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Prof.

Klemm, ISONA – Spielräume in Zwangskontexten

Prof. Torsten Klemm


ISONA

Grenzen sozialer Kontrolle -


Spielräume in Zwangskontexten

4. Sozialtherapeutischer Fachtag
HTWK Leipzig
17.11.2015
Prof. Klemm, ISONA – Spielräume in Zwangskontexten

„Kein Mensch muß müssen“

Gotthold Ephraim Lessing: „Nathan der Weise“ (1. Akt , Szene1, 3. Auftritt):

• Al-Hafi (ein Bettelmönch in prunkvollen Kleidern) ist Schatzmeister des Saladins


geworden  Nathan: „Du bist doch noch mein Freund?“

• als Bettelmönch habe er der Bitte des Sultans gehorchen müssen = Zwangskontext
 Nathan: erinnert an menschliche Entscheidungsfreiheit: "Kein Mensch muss
müssen"

• Al-Hafi will Nathan dazu bewegen, Saladin einen Kredit zu gewähren  Nathan
erkennt die Falle = Risikoeinschätzung und beschließt, Saladin „mit einem Märchen
abzuspeisen“ (Ringparabel) = Therapieversuch, der erfolgreicher als Zwang ist

 Saladin versteht das Gleichnis und bittet, Nathans Freund sein zu dürfen

 Nathan willigt gern ein und leiht Saladin, ohne darum gebeten worden zu sein,
eine große Summe.
Prof. Klemm, ISONA – Spielräume in Zwangskontexten

Beziehungsdreieck der „zivilen“ Psychotherapie oder Lebensberatung


Lebensberatung

Symptom  Leidensdruck
(z.B. Migräne, Flugangst)

Klient Therapeut
Prof. Klemm, ISONA – Spielräume in Zwangskontexten

Beziehungskonstellation im Zwangskontext

• multiple Triangulation:

„Allgemeinheit“

Justiz

Leidensdruck vs. subjektiver Gewinn → Veränderungsmotivation

Leid des Opfers ← Tat ← Täter ↔ Therapeut ↔ Hilfesysteme

• zirkuläre Intentionen:
 These 1: Resozialisierung erhöht Sicherheit der Allgemeinheit
 These 2: Soziale Kontrolle (Führungsaufsicht) fördert oder ermöglicht die Teilnahme
an Behandlungsmaßnahmen, die der Resozialisierung dienen
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Gesetzesbegründung der Bundesregierung zur Reform der Führungsaufsicht


(2006), S. 18ff. (im folgenden: BgrBR)
BgrBR)

„... Angesichts der besonderen Problembelastung und Behandlungsbedürfnisse von


entlassenen Straftäterinnen und Straftätern, insbesondere auch Sexualstraftätern, sind
niedergelassene Psychotherapeutinnen oder -therapeuten nur selten bereit, ihre
nachsorgende Betreuung zu übernehmen (Pitzing, Ambulante Psychotherapie mit
Sexualstraftätern bei Strafaussetzung, in Egg a. a. O., S. 68). Sie sind dazu auch oft
mangels der erforderlichen speziellen Qualifikation gar nicht in der Lage.“
Prof. Klemm, ISONA – Spielräume in Zwangskontexten

Veränderungsmotivation im Zwangskontext

„Allgemeinheit“

Justiz

Leidensdruck vs. subjektiver Gewinn → Veränderungsmotivation

Leid des Opfers ← Tat ← Täter ↔ Therapeut ↔ Hilfesysteme

„Für den Erfolg einer Therapie kommt es deshalb entscheidend darauf an, dass die
Probandin oder der Proband sich auf sie einlässt.“ (BgrBR)
Prof. Klemm, ISONA – Spielräume in Zwangskontexten

„Wer nicht handelt, wird behandelt“

 Leidensdruck allein schafft noch keine Veränderungsmotivation, sondern erst:


 die Erkenntnis (Erfahrung), daß kriminelles Handeln unterm Strich nichts (oder
weniger) bringt,
 gepaart mit der unmittelbar erlebbaren Perspektive, daß dem Täter geholfen
werden kann, legitime Bedürfnisse auf legale Weise zu erfüllen.

 Veränderungsmotivation ist keine Persönlichkeitseigenschaft des Klienten (und schon


gar keine statische), sondern das Produkt einer vielschichtigen Interaktion zwischen:
 dem Kontrollsystem (Justiz),
 dem Hilfesystem,
 der persönlichen Motiven des Täters.

