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NON NISI DIGNO
Der Wahlspruch einer der ältesten deutschen Freimaurerlogen, der Leip­
ziger Loge „Minerva zu den drei Palmen", Nr. 7, ist eine Verpflichtung.

„NON NISI DIGNO - Nur dem Würdigen", also nur dem, der durch sein
Wirken, seinen Lebenswandel, sein Menschsein es sich verdient hat, soll
die Pforte des Tempels offen stehen.

Seit nunmehr 270 Jahren versuchen die Brüder der Loge diesem hohen
Anspruch gerecht zu werden, einem Anspruch, dem mit Sicherheit nicht
leicht Genüge getan ist und der von einem Einzelnen nur selten erreicht
werden kann.

„Wie schwach ist der Einzelne - wie stark die Gemeinschaft!", heißt es in
einem freimaurerischen Ritual und tatsächlich weiß der Freimaurer immer
einen Freund und Bruder an seiner Seite. So gilt unser Dank heute all jenen
Brüdern, die mit uns vereint in der „Kette brüderlicher Eintracht" stehen.

Besonderer Dank gilt unserem Bruder Rolf Appel, dessen Text diese Publi­
kation ermöglichte, sowie Bruder Hans-Peter Kurr und den Schauspielern
Jan Reimitz und Ludwig Richter für die Inszenierung und Aufführung des
,,Ernst und Falk".

Nicht zuletzt aber erinnern wir uns in Dankbarkeit auch an unseren Bruder
Lessing selbst. Möge ihm das freimaurerische Licht leuchten.

Limitierter Sonderdruck
anlässlich des 270jährigen Stiftungsfestes der Loge
„Minerva zu den drei Palmen", Nr. 7 L 0. Leipzig

laufende Numme : 143 / 999


Zum Geleit

Müssen wir nicht feststellen, Geistes angebrochen: Lessing,


dass der viel beschworene Les­ Klopstock, Herder, Wieland, der
sing - außerhalb der Fachwis­ junge Goethe - jeder dem Frei­
senschaft - in Wirklichkeit unbe­ maurerbund angehörig.
kannt ist, zumal auch sein Leben
in der ihm eigentümlich zurück­ Was für ein Partner wäre Lessing
haltenden Gefühlswelt keine dem König geworden: freimütig,
dramatischen Akzente aufweist? schlagfertig, charaktervoll - dem
König, der in Rheinsberg und
15 Jahre älter als Herder, 20 Berlin Logen gegründet hatte!
Jahre älter als Goethe, starb Les­
sing in dem Jahre, als Kants Als Lessing vierundzwanzigjäh­
,,Kritik der reinen Vernunft" er­ rig aus Berlin weichen musste,
schien. Ironie des Schicksals, schrieb er eine Ode, worin es
dass er starb, als eben noch der heißt:
Preußenkönig Friedrich II.
seinen offenen Brief ,De la litte­ ,Ein König mag immerhin über
rature allemande' geschrieben mich herrschen; er sei mäch­
hatte mit der Klage, dass er die tiger als ich. Aber besser dünke
Morgenröte des deutschen er sich nicht.'
Geistes nicht mehr erleben
werde. Dabei war schon der Da haben wir bereits den ganzen
helle Vormittag des deutschen Lessing!
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Lessing und sein Werk "Die Erziehung des
Menschengeschlechts" als Ergebnis seiner
freimaurerischen Erfahrungen
Ein gewisser Hamburger Rektor 3. Es ist nicht nachweisbar, dass
und Schreiber von Büchern über Lessing Logen besucht hat, aber
Logen und u. a. auch über Les­ er war zur Gründungszeit der
sing spricht diesem die Eigen­ Bad Pyrmonter Loge (1776) an
schaft als Freimaurer ab, denn eben diesem Ort und hat dann
1. er wurde in einer Privatwoh­ seine „Gespräche für Freimaurer"
nung aufgenommen, in Bad Pyrmont spielen lassen.
2. er erhielt an einem Abend alle 4. Dass Lessing nicht deutschna­
drei Grade, tional eingestellt war, gereicht
3. er habe - angeblich - keine ihm zur Ehre. Sein dramatisches
Loge mehr besucht, und - Gedicht „Nathan der Weise" ist
schlimmstens - jenem Herrn Kneisner wohl zu
4. er sei nicht deutschnational, fremdenfreundlich gewesen.
sondern international und
freundlich Fremdrassigen ge­ Wir wissen, dass dieses Theater­
genüber gewesen. stück zu den Hohen Liedern un­
seres Volkes gehört. Wir wissen
Ich stelle dazu fest: zudem, dass Lessing bereits zu
1. 1771 gab es noch keine La­ seiner Studentenzeit in Leipzig
genhäuser, also konnte nur in enge Kontakte zu Freimaurern
größeren Privathäusern oder aufnahm, dass er dies in Berlin in­
Hotels aufgenommen werden. tensivierte - ich nenne Kleist, Ni­
Die ersten Aufnahmen in colai und den Verleger Voß - dass
London und Hamburg fanden in er in Hamburg mit dem „Absa­
Weinlokalen statt. lom" - Stuhlmeister Johann Joa­
2. Friedrich der Große wurde chim Bode eine gemeinsame
ebenfalls an einem Abend in alle Druckerei und eine Buchhand­
drei Grade eingeführt. lung betrieb, dass er mit den
Freimaurern Schröder und Ekhof Methoden erzogen werden
verkehrte und keine Gelegen­ sollte, wie Gott sie auf das ganze
11

