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Friedhelm Hartenstein
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Allmächtigen, Schöpfer des Himmels und der Erde«. Das damit Gemeinte, die
Erschaffung und Erhaltung der ganzen Wirklichkeit, der »sichtbaren und un-
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sichtbaren Welt« (Kol 1,16), durch den einen Gott war seit den neutestament-
lichen Texten ein zentrales Element christlichen Selbstverständnisses. Dass der
Gott Jesu Christi und der Gott Israels von der Welt zu unterscheiden ist und zu-
gleich in ihr rettend und erhaltend wirkt, gehört zu den grundlegenden mono-
theistischen Verbindungslinien der zweiteiligen christlichen Bibel.2 Die histo-
risch-kritische Forschung hat sich der Vielfalt der Schöpfungsaussagen im Alten
Testament vor allem in religionsvergleichender und historisch-genetischer Per-
spektive zugewandt.3 Die Rede von JHWHs Leben ermöglichendem Handeln
konnte in die Kontexte antik-orientalischer Weltverständnisse eingeordnet wer-
den. Literarhistorisch ist es so, dass explizite Schöpfungstheologien, die vor allem
anfängliche Taten JHWHs bedenken, erst zu den relativ späten Erscheinungen
alttestamentlicher Rede von Gott gehören.4 Es sind nicht zufällig Deuterojesaja
1
Vortrag am 30. April 2013 im Rahmen der akademischen Feier zum 70. Geburtstag
von Bernd Janowski an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen (der Vortragsstil wur-
de beibehalten).
2
Vgl. M. Ebner u. a. (Hg.), Der Himmel (JBTh 20), 2006; darin aus systematisch-
theologischer Perspektive M. Welker, Schöpfung des Himmels und der Erde, des Sicht-
baren und des Unsichtbaren (in: aaO 313–323).
3
Vgl. O. Keel / S. Schroer, Schöpfung. Biblische Theologien im Kontext altorien-
talischer Religionen, 2002; K. Schmid (Hg.), Schöpfung (Themen der Theologie 4), 2012.
4
Vgl. etwa J. Jeremias, Schöpfung in Poesie und Prosa des Alten Testaments. Gen
1–3 im Vergleich mit anderen Schöpfungstexten des Alten Testaments (in: I. Balder-
mann u. a. [Hg.], Schöpfung und Neuschöpfung [JBTh 5], 1990, 11–36); R. G. Kratz /
und die Priesterschrift, deren Grundschichten aus der zweiten Hälfte des 6. bis
ins 5. Jahrhundert v. Chr. datieren, in denen sich prominent Weltschöpfungs-
aussagen finden. Mit ihrer Hilfe wurde – nicht ohne ältere Vorläufer – die neu
gewonnene monotheistische Gotteserkenntnis vertieft. Es ist die Einsicht in die
uranfänglichen Taten JHWHs im Blick auf die Welt und die Menschheit, die ge-
schichtliche Umbrüche nun erstmalig so zu lesen erlaubte, dass Israel als her-
ausgehobener Teil der Völkerwelt erschien, dessen Ergehen in einem zuletzt um-
fassenden Bezugsrahmen verstanden werden sollte. JHWHs Geschichtsmacht,
wie sie langzeitig in den schriftprophetischen Büchern wahrgenommen wurde,
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erschien nun als die andere Seite seines Schöpferhandelns.5 Die Gesamtwelt, für
die der Gott Israels sorgt und die er lebensförderlich eingerichtet hat, bildete die
Bühne für sein auch an Verstehensgrenzen führendes Handeln. Letzteres wurde
nun nicht mehr nur als Ausdruck des Rettungswillens JHWHs für die Seinen
vorgestellt, sondern auch als Zuwendung des Schöpfergottes zu allen Geschöp-
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fen. Sei es die kosmische Ordnung, die in der Priesterschrift nach der Sintflut aus
dem schöpferischen »Gedenken« Gottes heraus weiter existiert (Gen 9,15, vgl.
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8,1 [Nicht-»P«])6, oder sei es die Rolle Israels als »Zeuge« im Weltgeschehen
(Jes 43,10.12; 44,8), die sich für die Grundschicht Deuterojesajas mit dem Auf-
stieg des Kyros verband.7 In beiden Fällen dient nicht zufällig zur Begründung
monotheistischer Aussagen über das Gotteshandeln in der Geschichte aus-
drücklich die Weltschöpfung, oft betont die des Himmels.
1.2. JHWH als »Gott des Himmels« und der Wandel der Weltbilder
Es ist lange gesehen worden, dass sich die Belege für das hebräische Wort für
den »Himmel« šāmajim nicht gleichmäßig über alle Text- und Traditionsberei-
che des Alten Testaments verteilen. Vielmehr gibt es eine signifikante Zunahme
H. Spieckermann, Art. Schöpfer / Schöpfung II., TRE 30, 258–283; K. Schmid, Schöp-
fung im Alten Testament (in: Ders., Schöpfung [s. Anm. 3], 71–120).
5
Vgl. F. Hartenstein, Zur Bedeutung der Schöpfung in den Geschichtspsalmen (in:
R. Achenbach / M. Arneth [Hg.], »Gerechtigkeit und Recht zu üben« [Gen 18,19].
Studien zur altorientalischen und biblischen Rechtsgeschichte, zur Religionsgeschichte
Israels und zur Religionssoziologie, FS E. Otto [BZAR 13], 2009, 335–349).
6
Vgl. dazu B. Janowski, Schöpferische Erinnerung. Zum »Gedenken Gottes« in der
biblischen Fluterzählung (in: Ders., Die Welt als Schöpfung. Beiträge zur Theologie des
Alten Testaments 4, 2008, 172–198).
7
Vgl. R. G. Kratz, Kyros im Deuterojesaja-Buch. Redaktionsgeschichtliche Unter-
suchungen zu Entstehung und Theologie von Jes 40–55 (FAT 1), 1991, 148–174; C. Eh-
ring, Die Rückkehr JHWHs. Traditions- und religionsgeschichtliche Untersuchungen
zu Jesaja 40,1–11, Jesaja 52,7–10 und verwandten Texten (WMANT 116), 2007, 208–219.
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lung wie der Himmelsbezug einer Gottheit kaum datieren lässt, weshalb alte
und junge Aussagen in den biblischen Texten in dieser Hinsicht nur schwer zu
trennen seien.10 Die neueste Forschung zum »Himmel« im Alten Testament hat
versucht, literarhistorische und religionsgeschichtliche Erkenntnisse möglichst
präzise aufeinander zu beziehen und jeweils historische Kontexte zu erhellen.11
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Dabei ist deutlich geworden, dass man sehr genau zeigen muss, was für ein Kon-
zept vom »Himmel« jeweils in den biblischen Texten vorliegt. Es gab nicht das
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8
Siehe dazu jüngst S. Grätz, Jhwh, der Gott des Himmels. Erwägungen zu einer
alttestamentlichen Vorstellung (in: A. Berlejung / R. Heckl [Hg.], Ex oriente Lux. Stu-
dien zur Theologie des Alten Testaments, FS R. Lux [Arbeiten zur Bibel und ihrer Ge-
schichte 39], 2012, 407–417).
