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Inhaltsverzeichnis

Impressum
Einleitung
Vorwort
Danksagungen
Einleitung
Was bisher geschah
Kapitel 1
Die Römerinsel – Sommer 1966
Kapitel 2
Das Felsenriff und die Pfeifenköpfe
Kapitel 3
Der Veitlbruch am Untersberg
Kapitel 4
Die Reifenspuren ins Nichts
Kapitel 5
Die Marzipanstangen
Kapitel 6
Beim Brunnenbauer
Kapitel 7
Der Berg im Sudetenland
Kapitel 8
Der Franziskanermönch Claudius
Kapitel 9
Der Bericht von Lutz
Kapitel 10
Die freigegebenen Akten der CIA
Kapitel 11
Das Sägewerk beim Drachenloch
Kapitel 12
Die geheimnisvollen Daten
Kapitel 13
Die Waffen des Generals
Kapitel 14
Die kleine Höhle bei Hallthurm
Kapitel 15
Der Ausflug zur Hologrammhöhle
Kapitel 16
Die Klosterwiese
Kapitel 17
Die Grafen von Plain
Kapitel 18
Das Geschenk vom „Satorinchen“
Kapitel 19
Der Angriff auf den Obersalzberg
Kapitel 20
Ein Männlein steht im Walde
Kapitel 21
Das 10-KV-Kabel auf den Untersberg
Kapitel 22
Die Innere Erde
Kapitel 23
Das Blaue Licht
Kapitel 24
Der Rutengänger im Brunntal
Kapitel 25
Die Froasenhöhle
Kapitel 26
Die Suche nach den römischen Artefakten
Kapitel 27
Das Grab in der Schlangengrube
Kapitel 28
Sharm el Sheikh – Sheraton
Kapitel 29
Der Einbruch in die Toni-Lenz-Hütte
Kapitel 30
ISIS – Mörder für Allah
Kapitel 31
Der Berg, der Menschen „frisst“
Kapitel 32
Die Pyramide am Untersberg
Kapitel 33
Der Alchemist
Kapitel 34
Das Öl des Berges
Kapitel 35
Beckers Enthüllungen
Kapitel 36
Die Kraft der Kristalle
Kapitel 37
Die Edelsteine
Kapitel 38
Der Teufel im Berg
Kapitel 39
Der Aufmarsch der Truppen
Kapitel 40
Die Jagdstraße Hitlers
Impressum

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:


Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen
Nationalbibliografie.
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Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Film, Funk und Fernsehen, fotomechanische Wiedergabe,
Tonträger, elektronische Datenträger und auszugsweisen Nachdruck, sind vorbehalten.
© 2017 novum publishing
ISBN Printausgabe: 978-3-99064-154-5
ISBN e-book: 978-3-99064-155-2
Lektorat: Bianca Brenner
Umschlagfoto: Stan Wolf
Umschlaggestaltung, Layout & Satz: novum publishing gmbh
Innenabbildungen: Stan Wolf
www.novumverlag.com
Einleitung

Macht hat viele Gesichter


Das Streben nach Macht ist uns eigen
Die stärkste Macht
liegt im Verborgenen

Vergangenheit Gegenwart Zukunft


Alles existiert gleichzeitig

www.stan-wolf.at
Vorwort
Vieles ist zu unfassbar, als dass man es einfach niederschreiben könnte.
Vielleicht sollte es auch verborgen bleiben, denn der menschliche Verstand
nimmt nur jene Dinge zur Kenntnis, welche ihm geläufig sind.
Deshalb schreibe ich dieses Buch als Roman.

Es bleibt dem einzelnen Leser überlassen, zu beurteilen, was er als Tatsache


anerkennen möchte.
Danksagungen
Mein Dank gebührt

Claudia, welche mitgeholfen hat, Verborgenes ans Tageslicht zu bringen.


Pfarrer Schmatzberger, der mir Denkanstöße gegeben hat, mystische Pfade
weiterzuverfolgen.
Roland, dem Apotheker und Rosenkreuzer, der mir den Weg zum Eingang
wies.
Becker, dem Illuminaten, der keiner ist und der maßgeblich zur Aktivierung
des Mysteriums beigetragen hat.
Und ganz besonders danke ich meinem Freund Lutz aus dem Norden
Deutschlands, welcher ebenfalls wertvolle Informationen beisteuerte.
Tina und Monika sind diejenigen, die die Pyramide am Untersberg entdeckt
haben.
Einleitung

Was bisher geschah

Als vor über dreißig Jahren drei deutsche Bergwanderer auf dem
Untersberg verschwanden und sich nach zwei Monaten von einem
Frachtschiff im Indischen Ozean wieder meldeten, weckte dies Wolfs
Interesse an dem ihm bis dahin nur als Sage bekannten Zeitphänomen am
Salzburger Untersberg. Zudem hatte Wolf selbst diese drei Leute einige
Jahre vor ihrem Verschwinden auf einer Schutzhütte auf dem Untersberg
getroffen. Er hatte in den darauffolgenden Jahren ein sehr mysteriöses
Erlebnis, als er mit seiner Tochter Sabine die vermutete Zeitanomalie am
Berg erforschen wollte.
Doch wieder vergingen etliche Jahre, bis er auf seinen oftmaligen Reisen
in entlegene Gebiete der Fels- und Sandwüsten in Ägypten mit seiner
Begleiterin, der Lehrerin Linda, auf ähnliche, rätselhafte Erscheinungen
stieß, welche offenkundig mit runden, schwarzen Steinen in der Größe und
Form einer Orange zu tun hatten. Immer intensiver wurde seine Suche, bis
er durch Zufall in der unterirdischen Kammer der Cheopspyramide einen
solchen schwarzen Stein fand. Bei seinen weiteren Recherchen stieß er auf
eine wenig bekannte Sage, der zufolge von einem Tempelritter im elften
Jahrhundert ein ebensolcher Stein aus Mesopotamien zum Untersberg
gebracht wurde.
Diesen Stein, welcher der Überlieferung nach von dem Templer in einer
Höhle im Berg versteckt worden war, ließ bereits Hitler, der ja bekanntlich
eine Vorliebe für den Untersberg hatte, suchen. Hitler hatte angeblich
Hinweise, wonach dieser Stein der Schlüssel zu großer Macht sein sollte.
Wolf dehnte seine Nachforschungen in der Folge auch auf den Obersalzberg
bei Berchtesgaden aus und machte dort mit Hilfe zweier deutscher
Polizisten eine erstaunliche Entdeckung, welche ihm aber beinahe zum
Verhängnis wurde.
Noch einmal konzentrierte Wolf seine Suche auf den Untersberg und es
gelang ihm, ein brisantes Geheimnis zu lüften. Er entdeckte einen
verborgenen Eingang in den Berg. Ein General der Waffen-SS, der diese
Zeitanomalie schon 1943 gefunden hatte, ließ sich im letzten Kriegsjahr
dort im Felsen eine komfortable Station als Unterkunft errichten, in welcher
er durch die Zeitverlangsamung im Berg innerhalb nur weniger Monate
über siebzig Jahre verbringen konnte. Wolf und Linda kamen mit diesen
Leuten aus der Vergangenheit in Kontakt und erfuhren von ihnen Dinge,
welche in keinem Geschichtsbuch zu finden sind.
Der General zeigte den beiden ein Golddepot in den Bergen und ersuchte
Wolf, der auch Hobbypilot ist, um einen Flug nach Fuerteventura, um ihm
aus den Lavahöhlen unter der Villa Winter zwei Bleizylinder zu bringen.
Wolf und Linda wollten das Geheimnis der Zeitverschiebung ergründen und
willigten ein. Der weite Flug mit der einmotorigen Cessna und die
anschließenden Erlebnisse auf der Kanareninsel gestalteten sich für die
zwei extrem abenteuerlich. Es gelang den beiden aber schließlich
tatsächlich, die Bleizylinder zu bergen und dem General zu überbringen …
Bei archäologischen Ausgrabungen wird ein deutscher Stahlhelm in einem
Kelten-Grab am Dürrnberg in der Nachbarschaft des Untersberges entdeckt.
Daneben liegt das Skelett eines Kriegers mit einem Einschussloch im
Kopf. Der Verfassungsschutz wird daraufhin aktiv. Wolf und Linda finden
am Obersalzberg radioaktiv strahlende Steine, welche sich als Uranoxid
herausstellen. Der General in seiner Station im Untersberg demonstriert den
beiden seine technischen Geräte, welche weit über die Möglichkeiten der
heutigen Technik hinausreichen. Auf seiner Suche nach den Zeitkorridoren
des Untersberges entdeckt Wolf ein vergessenes Waffendepot der
amerikanischen Besatzungstruppen aus dem Jahr 1953. Von einem alten
Mann bekommen die zwei einen wunderschönen Amethystkristall, welcher
etwas mit der altbabylonischen Göttin Isais zu tun haben soll. Hinter einem
uralten Gebetsstock am Untersberg sieht Wolf eine kleine Silberplatte aus
der Erde ragen. Darauf ist ein geheimnisvoller Code zu sehen. Diese uralte
Schrift in lateinischen Buchstaben wirft neue Fragen auf. Ein Illuminat klärt
die beiden über die Isais-Geschichte und den schwarzen Stein im Berg auf.
Auch zu einer mysteriösen Marmorplatte mit einer Inschrift aus dem Jahr
1798 erzählt ihnen der Logenmann eine Geschichte. Der General lässt Wolf
mittels eines Zeitkorridors einen Blick in eine ferne Zukunft tun und
ermöglicht ihm und Linda einen Ausflug in die Vergangenheit. In die Stadt
Salzburg zur Zeit Mozarts.
Schließlich retten die beiden noch einem Deserteur das Leben, indem sie
ihn in eine Höhle schicken, in welcher ebenfalls eine Zeitanomalie auftritt.
Eine neuerliche Fahrt in die ägyptische Wüste bringt sie in die Oase Siwa,
wo ihnen die Mumie von Alexander dem Großen gezeigt wird. Wieder
zurück am Untersberg gelingt es ihnen, einen durch ein Hologramm
getarnten Eingang in den Felsen zu finden.
Ein alter, astrologiekundiger Pfarrer sagt Wolf aufgrund seines
Jahreshoroskops eine Begegnung voraus, welche aus den Tiefen seiner
eigenen Vergangenheit auftauchen wird. Tatsächlich kommt Wolf kurze Zeit
später auf merkwürdige Weise mit seiner einstigen Jugendfreundin Silvia,
die er seit fast vierzig Jahren nicht mehr gesehen hat, in Kontakt. Silvia
begleitet ihn nach Gran Canaria, von wo aus er mit einem kleinen Flugzeug
die sagenumwobene Insel San Borondon suchen will. Tatsächlich gelingt es
den beiden, diese geheimnisvolle Insel, welche in einer fernen
Vergangenheit existiert hat, zu finden.
Aber auch mit Hilfe des Generals kann Wolf einen Blick in die
Vergangenheit werfen. Mit dessen Chronoskop sieht er alles zwar nur in
Schwarz-Weiß, kommt dabei aber sogar bis an Adolf Hitler heran, dem er
mittels eines Laser-Beamers durch das Chronoskop eine „Erscheinung“
schickt, um ihn vom Angriff auf Russland abzuhalten.
Wolf wird von einem Forstarbeiter am Obersalzberg der geheime
Ritualraum N3 gezeigt und der General berichtet vom Mausoleum des
Führers, welches sich dieser im Untersberg errichten ließ. Wolf lädt ihn
anschließend in den Gasthof Kugelmühle am Ende der Almbachklamm ein,
wo sie den Wirt namens Anfang treffen.
Anlässlich eines Besuches in Ägypten fährt Wolf mit Silvia durch die
Berge nach Luxor und trifft dort den Grabräuber Rassul, welcher ihnen tief
unter seinem Haus in Qurna eine geheime Drehtür zeigt, hinter der sein
Bruder auf mysteriöse Weise verschwunden ist. Auch hier spielen wieder
die Schwarzen Steine eine Rolle.
Mit Linda geht Wolf nochmals durch den Hologramm-Eingang in den
Untersberg und gelangt mit ihr in eine völlig fremde Gegend im Jahre 2029.
Eine kurze Unterhaltung mit Leuten von dort eröffnet ihnen neue
Perspektiven zu den alten Prophezeiungen.
Josef, der Geheimdienstmann vom BVT, bekundet ebenfalls sein Interesse
an Wolfs Entdeckungen am Berg. Schließlich führt der Forstarbeiter vom
Obersalzberg Wolf noch zu einem uralten Stollen, in dem, wie sich später
herausstellt, der General zu Kriegsende noch mehr als eine Tonne Uranoxid
verstecken ließ.
Auch eine Art Flaschenpost, ein unvollendetes Manuskript aus den
Siebzigerjahren, wird in einer Höhle nahe dem Dorf am Untersberg
entdeckt. Es sind dreizehn Blätter eines bekannten Autors, welcher
ebenfalls seltsame Erlebnisse am Berg gehabt hatte.
Durch den General wird Linda und Wolf ein Ausflug in das Jahr 1818
ermöglicht. Sie fahren am 24. Dezember als Mönche verkleidet auf dem
Fluss mit einem Salzschiff nach Oberndorf, wo sie die Uraufführung des
weltbekannten Liedes „Stille Nacht, Heilige Nacht“ miterleben dürfen.
Ein polnischer Franziskanermönch aus Berchtesgaden, den die beiden im
Winter beim Meditieren in der Almbachklamm treffen, erzählt ihnen von
einem Ritual der Isais, durch welches das neue Zeitalter beginnen würde.
Tino, ein Australier österreichischer Abstammung, ebenfalls
Rosenkreuzer, wie Wolf, kommt nach Salzburg, um in einer alten Kirche
am Ettenberg, wo einst die Templer auf Geheiß der Isais ihre erste Komturei
errichteten, ein Ritual abzuhalten, welches Wolf durchführen soll.
Letztendlich gibt sich der Illuminat Becker als einer der „Anderen“ zu
erkennen und zeigt Wolf in der Nähe des Hochsicherheitsarchives am Fuße
des Untersbergs in einer Art dreidimensionalen Bildschau Schlüsselszenen
aus seinem Leben sowie einen Blick in die Zukunft.
Auf der Kanareninsel La Palma trifft Wolf auf den Fischer Perez, welcher
ihm mit einem Fernrohr die geheimnisvolle Insel „San Borondon“, welche
in einer fernen Vergangenheit existiert, zeigt. Zur Wintersonnenwende
gründen Linda und Wolf mit ihren vier Freunden den „Ring der Isais“.
Während draußen der Schneesturm tobt, erhalten alle im Rahmen eines
Rituales, an welchem auch Tino in Australien per Skype teilnimmt,
Goldringe mit dem Isais-Zeichen und einem schwarzen Diamanten. Wolf
unternimmt mit den beiden Polizisten Herbert und Elisabeth eine Reise
nach Ägypten, wobei ihnen sein Freund Franz, der Manager vom Sheraton-
Hotel in El Gouna, den Archäologen Dr. Khaled vorstellt. Von diesem
erhalten sie interessante Informationen über ein Zeitphänomen bei den
Pyramiden von Gizeh. Anlässlich eines Besuches in Luxor treffen sie den
Grabräuber Rassul, welcher ihnen Kopien von wunderschönen Texten aus
der Zeit der Pharaonin Hatschepsut gibt. Nach einer abenteuerlichen Fahrt
zeigt Wolf den beiden das Tal der Hieroglyphen. Der Illuminat Becker klärt
Wolf über die Aktivierung des Untersberges auf, zu welcher auch die
weibliche Komponente benötigt wird. Vom General in der Station im Berg
werden Wolf und Linda eingeladen, eine Basis in der Vergangenheit zu
besuchen. Der kurze Ausflug bringt die zwei nach Atlantis. Ein alter Jude,
den Wolf in New York trifft, erzählt ihm von seiner Deportation aus
Rumänien und der anschließenden Flucht aus einem Eisenbahnzug in
Salzburg. Von Friedl, dem Wirt der Kugelmühle, erfahren Wolf und Linda
von einem schweren Unglück in der Almbachklamm. Er erzählt ihnen auch
die Geschichte von einer verschwunden, jungen Frau am Untersberg,
welche in den Fünfzigerjahren zwölf Tage lang verschollen war und dann
wohlbehalten wieder aufgefunden wurde. Mit Claudia, einer jungen Frau
aus dem Ring der Isais, fliegt Wolf mit einer kleinen Cessna nach Venedig,
wo sie auf der Insel Murano am Boden einer Basilika die steinerne
Abbildung einer Insel finden. Eine schwarzhaarige Dame, welche sich Julia
nennt, gibt ihnen Hinweise dazu und verschwindet plötzlich. Wolf landet
auf dieser Insel und sie entdecken in einer Steinmauer einen Kristall,
welcher vom „Ordo Bucintoro“ dort versteckt wurde. Wolf und Linda
gelangen in ein unterirdisches Labor aus dem Dritten Reich, in welchem das
geheimnisvolle Xerum 525 hergestellt wurde. Mit Obersturmbannführer
Weber bringen sie dem General eine Stahlflasche davon. Weber flutet im
Anschluss das Labyrinth neben dem Gebirgsbach am Obersalzberg.
Claudia sieht bei ihrer Suche am Fuße der alten Römer-Steinbrüche am
Untersberg ein großes Tor im Fels, welches sich wie von Geisterhand öffnet
und auch wieder schließt. Mit Herbert, dem Polizisten, erkundet Wolf
nochmals das unterirdische Kreuzgewölbe N2 und kurze Zeit später gelingt
es ihm, aus N3, dem Versammlungsraum der Generäle, einen großen
schwarzen Turmalinkristall mit zwei Enden sowie eine Kugel aus
demselben Stein zu bergen. Wolf und Linda lesen in dem gefundenen
Manuskript des verstorbenen Autors, dass dieser eine Höhle am Untersberg
entdeckt hat, durch welche er direkt in die unterirdische Kammer der
Cheops-Pyramide gelangt war. Vom General erfahren sie, dass auch diesem
Autor vor vielen Jahren ein Besuch der Basen in der Vergangenheit gestattet
wurde. Schlussendlich machen sich Wolf und Claudia auf den Weg, die
Kraft im Untersberg zu aktivieren. Mit Hilfe eines alten Gedichtes von
Becker, dem Illuminaten, finden sie den Weg zum Eingang, welcher
überraschenderweise dort liegt, wo ihn niemand vermutet hatte. Sie finden
die Magna Figura, benützen den Kristall von der Insel und gelangen
schließlich in eine riesige, kuppelförmige Halle im Berg, in welcher sie die
Goldene Kugel im Untersberg erblicken.
Auf Wolfs Almhaus gibt es offenbar einen Geist. Als sich die Freunde des
Isaisringes dort oben treffen, macht Claudia in der Nacht auf dramatische
Art Bekanntschaft mit diesem Phänomen. Aber auch im Tal gibt es einige
mysteriöse Besonderheiten. Auf Schloss Mauterndorf, welches dem
Reichsmarschall Göring gehörte, erzählte dieser dem Reichsführer SS
Himmler von den alten Richtstätten des Mittelalters. Unsere Freunde
interessieren sich auch für diese Begebenheiten und nach einer
Besichtigung des Schlosses Moosham und dessen Folterkammer erkunden
sie auch die nahe Richtstätte, wo einst im Namen der katholischen
Erzbischöfe nicht nur Verbrecher, sondern auch eine große Anzahl
unschuldiger Frauen und sogar Bettelkinder verbrannt wurden. Mit
Schaudern erfahren sie, dass nach diesen verbrecherischen Erzbischöfen
auch heute noch Straßen und Plätze im Land benannt sind. Der General
ermöglicht es ihnen, den Gerichtsdiener von Moosham, der ein sadistischer
Schurke war, in die Gegenwart zu holen und seiner gerechten Strafe
zuzuführen. Mit Hilfe des Illuminaten Becker reist Wolf in die
Vergangenheit und erlebt hautnah das Treiben im 17. Jahrhundert, welches
einige Überraschungen für ihn bereithält.
Nachdem am Fuße des Untersberges mehrere sogenannte Benedictus-
Kreuze, welche für Exorzismen Verwendung finden, entdeckt werden,
erzählt Wolf den Freunden vom Isaisring von seinen Erlebnissen mit der
dunklen Seite der Macht. Mit Claudia gerät er bei einem Kurzbesuch in
Luxor im Karnaktempel in eine andere Zeit, was für die beiden extrem
gefährlich wird. Schließlich treffen sie am Tag danach auf Rassul, den
Grabräuber, welcher sie in einen Geheimgang mit Mumien führt.
Wieder zuhause zeigt der General Wolf am Untersberg Flugscheiben,
welche aus einer deutschen Basis im Irak hierherkommen. Ein Freund aus
Norddeutschland erzählt Wolf eine atemberaubende Begebenheit, welche
dieser vor vielen Jahren bei einer Sondereinheit der Bundeswehr im Golf
von Akaba erlebt hatte. Wolf berichtet von seinen allerersten Abenteuern in
jungen Jahren, bei denen er seine Liebe zum Geheimnisvollen und zu den
Altertümern entdeckte.
Drei Soldaten des Generals gelangen auf einer Erkundungstour durch ein
uraltes Dimensionstor vom Untersberg an die Küste Argentiniens.
Auf der Suche nach den geheimnisvollen Eingängen in den 12
Untersbergkirchen entdeckt Wolf mit Claudia einen Gang in einer Kirche,
durch welchen sie direkt in eine große Kathedrale am Untersberg gelangen.
Dort existiert nach Angaben eines Mönches gar keine Zeit. Sie sehen
Vergangenes und auch Zukünftiges.
Becker, der Illuminat, klärt Wolf über die Macht der Vorsehung und die
sogenannten Zufälle auf.
Letztendlich machen sich Claudia und Wolf auf den Weg, um zur
Sommersonnenwende bei einer einzigartigen astrologischen Konstellation
die Aktivierung des Untersberges in der kuppelförmigen Halle der
Erkenntnis vorzunehmen.
Um den Vergleich des Untersberges mit dem Ayers Rock nachzuprüfen,
fliegt Wolf nach Australien und mietet sich dort eine Cessna, mit welcher er
von Brisbane aus quer über den Kontinent zum Ayers Rock fliegt.
Eine folgenreiche Begegnung mit einem Aborigine wird für ihn zu einem
Schlüsselerlebnis. Mit Hilfe des Illuminaten Becker findet er mit Linda
einen geheimen Zugang in einen Stollen unter dem Klingeck am
Obersalzberg, wo sich ein riesiger Bergkristall befindet. Dieser soll für eine
Funkanomalie verantwortlich sein, mit welcher die Deutschen vor über
siebzig Jahren bereits eine Verbindung nach Südamerika aufgebaut hatten.
Wolf folgt der Einladung eines geheimen Templerordens und erfährt dabei
interessante Zusammenhänge mit der Magna Figura und den Herren vom
Schwarzen Stein. Der Besitzer eines großen Zementwerkes in der Nähe des
Untersbergs ermöglicht es den Freunden des Isaisringes, die dortige, riesige
Stollenanlage, in welcher noch kurz vor Kriegsende das Oberkommando
der Wehrmacht untergebracht werden sollte, zu besichtigen. Der General im
Berg zeigt ihnen die Basis Vier, welche in der Gegenwart existiert und mit
modernster Technik ausgestattet ist. Sabine, Wolfs ältere Tochter, wird in
Murano von der schwarzen Dame Julia angesprochen. In den Ruinen der
alten Komturei soll ihr Vater weitersuchen und tatsächlich findet Wolf dort
abermals zwei Ringe aus der Templerzeit. Die Franzosenschlacht auf dem
Walserfeld wird ihm von Becker live vorgeführt und Wolf bringt ein
Vorderladergewehr mit in unsere Zeit herüber. Mit Claudia fliegt er auf die
Insel Mauritius, um die sieben schwarzen Pyramiden, welche sich dort
befinden sollen, zu untersuchen. Sie entpuppen sich aber nur als
jahrhundertealte, von Sklaven errichtete Steingebilde, welche bei der
Reinigung der Zuckerrohrfelder entstanden waren. Aber dafür gelangen sie
im Urwald von Mauritius zu einem pyramidenförmigen, heiligen Berg der
Hindus, in welchem sich eine Grotte mit einem unterirdischen See befindet.
Dort sehen sie eine uralte Felsritzzeichnung eines Vimanas – einer
Götterflugmaschine. Schließlich fahren sie noch mit einem Speedboot auf
das Meer hinaus und können mit freilebenden Delfinen schwimmen. Von
einem alten Förster am Untersberg werden die zwei noch darüber
aufgeklärt, dass auch Bäume Lebewesen sind und mit Menschen
kommunizieren können. Letztendlich erhält Wolf zwei Kelche, welche je
aus einem Stück Bergkristall gefertigt wurden, wobei er einen davon den
beiden Polizisten Herbert und Elisabeth zum Geschenk macht. Der General
stellt sich bereits auf den Endkampf in Europa ein. Der Illuminat Becker
klärt Wolf über die Kraft der heiligen Berge auf. Die vielen Asylsuchenden,
welche sich ab dem Herbst 2015 unmittelbar am Fuße des Untersberges von
Österreich auf den Weg nach Deutschland machten, brachten ernste
Probleme für beide Länder mit sich. Becker erinnert Wolf an seine
Hilfsfahrt nach Rumänien 1989, um ihn zu einer erneuten Reise zu
bewegen. Diesmal zum Bucegi-Gebirge. Auch Venedig und die Basilika
Maria e Donato auf der Insel Murano sind ein Ziel von Wolf und Claudia,
welches wieder ein wenig mehr Licht in Juliettas Geheimnis bringt. Der
General gibt überraschend offenherzig Auskunft über die kommenden
Ereignisse und klärt Wolf über eine seltsame Kontaminierung am
Schießgelände neben dem Untersberg auf. Auch sagt er, dass der
Ritterkreuzträger Otto Korzeny den Ordo Bucintoro 1943 erneuern wollte.
Er hört von ihm die Namen Julietta, Livia und Loredana. Wolf erzählt
Claudia von seinen Experimenten mit Wasserkristallen und mit seinem
eigenen Blut. Er warnt sie vor Versuchen mit dem Black Goo. Nachdem ein
mysteriöser Birnbaumsetzling barbarisch umgehackt wurde, erscheinen fünf
seltsame Gestalten auf dem Walserfeld.
Ein Kartograph markiert Ende des 19. Jahrhunderts eine bestimmte Stelle
am Untersberg. Ein Skelett wird von einer Bekannten Wolfs am Untersberg
entdeckt, der Schädel bleibt jedoch unauffindbar. Am Berg werden im Zuge
von Renovierungsarbeiten der Seilbahn eigenartige Messgeräte installiert.
Auf Grund von 13.000 Jahre alten Funden gerät die Kirche in Bedrängnis
und versucht mit aller Kraft, ihre Macht zu erhalten. Auch Grimmig vom
BVT intensiviert seine Suche mit allen Mitteln. Eine Reise zum Bucegi-
Berg bringt für Wolf und Claudia neue Erkenntnisse. Schließlich geraten
fünf Flüchtlinge in ein Zeitphänomen, welches auch für zwei deutsche
Polizisten fatal endet. Der gefällte Birnbaum vom Walserfeld bringt den
Bürgermeister des Ortes in die Schusslinie. Eine Vril-Scheibe im Mondsee
sorgt für jahrzehntelange Schlagzeilen. Vom General wird Wolf und Claudia
die Möglichkeit erklärt, das Wetter extrem zu beeinflussen. Graf Alexander
Wilceck, der Eigentümer des geheimnisvollen Schlosses Moosham,
ermöglicht unseren Freunden tiefe Einsichten. Der Freilassinger
Brunnenbauer Irlmaier, den Wolf als kleiner Bub vor fast sechzig Jahren
besuchte, hatte damals eine interessante Prophezeiung getan. Bei einer
Reise ins Kurdistan besuchen Claudia und Wolf die alte Ruinenstadt Ninive
und entdecken dort zwischen den Trümmern eine Art Zeitentor, durch
welches sie unglaubliche Dinge sehen. Becker erklärt Wolf, dass Julietta,
ebenso wie er selbst, aus der Zukunft gekommen ist.
Kapitel 1

Die Römerinsel – Sommer 1966

Das monotone, plätschernde Eintauchen der Paddel des Faltbootes wurde


nur selten vom Geräusch eines schnell vorbeifahrenden Motorbootes
übertönt. Wolf und sein Freund Dietmar begannen, rascher zu paddeln. Sie
wollten die „Römerinsel“ so schnell wie möglich erreichen. Dieses karge
Eiland direkt vor dem kleinen kroatischen Dorf Medulin hatte es ihnen
angetan. Seit die beiden sechzehnjährigen Freunde vor einer Woche
zufälligerweise am Ufer dieser von Gestrüpp überwucherten Insel
Mauerreste herausragen sahen, waren sie auf Schatzsuche. Nach einer
Viertelstunde war der zirka zwei Meter breite Strand, welcher eigentlich nur
aus etwas roter Erde und ein paar Steinen bestand, erreicht. Nachdem sie
die herausragenden Mauerteile von etwas Erde befreit hatten, kamen sogar
handtellergroße Verputzreste in den Farben rot und blau zum Vorschein.
Freilich waren die Farben schon sehr vergilbt. „Das war bestimmt einmal
eine Fischerhütte von den Leuten hier im Dorf“, meinte Dietmar. „Nein“,
gab ihm Wolf zur Antwort. „Schau einmal hier auf den Boden.“ Er deutete
dabei auf einige zentimetergroße Mosaiksteine, welche zu seinen Füßen
herumlagen. Die kleinen Steinchen hatten die Farben schwarz und weiß und
waren annähernd in Würfelform gefertigt. Er sah Dietmar an und meinte
ironisch: „Welche Fischer würden wohl einen Mosaikboden in ihren Hütten
verlegen?“
Wolf staunte aber nicht schlecht, als sein Freund plötzlich eine
Bronzemünze vom schmalen Strand aufhob. „Ja, jetzt glaube ich auch, dass
das hier eine römische Siedlung war“, stieß Dietmar aufgeregt hervor.
Das Jagdfieber war nun bei den beiden Freunden ausgebrochen. Sie
vergaßen trotz der Hitze, dass sie Durst hatten, und in gebückter Haltung
suchten die zwei bis zur Abenddämmerung eifrig nach römischen
Artefakten. Erst als die Sonne schon längst untergegangen war, paddelten
die beiden mit ihrem Faltboot wieder zum Campingplatz zurück. Die
Ausbeute dieses ersten Tages konnte sich sehen lassen. Es waren über
einhundert Mosaiksteine und siebzehn römische Münzen, von welchen
einige in einem recht guten Zustand waren. Die Eltern von Wolf und
Dietmar staunten nicht schlecht, als sie die Artefakte am Campingtisch
liegen sahen.
Fast jeden Tag ihres Urlaubs fuhren die beiden Freunde nun hinüber zur
Halbinsel, welcher sie bereits am ersten Tag den Namen „Römerinsel“
gegeben hatten. Noch wusste niemand, wie recht die zwei damit hatten.
Zu ihren Funden gesellten sich dann in der folgenden Woche auch eine
Menge von Bronzenägeln und diverse metallene Teile, die sich später als
Fibeln herausstellen sollten. Blaue, durchbohrte Glasperlen und sogar bunte
Mosaiksteine, welche aus einer glasartigen Masse zu bestehen schienen,
waren ebenfalls unter ihren Beutestücken.
Später, nach ihrem Urlaub, als die beiden dann wieder in Salzburg waren,
stellte sich heraus, dass es sich um römische Münzen der ersten
Jahrhunderte unserer Zeitrechnung handelte. Eine dieser Bronzemünzen
zeigte eine Wölfin, die zwei Knaben säugte. Dies sollte wohl auf die
Entstehungslegende von Rom hindeuten. Die römischen Münzen waren
zwar nicht besonders wertvoll, aber für die beiden Freunde doch selbst
ausgegrabene „Schätze“ aus längst vergangenen Zeiten.
Im darauffolgenden Jahr bereitete sich Wolf auf den nächsten Urlaub in
Kroatien vor. Er stöberte in Geschichtsbüchern herum und entdeckte alte
Landkarten, auf welchen er die Handelswege und Besiedelungen im Gebiet
der nördlichen Adria so halbwegs erahnen konnte. Er wollte mehr über
diese Leute in der Antike erfahren und tatsächlich gelangen ihm auch im
folgenden Urlaub, den er mit seinen Eltern wieder in Medulin verbrachte,
ansehnliche Funde, welche er später zuhause ganz stolz herzeigen konnte.
Eines Nachmittags, als er ganz alleine auf der Römerinsel war, kamen
zwei ältere Leute durch das zwei Meter hohe Schilf daher. Sie schauten auf
das kleine Faltboot, das er ans schlammige Ufer gezogen hatte und wandten
sich dann zu ihm. „Weißt du eigentlich, wo du dich hier befindest?“ Wolf
wusste nicht so recht, was diese Frage bedeuten sollte, welche der jüngere
der beiden seltsam bekleideten Männer an ihn richtete. „Ich nenne sie die
Römerinsel“, gab er zur Antwort. „Hier habe ich im Vorjahr mit meinem
Freund schon einige Münzen und Mosaiksteine gefunden. Die stammen aus
der Römerzeit.“ Die beiden Männer schauten sich lächelnd an.
„Komm“, sagte der jüngere der beiden Männer und reichte ihm die Hand,
„komm herauf, zu uns, ich will dir etwas zeigen.“ Dabei half er ihm über
die Böschung auf den kleinen Weg oberhalb des Ufers hinauf. Wolf ging
mit den Männern ein Stück weiter, als diese plötzlich stehen blieben und der
Fremde aufs Meer deutete. „Schau“, sagte er zu ihm.
Wolf erschrak, er sah sein am Ufer liegendes Faltboot nicht mehr. Dafür
kam ein großes, altes Segelboot vom offenen Meer daher. Ein Boot, wie er
es aus den römischen Geschichtsbüchern kannte. Aber wie um Himmels
Willen sollte da so ein Schiff plötzlich daherkommen? Und wo war sein
Paddelboot geblieben? Als er sich umsah, erblickte er auch einige große
Pinien, welche ja auf dieser Halbinsel gar nicht da gewesen waren. Außer
dem hohen Schilf und dornigen Gebüschen gab es hier nichts. Ohne eine
Reaktion von Wolf abzuwarten, gingen sie mit ihm weiter auf die Westseite
der Halbinsel. Dort waren schöne römische Bauten zu sehen und mit
Mosaiken gepflasterte Wege säumten das Ufer. „Was ist das? Wo sind wir
hier?“, stieß Wolf hervor. Statt einer Antwort legte der Mann nur seinen
Zeigefinger auf seine Lippen, so als wollte er ihm bedeuten, ruhig zu sein.
Auf eine Entfernung von etwa fünfzig Meter sah man einige Personen in
heller Toga zwischen den Gebäuden gehen. Wolf verstand gar nichts mehr.
„Was Sie hier sehen, wird erst in über dreißig Jahren ausgegraben werden,
oder zumindest die Grundmauern davon. Dann werden die Menschen die
Überreste dieser königlichen Sommerresidenz bestaunen können.“ „Ja aber
die Bauten stehen doch hier?
Soll das etwa bedeuten, dass wir hier die Vergangenheit vor Jahrtausenden
sehen?“, fragte Wolf erstaunt. „Nicht nur sehen“, erhielt er zur Antwort.
„Nein, wir befinden uns hier tatsächlich im Jahre 330 nach Christi. Es ist
die Zeit des Kaisers Konstantin des Großen. Jener römische Kaiser, welcher
dem Christentum zum Durchbruch verholfen hat.“ Der jüngere der beiden
Männer griff in seine Jackentasche und holte zwei römische Münzen
heraus, die er dem jungen Wolf gab. „Hier, nimm das als Erinnerung, darauf
ist der Kaiser abgebildet, und auf der kleineren Münze, das ist sein Sohn
Crispus. Dies hier ist der Sommerpalast des Crispus, welcher in sechs
Jahren hier auf dieser Halbinsel hingerichtet werden wird. Crispus hatte ein
Verhältnis mit seiner Stiefmutter und um sich nach Bekanntwerden dieses
Umstandes selbst nicht zu belasten, erfand sie die Geschichte einer
Vergewaltigung, worauf Konstantin seinen Sohn zum Tode verurteilen ließ.
Als er später dahinterkam, dass seine Frau ihn betrogen und belogen hatte,
ließ er diese in einem Bottich siedenden Wassers ertränken.“
Wolf zwickte sich in seine Hand. Er glaubte, dass er einen Sonnenstich
bekommen hatte und das, was er hier sah und hörte, nur eine Halluzination
sein konnte. Die drei gingen wieder ein Stück zurück, bis zu der Stelle, wo
ihm der jüngere der beiden Männer heraufgeholfen hatte. Da standen auf
einmal Häuser direkt am Wasser. Davor führte ein gepflasterter Weg zu
einem steinernen Anlegesteg. Von Weitem sah man einige Personen,
ebenfalls römisch gekleidet, daherkommen.
„Sehen Sie hinüber zum Campingplatz“, meinte der Fremde, „oder besser
gesagt dorthin, wo dieser Platz einmal sein wird. Auch dort würde es sich
lohnen, am Ufer oder im seichten Wasser zu suchen. Sie würden staunen,
was dort alles zu finden ist.“ Der ältere der beiden Männer hatte bisher noch
kein einziges Wort gesagt. Er schaute Wolf an und sagte zu ihm: „Weit
draußen, vor den kleinen Inseln, gibt es eine Untiefe, bei welcher bei Ebbe
die Felsen herausragen. Auch dort gibt es eine interessante Stelle, wo einst
römische Schiffe im Sturm auf ein Riff aufgelaufen und untergegangen
sind. Dort ist das Meer nur zwei bis drei Meter tief. Ich glaube, dass du mit
deiner Schnorchelausrüstung auch an dieser Stelle etwas aus dieser Zeit
finden würdest.“
Jetzt wurde es Wolf ein wenig mulmig zumute. Wer waren diese beiden
Männer und woher wussten sie all diese Sachen?
Bevor er sie aber fragen konnte, nahm ihn der Jüngere abermals bei der
Hand und half ihm hinunter zum Strand. „Es ist Zeit zu gehen. Die Römer
sollten uns nicht unbedingt sehen.“ In diesem Moment war alles wieder
beim Alten. Das Paddelboot lag einsam am Strand, an welchem nun anstatt
der beiden Häuser nur noch die Ruinen aus der roten Erde ragten. Auch die
Pinien im Hintergrund waren verschwunden und nur noch meterhohes
Schilf war am Weg zu sehen.
Wolf wollte die beiden Männer noch etwas fragen, aber als er sich
umwandte, war niemand mehr da. Es war, als ob sich die beiden in Luft
aufgelöst hatten. Er zweifelte ein wenig an seinem Verstand. Als er aber in
die Tasche seiner Badehose griff und die beiden recht gut erhaltenen
römischen Münzen sah, wusste er, dass das kein Traum gewesen war, was
er gerade erlebt hatte. Also beschloss er, an den Stellen, welche ihm der
ältere der beiden Männer gezeigt hatte, schnorcheln zu gehen.
Kapitel 2

Das Felsenriff und die Pfeifenköpfe

Er erzählte seinen Eltern kein Wort von dem Erlebnis auf der Römerinsel.
Sie hätten ihm ohnehin nichts davon geglaubt und ihn höchstens für
verrückt erklärt.
In den nächsten Tagen nahm er seine Schnorchelausrüstung unter den
Arm und ging am Campingplatz zu der Stelle neben der großen
Anlegemole, so wie es der Mann auf der Römerinsel beschrieben hatte. Was
sollte aber hier unmittelbar an dieser Betonmauer schon zu finden sein. Es
war eigentlich nur ein steiles Felsufer und keine richtige Stelle, welche auch
zum Baden einlud. Aber Nachsehen kostete ja nichts. Kaum hatte er sich
die Flossen angezogen und die Taucherbrille aufgesetzt, sprang er auch
schon von der Anlegemauer ins Wasser. Der Boden dort war recht
schlammig, er konnte sich kaum vorstellen, dass hier etwas zu finden sein
sollte, aber dennoch suchte er den Grund systematisch ab, indem er mit
seinen Händen den weichen Boden durchwühlte. Nach einigen erfolglosen
Versuchen hatte er plötzlich etwas Kleines in den Händen, das bei genauer
Betrachtung aussah wie ein tönerner Pfeifenkopf mit schönen Verzierungen.
Auch in der folgenden Stunde kamen immer wieder solche kleinen
Artefakte aus römischer Zeit zum Vorschein. Plötzlich sah Wolf den Boden
eines Gefäßes aus dem Schlamm ragen. Das Stück schien ziemlich fest zu
stecken und er konnte es nur ganz langsam ausgraben, wozu zahlreiche
Tauchgänge notwendig waren. Was zum Vorschein kam, war eine ca.
dreißig Zentimeter große Schale, von welcher lediglich ein kleines Stück
herausgebrochen war. Dafür aber hatte der jahrtausendealte Schlamm auf
dem Grund die farbige Glasur bestens erhalten, sodass Wolf erst gar nicht
glauben konnte, eine Schale aus der Römerzeit in Händen zu halten. Die
prächtigen Verzierungen waren wundervoll. Der Mann hatte also Recht
gehabt, als er ihm den Tipp gegeben hatte, an dieser Stelle zu suchen.
Nun würde er auch am Felsenriff draußen vor der Bucht schnorcheln,
obwohl er sich nicht vorstellen konnte, dort etwas zu finden. Da am
nächsten Tag recht stürmisches Wetter herrschte, war an ein Hinausfahren
mit dem kleinen Faltboot nicht zu denken. Wolf musste sogar noch zwei
weitere Tage zuwarten, bis er endlich zum Riff paddeln konnte. Das Boot
konnte er wegen der Wellen bei den scharfkantigen Felsen nirgendwo
festmachen und so fuhr er nochmals zurück zur nächsten kleinen Insel,
welche ohnehin nur ein paar hundert Meter entfernt war. Dort suchte er am
Strand einen großen Stein, welchen er mit einer Schnur umwickelte und der
als Anker für das Faltboot gedacht war. Das klappte prima und er konnte so
genau zu den Stellen gelangen, welche ihm interessant schienen.
Tatsächlich war neben dem Riff das Wasser nicht tief, sodass er mit seinen
Flossen mühelos den Grund mit dem sandigen Boden erreichen konnte.
Nach etlichen erfolglosen Tauchversuchen sah er den Kopf einer Amphore
aus dem Sand ragen. Das Bergen dieses Stückes erwies sich aber als sehr
viel schwieriger als gedacht. Obwohl das Meer dort nur ungefähr drei Meter
tief war, erforderte es dennoch eine geraume Zeit und unzählige
Tauchgänge, da es für ihn schwierig war, im Sandgrund mit den Händen zu
graben und zugleich mit den Flossen nach unten zu paddeln. Wolf überlegte
sich eine andere Strategie. Er zog sich den Ankerstein seines Bootes zu der
Stelle, wo die Amphore im Sand steckte und hielt sich mit einer Hand an
der Schnur am Boden fest, während er mit der anderen Hand graben konnte.
So gelang es ihm dann, innerhalb weniger Minuten diesen Amphorenkopf
freizulegen und ins Boot zu schaffen. Das andauernde Tauchen war
anstrengend und nachdem er drei solcher Stücke aus dem sandigen Boden
geborgen hatte, fuhr er wieder zurück zur nahegelegenen Insel und ruhte
sich aus. Als er dann am flachen Kiesstrand der Insel lag, wo außer dem
Kreischen einiger Möwen und dem Plätschern der Wellen nichts zu hören
war, dachte er wieder über die Worte dieses Fremden nach. Wieso wusste
der Mann auf der Römerinsel das alles? Es war genauso gekommen, wie
jener es vorhergesagt hatte. Sicher war alles nur ein Zufall. Trotzdem ging
es ihm immer wieder durch den Kopf.
Als er wieder am Campingplatz und beim Zelt der Eltern angekommen
war und seine „Beutestücke“ hergezeigt hatte, meine ein zufällig
daherkommender Camping-Nachbar: „Du weißt aber schon, dass das
Mitnehmen von antiken Gegenständen aus dem Meer verboten ist.“ „Ja“,
meinte Wolf kleinlaut, „ich hab schon so etwas in diese Richtung vermutet,
aber ich werde es nicht an die große Glocke hängen.“
Kurz vor Ende des Urlaubes fuhr Wolf noch einmal mit dem Paddelboot
hinüber zur Römerinsel. Er wollte sich die Westseite dieser Insel ansehen,
wo er mit den beiden Fremden die römische Villa und den Säulengang
gesehen hatte. Er fuhr vorbei an den Stellen, wo er im Vorjahr mit Dietmar
die Mosaiksteinchen und die römischen Münzen ausgegraben hatte. Dort
aber, wo ihm vor zwei Wochen die schönen Bauten von den beiden
Männern gezeigt wurden, konnte er nur meterhohes Schilf und dichtes
Gestrüpp erblicken. Da war auch keine Spur von irgendwelchen
Mauerresten. Enttäuscht drehte er mit seinem Boot wieder um und kehrte
zurück zum Campingplatz.
Wieder zuhause in Hallein verstaute er seine Funde in einem eigens dafür
angefertigten Regal, in welchem die Artefakte aus der Römerzeit dann
jahrelang ihren Platz hatten.
Damals, in den sechziger Jahren, kümmerten sich die Jugoslawen so gut
wie gar nicht um archäologische Stätten, wenn es sich nicht gerade um
Tempel, Statuen oder großartige Bauwerke handelte. Doch das sollte sich in
den folgenden dreißig Jahren ändern.
Viele Jahre später zeigte er seine „Ausgrabungsstücke“, wie er seine
römischen Funde nannte, dem befreundeten Direktor vom Halleiner
Keltenmuseum. Auch dieser war von den Artefakten beeindruckt.
Besonders von der schönen Schale und von dem unmittelbar neben dem
Campingplatz liegenden Fundort.
Kapitel 3

