz: ERLÖSUNG ALS OB. Über einige gnostische Motive der Kritischen Theorie.
In: Jacob Taubes (Hg.), RELIGIONSTHEORIE UND POLITISCHE THEOLOGIE Bd. II: GNOSIS UND POLITIK. München,
Paderborn, Wien, Zürich 1984 p. 264-289; Peter Koslowski (Hg.): GNOSIS UND MYSTIK IN DER
GESCHICHTE DER PHILOSOPHIE. Zürich und München 1988.
vii cf. Odo Marquard: DAS GNOSTISCHE REZIDIV ALS GEGENNEUZEIT. Ultrakurztheorem in
lockerem Anschluß an Blumenberg. In: Taubes l. c. p. 31-36
viii Eric Voegelin: PHILOSOPHIE DER POLITIK IN OXFORD. In: Philosophische Rundschau I,
1953/54 p. 23-49, hier p. 43.
ix Hans Blumenberg: SÄKULARISIERUNG UND SELBSTBEHAUPTUNG. Erweiterte und
überarbeitete Neuausgabe von 'Die Legitimität der Neuzeit', erster und zweiter Teil.
Frankfurt/M. 1983.
x Jonas' Arbeiten bildeten eine der Grundlagen für den Definitionsversuch der
Konferenz von Messina. Vgl. 'Documento Finale' in: Ugo Bianchi (Hg.): LE ORIGINI DELLO
GNOSTICISMO. Colloquio di Messina. Testi e Discussioni. Leiden 1970 p. XXIX-XXXII; Hans Jonas:
TYPOLOGISCHE UND HISTORISCHE ABGRENZUNG DES PHÄNOMENS DER GNOSIS. In: Kurt Rudolph (Hg.) GNOSIS UND
GNOSTIZISMUS, Darmstadt 1975; Kurt Rudolph, DIE GNOSIS. Wesen und Geschichte einer
spätantiken Religion. Göttingen 1977 p. 65 sq.; Barbara Aland: Was ist Gnosis? Wie wurde
sie überwunden? Versuch einer Kurzdefinition. In: Taubes, l. c. p. 54-66.
xi Zum gnostischen Erlösungsbegriff siehe Hans Jonas, GNOSIS UND SPÄTANTIKER GEIST.
Erster Teil: Die mythologische Gnosis. Göttingen 31964 p. 200.
xii Epiphanius, Panarion XXIV 5,4. Wie alle häresiologischen Schriften zitiert
nach: DIE GNOSIS. Erster Band. Zeugnisse der Kirchenväter. Hg. u. übers. v. Werner Foerster
u. a. Zürich u. München 1979.
xiii Arthur Schopenhauer, DIE WELT ALS WILLE UND VORSTELLUNG. Hg. v. Ludger Lüt-
kehaus, Zürich 1988 Bd. I p. 168 sq.
xiv Friedrich Schlegel, REDE ÜBER DIE MYTHOLOGIE. In: ders., Kritische Ausgabe. Hg. v.
Ernst Behler u. a. Bd. II, München, Paderborn, Wien 1967 p. 314.
xv Manfred Frank, GOTT IM EXIL. Vorlesungen über die Neue Mythologie. II. Teil.
Frankfurt 1988 p. 16.
xvi Abgesehen von den im folgenden erwähnten Autoren wäre noch zu
verweisen beispielsweise auf Kierkegaard («Dieses Leben ist verkehrt und grauenhaft, nicht
auszuhalten;« ENTWEDER-ODER I. München 1988 p. 33. Vgl. dazu Martin Buber, DIALOGISCHES LEBEN.
Gesammelte philosophische und pädagogische Schriften. Zürich 1947 p. 416: »Der Gott
Kierkegaards kann nur entweder ein Demiurg sein, den seine Schöpfung überwachsen hat
und der an ihr leidet, oder ein der Schöpfung fremder, von außen an sie herantretender
und sich ihrer erbarmender Erlöser; beides sind gnostische Gestalten.«) Buber selbst meint:
»...das Tun eines früheren, uns unbewußten Lebens hat uns in den Kerker gesperrt, dem wir
in diesem Leben nicht entrinnen können. Wo vordem das Sinngesetz eines Himmels sich
wölbte... herrscht jetzt sinnlos und knechtend die Gewalt der Wandelsterne..., nun zwingt
uns... die geistfremde Heimarmene.« (M. B., l. c. p. 64) Zu nennen wären überdies noch
Erlösungsvorstellungen im Werk Richard Wagners und Gnostizismen bei Simone Weil. (cf.
