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Inhaltsverzeichnis

Impressum
Einleitung
Vorwort
Danksagungen
Einleitung
Was bisher geschah
Kapitel 1
Die Flut der Asylsuchenden
Kapitel 2
Die Suche am Untersberg
Kapitel 3
Peter mit dem Leopold
Kapitel 4
Rumänien
Kapitel 5
Venedig – Murano
Kapitel 6
Erkundungen des Generals
Kapitel 7
Wasser, Blut und Schieferöl
Kapitel 8
Der Kampf hat längst begonnen …
Kapitel 9
Das Wort „Besuch“
Kapitel 10
Das Sacellum
Kapitel 11
Der fehlende Totenschädel
Kapitel 12
Umwälzungen rund um den Untersberg
Kapitel 13
Die Kirche und das Böse
Kapitel 14
Das große Geheimnis
Kapitel 15
Der Birnbaum vom Walserfeld
Kapitel 16
Die Hexe vom Untersberg
Kapitel 17
Das Erbe der Tempelritter
Kapitel 18
Grimmigs Befürchtungen
Kapitel 19
Sant’ Ariano – Das Ossuarium – Die Stätte der Gebeine
Kapitel 20
Die unterirdische Forschungsanstalt WTD 52
Kapitel 21
Feuer und Eis
Kapitel 22
Rumänienreise zum Bucegi
Kapitel 23
Die Zeitreise der Flüchtlinge
Kapitel 24
Game Over – Das Spiel ist aus
Kapitel 25
Die Lavahöhlen von Lanzarote
Kapitel 26
Kaiser Karl im Untersberg
Kapitel 27
Die Vril-Scheibe im Mondsee
Kapitel 28
Die Wettermacher
Kapitel 29
Die Geheimnisse von Schloss Moosham
Kapitel 30
Merkwürdige Ereignisse am Berg
Kapitel 31
Irlmaiers Prophezeiungen
Kapitel 32
Ninive – Alles beginnt und endet zur richtigen Zeit am richtigen Ort
Kapitel 33
Julia und Becker
Impressum
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen
Nationalbibliografie.
Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.d-nb.de abrufbar.
Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Film, Funk und Fernsehen, fotomechanische Wiedergabe,
Tonträger, elektronische Datenträger und auszugsweisen Nachdruck, sind vorbehalten.
© 2016 novum publishing
ISBN Printausgabe: 978-3-99048-789-1
ISBN e-book: 978-3-99048-790-7
Lektorat: Tobias Keil
Umschlagfotos: Stan Wolf, Dmitry Pichugin, Yurolaitsalbert | Dreamstime.com
Umschlaggestaltung, Layout & Satz: novum publishing gmbh
Innenabbildungen: Stan Wolf (75)
www.novumverlag.com
Einleitung
Macht hat viele Gesichter
Das Streben nach Macht ist uns eigen
Die stärkste Macht
liegt im Verborgenen

Vergangenheit Gegenwart Zukunft


Alles existiert gleichzeitig

www.stan-wolf.at
Vorwort
Vieles ist zu unfassbar, als dass man es einfach niederschreiben könnte.
Vielleicht sollte es auch verborgen bleiben, denn der menschliche Verstand
nimmt nur jene Dinge zur Kenntnis, welche ihm geläufig sind.
Deshalb schreibe ich dieses Buch als Roman.

Es bleibt dem einzelnen Leser überlassen, zu beurteilen, was er als Tatsache


anerkennen möchte.
Danksagungen
Mein Dank gebührt Claudia, welche mich auf meinen Recherchereisen
tatkräftig unterstützt hat.
Prof. Dr. Heinrich Kusch hat mit seinen Büchern brisante Informationen
beigesteuert.
Peter mit dem Leopold aus Piding trug durch seine hilfreichen Recherchen
sehr viel zum Gelingen des Buches bei.
Becker der Illuminat, der keiner ist, hat maßgeblich zur Aktivierung des
Mysteriums beigetragen.
Und ganz besonders danke ich meinem Freund Lutz aus dem Norden
Deutschlands, welcher ebenfalls wertvolle Informationen beisteuerte.
Von Stefan aus Marktschellenberg kamen interessante Dinge dazu.
Christoph Malzl, der ehemalige Salzburger aus Utah/USA,
hat von einem sehr merkwürdigen Erlebnis am Untersberg berichtet.
Gabor Fleck, dem Chef-Grafiker des novum Verlags gebührt besonderer
Dank für die hervorragende Umsetzung meiner Covervorstellung.
Einleitung

Was bisher geschah

Als vor über zwanzig Jahren drei deutsche Bergwanderer auf dem
Untersberg verschwanden und sich nach zwei Monaten von einem
Frachtschiff im Indischen Ozean aus wieder meldeten, weckte dies Wolfs
Interesse an dem, ihm bis dahin nur als Sage bekannten Zeitphänomen am
Salzburger Untersberg. Zudem hatte Wolf selbst diese drei Leute einige
Jahre vor ihrem Verschwinden auf einer Schutzhütte auf dem Untersberg
getroffen. Er hatte dann in den darauf folgenden Jahren ein sehr mysteriöses
Erlebnis, als er mit seiner Tochter Sabine die vermutete Zeitanomalie am
Berg erforschen wollte.
Doch wieder vergingen etliche Jahre, bis er auf seinen oftmaligen Reisen
in entlegene Gebiete der Fels- und Sandwüsten in Ägypten mit seiner
Begleiterin, der Lehrerin Linda, auf ähnliche, rätselhafte Erscheinungen
stieß, welche offenkundig mit runden, schwarzen Steinen, in der Größe und
Form einer Orange, zu tun hatten. Immer intensiver wurde seine Suche, bis
er durch Zufall in der unterirdischen Kammer der Cheopspyramide einen
solchen schwarzen Stein fand. Bei seinen weiteren Recherchen stieß er auf
eine wenig bekannte Sage, der zufolge von einem Tempelritter im elften
Jahrhundert ein ebensolcher Stein aus Mesopotamien zum Untersberg
gebracht wurde.
Diesen Stein, welcher der Überlieferung nach von dem Templer in einer
Höhle im Berg versteckt worden war, ließ bereits Hitler, der ja bekanntlich
eine Vorliebe für den Untersberg hatte, suchen. Hitler besaß angeblich
Hinweise, wonach dieser Stein der Schlüssel zu großer Macht sein sollte.
Wolf dehnte seine Nachforschungen in der Folge auch auf den Obersalzberg
bei Berchtesgaden aus und machte dort mit Hilfe zweier deutscher
Polizisten eine erstaunliche Entdeckung, die ihm aber beinahe zum
Verhängnis wurde.
Noch einmal konzentrierte Wolf seine Suche auf den Untersberg und es
gelang ihm, ein brisantes Geheimnis zu lüften. Er entdeckte einen
verborgenen Eingang in den Berg. Ein General der Waffen SS, der diese
Zeitanomalie schon 1943 gefunden hatte, ließ sich im letzten Kriegsjahr
dort im Felsen eine komfortable Station als Unterkunft errichten, in welcher
er durch die Zeitverlangsamung im Berg innerhalb nur weniger Monate
über siebzig Jahre verbringen konnte. Wolf und Linda kamen mit diesen
Leuten aus der Vergangenheit in Kontakt und erfuhren von ihnen Dinge, die
in keinem Geschichtsbuch zu finden sind.
Der General zeigte den beiden ein Golddepot in den Bergen und ersuchte
Wolf, der ja auch Hobbypilot ist, um einen Flug nach Fuerteventura, um
ihm aus den Lavahöhlen unter der Villa Winter zwei Bleizylinder zu
bringen. Wolf und Linda wollten das Geheimnis der Zeitverschiebung
ergründen und willigten ein. Der weite Flug mit der einmotorigen Cessna
und die anschließenden Erlebnisse auf der Kanareninsel gestalteten sich für
die zwei extrem abenteuerlich. Es gelang den beiden aber schließlich
tatsächlich, die Bleizylinder zu bergen und dem General zu überbringen …
Bei archäologischen Ausgrabungen wird ein deutscher Stahlhelm in einem
Kelten-Grab am Dürrnberg in der Nachbarschaft des Untersberges entdeckt.
Daneben liegt ein Skelett eines Kriegers mit einem Einschussloch im
Kopf. Der Verfassungsschutz wird daraufhin aktiv. Wolf und Linda finden
am Obersalzberg radioaktiv strahlende Steine, welche sich als Uranoxid
herausstellen. Der General in seiner Station im Untersberg demonstriert den
beiden seine technischen Geräte, welche weit über die Möglichkeiten der
heutigen Technik hinausreichen. Auf seiner Suche nach den Zeitkorridoren
des Untersberges entdeckt Wolf ein vergessenes Waffendepot der
amerikanischen Besatzungstruppen von 1953. Von einem alten Mann
bekommen die zwei einen wunderschönen Amethystkristall, welcher etwas
mit der altbabylonischen Göttin Isais zu tun haben soll. Hinter einem
uralten Gebetsstock am Untersberg sieht Wolf eine kleine Silberplatte aus
der Erde ragen. Darauf ist ein geheimnisvoller Code zu sehen. Diese uralte
Schrift in lateinischen Buchstaben wirft neue Fragen auf. Ein Illuminat klärt
die beiden über die Isais Geschichte und den schwarzen Stein im Berg auf.
Auch zu einer mysteriösen Marmorplatte mit einer Inschrift aus dem Jahr
1798 erzählt ihnen der Logenmann eine Geschichte. Der General lässt Wolf
mittels eines Zeitkorridors einen Blick in eine ferne Zukunft tun und
ermöglicht ihm und Linda einen Ausflug in die Vergangenheit in die Stadt
Salzburg zur Zeit Mozarts.
Schließlich retten die beiden noch einem Deserteur das Leben, indem sie
ihn in eine Höhle schicken, in welcher ebenfalls eine Zeitanomalie auftritt.
Eine neuerliche Fahrt in die ägyptische Wüste bringt sie in die Oase Siwa,
wo ihnen die Mumie von Alexander dem Großen gezeigt wird. Wieder
zurück am Untersberg gelingt es ihnen, einen durch ein Hologramm
getarnten Eingang in den Felsen zu finden.
Ein alter, astrologiekundiger Pfarrer sagt Wolf auf Grund seines
Jahreshoroskops eine Begegnung voraus, welche aus den Tiefen seiner
eigenen Vergangenheit auftauchen wird. Tatsächlich kommt Wolf kurze Zeit
später auf merkwürdige Weise mit seiner einstigen Jugendfreundin Silvia,
die er seit fast vierzig Jahren nicht mehr gesehen hat, in Kontakt. Silvia
begleitet ihn nach Gran Canaria, von wo aus er mit einem kleinen Flugzeug
die sagenumwobene Insel San Borondon suchen will. Tatsächlich gelingt es
den beiden, diese geheimnisvolle Insel, welche in einer fernen
Vergangenheit existierte, zu finden.
Aber auch mit Hilfe des Generals kann Wolf einen Blick in die
Vergangenheit werfen. Mit dessen Chronoskop sieht er alles zwar nur in
Schwarz-Weiß, kommt dabei aber sogar bis an Adolf Hitler heran, dem er
mittels eines Laser-Beamers durch das Chronoskop eine „Erscheinung“
schickt, um ihn vom Angriff auf Russland abzuhalten.
Wolf wird von einem Forstarbeiter am Obersalzberg der geheime
Ritualraum N3 gezeigt und der General berichtet vom Mausoleum des
Führers, welches sich dieser im Untersberg errichten ließ. Wolf lädt ihn
anschließend in den Gasthof Kugelmühle am Ende der Almbachklamm ein,
wo sie einen Wirt namens Anfang treffen.
Anlässlich eines Besuches in Ägypten fährt Wolf mit Silvia durch die
Berge nach Luxor und trifft dort den Grabräuber Rassul, welcher ihnen tief
unter seinem Haus in Qurna eine geheime Drehtür zeigt, hinter der sein
Bruder auf mysteriöse Weise verschwunden ist. Auch hier spielen wieder
die Schwarzen Steine eine Rolle.
Mit Linda geht Wolf nochmals durch den Hologramm-Eingang in den
Untersberg und gelangt mit ihr in eine völlig fremde Gegend im Jahre 2029.
Eine kurze Unterhaltung mit Leuten von dort eröffnet ihnen neue
Perspektiven zu den alten Prophezeiungen.
Josef, der Geheimdienstmann vom BVT, bekundet ebenfalls sein Interesse
an Wolfs Entdeckungen am Berg. Schließlich führt der Forstarbeiter vom
Obersalzberg Wolf noch zu einem uralten Stollen, in dem, wie sich später
herausstellt, der General zu Kriegsende noch mehr als eine Tonne Uranoxid
verstecken ließ.
Auch eine Art Flaschenpost, ein unvollendetes Manuskript aus den
siebziger Jahren, wird in einer Höhle nahe dem Dorf am Untersberg
entdeckt. Es sind dreizehn Blätter eines bekannten Autors, welcher
ebenfalls seltsame Erlebnisse am Berg gehabt hatte.
Durch den General wird Linda und Wolf ein Ausflug in das Jahr 1818
ermöglicht. Sie fahren am 24. Dezember als Mönche verkleidet auf dem
Fluss mit einem Salzschiff nach Oberndorf, wo sie die Uraufführung des
weltbekannten Liedes „Stille Nacht – Heilige Nacht“ miterleben dürfen.
Ein polnischer Franziskanermönch aus Berchtesgaden, den die beiden im
Winter beim Meditieren in der Almbachklamm treffen, erzählt ihnen von
einem Ritual der Isais, durch welches das neue Zeitalter beginnen würde.
Tino, ein Australier österreichischer Abstammung, ebenfalls
Rosenkreuzer wie Wolf, kommt nach Salzburg, um in einer alten Kirche am
Ettenberg, wo einst die Templer auf Geheiß der Isais ihre erste Komturei
errichteten, ein Ritual abzuhalten, welches Wolf durchführen soll.
Letztendlich gibt sich der Illuminat Becker als einer der Anderen zu
erkennen und zeigt Wolf in der Nähe des Hochsicherheitsarchives am Fuße
des Untersberges in einer Art dreidimensionalen Bildschau Schlüsselszenen
aus seinem Leben sowie einen Blick in die Zukunft.
Auf der Kanareninsel La Palma trifft Wolf auf den Fischer Perez, welcher
ihm mit einem Fernrohr die geheimnisvolle Insel „San Borondon“, die in
einer fernen Vergangenheit existiert, zeigt. Zur Wintersonnenwende
gründen Linda und Wolf mit ihren vier Freunden den „Ring der Isais“.
Während draußen der Schneesturm tobt, erhalten alle im Rahmen eines
Rituales, an dem auch Tino in Australien per Skype teilnimmt, Goldringe
mit dem Isais-Zeichen und einem schwarzen Diamanten. Wolf unternimmt
mit den beiden Polizisten Herbert und Elisabeth eine Reise nach Ägypten,
wobei ihnen sein Freund Franz, der Manager vom Sheraton Hotel in El
Gouna, den Archäologen Dr. Khaled vorstellt. Von diesem erhalten sie
interessante Informationen über ein Zeitphänomen bei den Pyramiden von
Gizeh. Anlässlich eines Besuches in Luxor treffen sie den Grabräuber
Rassul, welcher ihnen Kopien von wunderschönen Texten aus der Zeit der
Pharaonin Hatschepsut gibt. Nach einer abenteuerlichen Fahrt zeigt Wolf
den beiden das Tal der Hieroglyphen. Der Illuminat Becker klärt Wolf über
die Aktivierung des Untersberges auf, zu welcher auch die weibliche
Komponente benötigt wird. Vom General in der Station im Berg werden
Wolf und Linda eingeladen, eine Basis in der Vergangenheit zu besuchen.
Der kurze Ausflug bringt die zwei nach Atlantis. Ein alter Jude, den Wolf in
New York trifft, erzählt ihm von seiner Deportation aus Rumänien und der
anschließenden Flucht aus einem Eisenbahnzug in Salzburg. Von Friedl,
dem Wirt der Kugelmühle, erfahren Wolf und Linda von einem schweren
Unglück in der Almbachklamm. Er erzählt ihnen auch die Geschichte von
einer verschwundenen, jungen Frau am Untersberg, welche in den fünfziger
Jahren zwölf Tage lang verschollen war und dann wohlbehalten wieder
aufgefunden wurde. Mit Claudia, einer jungen Frau aus dem Ring der Isais,
fliegt Wolf mit einer kleinen Cessna nach Venedig, wo sie auf der Insel
Murano am Boden einer Basilika die steinerne Abbildung einer Insel
finden. Eine schwarzhaarige Dame, welche sich Julia nennt, gibt ihnen
Hinweise dazu und verschwindet plötzlich. Wolf landet auf dieser Insel und
sie entdecken in einer Steinmauer einen Kristall, der vom „Ordo Bucintoro“
dort versteckt wurde. Wolf und Linda gelangen in ein unterirdisches Labor
aus dem Dritten Reich, in dem das geheimnisvolle Xerum 525 hergestellt
wurde. Mit Obersturmbannführer Weber bringen sie eine Stahlflasche davon
dem General. Weber flutet im Anschluss das Labyrinth neben dem
Gebirgsbach am Obersalzberg.
Claudia sieht bei ihrer Suche am Fuße der alten Römer-Steinbrüche am
Untersberg ein großes Tor im Fels, welches sich wie von Geisterhand öffnet
und auch wieder schließt. Mit Herbert dem Polizisten erkundet Wolf
nochmals das unterirdische Kreuzgewölbe N2 und kurze Zeit später gelingt
es ihm, aus N3, dem Versammlungsraum der Generäle, einen großen
schwarzen Turmalinkristall mit zwei Enden sowie einer Kugel aus
demselben Stein zu bergen. Wolf und Linda lesen in dem gefundenen
Manuskript des verstorbenen Autors, dass dieser eine Höhle am Untersberg
entdeckt hat, durch welche er direkt in die unterirdische Kammer der
Cheops Pyramide gelangt war. Vom General erfahren sie, dass auch diesem
Autor vor vielen Jahren ein Besuch der Basen in der Vergangenheit gestattet
wurde. Schlussendlich machen sich Wolf und Claudia auf den Weg, die
Kraft im Untersberg zu aktivieren. Mit Hilfe eines alten Gedichtes von
Becker, dem Illuminaten, finden sie den Weg zum Eingang, welcher
überraschenderweise dort liegt, wo ihn niemand vermutet hatte. Sie finden
die Magna Figura, benützen den Kristall von der Insel und gelangen
schließlich in eine riesige, kuppelförmige Halle im Berg, in der sie die
Goldene Kugel im Untersberg erblicken.
Auf Wolfs Almhaus gibt es offenbar einen Geist. Als sich die Freunde des
Isaisringes dort oben treffen, macht Claudia in der Nacht auf dramatische
Art Bekanntschaft mit diesem Phänomen. Aber auch im Tal gibt es einige
mysteriöse Besonderheiten. Auf Schloss Mauterndorf, welches dem
Reichsmarschall Göring gehörte, erzählte dieser dem Reichsführer SS
Himmler von den alten Richtstätten des Mittelalters. Unsere Freunde
interessieren sich auch für diese Begebenheiten und nach einer
Besichtigung des Schlosses Moosham und von dessen Folterkammern
erkunden sie auch die nahe Richtstätte, wo einst im Namen der katholischen
Erzbischöfe nicht nur Verbrecher, sondern auch eine große Anzahl
unschuldiger Frauen und sogar Bettelkinder verbrannt wurden. Mit
Schaudern erfahren sie, dass nach diesen Verbrechern auch heute noch
Straßen und Plätze im Land benannt sind. Der General ermöglicht es ihnen,
den Gerichtsdiener von Moosham, der ein sadistischer Schurke war, in die
Gegenwart zu holen und seiner gerechten Strafe zuzuführen. Mit Hilfe des
Illuminaten Becker reist Wolf in die Vergangenheit und erlebt hautnah das
Treiben im siebzehnten Jahrhundert, welches einige Überraschungen für ihn
bereithält.
Nachdem am Fuße des Untersberges mehrere sogenannte Benedictus-
Kreuze, die für Exorzismen Verwendung finden, entdeckt werden, erzählt
Wolf den Freunden vom Isaisring von seinen Erlebnissen mit der dunklen
Seite der Macht. Mit Claudia gerät er bei einem Kurzbesuch in Luxor im
Karnaktempel in eine andere Zeit, was für die beiden extrem gefährlich
wird. Schließlich treffen sie am Tag danach auf Rassul, den Grabräuber,
welcher sie in einen Geheimgang mit Mumien führt.
Wieder zuhause, zeigt der General Wolf am Untersberg Flugscheiben,
welche aus einer deutschen Basis im Irak hierher kommen. Ein Freund aus
Norddeutschland erzählt Wolf eine atemberaubende Begebenheit, die dieser
vor vielen Jahren bei einer Sondereinheit der Bundeswehr im Golf von
Akaba erlebt hatte. Wolf berichtet von seinen allerersten Abenteuern in
jungen Jahren, bei denen er seine Liebe zum Geheimnisvollen und zu den
Altertümern entdeckte.
Drei Soldaten des Generals gelangen auf einer Erkundungstour durch ein
uraltes Dimensionstor vom Untersberg an die Küste Argentiniens.
Auf der Suche nach den geheimnisvollen Eingängen in den zwölf
Untersbergkirchen entdeckt Wolf mit Claudia einen Gang in einer Kirche,
durch welchen sie direkt in eine große Kathedrale am Untersberg gelangen.
Dort existiert nach Angaben eines Mönches gar keine Zeit. Sie sehen
Vergangenes und auch Zukünftiges.
Becker, der Illuminat, klärt Wolf über die Macht der Vorsehung und die
sogenannten Zufälle auf.
Letztendlich machen sich Claudia und Wolf auf den Weg, um zur
Sommersonnenwende bei einer einzigartigen astrologischen Konstellation
die Aktivierung des Untersberges in der kuppelförmigen Halle der
Erkenntnis vorzunehmen.
Um den Vergleich des Untersberges mit dem Ayers Rock nachzuprüfen,
fliegt Wolf nach Australien und mietet sich dort eine Cessna, mit welcher er
von Brisbane aus quer durch den Kontinent zum Ayers Rock fliegt.
Eine folgenreiche Begegnung mit einem Aborigine wird für ihn zu einem
Schlüsselerlebnis. Mit Hilfe des Illuminaten Becker findet er mit Linda
einen geheimen Zugang in einen Stollen unter dem Klingeck am
Obersalzberg, wo sich ein riesiger Bergkristall befindet. Dieser soll für eine
Funkanomalie verantwortlich sein, mit welcher die Deutschen vor über
siebzig Jahren bereits eine Verbindung nach Südamerika aufgebaut hatten.
Wolf folgt der Einladung eines geheimen Templerordens und erfährt dabei
interessante Zusammenhänge mit der Magna Figura und den Herren vom
Schwarzen Stein. Der Besitzer eines großen Zementwerkes in der Nähe des
Untersbergs ermöglicht es den Freunden des Isaisringes die dortige riesige
Stollenanlage, in welcher noch kurz vor Kriegsende das Oberkommando
der Wehrmacht untergebracht werden sollte, zu besichtigen. Der General im
Berg zeigt ihnen die Basis Vier, welche in der Gegenwart existiert und mit
modernster Technik ausgestattet ist. Sabine, Wolfs ältere Tochter, wird in
Murano von der schwarzen Dame Julia angesprochen. In den Ruinen der
alten Komturei soll ihr Vater weitersuchen und tatsächlich findet Wolf dort
abermals zwei Ringe aus der Templerzeit. Die Franzosenschlacht auf dem
Walserfeld wird ihm von Becker live vorgeführt und Wolf bringt ein
Vorderlader-Gewehr mit in unsere Zeit herüber. Mit Claudia fliegt er auf die
Insel Mauritius, um die sieben schwarzen Pyramiden, welche sich dort
befinden sollen, zu untersuchen. Sie entpuppen sich aber nur als
jahrhundertealte, von Sklaven errichtete Steingebilde, welche bei der
Reinigung der Zuckerrohrfelder entstanden waren. Aber dafür gelangen sie
im Urwald von Mauritius zu einem pyramidenförmigen, heiligen Berg der
Hindus, in dem sich eine Grotte mit einem unterirdischen See befindet. Dort
sehen sie eine uralte Felsritzzeichnung eines Vimanas – einer Götter-
Flugmaschine. Schließlich fahren sie noch mit einem Speedboot auf das
Meer hinaus und können mit frei lebenden Delfinen schwimmen. Von
einem alten Förster am Untersberg werden die zwei noch darüber
aufgeklärt, dass auch Bäume Lebewesen sind und mit Menschen
kommunizieren können. Letztendlich erhält Wolf zwei Kelche, welche je
aus einem Stück Bergkristall gefertigt wurden, wobei er einen davon den
beiden Polizisten Herbert und Elisabeth zum Geschenk macht. Der General
stellt sich bereits auf den Endkampf in Europa ein. Der Illuminat Becker
klärt Wolf über die Kraft der heiligen Berge auf.
Da der geschichtsträchtige, alte Birnbaum auf dem Walserfeld gefällt
werden soll, pflanzt ein Freund von Wolf ganz in der Nähe einen neuen
Baum. Wolf erfährt, dass in den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts
ein gewisser Adolf Eichmann am Untersberg nach dem Black Goo
ähnlichen Ölschiefer geschürft hat. Mit Claudia entdeckt er in der
ägyptischen Ostwüste am Roten Meer einen dritten Schwarzen Stein in
einem Stollen. Sie treffen sich einen Monat später in Kairo mit einem
jungen Archäologen, der ihnen sehr merkwürdige Dinge erzählt und auch
ein Artefakt aus Edelstahl zeigt, welches in einem Grab am Gizeh Plateau
gefunden wurde. Sie verbringen einige Stunden vollkommen alleine in der
Cheopspyramide. Am Untersberg werden in kurzem Abstand zwei
menschliche Skelette gefunden. Von der menschenleeren Toni Lenz Hütte
am Untersberg steigt Rauch auf und ein Helikopter wird von Nürnberg
angefordert, um die Ursache herauszufinden.
Es wird jedoch weder ein Brand noch irgendetwas Verdächtiges gefunden.
Da Claudia unbedingt nach Ninive in den Irak möchte, bucht Wolf einen
Flug nach Erbil, die Hauptstadt Kurdistans. Doch das Flugzeug kehrt nach
einer Stunde wieder um, so wie Becker es vorausgesagt hatte. Der Illuminat
erinnert Wolf an die Reise nach Ladakh, welche er vor Jahren mit seiner
Tochter Sabine unternahm und bei welcher sie von einem buddhistischen
Mönch geheimnisvolle Dinge erzählt bekamen. Sie gerieten in der Folge in
Kaschmir in den Bürgerkrieg und erlebten dabei Abenteuerliches. Um einer
sehr gut dokumentierten UFO-Landung nachzugehen, fliegt Wolf mit
Claudia auf den Kanaren mit einer einmotorigen Piper herum und macht
dabei erstaunliche Entdeckungen. Auf Teneriffa erfahren sie bei den
Pyramiden von Gümar etwas von einem Schwarzen Stein, der dort in einer
Höhle gefunden wurde. Am Untersberg gibt es einen riesigen Felssturz,
welcher wochenlang einen Bach blutrot färbt. Vom General erfährt Wolf,
dass in alten Stollen am Untersberg von der SS Teile der sogenannten
Kraftstrahl-Kanone versteckt wurden. Auch von Versuchen mit der
„Glocke“ im Jahr 1943 berichtet der General, wobei damals eine neue
Zeitlinie erschaffen wurde. Becker, der Illuminat, zeigt Wolf verschiedene
Zukunftsszenarien, welche aber nicht zwingend eintreten müssen. Die
deutsche Bundespolizei führt eine gigantische „Übung“ am Untersberg und
in der Almbachklamm durch, wobei 800 Einsatzkräfte Tag und Nacht
unterwegs sind. Schließlich verschwindet ein Polizei Hubschrauber am
Untersberg-Massiv vom Radar und gerät in eine Zeitverschiebung, aus der
er erst nach zwei Tagen wieder herauskommt.
Kapitel 1

Die Flut der Asylsuchenden

In den Sommermonaten des Jahres 2015 stieg die Zahl der asylsuchenden
Flüchtlinge plötzlich rapide an. An den EU-Außengrenzen stauten sich die
Menschenmassen, bis die betroffenen Länder schließlich ihre Grenzen für
diese Leute öffneten. Damit bekamen dann auch Österreich und
Deutschland massive Probleme mit der Unterbringung der Asylanten,
welche überwiegend der islamischen Religion angehörten und zudem ein
völlig anderes Weltbild hatten.
„Diese Menschen mit ihrer vielfältigen Kultur, ihrer Herzlichkeit und
ihrer Lebensfreude sind uns willkommen, sie sind eine Bereicherung für
uns alle“, nannte es zu diesem Zeitpunkt eine Kandidatin zur
Bundestagswahl 2009 – Maria Böhmer.
Plakate und Transparente, auf welchen „Welcome Refugees“ zu lesen war,
wurden hochgehalten. Doch es dauerte kein halbes Jahr, da wurden diese
Leute eines Besseren belehrt. Vergewaltigungen, Diebstähle und andere
Delikte durch viele dieser Menschen brachten ein Umdenken in der
Bevölkerung mit sich. Schließlich kam dann noch bezeichnenderweise ein
„Böhmer-Mann“, welcher seinen Unmut über einen islamistischen
Präsidenten in einem Schmähgedicht freien Lauf ließ.
Eine Begrenzung der Immigrationsströme, die nach wie vor nach Europa
fluten, hält auch der Dalai Lama für absolut notwendig. Aus moralischer
Sicht sei es richtig und vertretbar, Immigranten nur vorübergehend
aufzunehmen. „Das Ziel indes sollte sein, dass diese Immigranten in ihre
Heimat zurückkehren und beim Wiederaufbau ihrer eigenen Länder
mithelfen“, sagt das geistige tibetische Oberhaupt in einem Interview im
nordindischen Dharamsala.
„Die Zahl der Flüchtlinge in Deutschland ist inzwischen zu hoch“, meint
der Dalai Lama. „Deutschland könne kein arabisches Land werden.
Deutschland ist Deutschland.“
Im Frühherbst, als Wolf wieder einmal am Dürrnberg bei Hallein unterwegs
war und dort zwischen Obersalzberg und dem Untersberg herumstreifte, traf
er auf eine syrische Familie mit zwei kleinen Kindern.
Der Mann machte einen ordentlichen Eindruck und sprach ihn in einem
sehr guten Englisch an. Sie kämen aus der Stadt Aleppo und sie waren auf
ganz legale Weise mit dem Flugzeug nach Wien gekommen. Wie so etwas
für Syrer möglich war, hinterfragte Wolf nicht. Die größere Schwierigkeit
sah der Mann im Grenzübertritt nach Deutschland, was sein Ziel war, denn
dafür hatte die Familie kein Visum.
Außerdem gab es zu diesem Zeitpunkt bereits extreme Kontrollen an
vielen Grenzübertrittstellen nach Deutschland.
Der Syrer erzählte, dass er in seiner Heimatstadt mehrere Autohäuser
gehabt hatte und wegen des dortigen Bürgerkriegs aus Angst um das Leben
seiner Familie flüchten musste. An Geld dürfte es dem Mann nicht gefehlt
haben, was man auch an der Kleidung der Leute sehen konnte.
Der syrische Autohändler meinte im Gespräch mit Wolf, dass er die
rigorosen Kontrollen an den Grenzen auch verstehen könne, da im Zuge
dieser Massenflucht ganz bestimmt islamistische Dschihadisten diese
Völkerwanderung dazu ausnützen würden, um den Terror mitten nach
Europa zu bringen. Wolf wusste, dass man einen IS-Terroristen unmöglich
von einem friedlichen Araber, wie dieser Mann einer sein dürfte,
unterscheiden konnte. Aber sein inneres Gefühl sagte ihm, dass der Syrer in
Ordnung sein würde.
Dieser Mann mit seiner Familie gehörte sicher nicht zu solchen
Individuen, die in Allahs Namen Christen töten, um einen islamistischen
Gottesstaat zu errichten. Im Gegenteil, er wolle sich in Deutschland, wo er
als Autohändler auch schon oft gewesen sei, eine neue Existenz aufbauen
und dort in Frieden leben.
Er fragte, ob Wolf vielleicht einen Weg wüsste, wie sie am besten ins
benachbarte Bayern gelangen könnten.
Wolf, welcher sich im Salzburger Grenzgebiet sehr gut auskannte, wusste
um sämtliche Wege und erklärte den Syrern, wie und wo sie am leichtesten
über die alten Grenzkontrollstellen, die seit vielen Jahren nicht mehr besetzt
waren, unbehelligt nach Deutschland gehen konnten. Sie würden bestimmt
niemandem auffallen, zumal die Frau des Syrers kein Kopftuch trug und
auch die beiden Mädchen absolut westlich gekleidet waren.
„Ich kann euch den kleinen Koffer rüber nach Deutschland fahren, dann
seht ihr wie ganz normale Spaziergänger auf einem Familienausflug aus.
Zwei Kilometer weiter gebe ich euch dann den Koffer wieder.“
Der Mann schaute Wolf dankbar an und meinte: „Wie kommen wir dann
zur nächsten Polizeidienststelle in Deutschland? Wir wollen uns dort wegen
unseres Asylantrages melden.“
„Das ist ganz einfach“, sagte Wolf, „ihr geht hinunter nach
Marktschellenberg, dort ruft ihr euch ein Taxi oder fahrt mit dem Linienbus
nach Berchtesgaden. Dann meldet ihr euch bei der Polizei, die alles Weitere
veranlassen wird.“
Wolf nahm das kleine Gepäckstück, fuhr damit über die Grenze und
wartete ein Stückchen weiter auf einem Parkplatz. Nach einer halben
Stunde kam die Familie, welche unbeanstandet die Grenze nach
Deutschland überquert hatte.
Der Mann bekam von Wolf seinen Koffer zurück und außerdem die
Visitenkarte mit seiner E-Mail-Adresse. „Haben Sie vielen Dank“, meinte
der Syrer, „Sie haben uns wirklich sehr geholfen. Ich werde Ihnen, sobald
ich kann, eine Mail senden.“
Wolf kehrte um und fuhr wieder nach Hallein in sein Büro, wo ihn eine E-
Mail von Franz erreichte. „Ich wollte Euch nur mitteilen, dass ich am
zweiten Oktober das Sheraton Hotel Soma Bay verlassen werde. Die
Starwood Group hat mich nach über fünfzehn Jahren nach Sharm el Sheik
ins dortige Sheraton versetzt. Falls Ihr vorher nochmals ins Soma Bay
kommen wollt, könnte ich Euch einen super Preis machen. Und ich würde
mich freuen. Liebe Grüße, Franz.“
Ja, dachte Wolf, die Starwood Leute brauchen anscheinend jemanden, der
ihr Sheraton Hotel in Sharm nach den zahlreichen Anschlägen auf dem
Sinai wieder mit Gästen füllen kann, und Franz hatte eine Menge
langjähriger Stammgäste gehabt, welche zum Großteil nur wegen ihm ins
Hotel am Roten Meer kamen.
Als Wolf Claudia anrief, ob sie mitfliegen würde, um Franz im Soma Bay
einen letzten Besuch abzustatten, meinte diese: „Ja, das wäre eine Idee und
Raghab könnten wir bei dieser Gelegenheit auch wieder besuchen. Aber
…“
„Was kommt jetzt? Warum dieses ‚Aber‘?“, fragte Wolf.
„Weil ich möchte, dass meine kleine Tochter Jennifer diesmal auch mit
dabei ist. Es sind zudem ja auch Schulferien.“
„Hast du gar keine Bedenken mehr wegen der islamischen Terroristen?“,
fragte Wolf, welcher wusste, wie sehr die junge Frau um die Sicherheit ihrer
Tochter besorgt war.
„Jetzt war ich schon so viele Male mit dir in Ägypten, da bin ich mir
einigermaßen sicher, dass nichts passieren wird“, erwiderte Claudia.
Auch ihre Tochter war begeistert von Wolfs Idee, das Land der Pharaonen
zu besuchen. Ägypten kannte sie bisher nur von Büchern und aus Filmen.
Wie bei Wolf üblich, wurde schon drei Tage später gebucht und nach
vierzehn Tagen landeten die drei bereits am gerade neu eröffneten
Flughafen von Hurghada. Der Mietwagen von Aladin stand auch schon
bereit und eine Stunde später zeigte ihnen Franz, der Hotelmanager, ihre
Suite im Sheraton Hotel Soma Bay. „Es freut mich, dass ihr so rasch
gekommen seid“, meinte Franz, „aber es ist mein letzter Sommer hier in der
Soma Bay, wer weiß, wie es unter ägyptische Führung hier weitergehen
wird?“ Für Jennifer war das Hotel überwältigend. Auch, dass Wolf vom
Hotelpersonal als „Abu Dip“ angesprochen wurde, was so viel wie „Vater
des Wolfes“ bedeutete, erstaunte sie.
Am Abend beim Dinner setzte sich Franz zu ihnen an den Tisch und
berichtete nochmals von seiner Versetzung nach Sharm el Sheik, welche
ihm sichtlich zu schaffen machte. „Indirekt sind die IS-Terroristen daran
schuld. Auf die Sinai-Halbinsel fliegen kaum noch Touristen und die Hotels
haben eine sehr geringe Auslastung, seit die islamistischen Verbrecher dort
seit Jahresbeginn unzählige Leute töteten.“
„Franz“, sagte Wolf, „ich glaube, dass nun dieser Terror über kurz oder
lang auch zu uns nach Europa kommen wird.“
Jennifer blickte erschrocken zu ihrer Mutter, aber Claudia, welche um den
Ernst der Lage wusste, sagte nichts.
„Ja“, erwiderte der Hotel Manager, „es liegt hier bei uns in Ägypten
einiges im Argen, aber was soll’s, wir müssen damit fertig werden.“ Wolf
nickte stumm, er wusste nur zu genau, was in Franz vorging. Sollte er ihm
vom General im Untersberg und seinen Vorbereitungen, diese ungläubigen
IS-Kreaturen zu eliminieren, erzählen? Lieber nicht, dachte er und behielt
es für sich.
Am nächsten Tag war der obligatorische Besuch beim alten Fischer in
Safaga angesagt. Jennifer hatte für Raghabs Tochter, welche nur ein wenig
älter war als sie selbst, ein Schminkset gekauft. Raghabs
Gesundheitszustand hatte sich gegenüber dem letzten Mal verschlechtert.
Jetzt hatte er sich zu seinen Knieproblemen auch noch ein Augenleiden
zugezogen. Er freute sich aber wie immer, als ihm Wolf wieder einen
ordentlichen Betrag übergab. Jennifer zeigte sich von der Hafenstadt Safaga
und auch von Raghabs bescheidener Wohnstätte sehr beeindruckt. Dazu
kam dann noch der drastische Vergleich zu dem Luxushotel von Franz. Sie
musste das alles erst einmal verkraften.
An diesem Abend gab es wieder ein längeres Gespräch mit Franz.
Diesmal ging es erneut um den Islam und seine Auswüchse. Christen
wurden von denen „Ungläubige“ genannt.
Vor nicht allzu langer Zeit wurden diese Muselmanen noch genauso von
unseren Kreuzfahrern als Ungläubige bezeichnet. Franz meinte, dass auch
die Türken eine extreme Art an den Tag legten, wobei ihr Präsident alles
bisher Dagewesene in den Schatten stellte. „Ich habe prinzipiell nichts
gegen bestimmte Landsleute, aber dieses Land dürfe keinesfalls in die EU
aufgenommen werden. Dieser Erdogan, ihr Präsident, leugnet nicht nur den
Holocaust an den Millionen Armeniern und lässt massenweise Kurden im
In- und Ausland abschlachten. Er beleidigt unsere Staatsoberhäupter, indem
er sie als Lügner bezeichnet, wenn sie ihm den Völkermord vorwerfen. Er
verträgt auch keine Kritik an seiner Person und tritt die Menschenrechte
und die Meinungsfreiheit mit den Füßen. Er lässt sich Militäreinsätze unter
dem Vorwand, den IS zu bekämpfen, bezahlen und bombardiert in
Wirklichkeit die Minderheit der Kurden. In der Zeitung habe ich kürzlich
gelesen, dass er sogar seine Soldaten an der syrischen Grenze auf
Flüchtlinge schießen lässt. Es hat schon etliche Tote gegeben. So einer hat
in der zivilisierten Welt nichts verloren. Man sagt ihm zudem auch noch
andere arge Dinge nach, die ich selber nicht beurteilen kann. Ein
Staatsmann ist das absolut keiner. Der hat sehr große Ähnlichkeit mit dem
damaligen rumänischen Diktator Ceausescu. Möglicherweise ereilt ihn
eines Tages ein ähnliches Schicksal und er wird vom eigenen Militär
hingerichtet. Aber wie gesagt, das sind eben die Auswüchse des Islam.“
Jennifer, die von alldem noch nichts gehört hatte, schaute Franz ängstlich
an und fragte: „Aber hier im Hotel sind keine radikalen Moslems?“
„Nein, nur ganz selten haben wir hier solche Leute gehabt, da brauchst du
keine Angst zu haben“, lächelte Franz.
„Der General“, erwiderte Wolf, „hat ja vor Jahren schon seine Abneigung
gegen diese Islamisten kundgetan, ich glaube, dass es in dieser Hinsicht
noch schwere Konflikte geben wird. Es kann schließlich keiner sagen, ob
wer ein gemäßigter, integrationsbereiter Moslem ist oder ein radikaler
Islamist. Vom Aussehen her kann das niemand unterscheiden und manche
dieser Ungläubigen lassen sich erst später radikalisieren. Auch Becker
meinte schon vor einigen Monaten, dass diese Umwälzung damit beginnen
wird. Trotzdem darf man sich bei uns in Österreich nicht zu negativ über
diese Verbrecher äußern, denn der Grimmig vom BVT könnte das als
‚Volksverhetzung‘ auslegen.“
„Mir ist das egal“, antwortete Franz, „wir sind hier in Ägypten und hier
sage ich sehr wohl, was ich denke.“
Kapitel 2