9
K. Budde, Auf dem Wege zum Monotheismus. Rektoratsrede, gehalten am 16. Ok-
tober 1910 (MAkR 24), 1910, 13.
10
Vgl. C. Houtman, Der Himmel im Alten Testament. Israels Weltbild und Welt-
anschauung (OTS 30), 1993, der bezweifelt, »daß in Israel die Vorstellung, daß JHWH
im Himmel seinen Sitz hat, in späterer Zeit stärker in den Mittelpunkt des Interesses
gerückt sei« (363). Derzeit rekonstruiert vor allem Othmar Keel für den Jerusalemer Kö-
nigsgott JHWH bereits ab der EZ II A solare und uranische Züge (Amalgam mit einer
älteren Jerusalemer Sonnengottheit) und deutet die Tempelsymbolik entsprechend; vgl.
zusammenfassend O. Keel, Die Geschichte Jerusalems und die Entstehung des Mono-
theismus 1–2 (OLB 4/1–2), 2007, Bd. 1, 264–330.
11
Vgl. B. Ego, Von der Jerusalemer Tempeltheologie zur rabbinischen Kosmologie.
Zur Konzeption der himmlischen Wohnstatt Gottes (Forschungsstelle Judentum. Theo-
logische Fakultät Leipzig. Mitteilungen und Beiträge 12/13), 1997, 36–52; Dies., »Der
Herr blickt herab von der Höhe seines Heiligtums«. Zur Vorstellung von Gottes himmli-
schem Thronen in exilisch-nachexilischer Zeit (ZAW 110, 1998, 556–569); F. Harten-
stein, Die Unzugänglichkeit Gottes im Heiligtum. Jesaja 6 und der Wohnort JHWHs in
der Jerusalemer Kulttradition (WMANT 75), 1997; Ders., Wolkendunkel und Himmels-
feste. Zur Genese und Kosmologie der Vorstellung des himmlischen Heiligtums JHWHs
(in: B. Janowski / B. Ego [Hg.], Das biblische Weltbild und seine altorientalischen Kon-
texte [FAT 32], 2001, 125–179); K. Schmid, Himmelsgott, Weltgott und Schöpfer. »Gott«
und »Himmel« in der Zeit des Zweiten Tempels (in: Ebner u. a. [s. Anm. 2], 111–148).
386 Friedhelm Hartenstein ZThK
Sein himmlischer Wohnsitz, zuvor vor allem mit dem meteorologischen Him-
mel und seinem bergeshoch aufragenden Thron in der Weltmitte verbunden
(ältere staatliche Jerusalemer Tempeltheologie), bekam ab der exilischen Zeit
immer transzendentere Züge. Der himmlische Wohnort Gottes wurde deutlich
gegenüber irdischen Präsenzformen profiliert und seine weltüberlegene Posi-
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12
Vgl. H. Niehr, Der höchste Gott. Alttestamentlicher JHWH-Glaube im Kontext
syrisch-kanaanäischer Religion des 1. Jahrtausends v. Chr. (BZAW 190), 1990; K. Koch,
Ḫazzi–Ṣafôn–Kasion. Die Geschichte eines Berges und seiner Gottheiten (in: Ders., Der
Gott Israels und die Götter des Orients. Religionsgeschichtliche Studien II [FRLANT
216], 2007, 119–170). – Zur Debatte um eine »Solarisierung« JHWHs vgl. neben Keel
(s. Anm. 10) zusammenfassend B. Janowski, JHWH und der Sonnengott. Aspekte der
Solarisierung JHWHs in vorexilischer Zeit (in: Ders., Die rettende Gerechtigkeit. Bei-
träge zur Theologie des Alten Testaments 2, 1999, 192–219); M. Leuenberger, Die So-
larisierung des Wettergottes Jhwh (in: Ders., Gott in Bewegung. Religions- und theolo-
giegeschichtliche Beiträge zu Gottesvorstellungen im alten Israel [FAT 76], 2011, 34–71).
13
Vgl. W. Röllig, Art. Baal-Shamem, DDD2, 149–151.
14
Zum von Karl Jaspers geprägten Stichwort der »Achsenzeit« in kulturwissen-
schaftlicher Perspektive vgl. S. N. Eisenstadt (Hg.), Kulturen der Achsenzeit 1/1–2:
Ihre Ursprünge und ihre Vielfalt (stw 653), 1987; Ders. (Hg.), Kulturen der Achsenzeit
2/1–3: Ihre institutionelle und kulturelle Dynamik (stw 930), 1992; zur Entwicklung der
Astronomie und Astrologie und zu den Transformationen ab der Mitte des 1. Jahrtausends
v. Chr. vgl. als Überblick B. L. van der Waerden, Erwachende Wissenschaft 2: Die An-
fänge der Astronomie (Wissenschaft und Kultur 23), 21980, 204–289; F. Rochberg, As-
tronomy and Calendars in Ancient Mesopotamia (in: J. M. Sasson [Hg.], Civilizations of
the Ancient Near East III–IV, 2000, 1925–1940), 1932–1940 (Late Period: ab 600 v. Chr.).
15
Vgl. Hartenstein, Wolkendunkel (s. Anm. 11); Ders., Die unvergleichliche »Ge-
stalt« JHWHs. Israels Geschichte mit den Bildern im Licht von Dtn 4,1–40 (in: B. Ja-
nowski / N. Zchomelidse [Hg.], Die Sichtbarkeit des Unsichtbaren. Zur Korrelation
von Text und Bild im Wirkungskreis der Bibel [Arbeiten zur Geschichte und Wirkung
der Bibel 3], 2003, 49–77), 59–63; F. Hartenstein / B. Janowski, Psalmen (BK 15 /
1.1–2), 2012/2014, 55ff (zu Ps 2).
