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Anliegen der Migrationspädagogik

 Schulhistorisch Analysen können zeigen, dass der historische Umgang mit


Heterogenität in Schule bisher vor allem die Funktion hatte, Homogenität
herzustellen (Krüger-Potratz 2000, S. 380)
 Schule geht von „GleichartigkeitsNormalität“ aus —> Heterogenität als
Störung —> Ziel: Homogenität
Anliegen der Migrationspädagogik — Gleichartigkeits-Normalität
„Dies ist gelungen, und zwar bis heute. Würden die „ausländischen“ Schüler und
Schülerinnen, für die Eingliederungs- und Fördermaßnahmen gedacht sind, von
einem Tag auf den anderen fortbleiben und die Maßnahmen eingestellt werden, so
würde dies die Schule als Institution – auch nach mehr als dreißig Jahren Integration
„ausländischer“ Schülerinnen und Schüler – in ihrer Funktionsfähigkeit nicht
beeinträchtigen, im Gegenteil: Sie könnte nun tatsächlich wieder „störungsfrei“
arbeiten (ebd.).“
Anliegen der Migrationspädagogik — Natio-ethno-kulturelle Zugehörigkeit
• Zugehörigkeit wird definiert durch Nationalstaat, Nationalsprache oder
vermeintliche gemeinsame Kultur
• Natio-ethno-kulturelle Zugehörigkeitsordnungen:
• führen zu Ihr-Wir-Diskursen
• dienen als Mittel zur Disziplinierung
• bringen kulturelle und politische Privilegien bzw. Benachteiligungen mit sich
• rassistische Unterscheidungen („unwillig“, „fehlende Bereitschaft zur Integration“)
anschließende Bilder über natioethno-kulturelle Andere dienen hegemonialer
Selbstvergewisserungen, verhindern aber die Partizipation der Anderen!
Anliegen der Migrationspädagogik — FRAGLOSE natio-ethno-kulturelle
Zugehörigkeit
• Symbolisches Mitglied des Kontextes
• Habituelle Wirksamkeit
• Biographisierende Verbundenheit
• Konzepte, die Mitgliedschaft, Wirksamkeit und Verbundenheit in einem
Zugehörigkeitskontext dominant regulieren, haben disziplinierende und
subjektivierende Funktionen (Mecheril 2015, S. 38f
• Zugehörigkeitsordnung ist strukturiert und strukturierend – aus Individuen werden
Subjekte, die normativen Vorgaben des Sozialen unterworfen werden (Foucault,
Butler)
• Natio-ethno-kulturelle Zugehörigkeitsordnungen sind machtvoll, weil
• Mittel zur Disziplinierung, Habitualisierung und Bindung
• Dominanz durch kulturelle und politische Privilegien (Hegemonie)
• Operierung mit Entweder-Oder-Logik (Wir – Nicht-Wir; Österreicherin –
Serbin)
Anliegen der Migrationspädagogik — Drei zentrale Paradigmen Umgang mit
zugeschriebener natio-ethno-kulturelle Zugehörigkeit
•Ausländerpädagogik
• Interkulturelle Pädagogik
• Migrationspädagogik

•Ausländerpädagogik – der/die Andere ist different zu uns – Defizitausgleich –


Assimilation
• Interkulturelle Pädagogik – Wir sind alle different im Verhältnis zueinander –
Differenzwahrnehmung – Anerkennung
• Migrationspädagogik – Zugehörigkeitsordnungen und die Macht der
Unterscheidung – Beim Zugehörigkeitsbegriff wird gefragt, unter welchen
politischen, sozialen und gesellschaftlichen Bedingungen und von diesen vermittelten
Voraussetzungen, Individuen sich selbst als einem Kontext zugehörig verstehen,
erkennen und achten können (Mecheril 2015, S. 30ff)

