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Inhaltsverzeichnis

Impressum
Einleitung
Vorwort
Danksagungen
Einleitung
Was bisher geschah
Kapitel 1
In den Höhlen von Fuerteventura
Kapitel 2
Lutz erzählt
Kapitel 3
Die beiden Dottores Walter und Moritz
Kapitel 4
Die Götterstatuette aus Bali
Kapitel 5
Der Yogi Meister aus Indien
Kapitel 6
Die verhinderten Flüge
Kapitel 7
Ausnahmezustand im Inselstaat
Kapitel 8
Die Tabula Smaragdina
Kapitel 9
Das Grab des Paracelsus
Kapitel 10
Grimmigs Demontage
Kapitel 11
Die Entdeckungen im Landlerwald am Obersalzberg
Kapitel 12
Die paradoxen Mysterien
Kapitel 13
Die Höhle hinter dem Schießplatz
Kapitel 14
Rosenkreuzer Geheimnisse
Kapitel 15
Die Einladung des Generals
Kapitel 16
Der alte Schriftsteller
Kapitel 17
Die Legende vom Birnenmädchen
Kapitel 18
Die Geheimnisse von Güimar
Kapitel 19
Becker und der General
Kapitel 20
Der unsichtbare Wanderer
Kapitel 21
Ausgrabungen auf dem Obersalzberg
Kapitel 22
Das Keltengrab am Untersberg
Kapitel 23
Die verschwundene Drohne
Kapitel 24
Der Aufruf des Generals
Kapitel 25
Die Fenster in die Zeit
Kapitel 26
Das Zeitentor
Kapitel 27
Die Verbündeten des Generals
Kapitel 28
Die Liste
Kapitel 29
Das Vermächtnis des Schriftstellers
Kapitel 30
Codewort „Hans“
Kapitel 31
Wo viel Gutes – ist auch das Böse nicht weit
Kapitel 32
Beckers Herkunft
Impressum
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen
Nationalbibliografie.
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Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Film, Funk und Fernsehen, fotomechanische Wiedergabe,
Tonträger, elektronische Datenträger und auszugsweisen Nachdruck, sind vorbehalten.
© 2018 novum publishing
ISBN Printausgabe: 978-3-99064-520-8
ISBN e-book: 978-3-99064-521-5
Lektorat: Tobias Keil
Umschlagfoto: Stan Wolf
Umschlaggestaltung, Layout & Satz: novum publishing gmbh
Innenabbildungen: Stan Wolf
www.novumverlag.com
Einleitung
Macht hat viele Gesichter
Das Streben nach Macht ist uns eigen
Die stärkste Macht
liegt im Verborgenen

Vergangenheit Gegenwart Zukunft


Alles existiert gleichzeitig

www.stan-wolf.at
Vorwort
Vieles ist zu unfassbar, als dass man es einfach niederschreiben könnte.
Vielleicht sollte es auch verborgen bleiben, denn der menschliche Verstand
nimmt nur jene Dinge zur Kenntnis, welche ihm geläufig sind.
Deshalb schreibe ich dieses Buch als Roman.

Es bleibt dem einzelnen Leser überlassen zu beurteilen, was er als Tatsache


anerkennen möchte.
Danksagungen
Mein Dank gebührt
Mein Dank gebührt Claudia welche mitgeholfen hat, Verborgenes ans
Tageslicht zu bringen.
Roland, der Apotheker und Rosenkreuzer, wies mir den Weg zum Eingang.
Becker der Illuminat, der keiner ist, hat maßgeblich zur Aktivierung des
Mysteriums beigetragen
Und ganz besonders danke ich meinem Freund Lutz aus dem Norden
Deutschlands, welcher ebenfalls wertvolle Informationen beisteuerte
Einleitung
Was bisher geschah

Als vor über dreißig Jahren drei deutsche Bergwanderer auf dem
Untersberg verschwanden und sich nach zwei Monaten von einem
Frachtschiff im Indischen Ozean wieder meldeten, weckte dies Wolfs
Interesse an dem, ihm bis dahin nur als Sage bekannten Zeitphänomen am
Salzburger Untersberg. Zudem hatte Wolf selbst diese drei Leute einige
Jahre vor ihrem Verschwinden auf einer Schutzhütte auf dem Untersberg
getroffen. Er hatte dann in den darauf folgenden Jahren ein sehr mysteriöses
Erlebnis, als er mit seiner Tochter Sabine die vermutete Zeitanomalie am
Berg erforschen wollte.
Doch wieder vergehen etliche Jahre, bis er auf seinen oftmaligen Reisen
in entlegene Gebiete der Fels- und Sandwüsten in Ägypten mit seiner
Begleiterin, der Lehrerin Linda, auf ähnliche, rätselhafte Erscheinungen
stößt, welche offenkundig mit runden, schwarzen Steinen in der Größe und
Form einer Orange zu tun haben. Immer intensiver wird seine Suche, bis er
durch Zufall in der unterirdischen Kammer der Cheopspyramide einen
solchen schwarzen Stein findet. Bei seinen weiteren Recherchen stößt er auf
eine wenig bekannte Sage, der zufolge von einem Tempelritter im elften
Jahrhundert ein ebensolcher Stein aus Mesopotamien zum Untersberg
gebracht wurde.
Diesen Stein, welcher der Überlieferung nach von dem Templer in einer
Höhle im Berg versteckt worden war, ließ bereits Hitler, der ja bekanntlich
eine Vorliebe für den Untersberg hatte, suchen. Hitler hatte angeblich
Hinweise, wonach dieser Stein der Schlüssel zu großer Macht sein sollte.
Wolf dehnt seine Nachforschungen in der Folge auch auf den Obersalzberg
bei Berchtesgaden aus und macht dort mit Hilfe zweier deutscher Polizisten
eine erstaunliche Entdeckung, welche ihm aber beinahe zum Verhängnis
wird.
Noch einmal konzentriert Wolf seine Suche auf den Untersberg und es
gelingt ihm, ein brisantes Geheimnis zu lüften. Er entdeckt einen
verborgenen Eingang in den Berg. Ein General der Waffen-SS, der diese
Zeitanomalie schon 1943 gefunden hatte, ließ sich im letzten Kriegsjahr,
dort im Felsen, eine komfortable Station als Unterkunft errichten, in
welcher er durch die Zeitverlangsamung im Berg innerhalb nur weniger
Monate über siebzig Jahre verbringen konnte. Wolf und Linda kommen mit
diesen Leuten aus der Vergangenheit in Kontakt und erfahren von ihnen
Dinge, welche in keinem Geschichtsbuch zu finden sind.
Der General zeigt den beiden ein Golddepot in den Bergen und ersucht
Wolf, der ja auch Hobbypilot ist, um einen Flug nach Fuerteventura, um
ihm aus den Lavahöhlen unter der Villa Winter zwei Bleizylinder zu
bringen. Wolf und Linda wollen das Geheimnis der Zeitverschiebung
ergründen und willigen ein. Der weite Flug mit der einmotorigen Cessna
und die anschließenden Erlebnisse auf der Kanareninsel gestalten sich für
die zwei extrem abenteuerlich. Es gelingt den beiden aber schließlich
tatsächlich, die Bleizylinder zu bergen und dem General zu überbringen …
Bei archäologischen Ausgrabungen wird ein deutscher Stahlhelm in einem
Kelten-Grab am Dürrnberg in der Nachbarschaft des Untersberges entdeckt.
Daneben liegt ein Skelett eines Kriegers mit einem Einschussloch im
Kopf. Der Verfassungsschutz wird daraufhin aktiv. Wolf und Linda finden
am Obersalzberg radioaktiv strahlende Steine, welche sich als Uranoxid
herausstellen. Der General in seiner Station im Untersberg demonstriert den
beiden seine technischen Geräte, welche weit über die Möglichkeiten der
heutigen Technik hinausreichen. Auf seiner Suche nach den Zeitkorridoren
des Untersberges entdeckt Wolf ein vergessenes Waffendepot der
amerikanischen Besatzungstruppen von 1953. Von einem alten Mann
bekommen die zwei einen wunderschönen Amethystkristall, welcher etwas
mit der altbabylonischen Göttin Isais zu tun haben soll. Hinter einem
uralten Gebetsstock am Untersberg sieht Wolf eine kleine Silberplatte aus
der Erde ragen. Darauf ist ein geheimnisvoller Code zu sehen. Diese uralte
Schrift in lateinischen Buchstaben wirft neue Fragen auf. Ein Illuminat klärt
die beiden über die Isais Geschichte und den schwarzen Stein im Berg auf.
Auch zu einer mysteriösen Marmorplatte mit einer Inschrift aus dem Jahr
1798 erzählt ihnen der Logenmann eine Geschichte. Der General lässt Wolf
mittels eines Zeitkorridors einen Blick in eine ferne Zukunft tun und
ermöglicht ihm und Linda einen Ausflug in die Vergangenheit: in die Stadt
Salzburg zur Zeit Mozarts.
Schließlich retten die beiden noch einem Deserteur das Leben, indem sie
ihn in eine Höhle schicken, in welcher ebenfalls eine Zeitanomalie auftritt.
Eine neuerliche Fahrt in die ägyptische Wüste bringt sie in die Oase Siwa,
wo ihnen die Mumie von Alexander dem Großen gezeigt wird. Wieder
zurück am Untersberg gelingt es ihnen, einen durch ein Hologramm
getarnten
Eingang in den Felsen zu finden.
Ein alter, astrologiekundiger Pfarrer sagt Wolf auf Grund seines
Jahreshoroskops eine Begegnung voraus, welche aus den Tiefen seiner
eigenen Vergangenheit auftauchen wird. Tatsächlich kommt Wolf kurze Zeit
später auf merkwürdige Weise mit seiner einstigen Jugendfreundin Silvia,
die er seit fast vierzig Jahren nicht mehr gesehen hat, in Kontakt. Silvia
begleitet ihn nach Gran Canaria, von wo aus er mit einem kleinen Flugzeug
die sagenumwobene Insel San Borondon suchen will. Tatsächlich gelingt es
den beiden, diese geheimnisvolle Insel, welche in einer fernen
Vergangenheit existiert hat, zu finden.
Aber auch mit Hilfe des Generals kann Wolf einen Blick in die
Vergangenheit werfen. Mit dessen Chronoskop sieht er alles zwar nur in
Schwarz-Weiß, kommt dabei aber sogar bis an Adolf Hitler heran, dem er
mittels eines Laser-Beamers durch das Chronoskop eine „Erscheinung“
schickt, um ihn vom Angriff auf Russland abzuhalten.
Wolf wird von einem Forstarbeiter am Obersalzberg der geheime
Ritualraum N3 gezeigt und der General berichtet vom Mausoleum des
Führers, welches sich dieser im Untersberg errichten ließ. Wolf lädt ihn
anschließend in den Gasthof Kugelmühle am Ende der Almbachklamm ein,
wo sie den Wirt namens Anfang treffen.
Anlässlich eines Besuches in Ägypten fährt Wolf mit Silvia durch die
Berge nach Luxor und trifft dort den Grabräuber Rassul, welcher ihnen tief
unter seinem Haus in Qurna eine geheime Drehtür zeigt, hinter der sein
Bruder auf mysteriöse Weise verschwunden ist. Auch hier spielen wieder
die Schwarzen Steine eine Rolle.
Mit Linda geht Wolf nochmals durch den Hologramm-Eingang in den
Untersberg und gelangt mit ihr in eine völlig fremde Gegend im Jahre 2029.
Eine kurze Unterhaltung mit Leuten von dort eröffnet ihnen neue
Perspektiven zu den alten Prophezeiungen.
Josef, der Geheimdienstmann vom BVT, bekundet ebenfalls sein Interesse
an Wolfs Entdeckungen am Berg. Schließlich führt der Forstarbeiter vom
Obersalzberg Wolf noch zu einem uralten Stollen, in dem, wie sich später
herausstellt, der General zu Kriegsende noch mehr als eine Tonne Uranoxid
verstecken ließ.
Auch eine Art Flaschenpost, ein unvollendetes Manuskript aus den
siebziger Jahren, wird in einer Höhle nahe dem Dorf am Untersberg
entdeckt. Es sind dreizehn Blätter eines bekannten Autors, welcher
ebenfalls seltsame Erlebnisse am Berg gehabt hatte.
Durch den General wird Linda und Wolf ein Ausflug in das Jahr 1818
ermöglicht. Sie fahren am 24. Dezember als Mönche verkleidet auf dem
Fluss mit einem Salzschiff nach Oberndorf, wo sie die Uraufführung des
weltbekannten Liedes „Stille Nacht – Heilige Nacht“ miterleben dürfen.
Ein polnischer Franziskaner Mönch aus Berchtesgaden, den die beiden im
Winter beim Meditieren in der Almbachklamm treffen, erzählt ihnen von
einem Ritual der Isais, durch welches das neue Zeitalter beginnen würde.
Tino, ein Australier österreichischer Abstammung, ebenfalls
Rosenkreuzer wie Wolf, kommt nach Salzburg, um in einer alten Kirche am
Ettenberg, wo einst die Templer auf Geheiß der Isais ihre erste Komturei
errichteten, ein Ritual abzuhalten, welches Wolf durchführen soll.
Letztendlich gibt sich der Illuminat Becker als einer der Anderen zu
erkennen und zeigt Wolf in der Nähe des Hochsicherheitsarchives am Fuße
des Untersberges in einer Art dreidimensionalen Bildschau Schlüsselszenen
aus seinem Leben sowie einen Blick in die Zukunft.
Auf der Kanareninsel La Palma trifft Wolf auf den Fischer Perez, welcher
ihm mit einem Fernrohr die geheimnisvolle Insel „San Borondon“, die in
einer fernen Vergangenheit existiert, zeigt. Zur Wintersonnenwende
gründen Linda und Wolf mit ihren vier Freunden den „Ring der Isais“.
Während draußen der Schneesturm tobt, erhalten alle im Rahmen eines
Rituales, an welchem auch Tino in Australien per Skype teilnimmt,
Goldringe mit dem Isais Zeichen und einem schwarzen Diamanten. Wolf
unternimmt mit den beiden Polizisten Herbert und Elisabeth eine Reise
nach Ägypten, wobei ihnen sein Freund Franz, der Manager vom Sheraton
Hotel in El Gouna, den Archäologen Dr. Khaled vorstellt. Von diesem
erhalten sie interessante Informationen über ein Zeitphänomen bei den
Pyramiden von Gizeh. Anlässlich eines Besuches in Luxor treffen sie den
Grabräuber Rassul, welcher ihnen Kopien von wunderschönen Texten aus
der Zeit der Pharaonin Hatschepsut gibt. Nach einer abenteuerlichen Fahrt
zeigt Wolf den beiden das Tal der Hieroglyphen. Der Illuminat Becker klärt
Wolf über die Aktivierung des Untersberges auf, zu welcher auch die
weibliche Komponente benötigt wird. Vom General in der Station im Berg
werden Wolf und Linda eingeladen, eine Basis in der Vergangenheit zu
besuchen. Der kurze Ausflug bringt die zwei nach Atlantis. Ein alter Jude,
den Wolf in New York trifft, erzählt ihm von seiner Deportation aus
Rumänien und der anschließenden Flucht aus einem Eisenbahnzug in
Salzburg. Von Friedl, dem Wirt der Kugelmühle, erfahren Wolf und Linda
von einem schweren Unglück in der Almbachklamm. Er erzählt ihnen auch
die Geschichte von einer verschwunden, jungen Frau am Untersberg,
welche in den fünfziger Jahren zwölf Tage lang verschollen war und dann
wohlbehalten wieder aufgefunden wurde. Mit Claudia, einer jungen Frau
aus dem Ring der Isais, fliegt Wolf mit einer kleinen Cessna nach Venedig,
wo sie auf der Insel Murano am Boden einer Basilika die steinerne
Abbildung einer Insel finden. Eine schwarzhaarige Dame, welche sich Julia
nennt, gibt ihnen Hinweise dazu und verschwindet plötzlich. Wolf landet
auf dieser Insel und sie entdecken in einer Steinmauer einen Kristall,
welcher vom „Ordo Bucintoro“ dort versteckt wurde. Wolf und Linda
gelangen in ein unterirdisches Labor aus dem Dritten Reich, in welchem das
geheimnisvolle Xerum 525 hergestellt wurde. Mit Obersturmbannführer
Weber bringen sie eine Stahlflasche davon dem General. Weber flutet im
Anschluss das Labyrinth neben dem Gebirgsbach am Obersalzberg.
Claudia sieht bei ihrer Suche am Fuße der alten Römer-Steinbrüche am
Untersberg ein großes Tor im Fels, welches sich wie von Geisterhand öffnet
und auch wieder schließt. Mit Herbert dem Polizisten erkundet Wolf
nochmals das unterirdische Kreuzgewölbe N2 und kurze Zeit später gelingt
es ihm, aus N3, dem Versammlungsraum der Generäle, einen großen
schwarzen Turmalinkristall mit zwei Enden sowie einer Kugel aus
demselben Stein zu bergen. Wolf und Linda lesen in dem gefundenen
Manuskript des verstorbenen Autors, dass dieser eine Höhle am Untersberg
entdeckt hat, durch welche er direkt in die unterirdische Kammer der
Cheops Pyramide gelangt war. Vom General erfahren sie, dass auch diesem
Autor vor vielen Jahren ein Besuch der Basen in der Vergangenheit gestattet
wurde. Schlussendlich machen sich Wolf und Claudia auf den Weg, die
Kraft im Untersberg zu aktivieren. Mit Hilfe eines alten Gedichtes von
Becker dem Illuminaten finden sie den Weg zum Eingang, welcher
überraschenderweise dort liegt, wo ihn niemand vermutet hatte. Sie finden
die Magna Figura, benützen den Kristall von der Insel und gelangen
schließlich in eine riesige, kuppelförmige Halle im Berg, in welcher sie die
Goldene Kugel im Untersberg erblicken.
Auf Wolfs Almhaus gibt es offenbar einen Geist. Als sich die Freunde des
Isaisringes dort oben treffen, macht Claudia in der Nacht auf dramatische
Art Bekanntschaft mit diesem Phänomen. Aber auch im Tal gibt es einige
mysteriöse Besonderheiten. Auf Schloss Mauterndorf, welches dem
Reichsmarschall Göring gehörte, erzählte dieser dem Reichsführer SS
Himmler von den alten Richtstätten des Mittelalters. Unsere Freunde
interessieren sich auch für diese Begebenheiten und nach einer
Besichtigung des Schlosses Moosham und dessen Folterkammer erkunden
sie auch die nahe Richtstätte, wo einst im Namen der katholischen
Erzbischöfe nicht nur Verbrecher, sondern auch eine große Anzahl
unschuldiger Frauen und sogar Bettelkinder verbrannt wurden. Mit
Schaudern erfahren sie, dass nach diesen Verbrechern auch heute noch
Straßen und Plätze im Land benannt sind. Der General ermöglicht es ihnen,
den Gerichtsdiener von Moosham, der ein sadistischer Schurke war, in die
Gegenwart zu holen und seiner gerechten Strafe zuzuführen. Mit Hilfe des
Illuminaten Becker reist Wolf in die Vergangenheit und erlebt hautnah das
Treiben im 17. Jahrhundert, welches einige Überraschungen für ihn
bereithält.
Nachdem am Fuße des Untersberges mehrere sogenannte Benedictus
Kreuze, welche für Exorzismen Verwendung finden, entdeckt werden,
erzählt Wolf den Freunden vom Isaisring von seinen Erlebnissen mit der
dunklen Seite der Macht. Mit Claudia gerät er bei einem Kurzbesuch in
Luxor im Karnaktempel in eine andere Zeit, was für die beiden extrem
gefährlich wird. Schließlich treffen sie am Tag danach auf Rassul den
Grabräuber, welcher sie in einen Geheimgang mit Mumien führt.
Wieder zuhause zeigt der General Wolf am Untersberg Flugscheiben,
welche aus einer deutschen Basis im Irak hierherkommen. Ein Freund aus
Norddeutschland erzählt Wolf eine atemberaubende Begebenheit, welche
dieser vor vielen Jahren bei einer Sondereinheit der Bundeswehr im Golf
von Akaba erlebt hatte. Wolf berichtet von seinen allerersten Abenteuern in
jungen Jahren, bei denen er seine Liebe zum Geheimnisvollen und zu den
Altertümern entdeckte.
Drei Soldaten des Generals gelangen auf einer Erkundungstour durch ein
uraltes Dimensionstor vom Untersberg an die Küste Argentiniens.
Auf der Suche nach den geheimnisvollen Eingängen in den 12
Untersbergkirchen entdeckt Wolf mit Claudia einen Gang in einer Kirche,
durch welchen sie direkt in eine große Kathedrale am Untersberg gelangen.
Dort existiert nach Angaben eines Mönches gar keine Zeit. Sie sehen
Vergangenes und auch Zukünftiges.
Becker, der Illuminat, klärt Wolf über die Macht der Vorsehung und die so
genannten Zufälle auf.
Letztendlich machen sich Claudia und Wolf auf den Weg, um zur
Sommersonnenwende bei einer einzigartigen, astrologischen Konstellation
die Aktivierung des Untersberges in der kuppelförmigen Halle der
Erkenntnis vorzunehmen.
Um den Vergleich des Untersberges mit dem Ayers Rock nachzuprüfen,
fliegt Wolf nach Australien und mietet sich dort eine Cessna, mit welcher er
von Brisbane aus quer durch den Kontinent zum Ayers Rock fliegt.
Eine folgenreiche Begegnung mit einem Aborigine wird für ihn zu einem
Schlüsselerlebnis. Mit Hilfe des Illuminaten Becker findet er mit Linda
einen geheimen Zugang in einen Stollen unter dem Klingeck am
Obersalzberg, wo sich ein riesiger Bergkristall befindet. Dieser soll für eine
Funkanomalie verantwortlich sein, mit welcher die Deutschen vor über
siebzig Jahren bereits eine Verbindung nach Südamerika aufgebaut hatten.
Wolf folgt der Einladung eines geheimen Templerordens und erfährt dabei
interessante Zusammenhänge mit der Magna Figura und den Herren vom
Schwarzen Stein. Der Besitzer eines großen Zementwerkes in der Nähe des
Untersberges ermöglicht es den Freunden des Isaisringes, die dortige,
riesige Stollenanlage, in welcher noch kurz vor Kriegsende das
Oberkommando der Wehrmacht untergebracht werden sollte, zu
besichtigen. Der General im Berg zeigt ihnen die Basis Vier, welche in der
Gegenwart existiert und mit modernster Technik ausgestattet ist. Sabine,
Wolfs ältere Tochter, wird in Murano von der schwarzen Dame Julia
angesprochen. In den Ruinen der alten Komturei soll ihr Vater weitersuchen
und tatsächlich findet Wolf dort abermals zwei Ringe aus der Templerzeit.
Die Franzosenschlacht auf dem Walserfeld wird ihm von Becker live
vorgeführt und Wolf bringt ein Vorderlader-Gewehr mit in unsere Zeit
herüber. Mit Claudia fliegt er auf die Insel Mauritius, um die sieben
schwarzen Pyramiden, welche sich dort befinden sollen, zu untersuchen. Sie
entpuppen sich aber nur als jahrhundertealte, von Sklaven errichtete
Steingebilde, welche bei der Reinigung der Zuckerrohrfelder entstanden
waren. Aber dafür gelangen sie im Urwald von Mauritius zu einem
pyramidenförmigen, heiligen Berg der Hindus, in welchem sich eine Grotte
mit einem unterirdischen See befindet. Dort sehen sie eine uralte
Felsritzzeichnung eines Vimanas – einer Götter-Flugmaschine. Schließlich
fahren sie noch mit einem Speedboot auf das Meer hinaus und können mit
frei lebenden Delphinen schwimmen. Von einem alten Förster am
Untersberg werden die zwei noch darüber aufgeklärt, dass auch Bäume
Lebewesen sind und mit Menschen kommunizieren können. Letztendlich
erhält Wolf zwei Kelche, welche je aus einem Stück Bergkristall gefertigt
wurden, wobei er einen davon den beiden Polizisten Herbert und Elisabeth
zum Geschenk macht. Der General stellt sich bereits auf den Endkampf in
Europa ein. Der Illuminat Becker klärt Wolf über die Kraft der heiligen
Berge auf. Die vielen Asylsuchenden, welche sich ab Herbst 2015
unmittelbar am Fuße des Untersberges von Österreich auf den Weg nach
Deutschland machten, brachten ernste Probleme für beide Länder mit sich.
Becker erinnert Wolf an seine Hilfsfahrt nach Rumänien 1989, um ihn zu
einer erneuten Reise zu bewegen. Diesmal zum Bucegi Gebirge. Auch
Venedig und die Basilika Maria e Donato auf der Insel Murano ist ein Ziel
von Wolf und Claudia, was wieder ein wenig mehr Licht in Juliettas
Geheimnis bringt. Der General gibt überraschend offenherzig Auskunft
über die kommenden Ereignisse und klärt Wolf über eine seltsame
Kontaminierung am Schießgelände neben dem Untersberg auf. Auch sagt
er, dass der Ritterkreuzträger Otto Skorzeny den Ordo Bucintoro 1943
erneuern wollte. Er hört von ihm die Namen Julietta, Livia und Loredana.
Wolf erzählt Claudia von seinen Experimenten mit Wasserkristallen und mit
seinem eigenen Blut. Er warnt sie vor Versuchen mit dem Black Goo.
Nachdem ein mysteriöser Birnbaum Setzling barbarisch umgehackt wurde,
erscheinen fünf seltsame Gestalten auf dem Walserfeld.
Ein Kartograph markiert Ende des 19. Jahrhunderts eine bestimmte Stelle
am Untersberg. Ein Skelett wird von einer Bekannten Wolfs am Untersberg
entdeckt, jedoch bleibt der Schädel unauffindbar. Am Berg werden im Zuge
von Renovierungsarbeiten der Seilbahn eigenartige Messgeräte installiert.
Auf Grund von 13.000 Jahre alten Funden gerät die Kirche in Bedrängnis
und versucht mit aller Kraft ihre Macht zu erhalten. Auch Grimmig vom
BVT intensiviert seine Suche mit allen Mitteln. Eine Reise zum Bucegi
Berg bringt für Wolf und Claudia neue Erkenntnisse. Schließlich geraten 5
Flüchtlinge in ein Zeitphänomen, welches auch für zwei deutsche Polizisten
fatal endet. Der gefällte Birnbaum vom Walserfeld bringt den
Bürgermeister des Ortes in die Schusslinie. Eine Vril Scheibe im Mondsee
sorgt für jahrzehntelange Schlagzeilen. Vom General wird Wolf und Claudia
die Möglichkeit erklärt, wie das Wetter extrem beeinflusst werden kann.
Graf Alexander Wilceck, der Eigentümer des geheimnisvollen Schlosses
Moosham, ermöglicht unseren Freunden tiefe Einsichten. Der Freilassinger
Brunnenbauer Irlmaier, den Wolf als kleiner Bub vor fast sechzig Jahren
besuchte, hatte damals eine interessante Prophezeiung getan. Bei einer
Reise ins Kurdistan besuchen Claudia und Wolf die alte Ruinenstadt Ninive
und entdecken dort zwischen den Trümmern eine Art Zeitentor, durch
welches sie unglaubliche Dinge sehen. Becker erklärt Wolf, dass Julietta
ebenso wie er selbst aus der Zukunft gekommen sind.
Auf der Halbinsel Vizula, wo Wolf vor fünfzig Jahren Artefakte aus der
Römerzeit entdeckt hat, wird ihm von Becker Neues gezeigt und es schließt
sich der Kreis zum Untersberg. Im Winter findet er Reifenspuren im Schnee
des Untersbergwaldes, die plötzlich im Nichts enden. Es meldet sich ein
Interessent, welcher ihm eine hohe Summe für die „Marzipanstangen“
bietet.
Wolf gerät in einen Zwiespalt. Zwar könnte er das Geld dringend
gebrauchen, tut es dann aber doch nicht und überlässt das gefährliche Zeug
dem General.
Auch hört er von seiner Cousine in Bratislava vom geheimnisvollen Berg
Kudrum in Tschechien, wo es ähnliche Zeitphänomene gibt wie am
Untersberg. Bei einem Ausflug in die Almbachklamm trifft er auf den
Franziskaner Mönch Claudius, welcher aber in Wirklichkeit schon vor drei
Jahren verstorben ist. Ein Bericht, den sein Freund Lutz von einem
amerikanischen Offizier erhalten hat, ist reichlich mysteriös und gibt Rätsel
auf. Der General klärt Wolf über die Gefahren des Islamismus auf. Auch
Franz, der Hoteldirektor vom Sheraton Sharm el Sheik, weiß vor allem über
die Türken viel zu erzählen. Ein Höhlenforscher aus Salzburg zeigt Wolf
die kleine Nixloch Höhle und erklärt, weshalb dort im Winter
Nebelschwaden heraufsteigen. Mit Peter und Claudia unternimmt Wolf
einen Ausflug zur Hologrammhöhle und erlebt dort ein gefährliches
Abenteuer. Anschließend gelangen die drei zum Kloster am Untersberg,
dort wo es keine Zeit gibt. Becker klärt ihn über das Phänomen „Innere
Erde“ auf und zeigt ihm auf anschauliche Weise, wie es dazu kam. Wolf
berichtet von einem lange zurückliegenden Erlebnis, bei dem er hautnah mit
dem Phänomen einer Ufo-Sichtung konfrontiert wurde. Werner, welche
immer noch auf der Suche nach der Blechtüre im Brunntal war, findet diese
und erlebt nun das Zeitphänomen persönlich. Bei einem abermaligen
Besuch in Kroatien findet Claudia ein Grab aus römischer Zeit und neben
Ringen, Fibeln auch eine Menge Glasperlen und Mosaiksteine. Die Toni
Lenz Hütte am Untersberg schein immer wieder Ziel von mysteriösen
Besuchern zu sein. Diesmal ist es ein Einbruch während der Winterpause.
In den Medien wird vom Untersberg berichtet, dass er der gefährlichste
Berg der Alpen sei und dass dort immer wieder Menschen zu Tode kommen
und auch spurlos verschwinden. Wolf trifft einen alten Mann, der auch mit
dem General in Verbindung steht und der auch schon den Baron Lex sowie
den Science Fiction Schriftsteller, welcher vor vielen Jahren
Manuskriptrollen im Berg deponierte, gekannt hat. Er klärt ihn über
verschiedene Geheimnisse des Berges auf und weiß auch um die Suche der
CIA am Untersberg. Auf der Jagdstraße von Hitler, am Obersalzberg
beginnt eine großangelegte Suche unter dem Vorwand den Teerbelag zu
entfernen.
Kapitel 1
In den Höhlen von Fuerteventura

Es war mitten im Sommer, als Obersturmbannführer Weber sich über das


neue Kommunikationssystem bei Wolf meldete. „Der General lässt fragen,
ob Sie noch einmal zur Insel Fuerteventura fliegen könnten.“
„Mit der Cessna?“, fragte Wolf und dachte dabei an den Flug, welchen er
vor einigen Jahren mit Linda für den General durchgeführt hatte. Damals
war es ein ziemlich abenteuerliches Unterfangen gewesen, als er für
Kammler zwei Bleizylinder aus den Lavahöhlen unter der Villa Winter
geholt hatte.
„Nein“, antwortete Weber, „dieses Mal können Sie die Reise mit einem
Passagierflugzeug machen. Sie sollten dort auf der Insel, welche Sie ja
mittlerweile recht gut kennen, nur zwei Höhlen aufsuchen und sich dort
etwas ansehen. Starke Lampen und den Geigerzähler müssten Sie allerdings
mitnehmen.“ „Und wann soll die Reise vonstattengehen?“, erkundigte sich
Wolf. „Das bleibt Ihnen überlassen“, gab der Obersturmbannführer zur
Antwort.
„Ich werde die Sache mit Claudia besprechen, wegen ihres Urlaubs, aber
Sie können dem General schon ausrichten, dass wir das bestimmt machen
werden. Ich hoffe, in einer Woche weiß ich mehr.“
„Es sind nur zwei Höhlen, welche Sie aufsuchen müssen. Die
sechshundert Meter tiefe Höhle von Ajui und die ebenfalls so lange
Lavahöhle Cueva del Liano bei Villaverde in der Gemeinde La Oliva.“
„Und was soll dort zu sehen sein?“, fragte Wolf. „Der General meinte, dass
dort eventuell noch etwas gelagert sein könnte. Worum es sich dabei
handelt, darüber hat er nichts gesagt.“ „Ich gebe Ihnen sobald als möglich
Bescheid“, erwiderte Wolf, „und grüßen Sie den General von mir.“ Mit
diesen Worten verabschiedete er sich von Weber.
Als Claudia davon erfuhr, freute sie sich und stellte ihren Urlaubsantrag
für eine Woche im August. „Weißt du, dass im Norden von Fuerteventura
zu diesem Zeitpunkt in dem kleinen Fischerdorf El Cotillo ein großes Fest
zu Ehren der Jungfrau Maria abgehalten wird, zu dem recht viele Spanier
kommen werden. Da können wir uns dort im einzigen Hotel des Ortes
einquartieren und ich kann endlich einmal eine richtige spanische Fiesta
hautnah miterleben. Ich habe mir das Hotel schon im Internet angesehen,
das sieht recht gut aus.“ Wolf staunte über ihre Begeisterung und meinte:
„Ja, das klingt gut und die Höhle bei Villaverde liegt dort ganz in der Nähe.
Einen Leihwagen werde ich auch gleich reservieren, denn wir müssen ja
auch noch nach Ajui in diese Höhle am Meer.“ „Fein, da kannst du mir
dann endlich auch gleich die Villa Winter zeigen, in der du damals mit
Linda gewesen bist. Vielleicht können wir auch zu dem deutschen U-Boot
in der Lavahöhle hinuntergehen?“ Wolf spürte bei Claudias Worten
geradezu ihre erwartungsvolle Neugierde, die sie an den Tag legte. „Die
Villa Winter liegt noch ein gutes Stück weiter südlich, aber wir werden
sehen“, sagte er ruhig. „Ob der Zugang noch möglich ist, weiß ich nicht, es
ist ja schließlich schon einige Zeit her, dass ich mit Linda dort war.“
Wie auch sonst bei seinen Reisen hatte er in kürzester Zeit alles in seinem
Koffer verstaut und war eine Woche später bereits mit der jungen Frau
unterwegs auf die Kanareninsel, wo er schon einige abenteuerliche
Erlebnisse gehabt hatte. „Wonach sollst du für den General dort in den
Höhlen suchen?“, fragte Claudia. „Ich habe keine blasse Ahnung, aber wir
werden sehen. Irgendetwas habe ich immer noch gefunden“, lachte er.
Einen Allrad-Wagen hatte Wolf aufgrund der allgemeinen Ferienzeit nicht
mehr bekommen und so machten sich die beiden mit einer bequemen
Limousine auf den Weg vom Flughafen in Porto Rosario in das kleine
Fischerdörfchen El Cotillo, das sie bereits nach vierzig Minuten Fahrt
erreichten. Schon bei der Ankunft im Hotel wurde ihnen gesagt, dass das
großangelegte Fest bereits in zwei Tagen beginnen würde.
Schon am nächsten Tag erkundeten die beiden die weitere Umgebung.
Wolf war auf seinen Flügen auf den Kanaren mit der kleinen Piper bereits
einige Male über diese an der Nordküste von Fuerteventura gelegenen,
phantastisch aussehenden Strände geflogen. Aus dem Auto freilich sah die
Landschaft viel weniger imposant aus. Dennoch fuhren sie einige Stunden
herum und schauten sich die Gegend ausführlich an. Am nächsten Tag
besuchten die beiden die Cueva de Liano, welche der General genannt
hatte. Diese lange Lavahöhle war relativ unbekannt. Und gerade deshalb
vielleicht auch interessant. Als ihr Ziel erreicht war, mussten sie enttäuscht
feststellen, dass die Höhle mit einem riesigen, kunstvoll gearbeiteten Gitter
versperrt und kein Mensch in der Nähe war, um ihnen Einlass zu gewähren.
Auch am darauffolgenden Tag fanden sie niemanden, der ihnen
weiterhelfen konnte. Selbst bei der Polizeistation der nahegelegenen Stadt
Villaverde konnte ihnen keiner etwas Näheres sagen. Dann aber, am dritten
Tag, als die zwei schon beinahe resignierten, kam ihnen der Zufall zu Hilfe.
Ein Mann mit einem Pick-up kam zeitgleich mit ihnen am kleinen Parkplatz
bei der Höhle an. Er sprach auch einigermaßen gut Englisch und erklärte,
dass er einmal in der Woche einen Kontrollgang bei dem der Höhle
angeschlossenen Museum machen müsse. Dies würde zwanzig Minuten
dauern und für diese Zeit könnte er ihnen das Gittertor aufschließen. Er
erklärte Wolf, dass sie keinesfalls tief in die Lavahöhle hineingehen dürften,
da es doch gewisse Gefahren da drinnen geben würde. Wolf nickte nur und
Claudia folgte ihm, als der Wärter das gewaltige Tor öffnete. Sofort nahm
die junge Frau die beiden starken Lampen aus ihrer Tasche und schon nach
wenigen Metern war eine phantastische Unterwelt zu sehen. Der Boden
dieser Höhle dürfte schon vor sehr langer Zeit für ein gefahrloses Gehen
präpariert worden sein und so gelangten sie auch rasch ins Innere des
gewaltigen Lavaganges. Schon nach etwa fünfzig Meter erblickte Wolf eine
künstlich erweiterte Abzweigung nach rechts. Vermutlich hatte es hier
einmal eine Art Türe gegeben, denn im Fels waren noch Reste einer
Befestigung für ein Tor zu sehen. Der kleine Gang wurde zusehends enger
und im Schein ihrer Lampen konnten sie plötzlich eine Art hölzerne
Munitionskiste in einer Ecke am Boden erblicken. Claudia öffnete sie und
fand darinnen einige alte Pistolen-Patronen, welche Wolf als Kaliber 7,65
Millimeter erkennen konnte. Es war alte deutsche Pistolen-Munition. Sonst
war nichts in der Kiste. „Schau, dort drüben“, rief Claudia, „da liegt etwas
Dunkles.“ Wolf ging in eine Ecke des Ganges und hob dort vom Boden eine
Art Feldflasche auf. „Das sieht ja aus, als wäre es Kunststoff“, meinte
Claudia, als sie die Flasche in die Hand nahm. „Die ist ja viel leichter als
die Aluminiumflaschen.“ Wolf nickte und sagte: „Diese Art von
Feldflaschen wurde für den Einsatz in extrem heißen Wüstenregionen
hergestellt. Zum einen waren die Dinger leichter als die herkömmlichen
Flaschen und zweitens war dieser Kunststoff nicht so wärmeleitfähig wie
die Alu-Flaschen. Das heißt, die Flüssigkeit im Inneren erwärmte sich nicht
so rasch.“
Die junge Frau fragte erstaunt: „Haben die Leute damals vor über siebzig
Jahren denn schon Kunststoff gehabt?“ „Weißt du“, gab ihr Wolf zur
Antwort, „das Material heißt Bakelit und ist sozusagen ein Vorläufer der
heutigen Kunststoffe.“
Zum weiteren Erkunden blieb keine Zeit mehr, da man die nahenden
Schritte des Wärters bereits hören konnte.
Sie gingen dem Mann entgegen, bedankten sich bei ihm und verließen die
Lavahöhle wieder durch das große Gittertor. „Siehst du“, lachte Wolf, „ein
paar Mitbringsel haben wir wieder einmal gefunden.“
„Also für den General werden die Sachen kaum interessant sein, aber für
mich sind sie es und kommen in den Glaskasten.“
Claudia wollte unbedingt zum alten Hafen in Cotillo und in einem der
kleinen Restaurants eine echt spanische Paella kosten. Der Wirt dort klärte
die beiden über die großangelegte Fiesta im Dorf auf, die vierzehn Tage
dauern sollte. So blieben beide einige Stunden auf der Terrasse des
Restaurants sitzen und beobachteten die feiernde Menge direkt unter ihnen
am Hafen. Es war eine Bühne für die Band aufgebaut. Aus den großen
Lautsprechern dröhnte laute Musik, zu welcher über tausend Besucher auf
der Hafenmauer tanzten. Schließlich wurden Schaumkanonen aufgebaut,
aus welchen die vorwiegend jüngeren Leute besprüht wurden. Es war ein
ausgelassenes Fest und es sollte noch viele Tage andauern. „Morgen werden
wir in den Süden zu den Höhlen von Ajui fahren und sehen, ob wir dort
etwas finden, und wenn uns noch genug Zeit bleibt, dann besuchen wir noch
die Villa Winter.“ Der Zufall wollte es, dass unmittelbar hinter dem Hotel,
in dem die beiden wohnten, eine gewaltige Bühne mit noch gewaltigeren
Lautsprechern aufgebaut war. Dort wurde die ganze Nacht hindurch Musik
gemacht, die weit über den ganzen Ort hinaus zu hören war. Für Claudia
war der Lärm schier unerträglich. Erst um fünf Uhr früh war Ruhe, aber an
einem Schlaf auch nicht mehr zu denken. Aus diesem Grund verschoben die
beiden ihre Fahrt in den Süden auf den nächsten Tag.
Die Fahrt, welche sie auch durch die Berge von Fuerteventura führte,
dauerte nur eine gute Stunde. Der Weg vom kleinen Fischerdorf Ajui zur
Höhle bot eine grandiose Aussicht auf die wild zerklüftete Küste unter
ihnen. Über zahlreiche Treppenstufen, welche aus den dort liegenden Felsen
gefertigt waren, stiegen Wolf und Claudia bis zu zum Meer hinunter, wo
sich auch der Eingang zu der sechshundert Meter tiefen Höhle befand.
Claudia nahm sich die große, starke Led-Lampe und ging damit gleich in
die finstere Lavahöhle hinein. Wolf folgte ihr mit einer kleineren
Taschenlampe und schon bald waren sie den Blicken der ebenfalls
anwesenden Touristen entschwunden. Der Boden der Höhle war anfangs
noch mit Sand bedeckt, was ein leichtes Vorankommen ermöglichte. Nach
knapp einhundert Metern mussten sie dann über Felsbrocken steigen, was
ihr Tempo wesentlich verlangsamte. Schließlich gelangten sie an eine
schwere, verrostete Eisentüre, welche unmöglich zu öffnen war. Man
konnte nicht sagen, ob diese Türe etwas mit den Deutschen zu tun hatte.
Auch an ein Öffnen war auf Grund des Zustandes gar nicht zu denken.
„Also wieder nichts“, entfuhr es dem sichtlich enttäuschten Wolf. „Wenn
ich das gewusst hätte, dann wäre ich nicht diese hunderte Stufen
herabgestiegen.“ Claudia lachte: „Aber es war doch eine interessante Sache
da reinzugehen. Und vergiss nicht, du musst diese vielen steilen Steinstufen
auch wieder hinaufsteigen.“ Wolf zuckte nur resignierend mit den Achseln
und machte sich wieder auf den Rückweg. Innerlich schimpfte er über den
General, für den er sich so abgemüht hatte und doch keinen Erfolg dabei
vorzeigen konnte. Nachdem sie wieder zurück am Strand bei ihrem Wagen
waren und sich noch kurz in einer kleinen Taverne eine Erfrischung
gönnten, meinte Wolf: „Jetzt ist es erst Mittag und ich glaube, dass wir noch
genügend Zeit haben, um die Villa Winter zu besuchen.“ Claudia, welche
sichtlich erfreut war, fragte noch: „Und sehen wir da die alte Landebahn
auch noch?“ „Die hast du schon einige Male aus der Luft gesehen“, gab ihr
Wolf zur Antwort. „Das würde zu lange dauern, denn der Weg dort hinunter
an das südliche Ende der Insel ist ja nur eine Schotterpiste und mit unserem
Wagen nur langsam zu befahren.“ „Schade, ich hätte die gerne auch einmal
am Boden gesehen.“
Der Weg nach Morro Jable war dann auch rasch geschafft und dann
begann die Schotterpiste. Nach zwanzig Kilometern zweigten sie auf den
Pass hinauf ab und nach einer phantastischen Aussicht auf die unberührten
Strände, welche vor Cofete lagen, sahen sie auch schon von Ferne die alte
Villa Winter hoch über dem Strand liegen. Cofete war eigentlich kein Dorf,
sondern eine Ansammlung von Hütten und Bretterverschlägen, welche den
Spaniern als Wochenendhäuschen dienten. Lediglich die „Bar“ in Cofete,
ein Gebäude, welches noch aus der Zeit der Errichtung der Villa Winter
stammte und auch den gleichen Baustil hatte, war massiv gemauert. Strom
gab es dort allerdings nur aus dem Generator und neuerdings auch von
einem mittleren Windrad. Dort bei dieser „Bar“ konnten Touristen kühle
Getränke und auch etwas zu essen bekommen. Claudia, welche ja mit Wolf
in den vergangenen Jahren schon des Öfteren von Gran Canaria aus mit
einer kleinen Piper hierher geflogen war und der die Landschaft aus der
Luft bestens bekannt war, meinte: „Von hier unten sieht das alles ganz
anders aus.“ „Warte nur, bis wir oben bei der Villa sind“, lachte Wolf. „Aber
vorher werden wir hier noch etwas trinken, es ist doch ziemlich heiß heute.
Außerdem möchte ich den Besitzer der Bar noch etwas fragen.“ Auf dem
kleinen Parkplatz vor der Bar waren kaum Autos und auch die Terrasse war
fast leer. „Hat sich in den letzten fünf Jahren oben bei der Villa Winter
etwas verändert?“, fragte Wolf, worauf ihm der Besitzer zu verstehen gab,
dass die alte Rosa, welche jahrzehntelang dort gewohnt hatte, vor drei
Jahren verstorben war. Neffen von ihr hatten danach die Villa etwas
umgestaltet, sozusagen in eine Art Museum verwandelt, was aber gründlich
danebenging. Zudem wurden nach dem Tod von Rosa alle Zugänge zu den
unterirdischen Räumen sorgfältig verschlossen und unkenntlich gemacht.
„Direkt unter uns befindet sich der lange Gang, welcher zu den
unterirdischen Laboratorien führt“, erklärte Wolf der jungen Frau, als sie
auf der Terrasse eine Cola tranken. „Und da unten liegt auch das deutsche
U-Boot?“, wollte Claudia wissen. „Das ist ein Stück weiter unten in
Richtung Strand“, erwiderte Wolf, „da sind wir ja direkt beim Friedhof
herausgekommen“, er deutete mit seiner Hand zu dem mit einer kleinen
Mauer umrandeten Friedhof von Cofete, von welchem bis heute nicht
geklärt werden konnte, weshalb hier in absoluter Strandnähe doch eine
große Zahl von Leuten ihre letzte Ruhe fand. „Meinst du, dass wir in diese
Lavahöhlen auch hinuntergehen können, so wie du damals mit Linda? Die
Lampen hätten wir ja dabei.“ „Der Besitzer hat doch vorhin gemeint, dass
da kaum noch eine Möglichkeit bestehen würde irgendwie
hineinzukommen.“
Claudia, die von Natur aus neugierig war, konnte es kaum erwarten, bis
sie in Richtung der Villa Winter weiterfuhren. Die Fahrt dauerte diesmal
nicht ganz so lange wie früher. Der Schotterweg war offenbar neu planiert
worden. So konnten die beiden ohne Mühe auch bis hinauf zur Villa Winter
fahren.
Oben vor dem imposanten Anwesen waren überhaupt keine Leute zu
sehen und nur eine große Spendenbüchse stand am Rand des Tores. Wolf
war sichtlich enttäuscht, als er in den Innenhof sah. Anstatt der Blumen und
Bananenstauden, die dort früher wuchsen, standen ein altes Moped und eine
Bergwerkslore umrahmt von bunt bemalten Autoreifen. Auch im Salon mit
dem offenen Kamin sah es nach Kitsch aus. Seit Rosas Tod hatten sich ihre
Neffen hier anscheinend arg ausgetobt. Claudia sah das Anwesen zum
ersten Mal von innen und wusste ja nichts vom ursprünglichen Zustand. Als
Wolf bemerkte, dass auch der Zugang zu den unteren Räumen verschlossen
war, ging er mit Claudia nach draußen auf die Terrasse oberhalb des
Gebäudes, auf welcher er vor Jahren unter einem großen Hühnerkäfig den
Eisendeckel gefunden hatte, durch den er mit Linda in den darunter
liegenden Tankraum gelangte. Vom Hühnerkäfig war nichts mehr zu sehen,
aber an der Stelle, wo sich die Einstiegsluke befunden hatte, war der Boden
mit Beton übergossen worden. Einige Bewehrungseisen ragten wie zufällig
daraus hervor. Hier musste jemand absichtlich die Luke unkenntlich
gemacht haben.
Claudia wollte unbedingt noch am Hang unterhalb der Villa Winter
nachsehen, ob da nicht Öffnungen wären, durch welche man ins Innere des
Kellers gelangen könnte. Tatsächlich entdeckte sie einen gemauerten
kleinen Schacht, welcher waagrecht unter das Gebäude führte. Sie bückte
sich tief auf den erdigen Boden und leuchtete mit der starken Led-Lampe
hinein. Ein quietschendes Pfeifen war zu hören und eine kleine Ratte
huschte knapp an Claudias Kopf vorbei ins Freie. Sie schrie auf und Wolf,
der die davonlaufende Ratte sah, musste herzlich lachen. „Ja, so etwas kann
einem schon passieren, wenn man zu neugierig ist“, rief er der jungen Frau
zu. Claudia warf ihm einen strafenden Blick zu und kam wieder hinauf zum
Haus.
Immer noch schmunzelnd meinte er zu ihr: „Komm, wir werden unten in
Cofete auch noch nachsehen, ob wir nicht doch etwas entdecken.“ Der
holprige Weg zwang Wolf nur im Schritttempo zu fahren. In wenigen
Minuten hatten sie wieder die Bar von Cofete erreicht, aber trotz genauer
Suche war nichts Ungewöhnliches zu finden. Auf einen Besuch des
Friedhofes am Strand verzichteten die beiden, da es bereits an der Zeit war
wieder nach Cotillo zurückzufahren, was bestimmt zwei Stunden dauern
würde.
Bei Wolf machte sich in den letzten Tagen nun doch eine gewisse
Enttäuschung bemerkbar. Außer einer alten Wehrmachtsfeldflasche und drei
Pistolen-Patronen, welche ebenfalls aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges
stammen mussten, fand er dieses Mal gar nichts. Was hatte sich der General
denn erhofft?
Den erhofften Erholungseffekt brachten auch die restlichen Tage nicht
mehr, denn die extrem laute Musik, welche jeden Abend direkt hinter dem
Hotel gespielt wurde, machte ein Schlafen schier unmöglich.
Wieder zuhause angekommen war Wolf vom Kommentar des Generals
verdutzt. Offenbar war es Kammler gar nicht so wichtig gewesen, ob Wolf
dort auf Fuerteventura etwas Bestimmtes finden würde. Auch für die
gefundene deutsche Bakelit Feldflasche und die alten Patronen schien sich
Kammler nicht zu interessieren. Augenscheinlich wollte der General nur
wissen, ob die Zugänge zu den besagten Höhlen noch offen waren.
Kapitel 2
Lutz erzählt