110 (2013) JHWH, Erschaffer des Himmels 387
logischen Wörterbuch zum Alten Testament dargelegt hat, ist es hier heuristisch
sinnvoll zwischen einem älteren, stärker westsemitisch / kanaanäisch geprägten
Weltbild und einem jüngeren, stärker mesopotamisch geprägten Weltbild im Al-
ten Testament zu unterscheiden.16 Dabei lösen beide sich nicht einfach ab, son-
dern können im Sinne einer »multiplicity of approaches« auch nebeneinander
stehen. Der palästinische Gott JHWH durchlief jedenfalls im 1. Jahrtausend
v. Chr. eine Metamorphose vom Wettergott zum Schöpfergott und Einzigen.17
Dabei hob sich die eine Charakteristik nicht in der anderen auf. So blieb im
Alten Testament etwa in der weisheitlichen Kosmologie die bewundernswerte
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durch biblische Texte und altorientalische Aussagen zeigen. Ich stelle dazu zu-
nächst die Befunde zu JHWH als Erschaffer des Himmels in einer Kurzüber-
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sicht dar (2.), blicke dann auf altorientalische Aussagen zur Himmelsentstehung
(3.) und vergleiche abschließend einschlägige Passagen aus Deuterojesaja, Pries-
terschrift, Weisheit und Psalmen (4.).
16
R. Bartelmus, Art. שמיםšāmajim, ThWAT 8, (204–239) 211–215 (zu den ver-
schiedenen Weltbildern; Kurzfassung: Ders., šāmajim – Himmel. Semantische und tra-
ditionsgeschichtliche Aspekte [in: Janowski / Ego (s. Anm. 11), 87–124]).
17
Vgl. F. Hartenstein, Wettergott – Schöpfergott – Einziger. Kosmologie und
Monotheismus in den Psalmen (in: Ders. / M. Rösel [Hg.], JHWH und die Götter der
Völker. Symposium zum 80. Geburtstag von K. Koch, 2009, 77–97); S. Petry, Die Ent-
grenzung JHWHs. Monolatrie, Bilderverbot und Monotheismus im Deuteronomium, in
Deuterojesaja und im Ezechielbuch (FAT 2/27), 2007; R. Müller, Jahwe als Wettergott.
Studien zur althebräischen Kultlyrik anhand ausgewählter Psalmen (BZAW 387), 2008.
388 Friedhelm Hartenstein ZThK
durch das Meer. Dabei sind es vor allem vier Verben, die für das Schaffen des
Himmels gebraucht werden, teils auch in paralleler Verwendung:
Verb ‘āśāh (19mal) Verb nāṭāh (10mal) Verb bārā’ (5mal) Verb kûn (2mal)
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Gen 2,4b (E. + H.) Jes 40,22 (nur H.) Gen 1,1 Spr 3,19
Ex 20,11 (Sabbat) Jes 42,5 Gen 2,4a Spr 8,27
Ex 31,17 (Sabbat) Jes 44,24 (vgl. Gen 2,1: kālāh
2Kön 19,15 (Gebet) Jes 45,12 »vollenden«)
// Jes 37,16 (Gebet) Jes 51,13 Jes 42,5
Jes 44,24 Jes 51,16 Jes 45,18
Jes 45,12 (E. + H.) Jer 10,12 // (E. + H.) Jes 65,17
Jes 66,22 Jer 51,15 (E. + H.)
Jer 10,11 (aram. ‘abad) Sach 12,1 Verb qānāh (2mal)
Jer 32,17 Ps 104,2 Gen 14,19
Ps 8,4 (nur H.) Hi 9,8 Gen 14,22
Ps 33,6 (nur H.)
Ps 96,5 // (nur H.) Sonderverwendung:
1Chr 16,26 (nur H.) Ps 18,10 // 2Sam 22,10
Ps 102,26 (E. + H.) Ps 144,5 (»Neigen«
Ps 115,15 (Segen) des H.)
Ps 121,2 (Hilfe)
Ps 124,8 (Hilfe)
Ps 134,3 (Segen)
Ps 136,5 Verb māṭaḥ (1mal)
Ps 146,6 (Hilfe) Jes 40,22
2Chr 2,11
(Segen / Gruß) Verb ṭāpaḥ (1mal)
Neh 9,6 Jes 48,13
18
Die Tabelle folgt vor allem der Belegübersicht bei Bartelmus (s. Anm. 16), 221–224.
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Mit Abstand am häufigsten (20mal + einmal aram.) findet sich das allgemeine
Verb für »machen / herstellen« ‘āśāh (oft partizipial »JHWH, Macher des Him-
mels und der Erde« oder verbal in der Anrede oder dritten Person: »JHWH,
du hast / er hat Himmel und Erde gemacht«, auch nominal die »Himmel« als
ma‘aśæh »Werk« JHWHs oder seiner Hände / Finger).
Am zweithäufigsten steht ein terminus technicus, der speziell dem Objekt
Himmel vorbehalten ist: das »Ausspannen / Ausbreiten«, das dem Himmel of-
fenbar eine stoffliche, textile Qualität zuschreibt (so ausdrücklich in Ps 104,2;
Jes 40,22): Hierfür steht fast immer nāṭāh (zehnmal, je einmal auch ṭāpaḥ »aus-
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breiten« [Jes 48,13] und māṭaḥ »ausbreiten« [Jes 40,22]). Es handelt sich vor
allem um Deuterojesaja-Belege.
Drittens gibt es Stellen für das unanschauliche, allein dem göttlichen Subjekt
vorbehaltene bārā’ »schaffen« (fünfmal). Im Alten Testament kommt dieses
Verb überwiegend in der Priesterschrift und in Deuterojesaja vor.
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Einen Sonderfall bildet die zweimalige Formel von JHWH bzw. El Eljon als
Erschaffer oder Eigentümer (Verb qānāh) von Himmel und Erde (Gen 14,19.
22). Mit ihr verbinden sich möglicherweise eigene religionsgeschichtliche Zu-
sammenhänge, auf die gleich zu blicken ist (siehe 3.1.).
Als negativer Befund ist festzuhalten, dass im Blick auf den Himmel niemals
von jāsad »gründen / fundamentieren« die Rede ist (auch nicht in Ps 89,1219),
das der Erde als Objekt vorbehalten bleibt (oft im Parallelismus mit der Er-
schaffung des Himmels). Auch das handwerklich konnotierte Schöpfungsverb
jāṣar »formen / bilden« wird nicht für den Himmel gebraucht.
Im Ganzen zeigt sich, dass es eigentlich nur eine spezifisch mit dem Himmel
zusammenhängende Schöpfungsvorstellung gibt, nämlich diejenige des Aus-
spannens / Ausbreitens. Sie kommt vor allem in Deuterojesaja, aber auch in
Ps 104, Hi 9 und Sach 12 vor und ist an anderen Stellen implizit vorausgesetzt
(darunter fällt, aufgrund der Wurzel rāqa‘ »ausbreiten« in rāqîa‘ im Weiteren
wohl auch Gen 1, wobei es sich deutlich um eine davon zu unterscheidende Vor-
stellung handelt20). Lediglich Jes 40,22 und Ps 104,2 erläutern genauer, welche
19
Anders Bartelmus (s. Anm. 16), 222; vgl. zu den Eigentums- und Schöpfungsaus-
sagen in Ps 89,12f und ähnlichen Stellen Hartenstein, Unzugänglichkeit (s. Anm. 11),
86–99.