Anliegen der Migrationspädagogik — Drei zentrale Paradigmen Umgang mit


zugeschriebener natio-ethnokulturelle Zugehörigkeit
•Doppelte Praxis der Migrationspädagogik: Analyse der lokalen Hervorbringung von
Unterschieden PLUS Analyse allgemeiner diskursiver Praxen, (bildungs-)politischer
Regelungen, sozio-ökonomische Verhältnisse
• Beispiel Sprache
• Sprache als soziale Praxis
• Sprache als soziale Praxis: ein glückender Sprechakt
• Bei performativen Äußerungen (im Sinne Austins) stellt sich nicht so sehr die
Frage, ob sie wahr oder falsch sind, sondern ob sie glücken oder nicht glücken.
[…] vgl. Argumentation
Die Sprachkompetenz des idealisierten Sprechens bei Chomsky muss ergänzt werden
um die gesellschaftlichen Voraussetzungen, Möglichkeiten und Restriktionen
konkreter sprachlicher Produktionssituationen und konkreter Sprecherinnen“
(Mecheril/Quehl 2006: 362)

Anliegen der Migrationspädagogik — Konstruktive Wendung


„Die Auseinandersetzung mit der facetten- und spannungsreichen Macht der Sprache
– der erforderlichen Anerkennung lingualer Disposition einerseits und der
Anerkennung des lingualen ‚Standards‘ andererseits – kann Lehrerinnen dabei
ermutigen und unterstützen, diese Spannung nicht nur auszuhalten, sondern
pädagogisch konstruktiv zu wenden. […]
Anliegen der Migrationspädagogik — Ermöglichung von Bildungsräumen und
Reduktion von lingualer Herrschaft
„Eine migrationspädagogische Konsequenz aus dem Wissen um diese
Zusammenhänge wird darin bestehen, Bildungsräume und Lernorte zur Verfügung
zu stellen, in denen es Menschen möglich ist, ein [respektiertes] Deutsch zu sprechen.

[…]
Einflussfaktoren auf den Spracherwerb DaZ
Faktoren des Sprachgebrauchs:
• Umfang und Art des Inputs, Verwendung der Sprache mit ErstsprachlerInnen,
Verfahren der Bedeutungssicherung im Diskurs und reparative Maßnahmen
• sprachbezogene Faktoren: Sprachliche Wissensbestände der LernerInnen (L1, L2,
L3…) und Grad der typologischen Unterschiede zwischen den beteiligten Sprachen
• interne Faktoren: Fragen der Motivation und Einstellung, altersgemäße
Sprachfähigkeit etc.
• externe Faktoren: Handlungsabsichten und –alternativen (z.B. Aufenthaltsstatus,
Dauer der Niederlassung etc.), Bildungserfahrung in der Familie, Wohnsituation,
Netzwerke und Kontakte mit der Zielsprache
• gezielte Fördermaßnahmen

• Faktoren des Sprachgebrauchs


• sprachbezogene Faktoren
• interne Faktoren
• externe Faktoren
• gezielte Fördermaßnahmen

• Faktoren des Sprachgebrauchs


• Umfang und Art des Inputs, Verwendung der Sprache mit ErstsprachlerInnen,
Verfahren der Bedeutungssicherung im Diskurs und reparative Maßnahmen
• sprachbezogene Faktoren
• Sprachliche Wissensbestände der LernerInnen (L1, L2, L3…) und Grad der
typologischen Unterschiede zwischen den beteiligten Sprachen
• interne Faktoren
• Motivation, Einstellung, altersgemäße Sprachfähigkeit etc.
• externe Faktoren
• Handlungsabsichten und –alternativen (z.B. Aufenthaltsstatus, Dauer der
Niederlassung etc.), Bildungserfahrung in der Familie, Wohnsituation, Netzwerke
und Kontakte mit der Zielsprache
• gezielte Fördermaßnahmen
•Zeitpunkt des Kontakts zum Deutschen
• Dauer des Kontakts zum Deutschen
• Intensität des Kontakts zum Deutschen
• Qualität des Inputs zum Deutschen (Ahrenholz 2008)
• Deutschförderung und deren Qualität (FörMig 2012)