M. Moré: La Penseé religieuse de Simone Weil. In: Dieu Vivant No. 17)
xvii Hugo Ball, DIE FLUCHT AUS DER ZEIT. Z. n. Peter Sloterdijk, Thomas M. Macho (Hg.),
WELTREVOLUTION DER SEELE. Ein Lese- und Arbeitsbuch der Gnosis von der Spätantike bis zur
Gegenwart. Zürich u. München 1991 Bd. II p. 551.
xviii cf. Francis Bacon: NEU-ATLANTIS. Übersetzt von Günther Bugge. Durchgesehen
und neu herausgegeben von Jürgen Klein. Stuttgart 1982 p. 43: »Unsere Gründung hat den
Zweck, die Ursachen des Naturgeschehens zu ergründen, die geheimen Bewegungen in
den Dingen und die inneren Kräfte der Natur zu erforschen und die Grenzen der
menschlichen Macht so weit auszudehnen, um alle möglichen Dinge zu bewirken.«
xix Eloge de M. de Montmort, z. n. Raymond Trousson, UTOPIE, GESCHICHTE,
FORTSCHRITT: Das 'Jahr 2440'. In: Wilhelm Voßkamp (Hg.) UTOPIEFORSCHUNG. Frankfurt 1985 Bd. III
p. 20.
xx Erziehung des Menschengeschlechts § 85 in: G. E. L., Werke. Hg. v. Herbert
G. Göpfert, München 1979 Bd. VIII p. 508.
xxi Immanuel Kant, Werke in zwölf Bänden. Hg. v. W. Weischedel. Frankfurt 1968.
Bd. XI p. 362.
xxii Kant, IDEE ZU EINER ALLGEMEINEN GESCHICHTE IN WELTBÜRGERLICHER ABSICHT (1784) l. c. p. 45.
xxiii Kant, BEANTWORTUNG DER FRAGE: WAS IST AUFKLÄRUNG (1784) l. c. p. 54. Bereits
Spinoza hatte die Auffassung vertreten, daß die Öffentlichkeit »ganz unerläßlich ist zur
Förderung der Künste und Wissenschaften. Denn diese kann man nur dann mit guten Erfolg
pflegen, wenn man ein freies und in keiner Weise voreingenommenes Urteil hat.« Baruch
de Spinoza, THEOLOGISCH-POLITISCHER TRAKTAT. Hg. v. G. Gawlick. Hamburg 1976 p. 304).
Emphatisch heißt es bei Hume, daß durch die Öffentlichkeit »all the learning, wit, and
genius of the nation may be employed on the side of freedom.« (Philosophical Works III p.
97). Auch Lessing hatte »dem Unsinne, der Tyrannei, diesen Spekulationen zu steuern«
widersprochen, handle es sich bei solchen Meinungsbekundungen doch um »die
schicklichsten Übungen des menschlichen Verstandes.« (Lessing VIII p. 507). Für Mercier
schließlich vermag die Öffentlichkeit wirksamer als die Generalstände das Wiedererstehen
der Despotie zu verhindern. (cf. Reinhart Koselleck: DIE VERZEITLICHUNG DER UTOPIE. In: Voßkamp l.
c. p. 3). Siehe unten p. 8.
xxiv »Was vernünftig ist, das ist wirklich; und was wirklich ist, das ist vernünftig.
In dieser Ueberzeugung steht jedes unbefangene Bewußtseyn, wie die Philosophie, und
hiervon geht diese ebenso in Betrachtung des geistigen Universums aus als des
natürlichen.« (G. W. F. Hegel, Sämtliche Werke, Jubiläumsausgabe in zwanzig Bänden. Neu
herausgegeben von Hermann Glockner. Bd. VII Stuttgart 1952 p. 33; cf.: Riedel, M. (Hg.):
MATERIALIEN ZU HEGELS 'RECHTSPHILOSOPHIE'. 2 Bde. Frankfurt/M. 1975) Noch der Hegelschüler
Friedrich Theodor Vischer hatte das Fehlen des »thätige[n] Prinzip[s] des Fortschritts« als
Bedingung dafür bezeichnet, daß ein Volk »streng genommen noch nicht ethisch« genannt
werden könne. »Gut sein ist nicht correct sein, sondern Fortschreiten.« (F. Th. V.: Aesthetik
oder Wissenschaft des Schönen. Zum Gebrauche für Vorlesungen. Teil 2. Reutlingen Leipzig
1847 p. 226).
xxv Friedrich Schiller, Sämtliche Werke. Auf Grund der Originaldrucke hg. v.