20
Nach der Himmelskosmologie von Gen 1 (und Ez 1–3; 8–11, vgl. Ex 24,9–11)
handelt es sich beim Himmel um eine feste Platte (rāqî’a, in Gen 1,6–8 ohne Material-
angabe, in den Ezechielvisionen aus Kristall [Ez 1,22], vgl. Ex 24,10: Bodenplatte aus
blauem Ziegelwerk = Lapislazuli). Die Vorstellung hat einen mesopotamischen Tradi-
tionshintergrund, dem ich an anderer Stelle ausführlich nachgegangen bin (Harten-
390 Friedhelm Hartenstein ZThK
Qualität bzw. Gestalt man dem »Himmel« dabei vor allem zuschreibt: diejeni-
ge eines bedeckenden Materials, das die Erde überspannt und so als sichtbarer
Himmel von darüber liegenden »inneren« Himmelsbereichen zu unterscheiden
ist (Metapher des Zelts aus gewebtem Stoff [’ohæl, Jes 40,22] oder einer Zelt-
bahn [jerî‘āh, Ps 104,2]). Dies verdient im Folgenden besondere Aufmerksam-
keit im Blick auf einen möglichen Traditionshintergrund bzw. religionsge-
schichtlichen Kontext.
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der Himmelsschöpfer, entstanden ist. Grob gesprochen stehen sich zwei Mög-
lichkeiten gegenüber, die sich nicht ausschließen müssen:
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23
Vgl. im Blick auf ein hohes Alter von Schöpfungsvorstellungen im Alten Testament
klassisch H. Gunkel, Schöpfung und Chaos in Urzeit und Endzeit. Eine religionsge-
schichtliche Untersuchung über Gen 1 und Ap Joh 12, 1895, 163: »Schon in der ältesten
palästinensischen Zeit Israels ist babylonischer Einfluss wirksam gewesen. Man hat kei-
nen Grund, den Schöpfungsgedanken in Israel der älteren Zeit abzusprechen«; vgl. auch
das lange wirksame Urteil von G. von Rad, Das Problem des alttestamentlichen Schöp-
fungsglaubens (in: Ders., Gesammelte Studien zum Alten Testament [TB 8], 41971, 136–
147), der den Rückschluss auf eine späte Entstehung des »Schöpfungsglaubens« ablehn-
te und zugleich dessen Bedeutung für die alttestamentliche Theologie bestritt (vgl. 146f).
24
Ich verweise etwa auf den berühmten Fall der Ähnlichkeit von Ps 104 mit dem
Schöpfungshymnus des Echnaton; vgl. dazu J. Assmann, Ägyptische Hymnen und Ge-
bete (OBO Sonderband), 21999, 217–223; Th. Krüger, »Kosmo-theologie« zwischen
Mythos und Erfahrung. Psalm 104 im Horizont altorientalischer und alttestamentlicher
»Schöpfungs«-Konzepte (in: Ders., Kritische Weisheit. Studien zur weisheitlichen Tra-
ditionskritik im Alten Testament, 1997, 91–120), 107–110 (zum Vergleich mit dem Son-
nenhymnus); vgl. zuletzt S. Reichmann, Psalm 104 und der Große Sonnenhymnus des
Echnaton. Erwägungen zu ihrem literarischen Verhältnis (in: M. Pietsch / F. Harten-
stein [Hg.], Israel zwischen den Mächten, FS S. Timm [AOAT 364], 2009, 257–288).
25
Vgl. dazu H. Gese, Die Religionen Altsyriens (in: Ders. / M. Höfner / K. Ru-
dolph, Die Religionen Altsyriens, Altarabiens und der Mandäer [RM 10/2], 1970,
3–232), 113–117; R. Rendtorff, El, Ba’al und Jahwe. Erwägungen zum Verhältnis von
kanaanäischer und israelitischer Religion (in: Ders., Gesammelte Studien zum Alten Tes-
tament [TB 57], 1975, 172–187), 179f; zusammenfassend E. E. Elnes / P. D. Miller, Art.
Elyon, DDD2, 293–299; W. Röllig, Art. El-Creator-of-the-Earth, DDD2, 280–281.
392 Friedhelm Hartenstein ZThK
risch nachweisbare bronze- und eisenzeitliche Tradition von El als Besitzer / Er-
schaffer der Erde (= ’El qoneh ’æræṣ). In einer phönizischen Inschrift vom Ka-
ratepe (Ende 8. Jahrhundert v. Chr.) begegnet als Fluchgarant neben Ba‘alša-
mem und dem »Sonnengott der Ewigkeit« auch ’l qn ’rṣ, also »El, der die Erde
geschaffen / erworben hat«.26 Älter ist ein hethitischer Text aus Hattuscha /
Boghazköy (um 1200 v. Chr.), der einen kanaanäischen Mythos von dEl-ku-ni-
ir-scha und seiner Gattin Ašertu erzählt.27 Ihm scheinen darin wie dem ugariti-
schen El auch Züge des mesopotamischen Gottes Enki / Ea zugeschrieben zu
werden (Wohnsitz an den Euphratquellen). Genauso wenig wie in Ugarit sind
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der El qōnij ’arṣa vom Karatepe und sein älterer Vorläufer aber mit dem Him-
mel verbunden.
Auch wenn Gen 14, ein Fremdkörper in seinem Kontext und ein deutlich
nachexilischer Text,28 mit dem Epitheton qoneh šāmajim wā’āræṣ ein älteres Erbe
(Jerusalems?) aufnehmen sollte, bleibt ungeklärt, woher der Bezug auf die Er-
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schaffung speziell des Himmels stammt. Ein judäisches Stempelsiegel des Vor-
derasiatischen Museums Berlin (8. Jahrhundert v. Chr.) mit dem Eigennamen
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Qanajau »Jah hat erworben / geschaffen« nennt leider das Objekt der göttlichen
Tätigkeit nicht.29 Auch ist sich die Forschung nicht einig, ob und wann das Verb
qnh (semit. qnj / qnw) mit »erschaffen« übersetzt werden kann; in vielen Fällen
bedeutet es »erwerben / besitzen«. Mit Eduard Lipiński erscheint es mir wahr-
scheinlich, dass es bei der in Gen 14 angespielten älteren Tradition um »die Eigen-
tumsrechte Els« ging, ohne dass »die Weise, wie er in den Besitz der Erde gekom-
men ist«, näher reflektiert würde30 – es ginge also gar nicht primär um Schöpfung
(in Ugarit ist El Vater der Götter und Menschen, aber nicht ausdrücklich Schöp-
fer der Welt). In Gen 14,19.22 ist das anders. Hier scheinen die alttestamentlichen
Schöpfungsaussagen zu Himmel und Erde bereits voll im Hintergrund zu stehen.