An einem warmen Spätsommertag war Wolfs norddeutscher Freund Lutz


wieder einmal in den Wäldern am Fuße des Untersberges unterwegs. Er
hatte sich einige Stunden im Bergwald nahe dem Dorf Großgmain
aufgehalten und dabei auch den Bereich nahe der Waldandacht besucht, mit
dem ihn positive Erinnerungen verbanden. Nach einem kurzen Abstecher
zur nahegelegenen Wolfschwang Alm wanderte er wieder zurück in
Richtung Latschenwirt, wo er sein Auto geparkt hatte. Als er an der im
Wald befindlichen Kneippanlage vorbeikam, fand er zu seiner
Überraschung Wolf auf einer Bank sitzend vor. Es war merkwürdig, aber
Lutz, welcher ja nur höchstens zwei- bis dreimal im Jahr zum Untersberg
kam, traf irgendwo immer auf seinen Freund Wolf. Die beiden Männer
begrüßten sich aufs Herzlichste.
„Servus, Lutz!“, rief Wolf, „auch wieder einmal auf der Suche?“
„Wie immer, Wolf! Wie schön dich hier zu treffen! So sehen wir uns
schon jetzt am Mittag statt erst, wie verabredet, heute Abend im Alten
Gasthof am Fuße des Untersberges!“ Mit diesen Worten setzte er sich zu
Wolf. „Hier können wir vermutlich ungestörter reden als anderswo!“
Lutz zog sein Jackett aus und legte es neben sich auf die Holzbank. „Ich
bin schon seit dem Morgengrauen hier im Bergwald unterwegs und hatte
keine besonderen Erwartungen! Die außergewöhnlichen Dinge passieren
ohnehin immer dann, wenn wir die Dinge laufen lassen, denn erzwingen
lässt sich bekanntlich nichts! Dennoch, man sollte seine Zeit auch nicht nur
im Internet verbringen oder sich in endlosen Diskussionen verlieren. Hinaus
in die Welt ist oft der wichtigste Schritt in Sachen Erkenntnis, aber wem
sage ich das? Du bist schließlich auch ständig auf Achse, ob hier, im Orient
oder sonstwo …“
Wolf wartete geduldig, bis Lutz seine lange Einleitung beendet hatte, denn
er kannte seinen Freund und wenn dieser mit ihm ungestört sprechen wollte,
dann hatte er oft etwas Interessantes mitzuteilen. Dennoch nutzte Wolf die
Atempause seines Gegenübers und fragte: „Wenn du in den Wäldern auf
dieser Seite des Berges wanderst, dann suchst du doch bestimmt etwas. Ist
es etwa der Tunnel, in welchem damals laut diesem Bericht des
Amerikaners die Tibeter bei Kriegsende verschwunden sind?“
Lutz lächelte: „Vielleicht. Aber ich habe ihn nicht gefunden, auch wenn
die Landschaft Rückschlüsse darauf zulässt, wo sich der Eingang befunden
haben könnte. Doch ich habe dir etwas Anderes zu berichten. Eine
geheimnisvolle Geschichte, die es zu entschlüsseln gilt. Und ich bin sicher,
dass sie mit dem Untersberg und dem ganzen Umbruchszenario in
Zusammenhang steht!“
„Lass hören!“, forderte Wolf ihn auf.
Zu seiner Überraschung erhob Lutz sich zunächst und ging zu dem vor
ihnen befindlichen Becken der Kneippanlage hinüber. Auf der
gegenüberliegenden Seite setze er sich ans Becken, zog seine Schuhe und
Socken aus, schob die Hosenbeine hoch und hielt die Füße ins frische,
eiskalte Wasser.
„Nach sechs, sieben Stunden Wanderung tut das ganz gut!“, lachte er.
Wolf wurde ungeduldig und dachte: „Komm schon zur Sache!“ Doch dann
begann Lutz endlich: „Weißt du, es gab einmal zwei gute Freunde, der eine
hieß Erich und der andere hieß … hm, nennen wir ihn mal Thomas … doch
wichtiger ist der Name Erich! Mit der treuen Seele Erich konnte man durch
dick und dünn gehen. Er war ein weiser Mann und ein Freund, der manchen
Menschen Vater und Mutter ersetzte, doch auch ein Kumpel, mit dem man
Pferde stehlen konnte. Er war ein großer Spaßvogel, doch genauso wie man
mit ihm herzhaft lachen oder sogar blödeln konnte, konnte man mit ihm
auch weinen oder über alle ernsten Seiten des Lebens sprechen. Er stand
jedem, der es wünschte, mit Rat und Tat zur Seite und er war
allgegenwärtig. Solange Erich da war, war die Welt in Ordnung und alle,
die ihn kannten, schätzten ihn sehr. Doch eines Tages verabschiedete er sich
unerwartet, verschwand schnell und niemand wusste so recht wohin. Doch
Erich hinterließ das Versprechen wiederzukommen. Seine Freunde und
Bekannten sagten: ‚Ach ja, das ist eine vorübergehende Krise – der ist bald
wieder da, wenn er sich wieder beruhigt hat!‘ Und Andere, die ihn weniger
gut kannten, zuckten nur mit den Schultern: ‚Das Leben geht weiter – mit
oder ohne diesen Erich!‘ Diese Annahme war jedoch ein Irrtum, denn kaum
dass Erich verschwunden war, nahm das Chaos zu. Man begann ihn zu
vermissen, denn nun erkannte man plötzlich, was man an ihm gehabt hatte.
Doch sein Versprechen erfüllte sich nicht und Erich kehrte nicht zurück.
Und da niemand wusste, wohin er gegangen war, konnte man ihn auch nicht
erreichen und bitten, zurückzukehren. Die Jahre gingen ins Land und die
Menschen lernten ohne Erich zu leben. Und die Zahl derjenigen, die
überzeugt waren, er würde sein Versprechen wahrmachen und
wiederkehren, wurde von Jahr zu Jahr geringer. ‚Der ist doch schon längst
tot!‘, sagten die Einen. Und die Anderen konnten kein gutes Wort über ihn
verlieren und sagten: ‚Sollte er noch leben, so lässt er es sich bestimmt
irgendwo in der Ferne gut gehen und hat seine alten Freunde und die
Heimat längst vergessen!‘ Und bald konnte und wollte sich niemand mehr
an Erich erinnern, der Mantel des Vergessens legte sich über ihn und die
vergangenen Zeiten. Nur einige wenige Getreue hielten das Gedenken
lebendig und die Hoffnung aufrecht, dass er wiederkehren und dann alles
wieder gut werden würde. Doch wenn sie dieses äußerten, hieß es immer:
‚Ihr seid ja verrückt!‘ und so begannen sie zu schweigen. Auf diese Weise
wurde Erich nur noch eine nebulöse Gestalt der Vergangenheit, die
niemanden mehr interessierte. ‚Die heutigen Menschen sind wichtig! Lasst
uns in Ruhe mit den Toten und ihren leeren Versprechungen!‘ war der
Standardkommentar, wenn das Thema doch noch einmal auf Erich gebracht
wurde.“
„Das ist doch ganz normales menschliches Verhalten“, kommentierte
Wolf das bisher Gehörte. „Aus den Augen, aus dem Sinn – das geht
schneller, als man sich das vorstellen mag und wahrhaben möchte!“
„Natürlich, so ist es leider!“
„Ich weiß noch nicht, was du mir damit sagen willst, aber erzähle bitte
weiter, Lutz!“
„Gerne, Wolf! Also, einer der letzten Freunde Erichs, der schon genannte
Thomas, wachte häufig in der Nacht auf, weil ihm sein Bauchgefühl sagte,
dass Erich in der Dunkelheit wiederkehren würde. Auch hatte er eine
diffuse Erinnerung an eine Äußerung Erichs, dass er überraschend
wiederkäme wie ein Dieb in der Nacht – also dann, wenn keiner mehr mit
ihm rechnet! So war es auch eines Nachts, als alle Welt schlief und sich
dieser Thomas auf einer Bank unter dem freien Sternenhimmel niederließ.
Er betrachtete oft das All, als ob Erich von dort wiederkehren würde. Das
Weltall – diese unendliche und für die meisten Menschen unerreichbare
Weite, die außer einer schier endlosen Anzahl von Sternen und auch
seltsamen Lichtphänomenen, die seit Jahrzehnten immer wieder Öl ins
Feuer der UFO-Gläubigen gossen, nichts außer Kälte, Leere und Weite zu
bieten schien. Eine Leere und Weite, die die Menschen seit eh und je mit
Träumen und in ihrer Phantasie mit Göttern, Engeln, wiederkehrenden
Erlösern und Weltenrichtern, Außerirdischen und zu guter Letzt auch mit
wiederkehrenden ‚Mondnazis‘ füllten, wenn du dich an den Trash-Film
‚Iron Sky‘ erinnerst, mein lieber Wolf! Der füllte 2011 die Kino-Kassen!
Allein neunhunderttausend Kino-Besucher in Deutschland!“
„Jetzt schlägt’s aber dreizehn, Lutz!“, rief dieser: „Ein völliger
Schundfilm! Tauglich nur für die erfolgreiche Ablenkung vom
Wesentlichen durch primitive Unterhaltung im regierenden Prinzip ‚Brot
und Spiele‘! Wie Fußball, Skandale und Boulevard-Themen!“
„Genau! Die Menschen schrecken im Elend ihres oft sorgenvollen oder
manchmal auch langweiligen Lebens wirklich vor keiner Spinnerei oder
Träumerei zurück. Und in Zeiten, in denen der misstrauische, paranoide
Zeitgenosse allen sonstigen öffentlichen Distanzierungen von
Verschwörungstheorien zum Trotz hinter jeder Ecke echte oder verkappte
Nazis witterte, wurde auch das Weltall nicht ausgelassen. Und von dort
sollte Erich wiederkehren? Was für ein verrückter Gedanke! Und überhaupt
– hatte nicht auch Thomas schon so lange Zeit ohne Erich gelebt? Na klar,
es ließ sich auch ohne diesen leben – und die meisten seiner Zeitgenossen
lebten scheinbar besser ohne Erich als Thomas mit der Hoffnung auf dessen
Rückkehr! Unzählige Gedanken schossen ihm durch den Kopf – Gedanken,
die er schon alle gedacht hatte! Neben dem letzten Fünkchen Hoffnung
dominierte der Zweifel und daraus folgend die innere Verzweiflung. Und
dann kam der Zweifel am Zweifel. Der Schritt zum Wahnsinn konnte nur
noch ein sehr kleiner sein. Und wie immer, wenn es um ihn herum ruhig
war, ermüdeten ihn diese Gedanken. Und so nickte er in tiefster Dunkelheit
und Stille ein, schreckte aber durch unruhige Träume immer wieder auf. Die
Welt lag dagegen im festen Tiefschlaf, nur manchmal vorübergehend
aufgeschreckt durch irgendwelche Terroranschläge, Skandale oder wenn
sich internationale Politiker öffentlich verbale Schaukämpfe lieferten wie
zum Beispiel amerikanische Präsidenten und asiatische Diktatoren, die sich
mit schöner Regelmäßigkeit mit atomarer Vernichtung drohten! Ein
bisschen Grusel braucht auch jede dekadente Gesellschaft der modernen
Zeit und die Schauspieler auf der internationalen Politbühne boten brav,
was die Wählermassen wünschten! Schon Luther sagte, man müsse dem
Volk aufs Maul schauen und …“
„Halt, Lutz, stopp! Bitte wieder zurück zu Thomas und Erich!“,
unterbrach Wolf seinen Freund, der zwar nie den Faden verlor, aber
manchmal extrem ausschweifend wurde in seinen Ausführungen.
„Ja, was wollte ich sagen? Ach so: Als der Morgen graute, sprang Thomas
überrascht auf, denn vor ihm stand: Erich. Kaum zu glauben, doch er war es
tatsächlich. ‚Grüß Gott, mein Freund! Darf ich mich zu dir auf die Bank
setzen?‘, sprach Erich. ‚Bist du es wirklich?‘, rief sein Freund. ‚Ja, mein
Freund und Bruder, gib mir die Hand und fühle, dass ich kein Gespenst
bin!‘ Nach dem Handschlag umarmten sie sich für einige Augenblicke des
schweigenden Glücks. ‚Wo bist du so lange gewesen?‘, fragte Thomas und
Erich antwortete: ‚Lass uns setzen, dann erzähle ich dir alles!‘ – ‚Und
warum hast du mich und die Unsrigen so lange warten lassen?‘ – Erich
lächelte: ‚Damit ihr erwachsen werden konntet!‘ – ‚Und nun?‘ – ‚Nun geht
es weiter – mit mir! Alles ist gut!‘ Und so war das glückliche Ende des
Wartens das Ende der alten Zeit und der Beginn des neuen …“
Lutz sah erwartungsfroh zu Wolf hinüber. Dieser nickte, verharrte noch
einen Augenblick schweigend und sprach dann: „Jetzt ahne ich, was du
meinst! Dieser Erich und seine Wiederkunft könnten ein Symbol für den
laufenden Umbruch sein!“
„Richtig, so sehe ich das. Die verzögerte Wiederkunft Erichs entspricht
der Zeit, die die Manifestation der Veränderung braucht. Die Uhren des
Lebens scheinen uns ungeduldigen Menschen oft viel zu langsam zu ticken,
von daher symbolisiert Thomas in dieser Geschichte wohl die Menschen,
die die Hoffnung auf die Vollendung des Umbruchs noch nicht verloren
haben, auch wenn uns zum Beispiel die Nachrichtenlage oft den Eindruck
vermittelt, es bliebe in der Welt alles beim Alten.“
„Das tut es ganz gewiss nicht, Lutz! Wir beide wissen das!“
„Ja. Und wir sind nicht allein mit diesem Wissen!“
„Trotzdem kann man es sich nicht oft genug bewusst machen, dass die
Veränderung zum Guten kommt – wir befinden uns schon mittendrin“,
erklärte Wolf. „Deswegen werde ich, wenn es dir recht ist, diese Geschichte
gerne weitererzählen! Sie ist ein gutes Gleichnis für das, was gerade im
Werden ist!“
Lutz nickte zustimmend, zog seine Füße aus dem Wasser und ließ sie im
wärmenden Schein der Mittagssonne trocknen. Für einige Minuten schloss
er seine Augen, dann sprach er: „Eines Tages werden wir alle morgens
aufwachen und feststellen, dass die Welt eine ganz andere ist, als wir bisher
dachten!“
„Bis dahin wird es nicht mehr ewig dauern!“
„Genau, Wolf! Und nun freue ich auf das heutige Abendessen im alten
Gasthof! Kommt Claudia auch mit?“
„Na klar!“
„Super!“
Kapitel 3
Die beiden Dottores Walter und Moritz

Wolf wollte eine Begebenheit überprüfen, welche ihm von Leuten aus
Mitteldeutschland schon mehrmals erzählt wurde. Da berichteten diese
Deutschen von einer jungen Frau, welche in altertümlichen Kleidern im
Untersbergwald, in der Nähe des Veitlbruches gesehen wurde. Immer, wenn
ihr jemand folgen wollte, verschwand sie binnen weniger Sekunden auf
seltsame Weise im Wald, so lauteten die Geschichten. Und zwar wurde
dieses Verschwinden immer an derselben Stelle bei einer kleinen Felswand
beobachtet. Nachdem er diese Begebenheit zum wiederholten Male gehört
hatte, fasste er den Entschluss, der Sache auf den Grund zu gehen. Er fuhr
zur Kapelle nahe dem Veitlbruch und stellte seinen Wagen direkt daneben
ab. Dann stieg er gemächlich nach oben, bis er den alten Römersteinbruch
unter sich gelassen hatte. Auch Claudia zog es immer wieder in diese
Gegend. Er hatte diesmal aber bewusst auf ihr Beisein verzichtet.
Schließlich wusste er ja nicht, was ihn da möglicherweise erwarten würde.
Der steile Aufstieg machte ihm etwas zu schaffen und so setzte er sich auf
einen Felsen und wollte gerade etwas verschnaufen, als er ein Rudel Rehe
auf einer nahen Lichtung erblickte. So etwas hatte er ja auch schon von
Claudia gehört. Auch sie hatte dort in der Nähe vor einem Jahr eine große
Anzahl dieser scheuen Waldtiere gesehen. Er blieb ganz still sitzen und
wartete eine Weile. Die Rehe zogen weiter und er verlor sie aus den Augen,
als eine Frauengestalt sich plötzlich auf der Lichtung befand. Es war ein
anmutiges Wesen, welches ihm aber irgendwie vertraut vorkam. In
Gedanken versunken konnte er seine Blicke nicht von der schönen Frau
abwenden, die da auf dieser Lichtung im Sonnenschein stand. Sie war nicht
sehr weit von ihm entfernt und es schien, als würde sie ihn nicht
wahrnehmen. Doch dann schaute sie unvermittelt in seine Richtung. Wolf
durchfuhr es wie ein Blitz. Das war doch tatsächlich die Dame aus Venedig.
Julia, die ihm schon zweimal begegnet war. Auf der Insel Murano in der
Kirche Maria e Donato hatte sie ihm doch vor einigen Jahren auf einer
Bodenfliese gezeigt, wo auf der kroatischen Insel Unije der Dreiender-
Bergkristall zu finden war. Wolf flog damals mit Claudia mit der kleinen
Cessna dorthin und sie fanden tatsächlich den Kristall. Nach Angaben der
Dame Julia sollten sie diesen Stein dazu benützen, um in die Halle der
Erkenntnis zu gelangen. Dieser Eingang befand sich in unmittelbarer
Umgebung.
Die Dame Julia lächelte ihm zu, wandte sich von ihm ab und ging
langsam in Richtung der Illuminatenhöhle. Es schien so, als schwebte sie
über den Waldboden. Rasch raffte sich Wolf auf und versuchte ihr zu
folgen. Er wollte sie keinesfalls aus seinen Augen verlieren und schaffte es
nur mit Mühe, hinter ihr zu bleiben. Bei einer Felswand angekommen blieb
sie stehen, blickte kurz zu ihm und legte ihre rechte Hand auf den Fels.
Dann verblasste die Erscheinung und keine zehn Meter von Wolf entfernt
verschwand sie schließlich vor seinen Augen unmittelbar vor der Wand.
Wolf war sich unsicher, ob das Ganze nicht doch eine Halluzination
gewesen war oder ob ihm sein Verstand einen Streich spielte. Oder aber
wollte Julia, von der er sich inzwischen sicher war, dass es sich um sie
gehandelt hatte, ihn zu dieser Felswand führen. Langsam schritt er auf die
Stelle zu, wo die Dame verschwunden war. Da war keine Tür und auch
keine Höhle, da war nur der glatte Fels. Als er dicht davorstand, glaubte er
leise Geigenmusik zu vernehmen, was er aber sofort wieder verwarf. Dann
aber übermannte ihn doch die Neugier und er presste sein linkes Ohr gegen
die Wand und versuchte etwas zu hören. Aber da war nichts. Ganz im
Gegenteil, als Wolf seinen Kopf wieder von der Felswand wegzog, hörte er
auf dem linken Ohr überhaupt nichts mehr. Lediglich mit dem rechten Ohr
konnte er noch etwas hören. Er war sich aber sicher, dass nichts in seine
Ohrmuschel gekommen sein konnte. So rasch es ging, stieg er wieder zu
seinem Wagen ab und fuhr zu Claudia. Er erzählte der jungen Frau von dem
eigenartigen Erlebnis und sie meinte: „Vielleicht ist dir an der Felswand
Wasser ins Ohr gelaufen. Ich werde dir reinen Alkohol hineinträufeln, so
könnten wir das Wasser, wenn eines im Ohr drinnen ist, herausdrücken.“
„Ja“, meinte Wolf schon beinahe resignierend, „versuche es, vor vielen
Jahren ist mir beim Schnorcheln in Ägypten Wasser im Ohr geblieben und
da hast du es tatsächlich mit Alkohol rausbekommen.“ Doch auch
mehrmalige Versuche Claudias blieben diesmal erfolglos. Als aber Wolf am
Morgen des nächsten Tages immer noch nichts auf dem linken Ohr hören
konnte, beschloss er zum Arzt zu fahren. Moritz hieß sein Hausarzt. Wolf
kannte ihn schon, als er noch ein Junge war. Moritz hatte die Praxis von
seinem Vater, dem Sprengelarzt Walter, übernommen. Wolf kannte Walter
viel Jahre schon. Mit ihm war er schon vor acht Jahren auf einem Trip in
der libyschen Wüste in Ägypten unterwegs gewesen. Die Lehrerin Linda
und Walters Frau Helga, welche sich schon seit ihrer Schulzeit kannten,
waren damals auch mit von der Partie gewesen, als sie zusammen mit zwei
Geländewagen über die Oase Siwa durch die Große Sandsee nach Farafra
fuhren. Walter war fasziniert von den Oasen und der Wüste in Ägypten. Er
kannte Wolfs Leidenschaft für die alten Ägypter und auch seine
Nachforschungen am Untersberg. Walter war als Sprengelarzt auch für
einige Großbetriebe im Raum Hallein tätig, zudem war er auch
Feuerwehrarzt, wobei er auch anwesend sein musste, wenn ein
Selbstmörder, der sich vom über achthundert Meter hohen Barmstein am
Nordrand von Hallein in den Tod gestürzt hatte, aufgefunden wurde. Auf
den langen, endlosen Fahrten durch die Große Sandsee in Ägyptens
Nordwesten erzählte ihm Walter von einigen Erlebnissen am Fuße des
mächtigen Barmsteines. Dabei handelte es sich um einen eindrucksvollen
Felsen nördlich der Stadt Hallein.
„Ich wurde öfters von der Bergrettung gerufen, wenn es wieder einen
Toten im Bezirk gab. Das Gelände am Fuße des Barmsteines ist recht
unzugänglich. Um dorthin zu gelangen, muss man sich zwischen zwei
Felsen hindurchzwängen, was recht schwierig ist. Einmal, da haben wir
außer dem Toten zusätzlich noch menschliche Überreste gefunden, wobei es
sich um Teile eines Skelettes gehandelt hat. Das musste schon viele
Jahrzehnte dort im Wald gelegen haben. Keiner konnte sagen, um wen es
sich dabei gehandelt hat.“ „Ja“, sagte Wolf, „ich habe auch schon einmal
einen Totenschädel in den Wäldern am Untersberg gefunden. Soweit ich da
einigen Informationen vertrauen kann, handelte es sich dabei um einen seit
den neunziger Jahren vermissten Künstler. Die Salzburger Polizei hatte
damals die restlichen Gebeine, welche noch vorhanden waren,
aufgesammelt, aber interessanterweise wurden absolut keine Informationen
an die Öffentlichkeit herausgegeben. Aus diesem Grunde habe ich auch den
Fund des Schädels verheimlicht. Ich weiß, Walter, so etwas wäre Störung
der Totenruhe und ist auch strafbar. Aber ich habe es bisher niemandem
erzählt.“
Walter schmunzelte und meinte: „Und ich werde es auch niemandem
weitersagen.“
Wolf musste an diese Erlebnisse denken, als er zu Moritz in die Praxis
fuhr. Er hatte sich bereits telefonisch bei ihm angekündigt und der Doktor
erwartete ihn schon.
„Na, dann wollen wir mal sehen, wie es mit deinem Ohr steht“, begrüßte
ihn Moritz. Er leuchtete mit einer Lupe in Wolfs Ohr hinein und meinte:
„Sehen kann ich auf den ersten Blick eigentlich nichts. Hast du dir etwas ins
Ohr gesteckt, ein Wattestäbchen vielleicht?“
Wolf wollte Moritz nichts von seinem Erlebnis im Untersbergwald
erzählen, er würde ihn ohnehin nur belächeln. Auch dass er sein Ohr an die
Felswand, aus der leise Geigenmusik zu hören war, gehalten hatte, wollte er
ihm nicht sagen. „Ich weiß nicht“, erwiderte Wolf, „das war ganz plötzlich
da, ohne irgendein Zutun.“
„Na dann werden wir mal dein Ohr ausspülen“, sagte Moritz und begann
mit einem kleinen Gerät Wolfs linkes Ohr zu bearbeiten. Nach der dritten
Spülung hörte Wolf ein leises Knacken und danach war alles wieder in
Ordnung, wobei der Arzt aber auch nicht sagen konnte, was die Ursache
gewesen war. Moritz, welcher von seinem Vater schon vor Jahren von
Wolfs Erlebnissen am Untersberg gehört hatte, wollte natürlich auch
wissen, inwieweit sich wieder Neuigkeiten bei seinen Forschungen ergeben
hätten.
„Etwas Interessantes kann ich dir zu den Knochenfunden deines Vaters
am Fuße des Barmsteines erzählen“, begann Wolf. „Ich habe nicht nur rund
um den sagenumwobenen Untersberg und den Obersalzberg recherchiert.
Auch die Barmsteine, die ebenfalls genau an der deutsch-österreichischen
Grenze liegen, hatte ich im Visier. Im Jahre 1933, als Hitler in Deutschland
an die Macht kam, haben enthusiastische Mitglieder der NSDAP vom
Gipfel des kleinen Barmsteines einen Mann mit einem Kübel weißer Farbe
an einem Seil heruntergelassen. Dieser sollte ein riesiges Hakenkreuz auf
die glatte Felswand malen. Die Einwohner der Stadt Hallein würden so das
Symbol von Hitlers Partei von weither sehen können. Diese umfangreiche
Arbeit war aber an einem Tag nicht möglich und so beschlossen einige
Leute, dem Treiben ein Ende zu setzen. Als am nächsten Tag das
Hakenkreuz fertig gestellt werden sollte, durchtrennte einer der Gegner der
NSDAP das Seil und der Mann, welcher gerade beim Malen war, stürzte in
den Tod. Seine Leiche wurde nie geborgen. Von ihm dürften die Gebeine
stammen, die nach zig Jahren dort gefunden wurden.“
Moritz war ganz erstaunt von Wolfs Geschichte und fragte: „Wie bist du
auf diese Tatsache dahintergekommen?“
„Weißt du“, gab Wolf zur Antwort, „ich rede da oft mit ganz alten Leuten
und manche erinnern sich eben noch an Dinge, die von den meisten schon
lange vergessen wurden. So bekomme ich immer wieder Sachen zu hören,
die kaum jemand weiß.“ Moritz nickte.
„Wenn du einmal Zeit hast, fahren wir gemeinsam zum Untersberg, da
kann ich dir einige Stellen zeigen, die sehr mysteriös sind.“
„Gerne“, antwortete Moritz, „ich habe ja schließlich von meinem Vater
einiges von deinen Erlebnissen erfahren.“
Wolf bedankte sich noch bei Moritz für die rasche Hilfe und
verabschiedete sich von dem Arzt.
Vom Wagen aus rief er Claudia bei der Heimfahrt an und sagte ihr, dass
mit seinem Ohr wieder alles in Ordnung wäre. „Aber was war das wirklich?
Hat das etwas mit dieser Julietta aus Venedig zu tun?“, fragte sie. „Ich habe
doch nur mein Ohr an die Felswand gehalten, dort, wo ich diese
Geigenmusik gehört habe.“ „Ja, aber irgendwie hat das bestimmt mit dieser
Julia zu tun“, erwiderte die junge Frau, „du hast so etwas doch noch nie
gehabt.“ „Aber an Geister glaube ich nicht so ganz“, lachte Wolf.
„Versprich mir, dass du mich bei nächster Gelegenheit dorthin mitnimmst.
Das ist nämlich genau die Stelle, wo es mich immer hinzieht. Wer weiß,
möglicherweise entdecken wir dort etwas Neues.“
„Ich weiß schon, was du meinst“, sagte Wolf, „ganz in der Nähe dieser
Felswand befindet sich doch der Eingang zur Halle der Erkenntnis.“
„Denkst du, wir sollten wieder einmal in diese Halle hineingehen, wo
diese neun Scheiben gestanden haben?“ „Warum eigentlich nicht?“,
antwortete er.
Kapitel 4
Die Götterstatuette aus Bali

Es konnte sich kaum um einen Zufall handeln, dass Wolf genau zu dieser
Zeit eine Mail aus Bali bekam. Eine junge Frau aus Österreich, welche sich
des Öfteren in Bali aufhielt und dort eine Schule aufbaute, teilte ihm mit,
dass sie von einer dortigen Hohepriesterin den Auftrag erhalten hatte, eine
kleine, geschnitzte Holzstatue mit einer vergoldeten Kugel in den
Untersberg zu bringen. Gertraud, so hieß die Frau, kannte bereits die
Geschichte von Wolf mit der Halle der Erkenntnis und der damit
verbundenen Goldenen Kugel. Sie schrieb ihm in ihrer Mail, dass sie ihm
diese Figur bei ihrer Rückkunft in Salzburg übergeben möchte. Er müsste
ihr aber zusichern, dieses Artefakt unbedingt vor dem 23. September in den
Untersberg zu verbringen. Dass gerade zu dieser Zeit der größte Vulkan auf
Bali, der über dreitausend Meter hohe Gunung Anung, kurz vor dem
Ausbruch stand und von der Regierung über fünfzigtausend Menschen
bereits evakuiert wurden, war vielleicht Zufall. Oder auch nicht?
Ja freilich würde er die Figur in den Berg bringen. Jetzt hatte er endlich
wieder einmal einen Grund in den Untersberg zu gehen. Auch Claudia war
von dieser Idee begeistert. „Ja gerne komme ich mit“, meinte sie, als ihr
Wolf von dieser Sache mit der Holzfigur erzählte. „Aber zuvor müssen wir
uns mit dieser Gertraud treffen, die will mir ja diese Götterstatue persönlich
übergeben. Das soll übrigens in zwei Wochen beim Alten Gasthof
geschehen.“
Als es dann so weit war und auch Claudia das kleine Kunstwerk aus Bali
in den Händen halten durfte, hatte die feinfühlige junge Frau dann doch
irgendwie Angst. Es wurden noch Erinnerungsfotos beim Marmorbrunnen
vor dem Alten Gasthof gemacht und vereinbart, dass ihr Wolf die
erfolgreiche Deponierung der Figur in der Halle der Erkenntnis
bekanntgeben würde.
Die Zeit bis dahin rückte immer näher und als das Wetter es kurz vor dem
dreiundzwanzigsten September erlaubte, machten sich die beiden auf den
Weg. Beim Aufstieg über den steilen Pfad meinte Claudia: „Ob wir diesmal
auch in den Gang hineingehen können?“ „Hiermit bestimmt“, gab ihr Wolf
zur Antwort und zog den Dreiender-Bergkristall aus der Jacke. „Damit
haben wir wie die anderen Male auch Einlass gefunden. Die Dame Julia hat
schon gewusst, warum sie uns diesen Kristall finden ließ.“
„Glaubst du, dass dieser Vulkanausbruch auf Bali mit dieser Figur etwas
zu tun haben könnte?“, fragte sie. „Weißt du“, antwortete Wolf, „ich habe in
den letzten Jahren so viel ‚Unmögliches‘ erlebt, dass ich sogar das glauben
könnte.“
Sie hatten nun die Felswand erreicht, an welcher die Dame Julia
verschwunden war und Wolf damals sein Ohr an den Felsen gehalten hatte.
Er nahm den Bergkristall heraus und hielt ihn vor sich, als er plötzlich den
Spalt in der Wand sah. Er war doch mit Claudia schon zweimal durch diese
enge Stelle hindurchgegangen, aber vor gerade noch einer Minute konnten
beide noch nichts davon sehen. „Denk nicht darüber nach“, lachte Wolf,
„ich weiß auch nicht, wie das funktioniert. Es ist eben so.“ Als sie zu der
Stelle kamen, wo noch immer die doppelköpfige, vergoldete Figur stand,
steckte Wolf genauso wie früher schon den Bergkristall wie einen Schlüssel
in die Öffnung und sie konnten weiter in den Berg hineingehen. Es war
auch dieses Mal wieder spannend, als sie den Eingang zur Halle der
Erkenntnis erreichten. Was würde sie erwarten? Aber ebenso wie damals
standen auch jetzt die neun diskusförmigen Scheiben ruhig im Kreis in der
Halle. Sie gingen die Stufen zur Empore hoch und Wolf stellte sie
Götterstatue aus Bali auf den runden Tisch. Die goldene Kugel war dieses
Mal nicht zu sehen. Claudia blickte von oben in die Runde der silbernen
Scheiben, welche unbeweglich im Kreis in der Halle standen. Kaum hatte
Wolf das Bildnis abgestellt, drängte er schon auf ein Hinuntergehen. Aber
es geschah gar nichts. Er zog dann am Eingang wieder den Bergkristall aus
der Halterung und nach wenigen Minuten standen die beiden wieder
draußen an der Felswand im Bergwald.
Wieder im Wagen hörten sie in den Nachrichten, dass der Gunung Anung
auf Bali unmittelbar vor dem Ausbruch stehen würde und auch der
Flugverkehr vom Airport Denpassar bereits eingestellt war. Tausende
Touristen saßen somit auf der Insel fest. „Glaubst du, dass da eine
Verbindung besteht zwischen dieser Skulptur und dem Untersberg?“ „Die
Hohepriesterin hat das laut Gertraud so gesagt“, antwortete Wolf. Als die
beiden nach eine Weile bei der Kapelle am Veitlbruch ankamen, wollte
Claudia noch die Kerzen zählen, welche von den Leuten dort angezündet
wurden. „Schau, was hier ist“, sagte sie und deutete mit der Hand auf ein
Foto, das Kammler in jungen Jahren zeigte. „Ich glaube“, erwiderte Wolf,
nachdem er sich auch von dem Bild überzeugt hatte, „dass hier offenbar
eine Kultstätte im Entstehen ist. Denke nur an die gebügelten Hemden, die
wir hier zu Weihnachten am Geländer in der Kapelle gesehen haben.“
Claudia nickte.
„Aus diesem Grunde kann ich mir auch gut vorstellen, weshalb sich da
auch Schnüffler wie die CIA oder ähnliche Organisationen für dieses Gebiet
interessieren. Ich für meinen Teil werde immer weniger Auskünfte geben,
wenn ich gefragt werde. Man weiß ja nie, wer der Fragesteller ist.“
Kapitel 5
Der Yogi Meister aus Indien

Wolf erhielt eine Mail:


