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Huong, Thi Thu Tran_7232365

Welche Kompetenzen bzw. welches Wissen benötigen


Lehrkräfte im Umgang mit schulischer Heterogenität, um
inklusive Lernumgebungen zu schaffen?

Name: Huong, Thi Thu Tran


Studienfach: Erziehungswissenschaft, HP 2015
Fachsemester: 8
Matrikelnummer: 7232365
Email: s1025989@stud.uni-frankfurt.de
Titel der Arbeit: Welche Kompetenzen bzw. welches Wissen
benötigen Lehrkräfte im Umgang mit schulischer Heterogenität, um
inklusive Lernumgebungen zu schaffen?
SoSe 2023:
Dozentin:
Abgabedatum: 16.10.2023

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Huong, Thi Thu Tran_7232365

Gliederung
1. Einleitung.......................................................................................................................................... 3

2. Dimension von Heterogenität ............................................................................................................ 3


2.1 Familiäre Hintergrund ...........................................................................................................................3
2.2 Individuelle Lernpotenzial .....................................................................................................................6

3. Ausbildung und Qualifikation der Lehrpersonen, Pädagogen............................................................... 7


3.1 Interkulturelle Kompetenz.....................................................................................................................8
3.2 Umgang mit Heterogenität.................................................................................................................11
3.3 Sprachliche Bildung .............................................................................................................................17

4. Fazit................................................................................................................................................ 18

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1. Einleitung
Jede Schulklasse in Deutschland ist sehr unterschiedlich. Die
Schülerinnen und Schüler, die gemeinsam in einer Klasse
unterrichtet werden, stellen ein breites und vielfältiges Bild an
Begabungen, Fähigkeiten und Interessen dar. Um die
vielschichtigen Aspekte von Differenz im schulischen Kontext zu
verstehen, werden daher in dieser Arbeit die Dimensionen von
Heterogenität, insbesondere der familiäre Hintergrund und das
individuelle Lernpotenzial, näher betrachtet.
Im Zentrum dieser Arbeit wird es darum gehen, Antworten auf die
Frage zu finden: Über welche Kompetenzen bzw. welches Wissen
müssen Lehrkräfte im Umgang mit Heterogenität in der Schule
verfügen, um ein inklusives Lernumfeld schaffen zu können? In
diesem Zusammenhang werden Schlüsselkompetenzen wie
interkulturelle Kompetenz, der sichere Umgang mit Heterogenität
und die Förderung sprachlicher Bildung als wesentliche
Bestandteile einer zeitgemäßen Lehrerbildung diskutiert.

2. Dimension von Heterogenität


Die Schülerinnen und Schüler in einer Klasse sind sehr
unterschiedlich: Sie haben ihre eigene Lebensgeschichte, ihre
eigene familiäre Situation und ihre eigene Persönlichkeit. Die sehr
unterschiedlichen Eigenschaften der einzelnen Kinder und
Jugendlichen führen zu sehr unterschiedlichen Merkmalen.
Besonders zu beachten sind dabei die familienstrukturellen
Merkmale (sozioökonomischer Hintergrund und
Migrationshintergrund der Familie) und die individuellen
Lernpotenziale (insbesondere Intelligenz und Vorwissen, aber auch
Sprachkenntnisse), da diese nachweislich eine zentrale Rolle für die
schulische Entwicklung der Kinder und Jugendlichen spielen.
Darauf wird in diesem Kapitel genauer eingegangen.1

2.1 Familiäre Hintergrund

Sozioökonomischer Hintergrund
In Deutschland sind der familiäre Hintergrund (primäre und
sekundäre Einflussfaktoren) und die Kompetenzentwicklung und
Schulleistung der Kinder eng miteinander verbunden. Der

1 Vock, Gronostaij, 2017, S. 17

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grundlegende Ursprungseffekt in Form von Schulleistungen hängt


von den Ressourcen ab, die in die Bildung der Kinder investiert
werden müssen. Wie viele Bücher hat eine Familie? Steht ein
Ausflug ins Theater oder Museum auf dem Programm? Können
Kinder Musik lernen? Kann Nachhilfeunterricht gefördert werden?
Welche kulturellen Sprachen werden unterrichtet? Die
unterschiedlichen Ressourcen, die Familien in die Bildung ihrer
Kinder einsetzen, führen dazu, dass manche Kinder bei der
Einschulung mehr wissen und können als andere und gute Chancen
wahrnehmen können. Das wirtschaftliche, soziale und kulturelle
Potenzial einer Familie beeinflusst den Bildungserfolg der Kinder
und damit das Bildungsniveau, das sie erreichen können.2
Der sekundäre Effekt sind die Bildungswünsche und
Bildungsentscheidungen der Eltern. Dabei stehen die Vorstellungen
und Wünsche der Eltern für die Ausbildung und den Werdegang
ihrer Kinder im Zentrum. Familien mit höherem Status sind daher
mehr daran interessiert, dass ihre Kinder ein höheres
Bildungsniveau erreichen. 3: „Kinder aus sozial weniger
begünstigten Familien im Vergleich zu Kindern aus sozial
privilegierten Elternhäusern über niedrigere schulische
Kompetenzen verfügen, bei gleichen Leistungen von den
Lehrkräften schlechter bewertet werden, auch unter Kontrolle der
Schulleistungen und Noten geringere Chancen auf den Erhalt einer
Gymnasialempfehlung haben und Eltern ihr Kind schließlich bei
Kontrolle von Leistungen seltener auf ein Gymnasium schicken.“4
In Deutschland beeinflussen die familiären Umstände der Schüler
die Entscheidungen der Lehrer über ihre Schullaufbahn. Kinder aus
sozioökonomisch starken Familien erhalten mit deutlich höherer
Wahrscheinlichkeit eine Gymnasialempfehlung als Kinder aus
sozioökonomisch schwächeren Familien. Dies könnte darauf
zurückzuführen sein, dass Lehrer glauben, dass Eltern mit einem
höheren Bildungsniveau besser in der Lage sind, Kinder mit
Lernstörungen zu betreuen als Eltern mit einem niedrigeren
Bildungsniveau. 5