Die Suche am Untersberg

Da seit Monaten die deutschen Behörden den Reiseverkehr auf der


Autobahn zwischen München und Salzburg extrem eingeschränkt hatten,
musste Wolf täglich eine Ausweichroute benützen. Meist fuhr er durch den
Untersbergwald nach Deutschland, um dem stundenlangen Stau am
Autobahn-Grenzübergang Walserberg zu entgehen. In Großgmain, an der
Grenze, gab es hingegen eigentlich so gut wie nie Kontrollen der deutschen
Bundespolizei. Findige Schlepper hatten sicherlich schon die vielen kleinen,
unbewachten Grenzübergänge rund um den Untersberg entdeckt und
schleusten über diese eine ordentliche Anzahl von Asylsuchenden für viel
Geld nach Deutschland.
So kam Wolf fast an jedem Tag auf der alten Römerstraße an den Stellen
am Untersberg vorbei, an welchen die Zeitphänomene in unmittelbarer
Nähe auftraten. Zuweilen hielt er an der kleinen alten Kapelle in der Nähe
der Römer-Steinbrüche an. Er schaute nach, wie viele Kerzen dort brannten.
Auffällig war auch, dass im letzten halben Jahr sehr große Flächen des
Untersberg-Waldes entlang der kleinen Straße und auch weiter drinnen im
Wald gerodet wurden. Aber auch an anderen Stellen wurden am Fuße des
Untersberges sehr viele Bäume gefällt. Ebenso hatte man begonnen, den
Schießplatz des Bundesheeres zu sanieren, wobei auch dort umfangreiche
Rodungsmaßnahmen durchgeführt wurden.
Im Laufe der Monate gab es aber auch auf dieser Strecke, welche recht
schmal und kurvenreich war, immer mehr Verkehr. Wer diesen Weg durch
den Untersbergwald wusste, der konnte so der langen Grenzwartezeit
entgehen und fuhr über Großgmain und Piding zur Autobahn Richtung
München.
Ob die deutschen Behörden mit dieser rigorosen Maßnahme den
gewünschten Erfolg erzielen konnten, war dahingestellt. Rainer, der
„scharfe“ Beamte aus Rosenheim, den Wolf gut kannte, klärte ihn darüber
auf und zeigte ihm Statistiken, aus denen hervorging, dass nur sehr wenige
Asylsuchende bei diesen Kontrollen aufgegriffen wurden. Rainer erzählte
Wolf auch von drei Taxilenkern, welche einige Syrer auf den
österreichischen Dürrnberg gebracht hatten. Die Leute wollten dort oben in
einem bekannten Restaurant essen. Da Rainer eine besondere Beziehung zu
österreichischen Taxilenkern hatte, meinte er, dass diese Fahrer jetzt von
den deutschen Behörden angeklagt werden würden. Der Grund dafür war
kurios. Die Syrer gingen offenbar nach dem Essen auf der Straße neben
dem Restaurant weiter und überquerten dabei die unbewachte Grenze zu
Deutschland. Dort wurden sie dann im nächsten Dorf, in Oberau,
angehalten und registriert. Für Rainer war es absolut klar, dass sich die
Taxler der Schlepperei schuldig gemacht hatten. Auf wie viel Kilometer
sich ein Taxi mit ausländischen Fahrgästen sich denn der bundesdeutschen
Grenze nähern dürfe, fragte Wolf. „Am besten gar nicht“, war seine knappe
Antwort. Ob diese Aussage gesetzeskonform war oder nur die Antipathie
des Bundespolizisten gegen Taxilenker widerspiegelte, konnte Wolf nicht
sagen. Obwohl Wolf zu Rainer, dem „scharfen“ Beamten, ein eher gutes
Verhältnis hatte, war er froh, dass dieser nichts von seiner Begegnung mit
der syrischen Familie am Dürrnberg wusste. Man wollte eben mit allen
Mitteln verhindern, dass neue Asylanten ins Land kamen.
Aber da halfen im Vorjahr auch die Schüsse nichts, welche von der
deutschen Bundespolizei an der Grenze bei Freilassing abgefeuert wurden.
Freilich wurde über diesen Vorfall, welcher nur ganz kurz in den Medien
erschienen war, rasch wieder geschwiegen. Anders geschah es in der
Slowakei, als Anfang Mai in der Nähe von Bratislava auf Flüchtlinge scharf
geschossen wurde. Eine 26-jährige Frau aus Syrien wurde von den
Polizisten in den Rücken getroffen und dabei lebensgefährlich verletzt.
Einige Tage später ließ der dortige Ministerpräsident verlauten, dass der
Islam in der Slowakei keinen Platz habe. Das Problem sei es nicht, so sagte
er, dass Einwanderer ins Land kämen, sondern dass diese islamistischen
Migranten den Charakter des Landes verändern würden. Demnach wurden
in der Slowakei auch kaum Flüchtlinge aufgenommen. In Deutschland und
in Österreich sah man das gelassener.
Wolf telefonierte daraufhin mit seiner Cousine Dagmar in Bratislava und
diese bestätigte ihm, dass man dort absolut keine Asylanten sehen konnte.
Hier in Österreich sollte man es aber besser vermeiden, über solche
Themen zu diskutieren. Das BVT reagierte in solchen Dingen sehr sensibel
und nur zu schnell würde man hierzulande sowie auch in Deutschland als
Rassist eingestuft werden und eventuell sogar der Volksverhetzung
bezichtigt.
Eines Tages fuhr Wolf auf der Schnellstraße von Laufen kommend in
Richtung Bad Reichenhall, als mitten auf seiner Fahrbahn ein VW Bus der
Bundespolizei stand und ihn dadurch zum Anhalten zwang. Das Fahrzeug
hatte weder Blaulicht und auch keine Warnblinkanlage eingeschaltet und
befand sich zudem in einer leichten Rechtskurve, sodass Wolf eine
Notbremsung durchführen musste. Am Straßenrand neben einer Wiese
knieten drei arabisch aussehende Männer, welche ihre Hände hinter dem
Nacken hielten. Solche Bilder erinnerten ihn an die Hinrichtungsszenen,
welche vom IS im Internet zu sehen waren. Zwei Uniformierte mit Waffen
in den Händen standen neben dem Fahrzeug. Einer der beiden Polizisten
rief Wolf unwirsch zu, er solle weiterfahren, was ihm aber nicht möglich
war, da auf der linken Spur entgegenkommender Verkehr war. Wolf fragte
den jungen Bewaffneten: „Werden diese Männer jetzt erschossen?“ In
diesem Moment erlaubte es der Gegenverkehr die Spur zu wechseln und
Wolf fuhr, ohne eine Antwort des Polizisten abzuwarten, weiter.
Am selben Abend, als er von diesem Vorfall Claudia erzählte, meinte
diese: „Hier bei uns in Piding sorgen seit Wochen dunkle Hubschrauber
ohne Kennzeichen für beispiellosen Lärm. Die fliegen vom Einbruch der
Dämmerung bis zwei oder drei Uhr früh ganz tief über die Häuser und über
die Saalach Au. Da findest du keinen Schlaf.“
„Die suchen wahrscheinlich mit Nachtsichtgeräten nach Flüchtlingen,
welche versuchen im Schutze der Dunkelheit illegal die Grenze zu
überqueren. Die Saalach ist ja der Grenzfluss und in diesem Abschnitt auch
relativ seicht, sodass man ziemlich gefahrlos hindurchwaten kann“,
entgegnete Wolf.
Da meldete sich Claudias Tochter Jennifer zu Wort: „Da kann ich euch
aber auch etwas dazu sagen, ich habe zwei Fenster in meinem Zimmer und
von da aus habe ich kurz vor der Dämmerung diesen Hubschrauber
beobachtet. Der fliegt nicht nur hier über der Grenzlinie, nein, der fliegt
auch über der österreichischen Seite am Untersberg entlang und ich kann
mir nicht vorstellen, dass dort am Berg Asylanten zu finden sind. Die
suchen bestimmt nach etwas anderem.“
„Das ist wirklich interessant“, warf Wolf ein, „da werde ich mit Peter
sprechen, seine guten Kontakte zu den Behörden könnten da recht hilfreich
sein. Von Herbert und Elisabeth, unseren beiden Autobahnpolizisten,
erfahren wir ja in letzter Zeit kaum etwas. Ob denen behördlicherseits ein
Redeverbot auferlegt worden ist?“
Kapitel 3

Peter mit dem Leopold

Bevor Wolf mit Peter telefonieren konnte, rief ihn dieser von selbst an.
„Hallo mein Lieber“, begann Peter mit dem Leopold, „stell dir vor, ich habe
heute Nacht etwas Unglaubliches erlebt.“
„Mach es nicht so spannend“, erwiderte Wolf.
„Heute Nacht, oder besser gesagt, am späten Abend, ich war noch auf
meinem Balkon draußen, um eine Zigarette zu rauchen, und blickte zum
nahen Untersberg hinüber, da erschien plötzlich ein Blitz über dem Berg. Es
war ein fast waagrechter Blitz vom Osten her. Der Blitz formte sich in der
Folge zu einem großen stehenden Kreis, aus dessen Rand dann rundum
verteilt acht oder neun einzelne Blitze herausschossen. Der Kreis hatte
einen geschätzten Durchmesser von etwa einem bis zwei Kilometern. Diese
Erscheinung dauerte so an die 1,5 Sekunden, bevor sich zuerst der Kreis
und danach die einzelnen Strahlen wieder auflösten. Mit Sicherheit war das
kein normaler Blitz.“
Wolf antwortete: „Ich vermute, dass das etwas mit dem General zu tun
hat. Mit dem Erzeugen von Wetterphänomenen kennt der sich anscheinend
gut aus. So etwas würde auch zu ihm passen, aber wozu soll das gut sein.
Welchen Zweck könnte so ein Blitz wohl haben?“
„Beim nächsten Treffen werde ich ihn danach fragen“, meinte Wolf.
„Ja tu das“, äußerte sich Peter, „ich habe aber noch einige interessante
Sachen für dich.“ „Dann schieß mal los“, sagte Wolf und war schon
neugierig, was der Peter zu sagen hatte.
„Vom Verfassungsschutz weiß ich, dass die Leute anwerben, um an
Informationen heranzukommen.“
„Spitzel also?“, fragte Wolf.
„Ja gewissermaßen, aber in einer Form, in der man sie gar nicht
vermutet“, erwiderte Peter.
„Ach ja?“, lachte Wolf, „dann sind da schon welche bei mir vorstellig
geworden und haben mir eine größere Summe geboten, wenn ich ihnen das
amerikanische Waffendepot mit den ‚Marzipan-Würsten‘ zeige. Ich hab
natürlich abgelehnt, die könnten sich ja damit weh tun, und der Josef, der
Dienstmann von der Polizeidirektion Salzburg, hat mir ja vor einigen Jahren
dringend empfohlen, das Depot niemandem zu zeigen.“
„Aber Spaß beiseite“, bekräftigte Wolf seine Aussage, „ich kann mir
schon vorstellen, dass bei den vielen Anfragen, die ich laufend erhalte, auch
einige von Nachrichtendiensten dabei sind. Becker möchte mir ein
Gesichtserkennungsprogramm für das Handy geben, damit wäre es mir
möglich, bei Treffen mit solchen Leuten die Spreu vom Weizen zu
trennen.“
„Ja“, meinte Peter, „gerade jetzt, wo diese Baufirma dein Unternehmen in
den Konkurs getrieben hat, da könntest du doch Geld dringend
gebrauchen.“
„Du hast schon recht, aber ich hoffe, dass ich nicht käuflich bin.
Irgendwie geht’s immer. Und ich werde mich bestimmt nicht dazu hinreißen
lassen, solche brisanten Geheimnisse zu verkaufen, komme da, was
kommen mag.“
„Wieso konnte dich diese Baufirma überhaupt zahlungsunfähig machen,
du hattest doch deinen Betrieb seit über 35 Jahren und bisher hast du doch
damit nie ernste Schwierigkeiten gehabt?“, fragte Peter.
„Weißt du“, antwortete Wolf, „der Besitzer dieser Baufirma ist auf
irgendeine Weise mit dubiosen Leuten im Geschäft, welche mir schaden
wollten und zudem hinter meinem Betriebsgrundstück her waren.
Außerdem erhielt er von diesen Leuten laufend Aufträge. So stellte er sich
in deren Dienst und arbeitete mit ihnen zusammen. Möglicherweise hat das
aber auch mit meiner Arbeit um den Untersberg und meinen
Veröffentlichungen über die Verbrechen der Salzburger Erzbischöfe zu tun.
Dieser Mann fühlte sich wie ein ‚Kaiser‘ und bezahlte mir plötzlich meine
Rechnungen nicht mehr. Dabei ging es um mehrere hunderttausend Euro. In
der Folge ging meiner Firma das Geld aus. Nach einigen Monaten konnte
ich dann meine Lieferanten nicht mehr bezahlen. Selbst die Bank war nicht
imstande mir zu helfen. Auch eine rasch eingebrachte Klage, meinte mein
Anwalt, würde einen langen Prozess nach sich ziehen, den ich finanziell
nicht durchstehen würde. Es gelang mir zwar noch einen integren Mann aus
der Immobilienbranche zu finden, welcher bereit war einen viel besseren
Preis für das Grundstück zu zahlen als die Kumpanen der Baufirma, die nur
einen Spottpreis dafür geben wollten, aber ein Konkurs meines
Stahlbauunternehmens war unausweichlich. Schließlich musste ich auch
noch meine geliebte Wolfshütte in den Bergen verkaufen. Aber gottlob bin
ich bereits in Rente und muss mir wenigstens nicht eine neue Arbeit suchen.
Meine Frage war damals, ob so etwas ungesühnt bleiben wird.
Becker, der Illuminat erklärte mir, ich solle an den Fußballspieler aus
Salzburg denken, welcher vor einigen Jahren, einen Tag nach der
Gerichtsverhandlung, in welcher er gegen mich eine ungeheuerliche
Unwahrheit gesagt hatte, in Südafrika erschossen wurde. Es würde nicht
lange auf sich warten lassen, bis auch den Besitzer der Baufirma und seine
Kumpanen ihr Schicksal ereilen würde. Mir würde es, so sagte er, in Kürze
wieder finanziell besser gehen.“
Peter mit dem Leopold war offenbar etwas betroffen und meinte
schließlich: „Das hoffe ich für dich, aber wie ich dich kenne, schaffst du das
bestimmt. Für die Verursacher dieses Komplotts sehe ich aber keine gute
Zukunft, du wirst schon sehen.“
„Wollen wir es hoffen“, antwortete Wolf.
Kapitel 4

Rumänien

Daniela, eine Bekannte von Wolf, welche Besitzerin einer Bleistiftfabrik in


Deutschland war und sich auch für den Untersberg und seine Geheimnisse
interessierte, schrieb ihm eine Mail über einen geheimnisvollen Berg in
Rumänien, an welchem es ähnliche Phänomene geben solle wie am
Untersberg. Daniela stammte aus Caransebes, und das Bucegi Gebirge, wie
dieser Berg hieß, war zwar hunderte Kilometer weit von ihrem Geburtsort
entfernt. Sie wusste jedoch einiges darüber zu berichten.
Obwohl die Aussagen der Frau recht abenteuerlich klangen, machte das
Wolf nichts aus. Seine Erlebnisse am Untersberg mussten für
Außenstehende, welche so etwas zum ersten Mal zu hören bekamen, auch
absolut unglaublich klingen.
Trotzdem wollte er zuerst einmal den Illuminaten Becker fragen, ob er
ihm dazu etwas sagen könne.
Ein Treffen kam sehr rasch zustande. Und als Wolf ihm von dem Berg in
Rumänien erzählte, meinte dieser: „Ja, offenbar ist es jetzt an der Zeit, dass
Sie auch darüber Bescheid bekommen sollen. Nichts geschieht zufällig.
Und Sie haben auch eine gewisse Affinität zu Rumänien und auch zu
diesem Gebirge.“
„Wie meinen Sie das“, fragte Wolf erstaunt, „was soll ich schon mit
Rumänien zu tun haben? Ich hörte von dieser Geschichte um den Bucegi
Berg vor einem Monat das erste Mal.“
Becker lächelt und sprach weiter: „Einer Ihrer Vorfahren mütterlicherseits,
ein Urgroßvater von Ihnen, ist vor dem Zweiten Weltkrieg nach
Siebenbürgen in Rumänien ausgewandert und besaß dort in der Folge
ausgedehnte Ländereien. Ihre Mutter und Ihre Tante waren als Jugendliche
mit den Eltern bei ihm auf Besuch und könnten Ihnen bestimmt noch
einiges darüber erzählen.“ Ganz dumpf konnte sich Wolf erinnern, dass ihm
seine Mutter, als er noch ein Junge war, einmal von einem Rumänienbesuch
beim Großvater erzählt hatte.
Becker fuhr fort: „Aber vielleicht erinnern Sie sich besser an ein Ereignis,
das noch nicht so lange zurückliegt?“ Wolf wusste immer noch nicht,
worauf Becker hinauswollte, und fragte sein Gegenüber: „Was meinen Sie
damit?“
„Am 25. Dezember des Jahres 1989 wurde in Rumänien der Diktator
Nicolae Ceausescu samt seiner Frau vor ein Militärtribunal gestellt und
unmittelbar nach dem Todesurteil erschossen“, sagte der Illuminat. Jetzt
wusste Wolf, was Becker meinte. Als der Tod des Despoten damals am
selben Abend im Fernsehen bekannt gegeben wurde, konnte man auch
Bilder von der hungernden Bevölkerung in Rumänien sehen, welche in
bitterster Armut ums Überleben kämpfte.
Sehr viele dieser bemitleidenswerten Leute waren zum größten Teil
deutscher Abstammung und hatten viele Jahre unter dem grausamen
Regime des Geheimdienstes, der Securitate, zu leiden. Binnen weniger
Stunden reifte damals in Wolf der Entschluss, diesen Leuten zu helfen.
Freilich würde es nur ein Tropfen auf den heißen Stein sein, dachte er –
aber immerhin etwas. Wolf besaß damals einen zwölf Meter langen
Postautobus, den er sich zu einem riesigen Wohnmobil umgebaut hatte.
Dieser schwere Wagen konnte mühelos sechs bis acht Tonnen Nutzlast
befördern. In Form von Kleidung und Nahrung würde da schon einiges
zusammenkommen, was zumindest ein paar hundert Menschen helfen
könnte. In Windeseile wurden alle nicht benötigten Sachen aus dem Bus
geräumt und metergroße Schilder mit der Aufschrift „Rumänienhilfe“ und
einem großen Roten Kreuz auf allen Seiten in die Fenster gestellt. Es war
erstaunlich, dass auf seinen Aufruf hin viele Firmen sofort bereit waren,
binnen Stunden Dinge wie Babynahrung, Lebensmittel und Medikamente
kostenlos zur Verfügung zu stellen. Auch ein Lehrer aus Wolfs Heimatstadt
zeigte sich bereit, ihn auf dieser Hilfsfahrt zu begleiten. Dieser hatte zwar
keinen Führerschein zum Lenken dieses Schwerfahrzeuges, was bedeutete,
dass Wolf die lange Fahrt alleine bewältigen musste. Aber zumindest hatte
er jemanden, mit dem er sich unterhalten konnte. Bereits am Vormittag des
28. Dezember war der große Bus vollgetankt und mit fast achttausend
Kilogramm Hilfsgütern bis unter das Dach beladen. Da Wolf die normale
Heizung beim Umbau des Postbusses demontiert hatte, da er das
Wohnmobil eigentlich nur im Sommer nutzte, mussten er und Walter, der
Lehrer, wegen der Kälte mit Anorak und Hauben fahren. Zudem war in dem
ehemaligen Postbus eine Diesel-Standheizung eingebaut, welche aber
während der lange dauernden Fahrt nicht genützt werden konnte, da deren
Tank nur ein kleines Fassungsvermögen hatte. Knappe vier Stunden später
erreichten die beiden bereits die ungarische Grenze und wurden dank der
Aufschrift „Rumänienhilfe“ und der Roten Kreuze in den Fenstern
bevorzugt abgefertigt, sodass sie in etwas mehr als zwei Stunden die
ungarische Hauptstadt Budapest durchquerten. Die Straßenverhältnisse
verschlimmerten sich zusehends, sodass Wolf den nur mit Sommerreifen
bestückten schweren Wagen mit Mühe auf der schneeglatten Fahrbahn
halten konnte. Auf den nächsten 50 Kilometern sahen die beiden
mindestens zehn Schwerfahrzeuge, welche von der eisigen Fahrbahn
abgekommen waren und im Graben lagen. Am späten Abend kamen sie in
die nahe der rumänischen Grenze liegenden Stadt Szeged. Am Rande eines
Stadtparkes fand sich ein Parkplatz, auf welchem die beiden in ihrem
Wagen nächtigen konnten. Früh am Morgen fuhren sie bei klirrender Kälte
weiter und mussten erschrocken feststellen, dass sich an der rumänischen
Grenze lange Konvois von diversen Hilfsorganisatoren befanden.
„Worauf wartet ihr“, fragte Wolf den Fahrer eines Rot Kreuz LKWs.
„Wir stehen hier schon seit gestern und es wird vermutlich noch einen
weiteren Tag dauern, bis wir die Genehmigung zur Einreise erhalten
werden“, gab dieser zur Antwort. Wolf warf einen kurzen Blick auf Walter
und meinte trocken: „Das gilt aber nicht für uns.“ Dabei lenkte er das
schwere Fahrzeug auf die Überholspur und fuhr in gemächlichem Tempo
auf den Grenzschranken zu.
„Glaubst du wirklich“, fragte Walter, „dass die uns so einfach rüber
lassen, wenn diese anderen Wagen schon tagelang warten?“
„Irgendwie geht’s immer“, lachte Wolf, während er direkt vor dem
Grenzbalken den Motor abstellte, aus dem Bus stieg und mit den Pässen ins
Grenzbüro hineinging. Nach kaum zwei Minuten kam Wolf lachend wieder
heraus, und ohne das Innere des Busses zu kontrollieren, öffnete ein
Grenzsoldat den Schranken und ließ sie passieren.
„Wie hast du das geschafft?“, fragte der Lehrer erstaunt und Wolf gab
lachend zur Antwort, „ich hab denen erklärt, dass wir Babynahrung,
Medikamente und leicht verderbliche Güter an Bord haben, was der Beamte
auch zu verstehen schien.“ Noch wussten die zwei nicht, wie abenteuerlich
sich die letzten sechzig Kilometer bis in das kleine Dorf Felnac gestalten
würden. Sie hatten sich erst zwei Tage zuvor diesen Ort mit knapp
eintausend Einwohnern als Ziel ausgesucht, weil er nahe der Grenze lag.
Nach einem Blick auf die Karte deutete Walter mit der Hand auf eine
Kreuzung und meinte zu Wolf: „Wenn wir dieser kleinen Straße hier nach
rechts folgen, dann könnten wir eine beachtliche Abkürzung nehmen.
Felnac liegt nämlich nur noch zehn Kilometer Luftlinie von uns entfernt.“

Wolf erwiderte: „Du vergisst aber, dass dazwischen die Donau fließt.“
„Aber da gibt es eine Brücke“, antwortete Walter. Wolf ließ sich
überreden, diese Abkürzung zu nehmen, da sie sonst die große Stadt Arad
durchqueren mussten, was einen Umweg von vierzig Kilometer bedeuten
würde. Nach wenigen Minuten standen sie vor der besagten Donaubrücke.
Es war eine alte Holzbrücke, vor der ein Schild „5 Tonnen“ prangte. „Weißt
du“, sagte Wolf mit einem enttäuschten Blick zu Walter und zeigte dabei
auf die fast baufällige Brücke und die Hochwasser führende Donau, „wir
haben ein Gesamtgewicht von fünfzehn Tonnen, und wenn’s auch
irgendwie immer geht, lass ich mich diesmal nicht darauf ein.“ Nach einem
halsbrecherischen Wendemanöver auf der recht schmalen Straße, welche
eher einen Feldweg glich, fuhr er wieder zur Hauptstraße Richtung Arad
zurück. Dort sahen sie einige Panzer, welche vor ihnen mitten auf der
Straße unterwegs waren. Kurzerhand betätigte Wolf das große Presslufthorn
seines Wagens. „Bist du wahnsinnig“, rief Walter, der nicht verstehen
konnte, dass sich Wolf auf diese Weise Vorfahrt verschaffen wollte, „du
kannst doch nicht diese Panzer anhupen.“
Wolf quittierte Walters Worte nur mit einem müden Blick und meinte
dann mit ruhigem Ton: „Doch, ich kann.“
Die Panzer fuhren tatsächlich brav zur Seite und Wolf konnte sie
überholen. Dann kamen sie in die Stadt Arad. Es waren viele Menschen mit
Maschinengewehren und Pistolen auf den Straßen der Stadt zu sehen,
woran sich aber die beiden rasch gewöhnten. Zwanzig Minuten später
erreichten sie das kleine Dörfchen Felnac. Es gab dort fast ausschließlich
ebenerdige Häuser, wobei sie beim erstbesten stehen blieben. Ein alter
Mann mit seiner Frau öffnete ihnen. Die Leute sprachen Deutsch, was die
zwei absolut verwunderte. Der alte Mann erzählte von der
Schreckensherrschaft des mächtigen Geheimdienstes Securitate. Es wurden
von diesem Temperaturkontrollen in den Häusern durchgeführt, und wenn
mehr als fünfzehn Grad in den Wohnungen festgestellt wurden, nahm man
den Bewohnern das Brennholz weg. Kühe, Schweine, Ziegen und Hühner
wurden von den Leuten schon vor einem Jahr beschlagnahmt. Medizinische
Versorgung gab es nur für Bewohner unter sechzig Jahren. Der Alte erzählte
von einer Blinddarmoperation, welche ein Arzt verbotenerweise auf dem
Küchentisch im Schein einer 25-Watt-Glühbirne an seinem Nachbarn
durchgeführt hatte. Wolf und Walter waren zutiefst schockiert, als sie dies
alles erfuhren. Sie wollten nun ihre Fracht direkt zur Dorfkirche bringen
und ließen nach dem Pfarrer rufen, welcher für die gerechte Verteilung an
die Dorfbewohner sorgen sollte. Dieser ließ mit Hilfe einer Menschenkette
die Lebensmittel und alles andere vom Bus mitten in die weihnachtlich
geschmückte Kirche schaffen, wo es vor dem Altar aufgeschichtet wurde.
Es waren rührende Momente, als die Leute die Sachen in Empfang nahmen.
Walter verschenkte schließlich sogar seine Turnschuhe und schon nach
weniger als einer Stunde machten sie sich wieder auf den Rückweg. Zuvor
war den beiden vom Ortskommandanten noch der Rat gegeben worden, bei
Checkpoints unbedingt anzuhalten, da am Vortag zwei ausländische
Journalisten beim Versuch, eine Kontrollstelle zu umfahren erschossen
wurden. Kurz vor Erreichen der Stadt Arad sahen sie so einen
Kontrollposten, an dem ein mit einer Kalaschnikow bewaffneter Soldat
mitten auf der Straße stand. Wolf dachte an den Rat des Kommandanten
von Felnac und wollte den Bus abbremsen, was ihm aber durch das Glatteis
an dieser Stelle nicht möglich war. Der Bus rutschte unaufhaltsam auf den
Soldaten zu. Dieser hob sein Gewehr, Walter ließ sich auf den Boden des
Busses fallen und Wolf wurde es angst und bange. Da hob der Posten sein
Gewehr ganz hoch, nahm es in die andere Hand, ging zur Seite und deutete
Wolf, dass er weiterfahren könne. Nach einer guten Stunde passierten sie
wieder die Grenze nach Ungarn, wo sie dann am späten Abend in Budapest
noch ihren Wagen volltankten. Jetzt hatten sie nur noch ca. fünfhundert
Kilometer vor sich und Wolf bestand darauf die Nacht durchzufahren, wo
sie dann um drei Uhr früh wieder zuhause in Salzburg ankamen.
„Na sehen Sie“, sagte Becker, „auch das war Rumänien. Was die Daniela
betrifft, so hat sie recht. Man kann den Berg tatsächlich mit dem Untersberg
hier vergleichen. Dieses Bucegi Gebirge hat bereits vor vielen Jahren schon
internationales Interesse erregt. Besonders amerikanische Geheimdienste
haben sich dabei hervorgetan und mit der rumänischen Regierung ein
Abkommen zur alleinigen Erforschung der Geheimnisse des Berges
vereinbart. Große Gebiete sind dort für die Öffentlichkeit mittlerweile
gesperrt worden. Aber am besten, Sie sehen sich das selbst einmal an.“
„Das ist doch ziemlich weit weg“, meinte Wolf, „da fährt man ja
tagelang.“
„Nun“, erwiderte Becker, „wenn Sie das Flugzeug von Salzburg über
Wien nehmen, sind Sie in fünf Stunden in Bukarest und von dort mit dem
Taxi sind es dann nur noch 150 Kilometer zum Bucegi. Sie können es also
an einem verlängerten Wochenende ohne Weiteres schaffen.“ Wolf nickte
nur. Er hatte mittlerweile in Erfahrung gebracht, dass von Flugscheiben
berichtet wurde, welche dort häufig gesehen wurden.
„Ach übrigens“, ergänzte der Illuminat, „die Flüge nach Erbil, die
Hauptstadt Kurdistans, wurden mittlerweile von der österreichischen
Fluglinie AUA wieder aufgenommen. Aber warten Sie noch, bis die
irakische Armee auch die Stadt Mossul befreit hat, dann können Sie ohne
Gefahr die Ruinen von Ninive besuchen. Claudia würde sich sicher freuen,
endlich einmal an diese geschichtsträchtigen Stätten zu gelangen, es ist ja
schließlich einer ihrer Herzenswünsche.“
Wolf lächelte: „Ja, das stimmt, sie wird sich sicher freuen.“
Kapitel 5

Venedig – Murano

Als Wolf sich Unterlagen über diesen geheimnisvollen Berg verschaffte,


stieß er tatsächlich immer wieder auf recht große Ähnlichkeiten mit dem
Untersberg.
Nein, nicht die Form und die Größe waren es, sondern das Innenleben
dieses Berges.
Auch im Bucegi sollte es eine kuppelförmige Halle geben und auch
Durchgänge nach Ägypten und ebenso in den Irak. Aber ob es mehr
Informationen darüber gab, das wusste er nicht. Also beschloss er, noch
diesen Sommer einen Kurzbesuch in Rumänien einzuplanen. Laut Becker
wären dazu ja nur einige Tage nötig., dachte Wolf. Becker bräuchte ihn ja
bloß mitzunehmen und er könnte ihm dort in Rumänien alles zeigen, und
zwar in Nullzeit. Der Illuminat machte jedoch keine Anstalten so etwas zu
tun. Aber Wolf konnte für die Rumänienreise mit dem Flugzeug Claudia
mitnehmen und die beiden würden dann alles gemeinsam ansehen. Die
junge Frau hatte nichts einzuwenden, als ihr Wolf von seinem Vorhaben
erzählte. Ganz im Gegenteil, sie war ganz erpicht darauf, diese Kuppelhalle
in diesem rumänischen Berg zu sehen. Sie fragte: „Ob es da drinnen auch
eine goldene Kugel gibt?“
„Das werden wir ja dann sehen, aber ob wir überhaupt da hineinkommen,
bezweifle ich“, meinte Wolf, „Becker hat doch gesagt, dass dort fast alles
abgesperrt sein soll.“
„Wie ich dich kenne, ist so etwas für uns kein Hindernis“, lachte Claudia,
„du sagst doch sonst jedes Mal: ‚Irgendwie geht’s immer‘.“ Wolf
schmunzelte: „Schau du mal, dass du ein- oder besser zwei Tage Urlaub
bekommst, alles andere mache ich.
Zuvor werden wir jedoch für ein paar Tage nach Venedig fahren, ich
glaube, dass ich noch einmal Murano besuchen sollte. Irgendwie hat das mit
Julietta zu tun. Ich habe die letzten Wochen immer wieder von dieser Dame,
welche wir damals in der Kirche Maria e Donato gesehen haben, geträumt.
Vielleicht hat das etwas zu bedeuten?“
„Die Frau muss dich aber ordentlich beschäftigen. Na ja, schön war sie
wirklich. Jetzt hast du sozusagen eine Traumfrau“, lachte Claudia.
„Weißt du eigentlich, dass vor fast einhundert Jahren ein Gemälde von
Julietta in Wien ausgestellt wurde und sich daraufhin viele Männer in das
Bildnis dieser Frau unsterblich verliebt haben. Es hat sogar Selbstmorde
unter den betreffenden Herren gegeben.“
„Und nun willst du dich in die Reihen dieser Unglücklichen begeben?“
„Nein“, antwortete Wolf, „obwohl ich tatsächlich von ihrer Anmut
fasziniert bin. Ich denke, das hat etwas mit der doppelten Unsterblichkeit zu
tun. Ich werde dir später erklären, was das bedeutet.“
„Im Übrigen könnten wir deine Tochter Jennifer auch mit nach Venedig
nehmen. Wie ich bereits in Ägypten gesehen habe, ist sie sehr feinfühlig.
Die spürt mehr als andere Menschen. Wenn wir tatsächlich in Murano oder
sonst wo in Venedig etwas entdecken, könnte sie uns dabei vielleicht helfen.
Was glaubst du?“
„Dass sie uns behilflich sein könnte, bezweifle ich, aber ein bisschen
Kultur wäre schon ganz gut für sie, sie soll sich auch einmal etwas
ansehen“, lächelte die junge Frau, „denn bei den Urlauben mit ihrem Vater
in der Türkei kam sie ja aus der Hotelanlage kaum heraus. Da gab es nur
Pool und das Meer. Zudem sind ja jetzt bei uns Schulferien, da lässt sich das
schon machen.“
Schon einige Tage danach kamen Sie mit dem Auto in Venedig an. Mit
der Fähre erreichten sie den Lido, wo Wolf schon ein Hotel gebucht hatte.
Nachdem sie einen Parkplatz gefunden hatten, machten sie sich noch am
selben Tag mit dem Vaporetto auf den Weg nach Murano. Die Basilika
Maria e Donato war schnell erreicht und Wolf zeigte den beiden die
wunderschönen Mosaike auf dem Fußboden dieser Kirche. Der auf eine
Stange gebundene Fuchs, den zwei Hähne trugen, gefiel Jennifer besonders.
Wolf glaubte im Halbdunkel des Gotteshauses für einen Moment lang, die
Dame Julia in einer Nische des Seitenschiffes zu erkennen. Es war wohl nur
eine Täuschung, dachte er dann. „Komm mit und stell dich hier in diese
Mauernische hinein“, sagte Wolf zu Jennifer, welche sich zuerst sträubte,
dann aber doch das Podest in der Nische bestieg. Ihr war aber nicht ganz
wohl dabei, wie sie später sagte.
Claudia sah sich nochmals die Marmorplatte am Boden mit den Umrissen
der Insel Unije an. „Ich kann mich noch ganz genau erinnern, wie wir
damals im Anschluss an die Kirchenbesichtigung mit der Cessna nach Unije
geflogen sind. Dort, wo du dann den Bergkristall mit den drei Enden
gefunden hast.“
Es waren diesmal bedeutend mehr Besucher in der Kirche als beim ersten
Mal. Die Dame Julia war aber nicht zu sehen. Claudia war irgendwie
enttäuscht. Wolf machte einige Fotos von den Mosaiken, dann fuhren die
drei wieder mit dem Schiff zurück nach Venedig.
„Ich möchte Jennifer noch den Friedhof von Venedig zeigen“, sagte Wolf,
als sie bei der Insel San Michele anlegten. Die drei verließen das Boot und
umrundeten diese großartig angelegte letzte Ruhestätte der Venezianer.
Claudias Tochter bestaunte mit einem gewissen Schauer die pompös
angelegten Gruften an der Friedhofsmauer.
„Die meisten hier stammen aus der Zeit um 1850“, erklärte Wolf, als
plötzlich ein grausiges Gekrächze erklang, das jedem Horrorfilm zur Ehre
gereicht hätte. Eine riesige Möwe hatte sich über dem alten Eingang des
Friedhofes niedergelassen und kreischte in einem unheimlichen Ton, den
man von Möwen sonst nicht gewohnt war. Auch Claudia lief der kalte
Schauer den Rücken herunter. „Gehen wir jetzt lieber“, meinte die junge
Frau, „ich möchte lieber ins Hotel zurück.“
Am späten Abend kam Jennifer aus ihrem Zimmer zu Wolf und Claudia
und fragte, ob sie nicht im Bett ihrer Mama schlafen könne. Bei ihr im
Zimmer geistere es, meinte sie. Dunkle Schatten würden herumfliegen. „Du
hast wohl zu viel Harry Potter Filme angesehen“, lächelte Wolf, als das
Mädchen zu ihrer Mutter ins Bett schlüpfte.
Die Turmuhr der nahen Kirche ließ ihren schaurigen Klang alle
Viertelstunden ertönen. Wolf meinte zu ihr: „Zuerst der Friedhof und jetzt
die Turmuhr, da kann ich mir schon vorstellen, dass es dir da gruselig
wird.“
„Nein, das ist es nicht“, widersprach Jennifer. „Was ist es dann?“, fragte
Wolf, „vielleicht das grausige Gekrächze der Möwe auf dem Friedhof?“
„Nein“, meinte das Mädchen. „Es war, als wir in der Kirche auf Murano
waren, dort wo ich mich in die Mauernische gestellt habe, da war es mir, als
hätte jemand von hinten seine Hände auf meine Schultern gelegt. Kalte
Hände, die aber da gar nicht sein konnten, denn ich stand ja mit dem
Rücken zur Wand.“ Da konnte auch Wolf nichts mehr dazu sagen, er wollte
die Kleine nicht noch mehr ängstigen und sie zog sich die Bettdecke bis zu
den Ohren hinauf.
Als die drei am nächsten Abend in ein vornehmes Restaurant direkt an der
Lagune zum Essen gingen, geschah etwas für Wolf sehr Merkwürdiges.
Am Nachbartisch saß eine Dame, elegant, von einer kühlen Schönheit und
anmutig wie … wie Julia, durchfuhr es Wolf blitzartig. Ja, jetzt tauchte vor
seinem geistigen Auge wieder diese Frau auf, welche damals in der Kirche
Maria e Donato zu ihm gesagt hatte: „Nennen Sie mich Julia.“ Sie schien
jetzt im Kerzenschein des Restaurants noch schöner und jünger als im
Halbdunkel der Kirche. Sie trug einen dunklen Umhang und darunter ein
blaues Kleid. Sie blickte Wolf immer wieder ernst und fragend an, sodass
sogar Claudia und ihre Tochter darauf aufmerksam wurden. Es war kein
Flirten, es schien so, als ob sich Wolf und Julia schon lange kennen würden.
Es waren vertraute Blicke, welche zwischen ihnen ausgetauscht wurden. Er
hatte keine Zweifel, es handelte sich um Julia.
Kapitel 6

Erkundungen des Generals

Über die neuen Kommunikationskanäle wurde durch Obersturmbannführer


Weber wieder ein Treffen mit dem General vereinbart. Der Schnee war
inzwischen wieder vom unteren Teil des Berges verschwunden und die
gewohnten Treffpunkte im Wald waren ohne Weiteres zugänglich. Weber
hatte diesmal die Stelle am alten Römersteinbruch vorgeschlagen.
Der General wartete bereits und wirkte etwas angespannt.
„Wir beobachten die Lage im Reich sehr genau und was da jetzt zu sehen
ist, ist mehr als besorgniserregend“, begann Kammler, „aber das ist nur der
Anfang.“
Wolf hatte von Becker bereits Ähnliches vernommen und wartete ab, was
ihm der General zu sagen hatte.
„Wir haben es mit Feinden in den eigenen Reihen zu tun und mit solchen,
welche von außerhalb hereingeholt wurden. Wir werden nun tun, was wir
tun müssen.“
Was meinte der General damit? Wolf überlegte kurz und fragte Kammler:
„Und wie gedenken Sie dieser Gefahr zu begegnen?“
„Es wurden bereits Vorkehrungen getroffen und massive Verstärkung aus
den weltweiten Basen angefordert. Wir sind bereit.“ Wolf wusste, dass auch
von den USA bereits massive Panzerverbände nach Deutschland gebracht
wurden. Diese Divisionen wurden an den Ostgrenzen der EU stationiert.
Auch die Amerikaner rechneten also mit einem baldigen Beginn der
Umwälzung.
„Was soll ich den Leuten sagen“, fragte Wolf Kammler. „Viele Menschen,
besonders aus dem norddeutschen Raum wollen von mir wissen, was auf sie
zukommen wird. Aber ich bin doch kein Hellseher.“
Kammler antwortete: „Sagen Sie ihnen, dass das alles nur einen kurzen
Zeitraum andauern wird und die Zivilbevölkerung kaum in
Kriegshandlungen involviert sein würde. Aber Lebensmittelvorräte für zwei
bis drei Wochen und vor allem Trinkwasser sollte ein jeder zuhause haben.“
„Jetzt wo sie gerade das Trinkwasser ansprechen“, antwortete Wolf dem
General, „fällt mir gerade ein, dass umfangreiche Sanierungsmaßnahmen
im Gebiet des militärischen Schießplatzes direkt am Fuß des Untersberges
durchgeführt werden. Mit riesigen Baggern und schwerem Gerät sowie mit
vielen Baustellenlastwagen werden dort tausende Tonnen Erdreich entsorgt,
man will das angrenzende Trinkwasserschutzgebiet vor gefährlichen
Verunreinigungen schützen.“
„Ja, dieser Schießplatz wurde auch von der Wehrmacht und SS genutzt“,
antwortete der General. „Soviel ich darüber weiß, wurde dieses Gelände
sogar schon vor dem Ersten Weltkrieg als Schießplatz verwendet. Da kann
ich mir schon vorstellen, dass dort in über einhundert Jahren eine Menge
Blei ins Erdreich gelangt ist.“
Wolf nickte: „Ich habe aber von einem Spezialisten des
Entminungsdienstes gehört, dass ganz weit hinten, unmittelbar an den
Felsen des Untersberges, Kontaminierungen entdeckt wurden, welche
keinesfalls vom Schießbetrieb stammen können. Außerdem handelt es sich
dabei um ganz andere Stoffe als jene, welche von herkömmlicher Munition
stammen können. Außer Chrom und einigen Metallen wurden auch
Kontaminierungen durch Quecksilber und radioaktives Material
festgestellt.“
Der General blickte auf, als er das Wort Quecksilber vernahm.
Wolf fuhr fort: „Die Leute an der Ausgrabungsstätte wissen absolut nicht,
woher dort bis auf eine Tiefe von 1,5 Metern derartiges Material kommen
sollte.“
Der General nickte zustimmend. „Ich kann ihnen schon sagen, um was es
sich dabei handelt. Es sind Spuren von Überresten einer Vril-Flugscheibe,
die kurz vor Kriegsende dort im Wald hinter dem Schießplatz bei einem
Wendemanöver zu Bruch ging und abstürzte. Wir nutzten damals den
Schießplatz, um aus sehr tief fliegenden, beziehungsweise in der Luft
stehenden Reichsflugscheiben Schießübungen durchzuführen. Nachdem in
dem steilen Gebiet am Berg eine Bergung der Scheibe zu aufwendig
gewesen wäre, sprengten unsere Leute das havarierte Fluggerät kurzerhand.
Die Trümmer wurden dann eingesammelt und weggebracht. Jetzt, wo sie
das Wort Quecksilber erwähnten, kann ich mir vorstellen, dass dieses aus
dem Antrieb der Vril-Scheibe stammt.“
Wolf wusste ja, dass Xerum 525 ein radioaktives Isotop des Quecksilbers
war, und hatte somit eine Bestätigung des Generals, welche er aber vorerst
für sich behalten würde. Auch Grimmig war sicherlich in die Suche
involviert und Wolf würde in dieser Angelegenheit bestimmt nichts den
Behörden preisgeben.

