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WS 2021 Deutsch in der Migrationsgesellschaft Pflichtlektüre

Pflichtlektüre 1. Sitzung
Ahrenholz: Erstsprache–Zweitsprache–Fremdsprache–Mehrsprachigkeit
Anliegen dieses Beitrags: Begrifflichkeiten, die im Feld DaZ verwendet werden, erklären

Muttersprache – Erstsprache
Bezeichnen beide die Sprache, die wir von Geburt an lernen

Muttersprache verzerrt das Bild, weil nicht nur Mütter beteiligt sind

Muttersprache haftet auch eine emotionale Dimension an, die der Begriff Erstsprache nicht erfasst

Deutschdidaktik als Muttersprachendidaktik problematisch, weil es bei ca. 30% der Kinder nicht
Muttersprachenunterricht, sondern Zweitsprachenunterricht ist

In sprachwissenschaftlicher Literatur eher Erstsprache

Mit Erstsprache wird indirekt auf mögliche Erlernen weiterer Sprachen verwiesen

Bilingualismus – Mehrsprachigkeit
Erstspracherwerb kann auch bilingual sein; Bilingualismus oder Zweisprachigkeit

Mehrsprachigkeit ist nicht auf Erwerbszeitraum begrenzt und wird zum Teil erst dann gesehen, wenn
mehr als zwei Sprachen gesprochen werden

Erstsprache – Zweitsprache
Ab 3./4. Lebensjahr wegen kognitiver Entwicklung früher Zweitspracherwerb

Zweitspracherwerb bei Kindern und Erwachsenen sehr unterschiedlich

Zweitsprache manchmal als Begriff für alle Formen der Sprachaneignung nach der Erstsprache

Frage inwiefern Erwerb der Zweitsprache, dem der Erstsprache ähnelt

Age of Onset (AoO), Beginn des Deutscherwerbs, von großer Bedeutung

Zweitsprache – Fremdsprache
Unterscheidung zwischen ungesteuertem und gesteuertem Zweitspracherwerb

Ungesteuert: Zweitsprache
Gesteuert: Fremdsprache

Zweitsprache – Tertiärsprache
Beim Erlernen einer dritten oder vierten Sprache können erworbenes Sprachwissen und entwickelte
Sprachstrategien übertragen werden

L1 – L2 – Interlanguage
Weg von Ausgangssprache zu Zielsprache erfordert lernerspezifische Kompetenz

Im Lernprozess tauchen Strukturen auf, die weder in Ausgangs- noch in Zielsprache vorkommen
(Interlanguage)

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Zweitsprache – Fremdsprache: weitere Implikationen


Ungesteuert vs. Gesteuert
Erwerben vs. Lernen
Inland vs. Ausland
Heute wegen Internet, Satellitenfernsehen, Billigflügen,… komplexe, kombinierte
Spracherwerbssituationen eigener Art

Unterprivilegiert – privilegiert; bildungsfern – bildungsnah


Zusammenhang von ungesteuertem Zweitspracherwerb und bildungsfernen Schichten ergibt sich
aus Teil der deutschen/ europäischen Forschungstradition
PISA: Zusammenhang zwischen schwachen Testergebnissen bei Kindern mit Migrationshintergrund
und Sozialprofil ihrer Familien
Deutsch als Fremdsprache eher mit sozial gehobeneren Schichten in Verbindung gebracht

Deutsch als Zweitsprache – Deutsch als Fremdsprache


DaF-Unterricht: Unterricht als Ort des Spracherwerbs
DaZ: Spracherwerb außerhalb des Unterrichts

Migrationshintergrund – Mehrsprachigkeit
SuS mit L1 nicht deutsch, statistisch gesehen geringerer Bildungserfolg

1970er in pädagogischer Literatur Ausländerkinder

Heute mit Migrationshintergrund durchgesetzt; häufig negativ konnotiert

Mehrsprachige Kinder eher positiver Begriff, weil Kompetenzen der Person indiziert

Familiensprachen – Heritage Languages


Familiensprache als Sprachgebrauch, den die SuS zu Hause erleben

Suggeriert, dass es nur eine Sprache gibt und ignoriert die gelebte Mehrsprachigkeit

Mecheril: Das Anliegen der Migrationspädagogik


Entwicklung der Fachdiskurse
Gesellschaft mit Migrationsprozessen, Vielfalt von Lebensformen und Pluralisierung;
Multikulturalität, kulturelle Vielfalt und Differenz

Kulturalistische Beschreibungen setzen in Schule erst dann an, wenn die pädagogischen Bemühungen
nicht mehr zum Erfolg führen; vorher wird kulturelle Differenz ignoriert

Schule geht von Gleichartigkeits-Normalität aus; versteht Differenz und Heterogenität eher als
Störung

Interkulturelle Pädagogik/Bildung: ursprüngliche Idee von Wolfgang Nieke 1986 mit 3 Phasen
1. Phase: Ausländerpädagogik; kompensatorische Erziehung und Assimilationspädagogik
2. Phase: Kritik an der 1. Phase
3. Phase: Interkulturelle Erziehung für eine multikulturelle Gesellschaft

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Wäre Migration nicht mit der natio-ethno-kulturellen Differenz verknüpft, dann wäre es nicht
erforderlich Migrationsphänomene pädagogisch zum Thema zu machen

Ausländerpädagogik
Praxis aus 1970ern, die als Defizite verstandene Schwierigkeiten der Ausländerkinder in den Blick
nahm

PISA-Schock führt zu einer Art Renaissance der Ausländerpädagogik

Nur die deutsche Sprache wird zu Sprachfähigkeit gezählt; ein Teil der Bevölkerung wird zu Nicht-
Bevölkerung

Spezifisches Konzept „des und des Anderen“; bezieht sich auf AusländerInnen, MigrantInnen,
Menschen mit Migrationshintergrund

Interkulturelle Pädagogik/Bildung
Geht nicht von einem spezifischen Anderen aus, sondern universalisiert ihn

Interkulturelle Bildung als Schlüsselkompetenz für eine pluralisierte Gesellschaft und globalisierte
Welt; neue Allgemeinbildung, Integration

Unterschiede sind keine Defizite, sondern Differenzen; nicht unbedingt etwas Problematisches

Anerkennung statt Assimilation

Gesellschaftliche Wirklichkeit durch Vielfalt von kulturellen Identitätsformen geprägt; Vielfalt


anerkennen; allgemeines Bildungsziel

Interkulturelles Lernen wird zu zentraler Bildungsaufgabe in einer kulturell pluralen Gesellschaft

Problem der Bezeichnung von „interkultureller Pädagogik“: suggeriert, dass Kultur die zentrale
Differenzdimension sei (politische, ökonomische, rechtliche Linien werden nicht beachtet)

Erkenntnisleitende Interessen migrationspädagogischer Forschung


Migrationsbewegungen prägen gegenwärtige Gesellschaften

Thematisierung vom Verhältnis Migration und Bildung: Zugehörigkeitsordnungen in der


Migrationsgesellschaft, Macht der Unterscheidung, ermöglichte und verhinderte Bildungsprozesse

Bei Zugehörigkeitsbegriff wird gefragt, unter welchen sozialen, politischen, gesellschaftlichen


Bedingungen die Individuen sich selbst als einem Kontext zugehörig verstehen

Migrationspädagogischer Ansatz interessiert sich für:


 Unterscheidung zwischen „Wir“ und „Nicht-Wir“
 Möglichkeiten der Verflüssigung dieser Schemata
 Versucht nicht die MigrantInnen zu verändern! Blick auf mögliche Veränderung von
institutionellen und diskursiven Ordnungen

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Zentrale Begriffe und theoretische Grundannahmen


Ordnungen
Migration stellt Überschreitung imaginierter und faktischer Grenzen durch Menschen und
Lebensformen dar

Erfahrungen von Zugehörigkeiten sind nur machbar, weil es eine politische, interaktive und
semantische Ordnung der Zugehörigkeiten gibt

Zugehörigkeiten operieren mit Vorstellungen und Regeln, die Mitgliedschaft, Wirksamkeit und
Verbundenheit betreffen

Alltagsweltlichen Sinn gewinnt Mitgliedschaft dadurch, dass bestimmte Formen von Partizipation
und Praxis zugestanden und andere verhindert werden (Wirksamkeit)

Jeder Zugehörigkeitsraum ist ein hegemonialer Handlungs- und Wirksamkeitsraum

Beispiel Sprache: in monolingualitischer Gesellschaft sind alle angehalten diese eine dominante
Sprache zu sprechen; oft heißt es SchülerInnen mit Migrationshintergrund hätten ein geringes
Sprachvermögen; ABER!: in totalem Sinn ist eine Sprachinkompetenz meistens nicht gegeben

Subjektivierung/Bildung
In Zugehörigkeitskontexten erfahren sich Individuen als Gleiche unter Gleichen, entwickeln
Handlungsmächtigkeit

Zugehörigkeitsordnungen kann man als strukturierten und strukturierenden Zusammenhang


beschreiben, in dem aus Individuen Subjekte werden

Natio-ethno-kulturelle Zugehörigkeitsordnungen sind machtvoll, weil:

 Bringen Mittel der Disziplinierung und Habitualisierung in Einflussbereich


 Dominanzzusammenhänge bestehen, die bestimmte Gruppen privilegieren/benachteiligen
 Mit einer exklusiven Entweder-oder-Logik operiert wird

Bei „Vernatürlichung“ von subjektivierenden Zugehörigkeitsordnungen spielen pädagogische


Institutionen eine bedeutsame Rolle

Ordnungen (wie die natio-ethno-kulturelle Zugehörigkeit) stellen meist für jeden eine etwas andere
Struktur dar

Methodologische Grundannahmen oder Kritik als Orientierung


Reflexiver Forschungsansatz bei empirischen Untersuchungen: Untersuchungen mit Sensibilität
gegenüber „Normalitäten“ oder „Fraglosigkeiten“ als Ausgangspunkt; untersuchen die
Voraussetzungen, die in anderen Ansätzen als selbstverständlich gelten

Analyse migrationsgesellschaftlicher Herrschaftsstrukturen, die Menschen bei einer freien Existenz


behindern können

Kritische Migrationsforschung richtet sich auf Subjektivierungs- und Bildungsprozesse unter solchen
Bedingungen

Untersuchung von Möglichkeiten der Veränderung von Zugehörigkeitsordnungen und


Herrschaftsstrukturen und den Widerstand gegen sie

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Pflichtlektüre 2. Sitzung
Ehlich: Sprach(en)aneignung – mehr als Vokabeln und Sätze
Sprach(en)aneignung
Bild von Aneignung einer Sprache ist stark von schulischen Erfahrungen geprägt

Realität der Sprachaneignung zeigt ganz andere Beobachtungen

Sprache anzueignen, bedeutet eigenen Handlungsraum zu erweitern; Struktur erforderlich