Eine ältere El-Tradition wurde dann in Gen 14 vermutlich im Blick auf JHWH,
26
KAI 26 A III, 18, vgl. H. Donner / W. Röllig, Kanaanäische und aramäische In-
schriften 2: Kommentar, 1964, 37.
27
Übersetzung z. B. bei H. A. Hoffner, Hittite Myths (SBL Writings from the An-
cient World Series 2), 1990, 69f.
28
Vgl. E. Blum, Die Komposition der Vätergeschichte (WMANT 57), 1984, 462–
464, Anm. 5, der mit vielen anderen »im ganzen eher zu einer nachexilischen Erklärung
des Gesamttextes« neigt (463), zugleich eine ältere Traditionsgeschichte der Elemente
»Melchisedeq« und »El Eljon, Schöpfer von Himmel und Erde« zwar nicht ausschließt,
aber darauf verweist, »daß etwa die Bezeichnung עליוןgerne in späten biblischen und vor
allem in apokryphen Texten gebraucht wird« (ebd.).
29
VA 2830: lqnjw, angeblich aus der Nähe Jerusalems, vgl. N. Avigad / B. Sass, Cor-
pus of West Semitic Stamp Seals, 1997, 149, Nr. 343; W. Röllig, Althebräische Schrift-
siegel und Gewichte (in: J. Renz / W. Röllig, Handbuch der althebräischen Epigraphik
2/2, 2003, 79–456), 375, Nr. 19. 3.
30
E. Lipiński, Art. קנהqānāh, ThWAT 7, (63–71) 69.
110 (2013) JHWH, Erschaffer des Himmels 393
der hier mit El Eljon gleichgesetzt ist, um den Himmel erweitert.31 Aus der Eigen-
tumsaussage an der Erde wurde ein universales Schöpfungsepitheton. Auch der
Kontext des Segens beim / vom Weltschöpfer rückt Gen 14 nahe an die späten Psal-
menstellen 115,15; 134,3 heran, in denen von JHWH, »dem Schöpfer (Ptz. ‘ośæh)
des Himmels und der Erde«, speziell Segen erbeten wird.
3.2. Ägypten
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In Ägypten finden sich wenig spezifische Aussagen speziell zur Erschaffung des
Himmels durch eine Gottheit.32 Vielmehr ist hier der Himmel, personifiziert
durch die Göttin Nut, in der am weitesten verbreiteten Vorstellung durch einen
Vorgang der »Scheidung« von der Erde, dem Gott Geb, getrennt worden.33
Die Haltekraft zwischen beiden wird im Luftgott Schu verkörpert. Im Sinn
des in Ägypten besonders ausgeprägten mythisch-aspektuellen Denkens findet
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sich daneben auch das Emporheben und Abstützen der Himmelskuh durch
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den Sonnengott und den Luftgott Schu (mit den Stützgöttern / Heh-Göttern;
Neues Reich: Mythos von der Himmelskuh34). Hinter dieser Vorstellung eines
ersten Males steht wohl auch die Anschauung eines aus dem Wasser sich erhe-
benden Boviden.35 »Auch die schlichte Deckplatte, als die man jenseits des
Mythischen den H. [sc. Himmel] versteht, mußte von dem Schöpfergott an ihre
Stelle versetzt werden, als er ›den H. erhob und den Erdboden gründete‹«.36
Zwei Textbelege seien genannt, die die Erschaffung des Himmels noch deut-
31
Vgl. in diesem Sinn auch H. Spieckermann, Heilsgegenwart. Eine Theologie der
Psalmen (FRLANT 148), 1989, 86, Anm. 37: »Nur aufgrund der sehr späten Götterkom-
bination (El und Eljon) und Titelform (Himmel und Erde) in Gen 14,19.22 eine Jerusale-
mer Weltschöpfungstradition hohen Alters postulieren zu wollen, gehört in den Bereich
der Spekulation« (Hervorhebung im Original); ähnlich Niehr (s. Anm. 12), 165; 124f.
32
Zu Schöpfungsaussagen im Alten Ägypten vgl. J. Assmann, Art. Schöpfung, LÄ 5,
677–690; Ders., Art. Schöpfergott, LÄ 5, 676–677; E. Hornung, Der Eine und die
Vielen. Altägyptische Götterwelt, 62005, 150–158 (Theogonien); L. H. Lesko, Ancient
Egyptian Cosmogonies and Cosmology (in: B. E. Shafer [Hg.], Religion in Ancient
Egypt. Gods, Myths, and Personal Practice, 1991, 88–122); C. Traunecker, The Gods
of Egypt, 2001, 70–91.
33
Vgl. H. Bonnet, Art. Himmel, RÄRG2, (302–304) 304 (Pyr. 1208).
34
Vgl. E. Hornung, Der ägyptische Mythos von der Himmelskuh. Eine Ätiologie
des Unvollkommenen (OBO 46), 1982; J. Assmann, Ägypten. Theologie und Frömmig-
keit einer frühen Hochkultur (UT 366), 1984, 138–141; H. Sternberg el-Hotabi, Der
Mythos von der Vernichtung des Menschengeschlechtes (in: O. Kaiser [Hg.], TUAT
3/5, 1995, 1018–1037).
35
So E. Brunner-Traut, Frühformen des Erkennens. Am Beispiel Altägyptens,
1990, 121f.
36
Bonnet (s. Anm. 33), 304, mit Zitat von Urk. IV. 942.
394 Friedhelm Hartenstein ZThK
licher profilieren: Im Mythos von der »List der Isis« aus der Ramessidenzeit
(19. Dynastie) versucht die Göttin dem Sonnengott Re seinen geheimen Namen
zu entlocken, indem sie ihn durch den Biss einer aus seinem Speichel geformten
Zauberschlange schwächt.37 Nach seinem Namen gefragt, antwortet Re:
»Ich bin es, der die Erde gemacht und die Berge
geknüpft hat und der erschuf, was darauf ist.
Ich bin es, der das Wasser gemacht hat,
so daß die Himmelskuh entstand.
Ich bin es, der den Stier gemacht hat für die Kuhherde,
so daß die Liebesfreude in die Welt kam.