Ihm fiel ein, dass ihm eine rumänische Bekannte vor Jahren erzählte, dass
ihr Mann in den Wäldern Siebenbürgens, in einer bunkerartigen Höhle,
große Quecksilbervorräte entdeckt hatte. Nikola, so hieß ihr Mann, suchte
in einem Waldstück, von welchem es hieß, dass dort Menschen auf
Nimmerwiedersehen verschwanden, nach Brennholz und stand plötzlich vor
diesem Eingang. Er fand im Inneren sehr schwere, dicke Glasplatten, in
denen sich in einer Art Röhren rötliches Quecksilber befand. Sollte es sich
dabei auch um Xerum 525 handeln, dachte Wolf oder ging jetzt die Fantasie
mit ihm durch? Die rumänische Frau übergab Wolf damals zwei kleine
Fläschchen von dem Zeug. Er untersuchte diese damals mit dem
Geigerzähler und stellte eine Radioaktivität fest. Zudem hatte das
Quecksilber diese ungewöhnliche rötliche Farbe. Auch von den
Alchemisten wurde vom sogenannten „Roten Löwen“ berichtet, fiel ihm
dazu ein. Dann kombinierte Wolf. Der Bucegi Berg befand sich in einer
Entfernung von etwa einhundert Kilometern von der Fundstelle des
Quecksilbers. Sollte es da eine Verbindung geben?
Hatte das Ganze auch mit dem General zu tun? Er fragte ihn kurzerhand:
„Haben Sie mit dem Bucegi Gebirge in Rumänien auch etwas zu tun?
Dort sollen sich ähnliche Dinge wie hier am Untersberg abspielen?“
„Nein“, antwortete Kammler, „natürlich habe auch ich schon davon
gehört, aber ich bin der Ansicht, dass die Erbauer dieser Kuppel im Berg
dieselben sind, welche hier im Untersberg am Werk waren. Diese ‚Halle der
Erkenntnis‘ ist ja für uns nicht zugänglich und auch dort im Bucegi soll es
ähnliche Kraftfelder geben, welche die Zugänge versperren.“
Wolf überlegte. Die Flugscheiben des Generals benötigten für ihren
Antrieb dieses Xerum 525. Die silbernen Scheiben in der Halle der
Erkenntnis, welche offenbar nicht zum General gehörten, sahen Berichten
zufolge gleich aus wie die diskusförmigen Scheiben in der Nähe des Bucegi
Berges. Das Xerum 525, welches in Rumänien in Siebenbürgen gefunden
wurde, war aber anscheinend das gleiche, welches der General für seine
Zwecke brauchte. Gab es da vielleicht doch eine Verbindung, die Kammler
aber nicht preisgeben wollte? Wolf wusste, dass er im Hinblick auf die
Flugscheiben keine zusätzlichen Informationen von ihm erhalten würde und
deshalb wechselte er das Thema.
„Ich wollte Sie auch noch fragen, ob Sie damals für das Unwetter über
dem Grünbach verantwortlich waren?“, fragte Wolf.
„Ich hätte Sie doch niemals in die Stollen von Adolf Eichmann gehen
lassen“, gab der General zur Antwort, „da Sie doch bereits von den dort
gelagerten Teilen der Kraftstrahlkanone Bescheid gewusst haben. Das wäre
für uns alle zu gefährlich gewesen. Wer weiß, wenn die Steuergeräte in
falsche Hände gelangt wären, kaum auszudenken. Diese Sache ist ja jetzt so
gut wie abgeschlossen. Wenn man aus der Untersbergbahn beim
Hinauffahren linker Hand hinuntersieht, wird das Ausmaß der Verwüstung,
die der Grünbach damals angerichtet hat, ersichtlich“
Noch eine Frage hätte ich: „Sicher sagt Ihnen der Name Otto Skorzeny
etwas.“ Der General nickte: „Ja natürlich, Otto war schließlich auch
Ritterkreuzträger. Er hat es für die Befreiung Mussolinis vom Gran Sasso
erhalten.“
„Hatte Skorzeny auch Verbindung nach Venedig? Etwa zum Ordo
Bucintoro?“, hakte Wolf nach.
Der General fuhr fort: „Soweit mir bekannt ist, wollte er im Palazzo Stern,
am Canale Grande, einen Nachfolge-Orden des Ordo Bucintoro gründen. Es
fielen da auch einige interessante Namen. Von Livia bzw. Loredana und
auch von Julietta sprach er einige Male. Es musste sich um etwas sehr
Geheimnisvolles gehandelt haben, denn Otto hielt sich dabei sehr bedeckt.
Nur dass es etwas mit dem Untersberg und den Herren vom Schwarzen
Stein zu tun hatte, konnte ich heraushören. Ich habe Otto nur sehr selten
gesehen, aber ich hielt ihn für einen interessanten Mann. Natürlich war er
ein Abenteurer, der überall seine Finger drinnen haben wollte.“
Das war es, was Wolf vom General hören wollte. Auch Kammler, dieser
Technokrat, hatte also zumindest vom Ordo Bucintoro gewusst. Inwieweit
er auch mit dem Orden zu tun hatte, wollte er ihn nicht mehr fragen. Hier
schloss sich also wieder der Kreis, welcher einst in Ninive mit Ritter
Hubertus, der Göttin Isais und dem schwarzen Stein begann und über die
Jahrhunderte hin über die Templer und die Herren vom Schwarzen Stein
sowie die Vril- und Thule-Gesellschaft bis heute immer wieder in Aktion
trat.
Jetzt verstand Wolf auch, weshalb der Haymo aus der Münchner Gegend
schon vor Jahren so eilig nach Salzburg kam und mit ihm über die schwarze
Dame Julia sprechen musste. Ja, Haymo verehrte diese Frau geradezu
abgöttisch und sprach von ihr als von der „Sacerdotessa“, was so viel
bedeutete wie die Hohepriesterin. Es hatte den Anschein, als wäre es für ihn
unvorstellbar, dass diese Dame mit Wolf und danach auch mit seiner
Tochter Sabine in der Kirche auf Murano gesprochen hatte, wo er selbst
doch bislang nur von ihr gehört hatte, aber selbst gesehen hat er sie
wahrscheinlich noch nicht. Die Gespräche mit Haymo hatten beinahe den
Charakter eines Verhöres. Offenbar zog dieser Mann alles in Zweifel, was
er von Wolf damals zu hören bekam.
Und nun vor kurzer Zeit war ihm Julia in dem feinen Restaurant am Lido,
an der Lagune am Nachbartisch gegenübergesessen.
Jetzt gab es für Wolf nur noch eines. Er musste versuchen vom
Illuminaten auch noch zusätzliche Informationen zu bekommen.
Auch diesmal war der Illuminat rasch zu erreichen.
Wolf berichtete ausführlich vom letzten Gespräch mit dem General,
worauf Becker nur nickte und sagte: „Ja, Sie haben es richtig erfasst, der
Kreis schließt sich nun. Sie haben die einzelnen Puzzlesteine zugespielt
bekommen und Otto Skrzeny, der Obersturmbannführer, ist einer der letzten
Steine. Aber drei fehlen noch …“ „Welche“, wollte Wolf ganz neugierig
geworden wissen, „wer ist da noch involviert in die Geschichte?“
„Der Grimmig vom BVT“, erwiderte Becker, „der ist auch mit dabei,
obwohl sich das kaum einer vorstellen kann. Nicht umsonst hat er den
Pollux abgelöst.“
„Ja, dann bleiben eigentlich nur noch die CIA Leute übrig“,
schlussfolgerte Wolf. Der Illuminat zuckte nur bedeutungsvoll mit den
Schultern. „Die Antwort auf diese letzte Frage, die Ihnen alles enthüllen
wird, möchte ich Ihnen nicht vorwegnehmen. Das müssen Sie selbst
herausfinden. Sie haben nun alles dafür Notwendige zur Verfügung.“
Vielleicht sollten Sie nochmals nach Venedig fahren. Es gibt dort noch
einige Plätze, die für Sie von Bedeutung sein werden. Zum Beispiel die
Insel Torcello, dort wo auch schon der Schriftsteller Ernest Hemingway in
der Locanda Cipriano logiert hatte. Aber auch bedeutende Monarchen
kamen dorthin – wobei aber niemand sagen kann, was der Grund dafür war,
diese abgelegene Insel in der Lagune zu besuchen. Oder sehen Sie sich
noch einmal das alte Haus auf der Insel Murano an, welches der Ordo
Bucintoro als Wohnstätte für die Dame Julietta bereitgestellt hat. Sie waren
ja bereits mit Linda schon dort. Das Haus ist bis heute unbewohnt.“
Wolf würde den Anregungen des Illuminaten Folge leisten.
Kapitel 7

Wasser, Blut und Schieferöl

„Wir sollten jetzt einmal das Schieferöl vom Untersberg untersuchen und
damit experimentieren“, meinte Claudia. Wolf schüttelte den Kopf: „Nach
alledem, was ich von Becker erfahren habe, ist es momentan noch zu
gefährlich.“
„Wie meinst du das?“, fragte die junge Frau nach.
„Stell dir einmal vor, in diesem Millionen Jahre alten Öl befindet sich
zufällig auch die DNA eines reptiloiden Wesens aus dieser Zeit und dieses
käme auf irgendeine Weise mit deinem Blut in Verbindung.“
„Du glaubst also, ich würde dich dann auffressen?“, lachte Claudia.
„Das wäre meiner Meinung nach gar nicht zum Lachen, das könnte
tatsächlich ungeahnte Folgen haben“, erwiderte Wolf.
„Nun sag schon, was hat dir denn unser Illuminat alles gesagt über dieses
Öl vom Untersberg, ist das dasselbe wie das Black Goo?“
„Das weiß ich noch nicht“, antwortete Wolf, „aber ich werde dir zum
besseren Verständnis nun etwas von einem interessanten Experiment
erzählen, welches ich vor einigen Monaten gemacht habe:
Als ich vor Jahren meine Experimente mit Wasser, genauer gesagt, mit
gefrorenem Wasser gemacht habe, bin ich darauf gestoßen, dass Wasser
tatsächlich Informationen aufnehmen kann und sogar in Interaktion mit
wasserhaltigen Lebewesen treten kann. Ich brauche nicht zu betonen, dass
so gut wie alles Leben stark wasserhaltig ist.
Das hat mich eben im letzten halben Jahr dazu bewogen, ähnliche
Versuche mit meinem eigenen Blut anzustellen.
Ich habe einige Tropfen davon in ein schmales Reagenzröhrchen gefüllt.
Das Reagenzrohr hatte ganz unten an den Seiten zwei eingegossene
Kontakte, mittels denen man die elektrische Leitfähigkeit von Flüssigkeiten
messen konnte. Ich musste das Ganze rasch durchführen, da das Blut ja
bekanntlich recht schnell gerinnt und eintrocknet. Ich habe dann den Wert
notiert.“
„Das klingt ja schon fast alchemistisch“, nickte Claudia interessiert.
„Warte“, meinte Wolf, „es kommt noch viel abenteuerlicher. Ich kam auf
die Idee, noch schnell einige Tropfen in ein zweites, gleiches Röhrchen zu
geben und die Kontakte an das Messgerät anzuschließen. Dann erwärmte
ich das Blut etwas mit einem Feuerzeug, welches ich kurz unter das
Reagenzglas hielt. Wie erwartet, änderte sich die Leitfähigkeit des
wärmeren Blutes. Aber, und jetzt kommt die Pointe, auch in dem anderen
Glasröhrchen, welches nicht erwärmt wurde, änderte sich augenblicklich in
gleichem Maße die Leitfähigkeit auf denselben Wert, wie jene von dem
erwärmten Blut. Das müsste bedeuten, dass hier eine Verbindung besteht
zwischen den beiden Reagenzgläsern.“
„Das ist ja fast unglaublich“, sagte Claudia und schüttelte den Kopf.
„Aber es ist so“, antwortete Wolf. „Wer weiß, wenn ich einen Blutstropfen
von einem von uns mit dem Schieferöl vermische, ob ich dann nicht eine
Reaktion im Körper auslösen könnte?“
„Ach so?“, lachte Claudia, „und du meinst, dann würden sich deine Gene
verändern und du frisst alles Lebendige in deiner Umgebung auf.“
„Es muss ja nicht gleich so heftig kommen, aber vorsichtig wäre ich
schon.“
„Dass so etwas bisher noch niemandem aufgefallen ist“, fragte Claudia.
„Doch, das weiß man seit frühesten Zeiten schon“, erklärte Wolf, „die
Indianer Nordamerikas zum Beispiel mit ihrer Blutsbrüderschaft wären ein
Beispiel hierfür, die Zeugen Jehovas lehnen aus ähnlichen Gründen
Bluttransfusionen strikt ab, die Freimaurer ließen bei ihren Ritualen von
jedem Bruder Blutstropfen in einen Weinbecher fallen und tranken das
Gemisch dann gemeinsam aus. Auch das Ritual der Kommunion in der
katholischen Kirche zeigt in diese Richtung.“
„Somit müsste dann auch die Taufe in der Kirche dieses Prinzip nützen“,
meinte Claudia und ergänzte: „Was hast du damals bei deinen
Wasserversuchen eigentlich herausgefunden?“
„Das ist zwar eine andere Geschichte“, antwortete Wolf, „aber sie passt
ganz gut dazu:
Ich hatte schon vor langer Zeit von den Versuchen des japanischen
Forschers Masaru Emoto gelesen und habe auch seine Bücher gekauft. Er
beschrieb darin, dass sich Wasserkristalle je nach der emotionalen
Verfassung in verschiedener Strukturierung unter dem Mikroskop zeigen.
Natürlich wollte ich das selbst nachprüfen, aber ich hatte keinen Zugang
zu einer Kältekammer gehabt und zu einer mit regelbarer Temperatur schon
gar nicht. Folglich musste ich nach einer anderen Möglichkeit suchen, so
tiefe Temperaturen auf einfache Weise herzustellen. Ich besorgte mir
verschiedene Arten von ‚Peltier-Elementen‘, das sind meist kleine
Plättchen, die durch Gleichstrom auf einer Seite heiß und auf der anderen
eiskalt werden. Man verwendet so etwas für die Herstellung von
elektrischen Kühl- oder Wärmeboxen. Wenn man so ein Element mit großer
Leistung auf der warmen Seite mit einem starken Kühlkörper verbindet, so
kann man auf der kalten Seite Temperaturen bis minus fünfzig Grad
erzeugen und das sogar in Sekundenschnelle.
Es genügen jedoch minus fünfzehn bis zwanzig Grad, um einen
Wassertropfen augenblicklich kristallisieren zu lassen. Das erreicht man mit
einer starken, regelbaren Gleichstromquelle.
Das Peltierelement wird zudem unter dem Stereo-Mikroskop positioniert
und mit einer Kaltlichtlampe beleuchtet. Dann kann man sozusagen in
Echtzeit die Wasserkristalle beobachten.“
„Du bist ja ein richtiger Erfinder, der alles selber beweisen muss“, sagte
die junge Frau.
„Nein, mit Erfinden hat das nichts zu tun, ich habe bloß nur nach einer
einfacheren Möglichkeit gesucht, tiefe Temperaturen in Sekundenschnelle
erreichen zu können.“
Claudia fragte staunend: „Und was hast du bei diesen Experimenten
herausgefunden?“
„Dass sich die Kristallformen eigentlich nach der augenblicklichen
psychischen Verfassung desjenigen, der das Gerät bedient, richten. Und das
war reproduzierbar und nicht dem Zufall überlassen. Damit war für mich
bewiesen, dass Emoto recht gehabt hat. Obwohl noch zu sagen wäre, dass
er seine Kristallfotos zusätzlich noch gefärbt hat, vermutlich um den Effekt
der Bilder zu verstärken. Aber die Kristalle waren bei mir immer
durchsichtig weiß.“
„Auf alle Fälle ist Wasser eine sehr interessante und mächtige Substanz.
Trotzdem werde ich unseren Illuminaten fragen, was wir mit dem
Schieferöl tun können oder nicht.“
Kapitel 8

Der Kampf hat längst begonnen …

Am Osterwochenende 2016 standen vier Männer und eine Frau in der Nähe
des Franzosenschlachtdenkmals auf dem Walserfeld am Fuße des
mächtigen Untersberges. Sie hatten jenen Platz aufgesucht, wo der alte
Birnbaum bis zu seiner Fällung und restlosen Entfernung auch von Stumpf
und Wurzeln am 7. Dezember 2015 gestanden hatte. Nicht die geringste
Spur deutete darauf hin, dass sich hier über viele, viele Jahre eine
bedeutende Pilgerstätte befunden hatte. Man hatte bewusst alle Spuren
beseitigt. Danach waren sie mit ihrem Fahrzeug zum einige hundert Meter
entfernten Franzosenschlachtdenkmal gefahren, wo sie ihren Wagen
abstellten und den von der Gemeinde Wals neu gepflanzten Birnbaum
gegenüber dem Denkmal auf der anderen Straßenseite begutachteten. Sie
gingen schweigend zu der Eiche hinter dem Denkmal. Die Gedenkstätte
ignorierten sie dabei vollständig, doch nachdem sie kurz eine Stelle an der
Umrandung der Eiche betrachtet hatten, suchten die drei Herren die
Sitzmöglichkeiten unter der Eiche auf. Der vierte Mann blieb mit seiner
Gattin stehen.
„Hier war es also“, sagte sie. Er nickte. „Ja, es muss hier gewesen sein!“,
bemerkte er mit einem Blick in ein Buch: „Wenn ich bedenke, wo der alte
Birnbaum stand und diese Beschreibung hier im Roman lese, dann bleibt
nur diese Stelle! Und was wir hier sehen, ist auch eindeutig! Hier wurde ein
junges Bäumchen gekappt! Kein Zweifel!“
„Unsere Feinde sind schon große Helden!“, rief einer der drei anderen
Männer im spöttischen Ton und fuhr fort: „Weil sie uns nicht zu fassen
kriegen, müssen sie sich an Baumsetzlingen vergreifen!“
„Ja, Ludwig, so ist es“, antwortete die Frau. „Ich bin traurig. Das tut
einfach nur weh!“
„Diese Worte hat die Elisabeth neulich auch schon genauso gesagt“,
antwortete Ludwig. „Ich zitiere: ‚Es tut einfach nur weh!‘“
„Es geht darum, dass die Gemeinde Wals zwar einen Birnbaum hier auf
dem Walserfeld haben will, weil sie eben weiß, dass viele Leute hier immer
wieder wegen der alten Legende auftauchen! Doch sie wollen keine
Birnbäume, die befruchtet werden und Früchte tragen …“
„Ja, und das wollen sie nun touristisch ausschlachten! Birnbaummuseum
und Reliquienhandel mit dem Holz des alten Birnbaums! Peinlich,
peinlich!“, schimpfte Ludwigs direkter Sitznachbar.
„Richtig, Hans! Dass der alte Birnbaum gefällt wurde, lässt jedoch
zunächst erwarten, dass sich das Gewerbegebiet ausdehnen dürfte! Doch
das ist ja nicht die erste Flurbereinigung, welcher der Baum zum Opfer
fiel!“
„Das war doch schon im Sommer 2014 abzusehen und ab Oktober ’14
beschlossene Sache“, erklärte Ludwig. „Und ich sah es schon vorher
kommen …“
„Der Herr Ludwig hat halt immer den weitsichtigsten Blick in die Zukunft“,
lachte der vierte Mann, der bisher noch kein Wort gesagt hatte. Ludwig
warf ihm einen kurzen, strafenden Blick zu: „Unterbrich mich bitte nicht,
Johannes! Meine Ahnung, Weitsicht und Zukunftsschau war es schließlich,
die mich veranlasste, den Sinn deines Enkels auf das Walserfeld zu lenken,
um ihm einzugeben, dass er sich damit befasste, sicherzustellen, dass
Früchte tragende Birnbäume auch weiterhin hier vorhanden sind!
Schließlich ist es Teil meiner Aufgaben, den Birnbaum auf dem Walserfeld
zu hüten, wie es schon alle Wittelsbacher Vorfahren zu tun hatten!“
„Es sieht aber so aus, als sei dir das nicht so gelungen“, erklärte die Frau
ernst.
„Darüber ist noch nicht das letzte Wort gesprochen“, antwortete Ludwig
bestimmt. „Und das wisst ihr alle! Verhaltet euch nicht wie die normalen
Menschen, die ihren Blick nur auf das Spektakel im Vordergrund richten.
Hinter den Kulissen laufen noch ganz andere Maßnahmen!“
„Schon gut, mein lieber Ludwig! Nimm meine Bemerkungen nicht so
persönlich und nicht immer so bierernst! Wir alle wissen, dass wir die
Fäden in der Hand halten, was die Irren dieser Welt auch immer
inszenieren!“
„Es ist halt meine persönliche Angelegenheit, Eva“, sprach Ludwig. „Ich
kann es nicht ändern!“
„Ich weiß“, gab sie zu verstehen, „doch auch für uns andere ist das Thema
eine Herzensangelegenheit! Und wir sind damit nicht allein! Es hat doch
seinen Grund, warum dieser Kai im Sommer 2014 in der Almbachklamm
diese göttliche Erscheinung hatte, die ihm zum Pflanzen des jungen
Birnbäumchens an dieser Stelle ermutigte.“
„Natürlich, so wurde seine schon lange gehegte Absicht zu einem
göttlichen Auftrag von höchster Stelle! Und es war richtig, dass er ihn
umgehend befolgte!“
„Es ist jedenfalls unstrittig, dass unsere Feinde sehr genau beobachten,
was passiert“, erklärte Evas Gatte, dessen Name bisher noch nicht gefallen
war. Nennen wir ihn daher einfach mal Onkel W. Er sah in die Runde, doch
da er keine verbale Reaktion und Antwort erhielt, führte er seine Gedanken
weiter aus: „Manche halten es für einen Fehler, dass das Pflanzen des
jungen Setzlings an dieser Stelle in jenem Roman, den ich hier in den
Händen halte, erwähnt wurde!“
„Es war kein Fehler, sondern notwendig!“ sprach der Herr Ludwig,
während sein Blick zum Untersberg wanderte. „Denn es ging bei der
Pflanzaktion nicht allein um das Gedeihen des Birnbaums, sondern auch um
die damit verbundene Symbolik! Und die Botschaft, die wir so in die Welt
setzen wollten, ist in die Welt gesetzt und auch nicht mehr zu entfernen,
selbst wenn unsere Feinde alle Birnbäume der Welt kappen und diesen
Planeten vollständig entwalden würden!“
„Das ist wahr, wobei es bei dieser Botschaft nicht allein um das Erwachen
und Erscheinen des Kaisers und seiner Heerscharen geht“, betonte Eva. „Es
war eine Tat der Liebe und was in Liebe getan wird, ist niemals vergebens
und bleibt bestehen. Energetisch wie auch in den göttlichen
Chroniken! Und übrigens, was der Roman, den du da in Händen hältst
…“ – sie wandte sich ihrem Gatten, Onkel W. zu: „… nicht erwähnt, ist,
dass das nun in jüngster Zeit gekappte Birnbäumlein eine Sorte mit dem
Namen ‚Alte Liebe‘ war! Passend, nicht wahr?“
Die Männer nickten.
„Dazu passt auch, dass irgendwann zum Ende letzten Jahres jemand ein
Herz an diesen jungen Baum gehängt hat!“, erklärte Hans. „Davon gibt es
sogar Fotos! Das heißt, es gibt Menschen, die erkannten, dass der Setzling
seit anderthalb Jahren an der richtigen Stelle steht! So gesehen ist der
Standort des neuen großen Birnbaums, den die Gemeinde da drüben für
fünfzigtausend Euros pflanzen ließ, gar nicht so falsch!“
„Der Standort des Baumes dort hinten passt schon! In meinen Visionen
wird hier sowieso dereinst ein ganzer Birnbaumwald existieren!“, stimmte
der Herr Ludwig zu.
„Trotzdem“, führte Onkel W. seine Gedanken weiter aus, „ist das Kappen
der ‚Alten Liebe‘ keine segensreiche Tat – wer es auch immer tat, hat sich
selbst damit am meisten geschadet! Es ist auch unwichtig, ob das ein
Landschaftsgärtner der Gemeinde Wals bei der Denkmalpflege war oder
irgendwer dem Bäumchen dank den Hinweisen im Roman auf die Schliche
gekommen ist und diese heilige Tat und Stelle zerstören und entweihen
wollte!“
„Ich kann dir sagen, wer’s war!“, rief Hans. „Ihr wisst, dass uns nichts
entgeht, was am Berg, im Umland oder sonst wo auf der Welt passiert. Es
gibt sogar bewegte Bilder von dieser Untat! Mit Ton! Wenn ihr wollt …!“
„Mein lieber Hans“, winkte Onkel W. ab, „ich weiß, dass du als meine
rechte Hand die Dinge unter Kontrolle und alles im Blick hast, doch ist jetzt
noch nicht der Zeitpunkt gekommen, sich der Sache anzunehmen. Die
Pflanzaktion im August ’14 stand unter dem besonderen Segen der großen
Mutter und sie hat diesem Bäumlein auch noch etwas Spezielles mit auf den
Weg gegeben!“
„Gesegnet sei, wer die ‚Alte Liebe‘ segnet, ehrt und akzeptiert; doch
verwirkt sei das Leben all jener, die diesem Baum Schaden antun!“ ergänzte
Eva, woraufhin die Männer alle zustimmend nickten.
„In jedem Fall sollte die Gemeinde Wals das erste Kapitel dieses Buches,
welches du dort in Händen hältst, erhalten und dessen Inhalte zur Kenntnis
nehmen“, meldete Johannes sich zu Wort, der sich bisher eher
zurückhaltend verhalten hatte. „Und am besten stellen sie diesen Roman
auch in ihrem Birnbaummuseum aus!“
„Die Gemeinde sollte das erfahren, ja!“, sagte Onkel W., um umgehend
fortzufahren: „Doch ich befürchte, sie werden nicht verstehen und
erkennen, was hier geschehen ist! Vielleicht versteht jedoch der eine oder
andere, dass man hier besser erst einmal Kontakt mit den Hütern des
Untersberges und des Walserfeldes aufgenommen und sich informiert hätte,
was eigentlich läuft! Durch die Veröffentlichung des realen Geschehens in
einem in dieser Region bekannten Roman ist zumindest sichergestellt, dass
uns niemand vorwerfen kann, wir hätten das alles nur im Geheimen
vollzogen! Wer es hätte wissen wollen, hätte es auch wissen und
erfahren können!“
„Was sagt eigentlich euer Kai zu dem Kappen der ‚Alten Liebe‘?“, fragte
nun Hans mit Blick auf Johannes und den Herrn Ludwig.
„Wir haben noch keine Aussprache mit ihm geführt, doch er lässt zu, dass
wir mit ihm auf der gedanklichen Ebene kommunizieren können“, begann
Johannes. „Um es auf den Punkt zu bringen: Er klatscht keinen Beifall und
er ist ziemlich wütend. Zwar ist er sich bewusst, dass das Bäumlein Segen
und Fluch widerspiegelt, und dieses Wissen entspannt ihn etwas, denn
somit braucht sich niemand um eine Bestrafung kümmern, dennoch ist er
ziemlich geladen, auch wenn er sich das nach außen hin wenig anmerken
lässt.“
„Ja, so ist er!“, sprachen Eva und Onkel W. wie aus einem Mund,
während sie sich liebevoll ansahen.
„Wie geht es nun weiter?“, fragte Hans.
„Was den Birnbaum auf dem Walserfeld betrifft, so haben wir noch
etliche Eisen im Feuer!“, lächelte der Herr Ludwig.
„Das kann ich mir denken, Majestät!“
„Nenne mich bitte hier nicht Majestät“, wehrte Ludwig ab, „denn was
ausgesprochen wurde, bleibt nicht jedem verborgen! Und ich bin schließlich
auch nicht die einzige Majestät in dieser Runde …“
„Und wie das erste Kapitel dieses Romans belegt, beobachtest nicht nur
du, Kamerad Hans, das Geschehen am Berg genauestens! Die Früchte am
alten Birnbaum im August 2011 und August 2014 sind unseren Freunden
nicht entgangen!“, mischte sich Johannes wieder ein.
„Das stimmt!“
„Ich kann mich noch erinnern wie ihr euch einst noch mit Dienstgraden
angeredet habt!“, bemerkte Onkel W. lachend.
„Lang, lang ist’s her! Seitdem ist so einiges passiert, was uns im engsten
Kreis noch enger zusammenschweißte, als uns die damaligen Ereignisse
ohnehin schon zu einer untrennbaren Einheit werden ließen!“, antwortete
Johannes. Hans nickte.
„Noch eins zu Kai!“, sprach Ludwig: „Er schrieb neulich irgendwem
im Internet zu diesem Thema, dass von der Gemeinde Wals nicht viel
bleiben wird, wenn die finale Schlacht stattfindet – dann würde hier kein
Stein auf dem anderen bleiben! Und wenn er in Wals wohnen würde, würde
er bald rasch umziehen, mindestens in einen anderen Ortsteil Salzburgs
oder eine weiter entfernte Ecke des Salzburger Landes!“
„Der Kampf hat längst begonnen“, sagte Onkel W. nun deutlich ernster.
„Auch auf dem Walserfeld! Doch der Kampf wird keineswegs nur
militärisch ausgetragen. Der Kampf der Geistesmächte tobt schon erbittert,
auch wenn die Menschenmassen sich noch durch demokratisches
Affentheater, inszenierte Skandale, politischen Hickhack, Sport, Boulevard,
Fernsehen, Nachrichtenschwemmen, Angstmache und vieles mehr ablenken
und beschäftigen lassen!“
„Wann greifen wir äußerlich erkennbar ein? Oder halten wir uns noch
bedeckt?“, fragte Hans. Er war ein geduldiger Mensch und zugleich auch
ein Mann der konkreten Tat, doch wusste er, dass nicht er die Entscheidung
fällen würde, wann man offensiv und öffentlich handeln würde. „Worauf
warten wir noch? Darauf, dass unsere Gegner den globalen Weltenbrand
vollenden und gleichzeitig in Deutschland und Österreich Revolutionen,
Anarchie und Bürgerkriege ausbrechen? Oder darauf, dass die Menschen
nach all diesen Manipulationen durch Halbwahrheiten und ganze Lügen
von selbst zur Erkenntnis kommen? Wenn ihr noch auf Letzteres hofft,
spielt ihr nur den destruktiven Kräften in die Hände, denn diese sind gerade
dabei den Sack zuzumachen! Die Dinge einfach nur an langer Leine laufen
zu lassen, das geht nicht mehr so weiter, wenn wir nicht irgendwann ein
paar Milliarden fremdgesteuerte Zombies auf diesem Planeten haben
wollen! Von unseren Leuten ganz zu schweigen! Und immerhin gibt es
wenigstens einige, die etwas wissen, ahnen und hoffen, die dürfen wir nicht
weiter im Regen stehen lassen!“ Er hatte sich in Rage geredet, in seinem
Eifer erhoben, schritt ein paar Mal unruhig hin und her und sah dann in die
Runde. Alle blickten schweigend zu Onkel W. hinüber, der das letzte Wort
haben würde.
„Bald, mein lieber Hans! Bald! Du hast recht! So geht es nicht weiter! Die
Hoffnung auf das Erwachen des Kaisers im Berg soll und darf nicht
zuschanden werden! Doch wir sollten diesen Ort nun verlassen, denn wir
sind hier in wenigen Minuten nicht mehr alleine!“
„Dem kann ich nur zustimmen“, bemerkte der Herr Ludwig. „Ich sehe
ebenfalls voraus, dass gleich hier einige Birnbaumtouristen erscheinen
werden, und wenn ihr denen nicht eine sensationelle Offenbarung, mit
denen diese möglicherweise nur schwer umgehen können, präsentieren
wollt, dann lasst uns woanders das Gespräch fortführen!“
„Schade, dass der Latschenwirt inzwischen seine Pforten geschlossen hat!
Da saß und aß ich eigentlich immer ganz gerne!“, sprach Johannes. „Wir
könnten doch natürlich auch wieder … ähm …“ Er sah sich um. „… doch
es macht einerseits viel Spaß inkognito unterwegs zu sein und es ist auch
wichtig, sich unter das Volk zu mischen, um die eigentliche Stimmungslage
zu erkennen!“
„Ich hätte da eine Idee!“, sprach der Herr Ludwig.
„Und wir können auch noch Becker und ein paar der Anderen dazu
bitten!“, schlug Hans vor.
Wenige Minuten später lag das Walserfeld verlassen. Die nicht weit
entfernte Hauptstraße war zwar stark befahren, doch fast alle
Vorüberfahrenden ignorierten den neuen Birnbaum und das
Franzosenschlachtdenkmal. Wenn sie geahnt hätten, welche fünf
Persönlichkeiten sich noch bis vor Kurzem hier aufgehalten hatten! Doch
kurz darauf wurde die Voraussicht von Onkel W. und dem Herrn Ludwig
wahr und ein Fahrzeug bog auf die am Franzosenschlachtdenkmal
vorbeilaufende Straße ein. Der Wagen hielt und eine gemischte Gruppe von
vier Personen stieg aus, um sich sofort dem neuen Birnbaum zuzuwenden.
„Hier muss es sein“, rief eine der beiden Frauen. „Es gibt hier nur diese
Bäume und das da drüben …“
„… ist eine Eiche! Das sieht sogar ein blinder Stadtmensch wie ich!“
wurde sie von einem der Männer unterbrochen. „Außerdem sieht das hier
genauso aus wie in dem YouTube-Video vom letzten Dezember!“
Und während sie den neuen Birnbaum betrachteten und energetisch
wahrzunehmen versuchten, diskutierten sie über den möglichen tieferen
Sinn und den Wahrheitsgehalt der Birnbaumlegende. Sie waren zweifellos
von dieser alten Geschichte fasziniert, doch keiner von ihnen glaubte auch
nur annähernd daran, dass sich im nahegelegenen Untersberg ein
schlafender Kaiser mit seinem Heer aufhalten und eines Tages
hervorbrechen könnte.
Zwei Raben kamen vom Berg geflogen und ließen sich auf der Wiese am
Franzosenschlachtdenkmal nieder. Sie lauschten den Menschen und sahen
einander an. Die Vögel wussten es besser. Der Kaiser schlief schon längst
nicht mehr, er bewegte sich vielmehr bereits außerhalb des Berges, wenn
auch noch inkognito, und die Seinen standen bereit, seinem Befehl zu
folgen, sobald er diesen aussprechen würde.
„Ach, die Menschen …“, klagte einer der beiden Raben: „Sie denken, der
Kaiser käme frühestens, wenn wir nicht mehr Berg sind. Dabei heißt es,
dass er kommt, wenn wir nicht mehr fliegen!“
„Nachts fliegen wir nicht mehr!“, antwortete der zweite Vogel.
„Und im berühmtesten Buch der Menschen sagt der Kaiser, dass er ‚wie
ein Dieb in der Nacht‘ wiederkehren würde!“
„Wie ich schon sagte: ‚in der Nacht‘!“ „Eines Tages wird sich die Welt
über Nacht vollkommen geändert haben!“
„Und dann werden die Menschen auch wieder die Sprachen der Tiere
verstehen können!“
„Schaut die Vögel!“, zeigte eine der Frauen vom gegenüberliegenden
Birnbaum hinüber zu den krächzenden Raben. „Es wird ewig Raben am
Untersberg geben!“
„Natürlich! Und deswegen wird hier auch niemals ein Kaiser aus dem
Berg kommen, denn er soll ja erst kommen, wenn die Raben weg sind!“,
ergänzte einer der Männer. Und ein unsichtbarer Beobachter fühlte sich an
die Weisheit erinnert: „Nur die kleinen Geheimnisse müssen beschützt
werden! Die großen Geheimnisse schützt der Unglaube der Menschen!“
Joachim lag tot in seiner Walser Wohnung am Boden. Er lag schon einige
Tage und begann bereits zu riechen. Das Schicksal hatte ihn ereilt. Ja, Wals
war nicht das Beste, was ihm passiert war. Er hatte so gut wie keine
Freunde. Auch auf Wolf war er nicht gut zu sprechen. Joachim war ein
Querulant, welcher sich mit jedem anlegte. Sogar der neue Bürgermeister
der Ortschaft Wals, der zufällig auch Joachim hieß, musste sich mit ihm
oder, genauer gesagt, mit seinem Nachlass beschäftigen, denn nicht ahnend,
dass jener der neue Bürgermeister von Wals werden würde, vermachte
Joachim seinen gesamten Nachlass der ohnehin sehr reichen Gemeinde
Wals.
Kapitel 9

Das Wort „Besuch“

Wolf hatte vor einiger Zeit von Günther, einem Südtiroler Freund, eine sehr
alte Landkarte „Berchtesgadener Land 1885–1887“ erhalten. Er hatte in der
Folge Claudia ein Foto von dieser Karte gegeben. Das Ganze war schon
eine Weile her, doch jetzt rief sie ihn an und meinte: „Auf dieser alten
Landkarte da steht im Gebiet kurz vor der Mittagsscharte kleingeschrieben
das Wort ‚Besuch‘ und sonst nur die Bezeichnungen Geiereck, Hochthron,
Dopplersteig. Was aber dieses Wort da auf dieser Karte zu suchen hat, das
weiß ich nicht.“
Wolf musste einige Zeit überlegen und ließ sich dann von der jungen Frau
das Foto der Landkarte nochmals zusenden. Aber er konnte nichts
Ungewöhnliches darauf entdecken. Erst als ihm Jennifer, die Tochter
Claudias, die Stelle, an der das Wort „Besuch“ stand, markiert hatte, sah er
es auch.
Jetzt fiel ihm alles wieder ein. Mit Becker war er vor einiger Zeit am Berg
unterwegs gewesen. Der Illuminat wollte ihm am Untersberg zeigen, wie
die Wege am Plateau vor Jahrhunderten ausgesehen hatten. Er führte ihn
Richtung Mittagsscharte. Dort trafen die beiden auf zwei altertümlich
gekleidete Kartografen, welche ihre Notizen machten und den Berg mit
ihren primitiven Werkzeugen vermaßen. Sie kamen mit den Leuten rasch
ins Gespräch und bestaunten deren Arbeitsweise.
„Sind wir nun tatsächlich im neunzehnten Jahrhundert?“, fragte Wolf
Becker, „es sieht doch alles genauso aus wie jetzt im Jahr 2014.“ Becker
lächelte: „Haben sie etwa eine Autobahn im Tal gesehen oder den
Flughafen von Salzburg? Es gibt auch noch keine Seilbahn auf den
Untersberg, die wird erst 1960 gebaut werden. Freilich, das Gebirge sieht
schon seit Jahrtausenden sehr ähnlich aus. Weiter südlich könnten Sie auch
noch das Drachenloch sehen, das stürzt übrigens während der
Fronleichnamsprozession am 10. Juni 1935 um 11 Uhr mit lautem Getöse
ein.“ Wolf wunderte sich, aber bei Becker war offenbar nichts unmöglich.
„Wann werden Sie die Landkarte, die Sie gerade anfertigen denn
veröffentlichen“, fragte Wolf einen der beiden Kartographen.
„Na ich denke“, antwortete dieser, „in einem Jahr wird sie käuflich zu
erwerben sein.“
Wolf hatte sich ein paar Legföhren-Zweige abgeschnitten, welche er sich
zuhause in die Vase stellen wollte. Als er sein Schweizer Taschenmesser
wieder zuklappte, fragte ihn einer der Kartografen: „Was ist das für ein
Messer, das Sie da haben? So etwas habe ich noch nie gesehen.“
Wolf klappte das Messer noch einmal auf und zeigte dem Mann die
einzelnen Werkzeuge, worauf dieser völlig erstaunt fragte: „Wo ist so etwas
erhältlich? Ich würde mir so ein Ding gerne etwas kosten lassen.“
Becker warf Wolf einen strengen Seitenblick zu. Er hatte ihm schon
mehrmals gesagt, dass er keine modernen Dinge wie Laser, LED-Lampen
und sonstiges mit in die Vergangenheit nehmen sollte.
Da hatte Wolf einen Einfall und sagte zu dem Mann: „Wenn Sie mir einen
Gefallen tun, dann schenke ich Ihnen dieses Messer.“
„Was soll ich dafür tun?“, fragte der Mann.
„Wenn Sie diesen Ort, an dem wir uns hier befinden, in Ihrer Karte
irgendwie kennzeichnen könnten, das würde mir genügen“, antwortete
Wolf, „aber so, dass es nicht jeder sofort erkennen kann.“
„Ich werde einfach nur das Wort ‚Besuch‘ an diese Stelle auf die Karte
vom Berg schreiben, und zwar in einer kleinen Schrift.“
„Ja, tun Sie das“, meinte Wolf und übergab dem Mann sein
Taschenmesser. Der Kartograph wunderte sich über diesen für ihn ganz und
gar seltsamen Wunsch und bedankte sich. Dann sah sich das soeben
erhaltene Stück ganz genau an.
Nachdem sich Becker und Wolf von den beiden verabschiedet hatten,
meinte der Illuminat: „Wer weiß, wenn das Messer von dem Richtigen
gesehen wird, dann gibt es diese Schweizer Messer viel früher als geplant.
Ich habe Ihnen schon mehrmals gesagt, dass Sie nichts aus der
Vergangenheit mitnehmen sollen, aber das sollte ebenso heißen, dass Sie
nichts in dieser Zeit hier zurücklassen. Es könnte zu fatalen Folgen
kommen.“
Wolf würde es sich zu Herzen nehmen, er war aber ebenso neugierig, ob
er jemals so eine Landkarte des Untersberges zu Gesicht bekommen würde,
auf welcher eine Markierung der Stelle zu finden wäre, an derer er sich
damals mit Becker aufgehalten hatte und wo sie die beiden Kartographen
getroffen hatten.
Offenbar war es nun tatsächlich so weit, der Mann damals hatte Wort
gehalten und als Kennzeichnung dieses Platzes das unverfängliche Wort
„Besuch“ auf der Karte eingefügt.
Und jetzt erst, nach beinahe hundertfünfzig Jahren, konnte Wolf es lesen.
Das aber auch nur, weil Claudia, welche stets ein starkes Interesse an alten
Dingen hatte, diese kleine Ungereimtheit auf der uralten Landkarte entdeckt
hatte.
„Also lässt sich in der Vergangenheit doch etwas verändern“, sagte die
junge Frau zu Wolf, „auch wenn es nur ein klitzekleines Wörtchen auf einer
alten Landkarte ist.“ Er erwiderte: „Stimmt, aber ich glaube, dass es sehr
viel gefährlicher war, dem Kartographen das Taschenmesser zu überlassen,
wer weiß, ob damit nicht ein Mord geschehen hätte können. Und wenn das
Opfer zufällig dein Urgroßvater gewesen wäre, dann hätte ich dich nie
treffen können.“ Claudia lachte: „Aber gottlob war es nicht so und auch das
Taschenmesser wurde erst viele Jahre später erfunden.“
Wolf nickte: „Aber Becker hat sicher recht, wenn er meint, dass bei
Zeitreisen tunlichst alles vermieden werden sollte, was eine nachhaltige
Veränderung für die Zukunft darstellt.“
Kapitel 10

Das Sacellum

Am Tag darauf war Claudia mit ihrer Tochter Jennifer in der Stadt Salzburg
unterwegs. Die beiden unterhielten sich über die seltsame Begebenheit mit
der alten Landkarte.
„Mama, es müsste doch sehr interessant sein, gerade hier in der Altstadt
von Salzburg, wo es doch vor geschichtsträchtigen Bauten und
Monumenten geradezu wimmelt, so eine Zeitreise, wie Wolf sie mit Becker
zuweilen tun kann, durchzuführen.“
„Das hat Wolf bereits mit Becker gemacht. Becker hat ihn sogar schon zu
einem Erzbischof in dessen Gemächer mitgenommen. Aber das ist
manchmal schwer, solche Sachen auch zu verstehen.“
Vom nahen Dom erklangen die Glocken. Es war strahlend blauer Himmel
über Salzburg und sie gingen gerade am Festspielhaus vorbei, als Jennifer
auf ein steinernes Portal mit einer großen hölzernen Türe zeigte. Darin war
gerade eine ältere Frau verschwunden, „Mama, das ist doch kein Wohnhaus,
wohin ist diese Frau gegangen?“ Claudia, welche auch neugierig war, was
es mit dieser Türe für eine Bewandtnis hatte, meinte: „Das wollen wir uns
genauer ansehen“ und sie überquerten die Straße. Die beiden gingen bei der
Holztüre hinein und standen in einer sehr großen Kapelle mit einem
wunderschönen Altar. Sie sahen sich darin um. In der nur von Kerzen
beleuchteten Kapelle war es sehr düster und für Jennifer schon beinahe
unheimlich. Als plötzlich von links ein Mönch das Gotteshaus betrat und an
einem Seitenaltar einige Kerzen entzündete, erschrak das junge Mädchen
ein wenig. Nachdem der Mönch die Kapelle wieder verlassen hatte, nahm
Jennifer Claudia an der Hand und sagte: „Mama, hier ist etwas“, und
deutete auf den Boden, „da unten sind Leute, welche auf Stühlen sitzen, ich
glaube, sie sind tot.“ Claudia, die meinte, dass mit ihrer Tochter in diesem
düsteren Gewölbe wieder einmal die Fantasie durchging, schmunzelte und
sagte fragend: „Aha, tote Leute sollen da unten sitzen? Seit wann sitzen
Tote denn, ich denke die meisten Toten werden liegend bestattet.“ Da trat
plötzlich wieder der Mönch hervor, welcher die letzten Worte von Claudia
offenbar gehört haben musste und klärte die beiden auf. „Dieser Ort hier ist
eine der ältesten Kirchen von Salzburg. Ursprünglich war es die Kapelle der
alten Universität. Sie wurde das Sacellum genannt. Nur sehr wenige
Touristen finden den Weg hierher.
Unter dieser Stelle, auf der ihre Tochter gerade steht, befindet sich in drei
Meter Tiefe eine kreisrunde Gruft, an deren Außenseite zwölf steinerne
Stühle im Kreis stehen, auf welchen zwölf mumifizierte Professoren der
alten Universität ihre letzte Ruhe fanden. Diese toten Professoren sitzen im
vollen Ornat auf den Stühlen, so als würden sie jederzeit wieder zu
unterrichten beginnen.“ Jennifer lief ein kalter Schauer bei diesen Worten
des Mönches über den Rücken hinunter und sie ging einige Schritte zur
Seite. Sie nahm ihre Mutter an der Hand und sagte: „Mama, bitte lass uns
wieder hinausgehen, es ist so unheimlich hier.“ Als sie wieder draußen auf
der Straße neben dem Salzburger Festspielhaus waren, wurde Claudia klar,
dass ihre Tochter sehr empfindsam war und sie Dinge spüren konnte,
welche andere nicht wahrnahmen. Am Abend erzählte die junge Frau Wolf
von dem Erlebnis in der Kapelle. Dieser meinte: „Das sind deine Gene, die
Jennifer gerät offenbar nach dir, – also auch eine kleine Hexe. Dann können
wir sie bei der nächsten Reise nach Venedig mitnehmen. Vielleicht kann sie
uns dabei sogar behilflich sein.“
Kapitel 11

Der fehlende Totenschädel

Eine interessante Meldung in den Tageszeitungen ließ Wolf aufhorchen.