Der Veitlbruch am Untersberg

Eines Tages, als die deutsche Bundespolizei ihre Grenzkontrollen wieder


aufleben ließ, um angeblich Schleppergeschäfte und illegale Grenzübertritte
zu unterbinden, fuhr Wolf über die alte Römerstraße, um nicht in den
kilometerlangen Stau auf der Autobahn zu geraten. Rainer, der scharfe
Beamte von der Bundespolizei in Rosenheim, hatte ihm eine Info
zukommen lassen. Wolf kannte auch die ganz kleinen Grenzübergänge, wo
es so gut wie nie Kontrollen gab und wo er zudem auch eine enorme
Zeitersparnis hatte. Auf diesem Weg kam er am Fuße des Untersberges
auch beim sogenannten Veitlbruch vorbei.
Der Veitlbruch war ein uralter Marmorsteinbruch aus römischer Zeit. Dort
wurde schon in den ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung Marmor
gebrochen. Eine kleine Kapelle markiert heute den Platz. Daneben steht ein
großer Marmorblock mit einer Vertiefung, in welcher im neunzehnten
Jahrhundert eine Handvoll römischer Bronzemünzen gefunden wurden.
Eine Inschrift auf dem Marmorblock erinnert heute an diesen Fund.
Wolf hielt kurz seinen Wagen bei einer Ausweiche neben der Kapelle an
und stieg aus seinem Wagen. Es interessierte ihn immer wieder, die Gegend
dort anzusehen. Es gab da so ein Gerücht, dass diese Stelle mit dem General
und seiner Station im Berg etwas zu tun haben sollte. Er hatte zwar keine
genauen Hinweise, aber dennoch war er neugierig. Gerade wollte er wieder
zu seinem Auto gehen, da sprach ihn jemand an. Es war Becker, welcher
plötzlich hinter ihm stand. Wolf wollte ihm nicht unbedingt etwas von
seiner Neugier wegen der alten Kapelle sagen, doch der Illuminat lächelte
bereits wissend. Deswegen begann Wolf von den Münzen, welche vor über
einhundertfünfzig Jahren in der Vertiefung des Felsens neben der Kapelle
gefunden wurden, zu sprechen. Becker lächelte noch immer und meinte
erstaunt: „Sie meinen doch sicher auch diese römischen Münzen, von denen
Sie in Ihrer Jugend in Jugoslawien so viele gefunden haben?“ Obwohl Wolf
ahnte, dass Becker so gut wie alles von ihm wusste, fragte er: „Was meinen
Sie?“ Becker lachte. „Das wissen Sie doch ganz genau. Damals, im Jahr
1966, als Sie mit Ihrem Freund Dietmar tagelang auf dieser kleinen
Halbinsel bei Medulin am Ufer in der roten Erde herumsuchten. Da haben
Sie Münzen ausgegraben, welche aus derselben Zeit stammen wie jene,
welche hier im römischen Steinbruch gefunden wurden.“ ‚Ja, freilich
stimmt das‘, dachte Wolf, als Becker weitersprach. „Sie haben aber
wesentlich mehr Dinge aus der damaligen Zeit entdeckt, als diese Münzen.“
Wolf wunderte sich schon seit geraumer Zeit nicht mehr über Beckers
Einblicke in sein Leben. Er spürte nur kurz, dass ihn der Illuminat bei der
rechten Hand nahm und er anschließend die römischen Arbeiter im
Steinbruch sah. Der Weg verlief etwas anders als die asphaltierte Straße, die
er kannte. Auch sein Wagen und die Kapelle waren jetzt nicht mehr zu
sehen. Und die Römer, welche etwa achtzig Meter von Ihnen entfernt mit
dem Abbau der Marmorsteine beschäftigt waren, nahmen keine Notiz von
den beiden. „Dieser kleine Einblick an diesem Ort sollte genügen“, sagte
Becker und nahm ihn abermals an der Hand. Sie standen wieder neben der
Kapelle und Autos fuhren auf der kleinen Straße an ihnen vorbei. „Erinnern
Sie sich noch daran, wie Ihnen bei Ihrer Suche auf der Römerinsel einmal
zwei Männer begegnet sind?“
Jetzt, wo es Becker sagte, fiel es ihm ganz dumpf wieder ein. Er hatte
dieses Erlebnis, in dessen Verlauf ihm damals römische Bauten gezeigt
worden waren, offenbar im Laufe der Zeit verdrängt, weil es für ihn einfach
zu unglaublich war. „Ja, das stimmt, da waren zwei Männer. Der jüngere
der beiden hat mir allerhand gezeigt, was mir aber wie eine Vision
erscheint, wenn ich heute darüber nachdenke. Der ältere hingegen hat mir
Hinweise auf Stellen gegeben, an welchen ich später tatsächlich römische
Sachen gefunden habe.“
„Kommen Sie“, sagte Becker und nahm ihn bei der Hand, „und sehen Sie
sich die Situation damals von der anderen Seite an.“ Im nächsten
Augenblick standen die beiden auf dem schmalen Schilfweg auf der
Römerinsel bei Medulin. Es war ein heißer Spätsommertag und herrliches
Wetter. Unten am Ufer lag ein kleines, blaues Faltboot und daneben kratzte
ein schmächtiger, fünfzehnjähriger Junge mit einem Stein in der Erde
herum.
„Das bin ja ich!“, stieß Wolf entsetzt hervor. Becker legte seinen Finger
auf den Mund und erwiderte leise: „Nicht so laut, er kann Sie hören.“ „Ja,
ich weiß, aber ich muss ihm doch sagen, wo es noch etwas zu finden gibt“,
meinte Wolf und ergänzte: „Er weiß ja nicht, wer ich bin.“ Becker lächelte
bloß: „Ja, erfüllen Sie die Geschichte, es muss ja auch so geschehen.“ Wolf
erzählte dann dem Knaben, an welchen Stellen noch andere Artefakte auf
ihre Entdeckung warteten. Dieser sah ihn erstaunt an. Dann bemerkte er die
beiden Römer, welche von Weitem daherkamen. Becker nahm ihn wieder
bei der Hand und im nächsten Moment standen sie wieder neben der
Kapelle beim Veitlbruch, so, als wäre nichts gewesen. „Dann habe ich
damals sozusagen mir selbst den Hinweis gegeben, wo ich zu suchen hatte.
Ist so etwas überhaupt möglich? Ist das nicht ein Paradoxon?“
Wolf, der schon viele Male solche Zeitsprünge mit dem Illuminaten erlebt
hatte, wunderte sich kaum mehr darüber, lediglich die Tatsache, dass er
dieses Mal mit sich selbst gesprochen hatte, fand er faszinierend. „Ist das
nicht ein Paradoxon?“, fragte er Becker noch einmal. Dieser schaute ihn
durchdringend an und meinte: „Dann wäre ja mein Erscheinen ebenfalls
paradox, aber wenn Sie erkennen, dass Vergangenheit, Gegenwart und
Zukunft gleichzeitig existieren, dann werden Sie begreifen, dass das ganz
normal ist.“
„Aber eine Frage stellt sich für mich“, sagte Wolf zu dem Illuminaten.
„Auch wenn die Münzen, welche ich damals als Sechzehnjähriger in
Medulin gefunden habe, aus derselben Zeit stammen, wie die, welche hier
am Veitlbruch entdeckt wurden – was hat das mit dem Untersberg und
seinen Phänomenen zu tun?“ „Das werde ich Ihnen gleich erklären“, meinte
Becker, „die Geschichte geht ja noch weiter. Erinnern Sie sich an die
römische Sommerresidenz in der Nähe von Pula, als ich Ihnen von Crispus,
dem erstgeborenen Sohn des Kaisers Konstantin des Großen erzählt habe.
Dieser Crispus ist schon in jungen Jahren mit seinem Vater zu einer der
größten römischen Metropolen in Mitteleuropa, nämlich nach Trier, gereist.
Auf dieser Reise kamen sie nach dem Überqueren der Alpen nach Salzburg,
damals Juvavum. Dort sah der junge Crispus auch den Untersberg. Er hörte
von den seltsamen Geschichten, welche schon damals über diesen Berg
berichtet wurden. Der Kaisersohn wollte sich selbst davon überzeugen und
ließ sich in die Nähe der Steinbrüche bringen. Die Römer hatten dorthin
bereits eine Straße errichtet, um die Marmorblöcke transportieren zu
können. Sie können also sicher sein, dass dieser Kaisersohn damals vor
1700 Jahren bereits genau hier an dieser Stelle gestanden hat. Er ließ sich
von den Arbeitern des Steinbruchs über die seltsamen Vorfälle berichten,
nach welchen hier am Fuße dieses mächtigen Berges zu gewissen Zeiten
Leute verschwunden waren. Konstantin der Große, sein Vater, hatte das
Christentum im Reich zur Staatsreligion erhoben, deshalb glaubte auch der
junge Crispus nicht an die Dämonengeschichten, welche in der
Urbevölkerung über diesen Berg erzählt wurden. Seiner Meinung nach
mussten die Verursacher dieses Spuks sogenannte Laren sein, böse Geister
von Verstorbenen. Er ließ sich an Ort und Stelle von einem der Steinhauer
einen kleinen, etwa zehn Zentimeter großen, rohen Marmorwürfel
anfertigen, den er dann in den Sommerpalast in Istrien nahe Pula an die
Adria mitnehmen wollte. Die Kanten des Würfels ließ er etwas abrunden.
Würfel waren damals bei den Römern sehr beliebt.
So würde er dann ein Andenken an diesen geheimnisvollen Berg haben.“
Wolf hatte dem Illuminaten aufmerksam zugehört. Es störten ihn dabei auch
nicht die zahlreichen Autos, welche inzwischen schon beinahe im
Minutentakt an der Kapelle vorbeifuhren. Zu sehr war er fasziniert von
dieser Geschichte, mit der er jetzt den Zusammenhang mit den römischen
Funden aus seiner Jugendzeit und dem geheimnisvollen Berg seiner Heimat
herstellen konnte.
Es war interessant zu erfahren, dass bereits vor über 1700 Jahren am Fuße
des Untersberges Menschen verschwunden waren.
„Zu dem Würfel kann ich Ihnen noch sagen, dass dieses Symbol die
Menschen schon seit Urzeiten beeindruckt. Die einen sehen darin ein
Zeichen des Satans, für die Freimaurer hingegen bedeutet er den
vollkommenen Menschen, welcher aus dem rohen Stein mit viel Fleiß an
sich selbst herausgearbeitet werden muss. In Wirklichkeit ist jedoch der
kantige Würfel nur eine Vorstufe zur Kugelform, welche die Vollendung
darstellt. Himmelskörper wie Sonnen und Planeten besitzen diese Form.
Aber auch im Kleinsten, bei den Atomen und Teilchen, finden wir die
Kugelform. Eine vollkommene Kugel alleine von menschlicher Hand
herzustellen war unmöglich. Man bediente sich daher immer natürlicher
Mittel, bei welchen ein Stein immer wieder, wie zufällig, in alle Richtungen
gedreht und abgeschliffen wurde. So zum Beispiel in einer Kugelmühle.“
Wolf erwiderte: „Ja, beim Gasthof Kugelmühle vor der Almbachklamm
habe ich das schon gesehen. Der Wirt, der Friedl Anfang, hat mir einmal
gezeigt, wie Kugeln mit der Kraft des Wassers hergestellt werden. Zuerst
klopft er mit der Hand Marmorstücke in die ungefähre Form eines Würfels,
dann rundet er die spitzen Ecken etwas ab und legt die Stücke in einen
Sandsteinblock mit kreisrunden Rillen. Oben drauf kommt ein Gegenstück
aus hartem Holz mit denselben Rillen. Dieses wird mittels kleiner
Schaufeln, welche oben auf dem Holzblock angebracht sind, vom Wasser in
Drehung versetzt. So entstehen innerhalb weniger Tage absolut runde
Kugeln aus den rohen Steinwürfeln.“
Becker nickte und meinte: „Ja, bei den Rosenkreuzern haben Sie das
Prinzip des Würfels und der Kugel schon ausgiebig studieren können. Jetzt
aber können Sie es in der Praxis bestaunen.“
Wolf überlegte einen Moment und sagte dann zu Becker: „Wie Sie sicher
wissen, habe ich dort in den Ruinen dieser römischen Villa in der Nähe von
Medulin solche Mosaikwürfel gefunden. Sie waren aus hellem Marmor und
hatten die Größe von etwa einem Zentimeter. Claudia ist mit mir durch
diese Ausgrabungsstätte hindurchgegangen und wir haben die schönen,
freigelegten Marmorböden bestaunt. Irgendwo hinter den Grundmauern
sind dann diese eher unscheinbaren Mosaiksteine gelegen. Die Archäologen
haben ihnen offenbar keinen Wert zugebilligt und sie einfach
liegengelassen. Und ich musste sie dann finden. Diese Steinchen erinnerten
mich eben an die vielen kleinen Mosaiksteine, welche ich dort am Ufer vor
langer Zeit gefunden habe. Diese Steine liegen heute bei mir in der
Glasvitrine neben den ägyptischen Artefakten.“
Becker fuhr fort: „Wie Sie sehen, sind die Dinge und Ereignisse sogar
über Jahrtausende miteinander verbunden, aber das wissen Sie als
Rosenkreuzer doch selbst.“
Nachdem der Illuminat hinter der Kapelle in Richtung der Steinbrüche
verschwunden war, fuhr auch Wolf wieder nach Hause.
Dort nahm er dann einige Mosaiksteinchen aus der Vitrine heraus und
legte sie beinahe ehrfürchtig in den Glaskasten mit den Sachen aus der
Römerzeit. Er nahm die kleine Bronzemünze heraus, welche auf die
Gründungsgeschichte der Stadt Rom hinweisen sollte. Eine Wölfin mit zwei
kleinen Buben unter ihr war darauf zu sehen und darüber zwei Sterne. Auch
eine schöne Bronzefibel, welche er damals, als er sie gefunden hatte, für
den Griff eines Glasgefäßes gehalten hatte, war dabei. Jetzt hatte er
plötzlich einen ganz anderen Bezug zu diesen Sachen.
Kapitel 4

Die Reifenspuren ins Nichts

Es war an einem Frühwinterabend und Wolf war gerade auf dem Weg zum
Alten Gasthof. Wie er es seit fast einem Jahr schon gewohnt war, nahm er
auch diesmal wieder den Weg über die schmale Römerstraße am Fuß des
Untersberges. Es schneite schon den ganzen Tag über und jetzt am Abend
fuhren wegen des Schneefalls auch kaum Autos durch den Wald. Die
schmale Straße war ohnehin nur langsam zu befahren und erst recht, wenn
Schnee lag. So etwas war für ungeübte Autofahrer eine echte Gefahr. Nur
zu rasch konnte da ein Wagen von der engen Fahrbahn abkommen und in
den Graben rutschen. Und wenn einem so etwas passierte, dann war es gar
nicht so leicht, da wieder herauszukommen. Der Handyempfang im Wald
am Fuße des Untersberges war an vielen Stellen nicht gegeben und so
bestand die Gefahr, dass man in so einem Falle viele Stunden auf Hilfe
warten musste.
Wolf aber kannte die Straße seit seiner Jugend und hatte sie schon bei
sämtlichen Witterungen befahren. So machte ihm auch der zwanzig
Zentimeter hohe Neuschnee, der auf der Fahrbahn lag, nichts aus. Zudem
hatte sein Wagen Allradantrieb. Das war gut so, denn vor Jahren musste er
schon einige Male Schneeketten auf der Römerstraße anlegen, um über die
wenigen Steigungen im Wald zu kommen. Als er den Gasthof Latschenwirt,
welcher einsam mitten im Wald lag, erreichte, sah er, dass dort alles finster
war. Das erschien ihm irgendwie seltsam, denn üblicherweise brannte dort
immer bis spät in die Nacht hinein noch Licht. Doch dann erregte etwas
anderes seine Aufmerksamkeit. Ein Wagen tauchte plötzlich in der
Dunkelheit auf der verschneiten Straße vor ihm auf. Es war ein weißer
Personenwagen, dessen Kennzeichen Wolf nicht erkennen konnte. Der
starke Schneefall behinderte seine Sicht. Der Fahrer des weißen Wagens
dürfte mit der Straße ebenfalls gut vertraut gewesen sein, denn Wolf
vermochte ihm auf Grund seiner hohen Geschwindigkeit kaum zu folgen.
Er fuhr einfach der Reifenspur nach, welche ohnehin die einzige auf der
Straße war. Schon nach wenigen Kurven war das Fahrzeug aus Wolfs
Blickwinkel verschwunden. Bisweilen sah er noch zwischen den großen
Tannen einen Lichtschein von dessen Scheinwerfern auftauchen. Es war
angenehm, in der Spur des vorausfahrenden Wagens hinterherzufahren, da
konnte er sicher sein, nicht auf das Bankett zu geraten.
Schließlich war der weiße Wagen aber endgültig im finsteren Wald
verschwunden. Wolf wunderte sich zwar, denn er hätte doch noch eine Zeit
lang die Scheinwerferkegel auf manchen Abschnitten zu sehen erhofft, doch
das Schneetreiben war mittlerweile auch stärker geworden und Wolf musste
mit Abblendlicht fahren, um überhaupt noch etwas wahrnehmen zu können.
Jäh bremste er seinen Wagen ab. Die Spur der vorausfahrenden Autos bog
plötzlich scharf nach rechts ab. Auf eine Forststraße, die normalerweise mit
einem Schranken abgesperrt war. Jetzt im Winter aber waren bei den
meisten Forstwegen die Absperrungen geöffnet, da dort höchstens
Traktoren, die Futter zu den Wildfütterungsplätzen brachten, unterwegs
waren. Wolf stoppte kurz und bog dann ebenfalls in den Forstweg ein.
Dieser führte in einer großen Schleife bis in die Nähe der Illuminatenhöhle.
Er kannte diesen Weg bestens. Was wollte dieser Fahrer vor ihm dort? Der
Weg würde jedenfalls oben bei einer Wildfütterung aufhören. Von dort war
es dann noch ein steiles Stück nach unten bis zur Illuminatenhöhle. Diesen
Weg zu Fuß konnte man aber im Winter bei Schnee keinesfalls gehen. Mit
seinem Allradwagen war es für Wolf kein Problem, der Reifenspur zu
folgen. Aber nach einer kurzen Strecke von etwa dreißig Metern war die
Spur zu Ende und das dazugehörige Fahrzeug war nicht zu sehen.
Die Reifenspur endete sozusagen im Nichts.
Wolf blieb stehen und stieg aus seinem Wagen. Er ging nach vorne und
konnte erkennen, dass an der Fahrerseite am Ende der Reifenspur
Schuhabdrücke eines Menschen zu sehen waren, welche am Ende der
Fahrzeugspuren ebenfalls aufhörten.
Etwas verstört ging er wieder zurück zu seinem Wagen. Wolf überlegte
noch ein paar Augenblicke, ob er nicht einfach weiterfahren sollte, verwarf
aber diesen Gedanken rasch wieder. Was er da sah, das konnte doch gar
nicht real sein.
Er legte den Rückwärtsgang ein und fuhr vorsichtig die leichte Steigung
hinunter zur Straße zurück. Er musste höllisch aufpassen, nicht die Spur zu
verlassen. Wieder auf der tief verschneiten Römerstraße fiel ihm dann das
seltsame Erlebnis ein, als er mit Claudia in der warmen Sommerzeit einst
am späten Abend auf dieser Straße in die Gegenrichtung fuhr und ihnen ein
ebenfalls weißes Fahrzeug entgegenkam. In diesem Fahrzeug saß aber kein
Lenker. Sie hatten lediglich zwei rote Lichter im Inneren des Wagens
erkannt, dort, wo sich normalerweise der Kopf eines Lenkers befinden
musste. Eine Weile noch hing er solchen Gedanken nach, konnte jedoch zu
keinem Ergebnis gelangen. In der Zwischenzeit kam er wieder aus dem
Untersbergwald heraus und erreichte die kleine Ortschaft Fürstenbrunn.
Nachdem er später beim Alten Gasthof mit seinen Erledigungen fertig war,
fuhr er zu Claudia und berichtete von seinem Erlebnis im Wald. „Das war
sicherlich ein Dimensionstor“, meinte sie, „gut, dass du dort nicht
weitergefahren bist, wer weiß, wo du sonst herausgekommen wärest.“ Wolf
schmunzelte. „Wer weiß, aber interessiert hätte es mich eigentlich schon.“
„Du solltest den Becker fragen“, meinte Claudia. Wolf nickte nur. „Ich kann
mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass dort auf einem Forstweg ein
Dimensionstor stehen sollte. Da würde doch jeder verschwinden, der da
durchfährt oder -geht.“
„Vielleicht ist es ein portables Zeitentor?“, gab Claudia zur Antwort.
„Ich werde bei der nächsten Zusammenkunft den General fragen“,
erwiderte Wolf, „oder vielleicht den Illuminaten.“
Kapitel 5

Die Marzipanstangen

Wolf erhielt eine unscheinbare Mail von einem Mann aus der Mitte
Deutschlands. Dieser ersuchte um ein Treffen im Alten Gasthof. Solche
Mails erhielt Wolf jede Woche. „Du hast für so etwas keine Zeit“, meinte
Claudia, als er ihr davon erzählte. „Wenn du jedem zusagen würdest, dann
wärest du mit diesen Treffen viele Tage im Monat beschäftigt.“
Doch der Schreiber dieser Mail war ziemlich hartnäckig und versuchte es
mehrere Male. Er behauptete, dass er sehr wichtige Informationen über den
Untersberg hätte und diese könne er nur unter vier Augen kundtun.
„Ich werde mich mit dem Mann treffen“, sagte er der jungen Frau am
Telefon, „vielleicht ist dieses Mal etwas dran an seiner Geschichte.“ „Mach
es, wie du willst“, antwortete Sie und konnte nicht verstehen, dass sich
Wolf immer wieder mit Leuten traf, ohne dass er konkrete Hinweise hatte,
dass es sich tatsächlich um etwas Wichtiges handelte.
Es wurde vereinbart, dass der Mann, der sich Jürgen Hilbert nannte, im
Turmstüberl des Alten Gasthofes zum festgesetzten Termin auf ihn warten
sollte. Dort waren die beiden dann alleine und der Fremde begann nach
einem Smalltalk, über den Untersberg zu sprechen. „Ich bin
Bergbauingenieur und besitze eine kleine Firma, die Probeschürfungen im
südamerikanischen Urwald durchführt. In einem Ihrer Bücher schreiben Sie
darüber, dass Sie eine Kiste mit amerikanischem C4-Plastiksprengstoff am
Fuß des Untersberges gefunden haben. Es soll sich dabei um eine
ordentliche Menge handeln, sodass sich sogar das österreichische
Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorbekämpfung dafür interessiert
hat.“ Was würde dieser Mann eigentlich von ihm wollen? Wolf war
gespannt.
„Wie Sie wahrscheinlich bereits wissen, ist dieser Sprengstoff sehr
effektiv und leicht und ungefährlich zu handhaben, aber eben auch sehr
teuer in der Herstellung. Und am Markt ist er so gut wie gar nicht erhältlich.
Wir wollen damit in Bolivien alte Smaragdminen neu beleben. An Ort und
Stelle bekommen wir das Zeug nicht und mit neuartigem Sprengstoff im
Gepäck können wir nicht durch die Kontrollen auf den Flughäfen. Bei Ihren
Funden handelt es sich aber, wie ich gelesen habe, um Composite-
Compound-4-Sprengstoff der US Army, und zwar Herstellungsjahr 1948,
und diesem wurden damals noch keine Metallspäne beigefügt.“ „Was hat
das denn damit zu tun?“, fragte Wolf verwundert. „Bei den Kontrollen an
den Flughäfen entdeckt man das wegen dem Metallpulver sofort. Nun,
wenn wir aber das Zeug unentdeckt durch den Zoll bringen können, dann
wäre uns sehr geholfen.“ Wolf stutzte, da war doch mit Sicherheit etwas
faul an der Sache. Er beobachtete sein Gegenüber sehr genau.
„Sie sollen bei dieser Sache auch nicht zu kurz kommen“, ergänzte der
Mann, „wir können Ihnen einen sehr guten Preis dafür zahlen. Auch würden
wir den Transport vom Untersberg selbst übernehmen.“
Das klang alles sehr verdächtig. Aber bevor Wolf noch etwas dazu sagen
konnte, sprach der Mann weiter. „Wir würden als allererstes ein kleines
Stück Muster von so einer Marzipanstange von Ihnen benötigen und die
Anzahl der gesamten Stangen müssten Sie uns auch noch bekanntgeben.
Den genauen Preis kann ich Ihnen erst danach sagen, aber er wird sicher
höher ausfallen, als Sie sich vorstellen können. Sie selbst können doch
ohnehin nichts mit diesem Sprengstoff anfangen.“
In diesem Moment zuckte der Mann, der sich als Jürgen Hilbert
ausgegeben hatte, heftig zusammen. Ein Uniformierter betrat das
Turmstüberl vom Seiteneingang her. Er kam über den Hochzeitssaal, in
welchem jedoch kein Licht brannte, in die Turmstube.
„Hallo Wolf“, rief Herbert, der Polizist. „Ich habe draußen beim Brunnen
deinen Wagen stehen sehen und wusste, dass du wieder einmal hier bist, da
wollte ich kurz reinschauen.“
„Habe ich etwa falsch geparkt?“, fragte Wolf mit gespielter Entrüstung.
„Nein, ich möchte nicht stören“, lachte Herbert mit einem Seitenblick auf
Wolfs Gegenüber. „Ich wollte dir nur Hallo sagen.“
„Oder wolltest du nachsehen, ob Becker oder der General hier sitzt?“,
konterte Wolf.
Hilbert war angesichts Herberts Auftauchen sichtbar nervös geworden.
„Das ist Herr Hilbert“, stellte Wolf den Mann vor. „Er ist so etwas wie ein
Archäologe und sucht aktuell im bolivianischen Urwald herum.“
„Dann will ich euch nicht länger stören“, meinte Herbert und
verabschiedete sich von den beiden.
Nachdem Herbert das Turmstüberl wieder verlassen hatte, schaute Hilbert
immer wieder in Richtung der Türen. Der Besuch Herberts hatte ihn
irgendwie verunsichert.
Wolf verblieb mit dem Mann so, dass er ihn in zwei Wochen wieder
kontaktieren würde. Bis dahin wollte er sich bei Becker erkundigen, was
hier tatsächlich vorging. Vorher würde er keinesfalls das Waffendepot im
Untersbergwald aufsuchen. Erstens war noch Schnee im Wald und jeder
würde seine Fußspuren sehen und zweitens war es ihm zu gefährlich, falls
ihm jemand folgen würde.
Claudia war entsetzt, als ihr Wolf von dem Anliegen dieses Mannes
erzählte. „Lass dich bloß nicht auf so etwas ein, das könnte fatal enden.“
Auch Peter mit dem Leopold kam diese Sache mehr als suspekt vor. „Ich
kann mir schon vorstellen“, sagte er zu Wolf, „dass du gerade jetzt in der
Situation, wo du deine Firma nicht mehr hast, heilfroh über so viel Geld
sein könntest. Ich würde aber den Standort dieses Depot keinesfalls
preisgeben, egal, wie viel Geld die dir auch geben mögen. Für mich sieht
das ganz nach einer Terrorsache aus. Mit der Menge Plastiksprengstoff im
Waffendepot könnte man bestimmt einen beachtlichen Anschlag
durchführen. Denk einmal nach, die wollen das C4 in ein Flugzeug bringen.
Du solltest eher das BVT verständigen. Ich glaube, es geht hier auch um
deine eigene Sicherheit.“
„Nein“, antwortete Wolf, „den Josef vom Geheimdienst ruf ich sicher
nicht mehr an. Die Leute vom Verfassungsschutz wollen doch auch nur
wissen, wo sich das amerikanische Waffendepot befindet. Vielleicht ist der
Josef ja schon in den Ruhestand getreten, genauso wie sein Chef, der wurde
ja voriges Jahr auch durch einen Neuen ersetzt. Wer weiß, was bei denen los
ist. Ich werde mal unsere Polizisten fragen. Herbert ist ja auch nicht mehr
bei der Autobahnpolizei. Er macht jetzt Dienst in der Verkehrsabteilung.
Und sogar seine Frau Elisabeth will dorthin versetzt werden.“
Einige Tage darauf konnte er Becker erreichen. Dessen Aussage ließ Wolf
erschaudern. „Sie dürfen auf keinen Fall den Standort des Waffendepots
preisgeben“, meinte der Illuminat. „Diese Leute sind hochgefährlich und
bräuchten das Marzipan für terroristische Zwecke. Sagen Sie einfach,
irgendwer hat das Depot entdeckt und leergeräumt, falls dieser Mann Sie
nochmals kontaktiert. Und melden wird er sich mit Sicherheit wieder bei
Ihnen. Gehen Sie aber auf keine langen Gespräche mit ihm ein. Auch seine
Identität und der Firmenname sind falsch. Aber das ist jetzt ohnehin egal.
Das BVT würde ich an Ihrer Stelle auch nicht einschalten, denn das könnte
Sie nur unnötig in Gefahr bringen.“
Wolf bedankte sich bei Becker und dieser hatte noch eine Neuigkeit für
ihn:
„Was halten Sie davon, wenn wir beide dem Irlmaier einen Besuch
abstatten? Möglicherweise könnte das für Sie neue Erkenntnisse bringen.“
„Ja, gerne“, erwiderte Wolf, „aber zuvor möchte ich mich darauf
vorbereiten. Ich kann mir vorstellen, dass mir da einiges zu fragen einfällt.“
Der Freilassinger Seher und Brunnenbauer Alois Irlmaier war ja schon
lange tot, also würde es wieder einmal eine Reise in die Vergangenheit
werden. „Können wir das in drei Tagen machen?“, fragte Wolf den
Illuminaten. „Gerne“, erwiderte dieser, „lassen Sie sich ruhig Zeit.“
Kapitel 6

Beim Brunnenbauer

Auf Geheiß Beckers hatte sich Wolf für den Besuch bei Irlmaier nur dunkel
angezogen. Auch der Illuminat trug einfache dunkle Kleidung. Sie trafen
sich beim Brunnen vor dem Alten Gasthof. Becker nahm ihn bei der Hand
und die beiden standen vor dem Gittertor des Lagerplatzes Irlmaiers, nahe
des Freilassinger Bahnhofs. Es war ein Abend im Sommer des Jahres 1956.
Wie jedes Mal musste sich Wolf erst an die veränderte Umgebung bei
solchen Reisen mit Becker gewöhnen. Lastwagen mit wuchtigen Kotflügeln
und großen, darauf montierten Scheinwerfern und auch Pferdefuhrwerke
waren da auf der Straße zu sehen. Auch die alten Züge mit Dampfloks auf
der nahen Schienentrasse, welche schnaubend am alten Bahnhof von
Freilassing vorbeizogen, verliehen der Situation einen bestimmten Reiz.
Sie mussten nicht lange warten, da kam auch schon der Brunnenbauer aus
seiner Baracke heraus und wollte soeben nach Hause gehen, als Wolf ihn
ansprach. „Grüß Gott, Herr Irlmaier, hätten Sie einen Moment Zeit für
uns?“
„Jo, des sagn alle“, (Ja, das sagen alle) murmelte der Irlmaier ein wenig
griesgrämig, „aba in Gotts Nam, huckts enk her“ (aber in Gottes Namen,
setzt euch her) und deutete dabei mit der Hand auf eine Bank auf dem
Lageplatz vor der Hütte.
„Di kenn i vo irgendwo her, di hab i vor Kurzn gsegn“, (dich kenne ich
von irgendwo her, dich habe ich vor Kurzem gesehen), begann Irlmaier und
meinte Wolf damit.
Das stimmte sogar. Wolf war ja in diesem Jahr im Alter von sechs Jahren
mit seinem Großvater bei ihm gewesen. Wie konnte der Brunnenbauer
jedoch wissen, dass dieser ältere Herr – Wolf war ja bereits 66 Jahre alt –
derselbe sein sollte, wie dieser kleine Junge mit seinem Opa.
Becker stand wortlos neben der Bank, während Wolf nicht auf Irlmaiers
Kommentar eingehend fragte: „Herr Irlmaier, für welche Zeit rechnen Sie
damit, dass diese fremden Soldaten hierher zu uns kommen werden?“
„I wos nur, dass so sein wird, oba wanns genau sei wird, des kon i ned
sogn. De Leit wern varuckte Gwandln haben und de Haar am Kopf schaun
aus wia bei de Narrischn, so vui siag i.“ (Ich weiß nur, dass es so sein wird,
aber wann es genau sein wird, das kann ich nicht sagen. Die Leute werden
verrücktes Gewand anhaben und die Haare am Kopf sehen aus wie bei
Narren, so viel sehe ich.)
Irgendwie war Wolf enttäuscht von dieser Aussage des Brunnenbauers.
Hatte er so etwas doch schon in diversen Büchern über die Prophezeiungen
Irlmaiers gelesen. Aber zumindest deutete der Hinweis auf die Mode zur
fraglichen Zeit darauf hin, dass die Zeit dieses Umschwungs und
Einmarsches fremder Soldaten nicht mehr fern sein würde.
„Jetzt woas is“, (Jetzt weiß ich es) rief plötzlich der Irlmaier und schaute
dabei die beiden durchdringend an, „es kemmts aus der Zukunft, jo aus dem
naxten Jahrtausend.“ (Ihr kommt aus der Zukunft, ja aus dem nächsten
Jahrtausend.) „Geh legts ma a Bleaml aufs Grab in Salzburghofen.“ (Ach,
legt mir eine Blume auf mein Grab in Freilassing Salzburghofen) und lachte
dabei verschmitzt. „Oba, nu muas i hoam zum Abendbrot, habi di Ehre.“
(Aber jetzt muss ich nach Hause zum Abendbrot – Habe die Ehre.“)
Also hatte der Brunnenbauer die beiden auf irgendeine Art als
Zeitreisende identifiziert. Becker meinte: „Der hat eine ganz spezielle Gabe,
auch ich habe so etwas noch nicht erlebt.“ Wolf schaute dem Irlmaier noch
nach, als er hinunter zur Eisenbahnunterführung ging. Gerne wäre er noch
zum Friedhof gefahren, um dem Mann eine Blume aufs Grab zu legen. Er
wusste ja, wo sich die Grabstätte der Irlmaiers befand. Aber sie waren ja zu
Fuß hier in der Vergangenheit und bis zum Friedhof waren es doch einige
Kilometer. Becker, dem Wolfs Gedanken nicht verborgen geblieben waren,
lachte und sagte: „Das wird kaum möglich sein, denn der Mann lebt ja
noch, und womit wollten Sie denn die Blume bezahlen? Mit Euro? Den gibt
es doch erst in fast fünfzig Jahren.“
„Richtig“, besann sich Wolf, „das kann ich morgen tun, da werde ich bei
der Heimfahrt ohnehin beim Friedhof von Freilassing vorbeifahren – in
fünfzig Jahren.“ Becker nahm Wolf wieder kurz an der Hand. Sie standen
jetzt wieder neben dem Brunnen beim alten Gasthof. Sie verabschiedeten
sich und Wolf ging noch zum Schornwirt hinein. Er wollte einen Termin für
eine Zusammenkunft vereinbaren. Da traf er auf Sandor, den ungarischen
Oberkellner. „Es war vorgestern ein Herr da, der hat etwas für Sie
abgegeben“, sagte Sandor und überreichte ihm einen dicken Umschlag. Als
Wolf diesen öffnen wollte, hielt ihn Sandor zurück und meinte: „Der Herr
hat gesagt, Sie sollten ihn erst zuhause öffnen.“ Wolf wunderte sich zwar
über eine solche Geheimniskrämerei, tat aber, wie ihm geheißen. Danach
ging er zu Monika, der Wirtin, und ließ sich das Turmstüberl für ein Treffen
mit Leuten reservieren. Nachdem er wieder in seinem Auto saß, öffnete er
den Umschlag. Er war von Jürgen Hellwig. Auf dem beigefügten Zettel war
zu lesen: „Ich möchte Ihnen hiermit eine Anzahlung zukommen lassen, für
die besprochene Sache. Melden Sie sich bei mir, wenn Sie ein Probestück
vom Marzipan haben.“ Dann stand eine Telefonnummer mit Schweizer
Vorwahl darunter. ‚Merkwürdig‘, dachte Wolf und öffnete das darin
liegende Kuvert. Er war erstaunt, als er den Inhalt sah. Ein dickes Bündel
neuer Geldscheine mit Banderole. Es waren einhundert Scheine. Wolf
wusste, dass Euroscheine immer in Einhundert-Stück-Tranchen gebündelt
waren. Also waren es fünfzigtausend Euro, die er hier in seiner Hand hielt.
Was sollte er jetzt machen? Dem Sandor zurückgeben konnte er das Geld
auch nicht. Der wusste ja gar nicht, was in dem Kuvert gewesen war.
Andererseits wollte er auf keinen Fall den Ort des Waffendepots preisgeben.
Vielleicht wusste Becker einen Rat?
Nachdem der Kontakt zu Becker hergestellt war und er ihn bezüglich des
Geldes um einen Rat gefragt hatte, meinte dieser: „Da bietet sich eine ganz
einfache Lösung des Problems an. Sie kontaktieren den General und
erzählen im davon. Ich bin sicher, dass er für den Plastiksprengstoff
Verwendung finden wird.“ „Ja, Sie haben Recht“, antwortete Wolf, „das
wäre eine Lösung. Aber was mache ich mit dem Geld?“
„Das übergeben Sie den Leuten vom Berg. Die sollen es dann in das
leergeräumte Waffendepot legen. Sie geben dem Hellwig bei seinem
nächsten Anruf die Koordinaten. Und er wird dann dort sein Geld
wiederfinden.“
Wolf überlegte. Ja, es war eigentlich recht einfach. Aber er hatte ja die
GPS-Koordinaten nicht. Er wusste zwar ganz genau, wo sich das
amerikanische Depot befand, aber ein Fremder benötigte zum Auffinden
unbedingt die genauen Daten.
„Da machen Sie sich keine Sorgen“, meinte Becker, „Sie nehmen Ihr
GPS-Gerät mit, ich nehme Sie bei der Hand und wir beide gehen dorthin.
Und zwar kurz vor dem Zeitpunkt, als Sie mit Linda das Depot entdeckt
haben. Dann speichern Sie die Koordinaten ab und fertig. In der
Vergangenheit kann uns keiner beobachten.“
Wolf hatte zufällig auch noch das genaue Datum, als er mit Linda das
amerikanische Versteck entdeckt hatte. An diesem Tag hatte er seinen
Wagen vom Service abgeholt und die Rechnung dafür hatte er damals auch
am gleichen Tag erhalten. So hatte er das genaue Datum für Becker parat.
Becker würde ihn an der Hand nehmen und auf diese Art zum Versteck
führen.
So brauchte er nicht einmal mehr zu dem Depot im Untersbergwald
hingehen und konnte daher auch nicht mehr geortet werden.
„Aber sagen Sie zu keinem etwas davon, auch nicht zu Ihren Freunden
vom Isaisring. So etwas könnte die Leute unnötig in Gefahr bringen. Und
beim General ist das gefährliche Zeug absolut sicher aufgehoben.“
Wolf machte es so, wie Becker es gesagt hatte. Auch wenn die
Kontaktaufnahme mit dem General dieses Mal etwas länger dauerte, war es
dennoch eine Erleichterung für Wolf, als er Kammler die Koordinaten des
Waffendepots übergeben konnte.
„Natürlich können wir den Sprengstoff gebrauchen, auch wenn es sich
dabei um etwas sehr Altertümliches handelt. Bei der großen Umwälzung
kann das durchaus verwendet werden. Was glauben Sie, weshalb der
Dienstmann Josef damals so erpicht darauf war, das Marzipan zu erhalten?“
„Eine Bitte hätte ich da noch“, erwiderte Wolf, „könnten Ihre Männer
dieses Kuvert im leergeräumten Depot hinterlegen? Da ist ein Bündel Geld
darin, welches mir als Anzahlung für den Sprengstoff übergeben wurde. Ich
habe Bedenken, dass mir diese Leute einen Besuch abstatten würden, wenn
sie sehen, dass dort nichts mehr zu holen ist und ich das Geld behalten
würde.“
„Selbstverständlich, das werden wir machen“, sagte der General, „und wir
werden uns auch um diese Leute kümmern, die Ihnen den Sprengstoff
abkaufen wollten.“
Wolf hatte in diesem Fall vollstes Vertrauen zu dem SS-General. Was
sollte dieser auch mit dem Bündel Euro-Banknoten tun?
Schon am nächsten Tag wurde er über den neuen Kommunikationskanal
von der Räumung des Waffendepots der Amerikaner verständigt. Die
Männer des Generals hatten dort in dem Waffenlager eine Zeitfalle
eingerichtet, in der Hellwig oder seine Kumpanen dann, wenn sie sich in
das Versteck begaben, für immer in einer Zeitschleife gefangen waren. Wolf
war erleichtert, dass nun keinerlei Gefahr mehr bestand, dass der
gefährliche Plastiksprengstoff in falsche Hände geraten könnte. Auch vor
Hellwig und seinen Leuten war für ihn nun nichts mehr zu befürchten.
Er fragte sich zwar, wozu Kammler das Zeug wohl gebrauchen würde.
Der General musste doch über wesentlich effektivere Mittel verfügen. Aber
das konnte Wolf nun egal sein.
Er dachte dabei an die Maschinenpistole, welche Kammler vor Jahren der
Lehrerin Linda geschenkt hatte. Solche alten Waffen passten doch gar nicht
zu ihm, wo er doch über eine weit überlegene Flugscheibentechnik verfügte
und mit seinen Dimensionsportalen sozusagen die Zeit beherrschte.
Peter mit dem Leopold war etwas irritiert, als Wolf ihm von der Aktion
mit dem General erzählte. 50.000 Euro wären doch eine Menge Geld
gewesen und Wolf hätte das auch ganz gut gebrauchen können. Aber
zumindest wäre es auch möglich gewesen, dass es sich um gefälschte
Banknoten handelte. Er hatte ja gar keine Möglichkeit gehabt, diese 500-
Euro-Scheine auf ihre Echtheit zu überprüfen.
Kapitel 7