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Ich bin es, der den Himmel gemacht hat und die
Geheimnisse der beiden Horizonte,
damit die Seelen der Götter darin wohnen.«38
Der Text ist funktional, er diente der Beschwörung bei Schlangenbissen. Nach
der sogenannten Chons-Kosmogonie, die aus der Ptolemäerzeit überliefert
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ist, schuf Amun-Re, Vater von allem (unter anderem der hermopolitanischen
Achtheit), den Urozean Nun, woraufhin zuerst der Himmel (durch »die erste
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3.3. Mesopotamien
Näher am Alten Testament stellt sich der Befund aus mesopotamischen Quel-
len dar.41 Der Himmel ist dort einer der ältesten Götter, An(u), der häufig die
37
»Der Mythos ist, dank seines Gebrauchs im Zauber, zweimal, auf einem hierati-
schen Papyrus von Turin und auf einem des Britischen Museums aus der 19. Dyn. erhal-
ten, und zwar als Zauberformel zum Schutz gegen giftige Bisse« (E. Brunner-Traut,
Altägyptische Märchen [Die Märchen der Weltliteratur], 81989, 313).
38
AaO 153.
39
Vgl. die Übersetzung bei Lesko (s. Anm. 32), 105f (aus Theben, vielleicht auf das
Neue Reich zurückgehend). Zu den ägyptischen Vorweltschilderungen vgl. M. Bauks,
Die Welt am Anfang. Zum Verhältnis von Vorwelt und Weltentstehung in Gen 1 und in
der altorientalischen Literatur (WMANT 74), 1997, 155–206.
40
Vgl. Lesko (s. Anm. 32), 121f: Die Schreibung ist akronymisch: p für pt »Himmel«,
t für ta »Erde« und ḥ für ḥeḥ »Himmelsstütze / Himmelsträger«.
41
Vgl. als Überblick F. Rochberg, The Heavens and the Gods in Ancient Mesopo-
tamia: The View from a Polytheistic Cosmology (in: B. Pongratz-Leisten [Hg.], Re-
considering the Concept of Revolutionary Monotheism, 2011, 117–136).
110 (2013) JHWH, Erschaffer des Himmels 395
Auch die berühmte Beschwörung für den Zahnwurm rekurriert (wie zwei ähn-
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liche »medical incantations«) zur Austreibung des Wurms auf dessen Anfang als
ein spätes Glied in der Kette der Schöpfungen, die mit der Erschaffung des
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Himmels einsetzt:
»Nachdem Anu [den Himmel erschaffen hat]te,
der Himmel [die Erde] erschaffen hatte, [. . .]
der Morast den Wurm erschaffen hatte, [. . .]«47
Es war neben Anu, Enlil und Ea vor allem der im 1. Jahrtausend v. Chr. zahlrei-
che göttliche Attribute auf sich vereinigende babylonische Marduk, dem man
die Erschaffung von »allem«, auch von »Himmel und Erde« zuschrieb.
So finden sich die Epitheta bānû kalāma »Erschaffer von allem« für Anu,48
pātiqu šame u erṣetim bānû nišē »Erbauer von Himmel und Erde, Schöpfer der
42
Vgl. D. O. Edzard, Art. An, WM2 1, 40f; B. Groneberg, Die Götter des Zwei-
stromlands. Kulte, Mythen, Epen, 2004, 50–52; M. Krebernik, Götter und Mythen des
Alten Orients (C. H. Beck Wissen), 2012, 57f; Hauptkultort des An(u) war Uruk, wo
seine Verehrung in seleukidischer Zeit einen späten Aufschwung erfuhr (vgl. dazu auch
Grätz [s. Anm. 8]).
43
Vgl. die Belege bei W. Horowitz, Mesopotamian Cosmic Geography (Mesopota-
mian Civilizations 8), 1998, 135–137.
44
Mit den drei Stockwerken Himmel – Erde – unterirdische Wasser (Apsû), vgl. aaO
146–149.
45
Wohl eher auf die Aufteilung des Kosmos an die Gottheiten bezogen, vgl. aaO 149.
46
K. Hecker, Die Kosmologie des kalû-Priesters (in: O. Kaiser [Hg.], TUAT 3/4,
1994, 605); vgl. Horowitz (s. Anm. 43), 149f.
47
K. Hecker, Die Erzählung vom Wurm (in: Kaiser, TUAT 3/4 [s. Anm. 46], 603);
vgl. Horowitz (s. Anm. 43), 150.
48
K. L. Tallqvist, Akkadische Götterepitheta, 1974 (Nachdruck), 254.366.
396 Friedhelm Hartenstein ZThK
Menschen« für Ea49 und paḫāru bānû kalāma »Töpfer, Erschaffer von allem«,
bānû šame u erṣeti »Schöpfer des Himmels und der Erde« sowie ša ukinnu ana
ilāni šame ellūti »der für die Götter den reinen Himmel eingerichtet hat« für
Marduk.50 Marduk galt aufgrund des Enuma elisch, das seinen Aufstieg zum
Gott schlechthin verherrlichte (vermutlich 12. Jahrhundert v. Chr.), als der über-
legene Einrichter der Welt.
Die komplexe traditionsgeschichtliche Synthese des Enuma elisch bietet die
meines Erachtens nächsten Parallelaussagen vor allem für die deuterojesajani-
schen Texte.51 Dem soll gleich noch nachgegangen werden, weshalb ich hier
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nur eine Skizze zu Marduk als Erschaffer des Himmels im Enuma elisch gebe:
Die Etablierung des Kosmos geht darin über mehrere Etappen vor sich. Der
zeitliche Einstieg wird auf Tafel I mit Hilfe traditioneller Göttergeneaologien
gestaltet: Durch den ersten Zeugungsakt zwischen Apsû und Tiamat (die ältes-
ten Vorgötter) kommt eine unumkehrbare Theogonie in Gang, die zugleich
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ab der dritten Generation aber bereits als Gott vorhanden, und es gibt nach
Tafel I,24 einen räumlichen »Vorhimmel« mit Namen Anduruna.52 Als erste
feste Größe des Weltgebäudes gründet Ea in Enuma elisch I,61–71 den Apsû als
seinen unten befindlichen Wohnsitz: den Süßwasserozean. Das dreistöckige
mesopotamische Weltgebäude wird im Verlauf des Mythos passgenau über die-
sem errichtet: zunächst nach der Tötung Tiamats der Himmel und seine Innen-
einrichtung (Cella des Enlil) sowie Sonne, Mond und Sterne und die Wetterer-
scheinungen (Wasserkreislauf) (Enuma elisch IV,135–146, Enuma elisch V). Die
Erschaffung von Himmel und Erde vollendet Marduk mit der Befestigung der
Weltebenen übereinander durch das große kosmische Band durmaḫu (Enuma
elisch V,59), das in der vertikalen Achse durch den von den Göttern in Enuma
elisch VI gegründeten Haupttempel Babylons und seine Zikkurrat verkörpert
wird.53 Erst Tafel VI bringt die Ausgestaltung der Erde zur Lebenswelt mit der
49
Horowitz (s. Anm. 43), 149; vgl. Tallqvist (s. Anm. 48), 289.