Gerhard Fricke und Herbert G. Göpfert. München 51975, Bd. V p. 592.
xxvi Schiller V p. 593.
xxvii »So ist das vollkommenste Schöne, das es im Bereich des Sinnlichen gibt
[der Kosmos (Anm. des Herausgebers)], eine Offenbarung des vollendeten Guten im
geistigen Reich, seiner Kraft und seiner Güte; verbunden ist auf ewig die gesamte
Wirklichkeit, das geistig und das sinnlich Seiende.« (Plotin Enn. IV 8, 7. Zitiert nach:
Schriften. Übersetzt v. Richard Harder. Hamburg 1964) »Tout ce que le Créateur trouve bien
fait & regarde comme achevé dans son genre, ou comme approchant de la perfection,
l'Esprit humain s'il pense juste; ne manque pas de l'approuver. C'est par cette raison, qu'il
aime naturellement l'ordre & l'harmonie... Mais ce qui merite d'être aussi approuvé doit en
même temps exciter des sensations agréables, cet accord de nos idèes avec nos sentimens
est digne de la sagesse de notre parfait Auteur.« (J. P. de Crousaz, TRAITÉ DU BEAU. Amsterdam
1715 p. 64) Ähnlich formuliert Leibniz in der Schrift 'Von der Glückseligkeit': »Nun die
Einigkeit in der Vielheit ist nichts anders als die Übereinstimmung, und weil eines zu
diesem näher stimmet als zu jenem, so fließet daraus die Ordnung, von welcher alle
Schönheit herkommt, und die Schönheit erwecket Liebe. Daraus ersiehet man nun, wie
Glückseligkeit, Lust, Liebe, Vollkommenheit, Wesen, Kraft, Freiheit, Übereinstimmung,
Ordnung und Schönheit aneinander verbunden, welches von wenigen recht angesehen
wird.« (G. W. L.: KLEINE SCHRIFTEN ZUR METAPHYSIK. Hg. v. H. H. Holz. Frankfurt/M. 1965 p. 394).
xxviii So etwa in Gottscheds Critischer Dichtkunst, (J. Ch. Gottsched: VERSUCH EINER
CRITISCHEN DICHTKUNST. Unveränd. reprogr. Nachdr. d. 4. verm. Aufl., Leipzig 1751, Darmstadt
1982 p. 91 sq.) im gleichnamigen Werk von Breitinger sowie in Schillers
Schaubühnenaufsatz. (Schiller V p. 818 sqq.).
xxix Schiller V p. 593.
xxx Die freilich wird am Ende der Schrift stark in Frage gestellt (Schiller V p. 669).
xxxi »Wer... die Idee von ihrer Erscheinung zu unterscheiden weiß... wird... nicht
mehr... glauben, daß... die Zeit und ihr Inhalt, die Weltgeschichte... Plan und Entwickelung
habe, und etwa zum letzten Ziel die höchste Vervollkommnung des Menschengeschlechts.«
(Schopenhauer, METAPHYSIK DES SCHÖNEN. Herausgegeben und eingeleitet von Volker Spierling,
München 1985, p. 61)
xxxii Genau hier wird der prinzipielle Unterschied zwischen dem Pessimismus der
Moderne und jener Fortschritts- und Zivilisationskritik sichtbar, wie sie sich bereits
innerhalb der Aufklärung, vor allem bei Rousseau artikuliert. Dessen Kritik geht - in
diametralem Gegensatz zu der Schopenhauers - von der Annahme aus, daß die Welt von
Natur aus gut sei. Die in der Gegenwart zu beobachtenden Depravationen fielen allein in
die Verantwortung des durch die Zivilisation geschädigten Menschen. An dieser Stelle setzt
das - genuin aufklärerische - Programm der 'negativen Erziehung' im EMILE an: Durch bloßes
Fernhalten der zivilisationsbedingten schädlichen Einflüsse soll der gute Kern des Menschen
wieder freigelegt werden. Anders als Schopenhauer und Schiller sieht Rousseau - vor allem
im ersten Discours - in der Kunst kein Mittel zur Behebung jener Schäden, sondern im
Gegenteil eine ihrer wichtigsten Ursachen. Zur aufklärerischen Zivilisationskritik siehe auch
Wolfgang Welsch, UNSERE POSTMODERNE MODERNE. Weinheim ²1988 p. 65 sqq.