Der Berg im Sudetenland

Dagmar, Wolfs Cousine aus Bratislava, hatte eine interessante Neuigkeit zu


berichten. Sie war mit Ihrem Mann nach Salzburg auf Besuch gekommen
und hörte so zum ersten Mal vom geheimnisvollen Untersberg und von
Wolfs Büchern.
Er wollte mit den beiden mit der Seilbahn auf den Berg fahren, um ihnen
die Umgebung von Salzburg aus der Höhe zu zeigen. Als sie bei
strahlendem Wetter auf der Hochalm im Freien saßen, erzählte ihnen Wolf
von den Sagen des Untersberges. Er berichtete von Zeitanomalien, den
verschwundenen Leuten, vom Amethysten in der Almbachklamm und von
seinen eigenen Erlebnissen hier am Berg. Er versuchte sich kurzzufassen,
was ihm aber auf Grund der Fülle der Geschichten nicht so ganz gelingen
wollte.
Dagmar und ihr Mann hörten aufmerksam zu. Aber als Wolf nach mehr
als einer Stunde eine Pause einlegen wollte, begann Dagmar: „Weißt du, bei
uns, besser gesagt in Tschechien, im ehemaligen Sudetenland, gibt es eine
fast idente Geschichte. Es handelt sich um einen Berg namens „Krudum“.
Der liegt weit im Westen von Tschechien, direkt an der deutschen Grenze.
Dieser Berg ist zwar nicht so mächtig wie euer Untersberg, dafür kursieren
dort auch solche Sagen wie hier. Die Großmutter von Martin, meinem
Mann, hat uns davon erzählt.“ Wolf, der äußerst interessiert war, was seine
Cousine da zu sagen hatte, meinte: „Das klingt ja sehr spannend.“
Dagmar fuhr fort: „Eine Frau ging in der ersten Hälfte des neunzehnten
Jahrhunderts durch den Kaiserwald in Richtung des bewaldeten Gipfels des
Berges, als sie in einen Nebel kam und sich offensichtlich verirrte. Als sie
nach einem Tag nicht nach Hause kam, wurde sie gesucht. Man fand keine
Spur von der Frau und die Suche wurde eingestellt. Das Erstaunliche war
aber, dass sie nach beinahe fünfzig Jahren wieder im Dorf am Fuße des
Krudum auftauchte, und zwar im gleichen Gewand, in dem sie damals
verschwunden war. Sie traf ihre Enkel, welche sie noch als kleine Kinder in
Erinnerung hatte. Diese waren sogar schon älter als die Frau. Niemand
konnte sich dieses Phänomen erklären. Merkwürdig war dabei auch, dass
sie einen schönen Amethystkristall dabeihatte, den ihr ein Mönch in einer
Höhle auf dem Berg gegeben hatte.“
Wolf, der sich mit Edelsteinen recht gut auskannte, wusste, dass es dort im
Sudetenland zahlreiche Lagerstätten von Achat und auch Amethysten gab.
Auch Silberminen und Zinkvorkommen waren dort an den Hängen des
Krudum zu finden.
„Ja“, meinte Wolf zu den beiden, „hier am Untersberg wird seit
Jahrhunderten von genau denselben Dingen erzählt und so wie bei euch
werden diese Geschichten als Sagen und Ammenmärchen abgetan.“
Er berichtete dann noch von dem Erlebnis mit seiner Tochter Sabine und
deren Verschwinden im Untersbergwald. Auch von den drei Deutschen,
welche in eine Zeitanomalie geraten waren und erst nach über zwei
Monaten wieder auftauchten, erzählte er ihnen.
Martin brachte dann noch das Gespräch auf den Bucegi-Berg und den
geheimnisvollen Wald in Rumänien. „Ich war mit Claudia im vergangenen
Jahr dort bei diesem rumänischen Berg und wir haben da auch ein ganz
seltsames Erlebnis gehabt.“ Dann erzählte er davon, was sie im Berg
gesehen hatten.
„Ich glaube, dass es viele solcher Orte auf der Erde gibt“, sagte Dagmar.
„Ja, aber bei den meisten wird das totgeschwiegen“, erwiderte Wolf. „Was
nicht sein darf, das gibt es dann eben nicht. Es ist hier bei uns genauso.“
Jetzt hatte Wolf wieder eine Geschichte mehr. Ja, es gab offensichtlich
doch viele solcher Berge mit Zeitphänomenen.
Zuhause sah er sich diesen Krudum auf Google Earth genauer an und
speicherte sich auch gleich die Fahrtroute ab. Es wären immerhin über fünf
Stunden Fahrtzeit dorthin. Das wäre eine Reise wert. Claudia würde sicher
mit dabei sein, sie hatte eine Vorliebe für geheimnisvolle Stätten.
Auch den Illuminaten würde er vorher noch fragen, ob es dort noch
irgendwelche Besonderheiten geben würde.
Claudia war etwas Merkwürdiges an dieser Geschichte aufgefallen.
„Erinnerst du dich an den alten Berliner, der dir und Linda damals in der
Almbachklamm diesen Kristall als Stein der Isais übergeben hatte? Das war
doch auch ein Amethyst? Und auch der schwarz-lila Kristall, den der Sage
nach die Isais haben soll, spielte dabei eine Rolle, denn auch dabei dürfte es
sich doch um einen Amethysten handeln.“
„Meinst du etwa, dass Amethysten für das Verschwinden von den Leuten
am Berg verantwortlich sein könnten?“, erwiderte Wolf.
„Das wäre leicht möglich“, sagte Claudia, „aber das wäre doch eine Frage
für unseren Herrn Becker“, schmunzelte sie.
Wolf hätte so viele Fragen an den Illuminaten gehabt, aber immer, wenn
es so weit war und er sich mit ihm traf, waren seine Gedanken woanders.
Aber wieder einmal kam ihm der Zufall zu Hilfe.
Er versuchte, den Illuminaten ganz einfach auf dem alten „Becker-Handy“
zu erreichen und siehe da, dieser vereinbarte kurzerhand ein Treffen.
Wieder bei der Kapelle am Veitlbruch. Das Hauptanliegen Wolfs war wie so
oft der Untersberg mit seinen Zeitentoren. „Wie konnte das weiße Auto im
Winter so einfach verschwinden, hat das mit transportablen
Dimensionstoren des Generals zu tun?“, fragte Wolf und setzte noch hinzu:
„Und eine Frage, die mich seit Jahren brennend interessiert, ist, ob Sie mit
mir das alte Ägypten zum Zeitpunkt der Pyramidenbauten besuchen
können?“
Becker musste lächeln: „Zuerst möchte ich Ihnen etwas zu Ihrer letzten
Frage sagen. In so eine ferne Vergangenheit zu reisen ist extrem gefährlich.
Schon die kleinste Veränderung, die bei Menschen in dieser Zeit entsteht,
könnte auf Grund der vielen dazwischenliegenden Generationen
Geschehnisse in Gang setzen, die Ihre Existenz verhindern würden.“ Wolf
verstand. Becker sprach weiter: „Ich könnte Ihnen aber zum Beispiel das
Plateau von Gizeh zur damaligen Zeit zeigen. Nur müsste das aus der Ferne
geschehen, damit uns keiner sieht. Ob das für Sie aber so interessant sein
würde?“
Kapitel 8

Der Franziskanermönch Claudius

Kurz bevor die Almbachklamm im Frühjahr wieder für Besucher geöffnet


wurde, fuhr Wolf zum Gasthof Kugelmühle. Er wollte wieder einmal die
Wirtsleute Christl und Friedl besuchen. Stefan, der Sohn der beiden, sagte
jedoch, dass die zwei in die Stadt gefahren seien. Wolf hatte Zeit und wollte
sich deshalb ein wenig in der Klamm umsehen. Es waren ja mittlerweile
einige Brücken erneuert worden. Obwohl es ein sonniger Tag war, konnte er
in der schattigen Almbachklamm den Winteranorak gut vertragen. Der Weg
war zwar von im Winter herabgefallenen Steinen übersät, aber zumindest
war jetzt schon alles eisfrei, ansonsten wäre das gefährlich gewesen. Wolf
wollte eigentlich zur Irlmaier Madonna hinaufgehen. Offiziell war der Weg
noch für Besucher gesperrt, was für ihn aber kein Hindernis war. Er war
ganz alleine in der Klamm. Nur das permanente Rauschen des Wassers
begleitete ihn. Umso erstaunter war er, als er kurz vor Erreichen der kleinen
Holzbank in der Nähe der Irlmaier Madonna jemanden sitzen sah. Beim
Näherkommen bemerkte er, dass es sich um den Franziskanermönch
handeln musste, den er ja schon vor Jahren mit Linda hier in der Klamm
getroffen hatte. Wolf trat näher zu ihm heran. Er wunderte sich, dass der
Mönch trotz der Kälte nur mit seiner Kutte bekleidet hier auf dieser Bank
saß.
„Hallo“, begrüßte ihn der junge Mönch, „wir haben uns schon vor einigen
Jahren hier getroffen.“ Wolf war etwas irritiert. Irgendwie kam ihm die
ganze Situation merkwürdig vor. Der Mönch sprach weiter: „Sie erinnern
sich doch noch an mich?“ „Freilich“, erwiderte Wolf, als der Franziskaner
mit einem fröhlichen Blick weitersprach. „Meine Zeit im Kloster von
Berchtesgaden ist nun vorbei, aber manchmal komme ich noch hierher in
die Almbachklamm, wo ich einst viele Stunden verbracht habe.“
„Sie verlassen das Kloster?“, fragte Wolf neugierig. Der Mönch schaute
Wolf mit einem eigenartigen Gesichtsausdruck an und meinte: „Ja, in
gewisser Weise habe ich es eigentlich schon verlassen. Ich bin jetzt wieder
in Polen“, lächelte der Mann. „Ich heiße im Übrigen Claudius.“
Wolf war immer mehr verwundert über den Franziskanermönch. Wie
sollte er dessen Worte verstehen? Dieser Claudius war doch noch keine
vierzig Jahre alt. Weshalb sollte er sein Kloster verlassen haben, um wieder
in seine Heimat nach Polen zurückkehren? Und weshalb war er dann jetzt
hier in dieser kalten Klamm?
„Hier ist für mich ein idealer Platz zum Meditieren. Auch mit der
Erscheinung der Isais bin ich inzwischen vertraut. Sie werden bald mehr
davon hören. Ihre Begleiterin Linda hat sich offenbar zurückgezogen, aber
es gibt da eine ‚Claudia‘, sehe ich.“ Wolf war jetzt völlig verblüfft. Woher
wusste dieser Claudius das alles?
„Wir sind nun kurz vor der Zeit, in der alles eine Wandlung erfahren wird,
aber niemand von uns soll sich Sorgen machen, wir stehen unter dem
Schutz von Isais oder Maria. Mittlerweile weiß ich, dass es sich dabei um
dieselbe Kraft handelt, aber ich glaube, Sie wissen das ebenso.“ Wolf
nickte. Ja, freilich wusste er schon seit Jahren um das Geheimnis der Isais.
Obwohl Wolf warm angezogen war, wurde es ihm plötzlich kalt. Es zog
ein eisiger Wind vom Berg herab durch die Klamm und das schäumende
Wasser tat das Übrige dazu. Es war Zeit für ihn zu gehen, denn die
Bewegung würde ihn warmhalten.
Zum Abschied sagte der Mönch dann: „Nehmt euch Zeit, glücklich zu sein
und merkt euch: ‚Hakuna Matata.‘ Das ist ein Spruch aus der afrikanischen
Sprache Swahili, der wörtlich übersetzt heißt: Es gibt keine Probleme.“
Dabei huschte ein breites Lächeln über das Gesicht des jungen Mönches,
sodass sogar seine Brille verrutschte.
Auch Wolf verabschiedete sich von dem Franziskaner und ging
nachdenklich zum Ausgang der Schlucht zurück.
Nach fast einer Stunde erreichte er wieder den Gasthof Kugelmühle. Da
inzwischen auch der Wagen von Friedl auf dem Parkplatz stand, kehrte er
ein und erzählte dem Wirt von dem Mönch, den er in der Klamm getroffen
hatte.
Friedl ging kurz zu seiner Frau Christl hinaus, welche dann mit ihm in die
Gaststube zurückkam. Beide schauten Wolf ernst an und Christl sagte:
„Weißt du schon, dass der Frater Claudius fast auf den Tag genau vor drei
Jahren verstorben ist?“ Wolf meinte erstaunt: „Ich habe doch gerade eben
mit ihm gesprochen und er hat gesagt, dass er das Kloster in Berchtesgaden
verlassen hat und jetzt in Polen ist.“
Friedl und seine Frau tauschten einen Blick und er antwortete: „Im
Prinzip stimmt das auch so, was er zu dir gesagt hat. Seine Eltern haben
seinen Leichnam nach Polen überführen lassen, wo er dann im
Familiengrab beigesetzt wurde.“
Aber du bist nicht der Einzige, auch von anderen Leuten haben wir schon
gehört, dass sie einen Mönch in der Klamm gesehen haben. Jetzt bin ich mir
aber sicher, dass es der Claudius war.“
Kapitel 9

Der Bericht von Lutz

Wolf und Claudia erhielten wieder einmal Besuch von ihrem Freund Lutz
aus dem Ruhrgebiet. Wenn es nach Lutz gegangen wäre, wäre er viel öfter
zum Untersberg gekommen, doch ließen es die Entfernung von über
siebenhundert Kilometern und die Termine seiner Selbstständigkeit nicht so
oft zu, wie er es sich wünschte. Als sie einmal bei einem gemeinsamen
Abendessen zusammensaßen, erzählte er: „Ihr wisst ja, dass ich Kontakt zu
Leuten aus aller Welt habe und auf diese Art schon mal die eine oder andere
interessante Information aus allen Ecken und Lagern auf mich zukommt.
Natürlich sind diese Informationen immer zu hinterfragen und zu prüfen.
Ich bekam vor einiger Zeit in Österreich einen Text übergeben, der auch für
dich interessant sein dürfte, lieber Wolf! Die für deine Recherchen
relevanten Teile des Textes habe ich hier zusammengefasst! Es handelt sich
offenbar um die Übersetzung der Erinnerungen eines amerikanischen
Offiziers aus dem Zweiten Weltkrieg!“
„Wie steht es um den Originaltext?“, fragte Wolf.
„Den habe ich nicht! Ich bekam eh nur eine Abschrift der
Übersetzung und selbst diese habe ich nicht mehr. In den Wirren der
heutigen Zeit, wo Gesinnungsschnüffelei, Denunziantentum, Überwachung
und Spionage fröhliche Urständ feiern, ist es besser, man bewahrt daheim
nichts Brisantes auf. So erspart man sich unerwünschte Besuche von
Neugierigen aller Art! Denn wo nichts zu holen ist, da lohnen sich weder
Einbruch noch Hausdurchsuchung! Ich sende die brisanten Dinge, die mir
in die Hände fallen, immer schnellstens über sichere Mittelspersonen in der
Schweiz und Schweden zu einem Archiv in Südamerika! Und da ich kein
gutes Gedächtnis habe, merke ich mir natürlich nicht die Inhalte, sodass es
auch keinen Zweck hat, mich zu verhören! Von daher muss ich dir nun
schnell übermitteln, was für Deine Recherchen interessant sein könnte! Ob
die weiteren Inhalte dieses Textes eines Tages Verwendung finden,
entscheide ich später!“
„Mach es nicht so spannend und schleiche nicht wie die Katze um den
heißen Brei herum!“, forderte Claudia ihn auf. Und so las Lutz den Bericht
des Amerikaners vor:
„In jenen Tagen, als der Krieg zu seinem offiziellen Ende kam, waren
unsere Einheiten der Rainbow-Division bereits bis nach Salzburg und
Berchtesgaden vorgestoßen. Ich hatte als junger Offizier schon Hitlers
Arbeitsplatz in der Reichskanzlei in Stangass, diesem kleinen,
unscheinbaren Ort zwischen Berchtesgaden und Bad Reichenhall, besuchen
dürfen, wo wir unser Hauptquartier einzurichten begannen. Auch im
Führersperrbezirk Obersalzberg hatte ich mich schon umsehen können. Die
Ruinen des stark beschädigten Berghofs, jener Privatresidenz des deutschen
Führers, waren ein trauriger Anblick. Natürlich freute uns als offizielle
Sieger des Krieges der Abschluss der Kampfhandlungen und der Sieg über
den Feind, doch ich hatte vor acht Jahren als junger Student bei meiner
ersten Europareise noch ein ganz anderes Deutschland
kennengelernt … nun lag es in Schutt und Asche, zerstört durch die geballte
Gewalt des Bombenkrieges und die ungeheure Kraft einer unvorstellbar
gigantischen Rüstungsindustrie des nordamerikanischen Kontinentes. Die
deutsche Kultur, seit Generationen Licht dieses Planeten, lag begraben unter
den Folgen des Krieges. Für meine privaten Notizen, die ich mir in jenen
Tagen im Laufe meiner zweiten Deutschlandreise machte, fehlten mir die
Worte angesichts dieser extremen Zerstörung. Und selbst jetzt, wo ich
geraume Zeit später mit einem gewissen Abstand diesen privaten Bericht
schreibe, der vermutlich erst viele Jahre nach meinem Ableben dem
richtigen Adressaten in die Hände fallen wird, sofern diese Zeilen die
Wirren der Zeiten und die große Manipulation, der wir alle ausgesetzt sind,
überleben, fehlen mir die Worte … Die sonst so liebliche bayerische und
österreichische Alpen- und Voralpenlandschaft konnte den Anblick kaum
mildern. Die Wunden des zerstörten Reichs lagen unübersehbar vor aller
Augen … es schmerzte mich und der Triumph des vorübergehenden Sieges
unserer amerikanischen Industrie über den deutschen Geist konnte diesen
Schmerz nicht ruhigstellen. Ich befand mich in einem völligen
Schockzustand, während um mich herum der Siegestaumel ungeahnte
Blüten trieb. Was war nur geschehen?
Als ich auf dem Gipfel des Kehlsteins stand, dessen Adlerhorst wie durch
ein Wunder dem Wüten unseres gemeinsam von US Air Force und Royal
Air Force geflogenen Bombenangriffs in der Nacht vom 25. auf den
26. April auf Bad Reichenhall und den Obersalzberg entgangen war, musste
ich weinen. Vor meinen Augen lag eine bezaubernd schöne Berglandschaft.
Zur einen Hand konnte ich zum Königssee hinabschauen, zur anderen Hand
sah ich den Gipfel des Hohen Göll, gegenüber lag der legendäre Sagenberg
der deutschen Lande, der Untersberg. Und der andere große Sagenberg der
Alpen, der Watzmann, lag ebenfalls vor meinen Augen.
Ich schwor mir selbst, dass ich meinen Beitrag dazu leisten würde, dieses
Land wieder zur neuen Blüte zu führen. Wenn ich wieder daheim in
Amerika wäre, musste ich mich meiner Aufgabe widmen, nicht nur das
amerikanische Vaterland in eine neue Ära zu führen, sondern ich war fest
entschlossen, das geschlagene Deutschland mit allen politischen und
finanziellen Möglichkeiten meiner Familie wieder auferstehen zu lassen.
Während ich diesen Gedanken nachhing, sprach mich ein Offizierskollege
an: ‚John, kommst du? Wir müssen an die Nordwestseite des Untersberges,
dort gibt es Probleme!‘ Ich nickte: ‚Ja, ich komme!‘, doch ich verharrte
noch zwei Minuten auf meinem erhöhten Platz. Ein Platz, von dem aus
jeder die Welt mit anderen Augen sehen musste! Doch dann rief die
drängende Pflicht als Kriegsberichterstatter einerseits und noch aktiver
Offizier andererseits, den unerwarteten Ereignissen auf den Grund zu
gehen.
In der Nähe der österreichischen Gemeinde Großgmain auf der
nordwestlichen Seite des Untersberges gab es für uns überraschende
Kampfhandlungen, wie ich auf dem Weg vom Kehlstein hinab erfuhr. Eine
unserer Infanterie-Einheiten hatte begonnen, den Bergwald zu durchforsten,
und war auf erbitterten Widerstand gestoßen. Nach einem vierfachen
Bombardement jener Zone durch unsere Luftwaffe war dieser Widerstand
immer noch vorhanden und so kommandierte man weitere Bodentruppen
dorthin. Auf dem Weg hielten wir an einem alten Steinbruch, der noch aus
der Römerzeit stammen sollte. Nun, Untersbergmarmor war seit alters her
legendär und heiß begehrt. Ich begutachtete kurz eine Zone direkt neben
diesem Steinbruch. Hier befand sich eine verlassene und teilweise zerstörte
Flak-Stellung der Deutschen, aus welcher unserer Luftwaffe noch im April
eine heiße Gegenwehr entgegengeschlagen war. Inzwischen drohte hier
keine Gefahr mehr. In der Nähe von Großgmain sammelten sich dann
unsere Infanterie-Einheiten. Mit anderen Offizieren fand ich mich vor Ort
zu einer Lagebesprechung ein, in welcher unser Vorrücken koordiniert
werden musste. Bei diesem Treffen erfuhr ich zu meinem Erstaunen, dass
uns der Widerstand in diesem Teil des Untersbergwaldes nicht von den von
mir erwarteten versprengten Soldaten diverser Waffen-SS- oder
Wehrmachtseinheiten entgegengebracht worden war, sondern von –
tibetanischen Soldaten! Unter den zwei Dutzend Toten und Verletzten, die
unsere Leute aufgegriffen hatten, befand sich nicht ein einziger Deutscher.
Es waren ausschließlich Asiaten. ‚Warum kämpfen die nur für
Deutschland?‘, fragten sich alle Amerikaner. Ich blieb still und beteiligte
mich nicht an den Spekulationen. Mir war zu Ohren gekommen, dass auch
im Endkampf in Berlin und speziell im Umfeld des Führerbunkers etliche
Tibeter auf deutscher Seite gekämpft hatten. Nun auch hier! Warum diese
Leute das taten, war jetzt eine zweitrangige Frage. Wichtiger war: Sie taten
es! Und das Hauptquartier befahl uns, unsere vereinigten Einheiten
vorrücken zu lassen und den Widerstand zu ersticken. Da die Angriffe
unserer Luftwaffe auf die tibetischen Stellungen wenig Wirkung erzielt
hatten, blieb nur der Bodenangriff. Panzer konnten wir bei dem
unwegsamen Gelände nicht gebrauchen, also kam, was unausweichlich war:
ein mehrstündiges Feuergefecht, bei dem wir oft nur wenige Meter
vorrücken konnten. Doch am nächsten Morgen hatten wir es unter großen
Verlusten geschafft: Vor uns gähnte ein offener, großer Tunneleingang im
Hang des Berges. Es war nicht ratsam, vor diesem Eingang zu erscheinen,
denn aus diesem fielen sofort Schüsse. Unsere Offiziere rieten dazu, den
Tunnel einfach zu sprengen. Ähnliche Töne kamen auch aus dem
Hauptquartier, doch ich widersprach. Ich wollte wissen, wohin dieser
Tunnel führte. Und ich wollte möglichst viele Gefangene machen. Der
Vorschlag eines Giftgaseinsatzes kam auf den Tisch, doch ich setzte mit
Mühe eine viertägige Frist durch, in der ich den Gegner auszuhungern
gedachte. Doch weder Hunger noch Durst trieben den Gegner nach
draußen. Nach Ablauf jener 96 Stunden positionierten wir Flammenwerfer
am Eingang und brachten diese zum Einsatz, doch gab es weder Schreie
noch Schüsse aus dem Tunnel heraus. War der Gegner etwa besiegt? – Als
der Rauch unserer Flammenwerfer abgezogen war, brachten wir ein
Dutzend Maschinengewehre in Stellung vor den Tunnel und unsere
Soldaten feuerten eine Viertelstunde ununterbrochen hinein in die
Finsternis. Nichts deutete darauf hin, dass sich noch ein einziger lebender
Mensch in dem Tunnel befand. Nun schickte ich einen Spähtrupp von sechs
Personen in die Tiefe des Berges. Er rückte langsam und mit größter
Vorsicht vor. Mir war angst und bange um die Männer, doch nach einer
Stunde kehrte ein erster Kundschafter zurück, nach einer weiteren Stunde
ein zweiter. Man hatte beim Vorrücken keinerlei Hinweise auf die
Anwesenheit feindlicher Soldaten gefunden, weder auf lebende noch auf
tote. Also schickten wir eine größere Einheit mit großen Scheinwerfern in
die Tiefe. Das Ergebnis war: Der Tunnel verlief annähernd schnurgerade
mit leichtem Gefälle in den Berg. Wände und Boden waren glatt wie Glas.
Am Abend des nächsten Tages wussten wir, dass unsere Soldaten zwei
Kilometer tief in den Berg eingedrungen waren, doch das Ende des Tunnels
war noch nicht absehbar. Es zweigte aber auch kein Seitenweg ab. Überall
nur harter, nackter und glatter Fels. Und von unseren Gegnern fehlte jede
Spur. Ich befahl meine Männer zurück.“
„Spannend“, unterbrach Lutz, trank einen kräftigen Schluck König
Ludwig Dunkel und lachte: „Gutes Bier! Und eine aufregende Geschichte!
Und eine, die bisher in den Geschichtsbüchern fehlt! Beinahe unglaublich!
Doch eben nur beinahe! Bevor ich weiterlese, stellen sich mir natürlich
mehrere Fragen! Erstens: Ist diese Geschichte wahr? Zweitens: Wer ist der
amerikanische Offizier, der sie erzählt? Drittens: Gibt es diesen Tunnel
noch? Den Eingang haben die Amis allerdings vermutlich verschlossen!
Viertens: Wohin sind die Tibetaner gelangt, die sich in diesen Tunnel
zurückgezogen haben? Und, und, und … na, ich bin gespannt, wie der
Bericht weitergeht!“ Claudia und Wolf ging es nicht anders und so setzte
Lutz das Vorlesen fort:
„Das Hauptquartier entschied noch in den späten Abendstunden, dass der
Tunneleingang am nächsten Morgen zu sprengen sei, doch als ich noch vor
Morgengrauen geweckt wurde, gab es eine Überraschung: Statt des
Tunneleingangs erwartete uns eine harte Felswand. Es sah alles drum herum
aus wie noch am Tag zuvor, es hatte auch keinen Bergsturz gegeben, der
den Zugang hätte verschütten können. Und doch verschloss harter,
undurchdringlicher Fels den Weg ins Berginnere. Ich war froh, dass sich
keiner unserer Soldaten mehr in der Tiefe befand. Was mochte aus den
Tibetern geworden sein? Hatten sie etwas mit dem Verschluss zu schaffen?
Welcher unerklärliche Zauber hatte hier gewirkt? Unsere Soldaten
begannen von ‚Hitlers Fluch‘ zu sprechen. Der Befehl aus dem
Hauptquartier war eindeutig: Alle Soldaten und Offiziere inklusive meiner
Person wurden zu absoluter Verschwiegenheit verpflichtet. Und ich hatte
einen Abschlussbericht anzufertigen, der besagte, dass wir den Rest
Widerstand einer zusammengerotteten Menge von SS-Angehörigen durch
Vernichtung derselben ausgelöscht hätten. Diese Erklärung war
erforderlich, denn das Bombardement und die Gefechte der Vortage
konnten nicht vollständig verschwiegen und geleugnet werden. Die Leichen
der Tibeter wurden in einer kleinen Höhle an einer anderen Stelle des
Untersberges versteckt und die Höhle wurde daraufhin gesprengt. Und die
wenigen noch lebenden, verletzten Gefangenen wurden abtransportiert.
Über ihren weiteren Verbleib ist mir nichts bekannt.
In den letzten Tagen meiner Anwesenheit im Führersperrbezirk
Obersalzberg durchstreifte ich wiederholt die Wälder am Hange des
Kehlsteins. Dabei entdeckte ich nicht nur verschiedene Gewölbe und
Tunneleingänge, die vielfach jedoch bald vor roh behauenen Felswänden
endeten. Viele dieser Eingänge machten unsere Soldaten dann später
unzugänglich. Doch mindestens zwei Gewölbe schienen besonders sakraler,
ja beinahe heiliger Natur zu sein. Das konnte doch eigentlich nicht sein in
Verbindung mit dem Terror eines NS-Regimes. Oder hatten sich die Tibeter
hier heilige Plätze geschaffen, um ungestört ihren religiösen Riten
nachgehen zu können? Doch auch diese Erklärung löste nicht den
Widerspruch auf, wie etwas Heiliges in Verbindung mit einer solch üblen
Diktatur stehen konnte. Außerdem sah die Gestaltung dieses Gewölbes
nicht gerade fremdländisch aus, sodass wohl doch Deutsche oder
Österreicher die Erschaffer dieser Plätze gewesen sein dürften. Heilige
Plätze im Führersperrbezirk? Ich war irritiert. Wurde hier etwas anderes
bewacht, als man die Öffentlichkeit glauben zu machen suchte? Ging es im
Führersperrbezirk gar nicht um den Schutz von Hitlers privatem Anwesen
Berghof? Möglicherweise hatten diese Gewölbe jedoch auch nichts mit den
jüngsten Aktivitäten der Deutschen zu tun. Doch was es auch immer damit
auf sich haben mochte, ich fühlte mich genötigt, meinen Beitrag zum Erhalt
dieser Gewölbe zu leisten. Die Gelegenheit dazu ergab sich kurz vor meiner
Versetzung zu , als mich der befehlshabende General
vorlud und mich ansprach: ‚Sie sind nur noch wenige
Tage vor Ort. Aufgrund Ihrer Verdienste in den vergangenen Wochen hier
im Herz unseres militärischen Gegners beabsichtige ich, Ihnen ein
besonderes Zeugnis auszustellen, das Ihnen auf Ihrem weiteren Wege eine
Empfehlung sein mag, auch wenn ich weiß, dass Sie weniger militärische
als vielmehr politische Ambitionen verfolgen!‘ Ich warf ein: ‚Woher wissen
Sie …?‘, doch er winkte ab und sprach: ‚Ich weiß es, das reicht für diesen
Augenblick vollkommen. Sagen Sie jetzt nichts dazu! Fassen Sie
stattdessen bitte zusammen, was Ihre Untersuchungen jenes Bereiches des
Führersperrbezirkes zwischen Obersalzberg und Kehlstein bisher ergeben
haben!‘ Ich begann meinen Bericht und endete: ‚Es gibt viele kleinere
Tunnel und Gewölbe, die wir unter Berücksichtigung aller nötigen Vorsicht
untersucht haben. Von wenigen Stollen, deren Eingänge mit Sprengfallen
gesichert waren und die wir unterschädlich gemacht haben, abgesehen, sind
die meisten dieser Anlagen bedeutungslos. Viele Tunnel und Stollen enden
auch nach nur wenigen Metern. Ich schlage vor, sie unberührt zu lassen.
Man könnte sie sprengen, verschütten, zumauern, doch binden wir dadurch
Kräfte, die wir anderswo wohl dringender brauchen. Außerdem sehe ich
gerade in dem Falle eventueller Sprengungen den Nachteil, dass derartige
Maßnahmen auch von den deutschen Einwohnern in Berchtesgaden
akustisch wahrgenommen werden dürften. Warum sollen wir die
Bevölkerung beunruhigen? Jeder Sprengungslärm würde nur die Gerüchte
mehren, dass hier oben eventuell noch Kampfhandlungen stattfinden
würden. Das würde nur eine unnötige Unruhe schaffen und womöglich
anderswo neuen Widerstand auslösen! Daher rate ich davon ab, dass sich
unsere US Army mit derartigen Maßnahmen befasst!‘ Der General nickte
und erklärte, das sei ganz in seinem Sinne: ‚Sprengungen kosten Geld und
auch das brauchen wir anderswo dringender! Ich bin auch entschlossen und
habe diesbezüglich auch Rückendeckung von ganz oben, Hitlers Berghof-
Ruinen nicht weiter anzutasten, sobald die Untersuchungen im Innern des
Berges, soweit möglich, abgeschlossen sind. In wenigen Jahren werden die
umerzogenen und demokratisierten Deutschen uns eh die Arbeit mehr oder
weniger freiwillig abnehmen und die Berghofreste vernichten, damit die
letzten Unbelehrbaren hier keine Pilgerstätte vorfinden können. Sehen Sie
eine Chance, Ihre Arbeit im Außengelände zwischen Berghof und Kehlstein
in den letzten Tagen Ihrer Anwesenheit hier abschließen zu können?‘ –
‚Selbstverständlich, General ‘, bejahte ich. Er stand
auf und schüttelte mir die Hand: ‚Ich erwarte Ihren Bericht!‘ – Es war also
leichter, als ich gedacht hatte. Ich behielt die Kontrolle darüber, was in
diesem Teil des Führersperrbezirks unangetastet blieb und was nicht.
Natürlich mussten manche Eingänge in die unterirdischen Anlagen auf
verschiedenste Arten verschlossen werden, da wir teilweise auch im
Erdinneren auf verschiedene Sicherheitsmaßnahmen der Deutschen stießen,
doch die beiden für mich auffällig sakralen Gewölbe blieben erhalten. Mein
Bericht wurde letztendlich vom General abgesegnet und ich verließ die
Region Berchtesgaden nach . Ob ich jemals wieder
hierhin zurückkehren würde? Ich hoffte ja, doch der Mensch denkt und Gott
lenkt … Wo ich nun, geraume Zeit später, diese Erinnerungen
niederschreibe, will ich einer weiteren Hoffnung Ausdruck geben, nämlich
dass diese Zeilen eines Tages der richtigen Person in die Hände fallen
werden, möge sie Amerikaner oder Deutscher sein! Gott segne Amerika
und Gott segne das deutsche Volk!
Gezeichnet “
Damit schloss der Bericht des Amerikaners. Lutz übergab Wolfgang die
Blätter und bemerkte: „In meinem Kopf ist einiges in Bewegung und mir
scheint, euch geht es nicht anders?“
Wolf nickte: „Natürlich!“
„Dieser Text wirft mehr Fragen auf, als er beantwortet!“, sprach Claudia.
„So ist es“, sagte Lutz.
„Bei den erwähnten Gewölben zwischen Obersalzberg und Kehlstein
musste ich sofort an N2 und N3 denken!“, erklärte Wolf und die anderen
stimmten zu.
„Ob dieser Tunnel im Untersbergwald bei Großgmain noch existiert?“,
fragte Lutz.
„Eher nicht! Er scheint eine Art Portaleingang gewesen zu sein, durch den
die Tibeter sich möglicherweise woanders hin abgesetzt haben“, erwiderte
Wolf.
„Das ist gut möglich“, sagte Claudia.
„Auf jeden Fall eine Menge Input auf einen Schlag!“, fasste Wolf
zusammen.
„Nur ein weiteres Mosaikteil, doch das Gesamtbild ist noch nicht
vollständig!“, ergänzte Lutz. „Vielleicht sollten wir und die anderen
Freunde des Isaisringes auch in diesem Bereich des Berges öfters unterwegs
sein!“
Kapitel 10

Die freigegebenen Akten der CIA

Wie meistens besprach Wolf das von Lutz Gehörte auch mit den beiden
Polizisten Herbert und Elisabeth. Diese wussten in dieser Sache auch etwas
Neues zu berichten. Seit Beginn des Jahres hatte die CIA über eine Million
Berichte aus den letzten fünfzig Jahren online gestellt. Dabei sollten sich
auch sehr interessante Sachen, welche den Untersberg betrafen, befinden.
„Wieso sollte sich die CIA für den Untersberg interessiert haben?“, fragte
Wolf.
„Die haben doch schon immer nach geheimen Dingen geforscht“,
antwortete Herbert. „Schon kurz nach dem Ende des Weltkrieges suchten
sie im Bereich der Alpenfestung intensiv nach den von den Nazis
versteckten Geheimwaffen und Wertgegenständen. Ihre Erfolge waren
damals eher bescheiden, aber sie gaben ihre Suche niemals ganz auf. Ich
glaube, dass die CIA sogar heute noch mit modernsten Mitteln auf der
Suche ist.“
Wolf erwiderte: „Na dann wissen die Knaben auch bestimmt von der
Station Kammlers im Berg.“
„Das kann man annehmen“, meinte Elisabeth, „erinnere dich an die Suche
der deutschen Bundespolizei bei der Toni-Lenz-Hütte. Die arbeiten doch
eng mit den CIA-Leuten zusammen.“
„Wisst ihr, ich werde dieses Thema bei Peter ansprechen. Der ist für
solche Recherchen der beste Mann. Vielleicht kann Peter rausfiltern, was
die CIA über den Untersberg weiß.“
„Ja, tu das“, sagte Herbert, „ich kann dir dabei leider nicht weiterhelfen,
unsere Möglichkeiten bei der Polizei sind in dieser Hinsicht sehr
beschränkt, wenn du weißt, was ich meine.“
„Herbert ist wahrscheinlich vom BVT instruiert worden, keine wie immer
gearteten Informationen über die Kammler-Forschungen preiszugeben“,
meinte Claudia, als sie von Wolf über die CIA-Sache unterrichtet wurde.
„Das macht nichts, wir haben schließlich Becker, um einigermaßen sicher
zu sein“, erwiderte Wolf.
„Aber auch bei Peter sollten wir nicht zu viel erzählen. Obwohl er sehr
viel weiß, vielleicht sogar eine Spur zu viel“, ergänzte die junge Frau.
„Er soll uns einfach sagen, wenn er etwas Neues von den CIA-Akten
herausgefiltert hat“, überlegte Wolf, „ich werde ihn dahingehend ersuchen.“
Was Peter mit dem Leopold dann herausfand war überwältigend. „Die
Amerikaner haben durchgehend – und zwar bis zum heutigen Tage – ihre
Suche um den Untersberg betrieben. Ihr müsst euch vorstellen, das waren
nicht irgendwelche Geheimagenten, wie in Filmen. Nein, das waren
Einheimische aus der näheren Umgebung, welche für die Recherchen der
CIA angeheuert wurden. Die Leute wussten meistens gar nicht, worum es
ging. Manchmal ließ man sie im Glauben, dass sich ein amerikanisches
Institut für seltene Alpenpflanzen interessierte und von anderen Leuten
ließen sie die Felsformationen des Untersbergs fotografieren. Andere
wiederum wurden auf die Wildtiere angesetzt. Nie wurde aber der Namen
Kammlers oder die SS-Station im Berg erwähnt. Auf diese Art gelang es
dem amerikanischen Auslandsgeheimdienst, an große Mengen von Details
über den Berg zu gelangen.“
„Das hast du so rasch herausgefunden?“, fragte Wolf. „Ich habe sogar die
Namen der betreffenden Personen. Die Amis waren da nicht zimperlich und
haben alles in Klartext aufgezeichnet. Wir könnten daher auch heute noch
mit den Betreffenden, sofern sie noch am Leben sind, darüber sprechen. Ich
wäre direkt neugierig, was uns die Leute dann sagen würden, wenn wir sie
damit konfrontieren, dass sie sozusagen als Agenten der USA missbraucht
wurden.“
„Wir sollten erst einmal abwarten, was Peter noch alles herausfindet“,
meinte Claudia.
„Also meines Erachtens hat der Peter nichts mit einem Geheimdienst zu
tun, so wie wir beide anfangs geglaubt haben“, gab Wolf ihr zur Antwort,
„er ist einfach nur gut!“ Peter musste bei diesen Worten von Wolf lachen
und ergänzte:
„Die Amis haben übrigens auch Versuche am Berg gemacht, bei welchen
Sie verschiedene Techniken zum Einsatz gebracht haben. Dabei dürfte es
sich um ultrageheime Dinge gehandelt haben, die in den Berichten nur unter
Codenamen genannt werden.“
„Das klingt ja spannend wie ein Krimi“, sagte Wolf. „Es dürfte sich um
eine Art Tarnkappentechnik handeln, von welcher da die Rede ist“,
erwiderte Peter. „Ja, dazu würde das Erlebnis von Herbert und Elisabeth
passen, als sie mit Hannes, dem Hubschrauberpiloten aus Graz, am
Forellensattel waren. Damals erzählten die drei doch davon, dass sie in
dieser völlig abgeschiedenen Gegend dort oben am Berg Gerüche
wahrgenommen hätten, die an dieser Stelle gar nicht möglich gewesen
wären.“ „Du meinst den speziellen Geruch, welcher beim Entzünden eines
Streichholzes entsteht und der nur in unmittelbarer Nähe zu riechen ist?“
„Nein, nicht nur“, antwortete Wolf, „auch der kurz darauf wahrnehmbare
Zigarettengeruch – wo sollte der denn herkommen sein? Alle drei unserer
Freunde sind doch Nichtraucher und daher empfindlich, was
Zigarettenrauch betrifft.“
„Das könnten schon solche Tarnkappenversuche der Amerikaner gewesen
sein“, meinte Peter. „Der Codename ‚Laurin‘, welcher in den Akten des
Öfteren vorkommt, würde hier dazu passen.“
„Da müsstest du mit deinem starken Laser einmal Versuche machen“,
sagte Elisabeth. „Wenn du das Gefühl hast, beobachtet zu werden, dann
schalte das Ding ein und drehe dich damit im Kreis. Und wenn da jemand
Unsichtbarer in der Nähe ist, dann würde der doch vom Laserstrahl
getroffen werden und das müsste man dann doch irgendwie feststellen.“
„Na gut“, antwortete Wolf, „ich werde es mir merken. Beim nächsten Mal
nehme ich den Laser wieder mit.“
Kapitel 11