„Sehr geehrter Herr Stadler,
mein Name ist Zagros Rafaty und ich bin in den nächsten zwei Tagen mit
einem außerordentlich wertvollen Gast aus Indien in der Nähe des
Unterberges zu Besuch. Unser Gast hat sehr seltene Fähigkeiten und
interessiert sich sehr für diese Region um den Untersberg. Es wäre ein
beidseitig fruchtbarer Austausch, zumal unser Gast ein Yogi aus dem
Himalaya ist. Sollten Sie in der Nähe sein und die Möglichkeit haben auf
ein Treffen, würden wir uns über eine Begegnung freuen. Bitte informieren
Sie mich zeitnah darüber, ob so ein Treffen möglich wäre. Für Ihre Mühen
bedanke ich mich recht herzlich.
Mit freundlichen Grüßen
Z. Rafaty“
Natürlich hatte Wolf Interesse, er musste nur noch den Termin mit Claudia
absprechen und dann ging alles recht rasch. Beide waren sehr auf die
Begegnung mit diesem Yogi gespannt. Der Termin wurde schon für die
kommende Woche fixiert. Die Leute kamen zu viert. Zwei junge Frauen und
ein gut Deutsch sprechender Mann waren in Begleitung des Yogis, welcher
im traditionell orangefarbenen Gewand erschien. Er hatte eine verblüffende
Ähnlichkeit mit dem Schauspieler Bud Spencer. Sein Begleiter stellte ihn
vor und erzählte in kurzen Worten vom Werdegang dieses Mannes.
„Pilot Baba, wie man den Yogi nannte, wurde als Kapil Adwait Singh am
15. Juli 1938 in einer wohlhabenden Familie mit adeligem Ursprung in
Sasaram, dem östlichen Teil Indiens, geboren. Nach seiner Schulzeit
studierte er an der Benares Hindu Universität in Varanasi und absolvierte
seinen Master in organischer Chemie. Schon während seiner Jugend hatte er
oft spirituelle Erlebnisse, die er aber als solche noch nicht wahrnahm. Ein
Sadhu besuchte oft seine Familie und gab ihm Rat in schwierigen
Situationen.
Die Leidenschaft, seinem Vaterland zu dienen, brachte ihn nach dem
Studium zur Indian Air Force auf einen militärischen Luftwaffenstützpunkt.
1957–1972 diente er der Armee als Kampfpilot und kämpfte im Krieg
gegen Pakistan. Sein draufgängerisches Verhalten brachte ihm den Titel
‚Grüner Smaragd Pilot‘. Er erhielt die höchsten Auszeichnungen wie der
‚Shaurya Chakra‘, ‚Vir Chakra‘ und ‚Vishishtha Seva Medal‘.
Der Wendepunkt kam dann während eines Einsatzes im nordöstlichen Teil
Indiens, im pakistanischen Grenzgebiet. Damals im Jahr 1962 geschah dann
etwas, was seinen Lebensweg für immer verändern sollte. Er flog ein MiG
Kampfflugzeug während des Pakistankrieges über den Ausläufern des
Himalaya Gebirges. Plötzlich verlor er die Kontrolle über das Flugzeug und
hatte keine Möglichkeit mehr, sicher zu landen. Der Kontakt zur Leitstelle
war abgebrochen und die Luftfahrtbehörde hatte bereits jede Hoffnung
aufgegeben ihn zu retten. Es schien, als wäre es sein sicherer Tod. In dieser
prekären Situation tauchte Hari Baba, sein Beschützer, auf mysteriöse
Weise auf. Dieser geheimnisvolle Sadhu, der ihn seine ganze Kindheit
begleitete und schon bald sein Guru wurde. Er tauchte einfach im Cockpit
unter Zeugen auf und half Kapil, sein Flugzeug sicher zu landen.
Nach diesem Wendepunkt in seinem jungen Leben entschied er sich seine
Karriere bei der Indian Air Force aufzugeben und nach dem Geheimnis des
menschlichen Daseins zu suchen und es aufzudecken.
Im Alter von 33 Jahren machte sich Kapil auf den Weg in die heiligen
Gebirge des Himalaya und verbrachte dort mehr als 12 Jahre seines Lebens
in tiefer Praxis der Meditation und Yogalehre.
Dort lebte und lernte er von großen Meistern. Von seinem Lehrer bekam
er den Namen Somnath Giri verliehen, welcher ‚Schützer des Mondgottes‘
bedeutet und ein Beiname des Gottes Shiva ist. Schlussendlich erlernte
Kapil unter der Leitung von seinen Gurus Hari Baba die Kunst des Samadhi
und erlangte die vollkommene Erleuchtung. Durch sein Mitgefühl und seine
große Liebe für die Menschen kehrte er zurück aus der Abgeschiedenheit
und lehrt nun weltweit die Praktiken des Himalaya Siddha Yogas und den
Weg zur vollkommenen Selbstverwirklichung.“
Der Yogi, welcher bis jetzt schweigend den Ausführungen von Rafati
zugehört hatte, ergriff nun das Wort. „Sie sind, wie mir erzählt wurde, hier
beim Untersberg aufgewachsen“, sagte er in gutem Englisch. „Ich habe von
diesem Berg schon einiges gehört, auch dass der Dalai Lama ihn schon
zweimal besucht hat.“
Wolf und Claudia waren erstaunt, was dieser Mann da erzählte.
„Dieser Berg hat etwas mit dem Himalaya zu tun. Da ist eine
Verbindung“, fuhr der Yogi fort, „es gibt bei uns im nördlichen Indien
Geschichten, welche von einem Zusammenhang dieser Gebirge erzählen.“
Jetzt hielt Wolf den Zeitpunkt für gekommen, dem Yogi die Geschichte
von dem erfrorenen Tibeter und dem Yak, welche in den zwanziger Jahren
des vorigen Jahrhunderts am Untersberg aufgefunden wurden, zu erzählen.
Der Mann und der Yak waren an einem warmen Augusttag auf halber Höhe
des Untersberges gefunden worden. Am zottigen Fell des Rindes waren
noch Eisreste zu sehen und es wurde in den nahen Salzburger Tiergarten
gebracht. Der Tibeter hingegen wurde auf einem Friedhof in der Nähe
bestattet. Wolf erzählte die Geschichte auf Deutsch und Herr Rafati
übersetzte satzweise auf Englisch.
Der Mann hörte aufmerksam zu und meinte dann: „Ja, das würde mit
unseren Geschichten übereinstimmen.“
Auch von den Zeitphänomenen und dem kurzen Verschwinden seiner
Tochter Sabine und dem damit zusammenhängenden Zeitverlust berichtete
Wolf und der Yogi nickte nur dazu, als Rafati übersetzte. Es schien so, als
würde er einiges zu diesen Sachen sagen können, aber er schwieg dazu.
Bisweilen blickte er tief in Wolfs Augen, vermied es aber, Claudia
zwischendurch anzusehen.
Die beiden hatten sich etwas zu essen bestellt und fragten, ob sie auch für
die anderen etwas bestellen dürften. Der Yogi und seine Begleitung wollten
aber nichts, nur ein Glas Wasser. Ob das zu einem gewissen Ritual gehörte,
konnte Wolf nicht sagen.
Der Yogi blickte Wolf mit einem durchdringenden Blick an und meinte,
„Alles, was um dich herum geschieht, was dich bewegt, erzeugst du
selbst. Und zwar in dem Maße, wie du die Liebe in dir, die Liebe zu allem,
trägst. Dann manifestierst du Dinge, welche oft als Wunder bezeichnet
werden. Denn das Gesetz, welches allem zugrunde liegt, heißt Liebe.“
Wolf durchfuhr es bei diesen Worten. Hatte er doch schon im Alter von
sechzehn Jahren einmal so eine Vision, bei welcher er eine Stimme hörte:
„Das Gesetz heißt Liebe“?
Auch die alte Pendlerin, die er früher öfters mit Linda besuchte, hatte
doch schon vor vielen Jahren ein kleines Büchlein herausgegeben mit dem
Titel „Das Gesetz heißt Liebe“. Wolf wusste nicht, ob er dies alles dem
Yogi sagen sollte. Für ihn war es aber eine Bestätigung, dass es sich um
eine große Wahrheit handeln musste.
Claudia ermunterte ihn schließlich, dem Yogi doch mehr von seinen
Erlebnissen der spirituellen Art zu erzählen. Obwohl Wolf sich
normalerweise zu diesen Themen immer recht bedeckt hielt, sagte ihm sein
Gefühl, dass er diesem bärtigen Mann in seinem orangefarbenen Gewand
vollkommen vertrauen könne. Er begann zu erzählen, während Herr Rafati
übersetzte.
„Zuerst möchte ich Ihnen sagen, dass auch ich eine Pilotenausbildung
habe, wenn auch nicht für Kampfflugzeuge. Ich fliege seit fünfundzwanzig
Jahren nur kleine einmotorige Flugzeuge und habe dabei auch schon sehr
extreme Situationen erlebt, die gottlob bisher immer gut ausgegangen sind.
Ich habe diesen Dingen keine besondere Bedeutung zugemessen und das
Ganze immer nur als Glück bezeichnet. So zum Beispiel ist mir einmal hier
in Salzburg eine Cessna auf einem falschen Kurs in fast genau gleicher
Höhe entgegengekommen und ich habe aus dem Seitenfenster für den
Bruchteil einer Sekunde knapp unter mir die linke Tragfläche dieses
Fliegers und sogar den darauf befindlichen Tankdeckel sehen können. Es
gab viele solcher Vorfälle, welche ich jetzt gar nicht aufzählen möchte“,
sagte Wolf. Der Yogi sah ihn nur an und nickte bloß. „Aber eine ganz
einzigartige Begebenheit, welche ich im Alter von einundzwanzig Jahren
erlebte, möchte ich Ihnen auch mitteilen. Über diese Sache habe ich noch
nie etwas erzählt, auch meinen Eltern habe ich nichts davon gesagt. Ich
fürchtete immer für verrückt gehalten zu werden.
Es war an einem Sommertag im Jahr 1971. Ich wollte zu meiner
damaligen Freundin Silvia fahren. Es war ein strahlender Sonntag, so gegen
zehn Uhr vormittags, als ich auf dem Weg nach dem Dorf Golling einen
Tramper sah, der neben der Straße mit seinem großen Rucksack stand und
winkte. Ich blieb stehen und fragte den Mann, wohin er denn wolle. Er
meinte zu einem Alpengasthof am Berg, zu welchem nur eine schmale
Straße führen würde. Um dorthin zu gelangen, müsste er aber sicherlich
gehen, was für ihn einen Fußmarsch von mindestens einer Stunde steil
bergauf bedeutet hätte. Auf diesem Weg würde kaum ein Wagen
vorbeikommen, der ihn mitnehmen würde. So beschloss ich, den armen
Kerl direkt bis zum Gasthof hinaufzufahren. Ich war diese Straße selbst
noch nie gefahren, aber es war ja gut beschildert, so dass wir nach einer
kurzen Weile oben angelangt waren. Ich ließ den Tramper aussteigen und er
bedankte sich. Vom Tal herauf hörte man die Glocken der Kirche, welche
die Gläubigen zur Messe riefen. Da wurde mir plötzlich bewusst, dass es ja
schon bald Mittag sein würde und ich nicht die Eltern von Silvia beim
Essen stören wollte. Daher wollte ich mich beeilen und fuhr eindeutig zu
schnell die asphaltierte Bergstraße hinunter. Ich kam zu einer Kurve, wo
links der Berghang und auf der rechten Seite ein steiler Abhang war. Auf
Grund meiner überhöhten Geschwindigkeit sah ich, dass ich die Kurve
nicht schaffen würde, und trat voll in die Bremsen. Das laute Quietschen
der Räder war zu hören und der Wagen schlitterte geradeaus aus der Kurve
auf den Abhang zu. Ich spürte noch, wie das rechte Vorderrad den Halt
verlor und das Auto sich bereits seitwärts hinunter neigte. Ich konnte schon
den tief unten liegenden Wald sehen. Da geschah etwas, was ich nie
vergessen werde. Plötzlich stand alles still. Aber es gab keinen Ruck und
keine Verzögerung. Der Wagen richtete sich auf, ich sah einige weiße
Wolken am blauen Himmel, dann schwenkte das Auto nach links und setzte
mit einem sanften Ruck wieder auf der Straße auf. Augenblicklich war
wieder das Quietschen der Räder auf dem Asphalt zu hören und nach zehn
Metern kam mein Wagen mitten auf der Bergstraße zum Stillstand. Ich
stellte den Motor ab und zog die Handbremse. Zitternd stieg ich aus dem
Fahrzeug und ging hinauf zur Kurve. Dort sah ich meine Bremsspur, welche
geradewegs zum Abgrund führte. Das rechte Rad hatte sogar schon die
Grashalme am Straßenrand geknickt und auch die Bremsspur des linken
Reifens war schon bis über das Bankett hinaus zu sehen. Von dieser
vermeintlichen Unfallstelle konnte ich sehen, dass nach der Kurve in
zwanzig Meter Entfernung eine völlig neue Bremsspur begann, an deren
Ende jetzt mein Auto stand. Ich hatte keine Ahnung, was da soeben
geschehen war. Mit zitternden Knien ging ich wieder zum Wagen zurück
und fuhr zu Silvia. Ich habe dieses Erlebnis viele Jahrzehnte keinem
Menschen erzählt. Da Sie aber auch etwas ähnlich Geartetes erleben
durften, teile ich Ihnen dies heute mit.“
Über das Gesicht des Yogi huschte ein fast unmerkliches Lächeln.
„Das Gesetz heißt Liebe“, sagte er auf einmal, „ich habe es vorhin schon
erwähnt. Du bist einen anderen Weg gegangen als ich.“
Und dann sagte er noch einmal.
„Die Phänomene um dich herum haben mit dir selbst zu tun.“
Wolf stutzte, hatte Becker ihm nicht auch schon gesagt, dass er unter
einem besonderen Schutz stehen würde?
Der Yogi fragte noch, ob Wolf ihm einige sehenswerte Plätze am Berg
zeigen könnte. „Freilich“, sagte dieser, „aber es hat mittlerweile schon
geschneit am Berg und deshalb ist es derzeit nur möglich, zu den im unteren
Bereich liegenden Plätzen zu gehen.“ Er beschrieb ihm die erreichbaren
Stätten, wie den Römersteinbruch und die Zeitschleife, sowie die Stellen, an
denen Zeitanomalien auftauchten.
Der Yogi bedankte sich und nahm Wolf bei der Hand, während er ihm tief
in die Augen blickte. Dasselbe machte er auch bei Claudia. Die vier Leute
verabschiedeten sich und Rafaty versprach ihm per E-Mail die Adresse der
Homepage des Yogis zuzusenden.
Kapitel 6
Die verhinderten Flüge

Claudia wollte unbedingt noch einmal die Ruinen-Stätten von Ninive im


Irak besuchen, dort, wo ihr im Vorjahr so ein mystisches Erlebnis
widerfahren war. Wolf hatte deshalb bereits Kontakt mit einem Mann in
Erbil, der Hauptstadt Kurdistans aufgenommen. Gunther Völker hieß der
Mann. Er war gebürtiger Deutscher und hatte dort eine Gaststätte, den
„Deutschen Hof“.
Dieser lag unweit des Flughafens von Erbil. Jahre zuvor hatte Völker ein
Lokal in der afghanischen Hauptstadt Kabul gehabt, welches er aber wegen
der dauernden Schwierigkeiten mit den Taliban wieder schließen musste.
Völker, der mit dem Bürgermeister von Erbil befreundet war, freute sich
schon auf die Ankunft der beiden und meinte, dass der Besuch der Ruinen
von Ninive ohne Probleme vonstattengehen sollte. Die ISIS Verbrecher
waren bereits besiegt und aus Mossul vertrieben. Freilich war von einem
Tourismus in dieser Gegend nichts zu spüren, aber zumindest drohte den
beiden dort keine Gefahr mehr.
Dieses Mal wollte Wolf auf Nummer sicher gehen und buchte bereits im
August den Flug von München nach Erbil bei der AUA, der Austrian
Airlines. Auch im Crystal Hotel in Erbil wurde schon ein Zimmer für eine
Woche gebucht. Claudias Urlaub für den neunten Dezember wurde
ebenfalls fixiert.
Wolf hatte aber seine Rechnung ohne die irakischen Behörden in Bagdad
gemacht. Auf Grund des Referendums in Kurdistan, welches die
Autonomie anstrebte und unabhängig von Bagdad sein wollte, verhängten
die irakischen Behörden ein Landeverbot für ausländische Airlines in
Kurdistan. Die beiden Flughäfen Erbil und Suleimania waren davon
betroffen. Dieses Flugverbot sollte ab dem 29. September bis auf weiteres
gelten. Wolf fragte bei VölkerS nach, wie lange so etwas dauern könne.
Dieser lachte und meinte nur: „Das wird nicht lange dauern, das ist bei uns
eben so.“ Er sollte aber nicht Recht behalten. Obwohl die Peschmerga
Kämpfer den IS so gut wie besiegt hatten, kam es nun in Kurdistan zu
einem Bürgerkrieg. Die Zentralregierung in Bagdad wollte nämlich das
Kurdengebiet keinesfalls in die Unabhängigkeit entlassen und sandte
Truppen. Der Flughafen Erbil blieb für ausländische Maschinen
geschlossen.
Für Wolf und Claudia rückte aber der Termin ihrer gebuchten und bereits
bezahlten Reise in den Irak immer näher. Auf Anfrage bei der Fluglinie, ob
eine Stornierung möglich sei, hieß es nur abzuwarten bis einen Tag vor
Abflug. Wolfs Einwand, dass er doch auch das Hotel in Erbil bereits
gebucht hatte, interessierte dort bei der Fluggesellschaft niemanden. So
blieb ihm nichts anderes übrig, als rasch das Hotel zu stornieren. „Was
sollen wir nun mit dem reservierten Urlaub tun?“, fragte Claudia enttäuscht.
„Ich habe mich schon so gefreut wieder in den Nahen Osten zu fliegen.“
„Weißt du was“, erwiderte Wolf, „wir könnten dem Franz einen Besuch
abstatten. Der wurde doch auf die Sinai Halbinsel nach Sharm el Sheik ins
dortige Sheraton Hotel versetzt. Auch herrschen dort unten derzeit sehr
günstige Preise und auch angenehme Temperaturen, wie ich im Internet
gesehen habe. Was hältst du davon?“ Claudia überlegte und meinte dann:
„Ja, aber die vielen Anschläge des IS. Da hat es doch vor wenigen Wochen
erst über dreihundert Tote bei einem Anschlag gegeben. Ist das nicht
gefährlich?“
„Schon, aber dieser Anschlag war doch hunderte Kilometer entfernt von
Sharm el Sheik. Das war an der Mittelmeerküste. Ich werde den Franz
anrufen und fragen, wie es dort um die Sicherheit bestellt ist.“
Der Hoteldirektor war sichtlich erfreut, Wolfs Stimme wieder einmal zu
hören. Er versprach ihm, ihnen eine riesige Suite kostenlos zur Verfügung
zu stellen, wenn er mit Claudia kurz vor Weihnachten auf Besuch kommen
würde. Auch Sicherheitsbedenken hatte Franz keine. „Ihr braucht ja nicht
unbedingt mit einem Leihwagen in der Wüste herumzufahren, spannt euch
doch einmal eine Woche aus, hier ist es absolut nicht gefährlich.“
Das Angebot war überaus günstig. In einem Sheraton Hotel mit all-
inclusive um vierhundert Euro zu logieren und das dazu noch mit Flug. So
etwas hatte es noch nie gegeben. „Ja, das machen wir“, meinte Claudia und
ihre Bedenken wegen der Sicherheit waren wie weggeblasen. „Wir bringen
dem Franz auch wieder Bauernbrot und Speck mit, so wie wir es immer
gemacht haben“, sagte sie, „darüber hat er sich jedes Mal gefreut.“
Aber bereits bei ihrer Ankunft am Airport in Sharm el Sheik wurden die
beiden wegen der Sicherheit rasch eines Besseren belehrt. Unzählige
Polizisten mit schusssicheren Westen und mit Maschinenpistolen bewaffnet
waren überall zu sehen. So etwas hatten sie in Ägypten bei früheren
Besuchen eigentlich noch nicht erlebt. Die zweite Überraschung kam, als
sie Franz in der Lobby empfing. Das sehr schöne, riesige Hotel war nur zu
zehn Prozent ausgelastet. Die Gäste waren ausnahmslos Russen und Araber.
Franz machte irgendwie einen bedrückten Eindruck, was bei dieser Lage zu
verstehen war. Zwar hatten sie das Hotel mehr oder weniger für sich allein,
aber es waren auch gewisse Einschränkungen hinzunehmen. An der Bar gab
es keine eingeführten ausländischen Spirituosen und auch beim Essen
bemerkten sie, dass die Auswahl nicht ganz so war, wie man es von
Sheraton gewohnt war. Franz sagte, er hoffe, dass sich die Situation bald
ändern würde. Es hätten schon große, namhafte Hotels in der Nähe
schließen müssen. Das alles gehe auf den Einfluss der radikalen Islamisten
des IS zurück.
Dafür wurden Wolf und Claudia aber entschädigt, als sie die riesige Suite,
welche ihnen Franz zugesagt hatte, betraten. Vier Räume, zwei Bäder und
drei Terrassen mit großartigem Blick auf den Hotelpool und das
dahinterliegende Meer.
Jeden Abend saßen die beiden mit Franz in der Lobby an der Bar und
tranken Karkadeh. Bei früheren Besuchen in El Gouna und auch in der
Soma Bay hatte Franz immer nur wenige Minuten Zeit für sie gehabt, was
sicher an dem meist voll ausgelasteten Hotel lag. Dieses Mal war alles ganz
anders. Er saß fast eine Stunde lang bei ihnen und klagte sein Leid und
berichtete, dass er bereits ein Drittel der Bediensteten entlassen musste.
Dennoch war diese Woche für die beiden auch interessant, sie erfuhren von
Franz auch viel über die politische Lage in Ägypten. Auch über den Stand
der neuesten archäologischen Entdeckungen, von denen er aus erster Stelle
Bescheid wusste, wurden sie unterrichtet. Franz, der eine schöne Wohnung
in Gizeh nahe den Pyramiden besaß, dort, wo auch seine Frau mit den
beiden Kindern wohnte, hatte gute Verbindungen zu namhaften
Archäologen. Deshalb wusste er auch immer die aktuellen Ergebnisse der
Forschungen.
Claudia meinte später am Abend, als sie auf einer der großen Terrassen
der Suite saßen: „Weißt du, es ist zwar eine nette, ruhige Zeit zum
Ausspannen, aber mir fehlt irgendwie das Abenteuer. Auf unseren anderen
Reisen gab’s immer etwas zu erleben. Aber hier ist es bis auf die Gespräche
mit Franz doch etwas zu ruhig.“ Wolf schaute sie vorwurfsvoll an und
meinte: „Möchtest du etwa mit einem Leihwagen durch die Wüste zum
Katherinenkloster fahren und eine Entführung riskieren? Das hat es hier in
den letzten Jahren schon öfters gegeben.“
„Nein, du hast schon Recht“, antwortete die junge Frau, „aber sonst geht
es bei uns doch immer etwas abenteuerlicher zu.“
Gerade am Tag ihres Rückfluges gab es dann ganz in der Nähe von Sharm
el Sheik einen blutigen Anschlag auf eine Polizeistation, bei welchem
dreizehn Leute den Tod fanden. Dementsprechend streng waren dann auch
die Kontrollen am Airport. Überall waren Beamte mit schusssicheren
Westen zu sehen. Claudias Reisepass wurde für zehn Minuten eingezogen
und dann wieder ohne Erklärung zurückgegeben.
„Schade, dass es diesmal für uns so ruhig war“, meinte Claudia, als sie
wieder im Flugzeug nach München saßen. „Vielleicht können wir aber beim
nächsten Mal wieder etwas entdecken.“ Wolf wusste, wie sehr die junge
Frau wieder nach Ninive wollte, und sagte: „Ich glaube aber nicht, dass wir
in nächster Zeit wieder in den Irak fliegen können.“
Als sie über dem Mittelmeer auf die griechische Küste zuflogen, meinte
Wolf zu ihr: „Ich habe dir noch nie gesagt, dass mir der Samir Osmanagic
damals in Saarbrücken erzählt hat, dass es auch auf den Malediven eine
Pyramide gibt. Die befindet sich auf der weit im Süden liegenden Insel Gan.
Dort gibt es auch einen richtigen Flugplatz. Diese Insel war früher einmal
britischer Luftwaffenstützpunkt und hat demnach auch eine riesige
Landebahn. Wir könnten von Male aus direkt hinfliegen. Was meinst du,
das wäre doch ein lohnendes Ziel?“
„Was, du möchtest auf die Malediven? Das bedeutet doch zehn Stunden
Flug.“ Wolf nickte: „Ja und dann nochmals über eine Stunde weiter nach
Gan.“
„Darüber reden wir, wenn wir zuhause sind, denn eine Woche ist für so
eine Aktion zu kurz, da müsste ich schon zwei Wochen Urlaub nehmen.“
„Zwei Wochen wären auch besser für die Malediven“, antwortete Wolf.
„Ich werde dir meinen Reiseführer geben, dann kannst du dir in Ruhe
ansehen, was dich dort erwarten würde, und wie gesagt, eine kleine
Pyramide gibt es obendrein noch dazu.“ „Aber sollten wir nicht doch
versuchen wieder nach Ninive zu kommen“, fragte Claudia.
„Ich glaube nicht, dass das so einfach sein wird. Aber ich werde mich
erkundigen, ob der Flugverkehr nach Kurdistan mittlerweile wieder
möglich ist.“ Das Resultat von Wolfs Erkundigungen war ernüchternd.
Bereits in den darauffolgenden Tagen war im Internet zu lesen:
„Irak verlängert Verbot internationaler Flüge in Kurdengebiet.
Das Gebiet Irakisch-Kurdistan wird auch in den nächsten Monaten nicht
von internationalen Flügen angesteuert werden. Die Zentralregierung in
Bagdad verlängerte heute ein entsprechendes Verbot, so dass die
internationalen Flughäfen der Autonomieregion für weitere drei Monate nur
von Maschinen aus dem Inland angeflogen werden dürfen. Das sagte Talar
Faik, der Leiter des Flughafens in der Regionalhauptstadt Erbil.“
Die kurdische Minderheit im Irak hatte ja Ende September in einem
Unabhängigkeitsreferendum mit großer Mehrheit für eine Abspaltung ihrer
Region gestimmt. Die Zentralregierung akzeptierte das Votum nicht und
griff in der Folge mit harter Hand gegen Erbil durch und eroberte unter
anderem die für die Ölproduktion wichtige Stadt Kirkuk von den Kurden.
Im Zuge dessen verbot die Regierung auch Landungen internationaler Flüge
in dem Autonomiegebiet.
Claudia war nicht erfreut über diese Nachricht und so würde ja nichts
anderes übrigbleiben, als Wolfs Empfehlung zu folgen und auf die
Malediven zu fliegen.
Kapitel 7
Ausnahmezustand im Inselstaat

Durch Wolfs Schwärmerei über die Malediven war Claudia schließlich


überzeugt worden, den langen Flug auf sich zu nehmen. Und diese
Pyramide auf der Insel Gan wollte sie sich auch nicht entgehen lassen. Der
Urlaub war für sie kein Problem. Auch diesmal wollte Wolf wieder so früh
wie möglich buchen, um vor unliebsamen Überraschungen gefeit zu sein.
Doch auch jetzt gab es wieder eine Schwierigkeit, so ähnlich wie bei ihrer
geplanten Irak-Reise. Bereits im Februar wurde auf den Malediven der
Ausnahmezustand ausgerufen und etliche Staaten verfügten eine
Reisewarnung. Diese galt jedoch nur für die Hauptstadt Male und nicht für
die zahlreichen Touristen Resorts. „Das kann uns egal sein“, beruhigte Wolf
Claudia, „denk daran, irgendwie geht’s immer und außerdem wird dieser
Ausnahmezustand bestimmt in einem Monat wieder aufgehoben werden.“
„Da wäre ich mir nicht so sicher“, antwortete sie, „erinnere dich, wie das
mit unserer geplanten Reise nach Kurdistan war, dort ist auch heute nach
fünf Monaten immer noch der Flughafen für ausländische Maschinen
gesperrt.“
„Warten wir erst einmal ab“, sagte Wolf. Es werde ohnehin noch Wochen
dauern, bis es mit ihrer Maledivenreise so weit sei.
In der Zwischenzeit erhielt er eine Mail, in welcher er von einem Mann
über geheimnisvolle Pyramiden in Südspanien, in der Nähe von Gibraltar,
informiert wurde. Auch Fotos davon sandte ihm der Mann. Es waren sehr
steile Pyramiden, welche aus einem Stück Fels bestanden und eine Höhe
von zirka fünfundzwanzig Meter besaßen. In der Nähe sollten sich noch
andere Pyramiden, welche eine flachere Bauweise besaßen, befinden. Dort
hatte eine Freundin von ihm sogar einige Tonscherben und eine Figurine
gefunden. Er fragte in der Mail, ob Wolf Interesse hätte dorthin zu fahren.
Claudia zeigte helle Begeisterung, als ihr Wolf davon erzählte. „Wir
können doch nicht überall hinfahren, wo es Pyramiden gibt“, sagte er
vorwurfsvoll zu ihr. „Über den ganzen Erdball verteilt gibt es diese
Bauwerke, von denen man kaum etwas über ihre Entstehung weiß. Schau,
die kleine Pyramide am Untersberg, die ist doch auch interessant, obwohl
keiner etwas über ihre Erbauer sagen kann.“ Claudia schaute ihn mit großen
Augen an und er wusste, dass es ihr hauptsächlich um das Abenteuer ging,
etwas Neues zu entdecken. „Wenn es die Zeit zulässt und wir genauere
Ortsangaben haben, dann werden wir nach Malaga fliegen und von dort mit
einem Mietwagen über die Stadt Ronda in diese verlassene Gegend fahren.
Das sind höchstens zwei Stunden Fahrtzeit. Vielleicht finden wir auch etwas
über diese Pyramiden heraus.“
Doch zuvor sollte es jetzt tatsächlich auf die Malediven gehen.
Als die beiden einige Wochen später im Flugzeug nach Male unterwegs
waren und das Flugzeug für zwei Stunden einen Zwischenstopp in Dubai
einlegte, meinte Claudia: „Du weißt genau, wie groß meine Abneigung
gegen so lange Flüge ist. Jeder Flug, der mehr als fünf Stunden dauert, ist
für mich unangenehm.“ Am nächsten Morgen kamen sie in Male an und
warteten auf den Weiterflug nach Maamigili. Vom dortigen kleinen
Flughafen wollten sie sich dann in den nächsten Tagen um einen Flug nach
Gan bemühen, um dort für zwei Tage zu bleiben und die besagte Pyramide
zu besichtigen. Für ihren Aufenthalt hatten die beiden ein ganz in der Nähe
befindliches Resort ausgesucht. Alles schien diesmal nach Plan zu laufen.
Die Temperaturen waren natürlich gewöhnungsbedürftig. Knappe
fünfunddreißig Grad und hohe Luftfeuchtigkeit brachten nicht nur Wolf,
sondern sogar Claudia ordentlich ins Schwitzen. Wolf wollte den Flug nach
Gan so früh wie möglich buchen und erlebte eine herbe Enttäuschung, als
ihm der Mann an der Rezeption des Hotels mitteilte, dass auf Grund des
Ausnahmezustandes, den die Regierung ausgerufen hatte, auch die großen
Einheimischen-Inseln von Ausländern nicht mehr betreten werden durften.
Und dazu gehörte eben auch die größte Insel der Malediven: Gan.
Der Rezeptionist, dem Wolf von seiner Absicht die Pyramide in Gan zu
besichtigen erzählt hatte, fragte ihn: „Sind Sie Archäologe? Dann hätte ich
etwas für Sie. Als dieses Resort vor Jahren erbaut wurde, fanden die
Bauarbeiter mitten auf der Insel im dichten Urwald Reste von sehr alten
Bauten aus Stein. Eine Kommission aus Indien kam damals zum Schluss,
dass es sich um Reste eines Palastes von Königinnen handeln dürfte.
Dessen Entstehungsdatum lag mehr als eintausend Jahre vor der
Islamisierung der Malediven. Wenn Sie möchten, dann zeige ich Ihnen
morgen einige noch verbliebene Fundamente von den Bauten. Die liegen
tief im Gestrüpp mitten auf der Insel.“ „Sollen wir uns festes Schuhwerk
anziehen?“, fragte Wolf. „Ah, Sie denken an giftige Schlangen? Da
brauchen Sie keine Angst zu haben, denn hier auf den Atollen gibt es
höchstens Geckos und Flughunde.“ „Danke, sehr gerne nehmen wir Ihr
Angebot an“, antwortete Wolf, welcher schon wieder Abenteuerlust
verspürte. Zurück beim Bungalow erzählte er Claudia davon. Sie war zwar
auch etwas enttäuscht, dass der Flug nach Gan zur Pyramide nicht
stattfinden würde, aber umso neugieriger war die junge Frau auf die Reste
eines jahrtausendealten Palastes einer Königin.
„Schade, dass wir nicht nach Gan fliegen können, aber dafür freu ich mich
schon auf morgen.“ „Ich möchte dir deine Vorfreude nicht nehmen, aber wir
müssen auf alle Fälle damit rechnen, dass da nicht mehr allzu viel zu sehen
sein wird“, erwiderte Wolf. Gleich nach dem Frühstück am nächsten
Morgen führte sie der Rezeptionist in den Mittelteil der kleinen Insel.
Dieser war noch ziemlich dicht bewachsen und naturbelassen. „Hier seht ihr
gleich die Überreste des Palastes“, sagte der Mann, als sie kaum zehn
Minuten gegangen waren. „Ich muss wieder zurück zur Rezeption, sehen
Sie sich das in Ruhe an. Es ist eines der ältesten Überbleibsel einer
versunkenen Kultur, wenn auch in sehr bescheidenem Maße. Wenn der
indische Archäologe Recht gehabt hat, stammen die Fundamente aus der
Zeit eintausend vor Christi.“ Nachdem der Mann gegangen war,
untersuchten Wolf und Claudia die spärlichen, aber noch gut
wahrnehmbaren Reste der Fundamente. Eine Vertiefung im Sand in der
Mitte der Mauern erregte Wolfs Aufmerksamkeit. Er begann mit bloßen
Händen zu graben. „Suchst du nach etwas?“, fragte die junge Frau lachend.
„Nein, nur so intuitiv“, meinte Wolf und grub weiter. „Ich hole dir etwas
von der Bar zu trinken“, meinte sie und bahnte sich einen Weg durch das
dichte Gebüsch. „Verirren kannst du dich hier nicht“, lachte Wolf,
„spätestens nach fünfzig Metern bist du wieder am Strand.“ Wolfs
Bemühungen tief in den Sand hinunter zu graben waren vergeblich. Da kam
ihm wie schon des Öfteren wieder einmal der Zufall zu Hilfe. Und zwar in
Form von zwei Arbeitern, welche er durch das dichte Gestrüpp sah. Er
ersuchte die beiden, ob sie nicht mit einer Schaufel oder Harke zu ihm
kommen könnten. Die Hitze in den Gebüschen war beinahe unerträglich
und er wusste, dass er mit bloßen Händen nichts ausrichten würde. Er gab
den beiden Männern zwanzig Dollar und im Nu hatten sie ein halb Meter
tiefes Loch ausgegraben. Nun begann Wolf wieder selbst Hand anzulegen.
Als er dabei auf einen harten Gegenstand stieß, begann er vorsichtiger zu
graben.
Claudia, welche nach etwa zwanzig Minuten wieder zurückkam, sah Wolf
im Sand sitzen und etwas Größeres in den Händen haltend. Beim
Näherkommen sah sie, dass es sich um einen Teil einer Götter-Statue
handelte. „Was um Himmels willen macht so eine Götterfigur hier?“, fragte
sie.
„Nun“ antwortete Wolf, „meiner Meinung nach haben die Bauarbeiter bei
der Errichtung dieses Resorts diesen Kopf gefunden und hier tief im
Gestrüpp wieder vergraben. Wenn das mit der Datierung dieser Ruinen
stimmt, dann müssten damals singhalesische Hindus hier auf der Insel
gelebt haben. Deshalb auch diese Statue. Die heutige maledivische
Regierung ist aber sunnitisch- islamisch und daher sind Götterfiguren hier
strengsten verboten. Deshalb dürften auch die Arbeiter diesen Steinkopf
vergraben haben, um keine Schwierigkeiten zu bekommen.“ „Und was hast
du mit dem Kopf jetzt vor?“, fragte Claudia.
„Na, mitnehmen werden wir das Ding natürlich nicht“, erwiderte Wolf,
„der hat ja ein Gewicht von mehr als zehn Kilogramm. Ich werde es wieder
vergraben. Aber vorher holen wir noch die Kamera und fotografieren den
Steinkopf.“ Nachdem Wolf sein Werk vollendet hatte, gingen die zwei
wieder zurück an den Strand zum Bungalow. Als sie später zum Restaurant
kamen, trafen sie zufälligerweise auf den Rezeptionisten, der Wolf den Tipp
mit den Ruinen gegeben hatte. „Na“, fragte der Mann, „haben Sie schon die
alten Mauern gefunden?“ Wolf nickte: „Vielen Dank nochmals für den
Hinweis, aber ich habe einen Kopf einer Götterstatue, der im Sand
vergraben war, entdeckt.“ „Erzählen Sie das bloß niemandem weiter“,
erwiderte der Rezeptionist. „Die Regierung hier auf den Malediven ist in
dieser Beziehung sehr empfindlich. Wenn publik wird, dass solche Relikte
hier auf unserem Resort gefunden wurden, könnte leicht passieren, dass es
staatliche Ausgrabungen geben würde, was dem Tourismus sehr abträglich
wäre.“ „Nein“, antwortete Wolf, „ich werde es für mich behalten.“ Später
dann, beim Abendessen, kam der Tischkellner zu Wolf und Claudia und
sagte, dass er auch von Wolfs Suche nach den Pyramiden auf der Insel Gan
gehört hatte. Offenbar gab es da eine sehr gute Kommunikation zwischen
den Einheimischen. Als Wolf ihn fragte, ob er von einer der Nachbarinseln,
auf denen ausschließlich Einheimische wohnten, stamme, verneinte dieser.
„Ich komme von sehr weit her, südöstlich der Insel Gan, das ist 360 km von
hier. Ich sehe meine Familie daher nur einmal im Jahr.“ „Was hat das Ganze
aber mit der Pyramide auf Gan zu tun“, fragte Wolf. „Kennen Sie diese
Pyramide etwa?“ „Ja“, antwortete der Mann, „Sie müssen wissen, für uns
im tiefen Süden der Malediven ist Gan so etwas wie eine Hauptstadt und da
kommt so gut wie jeder einmal hin.“ Claudia war schockiert über die
Aussage des Kellners, dass er seine Familie nur einmal im Jahr sehen
konnte. Der Mann sprach weiter: „Die Insel, auf der wir beheimatet sind,
heißt Formula. Auf diesem Eiland wohnen sogar zwölftausend Menschen.
Aber warum ich Ihnen dies erzähle, wird Sie wahrscheinlich interessieren.
Auch auf der sehr unbekannten Insel Formula gibt es Reste von uralten
Kulturen und auch von einigen Pyramiden, die bis zu dreißig Meter hoch
sind. Keiner unserer Bewohner kann sagen, wie alt sie tatsächlich sind.
Manche sagen Jahrtausende.“ Wolf hörte dem Mann gespannt zu, als
Claudia fragte: „Können wir da nicht einmal hinfliegen, dies wäre sicherlich
interessant.“ Der Kellner schüttelte den Kopf und meinte: „Es ist sehr
schwierig, für Ausländer eine Aufenthaltsgenehmigung für eine
Einheimischen-Insel zu bekommen und gerade jetzt, wo in der Hauptstadt
Male der Ausnahmezustand herrscht, würde ich sagen, es ist so gut wie
unmöglich.“ Wolf sah den Zeitpunkt gekommen, seinen berühmten Satz
loszulassen: „Irgendwie geht’s immer.“ Waheed, so hieß der Kellner,
versprach ihm über seinen Freund Fotos von der Pyramide per E-Mail zu
senden. Später, als Claudia und Wolf wieder zurück zum Bungalow gingen,
meinte sie: „Hier sind jährlich tausende Touristen, die die Sonne genießen
und keiner ahnt etwas davon, dass es hier von Jahrtausenden bereits eine
Kultur gegeben hat.“
Wolf schob seine Liege in den Schatten einer Palme, nahm seinen Laptop,
schaute kurz ins Internet und wurde fündig.
„Ich kann dir etwas Interessantes vom Untersberg erzählen. Im Internet
habe ich gerade gelesen, dass am Berg wieder einiges im Gange ist. Weißt
du, dieses Jahr ist doch endlich wieder ordentlich Schnee am Untersberg
und die Skiabfahrt kann wieder bis ins Tal genutzt werden. Aber jetzt soll
plötzlich ein großer Teil des Berges als Schutzzone ausgewiesen werden,
um die im Tal liegenden Siedlungen und Straßen vor Lawinen und
Steinschlag zu schützen. So zumindest meint es ein Landesrat von
Salzburg.“
„Welche Siedlungen meint da dieser Landesrat, der so etwas schreibt?“,
fragte Claudia, „da verarscht jemand die Leute.“
„Oder auch nicht“, antwortete Wolf, „schau dir einmal das an“, und hielt
ihr das Notebook hin.
„Hier ist auch eine Tafel abgebildet, auf welcher diese sogenannten
Schutzzonen abgebildet sind. Darauf kann doch jeder eindeutig sehen, dass
es hierbei absolut nicht um den Schutz von Siedlungen gehen kann. Nein,
da steckt meines Erachtens etwas ganz anderes dahinter, zumal es sich doch
nur um solche Zonen handelt, in denen die Zeitanomalien sporadisch
auftreten.“ „Du meinst also“, fragte Claudia, „dass da jemand über die
Zeitlöcher Bescheid weiß?“
„Da bin ich mir inzwischen ganz sicher“, antwortete Wolf, „nicht nur
dieser spezielle Landesrat, die lokalen Behörden und der Besitzer des
Berges wissen davon. Denk an die Aktivitäten der Dienstmänner vom BVT,
von dem BND und auch von der CIA. Die wissen doch alle über die
Geheimnisse unseres Berges Bescheid und versuchen mit allen Mitteln an
weitere Informationen heranzukommen.“
Kapitel 8
Die Tabula Smaragdina