xxxiii Schopenhauer, WELT ALS WILLE UND VORSTELLUNG Bd. II p. 246.
xxxiv Friedrich Nietzsche, Kritische Studienausgabe. Hg. v. Giorgio Colli und
Mazzino Montinari. München 1988 Bd. XIII p. 302. Ähnliches gilt für Heidegger, der »die
'ratio der Menschheit'... nach Kriegsende im planenden und rechnenden Intellekt mit dem
'Trieb der Tierheit' 'identisch' werden« sah. (Hauke Brunkhorst: Adorno, Heidegger und die
Postmoderne. In: MARTIN HEIDEGGER. Innen- und Außenansichten. Hg. v. Forum für Philosophie,
Frankfurt/M. 1989 p. 314).
xxxv Robert Musil, DER MANN OHNE EIGENSCHAFTEN. Hg. v. Adolf Frisé. Hamburg 1983 p.
1237; cf. p. 1246.
xxxvi Schopenhauer, WELT ALS WILLE UND VORSTELLUNG Bd. I p. 255.
xxxvii Schopenhauer, METAPHYSIK DES SCHÖNEN p. 39.
xxxviii l. c. p. 92.
xxxix »Die Spitzenform [sc. der Palingenesie] ist hier die ekstatische, die alles
vorwegnimmt, alles schon im Diesseits und in Nichtachtung seiner Permanenz zu erfüllen
sich zutraut, eine den Vollzug überdauernde Wirkung für sich in Anspruch nimmt.« (Jonas
1964 p. 200) Cf. Corpus Hermeticum XIII/7: »arrête l'activité des sens du corps, et alors se
produira la naissance de la divinité.« (CORPUS HERMETICUM. Tome II. Texte établi par A. D. Nock.
Paris 1973) Cf. Wolfgang Tröger: MYSTERIENGLAUBE UND GNOSIS IN CORPUS HERMETICUM XIII. Berlin 1971.
xl »Loszukommen... vom Terror der Welt und vom Terror seines eigenen
'psychischen Ich', um zu sich zu kommen, wird die Sehnsucht der Epoche.« (Jonas 1964 p.
199).
xli Schopenhauer: DER HANDSCHRIFTLICHE NACHLASS. Hg. v. A. Hübscher. Frankfurt/M.
1974 Bd. IV. 1 p. 96.
xlii ibd.
xliii E. v. Hartmann, PHILOSOPHIE DES UNBEWUSSTEN, Berlin 1869 p. 634.
xliv E. v. Hartmann, ZUR GESCHICHTE UND BEGRÜNDUNG DES PESSIMISMUS, Leipzig o. J. p. 96.
xlv Philipp Mainländer: DIE PHILOSOPHIE DER ERLÖSUNG. Ausgewählt und mit einem
Vorwort versehen von Ulrich Horstmann. Frankfurt/M. 1989 p. 91.
xlvi »Die ganze Welt, das Weltall, hat Ein Ziel, das Nichtsein, und erreicht es
durch kontinuierliche Schwächung seiner Kraftsumme.« (l. c. p. 48 sq.)
xlvii Johann Jakob Bachofen: DAS MUTTERRECHT. Eine Untersuchung über die
Gynaikokratie der alten Welt. Hg. v. H.-J. Henrichs. Frankfurt/M. 1975 (zuerst Stuttgart
1861) p. 314, cf. 121.
xlviii l. c. p. 17.
xlix l. c. p. 130.
l Bachofen beschreibt die Karpokratianische Gnosis »als die gewaltigste
Reaktion des Orients und seiner vorwiegend materiell-weiblichen Grundidee gegen das rein
väterlich-geistige Prinzip der neuen Religion.« (l. c. p. 420).
li cf. Hippolyt, Ref. V 19, 8, sowie den Traktat VII, 1 aus der BIBLIOTHEK VON NAG
HAMMADI (Die Traktate aus der Bibliothek von Nag Hammadi werden mit der Abkürzung NHC,
der Nummer des Codex in römischen, der des Traktats in arabischen Ziffern zitiert nach der
Ausgabe von James E. Robinson: THE NAG HAMMADI LIBRARY IN ENGLISH. Leiden 31988);
Hegemonius, ACTA ARCHELAI 67, 7-10.