Das Sägewerk beim Drachenloch

Wolf und Claudia erfuhren von diesen Geschichten, als sie zu einem Treffen
nach Augsburg fuhren. Dort lebte dieser Franz, der mittlerweile auch schon
ein alter Mann geworden war. „Ich kann euch eine Menge über den
Untersberg erzählen“, meinte er und in der Tat konnte er mit Berichten
aufwarten, von welchen Wolf noch nie gehört hatte.
Es ereignete sich vor vielen Jahrzehnten, als das Gasthaus „Drachenloch“
noch existierte. Franz, welcher damals fünfzehn Jahre alt war, wohnte hinter
dem Sägewerk seines Großvaters. Er war mit seinen Freunden viel
unterwegs in den Wäldern oberhalb des kleinen Ortes St. Leonhard. Ein
kleiner Bach kam dort vom Felsmassiv des Untersberges herunter. Er hieß
Grünbach und führte, wenn es keine Niederschläge gab, auch kaum Wasser.
Aber wenn es richtig regnete, dann schoss das Wasser über die steilen
Felsflanken des Berges herab und binnen Minuten schwoll der Grünbach zu
einem gefährlichen, reißenden Gewässer an. Für diesen kleinen Bachlauf
wurde schon sehr früh eine Betonbrücke erbaut, damit das mitgeführte
Geröll bei Hochwasser nicht in den kreuzenden Almkanal hinein
geschwemmt wurde. Seit damals hieß diese Stelle dann: „Wo das Wasser
über das Wasser fließt.“
Die Buben durchkämmten immer wieder den Wald, bis hinauf an seine
Grenzen, dort, wo die Felsen des mächtigen Untersberges begannen. Dabei
erlebten sie seltsame Dinge, die kaum zu erklären waren. So zum Beispiel
kamen sie zu einem Felsen, welcher einen Durchschlupf zur anderen Seite
bot. Kaum waren die Jugendlichen dort hindurchgekrochen, befanden sie
sich wieder auf der gegenüberliegenden Seite. So als wären sie nie
durchgegangen. Das wiederholte sich einige Male. Bis einer der Buben auf
die Idee kam, in die Gegenrichtung hinter dem Felsen zu gehen. Dann hörte
der Spuk plötzlich auf.
Das Merkwürdige war, dass sich all diese Sachen dort abgespielt hatten,
wo es auch in der Gegenwart immer wieder zu Auffälligkeiten gekommen
war.
Als Wolf den alten Mann aufklärte, dass das Gasthaus Drachenloch schon
vor Jahrzehnten abgerissen wurde, zeigte sich dieser verwundert.
Der Gasthof Drachenloch war nach dem gleichnamigen Felsdurchbruch
hoch droben am Untersberg benannt worden. Im Juni des Jahres 1935
stürzte dieser mit lautem Getöse zusammen. Ein Sägewerk, welche ganz in
der Nähe des Gasthofes stand, gehörte dem Großvater des Mannes.
Der alte Mann sprach auch von einem schönen Holzhaus, welches etwas
links vom Grünbach am Waldrand gestanden hatte, bis es in den sechziger
Jahren durch einen Brand zerstört wurde. Es gehörte dem Baron von Lex,
welcher gemeinsam mit Wolf im Salzburger Kapitel bei den Rosenkreuzern
war. Dessen Sohn Ingomar war als kleiner Junge in den Fünfzigerjahren
dort am Berg, ganz in der Nähe des Grünbaches, für viele Stunden
verschwunden. Franz meinte: „Ja, ich kann mich noch gut daran erinnern.
Ich wohnte ja nicht weit von dem Haus der Lex’ entfernt. Der Bub war oft
mit seinem Schäferhund im Wald und spielte beim Grünbach. Als der kleine
Ingomar damals erst nach einiger Zeit wieder auftauchte, erzählte er von
einer Höhle, in welche ihn ein kleiner Mann oder ein Zwerg hinein begleitet
hatte. Er kam dort im Berg zu einem See und sah auch Leute in der Höhle
im Berg.
Seine Eltern glaubten ihm kein Wort. Ich aber habe gewusst, dass es in
dieser Gegend Dinge gab, die nicht alltäglich waren. Auch hatten ich und
meine Freunde dort links und rechts des Baches kleine Gestalten gesehen,
die wir als Elfen und Zwerge bezeichneten. Den Eltern haben wir nie etwas
davon gesagt, die hätten uns das ohnehin niemals geglaubt. Als wir eines
Tages wieder hinauf zur Felswand gegangen waren, da haben wir bei den
alten Stollen etwas Eigenartiges gesehen.“ Wolf war gespannt, was der Alte
erzählen würde, und auch Claudia lauschte neugierig seinen Worten.
„Da lagen seltsame Eisenrohre herum, die aber vor einigen Wochen noch
nicht dort waren. Das waren irgendwelche technischen Teile. Wer die dort
oben hingebracht haben mochte, konnten wir uns nicht vorstellen. Beim
Abstieg entdeckten wir eine Höhle. Neugierig, wie wir damals waren,
krochen wir hinein. Es war nicht so richtig finster da drinnen. Wir kraxelten
eine Weile herum und kamen plötzlich wieder ins Freie. Aber wir waren
knapp unter dem Gipfel des Untersberges herausgekommen. Das war aber
absolut unmöglich. Zwischen dem Höhleneingang am Grünbach und hier
oben lagen bestimmt eintausend Höhenmeter. Also völlig ausgeschlossen,
dass wir da im Bergesinneren hinaufgeklettert waren. Hier musste etwas
anderes im Spiel sein. Wir brauchten einige Stunden, bis wir über den
Dopplersteig wieder im Tal waren.
Als ich meinen Eltern von dem Vorfall erzählt habe, lachten sie mich aus.
So etwas gäbe es nicht, meinte mein Vater. Der glaubte damals übrigens die
Geschichte von dem Ingomar Lex auch nicht und sagte, dass der Junge sich
das nur ausgedacht hatte, damit er wegen seines langen Ausbleibens keine
Schelte bekommt. Ich aber wusste, was wir erlebt hatten. Meinen Freunden
erging es ebenso. Niemand wollte uns Glauben schenken.
Wolf und Claudia waren erstaunt, dies alles von dem alten Mann zu
erfahren, der ja jetzt über dreihundert Kilometer entfernt vom Untersberg
lebte.
„Dass ich es nicht vergesse“, begann Franz erneut, „da war noch eine alte
Kapelle, die mein Großvater glaube ich auf Grund eines Gelübdes errichten
ließ. Sie stand auch ganz in der Nähe des Gasthofes Drachenloch. Rechts
hinten an der Innenwand, da waren zwei Buchstaben zu sehen, über die wir
damals rätselten. Keiner wusste, was die zu bedeuten hatten. Vielleicht gibt
es diese kleine Kapelle heute noch und ihr könnt sie euch ansehen. Noch
eine kuriose Begebenheit zum Untersberg kann ich euch erzählen. Hoch
oben, kurz vor der Bergstation der Seilbahn, befindet sich auf der rechten
Seite der Eingang zur Kolowratshöhle. Auch dort gingen wir oft hinauf.
Gleich hinter dem Eingang tut sich eine große Halle auf, welche viele Meter
hoch war. Ganz oben an der Decke war eine ausgestopfte Taube zu sehen.
Das war sehr merkwürdig, denn keiner konnte sich vorstellen, wie jemand
den Vogel hoch oben an der Höhlendecke befestigt haben konnte. Eine
Leiter dort in die Höhle zu schaffen, das war unmöglich. Einige Jahre später
erzählten uns Höhlenforscher, wie dieses Kunststück vollbracht wurde. Im
Winter wuchs nämlich in der Kolowratshöhle immer das Eis und erreichte
dabei eine beachtliche Höhe, sodass die Forscher ohne große Mühe die
Höhlendecke erreichen konnten. So wurde dann die Taube befestigt und
verblieb viele Jahre dort oben.“
Am nächsten Morgen nach dem Frühstück meinte Wolf zu Claudia: „Wir
sind hier ganz in der Nähe von Königsbrunn. Dort auf dem Friedhof ist der
Verwandte von mir begraben, der dem General Kammler am Ende des
Krieges die beiden Halbkettenfahrzeuge bringen ließ.“ „Aha“, antwortete
die junge Frau, „du meinst diesen entfernten Onkel von dir, den Sylvester
Stadler?“ „Ja, der ist ja hier in den frühen neunziger Jahren verstorben und
liegt auf dem Friedhof in der Römerallee. Da könnten wir noch kurz
hinfahren, das wäre kein großer Umweg.“ Claudia nickte bloß, was Wolf als
Zustimmung empfand. Es war dann aber doch etwas mehr als eine halbe
Stunde, bis die beiden den Friedhof in Königsbrunn erreichten. Da es dort
drei Friedhöfe gab, mussten sie zuvor eine Weile suchen. Als sie schließlich
vor dem schlichten, dunkelgrauen Grabstein, auf dem lediglich der Name
„Sylvester Stadler“ zu lesen war, standen, meinte Wolf: „Siehst du, nichts
deutet darauf hin, dass hier der jüngste General der Waffen-SS begraben
liegt. Er war der Befehlshaber über die neunte Panzerdivision Hohenstaufen
mit über zwanzigtausend Mann.“
„Und da haben wir auch wieder einen Zusammenhang zum Untersberg
und zu Kammler in seiner Station“, sinnierte Claudia und fuhr fort: „Was
mich sehr interessieren würde, ist, ob er den Kammler auch persönlich
gekannt hat.“ „Das werden wir wohl nie mehr erfahren“, erwiderte Wolf.
„Außer du machst mit Becker einen kurzen Abstecher in das Jahr 1945
und besuchst ihn“, lachte Claudia. „Ich glaube, dass so etwas in der
damaligen Zeit ein absolutes Sicherheitsrisiko wäre“, ergänzte Wolf, „aber
es würde ja genügen, wenn ich den Sylvester Stadler in den siebziger Jahren
besuchen würde, da könnte ich mich mit ihm über Kammler unterhalten,
was meinst du?“
„Nun, das wäre auch eine Idee“, gab Claudia zur Antwort, „vielleicht
könntest du da einiges erfahren.“ Als sie den Friedhof wieder verließen und
zum Wagen zurückkehrten, hatte Wolf schon einen Plan gefasst, um mehr
über die Beziehung seines Verwandten zum General zu erfahren.
Kapitel 12

Die geheimnisvollen Daten

Peter mit dem Leopold hatte eine interessante Neuigkeit. Ein paar Freunde
aus Deutschland, die den Anomalien am Untersberg zu Leibe rücken
wollten, hatten auf einigen Kilometern Länge am Fuß des Berges ein
Dutzend Datenlogger deponiert. Diese empfindlichen Geräte hatten eine
Akkulaufzeit von einigen Monaten und speicherten eine Unzahl von
Parametern, welche Rückschlüsse auf Veränderungen zeigen sollten. Peter,
der diesen Leuten mit Herbert behilflich war, geeignete Stellen am
Untersberg ausfindig zu machen, war tagelang unterwegs. Schließlich war
die Aktion abgeschlossen und die Orte der Datenlogger mittels GPS für das
spätere Auffinden markiert. Alle waren gespannt auf die Ergebnisse. Die
Dinger waren sehr robust und absolut wasserfest. Sogar ein wochenlanger
Regen oder Schneefall hätte ihnen nichts ausgemacht. Als die Zeit
gekommen war, die Datenlogger wieder einzusammeln, platzten alle schon
vor Neugier. Aber die Auswertung würde eine gewisse Zeit in Anspruch
nehmen. Peter war der Erste, der Wolf eine Unzahl von Einzeldaten in Form
von Diagrammen übermittelte. Er erklärte ihm die einzelnen Parameter und
Wolf staunte nicht schlecht über die doch sehr signifikanten Abweichungen
von den Normwerten, welche über Monate hinweg zu sehen waren.
Neben den Temperaturen, dem Luftdruck, den seismischen Aktivitäten
und Magnetfeldänderungen waren da noch viele andere Messreihen
aufgeführt. Es würde Wochen dauern, bis er sich einen genauen Überblick
verschaffen konnte.
Peter meinte: „Es ist eigenartig, einer der Datenlogger wurde nicht mehr
gefunden. Die Koordinaten waren in Ordnung, nur an der Stelle, wo er
deponiert wurde, da war nichts mehr. Irgendjemand muss ihn entfernt
haben.“ Wolf überlegte, denn die Informationen, wo diese Geräte deponiert
waren, hatten doch nur die Leute selber. Irgendetwas stimmte da nicht.
Wolf benötigte viel Zeit, bis er einige Zusammenhänge der gespeicherten
Daten herausfinden konnte. Aber immerhin handelte es sich dabei um
signifikante Werte, deren Ursprung er nicht erklären konnte.
Da kam auch schon die nächste Nachricht von Peter. Dieser erzählte von
seltsamen kleinen Flugobjekten, die in der Nähe von Grödig, also an der
Ostseite des Untersberges nahe des Waldes, auf- und abflogen.
Wahrscheinlich handelte es sich dabei um getarnte Drohnen, meinte er,
denn das Aussehen dieser Fluggeräte ähnelte sehr stark dem großer
Raubvögel. Nur waren die Flugbahnen nicht solche eines Vogels. Es war
ein sehr steiler Winkel bergaufwärts, und das Seltsame dabei war, dass
keine Flügelbewegung zu sehen war. Also konnten es nur getarnte Drohnen
sein, schlussfolgerte Peter. Kaum waren diese Geräte oben bei den
Felsabbrüchen angelangt, ging es im Sturzflug wieder nach unten bis in
Talnähe. Sodann erfolgte etwas seitlich versetzt ein neuerlicher Aufstieg. Es
sah so aus, als würde von diesen Fluggeräten eine systematische Suche
durchgeführt. „Weißt du, die Dinger waren zu weit weg und daher konnte
ich auch keine Fotos davon machen“, meinte Peter. „Aber du kannst mir
glauben, da hat sich jemand sehr viel Mühe gemacht. Nur wozu? Darüber
können wir nicht einmal spekulieren.“ Wolf wusste, dass vom nahen Zoo in
Hellbrunn freilebende Geier auf den Untersberg unterwegs waren, welche
des Abends immer wieder in ihr Gehege in den Tiergarten zurückkehrten.
Aus diesem Grunde würden sich zufällige Beobachter dieses Schauspiels
auch keine Gedanken über diese Flüge machen.
Kapitel 13

Die Waffen des Generals

Kaum war der Schnee auf die halbe Höhe des Untersberges
zurückgegangen, meldete sich Obersturmbannführer Weber über den
geheimen Kommunikationskanal bei Wolf. „Die Lage in Europa und
speziell im Reich wird immer dramatischer. Den Feinden ist es mit Hilfe
der Verräter aus den eigenen Reihen gelungen, eine große Zahl dieser
terroristischen Islamanhänger ins Land zu bringen. Der Plan ist offenbar,
einen Bürgerkrieg zu entfachen. Die Deutschen werden mit
Ablenkungsmanövern in Hinblick auf die wahren Ziele unserer Feinde
getäuscht. Wir werden dem aber Einhalt gebieten und diese Ungläubigen
aus dem Reichsgebiet entfernen.“
Wolf hatte etwas Ähnliches bereits vor einem Jahr vom General
vernommen. „Weshalb sagen Sie mir das?“, fragte er Weber, „was kann ich
dabei tun?“ „Sie können Ihren Freunden sagen, dass Sie sich bereitmachen
und auf Umwälzungen großen Ausmaßes gefasst sein sollen.“
Wolf nickte. Der Obersturmbannführer fuhr fort: „Der General möchte
Ihnen etwas mitteilen, was für Sie und ihre Freunde von Wichtigkeit sein
wird. Kommen Sie in drei Tagen zur Kapelle beim Veitlbruch.“
Wolf musste Peter davon berichten, da dieser ihn auch immer mit den
aktuellsten Neuigkeiten versorgte. „Frag doch den Kammler, ob er dir etwas
über die Basen in Neuschwabenland sagen kann. Ich habe Informationen,
dass dort etwas Gigantisches im Gange sein soll.“ „Ja, wenn er dazu bereit
ist“, antwortete Wolf, „dann werde ich es dir auch mitteilen.“
Das Treffen mit dem General an diesem doch etwas ungewöhnlichen Ort
am Fuß des Untersbergs kam pünktlich zustande. Kammler wartete hinter
der kleinen Kapelle und wirkte etwas unruhig. „Die Feinde versuchen, uns
mit ihren modernsten technischen Mitteln abzuhören und zu lokalisieren.
Wir sind ihnen aber weit voraus. Der Endkampf ist schon so gut wie
entschieden. In Kürze wird es ein ‚Viertes Reich‘ geben, die Vorbereitungen
sind bereits abgeschlossen. Es wird keine Wiederholung des Dritten
Reiches sein. Nein, ein neues friedvolles Zeitalter wird anbrechen. Es
werden viele Köpfe rollen. Deutschland wird wieder sauber werden. Sie
sollten auch wissen, dass wir uns seit Gründung des ‚Ahnenerbes‘ 1935
nicht nur mit technischer Weiterentwicklung unserer Waffen beschäftigt
haben, sondern auch mit der Entwicklung okkulter Möglichkeiten.“
Wolf wusste nicht, wie ihm geschah. Da sagte der General etwas von
okkulten Möglichkeiten. Ja, dass Himmler einen Hang zu solchen Sachen
gehabt hat, war ja hinlänglich bekannt, aber dass Kammler, der Technokrat,
in diese Sache ebenso involviert war, konnte er kaum glauben.
Der General sprach weiter: „Wir haben unzählige Versuche mit
paranormal begabten Menschen durchgeführt und ebenso die Magie als
Mittel eingesetzt, was aber kaum jemand wusste. Es gab damals die SS-
Forschungsgruppe ‚E4‘. Dadurch kamen wir dann auch mit dem
‚Außengeist‘ in Verbindung. Und das sind wir bis heute geblieben. Deshalb
wird auch der Sieg unser sein.“
Wolf war perplex, als er diese Worte von Kammler vernahm.
„Aber zuvor wird es noch diese heftige, kurze Auseinandersetzung geben,
von der schon die Seher seit Jahrhunderten erzählt haben. Der Grund,
warum ich Sie hierher beordert habe, ist eigentlich nur dieser, dass Sie Ihre
Freunde zu gegebener Zeit warnen und ihnen genaue Instruktionen geben,
was sie zu tun haben.“
Wolf sah Kammler an und fragte: „Wann wird das sein, General?“ Worauf
ihm dieser nur die knappe Antwort gab: „Sie werden rechtzeitig von mir
hören.“
Wolf entsann sich der Frage von Peter mit dem Leopold bezüglich
Neuschwabenland und fragte Kammler: „Können Sie mir etwas zu
Neuschwabenland sagen? Sind dort tatsächlich auch reichsdeutsche
Basen?“
Der General, der ansonsten eigentlich nicht sehr gesprächig war, was
solche Themen anbelangte, erwiderte: „Sie wissen jetzt schon über sehr
viele unserer geheimen Basen Bescheid, also weshalb sollten Sie nicht auch
über unsere antarktischen Stützpunkte unterrichtet werden. Ich kann Ihnen
jedoch nur sehr wenig darüber sagen, eigentlich nur so viel, dass es sie gibt
und wir dort modernste Technik zur Verfügung haben. Begonnen hat das
Ganze damit, dass wir 1939 bei unseren Expeditionen in die Antarktis
entdeckten, dass es dort Reste einer uralten Zivilisation gegeben hat. Später,
als wir auch die Karten des Piri Reis in Händen hatten und die Landmasse
der Antarktis in anderer Form sahen, als die, welche heute vom
kilometerdicken Eis bedeckt ist, konnten wir erahnen, dass vor zig
Jahrtausenden irgendjemand diesen Kontinent exakt vermessen haben
musste. Also machten wir uns auf die Suche und fanden so die Spuren
dieser unserer Ahnen, wie wir sie nannten.
Es waren technologisch weit entwickelte Bauten und auch Fluggeräte von
beachtlichen Ausmaßen, die wir dort unter dem Eis fanden. Wir brauchten
einige Jahre, um diese für uns utopischen Systeme nutzen zu können und
unsere Basis 211 in Betrieb zu nehmen. Im Jahr 1942 begannen wir dann
mit der Umsiedlung der ersten Leute. Das Wichtigste für uns war aber, dass
wir, als wir die Glocke einsetzen konnten, schließlich mit den Erbauern
dieser Anlagen in Kontakt kamen. Das sicherte uns einen Riesenvorsprung,
den wir im Zusammenhang mit unserer Zeittechnologie ausbauen konnten.
Mehr will ich Ihnen aber dazu nicht sagen, da es für Sie gefährlich werden
könnte. Sie werden bereits intensiv observiert.
Dies dient aber auch Ihrer eigenen Sicherheit. Sie werden jedoch
bestimmt verstehen, was ich damit meine.“
Wolf verstand die Andeutung Kammlers nur zu gut. Er wusste, dass er
unter Beobachtung diverser Dienste stand. Peter würde zwar etwas
enttäuscht sein, aber das war jetzt nebensächlich.
Er überlegte. Die momentane Unruhe in Europa kam doch ganz eindeutig
von der Türkei. Auch dieser dekadente, islamistische Türkenpräsident, der
vor Monaten lauthals getönt hatte, er werde „die ganze Welt aufmischen“
und kein Deutscher sollte sich in Zukunft, egal, wo auf der Welt, sicher
fühlen, sollte er nicht nach Deutschland einreisen dürfen, um seine dort
lebenden Landsleute aufzuhetzen. Er stellte doch ein gewisses
Risikopotential dar.
Franz, der Manager des Sheraton-Hotels in der Soma-Bay hatte auf alle
Fälle Recht, wenn er schon im vergangenen Jahr gegen diesen
größenwahnsinnigen Möchtegernsultan wetterte.
„Dieser Erdogan hatte doch schon vor zwanzig Jahren gesagt: ‚Die
Demokratie ist nur der Zug, auf den wir aufsteigen, bis wir am Ziel sind.
Die Moscheen sind unsere Kasernen, die Minarette unsere Bajonette, die
Kuppeln unsere Helme und die Gläubigen unsere Soldaten.‘
Spätestens jetzt sollte es allen Europäern klar sein, dass dies kein Spaß
war und die Soldaten bereitstünden.“
Kammler sprach weiter: „Wenn diese radikalen Islamisten, von denen die
meisten ja aus der Türkei kommen, hier im Reichsgebiet zu randalieren
beginnen, dann werden bestimmt viele aufrechte Deutsche auf den Plan
treten, um mit diesem Abschaum aufzuräumen. Da kann dann auch keine
Politik und auch kein Gesetz mehr die Leute bremsen. Ich meine, dass dann
für uns der richtige Augenblick gekommen sein wird, um unterstützend
einzugreifen. Und egal, was dann noch alles geschehen wird. Der Sieg wird
unser sein, glauben Sie mir.“
Der Gesichtsausdruck des Generals hatte sich bei diesen Worten erheblich
verändert. Ja, er strahlte nun eine Entschlossenheit aus, die er selten zeigte.
Da sich zurzeit bereits eine große Anzahl dieser radikalen Islamisten
gegen die deutschen Gastgeber gewandt hatte, konnte Wolf ahnen, dass es
wahrscheinlich nicht mehr lange dauern würde, bis es zum großen Crash
kam. Darüber im Klartext zu sprechen war aber weder in Deutschland noch
in Österreich erwünscht und konnte nur zu leicht als Volksverhetzung
gedeutet werden. Den Staatsschützern war aber offenbar noch nicht klar,
dass sie selbst dann gegen diese Meute antreten müssten.
Als er am Abend bei Claudia vorbeischaute, hatte er viele Fragen im Kopf.
Sie schaltete ihren PC ein und zeigte ihm eine aktuelle Meldung im
Internet: Diese war vom türkischen Außenminister, der öffentlich sagte:
„Bald könnten in Europa auch Religionskriege beginnen, und sie werden
beginnen.“
Das konnte von vielen schon als Kampfansage gewertet werden.
Würde ein Krieg tatsächlich kurz bevorstehen? Und konnte es sich, wie
schon viele Male zuvor, wirklich um einen Religionskrieg handeln? Es war
für ihn nicht gut vorstellbar, dass diese für ihn ungläubigen Muselmanen
tatsächlich in der Lage wären, einen Krieg zu entfachen, aber immerhin
durfte man ja nicht übersehen, was von diesen Allah-gläubigen ISIS-
Kreaturen angerichtet wurde. Und dann noch dazu die wüsten
Beschimpfungen und Anschuldigungen dieses Erdogans, der auch hier in
Deutschland Millionen von Anhängern hatte.
„Weißt du“, sagte Claudia, „ich kann schon verstehen, wenn der General
diese radikalen Islamisten verabscheut. Denk nach, wie oft die Türken
schon ihre Angriffe auf unser Abendland verübt haben.“
„Ja“, erwiderte Wolf, „es ist eine schreckliche Vorstellung, an so etwas zu
denken.“
„Wir beide werden das kaum beeinflussen, aber ich bin sicher, dass der
General uns allen mit seinen Möglichkeiten helfen wird“, meinte Claudia.
„Nicht nur der General, auch Becker hat doch schon gesagt, dass es da
noch mehr Kräfte geben wird, welche uns zu Hilfe kommen werden“,
antwortete Wolf. „Und glaubst du auch, dass nach Angaben des Generals
dann tatsächlich ein ‚Viertes Reich‘ entstehen würde?“ Wolf zuckte mit den
Achseln. „Keine Ahnung, aber es wird sich bestimmt vieles ändern.“
Kapitel 14

Die kleine Höhle bei Hallthurm

Weit hinter Berchtesgaden, sozusagen am Fuß des westlichen Teiles des


Untersberges bei Hallthurm, befand sich versteckt im Wald eine kleine
Höhle, welche „das Nixloch“ genannt wurde. Diese Höhle war schon seit
über dreihundertfünfzig Jahren bekannt. In der Nähe befindet sich auch eine
uralte Steinmauer, auf welcher seltsame Schriftzeichen zu sehen sind. Ein
Mitglied des Salzburger Höhlenforschervereins zeigte Wolf diese Höhle,
welche wirklich recht klein war. Das Eigenartige war, dass dort im Winter,
wenn im Wald Temperaturen tief unter dem Gefrierpunkt herrschten, warme
Luft aus der Höhle heraufstieg, was zu einer starken Nebelbildung führte.
Es sah dann so aus, als rauchte es aus dem Nixloch heraus.
Im Sommer hingegen war es umgekehrt. Da herrschte ein starker Sog,
welcher sogar Kerzenflammen zum Verlöschen bringen konnte. Kein
Wunder also, dass sich im Volksmund hartnäckig Sagen hielten, welche von
Nixen und Zwergen berichteten, die dort drinnen im Berg hausen sollten.
Der Höh-
lenforscher erklärte Wolf dieses Phänomen, indem er ihm Skizzen und
Pläne vom Berg zeigte, worauf zu erkennen war, woher diese Luftströme
kamen und wodurch sie verursacht wurden.
„Wissen Sie“, meinte der Höhlenforscher, „da gibt es alte Geschichten
über geheimnisvolle Eingänge in den Berg, wo sich Zwerge, Feen und
Perchten aufhalten sollen. Aber die Tatsache ist, dass sich in dieser kleinen
Höhle nur ein einziger größerer Raum mit zirka zehn mal fünfzehn Metern
befindet, ein Weiterkommen in den Berg aber nicht möglich ist.
Da wird unter anderem allen Ernstes behauptet, dass das Nixloch der
Eingang in ein unterirdisches Reich sein soll. Weiter als zwanzig Meter geht
es aber eben wirklich nicht. Anders die großen Höhlen im Untersberg, die
Kolowratshöhle, die Riesendinghöhle und auch die ‚Windlöcher‘ mit ihren
vierzehn bekannten Eingängen. Das sind Höhlensysteme mit einer Tiefe
von über eintausend Metern und einer Länge von zwanzig bis dreißig
Kilometern. Aber auch da kann man nicht von einer Inneren Erde sprechen.
Das sind eben riesige, tiefe Schächte, Klüfte und Dome, wo wir manchmal
bis zu vierzehn Tage brauchen, um sie zu befahren.
Hier beim Nixloch ist aber gar nichts Mystisches, auch wenn manche
Leute so etwas gerne glauben würden. Die Mondmilch oder auch
Bergmilch, eine weiche Ablagerung aus Calcit, ist da drinnen an den
Wänden zu finden. Früher sahen die Leute darin ein Heilmittel für Mensch
und Vieh. Auch das trug dazu bei, der Höhle ein mystisches Flair zu
geben.“
Wolf nickte und hörte dem Forscher aufmerksam zu.
„Aber auch die Schamanen scheinen die Höhle für sich entdeckt zu haben.
Jedenfalls wird das Nixloch in Büchern aus diesen Kreisen erwähnt. Es
heißt dort, dass Stimmen und Lärm aus den Spalten dieser Höhle zu hören
seien. Dies wird dann den Zwergen im Berg, welche von diesen Leuten
‚Untersbergmandln‘ genannt werden, zugeschrieben. Ich habe schon viele
Monate im Berg verbracht“, sagte der Höhlenforscher lachend, „aber einem
Zwerg sind weder meine Freunde noch ich begegnet.“ Wolf musste
ebenfalls lachen.
„Ich habe aber auch von tatsächlichen Anomalien am Berg gehört und
habe solche schon selbst erlebt“, sprach der Forscher ernst weiter, „aber
diese Dinge spielen sich viel weiter östlich am Berg ab. In der Gegend der
Steinbrüche bei Grödig und Fürstenbrunn und auch auf der deutschen Seite,
bei der Almbachklamm. Aber niemals in den bekannten Höhlen, welche
von uns schon alle genauestens vermessen und kartographiert worden sind.“
Wolf, welcher bereits alle Bücher des Salzburger Höhlenforschervereines
mit sämtlichen Skizzen und Beschreibungen gelesen hatte, wusste
Bescheid.
Der Höhlenforscher stand mit Wolf noch immer am Eingang der kleinen
Höhle, welche eigentlich nur wie ein kleines Loch aussah. Für Wolf war ein
Durchkommen offensichtlich zu eng und der Mann erklärte ihm, dass es
auch nichts Besonderes im Inneren zu sehen gäbe. Den beachtlichen
Luftzug konnte Wolf aber dennoch spüren. Der Forscher zeigte ihm dann
am Rückweg zum Parkplatz noch die alten Befestigungsmauern und klärte
ihn über den Turm an der Straße nach Berchtesgaden, der in früheren Zeiten
noch höher war, auf. Dieser gehörte zu Zeiten der Franzosenkriege zu einer
großen Grenzbefestigungsanlage.
Wolf fuhr mit dem Höhlenforscher wieder zurück. Als sie in Berchtesgaden
angekommen waren, sagte der Mann zu ihm: „Es gibt da noch einen
Eingang in den Berg, in der Nähe von Maria Gern. Hoch oben, dicht an den
Felsen des Hochthrons, haben einige von uns eine Höhle entdeckt, die nicht
natürlichen Ursprungs sein kann. Ihre Wände sind wie aus dunklem Glas
und der Boden ist sehr eben. So eine Art Stollen. Dort drinnen spielen sich
Dinge ab, die unerklärlich sind. Wir haben sie auch nicht in den
Höhlenkataster aufgenommen. Der Eingang ist fast unauffindbar, da er wie
ein dunkler Fels aussieht. Ich könnte Sie einmal mit hinaufnehmen, wenn
sie möchten. Von dieser Höhle weiß bisher kaum jemand.“
Wolf fiel es wie Schuppen von den Augen. Sprach der Mann etwa von der
„Hologrammhöhle“, wie er sie nannte und die er vor Jahren mit der
Lehrerin Linda durch einen Zufall entdeckt hatte? Zweimal hatten die
beiden damals diese seltsame Höhle betreten. Sie hatten aber niemals zu
jemandem davon gesprochen und auch den Ort nie preisgegeben. Der Mann
oder seine Kollegen mussten sie ebenfalls rein zufällig gefunden haben.
„Das finde ich sehr interessant“, antwortete Wolf mit gespielter
Gleichgültigkeit, „gerne nehme ich Ihr Angebot an. Sagen Sie mir einfach
Bescheid, wenn es soweit ist.“
Insgeheim dachte er darüber nach, ob die Höhlenforscher auch bis zu der
Edelstahlwand in der Hologrammhöhle gelangt waren, welche auf der
linken Seite einen schmalen Durchgang hatte. Er würde abwarten.
Als er in den darauffolgenden Tagen mit Peter über das Nixloch sprach
und ihm erzählte, was er von dem Forscher darüber gehört hatte, meinte
dieser: „Ja, ich weiß, dorthin sind schon viele Leute gepilgert. Erstens ist
der Weg dorthin nicht weit und auch leicht zu finden und zweitens ranken
sich viele Geschichten um diese Minihöhle. Schamanen halten es für ein
Wunder, wenn ihr Räucherwerk wie von Geisterhand in das Loch gesogen
wird und trommeln dabei stampfend herum. Andere wieder sind überzeugt
davon, den Eingang zur Inneren Erde gefunden zu haben. Ja, da ist für jeden
etwas dabei. Aber dieser Höhlenforscher hat bestimmt Recht, es ist eben
nur eine kleine Höhle und nichts Außergewöhnliches.“
Wolf unterbrach Peter: „Hättest du Lust, mit uns zur Hologrammhöhle
hinaufzugehen? Ich möchte nämlich etwas nachprüfen.“
„Ja sicher, gerne“, erwiderte Peter. „Diese Hologrammhöhle hat mich ja
schon seit jeher interessiert, aber du wolltest ja nicht mehr hinaufgehen.“
„Ich weiß jetzt, dass der Salzburger Höhlenforscherverein diese Höhle,
oder besser gesagt diesen Stollen, auch entdeckt hat. Wie viele Leute jedoch
schon davon wissen, entzieht sich meiner Kenntnis. Aber bevor da diese
Forscher tätig werden, möchte ich unbedingt noch einmal hin.“
„Ist das nicht auch etwas gefährlich?“, fragte Peter, welcher ja wusste,
dass Wolf und Linda seinerzeit von einem Wilden mit einem Faustkeil
angegriffen worden waren und sich nur durch den Einsatz von Wolfs
starkem Fünftausend-Milliwatt-Laser in Sicherheit hatten bringen können.
„Ich habe mir damals, kurz nach diesem Zwischenfall, ein Jagdgewehr
gekauft. Damit fühle ich mich sicherer. Das Gewehr und auch meine Glock
Polizeipistole werde ich mitnehmen. Die hat siebzehn Schuss im Magazin
und ist leicht zum Mitnehmen. Ich habe zwar nicht vor, einen Menschen
über den Haufen zu schießen, aber ein wenig Sicherheit kann bestimmt
nicht schaden.“
Kapitel 15

Der Ausflug zur Hologrammhöhle

Ein Termin für den Besuch der Hologrammhöhle war rasch gefunden. Peter
und auch Claudia freuten sich schon neugierig darauf, diesen Tunnel einmal
mit eigenen Augen sehen zu dürfen. Diesmal hatte Wolf umfangreiche
Sicherheitsmaßnahmen getroffen, um nicht von irgendeiner Gefahr
überrascht zu werden. Der starke Laser, welcher ihm vor Jahren mit Linda
schon das Leben gerettet hatte, musste ohnehin dabei sein. Aber auch
diverse Messgeräte packte er in seinen Rucksack. Auch Peter hatte
vorsorglich einige Sachen eingepackt. Claudia war für Proviant und
Trinkwasser zuständig. Es gab, wie zu erwarten, schönes Wetter, als die drei
ihren Wagen in der Nähe der Kirche von Maria Gern abstellten und sich auf
den Weg hinauf zu den Felsen des Untersberges machten. Da Wolfs
Waffenpass nur in Österreich gültig war und sich das Gebiet der
Hologrammhöhle in Deutschland befand, musste er sein Jagdgewehr so
unauffällig wie möglich tragen. Die Polizeipistole samt Reservemagazin
konnte er trotz ihrer beachtlichen Größe in seiner Jacke einstecken. Dank
des modernen GPS-Gerätes von Peter konnten sie auf kürzestem Weg zum
Eingang der Hologrammhöhle gelangen. Zuvor kamen Sie auch am
Bildstockfelsen vorbei, wo Wolf mit Linda vor Jahren die Silberplatte mit
den eigenartigen Schriftzeichen gefunden hatte. „Schaut“, sagte Wolf zu
Peter und Claudia, „genau hier habe ich die Platte ausgegraben“, und
deutete dabei auf eine kleine Grube am Fuße eines mehrere Meter hohen
Felsens, an welchem Wachsspuren von abgebrannten Kerzen zu sehen
waren. „Und wer zündet hier oben Kerzen an und vor allem wozu?“, fragte
Claudia, welche ein paar Wachsstücke vom Fels kratzte. „Na ja“, erwiderte
Peter, „vielleicht ist hier einmal ein Unfall passiert und es ist sozusagen eine
Gedenkstätte?“ „Gerade hier hat aber auch die Silberplatte in der Erde
gesteckt“, antwortete Wolf. „Ich glaube eher, dass hier ein recht alter,
mystischer Ort ist und sich der Brauch mit dem Anzünden der Kerzen
einfach überliefert hat.“
„Du meinst, so wie bei der Kapelle beim Veitlbruch, auf der
gegenüberliegenden Seite des Untersberges. Dort brennen doch fast immer
Kerzen und zwar in unterschiedlicher Anzahl.“ „Könnte schon sein,
Claudia“, gab ihr Wolf zur Antwort.
Von dieser Stelle aus mussten die drei nun den direkten Weg zu den
Felsen hinaufgehen. Es ging durch meterhohe Legföhren steil aufwärts und
der harzige Duft der Nadelgewächse lag in der Luft. Es waren jetzt nur noch
einhundert Meter und Wolf konnte den schwarzen Felsen, welcher in
Wirklichkeit der Eingang zur Hologrammhöhle war, bereits sehen. Immer
wieder versperrten die hohen Legföhren, zwischen denen die drei in
Serpentinen hindurchwanderten, die Sicht auf den Eingang. Erst dreißig
Meter davor gelangten sie an eine Stelle, an der freie Sicht auf diese dunkle
Stelle war. „Schaut genau auf den Laserstrahl“, sagte Wolf und schaltete das
Gerät ein. Er fuhr langsam über die danebenliegenden hellgrauen Felsen.
Der Punkt des Lasers war trotz Sonnenscheines deutlich auf dem hellen
Gestein zu sehen, aber als Wolf dann auf den dunklen Bereich des Felsens
leuchtete, war der grüne Punkt plötzlich nicht mehr da. „Sagenhaft“, entfuhr
es Peter, welcher sofort mit seiner Kamera Fotos machte.
„Wartet nur ab, bis wir oben an der Felswand sind“, sagte Wolf und ließ
sich von Claudia die Wasserflasche geben. Der Aufstieg, gerade auf den
letzten paarhundert Metern, war doch recht schweißtreibend gewesen. Es
dauerte noch einige Minuten, bis Peter als Erster die dunkle Stelle erreichte
und kurz darauf vor Wolfs und Claudias Augen darin verschwand.
Claudia ging etwas ängstlich durch das Hologramm, während Wolf ja
bereits wusste, was sie erwarten würde.
Peter betastete fast ehrfurchtsvoll die verglasten, schwarzen Wände des
Stollens, während Wolf und Claudia ihre starken LED-Lampen aus ihren
Rucksäcken hervorholten. Wolfs neueste Errungenschaft, eine Lampe mit
siebzehntausend Lumen, tauchte den Gang in ein derart gleißendes Licht,
dass er gezwungen war, die Lampe um zwei Stufen zu drosseln. Auch Peter
hatte mittlerweile seine Stirnlampe aktiviert und alle drei gingen nun in den
Berg hinein. Genau, wie von Wolf vorhergesagt, erreichten sie nach einer
Weile die Edelstahl-Sperrwand. Wolf zeigte den anderen den schmalen
Durchgang auf der linken Seite. Es war ebenfalls ein Hologramm, während
der Rest der Platte eine massive NIRO-Wand war.
Bis hierher hatte noch das Tageslicht eine gewisse Resthelligkeit
gewährleistet. Ab der Stahlplatte jedoch war es finster im Gang.
Der Tunnel war sehr geräumig, sodass sogar ein kleiner Transport-
Lastkraftwagen darin hätte fahren können. Die Wände waren ab hier nicht
mehr verglast, sondern nur roh behauen. In etwa fünfzig Metern müsste auf
der linken Seite eine Felstüre kommen, welche man recht leicht aufstoßen
konnte, die aber von selbst wieder zufallen würde.
„Wenn wir geradeaus gehen“, sagte Wolf zu den beiden, „dann müssten
wir zu dem Kloster am Waldrand kommen, wo ich mit Linda den Pfarrer
getroffen habe. Wenn wir aber durch die Steintüre links hinuntergehen,
werden wir vermutlich irgendwo in Südamerika in der Vergangenheit
herauskommen.“
„Du meinst dort, wo der Wilde euch mit dem Steinbeil erschlagen
wollte?“, fragte Peter.
„Ja“, war Wolfs knappe Antwort.
Sie waren bereits bei dieser kaum sichtbaren Türe angelangt, als Wolf
diese ohne große Mühe aufstieß. „Wir müssen unbedingt dafür sorgen, dass
sie nicht wieder zufallen kann, sonst wären wir da drinnen gefangen. Von
innen lässt sich die nämlich nicht mehr öffnen. Ich habe damals einen
Kugelschreiber in den Spalt gelegt, der die Tür offengehalten hat.“
Peter, der von Wolf bereits die gesamte Geschichte wusste, hatte
vorsorglich kleine Holzkeile mitgebracht, mit deren Hilfe er das schwere
Steintor am Zufallen hinderte. Zur Sicherheit versuchte Wolf noch daran zu
rütteln, aber der Holzkeil hielt. Die drei gingen den gewendelten Gang
hinunter, als sie bereits den Donner des gewaltigen Wasserfalls vernahmen.
Auch eine beinahe erdrückende Schwüle breitete sich aus, als sie kurz vor
dem Ausgang ankamen. Wolf bedeutete den beiden zu warten, bis er sein
Gewehr und seine Pistole herausgenommen hatte. Auch den Laser hatte er
griffbereit in seiner Jacke. Er trat als erster auf den Felsvorsprung, von wo
aus die drei dann einen atemberaubenden Blick zu dem großen Wasserfall
auf der gegenüberliegenden Seite hatten. Rechts ging es über einen
schmalen Pfad zum angrenzenden Dschungel, von dem verschiedene
Tiergeräusche zu hören waren, welche aber durch das Rauschen des
Wasserfalls beinahe übertönt wurden. Claudia wagte es kaum, in die tiefe
Schlucht hinunterzusehen, und folgte, eng an die Felswand geschmiegt,
Wolf, der sein Gewehr schussbereit in den Händen trug. Peter, welcher als
Letzter ging, fotografierte die beeindruckende Szenerie. Plötzlich war ein
lautes Knurren zu hören. Claudia schrie entsetzt auf, als sie ein eigenartiges
Tier direkt am schmalen Pfad wenige Meter vor ihnen sah. Peter ließ vor
Schreck die Kamera los, welche zuerst auf den Boden und von dort in den
Abgrund fiel. Wolf hatte rasch sein Jagdgewehr angelegt und repetiert. Falls
das Tier zum Angriff übergehen würde, blieb ihm keine andere Wahl, als
auf die Bestie zu schießen. Es war eine Mischung zwischen einem riesigen
Wildschwein und einem Bären. Das Vieh blieb etwa fünf Meter vor Wolf
stehen und richtete sich röhrend auf. Wolf griff rasch in seine Jackentasche
und entsicherte seine Polizeipistole. Er hatte zuhause vorsorglich vier
Pfeffer- und Knallpatronen oben in das Magazin gegeben, um etwaige
Angreifer in die Flucht zu schlagen. Diese Pfeffer-Patronen, ebenfalls vom
Kaliber 9mm, hatten eine Reichweite von zehn Metern und die
Knallpatronen erzeugten einen wesentlich lauteren Knall als eine normale
Patrone, zudem kam dabei ein meterlanger Feuerstoß aus dem Lauf. Als
sich das Tier wieder in Bewegung setzte und offenbar zum Angriff
übergehen wollte, feuerte er viermal gegen das Ungetüm, welches mit
einem grunzenden Gebrüll kehrtmachte und im nahen Dickicht verschwand.
Die nächsten Patronen im siebzehnschüssigen Magazin waren dann ganz
normale Patronen.
Peter, der von dem urtümlichen Tier eigentlich nichts mitbekommen hatte,
wurde erst durch die Schüsse aufgeschreckt. „Ich glaube, dass ich das Vieh
so erschreckt habe, dass es nicht noch einmal in unsere Nähe kommen
wird“, sagte Wolf zufrieden. „Was war das eigentlich?“, fragte Peter, der
auch das Gebrüll nicht gehört hatte. „Irgendein Mischwesen, das es
heutzutage gar nicht mehr gibt“, erwiderte Wolf.
„Soll das heißen, dass wir uns hier tatsächlich nicht nur an einem anderen
Ort der Welt, sondern zudem in einer fernen Vergangenheit befinden?“,
fragte die junge Frau etwas verwirrt.
„Nun“, meinte Wolf, „davon gehe ich eigentlich aus.“
Plötzlich war ein schwirrendes Geräusch zu hören und fast gleichzeitig
schlug ein Pfeil in die Felswand neben Peter ein. Claudia schrie auf. Wolf
hob sofort sein Gewehr. „Dort oben“, rief Peter, „dort auf dem Baum“, und
deutete dabei auf einen riesigen Urwaldbaum, auf welchem ein Wilder mit
Lendenschurz saß und gerade einen neuen Pfeil aus seinem Köcher holte.
Wolf, der mit dem Zielfernrohr auf seinem Gewehr einen Menschen auf
zweihundert Meter sicher treffen konnte, visierte ihn an und als der Wilde
sich anschickte, noch mal einen Pfeil abzuschießen, feuerte er. Er hatte auf
die rechte Schulter des Wilden gezielt, der mit einem spitzen Aufschrei
seinen Bogen fallen ließ und vom Baum stürzte.
„Bevor jetzt noch mehrere solche Gesellen aufkreuzen, sollten wir besser
den Rückzug antreten. Auch wenn wir gut bewaffnet sind, möchte ich hier
keinen Kleinkrieg beginnen. Also Peter, dreh dich um, wir gehen wieder in
den Berg. Und Claudia, pass auf, wo du hintrittst, da geht es nämlich tief
hinunter.“ Er selbst sicherte den Rückzug von Peter und Claudia, indem er
mit seinem Gewehr im Anschlag rückwärtsging und dabei die Bäume in der
Nähe im Auge behielt.
Kapitel 16