Critical-Period-Hypothese
—> je früher der Erwerb des Deutschen als Zweitsprache beginnt, desto ähnlicher ist
der DaZ-Erwerb zum Erwerb des Deutschen als (alleinige) Erstsprache (vgl. BMBF
2008)
„Die neurophysiologische Annahme Lennebergs (critical period hypothesis, 1967),
nach der es nur in einer bestimmten Phase der frühen Kindheit möglich sei, Sprachen
ohne großen Aufwand zu lernen, ist in dieser Einfachheit sicher nicht korrekt.
Richtig ist, dass das menschliche Gehirn weit über die Pubertät hinaus lernfähig ist.
[…] So sind in Bezug auf systematisch-analytische Lernstrategien, vor allem in
gesteuerten Situationen, ältere Lernende gegenüber jüngeren im Vorteil. In einer
Reihe von Studien konnte gezeigt werden, dass Jugendliche und Erwachsene beim
Wortschatzlernen Kindern überlegen sind. Andererseits sind Kinder für intuitiv
ganzheitliche Vorgehensweisen offener, wie sie für natürliche Erwerbssituationen
kennzeichnend sind. Unbestritten ist, dass Kindern der Erwerb der Aussprache
leichter fällt; Erwachsene sind in ihren motorischen Prozessen festgelegter (Wode,
1992, S. 214). Diese Fähigkeit sagt jedoch relativ wenig über semantische oder
grammatische Entwicklungspotentiale aus. Vielmehr besteht im Gegenzug die
Gefahr, dass Kinder aufgrund ihrer akzentfreien Aussprache überschätzt
werden, was zu einer Überbewertung ihrer sprachlichen Fähigkeiten führen
kann (vgl. Apeltauer, 1992).
Zusammenfassung Spracherwerb
Sprachaneignung ist ein eigenaktiver Prozess, in den genetische, kognitive und
interaktive Ressourcen zusammenwirken: aus der Struktur den Inputs werden
Regeln gewonnen (genetisch), aus der Umgang mit der gegenständlichen Welt
werden semantische Konzepte gebildet (kognitiv) und aus den Interaktionen wird
die Funktionalität sprachlichen und kommunikativen Handels abgeleitet
(interaktiv und emotional)

Sprachaneignung als Zusammenspiel


• emotional (Beziehung und Ausdruck)
• genetisch (Regeln)
• selbstgesteuert (eigenaktiv)
• kognitiv (Bedeutung)
• interaktiv (Funktionalität)
„Zweitspracherwerbstheorien“ — Mythen und Theorien

Trotzdem: Betrachtung Mehrsprachigkeit als Sonderfall


• Theorien des Sprachverlustes (siehe z.B. Esser 2006)
• In seiner Studie „Sprache und Integration“ kommt Esser zum Schluss, dass Sprache
der Schlüssel zu Integration ist, weshalb die Förderung von migrantischer
Mehrsprachigkeit, sich gar nicht auszahle. Er spricht den migrantischen
Familiensprachen die Rolle eine „Wellness-Faktors“ zu und fordert „Schluss mit
dem Placebo“ (siehe Brizic 2008: 5). Trotz Forderung zur „sprachlichen Total-
Assimilation“ beschreibt Katharina Brizic (ebd.) den Siegeszug seines Plädoyers als
gehemmt, weil die Sprachwissenschaft – die Disziplin, die sich am meisten mit
Mehrsprachigkeit befasst – diese Position nicht teilt

•Einsprachigkeit als Sonderfall: Alle sind mehrsprachig (Busch 2013)


• Aber: Welche Differenzierungen sind erforderlich? z.B. migrantische
Mehrsprachigkeit und das Sprechen kolonialer Fremdsprachen
Günther Ogris (Sora-Institut): Die Statistik Austria schließt von der Bezeichnung
Muttersprache auf die Umgangssprache, also auf jene Sprache, die man in der
Familie, beim Einkaufen, mit Freunden verwendet. Meine Großmutter sprach als
Burgenlandkroatin in der Schule Ungarisch, zu Hause Kroatisch und beim Einkaufen
Deutsch. Bei sehr vielen Jugendlichen in Wien ist das ähnlich: zu Hause zum Beispiel
Rumänisch, in der Schule und mit Freunden Deutsch, und Serien streamen sie auf
Englisch.
• „Auch nicht-deutsche Eltern sollen mit ihren Kindern Deutsch sprechen.“
• „Zunächst muss ein Kind seine Muttersprache beherrschen, bevor es eine andere
Sprache lernen kann.“
• „Mehrsprachige Kinder lernen keine Sprache richtig.“
• These des Semilingualismus (Skuttnab-Kangas/Toukomaa 1977). Diese These
besagt, dass bei biografisch gewissermaßen zu früh einsetzender Bilingualität weder
die eine noch die andere Sprache ausreichend erlernt werde. Aus wissenschaftlicher
Sicht handelt es sich um ein fragwürdiges Konzept, da nicht geklärt werden kann, bis
zu welchem Grad und zu welchem Alter eine Sprache gelernt worden sein soll, um
eine »gute« Basis für den Erwerb einer Zweitsprache zu bilden. (Dirim/Mecheril
2010)