lii Zur Tradition des Gegensatzpaares Apollinisch/Dionysisch vor Nietzsche siehe
Manfred Frank: DER KOMMENDE GOTT. Vorlesungen über die Neue Mythologie. Teil I. Frankfurt
1982 p. 9-45, 73-107; Max L. Baeumer: DAS MODERNE PHÄNOMEN DES DIONYSISCHEN UND SEINE
'ENTDECKUNG' DURCH NIETZSCHE. In: Nietzsche-Studien 6, 1977, p. 123-153.
liii Nietzsche I p. 366.
liv l. c. p. 115.
lv l. c. p. 99.
lvi l. c. p. 130.
lvii Nietzsche VI p. 37. Eine ähnliche Kritik der Öffentlichkeit findet sich bereits
bei Kierkegaard, der überzeugt ist, »daß die Menge als Instanz, ethisch und religiös, die
Unwahrheit ist« (Sören Kierkegaard: DIE SCHRIFTEN ÜBER SICH SELBST. Düsseldorf/Köln 1951 p. 101)
lviii Nietzsche I p. 58.
lix Ausdrücklich betont Nietzsche den ekstatischen, rauschhaften Charakter der
Rezeption des Ästhetischen: »Wir sind wirklich in kurzen Augenblicken das Urwesen selbst
und fühlen dessen unbändige Daseinsgier und Daseinslust.« (Nietzsche I p. 109).
lx l. c. p. 24 (Vorrede an Richard Wagner).
lxi cf. dazu Max L. Baeumer p. 145 sq.
lxii Baeumer p. 153.
lxiii »Das Wesen des »geschichtlichen« Prozesses der Menschheit (auch
»Fortschritt«) genannt ist der siegreich fortschreitende Kampf des Geistes gegen das Leben
mit dem (allerdings nur) logisch absehbaren Ende der Vernichtung des letzteren. (Ludwig
Klages: DER GEIST ALS WIDERSACHER DER SEELE. In: ders., Sämtl. Werke Hg. v. Ernst Frauchiger, Ger-
hard Funke et al., Bonn 1969 sqq. Bd. I p. 69). Cf. Bachofen l. c. p. 425: »Der Kampf des
Stoffes und des väterlichen Geistes durchzieht, wie das Leben des einzelnen Menschen, so
das unsers ganzen Geschlechts.«
lxiv Ludwig Klages, MENSCH UND ERDE. Sieben Abhandlungen. Jena 31929 p. 20.
lxv Klages, Brief an Rose Plehn, November 1909 z. n. Hans Eggert Schröder,
LUDWIG KLAGES. Die Geschichte seines Lebens. Zweiter Teil. Das Werk. Erster Halbband. Bonn
1972 p. 538.
lxvi Ludwig Klages, VOM KOSMOGONISCHEN EROS. Jena ²1926 p. 110.
lxvii Ludwig Klages, RHYTHMEN UND RUNEN. Nachlaß, hg. von ihm selbst. Leipzig 1944
p. 18.
lxviii »Wir erfahren es aus Aelians markanter Schilderung der vitalen Optik jener
Tage (es ist die Zeit Trajans): 'Auch die Erdbeschaffenheit ist den Menschen verwandelt, die
Flüsse seichter, die Berge niedriger geworden... Eifrige Naturbeobachter glaubten sogar,
der Kosmos selber sei im Untergang begriffen.' - Es ist die Aura, die schwindet...« Alfred
Schuler, FRAGMENTE UND VORTRÄGE AUS DEM NACHLASS. Mit Einführung von Ludwig Klages. Leipzig
1940. Herv. d. Vf. Der Vortragszyklus VOM WESEN DER EWIGEN STADT wurde von Schuler mehrfach
zwischen 1915 und 1922 gehalten; Benjamin kannte den Begriff - im übrigen ein Synonym
des gnostischen 'Pneuma' - vermutlich durch Klages' KOSMOGONISCHEN EROS, vgl. dort p. 98, 121
sowie bei Walter Benjamin, Gesammelte Schriften. Hg. v. Rolf Tiedemann u. Hermann
Schweppenhäuser. Frankfurt 1974 Bd. I. 2 p. 479, Bd. II. 1 p. 378.
lxix cf. Adolf von Harnack, MARCION: Das Evangelium vom fremden Gott. Eine
Monographie zur Geschichte der Grundlegung der katholischen Kirche. Leipzig ²1924 p.
102.
lxx Max Weber: DIE PROTESTANTISCHE ETHIK. Eine Aufsatzsammlung. Hg. v. Johannes
Winckelmann. Gütersloh 71984, Bd. I p. 188.
lxxi Kurt Pinthus (Hg.), MENSCHHEITSDÄMMERUNG. Ein Dokument des Expressionismus.