Migrationshintergrund
Der Migrationshintergrund ist ein wichtiger Faktor für den
Bildungserfolg von Schülern. Im Jahr 2014 hatten etwa 20 % der
Bevölkerung in Deutschland einen Migrationshintergrund. Schüler

2 Ebd., 2017, S. 18
3 Ebd., 2017, S. 18
4 Ebd., 2017, S. 22
5 Ebd., 2017, S. 20

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mit Migrationshintergrund sind tendenziell unterrepräsentiert,


beenden die Schule eher ohne Abschluss und nehmen seltener ein
Hochschulstudium auf und sind häufiger arbeitslos. Sprachbarrieren
werden als eine der Hauptursachen für diese
Bildungsbenachteiligung angesehen. PISA-Studien zeigen, dass
Schüler mit einem Migrationshintergrund bei Tests schlechter
abschneiden, selbst wenn sie einen ähnlichen sozioökonomischen
Hintergrund haben. Laut PISA-Studien erzielen Schüler mit
Migrationshintergrund in Deutschland in einer Vielzahl von
Fächern im Durchschnitt schlechtere Testergebnisse, obwohl ihre
Eltern über vergleichbare finanzielle Mittel und einen
vergleichbaren Bildungshintergrund verfügen. Darüber hinaus
wurde der Einfluss von Herkunftsland und Generation auf die
Bildungsergebnisse untersucht. Die Unterschiede sind je nach
Herkunftsland und Generation unterschiedlich, wobei Schüler
türkischer Herkunft in Deutschland besonders benachteiligt sind.
Dagegen zeigten Schüler der zweiten Generation, deren Eltern aus
der ehemaligen UdSSR stammen und in Deutschland geboren
wurden, ähnliche Leistungen wie Schüler ohne
Migrationshintergrund. Es ist zu betonen, dass die Schülerschaft mit
Migrationshintergrund je nach Herkunftsland und Generation sehr
heterogen ist.6
Eltern mit Migrationshintergrund sind in der Schule ihrer Kinder oft
weniger präsent als deutsche Eltern: Sie nehmen weniger an
Elternsprechtagen, Elternabenden und in den Ferien teil, sie sind
weniger im Schulverein und in den Schulgremien vertreten. Es gibt
eindeutig potenzielle Hindernisse für Eltern mit
7
Migrationshintergrund in der Schule.
Lehrer neigen dazu, von Schülern mit Migrationshintergrund
schlechtere schulische Leistungen zu erwarten. Diese stereotypen
Leistungserwartungen sind bedenklich, da sie sich nachweislich auf
den schulischen Erfolg auswirken. Es wird angenommen, dass
Lehrer geduldiger und freundlicher mit Schülern umgehen, von
denen höhere Leistungen erwartet werden. Dies kann sich durch
anspruchsvollere Aufgaben und anspruchsvollere Fragen in einer
höheren Beteiligung am Unterricht niederschlagen. 8

6 Ebd., 2017, S. 26
7 Ebd., 2017, S. 27
8 Ebd., 2017, S. 29, zitiert nach Kunter, Pohlmann, 2015, S. 48

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2.2 Individuelle Lernpotenzial

Sprachkenntnisse
Sprachkompetenz ist ein wichtiger Faktor für den Schulerfolg und
die Zukunft von Kindern und Jugendlichen. Rund 25 % der 5-
jährigen Kinder, insbesondere wenn sie zu Hause nicht Deutsch
sprechen oder aus bildungsfernen Familien kommen, haben einen
Sprachförderbedarf in Deutsch. Ein Grund für mangelnde
Sprachkenntnisse ist ein schwaches familiäres Sprachmilieu mit
unterschiedlichen familiären Bildungsniveaus. Mütter mit höherem
Bildungsniveau sind in der Lage, umfassende Inhalte sprachlich zu
vermitteln. Kinder mit Migrationshintergrund erfahren in
Deutschland jedoch häufig eine doppelte Benachteiligung, da sie
häufig in sozioökonomisch schwachen Familien aufwachsen und
häufig wenig sprachlichen Input in Deutsch erhalten, insbesondere
wenn sie erst in der Kita oder Schule mit Deutsch in Kontakt
kommen.9
Die Bildungssprache, die in schulischen und akademischen
Kontexten verwendet wird, geht über die Alltagssprache hinaus. Sie
dient dem Austausch prägnanter und komplexer Informationen und
dem Aufbau neuen Wissens. Sie ist gekennzeichnet durch komplexe
grammatikalische Strukturen, Nomen, Passivkonstruktionen,
wissenschaftliches und fachspezifisches Vokabular und spezifische
sprachliche Elemente. Schüler mit Migrationshintergrund und aus
bildungsfernen Familien sind daher möglicherweise nicht in der
Lage, Bildungssprache anzuwenden, was zu schlechteren
Schulleistungen führt. Lehrerinnen und Lehrer sind häufig der
Ansicht, dass der Erwerb bildungssprachlicher Kompetenzen vor
allem im familiären Kontext stattfindet. Dies hat zur Folge, dass
Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund und aus
bildungsfernen Familien benachteiligt sind, da sie möglicherweise
nicht die gleichen Deutschkenntnisse erwerben wie ihre
Altersgenossen. Dies betrifft nicht nur die Lernerfolge im Fach
Deutsch, sondern in allen Fächern. 10

Die Intelligenz und das Vorwissen


Die Geschwindigkeit, mit der Schüler lernen und Informationen im
Unterricht verarbeiten, wird durch die Intelligenz bestimmt. Etwa
die Hälfte der individuellen Intelligenzunterschiede sind genetisch
bedingt, aber auch Lernmöglichkeiten und
Entwicklungsbedingungen beeinflussen die Intelligenzentwicklung.