BICS (Basic Interpersonal Communicative Skills) & CALP (Cognitive


Academic Language Proficiency) „Zeit für Muttersprachlichen Unterricht
behindert nicht die Entwicklung von Sprache als Werkzeug des Denkens
(CALP) in der Mehrheitssprache. Einige Lehrkräfte und Eltern halten
zweisprachige Erziehung oder Unterricht in der Muttersprache für problematisch. Sie
fürchten, dass die Programme Zeit wegnehmen für das Erlernen der
Mehrheitssprache. […]Eine der sichersten Erkenntnisse aus der internationalen
Forschung besagt, dass gut implementierte bilinguale Programme die sprachlichen
und fachlichen Kenntnisse in einer Minderheitensprache ohne jeden negativen Effekt
auf die Entwicklung der Mehrheitssprache fördern. In Europa werden in dem
belgischen Programm Foyer in der Grundschule die mündlichen und schriftlichen
Fähigkeiten in drei Sprachen gefördert (Muttersprache, Niederländisch und
Französisch), hier zeigen sich sehr deutlich die Vorteilezweisprachiger und
dreisprachiger Erziehung.“ (Cummins 2016)

Zweitspracherwerbstheorien – Überblick
1. Kontrastivhypothese (Lado 1957, Ferguson 1962) “Der Erwerb der
Zweitsprache wird durch die Strukturen der bereits erlernten Sprache
bestimmt.”
- ähnliche Struktur 㱺 “positiver Transfer”
- andere Struktur 㱺 “Interferenz”
2. Identitätshypothese (Ervin-Tripp 1974) “Der Zweitspracherwerb verläuft im
Wesentlichen wie der Erstspracherwerb”
3. Interlanguage-Hypothese (Selinker 1972) “L2-Erwerb erfolgt über
systematischen Aufbau von Lernervarietäten”
4. Schwellenniveau-Hypothese (Cummins 1979) “kognitive Entwicklung und
Bildungserfolg sind von einem schriftkulturellen Ausbau beider Sprachen
abhängig”

Kontrastivhypothese
“Der Erwerb der Zweitsprache wird durch die Strukturen der bereits erlernten
Sprache bestimmt.”

- ähnliche Struktur 㱺 “positiver Transfer”

- andere Struktur 㱺 “Interferenz”

Der Zweitspracherwerbsprozess wird auf der Grundlage des beobachtbaren, äußeren


Sprachverhaltens beschrieben; es handelt sich also um einen behavioristischen
Zugang. Bei der Kontrastivhypothese wird davon ausgegangen, dass beim Lernen
einer zweiten Sprache Eigenschaften und Strukturen der Erstsprache (S1) auf die
Zweitsprache (S2) übertragen werden. Besteht zwischen S1 und S2 in einem
bestimmten Bereich Gleichheit, beispielsweise bei der Wortstellung im Aussagesatz,
ist eine positive Übertragung zu erwarten. Bei großen Unterschieden sind negative
Ergebnisse zu erwarten. Für den Spracherwerbsprozess würde das bedeuten, dass sich
ähnliche Sprachen leichter erlernen lassen als verschiedene; Fehler bei der
Aneignung wären aufgrund des Kontrasts der Sprachen zu erklären. (vgl. Jeuk 2015)