„Dies setzt allerdings weder voraus, dass von Anfang an eine Bereitschaft zur Therapie
besteht, noch dass die Therapiebereitschaft auf autonomen Beweggründen beruht (vgl.
die Ausführungen der Sachverständigen Pfäfflin und Winkler...)“ (BgrBR)
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„Initialzwang“ vs. „Initialchance“

• Freiwilligkeit kann nicht vorausgesetzt werden: Wäre Therapie für Täter nur ein
freiwilliges Angebot, würden viele sie nicht wahrnehmen, sondern: „Die Herstellung
einer hinreichenden Motivation ist erstes Behandlungsziel.“ (BgrBR)

 „Initialzwang“ = rechtlich, moralisch oder sozial gebotene Verpflichtung zur Teilnahme

 „Initialchance“ = Einräumung der echten (sanktionsfreien) Möglichkeit, sich freiwillig


in Behandlung zu begeben

 bei anhaltendem Widerstand bewirken Mitgehen und Sinn- Sinn-/Funktion-


/Funktion-Verstehen
therapeutisch mehr als die Ausweitung des Drucks, z.B. Milton Erickson und der
störrische Esel (Vater wollte ihn in den Stall zerren, Esel bewegte sich nicht, der
kleine Milton zog ihn am Schwanz, da sprang der Esel in den Stall…)

 „Entscheidend ist vielmehr, ob es der Therapeutin oder dem Therapeuten gelingt, die
betroffene Person zur Mitarbeit zu motivieren.“ (BgrBR)
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Freiwilligkeit und Eigenmotivation

• Klienten, die anläßlich einer gerichtlichen Weisung an einer Therapie teilnehmen,


haben empirisch gesehen keine schlechtere Behandlungsprognose als solche, die
„freiwillig“ kommen = extrinsische Teilnahmemotivation ist okay und nicht als
„Zweckverhalten“ abzuwerten
• „Initialzwang“ ist dann nachhaltig,
nachhaltig wenn der Klient im Laufe der Behandlung die
Gelegenheit erhält und wahrnimmt, eine eigene Motivation zu entwickeln und einen
subjektiven Gewinn aus der „Maßnahme“ bezieht (z.B. Linderung von
psychosomatischen Beschwerden, Erarbeitung realistischer Ziele, Vermittlung bei
Partner- oder Familienkonflikten)
• Voraussetzungen für die Entstehung intrinsischer Therapiemotivation:
 tragfähige Beziehung zum Therapeuten
 angebotene Hilfe ist spürbar wirksam
 Anerkennung der Eigenverantwortung des Klienten für sein Tun
 das Anliegen wird vom Umfeld des Klienten, insb. Partner und Familie unterstützt
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Resozialisierungsziel und Zwangskontext

„Allgemeinheit“

Justiz

Leidensdruck vs. subjektiver Gewinn → Veränderungsmotivation

Leid des Opfers ← Tat ← Täter ↔ Therapeut ↔ Hilfesysteme

„Es muss den Ambulanzen überlassen bleiben zu prüfen, ob ihr Behandlungskonzept für
bestimmte Straftäterinnen und Straftäter geeignet ist und ihre Behandlungskapazitäten
ausreichen.“ (BgrBR)
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A) Verfassungsrang des Resozialisierungsziels

• Auftrag (und Bezahlung) durch die Justiz  doppeltes Mandat, d.h. es geht nicht nur
um das Wohlbefinden des Klienten, sondern um Resozialisierung („Inklusion“) und
Rückfallfreiheit

• Resozialisierung besitzt im Strafrecht Verfassungsrang (BVerfGE 35, 202)

 Für die Führungsaufsicht bedeutet dies:


Eine zu engmaschige Ausübung der Überwachung- und Kontrolle darf eine
mögliche Resozialisierung des Straftäters nicht verhindern.
(„immanente Beschränkungen“ bei der Ausgestaltung der Führungsaufsicht: vgl. Stree/Kinzig in
Schönke/Schröder, § 68 RN 3, § 68b RN 1; H. Schneider in Leipziger Kommentar, § 68 RN 3 und § 68b RN 1)

 Dresdner Fall: Zumutbarkeit der elektronischen Fußfessel bei Obdachlosigkeit?