heit ausließ, Kontakte mit Frei­ Menschengeschlecht angewandt


maurern zu gewinnen, so auch hat."
zu seinem späteren Verleger,
dem „Absalom" Mitglied In seinem Erziehungsbuch for­
Campe. An seinem Wirkungsort dert er, dass das Kind seinem
Wolfenbüttel wollte er - der Brief Alter entsprechend zur Erkennt­
ist vorhanden - sogar eine Loge nis der Welt und seiner selbst ge­
gründen und deren Meister sein. langen sollte. Die Kinder sollten
Das alles widerlegt Kneisners Be­ durch das Beispiel der Eltern
hauptung, und ich wollte, alle lernen, und auch Lessing for­
heutigen Freimaurer würden derte Erziehung durch vorbild­
derart intensiv Freimaurerei be­ liche Taten, denn der Mensch
treiben, wie Lessing es tat. trägt das Bemühen in sich,
besser zu werden und auf eine
Nun zum eigentlichen Thema. höhere moralische Ebene zu ge­
Die Erziehung stand im Mittel­ langen. In diesem Bestreben
punkt der Interessen der aufge­ nach sittlicher Fortbildung liege
klärten Geister des 18. Jahrhun­ der wirkliche Sinn seines Lebens.
derts. Sie waren bemüht, die
verbreitete Unwissenheit einzu­ Hier entdecken wir deutlich eine
dämmen, der Menschheit die freimaurerische Tendenz, nach
Wahrheit näherzubringen und der ein sittliches Fortschreiten
sie damit zu beglücken, da der für recht und notwendig für die
Mensch nun einmal seinem ganze Gesellschaft - den „Bau
Wesen nach nichts sehnlicher des Tempels der Humanität" -
wünscht, als sein Wissen zu er­ gehalten wird.
weitern und auf dem Weg des
Guten fortzuschreiten. Lessing hat eine große Achtung
vor der menschlichen Geschich­
In jenen Jahren erfand Basedow te, in der er Gottes Offenbarung
neue Erziehungsformen, wo­ zu erkennen glaubt, denn nichts
nach ein Kind nach den gleichen ist sinnlos, alles hat sein ge-