Identitätshypothese
“Der Zweitspracherwerb verläuft im Wesentlichen wie der Erstspracherwerb”
In Abgrenzung zur Kontrastivhypothese wurde die Identitätshypothese formuliert.
Nach einer starken Version folgt der Erwerb verschiedener Sprachen den
gleichen Gesetzmäßigkeiten: Da alle Sprachen auf der Basis angeborener Strukturen
und Prozesse gelernt werden (im Sinne Chomskys), spielt es kaum eine Rolle, ob
bereits eine Sprache gelernt wurde oder nicht. In jedem Fall wird die zu erlernende
Sprache nachkonstruiert, indem die lernende Person Hypothesen bildet, überprüft und
revidiert. Dabei sind Fehlleistungen produktive Zwischenschritte und nicht mit
der Struktur bereits gelernter Sprachen erklärbar. In einer schwachen Version wird
davon ausgegangen, dass sich der Erwerb verschiedener Sprachen in wesentlichen
Zügen ähnelt. (vgl. Jeuk 2015)

Interlanguage-Hypothese (Selinker 1972)


“L2-Erwerb erfolgt über systematischen Aufbau von Lernervarietäten”
Die Lernende entwickeln beim Fremd- oder Zweitspracherwerb verschiedene
„LernerInnensprachen“ (interlanguages). Folgende Prinzipien beschreiben den
Aufbau:
• Übertragung aus der Erstsprache: In Anlehnung an die Kontrastivhypothese
wird angenommen, dass Strukturähnlichkeiten von Sprachen eine Rolle spielen.
• Übungstransfer: Hier werden Muster, die mit Hilfe von Übungsmaterial erworben
wurden, erprobt, z. B. wenn LernerInnen eine Regel in verschiedenen Übungssätzen
anwenden müssen.
• Strategien des Sprachenlernens: Bei diesen von LernInnen entwickelten
Strategien werden Regeln zur Hypothesenbildung und -überprüfung angewendet. Z.
B. findet ein Lerner möglicherweise unbewusst die Regel, dass im deutschen
Hauptsatz das Prädikat nach dem Subjekt steht. Mit dieser Strategie ist er in sehr
vielen Fällen erfolgreich (ich gehe nach Hause), scheitert aber, wenn z. B. ein
Adverbial an der ersten Satzposition steht (Dann ich gehe nach Hause).

Interlanguage-Hypothese (Selinker 1972)


“L2-Erwerb erfolgt über systematischen Aufbau von Lernervarietäten”
Die Lernende entwickeln beim Fremd- oder Zweitspracherwerb verschiedene
„LernerInnensprachen“ (interlanguages). Folgende Prinzipien beschreiben den
Aufbau:
• Kommunikationsstrategien: Hierbei handelt es sich um Verhaltensweisen, die in
konkreten Kommunikationssituationen Hilfestellung bieten. Dazu gehören
funktionelle Reduktionsstrategien wie Themenvermeidung, Codewechsel,
Entlehnung, Wortneubildung, Umstrukturierung, Gestik, Mimik und diskursbezogene
Strategien
• Übergeneralisierung: Hierbei werden Regeln, die korrekt erworben wurden, auf
Bereiche übertragen, in denen sie keine Gültigkeit besitzen, z. B. wenn die
Konjugation der regelmäßigen Verben auf unregelmäßige Verben übertragen wird
(ich bin gegeht).

Schwellenniveau-Hypothese (Cummins 1979)


“kognitive Entwicklung und Bildungserfolg sind von einem schriftkulturellen Ausbau
beider Sprachen abhängig”
Nach dieser Hypothese ist ein gelingender Zweitspracherwerb nur nach dem
Erreichen einer bestimmten Schwelle im Erstspracherwerb möglich. Obwohl die
Schwellenniveauhypothese – u.a., weil es empirisch nicht möglich ist, „Schwellen“
festzulegen – als widerlegt gilt, wird auf diese Hypothese in der Öffentlichkeit
weiterhin Bezug genommen. Diese Hypothese war - und ist z.T. noch immer - ein
häufig genanntes Argument für das Angebot des »Muttersprachlichen (Ergänzungs-
)Unterrichts« bzw. des »Herkunftssprachlichen Unterrichts«. Die grundlegende
Annahme dieser Ansätze besteht darin, dass Kinder die Zweitsprache nur dann gut
lernen können, wenn sie eine sehr gut ausgebaute Basis der Erstsprache haben.
Gegenthese (Gogolin 1988)
Lebensweltliche Zweisprachigkeit: Kinder lernen die Sprachen in der Form und in
dem Ausmaß, wie sie ihnen begegnen und wie sie in ihren Handlungs- und
Lebenszusammenhängen Sinn machen.