50
Tallqvist (s. Anm. 48), 366; vgl. Horowitz (s. Anm. 43), 128 (Enuma elisch
VII,16).
51
Vgl. zum Enuma elisch die Textausgaben von P. Talon, Enūma Eliš. The Standard
Babylonian Creation Myth (State archives of Assyria cuneiform texts 4), 2005; T. R. Käm-
merer / K. A. Metzler, Das babylonische Weltschöpfungsepos Enūma elîš (AOAT 375),
2012; wichtige neuere Übersetzungen: W. G. Lambert, Enuma elisch (in: Kaiser, TUAT
3/4 [s. Anm. 46], 565–602); B. R. Foster, Before the Muses. An Anthology of Akkadian
Literature, 32005, 436–486.
52
So die einleuchtende Deutung des Ausdrucks bei Horowitz (s. Anm. 43), 109.
53
Die im Enuma elisch nicht namentlich genannte Zikkurat (vgl. Tafel VI,63) trägt
ansonsten den sumerischen Namen e-temen-an-ki »Haus – Fundament von Himmel und
110 (2013) JHWH, Erschaffer des Himmels 397
Für unseren Zusammenhang ist dazu festzuhalten, dass von Marduk in allen
altorientalischen Quellen mit Abstand am ausführlichsten Tätigkeiten bei der
Erschaffung des Himmels beschrieben werden. Wichtig ist aber, dass Marduk
sich dabei bereits in einer Vorform von Himmel und Erde vorfindet und dass er
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selbst ein Enkel des An(u), des Himmelsgottes ist und lediglich ausstattet und
vollendet, was schon vor ihm begonnen wurde.
Aussagen zur Himmelsschöpfung noch auf die persische Religion der Achäme-
nidenzeit einzugehen. Dabei kann auf die umstrittene Frage nach dem zeitlichen
und sachlichen Verhältnis zwischen der Religion Zarathustras und derjenigen
der Achämenidenkönige lediglich hingewiesen werden. Der Nichtfachmann
wird sich in dieser Frage kein Urteil erlauben können. Einer soweit ich sehe im-
mer noch von vielen Gelehrten vertretenen Ansetzung des überlieferungsge-
schichtlich ältesten Teils des Awesta (in Yasna 28–34; 43–51; 53)55 vor Kyros und
seinen Nachfolgern steht ein anderer Ansatz gegenüber, bei dem umgekehrt der
Einfluss der Achämeniden auf den Zoroastrismus erforscht werden soll.56 Ich
Erde«; vgl. zur damit verbundenen Symbolik des Zentrums D. O. Edzard, Deep-Roo-
ted Skyscrapers and Bricks. Ancient Mesopotamian Architecture and its Imagery (in:
M. Mindlin / M. J. Geller / J. E. Wansbrough [Hg.], Figurative Language in the An-
cient Near East, 1987, 13–24); S. M. Maul, Die altorientalische Hauptstadt – Abbild und
Nabel der Welt (in: G. Wilhelm [Hg.], Die Orientalische Stadt. Kontinuität, Wandel,
Bruch [CDOG 1], 1997, 109–124); zum Alten Testament Hartenstein, Wolkendunkel
(s. Anm. 11), 152–166.
54
Horowitz (s. Anm. 43), 129 (mit Bezug auf Kommentar B zum Enuma elisch, in
dem ašru »Ort« und daninnu »Unterwelt« an dieser Stelle mit šamû und erṣetu gleichge-
setzt werden; anders übersetzen Kämmerer / Metzler [s. Anm. 51], 308).
55
Vgl. etwa H. Koch, Die Religion Irans (in: V. Haas / Dies., Religionen des Alten
Orients 1: Hethiter und Iran [GAT 1/1], 2011, 80–144), 87; vgl. zuvor W. Hinz, Zara-
thustra, 1961, 19; M. Boyce, A History of Zoroastrianism 2: Under the Achaemenians
(HO 1,8,1,2,2a), 1982, 1–48.
56
Vgl. A. de Jong, Ahura Mazda the Creator (in: J. Curtis / S. J. Simpson [Hg.],
The World of Achaemenid Persia. History, Art and Society in Iran and the Ancient Near
East, 2010, 85–89), 89.
398 Friedhelm Hartenstein ZThK
versuche aus beiden Quellenbeständen das Wichtigste zur Frage nach der Er-
schaffung des Himmels aufzulisten. Ich beginne mit den Achämeniden, in deren
Königsinschriften sich ab Darius I. folgende formelhafte Charakterisierung
des transzendenten Schöpfergottes Ahuramazda, des »weisen Herrn«, findet57
(Grabinschrift aus Naqsh-i Rustam):
»Der große Gott (ist) Ahuramazda,
der diese Erde erschaffen hat,
der jenen Himmel erschaffen hat,
der den Menschen erschaffen hat,
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Die übliche Reihenfolge ist »Erde – Himmel«, einmal aber auch das (mesopo-
tamisch) geläufigere »Himmel – Erde«59. Diese für die Reichsidee der Achäme-
niden zentrale Abfolge einer gleichgewichtigen Schöpfung von »Erde« (būmi-)
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57
Erstmals in DEa §1, A–E (96); die Formel ist bei den nachfolgenden Achämeniden-
inschriften identisch, mit folgenden Ausnahmen / Variationen: Darius I.: DZc §1, B–E
(149); Xerxes XPg §1, C–E (163); XPl §1, A–C (171); Siglen und Seitenangaben in Klam-
mern nach der Textausgabe von R. Schmitt, Die altpersischen Inschriften der Achaime-
niden. Editio minor mit deutscher Übersetzung, 2009.
58
DAn §1, A–F (Schmitt [s. Anm. 57], 100).
59
Darius I., DZc §1, B–C (Schmitt [s. Anm. 57], 149).
60
G. Ahn, Religiöse Herrscherlegitimation im achämenidischen Iran. Die Voraus-
setzungen und die Struktur ihrer Argumentation (Acta Iranica 31), 1992, 266.
61
K. Koch, Weltordnung und Reichsidee im alten Iran und ihre Auswirkungen auf
die Provinz Jehud (in: P. Frei / Ders., Reichsidee und Reichsorganisation im Perserreich
110 (2013) JHWH, Erschaffer des Himmels 399
Aus den Gathas, die von Walther Hinz, Heidemarie Koch und anderen auf
Zarathustra zurückgeführt werden, ist ergänzend auf folgenden bekannten Pas-
sus zu verweisen (Yasna 44, 3–4):
»Dies frag’ ich Dich, recht tu es mir kund, Herr!