Eine unglaubliche Kältewelle erfasste Österreich und auch das benachbarte


Deutschland in großen Teilen. Sogar einige bereits leerstehende
Flüchtlingsheime wurden für die Obdachlosen geöffnet, um Todesfälle zu
vermeiden. Die Temperaturen waren auf zwanzig Grad unter dem
Gefrierpunkt gesunken. Wolf wusste, dass es gerade auf der nördlichen
Seite des Untersberges besonders kalt sein würde, und beschloss, den alten
Alchemisten in seinem Haus im Wald aufzusuchen. Ein Stromausfall oder
ein Heizungsdefekt könnten gerade dort in dem einsamen Haus fatale
Folgen haben. Die Straße war gut geräumt und er fuhr langsam durch den
tief verschneiten Wald, um eventuelle Besonderheiten zu erkennen. Trotz
des tiefen Schnees vor dem Gebäude des Alten konnte er aber bis zur
Eingangstüre fahren. Auf sein Klingeln öffnete der Alchemist und bat Wolf
ins Haus. „Ich habe Sie bereits erwartet“, begrüßte ihn der Alte. Diesmal
hielt er sich nicht lange mit höflichen Floskeln auf, sondern begann ohne
Umschweife zu erzählen. „Die Aktivitäten rund um den Untersberg werden
immer zahlreicher und heftiger. Es scheint so, als würden nun alle Dienste
und Behörden gemeinsam mit vereinten Kräften ihre Suche auf den
gesamten Berg ausdehnen. Die Drohneneinsätze werden immer mehr und
auch eine neuartige Technik wurde eingesetzt, welche einen gewissen Grad
von Unsichtbarkeit bewirkt. Meinen Erfahrungen nach dürfte es sich um
eine Errungenschaft der Amerikaner handeln, die diese Technik schon
fragmentarisch nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges von den Deutschen
erbeutet hatten.“ Der Mann führte Wolf sogleich zu dem versteckten
Kellerabgang, wo er ihn über die kleine Wendeltreppe hinunterführte. „Ich
werde Ihnen nun etwas Interessantes zeigen“, wobei er, unten in dem
geheimen Raum angekommen, einen Monitor einschaltete. Darauf konnte
man eine Sequenz sehen, als ob ein vollkommen unsichtbares Wesen durch
den tiefen Schnee im Wald stapfte und dabei eindeutige Spuren hinterließ.
„Wie ist so etwas möglich?“, entfuhr es Wolf. Der Alte lächelte und meinte:
„Sie selbst haben doch im vergangenen Winter etwas Ähnliches erlebt, als
Sie der Spur eines Autos folgten, das dann plötzlich verschwunden war.
Stattdessen haben Sie jedoch die Reifenspuren des Wagens gesehen und
auch die Fußspuren des Fahrers. Sie erinnern sich?“ Freilich konnte Wolf
sich an diese mysteriöse Sache im Vorjahr erinnern. Er nickte bloß. „Es
wird immer spannender“, sagte Wolf und der Alte ergänzte: „Ja aber auch
immer gefährlicher für jene, die sich im Wald auf die Suche machen.“
„Aber für den General und seine Leute stellt das doch keine Gefahr dar?“,
fragte Wolf.
„Im Grunde nicht, aber diese Leute arbeiten bereits an Zeitreisen und
damit könnten die dann sehr wohl etwas ausrichten. Dabei geht es denen
darum, die ganze Weltgeschichte zu verändern.“ „Aber das versuchen die
ohnehin schon mit allen Mitteln“, warf Wolf ein. „Sie selbst sind doch
schon seit längerer Zeit ins Visier dieser Leute geraten. Zuerst wollte man
Sie einfach nur ins rechte Eck rücken, aber als die Zahl Ihrer Publikationen
dann sprunghaft in die Höhe schnellte, änderten die Ihre Strategie. Man
wollte über Sie zu den Geheimnissen gelangen, welche mit dem Untersberg
zu tun haben. Dazu mussten Sie aber unbehelligt bleiben. Doch glauben Sie
mir, jeder Ihrer Schritte wird genauestens überwacht. Aber auch einige
Leute, welche ebenfalls ein Scheibchen Ihres Erfolges haben wollten,
wurden bereits eines Besseren belehrt. Der Grundeigentümer dieser
Bergseite hat Ihnen bereits verboten, Führungen am Berg zu veranstalten,
was ja auch irgendwie verständlich ist. Vielleicht beabsichtigt er sogar
schon, die Berghälfte einzuzäunen, so wie er es auf der anderen Seite des
Flusses getan hat?“ Wolf lachte: „Glauben Sie etwa, dass er hier am Fuße
des Untersberges auch Wildschweine ansiedeln will? Ich bin selber auch
Jäger und kann Ihnen sagen, dass sich solche Tiere hier sicher nicht
wohlfühlen würden. Nein, das wird er bestimmt nicht machen.“
Der Alte schien vollkommen unbeeindruckt von Wolfs Späßchen und sein
Blick verriet, dass es um viel mehr ging.
„Seien Sie eben vorsichtig, Sie sehen es den Leuten nicht an, was ihre
wahren Absichten sind.“
Wolf ahnte bereits, dass es so war, und meinte: „Der Illuminat Becker hat
so etwas schon angedeutet. Aber mehr als vorsichtig zu sein kann ich nicht
und Informationen gibt es von mir schon seit längerer Zeit nur noch
spärlich.“
Der Alte nickte.
„Trotzdem“, entgegnete der alte Mann, „ich werde Ihnen ein Hilfsmittel in
die Hand geben, etwas Mächtiges, womit Sie sich schützen können.“
Wolf hatte keine Ahnung, was der Alchemist meinte. „Wovon sprechen
Sie?“, fragte er. Der Alte ging zu einem Safe, welcher in dem modern
eingerichteten Raum mit den vielen Monitoren in einer Ecke stand, und
öffnete diesen. Mit einem kurzen Blick konnte Wolf sehen, dass sich in dem
Panzerschrank nur alte Bücher und Schriften befanden. Der Mann nahm ein
großes Buch heraus, welches in einer alten deutschen Schrift geschrieben
war. Etwas Ähnliches hatte er schon vor vielen Jahren zu Beginn seiner
Rosenkreuzerlaufbahn gesehen. Damals lernte er auch diese alten
Buchstaben fließend zu lesen. Der alte Mann legte das Buch auf einen
Schreibtisch im Raum und schlug es auf. Wolf war überrascht. „Das ist
doch die Tabula Smaragdina“, stieß er aufgeregt hervor. „Ich habe Kopien
von genau diesen Seiten bereits im Jahre 1980 von einem Wiener
Rosenkreuzer Meister zugesandt bekommen.“ Es musste sich bei diesem
Werk um ein uraltes Rosenkreuzerbuch handeln. Vorsichtig, ja beinahe
ehrfürchtig begann Wolf die siebenundfünfzig sehr großen Seiten
umzublättern. „Ja“, wiederholte sich Wolf, „ich habe eine exakte Kopie von
diesem Buch.“ Der Alchemist schaute Wolf zweifelnd an und meinte dann:
„Aber Sie haben offensichtlich nicht viel damit anzufangen gewusst?“ „Ja“,
musste Wolf zugeben, „ich habe einige Male versucht, den Inhalt zu
verstehen, aber es ist mir damals nicht gelungen. Wahrscheinlich war ich
mit meinen dreißig Jahren noch zu jung dafür.“
„Das glaube ich Ihnen gerne“, lächelte der Alte, „die Hermetischen
Lehren stellen auch für ältere Ordensmitglieder eine große Herausforderung
dar. Nicht jedem ist es möglich die Essenz dieser Schriften zu begreifen. Ich
möchte Ihnen jedoch nur drei Seiten ans Herz legen. Von Seite achtzehn bis
zwanzig.
Auf diesen Blättern ist zu Beginn die Tafel des Hermes Trismegistos
abgebildet. Auf den Folgeseiten ist dann eine Erklärung dazu abgedruckt.
Wenn Sie die Tafel richtig verstehen, dann steht Ihnen eine unvorstellbare
Macht zur Verfügung, über deren Ausmaß Sie sich jetzt noch gar nicht
bewusst sein können.“
Wolf hatte sich im Laufe seines Lebens des Öfteren mit diesem
kryptischen Buch beschäftigt. Es war ihm jedoch nicht gelungen in diese
Mysterien der alten Rosenkreuzer einzudringen. Auch mit Roland, dem
Apotheker, hatte er darüber gesprochen, aber eben ohne Erfolg. „Ich werde
es wieder lesen“, antwortete er und insgeheim dachte er daran, dass es ihm
auch bei einem neuerlichen Versuch nicht gelingen würde, hinter dieses
Geheimnis zu kommen. Der Alte nickte verständnisvoll und meinte: „Einen
kleinen Tipp kann ich Ihnen dazu noch geben. Sie haben sich doch seit
vielen Jahren auch intensiv mit der Astrologie beschäftigt. Dieses Wissen
kann Ihnen hierbei sehr von Nutzen sein.“ Beim Verlassen des Hauses hielt
der Alchemist nochmals inne: „Ich zeige Ihnen jetzt ein weiteres
Geheimnis, welches diesen Berg umgibt. Sehen Sie die große Fichte dort
drüben?“ Er deutete dabei auf einen etwa zwanzig Meter entfernten Baum.
„Schauen Sie genau hin.“ Während Wolf konzentriert auf die Fichte starrte,
zog der Alte den Stoppel aus einem Fläschchen, welches er unter seinem
Mantel trug. „Um Gottes willen, was ist das?“, rief Wolf, dem die Angst ins
Gesicht geschrieben stand. Der Baum hatte sich in einen Riesen verwandelt,
der mit schweren Schritten auf das Haus zuzukommen schien. Wolf
überkam Angst und hilfesuchend blickte er zum Alchemisten, auf dessen
Antlitz sich ein leichtes, väterliches Lächeln abzeichnete. Als er wieder zu
dem Riesen schaute, musste er feststellen, dass dieser sich sozusagen in
Luft auflöste und er wieder die große Fichte im Hintergrund sah. „Was war
das eben, etwa eine Halluzination?“, fragte er den Alten, der die kleine
Flasche inzwischen wieder zugestöpselt hatte. „Der Geruch dieser
Flüssigkeit, den Sie bewusst gar nicht wahrgenommen haben, erzeugte in
Ihrem Gehirn die Erscheinung eines Riesen. Auf ähnliche Art und Weise
wurden schon viele Leute, die im Wald des Untersberges herumgesucht
haben, getäuscht. Weiße Frauen, Feen, Zwerge und Riesen wurden diesen
Menschen vorgegaukelt.“
„War das soeben eine psychoaktive Substanz in der kleinen Flasche?
Habe ich deswegen den Riesen gesehen?“ „Ja“, meinte der Alte, „solche
Sachen waren schon seit der Antike bekannt, wurden aber, so gut es ging,
geheim gehalten. Sie haben bestimmt auch von den so genannten
‚Hexensalben‘ des Mittelalters gehört. Damit wurde der Kirche und der
Obrigkeit so mancher Streich gespielt, was wiederum dazu führte, dass
viele Leute dann eben auf dem Scheiterhaufen landeten.“ Wolf staunte nicht
schlecht, als er so etwas von dem Alchemisten vernahm.
„Diese Substanzen wurden natürlich bis in die heutige Zeit stetig
weiterentwickelt und schon im vorigen Jahrhundert konnte man solche
Effekte bereits mit technischen Hilfsmitteln auslösen.“ Wolf überlegte: „Sie
meinen so etwas Ähnliches wie Gedankenkontrolle?“ Er musste dabei an
den „Mantel des Vergessens“ denken, mit welchem der General ungebetene
Gäste derart verwirren konnte, dass sie nicht mehr wussten, wo sie sich
befanden. Dazu brauchte er keine Flüssigkeiten oder andere psychoaktiven
Substanzen. Es wurden von ihm elektromagnetische Wellen verwendet, die
direkt das Gehirn der Betreffenden beeinflussten.
Wolf musste daran denken, wie Herbert und Elisabeth vor einigen Jahren
hoch oben am Forellensattel den Geruch eines aufflammenden
Streichholzes und danach Zigarettenrauch wahrgenommen hatten, obwohl
dort oben kilometerweit kein Mensch in der Nähe war. Kurz danach hatte
Elisabeth einen starken Küchengeruch in der Nase, so als stünde sie vor
dem Entlüftungsrohr einer Großküche. Wurde den beiden damals auch
etwas vorgegaukelt? Andere Möglichkeiten gab es eigentlich keine.
„Denken Sie an alte Sagen und Überlieferungen“, fuhr der Alchemist fort,
„da ist doch sehr oft die Rede von verborgenen Türen im Fels, von
Erscheinungen, die sich scheinbar in Luft auflösen. Somit ließen sich solche
Dinge erklären. Und Menschen, die solchen Dingen auf den Grund gehen
wollen, würden meistens als geistergläubig und für verrückt erklärt. Aber
vergessen Sie nicht, so etwas wurde sicher schon weiterentwickelt und wird
auch bestimmt von verschiedenen Organisationen eingesetzt. Also
beherzigen Sie meinen Rat und seien Sie auf der Hut.“
Wolf würde diesen Rat des Alten befolgen.
Schon am nächsten Tag suchte er den Kontakt zu Becker, der ihm auch
diesmal rasch zu Hilfe kam. Sie trafen sich wie schon des Öfteren bei der
Kapelle am Veitlbruch. „Besuchen Sie wieder einmal den Sebastian
Friedhof in Salzburg“, riet ihm Becker, „und rufen Sie sich ins Gedächtnis,
was Sie im September des Jahres 1983 gemacht haben. Sie werden damit
der Wurzel Ihrer Suche immer näher kommen.“ Mit dieser kurzen Aussage
Beckers konnte Wolf momentan wenig anfangen, aber er würde erst einmal
zu dem alten Friedhof mitten in der Stadt Salzburg gehen. Vielleicht konnte
Claudia ihn dabei begleiten.
Kapitel 9
Das Grab des Paracelsus

Freilich war die junge Frau gerne bereit, ihn dorthin zu begleiten. Natürlich
spielte da auch eine gewisse Neugier eine Rolle.
Als die zwei in der Stadt Salzburg in der engen Linzergasse vor der
schweren Türe der Sebastianskirche standen, fragte die junge Frau: „Was
soll denn hier so Besonderes sein? Was meinte Becker eigentlich damit, als
er dir einen Besuch in diesem alten Friedhof vorschlug?“
„Das weiß ich selbst nicht, aber es ist ein besonderer Ort. Es ist nicht bloß
einer der ältesten Friedhöfe der Stadt.“ Er öffnete das mächtige Kirchentor
und sie mussten das Schiff des Gotteshauses durchqueren, in dem gerade
eine Messe von drei Priestern zugleich gefeiert wurde. Gleich auf der linken
Seite des Ausganges erblickten die beiden das Grabmal des Paracelsus.
Wolf fiel es wie Schuppen von den Augen. „Jetzt weiß ich, was Becker
gemeint hat und weshalb er mich hierhergeschickt hat“, sagte Wolf.
Claudia sah ihn an und war gespannt, worum es hier ging. Das wuchtige
Grabmal an der Kirchenwand mit einem Obelisken obendrauf und einer
Marmortafel mit lateinischer Schrift sowie dem Wappenschild von
Paracelsus war schon etwas Imposantes. „Hier habe ich am
fünfundzwanzigsten September des Jahres 1983 eine rote Rose hingelegt.
Ja, soeben ist mir das wieder eingefallen. Becker hatte schon Recht.“
„Warum hast du das damals getan?“, fragte Claudia und sah sich die
Grabstätte dabei genau an.
„Wie du ja weißt, hatte ich in den achtziger Jahren das Meisteramt bei den
Salzburger Rosenkreuzern inne. Unsere Städtegruppe war das ‚Paracelsus
Pronaos‘. Benannt nach dem hier bestatteten, berühmten Arzt, welcher in
Salzburg am 24. September 1541 gestorben ist. Der Gründer unseres
Pronaos war ein großer Verehrer von Paracelsus. Diesen Mann habe ich
einmal in den Salzburger Bergen auf einer einsamen Hütte mitten im
Hochwald getroffen. Er hat mir bei diesem Besuch von Ägypten erzählt und
auch Geheimnisse der Cheopspyramide kundgetan. Ich bin mir mittlerweile
sicher, dass dieses Gespräch sozusagen der Grundstein für meine
unzähligen Ägyptenreisen war.“
Claudia hörte ihm aufmerksam zu.
„Die Rosenkreuzer begehen jedes Jahr Ende September ein sogenanntes
Pyramidenfest. Die Pyramide hat in der Philosophie und Mystik der
Rosenkreuzer schon von alters her eine hohe symbolische Bedeutung.
Dementsprechend bildet das Pyramidenfest einen weiteren Höhepunkt im
Jahreszyklus der Rosenkreuzer. Es wird traditionell um den 21. September,
dem Zeitpunkt der Herbst-Tag- und Nachtgleiche, unter freiem Himmel
begangen. Wir bauen aus kleinen Steinen, die jeder aus seiner
Heimatgegend mitbringt, im Rahmen einer Zeremonie eine kleine Pyramide
im Wald oder auf einem Hügel. Damals schrieben wir das Rosenkreuzerjahr
3333 und ich wollte zu diesem besonderen Anlass ein besonderes
Pyramidenfest ausrichten. Es wurde eine Nachtfahrt mit der Untersberg
Seilbahn organisiert und das Zeppezauerhaus nahe der Seilbahn Bergstation
für eine Nacht gemietet. Über fünfzig Rosenkreuzer aus mehreren Erdteilen
folgten meiner Einladung, auch der Großmeister aus Baden-Baden,
Wilhelm Raab, kam zu dieser Feier am Untersberg.
Es war eine denkwürdige Zusammenkunft, zu welcher im Laufe des
Abends dann auch die drei Deutschen dazustießen, welche dann vier Jahre
später durch ihr Verschwinden zum Auslöser für die größte jemals
durchgeführte Suchaktion am Untersberg wurden.“
„Dann hat das alles mit deinen Nachforschungen am Berg zu tun?“, fragte
sie.
„Ja, eigentlich war es genauso. Nur konnte ich damals noch nicht ahnen,
was vier Jahre später passieren würde. Am nächsten Tag, nachdem wir
wieder mit der Seilbahn im Tal angekommen waren, begleiteten mich
einige Ordensmitglieder dann noch in die Stadt Salzburg, wo wir hier das
Grabmal des Paracelsus besuchten und ich da eine rote Rose hingelegt
hatte.“
Claudia hatte bisher nur fragmentarisch von Wolfs Erlebnissen gehört und
konnte sich jetzt ein genaueres Bild von alledem machen.
„Dann zeigte ich den Leuten noch das Mausoleum vom Erzbischof Wolf
Dietrich und auch das Grab von Mozarts Schwester.“
„Das möchte ich auch sehen“, unterbrach ihn Claudia.
Er nahm sie an der Hand und führte sie am Kircheneingang vorbei in den
Friedhof. Auch dieser Ort war untrennbar mit dem Untersberg verbunden,
denn fast alles hier war aus Marmor vom Berg gefertigt. Der Friedhof war
einem italienischen Campo Santo nachempfunden, den man hier in der
Salzburger Altstadt überhaupt nicht vermuten würde. Wuchtige und doch
verspielte Arkadengänge mit teils gruseligen Reliefs an den Wänden
erinnerten an die Allgegenwart des Todes. Aber dennoch war die grüne
Wiese zwischen den vereinzelten Gräbern ein untrügliches Zeichen des
immer wieder auferstehenden Lebens. „Hier bin ich schon in meiner
Studienzeit oft in der Mittagspause spazieren gegangen“, erklärte ihr Wolf.
„Einmal bin ich mit einem Studienreund, dem Franz, an einem
Novembertag durch die Arkadengänge geschlendert. Da war ein solcher
Nebel, so dass wir nicht einmal das Ende eines Ganges sehen konnten. Das
empfand ich schon damals als sehr mystische Situation.“ Claudia, die dabei
die schaurigen Reliefs an den Wänden des Ganges sah, lief bei diesen
Worten ein leichter Schauer den Rücken hinunter.
„Schau, hier liegt die Familie Mozart begraben“, sagte Wolf und deutete
dabei auf einen eher unscheinbaren Grabstein, in dem die Namen von
Wolfgang Amadeus Mozarts Verwandtschaft eingraviert waren. „Und den
Mozart hast du schon gesehen, bei deinem Besuch in der Vergangenheit?“
„Ja, in seiner Wohnung auf dem Hannibalplatz, dem heutigen Makartplatz.
Da hat er beim Fenster rausgeschaut.“ Er drängte sie zum Weitergehen. „Ich
zeige dir jetzt noch etwas – das Grabmal des Wolf Dietrich, du weißt doch,
dieser Erzbischof von Salzburg, welcher auf Schloss Moosham junge
Mädchen vergewaltigt haben soll. Außerdem ist er dem Hexenverbrenner
Bischof Max Gandolph von Kuenburg nicht viel nachgestanden. Aber bis
heute macht man diesen Verbrechern gegen die Menschlichkeit den Hof und
benennt sogar die Straßen in Salzburg nach ihnen. Aber jene Straßen, die
nach Bildhauern und Künstlern aus der Hitlerzeit benannt wurden, will man
umbenennen. Da zeigt sich wieder einmal, wer hierzulande das Sagen hat.
Im Übrigen habe ich einen Backenzahn dieses Bischofs einmal in der
Hand gehabt. Das war bei einem Steinmetz in der Umgebung von Salzburg.
Der Mann führte vor vielen Jahren Restaurierungsarbeiten in der Gruft von
Wolf Dietrich durch und dabei ist ein Zahn aus dem Schädel gefallen. Er hat
diesen eingesteckt und als Andenken behalten. Diesen Zahn des Bischofs
bewahrte er in einer Streichholzschachtel auf.“
Claudia schmunzelte und meinte, „Was du alles schon erlebt hast, aber
schließlich hieß dieser Bischof ja auch „Wolf“.“
Kapitel 10
Grimmigs Demontage

Genau so, wie der vom Untersberg begeisterte Chef des Salzburger LVT
einem ehemaligen Halleiner Polizisten, welcher übrigens vor Jahren
gemeinsam mit unserer Elisabeth auf Streife gefahren ist, weichen musste,
erging es nun auch dem Grimmig. Pollux, sein Vorgänger, ein Freund von
Gernot, ließ verlauten, dass es eben gewisse Regeln rund um das
Innenministerium gab, die auch von ausländischen Diensten wie der CIA
beeinflusst wurden. Er hatte schließlich seine eigenen Erfahrungen mit dem
amerikanischen Geheimdienst gemacht. Ob und wie das alles mit den
Nachforschungen am Untersberg zu tun hatte, konnte oder wollte er nicht
kommentieren. Dass aber Grimmig mit dem Untersberg etwas zu tun hatte,
sollte so gut wie sicher sein. Es schien ein richtiger Politkrimi zu werden.
Für Wolf war die Sache interessant, aber er wollte nicht noch tiefer
hineingezogen werden. Allerdings hatte er von seinen Informanten eine
Reihe brisanter Sachen erfahren und würde sozusagen das Ganze aus der
Ferne beobachten. Ein Anruf von Becker kam überraschend. Der Illuminat
meinte, dass der Grimmig auf alle Fälle wieder ins BVT als Chef
zurückkehren würde. Sogar gegen die Vorgehensweise des Innenministers.
Und so kam es schließlich auch. Grimmig wurde wieder auf seinen Posten
zurückbeordert.
Peter mit dem Leopold, der ebenfalls an dieser Sache interessiert war,
meinte zu ihm: „Du weißt aber schon, dass es inzwischen gefährlich werden
kann, wenn man behauptet, dass diese radikalen Islamisten die Wurzel allen
Übels sind. Nur allzu rasch kommst du dabei ins Visier dieser
Staatsschützer. Dort heißt es dann ‚Verhetzung‘ gegen Andersgläubige. Da
erhebt sich allerdings die Frage, wen diese Leute eigentlich schützen.“
„Ja“, bekräftigte Wolf, „ich weiß nicht, was da hinter den Kulissen
geschieht, aber ich sehe das christliche Abendland schön langsam in
Gefahr.“
„Recht interessant ist aber auch die Tatsache, dass unsere Regierung nun
doch zur Tat schreitet und Moscheen schließen lässt. Auch Imame samt
ihren Familien sollen ausgewiesen werden. Das ist dann natürlich keine
‚Verhetzung‘ gegen Andersgläubige. Nein, solche Aktionen sind zum
Schutze unserer Verfassung zu bewerten. Nicht zu vergessen ist, dass sich
der Türkenpräsident Erdogan auch schon zu Wort gemeldet hat und sagte,
dass er sich fürchte und die Schritte des österreichischen Bundeskanzlers
die Welt zu einem neuen Kreuzzug führen werden.
Nun, sei es, wie es sei, zumindest bewegt sich etwas“, gab Peter zu
bedenken.
„Wir werden je sehen, ob sich dadurch etwas ändern wird, aber es ist
traurig zusehen zu müssen, wie unsere Werte langsam zerstört werden“,
sagte Wolf. „Möglicherweise wird diese Vorgangsweise aus dem Ausland
gesteuert und unsere Staatsschützer müssen sich diesen Vorgaben
unterwerfen.“
Kapitel 11
Die Entdeckungen im Landlerwald am
Obersalzberg

Wolfs Bekannter Manfred von der bayrischen Forstverwaltung hatte wieder


einmal eine brisante Neuigkeit zu berichten. Er bat Wolf um ein kurzes
Treffen oberhalb der Mautstelle an der Rossfeldstrasse. Obwohl dort noch
Schnee lag, konnten sich die beiden ohne Schwierigkeiten treffen. Er
meinte, gerade jetzt, wo wieder viel Schnee gefallen war, würden kaum
Autos hier herauffahren und sie hätten Ruhe. „Ich danke dir“, begann Wolf,
„dass du an mich gedacht hast.“ „Wen interessiert das denn am meisten,
wenn nicht dich?“, antwortete Manfred und lachte dabei verschmitzt. Er
stieg aus seinem Unimog und setzte sich zu Wolf in den Wagen, wo er ihm
erzählte, was er im Herbst alles mitbekommen hatte. „Ein dreizehn
Kilometer langes Teilstück der im Dritten Reich angelegten, asphaltierten
Wege am Obersalzberg sollte abgetragen und neu aufgeschottert werden.
Manche Wege sollten überhaupt verschwinden. Da waren viele Arbeiter am
Werk. Das Interessanteste war das große Bodenradar, mit welchem bis in
eine Tiefe von mehreren Metern sogar noch dünne Metalldrähte gefunden
werden konnten. Ich habe bei meinen Fahrten auf der Jagdstraße einige
Male mit diesen Leuten gesprochen. Meistens, wenn ich wegen der
Abrissarbeiten an der Asphaltdecke lange warten musste, bis ich mit
meinem Unimog an einer Ausweichstelle vorbeifahren konnte. Die haben
mir einiges erklärt und auch Skizzen gezeigt, wo etwas gefunden wurde.
Diese Stellen haben sie auf einer Karte mit Kreuzen markiert. Aber gesagt
wurde darüber nichts Genaues. Nur dass es sich um Altlasten aus dem
Krieg gehandelt haben soll. Soweit ich das verstanden habe, meinten sie
damit Blindgänger von dem Angriff der Alliierten, die hier noch im
Waldboden und auch unter den asphaltierten Wegen schlummern sollen.“
„Wie denn das?“, fragte Wolf. „Nach der Bombardierung der Alliierten im
April 1945 wurde doch nichts mehr instandgesetzt und schon gar nicht die
Waldwege. Also hier wird massiv etwas verschleiert. Glaubst du das auch,
was die da erzählen?“
„Nein, auf keinen Fall, denn bekanntlich wurden ja über dem gesamten
Obersalzberg viele tausend Bomben abgeworfen, von denen die meisten in
die Wiesen und Wälder fielen. Das würde ja bedeuten, dass Blindgänger,
die angeblich gerade jetzt eine große Gefahr für Spaziergänger darstellen,
überall am Berg liegen müssten. Aber gerade hier an der Jagdstraße Hitlers
und auch in der unmittelbaren Umgebung vom unterirdischen Gewölbe N2
und auch N3 wird nun intensiv gesucht. Vor allem ist der Vorwand, dass der
Belag der asphaltierten Wege extrem gesundheitsschädlich sein soll, schon
recht eigenartig.“ „Ja, und interessant ist auch das, dass man alle anderen
asphaltierten Wege wie die Busstraße auf den Kehlstein aus dieser Zeit
nicht beachtet hat“, antwortete Wolf. „Die Kehlsteinstraße wurde angeblich
vor vielen Jahren schon versiegelt“, antwortete Manfred.
„Ich denke eher, dass man einen zusätzlichen Belag aufgebracht hat,
damit die Straße dem massiven Busverkehr standhält. Eine Abtragung des
ursprünglichen Teerbelages mit nachfolgendem Neubau der Straße hätte
doch riesige Verluste gebracht, zumal das eine Baustelle von mehr als
einem Jahr gewesen wäre. Es geht doch alles nur um das Geld. Glaub mir!“
Der Forstarbeiter zog eine kleine Karte, auf der diese Straße eingezeichnet
war, hervor. Dort waren an bestimmten Stellen rote und blaue Kreuze an
gewissen Stellen zu sehen. „Die kannst du gerne haben. Ich glaube, dass
diese Karte sogar schon einmal in der Zeitung veröffentlicht wurde. Es weiß
ja schließlich kein Mensch Bescheid, worum es sich bei den Markierungen
handelt.“
„Mich würde es nicht wundern, wenn erst auf Grund der vielen Sucher,
welche in den letzten fünf Jahren hier heraufgekommen sind, die Behörden
auf den Plan gerufen wurden.“
„Das ist ganz bestimmt so“, erwiderte der Forstarbeiter. „Ich werde
versuchen von den Leuten, die hier die Gegend durchsuchen, etwas
herauszubekommen. Dann ruf ich dich an und gebe dir Bescheid.“
Wolf bedankte sich bei Manfred, dieser stieg wieder in seinen Unimog
und er fuhr nach Hause zu Claudia.
Kapitel 12
Die paradoxen Mysterien

Abermals traf sich Wolf alleine mit dem Illuminaten. Er wollte ihn fragen,
was es mit den paradoxen, ominösen Mysterien, von welchen er in letzter
Zeit des Öfteren in neu herausgekommenen Büchern gelesen hatte, auf sich
habe. Immer wieder stieß er dabei auf das Wort „mysteriös“.
„Wissen Sie“, meinte Becker, „es gibt Leute, die sich durch die
Verwendung von nicht allzu geläufigen Worten Gehör verschaffen wollen.
Da wird dann von äußeren und inneren Mysterien geredet, von Paradoxien
und Symbiosen zwischen Mensch, Geheimnis und Stein. Jeder sollte einmal
darüber nachdenken, worum es sich bei den vermeintlichen Mysterien
eigentlich handelt und wozu die anderen Wörter benützt werden. Es wird
eine Ausdrucksweise verwendet, welche nur so strotzt vor interessant
klingenden Ausdrücken. Sie soll vermutlich den Lesern vermitteln, dass es
sich hier um geheimes Wissen handeln soll. Anstatt in einfachen Sätzen zu
erklären versuchen, was für die Leute von Wichtigkeit ist, wird etwas
vorgegaukelt, was es gar nicht gibt. Und auch die Bedeutung dieser
sogenannten Mysterien ist nicht wichtig. Es wird, wie bereits gesagt, von
inneren sowie auch von äußeren Mysterien gesprochen. Vielleicht tauchen
in Kürze auch noch dazwischenliegende Mysterien auf? Es ist eine perfide
Art von Desinformation, welche den Suchenden zu verwirren versucht.
Aber niemals war so etwas auf Dauer von Erfolg gekrönt. Es ist belanglos,
von welcher Seite diese Versuche ausgehen. Tatsache ist jedenfalls, dass die
wahren Hintergründe und Ursachen durch solches Tun unerkannt bleiben
sollen. Meist stecken da eine starke Angst und Habgier dahinter und eine
Persönlichkeit, welche unbedingt Aufmerksamkeit erlangen will. Oft endet
so etwas in einer Katastrophe und diese Leute enden mitunter im Suizid.
So etwas soll Sie aber nicht beschäftigen. Sie haben anderes zu tun.
Wie ich Ihnen schon vor längerer Zeit mitgeteilt habe, ist es Ihre Aufgabe,
den Menschen, die es interessiert, die Hintergründe des Untersberges und
der damit verbundenen Geschichten näherzubringen. Und zwar in einfachen
Worten, ohne viel Schnickschnack. Lassen Sie sich nicht abbringen von
selbsternannten Experten, die mit hochtrabenden Fachausdrücken ihre
Werke anpreisen. Der Erfolg liegt nur darin, dass die Menschen Wissen für
sich daraus ziehen können. Denken Sie dabei an die alte Prophezeiung: ‚Er
wird den Sator wieder aufrichten‘ und lassen Sie sich nicht beirren. Es wird
nicht mehr lange dauern, da wird die Spreu vom Weizen getrennt werden.“
Wolf wollte gerade fragen, wann denn dieser Umbruch nun kommen
würde, als Becker ihm zuvorkam und meinte: „Die Bewusstseinsbildung
schreitet sehr rasch voran und damit auch die Entwicklung der Menschheit,
wenn auch nicht überall in gleichem Maße. Aber zumindest hierzulande im
deutschsprachigen Gebiet ist ein Erwachen im Gange, welches eine
gewaltige Veränderung auf vielen Gebieten auszulösen imstande ist. Warten
Sie noch ein kleines Weilchen.“
„Ich werde Ihren Rat beherzigen“, erwiderte Wolf, „aber es ist eben nicht
schön, zusehen zu müssen, wie Leute in die Irre geleitet werden.“
„So war es immer“, antwortete der Illuminat, „aber das gehört auch zur
Entwicklung der Menschheit. Jeder kann für sich selbst entscheiden,
welchen Weg er gehen will und welche sogenannte Lehren er annehmen
will.“
„Kann ich in solchen Fällen denn nicht eingreifen?“, fragte Wolf.
„Denken Sie zurück an Ihre Einweihung in den neunten Tempelgrad in
Zürich. Es war ein wunderschöner Pfingstsonntag und die Glocken des
nahen Mariendomes läuteten. Damals stellten Sie dem Logenmeister
dieselbe Frage, welche Sie schon Jahre zuvor bei Ihrer Einweihung in den
ersten Tempelgrad gestellt hatten. Es ging darum, wie weit Sie Ihre
Fähigkeiten dafür einsetzen dürfen, um letztendlich einem Menschen vor
Schaden und Leid zu bewahren. Sie verglichen es hypothetisch damit, dass
Sie einem fehlgeleiteten Menschen das Überqueren eines
hochwasserführenden Flusses über eine augenscheinlich intakte Holzbrücke
unmöglich machen könnten. Sie aus Ihrer Warte wüssten nämlich, dass die
Brücke auf der Unterseite völlig vermorscht ist. Der Betreffende sieht aber
nur den neuen Holzbelag auf der Oberseite. Er würde, wenn er sich auf die
Brücke begibt, nach deren unvermeidlichem Einsturz jämmerlich ertrinken.
Sie hätten jedoch theoretisch die Fähigkeit, mit einem Fingerschnippen die
Brücke vorher in die Luft zu sprengen und so dem armen Kerl das Leben zu
retten. Er würde das aber niemals verstehen und nur erbost über Ihr Tun
sein.“
„Ja ich erinnere mich“, antwortete Wolf, „der Logenmeister meinte
damals nur, ich könnte es ruhig tun und dem Mann die Brücke zerstören,
bevor er sie betreten kann, aber dann müsste ich damit rechnen, dass er es
bei der nächsten Brücke wieder versuchen würde und ich ihm in Zukunft
laufend alle Brücken sprengen müsse. Ich solle lieber lernen, ruhig
zuzusehen, was passiert, wenn einer einem guten Rat nicht zugeneigt ist.
Auch die anderen Fratres und Sorores stimmten der Antwort des Meisters
zu.“
„Sie sehen also, jetzt sind Sie in einer ähnlichen Situation, beherzigen Sie
den Rat des Meisters.“ Wolf verstand, was Becker meinte. Ihm würde es
künftig nicht mehr berühren, wenn sich manche Menschen von
irgendwelchen Leuten irreleiten lassen würden.
Kapitel 13
Die Höhle hinter dem Schießplatz

Nachdem die Grabungsarbeiten am Schießplatz des Bundesheeres endlich


beendet waren und auf dem Gelände noch keine Schießübungen abgehalten
wurden, wollte Wolf wieder einmal zu dem relativ leicht zugänglichen alten
Stollen gehen, dort, wo er vor vielen Jahren mit der Lehrerin Linda die
Flaschen mit den Manuskripten gefunden hatte. Im Juli sollte der
Schießplatz in Glanegg am Fuße des Untersberges nämlich wieder eröffnet
werden und dann würde es schwierig, wenn nicht gar unmöglich werden,
dorthin zu gelangen.
Er fuhr, da der Schranken offen war, bis hinter das Wasserschutzgebiet in
die Gegend, wo er sich einst in der Nacht das erste Mal mit Becker
getroffen hatte. Dort stellte er sein Auto ab und nahm zum raschen
Auffinden des Stollens sein GPS zu Hilfe. Es waren vom kleinen Waldweg
nur rund einhundert Meter, bis er die vermorschten Bretter, welche über
dem Eingang des Stollens lagen, fand. Es sah alles noch so aus wie vor
Jahren, als er sich mit Linda zwischen den Brettern hindurchzwängte. Mit
den neuen, starken Led-Lampen konnte er dieses Mal natürlich viel besser
sehen. Die Glassplitter der zerbrochenen Weinflasche lagen noch genauso
herum wie damals. Im starken Licht der Lampe bemerkte er, dass der kleine
Stollen schon an einigen Stellen einzustürzen drohte. Es war aber nichts
mehr Interessantes zu entdecken.
Was hatte wohl den Schriftsteller vor vielen Jahren dazu bewogen, hier
mitten im Wald in diesem Stollen seine Manuskripte zu deponieren? In
wenigen Jahren würden die beiden Stollen bestimmt zusammengefallen
sein, dachte er. Wolf würde sich zuhause nochmals mit diesen
Aufzeichnungen befassen. Vielleicht hatte er etwas übersehen, als er sich
mit Linda die einzelnen Seiten angeschaut hatte. Er kroch wieder aus der
Erde heraus und machte sich auf den Heimweg.
Wieder zuhause suchte er sich unter seinen Akten die dreizehn Blätter
hervor und breitete sie auf dem Tisch aus. Er begann zu lesen:
„Ich bin mir bis heute nicht sicher, ob dieses Manuskript je veröffentlicht
werden soll. So habe ich den Entschluss gefasst, die Entscheidung der
Vorsehung dem Schicksal zu überlassen. Die darin beschriebenen
Begebenheiten sind sehr ungewöhnlich, ja eigentlich unglaublich. Wenn
jedoch eines Tages irgendwer diese Rollen finden sollte, dann muss er
gezielt hier am Untersberg danach gesucht haben. Die beiden Höhlen, in
denen ich den Hinweis und auch die Schriften versteckt habe, sind kaum
bekannt und zudem schwer zugänglich. Das Gebiet ringsum ist abgezäunt
und liegt im militärischen Sperrgebiet des Schießübungsplatzes.
Der Finder des Manuskriptes muss also eine gute Portion Abenteuergeist
und Forscherdrang besitzen. Zeit meines Lebens habe ich mich mit
außergewöhnlichen Begebenheiten beschäftigt und zumindest versucht,
Licht ins Dunkel der Geheimnisse der Vergangenheit der Menschheit zu
bringen. Das Hauptthema für mich ist jedoch immer
die Zeit gewesen. Der Begriff ‚Zeit‘ war für mich nie etwas
Unveränderliches.
Was ich darüber herausgefunden habe, mag vielleicht eine Hilfe für die
Zukunft sein. Meiner Ansicht nach steuert die Menschheit auf einen
Abgrund zu, und es wäre hoch an der Zeit, neue Denkweisen zuzulassen.
Möglicherweise wird aber Hilfe von einer Seite kommen, die jenseits allem
Vorstellbaren liegt.
Nach dem Gesetz der Affinität wird vielleicht auch der Finder dieser Rollen,
so wie ich, etwas mit Literatur zu tun haben. Und möglicherweise ist dann
auch schon die Zeit reif dazu, die dem Manuskript innewohnende Botschaft
zu verbreiten. Ad Astra!“
Wolf legte das erste Blatt zur Seite. Er nahm das Papier mit der Nummer
zwei in seine Hand und begann weiterzulesen:
„Hier am Untersberg verbirgt sich ein großes Geheimnis. Seit Jahren bin
ich ihm auf der Spur. Ich habe hier viele interessante, merkwürdige Dinge
gesehen, komme aber nicht an das wahre Mysterium dieses Berges heran.
In meiner Zeit als junger Soldat wurde ich in Skandinavien zum ersten Mal
in meinem Leben mit etwas konfrontiert, was es eigentlich nicht geben
durfte.
Es waren Wesen, die nicht von hier waren. Sie verfügten über eine Technik,
welche der unseren weit überlegen war, und dennoch kamen sie in
friedlicher Mission. Dieses Erlebnis prägte mein ganzes Leben. Als ich
dann viele Jahre nach diesem fürchterlichen Krieg hierher in die Gegend
dieses Bergs kam, spürte ich instinktiv die Anwesenheit dieser Wesen von
damals. Meine Suche blieb lange erfolglos, bis ich eines Tages auf Leute
stieß, die zwar zu einer militärischen Einheit gehörten, welche mir aus
meiner Soldatenzeit noch bestens vertraut war, die jedoch nicht mehr in
unserer Zeit existieren durften. Es waren Soldaten der Waffen-SS in ihren
schwarzen Uniformen. Ich kam einige Male mit ihnen in Kontakt. Sie lebten
in einer Station im Untersberg, in welcher die Zeit viele Hunderte Male
langsamer verging als in der Außenwelt. Es waren fast alle hochrangige SS-
Männer.
Was mich dabei aber sehr bedrückte, war die Tatsache, dass ich mit
niemandem über dieses Erlebnis sprechen konnte. Dafür gab es lange,
ausführliche Gespräche mit diesen Leuten aus der Vergangenheit. Doch
aufgrund meiner pazifistischen Einstellung wurde ich von ihnen nicht
besonders geschätzt und schon gar nicht ernst genommen. Ihr Gedankengut
war noch absolut dasselbe, wie ich es vor über dreißig Jahren selber
kennengelernt hatte. Trotzdem taten mir diese Menschen leid, waren sie
doch Gefangene ihrer selbst. Aber die Zeit war gegen sie. Ich versorgte sie
mit Informationen und Berichten über die politische Lage, für die sie sich
besonders zu interessieren schienen.
Dafür erzählten sie mir auch interessante Dinge, beispielsweise, dass sich
einige der Wunderwaffen, über welche schon zu Kriegszeiten Gerüchte im
Umlauf waren, hier im Untersberg und auch in geheimen Basen befinden
sollten. Und dann berichteten sie mir noch, dass ihre
Forschungsabteilungen schon damals Kontakte mit Wesen hatten, die
augenscheinlich nicht von dieser Erde waren. Die Entwicklung der
Wunderwaffen sei auf deren Informationen aufgebaut worden. Das größte
Mysterium dieser Wesen aber dürfte die Herrschaft über die Zeit sein.“
Damit endete die zweite Seite der Botschaft des Schriftstellers. Wolf nahm
nun die dritte Seite
„Es waren nicht nur die Soldaten aus der Vergangenheit, denen ich am
Untersberg begegnete. Da gab es noch andere Sachen. Ich ahnte ja bereits,
dass all die Sagen von den Zeitphänomenen am Berg einen wahren Kern
beinhalteten würden. Zum Beispiel die fremden Flugobjekte. An manchen
Abenden konnte man in der Mitte des Berges auf halber Höhe seltsame,
leuchtende Scheiben beobachten, die sich unterschiedlich schnell bewegten,
aber manchmal auch stillstanden und plötzlich wieder verschwanden.
Sogar in den Zeitungen wurde schon darüber berichtet, nur der nahe
gelegene Tower des Salzburger Flughafens hatte angeblich nichts davon auf
seinen Radarschirmen.
Ich selbst sah eines Tages bei einer Wanderung ein solches Objekt über dem
Bergwald auftauchen. Es verschwand vor meinen Augen in einer Felswand.
Niemand würde mir das glauben. Mit jemandem darüber zu sprechen,
gelang mir kaum. Das war alles zu fantastisch. Aber ich erkannte schon
damals, dass nichts fantastischer war als die Wahrheit selbst. Diese
Erlebnisse deckten sich mit den Aussagen der SS-Leute und meinen eigenen
Erfahrungen zur Kriegszeit in Norwegen. Es mussten tatsächlich fremde
Wesen sein, die hier in diesem Berg mit seinen vielen Mythen
möglicherweise einen Stützpunkt hatten. Ich bin seit dem Krieg nie wieder
mit ihnen in Berührung gekommen, aber ich hatte immer so ein Gefühl, als
wenn ich in gewisser Weise von ihnen beobachtet würde. Vielleicht wollten
sie sogar, dass ich über sie schreibe, um bei möglichst zahlreichen Lesern
einen Bewusstseinswandel zu bewirken. Das sind alles nur Vermutungen,
aber sie beschäftigen mich schon seit Langem. Möglicherweise werde ich
eines Tages diese Dinge als Roman veröffentlichen. Jetzt aber will ich
meine Erlebnisse zumindest als kurzes, unvollendetes Manuskript in dieser
Höhle als Flaschenpost für die Zukunft deponieren.“
Wolf nahm eine weitere Seite vom Tisch auf:
„… ich habe einen Eingang am Berg gefunden, den es nach den
physikalischen Gesetzen gar nicht geben dürfte. Durch Zufall kam ich an
einer Felskluft vorbei, an welcher ein Spalt ins Innere des Berges führte. Da
ich keine Lampe mitführte, ging ich nur ein kleines Stück in diese Höhle
hinein. Plötzlich war es gar nicht mehr so dunkel, wie es von außen schien.
Ich ging keine fünfzig Schritte auf fast ebenem Boden, der ansonsten in
natürlichen Höhlen eher unüblich ist, und konnte immer noch sehen. Ein
schwacher, leicht grünlicher Schimmer umgab mich. Es war genug Licht
zum Gehen. Anfangs dachte ich, dass es phosphoreszierende Mineralien
waren, die an den Wänden leuchteten, aber das Leuchten war zu
gleichmäßig.
Nach zwei, drei Minuten wandelte sich die Höhle zu einem behauenen
Raum, von dem ein Gang, der eng und niedrig war, hinausführte. Die Luft
wurde stickig und die Temperatur stieg rasch an. Es ging bergauf. Der
Gang war so niedrig, dass ich nur gebückt gehen konnte. Ich sah ein Licht
am Ende des Ganges. Dann blendete mich gleißender
Sonnenschein. Offensichtlich war ich aus dem Berg wieder
herausgekommen. Als ich mich an die Helligkeit gewöhnt hatte, traute ich
meinen Augen nicht. Da sah ich in einiger Entfernung Soldaten auf Pferden,
die Sand aufwirbelten, und hörte Schüsse und Kanonendonner. Die
Kämpfenden trugen alte Uniformen. Männer mit Pfeil und Bogen und mit
Schwertern in ihren Händen waren da zu sehen. Dazwischen glaubte ich
eine französische Fahne in der Hand eines Reiters zu sehen. Rechter Hand
sah ich auf eine orientalische Stadt. Als ich mich umdrehte, bemerkte ich,
dass ich unten an der Flanke einer großen Pyramide stand. Ich wollte schon
die gewaltigen Steinquader hinuntersteigen, da entdeckten mich zwei Reiter
und kamen wild gestikulierend auf mich zu. Sie sprangen am Fuß der
Pyramide von ihren Pferden und begannen, zu mir heraufzuklettern. Ich
drehte mich blitzschnell um und lief, so rasch ich konnte, in gebückter
Haltung den Gang hinunter, an dessen Ende sich eine Felsenkammer
befand. Es war stockdunkel in dieser Richtung. Kaum hatte ich die
Felsenkammer erreicht, da veränderte sich die Umgebung wieder und ich
war in der grün schimmernden Höhle am Untersberg, dort, wo ich zuvor
hineingegangen war.
Nach kurzer Zeit stand ich wieder vor der Kluft im Untersbergwald.Wieder
zuhause angekommen, recherchierte ich in Geschichtsbüchern, was eine
französische Fahne wohl bei den Pyramiden zu tun hatte, und stieß dabei
auf etwas Erstaunliches. Am einundzwanzigsten Juli 1798 kam es zwischen
Napoleon Bonaparte und den türkischen Mameluken zur Schlacht nördlich
der Pyramiden von Gizeh. Der Korse schlug die Türken damals vernichtend
und marschierte tags darauf in Kairo ein. Ich war Zeuge geworden von
diesem Ereignis, das mir aber beinahe auch zum Verhängnis geworden
wäre. Es musste also eine Verbindung zwischen dem Untersberg und der
großen Pyramide von Gizeh geben. Genauer gesagt, müsste die Höhle am
Untersberg in die unterirdische Felsenkammer der Cheops Pyramide
führen. Es war eine faszinierende Vorstellung, innerhalb weniger Minuten
auf einen anderen Kontinent gelangen zu können. Und noch dazu
gleichzeitig um zweihundert Jahre in die Vergangenheit zu reisen … Ich
werde dieses Erlebnis wohl niemals in einem Buch niederschreiben und
veröffentlichen können, man würde mich für verrückt halten. Aber vielleicht
wäre das trotzdem eine Möglichkeit den Lesern etwas mitzuteilen? Einige
würde das möglicherweise verstehen.“
Auf der Rückseite des Blattes stand dann noch:
„Als ich dann ganz in der Nähe der Höhle diesen riesigen Felsüberhang
fand, wo eine Marmorplatte lag, auf welcher die Inschrift zu lesen war: ‚In
der Mitternacht am 27. Juli 1798‘, ging ich dieser Sache nach und stieß auf
eine Geschichte der Salzburger Illuminaten, welche besagte, dass in dieser
Vollmondnacht neun Brüder dieser Loge, welche sich mit Mönchskutten und
Kapuzen verhüllten, am Untersberg verschwanden. Interessant dabei war,
dass dieses Ereignis sechs Tage nach der Schlacht bei den Pyramiden
stattfand. Daraus ließe sich eine spannende Geschichte machen, in welcher
sowohl die Station des Generals als auch die neun unbekannten Illuminaten
vorkommen könnten. Den Titel hätte ich damit auch schon: ‚Die Neun
Unbekannten‘. Ob und wann dieser Roman entstehen soll, liegt in den
Sternen.“
Wolf wusste jetzt mit Sicherheit, wer der Verfasser dieser interessanten
Flaschenpost war. Er würde die Blätter am Abend Claudia zeigen.
Auf der Rückseite eines der Blätter war dann zu lesen, dass vom Verfasser
eine sogenannte „Zeitexpedition“ organisiert worden war, bei welcher auch
der Autor Erich von Däniken dabei war. Wolf glaubte sich zu erinnern, dass
er vom Rosenkreuzer Baron Hjalmar von Lex, der auch mit dabei war,
dasselbe gehört hatte. Das soll im Jahr 1977 gewesen sein. Es wurde dabei
nach einer Teleportations-Höhle gesucht. Hierbei gab es anscheinend
teleportative Phänomene mit dem Untersberg und dem bei Rio de Janeiro
liegenden Berg namens Pedra da Gávea. Offenbar gibt es bei beiden Bergen
eine Höhle, durch die sie auf wundersame Weise miteinander verbunden
sind. Ein Zeuge aus alten Zeiten berichtete, er sei innerhalb von Sekunden
von einem Berg zum anderen gereist.
Aber als dann auf diesem Blatt noch etwas von dem fünfstündigen
Verschwinden des Sohnes von Baron von Lex, der damals ein kleines
Anwesen ganz in der Nähe des Grünbaches am Untersberg hatte, lesen
konnte, war sich Wolf nun absolut sicher, dass es sich um den Schriftsteller,
den Perry Rhodan Autor handeln musste.
Auch wurde von einem österreichischen Akademiker berichtet, der über
eine Stunde in einer Höhle zubrachte und dort in ein Zeitloch gelangte, das
ihn für acht Tage verschwinden ließ.
Als Claudia die Blätter der Flaschenpost las, meinte sie: „Jetzt verstehe ich,
dass der Sohn vom Schriftsteller so scharf auf diese Manuskriptfragmente
war. Er hat dich doch mehrmals in deiner Firma aufgesucht und dich
hartnäckig nach diesen Schriftstücken gefragt. Der wusste doch sicher, dass
sie von seinem Vater waren.“
„Ja“, antwortete Wolf, „aber ich sehe jetzt nach dem Lesen dieser Blätter
einen Beweis für die Geschichten, welche man über den Untersberg erzählt
hat und die auch der General zu berichten wusste. Zum Beispiel der
erfrorene Tibeter und der Yak oder die Soldaten des Generals, die plötzlich
in Südamerika an der Küste herauskamen, nachdem sie eine
Untersberghöhle betreten hatten.“
„Und deshalb willst du mich unter keinen Umständen alleine dort am
Berg herumsuchen lassen?“, fragte die junge Frau.
„Ist doch auch verständlich, oder?“, gab er kurz zur Antwort. „Du hast
doch hier gelesen, was da schon alles passiert ist.“
Claudia nickte.
Kapitel 14
Rosenkreuzer Geheimnisse