Schwellenniveau-Hypothese (Cummins 1979) ➔ Kritik (siehe Dirim & Mecheril


2010, Gogolin 1988) ➔ Interdepedenz-Hypothese (Cummins 1982) „Nach dieser
Annahme verläuft die Entwicklung in beiden Sprachen in Abhängigkeit voneinander
und wirkt sich die Förderung der Erstsprache positiv auf die Entwicklung der
Zweitsprache aus, da sprachenübergreifende Konzepte, wie z.B. das Wissen darum,
dass die Vergangenheit morphosyntaktisch auf eine spezielle Weise ausgedrückt
werden muss, von einer Sprache auf die andere übertragbar sind (vgl. Cumins 2008).
Darauf basiert wiederum die Unterscheidung zwischen alltagssprachlichen
Kompetenzen (BICS: Basic Interpersonal Language Skills) und »akademischen«
Sprachkompetenzen (CALP: Cognitive Academic Language Proficiency). Cummins
geht davon aus, dass die BICS von allen Kindern erworben werden und dass die
pädagogische Herausforderung darin besteht, die Kinder dabei zu unterstützen,
CALP-Fähigkeiten auszubilden (Cummins 1982).“

Spracherwerbstheorien — Konsequenz
„Kein Erklärungsansatz bezieht sich auf den Zweitspracherwerb von Kindern und
Jugendlichen im Kontext von Migration. Einige Einsichten können jedoch aus der
Betrachtung der Hypothesen geschlossen werden: Werden Normabweichungen im
Zweitspracherwerb als legitime Zwischenstufen betrachtet, wie in der
Interlanguage-Hypothese vorgeschlagen, hat dies didaktische Konsequenzen: In
schulischen Kontexten ist die Lehrkraft aufgefordert, mögliche Fehlbildungen
der Kinder als Merkmal ihrer Lernersprache zu akzeptieren. Darüber hinaus
wird nicht nur das psycholinguistische System, sondern das gesamte Lernerverhalten
betrachtet. Dazu gehört die Fähigkeit, in der Zweitsprache zu kommunizieren.
Lernende setzen Kommunikationsstrategien ein, um das begrenzte zur Verfügung
stehende Wissen der Zielsprache möglichst effektiv zu nutzen. Hierzu gehören, je
nach Alter und Lernkontext, auch Bezüge zu den bereits gelernten Sprachen […]. Ein
weiterer Aspekt ist die Frage, inwieweit Erwerbsverläufe so beschrieben werden
können, dass Phasenmodelle entstehen, an denen sich die Lehrkraft orientieren kann
[…].“ (Jeuk 2015: 43)

Sprachliche Qualifikationsbereiche nach Ehlich


Es geht also um einen ganzen Qualifikationsfächer, der angeeignet und systematisch
ausgebaut wird. Die Prozesse der Aneignung geschehen korrelativ synchron, wobei
für die einzelnen Qualifikationen charakteristische Übergänge zu beobachten sind,
deren Bewältigung noch immer am besten mit dem Konzept der „Zone der nächsten
Entwicklung“ von Vygotskij (1934) erfaßt [sic] wird. Mit dem Erwerb der literalen
Qualifikation hingegen tritt eine deutlich spätere Phase im
Aneignungszusammenhang auf, die standardmäßig mit dem Schulbeginn
zusammenfällt (— dies freilich im Einzelfall keineswegs muß [sic]). Die einzelnen
Qualifikationen erreichen Stufen des jeweils optimalen Angeeignetseins. Ist eine
solche Stufe erreicht, steht die Qualifikation dauerhaft zur Verfügung, sofern nicht
pathologische Prozesse Abbau verursachen.“
• Qualifikationsfächer: angeeignet und systematisch ausgebaut
• korrelativ synchron Aneignung der Prozesse
• mit charakteristischen Übergänge
• siehe „Zone der nächsten Entwicklung“ von Vygotskij (1934)
• literalen Qualifikation standardmäßig mit dem Schulbeginn zusammenfällt
• jeweils optimalen Angeeignetseins
• Qualifikation dauerhaft zur Verfügung