Hamburg 1955 (zuerst Berlin 1920) p. 28.
lxxii Vergleiche etwa in dem genannten Band die unter der Überschrift »Sturz und
Schrei« zusammengefaßten Gedichte Heyms, Bechers und Trakls oder auch Rilkes »Buch
von der Armut und vom Tode«.
lxxiii Georg Lukács. DIE THEORIE DES ROMANS. Darmstadt u. Neuwied 31976 p. 55.
lxxiv l. c. p. 21.
lxxv Gerd-Klaus Kaltenbrunner, LUDWIG KLAGES. Der Konservative als Seelenforscher,
Kosmiker und Untergangsdenker. In: ders., DER SCHWIERIGE KONSERVATISMUS, Herford 1975 p. 262.
lxxvi Ernst Bloch: DAS PRINZIP HOFFNUNG. Frankfurt 1985 (= ders., Werkausgabe Bd. 5)
lxxvii cf. Ernst Bloch, DIE FELSTAUBE, DAS NEANDERTAL UND DER WIRKLICHE MENSCH. Zur Predigt
und Landschaft des Diluvium bei Klages, auch C. G. Jung. In: ders., Werkausgabe Bd. 9 p.
462 (zuerst 1929).
lxxviii cf. Clemens Alexandrinus, EXCERPTA EX THEODOTO 78, 1: »Wer waren wir? Was sind
wir geworden? Wo waren wir? Wohinein sind wir geworfen? Wohin eilen wir?«
lxxix cf. Bloch, Prinzip Hoffnung p. 1.
lxxx Ernst Bloch: GEIST DER UTOPIE. Bearbeitete Neuauflage der zweiten Fassung von
1923. Frankfurt/M. 1985. (= ders., Werkausgabe Bd. III) Das Zitat p. 347.
lxxxi cf. Anton F. Christen: ERNST BLOCHS METAPHYSIK DER MATERIE. Bonn 1979; Arno
Münster: Utopie, Messianismus und Apokalypse im Frühwerk von Ernst Bloch. Frankfurt/M.
1982; Klaus Peter Steinacker-Berghäuser: DAS VERHÄLTNIS DER PHILOSOPHIE ERNST BLOCHS ZUR MYSTIK.
(Diss.) Marburg 1973.
lxxxii Ernst Bloch, GEIST DER UTOPIE. Berlin 1923 (im folgenden zitiert als 'Geist der
Utopie II') Das Zitat p. 355.
lxxxiii Bloch, GEIST DER UTOPIE II p. 199.
lxxxiv l. c. p. 234.
lxxxv Bloch, DIE LANDESGRENZE DES NIHILISMUS (1921) In: ders., Werkausgabe Bd. 10 p.
211.
lxxxvi Emil Du Bois-Reymond: ÜBER DIE GRENZEN DES NATURERKENNENS. Die sieben
Welträthsel. Zwei Vorträge. Leipzig 91903 (zuerst 1872) p. 17.
lxxxvii ibd. Der Vergleich stammt ursprünglich von Carl Vogt.
lxxxviii »Allein wir... die die Notwendigkeit des Werdens erkannt haben und die
Wege, auf denen der Mensch auf die Welt gekommen ist, genau gelernt haben, wir allein
können hindurchgehen und durch das Verderben schreiten.« Hippolyt, Ref. V, 16, 1.
lxxxix GEIST DER UTOPIE II p. 311.
xc Anders als das jüdische Bilderverbot wird das gnostische Theorem nicht
theologisch-normativ, sondern epistemologisch begründet: Die Beschreibung des 'Ganz-
Anderen' ist nicht verboten, sondern erkenntnistheoretisch unmöglich.
xci Basilides in Hippolyt, Ref. VII 20, 2; Bloch zitiert Basilides, GEIST DER UTOPIE II p.
238. Das Motiv findet sich verschiedentlich in der Bibliothek von Nag Hammadi (NHC XI 55,
17-30; NHC VIII 3, 10-13) und auch bei Numenius (Fr. 14 L, cf. des Places l. c. p. 48). Zur
Wirkungsgeschichte in der Moderne s. u. p. 23.
xcii Bloch, GEIST DER UTOPIE II p. 172.
xciii Ernst Bloch, ATHEISMUS IM CHRISTENTUM. Zur Religion des Exodus und des Reichs.