Sprachliche Basisqualifikationen
Sprachaneignung bezieht sich auf Basisqualifikationen (BQ), die zusammen einen
Qualifikationsfächer bilden

Wenn das Kind sich die BQ aneignet, qualifiziert es sich für die Kommunikation in seinen
unterschiedlichen Umgebungen

Meistens erscheint Sprache als ein Werkzeug, mit dem man altersgerecht umgehen kann

Um Sprache und ihre Aneignung genauer zu erfassen, braucht es einen analytischen Zugang

Basisqualifikationen:
A Rezeptive und phonische Qualifikation
B pragmatische Qualifikation I
C semantische Qualifikation
D morphologisch-syntaktische Qualifikation
E diskursive Qualifikation
F pragmatische Qualifikation II
G I literale Qualifikation I
G II literale Qualifikation II

Wechselwirkungen der Basisqualifikationen


Basisqualifikationen stehen nicht für sich, sondern in einem engen Zusammenhang

Mehrsprachigkeit
In heutigen Gesellschaften auch immer die Begegnung mit einer Mehrzahl von Sprachen

Kinder haben auch Fähigkeit Sprachen auseinanderzuhalten und parallel zueinander, synchron
mehrere Sprachen zu lernen und anzuwenden

Verschiedene Sprachen werden entweder gefördert oder diskreditiert

Sprachliche Qualifikation heute fordert unterschiedliche Situationen meistern und sich schnell in
neue kommunikative Anforderungen einarbeiten zu können

Seiteneinsteiger: Gruppe von Kindern/Jugendlichen, die in einem anderen Land Schule waren und
dort den Schrift- und Spracherwerb durchlaufen haben; individuelle Unterstützung besonders wichtig

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Bezugspersonen und -institutionen für das Sprachlernen und Normalitätserwartungen


Eltern und andere Bezugspersonen sind wichtige Sprachhelfer für das Kind

Sprachaneignung nicht nur Naturprozess, auch Bildungsinstitutionen gefragt

Sprachaneignung ist mehr als nur die Produktion von Vokabeln und Sätzen

Normalitätsbewertungen nur zum Teil wissenschaftlich ausgearbeitet, verhindert aber nicht ihre
Wirksamkeit

Viele Normalitätsbewertungen sind weithin ungesicherte Alltagserfahrungen

Verfahren zur Messung des Sprachstands


Es wird immer nach genaueren Möglichkeiten zur Bestimmung des Sprachstands von Kindern
gesucht

Fällt schwer, weil Sprache ein so komplexes Phänomen ist

Screening-Verfahren, Tests oder Beobachtungsverfahren

Tests: Güterkriterien (Objektivität, Reliabilität, Validität) bestimmen wie leistungsfähig er ist; sind
allerdings einmalige Messungen, die genaugenommen wenig aussagen

Das Messen von Prozessen


Sprachaneignung ist ein Prozess; um Prozesse abzubilden, reichen Momentaufnahmen nicht aus

Tatsächliche Verlaufsanalyse ermöglicht das Verstehen der Aneignungsprozesse des einzelnen Kindes

Interpretation von Tests


Personen, die täglich mit den Kindern sprachlich handeln haben beste Möglichkeit die
Aneignungsprozesse der Kinder zu beobachten

So gelingt die Umsetzung von Sprachaneignungsdiagnostik in Sprachaneignungsförderung am


ehesten

Gezielte Aufzeichnung von wichtigen Wendepunkten und Defiziten kann helfen über subjektiv-
momentane Einzelheiten hinauszuführen (Beobachtungstenografie)

Ausblick
Kenntnisstand in Bezug auf komplexe Prozesse der Sprachaneignung ist immer noch fragmentarisch

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Pflichtlektüre 3. Sitzung
Döll, Fröhlich, Dirim: USB DaZ
Ausgangslage
Aneignung der für einen Bildungserfolg notwendigen Sprachkompetenz beansprucht 5-7 Jahre

Für sprachliche Teilqualifikationsbereiche sind feste Reihenfolgen in der Aneignung festgestellt


worden

Unterrichtsbegleitende Sprachstandsbeobachtung Deutsch als Zweitsprache (USB DaZ) macht es


möglich den Sprachaneignungsstand darzustellen und im Anschluss daran Förder- und
Unterstützungsmaßnahmen auszuwählen

Charakteristika
Für diagnostizierende Begleitung der Aneignung des Deutschen über mehrere Jahre hinweg eignen
sich Beobachtungsverfahren; sind in Unterricht integrierbar und lassen sich wiederholen

USB DaZ: für Primar- und Sekundarbereich; Erstellung von Kompetenzprofilen, die man dann als
individuelle Grundlage für Förderentscheidungen heranzieht

USB DaZ lehnt sich an die Basisqualifikationen von Ehlich an


 Pragmatische Basisqualifikation (Produktion & Rezeption)
 Lexikalisch-semantische Basisqualifikation (Produktion & Rezeption)
 Morphologisch-syntaktische Basisqualifikation (Produktion)
 Literale Basisqualifikation (Produktion)

Unterrichtsbegleitende Sprachstandsbeobachtung DaZ


Soll bei SchülerInnen mit anderen Erstsprachen als Deutsch die Kompetenzen im Deutschen
unterrichts- und schullaufbahnübergreifend beobachten

Nicht das Wissen über das Deutsche ist relevant, sondern die vorhandenen Fähigkeiten

Beobachtungen in verschiedenen Bereichen


 Mündliche Sprachhandlungsfähigkeit und Strategien: pragmatische Fähigkeiten in mündlicher
Kommunikation
 Wortschatz: lexikalisch semantische Fähigkeiten
 Verb/Nomen: morphologisch syntaktische Fähigkeiten
 Textkompetenz/Orthographie: literale Fähigkeiten

Im Zentrum steht, welche sprachlichen von Phänomene von SuS beim freien Sprechen und Schreiben
aktiv verwendet werden

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Siems: Verfahren der Sprachstandsfeststellung für SuS mit Deutsch als


Zweitsprache
Bei Verfahren zur Sprachstandsfeststellung spielt Alter meistens Rolle; Kompetenzen in der Erst-/
Familiensprache, die möglicherweise nicht Deutsch ist, werden auch nur selten miteinbezogen

Ziel von Verfahren: zuweisungs- oder förderdiagnostisch

Sprachaneignung und Sprachstand


Sprachstand kann in seiner Gesamtheit kaum erfasst werden, weil eine so komplexe und sich
verändernde Größe ist

Normalitätserwartungen sind oft zu hinterfragen

Verfahrensarten
Schätzverfahren
Selbst- und Fremdeinschätzung anhand von Skalen
Zeitökonomisch
Bedenkliche Zuverlässigkeit, wegen subjektiven Urteilen
Fördert Fähigkeit über eigenen Sprachen, Kompetenzen und Lernfortschritte zu reflektieren

Beobachtungen
Sprachliches Handeln wird in verschiedenen alltäglichen Handlungssituationen mit einem
Beobachtungsbogen beobachtet
Ziel: Beschreibung von beobachtetem sprachlichen Handeln und nicht dessen Bewertung

Profilanalysen
Detaillierte Einblicke in sprachliche Kompetenzen und Schwierigkeitsbereiche
Grundlage für anschließende Sprachfördermaßnahmen
HAVAS 5 (Hamburger Verfahren zur Analyse des Sprachstands bei Fünfjährigen)
 Bildergeschichte (Vogel und Katze) als Impuls, die Kinder zum Erzählen auffordert
 Analysekriterien: Erzählfähigkeit, Bewältigung der Gesprächssituation, Wortschatz, einfache
Syntax, komplexe Syntax
Tulpenbeet (Übergang Prima in Sekundarstufe)
 Bildergeschichte (Sturz ins Tulpenbeet) als Impuls um einen narrativen Text zu verfassen
 Analysekategorien: Textbewältigung, Wortschatz, bildungssprachliche Elemente,
Satzverbindungen
Fast Catch Bumerang (Ende der Sekundarstufe I)
 Analyse von Bewerbungsschreiben für Praktikum und Anleitung für Bau eines Bumerangs auf
Grundlage einer Bildfolge
 Analysekriterien: Textpragmatik, Wortschatz, Bildungssprache und Syntax
Profilanalyse von Grießhaber: Profil erstellt auf Grundlage der Wortstellungsregeln für das Finite
und infinite Verb

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Test
In der Regel standardisiert und normiert
Referenzwerte zur Orientierung bei der Auswertung
C Test
 Lückentest in dem die zweite Hälfte von jedem zweiten oder dritten Wort getilgt ist

Welches Verfahren ist das Richtige?


Entscheidung ein bestimmtes Verfahren einzusetzen ist schwierig; kommt auf Zweck und personellen
und zeitlichen Ressourcen an

Reich: Aufbauende Sprachförderung


Entscheidungen über sprachfördernde Aktivitäten sollten auf sprachlichen Entwicklungsstand der
Schüler aufbauen

Differenzierte, individuell passende Förderung hat höhere Erfolgschancen als ein allgemeines
Vorgehen

Sprachdiagnose und Sprachförderung werden in der Regel je für sich bearbeitet

Mangel an förderdidaktischer Qualifikation und an funktionsgerechter Arbeitsorganisation führt zu


Problemen bei der Schlussfolgerung aus den Ergebnissen der Sprachdiagnose

Fehlannahme, dass sich detaillierte Beobachtungsbefunde zielgenau durch Förderung verändern


ließen

aber: sprachliche Erscheinungen sind Indikatoren und nicht Verursacher eines bestimmten sprach
Entwicklungsstandes
ABER: Sprachaneignung und sprachliches Lernen haben eine eigene Logik; folgen nur bedingt
Kategorien und Strukturen

FörMig-Instrumente sind mehrsprachig angelegt


Qualifikationen, die in einer Sprache erworben wurden und in einer anderen Sprache gebraucht
werden können, müssen nicht wieder neu gelernt werden, sondern lassen sich übertragen
(pragmatisch und diskursive Fähigkeiten)

FörMig-Instrumente sind auf Sprachenprofile hin angelegt


Ziel nicht auf eine pauschale Aussage über den Sprachstand des Kindes, sondern Aussagen über die
Fähigkeiten in mehreren verschiedenen Sprachbereichen (Basisqualifikationen)

Boot-Strapping: Vorsprung bei einer sprachlichen Teilqualifikation kann nachholenden


Entwicklungsschub bei anderen Teilqualifikationen bewirken

FörMig-Instrumente schlagen für einige Teilqualifikationen Skalen vor


Gehen von erkennbarer Stufung innerhalb einer Teilqualifikation aus

Bei manchen Teilqualifikationen lässt sich voraussehen, welche Stufe das Kind als nächstes
erreichen wird

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C-Test: Einsatzmöglichkeiten im Bereich DaZ


Laut PISA-Studie: schulische Leistungen von SuS mit Migrationshintergrund entsprechen nicht denen
der gleichaltrigen monolingual deutschen SuS; fehlende Kompetenzen in der deutschen Sprache

Sprachdiagnose und Sprachförderung sollten nicht auf die Gruppe der SuS mit Migrationshintergrund
begrenzt werden

Was sind C-Tests?