Nachdem Wolf nun sich ausführlich mit dem Inhalt der Flaschenpost
beschäftigt hatte, wollte er nun nochmals das Büchlein mit den
Geheimnissen der Rosenkreuzer ansehen. Die darin enthaltenen
Zeichnungen stellten allegorisch das Wissen der Bruderschaft im
sechzehnten Jahrhundert dar und waren mit geheimen Bildnissen nur so
gespickt. Da war die Rede von Valentin Andrae und von Christian
Rosenkreutz und dessen Grabmal. Dann stand da etwas von der Fama
Fraternitatis und von der Chymischen Hochzeit und eben auch von der
Tabula Smaragdina. Obwohl Wolf die alten Schriftzeichen einwandfrei
lesen konnte, so verstand er den Sinn der Wörter nicht einmal annähernd. Er
wusste auch keinen mehr, der ihm dabei helfen konnte. Keinen? Doch,
Becker würde ihm vielleicht behilflich sein können. Noch am selben Abend
nahm er Kontakt zu dem Illuminaten auf, der ihm jedoch nur den kurzen
Rat gab: „Suchen Sie in Ihren Rosenkreuzerunterlagen Ihre Antrittsrede als
Meister heraus und studieren Sie diese genau.“ Woher wusste Becker von
dieser von Wolf verfassten Rede? Er suchte dieses Papier aus den alten
Schriften, welche er seit über dreißig Jahren aufbewahrt hatte, heraus und
begann zu lesen:
„Fratres et Sorores, Ihr habt mich zum neuen Meister dieses Pronaos für
die nächsten Jahre gewählt. Ich will versuchen, Euch die Rosenkreuzer
Prinzipien in Demut näher zu bringen. Der Mensch ist frei, doch seit Äonen
mit der Materie behaftet, vergaß er seine Herkunft. Nicht gilt es
übernatürliche Fähigkeiten anzustreben, so verlockend es auch klingen
mag. Vielmehr gilt es den Löwen der Materie zu besiegen und zu zerteilen
um ihn danach behutsam wieder zusammenzusetzen. Dann aber wird er
Euch treu dienen und Ihr werdet Fähigkeiten erlangen, welche Euch zu
Meistern Eures Selbst machen werden. Ihr werdet Gott in Eurem Herzen
erkennen.“
Dreimal las er diese Zeilen, aber er konnte aber nichts Besonderes daran
finden.
Nochmals ersuchte er Becker um Hilfe.
„Sie müssen die einzelnen Worte genauer betrachten, dann wird sich ein
neuer Sinn ergeben, versuchen Sie es. Sie haben es damals schon sehr
genau formuliert.“
Plötzlich fiel es Wolf wie Schuppen von den Augen. Ja freilich, er
brauchte doch nur die Worte ganz einfach wortwörtlich verstehen. Dann
ergaben sie auch einen ganz anderen Sinn. Musste er dafür über sechzig
Jahre alt geworden sein, um das zu enträtseln? Er wusste, dass viele der
Rosenkreuzer Geheimnisse den Studierenden dieser Lehren vorbehalten
waren und nicht der Öffentlichkeit wahllos preisgegeben werden durften.
Nur allzu leicht würden sich dabei labile Persönlichkeiten in eine Pseudo-
Welt begeben und ähnlich einem Süchtigen in einen Wahn verfallen. Solche
Szenen hat es auch vor über einhundert Jahren schon gegeben.
Becker verwies Wolf noch auf das Buch vom englischen Schriftsteller
Bulwer Lytton „Zanoni.“ Das ist ein Rosenkreuzer Roman, welcher einen
Einweihungsweg in dramatischer Weise darstellt. Wolf nickte: „Ja, ich habe
diesen Roman schon vor über dreißig Jahren gelesen und fand ihn sehr
ergreifend. Auch habe ich dieses Buch, das bis heute immer wieder neu
aufgelegt wird, vielen Leuten zum Lesen empfohlen.“ „Dieses Buch ist wie
ein Spiegel, in dem man seine eigene Entwicklung sehen kann, wenn man
es nach Jahren nochmals liest“, erwiderte der Illuminat.
Kapitel 15
Die Einladung des Generals

Der General ließ Wolf über den neuen Kommunikationskanal ein Treffen
vorschlagen. Dies sollte aber absolut sicher sein. Die neuen
Abhörmaßnahmen der Dienste hatten inzwischen ein gefährliches Maß
erreicht. Aus diesem Grunde wurde das Treffen im Alten Gasthof
vereinbart. Und zwar in der Vergangenheit. Dazu müsste Wolf aber zu
einem der Eingänge in die Station kommen. Das aber wiederum könnte
fatale Folgen haben, denn wenn man seiner Spur folgen würde, wäre der
Ort des Eingangs den Geheimdiensten bekannt. Eine andere Möglichkeit
gab es aber auch noch. Becker sollte Wolf dazu verhelfen an einem
bestimmten Tag im Jahre 2009 dort hinzukommen. Der General selbst und
Obersturmbannführer Weber würden durch ihr einstellbares Dimensionstor
ebenfalls dorthin kommen.
Es würde das erste Mal sein, dass die SS-Leute auch mit Becker
zusammentreffen sollten.
Diese Art der Zusammenkunft war auch mit den modernsten Geräten
nicht zu entdecken.
Lediglich der genaue Termin wurde übermittelt. Als Wolf dem
Illuminaten die genauen Details bekannt gegeben hatte und dabei noch
überlegte, wie lange denn der Besuch in der Vergangenheit dauern würde,
schmunzelte dieser und sagte: „Wenn Sie möchten, können Sie in der
gleichen Minute wieder zurück in Ihrer Gegenwart sein.“ Wolf wusste das
bereits von verschiedenen Reisen mit Becker, die oft stundenlang dauerten
und bei denen er dennoch nach wenigen Minuten wieder in der Gegenwart
ankam.
„Das Einzige, auf was Sie achten müssen, wäre nur, dass Sie nicht zur
fraglichen Zeit bereits dort beim Alten Gasthof gewesen sind.“ „Warum“,
fragte Wolf, „weshalb ist das wichtig?“
„Weil Sie sich sonst selber dort treffen würden, was zu Schwierigkeiten
führen könnte.“ „Also gut“, erwiderte Wolf, „dann suche ich eben nach
einem Zeitraum, in welchem ich mit Linda in Ägypten war. Das würde auch
den Leuten im Gasthof nicht auffallen.“
Wolf suchte sich auch noch dazu einen Tag aus, an dem es warm war und
schönes Wetter herrschte. Da könnten sie alle im Gastgarten sitzen.
Es ging dann alles sehr schnell. Nachdem Wolf dem General den
Zeitpunkt mitgeteilt hatte, nahm ihn Becker bei der Hand und im selben
Moment standen sie beim Marmorbrunnen, wo auch bereits der General
und Weber warteten. Wolf, der diese Art des Reisens mit Becker schon seit
längerem kannte, war dennoch jedes Mal aufs Neue überrascht von der
Einfachheit, mit welcher der Illuminat das bewerkstelligte. „An diese Art
könnte ich mich gewöhnen“, sagte er, „und Zeit sparen lässt sich dabei
enorm.“ Becker meinte: „Ja, das ist so eine Sache mit der Zeit, aber was ist
schon Zeit?“
Wolf ging auf den General zu und stellte Becker den beiden als technischen
Begleiter vor, der ihm die Reise in die Vergangenheit ermöglichen konnte,
was ja eigentlich auch tatsächlich so war. Kammler verzog dabei keine
Miene. Offenbar war er ja selbst mit den Zeitreisen vertraut. Dann
überquerten sie die Straße und gingen gleich direkt durch den steinernen
Torbogen in den Gastgarten des Alten Gasthofs. Sandor, dem ungarischen
Oberkellner, fiel natürlich gar nichts auf, da ja Wolf öfters mit Leuten in den
Gasthof kam. Sandor kannte weder Becker noch die SS-Leute. Sie hatten
sich ganz hinten in den Gastgarten gesetzt, so dass auch keine ungebetenen
Zuhörer in der Nähe waren.
Als sich die vier an den Tisch gesetzt hatten, musterte Kammler den
Illuminaten genau und meinte schließlich: „Ich könnte schwören, dass ich
Sie schon irgendwo gesehen habe.“ Becker erwiderte lächelnd: „Das wäre
schon möglich, ich bin viel herumgereist.“ Der General griff sich an die
Stirne und entgegnete: „Ich glaube, dass Sie damals bei der Entwicklung
der ‚Glocke‘ im Forschungsstab dabei waren. Ihr Name war damals aber
nicht Becker, aber das kann ja alles eigentlich gar nicht möglich sein, denn
Ihr Aussehen ist noch genauso wie vor fünfundsiebzig Jahren.“
Becker lächelte und sagte zu ihm: „Sie sehen ja auch nicht gerade so aus,
als wären Sie über einhundert Jahre alt und die Glocke habe ich im alten
Indien vor einigen tausend Jahren auch schon gesehen.“ Kammler schaute,
ob dieser Worte nun etwas irritiert, sagte aber nichts dazu.
Monika, die Wirtin, kam vorbei. Wolf grüßte die junge Frau, welche sich
aber über die Begleitung Wolfs keine Gedanken zu machen schien. Nur zu
oft saß er hier im Gastgarten mit Leuten, mit welchen er über den
Untersberg sprach.
Ohne eine Miene zu verziehen, wandte sich der General nun Wolf zu:
„Die Zeit wird langsam knapp. Seitens der Regierungen sind bereits
Bestrebungen im Gange, die wichtigsten Straßen in Europa ‚panzertauglich‘
zu machen. Unzählige Brücken müssen dazu erneuert oder zumindest
verstärkt werden. Auch Verbreiterungen vieler Verkehrswege würden dafür
notwendig werden. Man kann aus diesen Planungen ersehen, dass
Bodenkämpfe und Truppenverlegungen in Erwägung gezogen werden.
Auch der Führer hat damals schon während des Krieges solche Planungen
und auch Ausführungen in Auftrag gegeben. Kennen Sie die Bauwerke von
General Todt?“
„Was wollen Sie damit andeuten?“, fragte Wolf.
„Dass sich der Zeitpunkt für eine Umwälzung vielleicht verschoben hat,
aber dass auch die Wahrscheinlichkeit einer kriegerischen
Auseinandersetzung immer größer wird. Wir werden jedenfalls nicht
tatenlos zusehen, wie im Reich die letzte Ordnung zerstört werden wird.“
„Bedeutet das“, fragte Wolf, „dass wir in absehbarer Zeit damit rechnen
können, dass Sie eingreifen werden?“
Der General sprach weiter.
„Noch nie zuvor sind Großraum-Transportflugzeuge der ‚Deutschen
Luftwaffe‘ hier in Salzburg gelandet. Bisher gab es nur ein paar
Freundschaftsbesuche von Maschinen der Royal Air Force Großbritanniens,
die aber keinem direkten Zweck des Militärs dienten. Die beiden deutschen
Großflugzeuge flogen letzte Woche von Norden her via Freilassing den
Salzburger Flughafen an. In der Folge gingen in den Stunden danach mehr
als hundert deutsche Soldaten samt Kampfausrüstung an Bord der
Maschinen. Das Ganze geschah unter Aufsicht von Offizieren des
Österreichischen Bundesheeres. Es soll sich dabei um eine deutsche Übung
an den Grenzen Russlands gehandelt haben.
Die Truppen gehörten zu den Bundeswehr-Standorten Bad Reichenhall
und Bischofswiesen bei Berchtesgaden. Dazu wurden Gerät, weitere
Waffen und Munition verladen. Nach einigen Stunden starteten die beiden
Großraumflugzeuge kurz hintereinander wieder in Richtung Tallinn in
Estland. Dort im Süden des kleinen baltischen Staates finden derzeit NATO-
Manöver statt. Damit soll auch den Nachbarn im riesigen Russland gezeigt
werden, dass die westlichen Verbündeten im Konfliktfall die kleinen
baltischen Staaten und Polen jederzeit verteidigen würden.
Das sind für mich alles Indizien, dass die Situation brisanter wird.“
Becker saß beinahe gelangweilt am Tisch und beobachtete die beiden SS-
Leute. Es sah so aus, als wüsste er bereits über die zukünftigen Ereignisse
Bescheid. Wahrscheinlich war es auch so. Aber der Illuminat würde aber
niemals etwas von den bevorstehenden Ereignissen kundtun. Wolf wollte
noch wissen, ob der General tatsächlich in der Lage war, das Wetter zu
beeinflussen.
Gerade als Sandor, der ungarische Kellner, mit den Getränken an den
Tisch kam, sagte Kammler: „Genauso wie das Unwetter hier in St.
Leonhard punktgenau niederging und der Grünbach die alten Stollen
verschüttet hat, sind wir in der Lage, solche Wettererscheinungen an jedem
Punkt im Lande zu erzeugen. Und dagegen gibt es keine Abwehr.“
Nur zu genau wusste Wolf, wozu die SS-Leute im Untersberg im Stande
waren. Er erinnerte sich ebenso exakt an das Erdbeben im Staufen Gebirge,
dem Nachbarberg vom Untersberg. Damals hatte ja Kammler auf die
Minute genau ein Erdbeben an diesem Berg vorausgesagt, als
Machtdemonstration sozusagen.
Sandor hatte beim Einschenken der Getränke einige der Worte des
Generals aufgeschnappt und fragte Wolf leise: „Wann war denn hier so ein
Unwetter? Ich habe davon gar nichts mitbekommen. Bin ich da etwa auf
Urlaub gewesen?“
Wolf reagierte automatisch und flüsterte ihm ins Ohr: „Sie wissen doch,
vor fünf Jahren, damals, als der Grünbach alles verwüstet hat. Wir haben
doch darüber gesprochen.“ Sandor schaute ihn fragend an. Er wusste von
nichts. Da fiel es Wolf ein, dass sie hier ja im Jahr 2009 waren und das
Unwetter erst in vier Jahren stattfinden würde. Ein strafender Blick von
Becker und Wolf wusste, dass er gerade eine unerlaubte „Prophezeiung“
von sich gegeben hatte. Er hoffte, dass Sandor diese Worte rasch wieder
vergessen würde.
Den SS-Leuten war Wolfs kurzes Gespräch mit dem Kellner nicht
aufgefallen.
Der General schaute nur manchmal Becker an, welcher nur als ruhiger
Zuhörer am Tisch saß.
Kammler wandte sich wieder an Wolf: „Mittlerweile haben wir von
sämtlichen Basen die Bestätigung erhalten, dass ein Eingreifen jederzeit
möglich ist. Der Umbruch kann somit stattfinden.“ „Sind Sie sich sicher,
dass eine kriegerische Auseinandersetzung vonnöten sein wird?», fragte
Becker.
Kammler, für den ein Krieg unausweichlich schien, blickte fragend den
Illuminaten an. Dieser erwiderte: „Was, glauben Sie, würde passieren, wenn
die europäischen Länder plötzlich über eine technische Errungenschaft
verfügen würden, welche ihnen Macht über die vielen extremen, Allah-
gläubigen Fremdlinge hierzulande gäbe?“ Kammler griff sich an der Stirn
und gab zur Antwort: „Was um Himmels willen sollte das sein, diese
technische Errungenschaft, von der Sie eben sprachen?“
„Ich habe in den letzten Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts in Triest
vor einem internationalen wissenschaftlichen Forum etwas vorgestellt, das
die ganze Weltordnung revolutionieren könnte. Leider wurde meine
Tätigkeit damals belächelt. Meine Theorie war ja tatsächlich im Bereich des
Unvorstellbaren. Mit sehr wenig Aufwand ließe sich damit bewerkstelligen,
dass unerwünschte, gefährliche Emigranten wieder rasch in ihre
Herkunftsländer zurückkehren würden, und zwar aus freien Stücken.“ „Mit
welcher Technologie“, fragte der General, „sollte so etwas überhaupt
möglich sein?“ Becker blickte Kammler durchdringend an und erwiderte:
„Sie selbst verfügen doch über solche Gerätschaften, welche die Gedanken
der Menschen massiv beeinflussen können.“ Wolf musste bei diesen Worten
Beckers sofort an den „Mantel des Vergessens“ des Generals denken.
Kammler fragte: „Und wie können wir an diese Technologie herankommen,
die uns so etwas ermöglichen würde?“ „Diese ist gar nicht so weit entfernt
von der, die sie selbst benützen“, gab Becker zur Antwort.
„Wir werden jedenfalls, wenn die Zeit gekommen ist, mit all unserer
Macht eingreifen und die Feinde des Reichs vernichten“, sagte der General
in festem Ton der Überzeugung.
Becker zeigte keine Regung. Er antwortete Kammler bloß:
„Möglicherweise werden Sie eines Besseren belehrt werden. Wie Sie ja
bereits wissen, bin ich in der Zukunft beheimatet. Ich weiß bereits, was in
den nächsten Jahren hier geschehen wird.“
„Dann sagen Sie es mir doch!“, fuhr ihn der General forsch an. Becker
blieb wie immer ruhig und erwiderte: „Sie wissen doch genau so wie ich,
dass in der Vergangenheit nichts wirklich verändert werden kann. Genau so
wäre es jetzt bei mir, wenn ich Ihnen die Zukunft beschreiben würde. Es
wäre nichts anderes als ein Eingreifen in eine Vergangenheit. Tun Sie, was
Sie für notwendig erachten, vielleicht ist es ja ohnehin das Richtige.“
„Das werde ich sehr wohl“, sagte der General in seinem gewohnten
barschen Tonfall, „da können Sie sicher sein und mit den uns zur Verfügung
stehenden Mitteln werden wir das deutsche Volk wieder von allem Übel
befreien.“
Becker nickte nur gelassen. Zu Wolf gewandt meinte er: „Sie werden sich
an dieses Gespräch erinnern können, aber es wird so sein, als hätten Sie das
Ganze nur geträumt. Heute sind wir hier im Gastgarten des Alten Gasthofes
im Sommer 2009, aber in wenigen Minuten stehen wir draußen bei Ihrem
Wagen und es ist Frühling 2018.“
Sie verabschiedeten sich von den beiden SS Leuten und begaben sich
nach draußen auf den Parkplatz beim Marmorbrunnen.
Kapitel 16
Der alte Schriftsteller

Wolf brannte noch eine Frage auf den Lippen. „Wäre es möglich, dass wir
den Science Fiction Schriftsteller zu seinen Lebzeiten besuchen könnten?
Vielleicht wäre von ihm etwas zu den ‚Flaschenpost-Manuskripten‘ zu
erfahren?“
„Ja, weshalb nicht“, antwortete der Illuminat, „und selbst wenn gerade
zufällig sein Sohn Robert, den Sie ja schon kennen, bei ihm wäre, täte das
nichts zur Sache, denn zu dieser Zeit haben Sie den Robert ja noch gar nicht
gekannt.“
Sein damaliger Wohnort in Ainring in der Nähe von Bad Reichenhall war
das Mozartstift. Eine noble Seniorenresidenz. Der Autor bewohnte dort das
Zimmer Nummer 71. Sie mussten einen Termin aussuchen, an welchem ein
Gespräch mit dem Autor noch einigermaßen möglich war. Der Schriftsteller
hatte doch ein Lungenemphysem und das Sprechen fiel ihm im
fortgeschrittenen Krankheitsverlauf bereits schwer.
Wie immer nahm Becker Wolf bei der Hand und die beiden standen vor
der Tür des Zimmers 71 im Mozartstift. Wolf klopfte an, dann betraten die
zwei den Raum. Hinter dem Bett stand eine blaue Sauerstoffflasche mit
einer Maske, aus welcher der Mann von Zeit zu Zeit einen tiefen Zug
einatmete. Der Schriftsteller hielt die beiden für Fans, welche ihn
interviewen wollten. Er bot ihnen Platz an und fragte, ob sie etwas zu
trinken haben wollten. Wolfs erste Frage betraf natürlich die Manuskripte
aus der Höhle, welche in Weinflaschen versteckt waren. Die Augen des
Schriftstellers begannen zu leuchten. „Sie haben sie also gefunden?“, fragte
er sichtlich erstaunt. „Ich habe in der Zwischenzeit aus diesem Manuskript
ein Buch gemacht. ‚Die Neun Unbekannten‘ habe ich es genannt. Ein
anderer Verlag hat es dann später nochmals herausgebracht. Unter dem Titel
‚Die unterirdische Macht‘. Und Sie haben die ursprüngliche
Manuskriptfassung entdeckt. Sagen Sie, wie sind Sie darauf gestoßen, das
würde mich sehr interessieren?“
Wolf erklärte ihm in kurzen Worten, wie er mit der Lehrerin Linda hinter
dem Schießplatz in Glanegg die Höhle gefunden hatte und dabei auf die
Flaschen mit den Manuskriptseiten gestoßen war. „Aber wieso haben Sie
dort überhaupt gesucht?“, wollte der Mann wissen. Jetzt erzählte ihm Wolf
von dem Rosenkreuzerbaron, welcher ihm schon vor vielen Jahren von den
Geheimnissen des Untersberges berichtet hatte. „Was, Sie kennen
Hjalmar?“, stieß er aufgeregt hervor, „der Kapitän ist ein alter Freund von
mir, wir haben viel über den Untersberg gesprochen.“ Der Schriftsteller
holte eine Flasche Whisky hervor und stellte drei Gläser auf den Tisch.
„Darauf müssen wir trinken! Ich hätte es eigentlich nicht für möglich
gehalten, dass irgendwer meine Aufzeichnungen jemals finden würde. Also
heben wir unsere Gläser darauf.“ Wolf, der ebenso wie Becker so gut wie
nie harte Getränke zu sich nahm, wollte zuerst ablehnen, aber als er sah,
dass ihm das nichts nützen würde, trank er den Becher Whisky mit
Todesverachtung hinunter. Wolf erzählte ihm von den Rosenkreuzern in
Salzburg und wie er zu den Geschichten um den Berg gekommen war. Im
Laufe des Gespräches stellte sich heraus, dass der Autor auch Roland den
Apotheker kannte, der sich ja ebenfalls intensiv mit dem Untersberg
beschäftigte. Wolf fiel dabei ein, dass das Grab von Roland ja nur wenige
Meter vom Grab des Autors entfernt am Maxglaner Friedhof in Salzburg
seinen Platz hatte. Ihm wurde dabei klar, dass er sich dank Beckers Hilfe
mit einem bereits Verstorbenen unterhielt, aber das verwunderte ihn schon
längst nicht mehr.
„Dass ich bisher noch nichts von Ihnen gehört habe“, meinte der Mann
verwundert. „Ja, das liegt vielleicht daran, dass ich erst seit zehn Jahren
Bücher über die Geheimnisse des Berges schreibe“, antwortete Wolf. Jetzt
war der Schriftsteller vollends verwirrt. Wolf wollte unbedingt wissen, ob
und was der Schriftsteller vom General wusste. Er wollte ihn aber nicht
überrumpeln und begann daher mit der Illuminatenhöhle und den drei
Deutschen, welche im August des Jahres 1987 am Untersberg
verschwunden waren.
„Das waren doch nur Spinner, die sich wichtigmachen wollten“, meinte
der Autor. Wolf vermied es, über die Einzelheiten und sein Treffen mit dem
Deutschen zu erzählen. Viel interessanter war es doch vom Schriftsteller
etwas Neues zu erfahren. Er fragte ihn auch über seine Erlebnisse in
Norwegen auf dem Gipfel dieses schneebedeckten Berges, wo er damals
diese seltsamen Gestalten getroffen hatte. Auch dazu bekam er vom
Schriftsteller nur das zu hören, was er bereits in dessen Buch gelesen hatte.
Erst als dieser von sich zu erzählen begann, wurde es interessant. Der Zufall
wollte es, dass der Autor im Jahr 1961 auch am Irschenberg wohnte, ganz
in der Nähe, wo Wolf auf einem Bauernhof seine ersten Lebensjahre
verbracht hatte. Auch später dann, hier im Mozartstift, wohnte der
Schriftsteller nur wenige hundert Meter von Claudias früherem Wohnort
entfernt. Alles nur Zufälle? Auch dass sein Lieblingsthema Zeitreisen waren
und Wolf in seinen Büchern auch immer wieder über solche berichtete, war
eine Gemeinsamkeit. Nur war es Wolf eben nicht vergönnt, den Autor zu
seinen Lebzeiten persönlich kennen zu lernen.
Becker war bis jetzt nur ruhig danebengesessen und hatte den beiden
zugehört. Plötzlich wandte sich der Schriftsteller an den Illuminaten und
fragte unvermittelt: „Darf ich fragen, wer Sie sind?“
„Ich komme von dort, was Sie in Ihren Romanen immer gerne
beschrieben haben, nämlich aus der Zukunft.“ „Wie soll ich das
verstehen?“, fragte der über achtzigjährige Autor mit ungläubigem Blick.
„So wie ich es sage und Sie es immer wieder beschrieben haben. Es gibt
sie, die Zeitreisen. Ich komme aus dem Jahr 2091.“ Becker sagte das mit
einer Normalität, so als ob er jemandem die Uhrzeit mitteilen würde.
Die Augen des Schriftstellers begannen zu glänzen, obwohl sein
Gesichtsausdruck doch auf einen gewissen Zweifel schließen ließ. Wolf
wusste, dass er auch mit dem General Kontakt gehabt haben musste und
daher auch von den Zeitexperimenten Kammlers mit der „Glocke“
informiert sein würde.
Er unterließ es jedoch, ihn auf dieses Thema anzusprechen. Er wollte den
alten Mann nicht unnötig aufregen. Sie sprachen noch über die Zukunft der
Menschheit und wie seine Meinung darüber sei. Der Schriftsteller meinte
dazu:
„Wenn keine Katastrophe eintritt, die alles Leben auf unserem Planeten
auslöscht, könnte die Menschheit einfach verdummen. Ihr wird das Denken
abgenommen. Man drückt auf ein paar Knöpfe, und schon ist wieder ein
Problem scheinbar gelöst. In dieser Hinsicht verhalten sich selbst heute
noch intelligente Menschen nicht anders als Affen, die auf ein
Klingelzeichen hin die Klappe öffnen, um eine Banane zu erhalten. In
einigen Generationen werden sie ihre Finger gebrauchen müssen, um zwei
und zwei zusammenzuzählen, falls sie ihren Computer verlegt haben.“
Becker nickte nur, ohne sich aber dazu zu äußern. Er wusste ja viel mehr,
als er dazu sagen durfte.
Wolf sprach ihn auch noch auf die vor vielen Jahren geplante Expedition
mit Däniken an, wobei die Zeit- und Dimensionsportale am Untersberg
untersucht werden sollten. „Ja, freilich erinnere ich mich daran, aber da hat
irgendetwas nicht so funktioniert, wie wir es uns vorgestellt hatten. Manche
Dinge entziehen sich eben unserer genauen Kenntnis.“
Wolf erwiderte: „Ja, Sie haben Recht, mir geht es genauso. Ich habe da
viele seltsame Sachen an dem Berg erlebt und auch ich kann sagen, dass es
ein heiliger Berg ist. Aber weshalb diese Phänomene gerade da geschehen
und was ihr Auslöser ist, darüber tappe ich absolut im Dunkeln.“
„Ich war schon immer der Ansicht, dass es sich um Relikte unserer Ahnen
von den Sternen handelt, die im Untersberg verborgen sind, und irgendwann
werden wir wieder mit diesen zusammentreffen – ‚ad astra‘“, gab der
Schriftsteller zur Antwort.
Bei diesen Worten huschte ein Lächeln über das Antlitz Beckers. Sicher
könnte er vieles dazu sagen, was er aber nicht tat.
Wolf, der ja wusste, dass der Schriftsteller bereits im Januar 2005
gestorben war, fiel ein, dass er im Laufe des Jahres 2005 sein erstes Buch
über das Mysterium des Untersberges zu schreiben begonnen hatte. Es
dauerte noch drei weitere Jahre, bis das Manuskript fertiggestellt war und
ein Verlag zur Veröffentlichung gefunden wurde. Irgendwie hatte das Ganze
den Anschein, als hätte Wolf die Geschichten des Schriftstellers mit seinen
Büchern irgendwie fortgesetzt. Aber auch das war wahrscheinlich wieder
nur ein Zufall. Die beiden verabschiedeten sich vom alten Schriftsteller und
Wolf versprach, eines Tages wieder auf Besuch zu kommen. Wann, wusste
er noch nicht. In der Zukunft oder in der Vergangenheit.
Kapitel 17
Die Legende vom Birnenmädchen

Florian, ein Bekannter von Wolf, erzählte ihm von einer seltsamen
Geschichte, welche sich vor über einhundert Jahren im Südosten der Insel
Teneriffa zugetragen hatte. Und zwar ganz in der Nähe der Ortschaft
Güimar. Diese Gegend war schon zur Guanchenzeit von den Ureinwohnern
der Kanaren besiedelt gewesen. Man schrieb das Jahr 1890. Dort am Fuße
der Berge über der kleinen Ortschaft lebte eine Bauernfamilie mit ihrer
kleinen Tochter. Weiter oben am Berg mündete eine Schlucht, die
„Barranco de Badajoz“, in der es fast immer neblig war. Hohe Felsen ragten
dort auf und es war irgendwie mystisch. Aber dort gab es einen alten,
wilden Birnbaum, welche kleine, süße Früchte trug. Schon des Öfteren
hatte das kleine Mädchen von dort oben Birnen geholt. Es kannte den Weg
dorthin recht gut und kam jedes Mal mit einem gefüllten Korb dieser
Früchte zurück nach Hause.
Eines Tages schickten die Eltern das Kind wieder einmal zu dem Baum,
um Birnen zu holen. Aber dieses Mal vergingen viel Stunden und das
Mädchen kam nicht mehr zurück zum Haus.
Die Eltern machten sich große Sorgen und baten Nachbarn und Hirten um
Hilfe, um nach dem Kind zu suchen. Doch soviel sie auch nach dem
Mädchen Ausschau hielten, es blieb verschwunden. Die Eltern waren
verzweifelt und große Trauer überfiel sie. Sie konnten sich nicht vorstellen,
was der Kleinen passiert sein konnte. Es gab dort keine wilden Tiere und es
waren auch keine gefährlichen Abgründe, wo das Kind hinuntergestürzt
sein konnte.
Dann, eines Tages nach über zwanzig Jahren, pochte es an der Türe und
das Mädchen stand vor ihnen. Sie sah noch genau so aus wie damals, als sie
zur Schlucht hinaufgegangen war, und hatte den mit Birnen gefüllten Korb
in ihrer Hand.
Die überglücklichen, aber fassungslosen Eltern wollten wissen, was sich
zugetragen hatte. Wo war ihre Tochter in all den Jahren gewesen? Was war
ihr passiert?
Das Mädchen erzählte ihnen daraufhin eine schier unglaubliche Geschichte:
An dem Tag ihres Verschwindens machte es sich wie immer auf den Weg
zur Schlucht von Badajoz. Denn es wusste ja, dass dort der Birnbaum stand,
der zu dieser Zeit besonders süße Früchte trug. Müde von dem langen Weg
und dem Pflücken der Birnen lehnte sich die Kleine an den Stamm des
Baumes und schlief ein.
Als sie wieder erwachte, stand vor ihr eine weiße Gestalt. Das Mädchen
fürchtete sich nicht, denn das Wesen war freundlich und es gab keinen
Grund, um ihm zu misstrauen. Die Gestalt lud das Mädchen ein, es zu
begleiten und sich die entfernte Welt anzusehen, aus der es kam.
Das Mädchen war neugierig und, ohne auch nur einen Moment zu zögern,
nahm es die Einladung an. Die weiße Gestalt führte das Kind zu einer
Höhle. In dieser Höhle führte eine lange Treppe hinunter zu einem
mystischen Ort. Das Mädchen folgte dem weißen Wesen. Am Ende der
Treppe war ein Ausgang, durch den sie in einen wunderschönen Garten
gelangten. Alle Wesen in diesem Garten ähnelten sich und glichen ihrem
weißen Begleiter.
Das Mädchen erzählte den Eltern, dass es nur ein paar Minuten in dem
Garten geblieben war. Es unterhielt sich auch nur kurz mit den Bewohnern
des abgeschiedenen Ortes und verabschiedete sich dann, um sich auf den
Heimweg zu machen. Ihr seltsamer und zugleich liebenswerter Begleiter
führte sie zurück zum Ausgang der Höhle in der Schlucht zurück.
Für das Kind waren nur ein paar Stunden vergangen – für die Eltern
Jahrzehnte.
Wolf war erstaunt über diese Geschichte und fragte Florian, was er denn
davon halte. Dieser hatte aber noch nachgeforscht und berichtete weiter.
„Ich habe da mit vielen Leuten gesprochen, die in diese Schlucht
hinaufgestiegen sind, aber bemerkenswert ist, dass noch heute manche
Besucher des Barranco de Badajoz berichten, dass an einigen Stellen der
Schlucht ihre Uhren stillstehen.
Bisher wurde von den weißen Wesen in der Schlucht nur Gutes berichtet.
So wird erzählt, dass zwei Jahre nach der Rückkehr des verschwundenen
Mädchens, im Jahre 1912, auch Bergleute die Bekanntschaft mit den
mystischen Gestalten machten. So sollen sich drei weiße Wesen den
Arbeitern, die auf der Suche nach Wasser waren, gezeigt haben. Diese
steilste und tiefste Schlucht auf Teneriffa, auf der Ostseite der zentralen
Bergkette, ist ein Ort, um den sich allerlei mystische Erzählungen ranken.
Der Barranco de Badajoz in den meist von Wolken verhüllten Bergen von
Güimar ist ein geheimnisvoller Riss in der Landschaft, in dem recht
seltsame Dinge passieren. Einige dieser Geschichten möchte ich Ihnen
erzählen:
Nach der spanischen Eroberung der Insel wurde dieser Landstrich an den
Edelmann Juan de Badajoz vergeben, daher der Name. Bei den Guanchen
hieß diese Landschaft Chamoco, die Schlucht ist deshalb auch heute noch
als Barranco de Chamoco bekannt.
Im Jahre 1912 befanden sich zwei Arbeiter in einem Wasserstollen, ganz
am Ende der Schlucht, als die Wand, an der sie arbeiteten, einstürzte.
Dahinter öffnete sich ein sehr weiter Tunnel, und sie sahen drei weiße
Wesen, die offensichtlich nicht zur Arbeitertruppe gehörten. Sie kamen ein
Stück über dem Boden schwebend näher.
Ab hier gibt es zwei Versionen der Geschichte:
Einerseits sagt man, dass die beiden Arbeiter einen Riesenschreck bekamen
und so schnell wie möglich zur Polizei nach Güimar liefen, um den Vorfall
anzuzeigen. Auf der Polizeistation ist jedoch keine solche Anzeige bekannt,
sei es, weil sie nie stattfand oder die Akten auf geheimnisvolle Weise
wieder verschwunden sind.
Die andere Version ist, dass sie sich mit den drei Lichtgestalten unterhalten
haben und diese ihnen sogar die richtige Stelle zeigten, wo sie nach Wasser
graben sollten. Das taten sie, und das Wasser sprudelte aus dem Felsen.
Doch als man später die Stelle wieder aufsuchte, konnte man die
eingestürzte Wand nicht mehr finden und auch kein Wasser, alles war wie
vorher. Und seit dieser Zeit will niemand mehr im Barranco wohnen.
Vielleicht waren die Männer ja auch nur etwas benommen vom
Sauerstoffmangel im Tunnel?“
Wolf hatte interessiert zugehört und meinte: „Und ist auch heutzutage etwas
von dieser geheimnisvollen Schlucht bekannt geworden?“
Florian erwiderte: „Ich habe natürlich auch weiter nachgeforscht und bin
auf ganz eigenartige Erzählungen gestoßen.
Es gibt einige Berichte aus den neunziger Jahren über eine Insel, die man
aus diesem Barranco heraus sehen könnte, wenn man Richtung Meer blickt.
Doch es kann nicht die Nachbarinsel Gran Canaria sein. Zeugen
beschrieben diese Insel als sehr hell, wie aus Glas, und sie sahen ein Licht
in Form eines Schiffes, das von dieser Insel ablegte, sich mit großer
Geschwindigkeit den Felswänden der Schlucht näherte und sich dann
auflöste. Über diese Vorfälle wurde sogar in einigen spanischen
Zeitschriften berichtet, die sich mit übernatürlichen Phänomenen
beschäftigten. Anwohner, die oft in der Nähe des Barranco arbeiten,
bestätigen ebenfalls, dass sie ein helles Licht auf dem Meer beobachten, das
sich wie eine gläserne Insel aus dem Wasser erhebt. Darauf folgte jedes Mal
ein starker Luftstrom, der in die Schlucht hineinbläst. Dieses Phänomen
wird begleitet von heftigen Geräuschen.“
Wolf fiel bei dieser Sache auf, dass diese gläserne Kristallinsel genau in
Richtung der Ufo Landestelle von Las Rosas auf Gran Canaria liegen
musste. Er würde das auf alle Fälle nachprüfen.
Florian fuhr fort: „Da ist noch etwas“, sagte er, „hoch in den Felswänden,
die den Barranco umrahmen, gibt es eine völlig unzugängliche Höhle, in
einer Höhe von ungefähr einhundert Meter. An deren Eingang kann man
mit einem Fernglas eine Art Holzgestell aus zwölf Stangen sehen.
Wozu das sein soll, ist völlig unbekannt. Vor allem, weil es keinen Weg
dorthin gibt.
Der spanische Forscher Francisco Remedios behauptet, dass die
Ureinwohner, die Guanchen, dort ihre besonders zu ehrenden Verstorbenen
aufhängten. Die Vögel konnten das Fleisch von den Knochen lösen und so
den Körper in die Ewigkeit tragen. Grabstätten in Höhlen sind auch von
anderen Schluchten bekannt, aber nie in so großer Höhe. Und wie wurde
der Leichnam dort hinauf transportiert?
Am 28. Juli 1991 wurde in einer Höhle in der Schlucht der Griff eines
Dolches gefunden, der die Form eines geflügelten Wesens hat. Solche
Symbole wurden auch in der Ideologie der Nationalsozialisten verwendet,
da ihnen besondere Kräfte und Fähigkeiten zugeschrieben wurden. Der
Dolch soll einem SS-Mann gehört haben, der vielleicht auf der Suche nach
magischen Kräutern war, wird erzählt. Sicher ist, dass Einheiten der
deutschen Wehrmacht während des Zweiten Weltkriegs auf Teneriffa waren.
Aber ob tatsächlich die Nazis im Barranco de Badajoz herumstöberten, das
ist nur eine Vermutung und gehört ins Reich der Legenden.
Im Jahr 2005 machten drei Freunde eine Exkursion in den Barranco zur
Naturbeobachtung. Sie gingen spät zurück und es wurde in der engen
Schlucht bereits dunkel. Da hörten sie ein lautes Flattern über ihren Köpfen,
sie duckten sich und schützten sich mit den Armen, da sie Angst hatten, mit
etwas zusammenzustoßen.
Sie leuchteten mit ihren Taschenlampen nach oben, aber es war nichts zu
sehen. Es kam das leise Schluchzen eines Kindes dazu und ein tiefes,
geheimnisvolles Krächzen, das sie gehörig in Schrecken versetzte. In einem
Reflex drückte einer von ihnen auf den Auslöser seiner Kamera, obwohl
eigentlich nichts zu sehen war. Aber auf dem Bild fand er nachher ein
Gespenst mit zwei Flügeln.
Es gibt viele Zeugen, die fest behaupten, eine ähnliche Erfahrung gemacht
zu haben. Oder haben wir es einfach nur mit Fledermäusen zu tun?
Eines ist aber klar: Diese tiefe Schlucht bietet mit ihren wabernden
Nebelschwaden, den imposanten Felswänden und dem undurchdringlichen
Gebüsch wahrlich Anlass genug dafür, dass aus einfachen Geschehnissen
geheimnisvolle Legenden entstehen können. Es lohnt sich allemal, auf einer
Wanderung den Barranco zu erforschen.“
Wolf bedankte sich bei Florian und hatte bereits den Entschluss gefasst bei
einem neuerlichen Besuch auf den Kanaren diesen Barranco zu besuchen.
Kapitel 18
Die Geheimnisse von Güimar