6
setztes Ziel, und dieses göttliche Auch hier erkennen wir deutlich
Ziel ist die Entwicklung des Men­ das Selbstverständnis der Frei­
schengeschlechts zur endlichen maurerei. Zu der gehört Geduld,
Vollkommenheit hin. denn alles will langsam reifen
und gedeihen; Menschen gedei­
Die Grundlage seiner Ge­ hen nicht im Treibhaus.
schichtsphilosophie war - wie
später auch Herder sie lehren Erhabene Größe reift langsam
sollte - die einer fortschreiten­ unter Beschwerden. Der Lebens­
den Vollkommenheit des Men­ rhythmus, der sich schon beim
schengeschlechts durch dau­ Kleinkind ablesen lässt, enthält
ernde Selbsterziehung. eine fortwährende Steigerung
zum Besseren - das behauptet
Die Menschen dürfen nicht nur der Optimist Lessing.
den ihnen von der Natur vorge­
zeichneten Weg gehen und nur Er geht sogar so weit, dass er das
ihren Neigungen leben, sie Ziel sieht - sowohl in „Ernst und
sollen auch nicht ihrer Natur zu­ Falk", wie auch in der „Erziehung
widerhandeln, sondern daran des Menschengeschlechts" -
arbeiten, dass ihre mitgege­ dass es eines fernen Tages keiner
benen Anlagen sich entwickeln Religion und keines politischen
und sich stufenweise der Voll­ Zwangsapparates von Obrigkeit
kommenheit annähern. mehr bedarf, weil dann das Gute
getan wird, weil es das Gute ist.
Freimaurer denken "von Grad zu Das hat einen tiefen religiösen
Grad", wie Goethe es aus­ Hintergrund, den der endlichen
drückte. Der Ablauf dieser Evo­ Erlösung nämlich, und er meint
lution der Menschheit findet ja auch, dass in jedem Menschen
nach Lessing sein Abbild im Er­ Göttliches veranlagt ist, was ihm
ziehen des einzelnen Menschen, die eigentliche Würde verleiht.
nicht durch Politik oder ideolo­
gische Systeme, sondern durch Auch in diesem Punkt erkennen
die Anleitung des Einzelnen zur wir Lessings Denken als Freimau­
Arbeit an sich selbst. Auch hier rer.
Obwohl Lessing zweifellos reli­ bewahren und zu fördern, so Les­
giöse Anschauungen vertritt, er­ sing.
wartet er von den Menschen,
dass sie selbst an ihrer Weiter­ Man kann ihn so verstehen, dass
entwicklung arbeiten und sich er die Freimaurerei gleichsam als
formen. In seinem Fragment eine Kirche ansieht, denn ihre
,,Über die Herrnhuter" schreibt er: Mitglieder nehmen an einem
„Der Mensch wurde zum Tun und ewigen Geheimnis teil, das sie ra­
nicht zum Vernünfteln geschaf­ tional nicht verstehen, aber
fen". Wie wahr! Und wie sehr gerade dadurch sind sie mit ein­
sollten sich Freimaurer dieser ander verbunden.
Mahnung annehmen!
Dem Prinzip ihrer Gemeinschaft
Lessing erwartet die Verände­ liegt etwas zugrunde, das höher
rung der Menschheit - entspre­ steht als sie und dadurch der Be­
chend der Entwicklung eines urteilung des Einzelnen entzo­
Kindes - nicht von einem ge­ gen ist, dessen Geheimnis aber
heimnisvollen Eingriff vom jeder anerkennt. ,,Das entspricht
Himmel, sondern von der gedul­ der Einstellung eines Gläubigen in
digen vernünftigen Einwirkung der Kirche", meinte Lessing.
des Menschen auf sich selbst.
Dieser Gedanke ist deckungs­ Er sagt, dass der Freimaurer
gleich mit der Philosophie der wüsste, dass die anderen Einge­
Freimaurerei. weihten gleich ihm in sich ge­
gangen seien, dass sie den Kern
Freimaurer bemühen sich, über ihres Wesens erkannt und ihre
die menschengesetzten Gren­ Taten dadurch einen neuen Sinn
zen hinauszuwachsen, sie bilden bekommen hätten, dass sie nicht
eine Gemeinschaft, ohne dass mehr irrational umgetrieben
Herkunft, Staatszugehörigkeit seien und keinen spaltenden
oder Religion die Mitglieder Sonderinteressen folgten.
voneinander trennen, und es
geht ihnen darum, im Menschen Lessings Freimaurerei ist die Ver­
das Menschliche zu wecken, zu einigung aller derjenigen, die
sich als Weltbürger fühlen, die Gesellschaft einem Stadium der
auf die Sonderinteressen und Vollkommenheit entgegenzu­
die ihrer Gruppen verzichtet führen. Das läge im göttlichen
haben, um sich allein dem Wohl Plan, alles ist ständige Wandlung
der Menscheit zu widmen. zur Vollkommenheit hin, nur,
dass Menschen mit Daten rech­
Sie entkleiden den Menschen nen - die Maßstäbe des Ewigen
aller zufälligen Beigaben und sind hingegen andere.
lassen das Wesentliche gelten.
Sie handeln vernunftgemäß und Das Recht des Stärkeren darf
haben dennoch ihre Begeiste­ keine Gültigkeit besitzen, denn
rungsfähigkeit nicht verloren. jeder Mensch hat ein Lebens­
recht, und jeder Mensch trägt
Lessing hat immer versucht, das den Ewigen in sich. Blies nicht
kämpferische Streben und die Gott - nach der Schöpfungsge­
heitere Vernunft in Einklang zu schichte - dem Adam seinen
bringen. Odem, seinen göttlichen Odem,
ein? Von daher hat jeder Mensch
Alle Freimaurer haben nach seine einmalige Würde und ist
seiner Vorstellung teil an einem dadurch auch bestimmt zu einer
gemeinsamen Geheimnis, von Vollkommenheit.
dem jeder Einzelne seinen Anteil
besitzt. Lessing will die Menschen nicht
dazu bringen, Engel zu werden;
Der Freimaurer, der nach Les­ er fordert von ihnen, wirklich
sing in mancher Beziehung der Mensch nach seiner göttlichen
Erzieher des Menschenge­ Bestimmung zu sein.
schlechts ist, weiß, dass er nicht
sofort jede Wahrheit erfassen Freimaurer dürften ihren berech­
kann, aber „morgen werden alle tigten Anspruch auf Überlegen­
imstande sein zu begreifen, was heit nur durch vollbrachte Taten
ihnen heute noch unverständlich rechtfertigen. Dazu bedürfen sie
erscheint", sagte er. Immer geht nicht außergewöhnlicher gei­
es ihm darum, die menschliche stiger Fähigkeiten, aber - wenn
sie ihre Kunst recht verstehen Dann folgt die zweite Phase des
könnten sie eine besondere Christentums, wo das Gesetz
Schicht bilden, eben, weil sie überwunden wird durch Liebe -
größere Anforderungen an sich zu Gott und zum Nächsten, und
selbst stellten - im Gegensatz zu Jesus Christus wird zur Leitfigur
den meisten politischen Füh­ für den wahren Menschen.
rern, die nur Anforderungen an
ihre Untertanen stellen, um sie Die dritte Phase ist die, in der der
möglichst unmündig halten zu Mensch aus Vernünftigkeit seine
können. Vollkommenheit anstrebt. Für
ihn ist es undenkbar, dass die
Von daher sind Freimaurer be­ ewige Vorsehung, die auch die
rechtigt, Verantwortung für Quelle der Vernunft ist, der gläu­
andere und für die Besserung bigen Menschheit Rätsel aufgibt,
der Zustände zu übernehmen. die unlösbar sind oder nicht
Wir sehen, Lessing gibt der Frei­ gelöst werden dürfen.
maurerei und jedem einzelnen
Mitglied einen hohen Wert, Hier hält er den Kirchen einen
wenn, ja, nur wenn dieser einzel­ Spiegel ihrer Selbstherrlichkeit
ne Freimaurer sich durch Taten vor, die den Gläubigen in der Un­
als Vorbild erweist. reife belassen wollen.