 FA-Auflage an einen alkoholkranken Probanden, keinen Alkohol zu konsumieren – ist
das billig? (analog: Darf man von einem Asthmakranken verlangen, nicht zu husten?)
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B) Freiwilligkeit von Therapie als Menschenrecht

„Die Menschenwürde ist getroffen, wenn der konkrete Mensch zum Objekt des Staates,
zu einem bloßen Mittel, zur vertretbaren Größe herabgewürdigt wird.“ (Günter Dürig),
in: Der Grundrechtssatz von der Menschenwürde, in: Archiv des öffentlichen Rechts, 81 (1956), S. 117 - 157, hier S. 127.

 Abwehrrechte der Menschen gegen Menschenrechtsverletzungen seitens des Staates


und zum Schutz vor staatlicher Willkür

 auch sozialarbeiterisches oder psychotherapeutisches Handeln kann von Willkür


geprägt sein, insbesondere wenn die „Stellungnahme“ des Sozialarbeiters oder
Therapeuten juristische Folgen für den Klienten hat

 Menschliche Würde ist selbst dann zu respektieren, wenn der einzelne Mensch die
Möglichkeit der Freiheit zu schweren Straftaten missbraucht
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Daher: Vorstellungs-
Vorstellungs- vs. Therapieweisung

• Vorstellungsweisungen (strafbewehrt): „können Verurteilte vor allem jedoch


nachdrücklicher als bisher veranlasst werden, Kontakt zu einem Therapeuten oder
einer Therapeutin aufzunehmen und damit einen „ersten Schritt“ in Richtung
Therapie zu unternehmen.“ (BgrBR)
 Pitzing (2015, mündliche Mitteilung): das gelinge etwa in 50% der Fälle
• Therapieweisungen sind dagegen nicht strafbewehrt: wäre ein „erheblicher Eingriff in
das durch Artikel 2 Abs. 1 i. V. m. Artikel 1 Abs. 1 GG geschützte allgemeine
Persönlichkeitsrecht, [...] [Man kann] nicht die innere Bereitschaft erzwingen, sich auf
die Therapie einzulassen.“ (BgrBR),
 „Fehlt diese und gelingt es auch nicht, sie im Zuge der Behandlung zu wecken, so
fehlt es an der Erfolgsaussicht der Therapie. In diesem Fall ist es sinnlos und daher
unverhältnismäßig, die betroffene Person zur Fortführung der Therapie zu
zwingen.“ (BgrBR)
 Therapieverweigerung darf „lediglich (sic!) Folgen nach § 68c Abs. 2 StGB
(Anordnung unbefristeter Führungsaufsicht) oder § 67g StGB (Widerruf der
Aussetzung einer Maßregel) nach sich ziehen.“ (BgrBR)
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Therapeutisches
Therapeutisches Binnenverhältnis im Zwangskontext: Zwangfreiheit

„Allgemeinheit“

Justiz

Leidensdruck vs. subjektiver Gewinn → Veränderungsmotivation

Leid des Opfers ← Tat ← Täter ↔ Therapeut ↔ Hilfesysteme

„Im Übrigen unterliegen Therapeutinnen und Therapeuten hinsichtlich der


„Geheimnisse“, die ihnen von der behandelten Person anvertraut wurden, nach den
allgemeinen Regeln der – strafbewehrten – (§ 203 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 5 StGB)
Schweigepflicht.“ (BgrBR)
Prof. Klemm, ISONA – Spielräume in Zwangskontexten

A) Offenbarungspflicht vs. Schweigepflicht

• §203 StGB: Vertraulichkeit = Grundlage für therapeutisches Arbeiten


 Schutzraum der therapeutischen Beziehung
 kein Ausdruck von Kooperationsverweigerung, sondern von Professionalität

ABER: „Therapeutinnen und Therapeuten [müssen] deshalb auch „Geheimnisse“ der


Patientin oder des Patienten, die ihnen im Rahmen der Behandlung bekannt geworden
sind, immer dann und insoweit offenbaren, als dies zur Aufgabenerfüllung des Gerichts,
der Führungsaufsichtsstelle und der Bewährungshelferin oder des Bewährungshelfers
erforderlich ist.“ (BgrBR)