phonische Basisqualifikationen:
• Differenzierung und Produktion von Lauten
• Grundlage zur Differenzierung von Wörtern
• bei Zweitspracherwerb Vorteil für Kinder bis ca. 6 Jahre
pragmatische Basisqualifikationen:
• Handlungsziele erkennen
• angemessener Einsatz
semantische Basisqualifikationen:
• Wortschatzerwerb
• Verständnis von Wörtern
• Wortbildungsmöglichkeiten
• Bildung Ober-/ Unterbegriffe
• Metaphern
morphologisch - syntaktische Basisqualifikationen:
• während der ersten 6 Jahre außer Passiv und Genetiv
diskursive Basisqualifikationen:
• Erzählfähigkeiten
• Sprecherwechsel
• Fähigkeit zum komplexen zweckgerichteten sprachlichen Handeln
literale Basisqualifikationen:
• Erkennen und Produzieren von Schriftzeichen
• Orthographie
• Textualität
• Sprachbewusstheit

• charakteristische Entwicklungszeitfenster (Einsatz & Ausbildung)


• Überlagerung der Entwicklungszeitfenster (besonders in ersten
Basisqualifikationen)
• wahrscheinlich Transfer (noch unklar)
• Rolle & Anteil nonverbaler Kommunikation & instrumentellen Handelns
(Kooperation) unklar

Phänomene des Sprachgebrauchs in der Migrationsgesellschaft


• Migrationsspezifische Register
Kreativer Umgang mit Sprachen der Migration und Deutsch: Je nach Situation
werden Sprachen gemischt. Es entstehen neue Sprechweisen und Hybridisierungen.
• Code Switching
Das absichtliche Mischen von Sprachen, um das pragmatische Anliegen besser zu
erreichen.
• Code Mixing
Gemischter Sprechstil mit alternierenden Sprachelementen, der nicht ein
unmittelbares Anliegen verfolgt.
• Transfer
Bestimmte Begriffe sind zu aufwendig bei der Übersetzung und werden daher in der
leichteren Version übernommen (z.B. Wohnbauamt)

Beispiele für Code Mixing


• „Hast du ateş“?
• „Dann bin ich Gesamtschule ´rübergegangen“
• „Gib mir Lineal!“

Sozialwissenschaftliche Zugänge nach z.B. Bourdieu


• Sprachen werden innerhalb gesellschaftlicher Vorstellungen von Legitimität und
Illegitimität erworben
• Kinder eignen sich nicht nur Wissen über Sprachen an, sondern auch ein Wissen
darüber, wann welche Sprache / welcher Code verwendet werden kann
• „Die Sprachkompetenz, die ausreicht, um Sätze zu bilden, kann völlig
unzureichend sein, um Sätze zu bilden, auf die gehört wird [Herv. i. Original],
Sätze, die in allen Situationen, in denen gesprochen wird, als rezipierbar [Herv. i.
Original] anerkannt werden. Sprecher ohne legitime Sprachkompetenz sind in
Wirklichkeit von sozialen Welten, in denen diese Kompetenz vorausgesetzt wird,
ausgeschlossen oder zum Schweigen verurteilt“.
Abschließende Reflexion zu den Spracherwerbsmodellen
• Derzeit keine passenden Modellierungen und Hypothesen für die Aneignung von
Sprachen unter Migrationsbedingungen und Sprachkontakten
• Hypothesen und Modellierungen stark an nationalstaatlichen Sprachmodellen
orientiert
• Hybridisierungen werden nicht berücksichtigt
• Die Einwirkung von Machtverhältnissen und anderen gesellschaftlichen Einflüssen
wird nicht einbezogen
• Eingeschränkte Aussagekraft

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