Da wurde unweit des Schlosses vom Bergbaron, welcher der Besitzer des
halben Untersberges ist, ein Skelett im Wald nahe einer Schlucht entdeckt.
Dieses Skelett wurde von der Polizei geborgen und in die Salzburger
Gerichtsmedizin gebracht, wo man versuchen wollte, die Identität des Toten
zu klären. Etwa eine Woche danach erhielt Wolf einen Anruf von Madlin,
einer jungen Frau aus Oberösterreich, die sich ebenfalls für den Untersberg
interessierte und schon vor Jahren Kontakt mit Wolf aufgenommen hatte.
Ihre Geschichte klang zwar abenteuerlich, passte aber zur Meldung über
den Fund des Skelettes dazu.
„Weißt du, wir sind vor Kurzem zu viert zum Untersberg gefahren und
wollten uns in der Nähe der Zeitlöcher etwas umsehen. Als wir uns in der
Nähe einer kleinen Schlucht auf den Boden setzten und eine Rast einlegen
wollten, hatte einer meiner Freunde plötzlich einen Rippenknochen in der
Hand. Wir glaubten alle, dass es sich dabei um einen Knochen eines Tieres
handeln müsste, wurden aber rasch eines Besseren belehrt, als wir in der
näheren Umgebung viele Skelettteile eines Menschen entdeckten. Auffällig
dabei war, dass der Totenschädel nicht dabei war. Meine erste Reaktion war,
dass wir diesen Fund der Polizei melden müssten. Über den Polizeinotruf
erreichte ich mit meinem Handy die nächste Polizeidienststelle und erklärte
den Beamten die Sachlage. Ich konnte natürlich nicht genau beschreiben,
wo wir uns gerade befanden, und so wollten die Polizisten einen
Hubschrauber zu uns schicken. Wir sollten an Ort und Stelle bleiben und
das Handy nicht ausschalten. Sie würde uns orten, aber es könnte noch eine
Stunde dauern, bis der Hubschrauber startklar war. Diese Ortung dürfte
rascher als geplant funktioniert haben, denn die Polizei rief an und die
Beamten erklärten uns, dass sie auch mit einem Auto so nah wie möglich zu
unserem Standort kommen könnten. Einer von uns sollte durch den Wald
zur ebenen Wiese im Tal absteigen und dort auf die Beamten warten. Aber
zumindest einer der anderen sollte trotzdem bei dem Skelett ausharren.
Genauso machten wir es. Freddy lief hinunter zur Wiese und kam mit zwei
Polizisten durch den Wald wieder nach oben. Wir trafen uns etwa fünfzig
Meter unterhalb des Skelettfundortes. Charly war als Einziger bei den
Knochen geblieben. Als wir bei ihm angekommen waren, traute ich meinen
Augen nicht. Charly, von welchem wir wussten, dass er Schamane war,
hatte mittlerweile begonnen die Gebeine einzusammeln und zu bestatten. Er
kniete vor der notdürftig hergestellten Grabstätte, in welche er die Überreste
des Toten gelegt hatte, und murmelte einige unverständliche Worte. Wir
drei und auch die Polizeibeamten waren entsetzt. Ich selbst dachte, dass die
Polizei Charly sogleich in die Nervenklinik transportieren lassen würde.
Dem war aber Gott sei Dank nicht so. Er musste die Knochen wieder
ausgraben und die Polizisten transportierten diese in einem schwarzen Sack
nach unten. Auch den Beamten fiel auf, dass der Totenschädel nirgends zu
finden war. Was sie aber bei ihrer Nachsuche ebenfalls entdeckten, waren
zwei Schussbolzen einer Armbrust, von denen einer in einem Baum steckte
und der andere offenbar auf einen Stein geprallt sein musste, da seine Spitze
verbogen war. War hier ein Mord geschehen? Die Polizisten nahmen unsere
Personalien auf und fuhren mit ihrem Fahrzeug und den Knochenteilen
wieder weg.“
„Madlin, das klingt ja sehr interessant, was du hier sagst, in der Presse hat
man dies nicht so ausführlich lesen können. Es stand zwar kurze Zeit später
nochmals ein Bericht in der Zeitung, indem es hieß, dass die Identität des
Toten bereits bekannt sei, aber aus gewissen Gründen nicht veröffentlicht
wurde. Meiner Meinung nach könnte das mit dem Verschwinden jenes
Künstlers in Verbindung stehen, der sich im November 1994 um drei Uhr
früh von einem Lokal in der Salzburger Altstadt mit einem Taxi zum
Untersberg bringen ließ und von dem nie wieder eine Spur auftauchte. Das
Taxi brachte ihn übrigens exakt zu dieser Stelle, wo auch das Polizeiauto
geparkt hatte. Aber wie gesagt, das ist nur eine Vermutung von mir. Über
die Bedeutung der beiden Armbrustpfeile bin ich mir noch nicht im Klaren.
Ich weiß aber zumindest, dass der Vater des verschwundenen Künstlers
damals nichts über den Vorfall mit seinem Sohn in der Presse haben
wollte.“
Madlin erwiderte: „Und ich hätte dazu auch noch etwas Interessantes. Ein
Freund von Charly, auch ein Alpenschamane, hat dort in derselben Gegend
ein Schwert gefunden, von welchem er glaubte, dass es sehr alt sein müsste.
Er hat auch Fotos im Internet davon herumgezeigt.“
„Es wird ja immer interessanter, was du zu erzählen hast“, antwortete
Wolf.
„Das ist aber noch nicht alles“, sagte Madlin, „Charly meinte, dass dieser
Oberschamane dort einen Totenkopf gefunden haben soll.“
Wolf erwiderte: „Ja, ich habe auch schon davon gehört und die Bilder
angesehen. Unser Spezialist für Altertümer, der Peter mit dem Leopold, hat
sich eingehend damit beschäftigt und festgestellt, dass dieses Schwert
keinesfalls sehr alt sein kann.“
„Weißt du, ich bin mir gar nicht so sicher, ob dieser Oberschamane
tatsächlich einen menschlichen Totenkopf dort gefunden hat, oder ob das
nur ein Gerede ist. Meine Freunde und ich haben aber beschlossen in der
bereits erwähnten Gegend eine genaue Suche nach dem Totenschädel zu
starten.“
„Ja, tu das“, sagte Wolf zu Madlin und verabschiedete sich von ihr.
Während Wolf den Telefonhörer in die Ladestation steckte, schmunzelte er
kurz, schaute zu seiner Glasvitrine, aus der ihn der fein säuberlich
gereinigte Totenkopf angrinste. Er hatte ihn rein zufällig in einem kleinen
Bach gefunden, wohin ihn das Wasser bei einem starken Regen vom
Untersberg heruntergespült hatte. Nur wenige Meter von diesem Bach
entfernt hatten die Polizisten ihr Auto abgestellt.
Kapitel 12

Umwälzungen rund um den Untersberg

Am 23. April 2016 kam es zu einem überraschenden Zusammenbruch des


Erdmagnetfeldes. Durch gewisse Sonnenaktivitäten sank für einige Stunden
das magnetische Feld der Erde auf null. Kurz darauf erhielt Wolf über das
neue Kommunikationssystem des Generals einen Anruf von
Obersturmbannführer Weber. „Ich glaube, wir haben jetzt Alarmstufe rot“,
begann dieser, „unsere Energieversorgung ist zusammengebrochen und wir
mussten unseren Generator neu starten. Wie wir inzwischen erfahren haben,
handelte es sich bei dem Ausfall des Erdmagnetfeldes um ein natürliches
Phänomen. Wir haben von unseren Basen gleich lautende Meldungen
erhalten.“
Wolf fragte ihn: „Glauben sie, dass es sich dabei um Anzeichen der
bevorstehenden Umwälzung handelt?“
Weber antwortete: „Solche extremen Magnetfeldschwankungen führen
eigentlich immer zu massiven Veränderungen im Inneren der Erde, was sich
zumeist in weltweiten Erdbeben auswirkt. Auch eine Veränderung in den
Gehirnen der Menschen auf dem gesamten Planeten ist dabei sehr
wahrscheinlich. Es könnte sich also durchaus um die Einleitung der großen
Umwälzung handeln.“
Wolf entgegnete: „Auffällig ist bei dieser Sache jedoch, dass in den
Medien kaum etwas darüber berichtet wurde. Möglicherweise will man die
Bevölkerung nicht beunruhigen und in Panik versetzen. Sicher wissen sie
auch von den Arbeiten an der Untersbergseilbahn. Seit Wochen ist der
Seilbahnbetrieb zum Gipfel des Untersberg eingestellt, da den offiziellen
Berichten zufolge eine neue Bergstation errichtet wird. Ein Jahr später soll
dann der Betrieb wiederum eingestellt werden, da dann eine neue Talstation
der Bergbahn gebaut wird und neue Gondeln installiert werden. Nach
Ansicht des Generals sind das aber nur Vorwände, um eine größere
Kontrolle am Berg auszuüben. In diesen Zeiten, wenn die Bahn still steht
und daher nur noch wenige Leute den Untersberg besteigen können, ist es
den Behörden auch wesentlich leichter möglich, überall am Untersberg
Kontrollinstrumente anzubringen, welche unsere Aktivitäten anzeigen
sollen. In diesen Zusammenhang ist auch sehr interessant, dass am 20. Mai
eine groß angelegte Katastrophenübung durchgeführt werden soll. Dabei
kommt auch eine neuartige große Drohne, die eigens für diesen Zweck im
Ausland angefertigt wurde, zum Einsatz. Dieses Gerät hat außer der
üblichen Kamerafunktionen und Wärmebilderfassungen auch die
Möglichkeit, Radioaktivität und Magnetfeldveränderungen aufzuzeichnen.
Offiziell werden dabei die Szenarien eines Flugzeugabsturzes und eines
Ausfalls der Seilbahn angenommen. Weshalb aber dabei auch radioaktive
Messungen und die Aufzeichnung des Magnetfeldes durchgeführt werden
sollen, ist nicht ganz verständlich. Auch Grimmig mit seinem BVT ist
sicher dabei involviert. Die massiven Rodungen auf der Nordseite des
Berges und die Suche am Schießplatz in Glanegg haben damit zu tun.“ Ja,
das leuchtete Wolf ein. Das alles war kein Zufall. Hier dürfte es sich
tatsächlich um eine geplante Aktion der Behörde handeln. Seltsamerweise
hörte er auch von Herbert und Elisabeth in der letzten Zeit sehr wenig.
Offenbar durften auch sie nicht mehr viel dazu bekannt geben.
Weber erzählte weiter: „Es ist auch bemerkenswert, dass gerade jetzt im
Frühjahr, wo die Flüchtlingsströme wieder stark zugenommen haben, die
Grenzen so gut wie gar nicht mehr kontrolliert werden und parallel dazu die
Untersbergbahn für Monate still gelegt wird. Der General ist darüber
bestens unterrichtet und hat bereits Gegenmaßnahmen eingeleitet.“
„Soll das heißen“, fragte Wolf, „dass Kammler jetzt möglicherweise die
Seilbahn total stilllegen lässt?“
„Da brauchen Sie sich keine Sorge zu machen, aber wir werden uns genau
ansehen, was da jetzt alles eingebaut werden wird. Es geht schließlich nicht
darum, dass wir befürchten müssen, dass unsere Zugänge gefunden werden
könnten, sondern darum, dass die Einflugschneisen der Flugscheiben
überwacht werden könnten. Auch die deutschen Behörden sowie CIA
arbeiten jetzt eng mit dem BVT zusammen.“
Wolf erwiderte: „Dazu kann ich ihnen auch ein kleines Detail am Rande
mitteilen. Als ich vor einigen Wochen eine Bekannte in München getroffen
hatte, welche zufälligerweise den Mann kennt, der im August 1987 mit
seiner Frau und ihrer Freundin am Berg in ein massives Zeitphänomen
geraten war, sagte diese zu mir, dass ihm von den Behörden verboten
worden sei, darüber zu sprechen.“
Weber antwortete: „Das deckt sich alles mit unseren Informationen. Auch
bei der Munitionsfabrik und der unterirdischen Versuchsanstalt in der Nähe
von Schneizlreuth, etwas westlich des Untersberges, dürfte es sich um
Beobachtungseinrichtungen der Deutschen und der CIA handeln.“ „Na ja“,
meinte Wolf, „dann ist unser Untersberg ja doch eine hochinteressante
Stätte. Sogar der Bürgermeister der kleinen Gemeinde Wals hat den
geschichtsträchtigen, uralten Birnbaum vom Walserfeld umhacken lassen
und den Platz, wo er stand, dem Erdboden gleichgemacht, sodass nun kaum
jemand mehr die genaue Stelle kennt, wo einst der Birnbaum gestanden hat.
Ob diese Freveltat wohl ungesühnt bleibt, wird er ja am eigenen Leib
verspüren. Der Sage nach soll ja jenem, welcher dem Baum ein Leid zufügt,
großes Unheil widerfahren. Es gibt da eine alte Geschichte, die besagt, dass
einst vor über einhundert Jahren in der Philippi-Nacht, also am 30. April,
ein paar junge Burschen den Birnbaum angesägt hätten. Kurze Zeit später
bei einem starken Wind zerbrach der alte Baum dann. Von den Burschen, so
erzählt die Sage, überlebte aber keiner das folgende Jahr. Zwar wurde
damals derselben Stelle wieder ein Birnbaum gepflanzt. Aber der neue
Bürgermeister brach jedoch nun mit der uralten Tradition und ein neuer
Baum wurde an einer gänzlich anderen Stelle gepflanzt. Vielleicht ist dieser
Bürgermeister aber nur ein Gehilfe des Schicksals. Wir werden ja sehen.“
Kapitel 13

Die Kirche und das Böse

Wolf hatte mit Claudia einen bekannten Professor in der Steiermark in der
Nähe von Graz besucht. Er hieß Heinrich und war Experte für unterirdische
Anlagen aus grauer Vorzeit. Sein Interesse galt besonders der
„Hologrammhöhle“ am Untersberg, welche Wolf vor Jahren mit der
Lehrerin Linda entdeckt hatte. Insbesondere der verglasten Oberfläche
dieser Höhlen – oder Tunnelwände galt sein Augenmerk. Es gab viel zu
besprechen über den Untersberg und auch über die vielen Entdeckungen des
Professors.
Dann aber wurde es plötzlich spannend, nämlich als Heinrich davon
berichtete, wie alt diese unterirdischen Gänge, die in großer Anzahl unter
Klöstern erbaut wurden, waren. Er ließ sogar in Moskauer Instituten
Altersbestimmungen von bearbeiteten Gesteinen durchführen, welche diese
auf mehr als zehntausend Jahre datierten. Auch Abriebspuren von den
verwendeten Werkzeugen wurden untersucht und dabei wurde festgestellt,
dass die Erbauer damals Chrom-, Vanadium- und Wolfram-legierte Stähle
verwendeten. Solche Werkzeuge kennt man aber erst seit kaum einhundert
Jahren. Auch die Profile der entdeckten Gänge waren von einer Präzision,
welche auch heute in dieser Größe nicht herzustellen ist.
Heinrich, der auch an der Grazer Universität einen Lehrstuhl besitzt,
scheute keine Mühen und konsultierte führende Vermessungsinstitute in den
USA, welche mittels Speziallaser-Instrumenten nur minimalste
Abweichungen feststellen konnten.
Aber dann erzählte er von solchen Gängen in unmittelbarer Nähe von
großen Klöstern, welche plötzlich zugemauert waren. Und zwar schon vor
mehr als fünfhundert Jahren. Sie waren nicht nur zugemauert, sondern auf
sehr große Längen mit Schlammsteinen und Erdreich verfüllt. Als Heinrich
von der Klosterseite her dort in diesen Gang hineingehen wollte, erhielt er
vom Abt keine Erlaubnis dazu. Das war eine ganz klare Ansage.
Zuerst wussten die Forscher nicht, worum es bei diesem Verbot ging,
dann zeigte ihnen der Klostervorsteher ein uraltes Dokument aus dem
Mittelalter, aus welchem ersichtlich war, dass die Kirche schon seit damals
eine Riesenangst hatte vor dem, was man in diesen Stollen, tief unter der
Erde gefunden hatte. Da soll es „Hermetische Lampen“ gegeben haben, die
mehr oder weniger ewige Lichter waren und über Jahrhunderte geleuchtet
haben sollen. Auch „andere heidnische Artefakte“ sollten vor der
christlichen Bevölkerung verborgen werden und wurden in diesen
versiegelten Gängen eingeschlossen. Überdies stießen die Forscher im über
einhundert Kilometer entfernten Klosterneuburg in der Nähe von Wien auf
Ähnliches. Und auch dort ließ der Abt keine Untersuchungen im Bereich
des Klosters zu. Aber man konnte mit einiger Sicherheit sagen, dass sich
dort vor vielen Jahrhunderten die ersten Templer verborgen hatten.
DiesenTemplerorden waren die alten Geheimnisse um die Hermetischen
Lampen und auch gewisser leuchtender Steine bekannt. Heinrich konnte so
einen seltsamen Stein bergen und zeigte ihn Wolf und Claudia. Der Stein
leuchtete von innen heraus und änderte bei Tageslicht seine Farbe. Sogar
einen Abdruck der Hand, welche ihn zuvor gehalten hatte, speicherte er
eine Zeit lang. Das waren alles unerklärliche Dinge für Heinrich. Auch
konnte niemand etwas zur Herkunft dieser dunklen, schwarzen Steine
sagen. Seitens des Klosters hieß es in der alten Schrift aus dem sechzehnten
Jahrhundert:
„Von dem schwarzen Stein geht der Hauch des Bösen aus, welches die
rechtschaffenen Christen anzieht wie die Motten das Licht. Darum muss
auch dieser Stein in drei ineinander geschachtelte Holzkisten gegeben
werden und darf nicht mit dem Wasser und Schlamm, welches von oben in
die Gänge geleitet wurde, in Verbindung gebracht werden.“
Heinrich wunderte sich selbst über diese massive Abblockung seitens der
Kirche, musste sich aber den Anordnungen des Abtes fügen.
„Worum ging es denen damals“, fragte Claudia, „haben die damals so eine
Angst vor den Templern und ihrem Vermächtnis gehabt und fürchten sich
auch heute noch vor den schwarzen Steinen?“
„Das verstehe ich auch nicht ganz“, sagte Wolf, „waren das dann doch
‚Steine der Macht‘?“ und Heinrich erwiderte: „Das muss ein sehr brisantes
Geheimnis sein, welches da über Jahrhunderte vor der Öffentlichkeit
verborgen wurde und auch so bleiben soll.“
„Worum es da wohl geht?“, fragte Wolf, „ob die Kirche tatsächlich so eine
Angst vor dem Bösen hat, ich hab keine“, und er spielte dabei auf seine
Erfahrungen mit dem Mephisto und dem dreiteiligen Keller in Rossleithen
bei der alten Mühle von Josef an.
Heinrich, der Professor, fuhr fort, als er merkte, dass Wolf durch diese
Erzählungen kaum zu beunruhigen war: „Ein Freund von mir hat sich sehr
intensiv mit dieser Sache befasst und es war ihm gelungen, durch andere
Eingänge in diese verbotenen Bereiche zu gelangen. Dort versuchte er mit
verschiedenen Tönen und Frequenzen zu experimentieren. Was er dabei
erlebte und herausgefunden hatte, war einfach gigantisch. Er wurde bei
diesen Versuchen an verschiedene Orte versetzt und musste sich von
Freunden dort abholen lassen. Das, was er dort erlebte, war so grandios,
dass er beschloss, dieses neu erlangte Wissen unverzüglich an die
Öffentlichkeit zu bringen. Er beraumte eine Pressekonferenz an. Mir sagte
er, dass diese Veröffentlichung das gesamte Weltbild erschüttern würde.
Doch dann geschah das Ungeheuerliche. Nur wenige Stunden vor diesem
Interview starb mein Freund unter unerklärlichen Umständen. Die Diagnose
lautet kurzerhand Herzinfarkt. Sein Leichnam wurde unverzüglich
eingeäschert, offenbar um eine Autopsie zu verhindern.“
Heinrich nickte nur stumm, sah Wolf und Claudia durchdringend an und
sagte dann in einem sehr ernsten Ton: „Seid vorsichtig, ich kann es nur
wiederholen, die Kirche ist mächtig und wird es nicht zulassen, dass
irgendwer an ihren Geheimnissen, an ihrer Macht kratzt.“
„So, so“, meinte Wolf, „wir werden ja sehen, schließlich wollte ich früher
auch einmal Pfarrer werden.“
„Wolfgang“, sagte Heinrich eindringlich, „das ist gar nicht lustig, ich
weiß, wovon ich spreche, hier geht es um fundamentale Dinge der Kirche.
Kein gewöhnlicher Priester weiß um diese Grundfesten, die bei einer
Veröffentlichung das gesamte katholische Weltbild, welches uns gelehrt
wurde, in Frage stellen würde.“
„Na gut, dann werde ich unseren Illuminaten Becker wieder einmal
bemühen. Vielleicht nimmt er mich in so einen unterirdischen Gang mit und
zeigt mir, was die Templer, wenn sie es waren, damals dort getrieben haben.
Die Hermetischen Leuchten deuten allerdings auf diese Bruderschaft hin.
So etwas habe ich in Ägypten schon einmal gesehen. Diese Dinger geben
zwar nur einen fahlen, grünlich blauen Schein, aber die Augen gewöhnen
sich daran und nach einigen Minuten kann man da schon etwas sehen.“
Claudia verstand, was Wolf meinte, Heinrich aber hielt das aber nur für
einen unangebrachten Scherz von Wolf. Inzwischen war es schon
Nachmittag geworden und die beiden mussten an die Heimfahrt denken.
Während der fast vier Stunden dauernden Autofahrt unterhielten sich
Wolf und Claudia angeregt über die Erzählungen von Heinrich. Sie kamen
aber auch nicht ansatzweise hinter das Geheimnis, welches von der Kirche
verborgen gehalten wurde.
„Sobald ich Becker erreiche, werde ich ihn fragen, worum es da geht. Der
weiß es mit Sicherheit“, meinte Wolf zu Claudia.
Kapitel 14

Das große Geheimnis

Becker war gar nicht verwundert, als er Wolfs Frage nach den
Befürchtungen der Kirche vernahm. „Jetzt ist anscheinend die Zeit
gekommen, in der die alten Geheimnisse veröffentlicht werden sollen. Seit
Jahrtausenden wurden diese unter Verschluss gehalten. Nur um die Macht
des Klerus aufrechtzuerhalten. Dazu war der Kirche alles recht. Was denken
Sie, weshalb die Tempelritter vernichtet werden sollten und viele auch
getötet wurden? Oder weshalb große Denker wie Giordano Bruno verbrannt
wurden. Überlegen Sie, auch die heiligen Messen wurden nur in lateinischer
Sprache abgehalten, der Teufel und die Hölle waren in den kirchlichen
Dogmen allgegenwärtig. In vielen Kirchen sieht man Dämonenfratzen und
Höllendarstellungen. Wer zu viel wusste und forschte, dem wurde
unterstellt, dass er Hexer oder Zauberer sei. Darauf stand die Todesstrafe.
Dass diese Methode System hatte und auch noch bis heute funktioniert,
kann man ja sehen. Sie haben in einem Buch über die Machenschaften der
Salzburger Erzbischöfe geschrieben und wurden prompt mit Repressalien
konfrontiert, welche, wie Sie selber am eigenen Leib verspüren konnten, bis
zur Existenzvernichtung gehen können.“
Wolf war betroffen und sah Becker an.
„Dabei haben Sie ja noch gar nicht an den Machtpfeilern der Kirche
gerührt. Sie haben lediglich deren längst verstorbene Erzbischöfe entzaubert
und als Verbrecher bloßgestellt.
Dem Freund vom Professor Heinrich ist Schlimmeres widerfahren. Der
hätte vermutlich mit einem einzigen Interview das gesamte Weltbild der
Kirche zerstören können. Deshalb ist auch die Angst des Professors nicht
unberechtigt.
Ich muss noch mal auf die Geheimnisse des Bucegi Berges
zurückkommen. Dort musste auf hohe Anordnung hin sogar der Vatikan
wegen der Entdeckungen informiert werden. Die Frage war, ob der Papst
einer Veröffentlichung zustimmen würde. Natürlich bestand seitens der
Kirche absolut kein Interesse von Bekanntmachungen dieser höchst
spektakulären Funde. Ganz genauso ist es bei diesen unterirdischen Gängen
und dem, was darin gefunden wurde. Der Kirche wäre es am liebsten, dass
sie sagen könnte, die Engel Gottes hätten die Gewölbe herausgefräst und
das ewige Licht wäre von göttlichen Gesandten dort unten deponiert
worden.
Aber das geht heutzutage nicht mehr so einfach. Sie werden es trotzdem
niemals zulassen, dass fundamentales Wissen und Artefakte der Erbauer ans
Tageslicht kommen werden.“
Wolf musste dabei an seine Rosenkreuzer Ausbildung denken. Da war
doch auch von unglaublichen Dingen die Rede gewesen. Von Intonierungen
der Vokale und den damit verbundenen Wirkungen, welche Uneingeweihten
nicht vorgeführt werden sollten. Auch vom „Roten Löwen“ war die Rede
und den Auswirkungen dieses Mittels, die geradezu unvorstellbar waren.
Da fiel ihm ein, dass das Xerum 525 ebenfalls eine rötliche Farbe hatte.
Wussten die Leute im Dritten Reich auch etwas davon? Ebenso die
Transmutation der Metalle, die dann eben nur allegorisch beschrieben
werden durfte. Wolf hatte das Glück gehabt, von erfahrenen Meistern
belehrt worden zu sein. Diese Rosenkreuzer Lehren waren ja mit dem
Wissen der Templer eng verknüpft. Aber auch davon wurde gesagt, dass
erst dann, wenn die Zeit gekommen ist, diese Geheimnisse der gesamten
Menschheit kundgetan würden. Freilich musste diese Offenbarung zugleich
auch das Ende der Kirche bedeuten und die Kleriker wussten darüber
Bescheid.
Es war, als hätte der Illuminat Wolfs Gedanken mitverfolgt und nickte:
„Ja genauso ist es tatsächlich.“
„Muss ich mich jetzt fürchten, dass mich genau solch ein Schicksal ereilt
wie dem Freund von Heinrich?“, fragte Wolf.
„Nein“, lächelte Becker. „Sie haben einen Schutz!“
„Denken Sie an den Salzburger Fußballspieler, welcher Sie vor Jahren
beim Autofahren massiv genötigt und der Sie fast eine Stunde lang mit
seinem schwarzen Geländewagen verfolgt hat. Sie haben ihn dann zur
Polizei gebracht. Später in der darauf folgenden Senatsverhandlung hat er
massiv die Unwahrheit gesagt. Am nächsten Tag war er tot. Erschossen von
zwei Jugendlichen in Afrika.
Martin, dem Meister in Ihrem Betrieb, fiel schon vor Jahren eine ganze
Serie an Todesfällen von über dreizehn Leuten auf, welche Ihnen Böses
wollten und auch taten. Sie selber aber hielten so etwas immer für bloße
Zufälle und maßen diesen Vorfällen keine besondere Bedeutung zu.“
Wolfs Cousin aus Miesbach, dessen verstorbener Vater auch ein alter
Rosenkreuzer war, hatte einen Freund, welcher ein Offizier der Schweizer
Garde war. Dieser erzählte ihm, dass in den Geheimarchiven des Vatikans
zahlreiche Schriften lagerten, welche niemals der Öffentlichkeit zugänglich
gemacht werden dürften. Auch seltene Artefakte aus der Frühzeit der
Templer lagerten dort.
Mitnehmen konnte der Offizier den Cousin dorthin nicht. Aber zumindest
seine Aussage gab zu denken.
„Sie haben recht“, antwortete Wolf, „sogar der Künstler Badr in der Oase
Farafra erzählte mir einst, dass dort in diesen Archiven des Vatikans ein
schwarzer Stein aus dem Grab Alexander des Großen liegen soll, welcher in
der Oase Siwa gefunden wurde.“
Becker fuhr fort: „In diesen Archiven befinden sich auch noch viele
andere Artefakte aus längst vergangen Zeiten, von welchen der Vatikan
überzeugt war, dass deren allgemeine Bekanntmachung das Ende der
Kirche bedeuten könnte. Im Übrigen möchte ich noch erwähnen, dass sich
im Zuge der großen Umwälzung auch die Stellung der Kirche, oder von
dem, was dann noch davon übrig bleibt, grundlegend verändern wird. Aber
mehr möchte ich ihnen vorerst darüber noch nicht sagen. Sie werden es am
eigenen Leib erleben, aber bis dahin vergeht noch eine kurze Zeit.“
Wolf hatte aus verschiedenen Prophezeiungen bereits entnehmen können,
dass die Weltreligionen mehr oder weniger abgelöst würden. Becker
erzählte weiter, „Der Islam, als die jüngster aller Religionen, wird ebenso
verschwinden wie die fernöstlichen Glaubensrichtungen, wenn die
Menschheit über die tatsächlichen Hintergründe ihrer Entstehung aufgeklärt
sein wird.
Gerade unter den Islamisten wird es zu Tumulten kommen, wenn diese
erfahren werden, dass ihr Allah nur eine von Mohammed erdachte
Geschichte ist. Die Mehrzahl von ihnen wird das nicht verstehen wollen
und es wird Mord und Totschlag geben. Sie werden sich gegen jene
wenden, die das große Geheimnis gelüftet und dabei ihren Glauben ad
absurdum geführt haben. Und vergessen Sie eines nicht, wir haben seit
Jahren eine riesige Anzahl dieser Islamisten in Europa und es werden
täglich mehr.
Wolf konnte sich bereits vorstellen, was dann passieren würde. Wenn
solche Fanatiker schon bereit waren, Karikaturen von Mohammed mit Mord
und Aufruhr zu bestrafen, was würde dann erst geschehen, wenn ihr Allah
öffentlich als Trugbild entlarvt würde.
Natürlich wäre auch das gesamte Christentum davon betroffen, aber wenn
man einem Christen eine Karikatur des Papstes auf dem Nachttopf sitzend
zeigen würde, wäre das kaum Anlass für einen Mord und den meisten
Leuten würde das nur ein müdes Lächeln entlocken. Bei den fanatischen
Islam-Anhängern ist das aber ganz anders. Ihr Mohammed darf keinesfalls
verunglimpft werden, dafür morden diese Leute sogar. Und das wird auch
geschehen.
Wolf konnte sich bereits vorstellen, dass es so kommen würde, wie
Becker sagte.
Der Illuminat fuhr fort: „Dennoch sollten sie in der Öffentlichkeit noch
nicht viel über diese Dinge verlauten lassen, denn der Klerus weiß, dass
seine Macht im Schwinden ist und er würde alles daran setzen, dies zu
verhindern. Ich könnte ihnen ein wenig von der Zukunft der nächsten Jahre
berichten, worüber sie staunen würden, aber ich möchte ihnen nichts
vorwegnehmen.“
Jetzt wusste Wolf, dass er unmittelbar in dieses Geschehen involviert war.
„Wenn sie mir schon nichts Konkretes von der Zukunft offenbaren
können, wäre es dann möglich, mich mit in die Vergangenheit zu nehmen.
In jene Vergangenheit, in der solche Anlagen wie in Bucegi-Berg, im
Untersberg oder auch in Ägypten errichtet wurden? Mich würden die
Hintergründe dieser Bauten und auch über jene, die sie errichtet haben, sehr
interessieren.“ Becker lächelte: „Sie sollten aber nicht vergessen, dass es
sich dabei um eine vielleicht gar nicht so ferne Vergangenheit, sondern bloß
um einen andere Zeitlinie, welche parallel zu Ihrer existiert. Ich möchte Sie
aber nicht verwirren, denn wenn die Umwälzung stattgefunden hat, werden
Ihnen die Hintergründe ohnehin offenbart. Es ist alles sehr einfach zu
verstehen.“
Wolf verstand es leider noch nicht. Nur zu gern hätte er einen Blick in
jene Zeit geworfen, in welcher diese uralten Bauten errichtet wurden, die er
zum Teil schon gesehen hatte, aber dennoch kaum etwas darüber in
Erfahrung bringen konnte.
Kapitel 15

Der Birnbaum vom Walserfeld

Es waren wenige Tage nach dem Nikolofest, der Untersberg war in Wolken
gehüllt, so als wollte er gar nicht sehen, was da unten zu seinen Füßen am
Walserfeld geschah. Einige Leute waren zusammengekommen wie bei einer
Beerdigung. Da standen Lastwagen mit Kranaufbau, ein Bagger und
Männer mit Motorsägen. Die Umrandung des Baumes, welche aus
Pflastersteinen und einer Holzbank bestand, wurde zuerst mit dem Bagger
ausgegraben und entfernt, worauf dann ein Mann mit einer Motorsäge die
größeren Äste des alten Birnbaumes abschnitt. Dann wurde der Rumpf des
Baumes an den Kran gebunden und mit der Säge umgeschnitten. Als das
traurige Werk vollbracht war und der Birnbaum vom Walserfeld gefällt am
Boden lag, schnitten ihm weitere Männer mit Motorsägen seine verdorrten
Äste vom Stamm. Der Mann im Bagger, der anschließend die Wurzel aus
dem Boden riss, staunte nicht schlecht, als er plötzlich in der Grube etwas
glitzern sah. Er kletterte aus dem Fahrzeug, stieg hinab in die Erde und
hatte überraschend eine kleine Kunstharzpyramide in der Hand. Allerlei
Sachen waren darin eingegossen. Kupfer und Aluminiumspäne sowie
verschiedene kleine Steinchen und ein etwas größerer schwarzer Stein
befanden sich im Inneren dieser Pyramide. Der Baggerfahrer wunderte sich.
Hier hatte jemand, dem der Baum am Herzen lag, etwas vergraben.
Einer der Arbeiter mit den Motorsägen meinte: „Wir werden aus den
kleinen Ästen Scheiben schneiden und diese als Andenken an den
Birnbaum verkaufen. Den großen Stamm sozusagen, das Herz des Baumes,
lässt sich Joachim, der Bürgermeister von Wals, im Vorraum seines
Amtssitzes aufstellen.“
„Etwas makaber diese Sache, wenn man bedenkt, dass es sich dabei um
den geschichtsträchtigen, sagenhaften Birnbaum handelt. Einer seiner
Vorgänger hat sogar schon die Schlacht am Walserfeld im Dezember 1800
miterlebt. 120.000 Soldaten kämpften damals, wobei über zwanzigtausend
Mann bereits am ersten Tag dieser Schlacht gefallen waren.“
„Wenn das kein Unglück bringt“, sagte der Dritte der Männer, „denn
dieser Baum war ja für viele Menschen mittlerweile so etwas wie ein
Heiligtum geworden.“
„Ja, aber er war doch schon morsch und er trug im letzten Jahr auch keine
Früchte mehr; außerdem ist ja vor ein paar Tagen auch ein neuer Baum
gepflanzt worden.“
„Das stimmt“, erwiderte der Erste, „aber nicht an diese Stelle hier. Dieser
Platz hier wird dem Erdboden gleichgemacht. In wenigen Jahren wird kein
Mensch mehr wissen, dass hier einst viele Jahrhunderte lang der Birnbaum
vom Walserfeld gestanden hat. Denn der neue Baum ist doch ganz
woanders gepflanzt worden. So wollte es der Bürgermeister.“
Man schrieb den 30. April 2016. Ein besonderer Tag. Es war die
Walpurgisnacht und zugleich das keltische Fest Beltane. Es war ein
herrlicher Tag mit blauem Himmel. Der Untersberg, der im oberen Drittel
noch schneebedeckt war, bildete eine imposante Kulisse zum Fest, zu
welchem der Gemeindevorsteher geladen hatte. Der neue Birnbaum vom
Walserfeld sollte heute eingeweiht werden. Auch ein Pfarrer war
gekommen, um den Birnbaum zu segnen. Ebenso wollte Inge an diesem
Tag von Köln nach Salzburg zum Untersberg kommen, war aber schließlich
verhindert und so konnte die Dame, welche schon an vielen Stellen der
Erde Orgonit Pyramiden vergraben hatte, bei dieser Feierlichkeit nicht
anwesend sein. Aber das wollte sie ja auch gar nicht. Sie hätte sich mit Wolf
und Claudia im „Alten Gasthof“ treffen wollen, denn dort gab es eine große
Zusammenkunft. Auch wusste sie nicht, dass ihre Pyramide an der Wurzel
des alten Birnbaumes bereits im vergangenen Dezember entdeckt worden
war. Viele Menschen dachten, es wäre ein Frevel, den Platz des alten
Birnbaumes zu entweihen, andere wiederum freuten sich, dass es wieder
einen neuen Birnbaum geben würde. Für den neuen Bürgermeister jedoch
war es wichtig, dass die Presse mit Fotografen eingeladen wurde. Er freute
sich immer, wenn sein Konterfei in der Zeitung und im Internet zu sehen
war.
Kapitel 16

Die Hexe vom Untersberg

Es war einer der ersten warmen Tage im Mai. Auch die Wege am
Untersberg waren wieder trocken und schon manche Bergblumen auf den
Wiesen zu sehen. Wolf parkte seinen Wagen in einer Ausweiche der
schmalen Untersbergstraße und stieg, ohne ein konkretes Ziel zu haben,
einen alten Steig empor. Er wollte, wie schon des Öfteren, einfach nur die
Umgebung des Berges auf sich wirken lassen. Nach einer halben Stunde
setzte er sich auf einer Waldlichtung auf einen Baumstumpf und lauschte
dem Zwitschern der Vögel. Auf der Wiese über ihm sah er plötzlich eine
Frau mit einem Korb heruntersteigen. Es war eine alte Frau, welche sich
immer wieder bückte und dabei etwas in ihren Korb legte. „Hallo, gute
Frau“, grüßte er, „sammeln Sie Kräuter?“
Die Frau, die schon um einige Jahre älter als Wolf schien, hielt inne und
antwortete in einem freundlichen Ton. „Ja, das stimmt, ich sammle Kräuter,
welche gerade in diesen Tagen bei Vollmond besondere Wirkung haben.“
„Aber ist dies nicht so mühsam für Sie“, fragte Wolf. „Ich habe unterwegs
weder an der Straße noch bei einem der Parkplätze ein Auto stehen sehen.
Ich nehme daher an, dass Sie den weiten Weg vom Tal herauf zu Fuß
gemacht haben.“

„Wissen Sie“, sagte die alte Frau, „für mich ist das kein Problem. Ich bin
hier zu Hause“, und deutete dabei mit der Hand hinauf zu den Felsen des
Untersberges. Wolf wusste nicht so recht, was er mit dieser Antwort
anfangen sollte. Hier in dieser Gegend des Berges gab es im weiten
Umkreis nicht einmal Almhütten. Woher mochte die Alte gekommen sein?
Und wofür waren die Kräuter bestimmt?
So als würde die Frau Wolfs Gedanken gelesen haben, begann sie zu
erzählen: „Ich bin hier zu Hause und ich wohne schon sehr lang hier oben.
Ich bin sozusagen ein Teil dieses Berges.“ Bei diesen Worten kam sie näher
zu Wolf und setzte sich ebenfalls auf einen der großen Baumstümpfe. Wolf
wunderte sich über das, was die Frau gesagt hatte. Er konnte sich
unmöglich vorstellen, wie jemand hier in einer solch unwirtlichen Gegend
wohnen konnte. Und vor allem wo? Die Frau schaute ihn unverblümt an,
lächelte und sagte: „Ich bin die Hexe vom Untersberg.“ Wolf zuckte bei
diesen Worten etwas zusammen und dachte daran, dass doch erst vor einer
Woche die Walpurgisnacht gewesen war, in welcher die Hexen der Sage
nach auf ihren Besen durch die Nacht flogen. „Nein“, erwiderte die Frau mit
einem eigenartigen Gesichtsausdruck, „Sie dürfen sich unter den Begriff
Hexe nicht etwas Grauenhaftes, Böses vorstellen. Ich bin so etwas wie eine
Beschützerin dieses Berges. Schon so manchem verirrten Bergsteiger habe
ich wieder auf den rechten Weg zurückgebracht und auch verletzten
Wanderern habe ich mit meinen Kräutersalben geholfen.“
„Dann wissen Sie also über den Untersberg ziemlich gut Bescheid“, fragte
Wolf. „Ja“, lachte die Frau, „ich kenne den Berg sehr gut und ich bin nicht
die Einzige, welche hier oben beheimatet ist. Die Zwerge, welche von den
meisten Menschen als Phantasiegestalten belächelt werden, und auch die
Mönche in ihrem zeitlosen Kloster im Berg gibt es tatsächlich. Aber warum
sage ich Ihnen das? Ihr Interesse gilt doch ganz etwas anderem.“
„Ja“, sagte Wolf, „ich möchte gerne wissen, wer diese riesigen,
kuppelförmigen Hallen im Fels gebaut hat.“ Die Alte nickte: „Ich habe sie
gesehen. Das war vor langer Zeit. Sie waren plötzlich da und kamen aus der
Zukunft. Sie deponierten hier viele Dinge, welche den Menschen in Zeiten
großer Not helfen würden. So ist auch die Sage vom Kaiser im Berg, der
einst zur großen Schlacht mit seinen Mannen herauskommen wird,
entstanden. Diese Zeit ist nahe. Ich sehe bereits die dunklen Schatten
heraufziehen, welche die große Umwälzung einläuten werden.“ Wolf
blickte auf und sagte: „Das hat mir ein Illuminat auch bereits erzählt“, und
er meinte Becker damit.
Die Alte fuhr fort: „Ja, hier im Berg ist eine große Kraft vorhanden,
welche den Menschen hier in Ihrer Heimat zur Seite stehen wird.“
„Wer sind Sie wirklich, wenn sie so etwas wissen?“, fragte Wolf erstaunt.
„Wie ich Ihnen bereits gesagt habe“, entgegnete die Frau, „ich bin ein Teil
dieses Berges und sozusagen eins mit ihm. Sie können auch sagen, ich wäre
ein Geist, was aber nicht so ganz stimmt. Aber glauben Sie mir, in den alten
überlieferten Sagen steckt viel mehr Wahrheit drin, als es die Menschen
vermuten würden.“ Die alte Frau erhob sich von ihrem Baumstumpf, stellte
sich vor Wolf und erhob ihre Stimme. „Sie sollten wissen, dass dieser Berg
hier mit seiner Dreiecksform ein Schlüsselstein für die Geschicke ihres
Volkes ist.“ Wolf lief bei diesen Worten ein kalter Schauer über den
Rücken, denn die Gestalt der alten Frau mit ihrem Korb schien plötzlich
größer zu werden und strahlte dabei eine unerklärliche, erhabene Macht aus.
„Kommen Sie mit“, sagte sie und Wolf folgte ihr zu einem nahen Felsen, an
dessen Fuße sich eine kleine Höhle befand, die offenbar tief in den Berg
reichen musste. Wolf beugte sich ein Stück hinunter und hörte seltsame
Laute aus der Tiefe. Da war Waffengeklirr zu hören, Läuten von Glocken
und er glaubte auch Trommelschläge zu vernehmen. Verdutzt schaute Wolf
zu der Frau, welche nun in einem ernsten Ton zu ihm sagte: „Die
Vorbereitungen zur großen Schlacht sind bereits in vollem Gange.“
Abermals beugte sich Wolf zu der Höhle hinunter, um zu horchen. Aber als
er wieder aufblickte, war die alte Frau verschwunden. Sie hätte unmöglich
binnen weniger Sekunden fortgelaufen sein oder sich sonst irgendwo
versteckt haben können. Etwas verwundert machte er sich auf den Rückweg
und erreichte schließlich seinen Wagen unten an der Straße. Ja, er hatte in
den alten Sagen schon einiges von der Hexe am Untersberg gelesen. Es war
für ihn jedoch niemals mehr als eine von vielen Geschichten um den Berg
gewesen. Jetzt aber hatte er sie mit seinen eigenen Augen gesehen und ihre
Worte vernommen. Auch das Waffengeklirr, welches aus den Tiefen des
Berges zu hören war, gab ihm zu denken. Davon berichteten die alten Sagen
ebenso. Wolfs Respekt vor diesen Berg wuchs zusehend. Als er am Abend
zu Claudia kam und von seinem Erlebnis mit der Hexe vom Untersberg
erzählte, hatte er eigentlich damit gerechnet, dass sie ihm das Ganze nicht
so ohne Weiteres glauben würde. Aber Claudia lachte: „Du weißt doch von
meinen Erlebnissen, von denen ich dir schon erzählt habe. Die klangen
doch ebenso fantastisch und waren dennoch wahr. Glaub mir, dieser
Untersberg hat noch mehr zu bieten, als wir bisher gesehen haben.“
Kapitel 17