Die Klosterwiese

Als die drei wieder im sicheren Gang waren und das dicke Felsentor
erreichten, meinte Peter: „Was haltet ihr davon, wenn wir noch einen
Abstecher zum anderen Ausgang machen würden?“ „Du meinst zu der
Bergwiese vor dem großen Kloster?“, wollte Wolf wissen. „Du hast doch
einmal erzählt, dass ein vorbeikommender Pfarrer, als er dich mit Linda
vom Portal herauskommen sah, sich bekreuzigt und gemeint hatte, dort
drinnen hause das Böse“, sagte Claudia. „Na das würde dann doch auch
irgendwie stimmen“, gab Wolf lachend zur Antwort, „du bezeichnest dich
ja neuerdings selbst als ‚Mephisto‘.“ „Ja, aber auch nur, weil du mir als
Erster diesen Kosenamen gegeben hast“, konterte die junge Frau lachend.
Mittlerweile waren sie auch schon aus dem imposanten Marmorportal
herausgetreten und auf der Blumenwiese angelangt – aber es war alles
gleich wie damals, als er mit Linda aus dem Portal herauskam. Der Bauer
mit seinem Traktor war da und auch der Geistliche, der mit seiner
Aktentasche auf das Kloster zuging. Die reifen Äpfel hingen an den
Bäumen. Für Peter und Claudia war das nichts Besonderes, aber Wolf ahnte
bereits, dass sich dort immer wieder das Gleiche abspielen würde. Und
genau das geschah auch. Der Pfarrer blieb stehen und fragte, woher sie denn
kämen und auf Wolfs Handbewegung, mit der dieser auf das rosa
Marmorportal deutete, schlug der Gottesmann ein Kreuz vor der Brust und
lief eilends auf das Kloster zu. Er murmelte, genau wie vor Jahren, noch
etwas vom Bösen, welches dort oben beim Portal hause. Dann kam auch
schon der Bauer mit seinem Traktor und auch die Flugscheiben am
Waldesrand waren da.
Wolf wollte dem Spuk ein Ende setzen und meinte: „Kommt, wir gehen
dem Pfarrer nach! Ich habe da so eine Vermutung, aber das werden wir
gleich sehen.“ Es war nicht weit bis zu der großen Kathedrale. Sie hatte
sieben Türme und Claudia fiel auf, dass jede Turmuhr sieben Uhr anzeigte.
Sie betraten die Klosterkirche durch den Haupteingang und sahen sich um.
Es war Claudia, welche sich als Erste wieder von ihrem Staunen gefangen
hatte. „Hier waren wir schon einmal, erinnerst du dich nicht?“, meinte sie
und deutete dabei auf die gegenüberliegende Seite des riesigen
Hauptschiffes der Kirche. Während Peter sich noch erstaunt umsah,
erblickte Wolf die zwölf Eisentüren neben dem Beichtstuhl. „Ja“, sagte er
aufgeregt zu Claudia, „hier waren wir beide schon einmal, als wir in der
Kirche von St. Michael in den Salzburger Bergen durch die alte Eisentüre
gegangen sind. Das sind Dimensionsportale!“ „Genau“, erwiderte die junge
Frau, „und ein Mönch hat uns doch damals gesagt, dass es hier an diesem
Ort keine Zeit gibt.“ Wolf ging zu Peter und nahm ihn beiseite. „Komm mit
mir kurz auf die Wiese hinaus.“ Peter folgte ihm. „Und nun denke an
irgendjemanden, den du gerne sehen würdest.“ Da schoss auf einmal
Leopold, der treue Hund von Peter, über die Wiese daher und begrüßte
seinen Herrn. Den Leopold gab es aber seit über einem Jahr nicht mehr.
Immer wieder hüpfte der Hund ihm zu und umkreiste ihn. Peter konnte es
kaum fassen und meinte, einem Trugschluss zum Opfer gefallen zu sein. Da
erblickten die beiden einen Mönch, welcher ebenfalls aus der kleinen
Seitentüre herausgetreten war und auf die beiden zukam. Ohne Wolfs Frage
abzuwarten, begrüßte er ihn mit den Worten: „Der Friede sei mit Euch“,
und zu Wolf gewandt: „Wir haben uns schon mehrere Male auf dem
Untersberg getroffen, bei verschiedenen Gelegenheiten.“ „Ich weiß“,
erwiderte Wolf, „hier bei euch gibt es keine Zeit und die Uhren zeigen
immer sieben an.“ Der Mönch lächelte und meinte: „Wen wollen Sie hier
oben sehen?“ Wolf musste unwillkürlich an den polnischen Mönch denken,
welcher schon vor drei Jahren verstorben war und den er vor Kurzem in der
Almbachklamm getroffen hatte. „Tatsächlich“, rief Wolf völlig erstaunt, als
er den Bruder Claudius vom Franziskanerkloster in Berchtesgaden
daherkommen sah. „Hakuna Matata“, begrüßte er Wolf, „so schnell sehen
wir uns wieder.“
In der Zwischenzeit kam auch Claudia wieder aus der Kathedrale. „Das
müssten alle unsere Freunde einmal sehen, dann würden die auch ein
komplett anderes Verständnis für den Begriff Zeit haben.“
„Ihr seid jederzeit willkommen und ihr wisst, wo wir zuhause sind“,
sprach der Mönch. „Aber es ist auch euer Zuhause.“
„Wenn das unser Pfarrer Schmatzberger aus Großgmain sehen könnte“,
sagte Peter, und schon wenige Augenblicke nach diesen Worten kam der
Großgmainer Pfarrer des Weges. „Ja“, meinte dieser, „das ist die zeitlose
Spiegelwelt des Untersberges.“ Der Mönch nickte ihm bestätigend zu.
Wolf fragte den Mönch, ob nicht eine dieser zwölf eisernen Türen in der
Kathedrale zur Wallfahrtskirche nach Großgmain führen würde. „Ja, so ist
es“, antwortete der Mönch, „jede dieser Türen führt zu einer der
Untersbergkirchen.“
„Wir sind zwar nicht von dort gekommen, aber könnten wir diese Türe
benützen, um in unsere Welt zurückzukehren?“, fragte
Wolf.
„Wie ihr wollt“, gab der Mönch zur Antwort, „aber nehmt, falls ihr
wiederkommt, beim nächsten Mal keine Waffen mit in unser Gotteshaus.“
Es war Wolf sichtlich peinlich, dass er mit einem Gewehr und einer
Pistole auf diesem geheiligten Boden herumlief. Er fragte den Kirchenmann
danach, welche der zwölf Türen es denn sei, die nach Großgmain in die
Marienkirche führen sollte. „Das ist die fünfte Türe von links, Wolfgang“,
hörte er Pfarrer Schmatzberger hinter sich sagen. „Was meint ihr?“ Fragend
blickte Wolf Peter und Claudia an. „Wollen wir nach Großgmain gehen?
Meinen Wagen können wir ja später in Maria Gern abholen. Dann können
wir Herbert, den Pfarrer von Großgmain, auch gleich mitnehmen.“
Der Mönch sah Wolf ernst an und meinte: „Nein, der Pfarrer kann nicht
mitkommen, der ist ja bereits in Großgmain, im Pfarrhof, denn dieser hier“,
er deutete dabei auf den Pfarrer Schmatzberger, „ist ja sein Pedant in der
Spiegelwelt des Untersberges. Hier sind alle zugegen, Verstorbene, Lebende
und auch Zukünftige. Vergesst nicht, hier existiert die Zeit nicht!“
„Aber wenn ihr nach Großgmain in die Marienkirche möchtet, dann
werde ich euch gerne das Tor öffnen.“ Er schritt zur fünften Eisentüre und
öffnete diese.
Claudia ging als Erste in den dunklen Raum, gefolgt von Peter. Wolf
winkte den in der Kirche Verbliebenen nochmals zu und schritt dann auch
durch das Tor. Im nächsten Moment standen alle drei hinter dem Altar der
Pfarrkirche von Großgmain. Erst als sie hervorgekommen waren,
realisierten die drei, was tatsächlich geschehen war. „Versteht ihr jetzt,
weshalb ich niemandem vom Eingang in diese Hologrammhöhle erzählt
habe?“, sagte Wolf zu Claudia und Peter.
„Sollen wir noch kurz zum Pfarrer Schmatzberger in den Pfarrhof gehen
und ihm von unserem Erlebnis berichten und dass wir ihn dort beim Kloster
getroffen haben?“, fragte Peter. „Ich glaube nicht, dass das so eine gute Idee
ist“, erwiderte Wolf. Er hat mir wohl schon einiges von dieser Spiegelwelt
erzählt, aber ob er dort schon selber gewesen ist? Zwar wäre das möglich,
aber ich denke, dass wir uns jetzt lieber ein Taxi rufen sollten und dann mit
Peters Wagen mein Auto in Maria Gern abholen.“ „Dann wickle aber dein
Gewehr in deine Jacke ein“, meinte Peter, „denn der Taxifahrer sollte das
nicht unbedingt sehen.“
Kapitel 17

Die Grafen von Plain

Es war zur selben Zeit, in welcher Ritter Hubertus mit seinen Tempelrittern
die Komturei oben am Ettenberg errichtet hatte. Auf der
gegenüberliegenden Seite des Untersberges nahe des Dorfes Großgmain
erhob sich damals eine mächtige Burg. Sie war die Stammburg der Grafen
von Plain und ist bis heute das Wahrzeichen von Großgmain. Die Burg
bekam auch den Spitznamen „Salzbüchsl“, das sollte zum einen an die
kastenartige Form erinnern, zum anderen daran, „dass die Plainer-Grafen
ihren Reichtum aus dem Salz aus Reichenhall bezogen haben“.
An diesem Platz befand sich bereits früher ein römisches Kastell. Auch ist
sicher, dass der Berg bereits um 1200 v. Chr. als Begräbnisstätte für die
Kelten gedient hat.
Nachdem der Tempelritter Hubertus Koch mit seinen Getreuen am
Untersberg im Jahr 1226 verschiedenste Offenbarungen der Göttin Isais
erhalten hatte, erfolgte ab 1227 die Verselbstständigung der Ritterschar um
den Komtur Koch innerhalb des Tempelritterordens. Es blieb aber die
Zugehörigkeit zum Templer-Orden bestehen. Ein paar Jahre später nannte
sich die Gemeinschaft „Die Herren vom Schwarzen Stein“ (DHvSS). Dies
dürfte jedoch erst nach der Übergabe des magischen schwarz-lila Steines
durch die Isais stattgefunden haben. Die Gemeinschaft um den Komtur
Koch – „Die Herren vom Schwarzen Stein“ – war wahrscheinlich nie recht
groß, aber gewann doch einigen Einfluss innerhalb des Templerordens.
Auch die Ordenskleidung wurde geändert. Statt der weißen Mäntel wurden
schwarze mit weiß umrandeten, roten Dornenkreuzen eingeführt. Etwa um
diese Zeit wurde auch die eigene Ordensfahne geschaffen. Sie zeigte den
silbernen „Isais-Blitz“ auf schwarzem und violettem Grund. Darüber hinaus
wurde ein besonderes Siegel geschaffen, das einen Doppeladler mit dem
Isais-Wappen auf der Brust zeigte. Wahrscheinlich eine Versinnbildlichung
des Anspruchs auf das deutsch-römische Kaisertum im kommenden „neuen
goldenen Zeitalter“.
Es gab Anhängerschaft nicht bloß im gesamten deutschen und
österreichischen Raum, sondern auch in Ost- und Nordfrankreich, in
England und Irland, in Norwegen und Schweden, in Genua und Venedig.
Das zentrale Geheimnis der Herren vom Schwarzen Stein war ein magisch-
mächtiger schwarz-violetter Stein, den die Göttin Isais ihren Rittern mit der
Anweisung übergeben hatte, ihn im Massiv des Untersberges zu verstecken.
Von dort aus soll dieser Stein nach der Gesetzmäßigkeit der Affinität von
Schwingungen den „Ilu-Strahl“ des neuen goldenen Weltzeitalters anziehen
und somit bewirken, dass von diesem Punkte aus das neue, tausendjährige
Reich des Friedens aufgehe. Das Ziel war eine Erneuerung des deutsch-
römischen Kaiserreichs in der heutigen Gegenwart. Hier schließt sich der
Kreis zum Christentum, denn nach urchristlichen Überlieferungen hat
Christus germanischen Legionären, die in römischen Diensten in Palästina
waren und seinen Worten lauschten, offenbart, ihr Volk werde es sein, dass
die Früchte des Reiches Gottes auf Erden hervorbringen werde. Außer dem
„Schwarzen Stein“ überbrachte die Göttin Isais noch zwei andere
bedeutsame Gegenstände. Da ist zunächst der Spiegel der Istara. Er verleiht
die Fähigkeit, durch die Diesseits-Jenseits Grenze schauen zu können.
Darüber hinaus brachte sie die Spitze des Speers Odins, der zu einem Dolch
umgearbeitet wurde. Er verleiht die Fähigkeit, die Diesseits-Jenseits Grenze
durchschreiten zu können. Ferner übergab Isais den Rittern die langen
Haare, die sie sich abgeschnitten hatte. In diese gehüllt liegt der schwarze
Stein. Nach magischer Auffassung können Haare wie „Antennen“ gewertet
werden, die zu empfangen und zu senden vermögen. All dies zusammen
bedeutet die Kraft der Wegbereitung in das neue Weltzeitalter und die
Macht, die Geschicke dieser Welt zu lenken.
Zwar blieb Christus anerkannt der höchste Gott und doch dürfte die
unmittelbare Glaubenswelt bald voll und ganz auf Isais ausgerichtet
gewesen sein.
Es finden sich nach etwa 1240 keine Spuren der „Gemeinschaft vom
schwarzen Stein“ mehr, wie sich der Orden mit der Aufnahme auch
weiblicher Mitglieder zuletzt nannte. Vermutlich gingen die Herren vom
Schwarzen Stein später in der Erbengemeinschaft der Tempelherren oder in
anderen Isais-Geheimbünden auf und existieren bis heute fort.
1674 erhielt das Tor der Plainburg zwischen innerem und äußerem
Burghof sein heutiges gotisches Aussehen. Das Wappen – welches über
eben diesem Tor angebracht ist – stammt von Erzbischof Max Gandolf von
Kuenburg, dem elenden Kinderverbrenner.
In den 1970er-Jahren wurde bei baulichen Sicherungsarbeiten am Torhaus
das oberste Stockwerk abgetragen, hierbei entdeckte man das eingemauerte
Skelett eines Kindes. Der Skelettfund überschneidet sich mit einer alten
Überlieferung. Freilich muss diese Sage nicht in unbedingt in
Zusammenhang mit dem tatsächlich eingemauerten Kind stehen, Bauopfer
waren nämlich im Mittelalter und der frühen Neuzeit nicht ungewöhnlich.
Die Sage erzählt von einem frühen Plain-Grafen, dem ein Kind geraubt
wurde. Bei einer Einladung durch einen anderen Grafen wurde ihm
schließlich sein totes Kind zum Schmaus vorgesetzt – der Graf erkannte es
als sein eigenes und ließ es in der Plainburg einmauern.
Kapitel 18

Das Geschenk vom „Satorinchen“

In einer E-Mail wurde Wolf mitgeteilt, dass er Ingrid seine Postadresse


zusenden solle. Sie möchte ihm etwas schenken. Ingrid, welche Wolf schon
seit vielen Jahren kannte, wohnte am Stadtrand von Graz und beschäftigte
sich mit Feng-Shui. Sie war in Kapstadt geboren und hieß mit
Familiennamen Sator. Wolf nannte sie daher Satorinchen.
Schon nach wenigen Tagen erhielt er von ihr einen dicken Briefumschlag,
in welchem sich ein Edelstahl-Anhänger befand. Das Stück hatte einen
Durchmesser von etwa vierzig Millimetern. Darauf war mittels
Lasertechnik das Sator-Quadrat eingraviert. Auf der Rückseite war
ebenfalls mittels Laser eine eigenartige Kombination von verschiedenen
Linien angebracht. Dieses Amulett hing an einem Kautschukband und sollte
Gesundheit versprechen. Er zeigte es am nächsten Tag Claudia. „Ja“,
meinte diese, „es ist sehr schön gefertigt, aber ob das tatsächlich für die
Gesundheit gut sein soll?“ „Weißt du“, gab ihr Wolf zur Antwort, „das
Sator-Quadrat war doch seit fast zweitausend Jahren ein magisches
Schutzsymbol, welches gegen alle möglichen Gefahren verwendet wurde.
Ich könnte mir da schon vorstellen, dass es schon allein aus diesem Grunde
eine bestimmte Wirkung zeigen könnte.“
„Du meinst also deshalb, weil schon seit sehr langer Zeit Menschen an die
Kraft dieses Schutzsymbols geglaubt haben?“, fragte die junge Frau.
„Genau“, antwortete Wolf, „so, wie in den Wallfahrtsorten zuweilen
Wunder geschehen, nur weil dort so viele Leute daran glauben.
So wie es auch Becker gesagt hat, als er über die Kraft gesprochen hat,
welche vom Untersberg ausgehen soll. Er nannte es das morphogenetische
Feld, das immer stärker wird, je mehr Menschen sich mit dem Mysterium
dieses Berges beschäftigen.“
„Nun“, meinte Claudia, „dann solltest du es in Ehren halten. Es kommt ja
schließlich vom Satorinchen.“
Kapitel 19

Der Angriff auf den Obersalzberg

Sophie und Theresa, zwei ältere Damen aus Berlin, hatten einen
Osterurlaub im Berchtesgadener Land geplant. Der Königsee und der
geheimnisumrankte Untersberg sowie auch ein Besuch der nahegelegenen
Stadt Salzburg sollten zu ihren Zielen gehören. Die beiden waren noch nie
in dieser Gegend gewesen und darum wollten sie sich auch in einer kleinen
Pension direkt am Obersalzberg einmieten, sodass sie auch etwas Höhenluft
schnuppern konnten. Es war ein kleines Gästehaus mit nur wenigen
Fremdenzimmern. Am Tage ihrer Ankunft wurden sie vom Besitzer des
Hauses davon unterrichtet, dass sich der Angriff der Alliierten zufällig auf
den Tag genau zum zweiundsiebzigsten Mal jährte. Sein Großvater hätte
dieses Bombardement damals hautnah in diesem Haus miterlebt und es
glich einem Wunder, dass er dabei nicht umgekommen war. „Es waren 360
britische Lancester-Bomber, welche den Obersalzberg in Schutt und Asche
legten. Der Himmel verdunkelte sich, als die Flugzeuge daherkamen“, hatte
sein Opa erzählt. „Angeblich konnte die deutsche Flugabwehr nur drei der
todbringenden Maschinen abschießen. Ein Lancester-Bomber wurde von
einer Flak-Batterie am nahen Rossfeld getroffen. Es gelang dem Piloten
zwar noch, die Maschine über das dahinterliegende Salzachtal zu steuern,
dann krachte das Flugzeug aber in den Berg über der kleinen
österreichischen Gemeinde Adnet, wo es explodierte.
Da gibt es noch eine Kuriosität am Rande: Ein Bewohner dieses Dorfes,
der schon als kleiner Junge in den Wäldern dort herumstreifte und die Reste
der abgestürzten Maschine fand, fühlte sich dazu berufen, der Besatzung
des abgeschossenen Feindflugzeuges ein Denkmal zu errichten. Dieses
wurde vor wenigen Jahren im Beisein von hochrangigen britischen Militärs
eingeweiht. Auch eine Fliegerstaffel des österreichischen Bundesheeres flog
zum Salut über die Absturzstelle. Weshalb dieser Mann das tat, entzieht sich
meiner Kenntnis. Waren es doch im Großen und Ganzen dieselben Piloten,
durch deren Einsätze die Zivilbevölkerung in Dresden, Aachen und
sonstigen großen deutschen Städten auf grausamste Weise ums Leben
gekommen war.
Es war eben Krieg, aber den damaligen Gegner posthum dann noch zu
verherrlichen? Ich verstehe das nicht ganz. Ich glaube kaum, dass die
Engländer einem abgeschossenen deutschen Bomberpiloten, der in ihrer
Heimat seine tödliche Fracht abgeworfen hatte, heutzutage mit einem
Denkmal ehren würden.“ Der Pensionsbesitzer zuckte mit seinen Achseln.
„Aber wie gesagt, Geschichte schreiben immer die Sieger.“
Am späten Abend, als die beiden Damen ihr Zimmer aufgesucht hatten
und gerade schlafen gehen wollten, hörten sie von draußen ein tiefes
Brummen, das immer stärker wurde. Theresa öffnete das Fenster, worauf
das Dröhnen noch lauter zu hören war. Dann zuckten rötliche Blitze oben
im Wald des Obersalzberges empor und Explosionen waren zu hören. Die
beiden Frauen wagten es nicht, den Pensionsbesitzer zu wecken. Ängstlich
saßen sie auf den Betten und wagten sich kaum zu rühren. Das Inferno
wurde immer lauter und sie fürchteten um ihr Leben. Es folgten ohne
Unterbrechung pausenlos Explosionen, welche scheinbar stundenlang
anhielten.
Schließlich schliefen die beiden Frauen dann letztendlich vor Erschöpfung
ein. Als sie am nächsten Morgen spät zum Frühstück erschienen, sah ihnen
der Wirt schon an, dass irgendetwas geschehen sein musste. Als die beiden
Damen dann zögerlich von ihrem nächtlichen Erlebnis berichteten, meinte
dieser: „Ja, so etwas haben wir in den vergangenen Jahrzehnten schon öfters
gehabt. Da berichteten Gäste von einem nächtlichen Bombardement. Wir
hielten das anfangs immer für überreizte Gemüter dieser Leute, welche
vorwiegend aus dem Flachland hier heraufkamen und vermutlich tat der
Höhenunterschied ein Übriges. Aber dann fiel auf, dass sich solche
Wahrnehmungen von Gästen meist genau am Jahrestag des Angriffes der
Alliierten auf den Obersalzberg zutrugen.“
„Da war also letzte Nacht in Wirklichkeit gar nichts? Haben wir uns das
nur eingebildet? Vielleicht deshalb, weil Sie uns gestern von diesem Angriff
erzählt haben?“, fragte Sophie.
„Freilich wäre das eine Möglichkeit“, erwiderte der Pensionsinhaber,
„aber Sie haben diese Wahrnehmung ja beide gehabt und das ist sehr
ungewöhnlich. Ich vermute eher, dass ihr zwei eben sehr feinfühlig seid.“
„Meinen Sie?“, fragte Theresa. „Ich denke schon“, antwortete der Mann,
„die anderen Gäste, die so etwas vor Jahren auch schon erlebt hatten, waren
meiner Meinung nach auch sehr sensitiv veranlagt.“
Am darauffolgenden Tag fuhren die Damen mit der Seilbahn auf den
Untersberg hinauf. Es war ein Tag mit herrlichem Wetter und die zwei
genossen die Aussicht auf die Umgebung. Auf dem Berg lag zwar noch
etwas Schnee, aber der Weg zur Hochalm war bereits frei und ohne
Weiteres begehbar. Dort angekommen, setzten sich die beiden Damen an
einen Tisch und bestellten sich etwas zu trinken, als ein Mann in mittleren
Jahren auftauchte und fragte, ob er sich dazusetzen könne. „Gerne“,
antwortete Theresia.
Der Mann, welcher etwas altertümlich gekleidet war, begann den Frauen
vom Berg zu erzählen. „Hier am Untersberg gibt es einige Anomalien, hier
verschwinden bisweilen Menschen und tauchen später wieder auf. Das kann
Stunden oder auch Monate dauern. Manche verschwinden für immer.
Auch zieht dieser Berg jedes Jahr Selbstmörder an, welche sich gleich
neben dem Geiereck in der Nähe der Bergstation der Seilbahn in die Tiefe
stürzen.“ „Also das finde ich echt unheimlich, was Sie uns da erzählen“,
antwortete Sophie, „da kann man sich ja wirklich fürchten.“ Der Fremde
lächelte und meinte: „Zum Fürchten ist es zwar nicht, man sollte aber
trotzdem vorsichtig sein, hier ist alles eben ein wenig anders.“ Den Damen
fiel dabei gar nicht auf, dass sich dieser Mann gar nichts bestellt hatte,
sondern einfach nur bei ihnen am Tisch saß. Und dann geschah das
Unglaubliche. Die beiden Frauen drehten sich nur einen Augenblick weg,
um nach der Bedienung zu rufen, da war der Mann, welcher bei ihnen am
Tisch gesessen hatte, verschwunden.
Etwas verstört gingen die zwei dann wieder zurück zur Bergstation. Sie
sprachen kein Wort über das Verschwinden des Fremden. Sie waren die
einzigen Passagiere in der Gondel und sogar dem Wagenbegleiter fielen die
verdutzten Gesichter der beiden Damen auf. Er fragte: „Ist alles in Ordnung
bei Ihnen? Sie sehen ja aus, als hätten Sie einen Geist gesehen!“
Sophie und Theresa erzählten dem Wagenbegleiter dann von ihrem
Erlebnis. Sie meinten schon, dass dieser nun in lautes Gelächter ausbrechen
würde, aber das Gegenteil war der Fall. Der Mann ließ sich den Fremden
genau beschreiben und meinte dann: „So etwas Ähnliches habe ich schon
einige Male gehört. Ich kann es mir zwar auch nicht erklären, aber hier auf
diesem Berg geht es bisweilen doch ziemlich seltsam zu. Dann passiert
wieder ein Jahr lang gar nichts und plötzlich hört man wieder so eine
Begebenheit.“
Als die beiden Damen am Abend dem Pensionsbesitzer am Obersalzberg
ihr Erlebnis geschildert hatten, sagte dieser zu ihnen: „Ich vermute eher,
dass das mit Ihrer Sensitivität zu tun hat. Sie beide reagieren sehr
empfindlich auf sogenannte übernatürliche Phänomen und der Untersberg
scheint voll davon zu sein.“
Kapitel 20

Ein Männlein steht im Walde

Es geschah im Sommer des Jahres 1690, als die beiden Kinder des
Moosbauern in den Untersbergwald gingen, um Pilze zu sammeln. Der
Moosbauernhof lag am Rande des großen Moores vor den Toren Salzburgs.
Es war damals eine schwierige Zeit, in welcher die verbliebene Ernte für
die meisten Bauern nur knapp zum Überleben reichte. Ein großer Teil
musste den allmächtigen Erzbischöfen abgeliefert werden. Gottlob war der
berüchtigte Erzbischof Max Gandolf von Kuenburg einige Jahre zuvor von
einer schweren Krankheit hinweggerafft worden. Hatte dieser doch viele
Leuten das Leben gekostet. Vornehmlich Kinder waren es, welche dieser
Kirchenfürst der Hexerei bezichtigte und in den Kerker werfen ließ. Unter
fürchterlichen Folterqualen gestanden diese armen Jugendlichen dann alles,
was man von ihnen hören wollte. Was dann folgte, waren grausame
Hinrichtungen der Betreffenden. Aber mit dem Tod von Gandolf war es
noch nicht vorbei. Auch sein Nachfolger ließ reihenweise Kinder, welche in
den Straßen der Stadt bettelten, als Hexen und Zauberer verbrennen.
Deshalb vermied es der Moosbauer, seine beiden Kinder auch nur in die
unmittelbare Nähe der Stadttore von Salzburg gehen zu lassen.
Dies war auch der Grund dafür, dass die zwei im Sommer Pilze sammeln
mussten, welche dann für den Winter getrocknet wurden.
Auch dieses Mal, an einem warmen Herbsttag, machten sich die Kinder
mit ihren Körben auf den Weg in den Untersbergwald. Dieser Wald am
Fuße des hohen Berges war ihnen gut bekannt und sie wussten auch um die
besten Stellen, an denen sie Steinpilze finden konnten.
Dieses Mal hatten sie Glück und ihre Körbe waren bereits randvoll, als sie
die Glocken der nahen Kirche vom Dorf Großgmain hörten. „Lass uns eine
Pause machen, Resi“, sagte ihr Bruder Jakob, „hier ist eine schöne, trockene
Lichtung, auf der wir uns ein wenig ausruhen können, bevor wir wieder
zurück zum Hof gehen.“
Sie stellten ihre Körbe ab und legten sich auf das Moos. Resi hatte zuvor
am Waldrand noch ein paar Beeren gepflückt, welche sie mit ihrem Bruder
teilte. Dann schliefen die beiden kurz ein. Sie durften nicht lange geschlafen
haben, als sie ein kühler Wind weckte. „Wir sollten rasch nach Hause
gehen“, meinte Resi mit einem Blick nach oben, „nicht, dass ein Unwetter
aufzieht.“ Es ist ja plötzlich viel kühler geworden und Wolken waren auch
zu sehen. Sie waren ziemlich hoch in den Wald hinaufgegangen und hatten
noch gut eine Stunde zurück zum Bauernhof zu gehen. „Was ist das?“, rief
Jakob erschrocken seiner Schwester zu und deutete dabei auf ein
dunkelgraues Band, welches sich durch den Wald zog.
„Hier war doch der Weg nach Großgmain?“ „Ja, aber es sieht so aus, als
wäre der Weg mit einer Schicht gepflastert, aber man sieht keine Steine.“
Jetzt waren sie an der Stelle angelangt und betasteten den grauen Belag
auf dem Weg. Verwundert gingen sie durch den Bergwald weiter ins Tal
hinunter, als sie plötzlich einen eisernen Zaun aus Draht erreichten. „Hier
war doch noch nie ein Zaun!“, meinte Jakob. Seine Schwester zeigte
aufgeregt auf die andere Seite der Absperrung: „Schau, da drüben ist ein
Haus.“ Ihr Bruder erwiderte: „Das kann ja gar nicht sein, hier im Wald gibt
es keine Häuser.“
Jakob half seiner Schwester über den Zaun und kletterte dann hinterher.
„Vielleicht haben wir uns verirrt und sind vom Weg abgekommen?“,
fragte Resi. „Wie sollte das sein, wir sind doch schon seit unserer Kindheit
hier im Wald Pilze suchen gewesen und noch nie haben wir uns verirrt“,
erwiderte Jakob, während sie sich dem kleinen alten Haus näherten. Es war
eine Mühle. Das Mühlrad drehte sich mit knarrendem Geräusch und das
Wasser, welches über eine hölzerne Rinne zugeleitet wurde, rann
plätschernd hinunter.
Obwohl die Mühle in Betrieb war, konnten sie niemanden sehen. Sie
klopften an die schwere Holztür, aber da war kein Mensch. Die Müllerstube
war aufgeräumt, aber auch auf ihr Rufen rührte sich niemand. „Komm, lass
uns gehen“, sagte Resi, „mir ist das unheimlich. Eine Mühle, die läuft, aber
wo keiner da ist.“
Ein schön ausgetretener Weg, dem die beiden folgten, führte von der
Mühle weg. Von weitem sahen sie etwas Rauch zwischen den Bäumen
aufsteigen und hörten die Hammerschläge eines Schmiedes. Sie verließen
den Weg und liefen quer durchs Dickicht direkt darauf zu. Dann sahen sie
auch schon die Schmiedewerkstatt am Waldrand. „Hier bei uns hat es doch
noch nie eine Schmiede gegeben“, wunderte sich Resi. Jakob nahm seine
Schwester bei der Hand und zog sie zum Eingang der Werkstatt. Vor dem
Amboss stand der Meister mit seinem Lederschurz. Er schwang den
schweren Hammer und schlug auf das glühende Eisen, welches er gerade
aus der Esse genommen hatte. „Komm, wir fragen den Meister, vielleicht
kann er uns sagen, wo wir hier sind.“
Als der Schmied die beiden Kinder bemerkte, ließ er seinen Hammer
sinken und hielt inne. „Wo kommt ihr denn her?“ Und als er ihre randvollen
Körbe voller Steinpilze sah, meinte er: „So viele Pilze dürft ihr aber gar
nicht pflücken, pro Person und Tag sind doch nur zwei Kilogramm erlaubt,
wisst ihr das nicht?“ Jakob schaute zu seiner Schwester und sagte: „Wir
sammeln immer so lange, bis unsere Körbe voll sind und wir kommen oben
vom Untersbergwald. Wir sind gerade auf dem Heimweg zu unserem
Bauernhof und haben uns verlaufen.“
Der Schmied musterte die beiden Kinder mit ihrer altertümlichen Tracht
und meinte: „Ich habe euch für Statisten hier im Freilichtmuseum gehalten,
ihr habt ja eine absolut authentische Tracht an, so wie man sie vor über
dreihundert Jahren getragen hat.“ „Was sind ‚Statisten‘“, fragte Resi etwas
schüchtern den Schmied, welcher auf diese Frage gar nicht eingehen wollte,
sondern eine Gegenfrage stellte: „Wo ist denn euer Bauernhof?“
„Der müsste eigentlich hier in der Nähe sein“, antwortete Jakob. „Kennen
Sie den Moosbauernhof nicht?“
„Nein, noch nie gehört“, war die knappe Antwort des Meisters.
Der Schmied, welcher immer noch der Überzeugung war, dass ihm die
beiden einen Streich spielen würden, erklärte ihnen den Weg zum Eingang
des Freilichtmuseums. „Vielleicht kann euch dort jemand weiterhelfen.“
Dann machte er sich wieder an seine Arbeit und schüttete etwas Holzkohle
in die Esse. Jakob fielen die alten Messer auf, welche vom Schmied
angefertigt auf einem Tisch vor der Werkstatt lagen. Sein Vater, der
Moosbauer, hatte auch so etwas zuhause. Man konnte damit nicht nur
Gemüse schneiden, sondern auch die dünnen Äste abhacken, aus denen ihre
Mutter die Weidenkörbe flocht. Das Messer steckte in einer Scheide aus
rauem Leder. Jakob hatte das Messer seines Vaters dabei, um Weidenruten
zu schneiden, falls sie brauchbare finden würden. Er wollte es aber dem
Schmied nicht zeigen, da er Angst hatte, dass er es ihm wegnehmen könnte.
Jakob und Resi machten sich auf den Weg. Da begegneten ihnen Leute,
die völlig andere Kleidung trugen. So etwas hatten sie noch nie gesehen.
„Wo sind wir hier eigentlich?“, fragte Resi ihren Bruder ängstlich.
„Wenn ich das wüsste“, gab dieser zur Antwort. „Das hier sieht alles so
anders aus und dann noch diese seltsam gekleideten Menschen.“
Plötzlich hörten die beiden ein tiefes Brummen und sahen auf der Wiese
eiserne Stangen liegen, die miteinander verbunden waren. Da kam zwischen
den Bäumen ein eiserner Wagen hervor, der sich von selbst bewegte und an
dem drei kutschenähnliche Wagen angehängt waren. Brummend zog das
Ungetüm die leichte Steigung hinauf. Ein eigenartiger Geruch ging von
diesem Gefährt hervor. In den Wagen saßen Leute, die genauso wie die
anderen zuvor eine ganz merkwürdige Kleidung trugen. Sie sahen auf dem
Weg zum Museumseingang noch viele Bauernhöfe und sogar ein kleines
Kirchlein. Überall auf den Wegen waren zuweilen diese seltsam gekleideten
Leute zu sehen. Sie hielten das Ganze für ein großes, eingezäuntes Dorf.
Dann erreichten die beiden den Eingang des Freilichtmuseums. Der Mann
an der Kassa staunte nicht schlecht, als er die seltsam gekleideten
Jugendlichen sah. Ihr Gewand passte perfekt ins siebzehnte Jahrhundert.
„Wer hat euch dieses Outfit verpasst?“, fragte der Angestellte. Die zwei
verstanden den Ausdruck „Outfit“ nicht und Jakob erkundigte sich bei dem
Mann nur nach dem Weg zum Moosbauernhof.
Der Angestellte wusste es nicht und fragte daher seinen Chef. „Christian,
hast du schon einmal vom Moosbauernhof gehört? Der soll angeblich ganz
in der Nähe sein.“
Christian, welcher der Baumeister dieses Museums war, schaltete eine den
beiden gänzlich fremde Maschine ein und sagte dann zu ihnen: „Einen
Moosbauernhof hat es tatsächlich bis vor zweihundert Jahren hier ganz in
der Nähe gegeben. Der ist Ende des neunzehnten Jahrhunderts abgebrannt
und nicht wiederaufgebaut worden.“ Die beiden Kinder schauten sich
bestürzt an. Ihr Zuhause sollte abgebrannt sein? Christian musterte noch die
Körbe der beiden und fragte: „Wo habt ihr denn diese schönen Weidenkörbe
her? Die sehen aus, als wären sie vor ein paar hundert Jahren gemacht
worden.“ „Die macht unsere Mutter immer, manchmal verkauft sie auch
welche am Markt in Salzburg.“ Christian reichte Jakob ein Stück Papier und
meinte: „Hier steht meine Telefonnummer drauf, eure Mutter soll sich bei
mir melden, solche schönen, handgemachten Weidenkörbe können wir hier
im Museum gut gebrauchen. Sie sehen so authentisch aus.“
„Was ist ein ‚Telefon‘“?, fragte Resi ihren Bruder, der nur mit den
Achseln zuckte. „Ich weiß nicht, was mit uns geschehen ist, hier ist alles so
anders.“
Sie stellten ihre Körbe auf den Boden und setzten sich auf eine Bank. Resi
begann zu weinen.
„Wo habt ihr denn die schönen Steinpilze gefunden?“, fragte sie ein
Mann, welcher plötzlich hinter ihnen stand. Jakob antwortete: „Oben im
Untersbergwald, da gibt es einige Stellen mit vielen Pilzen.“
Der Fremde nahm einen Steinpilz aus Jakobs Korb und drehte ihn in
seiner Hand. „Wenn du mir die Stelle zeigen könntest, würde ich dir eine
Belohnung geben.“
„Belohnung brauch ich keine“, antwortete Jakob, „mir wäre es lieber,
wenn Sie uns zu unserem Bauernhof führen könnten.“ „Das kann ich gerne
versuchen“, meinte der Mann, „so weit wird das doch nicht sein?“
„Es müsste hier ganz in der Nähe sein, wir haben uns im Wald verlaufen.“
„Wir gehen einfach den Weg zurück zur Schmiede im Wald und dann
weiter zu der kleinen Mühle. Dann klettern wir über den Zaun und gehen
einfach immer den Wald hoch. Da müssten wir dann zur Lichtung gelangen,
wo wir eingeschlafen sind. Sie gehen mit uns und dann zeigen wir Ihnen
den Platz, wo die Steinpilze wachsen.“
Der Mann ging mit den beiden durch das Freilichtmuseum bis sie an der
Schmiede angelangt waren. Von dort führten ihn die beiden dann durch das
Dickicht zur alten Mühle. Als sie beim Zaun angelangt waren, half Jakob
seiner Schwester wieder beim Hinüberklettern und auch der Mann folgte
ihnen. „Ihr seid im Untersbergwald eingeschlafen?“, fragte er Jakob. „Ja,
aber nur ganz kurz“, gab dieser zur Antwort. „Ein kühler Wind hat uns
geweckt.“
Der Fremde, welcher kein anderer war als Peter, ein Mitglied vom
Isaisring, war hellhörig geworden, als er diese Worte von Jakob hörte. Peter
wusste ja schon lange, dass bisweilen Zeitphänomene gerade in dieser
Gegend am Fuße des Untersberges auftraten. Besonders dann, wenn sich
Menschen auf den Boden legten.
In vielen Sagen wurde doch erzählt, dass Menschen, welche sich in dieser
Gegend ins Gras gelegt hatten und eingeschlafen waren, erst nach vielen
Jahren wieder auftauchten oder gar für immer verschollen blieben.
Er war sich mittlerweile sicher, dass die beiden in ein solches Zeitloch
geraten waren und daher aus einer fernen Vergangenheit gekommen sein
mussten.
„Ich glaube, ich weiß, wie ihr wieder nach Hause kommen werdet“, sagte
er zu den zweien. Nach einer Weile überquerten sie die Römerstraße und
erreichten schließlich die kleine Lichtung im Hochwald. „Hier sind wir
eingeschlafen“, sagte Resi und deutete auf die Moospolster, wo noch ein
Steinpilz lag, welcher aus einem der Körbe gefallen sein musste.
„Legt euch hin und versucht einzuschlafen“, sagte Peter.
„Aber“, unterbrach ihn Jakob, „wir wollten doch heim zu unserem Hof.
Wieso sollen wir schlafen?“ „Tut einfach, was ich euch sage“, erwiderte
Peter. „Das ist der einzige Weg zu eurem Bauernhof. Aber darf ich mir
einen Steinpilz aus deinem Korb nehmen?“
Jakob nickte nur und die zwei Kinder legten sich auf die
moosdurchzogene Wiese. Peter suchte sich einen großen Steinpilz aus
Jakobs Korb aus. Jakob entdeckte eine Staude mit vielen Weidenruten am
Waldrand. Davon wollte er seiner Mutter noch einen Bund bringen. Er zog
also das geschwungene Messer hervor und schnitt rasch ein Bündel von den
dünnen Weidenästen ab. Peter staunte, als er das altertümliche Messer sah.
Hatte er doch zuhause eine ansehnliche Sammlung von Messern und
Dolchen. Dann ging er etwas in den Wald, um zu sehen, ob hier tatsächlich
Steinpilze zu finden waren. Er hatte doch noch nie hier im Untersbergwald
solche Pilze gefunden. Wahrscheinlich lag das an der
Umweltverschmutzung durch die naheliegende Autobahn. Aber vor
dreihundert Jahren könnte es durchaus anders gewesen sein. Er schaute
noch kurz nach den Kindern, welche mittlerweile vor Erschöpfung
eingeschlafen waren. Als er nach einer Viertelstunde nochmals nachsehen
wollte, war von Jakob und Resi nichts mehr zu sehen. Peter stand nun ganz
alleine auf der Lichtung im Untersbergwald. In seiner Rechten hielt er den
Steinpilz von Jakob. Er schaute ihn an und wusste, dass es ein besonderer
Pilz war. Ein Steinpilz, der vor Jahrhunderten gepflückt worden war. Direkt
neben der Stelle, an der sich die beiden Kinder hingelegt hatten, lag das
Messer von Jakob. Er musste es vergessen haben. Peter hob es beinahe
ehrfurchtsvoll auf. Er würde es seiner Sammlung hinzufügen.
Als Jakob und Resi wieder erwachten, begann es bereits dämmrig zu
werden. Sie liefen den Wald hinunter, überquerten den schmalen Weg,
welcher nach Großgmain führte, und erreichten schließlich den elterlichen
Hof. „Wo wart ihr denn so lange?“, fragte der Vater „Wir haben uns schon
Sorgen um euch gemacht.“ Jakob wusste genau, dass er das, was sie an
diesem Tage erlebt hatten, niemandem erzählen konnte. „Wir mussten
diesmal recht lange suchen, aber dafür haben wir zwei Körbe mit den
schönsten Steinpilzen gebracht.“ Der Bauer lachte und gab sich mit der
Antwort seines Sohnes zufrieden. Jakob aber war seit diesem Tage Zeit
seines Lebens immer sehr vorsichtig beim Einheizen des Herdes. In
zweihundert Jahren würde ja der Bauernhof durch ein Feuer zerstört
werden, meinte er.
Peter zeigte, als er wieder zuhause war, den schönen Pilz aus der
Vergangenheit seiner Frau. „So etwas hast du sicher noch nie gesehen“,
lachte er und gab ihr den Steinpilz. „Den braten wir uns heute, der ist schon
dreihundert Jahre alt.“
Schließlich zeigte er ihr auch das Messer von Jakob, was sie vollends
verwirrte.
Dann versuchte er, seiner Frau die Geschichte zu erzählen. „Ich weiß, es
ist schwierig, so etwas zu glauben, wenn du es nicht selbst erlebt hast. Aber
von den Zeitphänomenen hast du ja auch schon gehört. Um so etwas hat es
sich mit Sicherheit gehandelt.“
Kapitel 21