Mit der Erziehung des Men­ Jeder Mensch - und dies deutet
schengeschlechts habe die besonders auf die Freimaurerei
ewige Vorsehung einen pädago­ hin - hat das Recht und die
gischen Kunstgriff vollzogen, Pflicht, aus der Finsternis hervor­
meinte Lessing. In seinem Werk zutreten und dem Licht entge­
hält er die erste Phase der Erzie­ gen zu wandern.
hung des Menschengeschlechts
für die des Alten Testaments, wo Eine derartige Auffassung des
Gott sich ein besonders ungebil­ Christentums ebnet der Religion
detes und rohes Volk ausge­ der Zukunft, einem neuen Evan­
sucht habe, das er mit gültigen gelium, den Weg, womit das
Gesetzen zu erziehen trachtete. dritte Zeitalter der Menschheit
angebrochen ist. Es ist interes­ ,,Der Weise will nicht im Sprung er­
sant, dass Lessing die Entwick­ haschen, was nur die Geduld brin­
lung in drei Stadien vor sich gen kann." Lessing ist, was unser
gehen sieht. Lessing sagt sogar, menschliches Leben betrifft, ein
dass die ganze Ewigkeit sein sei, ganz ungeheurer Mutmacher, auf
nicht eine spekulative, erson­ den man sich gut einlassen kann -
nene, sondern die wirkliche, die und das Außerordentliche ist,
bereits in die Gegenwart reicht, dass er die Veränderung zum
denn Ewigkeit besteht nicht aus Guten auf der Basis von Einsicht
Gestern, Heute und Morgen, son­ und Vernunft begründet: ,,In der
dern aus der ihr eigenen Ewig­ Erkenntnis der Auserlesenen sehe
keit. ich die Antriebskraft der Geschich­
te."
Wir wissen, wohin wir gehen. Nur
Utopisten und voreilige Schwär­ Lessings Wahrheit ist dynamisch.
mer künden die endgültige Er­ Daher ist es auch Aufgabe des
leuchtung schon für die nächste denkenden Menschen, den Geist
Zeit an. Die menschliche Natur seines Zeitalters zu erfassen und
ändert sich aber nur langsam, seinen Zeitgenossen den Weg
ihre Fortschritte sind fast unsicht­ zum wahren Fortschritt zu weisen
bar. Aber der aufgeklärte Mensch - mit anderen Worten: Freimaure­
weiß, dass er geduldig warten rei in die Menschen zu bringen.
muss, und er weiß auch, dass er
mitten in der Ewigkeit steht. Die Rolle, die Lessing den Frei­
maurern zuweist, gleicht auf selt­
,,Sei ohne Sorge, der Freimaurer er­ same Weise der Rolle der Vorse­
wartet mit Zuversicht den Aufgang hung, die er in „Erziehung des
der Sonne!'' Lessings „Erziehung Menschengeschlechts" beschreibt.
des Menschengeschlechts" endet Entscheidend ist vor allem das
mit einer Berufung auf den un­ Bemühen des Menschen um Er­
endlich langsamen, aber anhal­ kenntnis, die höhere Vorsehung
tenden und gewissen Fortschritt wird dann dafür sorgen, dass ge­
der Menschheit zur Vollkommen­ wissermaßen die Richtung ge­
heit. halten wird: ,,Selbst die Irrtümer