 Im Einzelfall kann die Frage, ob eine schnelle Mitteilung über „besondere


Vorkommnisse“ des Klienten an die Kontrollbehörde tatsächlich einen höheren
Opferschutz bedeutet, kontrovers beantwortet werden: z.B. wenn der Klient sexuell
abweichende Phantasien äußert: die Phantasie als solche ist kein Straftatbestand und
auch keine unmittelbare, konkrete Tatplanung  ihre therapeutische Thematisierung
kann zur Veränderung beitragen, während pure soziale Kontrolle ohne Einfluß auf die
Phantasien des Klienten bleibt
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B) Zur Unmöglichkeit instruktiver Beeinflussung in der psychosozialen Arbeit

• lebende Systeme sind auf (neuro-) biologischer Ebene „autopoietisch“ (Humberto


Maturana), d.h. „operational geschlossen“, sie können Zustandsänderungen nur „von
innen her“ bewirken („innen“ und „außen“ gibt es nur für Beobachter)

 Es lässt sich aufgrund der Komplexität des Nervensystems nicht vorhersagen, wie
ein und dieselben Sinneseindrücke verarbeitet werden.

 Evolutionäre Prägung: binokulare Wahrnehmung bewegter Objekte, um diese zu


packen

• Niklas Luhmann: für soziale Systeme ist aufgrund der Unvorhersagbarkeit der
Reaktionen die Situation der doppelten Kontingenz charakteristisch: Ich kann nicht
wissen, wie der andere handeln wird, er weiß nicht, wie ich handeln werde.

 Peter M. Hejl: In sozialen Systemen muss es die Möglichkeit der Wahrnehmung


einer „gemeinsamen Realität“ geben, um sinnvoll kommunizieren und handeln zu
können
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Daher: Doppelte Kontingenz und die Hilflosigkeit der Helfer

„Wenn ich gegen einen Stein trete, dann gebe ich dem Stein Energie und er bewegt sich mit dieser
Energie … Wenn ich einen Hund trete, dann reagiert er mit der Energie, die aus seinem Stoffwechsel
kommt.“ (Gregory Bateson, S. 126)  und beißt mich vielleicht

 Auch wenn Al-Hafi Nathan mit einer Pistole an der Schläfe um Geld „gebeten“ hätte,
hat er keine Garantie, dass Nathan der Erpressung nachgibt
 Auch wenn das Erscheinen in den Therapieräumen strafbewehrt ist, gibt es keine
Garantie, dass der Täter sich auf die Therapie einlässt, ja nicht einmal, dass er erscheint.

 Implikationen:
 Versagensängste bei den Helfern (Sozialarbeitern, Therapeuten, Betreuern…), wenn
das Kontrollsystem die Verantwortung für die Rückfallfreiheit des Täters auf sie
delegiert = dieser „gesellschaftliche Auftrag“ wirkt plausibel, ist aber nicht erfüllbar
 Überforderung, Resignation und Enttäuschung sind vorhersehbar
 Im Einzelfall kann sich der Helfer noch so sehr bemühen, der Klient hat immer die
Möglichkeit, sich anders zu entscheiden  ohne Vertrauen geht’s nicht
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Schuld und Gewissen im Zwangskontext

„Allgemeinheit“

Justiz

Leidensdruck vs. subjektiver Gewinn → Veränderungsmotivation

Leid des Opfers ← Tat ← Täter ↔ Therapeut ↔ Hilfesysteme

„Auch nach der (bedingten) Entlassung stellt sich die Prognosefrage immer wieder neu.“
(BgrBR)
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Schuldgefühle und Inklusion in der Täterarbeit

• Doppelte Kontingenz wird in sozialen Systemen durch Zugehörigkeit minimiert


• Schuldgefühle und schlechtes Gewissen sind Ausdruck der erlebten Zugehörigkeit zu
einer sozialen Gruppe (z.B. auch: bei verloren gegangener Pistole zum Gangsterboss)

 Wenn Bestrafung exklusiv wirkt (in Bezug auf den bürgerlichen Mainstream):
 kein Wunder, wenn der Täter keine Reue zeigt
 Gewissensfunktion ist gemindert oder abhanden gekommen, weil die Zugehörigkeit
zur legalen Gruppe fehlt oder abgebrochen wurde
 Strafe kann als Nebenwirkung den Leidensdruck für den Täter herstellen, wenn er ihn
aufgrund der Tatfolgen nicht schon selbst empfindet,
 Strafe soll in der Hauptwirkung inklusiv wirken, d.h. auf vielfältige Weise das
Andocken an die legale Wertegemeinschaft ermöglichen = ambivalenter Auftrag
 Fehlt die Anerkennung für legalverhaltenswirksame Persönlichkeitsänderungen des
Täters, wird die Zugehörigkeit zu kriminellen Milieus gestärkt.
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Conclusio 1: Verhältnis von sozialer Kontrolle und Therapie