Das 10-KV-Kabel auf den Untersberg

Die Bergstation auf dem Untersberg samt den dort befindlichen


Antennenanlagen für Post und Rundfunk erhielt im Sommer 2015 eine neue
Stromzufuhr. Zehntausend Volt sollten es sein, welche mittels eines
Erdkabels auf den Berg geleitet würden. Die Trasse ging vom Ortsteil
Fürstenbrunn über Abschnitte der Skiabfahrt und zum Teil sogar über
deutsches Gebiet bis hinauf auf das Geiereck. Es waren ungefähr 5,5
Kilometer, auf welchen mit einem Spezialbagger mit angebautem Fräsrad
eine tiefe, breite Rinne gemacht wurde. Auf diese Art und Weise konnte auf
Sprengungen verzichtet werden und der Bau ging außerdem schneller
vonstatten. Wolf kannte den leitenden Projektführer von der Salzburger
Energiegesellschaft und traf sich mit ihm öfters in einem Gasthof in
Fürstenbrunn. Josef, so hieß der Mann, zeigte Wolf auch die Pläne der
Kabeltrassen. Was mit dem Strom oben am Berg alles versorgt werden
sollte, wollte oder konnte ihm Josef nicht sagen. Jedenfalls kam es vielen
Leuten einfach übertrieben vor, eine solch starke Leitung zu verlegen. Aber
vielleicht war es einfach nur eine Investition in die Zukunft.
Möglicherweise war schon der Plan eines Hotels auf dem Gipfel des
Untersberges in der Schublade eines Politikers oder Investors. Gerüchte in
diese Richtung gab es ja genügend. Aber möglicherweise war es auch etwas
ganz anderes, was so einen immensen Strombedarf erklären konnte. Hier
war wieder einmal der Illuminat Becker gefragt. Wolf hoffte, von ihm etwas
erfahren zu können.
Aber zuvor wollte er sein neues Ortungsgerät aus Singapur testen. Dieses
Erdkabel war in der Bauphase ein ideales Objekt dazu. Die gefräste Rille im
Boden war ja noch zu sehen. Kurzerhand holte er Claudia ab und die beiden
ließen ihren Wagen auf dem kleinen Parkplatz unter dem Beginn des
Weinsteiges, welcher zugleich das Ende der Skiabfahrt vom Untersberg
war, stehen. „Mit diesem kleinen Gerät willst du in über einem Meter Tiefe
das Kabel orten?“, fragte Claudia.
„Ja so heißt es in der Beschreibung“, antwortete Wolf. „Wir werden das
an einigen Stellen versuchen und diese Punkte dann mit dem GPS genau
markieren. So können wir später, wenn die Gräben wieder zugeschüttet
worden sind, nochmals versuchen, ob das Gerät auch dann noch etwas
anzeigt.“
Als Wolf das Messgerät einschaltete und es über die gefräste Rille halten
wollte, schlug es bereits aus. Er dachte an eine Fehlfunktion und ging einige
Schritte zurück. Doch auch jetzt erfolgte wieder ein Ausschlag in derselben
Intensität. Dann fiel ihm ein, dass er ja vor Jahren zwei künstliche
Titankniegelenke bekommen hatte. Also musste Claudia das Gerät in die
Hand nehmen. Aber auch bei ihr zeigte es einen Ausschlag an, wenngleich
auch geringer. „Zieh deine Schuhe aus und geh barfuß“, sagte Wolf, „da ist
sicher auch Metall drinnen.“ Nachdem sie ihre Bergschuhe ausgezogen
hatte, ging Claudia zu dem Graben und tatsächlich war dann eine Anzeige
zu sehen, welche sogar auf die Tiefe des Erdkabels schließen ließ. Claudia
markierte anschließend die einzelnen Messpunkte mit dem GPS und
speicherte sie ab. Als sie auf diese Weise fast bis in die Hälfte des
Weinsteiges hinaufgegangen waren, meinte Wolf: „Ja, und in einigen
Monaten, dann kommen wir noch einmal hierher und kontrollieren das.“
Da hörten sie ein dumpfes Brummen vom Berg her. Claudia deutete
aufgeregt nach oben zur nächsten Kehre des Weinsteigs. „Schau, da kommt
ein Panzer!“ Wolf musste lachen, es war ein kleines, raupenbetriebenes
Fahrzeug für vier Personen, welches vom Berg herunterfuhr. „Weißt du
eigentlich, dass man bis zur Bergstation mit einem geländegängigen
Fahrzeug hinauffahren kann? Ein Grundbesitzer hat das auch schon mit
seinem Jeep gemacht. Im Sommer dürfte das kein Problem sein.“ Claudia
war sichtlich beruhigt. Hatte sie doch tatsächlich an ein Gefährt des
Generals gedacht, als sie das braune Baustellenfahrzeug gesehen hatte.
Als drei Monate vergangen waren, wollte Wolf sein Metallsuchgerät
nochmals ausprobieren und fuhr diesmal alleine in den Untersbergwald. Er
hatte sein GPS mit den gespeicherten Daten dabei. Er hatte einen
meterlangen Holzstab dabei, damit dieses Mal seine Titanknie keine falsche
Anzeige auslösen würden. Schon bei der ersten Kehre des Weinsteiges
konnte er die exakte Stelle des Erdkabels ermitteln und auch die Tiefe der
Stromleitung wurde genau angezeigt. Nach der dritten Messstelle setzte er
sich auf die Wiese und legte sein Gerät neben sich, als der noch nicht
ausgeschaltete Metalldetektor ein akustisches Signal von sich gab.
Nein, die Titanteile in seinen Knien waren das nicht und auch nicht seine
Bergschuhe. Der Anzeige nach musste es etwas Kleines sein. Er brauchte
nicht lange zu suchen, da erblickte er einen dünnen Draht, der aus der Erde
ragte. Und zwar ganz in der Nähe des vergrabenen Erdkabels. Er konnte
sich absolut nicht vorstellen, was das zu bedeuten hatte. Er markierte die
betreffende Stelle und wollte mit Peter nochmals hierherkommen. Vielleicht
hatte er eine Ahnung, was das sein konnte.
Als die beiden dann vor dem kleinen Kabel standen, meinte Wolf: „Ich
habe ein Messgerät von zuhause mitgenommen. Damit können wir
feststellen, ob in dem Kabel Strom fließt.“ „Nein, tu das bloß nicht“,
antwortete Peter, der mit Elektrik und Elektronik bestens vertraut war.
„Wenn das so etwas ist, was ich vermute, dann könntest du uns damit in die
Luft sprengen.“ „Wieso? Was denkst du, was es ist?“
„In meiner aktiven Zeit beim Bundesheer hab ich auch einen Sprengkurs
gemacht und diese Drähte hier haben eine starke Ähnlichkeit mit dem
Zündkabel einer elektrischen Sprengkapsel.“ „Und was sollte so etwas
bedeuten?“, fragte Wolf nach.
„Nun, wenn hier irgendwer vorhat, das Hochspannungserdkabel auf den
Untersberg hinauf zu zerstören, dann könnte er es auf diese Art tun.
Nehmen wir einmal an, er hätte dazu eine Packung Plastiksprengstoff mit
dazugehöriger Zündkapsel in den feinen Sand um das Erdkabel gelegt und
am Tag darauf wurde der Graben zugeschüttet. Das wäre den Bauarbeitern
sicher nicht aufgefallen. Wenn dann später jemand eine Batterie mit
Zeitzünder an die Drähte anschließt, dann würde die Stromversorgung der
Bergstation und der Antennenanlagen unterbrochen sein. Und ich bin mir
fast sicher, dass da noch weitere Sprengstoffladungen auf dieser Trasse
vergraben sind.“ Wolf schauderte bei diesen Gedanken. „Weißt du“, fuhr
Peter fort, „die Reparaturarbeiten würden mit Sicherheit einige Wochen in
Anspruch nehmen und im Winter, wenn alles zugeschneit ist, dann wäre es
noch wesentlich schwieriger, die Leitung überhaupt wieder instand zu
setzen.“
„Das könnte ich mir vorstellen“, antwortete Wolf. „Wir wissen ja nicht,
was mit dem Strom dort oben alles betrieben wird und wer Interesse an
einem längerfristigen Ausfall dieser geheimnisvollen Geräte haben könnte.
Soll ich das der Stromversorgungsgesellschaft melden? Diesen Projektleiter
Josef kenne ich ja recht gut.“
„Oder gleich dem BVT?“, fragte Peter ironisch. „Nein, mach das auf
keinen Fall, sonst glauben die am Ende noch, du selbst inszenierst da
etwas.“
„Ich werde das mit Becker besprechen, vielleicht kann er dazu mehr
sagen.“
„Ich hoffe nur, dass bei dieser Sache nicht dein Marzipan verwendet
wurde und der General dahintersteckt“, sagte Peter.
„So etwas kann ich mir eigentlich nicht vorstellen“, antwortete Wolf, „der
hätte doch ganz andere Möglichkeiten.“
Kapitel 22

Die Innere Erde

Seit den Tagen des Dritten Reiches wurde immer wieder von einer Inneren
Erde namens Agarthi gesprochen und auch von der hypothetischen
Annahme, dass die Erde eine Scheibe sei. Diese Weltbilder hatten damals
sogar Einzug in die Reihen namhafter Wissenschaftler gefunden und ihre
Wurzeln waren wohl in den okkulten Vorstellungen der Nazis zu finden. In
den späteren Jahren wurde von riesigen Löchern an den Polen der Erdkugel
gesprochen, durch welche auch große Düsenflugzeuge ohne Probleme in
diese unterirdische Welt fliegen könnten. Natürlich passten diese kuriosen
Vorstellungen mit einer flachen Erdscheibe nicht zusammen, aber es gab
(und gibt) immer wieder Leute, welche für diese Ideen zu begeistern waren.
Wolf, der eine Lizenz für Privatflugzeuge hatte, zählte auch einige
Linienpiloten zu seinem Bekanntenkreis. Dabei waren auch solche, die auf
Fernflügen nach Japan die Polroute flogen. Aber keiner von denen hatte am
Nordpol jemals ein Riesenloch gesehen. Von einem solchen wurde aber von
den Vertretern dieser Hypothese immer wieder erzählt.
H. G. Wells hatte 1895 bereits in seinem Roman „Die Zeitmaschine“ von
sogenannten bösen „Morlocks“ geschrieben, die unter der Erde wohnten.
Diese Morlocks fraßen in seinem Roman die „guten Elois“, welche an der
Erdoberfläche zuhause waren, auf.
Auch der bekannte Schriftsteller Wolfgang Hohlbein beschrieb in seinem
Buch „Der Hexer“ ähnliche Szenarien.
Als Wolf eines Tages Alfons, einen alten Schulkameraden, traf, welcher
ihm auch die Vorstellung einer Inneren Erde nahebringen wollte, sagte er zu
ihm: „Alfons, du bist doch Techniker, Ingenieur und Technologe. Kannst du
so etwas mit deinem Wissen vereinbaren?“ Als Alfons darauf keine
konkrete Antwort geben konnte und Wolf sich auch nicht auf eine längere
Diskussion einlassen wollte, beschloss er, den Illuminaten zu fragen, was es
mit dieser Sache auf sich hatte.
Der Kontakt zu Becker war auch diesmal wieder rasch hergestellt. Becker
meinte: „Ich werde Ihnen dies anhand einer kleinen Reise, welche wir
machen werden, erklären.“ Wolf war schon gespannt und fragte: „Wird es
lange dauern? Soll ich etwas mitnehmen?“ Becker lachte: „Nein, in ein paar
Minuten werden wir wieder da sein. Sie haben doch bestimmt schon gehört,
dass auch am Untersberg ein sogenannter Eingang in die Innere Erde sein
soll. Dort gehen wir jetzt hin.“ „Wissen Sie, wo sich dieser ominöse
Eingang befinden soll?“, fragte Wolf. Der Illuminat ging nicht auf Wolfs
Frage ein und nahm ihn wie immer wortlos bei der Hand und im nächsten
Moment standen sie irgendwo im Untersbergwald vor einer Höhle, welche
man schon fast mit einem Stollen vergleichen konnte. „Hier soll also so ein
Eingang in die innere Welt sein?“, meinte Wolf, welcher diesen Stollen zum
ersten Mal sah.
„Warten Sie ab“, erwiderte Becker und die beiden gingen ein Stück in den
Gang hinein. Es wurde zwar immer dunkler, aber sie konnten immerhin
noch die Wände und den Boden deutlich sehen. Doch schon wenige Meter
später waren sie beinahe übergangslos auf einer vom Mondlicht erhellten
Wiese angelangt. Es war Nacht und am Firmament funkelten die Sterne.
Vor ihnen lag ein See und dahinter konnte man hohe Berggipfel sehen. „Wo
sind wir hier?“, fragte Wolf und korrigierte sich sofort: „Und vor allem: In
welcher Zeit sind wir hier?“ „Ja, das ist eigentlich die bessere Frage“,
antwortete Becker, „wir sind hier in einer sehr fernen Vergangenheit und
auch geografisch an einem anderen Punkt der Erde. Aber warten Sie erst
einmal ab.“ Er nahm Wolf abermals an der Hand und sie befanden sich zur
Mittagszeit am Rande einer Stadt, welche aber irgendwie anders aussah, als
Wolf Städte eben kannte. Es waren dort Straßen, so wie bei ihm zuhause
und auch Fahrzeuge waren zu sehen, aber alles schien etwas anders zu sein,
als er es gewohnt war. Die Leute sahen ebenfalls ziemlich ähnlich aus wie
in Mitteleuropa, aber irgendwie entsprach es eben nicht den gewohnten
Eindrücken. Er konnte aber nicht einmal sagen, was es war.
Die Temperatur war lau und angenehm, die Sonne strahlte ein etwas
diffuses Licht vom Himmel.
„Man könnte es treffend ausdrücken, wenn man sagen würde, wir sind
hier in einer sogenannten Spiegelwelt“, erklärte der Illuminat.
„Hier können Sie Ihnen bekannte Menschen sehen, oder besser gesagt ihre
Doppelgänger.“
„Befinden wir uns hier nun in einer anderen Zeitschiene oder ist das nur
eine ferne Vergangenheit?“, fragte ihn Wolf.
„Diese Frage ist tatsächlich wichtig“, antwortete Becker, „hier am
Untersberg besteht nämlich die Möglichkeit, auch in die andere Zeitlinie zu
wechseln, was aber nicht mit dem Übergang durch ein Dimensionstor an
einen fernen Ort oder in eine Vergangenheit zu verwechseln ist.“
„Dann haben die Menschen, welche so etwas früher erlebten, also
geglaubt, dass sie in eine sogenannte ‚innere Welt‘ gelangt sind. Eben
deshalb, weil es dort auch Seen, Meere, Berge und auch ein Firmament mit
Sonne, Mond und Sternen gibt. Obwohl die Sonne damals sehr düster
schien.“ „Ja“, antwortete Becker, „aber die Leute konnten es sich nur so
erklären, dass sie in das Innere der Erdkugel gelangt waren, was ja auch im
Prinzip gestimmt hat. Wenn es auch nur einige Meter waren, bis sie das
Dimensionstor erreichten. Im Übrigen war zur Zeit des Dritten Reiches
zumindest der Elite sehr wohl bekannt, dass es Dimensionstore gab und wo
sich solche befanden. Um diese Eingänge aber zu verschleiern, wurden der
Bevölkerung die Geschichten von Agharta und Shamballa erzählt und somit
wurde dieser Mythos einer ‚Inneren Erde‘ ins Leben gerufen.“
„Aha“, erwiderte Wolf, „und wenn zufällig ein Mensch tatsächlich so ein
Dimensionstor entdeckte und darüber berichtete, dann wurde ihm erklärt,
dass er in dieser inneren Welt gewesen sei.“ Becker nickte zustimmend.
„Ist das hier auch so etwas wie das Kloster im Untersberg, in welches wir
durch die Eisentüre in der Kirche in den Salzburger Bergen gekommen
waren?“, fragte Wolf den Illuminaten. „Das ist auch so eine Art
Dimensionsportal, aber es ist schon sehr alt“, antwortete Becker.
„Ich hoffe, ich konnte Ihnen mit dieser kurzen Reise die Frage nach der
Inneren Erde beantworten“, meinte Becker und nahm Wolf wieder bei der
Hand. Im nächsten Moment standen sie wieder im Untersbergwald vor dem
geheimnisvollen Stollen, dem man es eigentlich nicht ansah, dass er in eine
andere Welt führen würde. Wolf wollte noch wissen, wo ihn Becker
hingeführt hatte, und versuchte sich Einzelheiten der Gegend einzuprägen,
aber der Illuminat meinte, „Gehen Sie da lieber nicht mehr hinein. Wer
weiß, was Ihnen in dieser für Sie so seltsamen Umgebung alles passieren
könnte. Die Hauptsache ist, dass ich Ihnen zeigen konnte, was die
Geschichten um diese sogenannte Innere Erde eigentlich bedeuten. Es ist
nichts Anderes als der Übergang in eine andere Zeit.“
Kapitel 23

Das Blaue Licht

Als Wolf bei einem Treffen mit Leuten, welche sich für das Mysterium des
Untersberges interessierten, gefragt wurde, ob er auch schon Ufos am Berg
gesehen hatte, gab dieser zur Antwort: „Außer den Flugscheiben des
Generals, von welchen ich bereits berichtet habe, hat sich hier am
Untersberg noch nichts getan. Für mich zumindest. In meiner Jugend habe
ich aber zweimal ein interessantes Erlebnis mit UFOs gehabt.“
Die Leute, welche aus dem norddeutschen Raum stammten, warteten
gespannt auf seine Geschichte.
„Ich war damals zirka sechzehn Jahre alt und wollte mit meinen beiden
Freunden Dietmar und Rudolf ins Kino gehen. Es war ein Herbsttag und
wir gingen zu Fuß. Plötzlich sahen wir am Abendhimmel direkt über dem
fünfzehn Kilometer entfernten Tennengebirge ein riesiges, silberglänzendes
Objekt. Es schien über dem Gebirge stillzustehen und hatte in etwa die
Form einer Zigarre. Die wahre Länge dieses Flugobjektes konnten wir nicht
feststellen, da wir seine Entfernung nicht bestimmen konnten. Diese Zigarre
konnte über tausend Meter lang sein oder nur ein paar hundert Meter. Auf
der uns zugewandten Seite des Objektes war ein hell leuchtender Streifen.
Plötzlich bewegte sich das Ding langsam nach rechts und war in der
nächsten Sekunde verschwunden. Wir drei sind das ganze Geschehen dann
noch mehrere Male durchgegangen und haben uns die Einzelheiten
eingeprägt. Bis heute kann sich jeder von uns nach so vielen Jahren noch
ganz genau an dieses Erlebnis erinnern.“
Die Leute aus Deutschland hatten dieser Erzählung aufmerksam zugehört.
Wolf hatte aber noch von einem anderen Erlebnis zu berichten: „Es war
an einem Sommertag im Jahr 1971. Da war ich mit einer Freundin zum
Tanzen. Wir waren in Seekirchen, das liegt etwa fünfzehn Kilometer
nördlich von Salzburg. Es war spät am Abend, als wir wieder zurück nach
Salzburg fuhren. Bis zur Autobahn waren es nur einige Kilometer, wobei
die Landstraße damals durch ein kurzes Waldstück führte.
Plötzlich begann im Wald der Motor meines Wagens zu stottern. Es war
ein nagelneuer Wagen, den ich erst einige Monate hatte. Elli, so hieß meine
damalige Freundin, dachte anscheinend, dass ich eine Panne vortäuschen
würde, um mit ihr im Wald in eine Ausweiche zu fahren. Aber dem war
nicht so. Als mein Auto schließlich tatsächlich am Straßenrand zum
Stillstand kam, begannen auch die Scheinwerfer auszufallen. Der Reihe
nach wurde auch das Armaturenbrett finster und selbst das Radio schaltete
sich ab. Wir saßen in vollkommener Dunkelheit im Wagen, als plötzlich
eine Art blaues, diffuses Licht den Himmel über uns erhellte. Völlig lautlos
zog die Quelle dieses Leuchtens langsam über uns hinweg. Es musste von
sehr hoch oben kommen. Man konnte aber nicht erkennen, um was es sich
dabei handelte.
Elli war mittlerweile auch bewusst geworden, dass es sich um keine
Manipulation meinerseits gehandelt hatte. Es dauerte vielleicht zwei bis drei
Minuten, bis sich das Radio wieder einschaltete und fast gleichzeitig die
Scheinwerfer wieder zu leuchten begannen. Ich drehte den Zündschlüssel
und versuchte zu starten, was auch sofort gelang. Der Motor lief wieder
einwandfrei. Ich war erleichtert. Auf ihre Frage, was da soeben passiert war,
konnte ich Elli keine Antwort geben. So etwas hatte ich noch nie erlebt und
auch nicht gehört.
Am nächsten Tag erzählte mir mein Vater, der diese Lichterscheinung von
unserer Gartenhütte aus ebenfalls gesehen hatte, dass laut einer
Rundfunkmeldung dieses Licht bis an die französische Grenze gesichtet
wurde, und zwar von Piloten der Air France und der österreichischen
Fluggesellschaft AUA. Auch sollen damals Flugzeuge des österreichischen
Bundesheeres aufgestiegen sein, was aber kein Ergebnis gebracht hatte. Das
ganz in der Nähe gelegene militärische Überwachungsradar ‚Goldhaube‘
hatte ebenfalls irgendetwas registriert. Für mich war das jedenfalls ein
Ereignis, welches sich in meine Erinnerung tief eingebrannt hat.“
Die Leute aus Norddeutschland schienen beeindruckt von Wolfs
Erzählung.
Kapitel 24

Der Rutengänger im Brunntal

Werner, der Polizist, wollte, nachdem er sich von seiner


Wirbelsäulenoperation wieder erholt hatte, nochmals das Brunntal am
Untersberg hinaufsteigen. Die Neugier ließ ihm keine Ruhe. Zu gerne hätte
er die Blechtüre gefunden, von welcher ihm Wolf schon vor vielen Jahren
erzählt hatte. Werner stieg diesmal bedächtig und achtsam durch das
unwegsame Gelände hinauf. Immer wieder beobachtete er seine Umgebung.
Zu sehr hatte er das Erlebnis von vor drei Jahren noch in Erinnerung, als ihn
dieser seltsame Mann gewarnt hatte, weiterzugehen.
Er war bereits ein schönes Stück vorangekommen, als er von Weitem
einen Mann sah, welcher etwas in seinen Händen hielt. Der Mann bewegte
sich nur ganz langsam, deshalb gelang es Werner auch, ihn in wenigen
Minuten einzuholen. Als dieser Werner bemerkte, blieb er stehen und
begrüßte ihn.
„Was halten Sie da in Ihren Händen?“, fragte Werner. „Das ist eine Rute,
genauer gesagt eine Messingrute“, gab der Mann zur Antwort. „Damit kann
ich Wasseradern unter der Erde muten.“
„Soll das heißen, Sie suchen hier oben am Berg nach Wasser?“, fragte
Werner erstaunt. „Eigentlich nicht, ich kann mit diesem Stück Draht auch
Gesteinsverwerfungen feststellen und möglicherweise sogar noch mehr.“
„Es gibt Hinweise darauf, dass sich gerade hier im Brunntal ein
sogenanntes Zeitloch befindet. Das soll eine Stelle sein, an der die Zeit
wesentlich langsamer abläuft, als in anderen Gegenden. Danach suche ich.“
Werner stutzte. So etwas hatte er noch nie gehört. Der Mann behauptete
allen Ernstes, dass er mit seinem Messingdraht den Ablauf der Zeit spüren
konnte. Er dachte an die Blechtüre, nach welcher er ja selbst Ausschau
hielt, und wollte dem Mann schon einen Hinweis darauf geben, was er aber
sofort wieder verwarf.
Der Rutengänger setzte sich auf einen Stein und begann zu erzählen:
„Wissen Sie, ich beschäftige mich schon seit langer Zeit mit der
Radiästhesie. Anfangs ging es mir darum, Schlafplätze von Menschen zu
untersuchen – sie auf Erdstrahlen und Wasseradern zu prüfen. Später habe
ich auch gelernt, andere Dinge zu muten. Der legendäre Brunnenbauer
Alois Irlmaier aus Freilassing, dieser bekannte Seher, der hat mit seiner
bloßen Hand Wasser gefunden. So etwas kann ich natürlich nicht, aber es
zeigt, dass es möglich ist. Und vielleicht ist es auch möglich, diese
‚Zeitlöcher‘, die es hier am Untersberg geben soll, zu lokalisieren.“
Werner dachte insgeheim, dass er es hier mit einem Spinner zu tun hatte.
Dann aber fielen ihm die Geschichten von Wolf ein, dessen Tochter ja vor
Jahren in so eine Zeitanomalie geraten und für einige Minuten
verschwunden war. Auch über bemerkenswerte Zeitverluste bei Wanderern
wurde ja viel berichtet.
Aber Werners Ziel war ja noch immer die Tür zur Station des Generals.
Dass er dort einem echten Sturmbannführer aus dem Dritten Reich
begegnen könnte, beflügelte seine Phantasie. Und schließlich hatte er ja von
Wolf schon recht viel über den General gehört. Der Rutengänger
interessierte ihn nur am Rande. Er ließ den Mann reden und verabschiedete
sich schließlich von ihm.
Werner befand sich bereits in unmittelbarer Nähe der Stelle, welche ihm
Wolf schon vor Jahren beschrieben hatte. Ja, hier in nächster Umgebung
müsste die Blechtüre sein, welche einen Eingang zur Station des Generals
darstellte. Diesen Leuten zu begegnen, welche seit über siebzig Jahren hier
im Berg leben sollten und für die dennoch erst wenige Wochen vergangen
sein sollten, das wäre eine Sensation. Und trotzdem durfte er nicht viel
darüber sprechen. Allzu schnell hätte man ihn für einen Spinner und
Wichtigtuer gehalten. So etwas konnte sich aber gerade er als Polizist nicht
erlauben.
Er ging näher links an die steil aufragenden Felsen heran, da sich diese
ominöse Türe laut Wolfs Aussagen direkt am Fels befinden sollte. Doch da
war keine Spur von einem Eingang zu sehen. Da holte ihn ein Geräusch jäh
aus seinen Gedanken. Ein Stein kollerte plötzlich neben ihm herunter, was
Werner erschrecken ließ. Im nächsten Moment sah er einen Mann in einer
Uniform der SS, welcher einige Meter über ihm auf einem Felsvorsprung
stand. Der Soldat blickte Werner ernst an und sagte: „Wir sind uns doch
schon einmal hier oben begegnet. Damals habe ich Ihnen geraten, rasch
wieder umzukehren, da es für Sie gefährlich werden könnte. Und nun
kommen Sie tatsächlich nochmals hierher.“
Werner wusste nun, dass dieser Mann ein Wächter des Einganges zur
Station des Generals sein musste und antwortete geistesgegenwärtig: „Wolf,
den Sie bestimmt kennen werden, ist mein Schwiegervater, er hat mir diese
Stelle, wo sich die Blechtüre befinden soll, beschrieben.“
„Dann sollte er Ihnen aber auch gesagt haben, dass es für ungebetene
Gäste hier oben sehr gefährlich werden kann“, gab der SS-Mann zur
Antwort.
Seine finstere Miene änderte sich aber gleich wieder und er fügte hinzu:
„Gut, wenn Sie schon einmal da sind und zu Wolf ein Naheverhältnis
haben, dann kommen Sie mit. Sie sollen das Phänomen der
Zeitverschiebung mit eigenen Augen erleben.“ Er hieß Werner, ihm zu
folgen. Es waren nur wenige Meter zu gehen. Da sah er jetzt die Türe,
welche unter leichtem Flimmern auf dem Felsen in einer Nische auftauchte.
Der Soldat ging direkt darauf zu und Werner folgte ihm knapp dahinter. Der
Uniformierte drehte sich kurz zu Werner und meinte: „Was Sie jetzt erleben
werden, wird Ihr ganzes Weltbild verändern.“
Der SS-Mann öffnete die Blechtüre und Werner konnte in einen
erleuchteten Gang sehen, der zwar nicht modern aussah, aber keinesfalls
verfallen wirkte. Auch die Temperatur war nicht auffällig kalt. An der
rechten Seite war eine Art Garderobe, an welcher zwei Mönchskutten und
ein Uniformmantel hingen. Nach einigen Schritten blieben die beiden
stehen. Der Mann meinte zu Werner: „Hier haben Sie ein Andenken an
unsere Station“, und überreichte ihm eine Münze, die Werner rasch
einsteckte. „Nun, wir sollten wieder hinausgehen ins Freie, sonst ist es
draußen finster.“ Werner wunderte sich, waren sie doch höchstens für eine
Minute in diesem Gang gewesen. Er folgte dem Soldaten. Als sie wieder ins
Freie traten, war es bereits leicht dämmrig. „Wie ist so etwas möglich?“,
stammelte Werner, der nicht wusste, wie ihm geschah.
Der Soldat schaute ihn nur mitleidig an und sagte: „Sie wollten es doch
wissen. Ihre Neugier hatte Sie doch hierhergeführt und nun haben Sie es
selbst gesehen. Ja, die Zeit vergeht hier im Gang zur Station zirka
dreihundertmal langsamer als in der Außenwelt. Das ist das ganze
Geheimnis. Aber gehen Sie nun wieder hinunter ins Tal, der Weg ist
rutschig und bei Dunkelheit gefährlich.“
Werner, der sichtlich etwas verstört war, ging schnellen Schrittes das
Brunntal hinunter. Als er zu der Stelle kam, an welcher er den Rutengänger
getroffen hatte, musste er mit Erstaunen feststellen, dass der Mann immer
noch da war. „Wo waren Sie so lange?“, fragte ihn dieser. „Sind Sie oben
am Gipfel auf der Hochalm eingekehrt?“ Werner sah auf seine Armbanduhr.
Er musste feststellen, dass er keine halbe Stunde weggewesen war, seit er
den Rutengänger getroffen hatte. Dieser schaute ebenfalls auf seine Uhr und
meinte: „Sie waren fast genau fünf Stunden unterwegs!“
Werner wollte dem Mann keine Antwort mehr geben und lief einfach das
steile Tal hinunter bis an den Bach. Von dort aus musste er dann den
gefährlichen Weg durch den Wald nehmen, wo er vorsichtig neben dem
Abgrund auf dem rutschigen Laub dahinging. Als Werner seinen Wagen
erreichte, welchen er beim Untersbergmuseum abgestellt hatte, wurde es
bereits merklich finsterer. Auf der Uhr seines Autos konnte er den
eklatanten Zeitverlust ebenfalls feststellen.
Am nächsten Tag rief er Wolf an und berichtete von seinem Erlebnis am
Untersberg. „Ich werde nie wieder über deine Geschichten lachen“, sagte er.
„Ich habe dieses Zeitphänomen nun selbst erlebt und muss das auch erst
einmal verdauen.“ „Ja“, antwortete Wolf, „mir ging es genauso. Aber erzähl
um Gottes willen nicht herum, wo sich diese Türe befindet. Wer weiß, was
sonst noch alles passieren kann. Ich für meinen Teil halte mich da sehr
zurück. Ich möchte nicht, dass da jemand zu Schaden kommt.“
„Ach übrigens“, sagte Werner noch, „dieser Soldat hat mir noch eine
Münze gegeben, sozusagen als Andenken“, und gab Wolf das Silberstück in
die Hand. „Das ist ein Fünf-Reichsmark-Stück von 1943.“
„Jetzt gehörst du also auch zum Kreis derer, die die Wahrheit kennen“,
sagte Wolf zu ihm, als er sich verabschiedete. „Sei aber vorsichtig mit
deinem Wissen!“
Kapitel 25

Die Froasenhöhle

Unweit des kleinen Dorfes Fürstenbrunn liegt die sogenannte Froasenhöhle.


Siebzig Meter rechts aufwärts den Kühlbach entlang und dann sieht man
sie auch schon links oben am Hang. Laut Auskunft des letzten
Kugelmüllers, Martin Leitner, soll sie eine Art Luftschutzstollen aus dem
ersten Weltkrieg sein. Er selbst sei als Knabe unzählige Male dort drinnen
gewesen. Etwas Besonderes gäbe es aber da drinnen nicht zu sehen. Jedoch
meint ein Alpenschamane, dass dort im Inneren dieses Stollens Geister ihr
Unwesen treiben und die Menschen in Angst und Schrecken versetzen
würden. Ein anderer wieder behauptet ernsthaft, dass seine digitale
Filmkamera im Inneren der Höhle ihren Dienst versagte, aber außerhalb
ganz normal funktionieren würde.
Grund genug für Wolf, dieser Sache auf den Grund zu gehen, zumal ihm
der alte Kugelmüller ja keinerlei Besonderheiten darüber berichten konnte.
Er wollte wie sonst auch bei solchen Gelegenheiten seine Messgeräte
mitnehmen. Das Wichtigste waren aber starke Lampen, von denen er einige
hatte und welche diesen Stollen in gleißendes Licht tauchen würden.
Eine Besonderheit war dabei auch eine große Akku-Handlampe mit einem
150-Watt-Halogenscheinwerfer. Diese Lampe, wenn sie auch etwas schwer
war, hatte er schon einige Male auf Erkundungen dabeigehabt. Sie gab mehr
Licht als ein Autoscheinwerfer. Die anderen Leuchtmittel waren LED-
Lampen von 7.500 bis 17.000 Lumen. Damit sollte es möglich sein, den
seltsamen Geschichten über Geistererscheinungen und Panikattacken der
Besucher, wie sie vom Schamanen kolportiert wurden, auf den Grund zu
gehen. Natürlich durften auch die wichtigen Messgeräte wie Geigerzähler,
Magnetfeldmesser und Kameras nicht fehlen.
Claudia, welche die Froasenhöhle noch nie selbst gesehen hatte, war
sichtlich erfreut, als sie Wolf zu einer Besichtigung einlud. „Du brauchst
keine Angst zu haben, dort gibt es keine Zeitphänomene“, sagte er zu ihr,
„und Berggeister sind höchstens im Zirbenschnaps enthalten.“ Tatsächlich
hatte er ein kleines Fläschchen dieses aromatischen Likörs in seinem
Rucksack eingesteckt.
Als die beiden am Umkehrplatz der Linienbusse in Fürstenbrunn
angekommen waren, stellten sie ihren Wagen direkt bei der Kugelmühle ab.
Von dort gingen sie den Bach entlang, so wie es der Kugelmüller Martin
beschrieben hatte. Und dann sahen sie auch schon den Eingang, welcher
linker Hand am Abhang lag.
Oben angekommen konnten sie auch die eiserne Angel aus dem Fels
ragen sehen, an welcher vermutlich einmal eine Holztüre befestigt war.
„Schau“, sagte Wolf zu Claudia, „den Stollen haben sie früher einmal
versperren können, hier sieht man noch die Reste einer Türe.“
„Wie tief ist diese ‚Froasenhöhle‘ eigentlich?“, fragte die junge Frau und
ihr Blick verriet Wolf, dass sie doch ein mulmiges Gefühl dabei hatte.
„Das sind keine fünfzig Meter“, antwortete er, „du wirst sehen, das ist
ganz etwas Einfaches, ein Stollen eben, wofür auch immer er gewesen sein
sollte.“ Claudia wollte die große Akkulampe nehmen. Kaum hatte sie den
Scheinwerfer eingeschaltet, konnte sie bis tief in den Gang sehen. Bis zu
der Stelle, wo er sich dann gabelte. Wolf begann inzwischen, mit seiner
Kamera das Ganze von hinten zu filmen, als Claudia plötzlich einen spitzen
Schrei ausstieß. Wolf ließ die Kamera sinken und wollte gerade fragen, was
denn geschehen war, als eine kleine Maus auf ihn zulief und zwischen
seinen Beinen nach draußen in den Wald flitzte. Claudia hatte sich schon
wieder beruhigt und meinte nur: „Die Maus hat mich jetzt aber ganz schön
erschreckt!“ „Soll ich vorangehen?“, fragte Wolf, aber Claudia wollte doch
selbst als Erste weitergehen. Je tiefer die beiden in den Stollen gingen, desto
stickiger wurde die Luft. „Ich kann mir schon vorstellen, dass hier drinnen
manche Leute Panik bekommen und schreiend wieder nach draußen laufen.
Vielleicht entzünden einige von ihnen auch noch Räucherwerk, um die
Berggeister gnädig zu stimmen und dann haben sie zu wenig Sauerstoff
zum Atmen. Dann kann es schon vorkommen, dass sie in einer Art
Delirium Dinge sehen, die gar nicht da sind.“
„Woher kommt eigentlich der Ausdruck Froasen Höhle?“, fragte Claudia.
Wolf überlegte kurz und meinte dann. „Die Redensart ‚in d’Froas fallen‘
wird hierzulande verwendet, wenn jemand stark erschrickt oder völlig
verdutzt ist. ‚Bin ich jetzt aber erschrocken!‘ Stattdessen hört man im
Bayrischen oder Salzburgischen auch: ‚Jetzt bin i fast in d’Froas gfoin
(gefallen)!‘“
Mittlerweile waren die beiden bei der Gabelung in dem Stollen angelangt.
Die beiden kurzen Gänge hörten aber nach wenigen Metern auf. Wolf setzte
seinen Rucksack ab und holte einige Messinstrumente heraus. „Also die
Lufttemperatur beträgt hier drinnen zwölf Grad. Der Geigerzähler zeigt
nichts Ungewöhnliches an, auch der Magnetfeldsensor ist unauffällig.“ Als
Wolf aber dann noch das kleine Metallsuchgerät aus der Tasche nahm und
am Ende des linken Ganges den Boden absuchte, war ein lautes Piepsen aus
dem Gerät zu hören. Innerhalb kürzester Zeit konnte er aus dem Erdboden
drei deutsche Silbermünzen herauskratzen. Es waren silberne Fünf-
Reichsmark-Stücke.
Claudia wunderte sich und sagte: „Da waren doch angeblich so viele
Leute schon vor uns in diesem Stollen, wieso hat bisher niemand diese
Münzen am Boden gefunden?“
„Ich glaube, diese Menschen haben mit ihren Taschenlampen
hauptsächlich die Stollenwände beleuchtet und nur wenig auf den Boden
geschaut. Aber wenn hier drinnen etwas verloren wurde, dann sollte es
eigentlich am Boden liegen geblieben sein. Ja und da hab ich die Fünf-
Reichsmark-Münzen eben auch gefunden.“
„Das bedeutet, dass sich hier in diesem Stollen wahrscheinlich auch
Soldaten aus dem Dritten Reich aufgehalten haben. Das deckt sich auch mit
den Aussagen vom Kugelmüller Martin. Der hat ja auch erzählt, dass sich in
den letzten Kriegstagen eine große Anzahl von SS-Leuten hier oberhalb von
Fürstenbrunn aufgehalten hatte. Diese sollten aber dann über Nacht
plötzlich allesamt verschwunden sein.“ Da die Temperatur in der
Froasenhöhle doch etwas kühl war, wollte Claudia wieder nach draußen
gehen. Wolf jedoch wollte noch Messungen durchführen und nahm gerade
den Magnetfeldsensor aus der Tasche, als ein seltsames Summen im Stollen
zu hören war. Auch Claudia, welche schon einige Meter in Richtung
Höhleneingang gegangen war, blieb stehen. „Hörst du das auch?“, fragte
Wolf. „Es klingt wie eine Biene oder Wespe, nur etwas lauter.“
„Hier drinnen wird doch kaum so ein Insekt herumfliegen“, antwortete die
junge Frau. Das Summen wurde lauter und brach dann plötzlich ab. Jetzt
herrschte wieder vollkommene Stille im Gang.
Die beiden hatten ihre sämtlichen Lampen eingeschaltet und es war
beinahe taghell in dem alten Stollen. Wolf schüttelte den Kopf und meinte:
„Das ist wirklich eigenartig, aber wir haben schließlich beide dieses
Summen gehört. Es war direkt in unserer Nähe. Ja, ich weiß schon, was du
sagen möchtest“, meinte er zu Claudia, „das ist der Geist der Höhle.“ Er
lachte dabei und ergänzte: „An so etwas glauben doch nur die Trommel-
und Räucherbrüder.“
Nachdem Wolf schlussendlich noch die Luftfeuchtigkeit gemessen hatte,
meinte er: „Das sind über neunzig Prozent hier drinnen, das erklärt dann
auch die sogenannten ‚Orbs‘, wie manche Leute diese Reflexionen auf ihren
Fotos nennen.“ „Du meinst, diese winzigen Wassertröpfchen in der Luft
verursachen diese optischen Reflexe?“, fragte Claudia. „Ich werde zuhause
nachsehen, ob auf unseren Bildern auch welche drauf sind.“
„Das muss nicht sein, denn wir haben ja dank unserer starken Lampen
kaum mit Blitz fotografiert.“
„Ich glaube, das war es für heute“, sagte Wolf, als die beiden den Stollen
wieder verließen. „Ja, außer dem Brummen war ja da drinnen nichts
Außergewöhnliches, aber ich habe doch vor Jahren schon oben über dem
Veitlbruch auch so ein außergewöhnliches Geräusch gehört. Doch kein
Brummen, das war eher, als wäre ein großer Hydraulikzylinder in Aktion.“
„Ich glaube, das Brummen, das wir da drinnen gehört haben, war
möglicherweise mein Bauch“, lachte sie. „Ich habe gerade bemerkt, dass
ich hungrig bin“, sagte Claudia. „Gefräßiger, vegetarischer Hase du, das
heißt also, wir fahren nun zum alten Gasthof“, entgegnete Wolf mit
lachender Miene.
Claudia schaute ihn schmunzelnd von der Seite an: „Ich wusste ja, dass du
mir nichts abschlagen kannst.“
Als die Beiden dann wieder zurückgingen, hörten sie wieder das laute
Brummen. Es war ein großer Bagger, welcher im Bachbett Felsblöcke
heraushob.
Kapitel 26