9 Vock, Gronostaij, 2017, S. 26- 27


10 Ebd., 2017, S. 29

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In der Schule, insbesondere in der Grundschule, wo Kinder


unterschiedlicher Intelligenz gemeinsam lernen, hat die breite
Streuung der Intelligenz Auswirkungen auf den Unterricht. Dies gilt
auch für weiterführende Schulen und sogar für spezielle Klassen für
Hochbegabte. Dies erfordert einen differenzierten Unterricht. Daher
ist es wichtig, die unterschiedlichen Intelligenzwerte in einer Klasse
zu berücksichtigen, um effektiv differenzieren zu können.
Schulische Bildung beeinflusst die Intelligenzentwicklung. Ein
kognitiv anspruchsvolles schulisches Umfeld kann zu einer
deutlichen Steigerung der Intelligenz führen. Eine intellektuell
anregende Lernumgebung fördert nicht nur den Erwerb von Wissen,
sondern trägt auch zur Steigerung der Intelligenz bei. Diese muss
kognitiv anregend sein, anspruchsvolle Lehrpläne und hohe
Leistungserwartungen beinhalten und die Anwesenheit
11
leistungsstarker Schüler berücksichtigen.
Intelligenz allein reicht für schulischen, akademischen und
beruflichen Erfolg nicht aus. Auch Persönlichkeitsmerkmale,
Motivation, Frustrationstoleranz und günstige Lernbedingungen
spielen eine wichtige Rolle. Intelligente Menschen können sich
komplexe Informationen schneller und leichter aneignen. Der
eigentliche Vorteil liegt jedoch im Aufbau von Wissen. Vorwissen
ist ein stärkerer Indikator für den späteren Schulerfolg als
Intelligenz. Im traditionellen Unterricht ist es schwierig, einen
ausreichenden Wissensstand zu erreichen, bevor ein Thema vertieft
wird. Um einen nachhaltigen Wissensaufbau zu fördern, ist es
ratsam, zusätzlich zu den abschließenden Klassenarbeiten
unbenotete Tests zu verwenden, um frühzeitig eine Rückmeldung
über den Wissensstand zu erhalten.12

3. Ausbildung und Qualifikation der Lehrpersonen, Pädagogen


In Deutschland wächst der Anteil von Menschen mit
Migrationshintergrund. Immer mehr Kinder mit unterschiedlicher
soziokultureller und sprachlicher Heterogenität besuchen die
öffentlichen Schulen in den westeuropäischen Ländern. Das
Anforderungsprofil für Lehrkräfte muss daher verstärkt der
zunehmenden sprachlichen und kulturellen Vielfalt Rechnung
tragen. Für die Integration von Kindern mit Migrationshintergrund
und Fluchterfahrungen in das Bildungssystem ist daher eine deutlich
interkulturell ausgerichtete Aus- und Fortbildung von Lehrkräften

11 Ebd., 2017, S. 37-40


12 Ebd., 2017, S. 39- 40

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von großer Bedeutung.13 Ziel der pädagogischen Förderung ist es,


die soziale Benachteiligung unterer sozialer Milieus beim Zugang
zu Bildung zu verringern und gemeinsame Entwicklungsschritte zu
fördern.14
Die interkulturell orientierte Aus- und Weiterbildung von
Erzieherinnen und Erziehern sollte sich auf drei Ebenen
konzentrieren: interkulturelle Kompetenz, Umgang mit
Heterogenität und sprachliche Bildung.

3.1 Interkulturelle Kompetenz


„Interkulturelle Kompetenz ist eine Fähigkeit, die einen
Aneignungsprozess von Informationen und Verhaltensweisen
beschreibt, die uns dazu verhelfen, eine Aufgabe zu meistern, einer
Herausforderung zu begegnen oder eine Tätigkeit in interkulturellen
Kontexten auszuführen. Die Aneignung von Kompetenzen wird
erforderlich, wenn unterschiedliche Denkformen, Handlungsmuster
oder Lebensentwürfe miteinander in Berührung kommen. Damit
sind auch Werte- und Normenorientierung sowie begriffliche und
theoretische Bezugssysteme gemeint, die nicht immer explizit
sind.“15
IK wird in vier verschiedene, voneinander abhängige Komponenten
unterteilt: metakognitive, kognitive, motivationale und
16
verhaltensbezogene Komponenten. Die erste, metakognitive
Komponente besteht darin, die kulturellen Verhaltenseinflüsse zu
erkennen. Dazu gehört auch die Bereitschaft, Neues über kulturelle
Vielfalt zu lernen. Zum anderen gehören dazu die Kenntnisse über
das jeweilige Land, die Sprache, die Religion, die Traditionen. Auf
der dritten Ebene, der motivationalen Dimension, wird beschrieben,
wie wichtig es für eine Person ist, interkulturelle Situationen gut zu
verstehen und wie sicher sie sich ist, diese erfolgreich bewältigen zu
können. Die behaviorale Dimension betrachtet, wie gut Menschen
ihre eigene Kultur und die die der anderen reflektieren können, um
sich im kulturellen Kontext angemessen zu verhalten.17
Wichtige Faktor für interkulturelle Kompetenz ist die interkulturelle
Sensibilität. Jeder Mensch ist geprägt von den Gewohnheiten,
Traditionen und dem kulturellen Kontext, die sein tägliches Leben
gestalten. Diese Ordnung wird gestört, wenn er mit einer fremden
Realität konfrontiert wird. Daher muss sich jeder Einzelne und jede
Gruppe zunächst seiner/ihrer eigenen kulturellen Identität und der