J_ ________________ ,,
und Umwege dienen den Zwecken Mitglieder - sondern die Maurer
der Vollkommenheit, wenn wir des regen Geistes und der täg­
dies auch nicht zu erkennen ver­ lichen Tat meint.
mögen. Alles durchzieht ein roter
Faden zu dem einen Ziel hin." Und dieser Fortschritt, so meint
Lessings Erziehung entspricht er in seinen 100 Paragraphen der
der Evolution der Menschheit. Er "Erziehung des Menschenge­
wiederholt ständig und einhäm­ schlechts", vollzieht sich nicht
mernd, dass die Erziehung gradlinig, die Menschheit geht
weder dem Menschen noch dem nicht direkt auf ihr Ziel zu, sie
Menschengeschlecht etwas kennt Umwege und Rückfälle,
gibt, was diese nicht auch aus aber jedes Stadium entspricht
sich selbst heraus haben einer Phase dialektischen Fort­
können, wenn sie die rechte Ver­ schritts der Vernunft.
nunft walten lassen. Diese Gei­
ster sind es, die die Menschheit Er lehnt es ab, in der Geschichte
von Grad zu Grad emporsteigen nichts anderes als das Schlacht­
lassen. feld von Instinkten, Leiden­
schaften und Vorurteilen zu
Auch hier erkennen wir Lessing sehen, wo die Macht und das
als überzeugten Freimaurer. Les­ Geltenwollen über den Geist zu
sing ist derart zukunftsfroh, was siegen scheinen, wo die Begehr­
die Entwicklung, sprich Erzie­ lichkeit triumphiert und die
hung des Menschengeschlechts Normen von Sitte und Moral un­
angeht, dass er mit seinen terdrückt werden.
Worten - natürlich symbolisch -
ausdrückt, dass die Freimaurer
gewiss von Tag zu Tag mehr
werden, bis sie einmal das ganze
Menschengeschlecht ausma­
chen.