Da Wolf ohnehin seine Flugstunden in El Berriel auf Gran Canaria


absolvieren wollte, kam ihm die Idee, einen Abstecher nach Güimar auf der
Insel Teneriffa ganz gelegen. Diesen geheimnisvollen Barranco einmal in
Augenschein zu nehmen wäre doch wieder einmal etwas Spannendes.
„Was meinst du“, fragte er Claudia, „ich habe da schon eine nette Finca
direkt bei Güimar entdeckt, dort könnten wir zwei Nächte bleiben und da
hätten wir diese Schlucht sozusagen in Sichtweite.“
„Du möchtest tatsächlich dort hinfliegen?“, fragte die junge Frau etwas
ungläubig. „Du weißt ja, wo es etwas zu entdecken gibt, da wird es
meistens spannend.“ „Und teuer wird diesmal die Angelegenheit auch
nicht“, meinte Wolf. „Wir brauchen nur einen normalen Leihwagen und
haben kaum zusätzliche Ausgaben.“
Wolf hatte sich kurz nach Florians Erzählung die Landkarten von
Teneriffa und von Gran Canaria angesehen und dabei herausgefunden, dass
in Verlängerung der Sichtung dieser angeblich gläsernen Insel genau der
Ufo-Landeplatz in der Nähe von Galdar im Norden Gran Canarias lag. Und
auch dort soll ja damals in den siebziger Jahren eine Art gläserne Kugel
aufgetaucht sein, in welcher sich große, menschenähnliche Gestalten
befunden hätten. Auch bei den Pyramiden von Güimar hatten die beiden vor
zwei Jahren die Abbildung dieses dunklen Steines entdeckt, der dem Stein
aus der Cheopspyramide glich und auch denen in der Höhle am Untersberg
sehr ähnlich war.
„Ja, das klingt schon ganz spannend“, meinte Claudia, „vielleicht erlebe
ich dort endlich einmal so ein richtiges Zeitphänomen.“
„Lieber nicht“, erwiderte Wolf, „es könnte ja sein, dass wir dann in
einigen Jahren erst wieder in unsere Welt zurückkehren. Das willst du doch
auch nicht?“
„Nur so ein klein wenig?“, fragte Claudia kleinlaut.
„Auf alle Fälle fahren wir dorthin und möglicherweise gibt es sogar
diesen Birnbaum auch noch. Das erinnert mich an diesen alten Birnbaum
vom Walserfeld am Fuße des Untersberges. Ob das ein Zufall ist oder
keiner, zumindest ist das merkwürdig.“
Sie würden also zuerst nach Gran Canaria fliegen. Dort konnte Wolf seine
Flugstunden absolvieren und dann ging es mit der schnellen Fähre samt
dem Auto von Agaete hinüber nach Teneriffa. Vom Hafen in Santa Cruz de
Teneriffa waren es nur fünfundzwanzig Kilometer bis nach Güimar. Der
Barranco lag oberhalb des Ortes und man konnte mit dem Wagen bis an den
Berg heranfahren.
Auch der Termin für Claudias Urlaub wurde gleich fixiert. Einige Wochen
später fuhren die beiden bereits mit dem Leihwagen auf der Autobahn in
Richtung Agaete, von wo sie dann mit der Fred Ohlsen Fähre nach
Teneriffa übersetzen wollten.
„Ob sich die Geschichte mit dem Birnenmädchen tatsächlich so abgespielt
hat, wie dir der Florian erzählt hat?“, fragte Claudia.
„Nun, er hat ja eigentlich nur von einer Legende erzählt. Genau so wie es
diese Geschichten bei uns zuhause vom Untersberg gibt. Aber lassen wir
uns überraschen.“
Die Überfahrt nach Santa Cruz de Teneriffa dauerte mit der Express-Fähre
nicht einmal eine Stunde und nach weiteren dreißig Minuten erreichten die
beiden bereits Güimar. Nach einem kurzen Zwischenstopp bei der besagten
Finca fuhren sie die schmale Straße bis hinauf zum Barranco. Wie in der
Erzählung von Florian lag auch heute dichter Nebel über der
furchteinflößenden Schlucht. Obwohl es auf den Kanaren um diese
Jahreszeit meistens recht warm ist, war davon oben am Eingang der
Schlucht kaum etwas zu spüren. Wallender Nebel kam vom Berg herunter
und die senkrechten Felswände des Barrancos sahen wirklich grimmig aus.
Sie ließen ihren Wagen beim letzten Haus vor der Schlucht stehen und
gingen dann zu Fuß zwischen den hohen Felswänden weiter. Tatsächlich
fanden sie dort einen alten Birnbaum, der nur noch wenige Blätter hatte, an
denen er aber von Wolf eindeutig identifiziert werden konnte.
Für Claudia war das zu einfach gewesen. Wolf aber meinte: „Du weißt ja,
irgendwie geht’s immer, und wir haben uns schließlich gut vorbereitet. Ich
würde mich an deiner Stelle aber nicht unter diesen alten Baum setzen,
denn wenn die Geschichte von dem Birnenmädchen stimmen sollte, dann
könntest du für die nächsten zwanzig Jahre verschwinden. Und das wäre
nicht gut.
Vielleicht können wir aber hier wirklich eine Zeitanomalie wie bei uns am
Untersberg feststellen.“
„Wir könnten doch unsere Uhren benützen“, antwortete die junge Frau,
„so wie du es damals mit deiner Tochter Sabine am Untersberg gemacht
hast.“ „Das ist eine gute Idee“, erwiderte Wolf, „vielleicht sollten wir eine
Armbanduhr hier beim Birnbaum hinlegen und einfach ein Stück weiter in
die Schlucht hineingehen? Beim Rückweg können wir dann feststellen, ob
es eine Zeitverschiebung gegeben hat.“ Das taten sie dann auch. Im
Verlaufe des Weges in die Schlucht sahen sie dann einige Wasserstollen,
welche schon vor langer Zeit in die Felswände des Barrancos getrieben
wurden. Es waren sogar noch Reste von alten Geleisen zu sehen, auf denen
der Abraum aus den Stollen gebracht wurde. Auch verrostete Werkzeuge
lagen teilweise noch herum. Hier oben in dieser engen Schlucht hörte man
keine Vögel und sah auch den Himmel nicht. Dichte Nebelschwaden lagen
auf den Bergen auf und es herrschte irgendwie eine unheimliche Stille.
Claudia entdeckte einen kleinen, unscheinbaren Steig, welcher an der
Felswand hinaufführte. Sie wollte schon hinaufklettern, als ihr Wolf zurief,
dass sie das bleiben lassen solle, da es zu gefährlich sei. Sie hatte zwar
diesmal sehr wohl Bergschuhe an, aber er bestand darauf, dass sie wieder
von dem Steig herunterkam. „Du“, rief sie, „hier ist eine kleine Höhle, da
möchte ich noch kurz hineinsehen.“ Sie nahm ihre kleine Led-Lampe
hervor und zwängte sich zwischen den Lavafelsen in die Höhle. „Nicht dass
du da drinnen verschwindest, das Birnenmädchen ist laut der Legende auch
in eine Höhle hineingegangen und war dann für zwanzig Jahre
verschwunden.“
„Einen Augenblick noch“, rief Claudia, „hier liegt etwas, das von
Menschen geschaffen wurde.“
Kurz darauf erschien sie wieder vor der kleinen Höhle und hatte einige
kleine tönerne Dinge in der Hand. „Hier hat anscheinend noch niemand
gesucht. Jetzt habe ich endlich auch einmal etwas gefunden und nicht nur
immer du.“ Sie kam herunter und zeigte Wolf ihren Fund. Es waren
Keramiken aus der Guanchenzeit, das konnte er unschwer erkennen.
Claudia freute sich mächtig über ihren Fund. Sie gingen wieder zurück ans
Ende des Barrancos, dort, wo der alte Birnbaum stand. Mittlerweile war es
schon dämmrig geworden, was die zwei aber auf den Nebel in der Schlucht
zurückführten. Beim Birnbaum angekommen hob Wolf die Armbanduhr
auf, die er hinter den Stamm des Baumes gelegt hatte. Doch als sie die
beiden Uhren verglichen, zeigte sich ein Unterschied von beinahe einer
Stunde. Es musste also tatsächlich eine Zeitanomalie in dem Barranco
geben, so wie bereits einige Touristen vor ihnen berichtet hatten. Sie selbst
hatten aber bei ihrem Gang durch die Schlucht absolut nichts gespürt. In der
Finca angekommen wusch Wolf Claudias Funde sauber und betrachtete sie
genauer. Es war ein tönernes Siegel, welches eine Art Dreieck darstellte,
sowie eine Art Stempel, ebenfalls aus Ton gefertigt, der sieben kleine
Dreiecke hatte. Das Schönste war aber eine Platte aus schwarzem
Lavagestein mit einer Spirale und einem Dreieck. „Weißt du“, sagte Wolf
zu Claudia, „ich war vor vielen Jahren im Guanchen Museum in Las
Palmas auf Gran Canaria, da habe ich so ähnliche Artefakte gesehen. Vor
allem diese Platte mit der Spirale. Dreiecke und Spiralen, das waren für
diese Ureinwohner anscheinend irgendwelche heiligen Symbole.“ „Wer
waren diese Guanchen eigentlich? Und wann haben sie gelebt?“, fragte die
junge Frau, während sie die schwarze Lavaplatte in ihren Händen hielt.
„Man weiß bis heute nur sehr wenig über diese Ureinwohner der
Kanaren“, antwortete Wolf, „manche vermuten, dass es sich um die
überlebenden Nachfahren von Atlantis handeln soll. Aber da ist sich die
Wissenschaft noch vollkommen uneinig. Fest steht nur, dass sie um 1500
nach Christi von den spanischen Seefahrern ausgerottet wurden. Im Übrigen
finden sich auf allen sieben Inseln der Kanaren Spuren dieser Guanchen.
Erinnere dich an die Ausgrabungsstätte vom Cenobio de Valeron, auch
das stammt von den Guanchen. Was mich aber am meisten stutzig werden
lässt, ist die Tatsache, dass bei der kleinen Höhle bei den Pyramiden von
Güimar dieser dunkle Stein gefunden wurde. Beim Untersberg liegen ja
auch solche Steine in einer Höhle und auch in Ägypten in diesen uralten
Stollen, wo auch immer ein Osiris Relief dabei war. Ob das auch hier mit
dieser Zeitanomalie in diesem Barranco etwas zu tun hat?“
„Morgen Vormittag fahren wir nochmal hinauf zur Schlucht. Da nehmen
wir dann die große Lampe, den Geigerzähler und Magnetsensor mit. Da
suchen wir nochmal etwas herum. Auch das Fernglas packe ich ein, damit
können wir in Richtung Gran Canaria schauen, vielleicht sehen wir auch
diese ‚Gläserne Insel‘“, meinte Claudia und lachte dabei. „Aber dem Mario
können wir die Geschichte erzählen, der ist ja Spezialist, was Ufos
anbelangt.“
Früh am Morgen, im Frühstücksraum trafen sie einen Spanier, welcher
auch recht gut Deutsch sprach. „Können Sie uns etwas über die
Geschichten, welche vom Barranco Badajoz gesagt werden, erzählen?“,
fragte ihn Wolf.
Der Spanier lächelte nur und meinte: „Das sind doch alles nur
Ammenmärchen, genauso wie die von den Pyramiden hier in Güimar. Der
norwegische Forscher Thor Heyerdahl hat doch auch geglaubt, dass diese
Pyramiden jahrtausendealt sind.
Sind die Pyramiden eine Kultstätte, astrologisch ausgerichtet oder
schlichtweg eine Anhäufung von Lavagestein? Diese Pyramiden sorgen
unter Wissenschaftlern seit knapp 25 Jahren für reichlich Gesprächsstoff.
Ursprünglich waren es neun, erhalten geblieben sind sechs Pyramiden. Sie
sind länglich mit einer Grundfläche von bis zu 50 mal 16 Metern und
bestehen aus vier bis sieben Stufen. Entdeckt wurden sie 1990 vom
norwegischen Forscher Thor Heyerdahl. Er wurde auf die Hügel in Güimar
aufmerksam, die sich bei näherem Hinsehen als äußerst exakt
aufgeschichtete Pyramiden erwiesen. Heyerdahl zog angesichts der teils
millimetergenau bearbeiteten Steine Rückschlüsse auf die Maya und das
alte Ägypten. Entstanden sind die Pyramiden von Güimar neuesten
wissenschaftlichen Erkenntnisse zufolge allerdings frühestens im
neunzehnten Jahrhundert.
Welchem Zweck sie dienten und wer das Lavagestein derart kunstvoll zu
Pyramiden verarbeitet hat, ist nach wie vor ungeklärt. Dass sich die Treppen
auf der Westseite befinden und sich die Längsseiten an der Sommer- und
der Wintersonnenwende orientieren, lässt spanische Astrophysiker
vermuten, dass Freimaurer am Bau beteiligt waren. Diese und viele weitere
Informationen erhalten Touristen im ethnographischen Park, der von Thor
Heyerdahl rund um die Pyramiden angelegt wurde. Zu den Höhepunkten im
Veranstaltungskalender des Parks zählt der doppelte Sonnenuntergang, den
man immer am 21. Juni beobachten kann. Die Sonne verschwindet hinter
einem Berg, um dann kurz darauf wieder zu erscheinen und erst dann
unterzugehen.
Es wurde eine heftige Debatte zwischen Archäologen, Anthropologen,
Esoterikern, Astronomen und Historikern auf der ganzen Welt losgetreten.
Heyerdahl behauptete, die Pyramiden von Güimar seien unter dem
kulturellen Einfluss von Besuchern aus Ägypten entstanden. Um zu
beweisen, dass eine Reise über das Mittelmeer zu der damaligen Zeit
möglich war, überquerte Heyerdahl den Ozean in einem Boot aus Papyrus.
Es gibt einige Fakten, die eindeutig gegen Heyerdahls Theorien sprechen.
Auf Teneriffa war es eine gewöhnliche Praktik der Bauern, störende
Lavasteine aus den Feldern zu entfernen und zu Steinhaufen
aufzuschichten. Nach einer Analyse des Gesteins der Pyramiden kamen
Experten zu dem Schluss, dass das Bauwerk aus dem 19. Jahrhundert
stammen muss.
Zwischen 1991 und 1998 fanden mehrere Ausgrabungen durch
Archäologen der Universität La Laguna statt, deren 1996 auf einem
Kolloquium vorgestellte und 1998 publizierte Session den entscheidenden
Beweis für die Datierung der Pyramiden lieferte. Nach vorhergehenden
geophysikalischen Georadar-Untersuchungen wurden acht Felder mit je
25 m² Fläche in Schichtengrabung bis auf den festen Lavagrund hinab
abgetieft. Dabei konnten drei Schichten festgestellt werden, angeführt von
oben nach unten:
• Schichtdicke im Mittel 20 cm, bestehend aus stark humoser Erde
mit vielen pflanzlichen Resten und Wurzeln; es wurden deutliche
Pflug-Spuren und ein breites Spektrum an datierbaren Funden aus
der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts gefunden;
• Schichtdicke im Mittel 25 cm, ähnlich zusammengesetzt wie die
erste Schicht, allerdings mit weniger Humus und einer größeren
Anzahl von kleinen Steinen; zum Vorschein kamen sehr
verschiedene, in das 19. und 20. Jahrhundert zu datierende Funde;
unter diesen Funden ist ein offizielles Siegel von 1848 besonders
zu erwähnen;
• Schichtdicke 25 bis 150 cm, zusammengesetzt aus kleinen
vulkanischen Steinchen, aufgebracht offensichtlich in einem Zug,
den unebenen felsigen Untergrund nivellierend; die Füllung
enthielt fast keine Funde außer einigen wenigen Scherben,
einerseits von einheimischer Keramik andererseits von
Importkeramik – beide Sorten grob in das 19. Jahrhundert zu
datieren; die Pyramiden stehen stratigraphisch direkt auf dieser
untersten Schicht; somit kann die frühestmögliche Entstehungszeit
der Pyramiden auf das 19. Jahrhundert datiert werden.
Des Weiteren wurde unter der Seitenkante einer der Pyramiden eine
natürliche Lavahöhle entdeckt, die zugemauert war und Funde aus der
Guanchenzeit erbrachte. Darunter befand sich ein runder, schwarzer Stein in
der Form einer abgeflachten Orange. Da die Pyramide über der Höhle liegt,
lassen sich aus den in die Zeit zwischen 600 und 1000 n. Chr. datierten
Guanchenfunden nur Schlüsse für die Höhlennutzung ziehen. Die
Pyramiden können aufgrund der gefundenen jüngeren Importkeramik aber
nicht älter als aus dem 19. Jahrhundert sein.
Theorien von Aparicio Juan und Esteban López, beide Mitarbeiter des
Astrophysikalischen Instituts der Kanaren, hatten schon Anfang der
neunziger Jahre ergeben, dass die Längsseiten einiger Terrassenbauten von
Güimar in Richtung der beiden Sonnenwenden weisen. Alle Pyramiden
weisen auf ihrer Westseite Treppen auf, auf denen man zur
Wintersonnenwende genau der aufgehenden Sonne entgegentritt.
Im Jahr 2005 erschien ein Buch auf Spanisch unter dem Titel: Die
Pyramiden von Güimar: Mythos und Realität. Dort stellen sie zur
Diskussion, dass die Pyramiden auf die Sonnenwenden hin orientiert gebaut
worden seien, inspiriert von dem Symbolismus der Freimaurer. Beide
Wissenschaftler stützen diesen Vorschlag auf drei Aspekte: statistische
Untersuchungen zur Zufälligkeit der Ausrichtung, die Wichtigkeit der
Sonnenwenden in der Freimaurerei und dem Aspekt, dass der Eigentümer
des Grundstücks zur Zeit der Erbauung Freimaurer war.
Der 2002 verstorbene Forscher und Abenteurer Thor Heyerdahl, der 1990
auf die Steinbauten aufmerksam wurde und sich dann für mehrere Jahre im
Gelände niederließ, vertrat die Hypothese, die kanarischen Pyramiden seien
eine Zwischenstation auf dem Weg ägyptischer Sonnenanbeter zu den Maya
Mittelamerikas. Dies führte zu Kontroversen, die unter anderem in
kanarischen Zeitungen ausgetragen wurden. Obwohl Heyerdahls Hypothese
durch Grabungsergebnisse widerlegt wurde, scheint er weiterhin daran
festgehalten zu haben. Mit dem auf den Kanaren aktiven norwegischen
Unternehmen Fred Olsen, Eigentümer des Geländes, wurde das Areal 1998
mit Abschluss der Grabungen touristisch vermarktet. Ein
Informationszentrum macht die Besucher mit Heyerdahls Forschungsreisen
und seinen Thesen über die Pyramiden vertraut. Zwei Pavillons zeigen
Ausstellungen über Heyerdahl und Modelle seiner Fahrzeuge, darunter auch
den Nachbau der Ra II in Originalgröße.
Diese Theorie wurde von Heyerdahl natürlich heftigst bestritten. Der
Forscher betonte die glatten Außenseiten der Steine in den Mauern und die
präzise astrologische Ausrichtung der Anlage. Es handle sich hier
keinesfalls um zufällig angehäuftes Geröll, sondern um Bauwerke von
hohem anthropologischen Interesse.
Hierzu bleibt zu sagen, dass Heyerdahl zeit seines Lebens ein Freund von
konspirativen Theorien über den kulturellen Austausch zwischen Völkern
der verschiedenen Kontinente war. Sein Freund war zudem der Betreiber
der Fähren von Teneriffa, was den Ehrgeiz zur Verfechtung seiner
Überzeugungen erklärt.“
Wolf und Claudia hatten dem Spanier aufmerksam zugehört. Vieles davon
war vollkommen neu für sie. Sie erzählten ihm auch von den Geschichten
des Untersberges und den dort vorkommenden Zeitphänomenen. Der
Spanier zuckte bloß mit den Achseln, als er so etwas von den beiden hörte.
Offensichtlich schenkte er solchen Erzählungen keinen Glauben. Dennoch
hatten die zwei interessante Einzelheiten zu den Pyramiden von Güimar
gehört.
Mit etwas Verspätung machten die zwei sich wieder auf den Weg zum
Barranco. Es war nicht mehr so nebelig wie am Vortag. Trotzdem konnte
man aber das Blau des Himmels über der Schlucht nicht sehen. Dafür aber
gab es einen herrlichen Weitblick auf das Meer und sogar auf die
Nachbarinsel Gran Canaria. Wolf kontrollierte mit dem Fernglas die Linie,
auf welcher er diese „Gläserne Insel“ vermutete, und wurde tatsächlich
fündig. Wenn auch nur in bescheidenem Ausmaß. Weit draußen am Meer,
in ungefähr zwanzig Kilometern, konnte er eine Lichtspiegelung sehen.
Etwas unscharf, aber dennoch deutlich sichtbar hob sich eine glänzende
Stelle auf dem Wasser vom umgebenden Meer ab. Vielleicht eine Fata
Morgana?
„Komm, lass uns in die Schlucht hinaufgehen“, rief Claudia, welche auf
Grund ihrer gestrigen Funde einen besonderen Eifer an den Tag legte. „Ich
sehe schon“, lachte Wolf, „du willst wieder etwas finden, ich wünsche es
dir. Aber geh bloß nicht zu tief in diese Lavahöhle hinein.“
Er machte mit dem Geigerzähler einige Messungen, die aber im normalen
Bereich lagen. Auch der Magnetfeldsensor zeigte nichts
Außergewöhnliches an. Dafür gab es eine Menge von ferromagnetischem
Gestein in der Schlucht, was er mit einem kleinen Neodyn Magneten
feststellen konnte. Aber auch das war keine Besonderheit. In Lavagesteinen
kam so etwas laufend vor. Claudia, die inzwischen den schmalen Steig zur
Höhle hinaufgestiegen war, rief ihm noch zu, dass sie nun in den Spalt
hineingehen würde.
Die kleine Lavahöhle erweiterte sich und wurde geräumiger. Mit ihrer
Led-Lampe konnte Claudia sehen, dass hier schon einmal Menschen waren.
Der Boden war flach eingeebnet und in einer Ecke lag eine Flasche. Das
Etikett war nicht mehr zu lesen, aber die Flasche dürfte sicher älteren
Datums sein. Wahrscheinlich hatte sich ein Hirte hierher geflüchtet, als
Wassermassen von den Bergen durch den Barranco heruntergeschossen
kamen. Darauf deutete auch ein alter knorriger Stock, welcher an der Wand
lehnte.
Sie kroch im Schein ihrer Lampe bis ins äußerste Eck der Höhle. Und
genau dort fand sie eine schwarze Keramikschale mit zirka zehn Zentimeter
Durchmesser. Sie war noch vollkommen intakt. Noch weiter hinten, am
Rand der Höhlenwand, war eine etwas kleinere, rechteckige Dose mit
Deckel. Ebenfalls aus dunklem Ton gefertigt. Der Deckel war verziert mit
lauter kleinen Dreiecken.
„Jetzt habe ich doch noch zwei neue Funde“, meldete sich Claudia wieder,
als sie vom Steig herunterkam. „Aber interessant war es trotzdem“, meinte
sie.
Wolf begutachtete die Schale und die Dose. Er war überrascht, das war
absolute Museumsqualität.
„Hauptsache, dass da kein Zeitphänomen war“, sagte Wolf beim
Zurückgehen zum Wagen.
Der Inhaber der Finca erklärte ihnen am Abend, dass in den kleinen
Höhlen und Stollen in der Schlucht des Öfteren Hirten oder Wanderer
Schutz gesucht haben, wenn Wasser den Barranco herunterkam. „Das ist
zuweilen eine sehr gefährliche Situation, die gibt es auch auf anderen Inseln
der Kanaren. Wenn es oben in den Bergen regnet, was man durch den Nebel
in den Schluchten ja nicht sehen kann, dann schießen plötzlich große
Wassermengen zu Tal, die lebensbedrohend sein können.“ Der Spanier
berichtete auch, dass dort oben im Krieg auch deutsche SS-Leute
herumgesucht hatten. Angeblich in den alten Wasserstollen. „Ich glaube, die
haben nur nach versteckten Wertgegenständen gesucht“, meinte er.
Wolf verzichtete darauf dem Spanier von den gefundenen Artefakten zu
erzählen. Sie bedankten sich und verabschiedeten sich von dem Mann. Sie
würden am nächsten Morgen wieder mit der Fähre zurück nach Gran
Canaria fahren. Wolf musste ja noch seine Flugstunden absolvieren.
Als die beiden wieder auf der Fred Ohlsen Expressfähre waren, sagte
Claudia: „Die Kanarischen Inseln sind schon ein sehr mysteriöses Gebiet,
denk einmal an San Borondon, die Insel, die nur manchmal sichtbar wird.
Oder an den Ufo Landeplatz in Gran Canaria in Las Rosas.
Auch die geheimnisvollen Lavahöhlen und die Villa Winter auf
Fuerteventura. Und jetzt diesen Barranco von Badajoz, wo ja tatsächlich
auch ein Zeitphänomen existiert. Ich bin mir sicher, dass auch auf den
anderen der sieben Inseln noch Geheimnisse entdeckt werden können.“
Wolf zuckte mit den Achseln: „Wenn das so weitergeht, werden wir kaum
noch einen echten Urlaub machen können. Überall auf der Welt erleben wir
doch solche unerklärlichen Dinge und diese werfen immer mehr Fragen auf,
anstatt Erklärungen ans Tageslicht zu fördern.“
Kapitel 19
Becker und der General

„Ich werde dem General im Berg einen Besuch abstatten, wenn Sie
möchten, können Sie gerne mitkommen“, meinte Becker beim nächsten
Treffen mit Wolf.
„Wie soll das möglich sein?“, antwortete dieser. „Eine Stunde im Berg
wären für mich doch dreihundert Stunden?“
„Darüber brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen“, lächelte Becker,
„wenn Sie mit mir unterwegs sind, können Sie schon eine Minute nach dem
Treffen wieder hier sein.“ Wolf wusste zwar, dass Becker solche
Zeitsprünge jederzeit durchführen konnte, aber ebenso konnte er sich
erinnern, dass ein Aufenthalt in der Station des Generals einen enormen
Zeitverlust nach sich zog. Aber er würde dem Illuminaten vertrauen. „Wann
soll das geschehen“, fragte ihn Wolf, „ich muss doch Kammler vorher
Bescheid geben?“
„Nein, das brauchen Sie nicht, wir können auch unangemeldet bei ihm
erscheinen.“ Wolf war überrascht.
„Kommen Sie, wir machen das gleich“, sagte Becker und nahm Wolf bei
der Hand.
Im nächsten Moment befanden sich die zwei in der Station, direkt neben
dem Energie-Generator. Wolf hatte diesen Raum schon einmal vor Jahren
betreten und hatte ein mulmiges Gefühl. Damals waren innerhalb von
Minuten viele Stunden für ihn vergangen. Aber er vertraute Becker. Eine
Ordonanz wurde zu Kammler gesandt. Der General war rasch zur Stelle und
sah Becker ungläubig an. „Wie sind Sie unbemerkt hier in unsere Station
hereingekommen?“, fragte er.
„Ich glaube, wir brauchen uns mit solchen Kleinigkeiten nicht
aufzuhalten“, erwiderte Becker, „wichtig ist nun, Ihnen mitzuteilen, dass
bald auch die Geheimdienste in der Lage sein werden, Ihr Reich hier im
Untersberg zu betreten.“
„Das ist völlig unmöglich“, schnaubte Kammler, dem seine Wut deutlich
anzusehen war.
„Wie Sie sehen können, sind wir beide“, er deutete dabei auf Wolf, „ja
auch ohne Ihre Hilfe in Ihre Station gelangt.“
„Sie glauben tatsächlich, dass es auch andere Leute gibt, die so etwas
bewerkstelligen können?“
„Nun“, versuchte der Illuminat den General zu beruhigen, „das müssten
schon Leute aus der fernen Zukunft sein und ich weiß nicht, ob da jemand
an Ihnen Interesse haben sollte.“
Das schien den General nicht sonderlich zu beeindrucken. Allein die
Tatsache, dass heute zum ersten Mal stationsfremde Personen ohne
Einladung hierherkommen konnten, beschäftigte ihn zutiefst.
„Der Grund, weshalb ich zu Ihnen gekommen bin, ist folgender: Ich will
Ihnen auf keinen Fall Ihre Entscheidungen zunichtemachen, aber es ist nicht
notwendig eine unmittelbare Aktion zu starten. Da gibt es noch andere,
welche ein viel größeres Potential besitzen und die auch an einem massiven
Eingreifen interessiert sind. Warten Sie es ab. Sie können dann immer noch
mit Ihren Bataillonen dazustoßen, wenn es so weit ist.“
„Wer soll da noch dazukommen?“, fragte Kammler erstaunt.
„Diejenigen, von denen die Konstruktionspläne der Glocke sind und die
auch die Technologie der Scheiben haben“, erwiderte Becker.
„Woher wissen Sie das?“, fragte Kammler. „Ich weiß es eben“, antwortete
der Illuminat und Wolf stand sprachlos neben den beiden. Der General
stand auf und sagte: „Nehmen wir einmal an, es wäre so, wie Sie sagen,
würde dann ein weiteres Zuwarten nicht den Tod von vielen Deutschen
bedeuten?“
„Das sehe ich nicht so“, antwortete Becker, „denn wenn die anderen für
eine saubere Lösung sorgen, dann wird es ziemlich sicher kaum große
Opferzahlen geben.“
„Eine Hilfestellung kann ich Ihnen noch geben“, ergänzte Becker, „ich
habe beste Kontakte zu den betreffenden Ministerien und kann Ihnen
Informationen geben, die Ihnen Ihre Entscheidung erleichtern können.“ Der
General schaute ihn nachdenklich an. „Auch wenn es zurzeit ganz anders
aussieht, sind in Deutschland und auch in Teilen der EU bereits
Maßnahmen in Gang gesetzt worden, die sehr effektiv sind und auch in
absehbarer Zeit Wirkung zeigen werden.“
„Gut, dann lassen Sie mir diese Informationen zukommen und wenn es
tatsächlich so sein sollte, wie Sie sagen, dann werde ich meine
Entscheidung noch überdenken. Wir alle wollen doch Frieden für
Deutschland.“ „So möge es sein“, gab Becker zur Antwort. „Wir gehen nun
wieder nach draußen“, sagte Becker noch zu Kammler, welcher im nächsten
Augenblick feststellen musste, dass die beiden praktisch vor seinen Augen
verschwunden waren.
Als Wolf mit Becker wieder vor dem Marmorbrunnen beim Alten Gasthof
stand, schaute er hastig auf seine Armbanduhr. Der Illuminat sah ihm
lächelnd zu und meinte: „Sehen Sie, es sind doch keine zwei Minuten
gewesen, seit wir zum General in seine Station gegangen sind.“
„Wie machen Sie das?“, fragte Wolf völlig erstaunt. Doch statt einer
Antwort meinte Becker bloß: „Wollen wir uns noch kurz in den Gastgarten
setzen?“
„Was meinen Sie“, fragte Wolf, „wird es nun gar nicht zum großen
Eingreifen des Generals kommen? Und stimmt das mit den ‚Anderen‘?“
„Ja, freilich entspricht das alles den Tatsachen, aber auch ich darf nicht
dem General seine Absichten vereiteln. Ich vermute aber, dass er ein
Einsehen haben wird.“
Becker und Wolf saßen noch eine geraume Weile im Gastgarten vom
Alten Gasthof. Thomas, der Wirt, kam kurz vorbei und grüßte die beiden.
Wolf war sich dessen bewusst, dass er noch so manche Zeitreise mit
Becker machen würde. Von Wolf darauf angesprochen, meinte dieser, es
würde sich ohnehin bald alles ändern und auch Zeitreisen würden dann für
jedermann möglich werden.
Kapitel 20
Der unsichtbare Wanderer

Es war ein herrlicher Tag im Mai und es waren schon zahlreiche Touristen
am Untersberg. Zwar lag an manchen Stellen des Gipfelplateaus noch etwas
Schnee, aber das war für die Leute kein Hindernis. So auch nicht für Gerald
und Christine, welche an diesem Tag eine ausgiebige Tour am Untersberg
machen wollten. Da die meisten Leute, welche mit der Seilbahn auf den
Berg fuhren, nur bis zum Kreuz und wieder zurück gingen, waren sie nach
einer halben Stunde ganz allein auf weiter Flur. Sie wollten bis zum
Störhaus gehen und erst von dort nach einer Rast wieder zur Bergstation der
Seilbahn zurückkehren. Sie mussten oben am Plateau so manches
Schneefeld überqueren, wobei sie keinerlei menschliche Fußspuren sehen
konnten. Von Zeit zu Zeit blieben sie stehen und Gerald machte ein paar
Aufnahmen mit seiner Kamera.
Plötzlich sagte Christine: „Schau, da sind Spuren im Schnee“, und deutete
auf eine Stelle etwa zwanzig Meter vor ihnen. Die beiden gingen an die
besagte Stelle und staunten nicht schlecht, als zu sehen war, dass diese
Spuren dort mitten im Schneefeld ihren Ursprung hatten. „Das sieht so aus,
als wäre ein Fallschirmspringer hier ganz sachte gelandet und
weitergegangen“, witzelte Gerald. Aber so sehr die beiden nach dem
Verursacher dieser Spur Ausschau hielten, sie konnten nichts entdecken.
Es waren eindeutig männliche Schuhabdrücke, ungefähr Größe 44 und
etwa zehn Zentimeter in den Schnee hineingedrückt. Sie folgten der Spur,
bis diese nach hundert Metern mitten im Schneefeld aufhörte. „Das ist
wirklich eigenartig“, meinte Christine, „wie ist so etwas möglich?“
Auch Gerald war das nicht ganz geheuer. Aber sie konnten weit und breit
niemanden sehen, der für diese Spur verantwortlich gewesen sein könnte.
Nach einiger Zeit gelangten sie wieder auf schneefreies Gelände und
erreichten nach weiteren zwei Stunden das Störhaus, wo sie Rast machten.
Sie ließen sich die Geschichte vom Unfall in der Riesending Höhle,
welche ganz in der Nähe des Schutzhauses war, erzählen. Als die zwei sich
wieder zum Rückweg aufmachen wollten, sahen die draußen vor der Türe
einen Mann, der eine Drohne in der Hand hielt. Er begrüßte Gerald und
Christine und meinte: „Ich habe euch vorher mit meinem Fluggerät
fotografiert, als ihr das große Schneefeld überquert habt. Wollt ihr es
sehen?“
Er hielt ihnen den Monitor hin und sie konnten sehen, wie sie die Spur vor
ihnen im Schnee bestaunten. Von der Drohne hatten sie nichts bemerkt.
„Stopp“, rief plötzlich Gerald, „fahren Sie ein Stück zurück.“
Da sah man auf dem Display einen Mann im Schneefeld, keine zwanzig
Meter vor ihnen. „Aber der war doch gar nicht da“, rief Christine. „Wir
haben doch nur Spuren gesehen“, ergänzte Gerald. Der Mann mit der
Drohne zeigte ihnen nun den ganzen Film und darauf war dieser Kerl noch
eine ganze Weile zu sehen, bis er dann urplötzlich mitten im Schneefeld
verschwand.
„Ja, solche Sachen habe ich hier schon öfters beobachtet. Auf der
Speicherkarte meiner Drohne sind Leute zu sehen, die ich eigentlich mit
meinen Augen gar nicht gesehen habe. Es scheint so, als wäre dabei der
Blickwinkel entscheidend. Von oben gesehen sieht man etwas, was
horizontal nicht sichtbar ist. Nur was die Spuren dieses Mannes betrifft,
weiß ich auch nicht zu erklären.“ „Kommt so etwas hier öfters vor“, fragte
Christine.
„Ab und zu“, erwiderte der Mann mit der Drohne. „Eine Besonderheit war
vorigen Herbst, als ich für einen Augenblick eine riesige, diskusförmige
Scheibe auf der Speicherkarte hatte. Nur für zwei Sekunden. Keine
Ahnung, was das war. Zumindest geschah es auch in derselben Gegend, wo
jetzt noch das große Schneefeld ist.“
Eine Zeit lang sahen sich Gerald und Christine die Bilder der Drohne an,
dann meinte der Mann, er werde ihnen, wenn er wieder im Tal sei, mehrere
solcher seltsamen Aufzeichnungen zeigen. Sie ließen sich seine Karte geben
und machten sich wieder auf den Rückweg. Sie folgten ihren Spuren, als sie
über das Schneefeld gingen. Dort konnten die beiden in der Mitte des
Feldes die Fußstapfen des Unbekannten deutlich sehen.
Gerald, welcher von Wolfs Nachforschungen am Untersberg bereits
gehört hatte, meldete sich ein paar Tage später bei ihm und erzählte von
dem eigenartigen Erlebnis am Berg.
Wolf erinnerte sich, als er letztes Jahr mit der Cessna über das
Untersbergplateau geflogen war. Da hatte er auf seinen Instrumenten
kurzzeitige, eigenartige Aussetzer festgestellt. Am auffälligsten waren die
Anzeigen des GPS im Flugzeug. Ob das etwas mit diesen Sichtungen mit
der Drohne zu tun hatte? Wolf beschloss den Drohnenbesitzer aufzusuchen
und sich mit ihm zu unterhalten.
Der Mann mit der Drohne, er war von Berchtesgaden, war sehr erstaunt,
als er von Wolfs Erlebnissen am Untersberg erfuhr. Aber auch Wolf selbst
hörte wieder einmal echte Neuigkeiten vom Berg. Allerdings konnten sich
beide kein Bild davon machen, was die Ursache dieser Sachen war.
Wolf würde Becker fragen, worum es dabei ging.
Waren es geheimnisvolle Aktivitäten der CIA oder hatte es doch vielleicht
mit den „Anderen“ zu tun, deren silberne Scheiben in der Halle der
Erkenntnis standen?
Die Antwort des Illuminaten war irgendwie kryptisch. „Es gibt viele, die
das Geheimnis des Untersberges lüften wollen, dessen können Sie sicher
sein. Auch die Anderen sind hier seit Urzeiten vertreten. Ihre Spuren finden
sehr wenige, was aber ihre Existenz nicht infrage stellt. Manche Dinge sind
gewollt von diesen, aber nicht alle.“
Wolf überlegte und dachte dabei an die Halle der Erkenntnis. So als ob
der Illuminat seine Gedanken lesen könnte, sprach er weiter: „Denken Sie
an das alte Gedicht auf dem Zettel:

Wo alter Quell dem Berg entspringt


da wasche deine Hände
Ein steiler Pfad dich weiterbringt
folg diesem bis zum Ende
Dort wo der Fels am höchsten ist
Öffnet sich geheimes Tor
Und wenn du der Rechte bist
Holst du den Schrein hervor
Doch sei bedacht und auf der Hut
Mit Liebe wird es dir gelingen
Denn neun bewachen dieses Gut
Den Frieden wird es bringen.
Es handelt von den Anderen und deren silbernen Scheiben. Aber ich glaube,
das wissen Sie bereits.“
Kapitel 21
Ausgrabungen auf dem Obersalzberg