Frankfurt 1985 (= ders., Werkausgabe Bd. 14) p. 243.
xciv Bloch, GEIST DER UTOPIE II p. 43.
xcv cf. Widengren l. c. p. 413, die Formel wird häufig von Schopenhauer
verwendet.
xcvi Bloch, GEIST DER UTOPIE II p. 42.
xcvii cf. Jonas 1964 p. 200 sqq. Eine größere Zahl von Berichten von derartigen
Palingenesien findet sich in der 1945 aufgefundenen Bibliothek von Nag-Hammadi. Dort
heißt es etwa in dem Allogenes-Traktat: »My soul went slack and I fled and was very
disturbed. And I turned to myself and saw the light that surrounded me and the Good that
was in me, I became divine.« (NHC XI, 3, 52, 7-12; cf. NHC VII, 5, 124, 17-21; Puech 1934 p.
461 sowie die Einführung von James E. Goehring zu NHC VII, 5 in Robinson 1988 p. 396.
xcviii Bloch, GEIST DER UTOPIE II p. 43.
xcix Dieser Pessimismus blieb keinesfalls auf linke Intellektuelle beschränkt. Die
skizzierte Konstellation von Fortschrittspessimismus, Öffentlichkeitskritik und Privilegierung
der ästhetischen gegenüber der wissenschaftlichen Erkenntnis findet sich - verquickt mit
nationalistischen Elementen - auch auf der anderen Seite des politischen Spektrums; schon
vor dem ersten Weltkrieg etwa bei Julius Langbehn, später bei dem ersten deutschen
Dostojewski-Herausgeber und Autor der Schrift vom DRITTEN REICH, Arthur Moeller van den
Bruck. Vgl. dazu: Fritz Stern, KULTURPESSIMISMUS ALS POLITISCHE GEFAHR. Eine Analyse nationaler
Ideologie in Deutschland. München 1986 (zuerst Berkeley 1961).
c cf. Rolf Peter Sieferle, FORTSCHRITTSFEINDE? Opposition gegen Technik und
Industrie von der Romantik bis zur Gegenwart. München 1984 p. 157.
ci Max Scheler, Gesammelte Werke. Hg. v. Maria Scheler und Manfred S. Frings.
Bern 1954 sqq. Bd. VIII p. 157.
cii Scheler VIII p. 140.
ciii cf. Richard Smith: The Modern Relevance of Gnosticism. In: Robinson l. c. p.
532-549.
civ z. n. Tilman Evers: C. G. JUNG - PSYCHOLOGIE UND GNOSIS. In: Koslowski l. c. p. 329-
351, das Zitat p. 335. Das Interesse für die Gnosis hielt jedoch auch später an. So wurde
der erste Kodex der Bibliothek von Nag Hammadi 1952 von Jung erworben und nach ihm
benannt.
cv Evers p. 337.
cvi Hesse hatte sich 1916 einer längeren Jungschen Analyse unterzogen und
auch die Schriften Jungs studiert.
cvii cf. Hermann Hesse, DER STEPPENWOLF, Frankfurt/M. 1972 p. 51; das Motiv der
Fehlgeburt bei Hippolyt, Ref. VI 29, 6; 31, 5.
cviii Hesse, l. c. p. 62.
cix cf. Martin Heidegger Gesamtausgabe. Frankfurt/M. 1976 sqq. Bd. LXV p. 113
sqq.
cx »Die Seinsverlassenheit ist am stärksten dort, wo sie sich am
entschiedensten versteckt.« (l. c. p. 110).
cxi l. c. p. 343, cf. 191.
cxii cf. Henri Charles Puech, Phänomenologie der Gnosis. In: Wolfgang Schultz,
DOKUMENTE DER GNOSIS. Nachdr. d. Ausgabe Jena 1910, mit Essays von Georges Bataille und
Henri-Charles Puech. München 1986, p. 29.
cxiii Martin Heidegger: DER URSPRUNG DES KUNSTWERKS. Mit einer Einführung von Hans-
Georg Gadamer. Stuttgart 1960 p. 55
cxiv l. c. p. 31
cxv l. c. p. 68
cxvi l. c. p. 69
cxvii Heidegger LXV p. 485
cxviii Den Fortschritt bezeichnet Heidegger demgegenüber als »zukunftslos, weil
er nur das Bisherige auf dessen eigener Straße 'weiter' befördert.« (Heidegger LXV p. 113).
cxix l. c. p. 414.