Die Suche nach den römischen Artefakten

Wolf erhielt eine E-Mail von Emil, einem Bekannten, welchen er vor Jahren
in Kroatien kennengelernt hatte. Emil, der etwa vierzig Jahre alt war,
wusste auch von den archäologischen Ausgrabungen auf dieser kleinen
Halbinsel am Südrand von Medulin bei Pula. Sie hatten sich damals im
Vorjahr über Wolfs Entdeckungen vor fünfzig Jahren unterhalten. Emil,
welcher mehrere starke Boote besaß, bot ihm eines davon an, um an
unzugängliche Stellen dieser Halbinsel zu gelangen. Dort wären
wahrscheinlich noch unentdeckte Reste der römischen Besiedelung zu
finden.
Erfreut nahm Wolf dieses Angebot an und suchte sich einen Termin aus,
an dem noch kein großer Reiseverkehr in den Süden zu erwarten war.
Auch Claudia freute sich auf diese Fahrt, wenngleich es auch nur drei
Tage am Meer sein würden. Rasch wurde ein Hotel für vier Nächte gebucht
und schon nach einer Woche waren die beiden unterwegs in Richtung
Kroatien.
Dank der neuen Autobahn, welche inzwischen bis nach Pula fertig gebaut
war, erreichten sie nach knapp sechs Stunden ihr Ziel.
„Den Emil rufe ich heute Abend an, damit er uns das Boot volltankt“,
sagte Wolf und Claudia erwiderte: „Ja, und zu essen und trinken sollten wir
uns auch etwas mitnehmen, wer weiß, wie lange wir morgen unterwegs sein
werden.“
Emil berichtete am Telefon noch davon, dass die Ausgrabungen auf der
Halbinsel bereits vor zehn Jahren beendet worden seien, was
möglicherweise touristische Gründe hatte. Es wurde überall gebaut und da
war es schon möglich, dass man gar nicht so sehr an der Freilegung von
antiken Bauten aus der Römerzeit interessiert war, sondern sich vielmehr
um die Vermarktung von touristisch nutzbaren Flächen bemühte.
„Weißt du“, meinte Wolf zu Claudia, „was ich mit Becker dort gesehen
habe, das macht mich richtig neugierig. Da müssten doch noch sehr viele
Reste von Bauwerken aus der Römerzeit existieren, welche unter
meterhohem Gestrüpp verborgen liegen.“
Am nächsten Morgen nach dem Frühstück fuhren sie zum Liegeplatz von
Emils Booten. Emil wartete bereits am Anlegesteg und deutete auf einen
Bayliner 212. „Das Boot hat 250 PS und macht zweiunddreißig Knoten,
damit könnt ihr die interessanten Stellen in kürzester Zeit erreichen. Es hat
auch ein Echolot, damit man ganz genau weiß, wie viel Wasser noch unter
dem Kiel ist. Ihr könnt damit sehr nahe an das Ufer heranfahren, zumal es
auch dort bei der Römerinsel kaum Felsen gibt. Ich habe die Benzintanks
mit 75 Litern gefüllt, das reicht für acht Stunden Fahrt.“
Wolf, der auch ein Küstenpatent besaß, war rasch mit der Bedienung
dieses Schiffes vertraut und schon nach wenigen Minuten fuhren sie
langsam aus dem Hafen von Medulin in die Bucht hinaus. Das Meer war
spiegelglatt und um diese Jahreszeit waren auch so gut wie keine
Touristenboote unterwegs, da auch die Wassertemperatur von achtzehn
Grad nicht gerade zum Baden einlud.
„Als Erstes fahren wir hinaus zum Riff, wo ich vor fünfzig Jahren die
Amphorenköpfe herausgeholt habe“, meinte Wolf zu Claudia und schob den
Gashebel langsam nach vorne. Der Achtzylindermotor gab ein tiefes
Röhren von sich und binnen weniger Minuten erreichten sie die Stelle, wo
vermutlich vor fast zweitausend Jahren römische Schiffe auf diese knapp
unter der Wasseroberfläche liegenden Felsen aufliefen und sanken.
„Das sieht hier alles so ruhig aus“, meinte Claudia, „da kann man sich gar
nicht vorstellen, dass hier einmal Schiffe untergegangen sein könnten.“
„Ich habe hier in meiner Jugend schon Stürme erlebt, bei welchen ich
nicht einmal mit diesem Boot unterwegs sein möchte“, gab ihr Wolf zur
Antwort.
Das Meer war auch hier am Riff sehr ruhig, sodass die beiden die
sandigen Stellen, welche zum Teil mit hohem Seegras bewachsen waren,
deutlich sehen konnten. „Wie tief ist es hier eigentlich?“, fragte die junge
Frau. Nach einem kurzen Blick auf das Echolot sagte Wolf: „Genau drei
Meter zwanzig.“ Obwohl er seine Taucherbrille und Flossen mit dabei hatte,
verzichtete er wegen der niedrigen Wassertemperatur darauf,
hinabzutauchen. „So, und nun werden wir zur Römerinsel zurückfahren. Ich
kann mir schon vorstellen, weshalb der Kaiser Constantin sich diesen Platz
für eine Sommerresidenz ausgesucht hat. Tief in der Bucht, geschützt vor
Stürmen und Wellen, ist das eine idyllische Stelle.“
Sie fuhren vorbei an den Plätzen, an welchen Wolf so manchen Urlaub
mit seinen Eltern im Zelt verbracht hatte. Der Campingplatz war zwar fast
noch leer, aber dennoch konnte er genau die Stellen sehen, an welchen er
mit fünfzehn Jahren seine erste „Liebe“ kennengelernt und den ersten Kuss
seines Lebens bekommen hatte. Sie war dreizehn Jahre alt gewesen, aus
Nagold und hieß Illo. Nach vierzig Jahren hatte er sie im Internet
wiederfinden können. Sie war Studienrätin am Gymnasium geworden,
genau das, was sie schon als junges Mädchen hatte werden wollen, und
mittlerweile war auch sie schon in Pension. Er drosselte die Maschine und
das Boot zog in langsamen Bögen an den Stätten seiner Erinnerungen
vorüber.
„Komm“, sagte Claudia und riss Wolf aus seinen Träumereien, „fahr
schneller, wir wollen doch zur Römerinsel, zu Constantins Palast. Vielleicht
finde ich endlich auch einmal etwas und nicht immer nur du.“
Hier in der Bucht von Medulin war das Meer spiegelglatt und es waren
auch noch kaum Touristen zu sehen. Er ließ den Motor aufheulen. Das Boot
jagte mit Höchstgeschwindigkeit auf die Halbinsel zu. „Pass auf, wir haben
nur noch zwei Meter Tiefe“, mahnte ihn die junge Frau, als sie das Piepsen
des Echolotes vernahm. „Ich weiß“, sagte Wolf, „ich habe es
sicherheitshalber auf zwei Meter eingestellt, da können wir ruhig noch ein
Stück weiterfahren.“ Dann nahm er den Gashebel zurück.
Das Schiff wurde rasch langsamer und blieb schließlich einige Meter vom
Ufer entfernt stehen. Sie lagen nun direkt vor den Ruinen des
ausgegrabenen Sommerpalastes von Kaiser Constantin. Wolfs Kamera
klickte pausenlos. Er wollte alles so genau wie möglich dokumentieren.
Jetzt wurde in ihm wieder die Erinnerung wach, als ihm Becker diesen
Palast in voller Blüte gezeigt hatte.
„Weißt du“, sagte er zu Claudia, „die Gebäude hier am Ufer waren
terrassenförmig angeordnet und hatten jeweils nur ein Geschoß. Und hier
vor uns“, er deutete bei diesen Worten mit der Hand auf das Meer vor dem
Boot, „waren Becken ins Wasser gebaut, mit Steinplatten auf dem Boden.
Die Reste sieht man noch ganz deutlich.“ Claudia war von der
phantastischen Lage dieser Gebäude offensichtlich angetan und meinte:
„Ich kann mir das lebhaft vorstellen. Die Römer waren ja exzellente
Baumeister und der Kaisersohn Crispus soll ja bei uns zuhause auch bei den
Steinbrüchen am Untersberg gewesen sein.“
„Wo er sich bei den Arbeitern im Veitlbruch über das Verschwinden von
einigen Römern erkundigt hat“, ergänzte Wolf. „Schade, dass du nicht dabei
sein konntest, als mich der Illuminat hierher mitgenommen hat. Diese
Gebäude mit ihren Säulen waren einfach herrlich anzusehen.“
Nachdem er alles ausgiebig fotografiert hatte, brachten sie Emils Boot
zurück in den Hafen von Medulin. „Morgen werden wir mit dem Wagen zur
Römerinsel rüberfahren, ich bin neugierig, ob ich noch etwas am Strand
finden werde“, meinte er zu Emil, als dieser gerade sein Boot vertäute.
„Schaut euch unbedingt auch die Grundmauern der Paläste an“, erwiderte
dieser, „die sind absolut sehenswert.“ Wolf nickte und sagte: „Ich möchte
auch im Inneren dieser kleinen Halbinsel etwas herumstreifen, vielleicht
entdecken wir da auch noch etwas.“ „Da würde ich vorsichtig sein, es gibt
hier eine große Zahl von Schlangen und einige davon sind recht giftig.“ Er
blickte dabei auf Claudias Flip-Flops und ergänzte: „Die solltest du dort
nicht anziehen. Gleich drüben, neben eurem Hotel, ist eine Apotheke, dort
könnt ihr euch zur Sicherheit ein Schlangenserum kaufen. Fragt nach
Antidot. Das kroatische Serum ist weltweit bekannt als ausgezeichnet und
kann zum Unterschied von anderen auch von einem Laien muskulär
gespritzt werden.“
Die beiden fuhren zurück zum Hotel und Wolf stieg noch kurz bei der
besagten Apotheke aus, um dieses „Antidot“ zu kaufen. Die fertige
Injektion war nicht teuer und sollte nur zur Sicherheit mitgenommen
werden.
Kapitel 27

Das Grab in der Schlangengrube

Der Weg auf der Römerinsel war durch den Regen in der Nacht etwas
aufgeweicht. Dennoch kamen die beiden rasch zu der Stelle am Ufer, wo
Wolf vor über fünfzig Jahren seine ersten Funde in Form von Münzen und
Mosaiksteinen gemacht hatte. Sie ließen den Wagen stehen und machten
sich auf die Suche. Direkt am nur zwei Meter breiten Ufer sah man uralte,
verschüttete Mauerreste aus der roten Erde ragen. Hier sollte Wolfs neueste
Errungenschaft, der hochsensible, wasserdichte Metalldetektor, zum Einsatz
kommen. Als Erste fand Claudia Mosaiksteine in schwarzer und weißer
Farbe. Diese etwa einen Zentimeter großen Würfel hatten manchmal sogar
noch den jahrtausendealten Verputz auf einer Seite. Auch Wolf hatte Glück
und fand ebensolche Mosaiksteinchen. Als sie ein kleines Säckchen damit
gefüllt hatten, meinte er: „Ich habe leider mit dem Metallsuchgerät absolut
keinen Erfolg. Komm, lass uns jetzt zu den Ausgrabungen gehen.“ Sie
gingen am steinigen Strand weiter und sahen dabei eine weit ins Meer
ragende Hafenbefestigung aus römischer Zeit, welche jedoch total verfallen
war. Dann erreichten sie die schon am Vortag vom Meer aus fotografierten
Grundmauern des Palastes. Hier war naturgemäß nichts mehr zu finden,
hatten doch schon die Archäologen in den letzten zwanzig Jahren ganze
Arbeit geleistet. Deshalb wollte Wolf nun ein Stück ins Inselinnere gehen.
Claudia hatte jedoch noch immer ihre Flip-Flops an und dachte auch nicht
mehr an die Warnung von Emil. Anfangs waren noch kleine Pfade zwischen
den Pinien, welchen aber nach und nach meterhohes Gras folgte.
Plötzlich stieß Claudia einen grellen Schrei aus. „Eine riesige Schlange!“,
rief sie entsetzt und deutete dabei auf einen Baumstamm, hinter dem das
Tier rasch verschwand. „Die ist harmlos“, sagte Wolf mit stoischer Ruhe
und ging weiter ins Gestrüpp hinein. „Was heißt hier harmlos, das war eine
Riesenschlange, ich hab sie genau gesehen …“ „Nein, das war ein
Scheltopusik, der gehört eigentlich zur Gattung der Eidechsen. Mitten am
Flugfeld von Vrsar hab ich vor Jahren so ein Ding gesehen, als ich aus der
Cessna ausgestiegen bin, und habe mich dabei ordentlich erschreckt.“
Die junge Frau war immer noch etwas durcheinander und ließ sich durch
Wolfs Worte auch nicht so leicht beruhigen.
„Es gibt auch giftige Schlangen hier in Kroatien. Die sehen aber auch
ganz anders aus und zischen meistens, bevor sie zubeißen“, sprach Wolf im
Weitergehen. Überall waren Mauerreste hinter den Gebüschen zu sehen.
Claudia blieb knapp hinter Wolf und plötzlich sahen sie eine tiefe Grube,
welche ebenfalls üppig mit Gras und Gestrüpp überwachsen war. Am Rand
dieser Grube konnten sie ebenfalls Mauerreste sehen. Wolf suchte einen
Weg nach unten, wobei er sich an den Grasbüscheln und Stauden festhalten
musste. Es ging einige Meter nach unten. Dort lagen auch größere
Steinblöcke, wie von den Mauern des Palastes.
„Weißt du, das sieht hier ganz so aus, als wäre das ein eingestürzter Keller
gewesen“, sagte Wolf. „Ein Keller, der zum Lagern und vor allem zum
Kühlen von Wein verwendet wurde.“ „Jetzt wird es ja richtig spannend“,
meinte Claudia. „Aber wir müssen hier unten recht vorsichtig sein“,
erwiderte Wolf und zeigte ihr eine über einen Meter lange, ausgetrocknete
Schlangenhaut, welche im Gebüsch hing. „Ja, so eine hab ich zuvor auch
schon gesehen. Das bedeutet, dass gerade hier ein bevorzugter Platz für
Schlangen sein dürfte.“ „Schau halt genau, wo du hintrittst. Und im
Übrigen, zu deiner Beruhigung, von den sechzehn bekannten Schlangen
hier in Kroatien sind nur zwei giftig. Die eine ist die auch bei uns heimische
Kreuzotter, welche aber für den Menschen kaum lebensbedrohlich ist, und
die andere ist die giftigste Schlange Europas, die Sand- oder Hornotter.
Deren Gift ist stärker als das der Cobra.“ Immer wieder sahen sie
Schlangenhäute herumhängen, wobei es aber nicht zu erkennen war, ob es
sich um Häute von Giftschlangen handelte.
Wolf bestand darauf, immer vor Claudia zu gehen, und meinte, seine
festen, schweren Tritte würden jegliches Getier schon verscheuchen. Sie
kamen an den unteren Rand der Grube, wo eine uralte Mauer zu sehen war.
In dieser war ein schmaler Spalt, welcher wie ein kleiner Gang aussah. Wolf
versuchte, hineinzugelangen, was aber für ihn wegen seines doch
beträchtlichen Umfanges nicht möglich war. „Lass es mich versuchen“,
sagte Claudia und drängte sich nach vorne. „Wir wissen doch gar nicht, ob
sich da drinnen nicht Skorpione verstecken“, warf Wolf ein. Für Claudia
war es ein Leichtes, in diesen Gang zu schlüpfen.
Der Gang war zwar nicht sehr tief, trotzdem war es aber sehr dunkel
darin. Sie hatte jedoch eine kleine LED-Lampe dabei, mit welcher sie die
Wände des Gemäuers ableuchtete. „Hier drinnen ist nichts außer etwas
Moos an den Wänden, aber gib mir mal deinen Metallsuchstab, ich möchte
den Boden damit absuchen“, sagte Claudia.
Wolf gab ihr den Detektor, der zudem auch mit einem starken LED-Licht
ausgestattet war.
Hier unten in der Grube herrschte Totenstille, man hörte weder das
Rascheln der Blätter im Wind von oben noch sonst irgendetwas. Das
Piepsen des Suchgerätes unterbrach die Stille und Claudia rief plötzlich:
„Ich habe etwas gefunden!“ Sie drehte sich zu Wolf um und gab ihm eine
wunderschöne römische Bronzefibel in die Hand. Er versuchte behutsam,
die Fibel von der roten Erde zu reinigen.
„Wow“, sagte er, „zuerst findest du so viele Mosaiksteine und jetzt sogar
dieses schöne Stück.“ „Warte“, entgegnete sie, und schon wieder war das
Geräusch des Detektors zu hören. Nacheinander kamen zwei römische
Fingerringe aus dem Boden des schmalen Ganges zum Vorschein.
Schlussendlich waren da noch einige Münzen dabei. Auch zwei längliche,
durchbohrte, blaue Glasperlen fand sie noch am Boden.
Wolf hatte die Artefakte in den Kunststoffbeutel mit den Mosaiken
gegeben, als Claudia noch einen weiteren Fund meldete: „Du, da ist noch
etwas Eigenartiges, ein roh behauener Würfel aus Stein, zirka zehn
Zentimeter groß.“
„Nimm ihn auf alle Fälle mit“, erwiderte Wolf. „Vielleicht ist dieser kurze
Gang hier ein Bestattungsort und die Dinge waren Grabbeigaben?“, fragte
die junge Frau. „Dann müssten doch bestimmt auch Gebeine da drinnen
sein“, meinte Wolf. „Sieh doch noch gründlich nach.“ „Ich werde doch
keine Leichenteile anfassen“, konterte Claudia, „auch wenn sie noch so alt
wären.“ Wolf lachte. „So müsste es ja nicht sein, die Römer hatten auch
Feuerbestattungen, vielleicht wühlst du schon die ganze Zeit in der Asche
eines Römers.“
„Igitt igitt“, rief Claudia und kam vorsichtig wieder aus dem schmalen
Gang heraus. Wolf schaute sich in der Zwischenzeit die von Claudia
gefundenen Artefakte an und meinte anerkennend: „Jetzt bist du schon fast
eine richtige Grabräuberin, gratuliere.“
Der Rückweg aus dieser Grube verlief ohne weitere Überraschungen, an
das Zischen der Schlangen im Untergehölz hatten sich die beiden in der
Zwischenzeit schon gewöhnt. „Siehst du“, sagte Wolf zu der jungen Frau,
„das Serum haben wir eigentlich überhaupt nicht gebraucht.“ „Von dir hätte
ich mich auch nicht mit dieser Injektion stechen lassen“, gab Claudia spitz
zur Antwort.
„Eigentlich ist es schade um die Sachen, die hier alle noch unentdeckt
unter der Erde verborgen liegen. Die Kroaten werden meines Erachtens in
wenigen Jahren alles hier auf der Insel mit Touristenhotels zubetonieren.
Aber wenigstens haben wir etwas davon retten können.“
Im Hotel begann dann die genaue Inspektion der gefundenen Sachen.
Zuerst wurden die Artefakte im Waschbecken von den Resten der roten
Erde befreit und gewaschen.
Bei zwei der guterhaltenen römischen Münzen stellte sich heraus, dass sie
einerseits Constantin den Großen zeigten und andererseits ein Abbild seines
erstgeborenen Sohnes Crispus. Dank des Internets konnte Wolf das binnen
kürzester Zeit feststellen. Die Fibel aus Bronze und die beiden Ringe waren
ebenfalls sehr schön. Ein Ring hatte auf der Vorderseite zwölf kleine
Bronzekugeln in rechteckiger Anordnung. „Sollte es sich tatsächlich um
eine Grabstätte handeln, dann würde ich gerne wissen, weshalb die dem
Toten damals einen zehn Zentimeter großen Würfel aus Kalkstein ins Grab
gelegt haben“, fragte Claudia. „Vielleicht ist das der Würfel, den Crispus
vom Untersberg hierher mitgenommen hat. Sozusagen als einen Stein der
Macht“, antwortete Wolf. „Dann hast du zufällig vielleicht sogar das Grab
des Crispus entdeckt. Der Königsohn wurde nämlich von seinem Vater
Constantin zum Tode verurteilt und soll angeblich hier in der Gegend
ermordet worden sein. Der Kaiser hatte nämlich eine wesentlich jüngere
Frau namens Fausta, und mit dieser soll der damals 36-jährige Crispus ein
Verhältnis gehabt haben.“
„Woher weißt du das Ganze?“, fragte Claudia. „Das kann man alles
recherchieren“, antwortete Wolf, „und in so einem Falle wäre es denkbar,
dass der Crispus kein Staatsbegräbnis bekommen hätte, sondern einfach von
ein paar Freunden in diesem Kellergang heimlich beigesetzt worden ist. Ich
sehe schon, ich werde wieder einmal den Becker bemühen müssen.“
Kapitel 28

Sharm el Sheikh – Sheraton

Franz, der Manager vom Sheraton Soma Bay, war vor über einem Jahr nach
Sharm el Sheikh ins dortige Sheraton-Hotel versetzt worden. Er wollte dies
Wolf und Claudia mitteilen und sandte ihnen eine E-Mail. Darin lud er die
beiden ein, eine kostenlose Woche bei ihm auf dem Sinai zu verbringen.
Natürlich galt das auch für Jennifer, Claudias Tochter, welche Franz
ebenfalls schon im Soma Bay kennengelernt hatte. Er würde den dreien eine
Suite zur Verfügung stellen. Claudia schickte eine Mail zurück und teilte
Franz darin mit, dass Jennifer dieses Mal nicht mitkommen könne.
„Aber ihr beide kommt doch? Es ist recht schön hier bei uns. Der Herbst
wäre eine ideale Zeit. Wir haben neuerdings hier in Sharm el Sheik auch ein
Touristenunterseeboot stationiert, mit welchem ihr zur „Thistlegorm“
hinuntertauchen könnt. Es ist recht interessant, da kann man noch
Lokomotiven und Motorräder sehen und auch eine Unmenge von Waffen.
Dieses Frachtschiff, welches im Zweiten Weltkrieg hier bombardiert und
versenkt wurde, liegt gar nicht so tief und die Fahrt dauert nur eine knappe
Stunde, ich hab mir das selbst auch schon angesehen, das wäre sicher
interessant für dich.“
Wolf, welcher die Umstände ja genau kannte, die zur Versenkung der
Thistlegorm führten, wollte jetzt mit Franz am Telefon nicht darüber reden,
da das zu weit geführt hätte.
„Ich muss das erst mit Claudia absprechen“, antwortete Wolf, „aber es
freut mich, dass ich endlich wieder etwas von dir gehört habe. Ich werde
mich in ein paar Wochen wieder melden.“
Als Claudia von diesem Gespräch erfuhr, war sie nicht gerade begeistert.
„Dort am Sinai gibt es doch laufend Anschläge, dort sind doch die
extremen Islamisten zuhause“, sagte die junge Frau zu ihm. „Fahren wir
lieber nach Assuan, da gibt es zwar kein Meer, aber dafür ist dort der Nil
einzigartig. Der erste Katarakt und die riesigen Granitfelsen, zwischen
denen sich der Fluss dahinschlängelt, sind eine echte Sehenswürdigkeit.“
„Damit könnte ich mich auch anfreunden“, erwiderte Wolf. „Der vierzig
Meter lange, unvollendete Obelisk in Assuan würde dir sicher gut gefallen.“
„Der einzige Wermutstropfen ist, dass wir dort erst ab Ende Oktober
hinfahren können. Vorher würde es zu heiß sein.“
Kapitel 29

Der Einbruch in die Toni-Lenz-Hütte

Stefan, der Bekannte aus Marktschellenberg, rief aufgeregt bei Wolf an. Er
hatte eine brandneue Meldung zu verkünden. In die Toni-Lenz-Hütte, dort,
wo im November vor zwei Jahren dieser mysteriöse Rauch aufgestiegen
war, welcher einen Hubschraubereinsatz von Nürnberg aus zur Folge hatte,
war eingebrochen worden. Auch dieses Mal war die Hütte noch in
Winterruhe und geschlossen. Unmittelbar hinter diesem Schutzhaus hatte
Stefan damals auch das nagelneue Magazin einer Maschinenpistole MP 40
gefunden und hatte es dann Wolf geschenkt. Auf diesem Magazin war der
Reichsadler mit dem Hakenkreuz eingestanzt. Auch kurz vor dem G7-
Gipfel auf Schloss Ellmau trainierten am Untersberg über achthundert
Bundespolizisten, angeblich um die Staatsoberhäupter, welche damals in
der Ellmau zusammenkamen, zu schützen. Ihr Ziel war ebenfalls die Toni-
Lenz-Hütte, welche auch damals noch in Winterruhe geschlossen war. Was
war das Besondere an dieser Hütte, an welcher sogar die Leute des Generals
ein reges Interesse haben mussten? Bei dem jetzigen Einbruch am 5. Mai
waren eigentlich nur die Eingangstüre und die Türe in die Küche
aufgebrochen worden. Offenbar war jemand mit Handschellen an eine
Wasserleitung, welche durch dessen Befreiungsversuche undicht wurde,
gekettet worden. Dadurch entstand auch ein Wasserschaden. Es wurden bei
dieser Aktion auch zwei Flaschen Bier ausgetrunken. Die deutsche Polizei,
welche Ermittlungen angestellt hatte, tappte weiterhin im Dunkeln. Waren
es Leute des Generals oder birgt die Toni-Lenz-Hütte noch irgendein
dunkles Geheimnis, von welchem kaum jemand weiß? „Vielleicht hatte das
Ganze auch mit der Schellenberger Eishöhle zu tun, welche ganz in der
Nähe der Schutzhütte gelegen ist?“, meinte Stefan noch. „So etwas ist doch
kaum vorstellbar“, antwortete Wolf, „diese Höhle ist doch sehr gut
erforscht, da gibt es keine weiterführenden Gänge. Außer da drinnen gäbe
es ein bisher unbekanntes Dimensionstor.“
„Aber ich glaube nicht, dass dieses dann von der CIA benützt wird, denn
diese Burschen sind ja bisher noch nicht zu den Toren vorgedrungen“,
entgegnete Stefan.
„Was wissen wir schon, wie weit die schon sind?“, meinte Wolf.
„Womöglich haben die schon viel mehr entdeckt, als wir ahnen. In den
freigegebenen Akten werden sie das kaum veröffentlicht haben.“
„Dann haben die vielleicht sogar das Magazin für die deutsche
Maschinenpistole hinter die Toni-Lenz-Hütte gelegt. Als Irreführung
sozusagen?“
„Mag sein“, gab ihm Wolf zur Antwort, „aber das bringt uns im
Augenblick auch nicht weiter.“
Kapitel 30

ISIS – Mörder für Allah

Die Terrorgruppe Islamischer Staat (ISIS) hatte am dritten Juni ihre


Anhänger aufgerufen, während des laufenden muslimischen Fastenmonats
Ramadan mit Lastwagen, Messern und Waffen gegen die „Kreuzritter“
vorzugehen. In den vergangenen Jahren gab es ähnliche Anschläge in Paris,
Nizza, Berlin und Brüssel. Aber in den europäischen Staaten wurde gegen
diese abscheulichen Allah-Anhänger kaum etwas Effektives unternommen.
Zu zahnlos waren die Gesetze hierzulande.
Das Schreckliche an diesen Anschlägen war, dass es sich dabei tatsächlich
immer um solche mit religiösem Hintergrund handelte. „Allahu Akbar“ –
Gott ist groß – riefen diese Attentäter bei ihren Gräueltaten. Das passt alles
mit der Aussage dieses türkischen Außenministers zusammen: „Bald
könnten in Europa auch Religionskriege beginnen, und sie werden
beginnen.“ „Also dann ist doch der Islam die Wurzel allen Übels?“, fragte
Claudia. „Es hat uns doch der christliche Taxifahrer in Sri Lanka, dessen
Frau der Hindu-Religion angehörte, vor zwei Jahren gesagt, dass das
Zusammenleben der verschiedenen Konfessionen in diesem Land
funktioniere, lediglich mit den Muslimen gäbe es laufend Schwierigkeiten.“
„Ja“, erwiderte Wolf, „auch auf Mauritius hat uns Shams, der Hindu-Koch
im Restaurant, das Gleiche erzählt.“
„Glaubst du, dass es möglich wäre, diese ‚Pseudo-Religion‘
abzuschaffen? Wie sollte man so etwas bewerkstelligen?“ „Nun, nicht
unbedingt abschaffen, sondern den armen, verblendeten Menschen eine
humanitäre Einstellung näher bringen. Diese von diesem Mohammed ins
Leben gerufene Allah-Geschichte ist doch voll von hasserfüllten Doktrinen,
welche sich gegen alles Fremde richten. Als Erstes gehören diese
Hassprediger schleunigst entsorgt. Diese Verbrecher versprechen doch
jedem Islamisten, dass er sich, wenn er im Kampf gegen Christen oder
andere Religionsangehörige stirbt, im Jenseits mit 77 Jungfrauen vergnügen
kann. Ob so einer dann Viagra auch dazu erhält?“
Claudia musste lachen. „Zum Lachen ist das aber nicht. Ich vermute eher,
dass unsere Politiker die Sache einfach nicht in den Griff bekommen.“
„Das kann sich sehr rasch ändern, wenn der General tätig wird. Dann
bleibt kein Stein mehr auf dem anderen. Aber was dann genau geschehen
wird, kann ich auch nicht vorhersagen.“
Europol warnt bereits vor neuen Terroranschlägen in Europa. „Die
Terrorgefahr in Europa ist die höchste, die wir seit einer Generation hatten,
die höchste der vergangenen 20 Jahre. Und sie steigt auch noch, dafür
haben wir Hinweise“, sagt der Europol-Chef. Das sei ein extremer Anstieg
und zeige, „wie sehr sich Teile der islamistischen Gemeinschaft radikalisiert
haben“. Seiner Einschätzung nach ist das Treffen der G 20 Staats- und
Regierungschefs Anfang Juli in Hamburg „natürlich ein potenzielles Ziel
für Terroristen, genauso wie jedes andere wichtige öffentliche Event.“
Kapitel 31

Der Berg, der Menschen „frisst“

Eine recht interessante Meldung kam im Frühsommer im Salzburger


Rundfunk. Darin wurde berichtet, dass der Untersberg einer der
gefährlichsten Berge der Alpen sein sollte. Jedes Jahr verunglücken dort
mindestens zwei Personen tödlich und in den letzten fünf Jahrzehnten sollen
dort am Berg zirka vierzig Personen verschwunden sein, welche bis heute
als vermisst gelten. „Das könnten jetzt durchaus mehr werden, denn der
Zulauf zum Untersberg ist in den letzten Jahren stark gestiegen“, meinte
Claudia. „Ja, das stimmt“, antwortete Wolf, „denke einmal an den
fünfzehnten August jeden Jahres, da kommen immer mehr Trommel- und
Räucherbrüder zur Mittagsscharte, um dort die „Zauberhöhle“, welche sich
gerade an diesem Tag öffnen soll, zu finden. An und für sich ist das ja nichts
Schlimmes, aber ich habe einmal diese Scharen am Berg beobachtet. Die
gehen da mit Straßenschuhwerk im hochalpinen Gelände herum, als wären
sie im Stadtpark. Und dann gehen manche noch dazu den steilen Steig
hinunter zur Mittagsscharte, das ist einfach unverantwortlich von den
Veranstaltern solcher Massenaufläufe. Von deren Seite heißt es dann, die
Mutter Erde wird sie schon beschützen, oder der Berggeist, der zuvor
beschworen wird, sorgt schon für Schutz vor Unglück. In Wahrheit aber hat
die Bergrettung dann alle Hände voll zu tun, wenn Menschen von dort oben
mit Verletzungen geborgen werden müssen. Einerseits ist der Untersberg
eine Attraktion für den Tourismus, andererseits sollten aber den Besuchern
die Gefahren des Hochgebirges eindringlicher nähergebracht werden.“
„Ja, so ist das nun einmal“, überlegte Wolf, „da kaufen sich die Leute ein
Ticket und in siebeneinhalb Minuten sind sie dann bei der Bergstation auf
knapp zweitausend Metern. Solange sie dann von dort in der Nähe der
Station die Aussicht genießen ist ja alles in Ordnung, wenn diese Leute
dann aber ohne entsprechende Ausrüstung und ohne Bergerfahrung eine
stundenlange Wanderung unternehmen, kann das gefährliche Folgen haben.
Ein Wettersturz ist dort schon einigen zum Verhängnis geworden. Gerade
Leute aus dem Flachland, die so etwas nicht kennen, sind in dieser Hinsicht
eher gefährdet.“ Dasselbe erzählte auch Heinz, der Wagenbegleiter der
Seilbahn. „Da hab ich kürzlich in einem Buch eines Oberalpenschamanen
gelesen, dass sogar der Dalai Lama jedes Jahr zum Untersberg kommt.
Unser Chef weiß aber nichts davon. Zweimal soll er tatsächlich da gewesen
sein – aber nicht öfter.“ „Ja“, erwiderte Wolf, „ich vermute, der schreibt
eben solche Sachen, um den Untersberg attraktiver zu machen.“
Kapitel 32

Die Pyramide am Untersberg

Da Peter, der Graf vom Palfen, und zuvor auch schon Linda, die Lehrerin,
den Isaisring schon vor Jahren aus persönlichen Gründen verlassen hatten,
war nun langsam die Zeit gekommen, um zwei neue Mitglieder in den Ring
der Isais aufzunehmen. Wolf besprach dies mit dem Illuminaten und dieser
meinte, dass zwei Schwestern aus dem benachbarten Bayern, welche etwa
im selben Alter wie Claudia waren, am besten dazu passen würden. Die
beiden hatten zudem ein recht großes Interesse am Untersberg und waren
auch schon einmal mit dabei gewesen, als die Gruppe das Schloss
Moosham vom Grafen Stanislaus besuchte. Martina und Monika hießen die
beiden, und sie waren offensichtlich erstaunt, als ihnen eröffnet wurde, dass
sie als neue Mitglieder auserkoren worden waren. Wie üblich wurden die
beiden zur Wintersonnenwende feierlich aufgenommen. Auch sie hatten
nun einen Goldring mit dem schwarzen Diamanten und dem Isaisblitz.
Beide waren sehr sensitiv und brachten immer wieder recht interessante
Themen in die Diskussionen ein. Eines Tages zeigten sie Wolf Fotos von
einer kleinen Pyramide, welche die beiden am Untersberg entdeckt hatten.
Diese befand sich oberhalb der Steinbrüche am Fuße des Untersberges.
„Was hat diese Pyramide wohl zu bedeuten?“, fragte Wolf Herbert. „Keine
Ahnung“, antwortete dieser, „ich habe noch nie etwas davon gehört.“ Auch
Peter und Werner, welcher als Polizist vor Jahren schon diesen Winkel des
Untersberges zu seinem Revier zählte, konnten nichts dazu sagen. Also
wurde beschlossen, diese Pyramide zusammen zu besuchen. Die beiden
Schwestern waren damit einverstanden und ein Termin stand rasch fest.
Zuvor wollte aber Wolf noch den Illuminaten fragen, was es mit dieser
Pyramide für eine Bewandtnis hatte. Dieser erzählte ihm: „Die Arbeiter im
Steinbruch hatten die kleine Pyramide dort oberhalb des Abbaugebietes vor
vielen Jahren errichtet. Zum Gedenken an einen verschwundenen Kollegen,
der dort am Berg nach neuen Marmorvorkommen gesucht hatte. Sie wollten
diese Sache zudem geheim halten und deshalb wurde auch kaum etwas
davon in der Öffentlichkeit erzählt.“ Wolf war schon daran gewöhnt, von
Becker seltsame Geschichten zu erfahren und fragte ihn: „Können wir kurz
dort hinaufgehen? Ich möchte mir die Umgebung dieser Pyramide
ansehen.“
„Kein Problem“, meinte Becker und nahm Wolf bei der Hand. Schon im
nächsten Moment waren sie ein Stück oberhalb der Fürstenbrunner
Steinbrüche auf der rechten Seite am Waldrand.
Diese Pyramide war kein exaktes Bauwerk. Sie musste aus roh behauenen
Marmorstücken erbaut worden sein. Auf Grund der Verwitterung der
Steinblöcke konnte man jedoch sehen, dass es schon eine ziemlich lange
Zeit her war, dass diese erbaut wurde. Becker deutete mit der Hand etwas
nach oben, „Dort befindet sich eine kleine Höhle“, meinte er, „die hat
vermutlich mit dem Verschwinden dieses Arbeiters zu tun.“ Wolf wollte
sich die Höhle ansehen und so ging er mit Becker auch dort hin. „Wie Sie ja
wissen, fluktuieren diese Zeitphänomene hier am Berg, daher ist es
möglich, dass bei dieser Höhle eben jetzt keine solche Zeitveränderung
geschieht.“
„Weshalb wurden diese Sachen aber nirgends aufgeschrieben oder
zumindest erzählt?“, wollte Wolf von Becker wissen.
„Das war schon zu jener Zeit dasselbe wie heutzutage“, erwiderte Becker,
„die Leute haben Angst, für verrückt gehalten zu werden. Sie sehen doch
selber, wie solche Erlebnisse von den Leuten kommentiert werden.“
Wolf wusste das nur zu gut. Hier in der Umgebung des Untersberges
wurde so gut wie jedes seltsame Ereignis von der Bevölkerung
totgeschwiegen.
Als Claudia von ihm über diese kleine Höhle unterrichtet wurde, meinte
sie: „Da möchte ich unbedingt einmal hin.“ „Aber ich hab dir doch gesagt,
Becker meinte, dass dort wahrscheinlich kein Zeitphänomen mehr
existiert.“ „Egal, ob Zeitphänomen oder nicht“, entgegnete die junge Frau,
„da ist endlich einmal eine verborgene Höhle in Reichweite und die möchte
ich sehen.“ „Ist ja schon gut“, meinte Wolf, „wir werden uns das mit den
Mädels aus Simbach gemeinsam ansehen.“
Schließlich wurde ein Termin mit den Schwestern vereinbart, aber an dem
betreffenden Tag war das Wetter derart unbeständig, dass es Wolf zu
gefährlich erschien, den steilen Weg über die Steinbrüche hinaufzugehen,
zumal die Kinder von Martina auch noch mitgenommen werden sollten.
Alle waren sichtlich enttäuscht, aber die Sicherheit hatte Vorrang. „Wir
werden bestimmt mit den beiden dort hinauf gehen“, sagte Wolf, „aber
wenn es trocken ist und kein Regen droht.“
Kapitel 33

Der Alchemist

Peter suchte schon längere Zeit am Fuße des Untersberges herum. Genauer
gesagt an der Römerstraße, welche am Veitlbruch entlangführt. Er wusste
selbst nicht genau, wonach er suchte, aber ein inneres Gefühl sagte ihm,
dass die Lösung zu vielen Geheimnissen am Berg hier in dieser Gegend an
der Straße zu finden wäre. „Weißt du“, sagte er zu Wolf, „es müsste doch
jemand hier in der Nähe wohnen, der über diese Dinge Bescheid wissen
würde. Jemand, der sich auch schon lange damit beschäftigt hat.“
„Ich kenne da ein Haus im Wald, es liegt sehr versteckt und ich weiß auch
nicht, wer dort wohnt, aber dass dort jemand lebt, ist sicher. Ich habe schon
manches Mal in der Nacht dort Licht brennen sehen. Ich werde ganz
einfach einmal dorthin gehen und nachsehen, wer dort wohnt“, antwortete
Wolf.
„Ja, versuch das einmal, vielleicht kannst du dabei etwas herausfinden.“
Als Wolf sich wieder einmal mit Leuten beim Alten Gasthof traf und spät
in der Nacht wieder zurückfuhr, wählte er den Weg durch den
Untersbergwald, der ihn in die Nähe des alten Hauses führte. Einerseits war
es eine willkommene Abkürzung, da wegen des bevorstehenden G 20-
Gipfels in Hamburg wieder strenge Kontrollen auf der Autobahngrenze
durchgeführt wurden und andererseits konnte er dabei zu diesem Haus im
Wald fahren, um nachzusehen, ob dort noch Licht zu sehen war.
Eine Rehgeiß mit zwei Kitzen lief vor ihm über die nächtliche Straße und
kurz bevor er die Abzweigung in den Waldweg zu dem alten Haus erreichte,
sah er noch einen prächtigen Fuchs am Straßenrand.
Obwohl Wolf nicht damit gerechnet hatte, konnte er jetzt, kurz vor
Mitternacht, noch ein beleuchtetes Fenster an dem Haus entdecken.
Er stellte den Motor seines Wagens ab und ging leise auf das Haus zu.
Kurz bevor er die Eingangstüre erreichte, wurde es plötzlich hell.
Wolf meinte, dass durch einen Bewegungsmelder das Licht eingeschaltet
worden war. Dann sah er die Gestalt, welche in der geöffneten Türe stand.
Es handelte sich um einen älteren Mann, welcher ihn ansprach, „Suchen Sie
jemanden?“
„Nein“, antwortete Wolf, „ich habe zwischen den Ästen der Bäume das
Licht gesehen und war neugierig. Darf ich Sie etwas fragen?“
„Bitte, fragen Sie“, antwortete der Alte.
„Mir ist Ihr Haus hier im Wald schon öfters aufgefallen. Sie wissen
bestimmt um die Zeitphänomene, die gerade hier in dieser Gegend des
Berges zuweilen auftreten. Könnten Sie mir etwas dazu sagen?“
„Sie beschäftigen sich also mit diesen Phänomenen?“, fragte der Mann,
„kommen Sie herein, ich werde Ihnen etwas zeigen.“
Damit hatte Wolf nicht gerechnet. Erwartungsvoll stieg er die Stufen zur
Eingangstüre empor. Der Alte führte ihn durch den Flur in eine Art
altmodisch eingerichtetes Wohnzimmer. Er bot Wolf einen Stuhl an.
„Ich habe Sie schon oft hier im Wald gesehen, Sie interessieren sich
offenbar sehr für den Untersberg?“ „Ja“, antwortete Wolf, „seit ich von
diesen Zeitphänomenen gehört habe und auch selber schon damit
konfrontiert wurde, habe ich zu suchen begonnen.“
Der Mann schaltete ein Fernsehgerät ein. Darauf war Wolfs Wagen auf
der Römerstraße zu sehen. Auch die Personen im Inneren konnte man
erkennen. Das waren Claudia und er. Darunter standen das Datum und die
Uhrzeit. Er konnte sogar die Stelle auf der Straße lokalisieren. Das war bei
der Abzweigung zum Dachsweg. Der Mann drückte die Fernbedienung, da
kamen viele Bilder, die das Auto von Wolf zeigten. Aber an völlig
unterschiedlichen Stellen im Wald. „Möchten Sie etwas zu trinken“, fragte
er ihn und deutete mit der Hand auf eine bereits geöffnete Rotweinflasche
auf dem Tisch. „Das ist ein ausgezeichneter Tropfen.“ „Gerne“, antwortete
Wolf und erschrak bei näherem Hinsehen. So eine Flasche hatte er bereits
gesehen. Ja, er selbst hatte doch so eine Weinflasche zuhause stehen.
Auf dem Etikett stand als Hersteller: „Heussler und Katsch“ in
Wattenscheid. Vor Jahren hatte er diese vom General als Geschenk erhalten.
Und dieser Mann hatte hier am Tisch auch so eine Weinflasche stehen.
Während der Alte ein Glas holte und Wolf einschenkte, sagte er: „Ja, ich
habe hier im Wald viele automatische Kameras stehen, welche aufzeichnen,
was sich hier tut und vor allem, wer hierherkommt. So sind Sie mir schon
vor längerer Zeit aufgefallen.“ Er hob sein Weinglas und prostete Wolf zu,
welcher ihn fragte: „Woher haben Sie diesen Wein? Er ist wirklich
exzellent.“
Der Mann meinte: „Ja, das ist er. Und er ist auch sehr alt.“
Wolf antwortete: „Ja, um genau zu sein, vierundsiebzig Jahre.“
„Auf dem Etikett steht aber gar kein Datum“, meinte der alte Mann
verdutzt. „Ich weiß“, antwortete Wolf, aber ich habe auch so eine Flasche
erhalten. Nur hab ich sie bis heute noch nicht geöffnet.“
„Das heißt somit, dass Sie auch mit dem General in Kontakt sind?“
Wolf nickte. Er wusste nun, dass auch dieser Mann engen Kontakt zu
Kammler haben musste. Also hatte Peter wieder einmal Recht gehabt. Der
Schlüssel zu den Geheimnissen lag sozusagen hier im Wald.
Der Alte drückte einen Knopf auf der Fernbedienung des alten
Fernsehgerätes und der rustikale Wohnzimmerschrank fuhr lautlos zur
Seite. Dahinter war ein modern eingerichteter Raum. „Kommen Sie“, sagte
er, „ich werde Ihnen etwas zeigen.“
Wolf war perplex.
In dem Raum waren zahlreiche Monitore an den Wänden, welche
verschiedene Teile des Untersbergs zeigten. Auf einem kleinen Tisch lag
ein kleines schwarzes Gerät, welches Wolf als einen Datenlogger
identifizieren konnte. Als der Alte Wolfs Interesse daran bemerkte, sagte er:
„Ich habe auf einem meiner Bildschirme gesehen, wie dieses Ding voriges
Jahr im Wald vergraben wurde. Ich wollte sehen, worum es sich dabei
handelt, und habe es mir geholt. Es ist ein Datenlogger, der alles Mögliche
aufzeichnet.“
Jetzt war das Geheimnis um das Verschwinden des Gerätes also auch
gelüftet. Er würde es Peter sagen.
„Sie haben also ebenfalls Kontakt mit General Kammler?“, fragte Wolf.
„Schon recht lange“, bestätigte der Mann. „Ich besorge den Leuten in der
Station manchmal Neuigkeiten und nützliche Dinge. Der Kommunikation
dient dabei die Kapelle am Veitlbruch.“
„Ich habe so etwas Ähnliches schon in Erwägung gezogen“, erwiderte
Wolf.
„Der General hat mir schon vor längerer Zeit einmal gesagt, dass Sie mich
bestimmt einmal besuchen werden. Deshalb habe ich Ihnen auch den Wein
von Kammler angeboten, weil ich wusste, dass Sie auch so eine Flasche
erhalten haben. Sozusagen als Erkennungszeichen.“ Wolf nickte. Ja, er
konnte diesem Mann vertrauen.
„Wir müssen sehr vorsichtig sein“, begann der Alte, „hier am Berg treiben
sich verschiedenste Leute herum. Sei es das BVT, der BND oder die CIA.
Aber auch Hobbysucher, welchen es um die Erforschung des
Zeitphänomens geht, sind reichlich unterwegs.
Aber ich kann Ihnen bestimmt Dinge erzählen, welche Sie interessieren
werden. Weshalb der LVT-Chef in Salzburg ausgewechselt wurde. Der war
anscheinend zu oft auf dem Untersberg unterwegs.“
„Meinen Sie, dass dieser Polizist auch etwas herausgefunden hat?“, fragte
Wolf.
„Sie dürfen diese Burschen vom BVT und LVT nicht unterschätzen.
Deren Mittel haben sich in den letzten Jahren stark verbessert.“
Wolf wollte wissen, ob dieser Mann auch von der Existenz Beckers
Bescheid wusste. Aber er wollte ihn nicht einfach so fragen. Das müsste er
mit dem Illuminaten selber abklären.
„Wie lange wohnen Sie schon hier im Wald?“, fragte er ihn. Der alte
Mann sah ihn an und antwortete: „Das ist schon eine sehr lange Zeit, dass
ich hier bin.“ Wolf konnte mit dieser Antwort absolut nichts anfangen.
„Hier in diesem Raum sehen Sie die Technik, aber unten im Keller, da
befindet sich mein Laboratorium.“
Kapitel 34