• „Die Ambulanz wird in einigen Bereichen der Bewährungshelferin oder dem


Bewährungshelfer gleichgeordnet; ihre therapeutische Unabhängigkeit wird jedoch
gewährleistet.“ (BgrBR)
 Stehen Bewährungshilfe und Kriminaltherapie in Konkurrenz?
• FA: Federführung und Verantwortung, aber kein „Hineinregieren“ in die Behandlung

 Welche Themen werden sinnvollerweise von der BWH / Führungsaufsicht behandelt?


 Auflageneinhaltung, praktische Hilfe bei der Lebensführung und Risikoeinschätzung

 Welche Themen werden sinnvollerweise in der Therapie besprochen?


 Themen, die tiefer in der Persönlichkeit verwurzelt sind, so dass ihr Offenbaren
einen Schutzraum erfordert, oder Angehörige einbeziehen und Risikoeinschätzung

• Parallelbehandlung kann sich gegenseitig behindern und Irritationen auslösen.


 Runder Tisch (mit Teilnahme des Klienten): Feinjustieren der Aufgabenteilung
Prof. Klemm, ISONA – Spielräume in Zwangskontexten

Conclusio 2: Spielräume für Eigenverantwortung in der Vollzugspraxis

In der Sicherungsverwahrung Untergebrachte sind hinsichtlich ihres Anspruchs auf


psychosoziale Versorgung privilegiert. Welche Ansprüche kann die große Mehrheit der
im Regelvollzug einsitzenden Straftäter in Hinblick auf die Resozialisierung geltend
machen?

• intramurale Alltagsgestaltung: Angleichung an zivile Lebensformen (Wohngruppen,


Kochen, Waschen etc.)
• Lösung der durch die Straftat aufgeworfenen Konflikte in oder mit den betroffenen
Systemen (z.B. TOA, Wiedergutmachung, Konzepte von Cloé Madanes bei KWG)
• Öffnung des Vollzugs für Angehörige (z.B. Russland)
• feingliedrige Abstufung des Vollzugs: geschlossen, halboffen (eigenständiges Wohnen
auf dem Anstaltsgelände), offen (Wohnen außerhalb des Anstaltsgeländes), Hausarrest
(z.B. Brasilien)
• intensivere Nutzung des Instruments der bedingten Entlassung, insbesondere
Halbstrafe (z.B. Südafrika)
• gesetzliche Kopplung von bedingter Entlassung an Bewährungshilfe (z.B. Österreich)
Prof. Klemm, ISONA – Spielräume in Zwangskontexten

Amerikanische Effektstudien zur Kriminalprävention

– Die Gesamtkosten für „multisystemische Therapie“ sind deutlich geringer als in


üblichen Einzeltherapien oder stationären Behandlungen: Für eine MST ($164 pro
Woche) sind ungefähr 15% der Kosten einer stationären Behandlung ($1,068)
aufzuwenden und etwa die Hälfte einer gemeindenahen Psychiatriebehandlung ($365) –
diese Zahlen gelten für die USA. Eine Intensiv-MST wird mit durchschnittlich $384 je
Woche angesetzt.

– Volkswirtschaftliche Ersparnisse im Vergleich (Aos, 2006) pro Jugendstrafgefangener:

 Multisystemische Pflegefamilientherapie 77 T $
 Familienintegrierte Übergangsbegleitung 40 T$
 funktionelle Familientherapie 31 T$
 multisystemische Therapie 18 T$
 Anti-Gewalttraining 14 T$
 Berufsausbildung 13 T$
 BPS für Jugendliche 7 T$
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Anstelle eines Fazits die Einladung zur Diskussion…

„Über das Unsichtbare wie über das Irdische haben Gewißheit die Götter,
uns aber als Menschen ist nur das Erschließen gestattet.“ ALKMAION
(in: Diels: Fragmente der Vorsokratiker, S. 39)

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