4-5 kurze, authentische Texte, die nach einem Muster beschädigt werden

Je Größe das sprachliche Vermögen eines Probanden, desto besser wird der Test gelöst

Objektive Auswertung durch festgelegte Lösungen sichergestellt

Einfache Durchführung und Testökonomie

Entwicklung von C-Tests für die Klassenstufe 5


Beginnend mit zweiten Satz wird bei jedem zweiten World die letzte Worthälfte getilgt, bis ein Text
20-25 Lücken (Items) enthält; bei ungerader Buchstabenanzahl wird ein Buchstabe mehr getilgt

Eigennamen und Ziffern werden bei Zählung übersprungen; bei Komposita wird nur die Hälfte der
letzten bedeutungstragenden Einheit getilgt;

Wenn das klassische 2er-Tilgungsprinzip zu schwierig ist, kann man auch nur jedes dritte Wort tilgen

Text sollte so umstrukturiert werden, dass sich in der Länge 20 Tilgungen gut ausgehen

Zur Festlegung von Referenznormwerten sollten Teiltests an 300-500 monolingualen SuS erfolgen

Die Durchführung und Auswertung des C Tests


20 Minuten Zeit für komplette Testset

Für jedes vollständig richtig gelöste Item erhalten SuS einen R/F-Punkt (Richtig oder Falsch)

Wenn das zu ergänzende Wort erkannt wurde, erhalten SuS einen WE-Punkt (Worterkennungswert),
auch wenn Ergänzung orthographische oder morphologische Fehler enthält

C Test-Ergebnisse und Ergebnisinterpretation


Differenz zwischen RF- und WE-Werten macht Aussage über Verhältnis zwischen produktiven und
rezeptiven sprachlichen Fertigkeiten der SuS und gibt Hinweise auf möglichen Förderbedarf

Geringe Differenz im oberen Punktebereich: gute allgemeine Sprachkompetenz, kein Förderbedarf

Weitere Einsatzmöglichkeiten von C-Tests


Auch als Übungs- und Sprachförderinstrument geeignet

Neben klassischen C-Tests gibt es auch Teilfertigkeits-Tests (TF Tests)


Auswahl der zu tilgenden Wörter erfolgt zielbereichsorientiert:
 Inhaltswörter zur Überprüfung des (Fach-)Wortschatzes
 Strukturwörter und Endungen zur Überprüfung grammatikalischer Teilbereiche

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Pflichtlektüre 4. Sitzung
Morek, Heller: Bildungssprache
Einleitung: „Bildungssprache in aller Munde“
Produktive und rezeptive sprachliche Fähigkeiten stellen eine Schlüsselqualifikation dar; ermöglichen
Partizipation an Unterrichtsgesprächen, Verstehen und Verarbeiten von Texten und Erstellung
eigener fachlicher Texte in allen Fächern

Früher der Begriff „elaborierte Codes“: Kinder aus Mittelschicht verfügen über elaborierten Code und
Kinder aus der Unterschicht aufgrund der schichtspezifischen Sozialisation bleiben auf
„restringiertem Code “ beschränkt

Bestandsaufnahme: Was ist Bildungssprache?


Bildungssprache als Medium von Wissenstransfer (Kommunikative Funktion)
Bildungssprache darf aufgrund ihres Sprachbarrieren-Effekts nicht auf die Rolle eines sprachlichen
Herrschaftsinstruments reduziert werden
Register: funktionale Varietäten des Sprachgebrauchs
Dreidimensionales Modell von Halliday:
 field: Sprachgebrauchs-/ Handlungsfeld
 mode: Diskursmodalität, dazu gehört auch mündlich/schriftlich
 manner: Tenor oder Diskursstil, d.h. die Beziehung zwischen Sprachteilnehmern sowie
Stilunterschiede
Parameter sind wechselseitig funktional
Lexikalische und morphosyntaktischen Mittel in Bildungssprache zur Vermittlung kognitiv
anspruchsvoller Informationen an eine fremde Leserschaft, die Genauigkeit, Expertenschaft und
Autorität erwartet
Wichtige Parameter von bildungssprachlichem Handeln:
 Dekontextualisierung: Unabhängigkeit des Textverständnisses von der unmittelbaren
Kommunikationssituation
 Explizitheit: referentielle Eindeutigkeit und textstrukturelle Transparenz
 Komplexität: inhaltliche Kondensiertheit
 Argumentative Klarheit
Bildungssprache ist die Sprache in der besonderes Wissen (Wissen, das über das Alltagswissen
hinausgeht) behandelt wird
Bildungssprache als innersprachliche Verkehrssprache zwischen Fach- und Alltagssprache

Bildungssprache als Werkzeug des Denkens (Epistemische Funktion)


Wer Bildungssprache adäquat verwenden kann, der ist auch in der Lage zu den damit im
Zusammenhang stehenden komplexen kognitiven Operationen
Bildungssprache als Werkzeug des Denkens hat Ursprung in Zweitspracherwerbsforschung in Jim
Cummins CALP-und-BICS-Modell
Zusammenhang zwischen sprachlichem Handeln und Denk- und Lernprozessen spielt wichtige Rolle

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Bildungssprache als Eintrittskarte (Ungleichheitsreproduzierende Funktion)


Funktion von Bildungssprache als kulturelles Kapital und heimlicher Lernplan
Erwerb von Diskursfähigkeit auf sehr unterschiedliche Weise von Familieninteraktion unterstützt
Bildungssprache als Eintrittskarte für schulische und akademische Laufbahnen; Klassenunterschiede
Heimlicher Lehrplan: schulische Erwartungen und sprachlichen Fähigkeiten werden kaum explizit
thematisiert

Bildungssprache als Visitenkarte (sozialsymbolische Funktion)


Sprachliche Kommunikation ist zentrales Mittel der Selbst- und Fremddarstellung
Wer Bildungssprache verwendet, gibt sich als Mitglied einer bildungsnahen, akademisch
orientierten Community zu erkennen
Bildungssprache wird im Alltag mit Vorstellungen einer hohen und besseren Sprache verknüpft;
Sprache der Gebildeten
Oft versuchen sich Studierende aus bildungsfernen Milieus von Praktiken und Normen der
wissenschaftlichen Community abzugrenzen
Sprachliche Formen sind Mittel der Selbstpositionierung und des Ausdrucks von Identität
Normative Vorstellungen über bestimmte Arten von Sprachgebrauch und ihren Sprecher
Bildungssprachliche Formen nicht nur Frage der Verfügbarkeit, sondern auch der Stil Wahl

Zur Situiertheit bildungssprachliche Praktiken


Schulsprache: Ausschnitt der Bildungssprache, der auf Domäne Schule bezogen ist; zum Beispiel
Fähigkeit kompetenzorientiert zu beschreiben

Kontextualisierungskompetenz: Fähigkeit zum situationsangemessenen Agieren in bestimmtem


situativen und sequentiellen Kontext

Vertretungskompetenz: Thematische Zusammenhänge einem bestimmten gattungstypischen


Aufbau entsprechend strukturieren

Markierungskompetenz: Verfügbarkeit von Mittel, die Kohärenz herstellen und zur jeweiligen
Kontextualisierung passen

Bildungssprachliche Praktiken
Bildungssprachliche Praktiken: Verfahren der Wissenskonstruktion, die stets auch epistemische Kraft
entfalten und zugleich bestimmte bildungsaffine Identitäten indizieren

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Springsits: Das kann nur die Muttersprache sein


Früher Fremdsprachenunterricht wird als positiv dargestellt; Mehrsprachigkeit von Kindern im
Kontext von Migration als problematisch betrachtet

Linguizismus und Linguizismuskritik


Linguizismus als spezifische Form des Rassismus
Rassismus: Praxis bei der Unterschiede zwischen Menschen konstruiert werden, um
unterschiedlichen Zugang der entstehenden Gruppe zu Ressourcen zu begründen

Neo-Rassismus: Rassismus ohne Rassen; rassistische Legitimationsfiguren liegen auf Zugehörigkeit


von Menschen zu bestimmten Kulturen

Linguizismus: Manchmal werden Menschen nach ihrer Sprachigkeit in homogen gedachte Gruppen
eingeteilt und ungleich behandelt
Nicht nur Menschen, die Sprache in einer durch ihre Herkunft beeinflussten spezifischen Art und
Weise verwenden, sondern auch gegenüber Personen denen eine bestimmte Sprachverwendung
nur zugeschrieben wird (müssen gar nicht stimmen)

Linguizismuskritik als Analyseperspektive


Um linguizistische Praxen aufdecken und schwächen zu können, muss man linguizismuskritische
Perspektive einnehmen

Kritik an antirassistischen Theorien: bestätigen Konstruktion von Rassekonzepten und blenden


unterschiedliche Zugangsmöglichkeiten verschiedener Personen aus

Linguizismuskritische Analyse muss auf mindestens 3 Ebenen kritisch vorgehen:

1. Ebene: Handlungsweisen, Strukturen und Argumentationsweisen aufdecken in denen


Diskriminierung ermöglicht wird
Gruppenbildung, Naturalisierung, Homogenisierung, Polarisierung, Hierarchisierung, Diskriminierung

2. Ebene: kritisch gegenüber sprachbezogenen Bezeichnungs- und Kategorisierungspraktiken verhalten

3. Ebene: eigene Position muss mitbedacht werden (gibt keinen Standpunkt außerhalb rassistischer
und linguizistischer Strukturen)

Eine wirkmächtige Hypothese zum Spracherwerb


„Kinder, die ihre eigene Muttersprache sehr gut können, haben beim Erlernen einer Zweitsprache
weniger Schwierigkeiten und Probleme als umgekehrt“

Interdependenthypothese von Cummins als Grundlage

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Mecheril, Quehl: Die Sprache der Schule


Migration – Bildung – Sprache
Bildungssprache: Thematisierung des Zusammenhangs von Bildungsprozessen und Sprache, die
Möglichkeiten des Eingreifens in die bestehende Bildungsungleichheitsverhältnisse potentiell
erweitern

Bemühungen um die Überwindung von Bildungsbenachteiligung, wenn der Zusammenhang von


Schulerfolg und Sprache grundsätzlich angesprochen wird und nicht auf die Figur „Erwerb der
deutschen Bildungssprache“ beschränkt wird

Bildungssprache als Institutionenkritik


Mit Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund FörMig wurde
Bildungssprache in die bildungspolitische und unterrichtliche Entwicklung eingebracht

Zusammenhang von schulischen Wissenserwerb und sprachlichen Kompetenzen

Bildungssprache als Register, mit dessen Hilfe man sich mit den Mitteln der Schulbildung ein
Orientierungswissen verschaffen kann