Das Erbe der Tempelritter

Roland, der Redakteur eines Radiosenders in der Steiermark, meldete sich


bei Wolf. Die beiden kannten sich schon eine ganze Weile und Roland
wollte ihm etwas sehr Eigenartiges, wenn nicht sogar Einmaliges in einer
Kirche zeigen. Es war die Johanniskapelle in dem kleinen steirischen Dorf
Pürgg, am Fuße des ebenfalls sagenumwobenen Berges Grimming. Vom
Grimming gab es ebenso wie vom Untersberg zahlreiche mysteriöse
Geschichten, was möglicherweise damit zu tun hatte, dass der Grimming –
genauso wie der Untersberg – ein isoliert da stehender Gebirgsstock war.
Mit seinen 2.350 Metern war er sogar noch etwas höher als der
Untersberg bei Salzburg. Als Claudia davon hörte, dass Wolf sich mit
Roland dort treffen würde, war sie auch gleich bereit mitzukommen. Auch
sie kannte Roland und konnte sich ausmalen, dass es diesmal bestimmt
wieder etwas Interessantes zu sehen geben würde.
Sie trafen sich mit dem Redakteur direkt bei der alten Kapelle, welche
sich am Ende des kleinen Dorfes auf einem Hügel befand. Diese wurde zur
Zeit der Tempelritter erbaut und war äußerlich eine ganz profane
Erscheinung. In ihrem Inneren barg sie einen kulturellen Schatz. Roland
zeigte den beiden Wandmalereien, welche unter anderem den Krieg der
Mäuse gegen die Katzen darstellen sollten. Gemeint war wohl, dass sich das
Schwache auch gegen das vermeintlich Starke erheben kann. Wolfs Kamera
klickte unaufhaltsam. „Aber das Interessanteste dürfte sich hier befinden“,
sagte Roland und deutete mit der Hand auf den Bogen über dem Altar, „hier
könnt ihr elf Mal den Namen Allahs in altarabischer Schrift lesen.“
„Den Namen Allahs in einem christlichen Gotteshaus?“, entfuhr es
Claudia. Wolf staunte ebenfalls über diese Inschrift. „Nun ja“, meinte
Roland, „das könnte wohl bedeuten, dass es für alle nur einen Gott geben
kann, obwohl ich mir keinesfalls sicher bin, auf welche Weise diese
Inschrift hierhergekommen ist.“
Claudia meinte: „Die Tempelritter zu dieser Zeit führten doch zahlreiche
Kreuzzüge gegen die ungläubigen Sarazenen und befreiten das Heilige
Land doch etliche Male von diesen Allah-Anhängern. Weshalb hätte man
dann in dieser Zeit den Namen Allahs über den Altar Gottes schreiben
sollen?“
„So etwas ist wahrscheinlich einzigartig in einer christlichen Kirche“,
erwiderte Wolf, „es zeigt aber offensichtlich, dass die Christen, zumindest
hier in dieser Kapelle, sehr tolerant gewesen sein mussten. Ich glaube
nämlich kaum, dass Islamisten in einer Moschee ein Kreuz aufhängen
würden.“
„Das müssen wir unbedingt Herbert und Elisabeth erzählen“, meinte
Claudia, „die sind doch unsere Templer-Forscher, das wird die beiden sicher
interessieren.“
Die beiden Polizisten Herbert und Elisabeth waren bereits vorher bei
dieser kleinen Kirche gewesen, stellte sich später heraus, aber Herbert
bedankte sich bei Wolf trotzdem für den Hinweis.
„Ach ja“, entfuhr es Herbert, „der BVT-Leiter von Salzburg, ich hab dir
voriges Jahr erzählt, dass ich ihn am Untersberg getroffen habe, er wird
jetzt abgelöst. Offiziell wurde er in Pension geschickt. Aber was da hinter
den Kulissen tatsächlich abläuft, muss ich dir einmal alleine erzählen.“
„Ich kann es mir schon vorstellen“, lachte Wolf, „ich habe erfahren, dass
sein Nachfolger eine FBI-Ausbildung in den USA erhalten hat.“
„Ja“, bestätigte Herbert, „der Karl ist sehr viel in der ganzen Welt
unterwegs, der ist für alles sehr offen.“
„Ob sich der jetzt auch mit dem Untersberg beschäftigen wird?“, fragte
Wolf.
„Ich denke eher nicht“, gab Herbert zur Antwort, „ich meine, dass durch
das islamistische Bedrohungsszenario sein Interesse am Untersberg nicht
sehr groß sein wird.“
„Das wäre gut, dann können wir in Ruhe weiterforschen“, antwortete
Wolf, „aber den General in seiner Station wird das ohnehin kaum
kümmern.“
Kapitel 18

Grimmigs Befürchtungen

Der Bericht des Innenministeriums über die Sicherheitslage in Österreich


vom vergangenen Jahr, herausgegeben von Grimmigs BVT, war mehr als
erschreckend. Man befürchte, dass es infolge der vielen, bereits in
Österreich befindlichen Dschihadisten in der nächsten Zeit vermehrt zu
Anschlägen kommen könnte.
Claudia zeigte diesen im Internet abrufbaren Bericht Wolf und fragte:
„Na, was sagst du dazu, müssen wir jetzt Angst haben?“
Wolf meinte nur mit stoischer Ruhe: „Du bist ja Deutsche, dich braucht
diese Meldung vom österreichischen BVT keinesfalls zu berühren. Ich
selbst halte mich da an Beckers Worte und der hat ja schließlich gesagt,
dass wir einen besonderen Schutz haben, was immer das auch zu bedeuten
hat. Aber ich kann mich ja einmal bei unserem Freund Pollux erkundigen,
wie ernst die Lage wirklich ist.“
„Der Pollux hat ja eine eigene Sicherheitsfirma und wird sich hüten, dir da
irgendwelche Informationen zu geben. Der hat ja schon mehrfach
Schwierigkeiten mit der CIA und sonstigen Nachrichtendiensten gehabt“,
antwortete die junge Frau.
„Ist schon gut, ich weiß“, überlegte Wolf, „dann frage ich eben Becker.
Der Illuminat hat mir doch fast jedes Mal eine Antwort geben können.“
„Übrigens habe ich erfahren, dass beinahe alle meine Bewegungen
aufgezeichnet werden, und zwar über die automatische Handyortung.
Herbert und Elisabeth haben für mich eine Verbindung hergestellt zu
einem Kollegen, welcher mir das genau erklärt hat. Es ist etwas kompliziert,
aber der Mann konnte teilweise schon sagen, wo ich mich in den nächsten
24 Stunden aufhalten werde. Und das mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit.“
„Früher war das noch ganz einfach gewesen“, antwortete Claudia, „da hat
man dir einen Peilsender an deinen Wagen geheftet oder eine Wanze
eingebaut und dich damit verfolgt, aber die Nachrichtendienste gehen eben
auch mit der Technik.“
„Ja“, erwiderte Wolf, „aber dieser Techniker konnte mir auch gleich einen
guten Rat geben, wie ich diese Überwachung umgehen kann. Ich muss nur
mein normales Handy zuhause lassen und mit dem ‚Becker-Handy‘
herumfahren. Das können die nicht orten oder zumindest nicht zuordnen.
Zu viel möchte ich dir über das Ganze nicht erzählen, denn Herbert und
Elisabeth könnten möglicherweise Schwierigkeiten bekommen und
natürlich der betreffende Techniker ebenso.“
„Das ist auch besser so“, meinte die junge Frau, „aber interessant ist das
Ganze schon. Grimmigs Leute haben tatsächlich ein großes Interesse an den
Geheimnissen des Untersberges und in der Folge auch an dir.“
„Was sollte ich denen schon sagen können“, antwortete Wolf.
Claudia lächelte nur. „Na zum Beispiel, wo die Marzipanstangen versteckt
sind, oder wo das Uranoxid liegt. Ich glaube aber kaum, dass sich diese
Leute für die Goldbarren interessieren, falls die überhaupt noch im Teich
am Obersalzberg liegen.“
Claudia sprach weiter: „Ich habe in dem langen Bericht vom
Verfassungsschutz auch gelesen, wie die es anstellen, um von gewissen
Personen Informationen zu erhalten. Das ist sehr aufwendig. Zuerst wird
geprüft, ob die betreffende Person tatsächlich über die gewünschten Infos
verfügt, und dann wird ein genau auf diese Person zugeschnittener Plan
ausgearbeitet, der die Art der Annäherung und der Kontaktaufnahme
beinhaltet. Der Betreffende darf keinesfalls Verdacht schöpfen, dass er
bereits in das Visier des BVT geraten ist.“
„Aha“, schmunzelte Wolf, „das ist ja schon beinahe wie bei einem
Agententhriller. Aber ich meine, dass die in unserem Falle kaum ein
Interesse haben werden. Oder glaubst du, das BVT geht am Untersberg auf
Zwergenjagd? Obwohl mir unser Freund Becker ja bereits einige Bilder von
diversen Helfern des BVT gezeigt hat. Zwei davon habe ich übrigens schon
identifizieren können. Unterschätzen sollten wir diese Burschen jedenfalls
nicht, denn die haben jede Menge Personal und auch Geld zur Verfügung.“
Claudia überlegte und sagte dann: „Die sollten sich lieber auf die echten
Probleme konzentrieren und nicht auf Hirngespinste.“
Kapitel 19

Sant’ Ariano – Das Ossuarium – Die Stätte der


Gebeine

Wolf wollte nun, so wie ihm der Illuminat Becker geraten hatte, nochmals
nach Venedig fahren. Doch nur die Inseln Murano und Torcello sollten
diesmal sein Ziel sein. Darum würde er auch nicht ein Hotel auf dem Lido
von Venedig nehmen, sondern in einer kleinen Pension, direkt an der
Vaporetto Anlegestelle in Treporti, übernachten. Das war zum einen
günstiger und außerdem eine ordentliche Zeitersparnis bei der Autofahrt.
Wie immer war auch Claudia diesmal mit dabei. Sie brauchte sich nicht
einmal Urlaub zu nehmen, denn Wolf wollte an einem Freitag dorthin
fahren und am Sonntagabend wieder zuhause sein. Tatsächlich dauerte die
Fahrt dorthin nur viereinhalb Stunden. Am nächsten Morgen ging es dann
mit dem Schiff weiter nach Torcello. Die Frühnebel lagen noch über dem
stillen Wasser der Lagune und es war noch empfindlich kalt. Von der
Schiffsanlegestelle in Torcello, wo ein kleiner Kanal quer durch die Insel
ging, mussten sie einen halben Kilometer am Wasser entlanggehen, bis sie
die Locanda Cipriano erreichten. „Also, was soll an dieser Insel so
Besonderes sein?“, fragte Claudia, „außer ein paar Gemüsegärten und
einigen kleinen Lokalen gibt es hier ja gar nichts.“
„Und trotzdem ist das Restaurant Cipriano weltbekannt“, gab Wolf zur
Antwort, „hier hat ja schon der berühmte Autor Ernest Hemingway seine
Drinks konsumiert. Der ‚Hemingway Sour‘ ist heute noch nach ihm
benannt.“
Claudia lachte: „Und im alten Gasthof in Grödig am Untersberg gibt es
ein Getränk, welches die Wirtsleute nach dir benannt haben, den ‚Stan Wolf
Spritz‘.“
„Du brauchst mich nicht mit Hemingway zu vergleichen, dieser Autor hat
schließlich den Nobel-Literaturpreis erhalten. Ich glaube, dass ihn sein
knapper Schreibstil weltberühmt gemacht hat.“
„Hier auf Torcello hat er übrigens nicht nur an einem Buch geschrieben,
sondern auch vom Boot aus Jagd auf Wildenten gemacht.“
Claudia quittierte das nur mit einem kurzen „Aha“ und trank genüsslich
ihren Latte Macchiato aus. Wolf fragte den etwas Deutsch sprechenden
Kellner nach Hemingway und dieser führte ihn ins Innere des Lokals. Er
zeigte ihm eine Reihe Bilder, welche an der Wand hingen. Da sah man auch
Fotos von der Queen, Diana und Charles sowie zahlreicher Prominenz aus
der Filmbranche. Was diese Leute wohl hierher geführt hatte? Die Insel
Torcello hat außer einer Stille und Langsamkeit kaum etwas zu bieten.
Er fragte den Kellner noch nach der kleinen Insel Sant’ Ariano, dem
Ossuarium von Venedig. Diese würde sich nur etwa eineinhalb Kilometer
nordöstlich in der Lagune befinden, aber dort wäre kaum etwas zu sehen,
meinte der Bedienstete. Einer der Fischer ganz in der Nähe würde sicher
bereit sein, die beiden dorthin zu bringen.
„Was willst du dort eigentlich?“, fragte Claudia.
„Auf diese Insel wurden seit 1580 die exhumierten Leichen von
zigtausenden Venezianern gebracht, welche unter den Pflastersteinen der
Lagunenstadt rund um die vielen Kirchen begraben wurden.“
„Und hier hat man sie dann wieder eingegraben?“
„Nein“, erwiderte Wolf, „auf Ariano ließ man eine zwei Meter hohe
Mauer errichten und damit einen Platz in der Größe eines Fußballfeldes
umrahmen. Darin wurden dann die mehr oder weniger skelettierten Gebeine
der Toten geschichtet. Mit der Zeit wuchsen dann Brombeersträucher
darüber.“
„Das klingt schon beinahe gruselig, aber was willst du dort entdecken?“,
fragte die junge Frau. Wolf wusste es ja selbst nicht und zuckte nur mit den
Achseln. Mittlerweile waren sie am Ende der Insel angelangt. Dort lagen
einige kleine Boote vertäut und ein alter Fischer war mit dem Reinigen
seines Kahns beschäftigt. Als ihm Wolf sein Anliegen erklärte, sagte er zu
und hieß die beiden einsteigen. Der kleine Außenbordmotor schnurrte und
schon wenige Minuten später konnte man zwischen Schilf und Gestrüpp das
Eiland der Toten sehen. Einige Möwen zogen lautlos ihre Kreise, so als
wollten sie die Ruhe der vielen Toten nicht stören. „Hier zu Beginn der
Insel soll es vor vielen Jahrhunderten sogar einmal ein Nonnenkloster
gegeben haben“, erklärte Wolf der jungen Frau, „erst viel später wurden
dann die Gebeine hierher gebracht.“
Inzwischen hatte das Boot das Ende der Insel erreicht und der Fischer
drosselte den Motor. Langsam steuerte der alte Mann auf das erdige Ufer
zu, wo einige morsche Bretter einen ehemaligen Anlegeplatz vermuten
ließen. Claudia in ihrer ungestümen, jugendlichen Art wollte sofort vom
Boot springen und zu der Mauer laufen. Der alte Fischer rief ihr noch nach,
sie solle aufpassen, es sei dort sehr schlammig, aber es war bereits zu spät.
Claudia steckte bis über die Knöchel in der Erde und konnte sich kaum
bewegen.
„Das kommt davon, wenn man so spontan ist wie du“, lachte Wolf, stieg
ebenfalls vom Boot, aber auf eines der alten Bretter und half der jungen
Frau aus dem Morast. Auch der Fischer konnte sich ein Schmunzeln nicht
verkneifen und sagte: „Hier ist, soweit ich zurückdenken kann, noch
niemand an Land gegangen.“
„Aber irgendwer muss ja die Gebeine hierher gebracht haben“, antwortete
Wolf.
„Ja, aber“, entgegnete der Alte, „das ist schon Jahrhunderte her. Früher hat
man den Verwesungsgeruch bis nach Torcello riechen können, haben mir
meine Großeltern erzählt. Die haben damals nämlich sogar halb verweste
Leichen hierher gebracht, die dann erst nach vielen Jahren zu Skeletten
wurden. Eine makabre Kuriosität hat mir mein Großvater erzählt. Vor über
hundertfünfzig Jahren ist ein Zuckerfabrikant auf die Idee gekommen, den
Kalk in den Knochen zur Zuckerraffinierung zu verwenden und ließ ganze
Schiffsladungen von den Gebeinen von hier abholen.“
Als Claudia diese Worte hörte, wollte sie doch nicht mehr zur Mauer
gehen, um einen Blick in dieses Gebeinelager zu werfen. Als der alte Mann
sah, dass Wolf nun doch weiterging, rief er ihm deshalb noch nach: „Passen
sie auf die Schlangen auf. Ich weiß zwar nicht, ob es giftige sind, aber es
gibt sehr viele davon auf dieser Insel.“ Claudia hatte es sich nun doch nicht
nehmen lassen, Wolf zu folgen, und war bereits dicht hinter Wolf, als dieser
eine verfallene Stelle in der Mauer entdeckte, wo man in diesen riesigen
Haufen von Gebeinen hineinblicken konnte. Zwar war dieser zum Großteil
mit Brombeerhecken überwuchert, es waren trotzdem viele sterbliche
Überreste darin zu sehen. Der jungen Frau lief ein kalter Schauer über den
Rücken, als sie aus den Augenhöhlen eines am Rande der Mauer liegenden
Totenschädels eine kleine Schlange kriechen sah. Sie stieß einen spitzen
Schrei aus, welcher ihr Grausen zum Ausdruck brachte. Sie drehte sich um
und lief, so rasch sie konnte, zum Boot zurück. Aber auch Wolf hatte genug
gesehen und wusste nun, dass die Geschichte dieser Insel doch den
Tatsachen entsprach. Auch er ging jetzt zurück und kurz vor dem Boot sah
er dann die junge Frau wieder hilflos im Schlamm stecken. Nachdem ihr er
auch ein zweites Mal aus ihrer misslichen Lage geholfen hatte und sie
wieder im Boot saß, lachte er, als sie ihre Füße über den Rand des kleinen
Kahns in das Wasser hängen ließ und sich notdürftig mit den Fingern den
Schlamm wegwischte. „Gut, dass ich ein zweites Paar Schuhe dabei habe“,
sagte sie ganz ruhig. Wolf wusste aber, dass sie innerlich tobte, und
verzichtete deshalb auf weitere Kommentare. Der Fischer bot den beiden
an, sie direkt zur Locanda Cipriani zu fahren. „Das ist eine gute Idee“, sagte
Wolf, „dann kann ich dir die Bilder von Hemingway zeigen, die dort in der
Gaststube hängen. Zudem soll es ein ausgezeichnetes Speiserestaurant sein
und Essenszeit ist es ja auch gerade.“ Claudia staunte nicht schlecht, als sie
nach dem Essen die vielen Fotos an den Wänden sah, auf welchen nicht nur
Hemingway, sondern auch sehr viel Prominenz aus aller Welt abgebildet
war. Die gesamte englische Königsfamilie sowie eine Unzahl von
weltberühmten Filmschauspielern waren da zu sehen.
„Irgendetwas muss diese Insel doch an sich haben“, meinte die junge
Frau, „dass so viele Berühmtheiten hierhergekommen sind.“ Wolf nickte
und meinte nachdenklich: „Ja, vielleicht geht von diesem Eiland eine
gewisse Inspiration aus, welche auch der Hemingway für sich zu nutzen
wusste.“
Am nächsten Tag fuhren die beiden mit dem Vaporetto, so wie geplant,
nach Murano. Wolf war ja dort vor Jahren mit Linda beim Haus des Ordo
Bucintoro gewesen, in welchem Julietta Montefeltro, als Chefin des Ordens,
viele Jahre gewohnt hatte. Das Haus war schon damals verlassen gewesen
und sie verzichteten damals das Anwesen zu betreten. „Glaubst du, dass wir
dort noch irgendetwas von der schwarzen Dame entdecken?“, fragte
Claudia.
„Das gerade nicht“, erwiderte Wolf, „aber zumindest werden wir auf ihren
Spuren wandeln.“
„Wenn dass der Haymo wüsste“, lachte Claudia. Das Haus war in den
vergangenen Jahrhunderten schon sicher einige Male renoviert worden,
trotzdem war es jetzt in einem fast baufälligen Zustand. Aber im dahinter
liegenden, verwilderten Garten befand sich ein Steintisch, welcher
sicherlich noch aus Julias Zeiten stammen musste. Er schritt darauf zu und
auch Claudia schien von diesem Relikt aus alter Zeit fast magisch
angezogen. Sie legte ihre Hände auf die alte, verwitterte Steinplatte und
schloss ihre Augen. Ein Schauer durchfuhr die junge Frau, der sie nur dann
überkam, wenn etwas Besonderes geschah. „Ich glaube, dass Julietta hier
gesessen hat.“
„Wie kommst du auf eine solche Idee?“, fragte Wolf und blickte sie an.
„Ich habe“, antwortete Claudia, „als ich die Augen geschlossen hatte, die
Julietta hier am Tisch gesehen. Natürlich war dies eine Vision. Sie nickte
uns zu. Weiß der Himmel, dann ist diese doppelt Unsterbliche bestimmt
eine Zeitreisende, so wie unser Freund Becker, auch wenn das Haymo, der
Herr vom Pflasterstein, niemals zugeben würde.“
„Sprich nicht so über ihn“, erwiderte Wolf, „immerhin war es seine Sache,
sein Part, die doppelte Unsterblichkeit der Sacerdotessa publik zu machen.“
„Und der Rest ist wohl jetzt unsere Sache – sozusagen auf Latein ‚Causa
Nostra‘“, lachte Claudia.
„Ein wenig Bescheidenheit stünde dir ganz gut, meine Liebe. Wir wissen
doch bis jetzt kaum etwas von dieser mysteriösen Dame. Sie war die Chefin
vom Ordo Bucintoro, daher hat sie auch mit dem Herrn vom Schwarzen
Stein zu tun.“
Claudia kombinierte: „Uns hat sie schließlich in der Kirche Maria e
Donato das Versteck des Bergkristalles mit den drei Enden auf der Insel
Unije offenbart und über deine Tochter Sabine ließ sie dir ausrichten, wo du
den Ring des Komturs der Herrn vom Schwarzen Stein finden wirst.“
„Genau“, sagte Wolf, „und den habe ich dann am Ettenberg auch
gefunden.“ „Und er passt dir wie angegossen“, stellte Claudia fest. „Das
macht alles Sinn“, meinte Wolf, „aber wie geht es jetzt weiter? Soll ich jetzt
wieder einmal sagen: Irgendwie geht es immer?“
„Abwarten“, sagte die junge Frau, „ich bin mir sicher, dass wir in Kürze
bestimmt weitere Informationen bekommen werden.“
Kapitel 20

Die unterirdische Forschungsanstalt WTD 52

Peter mit dem Leopold hatte eine wichtige Mitteilung für Wolf. Er übergab
ihm Unterlagen über eine ultrageheime Anlage der deutschen Bundeswehr,
welche sich in einem Nachbargebirge des Untersberges befinden sollte.
Peter hatte ihm schon einige Male davon erzählt, aber jetzt, da er einen
dicken Ordner mit detaillierten Daten und sogar Plänen mit Fotos in
Händen hielt, wunderte er sich doch. Er zeigte die erhaltenen Unterlagen
am Abend Claudia. Auch ihr kam diese Angelegenheit sehr merkwürdig
vor.
„Meinst du“, sagte Claudia, „wenn diese wirklich authentisch sind, dann
grenzt das Ganze an einen Geheimnisverrat ersten Ranges. Ich kann mir
auch gar nicht vorstellen, wie unser Peter an solche Sachen herankommt.“
Wolf erwiderte: „Nun, woher er diese Unterlagen hat, wollte er mir auch
nicht sagen, aber er meinte, dass ich sie ohne Weiteres für meine
Recherchen verwenden kann, es hätte alles seine Ordnung.“ Claudia
überlegte und sagte dann: „Weißt du, wir kennen den Peter jetzt schon seit
einigen Jahren und er hat dir von Anfang an bei deinen Recherchen sehr
hilfreich zur Seite gestanden.“ „Ja, ich weiß“, antwortete Wolf, „dort, wo
ich nicht mehr weitergekommen bin, hatte er jedes Mal weiterführende
Informationen zur Hand, von denen ich mir nicht vorstellen konnte, woher
er diese hatte. Denk doch daran, wie wir im Zementwerk in Grödig die
riesigen Stollenanlagen besuchen konnten. Dort hinein durften nicht einmal
Presse und Fernsehen. Er meinte damals nur, der Besitzer des riesigen
Zementwerkes wäre ein alter Schulfreund von ihm und deshalb war es den
Mitgliedern unseres Isais Ringes gestattet, diese unterirdischen Anlagen,
welche teils aus der Kriegszeit stammten, zu betreten.“
„Ja, und denk auch an das Schieferöl, welches du aufwendig aus den
Steinen vom Adolfstollen in ganz kleinen Mengen extrahiert hast. Plötzlich
kam Peter mit zwei Halbliterflaschen von dem Zeug und gab sie dir.“ „Er
hat auch in Sachen Computer und Internet ein sehr großes Wissen“,
ergänzte Wolf, „und auch was Abhörtechnik betrifft, hat er mich des
Öfteren zum Staunen gebracht.“
„Denk auch an die aktuelle Sache mit der Kontaminierung des
Schießplatzes am Fuße des Untersberges. Auch da war es Peter, welcher
den Kontakt zu dem Chef des Entminungsdienstes hergestellt hat.“
Claudia blickte ernst auf und sagte: „Wenn man all diese Dinge
zusammen betrachtet, dann deutet doch einiges darauf hin, dass unser Peter
einem Geheimdienst angehören könnte oder zumindest enge Beziehungen
zu einem solchen hat. Du solltest Becker demnächst in dieser
Angelegenheit fragen.“
Wolf nickte und meinte: „Das ist eine gute Idee, aber vorher werde ich
mich erst einmal mit dieser unterirdischen Versuchsanlage beschäftigen.“
Nachdem sich Claudia die Pläne und Karten in dem Ordner von der
Versuchsanlage angesehen hatte, meinte sie: „Dort, nach Oberjettenberg
und nach Schneizlreuth, würde ich gerne mit dir hinfahren. Ich kenne mich
in diesem Gebiet nämlich recht gut aus, weil ich in meiner Jugend dort oft
mit den Eltern wandern war.“
Wolf nickte und erwiderte: „Ja, das ist eine gute Idee. Ich besorge uns
noch ganz genaue Wanderkarten von der Gegend und dann sehen wir uns
diese Sache mal oberirdisch an. Dem Peter werden wir aber vorerst von
unserer Vermutung nichts sagen.“
Sie wollten aber zuerst gutes Wetter abwarten und auch Claudias Tochter
Jennifer sollte diesmal mitgehen. Diese hatte aber fürchterliche Angst, dass
sie sich wieder Blasen an den Fersen holen würde, denn beim letzten
Ausflug auf eine Alm war es ihr nicht sehr gut ergangen. Wolf konnte das
Mädchen aber beruhigen, indem er ihr erklärte, dass ein Erkundungsausflug
für ihn meistens eine Fahrt mit dem Auto war.
Er hatte von Claudias Vater, welcher über zwanzig Jahre lang als Major
einer Panzertruppe in der Nähe von Pocking gedient hatte, mittlerweile in
Erfahrung gebracht, dass diese militärische Versuchsanlage in den
bayrischen Bergen sehr wohl existierte und Peters Informationen absolut
den Tatsachen entsprachen. Dietmar, so hieß Claudias Vater, erzählte auch,
dass er schon vor vielen Jahren bereits in dieser zum größten Teil
unterirdischen Anlage gewesen sei. Die Versuchsanstalt sei tief in den Berg
hineingebaut und habe eine Stollenlänge von ca. 3 Kilometern aufzuweisen.
Er berichtete von utopisch klingenden unterirdischen Bauten wie zum
Beispiel einem sechzig Meter tiefen, riesigen, wassergefüllten Schacht, in
welchem Versuche mit Materialien für Taucher und an Teilen für U-Boote
durchgeführt wurden. Ebenso waren dort Nuklearversuche gemacht
worden. Diese Versuchslabors sollten hauptsächlich dem Schutz der
Soldaten dienen, aber auch die Erprobung von Waffensystemen war eines
der Ziele dieser Anstalt. Es war der sechste Juni, als sich die drei auf den
Weg nach Oberjettenberg machten. Nach einer halben Stunde erreichten sie
die gut beschilderte Versuchsanstalt. Anstatt eines idyllischen, bayrischen
Dörfchens mitten in den Bergen erblickten sie drei Meter hohe
Sicherheitszäune und dahinter liegende, modern aussehende Betonbauten,
als Jennifer zu Wolf meinte: „Du, halte mal an, ich glaube, ich höre einen
Hubschrauber.“ Tatsächlich wurde das Knattern der Rotorblätter immer
lauter. In diesen Moment hatten sie bereits das militärische Gelände erreicht
und sahen auf der rechten Seite einen Helikopterlandeplatz, an dem ein
Hubschrauber gerade im Begriff war zu landen. An einem langen Tau hing
unter dem Polizeihubschrauber ein Quad, welches vorsichtig abgesetzt
wurde. Wolf fotografierte das Geschehen mit dem Teleobjektiv. „Schau,
was an den Zäunen auf den Schildern steht: „Militärischer
Sicherheitsbereich! Unbefugtes Betreten verboten! Vorsicht
Schusswaffengebrauch! Videoüberwachung! Jennifer war ein wenig
verunsichert. Claudia aber dachte sich nichts dabei und auch Wolf fuhr
davon unbeeindruckt an diesem Zaun mit den vielen Schildern entlang.
Dahinter konnte man einige moderne Gebäude und auch die Talstation einer
Seilbahn erkennen. Diese Bahn sollte nach Auskunft Dietmars eintausend
Meter hinauf auf das Plateau der Reiter Alpe führen. Dort oben wurden, so
Dietmar, Versuche mit panzerbrechenden Geschossen durchgeführt. „Ich
werde mir diese Reiteralpe mit der Cessna von oben ansehen“, meinte Wolf.
Claudia fragte: „Darfst du eigentlich so ohne Weiteres über deutschem
Staatsgebiet fliegen“? Er antwortete: „Die österreichische Grenze läuft nur
einige Kilometer neben diesem Versuchsgelände, da fliege ich einhundert
Meter über Grund darüber hinweg, und wenn sich jemand aufregt, dann
habe ich mich einfach verflogen.“

Sie entdeckten beim Weiterfahren eine große Baustelle innerhalb des


militärischen Sperrgebietes, mussten aber dann wieder umdrehen, da die
Straße plötzlich zu Ende war. Als sie wieder beim Hubschrauberlandeplatz
vorbeikamen, war wiederum der Polizeihelikopter zu sehen, welcher ein
großes Netz, das mit Kisten beladen war, absetzte. „Ich glaube, dass wir
hier nicht viel mehr zu sehen bekommen. Es sind ja überall
Überwachungskameras installiert und auch ist alles mit hohen Zäunen
abgesichert.“ Als sie wieder zurückfuhren, sah er einen Waldweg, der durch
einen Bach führte. Kurzerhand fuhr Wolf hindurch und schon wenige Meter
danach standen sie vor einer Wildfütterungsstelle, bei der sie ebenfalls
wieder umdrehen mussten. Wildfütterung war das Stichwort für Jennifer, da
auch sie mittlerweile Hunger verspürte und gefüttert werden wollte.
Kurzerhand fuhren sie zum nächstgelegenen Gasthof. Dort kehrte auch
zufälligerweise der Pilot des Polizeihubschraubers mit seinem Helfer ein.
„Mama, glaubst du, dass uns die beiden gefolgt sind, weil wir so lange beim
Hubschrauberlandeplatz gestanden sind und Wolf so auffällig fotografiert
hat“, fragte Jennifer etwas ängstlich ihre Mutter. „Aber nein Kind, die
haben auch nur Hunger, so wie du.“ Irgendwie schien Jennifer der Appetit
abhandengekommen zu sein. Sie musste immer wieder daran denken, dass
auf den vielen Schildern das Wort Schusswaffengebrauch gestanden hatte.
„Ich möchte nur zu gerne wissen, was die da im Berg wirklich machen“,
sagte Wolf und bestellte sich noch einen Johannisbeersaft, „ich werde bei
nächster Gelegenheit unseren Freund Becker fragen. Vielleicht könnte er
mich sogar in die Anlage mitnehmen.“ Jennifer, die Becker nur aus
Erzählungen ihrer Mutter kannte, konnte sich nicht vorstellen, wie dieser
geheimnisvolle Mann Wolf ins Innere dieser Hochsicherheitsanlage bringen
würde. Wolf ignorierte aber eine diesbezügliche Frage von Claudias
Tochter, wahrscheinlich war sie noch zu jung, um die Hintergründe des
Illuminaten zu verstehen. Als er nach einigen Tagen Becker kontaktierte,
meinte dieser: „Es wird diesmal nicht so einfach sein, denn die
Sicherheitsmaßnahmen in diesem Bunker sind enorm, aber wir werden
hineinkommen.“ Wolf nickte.
„Aber es gibt da noch etwas Interessantes in dieser Gegend. Und zwar die
alte Munitionsfabrik in Fronau, die liegt nur wenige Kilometer Luftlinie
von der Versuchsanstalt entfernt und wurde schon 1936 erbaut.“
„Da könnte der General seine Hände im Spiel gehabt haben“, meinte
Wolf.
„Was haben die damals alles hergestellt?“
„Munition jeder Art“, antwortete Becker, „von Patronen bis zu Granaten
Bomben und Sprengstoff. Aber sie haben dann in den vierziger Jahren auch
an damals ganz neuartigen Waffensystemen gebaut, so zum Beispiel an der
Kraftstrahlkanone.“
Wolf horchte auf, „Kraftstrahlkanone“, so etwas hatte er doch schon vom
General gehört. So ein Ding war doch laut dessen Aussage ja im
„Adolfstollen“ versteckt worden. Nun würde er noch einige Informationen
einholen.
Als Erstes telefonierte er mit Claudias Vater Dietmar. Dieser wusste von
einem vor Jahren verstorbenen Freund, dass in der Munitionsfabrik in den
letzten Kriegsjahren Versuche mit hochgeheimen Waffen durchgeführt
wurden. Was das aber genau war, konnte auch dieser nicht sagen. Er war
aber einer der ganz wenigen, die davon Kenntnis hatten. Es ging dabei nicht
nur um die Kraftstrahlkanone, sondern auch um
Gravitationsveränderungsgeräte. Diese Abteilung arbeitete eng mit den
antriebstechnischen Werkstätten in Bad Aibling zusammen und hatte auch
etwas mit der Vril-Gesellschaft zu tun. Wolf fragte Dietmar: „Warum hast
du nie etwas davon erzählt?“
„Ich wusste nicht, ob das heutzutage noch für irgendjemand interessant
sein würde und außerdem war ich doch als ehemaliger Major der
Panzertruppe zur Geheimhaltung verpflichtet“, antwortete dieser.
Nachdem er auch Claudia von diesen Dingen berichtet hatte, meinte er zu
ihr: „Jetzt ist es an der Zeit auch den General danach zu fragen, Vril, Bad
Aibling, Gravitationsmaschinen, das alles passt doch genau zu Kammlers
Tätigkeit. Ich bin mir sicher, der weiß eine Menge zu diesem Thema.“
„Ich will dich ja nicht desillusionieren“, erwiderte Claudia, „aber ich habe
inzwischen herausgefunden, dass die in der Forschungsanstalt WTD 52
sogar schon einen Tag der offenen Tür gemacht haben und Führungen gibt
es angeblich dort auf Anfrage auch. Auch in die Untertage-Anlage kann
man dabei hineingehen. Also so ultrageheim kann das doch dann gar nicht
sein.“
„Nun“, gab Wolf zur Antwort, „vielleicht gerade deswegen! Die Leute
werden im Glauben gelassen, dass es sich eben um herkömmliche
Forschungsarbeit handelt, aber dass dort tatsächlich an ganz geheimen
Sachen gearbeitet wird, vermutet dann auch niemand.“
Der General konnte Wolf schließlich bestätigen, dass damals in der
Munitionsfabrik unterirdische Anlagen im großen Stil errichtet wurden.
Und als abzusehen war, dass die Bombardements der Alliierten immer
näher rückten, wurden die Arbeiten an den Bunkern rasch vorangetrieben.
„Wir haben damals den Grundstein für die heutige Forschungsanstalt
gelegt“, sagte er. Er war erstaunt, dass der General so bereitwillig von
diesen Dingen erzählte. „Hat das auch mit den Projekten ‚Laternenträger‘,
‚Chronos‘ und mit der Glocke zu tun?“, erkundigte sich Wolf.
„Sehen Sie“, gab Kammler zur Antwort, „wir mussten mit unseren
Geheimprojekten in die Berge. Dort in den engen Tälern konnten wir tiefe
Bunkeranlagen errichten, welche so gut wie unangreifbar waren. Freilich
war die Verkehrsanbindung nicht so gut wie im flachen Land, aber dafür
waren wir eben sicher.“
„Weshalb wurde dann aber der Untersberg als Sitz für Ihre Station
ausgewählt?“, fragte Wolf.
„Das hat nur mit den Zeitphänomenen zu tun. Wir haben in den letzten
Kriegstagen alles für uns Wichtige von dort herüberbringen lassen. Einzig
die Vorläufer der Kraftstrahlkanone wurden dort gelassen. Damit konnten
sich die neuen Betreiber der Versuchsanstalt dann ausgiebig beschäftigen.
Ich glaube aber kaum, dass dabei etwas Brauchbares herausgekommen ist.
Wichtig waren für uns eigentlich nur die Beherrschung der Zeit und die
steuerbaren Dimensionstore.“
Wolf hatte noch eine brennende Frage an Kammler und jetzt, da der
General sehr gesprächig zu sein schien, glaubte er, den richtigen Zeitpunkt
dafür erwischt zu haben: „General, als Sie uns vor Jahren nach
Fuerteventura geschickt haben, um die zwei Bleizylinder aus den Labors
unter der Villa Winter zu bergen, da musste ich mit meiner Begleiterin, der
Lehrerin Linda, durch große tiefe Lavahöhlen hinuntersteigen. Schon
damals ist mir bewusst geworden, dass ja die Kanaren vulkanischen
Ursprungs sind und daher auch auf allen der sieben Inseln solche
Lavahöhlen zu finden sein müssten. Ich sage das deshalb, weil ich vor
vielen Jahren, als ich wochenlang mit dem Mietwagen auf der Insel
Lanzarote herumgefahren bin, um Olivin-Steine zu suchen, auf ein Gebiet
mit riesigen Lavahöhlen gestoßen bin. Zwei Höhlen in der Nähe wurden
schon damals touristisch genutzt, aber nicht weit davon befindet sich eine
sehr große Höhle, welche sich über viele Kilometer erstreckt. Ich bin
damals mit starken Lampen und gut ausgerüstet in so ein Labyrinth
hinabgestiegen und habe dort nach stundenlanger Suche Spuren einer
Bearbeitung des Bodens entdeckt.“
Der General stutzte: „Auf Lanzarote sagen Sie? Dort im Norden dieser
kargen Vulkaninsel in der Nähe des kleinen Hafens Orzola wurde von uns
in einer viele Kilometer langen Lavaröhre ein Depot-Stützpunkt errichtet,
wo wir Einlagerungen durchführten. Auch auf der unbewohnten Insel
Alegranza, welche sich zwanzig Kilometer nördlich von Lanzarote befindet,
hatten wir ein kleines Depot in der Nähe des alten Leuchtturmes.“
Jetzt hatte Wolf wieder ein neues Ziel, um Erkundungen anzustellen. Das
nächste Mal, wenn er wieder günstige Flugstunden auf Gran Canaria
absolvieren würde, konnte er sich gut vorstellen, dass ein oder zwei Tage in
Lanzarote für Forschungen möglich sein konnten.
Als er Claudia vom Gespräch mit dem General erzählte und auch eine
kurze Reise nach Gran Canaria vorschlug, meinte sie: „Wir haben meine
Tochter Jennifer im Vorjahr auch bei Franz in Ägypten dabeigehabt, ich
glaube, dass ihr Gran Canaria auch gut gefallen würde.“ „Das wird aber
bestimmt kein Badeurlaub“, entgegnete Wolf, „wir werden da täglich
unterwegs sein und auch an das Fliegen in der kleinen Piper wird sich deine
Tochter gewöhnen müssen. Ich möchte mir nämlich unbedingt die Gegend
über dem Norden von Lanzarote und auch die kleine Vulkaninsel Alegranza
aus der Luft ansehen.“
„Ich weiß nicht so recht, ob das funktionieren würde“, antwortete Claudia,
„der Vater von Jennifer hat ihr offenbar verboten zu dir ins Flugzeug zu
steigen, und was der Papa sagt, das macht sie auch. Ich werde aber auf alle
Fälle mit ihr reden.“
Kapitel 21