Nun war der Schnee vom Obersalzberg endgültig verschwunden und Wolf
machte sich auf den Weg, dort oben Nachschau zu halten. Alle geteerten
alten Straßen waren mittlerweile weggerissen und bei den verbleibenden
Wegen war überall nur ein Schotterbelag zu sehen. Die Verbotsschilder
waren weggeräumt worden und auch die großen Halden, auf denen der ach
so „giftige“ Teerbelag gelagert worden war, gab es nicht mehr.
Wolf ließ seinen Wagen in der Nähe der Kehlsteinstraße stehen und wollte
zu Fuß die Lage erkunden. Insbesondere der Zustand von N2 interessierte
ihn. Als er so im Landlerwald umherstreifte, fielen ihm markierte Bäume
auf. Zuerst glaubte er an forsttechnische Maßnahmen, dann aber bemerkte
er, dass diese Markierungen sich auf vergrabene Kabel beziehen mussten,
da sie in einer gerade Linie lagen. Schon vor vielen Jahren hatte Apollo die
Idee geäußert, dass von N2 aus Leitungen im Wald verlegt worden waren.
Er hatte damals sogar eines dieser „Telefonkabel“, wie er es nannte,
ausgegraben. Es war in einer Tiefe von knapp einem Meter verlegt worden.
An sich waren diese Leitungen keine Besonderheit. Was aber Wolfs
Aufmerksamkeit erregte, war, dass es einige Stellen in unmittelbarer Nähe
von N2 gab, an denen augenscheinlich recht tief gegraben wurde. Da
mussten sogar kleinere Bagger im Einsatz gewesen sein, was immer noch
sichtbare Raupenspuren bestätigten.
Wolf würde den Forstarbeiter fragen, ob der mehr wüsste.
Er hatte eine kleine Led-Lampe dabei und ging hinunter zu N2. Man
konnte klar erkennen, dass diese „Straßenarbeiter“ auch hier untern im
Gewölbe gewesen sein mussten. Dort zwischen den vier Säulen, wo einst
die Lehrerin Linda dieses Druckgefühl im Kopf hatte und Wolf dann Jahre
später mit einer großen Akku-Bohrmaschine ein tiefes Loch in den
Betonboden bohrte, war der Boden fein säuberlich gereinigt worden. So
sauber, dass Wolf sogar das unscheinbare, acht Millimeter kleine Bohrloch
sehen konnte.
Wonach suchten diese Leute? Etwa nach dem Gold? Er beschloss daher
zum Teich zu gehen, um auch dort Nachschau zu halten. Er ging also von
der Schotterstraße rechts in den Wald hinunter, aber da war alles
unverändert. Der Teich und seine Umgebung sahen gleich aus, so wie vor
Jahren.
Er ging also wieder hinauf zum Schotterweg. Nicht weit entfernt müsste
jetzt der kleine Pfad hinauf zum Kuppelgewölbe N3 sein, dachte er und
ging weiter. Tatsächlich fand er auch diesen schmalen Steig, den ihm einst
der Forstarbeiter gezeigt hatte. Er dachte daran, wie er damals den kleinen
Stromgenerator hinaufgeschleppt hatte.
Oben, an der Felswand angekommen, war aber nichts mehr von dem
verschütteten Eingang zu N3 zu sehen. Wolf ging trotzdem ein Stück an der
Wand entlang, konnte aber keinerlei Spuren von Arbeitsmaschinen
entdecken. Da musste jemand ganze Arbeit geleistet haben, und zwar von
Hand aus. Die Stelle, wo früher das alte, vermorschte Holztor lag, war
absolut unkenntlich gemacht worden. Irgendwie war Wolf froh, dass er
damals vor Jahren den Betonboden unter der großen Feuerschale
aufgestemmt hatte. Die beiden schwarzen Turmaline, die er dort fand, lagen
in Sicherheit in seinem Glaskasten zuhause. Er bedauerte, dass er damals
keine Fotos von N3 gemacht hatte. Plötzlich hörte er von der Straße her ein
Auto fahren. Er musste aus der Richtung der Ligeret Alm kommen, dort,
wo Bormann seine Alm hatte. Die Straße würde wahrscheinlich intakt sein,
so wie vor Beginn der Arbeiten. Man konnte bis zur Scharitzkehl Alm
fahren.
Wolf verhielt sich ruhig und konnte einen Unimog von Ferne ausmachen,
der sich langsam auf der Jagdstraße von Hitler bewegte.
Das könnte doch der Forstarbeiter sein, welcher ihm schon so viel hier am
Berg gezeigt hatte. Rasch stieg er wieder zum Weg hinunter und kam
gerade noch rechtzeitig an, bevor der Unimog die Stelle passierte.
Tatsächlich war es sein Bekannter, der Forstarbeiter Manfred, welcher das
Fahrzeug lenkte. Er hielt an, als er Wolf erkannte, stellte den Wagen ab und
stieg aus.
„Wo hast du deinen Wagen abgestellt?“, fragte Manfred, „normalerweise
fährst du doch immer hier im Fahrverbot herum.“
Wolf lachte: „Ich muss mich doch auch mal selber bewegen, das ist gut
für die Linie.“
„Spaß beiseite, ich habe gesehen, dass du von oben, vom verschütteten
Eingang vom N3 gekommen bist. Wie sieht es oben an der Felswand aus?“
Wolf schüttelte den Kopf: „Diese Burschen haben gründliche Arbeit
geleistet. Dort, wo wir beide damals in dieses kuppelförmige Gewölbe
hineingegangen sind, ist überhaupt nichts mehr zu sehen. Alles ist fein
säuberlich ‚renaturiert‘ worden.“
„Du glaubst, dass die den N3 leergeräumt haben?“
„Viel war da nicht mehr zum Ausräumen, höchstens die große
Feuerschale in der Mitte des Raumes und das Edelstahlschild beim Eingang
mit der Aufschrift ‚Wir sind hier‘, aber das Wichtigste, die beiden
schwarzen Turmaline unter der Feuerschale, die habe ich damals mit dem
Bohrhammer herausgestemmt.“
„Wozu der ganze Hokuspokus von Himmler, denn dem traue ich das alles
zu, gut war. Ich kann es mir nicht vorstellen.“
Der Forstarbeiter zuckte nur mit den Achseln und meinte zu Wolf:
„Komm, steig ein, ich werde dir etwas zeigen.“
Sie fuhren wieder bergwärts, bis sie zur Abzweigung kamen, die linke
Hand hinunter führte zum General Scheer Blick.
Das war praktisch nur eine Umkehrschleife, auf welcher man wieder
hinauf zur Jagdstraße kam. Unten angekommen meinte er: „Du musst dir
das so vorstellen, dass hier in der Hitlerzeit keine Bäume standen. Die
Fichten, die du hier siehst, sind keine achtzig Jahre alt. Man konnte von hier
aus einen wunderbaren Ausblick auf die Stadt Berchtesgaden haben.“ „Ja“,
antwortete Wolf, „ich kenne die Geschichte.“
„Komm, steig aus, ich werde dir etwas zeigen.“
Sie brauchten nicht weit zu gehen, da konnten sie ein großes tiefes Loch
sehen, dass augenscheinlich von einem Bagger gegraben sein musste.
„Wozu soll das gut sein?“, fragte Wolf.
„Das frage ich mich auch. Die haben sich nicht einmal mehr die Mühe
gemacht, die Grube wieder aufzufüllen.“
„Oben am Klingeck wurde auch gegraben, aber dort haben sie die Löcher
wenigstens wieder zugeschüttet“, sagte Manfred. Sie fuhren wieder ein
Stück weiter in Richtung N2, als dieser den Unimog abermals anhielt. „Hier
haben die Leute einen verrosteten Stahlträger ausgegraben. Der hatte ein
betoniertes Fundament und war kippbar. Wahrscheinlich eine Art
Antennenmast. Vermutlich hatte das mit der Funkverbindung nach
Südamerika zu tun.“ „So wie der riesige Bergkristall tief unter dem
Klingeck“, ergänzte Wolf.
„Vergiss nicht, hier standen vor siebzig, achtzig Jahren kaum Bäume. Das
‚Bienenhaus‘, unter dem sich dieser unterirdische Säulenraum ‚N2‘ befand,
stand auf einer sonnigen Bergwiese“, erklärte Manfred. „Du musst dir diese
Gegend hier komplett anders vorstellen. Ich habe alte Fotos bei uns im
Archiv gesehen, das sah einmal richtig lieblich aus, nicht so ein Urwald wie
jetzt.“
Inzwischen waren sie bei der Kehlsteinstraße angelangt. Wolf bedankte
sich bei Manfred für den kleinen Ausflug und ersuchte ihn, bei den
Ausgräbern nachzufragen, was da eigentlich alles gefunden wurde. Er ging
zu seinem Wagen und fuhr nach Hause.
Er erzählte Claudia von seinem Treffen mit Manfred. „Sag mal, könnten
wir nicht kurz hinauffahren zur Jagdstraße, ich würde mir gerne mal die neu
gestalteten Wege ansehen?“
„Ja“, erwiderte Wolf, „und ich werde mir den Geigerzähler mitnehmen,
ich habe da so eine Vermutung.“
Am folgenden Samstag fuhren sie auf den Obersalzberg hinauf und weiter
zur Rossfeld Mautstraße. Sie bezahlten ihr Ticket und fuhren dann einen
guten Kilometer weiter bis zur Abzweigung der Forststraße. Diese war
durch den dauernden Schwerverkehr ein recht fester Weg geworden. Wolf
fuhr weiter bis zur Kehlsteinstraße und ließ dort im Landlerwald seinen
Wagen stehen. „Aber von hier aus gehen wir zu Fuß“, meinte die junge
Frau, „da sehen wir viel mehr und können auch durch den Wald streifen.“
Wolf nahm seinen Geigerzähler hervor und begann das Gerät zu
beobachten, während sie die frisch geschotterten Wege entlanggingen.
Ihm fiel auf, dass die Anzeigen in früheren Jahren wesentlich höher
ausgefallen waren als nun. „Was glaubst du, weshalb das so ist?“, fragte er
Claudia. „Vielleicht haben die Leute die Ursache dieser radioaktiven
Strahlung entdeckt und entfernt?“ „Wäre möglich“, meinte Claudia.
Sie machten noch einen Abstecher zum unterirdischen Gewölbe N2,
welches Claudia bereits kannte. Auch sie war erstaunt über den sauberen
Boden, auf welchen sie auch Wolfs Bohrloch noch entdecken konnte.
„Da hat sich aber jemand bemüht, den Boden blank zu kehren“, meinte
sie.
Dieses Mal spürte Claudia in dem Gewölbe aber absolut keine
Beklemmung. Es war jetzt alles vollkommen normal. „Greif aber hier unten
bloß nichts an“, sagte Wolf zu ihr und deutete dabei auf seinen Fuß, welcher
noch immer am Schienbein eine dunkelrote Farbe hatte.
„Denk an das Senfgas, welches mir vor vielen Jahren diese
Verbrennungen beschert hat.“
Claudia schauderte bei dieser Vorstellung. Ob die Grabungsmannschaften
auch von dieser Sache wussten? Wohl kaum, denn ansonsten wäre N2
bestimmt zugeschüttet worden.
Auf einen Besuch des Klingeckes verzichteten die beiden, da es dort
außer dem neuangelegten Schotterweg nichts zu sehen gab.
Kapitel 22
Das Keltengrab am Untersberg
Von Norbert erfuhr Wolf, dass es am Untersberg auch Keltensiedlungen
geben sollte. Und auch Gräber der Kelten wären dort. Der Grundbesitzer
wollte dies aber absolut geheim halten, da er sonst damit rechnen musste,
dass diese Entdeckung viele Leute anziehen würde und die heilige Ruhe
dort am Berg nicht mehr gewährleistet wäre.
Norbert hatte schon vor Jahren von diesen Siedlungen, welche sich auf
der halben Höhe des Untersberges befanden, gehört und Wolf auch damals
schon mitgeteilt.
Der dreißigste April stand kurz bevor. Zu dieser Jahreszeit wurde in
früheren Zeiten auch das Fest „Beltane“ gefeiert.
„Weißt du“, sagte Claudia zu Wolf, „dass Beltane das zweitwichtigste Fest
der Kelten war. Es ist genau sechs Monate nach Samhain. Während zu
Samhain die Ernte bereits eingebracht war, der Anderswelt gedacht wurde
und man sich auf die Winterszeit vorbereitete, war zu Beltane genau das
Gegenteil der Fall. Feuer wurden entfacht und rauschende Feste gefeiert,
bei denen die Fruchtbarkeit und auch die Sexualität im Vordergrund
standen.“
„So, so“, erwiderte Wolf, „also so ähnlich wie bei den Hexen in der
Walpurgisnacht, die ja auch in der Nacht zum ersten Mai gefeiert wird?“
„Ja freilich, diese uralten Feste wurden ja durch die Zeiten hindurch
weitergegeben. Nur andere Namen gab man ihnen. Könnten wir zu diesem
Datum nicht zu den verborgenen Keltenstätten am Untersberg hinaufgehen?
Norbert hat dir die Stellen ja beschrieben.“
„Du weißt schon, was du da von mir verlangst. Dort hinauf führen zum
Teil nicht einmal beschilderte Wege. Aber wir werden das tun, sofern das
Wetter mitspielt.“ Claudia freute sich, denn endlich nahm sie Wolf wieder
einmal mit auf den Berg.
Dort oben hatte Norbert eine ganz kleine Höhle gefunden. Man konnte sie
eigentlich nur als ein Loch im Boden bezeichnen.
Norbert ließ damals einen kleinen Stein hinunterfallen und war ganz
erstaunt, als er danach den Aufschlag vernahm. Dieser klang so, als würde
der Stein auf einen metallenen Untergrund aufgetroffen sein. Er versuchte
es noch zweimal und es war wiederum genau dasselbe Geräusch zu hören.
Das Loch war aber in keinem Höhlen-Kataster eingezeichnet.
Ganz in der Nähe waren kleine Hügel zu sehen, welche Norbert als
Überreste von Keltensiedlungen identifizierte.
Der Aufstieg würde gut neunzig Minuten dauern. Das wäre ungefähr die
Hälfte des Weges bis zur Klingeralm. Claudia hatte ihren kleinen Rucksack
gepackt und Wolf trug eigentlich nur zwei Messgeräte und seine Kamera
mit sich. Sie ließen ihren Wagen in der Nähe des Aufstiegs zur
Illuminatenhöhle stehen. Nach einem relativ leichten Weg durch den Wald
kamen sie dann an den so genannten Windlöchern vorbei. Das waren zirka
siebzehn, mehr oder weniger große Höhleneingänge, die zu einem fast
dreizehn Kilometer langen Höhlensystem gehörten. Aus einem der Löcher
wehte ein eiskalter Wind, so dass es die beiden beim Vorübergehen direkt
fröstelte.
Es dauerte nicht mehr lange, da erreichten die beiden die von Norbert
beschriebene Stelle mit dem kleinen Loch in der Wiese.
Claudia, welche brennend neugierig war, warf einen kleinen Stein hinein
und tatsächlich war ein metallisch klingendes Geräusch beim Aufschlag zu
hören.
Wolf hatte es sich auf der grünen Bergwiese bequem gemacht und
schaltete seine Instrumente ein. Da war gar nichts Besonderes. Weder der
Geigerzähler noch der Magnetfeldmesser zeigten etwas Auffälliges an.
Interessant waren lediglich die kleinen Hügel in der Wiese, die Norbert
schon aufgefallen waren. Auch eine etwa achtzig Zentimeter große
Steinplatte, welche hier mitten in der Wiese lag, war irgendwie seltsam.
Claudia wollte sie anheben, was ihr aber nicht gelang, und so holte sie Wolf
zu Hilfe. Mit vereinten Kräften gelang es den beiden den Stein aufzuheben.
Sie kippten ihn auf die Seite. Claudia rief: „Schau, was da in der Erde
liegt!“ Wolf konnte es kaum glauben. Da war ein kleiner Plastiksack mit
irgendwelchen Sachen darin. Claudia öffnete das kleine Säckchen und fand
darin einige alte, patinierte Bronzestückchen. Wolf betrachtete die Sachen
und meinte: „Das sind bestimmt Artefakte aus der Keltenzeit. Die hat
wahrscheinlich jemand hier in der Nähe ausgegraben und aus irgendeinem
Grund unter dieser Steinplatte versteckt. Vielleicht wollte er seine Funde
wieder loswerden?“ „Mag schon sein“, antwortete die junge Frau, „aber
jetzt habe ich sie gefunden und nehme sie auch mit.“
„Du weißt ja, ein Stück weiter oben ist doch die Klingeralm, die hat etwas
mit der Loretto Bewegung zu tun. Da kommen oft recht viele, vornehmlich
junge Leute herauf. Da wird dann viel gebetet. Dort oben stehen auch
Statuen und Kreuze. Außerdem hat man da einen wunderschönen Ausblick
auf die Stadt Salzburg. Ich kann mir zwar nicht vorstellen, dass einer von
diesen Gläubigen die Dinger hier ausgegraben hat. Es weiß ja offiziell kaum
jemand von einer Keltensiedlung hier am Berg.“
„Nun“, antwortete Claudia, „der Norbert hat es ja auch gewusst. Also
werden sicher auch andere davon erfahren haben.“
„Weil du gerade Norbert erwähnst“, erwiderte Wolf, „der hat doch vor
Jahren hier in einer kleinen Höhle ein ‚Benedictus‘ Kreuz gefunden. Das
wird bei Exorzismen verwendet. Nur frage ich mich, wer hier am
Untersberg Teufelsaustreibungen veranstalten will. Ob das etwas mit diesen
Gebetsbrüdern zu tun hat, die weiter oben auf dem kleinen Plateau ihre
Versammlungen haben? Die müssten ja dann den Untersberg oder
zumindest seine Höhlen mit dem Bösen gleichsetzen. Das kann ich mir
beim besten Willen nicht vorstellen.“
„Diese Gebetsbrüder haben auch etwas mit der Loreto Kirche in Salzburg
zu tun. Man schreibt das Wort übrigens mit einem ‚T‘. Dort in dieser
kleinen, alten Kirche gibt es das so genannte ‚Loreto Kindel‘. Das ist eine
elf Zentimeter große Elfenbeinfigur aus dem siebzehnten Jahrhundert,
welche ein edelsteinbesetztes, von den Nonnen gefertigtes Kleid trägt. Viele
Gläubige kommen aus nah und fern in die Loretokirche, um sich dieses Jesu
Kindel von einer Nonne auf das Haupt setzten zu lassen. Eine Klosterfrau
spricht dazu einen Segen. Die an den Wänden der Kirche aufgehängten
Votiv Bilder zeugen davon, dass viele Wunder im Zusammenhang mit dem
Loretokindel geschehen sind.
Du siehst also, hier bei uns in Salzburg gibt es einige wundersame
Geschichten. Nicht nur der Untersberg ist sozusagen sagenhaft.“
Kapitel 23
Die verschwundene Drohne

Eine recht seltsame Mail erreichte Wolf. Ein Mann aus Mittelfranken,
welcher auch ein großes Interesse an den Geheimnissen des Untersberges
hatte, berichtete darin, dass er einen Oktokopter, also eine Drohne mit acht
Rotoren und einer relativ langen Flugdauer, an den Steilhängen der
Nordseite des Berges zur Erkundung fliegen ließ. Der Mann wollte Fotos
und Videos von absolut unzugänglichen Teilen des Untersberges machen.
Er ließ das Fluggerät dabei sehr nahe an die senkrecht abfallenden Felsen
fliegen. Dabei geschah dann das Unfassbare. Obwohl der Pilot die Drohne
auf Sichtkontakt steuerte und diese zusätzlich auch mit GPS und Radar
ausgerüstet war, verschwand der Oktokopter plötzlich vor den Augen des
Mannes. Dessen Bestürzung war groß, denn das Fluggerät hatte einen Wert
von vielen tausend Euro. Zwar verfügte die Drohne über zahlreiche
Sicherheitseinrichtungen, welche im Falle eines Funkausfalles ein
vollkommen autonomes Fliegen gewährleisteten. Das Gerät konnte in
diesem Notfall-Modus sämtlichen Hindernissen selbständig ausweichen und
auf einem zuvor gespeicherten Notlandeplatz sicher aufsetzen. Dies sollte
dann zum Tragen kommen, wenn die Drohne aus irgendeinem Grund die
Verbindung zum Sender verlieren würde. In der aktuellen Situation war das
aber keineswegs der Fall. Es bestand ja sogar Sichtkontakt. Sosehr sich der
Deutsche auch bemühte, konnte er jedoch nichts von seinem Fluggerät
erblicken. Schließlich blieb ihm nur noch die Hoffnung das teure Stück auf
dem eingespeicherten Notlandefeld, einer kleinen Wiese unterhalb der
Felswände, zu finden. Er machte sich also auf den Weg nach oben und
erreichte nach zwanzig Minuten Aufstieg die Stelle, wo der Oktokopter
hätte landen sollen. Aber auch dort war keine Spur von dem Fluggerät. Die
Akkus mussten zu diesem Zeitpunkt bereits leer geworden sein. Es gab
praktisch keine Hoffnung mehr. Er sah sich auf dem Monitor nochmals
genau die letzten Minuten an, welche die drei Kameras aufgenommen
hatten. Es war nichts Auffälliges darauf zu sehen. Die Drohne schwebte
einige Meter von der Felswand entfernt und sendete gestochen scharfe
Bilder. Dann plötzlich gab es von allen drei Kameras kein Bild mehr. Er
konnte anhand dieser Aufnahmen auch sehr genau den letzten Standort des
Gerätes bestimmen. Er setzte sich ins Gras und überlegte. Falls die Drohne
abgestürzt wäre, hätte sie ein betreffendes Notsignal gesendet, aber auch
das war nicht der Fall. Das Fluggerät hatte auch so etwas wie eine Blackbox
mit einem Notfallsender, der vierzehn Tage lang ein Peilsignal senden
würde. Aber auch das kam nicht an. Schließlich schaltete er den Sender aus.
Während der Deutsche noch überlegte, hörte er plötzlich ein Surren über
sich und sah, wie sein Oktokopter im sanften Sinkflug auf die Wiese
zusteuerte.
Der Mann war vollkommen perplex. Was ging hier vor? Die Drohne
konnte nach dieser Zeit auf keinen Fall mehr vom Akku Strom erhalten.
Wenige Meter von ihm entfernt landete das Gerät sanft und schaltete
selbständig die Rotoren ab. Jetzt stellte er seinen Sender wieder an und
siehe da, die verbliebene Akkuleistung war noch über siebzig Prozent, und
das nach einer Stunde vermeintlicher Flugzeit.
Hier ging etwas nicht mit rechten Dingen zu. Erst als er über seinen
Sender die Zeit abrief, wurde ihm klar, dass der Oktokopter nur wenige
Minuten geflogen war. Es war aber mittlerweile eine gute Stunde
vergangen.
Auch als er den aufgezeichneten Film vom Gerät kontrollierte, war keine
Ungereimtheit darauf zu sehen. Und das, obwohl über fünfzig Minuten der
Flugzeit fehlten. Es sah so aus, als hätte irgendetwas dort in der Nähe der
Felswand die Zeit angehalten, als das Fluggerät verschwunden war.
Der Mann übermittelte Wolf in seiner Mail die exakten Koordinaten und
ersuchte ihn, diese keinesfalls zu veröffentlichen.
Als dieser Claudia von dem Vorfall erzählte, meinte diese: „Das ist ja eine
arge Sache. Stell dir vor, so etwas wäre dir passiert, als du mit der Cessna
um den Untersberg geflogen bist.“
„In gewisser Weise bin ich wahrscheinlich mit diesem Phänomen auch in
Kontakt gekommen, wenn eben nur in abgeschwächter Form. Du erinnerst
dich, als ich dir erzählt habe, dass genau in dieser Gegend einmal das GPS
verrückt gespielt und völlig falsche Koordinaten ausgegeben hat.“ „Ja, ich
erinnere mich“, meinte die junge Frau. „Außerdem bin ich ja in so ein
Zeitphänomen vor Jahren mit der Silvia hineingeraten. Damals auf den
Kanaren, als wir südlich der Insel La Palma in eine Nebelbank flogen. Da
haben doch das GPS und der Funk ausgesetzt und wir sahen dann plötzlich
die sagenhafte Insel ‚San Borondon‘, die wir dann auch umrundeten. Als
wir dann dieselbe Route wieder zurückflogen, hatten wir ja auch einen
massiven Zeitverlust, den ich dem Copiloten unmöglich erklären konnte.“
Claudia nickte, Wolf hatte ihr diese Begebenheit ja schon ausführlich
erzählt. „Hast du dich damals eigentlich nicht gefürchtet? Ihr müsst ja in
einer sehr fernen Vergangenheit gewesen sein?“
„Da fällt mir noch eine eigenartige Geschichte auf, die ich vor Jahren
gelesen habe“, antwortete Wolf. „In den USA wurde eine militärische
Rakete getestet. Sie sollte zwanzig Minuten fliegen und dann ins Meer
stürzen. Das Geschoss hob plangemäß ab und verschwand plötzlich vor den
Augen der Beobachter am wolkenlosen Himmel. Am Radar war nichts
mehr von ihr zu sehen. Auch im Zielgebiet kam die Rakete nicht an.
Man konnte sich das Verschwinden des Flugkörpers nicht erklären.
Doch plötzlich nach acht Stunden tauchte die Rakete wieder auf. Und
zwar genau an dem Punkt, wo sie verschwunden war. Ihr Treibstoff hätte
aber maximal für dreißig Minuten gereicht. Was war geschehen? Lange
wurde über diese Sache diskutiert, aber niemand konnte nur ansatzweise
das Verschwinden der Rakete erklären.“
„Die ist eben in ein Zeitloch geraten“, stellte Claudia fest. „Weißt du
was“, sagte sie, „wir gehen nächstes Mal zu dieser Felswand, und zwar
genau unterhalb der Stelle, an welcher der Oktokopter verschwunden ist.
Dort lassen wir einen Gas-Luftballon an einer langen Schnur aufsteigen und
schauen, was dann passiert.“
Wolf hatte zuhause zwei Helium-Kartuschen und einige Ballons für den
Kinderfasching liegen. Die nahmen sie mit und gingen damit zur besagten
Stelle, welche die beiden mit dem GPS auch rasch fanden.
Wolf füllte einen Ballon und ließ ihn an der Schnur aufsteigen. Es waren
fast einhundert Meter, als der grellrote Ballon urplötzlich verschwand. Die
Schnur jedoch blieb scheinbar in der Luft stehen wie bei einem indischen
Seiltrick. Wolf zog daran und nach einigen Metern war der rote Ballon
wieder zu sehen.
„Wo war der Luftballon jetzt gerade?“, fragte Claudia erschrocken.
Anstatt ihr eine Antwort zu geben, ließ Wolf den Ballon wieder etwas
steigen. Auch jetzt verschwand er wieder und war nicht mehr zu sehen.
„Vielleicht sehen ihn jetzt die Mönche im Kloster im Untersberg“, lachte
Claudia.
Wolf war sich aber nicht im Klaren, ob diese Stelle fix war oder ob es sich
um ein temporäres Phänomen handelte. Sie würde es noch einige Male mit
dem Ballon nachprüfen.
Er schrieb eine Mail an den Deutschen und teilte ihm darin sein Erlebnis
mit dem Ballon mit. Bis zur Klärung der ganzen Sache wollten die beiden
aber niemandem die genaue Stelle bekanntgeben.
Kapitel 24
Der Aufruf des Generals

Die ersten schönen Sommertage waren zu verzeichnen und Wolf dachte


schon gar nicht mehr an das letzte Gespräch mit dem General. Da erreichte
ihn über den geheimen Kommunikationskanal eine Nachricht von
Obersturmbannführer Weber.
Darin hieß es: „Es wurde beschlossen, dem Treiben ein Ende zu setzen,
welches die Vernichtung des deutschen Volkes zum Ziel hat. Informieren
Sie Ihre Freunde, dass sie sich darauf vorbereiten sollen. Nähere
Informationen zu unserem Tun kann und will ich nichts bekanntgeben, um
die Aktion nicht zu gefährden. Wir werden mit allen uns zur Verfügung
stehenden Mitteln die Feinde bekämpfen, wo immer sie auch sein mögen.
Wir haben bereits mächtige Verbündete, welche uns zur Seite stehen
werden. Es sind aber nicht jene, von denen der Illuminat Becker gesprochen
hat. Es wird nur noch eine kurze Zeit dauern, dann wird es ein neues
Deutschland geben. Frei von all den Dingen, welche das Volk drangsalieren
und bedrängen. Sie erhalten von mir unmittelbar vor dem Einsatz noch eine
Meldung. Geben Sie auch diese dann noch an Ihre Freunde weiter.
Möge uns der Herrgott beistehen.“
Wolf hatte doch mitangehört, was Becker in der Station dem General
gesagt hatte. Dass er abwarten soll auf das Eingreifen der „Anderen.“ Hatte
dieser nun doch anders entschieden und würde jetzt losschlagen?
Er rief Becker an. Dieser schien gar nicht erstaunt, so wie es Wolf
eigentlich erwartet hätte. Er meinte lediglich: „Es wird ganz anders
kommen, als es sich der General vorstellt. Aber ich konnte es ihm nicht
klarmachen, denn alles ist anders, als es scheint. Aber glauben Sie mir, die
Veränderung geschieht so, wie sie geschehen muss. Die Leute sollen nur
nicht in Angst und Panik verfallen. Das würde alles nur verschlimmern.
Zuversicht und Hoffnung wären angebracht, auch wenn es nicht rosig
aussieht.“
„Ja“, antwortete Wolf, „ich weiß, aber leider ist es so, dass der Großteil
der
Bevölkerung für die Panikmache empfänglich ist, was keinesfalls gut ist.“
„Wichtig wäre“, erwiderte der Illuminat, „dass Sie zumindest Ihre
Freunde beruhigen und ihnen zur Seite stehen werden. In gewisser Weise
geschieht das bereits durch Ihre Bücher, welche ja doch einen sehr großen
Bekanntheitsgrad erreicht haben.“
Der General hatte die alten Ahnenerbe-Unterlagen studiert und war dabei
auf interessante Zusammenhänge gestoßen. War es doch schon vor über
siebzig Jahren den deutschen Forschern gelungen, rassenabhängige
Verbindungen zu Volksstämmen bis in den Himalaya nachzuweisen.
Wäre es mit den heutigen Möglichkeiten nicht möglich, durch Eingriffe in
der Vergangenheit die Gegenwart nachhaltig zu beeinflussen? Er ließ einen
Professor, welcher eine internationale Größe auf dem Gebiet der DNA
Forschung war, kontaktieren und konnte diesen dazu motivieren, die
Herkunft vieler unerwünschter Emigranten zu ermitteln.
Dem Professor gelang das erstaunlich gut. Er konnte binnen kurzer Zeit
sogar einzelne Clans ausmachen, welche mit diesen Leuten verwandt
waren. Die Trefferquote lag bei achtzig Prozent. Wenn er jetzt eine Truppe
in die entsprechenden Länder schicken würde, dann konnte das Experiment
gelingen. Dazu mussten sich seine Soldaten aber in die Vergangenheit des
jeweiligen Landes begeben. Und zwar Jahrhunderte zurück. Dort sollten sie
dann die entsprechenden Vorfahren der heutigen Emigranten ausfindig
machen und dann deren Verschwinden unauffällig organisieren.
Der General ließ auf sehr subtile Art vom Professor DNA Proben von den
betreffenden Leuten nehmen und dann wurden aufgrund von internationalen
Datenbanken ganze Regionen im Ausland untersucht, in denen es starke
Übereinstimmungen gab.
Man wollte zuerst einen Test durchführen, ob die Sache auch
funktionieren würde. Dazu wurde eine Gruppe von SS-Leuten nach
Ostanatolien entsandt. Diese Männer waren mit der damaligen Sprache in
diesem Teil der Türkei einigermaßen vertraut und wurden auch
entsprechend eingekleidet. Sie wurden durch das einstellbare Dimensionstor
direkt in das Jahr 1630 an den Fuß des Ararat Gebirges in der Nähe des Van
Sees gebracht. Wie die betreffenden Einwohner dann weggebracht wurden,
beziehungsweise was mit ihnen geschehen sollte, wollte der General nicht
sagen. Auf diese Art sollte in der Folge eine große Anzahl dieser Leute aus
Deutschland verschwinden, ohne dass ein militärisches Eingreifen seitens
des Generales notwendig sein würde. Ob durch dieses Experiment auch
eine neue Zeitlinie geschaffen würde, war nicht vorauszusehen.
Kapitel 25
Die Fenster in die Zeit

Die Menschen in den deutschen Landen wurden immer unruhiger. Eine


Angst vor der ungewissen Zukunft überfiel den Großteil der Menschen.
Wolf fragte bei Becker nach, was er denn tun könne, um dieser Entwicklung
Einhalt zu gebieten und so zumindest einigen Wenigen Hoffnung zu geben
und sie nicht in eine lähmende Lethargie fallen zu lassen.
„Wir werden uns in einigen Tagen treffen und ich zeige Ihnen etwas, das
Sie motivieren wird, den Leuten Mut zuzusprechen.“
Was würde das wohl sein? Hatte doch schon der General ein rasches
Eingreifen angekündigt. Man spürte doch förmlich das Säbelrasseln,
welches eben die Angst der Menschen schürte.
„Ich werde Sie zu diesem Zweck auf den Untersberg mitnehmen. Das
morphogenetische Feld ist mittlerweile so stark geworden, dass es sich
sozusagen bereits selbständig verstärkt und dadurch auch immer mehr
Leute inspiriert.“
Es war wieder einmal ein herrlicher Sommertag, als Wolf bei der Kapelle
beim Veitlbruch seinen Wagen abstellte. Becker wartete bereits vor dem
alten Steinbruch auf ihn.
„Sie sind selbst in Sorge wegen der momentanen Lage. Ich kann es Ihnen
nachfühlen. Deshalb zeige ich Ihnen nun etwas für Sie völlig Neues. Dazu
werden wir nun in das Innere des Berges gehen.“
„Sie wollen mit mir in eine Höhle gehen?“, fragte Wolf, welcher nicht
wusste, wie ihm geschah. „Nein“, antwortete der Illuminat, „wir werden uns
in die Spiegelwelt des Untersberges begeben.“
„Ist das etwa die Halle der Erkenntnis oder gar das Kloster, in dem ich
bereits drinnen war?“, fragte Wolf.
„Warten Sie ab“, kam als kurze Antwort von Becker.
Er nahm Wolf an der Hand und schon im nächsten Augenblick waren die
beiden hoch oben am Berg.
Als sich Wolf umblickte, sah er ein sehr großes Gebäude in einem
futuristisch anmutenden Baustil. Dieses konnte sich doch keineswegs auf
dem Untersberg befinden. Waren sie gar nicht auf dem Berg? Das konnte
man bei Becker ja nie wissen.
„Doch“, antwortete der Illuminat, so als hätte er Wolfs Gedanken gelesen,
„wir sind hier in etwa eintausend Meter auf der Nordseite des
Untersberges.“
Wolf versuchte etwas im Tal zu erkennen, so wie ihm Becker schon vor
Jahren Einblicke auf Salzburg vom Berg aus ermöglicht hatte. Das waren
damals verschiedene Zukunftsszenarien, die ihm gezeigt wurden. Diesmal
sah aber alles anders aus. Nicht einmal die markanten Straßen, welche ihm
seit seiner Kindheit vertraut waren und die er auch bei seinen Flügen mit
der kleinen Cessna immer gesehen hatte, waren mehr da. Alles war anders.
„Kommen Sie“, sagte Becker und deutete auf das imposante Gebäude,
„Sie sollten sich das Innere dieses Hauses ansehen.“ Da war ein Weg, der
einen Belag aufwies, den er noch nie gesehen hatte. Dieser führte
geradewegs zu einer riesigen Glasscheibe, welche einen Durchgang freiließ.
Nicht dass sich die Scheibe teilte, nein, es war, als ob sich darin eine
Öffnung gebildet hatte, die sich nach dem Durchschreiten wie von
Zauberhand wieder schloss.
Becker schaute Wolf von der Seite an und meinte: „Hier gibt es keine
mechanischen Türen mehr, und auch sonstige, Ihnen bekannte
Vorrichtungen sind nicht mehr vorhanden.“
„Wenn wir uns also auf dem Untersberg befinden, in welcher Zeit ist denn
das?“
„Ich habe heute etwas getan, was ich Ihnen eigentlich noch nicht zeigen
wollte, aber auf Grund der Umstände halte ich es für unumgänglich Ihnen
einen Einblick in die fernere Zukunft zu gewähren. Das, was Sie dort unten
sehen, ist die Stadt Salzburg, wie Sie es an der Festung erkennen können.“
Wolf war total perplex. Das sollte Salzburg sein. Da war nicht einmal
mehr der Flughafen vorhanden und auch sonstige markante Gebäude,
welche ihm in Erinnerung waren, gab es nicht mehr.
„Erinnern Sie sich, als ich mit Ihnen in dem unterirdischen Bunker der
Regierung war? Dieser wurde nun von der Bundesregierung an einen
Raketenhersteller verkauft. Der wird dort in absehbarer Zeit seine brisanten
Artikel lagern. Vier Millionen Kilogramm sollen in diesen Bunkern Platz
finden. Der Bürgermeister der betreffenden Gemeinde – es ist übrigens
jener, der den Walser Birnbaum fällen ließ – ist aber jetzt plötzlich gegen
diese Verwendung des Munitionsbunkers, obwohl es einen positiven
Beschluss der Gemeinde gab. Angeblich hat es einen Meinungsumschwung
gegeben.
Ob das mit dem Bürgermeister etwas zu tun hat, wissen die meisten
nicht.“
„Was hat das aber mit diesem Gebäude hier zu tun?“, fragte Wolf.
„Nun“, erwiderte der Illuminat, „tief unter diesen Bunkern befindet sich ja
diese Räumlichkeit, in die ich Sie damals mitgenommen habe. Diese
Anlage liegt, genauso wie das Gebäude hier, in ferner Zukunft. Sie werden
gleich sehen, welche technischen Errungenschaften es hier gibt.“
Er ging die weitläufigen Gänge mit Wolf entlang, wobei es immer eine
angenehme Temperatur hatte. „Wer waren bzw. wer sind die Erbauer dieses
riesigen Gebäudes?“, fragte Wolf.
„Das sind Ihre Nachfahren“, gab ihm Becker zur Antwort, „diese haben
mit Hilfe der Anderen sozusagen eine neue Welt errichtet. Mit völlig
neuartigen Technologien. Es gibt auch keine Krankheiten in dieser Zeit und
auch keine Verbrechen mehr. Auch um Nahrung braucht sich keiner mehr
zu sorgen. Es wird auch kein Lebewesen mehr getötet um des Essens
willen.“
Wolf fiel ein, dass ihm Claudia vor einigen Jahren von einem sehr großen
Gebäude auf dem Untersberg erzählt hatte. Sie hatte es ihrer Aussage nach
am helllichten Tag vom Tal aus gesehen. Später aber nie wieder.
„Das soll also heißen, dass es hier so ähnlich aussehen wird, wie ich es
damals auf der Basis Drei mit Linda und Frau Dr. Adler gesehen habe?“
„Ja“, sagte Becker, „oder zumindest sehr ähnlich. Die Deutschen haben
diese Art von Technologie schließlich ja auch von den ‚Anderen‘ erhalten.
Aber ich zeige Ihnen dies alles, um Sie darin zu bestärken, dass es in einiger
Zeit besser werden wird, um nicht zu sagen, paradiesisch.“
„Und das soll überall so werden?“ „Nicht auf einmal, aber es wird so
kommen.“
„Wann wird das so sein, die Leute haben jetzt Angst“, stieß Wolf hervor,
„was soll ich ihnen sagen?“
„Kommen Sie weiter“, antwortete der Illuminat, „dann zeige ich Ihnen
etwas.“
„Hier diese Glasfront ist eine Aussichtsplattform der anderen Art. Sie sind
in der Lage von hier aus in die Zeit zu sehen. Weiter drüben auf der linken
Seite können Sie Ihren Blick in die Vergangenheit werfen. Rechts geht’s in
die Zukunft.“
Wolf konnte so etwas kaum glauben. Rasch lief er in Richtung
Vergangenheit, da sah er auch schon die vor Jahren bereits gesehenen
Sumpflandschaften am Fuße des Berges. Ein Stück weiter waren sogar noch
die Ausläufer der Gletscher zu sehen. Ja, er konnte einen Blick auf das
Ende der Eiszeit werfen. Er tastete sich langsam in die Gegenwart vor, aber
zu seiner Überraschung konnte er keine kriegerischen
Auseinandersetzungen sehen. Es waren eher kleine Völkerwanderungen,
die er sah. Sie kamen von Westen und auch von Süden. Das waren aber
nicht die Flüchtlingsströme der Vorjahre. Er fragte Becker, woher diese
Leute denn kämen.
Doch dieser wollte ihm keine näheren Angaben machen. „Ich zeige Ihnen
nur, wie es hier bei Ihnen aussehen wird und wie es danach weitergeht.
Einzelheiten kann ich Ihnen dazu nicht sagen.“ Auch genaue Zeitangaben
fehlten. Wolf konnte nur vergleichsweise die verschiedenen Epochen
zuordnen. Er sah den Einmarsch der deutschen Truppen und wusste, dass
dies im März des Jahres 1938 geschah. Auch die Bombenangriffe der
Alliierten auf die Stadt Salzburg konnte er erkennen und mit Mitte Oktober
1944 datieren.
Wenn diese Zeitintervalle gleichblieben, dann würde diese
„Völkerwanderung“ schon in etwa einem bis zwei Jahren geschehen.
Becker gab ihm aber auf seine diesbezüglichen Fragen keine Antworten.
Es fiel Wolf auf, dass Becker und er offenbar die einzigen Besucher dieses
Gebäudes waren. Aber auch, als der Illuminat auf diesen Umstand
hingewiesen wurde, gab er Wolf keine Antwort. Stattdessen meinte Becker:
„Sie haben jetzt genug gesehen, um den Leuten die Angst zu nehmen. Das
gilt natürlich nur für den Bereich hier um Salzburg und Umgebung. So wie
es einst Irlmaier prophezeite, wird es südlich der Donau einen gewissen
Schutz geben. Nichtsdestotrotz sollten sich aber die Leute auf einen
möglichen Krisenfall vorbereiten. Das heißt vor allem Trinkwasser für
einige Wochen und haltbare Lebensmittel einzulagern. Da ja heutzutage alle
Stromnetze verbunden sind, kann es auch ganz leicht vorkommen, dass es
einige Tage keine Elektrizität geben wird. Das bedeutet dann aber auch,
dass keine Supermarktkasse und auch keine Tankstelle mehr funktionieren
würde.
Aber ich will hiermit keine Ängste schüren, sondern nur für eine
vernünftige Bevorratung eintreten.
Eines möchte ich Ihnen noch mit auf den Weg geben. Die Prophezeiungen
des Irlmaier werden nicht ganz so eintreffen, wie er damals in den fünfziger
Jahren des vorigen Jahrhunderts gesagt hat. Zum Beispiel wird diese
‚Todeszone‘ mit dem Pulver, von dem er gesprochen hat, nicht vorkommen.
Auch wird man die Fenster nicht mit schwarzem Papier zukleben müssen.
Es wird ein wenig anders kommen.“
Wolf war erstaunt, was er da von Becker hörte.
„Das Interessanteste hier in diesem Gebäude ist aber das Tor in die
Zeiten.“
Kapitel 26
Das Zeitentor