Bildungssprache ist gleichermaßen Ziel und Handwerkszeug der Institution Schule

Schüler, die Sprachvariante nicht außerhalb der Schule aneignen können, sind strukturell
benachteiligt; Benachteiligung in schulischen Routinen normalisiert und unsichtbar gemacht

Kinder und Jugendliche bringen unterschiedliche Erfahrungen mit Sprache in die Schule mit und diese
Erfahrungen konstituieren heterogene Lerngruppen

Formales Bildungswissen wird durch 3 Übermittlungssysteme umgesetzt:


Curriculum: definiert was als gültiges Wissen zählt
Pädagogik: definiert was als gültige Übermittlung von Wissen gilt
Evaluation: legt fest, was als gültige Umsetzung dieses Wissens auf Seite der Schüler angesehen

Bildungssprache Kräfte in allen 3 Ermittlungssystemen

Sprache als soziale Komponente; Sprache ist Voraussetzung von sozialer Teilhabe und Wirksamkeit

Bildungssprache richtet Blick auf Schule als Handlungsfeld und auf sprachlichen Fähigkeiten die
erforderlich sind um sich darin als Schüler erfolgreich aufzuhalten

Kritik der Bildungssprache


3 Schwierigkeiten:
Diskriminierungsstrukturen werden zu wenig benannt und beachtet
Bildungsversprechen im Konzept der Bildungssprache verschleiert kapitalistische
Ungleichheitsverhältnisse
Durch den Sprachfokus gerät die Auseinandersetzung mit den Inhalten in den Hintergrund

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Pflichtlektüre 5. Sitzung
Rösch: Mitsprache Grundlagenband
Deutsch als Zweitsprache in der Sekundarstufe I
Schulsituation für DaZ-Schüler
Anhaltende Zuwanderung, multiethnische Schülerschaft, kulturelle Vielfalt und multilinguale
Sprachkompetenzen

Qualität der deutschen Sprachkenntnisse ist für erfolgreichen Schulbesuch ausschlaggebend

Ergebnisse und Folgen der PISA-Studie


Deutschland fordert:
 Angebote zur zweisprachigen Erziehung in Erziehungs- und Bildungseinrichtungen; Kooperation
zwischen Schule und außerschulischen Einrichtungen
 Förderung des Zweitspracherwerbs möglicherweise sogar schon im Kindergarten
 Wirksame Bekämpfung von Tendenzen zu einer institutionalisierten Diskriminierung
 Ganztagsschulen mit impliziten und expliziten Sprachförderangeboten
 Elternarbeit

Gesonderte Fördermaßnahmen allein können Sprachrückstände von Schülern nicht ausgleichen;


sprachliche Förderung im Regelunterricht selbst wäre empfehlenswert

Probleme: wenige Lehrkräfte haben eine entsprechende DaZ-didaktische Qualifikation oder fühlen
sich nicht verantwortlich

Deutsch als Erst-, Zweit- oder Fremdsprache


DaZ: Erwerb der deutschen Sprache in deutschsprachiger Umgebung; ungesteuert

DaF: Erwerb der deutschen Sprache in nicht-deutschsprachige Umgebung; gesteuert

Schlüsselqualifikation DaZ und Bildungsstandards


Sachkompetenz: altersentsprechender, kompetenter Sprachgebrauch im Unterricht aller Fächer

Sozialkompetenz: allgemeine Sozialkompetenzen und Fähigkeit sich in Zweitsprache auszudrücken

Selbstkompetenz: selbstständiges Durchdringen des Unterrichtsangebots und selbstbestimmte


Organisation des Lernprozesses

Methodenkompetenz: sprachliche Lerntechniken, kognitive Lernstrategien, Sprachbewusstheit,


aktive Teilnahme am Unterrichtsgespräch

Zweitspracherwerb theoretisch gesehen


Welche Faktoren beeinflussen den Zweitspracherwerb?
Erfolg des Zweitspracherwerb hängt von internen und externen Faktoren ab

Antrieb, Motivation, Einstellungen zur Zielsprache, Zugang zur Zweitsprache, Tempo des
Zweitspracherwerbs, Sprachvermögen, Alter

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Wie verläuft der Zweitspracherwerb?


Ausbildung von Lernersprachen; mit Zeit immer größere Deckung zwischen Lernersprache und
Zielsprache

Toleranz gegenüber Normverstößen (Fehler), Sensibilität für schweigende Lernende

Fossilisierung: Zweitspracherwerb versteinert, stagniert oder entwickelt sich wieder zurück

Strategien des Zweitspracherwerb


DaZ-Lernende haben begrenzten Wortschatz und Probleme bei Begriffsbildung

Überdehnungen, Paraphrasierungen, Sprachschöpfungen, Übergeneralisierungen, Tilgungen,


Vermeidungsstrategien

Interferenzen: Strukturen der Erstsprache werden auf Zweitsprache übertragen


 positiver Transfer oder Fehler

Register: grammatische und lexikalische Muster, die durch Verwendung in ähnlichen Situationen
geprägt werden; DaZ-Lernern mangelt es oft an Registern

Erstsprache im Unterricht?
Erstsprache hat eine wichtige Sozialisationsfunktion und sollte in der Schule akzeptiert und positiv
unterstützt werden; nicht auf die Funktion einer Hilfssprache reduzieren

Nähe beider Sprachen spielt eine Rolle: phonetische Nähe, semantische Nähe, strukturelle Nähe

Vorteil wenn Lehrkräfte die Erstsprache ihrer Schüler sprechen oder Grundwissen darüber haben

Sprachmischungen und Ethnolekt


Sprachmischungen entstehen meistens aus sprechstrategischen Gründen

Arten von Sprachalteration:


Code-Switching: einzelne funktionale Wechsel von einer Sprache in die andere; verschiedene
Funktionen

Code-Mixing: dichtes Code-Switching; verfolgt keine Sprechstrategie

Transfer: einzelne Wörter oder größere Äußerungseinheiten aus der anderen Sprache in die gerade
verwendete Sprache integrieren; zum Beispiel Ausdrücke, die in einer Sprache nur mühselig
umschrieben werden können

Ethnolekt: deutscher Sprechstil mit systematischen Veränderungen im Bereich von Grammatik, Lexik
und Intonation, die auf einen Einfluss von Migrantensprachen zurückzuführen sind; vor allem von
Jugendlichen gebraucht

Prinzipien der DaZ-Förderung


Pädagogisches Prinzip: Lernerorientierung
Kommunikationsbereitschaft der Schüler sollte geweckt und Interesse auf die Sprache gelenkt
werden; dabei unterschiedlichen Lernvoraussetzungen berücksichtigen

Bearbeitung „echter“ Aufgaben und Berücksichtigung der Lebenswelt der DaZ-Schüler

Gefahr der Kulturalisierung

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WS 2021 Deutsch in der Migrationsgesellschaft Pflichtlektüre

Perspektivwechsel als Schlüssel zu Selbstvertrauen und reflektierter Selbstwahrnehmung

Einbeziehung der Herkunftssprachen sollte didaktisch reflektiert sein

Didaktisches Prinzip: Mitteilungskompetenz stärken


Ziele von DaZ-Unterricht:
 Vermittelt sprachlichen Fähigkeiten mit Ziel einer guten Sprachkompetenz
 Schult kommunikative Fähigkeiten mit Ziel einer guten Sozial- und Selbstkompetenz
 Fördert sprachlich orientierte Methodenkompetenz
 Interkultureller Kompetenz

Konzept der Mitteilungsbereiche: sprachliche Mittel erarbeiten, die notwendig sind um Kluft
zwischen Mitteilungsbedürfnis und Mitteilungsvermögen in der Zweitsprache zu schließen

Mitteilungsbereiche: Identifizieren, Qualifizieren, Quantifizieren, Ortsangaben, Zeitangaben,


Begründen, Zweckabsichten, Nachfragen, Bedingungen, Zwänge/Abhängigkeiten/Befehle,
Wille/Wunsch/Hoffnung, Zitieren

Methodisches Prinzip: Sprachreflexion anregen


Verbesserndes Korrekturverhalten: kann demotivierend wirken

Korrektives Feedback: sollte nicht nur als Lehrerecho gestaltet werden

Sprachreflexion durch Selbstkorrektur und Selfmonitoring

Kompetenzbereiche der DaZ-Förderung


Lerngegenstand des DaZ-Unterrichts ist die deutsche Sprache

4 sprachliche Fertigkeiten: hören, sprechen, lesen und schreiben; ergeben zusammen volle
Sprachkompetenz

Sprachbewusstsein im DaZ-Unterricht sehr bedeutend

Rezeption und Produktion


Rezeptive und produktive Fertigkeiten werden in der Regel im Umgang mit schriftlichen Texten
erarbeitet

Mündlicher Unterricht verlangt höhere Verstehensleistung als Arbeit mit schriftlichen Texten;
müssen gesprochene Beiträge verstehen und folgen können und eigene Intentionen verständlich
mitteilen

Sprachliche Interaktion im Unterricht


Für Ausbildung kommunikativer Fähigkeiten ist entscheidend, dass Kommunikation thematisiert wird

Unterrichtssprache: Sprache der Lehrkräfte hat Vorbildcharakter und liefert sprachlichen Input

Bewusstheit für die Besonderheiten der deutschen Sprache


Für Sprachbewusstheit sollten metasprachliche Fähigkeiten erworben werden

Minimalgrammatik, Grammatik lernen an bekannten Sprachmaterial, lernleitende Signale und


Visualisierungen, nonverbale Signale zu Grammatik Festigung

3
WS 2021 Deutsch in der Migrationsgesellschaft Pflichtlektüre

Decker-Ernst, Oomen-Welke: Methoden Methoden für DaZ


Zur Methodenfrage allgemein
Geht um Frage wie unterrichtet werden soll (Methodik) und welche methodologischen Ansätze das
unterrichtspraktische Handeln der Lehrpersonen leiten soll

Ziel ist möglichst umfassende Methodenkompetenz der Lernenden, sodass diese nach und nach
selbst ihre Wege der Erkenntnis finden lernen

Methoden in Deutsch als Zeitsprache


Zusammengesetzt aus 2 Bereichen: Fremdsprachendidaktik und Deutschdidaktik

Methodenfragen sind zeitabhängig; verschiedene Methoden im Verlauf der Zeit (Grammatik-


Übersetzungsmethode, Reformmethode, audiolinguale Methode, audiovisuelle Methode,...)