13 Lanfranchi, 2003, S. 232- 233


14 Becker; Lauterbach, 2004, S. 145
15 Yousefi, Braun, 2011, S. 51
16 Ang et al., 2017, S.360-371
17 Ebd., 2017, S.360-371

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entsprechenden kulturellen Normen seiner/ihrer Gesellschaft


bewusstwerden, um in der Lage zu sein, das Handeln, Denken,
Fühlen, Wahrnehmen von Menschen aus fremden Kulturen zu
berücksichtigen.18
Für Erwerb der interkulturellen Kompetenz ist ein Abbauen eines
vorschnellen Urteils über die Richtigkeit der eigenen Annahmen
erforderlich: „Die eigenen Erfahrungen der interkulturell
kompetenten Person werden in diesem Moment zurückgestellt und
es besteht die Bereitschaft Stereotype und Vorurteile zu revidieren
und Neues zu erlernen“. 19 Zum Beispiel ist der körperliche Kontakt
mit Hunden für einen Muslim ängstlich oder eklig, weil der Hund
im Kult des Islam als "unreines" Tier gilt. In diesem Fall soll man
in der Lage sein, "eigenen kulturelle Brille abzusetzen" und andere
Kultur zu respektieren.20
Im Folgenden wird erläutert, warum interkulturelle Kompetenz für
Lehrkräfte und Pädagogen in der Migrationsgesellschaft
unerlässlich ist.
Wie oben erläutert, nimmt der Anteil der Menschen mit
Migrationshintergrund in Deutschland zu. In der Schule kommen
Schüler mit unterschiedlichen Sprach-, Kultur-, Bildungs- und
Erfahrungshintergründen zusammen, was zur Folge hat, dass sich
Sprachen und kulturelle Praktiken vermischen. 21 Dies ist als ein
zentrales Merkmal bzw. Motiv für die Notwendigkeit der
Vermittlung interkultureller Kompetenz von Lehrkräften und
Pädagogen im Rahmen der Migrationsbildung zu sehen.
Schanz (2009) behauptet, dass das heutige Bildungssystem von den
Lehrkräften interkulturelle Kompetenz verlangt, weil die Schulen
nicht nur die Aufgabe der Allgemeinbildung und des Zugangs zur
Bildung sicherstellen müssen, sondern auch mehr als nur Wissen zu
vermitteln haben. 22
Lanfranchi zeigte deutlich die Rolle der interkulturellen Kompetenz
in der Lehrerausbildung: „Ein weiterer Grund, warum
Qualifizierungsmaßnahmen im Bereich interkultureller Kompetenz
notwendig sind, liegt in den pädagogischen Erkenntnissen über
Wissenserwerb. Schülerinnen und Schüler entwickeln neues Wissen
und neue Fähigkeiten auf der Basis ihrer bisherigen
Sozialisationserfahrungen. Wenn jedes Kind sein Lernen auf der
Grundlage seiner vorhandenen Ressourcen und deren Anerkennung
aufbaut und ihm dies nur in dem Maße gelingt, wie es das Gelernte

18 Auermheimer, 2001, S.344


19 https://www.ikud.de/glossar/interkulturelle-kompetenz-definition.html (14.07.2023)
20 Ebd. (14.07.2023)
21 Mechiril, 2010, S. 11
22 Schanz, 2009, S. 111

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als sinnvoll empfindet, hat dies konkrete Folgen für das Lehren bzw.
für die Modalitäten des Unterrichts: Dieser muss auf die Lebenswelt
des jeweiligen Kindes bezogen sein, und dafür muss die Lehrperson
die (familiale, herkunfts- und milieuspezifische) Realität kennen, in
der das Kind aufgewachsen ist und während seiner Schulzeit lebt.“ 23

Die Kompetenz der Lehrkräfte im Umgang von


Migrationshintergrund spielt eine zentrale Rolle bei der
Verringerung des Leistungsunterschieds zwischen Schülern. Die
folgenden interkulturellen Qualifizierungsmaßnahmen sind zu
berücksichtigen: Fähigkeiten und Fertigkeiten auf der Dimension
der Vielfalt von Kulturen, Sprachen, sozialer und geschlechtlicher
Zugehörigkeit; Fähigkeiten, die Vielfalt von Lebens- und
Denkmustern zu erkennen. Schließlich werden Kompetenzen auf
der Ebene des kommunikativen Handelns, des interkulturellen
Gesprächs und des interkulturellen Verständnisses benötigt.
24Außerdem laut nach Bettina (2017) verlangt die Lehrperson bzw.