Wir sehen, dass Lessing - nicht


die Logenbrüder, die Nur-
Moses Mendelssohn (1729-1786), im Tischgespräch mit Johann Kaspar Lavater (1729-1781),
im Hintergrund Gotthold Ephraim Lessing.

Gemälde von Moritz Daniel Oppenheim (1800-1882)


Zu „Ernst und Falk" in der Regie von Hans-Peter Kurr

Dem Aufklärer Lessing ist es wichtig, zu dokumentieren, dass jedwede


Kulturform, also auch soziales und politisches Denken ,eine innere Ge­
setzmässigkeit ihres Verlaufes hat, in Jugend, Alter, Entfaltung, Reife,
Verfall und Tod.

Dazu gehören Begrifflichkeit und lnhaltlichkeit der „Freiheit des Den­


kens", wie auch in Schillers „Don Carlos" apostrophiert: "Geben Sie Ge­
dankenfreiheit!" oder Lessing milderes: Es gibt nicht Schöneres, als [...]
11

Denken mit einem Freunde!"

Es ist das Unvermeidliche solcher Betrachtung, dass der Betrachter (in


Lessings Fall seine fürstlichen Adressaten) diesen Vorgang zumeist ver­
spätet bemerkt.

So sind, zunächst nahezu unbemerkt, ganze Völker - wie zum Beispiel


das römische der Antike - untergegangen, nicht weil der Homo sapiens
in seiner sapientia versagt hätte, sondern der Homo artifex in seinem ar­
tificium oder - noch dichter an Lessings Philosophie - der Homo spiritu­
alis am Geist und der Homo politicus an dem Gesetz der Gleichheit aller
Menschen!

Hans-Peter Kurr
Die Uraufführung dieser Ge­ Mit der Aussage „Freimaurerei
spräche fand am 15. Februar war immer" meint Lessing nicht
1998 im Mozart-Saal des Logen­ die Einrichtung der Logen, son­
hauses Moorweidenstraße in dern den geistigen Gehalt der
Hamburg statt. Freimaurerei.

Das „Hamburger Abendblatt" Die Inszenierung wurde auf­


lobte diese Aufführung als „ganz grund der Initiative des Br. Rolf
dem Aufklärer Lessing und der Appel seit jener Zeit in Kamenz,
Klarheit seiner Gedanken und Weimar, Wetzlar, Geesthacht
Sprache verpflichtet" und arbeite­ und wiederholt in Hamburg
te heraus: präsentiert.

"Es hat etwas Beruhigendes, inmit­


ten der Inflation verschwommener
Begriffe, gescheiterter Utopien, er­
neuter nationalistischer Verstockt­
heit und nebulöser Heilserwar­
tungen Lessings Sprache der Ver­
nunft zuzuhören. ... Lessing fasst
den Begriff der Freimaurerei weit.
Für ihn ist sie nichts Willkürliches,
sondern im Wesen des Menschen
und der bürgerlichen Gesellschaft
gegründet. So wird auch der
Dialog zwischen Ernst und Folk
zum Plädoyer für den aufrechten
Bürgergang wider Standesdünkel,
nationale und religiöse Vorur­
teile."
Über den Autor Rolf Appel