Ansatz der Methodenklassifikation


Unterschieden zwischen prozeduralem Können und deklarativen Wissen; beides beim
Zweitsprachlernen von Anfang an nötig

Methoden zum Aufbau der 4 sprachlichen Grundfertigkeiten


Fertigkeiten sind automatisiertes Können; Automatisierte Fertigkeiten erlauben Aufmerksamkeit auf
Sache zu richten, weil die Prozedur der Ausführung schon beherrscht wird

Sprachliche Grundfertigkeiten: hören, sprechen, lesen, schreiben; unterteilt in rezeptive und


produktive oder mündliche und schriftliche Fertigkeiten

Hören: verschiedene Arten von Hörübungen (Texte, Textteile oder einzelne Elemente vorsprechen;
von Lehrpersonen oder mit Hörmedien oder Film/Video)

Sprechen: freies und dialogisches Sprechen, Ausspracheübungen, Sprechtraining

Lesen: antizipierende Verfahren für nachfolgenden Lesetext, texterschließende Verfahren bei der
Konfrontation mit Lesetext, textsichernde Verfahren nach dem ersten Verstehen des Textes

Schreiben: planendes/ schreibvorbereitende Verfahren, textproduzierende Verfahren, Korrektur

Methoden der Grammatikvermittlung


Für Deutsch als Zeitsprache lassen sich realitätsnahe Übungen leichter gestalten, wenn auf
lebensweltliche Inhalte zurückgegriffen wird

Aufgabenformate
 geschlossene Aufgaben: nur einige richtige Lösung; mit Antwortvorschlägen
 halboffene Aufgaben: lassen wenige Lösungen zu; Formulierung offen
 offene Aufgaben: verschiedene Lösungswege und Formulierungen möglich

4
WS 2021 Deutsch in der Migrationsgesellschaft Pflichtlektüre

Methoden autonomeren Sprachlernens


Ziel der neuen Sprachdidaktiken: Schüler zu Sprachbewusstheit/ Sprachenlernbewusstsein und
Autonomie führen

Methodenreflexion und Methodenentscheidungen

Projektmethode: Problemorientiertes arbeiten, kooperativ

Portfolioarbeit: Dokumentation individueller Lernfortschritte und Kompetenzen

Sprachen-Tandem: 2 Partner lernen je eine Zielsprache, die der andere Partner erstsprachig
beherrscht

Kniffka: Scaffolding
Scaffolding: „Baugerüst“

Erstspracherwerbsforschung: Unterstützungshandlungen von Erwachsenen bei der Interaktion mit


Kleinkind; nach Grundlage von Wygotskis Theorie von der Zone der proximalen Entwicklung

Zweitspracherwerb: Unterstützungssystem im sprachsensiblen Fachunterricht

Schüler werden mit sprachlichen und fachlichen Anforderungen konfrontiert, die vom
Schwierigkeitsgrad her ein wenig über dem bereits erreichten Kompetenzniveau liegen

Scaffolding bedeutet Lücke zwischen dem, was der Lerner bereits kann und dem was mit
Unterstützung möglich ist, durch eine entsprechende Unterrichtsplanung zu überbrücken

Makro- und Mikroscaffolding


Scaffolding nach Gibbons aus 4 Bausteinen:

1. Bedarfsanalyse: vor Unterrichtsplanung Sprachbedarf für einen Unterrichtsinhalt aus fachlicher


Sicht ermitteln
Makro-Scaffolding

2. Lernstandserfassung: Sprachstand der Klasse erheben und mit sprachlichen Anforderungen


vergleichen

3. Unterrichtsplanung: fachliche und sprachliche Aspekte miteinander verknüpft


 Einbeziehung Vorwissen und aktueller Sprachstand
 Auswahl von geeignetem Material
 Sequenzierung der Lernaufgaben
 Festlegung von Lern- und Arbeitsformen…

4. Unterrichtsinteraktion: nicht nur Frage-Antwort-Schema (fragend-entwickelnder-Unterricht)


Mikro-Scaffolding

 Verlangsamung der Lehrer-Schüler-Interaktion


 Variation der Interaktionsmuster
 aktives Zuhören durch die Lehrkraft
 Rekodierung von Schüleräußerungen durch Lehrkraft
 Einbettung von Schüleräußerungen in größere Konzeptuelle Zusammenhänge

5
WS 2021 Deutsch in der Migrationsgesellschaft Pflichtlektüre

Reich: Durchgängige Sprachbildung


Leitbegriffe haben ihre Zeit
Ende der 60er-Jahre: Einwanderung in die Schulen ein neuartiges Problem
Für ausländische Schüler wurde Unterricht in Deutsch als Fremdsprache entwickelt und ein
herkunftsbezogenes Curriculum durch Lehrkräfte aus Herkunftsstaaten angeboten
 Doppelaufgabe: Rückkehrhilfe und Vorbereitung auf das einheimische Bildungssystem

Ende 70er/ Anfang 80er-Jahre: Assimilation der in Deutschland Geborenen


Zusätzliche Unterrichtsstunden für diejenigen, die deutschsprachigen Regelunterricht noch nicht
gut genug folgen können; kein System möglicher Förderziele

Heute: Situation wird als unvollendete Integration wahrgenommen

Durchgängige Sprachbildung
Einführung in die deutsche Sprache nicht mehr zentrale Aufgabe
Geht um Ineinandergreifen von sprachlichem und fachlichem Lernen
Prozesse der Aneignung der unterrichtsbezogenen Sprachfähigkeiten bei zweisprachigen und
einsprachigen Schülern ähnlich
Sprache nicht mehr als Unterrichtsgegenstand, sondern als Medium des Lernens

Durchgängige Sprachbildung ist ein mehrdimensionaler Begriff


Grundgedanke: sprachliche Bildung umso besser, je mehr Ressourcen des sprachlichen Könnens
miteinander verbunden sind

„durchgängig“: sprachliche Bildung als Kontinuum


bildungsbiografische Dimension: Zuwachs an sprachlichem Wissen und Können mit
zunehmendem Lernalter
situativ-thematische Dimension: Sprachverwendung variiert nach der Art der kommunikativen
Situation (Register); Bildungssprache
sprach-sozialisatorische Dimension: Verbindung zwischen unterschiedlichen Institutionen
interlinguale Dimension: bewusster Umgang mit verfügbaren Sprachkenntnissen; aktive
Mehrsprachigkeit

Bildungssprache erwerben:
aktive Nachahmung von Ausdrücken (gelingt nicht allen Schülern)
gezielte Förderung der bildungssprachlichen Fähigkeiten unmittelbar, wenn ein sprachliches
Problem im Fachunterricht auftaucht

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WS 2021 Deutsch in der Migrationsgesellschaft Pflichtlektüre

Gogolin: Durchgängige Sprachbildung FörMig


Qualitätsmerkmale: Eigenschaften, die bei der Umsetzung eines bildungssprachförderlich Unterrichts
sinnvoll und notwendig sind

Voraussetzungen: Bereitschaft Sprachbildung durchgängig in allen Fächern umsetzen wollen;


Wertschätzung der Mehrsprachigkeit

Durchgängige Sprachbildung: Qualitätsmerkmale für den Unterricht


Lehrkräfte planen Unterricht mit Blick auf Register Bildungssprache und stellen Verbindung von
Allgemein- und Bildungssprache explizit her

Lehrkräfte diagnostizieren individuelle sprachliche Voraussetzungen und Entwicklungsprozesse

Lehrkräfte stellen allgemein- und bildungssprachliche Mittel bereit und modellieren diese

Schüler erhalten Gelegenheiten allgemein- und bildungssprachliche Fähigkeiten zu erwerben

Lehrkräfte unterstützen Schüler in individuellen Sprachbildungsprozesse

Lehrkräfte und Schüler überprüfen und bewerten Ergebnisse der sprachlichen Bildung

Knapp: Didaktische Konzepte DaZ


Adressaten des Unterrichts in Deutsch als Zweitsprache
Adressaten unterscheiden sich nach Alter, Aufenthaltsdauer und Kompetenz

Kinder/ Jugendlichen im Vorschul- und Schulalter, die neu in deutschsprachiges Land kommen
benötigen Sprachförderung, um gute Kompetenzen in Deutsch zu erwerben

Kinder, die in deutschsprachigen Raum aufgewachsen sind oder in den ersten 3 Lebensjahren
eingereist sind, kommen meist auch ohne Sprachförderung aus

Oft zweitsprachlichen Kenntnisse so gering, dass Kinder kaum an Unterrichtskommunikation


beteiligen können

Nach Interdependenzhypothese: Erwerb einer Zweitsprache durch gute Kompetenzen in der


Erstsprache erleichtert

Spezifische Bedingungen des Lernens von Deutsch als Zweitsprache und didaktische
Folgerungen
Input im ungesteuerten Spracherwerb: DaZ-Lernende erhalten dauernd Input – kann aber auch
fehlerhaft sein

Anwendbarkeit: Lernende können Neuerworbenes sofort in Kommunikation anwenden; Vorteil einer


echten Situation

Zeitdruck: DaZ unter großem Zeitdruck; sollte so intensiv wie möglich erfolgen

Heterogenität in Lernergruppen: DaZ-Lernende müssen im Unterricht auf Niveau kommunizieren,


das nicht Lernvoraussetzungen entspricht

7
WS 2021 Deutsch in der Migrationsgesellschaft Pflichtlektüre

DaZ-Unterricht im Spannungsfeld zwischen Kommunikation und Systematik


Unterricht generell steht im Spannungsfeld zwischen Anwendbarkeit des erworbenen Wissens und
systematischen Darbietung

Methodenkonzeptionen im Fremdsprachenunterricht: Grammatik-Übersetzungsmethode,


Reformmethode, audiolinguale Methode, kommunikativ-programmatischer Ansatz, interkulturelle
Didaktik

Ansätze im Zweitsprachenunterricht:
kontrastiver Ansatz: Erstsprache wird miteinbezogen
kommunikationsorientierter Ansatz: Pragmatik
handlungsorientierter Ansatz: möglichst lebensnahe Handlungen in schulischer und
außerschulischer Wirklichkeit
integrativer Ansatz: Handlungsorientierung und Einklang mit sprachlichem Regelwissen

Gemeinsamer Unterricht oder gesonderter Förderunterricht?