Pädagogen die Offenheit und Wertschätzung ohne vorschnell


Bewertung. 25 „Offenheit und Wertschätzung bedeuten in diesem
Sinn nicht, alles gut zu deuten, sondern sich selbst und den anderen
achtsam gegenüberzutreten. Es ist gleichermaßen wichtig, die
eigenen Gefühle, Gedanken, Befürchtungen zu hinterfragen, wie
auch dem fremd Erscheinenden auf den Grund zu gegen. Dazu
gehört es, die eigene kulturelle Brille selbstreflexiv abzulegen oder
sich dieser zumindest bewusst zu werden“.26 Letztlich erfordert der
Umgang mit kultureller Vielfalt von den pädagogischen Fachkräften
bzw. Lehrkräften einen flexiblen bzw. situationsabhängigen
Handlungsansatz für den optimalen Umgang mit kultureller Vielfalt
27 „Adäquates Verhalten kann nur in den jeweils spezifischen

Situationen mit den Beteiligten Kindern und Familien entwickelt


werden. Dies erfordert Flexibilität und Kreativität, um
alltagstaugliche Wege zu finden, die den Bedürfnissen und
Erwartungen aller Beteiligten entgegenkommen“. 28 Nach Bettina
Lamm kommt es darauf an, die spezifischen kulturellen Kontexte
und die spezifischen Überzeugungen, Routinen, Traditionen und
Glaubensregeln der Kinder und ihrer Familien zu kennen und zu
verstehen, um die Kinder und ihre Familien in die Lage zu

23 Lanfranchi, 2003, S. 233- 234


24 Lanfranchi, 2003, S. 231
25 Bettina Lamm, 2017, S. 141
26 Ebd., 2017, S. 18
27 Ebd., 2017, S. 18
28 Ebd., 2017, S. 19

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versetzen, sich auf die neue Situation einzustellen 29: „Wenn


pädagogische Fachkräfte wissen, wie eine Familie lebt und welche
Werte die (Erziehung in der) Familie prägen, ist das ein erster Schritt
zu einer kultursensitiven pädagogischen Arbeit. Dieses Wissen wird
bestenfalls im direkten Austausch mit den Familien gesammelt,
kann aber auch, zum Beispiel im Falle von sprachlichen
Verständigungsproblemen, über Dritte, die mit dem kulturellen
Hintergrund vertraut sind, zusammengetragen werden. Dieser
Wissenserwerb wird von einer neugierigen, offenen Haltung
gegenüber kulturellen Phänomenen begünstigt.“ 30 Kinder reagieren
auf ein und dasselbe Verhalten unterschiedlich, je nach ihren
familiären Erfahrungen. Ein Beispiel aus dem Kindergarten macht
dies deutlich, wenn die Erzieherin sagt, Überleg dir, was du heute
spielen willst und mit wem du spielen willst. Ein Kind, das gewohnt
ist, eigene Entscheidungen zu treffen, macht einen interessanten
Prozess der Selbstfindung durch. Andererseits kann die gleiche
Aufforderung ein Kind, das gewohnt ist, den Anweisungen eines
Erwachsenen zu folgen, überfordern. Es muss betont werden, dass
unterschiedliche Handlungsstrategien notwendig sein können, um
die gleichen Bildungsziele zu erreichen und die Chancengleichheit
für alle zu gewährleisten. 31

3.2 Umgang mit Heterogenität

3.2.1 Schule- ein Sozialisationsort


Heterogenität ist kein neues Phänomen, denn in Schulen gibt es
viele Unterschiede in Bezug auf Alter, Geschlecht, Interessen,
Lernvoraussetzungen, Lerntraditionen, kulturelle und familiäre
Hintergründe.32 Hoffmann hält Heterogenität nicht nur im Leben,
sondern auch in der Schule für unverzichtbar „mühevoll, aber auch
ungemein anregend im Unterricht [...] und vor allem
lernförderlich“.33 Aufgrund der sich wandelnden Gesellschaft hat
die Heterogenität in der Bildung in den letzten Jahren deutlich
zunahm.34 Daher wird der Umgang mit der Heterogenität des
Lehrpersonals immer wichtiger. „Der Umgang mit heterogenen
Lerngruppen stellt Lehrkräfte vor eine schwierige Aufgabe, die ein
hohes Maß an Professionalität verlangt, um der Herausforderung der
Unterrichtsgestaltung bezüglich der Leistungsunterschiede,

29 Ebd., 2017, S. 17
30 Ebd., 2017, S. 17
31 Ebd., 2017, S. 20-21
32 Schöndorf, Steinmetz, 2021, S. 143
33 Hoffmann, 2013, S. 161
34 Schöndorf, Steinmetz, 2021, S. 143

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Lerngewohnheiten, Lernstile usw. gerecht zu werden.“ 35 Huxel


(2016) hat festgestellt: „Professionelles Handeln von Lehrkräften in
der Schule der Migrationsgesellschaft beinhaltet den kompetenten
Umgang mit (migrationsbedingter) Heterogenität im Sinne des
Abbaus von Bildungsbenachteiligungen, die sich aus sprachlicher
und kultureller Diversität oder der Annahme beziehungs- weise
Zuschreibung einer solchen ergeben. Eine Professionalisierung des
pädagogischen Personals auf diesem Gebiet stellt einen wichtigen
Baustein innerhalb einer Schulentwicklung dar, die zu
interkultureller Öffnung von Schule führt.“ 36