·1920 Geboren in Süderbrarup /Schleswig-Holstein


•1945 Lizenz der Britischen Militärregierung als Buchverleger
·1945 Mitgründer des Norddeutschen Buchhändler- u. Verleger-Verbandes
·1946 -1970 Buchverleger der Herrnhuter Brüdergemeinde
•1948 Aufnahme als Freimaurer
·1952 -1960 Meister vom Stuhl der Loge „Globus"
•1958-2002 Redakteur der freimaurerischen Zeitschrift „Hanseatisches Logenblatt"
·1960 Vorstandsmitglied des Freimaurer-Krankenhauses
•1960-1962 Distriktsmeister der Distriktloge Hamburg/Schleswig-Holstein
•1963 -1983 Aufbau und Erweiterung des Bauhütten-Verlags
·1964 -1967 Zugeordneter Großmeister der Großloge AFuAMvD
•1965 Antragsteller zur Verleihung eines Literaturpreises
•1965 -1970 Redakteur der freimaurerischen Zeitschrift „Die gelben Blätter"
•1966 Laudatio auf den Literaturpreisträger Max Tau
·1967 Anreger zur Gründung des Forum Masonicum (Loge67 )
·1967 -1969 Redakteur der freimaurerischen Zeitschrift „EURO MASON"
·1968-1970 Meister vom Stuhl in der Loge „Eidora zum Schwan"
•1968 -1981 Kommissionsmitglied „Dialog mit der Kath. Kirche"
·1971 -1979 Vorstandsmitglied des Norddeutschen Buchhändler- und Verleger-Verbandes
·1973 -1978 Redakteur der freimaurerischen Zeitschrift „Die Bruderschaft"
•1974 Verleihung der „Matthias-Claudius-Medaille""
•1975 Ehrenzeichen der GL AFuAM in Gold
•1977 -2002 Vorstand des Sozialwerks des Deutschen Buchhandels
·1979 -1982 Erarbeitung des Ritualwerks der GL AFuAM (zusammen mit Wolfgang Scherpe
und Klaus Horneffer)
•1980-1984 Meister vom Stuhl der Loge „Frithjof zum Nesselblatt"
·1980-1984 Gutachter für Verlagsrechtsfragen beim OLG
·1983 Laudatio auf den Literaturpreisträger Lew Kopelew
·1990 -1994 Meister vom Stuhl der Loge „Die Brückenbauer"
•1990 -1995 Redakteur der freimaurerischen Zeitschrift „Humanität"
•1991-2002 Aufbau der Freimaurerei in Litauen
•1994 Archivar und Bibliothekar, Distriktsloge Hamburg
·1995 Mitgründer der Künstlergesellschaft PEGASUS
·1996 Verleihung des CICERO-REDNERPREISES
•1997 - 2000 1. Vors. der Lessing-Gesellschaft zu Hamburg
•1998 Verleihung der Paulskirchenmedaille in Silber
•1999 Ehrenmitglied in der Gesellschaft „Pegasus"
•2000 Verleihung der „Bernhard-Beyer-Medaille"
•2000 Laudatio auf den Literaturpreisträger Arno Surminski
•2002- 2005 Erneut 1. Vorsitzender der Lessing-Gesellschaft zu Hamburg
•2004 Verleihung des LESSING-RINGS
·2005 Ehrenkreuz der Großloge von Lettland
·2005 Ehrengroßmeister der „Großloge von Litauen"
•2006 Ehrenvorsitzender der Lessing-Gesellschaft zu Hamburg

Quelle: Br. Jürgen Boll / www.freimaurer-wiki.de (gekürzt)


Der Lessing - Ring bisherige Empfänger
des Lessing-Rings:
Der Lessing-Ring ist eine Auszeichnung, die
1965 von der Großloge der Alten Freien und 2007 Hans Küng
Angenommenen Maurer von Deutschland ge­ 2004 Rolf Appel
stiftet wurde. Sie wird seit 1966 in unregelmä­ 2001 Arno Surminski
ßigen Abständen verliehen. 1993 Reiner Kunze
1983 Lew Kopelew
Bis 1974 wurde sie in Verbindung mit dem do­ 1974 Peter Huchel
tierten Literaturpreis der deutschen Freimau­ 1972 Golo Mann
rer, seit 1983 teilweise zusammen mit dem do­ 1970 Siegfried Lenz
tierten Kulturpreis der deutschen Freimaurer 1968 Erich Kästner
vergeben. 1966 Max Tau

Rolf Appel (rechts) empfängt den Lessing-Ring aus der Hand


des damaligen Großmeisters der Großloge der Alten Freien
und Angenommenen Maurer von Deutschland, Br. J. Oberheide
Aus Lessings "Ernst und Falk"

ERNST Ist es wahr, Freund, dass du ein Freimaurer bist?