Bei Entscheidungen welche Art des Unterrichts geeignet ist, sind Alter und Kompetenz in der
Zweitsprache Deutsch entscheidend

Jüngere Lernende und je besser deutsche Sprache beherrscht, desto eher ist Immersion-Konzeption
geeignet

Älterer Lernende und je weniger deutsche Sprache beherrscht, desto eher vorbereiten Maßnahmen
angebracht

Menge, Art und Intensität der sprachlichen Zuwendung durch Erzieher spielt entscheidendste Rolle

Förderung im Rahmen der Regelklasse


Innere Differenzierung: DaZ-Schüler erhalten andere Aufgaben als übrige Klasse, die ihrem
Lernstand entsprechen
Tutorenprinzip: leistungsstarke Schüler fungieren als Tutoren für DaZ-Lerner
Teamteaching: eine der 2 Lehrpersonen unterstützt gezielt DaZ-Lernende
Grenzen: wenn Kenntnisse zu gering sind, um Unterrichtskommunikation zu verstehen

Förderung durch zusätzlichen Förderunterricht


Für DaZ-Lernende, die Unterricht folgen können aber trotzdem zu geringe Deutschkenntnisse
aufweisen; 1-6 Stunden pro Woche
Nachbereitender Unterricht: versucht Defizite, die im Unterricht aufgefallen sind auszugleichen;
wenig effektiv, da geringe Motivation
Vorbereitender Förderunterricht: Inhalte einer folgenden Stunde erarbeiten, um bessere
Kommunikation in der Regelklasse zu erreichen
Curricular eigenständiger Unterricht: gravierende sprachliche Probleme die systematisch
aufgearbeitet werden sollen

Vorbereitungsklassen
Keine/geringe Deutschkenntnisse in jahrgangsübergreifenden Vorbereitungsklasse; Grundlegende
Kenntnisse der Zweitsprache erwerben; so lange bis an Unterricht in Regelklasse teilnehmen können
Teilintegration: praktische Fächer werden in Regelklasse besucht; Gleitende Integration in Regelklasse

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WS 2021 Deutsch in der Migrationsgesellschaft Pflichtlektüre

Pflichtlektüre 7. Sitzung
Stojanow: Bildungsgerechtigkeit Migrationshintergrund
PISA-Studien zeigen starke Herkunftsabhängigkeit von Schulkarrieren im deutschen Bildungssystem
 verstößt gegen das Prinzip der Chancengleichheit; herkunftsbenachteiligt

Zusammenhang zwischen Bildungsgerechtigkeit und Migrationshintergrund

„Begabungsgerechtigkeit“ als dominante Diskursfigur in Bildungspolitik und Bildungsforschung


Bildungsgerechtigkeit: Verteilung von Bildungsgütern in Form von Ressourcen und Zeugnissen, nach
Begabungen oder nach kognitiven Ausgangsvoraussetzungen statt nach Herkunft

Schulische Selektion ungerecht, wenn sich nicht nach Begabungen richtet oder wenn sie die
Verwirklichung ihrer als vorgegebenen angenommenen Leistungsfähigkeiten behindert

Widerspricht allen 3 philosophischen Gerechtigkeitskonzepten:

distributive Gerechtigkeit: alle Ungleichheiten ungerecht, für die der Einzelne nicht
vernünftigerweise für eigenverantwortlich gehalten werden kann

Teilhabegerechtigkeit: jedes einzelne Kind erreicht einen „trashhold of capabilities“ durch


Schulbildung, damit es zu einem Leben in Würde befähigt wird

Anerkennungsgerechtigkeit: Respekt-Egalitarismus

„Verschwendung von Begabungsreserven“ als Ausdruck ökonomistischen Reduktionismus in


aktuellen Diskursen über Bildungsgerechtigkeit
Die Verschwendung von Begabungsreserven stelle das Hauptproblem und Bildungsgerechtigkeit dar

Bildungsgerechtigkeit als ökonomische zweckrationale Problematik; unterdurchschnittliche


Bildungsbeteiligung von Kindern mit Migrationshintergrund als wirtschaftliches Defizit, weil die
Begabungen dieser Kinder ungenutzt für die Wirtschaft bleiben

Haupthindernis für die Ausnutzung der Begabung der Migrantenkinder läge in ihrer defizitären
sprachlichen und kulturellen Familiensozialisation

„Bildungsgerechtigkeit wird grundsätzlich mit Freiheitseinbußen erkauft“


Gerechtigkeit steht in einem Spannungsfeld mit Freiheit

Forderungen nach einer konsequenten Akkulturation von Kindern mit Migrationshintergrund;


erfordere ausschließlichen Gebrauch der deutschen Sprache, auch im privaten Raum

Fazit: Neo-Assimilationistische Tendenzen im gegenwärtigen Diskurse über


Bildungsgerechtigkeit
Von Bildungsgerechtigkeit als ein individuelle Freiheiten einschränkender ökonomischer Imperativ

Erfordert restriktive und quantifizierbare Akkulturationsmaßnahmen in Bezug auf Kinder mit


Migrationshintergrund

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WS 2021 Deutsch in der Migrationsgesellschaft Pflichtlektüre

Pflichtlektüre 8. Sitzung
Dirim: Umgang mit migrationsbedingter Mehrsprachigkeit
Spracherwerbstheoretische Grundlagen
Alle Kinder lernen mit sprachlicher Heterogenität umzugehen (egal ob andere Sprache oder Dialekt)

Auch ohne Wissen über sprachliche Heterogenität eignen sich Kinder in der Kommunikation
interaktiv Mittel an, die in den jeweiligen Gesprächskontexten gültig sind

„Zählbarkeit“ von Sprachen problematisch – Vorschlag „Sprachigkeit“ statt „Zweisprachigkeit“ …

Kennzeichnend für Sprachgebrauch von migrationsbedingt mehrsprachigen Kindern ist Mischen von
Sprachen – funktional und Veränderung von Sprache unumgänglich

Migrationsbedingte Mehrsprachigkeit wird durch monolinguale Schule zu einem Problem –


Sprachförderung, um Kompetenzen im Deutschen zu verbessern

Spracherwerbshypothesen: Interdependezhypothese: Sprachen entwickeln sich in Abhängigkeit


voneinander (Förderung einer Sprache hat auch positive Auswirkungen auf die andere)

Erkenntnisse zum Spracherwerb


 Je früher migrationsbedingt mehrsprachige Kinder Deutsch erwerben, desto mehr gleicht der
Erwerb dem der monolingual deutschsprachig aufwachsenden Kinder
 Je später sie Deutsch lernen, desto wichtiger wird die Migrationssprache dabei
 Kontaktdauer, Kontaktintensität und Menge und Qualität des Inputs entscheidend
 Die unterschiedlichen Sprachen beeinflussen einander; Sprache als „Motor“ für die Entwicklung
der anderen

Begriffliche Zugänge
Kann nicht immer genau zwischen DaZ und DaF unterschieden werden; Verhältnisse können sich
verändern

„DaZ-Sprecher“ als fremd machende Zuschreibung; „ethnisch Andere“ werden ausgeschlossen


(Interferenzen aus Vorarlbergerischem nicht so schlimm wie arabischer Akzent)

Bildungssprache zur Vermittlung fachlicher Kenntnisse und Fähigkeiten; Unterstützung für alle Kinder

Sprachliche Bildungsmodelle
Monolingualität im Bildungssystem ist nicht einzige Möglichkeit

Kontroverse ob bilinguale Systeme besser sind, um erfolgreich mit Mehrsprachigkeit umzugehen

Studie aus USA zeigt, bilinguale Systeme sind besser

Monolingualität in der Schule ist nicht von heute auf morgen veränderbar:
Lehrkräfte beherrschen Sprache nicht, Frage der Gestaltung von Unterrichtsangeboten in
verschiedenen Sprachen

1
WS 2021 Deutsch in der Migrationsgesellschaft Pflichtlektüre

Verbesserungsvorschläge von monolingualen Bildungsangeboten


 Fachsensible Deutschförderung: Verzahnung von Sprach- und Fachunterricht
 Sprachsensibler Fachunterricht: sprachförderliche Gestaltung jeder Unterrichtsstunde
 Schullaufbahnübergreifende Unterstützung: Aneignung der Bildungssprache benötigt 5-8 Jahre
 Bildungsangebot in Migrationssprachen: „gegenseitige Fruchtbarmachung“ der Sprachen
 Nutzung der Migrationssprachen als Medium des Lernens: stellt Ressource für Wissensaneignung
dar
 Verzahnung der Angebote in Migrationssprachen mit Deutschförderung: explizites Vergleichen
von Sprachen in Sprachenfächern zur Bewusstwerdung sprachlichen Lernens
 Diagnosegestützte Sprachförderung: Sprachstandsdiagnosen, an die Förderentscheidungen
angeknüpft werden
 Fokussierung der Bildungssprachen: Sprache der Schule ist Zusammensetzung aus Alltagssprache,
Fachsprache und Bildungssprache

Schüler mit fehlenden Deutschkenntnissen werden als „außerordentliche Schüler“ aufgenommen


und haben 2 Jahre Angebot auf Unterstützung in Unterrichtssprache

Österreich: Recht auf Bildung in der Muttersprache für anerkannte Minderheiten, gilt aber nicht für
Migrationssprachen

Vorgehensweisen der Sprachförderung


Additive Sprachförderung:
Außerhalb des Regelunterrichts; Sprachstandsfeststellungen, um förderbedürftige Teilnehmer zu
identifizieren
Inhaltlich abhängig (fachsensibler Unterricht) oder unabhängig vom Regelunterricht

Integrative Sprachförderung
Schüler im Klassenverband gefördert; sprachsensibler Fachunterricht

„Durchgängige Sprachbildung“: vertikale Dimension: langfristig, schullaufbahnübergreifend

Horizontale Dimension: in allen Unterrichtsfächern

Vernetzung mit außerschulischen Bildungs- und Sozialisationsinstanzen

Scaffolding: Gerüst, das Schülern hilft die nächste Stufe in ihrem sprachlichen Entwicklungsprozess zu
erklimmen

Verschiedene Sprachen Unterricht


Projekte versuchen Migrationssprachen im Regelunterricht vorkommen zu lassen
 Sprachbewusstheit, Freude an sprachlichem Lernen, Interkulturelles Lernen

Interkulturelle Perspektive: Migrationssprachen haben untergeordneten Platz, unwichtig für Schulerfolg

Gleichstellung der Sprachen und Sprecher nur dann, wenn Deutsch und Migrationssprachen
gleichermaßen in Bezug auf ihr identitätsstiftendes Potential, ihre Rolle als Träger von Kultur und als
Instrumente der Vermittlung von fachlicher Bildung diskutiert werden

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WS 2021 Deutsch in der Migrationsgesellschaft Pflichtlektüre

KOALA – Mehrsprachiges Lernen in der Primarstufe


In interkulturellem Unterricht mit einer mehrsprachigen Perspektive werden alle Kinder in ihrer
individuellen sprachlichen Identität ernstgenommen und wertgeschätzt; jedes Kind kann zu einem
Sprachexperten werden

Familien mit einbeziehen


Kinder werden in Persönlichkeitsentwicklung gestärkt, wenn sich bewusst mit Herkunfts- oder
Familiensprache auseinanderzusetzen können

Tauchen besser in fremde Kulturen ein und entwickeln sensibles Gespür für ein differenziertes
Bewusstsein von Sprache

Ausstattung des Klassenraums


Klassenzimmer mehrsprachig gestalten (z.B. mehrsprachige Wörterbücher)

Der Sprachenschatz im Unterricht


Natürliche Mehrsprachigkeit wird zur gelebten Mehrsprachigkeit, wenn Kinder authentische
Begegnungen mit kultureller und sprachlicher Vielfalt haben

Kinder bekommen Gespür dafür, dass Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den Sprachen
existieren, weil sie täglich in dieser Sprachenvielfalt leben

Mineva, Salgado: Mehrsprachigkeit – Relevant, aber kulturalisierend


Einleitendes: das Feld DaZ unter dem Scheinwerfer beunruhigender Frage
3 gegenwärtige Highlight Momente der Inszenierung von Widerständigkeiten im Feld Deutsch als
Zeitsprache in der Erwachsenenbildung in Österreich
1. Ermächtigungsansprüche
2. Kritik an der Integrationsvereinbarung
3. mehr Sprachigkeit