Guter Unterricht ist auf die Lernmöglichkeiten und Lernbedürfnisse


jedes einzelnen Schülers ausgerichtet. Häufig unterfordernder wie
auch konsequent überfordernder Unterricht ist sinnlos. Der
Unterricht kann nicht für alle Kinder und Jugendlichen desselben
Alters gleich sein; es gibt Unterschiede im Tempo, im Niveau, im
Maß der Unterstützung, der Betreuung und der Zugänglichkeit, um
nur einige zu nennen. Die Lehrkräfte passen ihren Unterricht ständig
an das Lernniveau und den Förderbedarf der Schüler in der Klasse
an. Gleichzeitig ist es daher notwendig, dass auch die Lernziele
differenziert werden: Alle Kinder der Klasse müssen ein
wesentliches Lernziel erreichen (im Sinne von Mindeststandards),
viele Schüler können ein höheres gestecktes Ziel erreichen (reguläre
Standards), und viele Kinder können in manchen Fällen ein deutlich
höheres Ziel erreichen (optimale Standards).37

Die Schule ist ein Ort der Sozialisierung und Entwicklung für
Kinder und Jugendliche. Daher ist es wichtig, ein gutes Lernklima
im Klassenzimmer zu gestalten und zu gewährleisten, dass sich
jeder in der Schule sozial akzeptiert, wertgeschätzt und geschützt
fühlt - auch diejenigen Schüler, die als anders als die soziale Norm
wahrgenommen werden. Die Lehrkräfte können viel dafür tun, dass
an ihrer Schule eine gute Atmosphäre geschaffen wird. Es ist sehr
wichtig, dass die Schüler das Gefühl haben, dass ihre Lehrer sie
mögen. Schüler, die von ihren Lehrern gemocht und geschätzt
werden, werden im Allgemeinen auch von ihren Mitschülern eher
akzeptiert. Eine positive Atmosphäre beeinflusst die Leistungen, die
Freude am Lernen und das Sozialverhalten positiv. Die Bedeutung
des Klimas wird besonders deutlich, wenn sich Schüler so lange in

35 Ebd., S. 144
36 Huxel 2016, S. 144
37 Vock, Gronostaij, 2017, S. 63

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der Schule unwohl fühlen, dass sie weniger aktiv am Unterricht


teilnehmen und häufig die Schule überspringen.38

Der Umgang mit Differenzierung ist eine der besten Chance, "mit
heterogenen Lerngruppen im Unterricht konstruktiv zu arbeiten" 39.
Im Zusammenhang mit der Differenzierung ist zwischen "äußerer
Differenzierung" und "Binnendifferenzierung" 40 zu unterscheiden.
Bei der äußeren Differenzierung werden die Lernenden in Gruppen
von verschiedenen Lehrkräften zu bestimmten Zeiten unterrichtet,
je nach Auswahlkriterien, z.B. Sprachniveau, Interessen oder
Alter.41 Als „Binnendifferenzierung“ gelten im Rahmen einer
gemeinsamen Lerngruppe alle Maßnahmen „die innerhalb einer
Gruppe dazu beitragen, unterschiedlichen Lernvoraussetzungen
Rechnung zu tragen bzw. den Lernprozess für verschiedene
Lernende unterschiedlich zu gestalten“ 42 Deshalb ist es vor allem
wichtig, die Stärken jedes einzelnen Lernenden zu berücksichtigen.
Neben der Vermittlung von Wissen haben die Lehrkräfte auch die
Verantwortung, als Moderatoren zu fungieren und die Möglichkeit,
„sich phasenweise verstärkt einzelnen Lernenden zuzuwenden,
damit einzelne Lernende davon profitieren.“ 43
Um mit Heterogenität besser umgehen zu können, bedarf es bei
Lehrkräften eines hohen Maßes an diagnostischer und didaktischer
Kompetenz, an Fachwissen und fachdidaktischem Wissen sowie an
Kompetenz von Überzeugungen oder Werthaltungen.

3.2.2 Diagnostische Kompetenz, Fachwissen

Die Lehrkräfte müssen zunächst in der Lage sein, die


Lernausgangslage der Schüler zu diagnostizieren. Es wird davon
ausgegangen, dass der Bildungsweg auf der Grundlage von Noten
entschieden wird. Daher sollten die diagnostischen Einschätzungen
der Lehrkräfte so genau wie möglich sein. 44
CBM (Curriculum bassierte Mesungen) ist kurze, materialbasierte
Tests, die im Unterricht eingesetzt und regelmäßig in der
Unterrichtsstunde durchgeführt werden. CBM geben den Schülern
eine Rückmeldung über ihren Leistungsstand und geeignete

38 Ebd., 2017, S. 64-65


39 Demmig, 2008, S.34, zitiert nach Schöndorf, Steinmetz, 2021, S. 145
40 Binnendifferenzierung ist innere Differenzierung.
41 Schöndorf, Steinmetz, 2021, S. 145
42 Kaufmann, 2007, S. 192, zitiert nach Schöndorf, Steinmetz, 2021, S. 145
43 Schöndorf, Steinmetz, 2021, S. 148
44 Vock, Gronostaij, 2017, S. 64-66

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pädagogische Maßnahmen, die nach der Diagnose zu ergreifen sind.