Feuer und Eis

Wolf wusste, dass die speziellen Nachforschungen am Untersberg sowohl


von den deutschen Behörden als auch von österreichischer Seite fast
ausschließlich in den sogenannten toten Zeiten, wenn wenig oder gar keine
Besucher am Berg waren, durchgeführt wurden. So war es auch nicht
verwunderlich, dass für den Zeitraum des Umbaues der Bergstation eine
groß angelegte Übung für Katastrophenfälle anberaumt wurde. Über
vierhundert Feuerwehrleute, Polizei und Militär samt einigen Helikoptern
wurden dabei eingesetzt. Angenommen wurde das Szenario eines Brandes
von Latschenfeldern in Gipfelnähe, welcher die Seilbahn, Bergstation und
eine Schutzhütte gefährden würde. Zudem wurden die Steige und Wege auf
den Berg abgeriegelt, angeblich um keine Personen zu gefährden. Wolf
nahm wenige Tage vor der „Übung“ Kontakt mit Weber auf, der nur meinte:
„Der General weiß bereits Bescheid und hat schon Maßnahmen ergriffen.
Unsere Eingänge sind gut geschützt. Es besteht keinerlei Gefahr für unsere
Station. Genauso wie im Vorjahr während der sogenannten Übung für den
G-7 Gipfel, bei welcher achthundert Bundespolizisten in Marktschellenberg
stationiert waren und am Untersberg herumgestreift sind, werden die
Einsatzkräfte auch diesmal keinen Erfolg haben.“ Wolf wusste, dass Weber
recht hatte, und konnte sich gut vorstellen, dass der General, wenn es
notwendig sein sollte, über Mittel verfügen würde, diese Aktionen zu
verhindern. Drei Tage vor Beginn dieser Großübung gab es überraschend
einen Meter Neuschnee in Gipfelhöhe, was für Mitte Mai sehr
ungewöhnlich war. Zudem herrschte am Tage des Einsatzes sehr starker
Nebel im oberen Drittel des Berges, was den Einsatz der Hubschrauber in
Gipfelhöhe unmöglich machte. Dass Kammler über die Möglichkeit der
Wetterbeeinflussung verfügte, wusste Wolf spätestens nach der Sache mit
dem Grünbach. Aber der starke Schneefall konnte natürlich auch Zufall
gewesen sein. Um bei der Bevölkerung kein Misstrauen zu erregen, wurde
am Fuße des Berges, bei den Steinbrüchen, ein demoliertes Auto mit zwei
Puppen auf die Seite gelegt und man ließ publikumswirksam die
Feuerwehrleute eine Personenbergung üben.
Zur selben Zeit wurde massiv von verschiedener Seite versucht, Wolf für
Auskünfte über die in Frage kommenden Stellen am Berg zu kontaktieren.
Bestimmt hatte das Ganze auch mit der Kontaminierung des
Schießplatzgeländes zu tun.
„Weißt du“, sagte Wolf zu Claudia, „ich werde Becker ersuchen, dass er
mich zum Berg mitnimmt. Dann könnte ich mich dort in Ruhe umsehen.
Vielleicht ist da oben etwas Interessantes zu sehen?“
„Und ich muss wieder hierbleiben“, sagte Claudia trotzig wie ein kleines
Kind. „Wenn es wirklich spannend wird, dann erledigst du das alleine.“
„Nein“, erwiderte Wolf, „so ist es auch wieder nicht. Immerhin warst du
bei fast allen Entdeckungen mit dabei. Aber Becker wird schon seine
Gründe dafür haben, dass er diese Ausflüge in die Vergangenheit mit mir
allein machen will.“
Als er einige Stunden später tatsächlich mit dem Illuminaten am tief
verschneiten Plateau des Berges stand, konnte er sehen, dass dort keine
Feuerlöschübungen durchgeführt wurden, sondern viele eigenartige
Messgeräte aufgebaut waren. Die Leute, welche mit diesen Geräten
beschäftigt waren, nahmen offenbar keine Notiz von den beiden. Auf Wolfs
Frage, was das denn für einen Grund hatte, antwortete Becker: „Das sind
spezielle Ortungsgeräte für alle möglichen Frequenzen, aber die Station des
Generals können die mit diesen Instrumenten nicht finden.
Auch ist es damit nicht möglich die Kommunikation mit den
verschiedenen Basen abzuhören.“
„Ich kann mir das gut vorstellen“, antwortete Wolf, „denn hier am Berg
spielt doch in allen Bereichen der Faktor ‚Zeit‘ eine wichtige Rolle. Und
das nicht nur im übertragenden Sinn.“
Am nächsten Tag wollte Wolf den Stefan aus Marktschellenberg fragen,
ob auch dort auf der deutschen Seite des Untersberges zu dieser Zeit
irgendwelche Aktionen von den betreffenden Behörden durchgeführt
wurden, was dieser aber verneinte. „Aber weißt du“, sagte Stefan, „als ich
das letzte Mal zur Toni Lenz’ Hütte hinaufgegangen bin, war alles ganz
normal, aber beim Abstieg sind mir zwei dunkel gekleidete Männer im
Anzug und mit eleganten Straßenschuhen begegnet. In ihren Händen trugen
sie feine Aktenkoffer. Es sah aus, als gingen die beiden zu einer
Vorstandssitzung. So etwas ist dort am Berg aber nicht nur
außergewöhnlich, sondern auch gefährlich. Ich weiß zwar selbst nicht, was
ich davon halten soll, ich wollte es dir aber sagen. Vielleicht kannst du
etwas damit anfangen.“ Wolf bedankte sich bei ihm, konnte aber diese
Meldung von Stefan ebenfalls nicht einordnen. Außergewöhnlich war es
aber, zumal er vor Monaten auch schon ein ähnliches Erlebnis von anderen
Wanderern gehört hatte. Ebenso wurde von Leuten, welche das erste Mal
auf dem Berg waren, berichtet, dass ganz eigentümliche Gerüche zu
bemerken waren. Und zwar in Gegenden am Berg, welche kilometerweit
von einer Schutzhütte oder Alm entfernt lagen.
Freilich wäre es möglich, dass solche außergewöhnlichen Erlebnisse
deshalb vermehrt auftraten, da auch die Zahl der Suchenden am Berg stetig
anstieg. Mit den Zeitphänomenen war das ebenso. Die Berichte von Leuten,
denen so etwas widerfahren war, häuften sich. Es war dabei von wenigen
Minuten, welche nur mit einer Uhr festzustellen waren, bis zu
Unterschieden von zweiTagen die Rede.
Kapitel 22

Rumänienreise zum Bucegi

Es war im Sommer, als Claudia Wolf mitteilte, dass sie


überraschenderweise einige zusätzliche Urlaubstage nehmen konnte.
„Fein“, meinte Wolf, „dann können wir uns nun endlich die
geheimnisvollen Bucegi Berge in Rumänien ansehen.“ Diese Reise würde
nur wenige Tage in Anspruch nehmen. In der darauf folgenden Woche
besorgte Wolf die Flugtickets. Als die beiden am Salzburger Flughafen am
Gate auf die Frühmaschine nach Wien warteten, sagte Claudia: „Das
erinnert mich an unseren im Flug in Vorjahr in Richtung Irak, als wir die
Hauptstadt Kurdistans, Erbil, besuchen wollten.“
„Ja“, erwiderte Wolf, „damals wurde nichts daraus. Die Maschine kehrte
leider bereits über den Schwarzen Meer wieder um. Aber weil du gerade
den Irak erwähnst. Wir könnten ab sofort nach Erbil fliegen und auch die
Stätten in Ninive kannst du diesmal sehen. Die österreichische Fluglinie
AUA hat schon seit einiger Zeit die Flüge in den Irak wieder
aufgenommen.“
„Darauf freue ich mich schon“, lachte Claudia.
Nach einer knappen Stunde waren die beiden bereits in Wien und
warteten auf ihren Anschlussflug nach Bukarest. „Weißt du schon, wie wir
von der Hauptstadt zum Bucegi Gebirge kommen werden“, fragte die junge
Frau.
„Der Hans hat mir geschrieben, dass ein rumänischer Freund von ihm
namens Gregor uns vom Flughafen abholen und zum Berg bringen wird. Es
sind bloß einhundertvierzig Kilometer. Dieser Gregor spricht übrigens sehr
gut Deutsch und wird uns sicher eine große Hilfe sein.“
Ihr Flug wurde aufgerufen und schon zwei Stunden später saßen sie bei
Gregor im Auto. Sie waren diesmal nur mit Handgepäck unterwegs und die
Wartezeit am Gepäckband fiel daher weg. Bukarest war eine moderne
Großstadt und unterschied sich kaum von westeuropäischen Metropolen.
Aber auch draußen, am Land, gab es wenig Unterschiede. „Woher kennst
du den Hans?“, fragte Wolf Gregor.
„Ich habe lange Zeit in Österreich gearbeitet und unseren Freund, den
Hans, in der Nähe von Linz kennengelernt. Er hat mich schon zweimal hier
in Rumänien besucht. Ich bin mit ihm auch schon beim Bucegi Berg
gewesen. Es ist eine sehr interessante Gegend dort, aber ihr werdet es bald
selber sehen können. In einer Stunde sind wir übrigens dort.“ Die Straßen
dorthin waren zwar nicht so gut ausgebaut wie in Deutschland oder
Österreich, aber sie erreichten das Gebirge in einigermaßen kurzer Zeit.
Direkt am Fuße der Berge lag ein kleines Dorf, wo ihnen Gregor eine
Pension zeigte, in welcher sie nächtigen würden. Es war bereits später
Nachmittag geworden und Gregor wollte sie am nächsten Tag hinauf auf
den Berg fahren. „Ich dachte, dass dieser Berg großräumig abgesperrt ist,
wie willst du da hinaufkommen“, fragte Wolf. „Ich weiß da einen Weg, auf
welchem wir diese Absperrung umfahren können“, sagte Gregor mit einem
verschmitzten Lächeln. Claudia wandte sich mit einem Blick zu Wolf und
meinte: „Ich wusste es doch, irgendwie geht’s immer.“ Wolf quittierte
Claudias Aussage nur mit einem „Zufall.“ Am nächsten Morgen fuhren die
drei auf einer schmäleren Straße auf das Gebirge zu. Es war eine sehr
ländliche Gegend und nach etwa einer halben Stunde erreichten sie die
Wälder am Fuße des Bucegi Berges. Wie es bereits Gregor am Vortag
erwähnt hatte, lenkte er seinen Wagen auf einen Waldweg, welcher sich in
Serpentinen den Berg hinaufwand. „Wisst ihr“, meinte Gregor, „dieser Berg
hat sehr viel Geheimnisvolles an sich. Hans hat mir schon erzählt, dass es
auch in eurer Heimat so ein Gebirge gibt, dem man viele unerklärliche
Sachen zuschreibt.“
„Ja“, gab Wolf zur Antwort, „das ist der Untersberg.“
„Von dem habe ich zwar noch nichts gehört, aber hier vom Bucegi weiß
ich einiges.“
„Etwa auch von Kaisern und Zwergen“, meinte Claudia lachend.
„Nein, von einer uralten Hochtechnologie, welche in einer
kuppelförmigen Halle erst vor einigen Jahren entdeckt wurde“, gab Gregor
zur Antwort. „Kuppelförmige Halle?“ staunte Claudia, „so etwas gibt es bei
uns im Untersberg auch. Sind im Bucegi etwa auch silberne Flugscheiben
deponiert und eine goldene Kugel?“
„Das nicht, aber dafür technische Apparaturen mit Hologrammen, auf
denen angeblich die gesamte Geschichte der Menschheit zu sehen ist. Auch
Dimensionstore, durch die man unter anderem in den Irak und zu den
Pyramiden in Ägypten gelangen kann. Ich selber habe diese Halle aber noch
nie betreten. Ein Bekannter hat mir jedoch davon erzählt. Er hat vor einigen
Jahren zufällig ein Eingangsportal in den Berg entdeckt und konnte diese
Halle damals auch betreten. Ein unsichtbares Kraftfeld hinderte ihn aber
daran, sich darin frei zu bewegen.“ „Genauso wie bei uns“, sagte Wolf zu
Claudia, „denk an den General, der konnte auch nicht die Halle der
Erkenntnis betreten, obwohl er sie bereits sehen konnte.“ Mittlerweile
waren sie bei einem Schild neben der Straße angelangt, auf welchem in
rumänischer Sprache zu lesen stand, dass das Beschreiten dieses Weges
absolut verboten war. „Das ignorieren wir einfach“, meinte Gregor, „diese
Schilder stehen hier überall im Wald. Wir können jetzt noch ein Stück bis
zum Ende des Weges fahren, dann müssen wir zu Fuß weiter.“ Als Gregor
den Wagen abgestellt hatte und mit den beiden den immer schmaler
werdenden Weg weitergegangen war, stand plötzlich ein Soldat mit einem
Maschinengewehr vor ihnen und forderte sie auf, unverzüglich
umzukehren. Es seien Schilder im Wald angebracht, durch welche deutlich
gemacht wurde, dass das Betreten dieses Abschnittes verboten sei, sagte er.
Wolf sah resignierend zu Claudia: „Das war’s dann wohl.“ Gregor meinte
aber, als sie außer Hörweite des Soldaten waren: „Ich weiß noch einen
anderen Weg, der direkt zum Eingangsportal in den Berg führt.“ Sie
mussten noch eine ganze Weile auf einem Pfad weitergehen, auf welchem
sie durch Gestrüpp und Büsche zu einer Felswand gelangten. Dort befand
sich eine niedrige Höhle. Diese war zwar nicht sehr lange und daher auch
nicht vollkommend dunkel. Sie musste gebückt gehen. Als sie wieder auf
der anderen Seite herauskamen, standen sie vor einem mächtigen Felsentor,
welches vollkommen unbewacht zu sein schien. Gregor sagte: „Bis hierher
war ich auch schon einmal gekommen. Weiter zu gehen wagte ich damals
nicht, weil es hieß, dass da keiner mehr jemals herausgekommen sei.“
„Wenn wir schon einmal hier sind, dann sollten wir es doch wenigstens
versuchen“, meinte Wolf. Mit gemischten Gefühlen ging Gregor den beiden
hinterher. Man konnte ihm die Angst ansehen, die ihm ins Gesicht
geschrieben stand. Hinter dem Tor ging ein geschwungener Tunnel von
beachtlicher Größe nach rechts in den Berg. Die Wände dieses Ganges
strahlten irgendwie eine Helligkeit aus, von der man aber nicht sagen
konnte, woher sie stammte. Wolf erinnerte das an den Zugangsstollen zur
„Halle der Erkenntnis“ im Untersberg. Nach etwa fünfzig Meter gelangten
sie tatsächlich zu der geheimnisvollen, kuppelförmigen Halle, welche von
der Form und Größe mit jener im Untersberg vergleichbar war. Der einzige
Unterschied bestand augenscheinlich darin, dass sich auf der linken Hälfte
eigenartige, große Podeste und rechter Hand drei höhlenartige Ausgänge
befanden. In der Mitte war ebenso wie in der Halle im Untersberg eine
kreisrunde Empore, zu welcher Stiegen hinaufführten. Von silbernen
Scheiben war aber hier im Bucegi nichts zu sehen. „Das möchte ich mir
näher ansehen“, sagte Claudia, und bevor Wolf sie zurückhalten konnte, lief
die junge Frau spontan in die Halle hinein. Doch schon nach wenigen
Schritten prallte sie an etwas Unsichtbarem ab und taumelte rückwärts.
Gregor erschauderte bei dem, was er da sah. Auch Wolf war es nicht ganz
wohl bei der Sache. Was für ein unsichtbares Kraftfeld mochte es sein, das
Claudia davon abhielt, den rechten Bereich der Kuppel zu betreten?
Langsam ging auch er auf die Stelle zu, an der Claudia nicht weiterkam,
und versuchte mit seiner Hand gegen diese unsichtbare Wand zu drücken.
„Gehen wir lieber wieder hinaus“, meinte Gregor ängstlich, was aber Wolf
in keiner Weise zu beeindrucken schien. Er tastete sich langsam an der
unsichtbaren Barriere entlang und fand nach einigen Metern tatsächlich eine
Stelle, welche einen Durchlass frei gab, welcher aber für Wolfs
beachtlichen Umfang zu schmal war. „Komm zu mir, Claudia, ich zeige dir
etwas.“ Als die junge Frau bei ihm angelangt war, schob er sie sanft in den
engen Spalt. „Was ist das“, fragte Claudia, „dass ich hier weitergehen
kann?“
„Nur wer reinen Herzens ist, kann diese Barriere überwinden“, hörten sie
Gregor, dem das Ganze nicht geheuer war, im Hintergrund sagen. „Unsinn“,
erwiderte Wolf, „hier geht es einzig und allein nur um Claudias schlanke
Gestalt. Nur meine Fülle hindert mich daran, hier hindurch zu kommen.“
Claudia blickte sich um und ihr breites Grinsen bestätige, dass diesmal auch
er sein „Fett“ abbekommen hatte und dieses Mal sogar sprichwörtlich.
Claudia ging weiter und hatte schon fast einen der drei Ausgänge der
Kuppel erreicht, als sie zu Wolf zurückrief: „Du, ich sehe bereits die
Pyramiden von Gizeh.“ Wolf ärgerte sich maßlos, dass ihn sein Bauch daran
hinderte, der jungen Frau durch den unsichtbaren engen Spalt zu folgen.
Schon einige Male hatte er in solchen Situationen das Nachsehen. Damals
im Obersalzberg, beim Klingeck, als die zierliche Lehrerin Linda in den
engen Wassertunnel kriechen konnte und er draußen warten musste, oder in
der Kirche in St. Michael bei der alten Eisentüre, durch deren Spalt Claudia
ohne Weiteres hindurchgeschlüpft war, er diese Türe aber nur unter größter
Anstrengung mit Brachialgewalt ein wenig öffnen konnte. Claudia musste
sich mit Mühe vom Anblick der Pyramiden losreißen und kam dann wieder
durch den engen Spalt im Kraftfeld zu Wolf zurück. Plötzlich hörte man
von draußen Motorenlärm und einige Kommandos in rumänischer Sprache,
welche Gregor zu beunruhigen schienen. „Wir müssen rasch wieder
hinaus“, meinte er, „da kommt Militär“, und drängte die beiden, schnell
wieder durch die kleine Höhle zu laufen, um auf den schmalen Steig
außerhalb des Berges zu gelangen. Als sie draußen am Portal kurz vor dem
Eingang der Höhle ankamen, sahen sie bereits einige Militärfahrzeuge den
steilen Weg zum Portal herauffahren. „Komm rasch, Wolf, bevor uns hier
die Soldaten entdecken, wer weiß, was uns sonst blühen würde“, rief
Claudia leise. Draußen im Wald sagte Wolf: „Der General hat also Kenntnis
von dieser Anlage in Bucegi. Ich glaube aber kaum, dass er schon
persönlich hier war. Die Hexe vom Untersberg hat behauptet, dass sie die
Erbauer der Kuppel im Untersberg gesehen hat. Ich bin mich sicher, dass es
dieselben Leute waren, welche diese Anlage hier in Bucegi errichtet
haben.“
„Wenn das so ist, dann sind wir ja jetzt schließlich Geheimnisträger, für
welche sich die CIA und auch andere Nachrichtendienste brennend
interessieren müssten. Denk doch daran, wie oft unsere E-Mails schon
verrückt gespielt haben“, meinte Claudia. Gregor sah man seine
Erleichterung an, als sie wieder im Auto auf dem Fahrweg in Richtung des
kleinen Dorfes unterwegs waren. Immer wieder sah er in den Rückspiegel
seines Wagens, was Wolf und Claudia zum Schmunzeln brachte. „Du darfst
es dem armen Kerl nicht übel nehmen“, lachte Wolf, „er hat heute das erste
Mal in seinem Leben so etwas gesehen, was für uns beide schon beinahe
alltäglich ist.“
Am nächsten Tag wollte ihnen Gregor noch einen Wald in der Nähe von
Hoja Baciu zeigen. Dort verschwinden angeblich immer wieder Menschen.
Sogar ein Schäfer mit zweihundert Schafen sei in diesem Wald spurlos
verschwunden, erzählt man. Es ist auch die Geschichte eines fünfjährigen
Mädchens zu hören, welches eines Tages in diesem Wald verschwand. Nach
fünf Jahren tauchte das Kind wieder auf, hatte dieselbe Kleidung an wie vor
ihrem Verschwinden und sah vollkommen gleich aus. Erinnern konnte sich
die Kleine aber an gar nichts, was in der Zwischenzeit geschehen war.
Die Einheimischen dort nehmen diese Geschichten sehr ernst und kaum
einer wagt sich in diesen Wald hinein. „Das ist ja beinahe so wie bei uns am
Untersberg“, meinte Claudia.
Als die drei schließlich dort angekommen waren und den ziemlich
finsteren Wald sahen, verzichteten sie aber auf einen Spaziergang darin. Er
sah ganz und gar nicht einladend aus. „Kein Wunder, dass in so einer
dunklen Umgebung auch diese Sagen vom Grafen Dracula entstanden
sind“, sagte Wolf.
Gregor wollte den beiden aber noch etwas zeigen: die wachsenden Steine
von Costesti, was auch in der Nähe lag. Dort befanden sich sehr seltsame
Steinformationen, kugelförmig und angeblich wachsend. Das heißt, sie
wurden innerhalb von Jahrzehnten immer größer. Geologisch gab es dafür
die skurrilsten Erklärungen. Aber zum Ansehen war es allemal interessant.
Als Gregor dann noch von einem ca. siebentausend Jahre alten
unterirdischen Tempel erzählte, in welchem Wünsche wahr werden sollten,
dachte Wolf, dass die Rumänen zumindest eine gut funktionierende
Tourismus-Werbung haben mussten. Für heute hatten Wolf und Claudia
genug gesehen. Das Wichtigste war für sie jedenfalls die Halle im Bucegi
Berg. Vielleicht würden die beiden im nächsten Jahr wiederkommen, sagten
sie zu Gregor zum Abschied, als er sie nach Bukarest zum Airport
zurückbrachte.
Kapitel 23

Die Zeitreise der Flüchtlinge

Mohammed Abdel Din, ein Syrer, war mit seinen Freunden am Fuß des
Untersberges unterwegs. Es war Anfang Juni. Sie suchten nach einer
Möglichkeit, um ins gelobte Land Deutschland zu kommen. Schleppern
wollten sich die fünf nicht anvertrauen. Zuviel Negatives hatten sie schon
von Landsleuten gehört, welche zwar fast ihr gesamtes Geld solchen Leuten
gegeben hatten, aber letztendlich dann doch nicht über die Grenze
gekommen waren.
Jeder von den Syrern hatte ein Handy mit GPS und damit versuchten sie
nun einen Weg nach Deutschland zu finden. Mohammed war als
Bauingenieur in seiner Heimat tätig gewesen und hatte bereits eine Idee,
wie sie die Grenze unbemerkt überschreiten wollten. Sie würden abseits der
alten Römerstraße durch den Untersbergwald in Richtung Großgmain gehen
weil sie glaubten, so das deutsche Staatsgebiet unbemerkt zu erreichen.
Es war ein regnerischer Tag, als die Syrer die zehn Kilometer lange
Wanderung antraten. Das leichte Nieseln wurde nach der ersten Stunde von
einem heftigen Regen abgelöst und die mittlerweile völlig durchnässten
Männer suchten Unterschlupf bei einer überhängenden Felswand in der
Nähe der Illuminatenhöhle. Dort setzten sie sich nieder und wollten den
Regen abwarten. Auf den Handys konnten sie mittels GPS kontrollieren, wo
sie sich gerade befanden. Die Richtung stimmte. Nach einer Stunde
machten sie sich wieder auf den Weg. Es war plötzlich schönes Wetter
geworden. Vom Regen war keine Spur mehr zu sehen. Sie gingen wie schon
zuvor ein gutes Stück neben der Straße im Wald dahin, umrundeten in
weitem Bogen den Latschenwirt, wobei sie auch kleine Bächlein
durchqueren mussten. Mittlerweile waren die durchnässten Syrer schon in
der Nähe der bayrischen Grenze angelangt. Die auf den Handys angezeigte
Straße in Richtung Bad Reichenhall war aber noch ein gutes Stück entfernt,
als sie plötzlich Hubschrauberlärm über den Bäumen hörten. Sie wussten
nicht, wie ihnen geschah, der Helikopter landete auf einer kleinen Lichtung
in der Nähe des Dorfes Großgmain und nach wenigen Minuten waren die
überraschten Männer aus Syrien von deutschen Polizisten umringt und
wurden wegen illegalem Grenzübertritt festgenommen. Sehr groß war dann
aber die Verwunderung der Beamten, als sie bei der Überprüfung der
Ausländer im Aufnahmezentrum feststellen mussten, dass die Männer
erstens völlig durchnässt waren, obwohl seit Tagen kein Regen mehr
gefallen war, und sie zweitens bereits einen Stempel der österreichischen
Behörden in ihren Dokumenten hatten. Aber nicht der Stempel war das, was
die deutschen Polizisten verblüffte, sondern das Datum. Dort stand 4. April.
Heute war aber der 15. Juni!
Die Syrer bestätigten aber, sich am Montag, den 4. April, bei leichtem
Regen auf den Weg nach Deutschland gemacht zu haben. Wo hatten sich
diese Leute in den vergangenen zweieinhalb Monaten aufgehalten? Auch
nach mehrmaligen Verhören erzählten die Flüchtlinge immer wieder exakt
dieselbe Geschichte. Sie berichteten auch von der höhlenartigen Vertiefung
an der Felswand, in welcher sie vor dem Regen Schutz gesucht hatten. Als
sie nach einiger Zeit weitergingen, sei das Wetter dann eigenartigerweise
plötzlich schön gewesen, erzählten die Leute.
Zuerst glaubten die deutschen Polizisten, von den Syrern belogen worden
zu sein, aus welchen Gründen auch immer. Die Recherchen der
Wetterberichte ergaben aber, dass die Aussagen der Flüchtlinge wahr sein
mussten.
„Ich glaube, wir sollten die österreichischen Kollegen darüber
informieren, irgendetwas stimmt hier nicht“, meinte der dienstführende
Polizeiobermeister. Seine Kollegen aber wollten sich diese Höhle, die
jedoch auf österreichischer Seite liegen musste, in Eigeninitiative selber
ansehen.
Ohne Bewaffnung und ohne ihre Dienstuniform durften sie ja, so wie
jeder deutsche Zivilist, dort im Untersbergwald herumstreifen. „Seid aber
vorsichtig, dort sind schon öfters Leute verschwunden“, gab der Vorgesetzte
zu bedenken. „Alles nur Märchen“, erwiderte der Polizist.
Die beiden Beamten ließen sich anschließend von den Syrern noch einmal
ganz genau deren Wegbeschreibung geben und machten sich am nächsten
Tag auf den Weg. Keiner der beiden war jemals durch das Dickicht abseits
der Straßen und Wege am Untersberg gegangen. Nach einer Stunde im
Wald kamen die Polizisten zu einer Höhle, welche aber nicht so aussah wie
die von den Syrern beschriebene. Sie ähnelte eher einem Stolleneingang als
einer Naturhöhle. „Sehen wir uns das einmal an“, meinte der ältere der
beiden, „ich wollte immer schon in so eine Untersberghöhle hineingehen.“
„Das ist doch keine Höhle“, entgegnete der andere, „das ist ein künstlich
angelegter Stollen.“ Sie hatten vorsorglich Taschenlampen mitgenommen
und betraten diesen Eingang in den Berg. Der Gang schien jedoch ziemlich
alt zu sein. Sie gingen gar nicht weit auf dem recht ebenen, aber feuchten
Boden dahin, als sie aus der Dunkelheit heraus Schritte hörten. Der jüngere
Beamte zog daraufhin seine Dienstwaffe, die er verbotenerweise
mitgenommen hatte, hervor. In diesem Moment sahen sie auch schon die
zwei Soldaten mit Stahlhelm und mit Maschinenpistolen in den Händen.
„Waffe fallen lassen!“, herrschte einer den Polizisten an, welcher nicht
wusste, was er tun sollte. Erst als der zweite Soldat diese Forderung
wiederholte und dabei seine MP etwas anhob, ließ der Beamte seine
Dienstwaffe auf den Boden fallen. Der Soldat hob die Pistole auf und
steckte sie, nachdem er sie entladen hatte, ein. „Aha“, sagte er, „ebenfalls
neun Millimeter.“ Dann herrschte er die beiden an: „Los, vorwärts!“
Den Polizisten blieb nichts anderes übrig, als vor den Soldaten mit den
Maschinenpistolen weiter in den dunklen Gang zu gehen. „Was wollen Sie
von uns?“, fragte der ältere Beamte, „wir haben doch nichts getan.“
„Sie sind hier unerlaubterweise in den Berg eingedrungen und Ihr Freund
hat dabei sogar eine Waffe auf uns gerichtet“, erwiderte der Soldat.
„Wohin bringen Sie uns und wer sind Sie überhaupt“, fragte der jüngere
Polizist.
„Das werden Sie noch früh genug erfahren“, gab der andere Soldat zur
Antwort.
Es dauerte nicht sehr lange, da war dann ein Lichtschein zu sehen. Es
musste hier drinnen elektrischen Strom geben. Rechts war der Stollen
erweitert und es schien eine Art Kontrollposten zu sein, an welchem drei
weitere bewaffnete Soldaten waren. „Durchsuchen und fesseln“, war die
knappe Anweisung des Anführers der Soldaten. „Jawohl,
Hauptsturmführer“, quittierte einer der anderen den Befehl. Nun konnten
die zwei Polizisten im Lichtschein einer Deckenlampe erkennen, dass es
sich bei den Soldaten um Angehörige der SS handeln musste.
Ihr Handy und ihre Ausweise wurden ihnen abgenommen. Die Hände auf
den Rücken gefesselt, mussten sie vor den SS-Leuten in dem ab hier
schwach beleuchteten Gang weitergehen.
„Was haben Sie mit uns vor?“, fragte jetzt einer der Polizisten. Anstatt
einer Antwort rammte ihm der Soldat hinter ihm den Lauf seiner
Maschinenpistole in die Rippen.
Ob ihr Vorgesetzter vom Aufnahmezentrum nach ihnen suchen lassen
würde? Dieser Gedanke ging dem Polizisten durch den Kopf. Aber es
wusste doch keiner, wo sie zu suchen wären.
Nachdem die beiden Polizisten in den vergangenen Tagen nicht zum Dienst
erschienen waren, machte sich ihr Vorgesetzter Sorgen. Waren sie am Berg
in eine Doline gestürzt? Er würde noch einen Tag zuwarten, dann jedoch
musste eine Suchaktion gestartet werden. Aber auch diese brachte kein
Ergebnis. Es gab kein Lebenszeichen von den beiden. Nun mussten auch
die österreichischen Behörden über die Sachlage informiert werden. Eine
gemeinsame Suche mit Hubschraubern und Hundestaffeln ergab ebenfalls
nichts. Sie waren wie vom Erdboden verschluckt. Sogar die Syrer wurden
zur Nachsuche herangezogen, konnten sich aber ebenso nicht vorstellen,
wie die Polizisten verschwunden sein konnten. Auch die GPS-Auswertung
ihrer Handys brachte keinen Erfolg.
Die zwei deutschen Bundespolizisten rätselten darüber, was hier wohl
vorgehen würde. Sie dachten, dass es sich um Neonazis in ihrem Versteck
handeln würde, als sie zu einer Blechtüre kamen und dort in den
dahinterliegenden Raum gebracht wurden. Ein SS Offizier musterte die
beiden gefesselten Männer, kontrollierte deren Ausweise und fragte: „Sie
sind also Angehörige der deutschen Polizei?“
„Ja, das sind wir und ich kann Ihnen sagen, dass Ihnen diese Aktion eine
Menge Schwierigkeiten bringen wird. Freiheitsberaubung und Widerstand
gegen die Staatsgewalt sowie der streng verbotene Besitz von Kriegswaffen
und das Tragen von nationalsozialistischen Uniformen und Abzeichen.“
Der SS Offizier verzog keine Miene. „Führt sie ab“, sagte er zu einem der
Soldaten. „Das wird Ihnen noch leidtun, Sie werden alle vor Gericht gestellt
und verurteilt werden“, rief der Polizist dem Offizier nach, der aber nur
ruhig antwortete: „Sie sind sich Ihrer Lage offenbar nicht bewusst“, und zu
den Soldaten meinte er: „Bringt die beiden weg.“
Die Suche nach den zwei Beamten war mittlerweile eingestellt worden. Es
gab verschiedene Erklärungen für deren Verschwinden. Auch konnte man
mit den Aussagen der Syrer wenig anfangen. Mysteriös blieb die
Angelegenheit jedoch allemal. Natürlich durfte nur so wenig wie möglich
an die Presse weitergegeben werden.
Den zwei deutschen Polizisten, die immer noch glaubten, dass sie sich in
den Händen einer ewig gestrigen Nazi Vereinigung befinden würden, kamen
jedoch erste Zweifel, als sie durch eine hell erleuchtete Halle geführt
wurden, in welcher sich ganz eigenartige Fahrzeuge befanden. Keiner von
ihnen hatte jemals so etwas zu Gesicht bekommen. Nur in alten
Geschichten wurde darüber berichtet. Das waren Flugscheiben, wie es sie
angeblich im Dritten Reich gegeben haben soll.
Ein Stück weiter konnten sie utopisch aussehende Waffen sehen, von
denen sie noch nie etwas gehört hatten.
„Ich zweifle allmählich an meinem Verstand“, sagte der ältere der beiden,
„wo sind wir hier?“
„Ich hab es ja schon immer gewusst, dass dieser Berg hier unheimlich ist,
aber mit so etwas habe ich niemals gerechnet“, antwortete der andere. „Sind
wir hier etwa in der Vergangenheit, in einem geheimen Bunker im Dritten
Reich?“
„Das kann es doch gar nicht geben“, meinte der ältere Polizist, „dann
wären wir ja 75 Jahre in die Vergangenheit gekommen, ohne es zu merken.“
„Hier kommen wir nicht mehr lebend heraus“, antwortete sein Kollege,
„wir haben bereits zu viel gesehen.“ Plötzlich hörten sie eine Stimme direkt
hinter ihnen: „Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen, wir werden Sie
selbstverständlich wieder frei lassen.“
Hinter ihnen stand ein offensichtlich höherer Offizier, was sie an seinen
Schulterklappen und Kragenspiegeln erkennen konnten.
„Und weshalb sind wir dann gefesselt?“, fragte der jüngere Polizist.
„Das dient nur Ihrer eigenen Sicherheit“, antwortete der SS Mann, „denn
falls Sie aus Unvernunft einen unserer Leute angreifen würden, müssten wir
Sie erschießen und das wollen wir eigentlich nicht.“
„Sie befinden sich hier in einer Basis des Dritten Reiches. Vermutlich
haben Sie durch Zufall hier hereingefunden. Deshalb werden wir Sie auch
nicht liquidieren, obwohl einer von Ihnen bewaffnet war und Sie einer
Einheit angehören, welche uns feindlich gesonnen ist.“
„Sie wollen uns tatsächlich wieder freilassen“, staunte der Polizist, „jetzt
wo wir hier so viel gesehen haben. Glauben Sie nicht, dass wir Sie verraten
könnten?“ Der Obersturmbannführer lächelte: „Auch wenn Sie das tun
würden, wer sollte Ihnen schon Glauben schenken?“
„Wir werden Sie sogar direkt vor Ihrer Dienststelle in Bad Reichenhall
absetzen. Auch Ihre Dienstpistole und Ihre Funktelefone erhalten Sie
wieder zurück. Was Sie dann Ihren Kollegen dort erzählen, das ist Ihre
Sache.“
Nach diesen Worten des Obersturmbannführers wurden die beiden
gefesselten Polizisten in einen kleinen Raum geführt. Die zuvor
abgenommene Waffe und die Handys wurden den Beamten wieder in die
Jacke gesteckt und dann waren sie allein in dem Raum. Plötzlich erklang
ein Summen. Die Polizisten glaubten, das Bewusstsein zu verlieren. Im
nächsten Moment befanden sich die beiden vor der Polizeidienststelle in der
Poststraße von Bad Reichenhall. Es war dunkel und mitten in der Nacht.
„Ich glaube, ich träume“, sagte der ältere der beiden Beamten, „was ist bloß
mit uns geschehen?“
Die beiden setzten sich auf einen Brunnenrand in der Nähe. Da sie immer
noch gefesselt waren und sich auch nicht davon befreien konnten, blieb
ihnen nichts anderes übrig, als den Morgen abzuwarten. Dann würden sie
sich bei ihrer Dienststelle melden.
Als in der Früh ein Kollege den beiden Polizisten ihre Fesseln
abgenommen hatte, erzählten sie, dass sie im Untersbergwald von
Unbekannten überfallen wurden. Wie sie dann aber hierher nach Bad
Reichenhall gekommen waren, könnten sie sich selbst nicht erklären.
„Ihr wisst aber schon“, meinte der Kollege, „dass ihr über zwei Wochen
lang gesucht wurdet.“
„Was“, fragte der Polizist, „zwei Wochen?“ Die beiden glaubten doch,
dass sie erst gestern in diesen Stollen im Wald hineingegangen waren. Und
nun sollten es zwei Wochen gewesen sein.
Diese Geschichte wurde verständlicherweise nicht publik gemacht. Wolf
erfuhr erst einige Wochen vom Bundespolizisten Rainer aus Rosenheim
davon. Der „scharfe“ Beamte erhoffte sich von ihm etwas Aufklärung über
diesen Vorfall. Wolf konnte ihm aber auch nicht viel zu dem Vorfall
erzählen. Außerdem wollte er das auch gar nicht. Bei einem Treffen mit
dem General würde er diesen darauf ansprechen. Der Rainer aber sollte sich
lieber um die Berichterstattung über die Flüchtlingssache kümmern.
Kapitel 24

Game Over – Das Spiel ist aus

Wolf wollte vom General noch dessen Perspektive für die nahe Zukunft
wissen. „Was halten sie von einem Besuch im Gasthof Hochlenzer am
Obersalzberg?“, fragte Wolf den General. „Dort oben könnten wir uns in
dem Stüberl, in dem auch schon der Führer gesessen hat, ungestört
unterhalten, denn die meisten Gäste sitzen ohnehin draußen auf der
sonnigen Terrasse und genießen den Ausblick auf Berchtesgaden.“
„Einverstanden“, antwortete der General. Die beiden gingen den Waldweg
hinunter zu Wolfs Wagen. Während sie nach Berchtesgaden und von dort
auf den Obersalzberg hinauffuhren, meinte der General: „Es ist uns
gelungen, ein transportables Portal zu errichten, durch welches man in die
andere Zeitlinie wechseln kann. Es ist groß genug, dass auch Fahrzeuge
hindurchfahren können.“ Wolf warf einen erstaunten Blick auf den neben
ihm sitzenden General und fragte: „Würde das bedeuten, dass ich direkt mit
meinem Wagen in eine andere Zeitlinie hinüberfahren kann?“ „Ja“,
erwiderte dieser, „es klingt zwar sehr banal, doch müsste zuerst abgeklärt
werden, ob die Straße, auf welcher sie sich gerade mit ihrem Fahrzeug
bewegen, auch in der anderen Zeitlinie vorhanden ist. Sie würden sich zwar
immer noch am selben Ort befinden. Aber in der anderen Zeitlinie, welche
ja schon seit über siebzig Jahre existiert, könnte dort inzwischen etwas
anderes gebaut worden sein.“ Für Wolf hörte sich das Ganze utopisch an.
Der General sprach weiter: „Wir errichten solche Übertrittsportale daher nur
an Orten, die abgelegen und kaum frequentiert sind, um Kollisionen zu
vermeiden.“ Sie hatten mittlerweile das Dokumentationszentrum vom
Obersalzberg erreicht und Wolf bog nach rechts in Richtung Gasthof
Hochlenzer ab. Auf der Terrasse dieses Berggasthofes befanden sich viele
Touristen und genossen unter den aufgespannten Sonnenschirmen die
Aussicht auf die umliegenden Berge. Tatsächliche war die hinterste,
holzgetäfelte Stube, in welcher sich auch Hitler nach seinen Spaziergängen
des Öfteren aufhielt, menschenleer. Toni, der Wirt, wunderte sich zwar,
weshalb die beiden ausgerechnet dort Platz nehmen wollten. „Hier also saß
der Führer vor knapp drei Monaten“, entfuhr es Kammler.
„Nein, das war lange vor meiner Zeit“, entgegnete der Wirt, „das war vor
über 75 Jahren.“
„Ja, dies wollte ich auch sagen“, korrigierte sich Kammler. Nachdem Toni
verwundert die geschichtsträchtige Stube verlassen hatte, stellte Wolf dem
General die Frage: „Was, glauben Sie, wird in nächster Zukunft geschehen?
Wird es eine Umverteilung der Macht geben?“ Kammler blickte Wolf an
und antwortete: „Das Spiel ist aus, Game Over würden die Alliierten jetzt
sagen. Es wird ein Heulen und Zähneknirschen geben. Bei jenen, die uns
nach ihrer Zeitrechnung jahrzehntelang unterdrückt haben, sei es von der
Hochfinanz, den multinationalen Konzernen und den Bilderbergern. Ebenso
auch die Kirche wird in Kürze ihre Macht eingebüßt haben.“ Diese Worte
des Generals deckten sich mit Beckers Aussagen. Auch der Illuminat hatte
doch erwähnt, dass nicht nur das Christentum, sondern alle Weltreligionen
verschwinden würden. Und nun hörte er so etwas auch vom General. Die
Umwälzung war ja bereits voll im Gange. Wann der Schlussakt jedoch
kommen würde, konnte keiner der beiden genau sagen. Eines wusste er aber
mit Sicherheit: Die Zukunft hatte jetzt begonnen. „Wenn dann alles vorbei
ist“, meinte Kammler, „dann wird es eine glanzvolle Zukunft geben, in der
kein Platz ist, weder für radikale Islamisten noch für sonstige Kriminelle.
Somit wird auch das Machtstreben, egal von welcher Seite, verschwunden
sein. Freilich würden sich die Herrschenden ihre Macht nicht kampflos
entreißen lassen, aber es wird so kommen.“
Kapitel 25

Die Lavahöhlen von Lanzarote

Die Zeit, da in den bayrischen Schulen Pfingstferien waren, wäre ideal, um


auf die Kanaren zu fliegen. Jennifers Vater war nicht begeistert davon, dass
die von ihm vergötterte Tochter solch eine Art von Urlaub machen würde.
Für ihn war Urlaub nur, wenn man den ganzen Tag auf der Liege am
Strand oder Pool verbringen konnte und es genügend Weißbier zu trinken
gab. Kulturelle Interessen oder Entdeckungsreisen waren ihm ein Gräuel.
Außerdem war es ihm auch nicht recht, dass seine Tochter in ein kleines
Privatflugzeug steigen würde. Jennifer durfte ihm das eben nicht sagen.
„Ich bin mir sicher, dass die Kleine begeistert sein wird“, sagte Claudia,
„wenn sie auf unseren Touren mit dabei ist.“ Sie selbst war schon einige
Male mit Wolf auf den Kanaren und auch die Flüge über dem Atlantik mit
ihm waren jedes Mal ein Erlebnis. „Ich denke auch, dass es ihr gefallen
wird, es war doch im letzten Jahr in Ägypten auch sehr interessant für sie.“
„Ja, aber du weißt doch“, meinte die junge Frau, „ihr Vater traut sich nicht
einmal mehr auf Urlaub in die Türkei zu fliegen wegen der vielen
Anschläge, der würde sie auch nicht mehr nach Ägypten fliegen lassen. Er
selbst fährt dieses Jahr mit ihr an die Adria. Ich glaube aber, dass die
Autofahrt mit ihm bis dorthin statistisch gesehen wegen seines rasenden
Fahrstils wesentlich gefährlicher ist als so eine Auslandsreise.“
„Ja“, erwiderte Claudia, „der war immer schon so. Glaubst du, der würde
sich im Urlaub einen Mietwagen nehmen? Nein, so etwas täte er nie.“
„So wie ich es geplant habe, werden wir auf den Kanaren zweimal einen
Mietwagen brauchen. Einen für die ganze Woche in Gran Canaria und einen
für den Tag in Lanzarote.“
„Übrigens hat mir meine Tochter gesagt, dass sie auf Gran Canaria
unbedingt zu der Stelle will, wo in den siebziger Jahren das UFO gelandet
ist. Du weißt schon, dort wo wir voriges Jahr auch mit dem Flugzeug
darüber geflogen sind.“
„Wir haben diesmal eine Menge vor, aber du wirst sehen,
die Kleine wird sicher auch auf ihre Kosten kommen“, meinte
Wolf.
Ein Hotel mit Familienzimmer war rasch gefunden und auch der Flug war
innerhalb von drei Tagen gebucht. Drei Wochen später waren sie bereits in
Gran Canaria. Als Erstes wurde zum kleinen Flughafen von El Berriel
gefahren, und die kleine Piper für einen Tag reserviert.
Zuerst schaute Claudias Tochter etwas ängstlich das einmotorige
Flugzeug an, ließ sich dann aber von ihrer Mutter beruhigen. In zwei Tagen
würden die drei mit dem Co-Piloten Thomas, der sie auch schon im Vorjahr
begleitet hatte, losfliegen.
Am nächsten Tag ging es erst einmal mit dem Jeep in den Norden der
Insel nach „Las Rosas“ zum UFO-Landeplatz.
Jennifer staunte, dass es gerade an dieser, etwa fünfzig Meter großen
Stelle weder Vegetation noch irgendwelche Insekten gab. Sie lief den Hang
hinunter und sammelte dort ein paar Steine ein.
Als sie am darauf folgenden Tag wieder zu dem kleinen Flugplatz El
Berriel kamen, erwartete sie Thomas schon. Er hatte die Piper bereits
aufgetankt und nach einem kurzen Briefing stiegen sie ins Flugzeug, wobei
Jennifer sich nur mit Mühe von ihrer Mutter überreden ließ. Wolf war
erleichtert und Claudia sagte ihm, dass Jennys Vater ihr tatsächlich verboten
hatte, mit Wolf in einem Sportflugzeug zu fliegen.
Das Mädchen getraute sich aber nicht, das zu sagen.
Schlussendlich gefiel es ihr dann aber doch, als sie mit Kurs auf Lanzarote
in 1500 m Höhe über dem Atlantik dahinflogen. Sie war bereits nach kurzer
Zeit sogar so begeistert, dass sie ununterbrochen mit Wolfs Kamera
fotografierte. Nach einer guten Stunde Flugzeit erreichten sie die Südspitze
der Insel. Sie erhielten eine Freigabe vom Tower in Arrecife, um an der
Westküste entlang der Feuerberge fliegen zu dürfen. „Hier auf diesen
Vulkan werden wir morgen mit dem Auto hinauffahren“, sagte Wolf zu
Jennifer und flog eine tiefe Kurve um einen Krater, damit sie besser knipsen
konnte. Sie meinte: „Das sieht aus wie im Fernsehen.“ Claudia, die an
solche Ausblicke schon gewohnt war, lachte: „Ja, du siehst es auch aus der
Ferne, aber morgen fahren wir dort unten mit dem Auto herum. Da wirst du
dir vorkommen, als wärst du auf einem anderen Planeten.“
Innerhalb von wenigen Minuten erreichte das kleine Flugzeug den Norden
der Insel. Da Wolf genau wusste, wonach er suchte, fanden sie auch gleich
die kleine Straße, in deren Nähe sich die riesige Höhle befinden sollte. Er
drosselte die Geschwindigkeit und begann zu kreisen. Tatsächlich fanden
sie auch mehrere eingebrochene Stellen in der unwirtlichen Landschaft,
welche aber alle auf einer Linie zur Küste angeordnet waren. Thomas, der
Co-Pilot, speicherte auf Wolfs Kommando beim Überfliegen der Löcher
laufend die GPS-Koordinaten. „So, jetzt noch ein paar Minuten nach
Norden, dann haben wir unsere Mission für heute erreicht.“ Sie überflogen
das kleine Dörfchen Orzola mit seinem winzigen Hafen. Dann kam auch
schon die wenige Quadratkilometer große Insel Alegranza in Sicht. Außer
einem Vulkan und auf der Gegenseite einem alten Leuchtturm war dort
nichts zu sehen. Er nahm sich nun selber die Kamera in die Hand und
ersuchte Thomas das Steuer zu übernehmen. Er sollte einige große Kreise in
geringer Höhe um den Leuchtturm fliegen. Wolf machte viele Aufnahmen
von der Vulkaninsel und dann ging es wieder zurück nach Gran Canaria, wo
er das Flugzeug nach beinahe zwei Stunden Flug über das Meer wieder
sicher landete.
Tags darauf war ebenfalls wieder Lanzarote auf dem Plan. Diesmal aber per
Mietwagen. Wolf hatte schon von zuhause die Flugtickets bei Binter Air
bestellt und sie mussten sehr früh aufstehen, um die Acht-Uhr-Maschine zu
erreichen. Auch einen Leihwagen auf Lanzarote hatte er bereits zwei Tage
vorher schon reserviert. Der Flug dauerte nur knappe vierzig Minuten, aber
es würde für die drei ein recht langer Tag werden. Wolf, der Lanzarote
bestens kannte, wollte der Kleinen die Feuerberge von Timanfaya im Süden
mit ihren zahlreichen Vulkanen zeigen und auch noch die anderen
Sehenswürdigkeiten der Insel, wie zum Beispiel den Aussichtspunkt
Mirador del Rio ganz oben im Norden, besuchen. Von dort konnte man bei
klarem Wetter auch auf die zwanzig Kilometer entfernte Vulkaninsel
„Alegranza“ schauen, welche sie ja gestern aus der Luft gesehen hatten.
Das Mädchen war überwältigt von den vielen Eindrücken der
Vulkanlandschaft und den endlosen, erstarrten Lavafeldern, durch die sie
nun hautnah mit dem Auto fuhren. Da Wolf das Programm sehr gestrafft
hatte, ging es sich auch noch zeitlich aus, Jennifer die einstündige Führung
durch die Lavahöhle „Cueva de los Verdes“ zu ermöglichen. Das waren
riesige, röhrenartige Höhlen, welche vor Jahrtausenden entstanden waren,
als die flüssige Lava mit dem Meerwasser in Berührung kam. Danach
fuhren sie in die Gegend, die ihm Kammler beschrieben hatte und von
denen er nun auf seinem GPS die Koordinaten dabeihatte.
Leider waren die Stellen etwa 100 Meter von der schmalen Straße entfernt
und auch vom Wagen aus nicht auszumachen. Claudia meinte, mit ihren
Trekkingschuhen könne sie am besten dort in das Lavafeld gehen.
Tatsächlich waren dort an vielen Punkten Einbrüche in darunterliegende
Hohlräume. Claudia kletterte über das messerscharfe Lavageröll hinweg zu
den Stellen, wo sie einen Eingang in diese Unterwelt vermutete.