Kritik an kulturalisierenden Diskursen


Rekonstruktive Erschließung von Subjektivierungsprozessen von Migrationsanderen

Bildung nicht als Gegenteil von Subjektivierung, sondern als auf sie verweisend/ mit ihr verkoppelt

Respekt und Anerkennung von Differenzen bilden einen zentralen Grundsatz für die pädagogische
Handlung in der interkulturellen Pädagogik

Migrationspädagogische Perspektive: Prinzip der Anerkennung von Differenzen als Möglichkeit für
Festigung der hegemonialen Ordnung problematisiert, weil dadurch „Andere“ hergestellt werden

Interkulturelle Ansatz zieht Aufmerksamkeit von strukturellen Problemen ab und lenkt sie auf
externe kulturelle Determinanten

Konzepte die Vielfalt einfordern, verfestigen die Zugehörigkeitsordnungen und zementieren


zugewiesene Subjektpositionen

3
WS 2021 Deutsch in der Migrationsgesellschaft Pflichtlektüre

Mehrsprachigkeit im kulturalisierenden Kontinuum


Curricula-Texte im Einklang mit unseren gewählten theoretischen Analyseperspektiven sind als
eingebettet in einen Fachdiskurs zu lesen

Praxis einer professionellen Reflexivität wirft Fragen auf:


 Grenzen des westlichen Wissens
 gewaltvoller Prozesse der Aberkennung von Wissen
 Kriterien zur Legitimation von Wissen

Subjektivierung und die Frage nach einer widerständigen Handlungsfähigkeit


These, dass Subjektivität und Handlungsfähigkeit gesellschaftlich konstituiert sind, dass es folglich
auch keine Instanz außerhalb dieser Verhältnisse gibt, auf die sich Kritik und Widerstand stützen
können

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WS 2021 Deutsch in der Migrationsgesellschaft Pflichtlektüre

Pflichtlektüre 9. Sitzung
Messerschmidt: Distanzierungsmuster – Vier Praktiken im Umgang mit
Rassismus
Postnationalsozialistische Struktur rassistischer Normalität: Skandalisierung, Verlagerung in den
Rechtsextremismus, Kulturalisierung und Verschiebung in die Vergangenheit

Rassismusdiagnosen als Skandal


Das Benennen von rassistischen Praktiken und Erfahrungen rassistischer Diskriminierung wird immer
wieder skandalisiert

Der Hinweis auf Erscheinungen als rassistisch wird als skandalös diffamiert

Opfer-Täter-Umkehr: Aufmerksamkeit wird von den konkreten Rassismuserfahrungen auf die


Vorstellung beschuldigt zu werden gelenkt

Verlagerung von Rassismus in den Rechtsextremismus


Rassismus wird bevorzugt als Praxis rechtsextremistischer Gruppierungen benannt und nicht als
alltägliche Diskriminierungsform oder als Weltbild, das in unserer Gesellschaft verankert ist

Rassismus ist stets ein Problem von anderen, die nicht „wir“ sind

Durch Extremismusbegriff erscheint die Mitte der Gesellschaft unproblematisch und demokratisch
integriert

Täterschematismus: es werden Übeltäter identifiziert, die man klar von sich selbst abgrenzen kann

3 Tendenzen in der pädagogischen Auseinandersetzung mit Verschiedenheit und Diskriminierung:


 kritische Reflexion interkultureller Pädagogik, bei der dichotomisierende Kulturbegriffe in Frage
gestellt werden
 Diskussion im Rechtsextremismus, bei der Alltagsrassismus kaum ein Thema ist
 Tendenz Ersatzbegriffe für Rassismus zu gebrauchen (z.B. Fremdenfeindlichkeit,
Ausländerfeindlichkeit); Vermeidung des historisch belasteten Rassismusbegriffs

Kulturalisierung
Kultur verspricht Zuordnung und Identität

Kultur dient als Fremdmacher und damit als Identitätsproduzent und Identitätsbehauptung

Verschiebung von Rassismus in die Vergangenheit


Es gibt immer noch Nachwirkungen des Nationalsozialismus

Rassismus wird als analytische Kategorie zur Untersuchung gesellschaftlicher Segregationsprozesse


im deutschen Kontext abgewehrt, weil man nichts so sehr fürchtet wie Diagnose rassistisch zu sein

Vorstellung, man hätte nach der Demokratisierung auch die rassistischen Weltbilder überwunden
 steht Auseinandersetzung mit alltäglichen Rassismen im Weg und behindert eine Aufarbeitung
der völkischen Gesellschaftsbilder in der nationalsozialistischen Ideologie

1
WS 2021 Deutsch in der Migrationsgesellschaft Pflichtlektüre

Supporting You to Raise Antiracist Children


Mit Kindern über Rassismus zu reden kann schwierig sein

Für ein Gespräch sollte man sich eine gute Zeit aussuchen; Kinder hören am besten zu, wenn sie
nebenbei etwas anderes tun; die Gefühle der Kinder akzeptieren

Self reflect and find your why (parents and carers)


Kinder spiegeln die Handlungen ihrer Erzieher; möchte man ein bestimmtes Verhalten bei Kindern
hervorrufen, muss man bei sich selbst ansetzen

Ehrliche Reflexion über eigene Werte und Haltungen gegenüber Rassismus

Get curious and excited about difference (0-3 years)


In diesem Alter entwickeln sich Kinder schnell, sie lernen mit den Sinnen und sind sehr neugierig

Vielfalt an Büchern, Spielzeugen, Bildern die People of Color positiv darstellen sind wichtig

Ziel: sie sollen erkennen, dass Vielfalt etwas Positives ist

Nurture empathy, lean into fairness (3-6 years)


Kinder haben komplexere Beziehungen und sind vermutlich in formaleren Lernumgebungen mit
Lehrern und anderen Vorbildern

Zeit, um natürliche Konversationen über Rassismus zu führen

Ziel: an Empathie des Kindes arbeiten; am effektivsten mit Rollenspielen/Puppen

Empower them to act, find their voice (6-9 years)


Kinder sind in der Lage detaillierte und bedeutende Konversation über ihre Gefühle zu haben

Es sollten Diskussion über Rassismus geführt werden und auch die Themen von sozialer Gerechtigkeit
und race equality besprochen werden

Ziel: Kinder sollten in der Lage sein zu handeln, wenn sie Rassismus beobachten

Facilitate change, amplify other voices (9-12 years)


Kinder formen ihre eigenen Meinungen und erkennen komplexere Ideen; gutes Zeitfenster, um zu
„agents of change“ zu werden

Ziel: sollten in der Lage sein auf Rassismus hinzuweisen und anderen Fakten zu präsentieren

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WS 2021 Deutsch in der Migrationsgesellschaft Pflichtlektüre

Pflichtlektüre 10. Sitzung


Dirim, Eder, Sprinsits: Subjektivierungskritische Umgang mit Literatur
Deutschunterricht in deutschsprachigen Regionen wird kritisiert die migrationsbedingte sprachlich-
kulturelle Vielfalt zu wenig zu berücksichtigen

Identitätsentwicklung bzw. Subjektivierung in der Migrationsgesellschaft


Kulturkonflikt: wird davon ausgegangen, dass Kulturen mit denen Kinder aufwachsen, unvereinbar
seien und ein Leben im Spannungsfeld der Kulturen zwangsläufig zu inneren Konflikten und
Identitätsproblemen führe
 führt zu Forderung nach Assimilation, weil Kulturen als unveränderbar gedacht werden

Identität der Kinder mit Migrationshintergrund erscheint gefährdet

„Andersheit“ erklärt geringe Bildungserfolge dieser Kinder und zieht Bildungsinstitutionen aus der
Verantwortung

Gesellschaftskritische und subjektivierungstheoretische Zugänge gehen davon aus, dass Identitäten


nicht abgeschlossen sein können; Zusammenspiel von „Innen“ und „Außen“

Subjekte entstehen in unabgeschlossenen, heterogenen diskursiven Zusammenhängen durch


multiple Zuschreibungen und Bezeichnungen

Unterschied zwischen Identitätsentwicklungen von Kindern mit und ohne Migrationshintergrund in


schulischen Zusammenhängen entsteht nicht durch Hin- und Hergerissen sein zwischen zwei
Kulturen

Rassialisierungen: Merkmale wie Kultur werden herangezogen, um Gruppen zu konstruieren,


polarisieren, hierarchisieren und Gruppen Handlungsmöglichkeiten abzusprechen

Inferiorisierende Subjektivierung im pädagogischen Kontext


Glücken von sprachlichen Äußerungen nicht nur von Korrektheit, sondern von sozialen Regeln zur
Verwendung von Sprache abhängig

Bildungsinstitution als Ort, an dem migrationsgesellschaftliche Positionen in intensiver und


vielfältiger Form ausgehandelt werden

Texte in Schulbüchern sind sehr machtvoll da sie über große Autorität und Deutungshoheit verfügen
Menschen mit Migrationshintergrund vorwiegend in inferioren gesellschaftlichen Positionen
dargestellt
in Deutsch-Lehrwerken wird Migration kaum thematisiert

Werke von Kinder- und Jugendliteratur thematisieren Migration, Fremdheitserfahrung, inter- und
transkulturelle Begegnungssituationen und Umgang mit Vielfalt und Differenz

Gibt auch Texte, die reflexive Auseinandersetzung mit Thematik vermissen lassen und selbst
vorurteilsbehaftet und rassistisch sind

Reflexion darüber, wie in subjektivierungskritischerweise mit Literatur in Schulbüchern und von


Kinder- und Jugendbuchverlagen gearbeitet werden kann

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WS 2021 Deutsch in der Migrationsgesellschaft Pflichtlektüre

Language Awareness und Literature Awareness


Sprachaufmerksamkeit/Sprachbewusstheit: Ziel ist nicht Erlernen von Sprachen, sondern
Aufmerksamkeit für vorhandener Sprachvielfalt

Unterrichtsziel einer bewussten und reflektierten Auseinandersetzung mit literarischen


Phänomenen; Kinder- und Jugendliteratur sehr gut geeignet

Aufmerksamer und bewusster Umgang mit Literatur impliziert reflektive Auseinandersetzung mit
gesellschaftspolitisch relevanten Themen

Prinzipien eines subjektivierungskritischen Deutschunterrichts


Subjektivierungskritisch: Position, die Subjektivierung nicht als unveränderbar gegeben und zwingend
notwendig voraussetzt

Subjektivierungskritischer Deutschunterricht:
 konfrontiert Schüler mit unterschiedlichen Formen der Literatur (besonders interkulturelle
und mehrsprachige Werke
 arbeitet Fragen heraus, die an Texte gestellt werden müssen
 Möglichkeit des Erkennens von Rationalisierungen und Inferiorisierungen
 zeigt historische Entwicklung inferiorisierender Topoi
 lässt Raum eigene Verwobenheit in hierarchisierenden Diskursen zu reflektieren

Dirim: Neo-Linguizismus
Zum Begriff Linguizismus
Linguizismus: spezielle Form des Rassismus mit Vorurteilen und Sanktionen gegenüber Menschen,
die eine bestimmte Sprache in einer durch ihre Herkunft beeinflusste, spezifische Art und Weise
verwenden

Macht über sozial schwächer gestellten Gruppen; sozialer Rangordnung

Sprache der Elite wird zur Norm erhoben

Sprache ist hervorstechendes Merkmal ethnischer und sozialer Differenz; Medium, durch das soziale
Klassen produziert und reproduziert werden

Funktionsweise des Linguizismus


Linguizismus wirkt in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen auf vielfältiger Weise

Offene oder verdeckte linguistische Handlungen und Aktionen in verschiedenen nationalstaatlichen


Entwicklungen (Beispiel Türkei)

Linguizismus oder Neo-Linguizismus?