Das Öl des Berges

Der alte Mann öffnete eine Türe im Raum und ging vor Wolf eine steile
Treppe hinunter. Es tat sich ein Raum auf, welcher an eine
Alchemistenküche im Mittelalter erinnerte. Überall standen Glaskolben,
Reagenzgläser und Fläschchen mit verschiedenen Flüssigkeiten herum.
„Was machen Sie hier?“, war Wolfs nächste Frage.
„Wissen Sie, ich beschäftige mich schon lange mit der Frage nach den
Gesetzen der Natur. Ich habe auch an zwei weiteren Stellen am Untersberg
Ölschiefervorkommen entdeckt. Sie werden Black Goo dazu sagen.“ „Sie
wissen vom Black Goo?“, fragte Wolf.
„Das ist eine alte Geschichte. Ich experimentiere mit verschiedenen Ölen
herum. Vorzugsweise mit solchen, welche hier vom Berg stammen. So zum
Beispiel mit dem ‚Latschen-Öl‘.
Dieses Öl, welches aus den Legföhren des Untersberges gewonnen wird,
wurde um die Jahrhundertwende am Platz des heutigen Gasthauses
Latschenwirt aus diesen Pflanzen extrahiert. Es gab damals eine eigens
dafür errichtete Seilbahn, mit welcher die abgeschnittenen Latschen ins Tal
gebracht wurden. In der kleinen Fabrik gleich neben der Bahn wurde das Öl
hergestellt und zudem wurde auch Kolophonium, welche für Geigen
verwendet wurde, produziert.“
Wolf hörte aufmerksam zu, diese Informationen waren neu für ihn. Der
Mann sprach weiter: „Bei der Suche nach dem Ölschiefer bin ich dann vor
Jahren mit dem Schriftsteller zusammengetroffen, welcher einen Roman
über den Untersberg geschrieben hat. Auch er hat vom General gewusst und
ihn in seiner Station im Berg besucht. Der Baron von Lex, welcher Ihnen
vom Rosenkreuzer-Kapitel in Salzburg bekannt sein müsste, war einige
Male bei mir. Er hat mir die Geschichte von seinem Sohn erzählt, der als
Kind für viele Stunden im Untersberg gewesen war.“
Wolf kam aus dem Staunen nicht mehr heraus, dieser alte Mann hatte
derart viel zu erzählen. „Weshalb sagen Sie mir das alles?“, fragte er ihn.
„Weil Sie ebenfalls den General kennen und sich auch sonst sehr mit dem
Untersberg beschäftigen. Aber vor allem, weil es jetzt an der Zeit ist, alle
Kräfte zu bündeln. Die Umwälzung hat bereits begonnen und wir sollten
nun alle zusammenarbeiten.“
In dem Laboratorium war auch ein kleiner, offener Kamin, welcher aber
augenscheinlich nur zur Dekoration sein durfte, denn auch in diesem Keller
waren Zentralheizkörper zu sehen.
Dennoch waren einige Holzstücke neben dem Kamin. Dem Mann war
Wolfs Interesse daran nicht entgangen und er sagte: „Ich werde Ihnen nun
zeigen, wofür dieser Kamin verwendet wird.“ Er legte einige kleine Scheite
von dem Holz hinein und entfachte ein Feuer. Dann nahm er ein kleines
Fläschchen mit einem sonderbar riechenden Öl und schüttete einige Tropfen
davon in die Flammen. „Jetzt geben Sie acht“, sagte der Alte.
Wolf glaubte, seinen Augen nicht trauen zu können. Da erschien plötzlich
ein Gesicht mitten in den Flammen. Ein Gesicht, welches an das Antlitz
eines Zwerges erinnerte. So etwas hatte er doch schon einmal gesehen. Vor
mehr als dreißig Jahren, als er mit Roland, dem Apotheker, beim Baron von
Lex eingeladen war. Der Baron, welcher auch einen schönen, offenen
Kamin im Wohnzimmer hatte, machte damals ein Feuer darin und meinte,
dass die Holzstücke von einem bestimmten Gebiet am Untersberg
stammten. Auch damals hatten alle in den Flammen ein Gesicht eines
Untersbergzwerges gesehen.
Der alte Mann hatte Wolfs erstaunte Miene bemerkt und sagte: „Das
Ausschlaggebende ist in diesem Falle das Latschenöl, denn um ein solches
handelt es sich dabei. Dieses Öl ist sozusagen die Essenz der Pflanzen und
dadurch auch dieses Berges. Damit können feinstoffliche Wesen für den
Menschen sichtbar gemacht werden.“
„Was würde denn passieren, wenn Sie ein wenig von dem Schieferöl
verwenden würden?“
„So etwas sollten Sie lieber nicht versuchen“, antwortete der Alte, „bei
dem Steinöl, das Sie Black Goo nennen, handelt es sich ja um
Millionenjahre altes Öl mit entsprechenden Informationen. Und ich kann
Ihnen versichern, dass es sich dabei nicht um Zwergengesichter handeln
wird, die dabei sichtbar würden.“
Die Tatsache, dass der Alte hier im Keller alchemistische Versuche
machte, während er im darüberliegenden Stockwerk dank modernster
Technik Observationen im Untersbergwald durchführen konnte, stimmte
Wolf nachdenklich.
„Haben Sie schon Fahrzeuge hier auf der Römerstraße gesehen, welche
ohne Fahrer unterwegs sind?“, fragte Wolf.
„Da gibt es einige davon und auch solche, die von einem zum anderen
Moment verschwinden, so, als ob sie sich in Luft auflösen würden“,
antwortete der Alte.
Wolf fiel dabei der weiße PKW ein, dem er im Winter gefolgt war und
dessen Reifenspur dann plötzlich aufgehört hatte. Auch an den hellen
Lieferbus mit den roten Lichtern beim Fahrersitz, welcher ihm und Claudia
im Vorjahr begegnet war, musste er denken.
„Das ist für mich nichts Ungewöhnliches, ich vermute, dass es sich dabei
um Amerikaner handelt. Die haben ja bereits diese Techniken und nicht nur
für Fahrzeuge. Mittlerweile gibt es auch schon eine Art Tarnkappe für ihre
Leute.“
Wolf wurde nun einiges klar.
„Ich könnte Ihnen stundenlang erzählen, von vermissten Personen der
letzten dreißig Jahre und auch von unbekannten Zugängen in den Berg, aber
das ist jetzt nicht so wichtig. Für heute ist es spät genug. Wir müssen uns in
naher Zukunft wieder treffen.“ Mit diesen Worten begleitete er Wolf wieder
nach oben und verabschiedete sich von ihm. Jetzt hatte er wieder viel zum
Nachdenken. Er würde aber unbedingt mit Becker über diesen Mann
sprechen.
Kapitel 35

Beckers Enthüllungen

„Dieser Mann lebt schon seit recht langer Zeit in diesem Haus im
Untersbergwald“, sagte der Illuminat. „Mit dem General ist er gut bekannt
und er hilft auch bei gewissen Dingen aus. Er ist einer der ganz Wenigen,
welche fast alles über den Berg wissen. Er kannte den Science-Fiction-
Schriftsteller sowie den Rosenkreuzerbaron, das ist richtig. Zudem hat er
auch mächtige Freunde, die ihn beschützen. Er gehört auch einem geheimen
Orden an, der mit den Templer-Nachfolgern verknüpft ist. Zudem ist er eng
mit den Herren vom Schwarzen Stein verbunden. Wenn Sie ihn einen
Alchemisten nennen, liegen sie gar nicht so falsch.“ Wolf lief bei diesen
Worten Beckers ein kalter Schauer über den Rücken. Er wusste, mit diesem
Mann kam er den Geheimnissen des Untersberges ganz nahe.
„Die Zeit war jetzt reif für Sie, diesen Mann zu treffen. Von ihm werden
Sie in Kürze erfahren, was Ihre Rolle in Bezug auf den Berg ist. Aber Sie
brauchen keine Angst zu haben, Sie stehen unter besonderen Schutz.“
„Aber er kennt Sie nicht?“, fragte Wolf Becker.
„Nein“, antwortete dieser, „das ist auch nicht notwendig. Er arbeitet eng
mit dem General und den Leuten in den Basen zusammen. Er weiß auch um
die Zeitlinien und die Phänomene.“
Ja, das passte alles zusammen, aber dass er nun auf so einfache Art und
Weise über diese Dinge unterrichtet werden würde, hätte Wolf nicht im
Traume gedacht. Hier bei diesem alten Mann lief alles zusammen. Er dachte
daran, was für Fragen er ihm beim nächsten Treffen stellen würde.
Wem zum Beispiel der Totenschädel gehörte, welcher in Wolfs
Glasvitrine stand.
Besonders neugierig war er aber darauf, was seine Aufgabe war, wenn die
Umwälzung in vollem Gange sein würde.
Er wollte aber über dieses Treffen mit dem Alten unbedingtes
Stillschweigen bewahren. Auch gegenüber seinen Freunden vom Isaisring.
Wie es der Zufall wollte, erhielt Wolf zur selben Zeit von ihm völlig
unbekannten Leuten eine Reihe von Informationen über geheime Aktionen
in Thüringen, welche sich dort in den letzten Kriegstagen abgespielt haben
sollen. Claudia hatte er diese Briefe auch gezeigt und auch sie war der
Meinung, dass der General bestimmt über diese Aktionen Bescheid wissen
musste.
Jetzt würde einiges ins Rollen kommen, aber wahrscheinlich sollte es so
sein.
Herbert und Elisabeth waren wieder einmal auf den Spuren der Templer in
Frankreich unterwegs und würden erst in einem Monat wieder beim
Untersberg sein. Wolf telefonierte mit den beiden, ohne aber von den
Neuigkeiten zu berichten. Zu brisant war das alles, sodass auch Peter, der
sich für viele Wochen am Gardasee befand, nichts davon mitbekommen
würde.
Eine Frage hatte Wolf aber noch an Becker: „Dieses Gesicht in den
Flammen, wie kommt so etwas zustande? Ist das Magie? Wie kann ich das
verstehen?“
Becker sah ihn an und meinte: „Sie haben in Ihrer Rosenkreuzer-Lehrzeit
die Versuche, den Moosrose-Weihrauch zu beeinflussen, gelernt. Sie haben
die Kerzenflammen beobachtet, wenn ein innerlich unruhiger Mensch zur
Tür hereinkam. Genauso verhält es sich mit Flammen im Kamin. Und da es
sich hierbei um Holz vom Untersberg gehandelt hat, haben Sie
feinstoffliche Wesenheiten des Berges wahrnehmen können. Das mag für
viele Menschen überirdisch wirken, aber an diese Dinge werden Sie sich
rasch gewöhnen.
Außerdem sind das nur Nebensachen. In die wirklich wichtigen Dinge
sind Sie bereits involviert. In Kürze wird es ein Ereignis geben, an welchem
Sie erkennen werden, worum es jetzt geht. Aber das müssen Sie selbst
erleben und ich darf Ihnen für Ihre Zukunft nichts vorwegnehmen.“
Wolf wollte von Becker noch wissen, ob und wie er diese unter einer
Tarnkappe befindlichen Leute aufspüren könne. „Es könnte mit einer
Wärmebildkamera funktionieren, aber so ein Ding kostet Unmengen.
Eventuell könnten Sie sie mit einem Fernthermometer ausfindig machen.“
„Sie meinen das Gerät mit dem eingebauten Laserpointer?“, fragte Wolf.
„Ja, aber den Laserpunkt würden Sie vermutlich in diesem Falle nicht
sehen, zumindest könnten Sie aber die Temperaturänderung feststellen,
denn die Tarnkappe würde ja die Körpertemperatur desjenigen nicht
verändern.“
Kapitel 36

Die Kraft der Kristalle

Claudia verspürte schon seit Längerem den inneren Drang, wieder zu der
Stelle am Untersberg zu gehen, wo sie schon vor Jahren einmal das große
Felsentor gesehen hatte. Sie wusste noch ganz genau, wo die Stelle war.
Wolf war nicht von ihrem Vorhaben begeistert, da der Untersberg nicht ganz
ungefährlich war. Eines Tages aber, als Wolf in München unterwegs war,
fuhr die junge Frau über die Römerstraße zum Berg. Es war trockenes,
schönes Wetter und sie stellte ihren Wagen in der Nähe der Kapelle beim
Veitlbruch ab. Schon nach kurzem Aufstieg durch den Wald gelangte sie zu
der Lichtung, wo damals das geöffnete Tor in den Berg sichtbar gewesen
war. Diesmal aber war alles ganz normal und natürlich. Von einer Öffnung
im Fels war keine Spur zu sehen. Claudia beschloss, eine Pause einzulegen,
und setzte sich ins Gras vor der Felswand. Da erblickte sie ein Rudel Rehe,
welches überraschend nahe zu ihr herkam, so, als würden die Tiere keine
Notiz von ihr nehmen. Plötzlich trat ein alter Mann aus dem Dickicht. Es
schien sich um einen Jäger zu handeln und Claudia fürchtete schon, dass
nun eines der Rehe abgeschossen würde. Doch der Mann, welcher Claudia
auch bemerkt hatte, wandte sich ihr zu und meinte: „Sie brauchen sich
keine Sorgen um die Tiere zu machen, ich bin sozusagen ihr Beschützer.“
Obwohl Claudia verwundert über das Auftauchen dieses Mannes war,
fasste sie all ihren Mut zusammen und fragte: „Wohnen Sie hier beim
Berg?“ „In gewissem Sinne bin ich von hier“, gab der vermeintliche Jäger
zur Antwort. „Ich kenne hier jeden Pfad und Steig.“ Bei diesen Worten
musste die junge Frau an das Schreiben Beckers denken, das Wolf einst vor
Jahren von diesem erhalten hatte. Darin stand unter anderem: „Wo alter
Quell dem Berg entspringt, dort wasche deine Hände, ein steiler Pfad dich
aufwärts bringt, folg diesem bis zum Ende …“
Sie fragte daher den Mann: „Kennen Sie einen Pfad hier in der Nähe, an
dessen Ende es einen Eingang in den Berg gibt?“
„Sie meinen den Gang zur Halle der Erkenntnis?“, erwiderte der Alte und
ein Lächeln huschte über das zerfurchte Gesicht des Mannes.
„Wieso wissen Sie …“, wollte Claudia gerade fragen, als der Alte
weitersprach: „Sie sind ja nicht zufällig hierhergekommen. Hier an diese
Stelle, wo sich das große Felsentor befindet. Sie kennen sich anscheinend
bestens hier aus.“ „Ich war schon zweimal in dieser Halle“, antwortete
Claudia. „Ich und mein Begleiter haben auch den Dreiender-Bergkristall in
die Vertiefung im Gang gelegt und damit die Halle geöffnet.“
„Wissen Sie auch um die Macht dieser Kristalle?“, fragte der Alte.
„Eigentlich nicht wirklich“, entgegnete Claudia, „nur so viel, dass dieser
Kristall dort seinen Platz haben würde. Das wurde uns von der schwarzen
Dame Julia gesagt.“
„In solchen Kristallen ist sehr viel an Information enthalten und sie haben
auch eine starke Wirkung.“
Claudia musste dabei an den Kristallkelch denken, den Wolf vor Jahren
von einem chinesischen Antiquitätenhändler erhalten hatte. Aus diesem
Becher wurde dann bei den Initiationen in den Isaisring das
Untersbergquellwasser getrunken.
Auch Wolfs geschliffene Edelsteine kamen ihr dabei in den Sinn. Er hatte
von allen Edelsteinen der Welt zahlreiche Stücke. Ob es Diamanten in
verschiedenen Farben waren, oder Korunde wie Saphir und Rubin,
ebenfalls in sämtlichen Farben, Berylle wie Smaragd, Topase, Turmaline
und Spinelle. Es waren beachtliche Größen von vielen Karat darunter. Wolf
wusste, dass diese verschiedenartigen Kristalle auch ganz bestimmte
Wirkungen auf den Menschen hatten. Wahrscheinlich experimentierte er
sogar damit, worüber er aber kaum ein Wort verlor.
Der alte Mann streichelte ein Reh, welches direkt neben ihm stand und
fuhr fort, als ob er die Gedanken der jungen Frau gelesen hätte: „Ja, schon
die Herrscher in alten Zeiten wussten um die Macht der Karfunkelsteine
und hüteten ihr Geheimnis. Ihre Ringe, Amulette und Kronen waren
verziert mit kostbaren Kristallen. Das waren Steine der Macht und das ist
bis heute so erhalten geblieben.“
„Kommen Sie mit“, sagte der Mann und ging zu einem schmalen Steig im
Wald, den Claudia zuvor gar nicht bemerkt hatte. Die junge Frau folgte ihm.
Nur die Rehe blieben auf der kleinen Lichtung vor dem Felsen. Sie
erreichten nach wenigen Minuten den schmalen Eingang zur Halle der
Erkenntnis. Der alte Mann nahm eine bronzene Klangschale aus seinem
Rucksack und schlug mit einem dazugehörigen Holzstück auf deren Rand,
wodurch ein feierlicher Ton erzeugt wurde. Claudia traute ihren Augen
nicht, als sich plötzlich der Felsen vor den beiden zu bewegen begann. Wie
von Geisterhand öffnete sich ein Zugang ins Innere des Berges. „Kommen
Sie“, sagte der Mann und schritt in den Gang voran. Eine angenehme Kühle
umfing sie. Die Wände des Stollens strahlten ein grünliches, diffuses Licht
aus.
Der Alte griff wieder in seinen Rucksack und nahm diesmal eine Panflöte
heraus, auf welcher er einen einzigen Ton anblies. Die Wände bekamen
jetzt eine andere Farbe und das Grün wich einem zarten Hellgelb. Vor ihnen
war jetzt ein Tor zu sehen. „Wie Sie sehen“, meinte der Alte, „reagieren die
Steine hier im Berg auf Frequenzen. Das ist nichts Ungewöhnliches, aber
dieses Wissen ist von den Menschen vergessen worden. Der Freund von
Professor Kusch musste diese Erkenntnis mit seinem Leben bezahlen, als er
in der Nähe eines Klosters in einem unterirdischen Gang seine Versuche mit
verschiedenen Klängen machte. Er wollte dieses Wissen in einer von ihm
anberaumten Pressekonferenz veröffentlichen. Wenige Stunden zuvor war
er tot. Offenbar wollten gewisse Kreise diese hochgehüteten Geheimnisse
schützen.“
„Wer sind Sie eigentlich? Woher haben Sie all dieses Wissen?“, fragte
Claudia. Der Alte schaute sie an und antwortete: „Ich beschütze nicht nur
die Rehe hier am Berg, ich bin ein Hüter der Geheimnisse des
Untersberges.“
„Dann wissen Sie aber bestimmt auch etwas von der Station des Generals
hier im Berg?“, wollte Claudia von ihm hören.
„Ja, freilich“, erwiderte er, „aber das ist etwas ganz Anderes. Der General
hat die Zeitanomalien, die am Untersberg vorkommen, für seine eigenen
Zwecke ausgenützt. Welche immer das sein mögen. Die wahren Mysterien
wurden aber schon vor langer Zeit entdeckt. Es war der Tempelritter
Hubertus, der auf der anderen Seite des Berges seine Komturei errichtet
hatte. Er hat auf Geheiß der Göttin ISAIS gehandelt. Und auch die
Geschichte des Stadtschreibergehilfen von Bad Reichenhall, des Lazarus,
zeugt davon, dass schon vor Jahrhunderten über sehr seltsame Dinge, die
hier im Berg vorkommen sollen, berichtet wurde. Auch heutzutage
versuchen viele Menschen, diesen Sachen auf den Grund zu gehen.
Alpenschamanen sehen dahinter Berggeister, denen sie Opfer darbringen
und für die sie Räucherwerk entzünden, um sie milde zu stimmen. Aber die
wahren Hintergründe um diese Mysterien erkennen sie damit nicht.“
Abermals nahm der Mann etwas aus seinem Rucksack. Es war eine ganz
normale Flöte. Er setzte sie an seine Lippen und als der Ton in dem Gang
erklang, öffnete sich das schwere Tor vor den beiden. Claudia war
sprachlos. Sie standen direkt am Eingang zur Halle der Erkenntnis.
„Schon vor langer Zeit wurden diese Töne und Frequenzen benutzt, um
Manifestationen auszulösen. Wie Sie sehen, funktioniert das auch heute
noch. Claudia konnte sich nicht sattsehen, als sie ihre Blicke durch die
kuppelförmige Halle schweifen ließ. Aber dieses Mal waren darin keine
diskusförmigen Scheiben zu sehen. Die goldene Kugel auf dem Podest in
der Mitte konnte sie aber ganz genau erblicken. „Das ist das Herzstück vom
Untersberg“, sagte der Alte, „von hier aus wird alles gesteuert.“
Wolf würde ihr das kaum glauben, dachte sie, zu phantastisch würde es
sogar für ihn klingen.
Der Mann griff noch einmal in seinen Rucksack und holte eine
Stimmgabel heraus. Dann sagte er zu Claudia: „Wenn Sie jetzt an den Ort
denken, wo gerade ihr Wagen steht, dann werden Sie dorthin
zurückgebracht, warten Sie.“ Der Alte schlug die Stimmgabel an und ein
sanfter Ton war zu hören, der aber von der kuppelförmigen Halle
hundertfach verstärkt wurde. Die Halle begann in goldfarbigem Licht zu
erstrahlen, dann verschwamm das Bild und im nächsten Augenblick stand
die junge Frau alleine neben ihrem weißen Auto in der Nähe der Kapelle.
Sie griff sich an die Stirn und rieb sich ihre Augen. Hatte sie das alles nur
geträumt? Der alte Mann war verschwunden.
Auch am Nachhauseweg hielt sie das Erlebte noch immer für eine
Sinnestäuschung. Erst als sie ihre Geschichte am Abend Wolf erzählte,
meinte dieser nachdenklich: „Jetzt weißt du wahrscheinlich, weshalb ich dir
immer davon abgeraten habe, dort alleine hinaufzugehen. Da spielen sich
Dinge ab, die nicht so einfach zu erklären sind.“ „Was?“, erwiderte sie. „Du
hast davon gewusst und mir nichts gesagt?“
„So etwas hättest du mir ja niemals geglaubt“, gab ihr Wolf zur Antwort.
„Aber in Zukunft kannst du mir ruhig mehr erzählen.“
„Das werde ich auch, aber ein wenig gedulden musst du dich noch. Dann
zeige ich dir ein paar Experimente mit meinen Edelsteinen. Du wirst
staunen.“
Kapitel 37

Die Edelsteine

Wolf nahm ein paar seiner geschliffenen Edelsteine aus den Laden heraus
und legte sie auf den Tisch. Dann gab er Claudia eine Laser-Schutzbrille
und setzte selber auch eine auf. Zuerst beleuchtete er einen normalen
Quarzkristall mit dem grünen Laserstrahl. Der Kristall begann überirdisch
zu leuchten und zu funkeln. Wolf machte dieses Experiment dann auch mit
seinem Kristallschädel, welcher unter dem Licht des grünen Lasers direkt
lebendig aussah. Als letztes nahm er den Kristallkelch aus der Vitrine und
als dieser von dem Strahl beleuchtet wurde, sah er aus wie der Heilige Gral.
Er schien zu schweben, obwohl er auf dem Tisch stand.
„Das sind alles rein optische Effekte, die du hier siehst“, sagte er zu
Claudia. „Aber jetzt werde ich dir etwas zeigen, was nichts mehr mit
optischen Gesetzen zu tun hat.“ Er nahm einen Turmalin von beachtlicher
Größe und hielt ihn fest umschlossen in der Hand, dann verdunkelte er den
Raum. Er legte den Edelstein auf einen Keramikteller und hielt seine Hand
darüber.
Claudia staunte, als aus dem dunklen Kristall plötzlich feine, blaue Blitze
zu Wolfs Hand hochfuhren. „Das ist alles keine mystische Zauberei“,
erklärte ihr Wolf, „das sind nur physikalische Eigenschaften dieses
Turmalins. Er erzeugt unter Wärme einige tausend Volt Hochspannung, mit
ganz kleiner Stromstärke. Also völlig ungefährlich. Das heißt aber nicht,
dass diese Blitze nichts ausrichten können.“
„Manche Edelsteine verändern ihre Farbe durch Veränderung der
Temperatur und andere wieder kann man durch ‚Brennen‘, das bedeutet,
wenn man sie eine gewisse Zeit großer Hitze aussetzt, dauerhaft farblich
verändern.“
„Dann sind solche Kristalle eigentlich keine starren Gebilde, wie ich
immer gedacht habe.“
„Ganz im Gegenteil“, antwortete Wolf. „Sie können Informationen
speichern und mit dem menschlichen Körper in Wechselwirkung treten,
aber auch andere Dinge beeinflussen. Sogar die Zeit und den Raum. Aber
das würde jetzt zu weit führen.“
„Soll das etwa heißen, ich nehme einen Kristall in die Hand und reise
damit durch die Zeit?“
„Vielleicht nicht ganz so einfach, aber da ist bestimmt etwas dran“, gab
ihr Wolf zur Antwort. „Denke daran, was wir vor ein paar Jahren im
Karnak-Tempel erlebt haben. Dabei waren das gar keine Kristalle, sondern
nur die schwarzen Steine. Und auch bei Rassul, dem Grabräuber auf der
Westbank in Kurna, waren doch Kristalle im Spiel, als sein Bruder
verschwunden ist. Du weißt schon, diese dreieckigen, blauen Prismen.“
„Ja“, meinte Claudia, „solche hast du doch mit Linda aus den Lavahöhlen
unter der Villa Winter geholt. Die waren in Bleizylindern, welche du dem
General gebracht hast.“
„Genau, du hast dir alles gut gemerkt“, lachte Wolf.
„Diese Edelsteine und Kristalle sind nicht nur Schmuck und Zierrat, so
wie manche Leute denken. Nein, die haben Wirkungen auf den Menschen,
auch wenn es oft als Aberglauben gehandelt wird.“
„Du meinst diese ‚Orgonite‘ von Inge wirken auch so ähnlich?“, fragte
Claudia.
„Weißt du“, antwortet Wolf, „das kann ich dir nicht so genau sagen. Dass
die Dinger wirken, das glaube ich der Inge. Nur handelt es sich dabei nicht
um Kristalle, obwohl manchmal auch welche dabei verwendet werden.
Nein, das sind in Formen gegossene Polyesterharzgebilde, in welche allerlei
Metallspäne, Steinchen und anderes eingearbeitet werden. Ich weiß wirklich
nicht, auf welche Art hier Wechselwirkungen entstehen. Wir sollten uns das
einmal von unserer Kölner Freundin erklären lassen.“
„Ja, soviel ich weiß, hat sie schon an sehr vielen Stellen solche ‚Bomben‘,
wie sie sie nennt, vergraben. Ich werde sie beim nächsten Mal fragen.“
Kapitel 38

Der Teufel im Berg

Als Wolf abermals mit Becker wegen des alten Mannes, welcher das Haus
im Untersbergwald bewohnte, Kontakt aufnahm, erfuhr er wieder einmal
mehr von den Geheimnissen des Berges.
Es waren nicht nur seltsame Leute, welche hier um den Berg tätig waren,
von denen Becker erzählte, da war auch die Rede von Kräften im Berg,
welche als übernatürlich anzusehen waren.
„Meinen Sie so etwas wie Geister?“, fragte Wolf lachend. „Das wäre doch
eher etwas für die Alpenschamanen.“
„Nun“, erwiderte der Illuminat, „erinnern Sie sich an Ihre Erlebnisse mit
dem Mephisto oder an den Folterkeller im Schloss Moosham? Da waren
doch auch Kräfte am Werk, die sicher nicht menschlichen Ursprungs
waren.“
Wolf überlegte. „Ja, auch das ‚Tischerlrücken‘, welches ich vor vielen
Jahren an einem Krampustag in Grödig versuchte habe, hat doch etwas
Unerklärliches hervorgebracht. Ich wollte damals aus Spaß den Teufel
rufen. Mit theatralischen Worten habe ich Ulrike damals beeindrucken
wollen und laut gerufen: „Oh, gehörnter Fürst der Hölle, ich rufe dich!
Komm heraus aus den Klüften des Untersberges und erscheine uns!“ Was
unmittelbar danach geschah, war wirklich furchteinflößend. Die einzige
Lichtquelle im Raum, eine Kerze, wurde von einem eisigen Luftstrom, der
durch das Zimmer fuhr, fast zum Verlöschen gebracht. Uns standen
sozusagen die Haare zu Berge. Sofort brachen wir dieses Experiment ab
und ich versuchte so etwas später nie wieder. Hat das etwas mit dem
Untersberg zu tun gehabt, oder war das nur Zufall?“
„Da fallen mehrere Dinge zusammen“, antwortete Becker, „erstens war es
ein symbolträchtiger Tag, dieser fünfte Dezember, und zweitens wirken
solche Evokationen, besonders wenn negative Kräfte angerufen werden,
sehr stark. Direkt mit dem Untersberg wird das nichts zu tun haben, was
aber nicht ausschließt, dass sich gerade in diesem Berg auch Kräfte
befinden, welche nicht nur positiv wirken.“
„Also haben die Alpenschamanen dann doch Recht, wenn sie die Geister
beschwören?“, entgegnete Wolf.
„Ja und nein“, erwiderte Becker, „es kommt dabei darauf an, mit welchen
Motiven so etwas durchgeführt wird. Aber das soll nicht Ihre Aufgabe
sein.“
„Aber unterhalten Sie sich darüber einmal mit dem Pfarrer Schmatzberger
aus Großgmain. Der hat ein sehr großes Wissen, was diese Dinge betrifft,
und kann Ihnen sicherlich weiterhelfen.“
Kapitel 39

Der Aufmarsch der Truppen

An den Grenzübergängen in der Nähe des Untersberges war es mittlerweile


ruhiger geworden. Aber Rainer, der scharfe Beamte aus Rosenheim, sagte
zu Wolf, dass die Grenzkontrollen noch lange andauern würden.
Mittlerweile waren es nicht mehr die illegalen Migranten, auf die Jagd
gemacht wurde, sondern die sogenannten „Gefährder“, also potenzielle
Täter, vornehmlich Islamisten, die Anschläge planten und auch ausführten.
Aber diese waren sehr schwer zu finden, obwohl von Seiten der Behörden
in ganz Europa große Anstrengungen unternommen wurden. Ob der
Interessent, der von Wolf das Versteck des amerikanischen Waffendepots
verraten haben wollte, auch dazugehörte, wusste er nicht.
Fast jeden Tag gab es Meldungen von Anschlägen in den Metropolen
Europas.
Der Kontakt zum General wurde mittlerweile auf ein Minimum
beschränkt, da die Überwachung von Wolfs Aktivitäten seitens diverser
Dienste immer intensiver wurde. Trotzdem erfuhr Wolf aber, dass die
Vorbereitungen seitens des Generals bereits abgeschlossen waren.
Jetzt galt es nur abzuwarten, wann und wie das Einschreiten erfolgen
würde. Ob und wie weit die Truppenaufmärsche der Nato an der Russischen
Grenze auch etwas damit zu tun hatten, war schwer zu beurteilen.
Zumindest konnte man es nicht mehr übersehen, dass etwas im Gange
war.
Kapitel 40

Die Jagdstraße Hitlers

Die Straßen und Wege durch die Wälder am Obersalzberg waren von
Bormann, dem Verwalter dieses Berges, schon sehr frühzeitig angelegt
worden. Besonders die „Jagdstraße“ Hitlers, welche vom Klingeck bis
zurück zur Ligeret-Alm führte, war solide errichtet und sogar mit
Granitrandsteinen begrenzt worden. Natürlich wurde diese Straße auch
geteert.
Sie überdauerte viele Jahrzehnte ohne Ausbesserungen und war ein
beliebter Ausflugsweg in den Wäldern des geschichtsträchtigen Berges.
Über diese Jagdstraße kam man vom Klingeck kommend, vorbei in
unmittelbarer Nähe am N2-Gewölbe zum Admiral-Scheer-Blick und zur
Abzweigung zum Scharbodenweiher, wo sich Hitlers Forellenzucht befand.
Dort im Teich sollten sich ja die 1,2 Tonnen Reichsgoldbarren befinden,
welche in den ersten Mai-Tagen 1945 von dem Halbkettenfahrzeug aus
hineingeworfen wurden. Der Weg führt dann weiter bis zur Ligeretalm und
am Ende erreicht man die Scharitzkehlalm.
Diese Jagdstraße ist seit Jahrzehnten nur noch eine Forststraße und für
den öffentlichen Verkehr nicht zugelassen. Vor mehr als zehn Jahren wurde
in der unmittelbaren Nähe vom unterirdischen Säulengewölbe N2, an dem
diese Straße vorüberführt, der Randbereich auf der Talseite aufgerissen. Es
wurde damals am Rand der Straße eine Strom- oder Wasserleitung verlegt
und wieder mit Schotter zugeschüttet. Nun aber, nach über siebzig Jahren,
heißt es auf einmal, der Asphalt, welcher zur Hitlerzeit mit Steinkohlenteer
hergestellt wurde, sei extrem giftig und daher müsse der komplette Belag
abgetragen werden. Wer aber weiß, dass bis heute zahlreiche kosmetische
und auch medizinische Produkte aus Steinkohleteer hergestellt werden,
wird sich bestimmt über diese Vorgehensweise wundern.
Wolfs Bekannter von den Bundesforsten hatte da etwas Interessantes zu
berichten. „Weißt du“, sagte er zu ihm, „als damals diese Leitung verlegt
wurde, ist man auf einige Dinge gestoßen, welche für die Behörden von
immenser Wichtigkeit gewesen sein mussten. Tagelang waren Leute mit
Suchgeräten auf dieser Straße zu sehen. Wenn ich mich nicht irre, war da
sogar ein Bodenradar im Einsatz. Und nun, zu guter Letzt, wurde
beschlossen, die komplette Straße wegzureißen, nur um den
‚hochgefährlichen‘ Asphalt zu entsorgen.“ „Weißt du auch, wonach da
gesucht wird?“, fragte Wolf. „Leider nein, aber sie lassen plötzlich auch
keine Leute mehr dorthin. Da gibt es jetzt ganz frische Markierungen auf
den Granitrandsteinen und es wird auch gesagt, dass sich darunter
gefährliche Blindgänger befinden sollen. Angeblich stammen diese von der
Bombardierung des Obersalzberges durch die Alliierten Ende April 1945.“
„Das kann ja gar nicht sein“, erwiderte Wolf, „denn diese Wege wurden ja
schon Jahre zuvor gebaut, da müsste man ja Spuren sehen.“
„Ja, das denke ich auch“, antwortete der Forstarbeiter. „Stell dir vor, die
wollen jetzt sogar Ersatzwanderwege für die Touristen anlegen. Ich glaube,
das wird nur deshalb getan, um die Leute von diesen Grabungen
fernzuhalten.“ „Ich habe da so eine Vermutung“, meinte Wolf, „könnte es
nicht sein, dass unter und neben dieser Straße damals in der Hitlerzeit etwas
versteckt wurde? Ich weiß zwar auch nicht, was, aber vielleicht hat es etwas
mit dieser Funk-Überreichweite zu tun. In den ersten Maitagen 1945 stand
doch ein Marinefunkwagen oben auf dem Klingeck, dort, wo die Straße
eine Umkehrschleife bildet, und sendete pausenlos nach Südamerika,
obwohl das funktechnisch gar nicht möglich hätte sein können. Die
Mannschaft dieser Einheit war angeblich im Säulenraum N2 untergebracht.
Möglicherweise gab es dort irgendwelche technischen Einrichtungen,
welche unter oder in der Nähe dieser Jagdstraße vergraben wurden.“ „Ich
werde in den nächsten Monaten dort in der Nähe meinen Dienst versehen“,
erwiderte der Forstarbeiter, „und dabei werde ich versuchen, ein wenig
mehr über diese Arbeiten zu erfahren.“
„Ja, das würde mich auch sehr interessieren“, sagte Wolf, „aber
interessant wäre auch, ob die Kehlsteinstraße damals auch mit demselben
Asphalt errichtet worden ist.“ „Meiner Meinung nach schon“, erwiderte der
Forstarbeiter, „aber diese Straße werden sie wohl nicht wegreißen, denn das
wäre für den Fremdenverkehr untragbar. Also ich bin der Ansicht, die
suchen tatsächlich etwas.“ „Ja, das würde auf der Hand liegen“, sprach
Wolf.
Steine der Macht
Wolf, Stan
9783990264324
265 Seiten

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Ein Zeitphänomen. Spurlos verschwundene


Menschen. Sind geheimnisvolle schwarze Steine die
Ursache?Nachdem der Hobbypilot Wolf einen
solchen Stein in der unterirdischen Kammer der
Cheops-Pyramide gefunden hat, wird er immer
wieder gemeinsam mit seiner Begleiterin Linda mit
diesen Steinen konfrontiert. Wolf und Linda machen
auf der Suche nach den rätselhaften Phänomenen
eine unglaubliche Entdeckung.Als sie ihre
Nachforschungen auch auf den benachbarten
Obersalzberg, dem einstigen Refugium der NS-
Größen, führen, gerät Wolf in höchste Gefahr. Ihre
Suche führt sie schließlich mit einer Cessna nach
Fuerteventura, wo sie in einem Landhaus aus der
Vorkriegszeit, der Villa Winter, unter Einsatz ihres
Lebens ein altes Geheimnis lüften ...Dieser
spannende, fesselnde Roman beruht überwiegend auf
tatsächlichen Begebenheiten.

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Faszinierendes Grado
Feik, Hannes
9783990487310
140 Seiten

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Schon seit über 20 Jahren reist Hannes Feik


regelmäßig nach Italien, insbesondere Grado hat es
ihm angetan. Auf amüsante, unterhaltsame Weise
erzählt er von seinen dortigen Beobachtungen, den
Eigenheiten unserer südlichen Nachbarn - und im
Gegenzug auch, wie die teils belächelten, aber
dennoch willkommenen Touristen von den
Einheimischen wahrgenommen werden. Dazu gibt er
wertvolle Tipps für Italienurlauber und lässt uns
teilhaben an zahlreichen Erlebnissen, von der
italienischen Autowerkstatt bis zum eigenen Haus.
Die Anschaffung eines Bootes gestaltet sich zudem
gar abenteuerlich … Eine bunte Mischung
kultureller, wirtschaftlicher und kulinarischer
Themen, basierend auf Beobachtungen in Grado und
ganz Italien. Der perfekte Lesestoff für Italien-Fans
und alle, die es werden wollen!

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Das verzerrte Spiegelbild
Starabanja, Vesa
9783990489901
78 Seiten

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Sophia wird gemobbt. Zuerst war es nur Sina, die sie


sowieso noch nie leiden konnte, die über Sophias
Übergewicht Witze machte. Aber nach und nach
schließen sich immer mehr ihrer Klassenkameraden
der Feindin an. Nur Alea und Leon halten zu Sophia.
Doch schließlich wechselt auch Alea die Seiten, sie
erträgt den Druck nicht mehr, sich immer für ihre
Freundin rechtfertigen zu müssen. Leon hält an der
Freundschaft zu Sophia fest und schafft es, sie immer
wieder zum Strahlen zu bringen. Doch Sophia ist
inzwischen auch selbst davon überzeugt, dass sie
hässlich und viel zu dick ist. Ihr selbsterstellter
Ernährungsplan soll ihr dabei helfen, genauso
schlank zu werden wie alle anderen. Doch weiß
Sophia auch, wann sie mit dem Abnehmen aufhören
muss?

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Ende gut - Alles anders
Faber, Maria
9783990036846
240 Seiten

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Die berührende Geschichte einer Frau, die die Enge


ihres Seins erfährt und am Ende vor der schieren
Selbstaufgabe steht. Das Schicksal einer Frau, die ihr
Leben noch im letzten Augenblick als achtenswert
befindet und schließlich den Kampf gegen ihre
Dämonen und gesellschaftliche Konventionen
aufnimmt. Ein Liebesroman, der viel mehr ist.
Emotional und dennoch amüsant dargelegt, eine
Begegnung, die ermutigt und instruiert.

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Wolfsfieber
Adelmann, Ruth
9783990036273
434 Seiten

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Nacht ändert alles im Leben der Lokaljournalistin
Joe. Sie fährt den jungen Bibliothekar Istvan an und
versorgt ihn bei sich zu Hause. Auf seltsame Weise
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Adelmanns "Wolfsfieber" ist der erste Band einer
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