Es dauerte beinahe eine Stunde, bis sie fündig wurde und einen Abgang ins
Innere fand. Die junge Frau hatte eine von Wolfs extrastarken Lampen
dabei und stieg vorsichtig in eine der Höhlen ein. Tatsächlich war dort ein
künstlicher Abstieg in die Felsen gehauen worden. Sie musste auch nicht
sehr weit hinuntersteigen, bevor sie einen befestigten Boden erreichte. Die
Höhle war haushoch. An den Seiten und am Boden waren Spuren von
Kavernen, welche mit rostigen Eisendeckeln verschlossen waren. Hierher
waren möglicherweise auch schon Forscher gelangt, welche die
Lavahöhlen, von denen es hier sicher viele gab, vermessen wollten.
Aufzeichnungen darüber waren aber weder im Internet noch sonst wo zu
finden.
„Wo bleibt meine Mama so lange?“, fragte Jennifer ängstlich. Wolf
versuchte das Mädchen zu beruhigen, als die junge Frau wieder im dunklen
Lavafeld auftauchte. „Hier waren tatsächlich schon Menschen am Werk
gewesen. Der General hat es auch sehr genau beschrieben“, rief sie Wolf zu.
„Was die damals dort unten wohl deponiert haben“, fragte er,
„wahrscheinlich haben sie keine Zeit für größere Betonbauten gehabt und
wollten einfach nur rasch etwas verstecken, was offenbar wichtig gewesen
war.“
„Ja“, erwiderte Claudia, „hier in dieser Gegend, in der es außer diesen
Lavafeldern gar nichts gibt, wäre ein Bauwerk schon von Weitem
aufgefallen. So nutzten die damals diese großen Höhlen, in welchen kaum
etwas Wichtiges vermutet wurde.“
Claudias Tochter meldete sich wieder zu Wort. Sie hatte wieder einmal
Hunger. Stets musste Claudia etwas Essbares dabei haben, damit ihre
Tochter nicht die gute Laune verlor. Es genügten ihr mitunter ein paar
Kekse, dann ging es wieder für einige Stunden. Es war nun Zeit zum
Zurückfahren. Sie erreichten den Flughafen pünktlich. Auf Gran Canaria
war es nach ihrer Ankunft bereits finster. „Morgen kannst du dich in Ruhe
ausschlafen“, meinte Wolf zu Jennifer, der man die Müdigkeit jetzt ansehen
konnte.
Kapitel 26

Kaiser Karl im Untersberg

Elfriede, eine Bekannte von Wolf, die wusste, dass er sich seit Jahren
intensiv mit dem Untersberg befasste, erzählte ihm eine seltsame, fast schon
kurios klingende Geschichte, die sich vor vielen Jahren am Berg ereignete.
„Weißt du“, sagte sie zu Wolf, „eine Freundin von mir in betagtem Alter hat
mir schon einige Male von einem Erlebnis berichtet, das fast unglaublich
klingt. Sie war damals in einer Gruppe von Jungen und Mädchen mit knapp
zwanzig Jahren, welche auch gerne auf den Untersberg hinaufwanderten. Es
war in den fünfziger Jahren, also in der Zeit, als es noch keine Seilbahn auf
den Berg hinauf gab. Die Gruppe von acht Jugendlichen stieg über den
gefährlichen Dopplersteig empor, als sie ziemlich weit oben zu einer
Abzweigung kamen. Diese führte direkt zum Eingang der berühmten
Kolowratshöhle.“ Wolf wusste, dass diese mit 34 Kilometer Länge die
größte Höhle des Untersbergs ist und bis in eine Tiefe von über eintausend
Metern hinunterreichte. Vor über einhundertfünfzig Jahren bestiegen viele
Salzburger im Sommer den Untersberg, um in dieser Höhle, in der sich
unmittelbar nach dem Eingang eine riesige, ebene Eisfläche befand,
Schlittschuh zu laufen. Es wurden damals sogar hölzerne Stufen zu dem
unterirdischen Eislaufplatz gebaut. Aber als man den sehr niedrigen
Höhleneingang, welche man nur tief gebückt passieren konnte, größer
gesprengt hatte, begann das Eis in der Kolowratshöhle massiv
abzuschmelzen, sodass heute nur noch Fragmente von diesem Eispalast
übrig sind. Auf der Südflanke des Untersbergs, ganz in der Nähe der Toni
Lenz’ Hütte, befindet sich auf deutschem Gebiet die Schellenberger
Eishöhle, welche die größte Eishöhle Deutschlands ist.
Elfriede fuhr fort: „Als die Gruppe den Höhleneingang erreichte, meinte
Herta, so hieß nämlich Elfriedes Bekannte: ‚Kommt, lasst uns da
hineingehen, um Brotzeit zu machen, vielleicht treffen wir den Kaiser.‘ Du
musst wissen“, sagte Elfriede zu Wolf, „diese Herta war in ihrer Jugend ein
sehr spontanes Mädchen und immer zu Späßen aufgelegt.“
Wolf erwiderte: „Ja, haben die denn damals tatsächlich geglaubt, in dieser
Höhle auf den Kaiser Karl zu treffen? Freilich soll er der Sage nach mit
seinen Zwergen und seiner Ritterschar im Untersberg verweilen, bis die
Raben nicht mehr um den Untersberg fliegen. Dann würde er aber
herauskommen, um die letzte Schlacht am Walserfeld zu Füßen des Berges
zu schlagen und dem Guten zum Sieg verhelfen. Er würde dann seinen
Schild an den Birnbaum am Walserfeld hängen. Tatsächlich aber liegt
Kaiser Karl seit über eintausendeinhundert Jahren im Aachener Dom
begraben.“ Elfriede lachte und erzählte weiter: „Als die Jugendlichen in die
Höhle gegangen waren, sahen sie dort einen Eisblock, welcher an einen
großen Tisch erinnerte. ‚Das ist die Tafel vom Kaiser Karl, lasst uns hier auf
den Felsblöcken rundherum Platz nehmen‘, sagte Maria. Alle setzten sich
auf die, wie Stühle um den Eistisch angeordneten Felsblöcke und begannen
ihre Rucksäcke auszuräumen und wollten gerade mit der Brotzeit beginnen,
als ein Bursche aus der Gruppe laut zu rufen begann: ‚Kaiser Karl, komm
heraus. Wir laden dich ein, mit uns zu jausen.‘ Der junge Mann wiederholte
seine Rufe einige Male, als plötzlich Schritte aus der Tiefe der Höhle zu
hören waren. Nach einigen Augenblicken, in welchen die jungen Leute
neugierig und dabei doch etwas ängstlich in die Dunkelheit starrten,
erschien dort ein Mann mit einem langen, weißen Bart und einem Jutesack
in der linken Hand. ‚Das ist der Kaiser‘, rief Herta. ‚Karl ist gekommen, um
mit uns an der Tafel zu sitzen.‘ Die Gestalt kam schweigend näher und
setzte sich zu ihnen an das Ende des Tisches. Rasch boten ihm die
Jugendlichen Speis und Trank aus ihren Rücksäcken an, was er ohne Worte
und wohlwollend nickend entgegennahm. Nach etwa einer halben Stunde
verabschiedeten sich die jungen Leute von dem bärtigen Mann, welcher bis
dahin kein Wort mit ihnen gesprochen hatte. Ihnen war mittlerweile kalt
geworden. Der vermeintliche Kaiser blieb jedoch, ohne etwas zu sagen,
sitzen.“
Wolf wusste bereits, was in Wahrheit geschehen sein musste. Die
Kolowratshöhle wurde schon damals von sehr vielen Höhlenforschern
besucht und fast immer befanden sich einige von ihnen in der Höhle. So
auch an diesem Tag, als Herta mit ihren Freunden dort hineinging. Denn als
die Gruppe die Höhle verlassen hatte, rief der Höhlenforscher seinen
inzwischen heraufgestiegenen Kameraden zu: „Ihr könnt euch nicht
vorstellen, was ich soeben erlebt habe. Da haben mich junge
Leute gerufen und mich auf eine Jause eingeladen.“
„Wie gut, dass du Karl heißt“, sagte einer der Höhlenforscher, „damit
fühltest du dich angesprochen, bist den Rufen gefolgt und die jungen Leute
haben dich tatsächlich für den Kaiser Karl gehalten.“ Alle lachten und der
vermeintliche Kaiser sagte in würdevollem Ton: „Das werde ich beim
nächsten Treffen unserer Freunde im Clublokal erzählen.“
Kapitel 27

Die Vril-Scheibe im Mondsee

Es war ein kalter Februarmorgen und der Mondsee im Salzkammergut war


von einer dünnen Eisschicht bedeckt. Der Bauer Franz war, obwohl es erst
vier Uhr früh war, bereits am Hof unterwegs, als er plötzlich ein leises
Summen hörte. Es war Vollmond und daher konnte er alles ziemlich gut
erkennen.
Er blickte sich um und was er da sah, ließ ihm den Atem stocken. Da
näherte sich ein scheibenförmiges Etwas, das einem riesigen Diskus ähnlich
sah, vom Westen her in der Luft. Franz hatte so etwas noch nie gesehen. Die
Scheibe hatte einen Durchmesser von etwa fünfzehn bis zwanzig Meter und
flog in geringer Höhe. Nur ein leises Summen war dabei zu hören.
Das Ding flog fast genau über ihn hinweg und geradewegs auf den See zu.
Franz lief auf dem schmalen Feldweg der Scheibe nach und sah, wie sie
ungefähr zweihundert Meter vom Ufer entfernt über dem Mondsee in der
Luft stehen blieb. Ihm stockte der Atem, als sich die Flugscheibe langsam
auf die Wasseroberfläche zubewegte. Kurz vor dem Erreichen der dünnen
Eisfläche zerbarst diese Schicht und Wasser wirbelte in die Luft, so als
würde der See kochen. Gleich darauf berührte das Fluggerät das Wasser,
welches nochmals hochspritzte und tauchte schließlich vollends im See
unter. Heftig sprudelten jetzt Luftblasen empor und eine Minute später lag
der See wieder ruhig im Mondlicht, so als wäre nichts geschehen. Franz
blieb eine Zeit lang stehen. Es war nur noch ein kleiner dunkler Fleck zu
sehen, dort wo die Scheibe im Mondsee verschwunden war. Der Bauer
drehte sich um und wollte gerade schon wieder gehen, da hörte er hinter
sich ein Rauschen und erblickte, als er sich umsah, das Fluggerät wieder aus
den Fluten auftauchen. Es sah aus, als würde es jetzt wie ein Boot auf dem
Wasser schwimmen. Plötzlich war da wieder das Summen und dabei erhob
sich die Scheibe wieder aus dem Wasser und blieb in einer Höhe von etwa
fünfzig Metern über dem See in der Luft stehen. Fasziniert wartete Franz
ab, was nun weiter geschehen würde, als sich das Objekt langsam und dann
immer schneller werdend in Richtung Westen bewegte, wobei er es
schließlich aus den Augen verlor.
Der Bauer ging wieder zurück zu seinem Hof und machte sich an seine
Arbeit im Stall.
Lange Zeit erzählte er keinem etwas von dem in der Nacht Gesehenen.
Erst nach dem Krieg erfuhren nach und nach Bekannte von ihm von
dieser Geschichte. Dann wusste es beinahe jeder, von geheimen Projekten
der Nazis erzählte man sich und es gab auch bald eine Reihe von Leuten,
welche ebenfalls Ähnliches gesehen haben wollten.
Schließlich kamen Reporter von verschiedenen Zeitungen zu Franz und
ließen sich seine Geschichte von der Sichtung dieser Scheibe zigfach
erzählen, was im Grunde aber nur zu Verschwörungstheorien führte.
Letzten Endes gab es auch Gerüchte über die Landung von
Außerirdischen im Mondsee und auch über den Absturz eines UFOs im
See.
Später wurde auch der Enkel vom Bauer Franz mit diesem Ereignis
konfrontiert und Taucher von weit her suchten am Boden des Sees nach den
vermeintlichen Überresten dieser Flugscheibe. Da dieser See relativ seicht
ist und nur an wenigen Stellen eine maximale Tiefe von circa 65 Meter
besitzt, wurde es für viele Taucher regelrecht ein Sport, dort zu suchen.
Von einer Scheibe mit den Maßen, die der Bauer Franz gesehen hatte,
wurde jedoch nie etwas gefunden.
Auch Wolf erfuhr von dieser Geschichte und besuchte den jungen Bauern,
welcher ihm die Erlebnisse seines Großvaters bestätigen konnte.
Kapitel 28

Die Wettermacher

Im Frühsommer 2016 gab es im südbayrischen Raum und auch im


benachbarten Österreich viele entsetzliche Unwetter, bei denen es auch
Menschenleben zu beklagen gab. Aber auch anderorts in Europa waren
solche kleinräumigen Wetterphänomene, welche aber großen Schaden
anrichteten, zu beobachten. Wolf, der sich nach dem Unwetter am
Untersberg beim Grünbach, im Vorjahr mit solchen Phänomenen intensiv
beschäftigte, fiel nun die starke Ähnlichkeit dazu auf. Indirekt hatte der
General damals ja bestätigt, Urheber dieses Unwetters zu sein. Sollte der
General auch diesmal seine Finger mit im Spiel haben? Er würde ihn bei
nächster Gelegenheit fragen. Vielleicht konnte aber auch Becker etwas dazu
sagen. Da erfahrungsgemäß der Kontakt zu dem Illuminaten leichter
herzustellen war, traf er sich mit Becker. „Der General ist sehr wohl in der
Lage, begrenzte Wetterphänomene hervorzurufen, so wie Sie bereits im
Vorjahr beobachten konnten. Aber die jetzigen Unwetter haben ihren
Ursprung woanders, wenn auch die Technik die gleiche ist, welche auch
Kammler angewandt hat. Man muss nur einen Tiefdruckwirbel stationär
machen, ihn praktisch daran hindern zu wandern, um die Wolken dann zum
Abregnen zu bringen. Damit können auf sehr kleine Gebiete riesige
Mengen an Regen niedergehen.“
„Wer sollte aber daran ein Interesse haben?“, fragte Wolf.
„Ihre Frage sollte eher lauten, wer zu so etwas in der Lage sein könnte“,
gab Becker zur Antwort. „Stellen sie sich vor, wenn das nur lauter Testläufe
sind, welche hier veranstaltet werden. Man nützt dabei die bestehenden
meteorologischen Bedingungen aus und lässt somit die einzelnen Gebiete
sozusagen ‚im Regen‘ versinken. Mit riesigen Mikrowellenanlagen wie
zum Beispiel HAARP, welche mittlerweile weltweit installiert sind, lässt
sich so etwas durch Erwärmung der Atmosphäre beschleunigen.“ Wolf
nickte. Becker sprach weiter: „Und wer hat Macht über diese
Mikrowellentechnik? Nun wissen Sie, wer sich hier als Wettergott aufspielt
und somit großes Leid über die betroffenen Menschen bringt.“
„Sie sagen also nur ein Testlauf, aber ein Testlauf wozu? Was soll damit
erreicht werden?“
„Unter anderem ist das eine Ablenkung“, erwiderte Becker. „Wenn so
etwas im großen Stil gemacht wird und zudem den Leuten das Märchen
einer weltweiten Klimaveränderung aufgetischt wird, dann wird eine große
Zahl von Menschen in Angst und Panik versetzt, was sie für die tatsächlich
ablaufenden Geschehnisse blind macht. So ist dann die Bevölkerung viel
leichter zu manipulieren. Zudem werden parallel dazu auch mittels
niederfrequenter Magnetfelder die Gehirne der Menschen beeinflusst und
somit gleichermaßen ein künstliches morphogenetisches Feld geschaffen.
Ein Feld der Angst. Aber wie so etwas im Detail funktioniert, das haben Sie
ja vor vielen Jahren schon selbst festgestellt, als Sie die mit Alufolie
beklebte Decke Ihrer Kellerbar unabsichtlich unter pulsierenden
Gleichstrom gesetzt haben. Sie wollten damals eigentlich nur die kleinen
Glühlampen in verschiedener Frequenz zum Blinken bringen, haben aber
Ihre Gäste damit in Unruhe versetzen können.“ Wolf erinnerte sich an diese
Sache und ließ sich damals diesen Effekt von einem Physiker erklären.
„Hat dies auch mit der einsetzenden Umwälzung zu tun?“, wollte Wolf
wissen. Becker nickte. „Ja, sowie die enorme Anzahl von Islamisten,
welche unsere Länder überschwemmt, und ebenso auch die
Terroranschläge, die eng damit verbunden sind. Das alles soll dazu führen,
dass eine Instabilität ungeheuren Ausmaßes entstehen wird.“
„Können wir uns überhaupt gegen so etwas zur Wehr setzen“, fragte Wolf,
„und wenn ja: womit?“
„Der General“, antwortete Becker, „verfügt über technische
Möglichkeiten, das Wetter auf engen Raum zu beeinflussen, wie sie selbst
schon gesehen haben. Auch der sogenannte ‚Mantel des Vergessens‘, diese
niederfrequenten Impulse, welche er mittels Y-förmiger Antennen im
Untersbergwald ausstrahlen lässt, gehört hier dazu. Inwieweit er aber so
etwas in ganz Deutschland bereits einsetzen könnte, kann ich selber nicht
sagen. Es gibt nämlich noch andere, mächtige Komponenten, welche hier
eine Rolle spielen.“
„Denken Sie etwa an einen militärischen Einsatz?“, entgegnete Wolf.
„Machen Sie sich keine zu großen Sorgen, es wird alles sehr rasch gehen,
sehen Sie nur zu, dass sie genügend Trinkwasser für vierzehn Tage im Haus
haben.“
„Sie denken an die Prophezeiungen von Irlmaier?“, fragte Wolf.
Becker antwortete: „Ja, aber zu dem bayrischen Propheten werde ich
Ihnen noch mehr sagen.“
Zufällig meldete sich Obersturmbannführer Weber über den neuen
Kommunikationskanal. Wieder würde es Neuigkeiten vom General geben.
Ein Treffen wurde anberaumt. Es würde beim Stollen nahe der alten
Grenzstation in der Nähe von Markt Schellenberg stattfinden. Wolf wollte
diese Gelegenheit auch gleich dazu nützen, Kammler zu fragen, ob und wie
er solche Wetter-Beeinflussungen erzeugen könne.
„Sie fragen mich da sehr geheime Dinge“, meinte der General, „aber was
soll’s, jetzt müssen wir ohnehin alles auf eine Karte setzen. Deshalb werde
ich Ihnen das auch erklären.“
Wolf war schon gespannt, was ihm Kammler jetzt sagen würde.
„Kommen Sie mit“, meinte der General, „ich werde Ihnen zum besseren
Verständnis etwas zeigen“ und ging ein Stück in den Stollen hinein, wo eine
meterhohe, schwere Eisensäule stand. Diese hatte sicherlich ein Gewicht
von mehr als zwei Tonnen. „Glauben Sie, dass Sie diese Säule zum
Wackeln bringen können? Sie ist nicht im Boden verankert und steht
vollkommen frei da?“, fragte er Wolf. Dieser versuchte mit all seiner Kraft
das schwere Stück ins Wanken zu bringen, doch es gelang ihm nicht. Die
Säule rührte sich keinen Millimeter.
„Jetzt passen Sie genau auf, ich werde diese Säule mit nur einer Hand
zum Schwanken bringen“, meinte er und begann mit dem Handballen
leichte Stöße gegen die mächtige Eisensäule auszuführen. Wolf musste
beinahe lachen. Wie sollte Kammler das Ding in Bewegung setzen? Dem
General blieben Wolfs mitleidige Blicke nicht verborgen, aber er ließ sich
nicht beirren und schlug im selben Rhythmus weiter mit seinem Handballen
auf die Säule. Wobei er immer ungefähr eine knappe Sekunde zwischen den
einzelnen Schlägen wartete. Wolf wollte nicht unhöflich erscheinen und den
General nicht bei seinem Tun unterbrechen.
Plötzlich, wie von Geisterhand, begann die tonnenschwere Säule sich zu
bewegen. Zuerst minimal, dann immer stärker und nach kaum zwei
Minuten wackelte sie bereits bedenklich, sodass Kammler aufhörte.
„Na“, lachte der General, „sind Sie nun überzeugt, dass mit geringer Kraft
etwas zu bewegen ist?“
Wolf hatte früher, in seiner Studienzeit, schon davon gehört, dass sich
Schwingungen aufschaukeln und damit sogar Brücken zum Einsturz
gebracht werden konnten, wenn man ihre Eigenfrequenz stimulierte.
So zum Beispiel durften Soldaten auch nicht im Gleichschritt über solche
Bauwerke marschieren. Sie konnten damit eine Brücke in Schwingungen
versetzen und sogar ihren Einsturz herbeiführen.
Aber was hatte das mit dem Erzeugen von Unwettern zu tun, fragte sich
Wolf. Der General erklärte ihm: „Genauso wie sich die Stoßwellen im
Material dieser Säule bewegt haben und sie in Schwingung versetzten, ist es
auch im Wasser und in der Luft. Ich habe Ihnen vor nicht allzu langer Zeit
von den Erdbebenwellen erzählt. Die wirken ebenso wie die Posaunen von
Jericho. Genauso kann ein Sturm künstlich hervorgerufen werden. Und mit
so etwas können auch Regen und Gewitterwolken in gewisse Richtungen
getrieben werden.
Denken Sie an die australischen Ureinwohner, die Aborigines, die haben
mit ihren Schwirrhölzern Regen erzeugt.“
Wolf hatte anlässlich seines Fluges über das australische Outback von so
etwas bereits gehört. Er tat es aber als mystisch, als magische Handlung ab.
Doch steckte da eigentlich nur die Erzeugung von gewissen Frequenzen
dahinter und es gab eine eindeutig physikalische Erklärung dafür.
Ja, der General hatte es ihm einleuchtend erklärt.
„Über diese Dinge wussten wir bereit schon längere Zeit Bescheid, aber
zum Einsatz gekommen ist so etwas im Krieg eigentlich nicht“, sagte der
General.
Wolf hatte da noch eine Frage, ob an dieser Sache mit der Flugscheibe
vom Mondsee etwas Wahres sei. Darauf antwortete dieser: „Ja, wir haben in
den Kriegsjahren verschiedenen Flugscheiben getestet. Auch die
Unterwassertauglichkeit wurde dabei geprüft. Unser bevorzugtes Testgebiet
dafür war eigentlich der Chiemsee wegen seiner Nähe zu Bad Aibling. Dort
waren ja die ‚Antriebstechnischen Werkstätten‘ beheimatet, welche die Vril-
Antriebe entwickelten und auch an den anderen Flugscheiben mitarbeiteten.
Unterwassertauglich waren jedoch nur die Vril-Scheiben, welche dann auch
später im Mondsee getestet wurden. Das waren übrigens auch jene
Scheiben, mit welchen wir Schießübungen auf dem alten Platz in Glanegg
beim Untersberg durchgeführt haben. Dass diese Versuche der Bevölkerung
nicht gänzlich verborgen bleiben würden, war uns klar. Aber dieser Bauer
dürfte schon recht gehabt haben, als er die Scheibe sah, welche einen
Tauchversuch in den zugefrorenen See absolvierte.“
Kapitel 29

Die Geheimnisse von Schloss Moosham

Auf einer Veranstaltung lernte Wolf mit Claudia den Eigentümer des
Schlosses Moosham, Graf Alexander Stanislaus Wilczek, kennen. Die
beiden hatten schon vor zwei Jahren mit den anderen Mitgliedern des Isais-
Ringes dieses besterhaltene Schloss in Europa mit originaler Einrichtung
und Inventar aus dem Mittelalter besichtigt. Einige Zeit später holten sie
gemeinsam mit Hilfe des Generals den verbrecherischen, sadistischen
Schörgen Toni, welcher in Moosham im achtzehnten Jahrhundert das
Richteramt bekleidete, in einer Blitzaktion ab. Sie brachten ihn in die
heutige Zeit, in der er seiner gerechten Strafe zugeführt wurde. In den
Chroniken war dann zu lesen, der Teufel persönlich habe ihn geholt. Graf
Alex war von dieser Geschichte um den Schörgen Toni so angetan, dass er
Wolf und Claudia anbot, für sie und die Mitglieder des Isais-Ringes eine
private Führung durch das Schloss zu veranstalten, wobei er ihnen auch
Dinge zeigen werde, welche bisher noch niemand gesehen habe. Als Wolf
den Isais-Ring darüber informierte, waren alle sehr gespannt, was ihnen
Graf Alex da zeigen wollte.
Endlich war es so weit. Es war ein regenverhangener Tag. Schwere dunkle
Wolken lagen gespenstig über dem Schloss, als sie auf dem kleinen
Parkplatz in Moosham ankamen. Der Graf ging ihnen mit einem
Regenschirm und seinem australischen, mit Krokodilzähnen geschmückten
Akubra-Hut durch das schwere Burgtor entgegen und schloss dieses hinter
ihnen wieder ab. „Ich begrüße euch recht herzlich“, sagte er in die Runde,
„es freut mich, dass ihr alle gekommen seid. Ich kann euch mitteilen, dass
wir uns heute ganz alleine hier im Schloss befinden. Die Burgschenke ist
geschlossen und auch die Dame, welche ansonsten Führungen macht, hat
heute frei.“
„Alex“, meinte Wolf, „du bist also auch davon überzeugt, dass es hier in
deinem Schloss nicht mit rechten Dingen zugeht.“ Der Graf sah Wolf ernst
an und erwiderte: „Vor einigen Jahren hat mich ein US-amerikanisches
Fernsehteam kontaktiert. Auch die hatten von den seltsamen
Geschehnissen, welche hier auftreten, gehört und wollten eine ganze Nacht
im Schloss verbringen, um diese Spukphänomene zu dokumentieren. Ich
ließ sie tatsächlich einschließen, sodass sich das Team ganz alleine in der
Burg befand. Was dann genau geschah, weiß ich nicht, aber so gegen zwei
Uhr nachts erreichte mich am Handy ein Anruf. Das Fernsehteam wollte so
bald wie möglich das Schloss wieder verlassen.“
„Kannst du dir vorstellen, was denen in der Nacht widerfahren ist?“,
fragte Claudia, welcher es bei diesen Worten von Alex schon etwas gruselig
geworden war. Sie hatte ja schon selbst vor zwei Jahren auf der Wolfshütte
Bekanntschaft mit einem sogenannten Geist gemacht.
„Ich bin überzeugt, dass hier auf Moosham unerklärliche Dinge passieren,
die meiner Meinung nach auf die grauenvollen Folterungen, die hier
stattgefunden haben, zurückzuführen sind. Ich habe mich jahrelang mit
diesen Phänomenen beschäftigt, konnte aber nicht viel über die genauen
Hintergründe des Spuks herausfinden. Auch der Pfarrer von Thomatal, ein
sehr belesener Mann, der sogar ein kleines Theaterstück über den
Untersberg geschrieben hat, ließ sich vor Jahren ebenfalls im Schloss über
Nacht einschließen, und zwar in der Stube von dem Schörgen Toni. Da ja
dort kein elektrischer Strom installiert ist, nahm er sich drei Kerzen mit und
wollte sehen, was da kommen würde. Eine der drei geweihten Kerzen
sprang plötzlich aus dem Ständer heraus, erzählte er mir später. Was aber
dort in dieser Kammer in der Nacht wirklich geschah, darüber wollte der
Pfarrer nichts sagen. Seltsam war aber, dass der Geistliche seinen Mantel in
dem Gemach des Schörgen Toni zurückließ.“
Wolf entdeckte gleich zu Beginn einen sonderbaren hölzernen, Kopf eines
Bischofs mit seiner Mütze. Unter dem Hals war eine herzförmige Öffnung.
„Was ist das?“, fragte er den Grafen. Dieser gab nur zur Antwort: „Das ist
ein Böser. In der Öffnung war eine Reliquie angebracht gewesen. Dieser
Kopf hier ist wie von Geisterhand von seinem früheren Standplatz
mehrmals heruntergefallen, ohne dass ihn je irgendwer berührt hat. Es gibt
drei von diesen Köpfen. Zwei weitere werden wir noch in der
Schlosskapelle sehen.“
Die Gruppe besichtigte die prachtvollen, völlig im Original erhaltenen
Räume und erreichte schließlich auch das kleine Gemach des Schörgen
Toni. Dort lag, wie der Graf bereits erwähnt hatte, der Mantel des Pfarrers
von Thomatal über das Bett des Richters ausgebreitet. Wolf setzte sich
kurzerhand auf den Mantel und hatte in diesem Moment eine Eingebung.
Dieser Pfarrer wurde oftmals als „Bischof vom Lungau“ bezeichnet.
Vielleicht wusste auch er von den drei Bischofsköpfen im Schloss?
An einer Ecke in der Kammer hing ein kleines Männchen aus Holz, von
dem Alex meinte, dass es den Schörgen Toni darstellen sollte. Es glich aber
eher einer Pinocchio-Figur, die es aber im achtzehnten Jahrhundert kaum
gegeben haben dürfte. Claudia glaubte eher, dass es eine Art „Teufelspfand“
war. Es wurde in alten Geschichten nämlich immer wieder erwähnt, dass
dieser Mann seine Seele dem Teufel vermacht hatte.
„Aber lasst uns jetzt hinunter in den Gerichtsraum gehen, ich muss euch
dort etwas zeigen“, sagte Alex. Die kleine Gruppe folgte dem Grafen über
viele steinerne Treppen. In dem Raum, an welchen die Folterkammer
angeschlossen war, stand ein kleinerer, alter Kasten, der sich durch einen
geheimen Mechanismus nochmals von innen öffnen ließ und eine Türe in
das dahinter liegende Mauerwerk freigab. Dort war ein finsterer Gang zu
sehen, der am Ende zugemauert war. Angeblich wurde dies vom Großvater
des Grafen veranlasst. „In meiner Familie wurde niemals darüber
gesprochen, was sich hinter dieser Mauer befinden sollte. Da ich aber
neugierig war, was sich dort verborgen haben mochte, stemmte ich nach
dem Tode des Großvaters die oberste Reihe der Abmauerung frei. Am
Geräusch der in das Loch hinunterfallenden Ziegel konnte ich erahnen, dass
es sich um eine tiefe Grube handeln musste. Irgendwann verließ mich der
Mut und ich kroch wieder aus dem Gang heraus.“
„Was glaubst du, was sich dort unten in dieser Grube befindet?“, fragte
ihn Wolf. Alex antwortete: „Ich kann es euch nicht sagen, aber ich habe so
ein inneres Gefühl, dass dort unten die Überreste von hinabgestoßenen
Menschen liegen.“
„Ein Grab also“, meinte Claudia.
„Grab und Hinrichtungsstätte zugleich“, erwiderte Alex. „Ich kann euch
noch etwas Interessantes dazu sagen. Nachdem ich mit dem alten Pfarrer
darüber gesprochen hatte, meinte dieser, ich solle es mit Räuchern
versuchen. Eine Mischung aus Weihrauch und anderen Kräutern könnte
dabei nützlich sein. Ich bin dann mit dem Räucherwerk durch jedes einzelne
Zimmer des gesamten Schlosses gegangen, wobei alles sehr ruhig verlief.
Hier unten aber, bei diesem Kasten, geschah etwas, was mir die Haare zu
Berge stehen ließ. Als ich mit dem Räucherwerk zu dem frei gestemmten
Loch kam, blies mir eine unbekannte Kraft den Rauch direkt aus der
Öffnung ins Gesicht. Ich bin seitdem nie wieder dort hineingegangen.“
Herbert, der ja als Polizist einiges gewöhnt war, fragte: „Darf ich einmal
dort hineingehen? Ich möchte mir das selbst gerne ansehen.“ Alex öffnete
ihm den geheimen Verschluss im Kasten und Herbert schlüpfte in den
schmalen Gang, worauf Elisabeth, welche ebenfalls die Neugier gepackt
hatte, ihm hinterherging. Es waren nur wenige Schritte bis zu der Stelle in
der Mauer, die der Graf aufgestemmt hatte. Plötzlich hörten die Draußen-
Gebliebenen einen markerschütternden Schrei, der von Elisabeth stammte.
Sie und Herbert kamen rasch aus dem Gang herausgelaufen und der
Schrecken war ihnen ins Gesicht geschrieben. „Wir haben von dort unten
ein Ächzen und Stöhnen gehört, wie kann es so etwas geben?“, stieß
Elisabeth hervor.
Jetzt war es aber auch den anderen Mitgliedern vom Isaisring nicht mehr
ganz geheuer und auch Claudia wollte wieder diesen Raum verlassen.
„Na seht ihr“, meinte der Graf, „mir ist es damals beim Räuchern auch so
ergangen. Hier spukt es tatsächlich.“
Wolf jedoch, mit seinem unbändigen Forscherdrang, erwiderte: „Ich habe
zuhause eine Unterwasserkamera mit eingebautem Infrarotlicht und einem
recht langen Kabel und Monitor. Das Ganze hat einen zwölf-Volt-Akku
eingebaut. Dieses Gerät nehme ich das nächste Mal mit. Ich werde damit
hineingehen und die Kamera bei der Öffnung hinunterlassen, dann können
wir sehen, was sich dort unten verbirgt. Ich glaube nämlich nicht so recht an
Geister.“ Alex, der Graf, zuckte mit den Achseln. Er wusste, dass hier
tatsächlich Kräfte im Spiel waren, welche absolut unheimlich waren.
Sie vereinbarten einen Termin, an dem Wolf mit dieser Kamera
Nachschau halten wollte.
Dann zeigte er ihnen die Folterkammer, welche Wolf jedoch schon vor
zwei Jahren ausgiebig besichtigt hatte. Diese Kammer befand sich am
tiefsten Punkt des Schlosses und unten an den Wänden konnte man den
rohen Fels sehen. Am Ende des Raumes befand sich eine Streckbank, auf
der zur besseren Anschauung eine Schaufensterpuppe gebunden war. An
den Wänden hingen verschiedene Folterwerkzeuge wie Daumenschrauben
und Zangen, die glühend gemacht und mit denen den armen Opfern
unsägliche Qualen bereitet wurden. Den meisten von ihnen erwartete dann
ohnehin der Tod durch das Schwert oder der Scheiterhaufen. Auf der
rechten Seite der Folterkammer waren drei kleine Zellen in die Wand
eingebaut, welche durch Eisentüren verschlossen waren. Dort, in völliger
Finsternis, wurden die meistens der Hexerei Beschuldigten auf wenigen
Quadratmetern eingeschlossen, wo sie mitunter Wochen auf ihre
Hinrichtung warten mussten. Den Damen des Isais Ringes sowie auch Tina
und Monika, die extra zweihundert Kilometer zum Schloss angereist waren,
überlief ein eisiger Schauer, als sie diese grauenhaften Folterwerkzeuge
sahen und auch berühren konnten.
Dann meinte Graf Alex: „Lasst uns nun in den Gerichtsraum gehen“, der
gegenüber der Folterkammer gelegen war. Dieser Raum hatte eine sehr
negative Ausstrahlung. Der überbreite Richterstuhl mit einem riesigen
Marienrelief direkt darüber wirkte schon angsteinflößend. Auf einem Tisch
davor stand ein recht großes Kruzifix aus Eisen mit Dornen darauf.
Oben in der Decke befand sich eine Falltür, durch welche die
Delinquenten drei bis vier Meter hinabgestoßen wurden und vor dem
Richtertisch meist schwer versetzt auf dem Steinboden zu liegen kamen.
An den Wänden hingen neben Hand- und Fuß-Schellen und auch viele
Gewehre. „Diese Gewehre wurden Wilderern abgenommen, wenn man sie
erwischte, und diese wurden dann gleich an Ort und Stelle mit ihrem
eigenen Gewehr erschossen.“ Diese Gewehre hingen so wie Trophäen an
der Wand. „Und hier auf der gegenüberliegenden Seite könnt ihr das
Richtschwert von Moosham sehen. Es ist das Original, mit welchem
unzähligen Leuten der Kopf abgeschlagen wurde.“ Mit diesen Worten nahm
er das Schwert aus seiner Halterung an der Wand und legte es auf den
Richtertisch, wonach sich der Graf auf den Richterstuhl niederließ.
Wolf meinte: „Alex, rück bitte etwas zur Seite, auf diesem Stuhl haben
wir beide Platz.“ Dann hob Wolf das Schwert empor. Es war sehr schwer,
sodass es mit einer Hand fast nicht zu halten war. „Sei vorsichtig“, sagte
Graf Alex, „das Ding ist sehr scharf. Halte es nur unten am Griff.“ Wolf
konnte sich gut vorstellen, dass mit diesem schweren Richtschwert, welches
keine Spitze besaß, Köpfe abgeschlagen werden konnten. In diesem
Augenblick, als er das Richtschwert aufgerichtet mit beiden Händen hielt,
kam ihm das Bild des Bischofskopfes in den Sinn. Die Damen der Gruppe
fotografierten Wolf und den Grafen am Richterstuhl, einzig Claudia war es
zu viel geworden und sie verließ dieses grauenvolle Gemäuer schon zu
Beginn.