Wandlung des simplen und offenen Linguizismus zum eher verdeckten Linguizismus

Kultur als Sprachversteck für Rasse; Kulturrassismus

Neo-Linguizismus: subtil, harmlos klingende Bezeichnungen, täuscht über Ausgrenzung und


Unterdrückung hinweg, schwer aufzudecken

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WS 2021 Deutsch in der Migrationsgesellschaft Pflichtlektüre

Neo-Linguizismus in Deutschland?
Neo-Linguizismus richtet sich gegen Menschen, die nicht die Nationalsprache eines Staates in
monolingualer Form und als native speaker sprechen

Ziel linguizistischer Handlungen: Sicherung der Nationalsprache, was zum Erhalt des Nationalstaats
beiträgt

Medien
Ethnolektales Deutsch wird in Medien thematisiert
Ethnolekt: bestimmter Satzrhythmus, Weglassen des Artikels; von Jugendlichen genutzt um
Zugehörigkeit zu erzeugen
Possenhafter Umgang mit ethnolektal gebrauchtem Deutsch wird kaum kritisch diskutiert

Kunst und Literatur


Viele literarische Werke, die man „Migranten-“ oder „Migrationsliteratur“ zuordnet
Einige Romane nutzen Sprachgebrauch, um damit possenhaft das kriminelle Milieu zu
charakterisieren
Ethnolektaler deutscher Sprachgebrauch in kriminellem Milieu auch in Spielfilmen oder Video-Clips
Fachpublikationen
Schule
Abwertung von Migrantensprachen, ethnolektalen Sprechweisen und des Deutschen als
Zweitsprache auch an Schulen
Sprachverbote an Schulen unter dem Begriff „Sprachgebot“
Keine angemessene pädagogische Maßnahme für Erwerb einer anderen Sprache!

Bildungsadministration
Schrittweise Abschaffung des herkunftssprachliche Unterrichts

Integration und Deutsch


Um deutscher Staatsbürger zu sein, müssen deutsche Sprachkenntnisse nachgewiesen werden
Dazu: Tests mit Aufgaben, die in der heutigen Kommunikation weitestgehend irrelevant sind

Wissenschaftliche Publikationen

Fazit
Merkmale von Neo-Linguizismus:
 argumentiert mit Geboten statt Verboten
 argumentiert mit Nutzen für die Anderen, für die „Beherrschten“
 Deutsch wird nicht als „glänzende Krönung“ dargestellt, aber trotzdem zum unerreichbaren
Standard gehoben, die der sprachlichen Realität nicht entspricht
 ignoriert multilingualer Realität der Gesellschaft und verkennt Potentiale verschiedener Sprachen

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WS 2021 Deutsch in der Migrationsgesellschaft Pflichtlektüre

Pflichtlektüre 12. Sitzung


Plutzar: Sprache als Schlüssel zur Integration
Sprache spielt Schlüsselrolle in Integrationspolitiken Europas
Breiter Konsens, dass deutsche Kenntnisse notwendige Voraussetzung für Partizipation an
österreichischer Gesellschaft darstellen; Forderung, dass Migranten Landessprache erlernen müssen

Die Situation in Österreich


Aufenthalt in Österreich mit verpflichtendem Kursbesuch (300 Stunden) und Nachweis von
Deutschkenntnissen durch abgelegte Prüfung
Nicht-Bestehen der Prüfung führt zu Sanktionen bis hin zur Ausweisung nach 5 Jahren
Schulunterrichtsgesetz: Eltern müssen sich darum kümmern, dass Kinder bei Schuleintritt die
Unterrichtssprache Deutsch beherrschen
Man geht davon aus, dass ein Kursbesuch dem Erlernen einer Sprache gleichzusetzen ist;
ABER!: Aneignung der Zweitsprache erfolgt in erster Linie außerhalb von Kursen durch
Sprachkontakte
Tests sind für Personen, die nicht alphabetisiert sind, nicht zu bewältigen

Kenntnisse der Landessprache als Voraussetzung von Integration?


Fehlende Kenntnisse der Landessprache begründen Marginalisierung der Migranten am Arbeitsmarkt
und in Bildungssystemen
Übersieht, dass Integration ein komplexer und vor allem gesellschaftlicher Prozess ist
Erwerb der Landessprache stellt eigentlich nicht Voraussetzung, sondern Ergebnis der erfolgreichen
Teilhabe an Bildungsprozessen und am Arbeitsmarkt dar
Zusammenhang zwischen Spracherwerb und individuellem Integrationsprozess durch Kulturschock;
Einfluss auf Sprachlerndisposition

Sprachförderung durch Kurse?


Spracherwerb findet in Wirklichkeit nicht Kursen, sondern im „wirklichen“ Leben statt
Kurse unterstützen Lernendr im besten Fall

Die Macht der Tests


Verbreitete Meinung, dass erst Prüfungen Schüler zum Lernen motivieren
Einigkeit über positive Wirkung von Prüfung erklärt, warum sie im Kontext von Integrationspolitiken
so zentralen Einsatz findet
Bestehen einer Prüfung sagt eigentlich wenig darüber aus, ob die Geprüften Inhalte auch behalten
werden
Prüfungen sagen wenig über Sprachkompetenz der getesteten Personen aus; komplexes,
mehrsprachiges Erhebungsverfahren wäre nötig
Tests als Mittel der Machtdemonstration von oben; Sprachtests bieten Regierenden einfaches
Werkzeug exkludierende Politik zu betreiben und sind geeignete Instrumente zur Steuerung von
Zuwanderung
1
WS 2021 Deutsch in der Migrationsgesellschaft Pflichtlektüre

Sprache als Schlüssel für Integration?


80er-Jahre: Funktion von Sprache für die Nationenbildung

Mehrsprachigkeitsparadox: Staaten bekennen sich im europäischen Kontext zur Mehrsprachigkeit


aber im nationalen Kontext existiert immer noch Forderung nach gemeinsamen nationalen Sprachen
und kultureller Anpassung

Gründe für Integrationsprogramme:


 symbolischer Charakter von Integrationsprogrammen
 Operationalisierbarkeit der durch Sprachtest geschürten Erwartungen

In letzten 3 Jahren haben nur 10% das gesetzlichen Kursziel erreicht; Gründe sind unrealistische Ziele
und mangelnde Qualität des Programms

Was es sein könnte


3 Denkrichtungen:

1. Frage, wie unter den gegebenen Bedingungen die Politik „Integration durch Landessprache“
verbessert werden kann
Deutschkurse müssten freiwillig sein; Attraktivität aus Qualität; müssen individuelle Entwicklung
in unterschiedlichen Domänen der Sprache ermöglichen; andere Lernformen

2. Sprache aus Integrationsdebatte wieder herauslösen


Bei Sprachprüfungen und Instrumentalisierungen von Sprachenlernen, geht es in dem
Zusammenhang nicht um Sprache, sondern um Macht
Leistungsbeurteilung an Schulen müsste verändert werden: nicht gerecht Kinder mit
unterschiedlichen Voraussetzungen in gleicher Weise zu beurteilen

3. Überlegung wie Gesellschaft mit real existierenden Vielfalt an Sprachen umgehen kann
Normalität von Viel- und Mehrsprachigkeit begreifen

deCillia, Dorostkar: Integration durch Sprache


Österreich als Staatsnation oder als Willens- und Konsensualnation; nicht gemeinsame Sprache,
Kultur, Abstammung bestimmen Österreichsein, sondern allein der Wille zur Gemeinsamkeit
 politisch korrekte Wunschvorstellung

Nicht nur staatsnationale, sondern auch kulturnationale Konzeption von Österreich; auch Sprache
spielt Rolle im Nationalbewusstsein

Sprache im Kontext der Integration ist der kulturelle Kristallationspunkt

Sprache – Nation – Integration


Nationale Identität: Komplex von gemeinsamen Vorstellungen, emotionalen Einstellungen,
Haltungen und Verhaltensdispositionen; nationale Einzigartigkeit und internationale Gleichheit wird
betont

Vorstellung, dass eine gemeinsame Sprache für nationale Identität wichtige Rolle spielt; grenzt sich
von „Anderssprachigen“ ab

2
WS 2021 Deutsch in der Migrationsgesellschaft Pflichtlektüre

Integration assoziiert man mit widersprüchlichen Konzepten wie „Inklusion“, „Assimilation“ oder
„Pluralität“

Sprache als Schlüssel zur Integration


Sprache als objektiv messbares Kriterium des bestehenden Integrationsgrades
Sprache als Barriere und Selektionskriterium das Zuwanderung erschwert

Konzept der Integration ermöglicht Staat rechtlich und institutionell verankerte Diskriminierung
bestimmter Personengruppen aufgrund des Merkmals Sprache und lässt dies legitim erscheinen

Sprachenrecht und Sprachensituation in Österreich


in Österreich gibt es 6 autochtone Minderheitssprachen: Slowenisch, Burgenlandkroatisch,
Ungarisch, Tschechisch, Slowakisch und Romani oder Romanes; auch Gebärdensprache

Nicht-anerkannte, zugewanderte sprachliche Minderheiten haben keine gesetzlichen Bestimmungen


oder Rechte in jeweiligen Erstsprache, obwohl zahlenmäßig größer als anerkannte Minderheiten

Politikerdiskurs
Sprachbezogene Wahlkampfmaterialien
Intertextuelle Verknüpfungen in der politischen Werbung zum Thema „Sprachigkeit“

Medialer Diskurs
Oft wird in Texten Sprache mit Deutsch gleichgesetzt

Diskurs und institutionelle Praxis


Diskursive Fokussierung auf Sprachigkeit von Drittstaatangehörigen: Konsequenz auf Fremdenrecht
und auf pädagogische Kontexte
Verbot von anderen Sprachen als Deutsch auf Schulgelände; Deutschgebot wird erlassen
Deutschgebrauch und Verleugnung der Familiensprache als zentrale Forderung für Integration

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