FALK Die Frage ist eines, der keiner ist.

ERNST Freilich! - Aber antworte mir gerade zu. - Bist du ein Freimaurer?

FALK Ich glaube es zu sein.

[ ... ]

ERNST Und könntest du denn wissen, was du weißt, ohne aufgenom­


men zu sein?

FALK Warum nicht? - Die Freimaurerei ist nichts Willkürliches, nichts


Entbehrliches: sondern etwas Notwendiges, das in dem Wesen des Men­
schen und der bürgerlichen Gesellschaft gegründet ist. Folglich muss
man auch durch eignes Nachdenken ebensowohl darauf verfallen
können, als man durch Anleitung darauf geführet wird.

ERNST Die Freimaurerei wäre nichts Willkürliches? - Hat sie nicht Worte
und Zeichen und Gebräuche, welche alle anders sein können und folg­
lich willkürlich sind?

FALK Das hat sie. Aber diese Worte und Zeichen und diese Gebräuche
sind nicht die Freimaurerei.

ERNST Die Freimaurerei wäre nichts Entbehrliches? - Wie machten es


denn die Menschen, als die Freimaurerei noch nicht war?

FALK Die Freimaurerei war immer.


ERNST & FALK w
1.-'

Gott ho! d E p h r<11 u� Le s·� 11- tl Gespräche für Freimaurer 1 - 5 z


N

<(

Modernisierte Sprachfassung mit zwei weiteren,


bisher verschollenen Gesprächen für Freimaurer.

Die ersten drei Gespräche erklären das Wesen der


Bruderschaft der Freimaurer und setzen sich mit
Modernisierte Sprachfassung mit dem Geheimnis dieses Bundes auseinander. Sie
zwei weiteren bisher verschollenen
Gesprächen für Freimaurer werden zwischen einem Freimaurer und einem
Nicht-Freimaurer geführt, eine ideale Konstellati­
on, die Denkweise des Geheimbundes im pro­
fanen Licht zu betrachten.

Bei der Lektüre des vierten und fünften Gesprächs wird bald ersichtlich, warum die da­
maligen Freimauer sich dafür einsetzten, dass Lessing die Veröffentlichung der Texte
zurückhielt ...
In diesen Gesprächen zwischen einem erfahrenen und einem jungen Freimaurer
zeichnet Lessing ein anderes Bild der Freimaurer und leitet schlüssig den Begriff "Frei­
maurer" aus der Runden Tafel des König Artus her. Er nimmt Bezug auf das Verhältnis
der Freimaurer zu den Templern und ernennt den Baumeister und Mitbegründer der
Royal Society, Christoph Wren, zum Schöpfer der modernen Freimaurerei.

Inhalt:
Vorwort• Stationen im Leben und Wirken von Gotthold Ephraim Lessing • Notabene:
Die Freimaurergespräche von Herder und Schlegel • Über die späte Veröffentlichung
des 4. und 5. Freimaurergesprächs von Ernst und Falk • Vorrede eines Dritten zum 4.
und 5. Gespräch• Anhang: Lessing und die Freimaurerei

Autor: Gotthold Ephraim Lessing


Redaktion der sprachlich modernisierten Fassung: Evert Kornmayer
Herausgeber: Freimaurerloge Lessing - No. 769 / Frankfurt am Main
Vorwort: Rolf Keil
100 Seiten, Taschenbuch
Preis: 10,00 E / 10,30 E [Al / 12,90 CHF
ISBN 978-3-942051-20-0

Auch erhältlich auf www.winkelmass-das-magazin.de


..L.----------------19
LEIPZIGER FREIMAURER VERLAG
Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)

Coppistr. 53
D- 05157 Leipzig

Präsenz: www.leipziger-freimaurer-verlag.de
Shop: www.winkelmass-das-magazin.de

r,, LEIPZIGER FREIMAURER VERLAG UG 2011


Alle Rechte vorbehalten, einschließlich der
fotomechanischen Wiedergabe und des
auszugsweisen Nachdruckes

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