Allerdings ist CBM in Deutschland noch nicht sehr verbreitet. 45
Diese Abbildung zeigt deutlich, welche Kompetenzen von den
Lehrkräften im Umgang mit Individualisierung und Differenzierung
erforderlich sind:

Quellen: Vock, Gronostaij, 2017, S. 80

Ein hohes Maß an diagnostischer und didaktischer Kompetenz ist


wichtig, denn erst die Analyse des Bedarfs und der Einsatz
ausgewählter Methoden im Unterricht führen zu
Leistungssteigerungen. 46
„Lehrkräfte müssen in heterogenen
Gruppen gleichzeitig viele verschiedene Lernwege auf
verschiedenen Niveaus antizipieren und darauf mit jeweils
passenden Maßnahmen reagieren können.“ 47 Um adaptive
Unterrichtsmethoden zu planen und zu gestalten, bedarf es
besonderer Fachwissen der Lehrkräfte über didaktische Lehrpläne
und Inhalte. Dabei sollten Aufgabenmöglichkeiten und -
schwierigkeiten sowie typische Schülerfehler, Missverständnisse
und Schwierigkeiten berücksichtigt werden. 48 Eine gute
Unterrichtsvorbereitung und individuelle Lernweggestaltung kann
Lehrkräften helfen, Stress zu verringern und die Unterrichtsqualität
zu verbessern. Die didaktisch orientierte Unterrichtsvorbereitung
zielt darauf ab, das Interesse aller Schüler zu wecken und ein tieferes
Verständnis des Inhalts zu fördern. 49 Darüber hinaus die Recherche

45 Vock, Gronostaij, 2017, S. 79


46 Wischer, 2008, S. 717
47 Vock, Gronostaij, 2017, S. 80
48 Ebd., 2017, S. 80-81
49 Schneuwly, 2014, zitiert nach Vock, Gronostaij, 2017, S. 81

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und der Einsatz von Materialien erfordern von den Lehrkräften


neben einem professionellen methodischen Handwerkszeug auch
die Kenntnis einer Vielzahl von Materialien und Methoden, die
praktisch im Unterricht eingesetzt werden können. 50
„Schließlich benötigen Lehrkräfte pädagogisches Wissen, um die
aus diagnostischen Informationen abgeleiteten adaptiven
Unterrichtsmaßnahmen im Klassenverband umzusetzen. Da im
differenzierten und individualisierten Unterricht gleichzeitig
unterschiedliche Lernaktivitäten stattfinden, sind ausgeprägte
Kompetenzen zur Klassenführung unabdingbar, um einen
reibungslosen und störungsfreien Ablauf zu gewährleisten. Um
Unterrichtsmethoden zielgerichtet und flexibel einsetzen zu können,
benötigen Lehrkräfte Wissen darüber, welche Methoden für welche
Lernziele und unter welchen Bedingungen geeignet sind“ 51

3.2.3 Werthaltungen

Einstellungen, Einstellungen, Überzeugungen und Werthaltungen


sowie Kenntnisse und Fähigkeiten, die dem professionellen
Handeln von Lehrkräften im Umgang mit Heterogenität oder
Diversität zugrunde liegen. 52 „Werthaltungen beschreiben, welche
moralischen Präferenzen Lehrkräfte in Bezug auf ihren Beruf
aufweisen; Wertorientierungen können beispielsweise beeinflussen,
wie Lehrkräfte mit heterogenen Lerngruppen umgehen und welchen
Vergleichsmaßstab sie bei der Leistungsbewertung bevorzugen.“ 53

Ob die sprachfördernden Maßnahmen der Lehrkräfte im Unterricht


zu einer Verbesserung der Sprachkenntnisse der Schüler führen,
hängt davon ab, inwieweit die Lehrkräfte Interesse und
Wertschätzung für die Muttersprache und Kultur der Schüler
verspüren und ausdrücken. Dies bedeutet nicht, dass die Lehrkraft
die Sprache der Schüler fließend beherrschen muss, sondern dass
die Lehrkräfte den Kulturen und Sprachen gegenüber offen und
aufmerksam sind und sie als gleichberechtigt behandeln. 54

Es ist sehr wichtig, dass Lehrer ihre Schüler nicht verurteilen und
akzeptieren. Bei Kindern mit Behinderungen, besonderen
Fähigkeiten oder abweichender Geschlechtsidentität müssen die
Lehrer eine positive, nicht wertende Haltung einnehmen. Da einige

50 Schöndorf, Steinmetz, 2021, S. 143


51 Vock, Gronostaij, 2017, S. 82
52 Vock, Gronostaij, 2017, S. 83
53 Baumert & Kunter, 2006, S. 495- 500, zitiert nach Vock, Gronostaij, 2017, S. 83
54 Montes, 2002, S. 308- 310; Vock, Gronostaij, 2017, S. 83

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Eigenschaften von Schülern das Lernen oder den


Sozialisationprozess erschweren oder besonders stigmatisierend
sein können, benötigen Lehrer auch spezifisches Wissen, zum
Beispiel über die besonderen Bedürfnisse und Rechte von Kindern
mit schwerwiegenden Krankheiten, die gefährlichen
Lebensbedingungen vieler Flüchtlingskinder oder die Ängste und
Mobbingerfahrungen von Kindern mit abweichender
55
Geschlechtsidentität.
Die konstruktivistischen Überzeugungen der Lehrkräfte spielen eine
wichtige Rolle bei der Schaffung von adaptiven Lernmöglichkeiten
und der Ermutigung ihrer Schüler, häufiger metakognitive
Lernmethoden anzuwenden. 56 „Lehrkräfte mit eher transmissiven
Vorstellungen hingegen fordern ihre Schüler*innen seltener dazu
heraus, sich aktiv mit Inhalten auseinanderzusetzen und neigen
dazu, Erklärungen zu geben, ohne diese an das Vorwissen der
Schüler*innen anzupassen“.57 Daher führen konstruktivistische
Überzeugungen der Lehrkräfte zu einem höheren Lernzuwachs bei
den Schülern.
Die berufliche Position basiert auf der Grundlage von Leistungen in
der Schule.58 Daher sind die Lehrkräfte die Person, „die diese
Selektionsfunktion konkret umsetzen, indem sie
Leistungsdifferenzen zwischen den Schüler*innen erfassen und
sichtbar machen.“ 59
Darüber hinaus muss die Lehrerausbildung sich stärker an Kriterien
der Professionalität orientieren, einschließlich der Fähigkeit zu
Interpretation, Reflexion und Handeln. Sie sollte den Interaktionen
zwischen Lehrern und Schülern sowie zwischen den Schülern selbst
mehr Aufmerksamkeit widmen, damit sie besser auf Situationen im
Unterricht oder in der Schule reagieren und entsprechend handeln
können.60 Schließlich ist eine Kompetenz des Urteilsvermögens der
Lehrer erforderlich, um sie in ihrem professionellen Handeln zu
unterstützen. Es ist notwendig, das interkulturelle Denken der
Lehrer im Zusammenhang mit ihren pädagogischen Aufgaben zu
betrachten, um angemessene pädagogische Schlussfolgerungen zu
ziehen.61