Elisabeth und Herbert, die beiden Polizisten, erinnerten sich noch gut daran,
wie sie vor Jahren diesen elenden, sadistischen Richter mittels Hilfe des
Generals im Untersberg hier aus dem Gerichtsraum herausgeholt hatten und
einer der Hexerei beschuldigten jungen Frau so das Leben gerettet hatten.
* (siehe Band 5 – Die Höllenfahrt des Schörgen Toni)
Bevor alle diesen schaurigen Ort wieder verließen, blieb Elisabeth
nochmals bei dem Kasten mit der Geheimtür stehen und hielt sich die Hand
vor die Augen. „Ich weiß jetzt, was sich hinter dieser zugemauerten
Öffnung befindet. Hier in dieser Folterkammer wurden Todesurteile auch
sofort vollstreckt und nicht nur auf der viele Kilometer entfernten
Richtstätte bei Tamsweg. Diese Leichen wollte man dann natürlich nicht im
Schlosshof vergraben. Auch wollte man diese blutüberströmten Körper
nicht durch die Gänge tragen. So hat man diesen geheimen Gang gebaut, in
welchem eine tiefe Grube ausgehoben wurde. Dort hat man die Körper der
Unglücklichen dann hineingeworfen und verwesen lassen.“
„Das wäre eine logische Erklärung“, antwortete Graf Alex, „mein
Großvater hat das anscheinend herausgefunden und aus Pietät vor den
Ermordeten die Grabstätte zumauern lassen. Ich werde die kleine Öffnung
ebenfalls wieder zumauern lassen, damit die Toten ihren Frieden finden. Im
Übrigen fällt mir gerade ein, dass unser Familienname ‚Wilczek‘ vom
Tschechischen übersetzt so viel wie ‚Kleiner Wolf‘ bedeutet.“ Wolf musste
bei dieser Bemerkung schmunzeln und sagte: „Ja, und weil ich heute ein
rotes T-Shirt trage, durfte ich das Richtschwert in die Hand nehmen.“
„Was hat das damit zu tun?“, fragte Claudia.
„Nun“, antwortete Alex, „Wolf hat schon irgendwie recht, denn der
Scharfrichter, der die Leute ins Jenseits beförderte, trug auch ein rotes
Gewand, vermutlich, damit man das spritzende Blut der Opfer nicht so sehr
auf seiner Kleidung sehen konnte.“
„Ich möchte euch jetzt noch etwas zeigen, was ich bisher noch nie
Besuchern gezeigt habe“, sagte Alex. „Kommt mit“, meinte er und ging
ihnen voran zur Burgkapelle.
„Burgkapelle?“, fragte Elisabeth staunend, „hier an einem Ort, an dem so
schreckliche Dinge passiert sind.“
Auf dem Weg dorthin sahen sie drei uralte, schmiedeeiserne Kreuze auf
einem Felsen am Fundament der Burg. Wer wohl hier in der Nähe der
Folterkammer Kreuze aufstellen ließ? Alex meinte nur, dass es sich einfach
nur um Sammlerstücke seines Großvaters handeln würde.
Sie folgten dem Grafen, und nachdem er die schwere Tür zur Kapelle
aufgesperrt hatte, betraten sie das düstere Innere der Kapelle. Dort in dieser
kleinen Kirche gab es einen herrlichen, uralten Flügelaltar und ein
Gnadenbild mit einer dreifach gekrönten schwarzen Madonna mit
Jesuskind, wie in der Lorettobewegung üblich. Und dort in der Burgkapelle
hingen dann die anderen zwei Bischofsköpfe an der Wand. Diese hatten
kleine, herzförmige Reliquienbehälter unter dem Hals eingebaut.
Jetzt durchfuhr es Wolf wie ein Blitz. Hier wurden drei Bischöfe oder
sonstige hohe kirchliche Würdenträger umgebracht. Und um das gemeine
Volk nicht zu verwirren, warf man die Unglücklichen in dieses Versteck bei
der Folterkammer. Da es sich aber um hohe Kirchenbeamte handelte,
welche sich vermutlich den Unwillen des Erzbischofs zugezogen hatten,
stellte man am Ort der Untat eben diese drei Schmiedeeisen-Kreuze auf.
Kapitel 30

Merkwürdige Ereignisse am Berg

Als Wolf mit Claudia und ihrer Tochter Jennifer eines Abends von Salzburg
nach Hause fuhr, erlebten die drei etwas Merkwürdiges. Sie hatten wegen
der deutschen Grenzkontrollen, welche im Mai um ein halbes Jahr
verlängert wurden, die enge Straße durch den Untersbergwald gewählt. Die
kleine Jennifer durfte auf kurvigen Straßen im Wagen immer vorne neben
Wolf sitzen. Plötzlich deutete Claudias Tochter auf ein Verkehrsschild auf
der linken Seite. Wolf bremste den Wagen abrupt ab. Da stand ein
Halteverbotszeichen, das sieben großkalibrige Einschusslöcher aufwies.
Jennifer fragte: „War das ein Jäger“?
Wolf schüttelte den Kopf. „Nein“, antwortete er, „das waren Neun-
Millimeter-Patronen aus einer Maschinenpistole. Da hat jemand, vermutlich
von Kammlers Leuten, einen Feuerstoß aus seiner Waffe abgegeben. Darum
auch die eng nebeneinanderliegenden Treffer.“ Etwas ängstlich schaute die
Kleine ihre Mutter an und meinte: „Mama, gibt es hier im Wald wirklich
Leute mit Gewehren?“ Claudia wollte ihre Tochter nicht beunruhigen und
sagte nur: „Weißt du, der Untersberg ist schon etwas ungewöhnlich und hat
viele Geheimnisse.“
„Meinst etwa, damit, dass hier Zwerge, Elfen und Hexen wohnen?“,
fragte Jennifer erstaunt. „Nein“, erwiderte sie, „das gerade nicht, aber
sonderbare Dinge geschehen hier in diesen Wald sehr oft. Eines Tages bin
ich mit Wolf hier die gleiche Strecke wie jetzt gefahren. Da kam uns ein
weißer Lieferwagen entgegen. Schon als ich den Wagen von Weitem
kommen sah, überkam mich ein merkwürdiges Gefühl. Wir mussten, um
auf dieser engen Straße aneinander vorbeizukommen, beide langsam fahren.
Dann konnten wir zwei es ganz genau sehen. In dem Lieferwagen saß
niemand am Steuer. Man konnte nur zwei rote Lichter sehen, welche sich
im Führerhaus befanden. Ich meinte damals, Wolf solle rasch umdrehen und
diesen offensichtlich führerlosen Wagen folgen. Ihm war die Sache aber zu
mulmig und er fuhr einfach weiter. Mich aber hätte es sehr interessiert, was
für eine Bewandtnis es mit diesen weißen Lieferwagen hätte.“ Jennifer
hörte gespannt zu und sagte schließlich: „Soldaten, die mit
Maschinenpistolen auf Verkehrsschilder schießen, Autos, die führerlos mit
glühenden Augen unterwegs sind, gibt es da noch mehr Dinge, welche ihr
mir noch erzählen könntet“?
„Ja“, meinte Wolf und wandte sich zu Claudia, „dann erzähl ihr doch die
Geschichte von der Kapelle, dort wo immer eine verschiedene Anzahl von
Kerzen brennt und wo nicht vor allzu langer Zeit einmal drei fein säuberlich
zusammengelegte, gebügelte Hemden in Größe 42 gehangen haben.“
„Nein, wir wollen doch meine Tochter nicht verunsichern“, antwortete
Claudia. Die kleine Jennifer schaute ihre Mama mit großen Augen an und
sagte: „Dann ist es doch ein Zauberwald.“
„Du brauchst aber keine Angst zu haben, dir geschieht hier nichts.“
Mittlerweile hatten sie den Gasthof Latschenwirt erreicht. Ein uriger
Gasthof mitten im Untersbergwald. Seinen Namen hatte er von den
Legföhren, die hierzulande „Latschen“ genannt werden und früher mittels
einer Seilbahn vom Plateau des Untersberges heruntergebracht wurden.
Diese wurden dann zu Latschenkiefernöl verarbeitet. Wolf lud die beiden
auf ein Eis ein und Claudia zeigte ihrer Tochter von der Terrasse des
Gasthauses aus den Waldweg, welcher zur Waldandacht führte. Die
Waldandacht war eine kleine Kapelle, bei der der Pfarrer Schmatzberger aus
Großgmain schon jahrzehntelang immer am 21. Dezember eine verfrühte
Christmette hielt. Wolf erzählte Jennifer noch von einem Erlebnis, als sie
anlässlich des sechzigsten Geburtstages von Roland, dem Rosenkreuzer,
diesen Weg gegangen waren. Mit von der Partie waren unter anderem auch
Franz, der damalige Meister der Salzburger Rosenkreuzer, und Carmen aus
Landshut, die sich damals auf die Suche nach Elfen machte und allen
glaubhaft versicherte, auch welche gesehen zu haben. „Gibt es wirklich
Zwerge und Elfen?“, fragte Jennifer, „ich dachte, so etwas gibt es nur im
Märchen.“
„Mittlerweile bin ich nach allem, was ich über diesem Berg erfahren habe,
überzeugt, dass diese Dinge wirklich passiert sind“, erwiderte ihre Mutter.
Kapitel 31

Irlmaiers Prophezeiungen

Wolf konnte sich noch an den Freilassinger Brunnenbauer Alois Irlmaier


erinnern. Seine Großeltern wohnten damals in Freilassing und der
Großvater erzählte ihm von den Prophezeiungen des Irlmaier. Wolf war
damals sechs Jahre alt und sein Opa nahm ihn eines Tages zum Lagerplatz
des Brunnenbauers mit. Dieser war ganz in der Nähe des Freilassinger
Bahnhofes. Wolf wollte sich das Grab von Irlmaier am Freilassinger
Friedhof in Salzburghofen ansehen. An einem schönen Samstagmorgen fuhr
er dorthin und konnte nach einigem Suchen auch rasch die Grabstätte der
Familie Irlmaier entdecken. Es war ein großer, schwarzer Granit-Grabstein.
Er stand etwas in Gedanken versunken davor und versuchte sich an
diesen, etwas mürrisch aussehenden Mann zu erinnern, was ihm aber nicht
so ganz gelingen wollte. Zu sehr verblasst waren die Eindrücke schon,
welche er damals vor fast sechzig Jahren von dem Brunnenbauer, den er ja
nur zwei kurze Male sah, hatte.
„Sie möchten mehr vom Irlmaier erfahren?“, hörte er plötzlich eine
Stimme hinter ihm.
Da stand, wie aus dem Nichts erschienen, Becker.
„Kommen Sie“, sagte der Illuminat, „wir können uns Ihren Besuch dort
beim Lagerplatz des Brunnenbauers vor sechzig Jahren ansehen. Aber ich
muss Sie nochmals daran erinnern, kein Wort zu sagen.“
Er ergriff Wolfs linke Hand und die beiden waren auf einem Schotterweg
hinter dem Bahnhof von Freilassing unterwegs. Auf den Geleisen schnaubte
eine schwarze Dampflok zischend dahin und stieß große Dampfwolken aus
dem Schornstein. Schon seit seiner Jugend hatte Wolf keine Dampflok mehr
gesehen. Er blieb stehen und sah interessiert dem schnaubenden Ungetüm
nach, bis ihn Becker zum Weitergehen bewog. „Kommen Sie, gleich um die
Ecke ist rechter Hand der Platz vom Irlmaier.“
Die wenigen Autos, welche auf der Straße zu sehen waren, hätten jedem
Museum zur Ehre gereicht. Auch die Kleidung der Leute war für Wolf
absolut eigentümlich. Schon hatten die beiden das Eingangstor des
Lagerplatzes erreicht und konnten bereits einen Mann mittleren Alters und
neben ihm einen kleinen Jungen sehen. „Und ab jetzt kein Wort mehr“,
ermahnte ihn Becker, „die zwei erkennen Sie ohnehin nicht.“
Irlmaier hatte die lange Kette, an der sein bellender Schäferhund hing, in
der Hand und befestigte diese an einem Haken an der Baracke, die ihm als
Werkstätte und zugleich auch als Büro diente. Der Mann mit dem Jungen
schien mit dem Brunnenbauer zu reden, während sich der Bub dem Hund
zuwandte und ihn zu streicheln versuchte. Irlmaier fuhr den Buben an: „Geh
weg vom Hund, sonst beißt er dich noch“, was er aber in seinem
urbayrischen Dialekt sagte.
Becker und Wolf waren mittlerweile hinter dem Gitterzaun recht nahe an
die drei herangekommen und konnten daher gut mit anhören, was da
gesprochen wurde.
„Ich wollte meinem Enkel erklären, womit ein Brunnen gebaut wird“,
meinte der Großvater und Irlmaier zeigte ihnen daraufhin die Rohre und die
durchbohrte Spitze, welche mit einem schweren Holzklotz in die Erde
gerammt würden. Auch eine Schwengelpumpe zum Heraufsaugen des
Wassers stand da am Lagerplatz.
„Ist da unten in der Erde überall Wasser?“, fragte der kleine Wolf.
„Nein, nicht überall“, antwortete der Brunnenbauer, „das ist nur an
gewissen Stellen.“
„Und wie wissen Sie, wo diese Stellen sind?“, fragte der Junge.
„Ein Brunnenbauer weiß so etwas eben“, sagte Wolfs Großvater, worauf
aber Irlmaier kurz ins Innere seiner Werkstatt ging und mit einem
gebogenen Draht wieder herauskam. „Das ist eine Rute. Damit kann man
das Wasser muten, das heißt spüren. Man kann auch einen gegabelten
Weidenzweig verwenden. Ich selber benütze so eine Rute aber nicht. Ich
spüre das Wasser sozusagen in meinen Händen. Ich darf daher auch nicht
Auto fahren, denn wenn ich über eine unterirdische Wasserader fahre, dann
kann ich zuweilen das Lenkrad nicht mehr festhalten.
Meistens klappt der Brunnenbau sofort, aber in seltenen Fällen muss ich
manchmal auch eine andere Stelle suchen, wo es mehr Wasser gibt.“ Der
kleine Wolf war begeistert.
„Gehst du schon zur Schule?“, fragte Irlmaier und machte dabei einen
kräftigen Zug an seiner bayrischen, geschwungenen Pfeife. „Nein“,
antwortete der Bub, „ich komme erst im September in die Volksschule.“
Der Brunnenbauer sah den Kleinen durchdringend an, fuhr sich mit der
rechten Hand über die Augen und meinte dann: „Du hast keine Angst vor
der Finsternis, du bist sogar schon alleine in eine Höhle gegangen und hast
dort ein Gewitter abgewartet.“
Der kleine Bub erschrak, wie konnte der Mann wissen, dass er vor kurzer
Zeit in dieser finsteren Höhle am Berg war, und noch dazu, dass es damals
ein Gewitter gab? Das hatte er doch niemandem erzählt, nicht einmal seiner
Mutter.
Der Brunnenbauer sprach weiter: „Auch ich habe in meiner Jugend schon
solche Sachen erlebt, als ich am Hochfelln in eine Höhle eingestiegen bin.
Wir haben etwas gemeinsam, du und ich.“ Dabei verzog er sein sonst eher
mürrisch aussehendes Gesicht zu einem väterlichen Lächeln und legte seine
Hand auf das Haupt des Buben, als wollte er etwas erspüren.
„Wenn du so alt sein wirst, wie ich jetzt bin, wirst du über viele Dinge
schreiben und damit auch einigen Menschen eine Hilfe sein. Ich aber werde
in zwei Jahren schon draußen am Friedhof liegen. Vielleicht erinnerst du
dich später einmal an mich.“
Wolf durchfuhr es bei diesen Worten, die der Brunnenbauer zu dem
Jungen sagte. An Fragmente davon konnte er sich jetzt wieder erinnern.
Aber im Zusammenhang dessen, was er in den letzten Jahren erlebt hatte,
ergab das Ganze nun einen Sinn.
„Verstehen Sie?“, fragte Becker leise, „das ist ein klarer Hinweis auf das,
was bisher geschehen ist.“ Wolf war verblüfft und Becker ergänzte: „Und
auch ein Auftrag.“
„Den ich aber bis heute nicht kapiert habe“, entgegnete Wolf.
„Nun, es ist noch nicht aller Tage Ende und Sie haben noch jede Menge
Zeit, Ihrer Berufung zu folgen“, meinte Becker.
Wolf sah noch einmal zu dem kleinen Jungen, der er selbst vor sechzig
Jahren war, und zu seinem Großvater, dann nahm ihn Becker wieder an der
Hand und die beiden standen im nächsten Moment wieder vor Irlmaiers
Grabstätte.
„Überlegen Sie, weshalb Sie heute zu diesem Grab gekommen sind. Ist
vielleicht eine von Irlmaiers Prophezeiungen wieder einmal in Erfüllung
gegangen?“ Als Wolf wieder zurück zu seinem Wagen ging, kam er auch
am Grab seines Großvaters vorbei. Ja, er hatte viele geheimnisvolle Sachen
von ihm erfahren. Unter anderem erzählte er ihm schon in jungen Jahren
über die hellseherische Gabe des Brunnenbauers. Alles Dinge, mit denen er
damals nichts anfangen konnte. Aber vielleicht war jetzt die Zeit reif dazu?
Aber die Prophezeiungen Irlmaiers waren es doch gerade, welche die
Menschen so in Angst und Schrecken versetzten. Becker hatte schon des
Öfteren gesagt, dass durch die schnelllebigere Zeit und die weltweite
Vernetzung eine andere Zukunft entstanden sei. Eine andere, als der
Brunnenbauer vor siebzig Jahren „gesehen“ hatte.
Möglicherweise sei es nun seine Aufgabe, die Leute aus diesem
Angsttaumel herauszuführen und ihnen klarzumachen, dass die Zukunft
durch sie selbst entstehen würde. Vielleicht begann gerade jetzt eine neue
Zukunft? Nur wie das geschehen sollte, das wusste er selbst nicht.
Kapitel 32

Ninive – Alles beginnt und endet zur richtigen


Zeit am richtigen Ort

Mit Hilfe der amerikanischen Truppen gelang es dem irakischen Militär


endlich die Schreckensherrschaft des IS in Mossul zu beenden. Tausende
dieser abscheulichen Kreaturen wurden von den irakischen Streitkräften
getötet, aber vielen gelang trotzdem die Flucht aus der Millionenstadt am
Tigris. Die Bevölkerung konnte aufatmen, aber zurückblieben nur Leid und
Ruinen. Zahlreiche unwiederbringliche Artefakte aus der babylonischen
Zeit wurden in den Museen von diesen Verbrechern zerstört und auch in der
viele jahrtausendealten Ruinenstadt Ninive am gegenüberliegenden
Tigrisufer gab es fürchterliche Verwüstungen. Um ihren Allah gnädig zu
stimmen, sprengten diese Islamisten unwiederbringliches Kulturgut
kurzerhand in die Luft. Jetzt aber gab es in dieser Stadt keine willkürlichen
Hinrichtungen seitens des IS mehr. Als Claudia diese Meldungen vom Sieg
der irakischen Truppen im Fernsehen vernahm, rief sie sofort bei Wolf an.
„Hast du die Berichte von der Befreiung der Stadt Mossul auch schon
gesehen, ich glaube, die Zeit ist nun gekommen, dass wir unsere Irakreise
antreten können. Voriges Jahr hat es nicht geklappt, aber du hast ja damals
schon alles vorbereitet.“ Wolf war noch nicht ganz sicher, ob das wirklich
so stimmte, wie die junge Frau meinte, und er sagte: „Ich werde diesmal
aber vorher Becker fragen, ob dort in Kurdistan auch wirklich alles sicher
ist und wir uns keiner Gefahr aussetzen würden. Erst dann werde ich die
Flüge buchen.“ Claudias Herz schlug schneller bei diesen Worten und sie
sah sich schon im Geiste in den riesigen Ruinenfeldern von Ninive
herumgehen. Auch Becker bestätigte, dass es nun gefahrlos möglich wäre,
nach Kurdistan zu fliegen, worauf Wolf die Tickets bestellte. Auch stellte er
noch mal einen Kontakt zum Bürgermeister der Hauptstadt Kurdistans,
Erbil, her, um sicherzugehen, dass alles gefahrlos ablaufen würde. Dieser
bot sich sogar an, ein Hotel für die beiden zu reservieren, und war auch
bereit, Wolf ein kurzes Interview zu gewähren. Nach vierzehn Tagen war es
dann so weit. Der Flug verlief so wie im März des Vorjahres, nur dass die
Maschine diesmal nicht über dem Schwarzen Meer umkehrte, sondern
planmäßig am Nachmittag in Erbil landete. Als Claudia nach dem Verlassen
des Flughafens ins Freie kam, wischte sie sich den Schweiß von der Stirn
und fragte Wolf: „Wieso hast du mir nicht gesagt, dass es hier Temperaturen
von beinahe vierzig Grad im Schatten hat?“ Wolf, für den die extremen
Temperaturen von seinen früheren Wüstenaufenthalten keine Neuigkeiten
waren, zuckte bloß mit den Schultern und meinte: „Sonst schaust du ja auch
immer auf die Wetterkarten der betreffenden Länder. Ich dachte, du bist dir
im Klaren, welche Temperaturen uns hier erwarten werden.“
Die junge Frau verbiss sich einen weiteren Kommentar, und als sie im
klimatisierten Taxi saß, wurde ihre Laune wieder besser. Auch das Rotana
Hotel, welches sie nach einer Viertelstunde erreichten, war ausgesprochen
schön, hatte einen absolut westlichen Standard und einen Pool, der fünf
Sternen entsprach. Einzig der Preis war etwas günstiger, als es die beiden
bisher gewohnt waren. Erbil war eine moderne Stadt und stand den
westlichen Metropolen in nichts nach. Als Erstes wurde der Bürgermeister
kontaktiert und er erklärte sich bereit, Wolf und Claudia am nächsten Tag
mit einem Wagen abholen zu lassen, der sie zu seinem Amtssitz bringen
würde. Nach dem Abendessen sagte Wolf zu Claudia: „Du weißt doch, dass
dieser Bürgermeister zwanzig Jahre in Bonn im Exil gelebt hat und perfekt
Deutsch spricht. Aber auch Kurdisch, Englisch und Arabisch spricht dieser
Mann fließend.“ Claudia nickte, war aber dann, als sie dem Bürgermeister
der 1,1 Millionen Stadt gegenübersaßen, trotzdem erstaunt, als sie Herr
Qoja, so hieß der Mann, in ihrer Muttersprache begrüßte. Das Gespräch mit
dem Bürgermeister gestaltete sich sehr freundschaftlich und vor allem
interessant. Er erzählte ihnen von der autonomen Region Kurdistan, vom
riesigen Flüchtlingslager am Rande der Stadt, wo fast 300.000 Flüchtlinge
in Lagern und Zelten untergebracht waren. Auch sagte er, dass er es
überhaupt nicht verstehe, warum die Deutschen so viele Flüchtlinge
aufnehmen und so viele Moscheen bauen, aber nicht dafür sorgen, dass die
Menschen hier im Irak bleiben können. Mit dem gleichen Geld könne man
hier das 20-Fache erreichen. Er mache sich auch deshalb große Sorgen, weil
so viele junge Männer nach Deutschland weggelockt würden. Diese fehlen
für den Wiederaufbau in der Heimat. Freilich müsse man hier helfen, aber
wenn es wieder möglich ist, dann sollten diese wieder nach Hause geschickt
werden. Zurück bleiben nur die Alten, Kranken, Witwen und Waisen. „Wir
haben hier im Nord-Irak mehr Kriegsflüchtlinge als ihr in ganz Europa“,
sagte der Bürgermeister, „und wir können sie auch notdürftig versorgen.
Wenn ihr wollt, lass ich Euch mit einem Wagen zum Lager bringen, damit
Ihr Euch eine Vorstellung davon machen könnt. Mich wundert es nur, dass
ein großer Staat wie die Türkei zu jammern beginnt und von der EU sechs
Milliarden Euro dafür verlangt, dass er gerade erst halb so viele Asylanten
aufgenommen hat wie unser Land. In der nordirakischen Stadt Dohuk, die
500.000 Einwohner hat, leben zusätzlich bereits 650.000 Flüchtlinge.“
Claudia und Wolf waren entsetzt, was sie da zu hören bekamen.
„Haben Sie übrigens gewusst, dass von Deutschland aus in der Kaiserzeit
eine Bahn von Berlin bzw. von der Nordsee bis Bagdad und weiter ans
Meer gebaut werden sollte – die ist auch fast fertig geworden und hieß
‚Bagdadbahn‘.
Das Verhältnis zwischen unseren Völkern war immer sehr gut und wir
haben schon seit vielen Jahren auch eine deutsche Schule hier in Erbil.
Diese führt bis zur Realschule. Auch über einhundert deutsche Soldaten
sind in der Stadt und helfen bei der Ausbildung der Peschmerga Truppen.“
Schließlich fragte ihn Wolf wegen der Besichtigung der Ruinen von
Ninive. „Soweit mir berichtet wurde, ist das Betreten der Ruinenstadt jetzt
wieder möglich. Ursprünglich waren dort vom IS einige Wege vermint
worden, das wurde jetzt aber alles geräumt. Seid aber trotzdem vorsichtig
und bleibt auf den Wegen. Die Autobahn nach Mossul ist absolut sicher und
ich kann euch versichern, dass ihr die ersten Touristen seit Jahren sein
werdet, welche Ninive einen Besuch abstatten. Erzählt in eurem Land
davon, wir würden uns freuen, wenn viele von ihnen hierher auch als
Touristen kommen würden. Ich wünsche euch noch angenehme Tage in
Kurdistan!“
Am nächsten Tag, es war der 15. August, waren die beiden schon früh am
Morgen mit einem Taxi auf der Autobahn unterwegs. Die Kosten hierfür
waren deutlich billiger als in anderen Ländern.
Sie wollten die Kühle des Morgens für ihren Besuch in Ninive nützen,
denn die Mittagshitze wäre wahrscheinlich kaum zu ertragen gewesen.
Wenn nicht ab und zu ein ausgebranntes Fahrzeugwrack neben der Straße
zu sehen war, konnte man kaum glauben, dass hier noch vor wenigen
Monaten ein erbitterter Kampf gegen den IS stattgefunden hatte. Als sie die
Vororte von Mossul erreichten, deutete ebenfalls nichts auf Kampfspuren
hin. Schon von Weitem konnte man jetzt das riesige Gebiet der Ebene von
Ninive erblicken. Der Fahrer bot sich an, sie auf ihrer Wanderung durch die
antike Stätte zu begleiten. Claudias Herzenswunsch war endlich in
Erfüllung gegangen. Endlich stand sie vor der auf zwei Hügeln erbauten
antiken Stadt Ninive. „Na, wirst du jetzt auch einen Schwarzen Stein
suchen oder wartest du auf die Erscheinung von Isais?“, fragte Wolf
lachend die junge Frau. Er erntete nur einen finsteren Blick von Claudia.
„Ich möchte mir nur die Stätte ansehen, dort wo alles begann. Du weißt
doch, die Geschichte vom Ritter Hubertus, der von hier einen schwarzen
Stein zum Untersberg gebracht hat. Isais war ihm damals erschienen und
hatte ihm den Auftrag dazu gegeben. Auch dein schwarzer kleiner Stein,
dieses mesopotamische Rundsiegel, welches du immer um den Hals trägst,
stammt doch von hier. Also frage mich nicht, was ich hier suche.“ Obwohl
es erst früher Vormittag war, herrschte bereits eine erdrückende Hitze. Der
Taxifahrer trug drei Wasserflaschen in einer Plastiktüte hinter den beiden
her. Wolf suchte sich eine schattige Stelle hinter einem Torbogen und
machte schon nach einer Viertelstunde die erste Rast. Er hatte in der
Zwischenzeit bereits einige Steinchen und Scherben aufgesammelt, welche
er zu Hause in seine Glasvitrine legen wollte. Sie waren die einzigen Leute
hier in der Ruinenstadt. Es lag eine friedvolle Stille über der alten Stadt,
welche plötzlich durch die Rufe von hunderten Muezzins aus der dem Fluss
gegenüberliegenden Stadt Mossul unterbrochen wurde. Auch der Fahrer
stellte die Wasserflaschen ab, verneigte sich nach Mekka und verrichtete
sein Morgengebet. Wolfs Entdeckerlust kam trotz der hohen Temperatur
wieder rasch zum Vorschein und er drängte Claudia zum Weitergehen.
Auch sie musste wegen der Hitze immer wieder eine Trinkpause einlegen.
Das Ausgrabungsgebiet umfasste viele Hektar und es war bereits
abzusehen, dass die zwei nur einen kleinen Teil davon besichtigen konnten.
Auf einmal blieb die junge Frau stehen, legte ihre beiden Hände an eine
Säule und sagte: „Ich glaube, hier war es, hier an dieser Stelle hat der Ritter
Hubertus den schwarzen Stein von Isais erhalten.“
„Wie kommst du denn darauf“, fragte Wolf, „weshalb soll es ausgerechnet
hier gewesen sein?“
„Das weiß ich auch nicht, aber ich habe irgend so ein Gefühl, dass es hier
gewesen sein muss“, antwortete Claudia. Wolf, dem solche Eingebungen
unbekannt waren, der aber so etwas von der jungen Frau gewohnt war,
zuckte nur mit den Achseln, lenkte seinen Blick wieder auf den
geschichtsträchtigen Boden und suchte weiter nach irgendwelchen
Steinchen. Sie waren mittlerweile schon ein Stück weitergegangen, als sie
in einer Senke einen umgestürzten Torbogen erblickten. Wolf wollte sich
die Gravuren im Stein genauer ansehen, als Claudia rief: „Nein, geh nicht
zwischen den Säulen hinein.“ Wolf, der im Glauben war, die junge Frau
hätte eine Sprengstofffalle des IS entdeckt, blieb ruckartig stehen und
meinte dann: „Ich sehe aber nichts Gefährliches hier.“
„Geh da trotzdem nicht zwischen den Säulen hinein, ich habe so ein
komisches Gefühl.“ Er wunderte sich, was Claudia damit meinte, und ging
nur zögernd an den Rand des umgestürzten Torbogens. Bei genauem
Hinsehen stellte er fest, dass dieses Gebilde, welches doch eine beachtliche
Größe hatte, aus einem einzigen Stück hergestellt worden sein musste.
Üblicherweise wurden früher solche Torbogen immer aus einzelnen
Felsblöcken errichtet, welche durch einen Schlussstein in der Mitte und ihr
Eigengewicht zusammengehalten wurden. Dieser Bogen war aber aus
einem Stück gemacht, was Wolf sehr interessant fand. Auch das Material
war anders als das der umliegenden, behauenen Felsblöcke. Claudia war
inzwischen zu ihm gekommen und sah sich ebenfalls die eigenartigen
Gravuren in den Säulen an. „Der passt irgendwie nicht zu den anderen
Trümmern dazu“, meinte die junge Frau, „hier finden sich auch nicht die
sonst üblichen kunstvollen Bearbeitungen der Assyrer.“
„Du hast recht“, pflichtete ihr Wolf bei, „es sieht tatsächlich völlig anders
aus, so als stammte es von einem gänzlich verschiedenen Kulturkreis. Auch
dass der Bogen nicht zerbrochen ist, gibt mir zu denken. Was vermutest du
denn, was dies sein könnte?“
„Das, wonach die Amerikaner schon im Irakkrieg 2003 gesucht haben,
nämlich das Zeitentor von Ninive.“
Wolf drehte sich um und blickte Claudia erstaunt an. „Du glaubst
wirklich?“
„Ich weiß es zwar nicht, aber ich habe so ein Gefühl, welches mir sagt,
dass wir hier vor diesem Tor stehen. Die Amerikaner haben damals
wahrscheinlich nach so einem ‚Stargate‘ wie im Film gesucht, was es
natürlich nie gegeben hat. Diesen, doch ziemlich einfachen Torbogen haben
sie vermutlich ignoriert. Möglicherweise funktioniert das Ding aber auch im
umgefallenen Zustand noch heute.“
„Na, dann los“, lachte Wolf, nahm Claudia an der Hand und beide hüpften
genau in die Mitte des am Boden liegenden vermeintlichen Zeitentores. Ein
Kribbeln in den Beinen war die einzige Reaktion, welche beide zu spüren
bekamen. Wolf duckte sich etwas und sein Kopf kam dabei unter den
Schnittpunkt der beiden Säulen. Da sah er plötzlich eine Treppe, die nach
unten führte. Rasch stand er wieder auf und sah jetzt nur noch den Sand und
Schotter unter seinen Füßen. „Komm“, sagte er zu Claudia, „ich zeige dir
etwas.“ Die junge Frau erblickte ihn erstaunt an und fragte: „Was soll denn
hier Besonderes zu sehen sein?“
„Komm und bückt dich oder geh in die Knie“, antwortete Wolf und
drückte Claudia zu Boden. Da sah auch sie, dass sie auf einer Treppe
standen. Sie machten beide einen Schritt nach unten und sahen von einer
Sekunde zur anderen eine völlig veränderte Umgebung. Es waren
farbenprächtige Tempel zu sehen und Menschen gekleidet wie vor
tausenden von Jahren. „Das muss die Stadt Ninive in ihrer Blütezeit
gewesen sein“, meinte Wolf. Es herrschte buntes Treiben in dieser
babylonischen Metropole. Wolf meinte: „Lass uns noch eine Stufe weiter
hinuntergehen“, was sie auch taten. Da sahen sie eine zerstörte Stadt, als
plötzlich eine Schar Kreuzritter auf ihren Pferden auftauchte. Wolf setzte
sich auf die Treppenstufen nieder, aber Claudia trat seitlich aus dem Bogen
heraus und meinte: „So könnte doch dieser Ritter Hubertus ausgesehen
haben.“ In diesem Moment sahen auch die Männer in ihren zerschlissenen,
weißen Rittermänteln die junge Frau, welche genau vor der noch tief
stehenden Sonne stand. Dadurch kam Claudia den Rittern in ihrem weißen
Sommerkleidchen und mit ihrem kurz geschnittenen Haar im Strahlenkranz
der Sonne wie eine überirdische Erscheinung vor. Wolf hingegen wurde von
der Ritterschar nicht wahrgenommen, da er noch nicht aus dem Tor
herausgetreten war und auf der Treppe verweilte. Claudia blickte zu Boden,
sah einen runden, schwarzen Stein, wandte sich zu dem Anführer der
Kreuzritter und sagte: „Nimm diesen Stein und bringe diesen zum Berg der
Götter in deiner Heimat. Verstecke ihn dort in einer Höhle. Auch ich werde
dorthin kommen.“ Sie wusste zwar nicht, ob der Mann sie verstehen würde.
Aber dennoch bückte sich der Ritter, der nicht wusste, wie ihm geschah,
und hob den schwarzen Stein auf. Rasch stieg Claudia wieder auf die
Treppenstufe zurück und meinte zu Wolf: „Nun glaube ich zu wissen,
warum ich schon immer nach Ninive kommen wollte.“
„Und ich weiß jetzt auch, warum uns Becker im vorigen März noch nicht
nach Ninive reisen ließ. Es war damals der 17. März und heute haben wir
den 15. August. Ich hoffe, du weißt, was ich damit meine.“
„Ja“, antwortete dieser, „alles beginnt und alles endet zur richtigen Zeit
am richtigen Ort.“
„Man kann es auch umgekehrt sehen“, erwiderte die junge Frau, „es ist,
als hätte sich der Kreis geschlossen. Der Ring der Isais.“
Claudia war auch Wochen nach diesem beeindruckenden Erlebnis im Irak
immer noch aufgewühlt und auch Wolf gab es zu denken.
War es tatsächlich möglich, dass sie die ganze Geschichte um die
Schwarzen Steine rückwirkend beeinflusst hatten? Becker meinte doch
schon des Öfteren, dass so etwas nur bedingt möglich sei.
Er würde sich auf alle Fälle mit dem Illuminaten darüber unterhalten.
Kapitel 33

Julia und Becker

Beim neuerlichen Treffen meinte Becker, dass es durchaus möglich sei, in


der Vergangenheit etwas zu bewirken, was letztlich auch eine Veränderung
der Gegenwart nach sich ziehen würde. Es sieht aus wie ein Paradoxon, ist
es in Wahrheit aber nicht. „Denken Sie zum Beispiel an den Grafen von
Saint Germain, auch der hat einiges initiiert, was zu Veränderungen in der
Gesellschaft geführt hat. Oder die schwarze Dame Julia, von welcher ihr
Bekannter, der Haymo, glaubt, dass sie ihre doppelte Unsterblichkeit auf
magischem Weg erlangt hat. Es gibt sehr viele von solchen Personen, die
aber in Wahrheit, genauso wie ich, aus der Zukunft kommen.“
Wolf musste schlucken. An so etwas hätte er im Traum nicht zu denken
gewagt. Julia sollte aus der Zukunft gekommen sein?
„Was ist daran so unvorstellbar?“, fragte ihn der Illuminat und ergänzte,
„sehen Sie, Julietta hätte in der damaligen Zeit, in welcher die Kirche den
Priester Giordano Bruno wegen seiner philosophischen Thesen, die seiner
Zeit weit voraus waren, auf den Scheiterhaufen schickte, unmöglich ihre
wahre Herkunft entschleiern können.
Nicht einmal ich hätte Ihnen vor ein paar Jahren die Wahrheit über meine
Herkunft erklären können. Sie mussten behutsam an dieses Geheimnis
herangeführt werden. Und hätte ich Sie nicht einige Male mit in die
Vergangenheit genommen, dann würden Sie mir mit Sicherheit nicht
geglaubt haben, dass ich aus der Zukunft einer anderen Zeitlinie komme.“
„Ja, aber …“, stammelte Wolf und rang nach Worten, was Becker aber
keinesfalls zu belustigen schien. Ganz im Gegenteil, er blickte sehr ernst
drein und sprach: „Es ist in der Vergangenheit nichts massiv zu verändern,
jedoch können kleine Anstöße für die Menschen recht hilfreich sein, wie
Sie nun selbst bei Claudia gesehen haben.“
Wolf entgegnete: „Dann haben Sie mich bei unseren Ausflügen in die
Vergangenheit mehr oder weniger auch nur angestupst, um gewisse Taten
zu vollbringen.“
„Nicht so, wie Sie meinen“, erwiderte Becker, „ich habe Ihnen immer die
freie Entscheidung darüber gelassen, selbst zu entscheiden, was zu tun war.
Durch diese spezielle Sicht, welche Sie dabei erlangt haben, waren Sie in
der Lage, Dinge zu tun, die Sie ansonsten wohl nicht getan hätten.“
„Die Kreuzritter in Ninive, haben die denn tatsächlich den Schwarzen
Stein zum Untersberg gebracht?“, fragte Wolf.
Jetzt lächelte der Illuminat das erste Mal und meinte: „Es sieht ganz so
aus.“
„Würde das dann bedeuten, dass Claudia die Isais ist?“
„Nein, nicht ‚ist‘, sondern zu dem damaligen Zeitpunkt eben ‚war‘. Aber
zumindest haben die Tempelritter damals geglaubt, dass ihnen die Göttin
Isais erschienen ist. Natürlich kann es auch sein, dass die Templer, welche
ja meist recht gebildet waren und auch um die Entstehungsgeschichte des
Islam wussten, den Schwarzen Stein mit der Baumgöttin ‚Al Uzza‘, was in
späterer Zeit in Isasis umgewandelt wurde und welche man in Form eines
schwarzen Steines verehrt hatte, in Verbindung brachten.“
„Und weil sie genau vor der aufsteigenden Sonne im Strahlenkranz stand,
hielten die Ritter dann Claudia eben für diese Göttin und befolgten ihre
Anweisung. Später kamen dann noch abwechselnd lange Haare, ein Dolch
und diverse Kristalle dazu.“
Wolf überlegte noch kurz und stellte dann fest: „Jetzt verstehe ich auch
die Julietta, deren Aufgabe es war, mir das Versteck des Bergkristalls auf
der Adria Insel Unije zu erklären. Und meiner Tochter Sabine hat sie
aufgetragen, mich zu einer Nachsuche in den Ruinen der alten Komturei zu
ermutigen, wo ich dann in der Folge tatsächlich den Goldring mit dem
Templerkreuz gefunden habe.“
„Nur kann ich mir nicht ganz vorstellen, warum die Julietta gerade mir
das Versteck des Kristalls von Unije gezeigt hat.“
Becker antwortete: „Das ist doch ganz einfach, Sie haben sich doch sehr
ausführlich mit der Geschichte der Schwarzen Steine befasst und auch die
Herren vom Schwarzen Stein und den Ordo Bucintoro recht anschaulich
beschrieben und einer riesigen Leserschaft zugänglich gemacht. Sie waren
daher in Juliettas Augen demnach der ideale Mensch, der zur Verbreitung
des Geheimnisses des Untersberges notwendig war.“ Wolf war beinahe
schockiert über diese Worte des Illuminaten, als Becker noch hinzufügte:
„Ich bin sicher, dass Sie schon in kurzer Zeit mehr von Julietta Montefeltro
erfahren werden.“
Steine der Macht
Wolf, Stan
9783990264324
265 Seiten

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Ein Zeitphänomen. Spurlos verschwundene


Menschen. Sind geheimnisvolle schwarze Steine die
Ursache?Nachdem der Hobbypilot Wolf einen
solchen Stein in der unterirdischen Kammer der
Cheops-Pyramide gefunden hat, wird er immer
wieder gemeinsam mit seiner Begleiterin Linda mit
diesen Steinen konfrontiert. Wolf und Linda machen
auf der Suche nach den rätselhaften Phänomenen
eine unglaubliche Entdeckung.Als sie ihre
Nachforschungen auch auf den benachbarten
Obersalzberg, dem einstigen Refugium der NS-
Größen, führen, gerät Wolf in höchste Gefahr. Ihre
Suche führt sie schließlich mit einer Cessna nach
Fuerteventura, wo sie in einem Landhaus aus der
Vorkriegszeit, der Villa Winter, unter Einsatz ihres
Lebens ein altes Geheimnis lüften ...Dieser
spannende, fesselnde Roman beruht überwiegend auf
tatsächlichen Begebenheiten.

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Ernas Geheimnisse
Dullnig, Reinhold
9783990486849
252 Seiten

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Eine nackte, erwürgte Hotelchefin in einem


Waldstück östlich von Innsbruck.
Eine mysteriöse Frauenleiche, die in der Nähe des
Wintersportortes Kühtai mit Würgespuren am Hals
aus dem Schnee einer abtauenden Lawine geborgen
wird.
Eine Prostituierte, die dem Tod durch die Hand eines
Freiers nur knapp entgeht.

Und das alles im „heiligen Land Tirol"!

Keine leichte Aufgabe für Chefinspektor Roman


Steinlechner, der bei seinen Ermittlungen auch
riskante Schritte unternehmen und verantworten
muss. Wer steckt hinter den Morden, und was sind
die Motive hinter diesen abscheulichen Verbrechen,
bei denen es offenbar nur eine Gemeinsamkeit gibt?

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Ende gut - Alles anders
Faber, Maria
9783990036846
240 Seiten

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Die berührende Geschichte einer Frau, die die Enge


ihres Seins erfährt und am Ende vor der schieren
Selbstaufgabe steht. Das Schicksal einer Frau, die ihr
Leben noch im letzten Augenblick als achtenswert
befindet und schließlich den Kampf gegen ihre
Dämonen und gesellschaftliche Konventionen
aufnimmt. Ein Liebesroman, der viel mehr ist.
Emotional und dennoch amüsant dargelegt, eine
Begegnung, die ermutigt und instruiert.

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Oi, der Außerirdische
Rücker, Hartmut B.
9783990483930
150 Seiten

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Seit dem Aufenthalt des Außerirdischen Oi auf der


Erde sind einige Monate vergangen, doch nun
kündigt er einen erneuten Besuch an. Seine Freundin
Flo und ihre Eltern planen ein spannendes Programm,
um Oi etwas von ihrer Erden-Heimat zu zeigen: Sie
besuchen Museen, gehen in den Zoo und schauen
sich eine Vorstellung im Zirkus an. Oi schafft es
dabei immer wieder, sich und Flo mit seinen
besonderen Fähigkeiten in Schwierigkeiten zu
bringen.
Höhepunkt des Besuchs soll ein Badeurlaub in
Kärnten sein, und die Familie verspricht sich endlich
ein wenig Ruhe und Erholung. Aber was sollen sie
mit Ois Rakete machen, die in der Garage steht -
etwa mitnehmen? Doch dann wird Oi plötzlich krank,
und niemand scheint ihm helfen zu können. Um ihn
zu retten, trifft Flo eine mutige Entscheidung!

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Wolfsfieber
Adelmann, Ruth
9783990036273
434 Seiten

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Wahre Liebe ist ein gefährliches Geheimnis...

Eine Nacht ändert alles im Leben der


Lokaljournalistin Joe. Sie fährt den jungen
Bibliothekar Istvan an und versorgt ihn bei sich zu
Hause. Auf seltsame Weise erscheint der attraktive
Mann ihr vertraut; die beiden spüren von Anfang an
eine eigenartige Anziehungskraft zueinander.
Als Istvan auf mysteriöse Weise verschwindet,
kommt Joe nach und nach hinter sein Geheimnis:
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seinesgleichen ist. Joes Gefühle für Istvan ziehen die
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Ruth Adelmanns "Wolfsfieber" ist der erste Band


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