Becker bedeutete Wolf mitzukommen und sie gingen in einen großen


Raum, in welchem am Ende zwei Säulen im Abstand von drei Meter
standen. Davor war eine Art Pult mit einer Scheibe, auf welcher sich eine
leuchtende Skala befand. „Soll das hier ein Tor sein?“, fragte Wolf erstaunt.
„Diese beiden Säulen markieren eigentlich nur den Übergang in die
andere Zeit. Legen Sie Ihre Hand auf die Scheibe. Je weiter Sie Ihre Hand
auf die linke Seite der Skala halten, desto weiter gelangen Sie in die
Vergangenheit.
Dasselbe gilt auch für die rechte Seite, welche die Zukunft bedeutet.
Zur Kontrolle sehen Sie oben am Pult ein kleines Hologramm, welches
Ihnen einen Ausblick auf die gewählte Zeit gewährt.“
Wolf nickte und versuchte mit seiner Hand eine ferne Vergangenheit
einzustellen, was ihm erst nach einigen Versuchen gelang. Dann aber
konnte er auf dem Hologramm urzeitliche Tiere sehen, die in grauer Vorzeit
den Untersberg bevölkerten. Er schob seine Hand ein Stück weiter nach
rechts und sah Menschen in hölzernen Hütten, wobei es sich vermutlich um
Kelten handelte. Wieder schob er seine Hand weiter nach rechts und
gelangte in die Zeit des Mittelalters.
Was ihn aber am meisten interessierte, war doch die Zukunft.
Er versuchte die Stelle zu finden, an welcher er die ultramoderne Stadt
Salzburg gesehen hatte. Als er endlich genau die Stelle gefunden hatte, die
er als erste durch die Glasscheiben an der Vorderfront gesehen hatte, fragte
er den Illuminaten, ob er jetzt in diese Zeit gehen könne.
„Ja“, meinte dieser, „aber seien Sie sich dessen bewusst, dass Sie sich in
die Zukunft begeben. Dort kann ich Ihnen in keiner Weise mehr behilflich
sein. Auch müssen Sie sich die Stelle genau merken, an welcher Sie in diese
Zeit gegangen sind. Sonst gibt es kein Zurück mehr für Sie.“
Wolf zögerte. Es war ihm offenbar doch zu gefährlich, obwohl es ihn
brennend interessiert hätte einige Jahrzehnte in die Zukunft zu gelangen.
„Versuchen Sie es erst einmal einfacher und gehen nur um einen Tag in
die Zukunft. Vergessen Sie aber nicht die Stelle, an der Sie
hinübergewechselt sind.“
Zögerlich tastete sich Wolf an den morgigen Tag heran und warf dann
einen fragenden Blick zu Becker. Dieser meinte: „Gehen Sie jetzt zwischen
den beiden Säulen hindurch. Diese Säulen werden Sie auf der anderen Seite
aber nicht mehr sehen, darum legen Sie einen persönlichen Gegenstand in
die Nähe dieser Säulen. Sie können dann später erkennen, wo Sie wieder
zurückmüssen. Das funktioniert so ähnlich wie schon in der Lazarus
Gitschner Sage. Auch dort musste der Stadtschreiber Gehilfe seinen Hut ins
Gras vor der eisernen Pforte legen, damit er später wieder hinausfinden
würde.“
„Hat es diese Möglichkeit des Zeitenwechsels denn damals zu Gitschners
Zeiten auch schon gegeben?“, fragte Wolf.
„Natürlich“, erwiderte Becker, „diese Zeitentore existieren bereits seit
Urzeiten. Denken Sie an Walter Ernstings Buch ‚Der Tag, an dem die
Götter starben‘, auch dort wurde in Südamerika am Gueva so eine
Zeitschleuse entdeckt. Auch in der Hologrammhöhle ist so ein Übergang,
wie Sie ja schon zweimal erlebt haben. Es gibt viele Stellen auf diesem
Planeten, an denen man in andere Zeiten und auch an andere Orte wechseln
kann.“
Wolf nickte, nur zu gut kannte er die Geschichten um diese Phänomene.
„Und noch eines: Bewegen Sie sich nicht allzu weit von den Säulen weg.
Sie müssen ja wieder genau dort wieder zurückkehren. Vergessen Sie nicht,
die Zeit vergeht für Sie in der Zukunft ebenso wie in der jetzigen Zeit. Es ist
also nicht so, als wenn Sie mit mir in die Vergangenheit gehen und dann zur
gleichen Minute wieder zurückkehren.“
Wolf tat nun den entscheidenden Schritt zwischen den beiden Säulen.
Aber es veränderte sich gar nichts – nur dass er die Säulen jetzt nicht mehr
wahrnehmen konnte und er auch nicht mehr in der großen Halle, in dem
riesigen Gebäude am Untersberg stand. Er war einfach auf einer kleinen
Wiesenfläche zwischen den Legföhren am Untersberg. Er war zirka einen
Meter neben der rechten Säule hindurchgegangen und entsann sich trotz
seines Erstaunens der Worte von Becker. Er nahm sein Handy aus der
Brusttasche und legte es ins Gras. Er versuchte sich diese Stelle gut
einzuprägen. Dann ging er etwas weiter nach oben, wo er zwei Bergsteiger
zu sehen annahm. Er konnte kaum glauben, dass er sich einen Tag in der
Zukunft befinden sollte.
Als er die beiden Wanderer erreichte, erzählte ihm der eine, dass seit
gestern ein Mann am Untersberg abgängig gemeldet war. Es waren aber
keine näheren Dinge gemeldet worden. Die Bergwanderer wunderten sich
zwar über Wolfs leichte Bekleidung und über sein Schuhwerk, das absolut
nicht zum hochalpinen Gelände passte, sagten aber nichts dazu. Sie fragten
ihn zwar, auf welchem Weg er denn hier heraufgekommen war. Aber als
Wolf daraufhin nur nach unten deutete, konnten sie damit nichts anfangen.
Direkt unter ihnen war eine hohe Felswand, und Wege gab es hier auch
keine. Wolf dachte daran, wieder umzukehren, obwohl die zwei Bergsteiger
sich anboten ihn sicher ins Tal zu begleiten. Was würde sich Claudia
denken, wenn er am Abend nicht zurückkam? Sie wusste lediglich, dass er
sich mit Becker am Untersberg treffen würde.
Er kehrte wieder um, aber die Stelle, wo er in die Zukunft gelangte, war
nicht einfach zu finden. Zudem befand er sich, wie er von den beiden
Wanderern gehört hatte, unmittelbar oberhalb einer steilen Felswand, die er
zuvor gar nicht wahrgenommen hatte. Da hörte er plötzlich das Klingeln
seines Handys. Es lag einige Schritte vor ihm im Gras. Er wollte schon
hinlaufen und es aufheben, da sah er den Abgrund vor ihm. Unmittelbar am
Rande des Felsabbruchs lag sein Telefon. Obwohl Wolf ja Pilot war, hatte er
zeitlebens eine enorme Höhenangst. Er wollte sich vorsichtig bücken, um
das Handy aufzuheben, da gab plötzlich der Boden nach. Er konnte sein
Telefon gerade noch aufnehmen, dann rutschte er einen halben Meter nach
unten. In der einen Hand das Handy und mit seiner rechten ergriff er einen
starken Zweig einer Legföhre, um den Sturz in den Abgrund zu verhindern.
Der Ast hielt, aber Wolf war bereits mit beiden Beinen über die Felswand
hinausgerutscht. Abermals klingelte das Handy. Er konnte am Display
sehen, dass es Claudia war. „Claudia!“, rief er ins Telefon, im Bewusstsein,
dass das seine letzten Worte sein würden. Das Knirschen des brechenden
Astes war das Letzte, das er bewusst wahrnahm. Dann fiel er.
Und lag im nächsten Moment auf dem Boden in dem großen Gebäude am
Untersberg. Wolf hielt noch immer sein Handy am Ohr, aber da war
niemand dran. Er lag genau hinter der rechten Säule am Boden. Ein Stück
vor ihm stand Becker und schaute ihn sorgenvoll an. „Wenn Sie nicht Ihr
Handy neben der Säule ins Gras gelegt hätten, dann wären Sie jetzt
vermutlich tot. So aber sind Sie im Fallen genau zwischen den Zeitsäulen
hindurch zum Liegen gekommen und wieder in die Gegenwart gelangt. Ich
hoffe, Sie verstehen nun, dass so eine Reise in die Zukunft sehr gefährlich
ist. Und das in vielerlei Hinsicht.“
Wolf stand der Schock immer noch ins Gesicht geschrieben und mit
weichen Knien richtete er sich wieder auf. „Jetzt glaube ich auch zu wissen,
weshalb solche Tore auch an Stellen errichtet wurden, an denen nicht damit
zu rechnen ist, dass Menschen dort durchgehen. Zum Beispiel ist der
Eingang in die Station des Generals, dort, ‚wo das Wasser über das Wasser
fließt‘, doch auch an einer Stelle, an der kaum jemand bewusst einen Schritt
in den Bach machen würde.“ Becker stimmt ihm zu.
Er sah auf seine Armbanduhr. Tatsächlich war es zu keinem
Zeitphänomen gekommen und es war eine Stunde später seit dem
Zeitpunkt, als er zwischen den Säulen hindurch in die Zukunft gelangt war.
Genauso wie es Becker ihm gesagt hatte.
Wolfs Bedarf an Zukünftigem war zumindest für heute gedeckt. Er
bedankte sich beim Illuminaten und dieser setzte ihn wieder bei seinem
Wagen im Untersbergwald ab. Während der Heimfahrt ließ Wolf noch
einmal das Erlebte Revue passieren, was ihm in den letzten Stunden
widerfahren war.
Zu Claudia meinte er: „Morgen wirst du mich anrufen und dann wirst du
hören, wie ich verzweifelt ‚Claudia!‘ rufe. Aber es ist dann doch nichts
passiert. Also mach dir keine Sorgen.“
Die junge Frau schaute ihn verständnislos an und meinte nur: „Du mit
deinen Ausflügen zum Untersberg, immer wieder gibt es da etwas Neues.“
Wolf konnte und mochte ihr das vorerst gar nicht erklären, aber er würde
es immer zu verhindern wissen, wenn sie wieder einmal alleine zu den
geheimnisvollen Stellen am Berg gehen wollte.
Als er dann der jungen Frau dann doch die ganze Geschichte erzählte,
zeigte sie sich überrascht und meinte verschmitzt: „Du könntest dir doch die
Lottozahlen in der Zukunft ansehen und dann, wenn du zurückkommst,
spielen. Das wäre doch eine lohnende Angelegenheit.“ „Ich glaube nicht,
dass das so einfach gehen würde“, entgegnete Wolf, „zudem glaube ich,
dass unsere Aufgabe eine andere ist, als so etwas zu tun.“
Kapitel 27
Die Verbündeten des Generals

Noch einmal bat Wolf den Illuminaten, mit ihm gemeinsam den General in
seiner Station aufzusuchen. Er wollte sehen, ob und was Kammler nun
vorhatte.
Er traf sich mit Becker beim Brunnen des Alten Gasthofes. Es war am
frühen Vormittag und Monika, die Wirtin, ging gerade mit einer Gießkanne
am Haus entlang, um die Blumenkästen zu bewässern.
Sie sprach mit Wolf und war zutiefst erstaunt, als plötzlich Becker neben
ihm stand. Sie konnte sich nicht vorstellen, woher dieser gerade gekommen
war.
Die beiden gingen ein Stück hinter den Marmorbrunnen und Becker
meinte: „Sie möchten also sehen, welche Schritte der General bereits in die
Wege geleitet hat?“ Wolf nickte, es war ihm ein Anliegen, darüber Bescheid
zu wissen. Unzählige Anfragen wegen des bevorstehenden Umbruchs hatte
er in den letzten Wochen bereits erhalten und wusste nicht, was er den
Leuten sagen sollte.
„Ja, das möchte ich“, antwortete er.
„Gut“, erwiderte Becker, „dann gehen wir jetzt zu Kammler“ und er nahm
Wolf beim linken Handgelenk. Im nächsten Augenblick standen sie wie
beim letzten Mal im Generatorraum der Station im Untersberg.
Auch diesmal war Kammler rasch zur Stelle. Ohne Umschweife klärte er
Wolf und Becker darüber auf, dass die Vorbereitungen für einen Einsatz
bereits voll im Gange seien. Nicht nur die Kommandanten der
verschiedenen Basen waren in Alarmbereitschaft versetzt worden, sondern
auch zahlreiche hochrangige Entscheidungsträger in Deutschland und
Österreich, welche sich bereit erklärt hatten, bei dieser Aktion mitzuhelfen.
Gerade diese Leute waren aber jetzt einer großen Gefährdung ausgesetzt,
denn wenn sie auch nicht öffentlich auftraten, so waren sie doch den
offiziellen Stellen ein Dorn im Auge und konnten daher nur im Untergrund
mithelfen.
„Kommen Sie mit“, sagte der General und führte die beiden in einen
großen Raum, in dem sich wie in einer Art Kommandozentrale bereits viele
ranghohe SS-Leute befanden. Es waren aber auch etliche Zivilisten unter
ihnen, die vermutlich zu den Helfern des Generals gehörten.
„Es werden bereits die letzten Einsatzbesprechungen durchgeführt. Sie
können Ihren Freunden bereits bestätigen, dass wir viele Verbündete haben
werden und die Gefährdung der Bevölkerung minimal zu halten
versuchen.“
Es waren Abordnungen von anderen SS-Einheiten zu sehen, was Wolf
auch an deren Uniformen sehen konnte.
Becker sah sorgenvoll in die Runde. Es war ihm ja hinreichend bekannt,
dass die Zukunft, wie er sie bereits kannte, noch jederzeit durch massive
Eingriffe verändert werden konnte. Aber das lag nicht in seiner Macht.
Wolf war erstaunt, welche Gesichter er hier unter den Zivilisten entdeckte.
Da waren bekannte Persönlichkeiten, welche er vom Fernsehen her
kannte.
Nie hätte er es für möglich gehalten, dass diese Leute auf der Seite des
Generals standen. Aber das war durchaus zu begrüßen. Wenn all diese ihre
Macht einsetzen könnten, um diese Umwälzung zu unterstützen, dann
könnte das Unterfangen durchaus von Erfolg gekrönt sein.
Nicht zu unterschätzen waren natürlich die Truppen des Generals.
Aber als ein riesiges, noch weitgehend unbekanntes Potential waren die
„Anderen“ einzustufen. Mit ihren „Waffen“ konnten diese derart viel
ausrichten, wie es keine Armee der Welt schaffen würde.
Es gab also zahlreiche Verbündete, welche diesen Kampf unterstützen
würden. Wolf selbst hatte sich so etwas gar nicht vorstellen können, aber es
war so. Hinzu kam natürlich auch noch das morphogenetische Feld des
Untersberges. Auch das wurde täglich größer und war nicht zu
unterschätzen.
Auf zahlreichen Monitoren in dem Raum konnte man silberne Scheiben in
Hangars sehen, welche auf ihren Einsatzbefehl zu warten schienen. „Das
hätte der Walter Ernsting sehen müssen“, meinte Wolf zu Becker, „über
solche Dinger hat er ja zeit seines Lebens geschrieben.“
Der Illuminat nickte: „Ja, wir können ihn gerne nochmal besuchen, wenn
Sie möchten. Im Übrigen sind die Scheiben auf den Bildschirmen nicht jene
des Generals. Das sind Flugscheiben von den Anderen.“
„Das heißt ja dann, dass auch die Anderen mit dabei sein werden?“, fragte
Wolf.
„Was die ganze Umwälzung sehr viel ruhiger ablaufen lassen wird“,
ergänzte Becker.
Kapitel 28
Die Liste

Für Wolf stellte sich seit vielen Jahren die Frage, weshalb manche Leute,
mit denen er beruflich zu tun gehabt hatte, in mittlerem Alter plötzlich
verstarben. Einem Mitarbeiter in seiner damaligen Firma in Hallein war das
ebenfalls aufgefallen. Dieser Mann, er hieß Martin, meinte: „Das kann doch
alles kein Zufall sein. Fast jedes Mal, wenn dich jemand massiv ungerecht
behandelt oder dir Schaden zufügt, ereilt denselben ein früher Tod. Ich habe
das aufgeschrieben und eine Liste erstellt. Das sind bereits fünfzehn
Personen. Deren Ableben kam meist sehr plötzlich. Hast du diese Leute
etwa verflucht?“
Natürlich wunderte es Wolf auch, was da geschah, und er gab ihm damals
zur Antwort: „Martin, an Verfluchungen, Magie und Sonstiges glaube ich
absolut nicht und zu tun habe ich damit auch rein gar nichts. Freilich fällt es
mir auch auf und auch Karin, der Sekretärin, ist das Ganze nicht geheuer.“
Es waren alles natürliche Todesfälle. Meist betraf es Leute im Alter von
vierzig bis knapp über fünfzig Jahren. Die einzige Gemeinsamkeit, welche
allen Fällen zugrunde lag, war, dass diese Menschen Wolf massiv geschadet
hatten. Im Büro von Wolfs Firma gab es damals schon den geflügelten Satz:
„Kommt Herr X jetzt auch auf die Fluchliste?“ In einigen Fällen passierte
dann tatsächlich etwas. Zwar war Wolf dann nicht wirklich traurig darüber,
aber er hatte absolut nichts mit diesen Dingen zu tun. Martin war sich da
nicht so sicher, aber ihm fiel es am ehesten auf, da er einen guten
Menschenverstand hatte und auch Einblick in die Machenschaften der
Betreffenden. Nachdem aber über das Unternehmen von Wolf die Insolvenz
eröffnet wurde, sahen Martin und die anderen Mitarbeiter im Büro schon
die dafür Verantwortlichen tot umfallen. Nur Wolf meinte damals: „Wer
weiß, wofür das Ganze gut ist, so habe ich mehr Zeit zum Bücherschreiben
und mein Auskommen habe ich natürlich auch weiterhin.
Freilich wurde durch die Machenschaften von einigen Leuten meine
Firma vernichtet, aber betroffen sind da schon eher die Mitarbeiter, welche
jetzt ohne gutbezahlte Arbeit dastehen werden. Es ist leicht vorstellbar, dass
so mancher, der diesen Konkurs mitverursacht hat, das Zeitliche wird
segnen müssen. Aber das hat nichts mit mir zu tun, obwohl ich diesen
Leuten nicht unbedingt das Beste wünschen kann.“
Er würde nun mit Becker darüber sprechen. Vielleicht konnte dieser ihm
dieses Phänomen erklären.
Becker versuchte, ihm darzulegen, was es mit diesen seltsamen Zufällen
zu tun hatte. „Vor einiger Zeit habe ich Ihnen bereits gesagt, dass Sie ein
gewisser Schutz umgibt. Bei vielen Ihrer Unternehmungen hätten Sie schon
umkommen können. Beim Fliegen, beim Autofahren oder im Winter am
Berg, aber Ihre Zeit war noch nicht gekommen. Sie haben noch eine
Aufgabe. Um diese erfüllen zu können, durften Ihre Gedanken nicht
hasserfüllt gegen Ihre Feinde sein. So sind diese Leute einfach
verschwunden und Sie brauchten sich nicht mehr mit ihnen in Gedanken zu
beschäftigen.“
„Dann hat das also doch etwas mit mir zu tun“, fragte Wolf.
„Ja“, erwiderte Becker, „in gewisser Weise schon, aber nicht Sie selbst
haben diese Vorgänge ausgelöst. Das wurde von den Betreffenden selbst
verursacht.“
„Da bin ich beruhigt“, antwortete Wolf.
„Sie sollten sich auch gar nicht mit diesen Dingen beschäftigen, auch
nicht in Gedanken. Sie haben genug anderes zu tun.“
„Ich weiß“, antwortete Wolf.
Kapitel 29
Das Vermächtnis des Schriftstellers

So wie es Becker versprochen hatte, würde er mit Wolf noch einmal zu dem
Schriftsteller nach Ainring in die Seniorenresidenz Mozartstift gehen. Um
das Gespräch mit dem schwerkranken Mann abzukürzen, würden die beiden
für den Besuch ein Datum wählen, welches nach ihrem ersten Treffen mit
dem Schriftsteller lag. Dann brauchten viele Dinge nicht noch einmal
erklärt werden. Es waren dann tatsächlich nur einige Tage später, als Becker
und Wolf vor dem Zimmer Nummer 71 auftauchten. Sie klopften und traten
ein. Der Mann hatte gerade wieder einige Züge von seiner Sauerstoffflasche
genommen, als er Becker und Wolf erblickte. Er war sichtlich erfreut, die
zwei zu sehen. Wieder lud er sie auf einen Schluck Bourbon Whisky ein.
„Ich habe viel nachgedacht über mein Manuskript, meine
Aufzeichnungen, welche Sie gefunden haben“, wandte er sich an Wolf.
„Die eigentliche Frage, die sich mir stellt, ist aber folgende: Weshalb haben
Sie dort hinter dem Schießplatz gesucht. Erstens darf und kann man da gar
nicht ohne weiteres hingehen, weil es im Sperrgebiet des Schießplatzes
liegt, und zweitens, was hofften Sie dort zu finden?“
Wolf überlegte kurz und antwortete: „Ja, Sie haben Recht, so ohne
weiteres haben wir auch nicht dorthin gehen können. Wir sind erst in der
Nacht bei Finsternis gegangen. Vom Bürgermeister hatten wir die
Genehmigung in den alten Katasterplänen herum zu schmökern und sind
dabei auf einige Hakenkreuze gestoßen, welche wir auf den Plänen
gefunden haben. Wir wollten eigentlich bloß nachsehen, ob dort die Leute
des Generals etwas verborgen haben. Außer einem eingeritzten Hakenkreuz
auf einem Baum haben wir aber nichts gefunden. Die beiden Stollen unter
den morschen Brettern, dort, wo Sie ihre Flaschenpost versteckt hatten,
haben wir aus reinem Zufall gefunden.“
„Zufälle gibt es nicht – und solche schon gar nicht“, entgegnete der alte
Mann. „Wie viele Bücher haben Sie schon geschrieben?“
„Erst neun“, entgegnete Wolf und Becker ergänzte: „Der zehnte Band ist
bald fertig und einen großen Bildband mit 350 Fotos hat er auch
herausgebracht.“
„Ich muss sagen, dass ich Ihre Perry Rhodan Romane schon als
Jugendlicher gerne gelesen, ja eigentlich verschlungen habe. Diese haben
mich bestimmt schon vor Jahren dazu inspiriert, auch zu schreiben.“
Ein Lächeln huschte bei diesen Worten um das Antlitz des Schriftstellers.
„Das freut mich außerordentlich, und auch dass Sie mit Hjalmar, dem
Rosenkreuzerbaron, befreundet waren. Den Rosenkreuzermeister und
Apotheker Roland habe ich auch einige Male gesehen. Das waren allesamt
sehr liebenswerte Menschen.“
Wolf nickte. „Ich werde in einigen Jahren auch Ihren Sohn Robert
kennenlernen“, sagte er zu ihm, worauf der Schriftsteller nur seinen Blick
nach oben richtete. „Na ja“ meinte er, „Sie werden ihn schon noch kennen
lernen.“
„Ach, eine Frage interessiert mich brennend“, sagte der Schriftsteller, „aus
welchem Jahr kommt ihr eigentlich?“
„Nun, ich komme aus dem Jahr 2018 und er“, dabei deutete er auf Becker,
„kommt aus 2091.“ Er lachte: „Aber Mausbiber gibt es bei uns noch immer
nicht! Auch nicht mit einem Nagezahn.“
„Forschen Sie weiter, vielleicht kommen Sie dem Geheimnis des
Untersberges auf die Spur. Vielleicht gelingt es Ihnen, mit Hilfe dieses
Herrn aus der Zukunft das Mysterium der Zeit zu ergründen.“
„Es gibt von mir noch einige Manuskripte, die ich noch nicht
veröffentlicht habe, vielleicht wird das Robert, mein Sohn, erledigen, aber
da bin ich mir nicht so sicher.“
„Da wäre noch etwas. Haben Sie noch Kontakt zu den SS-Leuten im
Berg? Diese dürften mittels ihrer Technologie in Bezug auf die Zeit doch
schon ein gutes Stück weiter vorangekommen sein.“
„Ja“, gab ihm Wolf zur Antwort, „wir haben schon die eine oder andere
Zeitreise mit Hilfe des Generals machen dürfen. Glauben Sie auch, dass
diese Technologie von den Anderen stammt? Oder kann es sein, dass das
etwas mit den Forschungen an der ‚Glocke‘ zu tun hat?“
„Ich würde sagen, beides. Denn die Glocke wurde damals ja auch nur mit
dem Wissen der Anderen gebaut.“
Der Schriftsteller beugte sich zu der Sauerstoffmaske, die neben seinem
Bett lag, hielt sie sich auf sein Gesicht und machte einige tiefe Züge.
Dann sagte er zu Wolf: „Ich habe damals, als ich diese Manuskript Teile
in der Flasche versteckt hatte, auch noch etwas anderes in einer Höhle
deponiert.
Ich wollte es Ihnen schon bei Ihrem ersten Besuch sagen, aber das habe
ich wohl in der Aufregung vergessen.
Ein kleines Stück weiter oben im Wald hinter dem Schießplatz, da
befindet sich noch ein kleiner alter Stollen. Ich hoffe, dass er noch nicht
eingestürzt ist. Dort habe ich noch zwei Flaschen hineingelegt. Da drinnen
befinden sich verschiedene Aufzeichnungen, welche ich nicht zuordnen
konnte. Falls es Ihnen tatsächlich gelingen sollte, die beiden Flaschen zu
finden, versuchen Sie etwas damit anzufangen. Ich wünsche Ihnen viel
Glück dabei.“
Kapitel 30
Codewort „Hans“

Es war ein heißer Sommertag in der Stadt Salzburg. Wolf war alleine
unterwegs, um einige Fotos für seinen zehnten Band zu machen, als ihn ein
Mann zu beobachten schien. Zuerst dachte er an eine Observierung seitens
des BVT, was ja schon des Öfteren vorkam. Daran war er bereits gewöhnt,
aber dieser Mann verhielt sich irgendwie anders. Wolf sprach ihn einfach
an. „Heiß heute, nicht wahr?“, und der andere erwiderte: „Einen schönen
Gruß von Hans.“
Wolf stutzte. „Hans“, das war doch das Codewort für den General. Die
Freunde vom Isaisring und auch einige andere gute Bekannte verwendeten
dieses Wort zuweilen.
Der Mann im mittleren Alter meinte: „Wir sind jetzt schon viele und
wollen mithelfen, die neue Zukunft zu gestalten.“
Für Wolf war dies ein erfreuliches Zeichen, dass ihn sogar schon auf der
Straße Leute ansprechen würden, um ihm ihre Verbundenheit auszudrücken.
„Das freut mich außerordentlich“, sagte er dem Mann, „woher kommen Sie,
wenn ich fragen darf?“
„Meine Freunde und ich sind aus dem angrenzenden Bayern. Wir haben
aber auch Kontakt zu anderen Gruppen im ganzen deutschen
Bundesgebiet.“
„Dann kann ich Ihnen eine Neuigkeit mitteilen“, entgegnete Wolf, „der
General hat bereits weltweit aus den Basen die Kommandanten
zusammengerufen, um ein gemeinsames Vorgehen zu besprechen. Und was
das Wichtigste ist, auch Leute vom Regierungslager sind dabei. Wir können
auch damit rechnen, dass die ‚Anderen‘ ihre überlegenen Technologien
einsetzen werden, um ein friedliches Umdenken einzuleiten.“ Der Mann
schien von Wolfs Worten beruhigt zu sein.
Wolf fragte ihn noch: „Wie haben Sie mich erkannt?“
„Ihr Wiedererkennungswert ist recht hoch. Ich habe Sie schon im Internet
auf vielen Ihrer Vorträge gesehen und auch im Alten Gasthof habe ich
bereits einigen Buchvorstellungen von Ihnen beigewohnt.“
„Ich bin neugierig, wann dieser prophezeite Umschwung dann tatsächlich
kommen wird“, sagte der Mann.
„Ich warte schon seit einigen Jahren darauf“, erwiderte Wolf, „aber die
Zeit ist relativ. Sogar der Brunnenbauer Irlmaier hat das schon vor fast
siebzig Jahren vorausgesagt und es ist immer noch nicht eingetroffen.“
„Zumindest sind wir durch den General aber gut darauf vorbereitet.“
Der Mann zückte seine Brieftasche und nahm eine Visitenkarte heraus.
„Hier nehmen Sie, Sie können mich jederzeit erreichen. Falls ich Ihnen in
irgendeiner Weise behilflich sein kann, lassen Sie es mich wissen.“
Wolf konnte anhand der Visitenkarte sehen, dass es sich bei diesem
Herren um einen Generalleutnant der deutschen Bundeswehr handelte.
Dann waren also auch ranghöchste Militärs bereit, den Einsatz des
Generals zu unterstützen. Das war ein gutes Zeichen für Wolf.
Kapitel 31
Wo viel Gutes – ist auch
das Böse nicht weit
Der Pfarrer von Großgmain, welcher auch der Untersbergpfarrer genannt
wird und der auch in Astrologie bewandert ist, veranstaltet jedes Jahr einige
interessante Unternehmungen, welche mit dem Wunderberg in engem
Zusammenhang stehen.
So zum Beispiel die Untersbergwallfahrt. Am 14. August findet auch
heuer wieder die jährliche Untersbergumrundung statt. Sie beginnt um vier
Uhr morgens bei der Kirche in Großgmain. Diese Wallfahrt führt rund um
den ganzen Untersberg. Die Strecke ist an die fünfzig Kilometer lang,
dauert zirka zwölf Stunden und sollte nicht unterschätzt werden. Gegen
Abend sind die Leute dann wieder in Großgmain.
Das Umrunden heiliger Berge kennt man ja weltweit. So zum Beispiel
wird von den Hindus und Buddhisten der fast siebentausend Meter hohe
Kailash in Tibet umrundet. Manchmal sogar auf den Knien.
Auch ein Weihnachtsfest der besonderen Art, zelebriert der Großgmainer
Pfarrer jedes Jahr, und zwar geschieht das am 25. November direkt bei der
Waldandachtskapelle am Fuße des Untersberges. Um 23 Uhr wird dort
gefeiert.
Dieser Termin beruht auf Visionen der seliggesprochenen Anna Katharina
Emmerich.
Dass dieser Gottesmann aber bei seinem Tun nicht immer die
Zustimmung seiner Kirche gehabt hat, liegt irgendwie auf der Hand.
Nichtsdestotrotz ist er ein profunder Kenner des Untersberges und seiner
Mythen.
Wolf war eingefallen, dass Becker, welcher sich mit ihm und Claudia vor
Jahren das erste Mal gemeinsam getroffen hatte, dazu diesen Platz
auswählte. Er bezeichnete die Waldandacht als äußerst kraftvolle Stelle am
Untersberg.
Nun, er müsste eigentlich nur den Pfarrer fragen, weshalb er gerade hier
bei der Waldandacht diese Weihnachtsfeier veranstaltet.
Aber bis er ihn wieder einmal treffen würde, konnte es noch eine Zeit
dauern.
Wolf sagte zu Claudia: „Weißt du, ich frage einfach den Illuminaten. Der
soll mich über diese Kraftplätze am Berg aufklären.“
Becker gab gerne Auskunft und meinte: „Meistens sind so genannte
Kraftplätze Stellen, an denen schon Menschen tiefgreifende Erlebnisse
hatten und die dann des Öfteren auch von anderen Leuten aufgesucht
wurden. Das können Höhlen oder Kapellen sein, aber auch Gipfel von
Bergen oder Wasserfälle.
Aber ebenso gibt es auch Orte, an denen es gruselig ist und nicht
besonders einladend. Auch so etwas spüren viele Menschen. Besonders
jene, die etwas psychisch labil sind, können dort Erscheinungen haben, die
andere eben nicht sehen.“
„Soll das heißen, dass es hier am Untersberg Stellen gibt, an denen
Geister hausen und an anderen wiederum die Allmacht der Liebe?“, fragte
Wolf.
„Nun“, gab der Illuminat zur Antwort, „nicht unbedingt Geister, ich
würde es einfach ‚das Böse‘ nennen. Wo es viel Gutes gibt, da ist auch die
Anwesenheit der anderen Seite nicht weit. Gerade bei Menschen, die sich
mit spiritistischen Dingen beschäftigen kommen solche
‚Geistererscheinungen‘ schon zuweilen vor. Auch eine diesbezügliche
Erwartungshaltung kann zu solchen Wahrnehmungen führen. Erinnern Sie
sich, als Sie mit Ihrer Bekannten Ulrike an einem Krampustag in Grödig am
Fuß des Untersberges den Satan gerufen haben? Diese Ulrike wollte mittels
Gläserrücken mit einem verstorbenen Verwandten Kontakt aufnehmen. Als
das aber nicht funktionierte, haben Sie damals aus Jux den Fürsten der
Hölle gerufen. Freilich war das nicht ernst gemeint, aber es hat bereits
ausgereicht, Sie und Ihre Bekannte in panische Angst und Schrecken zu
versetzen. Sie haben damals den eiskalten Luftzug verspürt und das
Flackern der beinahe verlöschenden Kerzen gesehen.“
„Ja“, erwiderte Wolf, „ich entsinne mich noch ganz genau. Ich habe das
damals überhaupt nicht ernst genommen und wollte eben Ulrike nur
erschrecken, aber was dann geschah, das hätte ich nie für möglich
gehalten.“
„Sehen Sie“, sprach Becker weiter, „und genauso verhält es sich
umgekehrt an so genannten Kraftplätzen. Dort spüren die Leute die
Hingabe an die Natur und ihre positiven Kräfte.“
„Und wodurch passiert es, dass manche Menschen Geister sehen und in
Panik geraten?“
„Wie ich bereits gesagt habe, handelt es sich dabei um Personen, die dafür
anfällig sind und auch solche Erscheinungen erwarten. Als Sie mit Claudia
in der Froasenhöhle waren, welche ja auch Geisterhöhle genannt wird, da
haben Sie doch nichts gesehen, was Ihnen in irgendeiner Weise Angst
eingeflößt und Sie beunruhigt hat. Sie haben so etwas ja auch nicht erwartet.
Es gibt aber Menschen, die schwören Stein und Bein, dass ihnen dort
Geister begegnet sind. Weiße oder schwarze Frauen, Zwerge oder
riesenhafte Gestalten, von welchen sie in Angst und Schrecken versetzt
wurden. Ja, diese Kräfte sind real, nur bedarf es dazu aber auch
empfänglicher Leute.“
„Denken Sie daran, wie Sie als kleiner Junge ganz alleine bei einem
Gewitter hoch oben am Berg bei Hallein in einer Höhle Kaffee gekocht
haben. Sie verspürten damals auch keine Angst, nein, Sie empfanden eine
sonderbare Geborgenheit in den Klüften des Berges. Aus genau diesem
Grunde haben Sie auch in der Froasenhöhle weder eine Beklemmung noch
eine Angst verspürt. Auch Claudia, welche ebenfalls nichts
Außergewöhnliches bemerkt hat, ist da sehr ähnlich wie Sie. Denken Sie
auch an Ihren Bekannten Mario aus Wien, auch er hat diese Höhle besucht
und absolut nichts Furchterregendes festgestellt. Andere hingegen wollen
sogar eine flammende Inschrift auf der Stollenwand gesehen haben und sind
schreiend nach draußen gelaufen. Inwieweit hier psychische
Beeinträchtigungen bei dem Betreffenden vorgelegen sind, kann ich nicht
sagen.“
Kapitel 32
Beckers Herkunft

Alles, was der Illuminat bisher gesagt hatte, stimmte in jedem einzelnen
Fall. Aber woher kam der Illuminat wirklich? Dass er aus der Zukunft
stammen würde, und zwar aus dem Jahr 2091, hatte er ja schon mehrmals
erwähnt, aber hatten alle Leute in der Zukunft dann auch diese Fähigkeiten,
welche Becker besaß?
Wolf würde ihn fragen.
Claudia meinte noch, dass es sehr interessant wäre, zu erfahren, wie weit
Becker in die Vergangenheit zurückreisen kann. „Weißt du“, sagte sie zu
Wolf, „vielleicht könnte er dich einmal in die Zeit des Jesus von Nazareth
mitnehmen und du könntest sehen, was damals tatsächlich geschah. Auch
der Pyramidenbau in Gizeh wäre eine fantastische Sache.“
„Der Illuminat hat mir doch schon vor einigen Jahren gesagt, dass eine
Reise, welche über Jahrtausende in die Vergangenheit geht, zu ungeahnten
Konsequenzen führen kann und aus diesem Grunde nicht zu empfehlen ist.“
„Verstehe“, entgegnete Claudia, „interessant wäre es aber zu wissen, wie
weit er selber zurückgehen kann.“
Genau diese Frage stellt Wolf Becker beim nächsten Treffen.
„An sich unbegrenzt, aber die Gefahren dabei sind nicht zu unterschätzen.
Schon ein kleiner Fehler und man kommt nicht mehr zurück.“
„Gibt es viele, die solche Fähigkeiten haben, so wie Sie?“, fragte Wolf.
„Ja, viele Menschen haben das in der Vergangenheit schon zuwege
gebracht. Es ist keine Fähigkeit, die es erst in ferner Zukunft geben wird.
Ich könnte Ihnen einige so genannte Zeitreisende aufzählen“, erwiderte
der Illuminat, „ich bin nur einer von vielen. Denken Sie an die Julietta de
Montefeltro vom Ordo Bucintoro. Auch sie konnte durch die Jahrhunderte
reisen. Oder der Graf von Saint Germain, auch von ihm wird Ähnliches
gesagt, obwohl es sich bei den Geschichten, welche man sich über den
Grafen erzählt, eigentlich um verschiedene Personen handelt.“
„Ja“, meinte Wolf, „ein Bekannter von Haimo C. hat mir bereits vor
Jahren von der ‚doppelten Unsterblichkeit‘ der Dame Julia berichtet. Und
ich bin ihr auch schon einige Male selbst begegnet.“
„Ob im Rosenkreuzer Roman ‚Zanoni‘ von Edward Bulwer Lytton oder
von Meldungen in neuerer Zeit, solche Zeitreisende gab es immer schon
und sie sind auch heute unter uns präsent.“
Wolf schluckte. Er wusste es, Becker würde ihm nichts Neues dazu
erzählen.
So als ob er Wolfs Gedanken lesen konnte, antwortete Becker: „Gedulden
Sie sich ein wenig, schon bald werden Sie mehr von mir erfahren. Alles zu
seiner Zeit. Dann werden Sie auch erleben, dass die Zeit nichts
Unveränderliches ist.“
Steine der Macht
Wolf, Stan
9783990264324
265 Seiten

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Ein Zeitphänomen. Spurlos verschwundene


Menschen. Sind geheimnisvolle schwarze Steine die
Ursache?Nachdem der Hobbypilot Wolf einen
solchen Stein in der unterirdischen Kammer der
Cheops-Pyramide gefunden hat, wird er immer
wieder gemeinsam mit seiner Begleiterin Linda mit
diesen Steinen konfrontiert. Wolf und Linda machen
auf der Suche nach den rätselhaften Phänomenen
eine unglaubliche Entdeckung.Als sie ihre
Nachforschungen auch auf den benachbarten
Obersalzberg, dem einstigen Refugium der NS-
Größen, führen, gerät Wolf in höchste Gefahr. Ihre
Suche führt sie schließlich mit einer Cessna nach
Fuerteventura, wo sie in einem Landhaus aus der
Vorkriegszeit, der Villa Winter, unter Einsatz ihres
Lebens ein altes Geheimnis lüften ...Dieser
spannende, fesselnde Roman beruht überwiegend auf
tatsächlichen Begebenheiten.

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Nigris – Nachtwandler
Klee, Florentine
9783990643082
372 Seiten

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Die 17-jährige Jess Walsh lebt in einer kleinen Stadt


in England und ist mit ihrem einfachen Leben
durchaus zufrieden. Doch dann treten ihr Stiefbruder
Ben und seine drei Freunde in ihr Leben und nichts
ist mehr, wie es war. Immer häufiger geschehen
seltsame Dinge und auch die sehr spezielle
Verbindung zu Ben kann sie sich zunächst nicht
erklären. Als sie eines Tages ein Gespräch zwischen
ihrem Vater und Ben belauscht, erfährt sie, dass ihr
bisheriges Leben eine Lüge war und sie eigentlich für
etwas anderes bestimmt ist. Doch je mehr sie
versucht ihrem Schicksal zu entkommen, desto mehr
wird ihr klar, dass es sie bereits eingeholt hat. Sie
betritt eine magische Welt voller Intrige und Verrat
und findet sich in einem Kampf zwischen Gut und
Böse wieder, der alles für immer verändern kann …

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Steine der Macht – Band 9
Wolf, Stan
9783990641552
220 Seiten

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Bereits in seiner Jugend wurde Wolf Zeuge eines


Zeitphänomens, das er aber wieder vergaß, da es
einfach zu unglaublich schien. Erst viele Jahre später
kann er der Lösung dieses Mysteriums auf den Grund
gehen. Es hat mit dem geheimnisvollen Untersberg
zu tun … Dieser sagenumwobene Berg hütet aber
noch viele weitere Geheimnisse, von
verschwindenden oder führerlosen Autos über
geheime Stationen im Berg bis hin zu Spiegelwelten,
Zeit- und Dimensionstoren. Wird es Wolf und seinen
Freunden gelingen, diese mysteriösen Rätsel zu
lösen?
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Der Herrennachmittag
Paulsen, Clemens
9783990483275
90 Seiten

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Dieses Buch wird auf keinen Fall dafür sorgen, dass


Sie besser golfen. Es wird Ihren Abschlag nicht
verlängern, Ihre Annährung nicht verbessern und Ihre
Putts nicht erfolgreicher machen. "Der
Herrennachmittag" macht etwas ganz anderes. Er
erlaubt einen tiefen Einblick in die Seele der Golfer
und ihre größtenteils abstrusen Handlungen - auf und
neben dem Platz. Für acht Golfer, die
unterschiedlicher nicht sein könnten, beginnt beim
letzten Turnier des Jahres ein Abenteuer, in dessen
Verlauf Mitspieler fast erschlagen, die deutsch-
spanischen Beziehungen auf eine knallharte Probe
gestellt und mehrere Beziehungen den Bach
runtergehen werden. Teilweise. "Das ist mit Abstand
das beste Golfbuch, das ich seit Jahren gelesen habe.
Köstlich!" (Hinnerk Baumgarten, Kultmoderator
NDR 2 und DAS!, Handicap 6,9) "Überragend ! Was
für ein Golfroman. Selten wurde das Innenleben
eines Golfers so furios beschrieben." (Stefan
Beinlich, Ex-Fußballprofi und Nationalspieler,
Handicap 10,1) "Mein Anwalt sollte dieses Buch
dringend verhindern." (Nix Dickes, Spieler des
Herrennachmittags, Handicap 12,3)

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Steine der Macht - Band 4
Wolf, Stan
9783990269121
236 Seiten

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Zur Wintersonnenwende gründen Linda und Wolf mit


vier Freunden den Ring der Isais. Der Illuminat
Becker klärt Wolf über die Aktivierung des Berges
auf, zu welcher auch die weibliche Komponente
nötig ist. Wolf und Linda besuchen eine Basis des
Generals in ferner Vergangenheit. Am Obersalzberg
gelangen sie in ein unterirdisches Labor des dritten
Reiches. Sie entnehmen aus alten Unterlagen eines
bekannten Autors, dass mysteriöse Gänge vom
Untersberg zu zeitlich und räumlich entfernten Orten
existieren könnten. Mit Claudia fliegt Wolf auf eine
Adriainsel und entdeckt dort einen Kristall des Ordo
Bucintoro.

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