55 Vock, Gronostaij, 2017, S. 84-85


56 Ebd., 2017, S.84
57 Dubberke et al., 2008, S. 193- 205
58 Vock, Gronostaij, 2017, S. 84
59 Ebd., 2017, S.85
60 Schelle, 2005, S. 41-50
61 Walter, 2005, S. 55-60

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3.3 Sprachliche Bildung

„Sprachliche Heterogenität ist ein Merkmal der deutschen


Gesellschaft. Sie kann als Ressource begriffen werden, die es
auszubauen und zu fördern gilt…“62
Schüler, deren Schulsprache ihre zweite Sprache ist, brauchen
ausdrückliche und nachhaltige Unterstützung beim Erlernen dieser
Sprache, um den Leistungsabstand zu einsprachigen Schülern
aufzuholen 63. Um zu verhindern, dass Kinder mit
Migrationshintergrund und Kinder aus Familien mit schwierigen
sozioökonomischen Bedingungen weiterhin beim Schulbesuch
benachteiligt werden, muss die Sprachbildung in der Verantwortung
aller Beteiligten liegen. 64
Morris-Lange et al. (2016) verlangen eine sprachliche Bildung für
Lehrkräfte aller Fächer und Klassenstufen. Baumann und Becker-
Mrotzek (2014) sind der Meinung, dass die Sprachbildung als
Aufgabe der gesamten Schule und nicht als Aufgabe einzelner
Lehrkräfte angesehen werden sollte. 65

Die Schule ist verpflichtet, allen Schülerinnen und Schülern


Sprachkenntnisse in Deutsch als Zweitsprache und Deutsch als
Bildungssprache zu vermitteln. Daher muss die Vermittlung von
Deutsch als Zweitsprache über kurzfristige Fördermaßnahmen
hinausgehen.66 „Lehrkräfte sollten vielmehr darauf vorbereitet
werden, die Lernausgangslagen von Schülerinnen und Schülern mit
anderen Familiensprachen als Deutsch im Unterricht aller
Altersstufen zu berücksichtigen.“67

Der Unterricht hilft den Schülern, zusätzlich zum schriftlichen


Deutsch auch vorhandene Kenntnisse in ihrer Muttersprache zu
entwickeln. Wenn die Inhalte von Muttersprachenunterricht und
Schulsprachenunterricht verknüpft werden, kann sich dies auch
positiv auf den Schulerfolg auswirken.68 „Es sollten Lehrkräfte für
Migrantensprachen ausgebildet werden, die sich im Studium mit
dem Spracherwerb lebensweltlich mehrsprachiger Kinder und der

62 Chlosta, Fürstenau, 2010, S. 301


63 Ebd, 2010, S. 303
64 Vock, Gronostaij, 2017, S. 87
65 Morris-Lange et al., 2016; Baumann und Becker-Mrotzek 2014; zitiert nach Vock, Gronostaij, 2017, S. 82
66 Chlosta, Fürstenau, 2010, S. 301
67 Ebd., 2010, S. 303
68 Vock, Gronostaij, 2017, S. 90

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dynamischen Entwicklung von Sprachen in der Migration


auseinandersetzen und die in der Lage sind, die Entwicklung einer
elaborierten Zweisprachigkeit in Kooperation mit den Lehrkräften
für die deutsche Sprache zu unterstützen.“ 69

4. Fazit
Die Heterogenität ist auf viele verschiedene Merkmale
zurückzuführen. Diese Merkmale hängen vom familiären
Hintergrund und dem akademischen Potenzial des Einzelnen ab.
Dies erfordert von den Lehrkräften ein hohes Maß an diagnostischer
und didaktischer Kompetenz sowie an Überzeugungen und
Werthaltungen. Sie müssen die unterschiedlichen Lernerfahrungen
und -niveaus berücksichtigen und entsprechende Methoden
anwenden. Sprachförderung bedeutet nicht nur
Alltagssprachenerwerb, sondern für viele Schülerinnen und Schüler
auch die kontinuierliche Förderung der Bildungssprache im
Unterricht. Schule ist nicht nur Lernort. Schule ist auch
Sozialisations- und Entwicklungsort für Kinder und Jugendliche.
Wie gut eine Schule mit Heterogenität umgeht, hängt davon ab, wie
konsequent individuelle Förderung umgesetzt wird und wie
qualifiziert Lehrkräfte inklusive Lernumgebungen gestalten.

69 Chlosta, Fürstenau, 2010, S. 304

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