cxx Zum Verhältnis zu Heidegger vgl. neben Adornos eigenen Stellungnahmen
vor allem in der NEGATIVEN DIALEKTIK (p. 67-136) insbesondere die Arbeit von Hermann
Mörchen: ADORNO UND HEIDEGGER. Untersuchung einer philosophischen
Kommunikationsverweigerung. Stuttgart 1981.
cxxi cf. Max Horkheimer/Theodor W. Adorno: DIALEKTIK DER AUFKLÄRUNG. Philosophische
Fragmente. Mit einem Nachwort von Jürgen Habermas, Frankfurt/M. 1969 (zuerst
Amsterdam 1947) p. 88 sqq.
cxxii Theodor W. Adorno: NEGATIVE DIALEKTIK, Frankfurt/M. 1975 (= Bd. 6 der
Gesammelten Schriften; zuerst Frankfurt/M. 1966) p. 34. Adorno zitiert damit einen genuin
gnostischen Topos, das Bild von der Welt als einer »hermetisch abgeschlossene[n] Festung,
umgeben von scheinbar unüberwindlichen Mauern und Gräben.« Puech 1984 p. 36.
cxxiii l. c. p. 128.
cxxiv l. c. p. 337.
cxxv Horkheimer/Adorno, Dialektik der Aufklärung p. 88 sq.
cxxvi Adorno, Negative Dialektik p. 17.
cxxvii cf. Hartmut Scheible: WAHRHEIT UND SUBJEKT. Ästhetik im bürgerlichen Zeitalter
Reinbek 1988 p. 479.
cxxviii cf. Theodor W. Adorno: ÄSTHETISCHE THEORIE. Herausgegeben von Gretel Adorno
und Rolf Tiedemann, Frankfurt/M. 1973 (=Bd. 7 der Gesammelten Schriften) p. 14).
cxxix Adorno, ÄSTHETISCHE THEORIE p. 121.
cxxx l. c. p. 14.
cxxxi l. c. p. 384.
cxxxii Adorno, ÄSTHETISCHE THEORIE p. 199.
cxxxiii Adorno, NOTEN ZUR LITERATUR IV. Frankfurt/M. 1974 p. 92.
cxxxiv Adorno, NEGATIVE DIALEKTIK p. 66, 192.
cxxxv l. c. p. 363.
cxxxvi Adorno, NEGATIVE DIALEKTIK p. 292 sq.
cxxxvii Die erste deutsche Ausgabe einer gnostischen Quelle erschien 1781 mit
Dietrich Tiedemanns HERMES TRISMEGISTIS POEMANDER ODER VON DER GÖTTLICHEN MACHT UND WEISHEIT. Der
Codex Askewianus und der Codex Brucianus wurden durch C. G. Woide im Jahre 1778
bekanntgemacht. Von großer Bedeutung ist zudem der Fund von Nag Hammadi (1945). Als
eine der ersten objektiven Darstellungen in der Forschung ist von Belang: August Neander,
Genetische Entwicklung der vornehmsten gnostischen Systeme. Berlin 1818. Die von
Schopenhauer nach 1813 benutzte Übersetzung der Upanischaden von Anquetil-Du Perron
war 1801 erschienen.
cxxxviii Vgl. hierzu z. B. die Auseinandersetzung Lessings mit Irenaeus, der »die
abgeschmackten schändlichen Lehren der Gnostiker an den Tag gebracht« habe. (Lessing
VII p. 687).
cxxxix cf. Nietzsche I p. 115 sq.
cxl cf. Siegfried Morenz: GOTT UND MENSCH IM ALTEN ÄGYPTEN. Darmstadt 1984 p. 73 sq.
cxli cf. Rudolph 1977 p. 313.
cxlii cf. Scholem 1957 p. 78.
cxliii cf. Scholem l. c. p. 267 sqq.
cxliv Sigmund Freud, VORLESUNGEN ZUR EINFÜHRUNG IN DIE PSYCHOANALYSE. Frankfurt/M. 1977
p. 226; cf. Volker Spierling: DIE DREHWENDE DER MODERNE, in: ders. (Hg.) Materialien zu
Schopenhauers 'Die Welt als Wille und Vorstellung', Frankfurt/M. 1984 p. 14 sqq.
cxlv Heidegger, Sein und Zeit p. 128 sq. cf. 126 sq.
cxlvi »Die Kunst... übernimmt die Funktion einer... innerweltlichen Erlösung: vom
Alltag und, vor allem, auch von dem zunehmenden Druck des theoretischen und
praktischen Rationalismus.« (Max Weber, Zwischenbetrachtung, l. c. p. 555).

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