Wie ist der Erzeuger, der Urvater des göttlichen Rechtes?
Wer setzte die Bahn fest der Sonne und den Sternen?
Wer ist’s durch den der Mond bald zunimmt und bald schwindet?
Dies eben, Allweiser, und anderes noch möcht’ ich erfahren.
Dies frag’ ich Dich, recht tu es mir kund, Herr!
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Yasna 44,4 scheint auf einen Trennungsmythos von Erde und Himmel anzu-
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spielen (s. 3.2.–3.3.), der dahingehend adaptiert ist, dass der eine Schöpfergott
alle Festigung und Lebensermöglichung in der Welt in sich vereint. Mit großer
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Vorsicht darf hierzu vielleicht noch eine letzte Stelle, aus Yasht 13,2, einem viel
jüngeren Bestandteil des Awesta, gestellt werden. Darin spricht Ahuramazda:
»Durch deren [sc. der Fravašis] Pracht und Glanz habe ich, o Zarathustra, jenen Himmel
ausgebreitet, der oben leuchtend strahlt, der bis zu dieser Erde hin und um sie herum
reicht gerade wie ein Haus.«63
Direkt danach (Yasht 13,3–9) findet sich die Vorstellung vom Himmel als einem
sterngeschmückten Gewand, in das sich der Gott hüllt, bevor er zur Gründung
der Erde übergeht.64 Für die Frage nach dem religionsgeschichtlichen Horizont
der nachexilischen alttestamentlichen Aussagen über die Erschaffung des Him-
mels müssen diese (besonders für Ps 104,2 interessanten) Texte der zoroastri-
schen Religion meines Erachtens aufgrund ihres unbestimmten (in jedem Fall
späteren) Alters aber eher ausscheiden und man sollte sich dafür an die Achä-
menideninschriften halten. Die Ähnlichkeit ist aber immerhin bemerkenswert.
Abschließend soll nun noch in einem Durchgang durch die wichtigsten alt-
testamentlichen Texte, die von der Erschaffung des Himmels sprechen, nach
möglichen Bezügen zu den genannten religionsgeschichtlichen Kontexten ge-
fragt werden.
einer Kette rhetorischer Fragen fordert er sie zu einer Veränderung des Blick-
winkels auf. JHWH ist der einzige und universale Gott, angesichts von dessen
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Weltüberlegenheit die Völker und ihre Herrscher »ein Tropfen am Eimer« und
»ein Körnchen an Waagschalen« (V.15), also »wie nichts« sind (V.17.23). In
diesem Text scheint eine implizite Auseinandersetzung mit dem Lobpreis der
Größe des babylonischen Marduk vorzuliegen, dessen Kult und Theologie die
Judäer vor Ort recht genau gekannt haben dürften. Dafür sprechen mehr Ein-
zelheiten in Jes 40,12–31, als hier aufgezählt werden können.66 Ich möchte nur
auf die Bedeutung der Himmelserschaffung und ihre besonderen Akzente hin-
weisen. Gleich V.12 setzt damit ein:
»12 Wer hat gemessen mit seiner hohlen Hand die Wasser, und dem Himmel mit seiner
[vgl. 1QIsa] Spanne das Maß bestimmt? Wer hat gefasst ins Drittelmaß den Staub der
65
Siehe zu dieser Ansetzung Kratz, Kyros (s. Anm. 7), 161–163, sowie ausführlich
die Diskussion der Datierungsmöglichkeiten bei U. Berges, Jesaja 40–48 (HThK.AT
37), 2008, 128–130.
66
Vgl. dazu M. Albani, Der eine Gott und die himmlischen Heerscharen. Zur Be-
gründung des Monotheismus bei Deuterojesaja im Horizont der Astralisierung des Got-
tesverständnisses im Alten Orient (Arbeiten zur Bibel und ihrer Geschichte 1), 2000, 124–
252; F. Hartenstein, Exklusiver und inklusiver Monotheismus. Zum »Wesen« der Göt-
ter in Deuterojesaja und in den späten Psalmen (in: A. Grund / A. Krüger / F. Lippke
[Hg.], Ich will dir danken unter den Göttern. Studien zur israelitischen und altorientali-
schen Gebetsliteratur, FS B. Janowski, 2013, 194–219), 203–205. Zu dem bilderpolemi-
schen Abschnitt Jes 40,18–20 und seiner deutlichen Kenntnis mesopotamischer Kultbild-
symbolik vgl. A. Berlejung, Die Theologie der Bilder. Herstellung und Einweihung von
Kultbildern in Mesopotamien und die alttestamentliche Bilderpolemik (OBO 162), 1998,
370–375 (V.18–20 gelten dabei als sekundär; anders Berges [s. Anm. 65], 129f, der
Jes 40,12–31 später, vor 522 v. Chr., ansetzt).
110 (2013) JHWH, Erschaffer des Himmels 401
Erde, hat abgewogen mit der Waage Berge und Hügel mit Waagschalen? 13 Wer hat dem
Geist JHWHs das Maß bestimmt, als sein Ratgeber ihn belehrt?«
JHWH wird als verständiger königlicher Baumeister vorgestellt, der ohne jeden
zusätzlichen Rat sein Werk vollbringt: die Wasserversorgung der Welt sicher-
zustellen und die Chaoswasser aus ihr herauszuhalten (»mit der hohlen Hand«)
und zugleich dem Himmel sein Maß zu bestimmen. In Tafel V des Enuma elisch
wird genau diese Metapher vom in die Hand Nehmen der Wasser und der da-
mit verbundenen Souveränität des Schöpfers als Werk Marduks geschildert:
»Den Speichel von Tiamtu [. . .]; [Marduk schuf dann] [. . .]; Er häufte zu Wolk[en, das
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Wasser] ließ er wogen. Das Erheben des Windes, das Regnenlassen, das Kaltwerden, das
Rauchenlassen von Nebel, das Aufhäufen ihres Gifts bestimmte er für sich selbst, ließ er
seine Hand ergreifen.«67
Auch das prüfende Maßnehmen bei der endgültigen Errichtung des Weltge-
bäudes nach Tötung der Tiamat zeigt Marduk in der Rolle eines weisen und
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»Den Himmel durchschritt er, Ašratu prüfte er; Er machte die Gegenstücke zum Apsû
dem Wohnsitz Nudimmuds gleich; Der Herr vermaß die Gestalt des Apsû; Als Ešgallas
Ebenbild errichtete er Ešarra. Ešgalla, Ešarra, das er gebaut hatte, (und) den Himmel – Er
ließ Anu, Ellil und Ea ihre Kultstätten bewohnen.«68
Die Stockwerke des Kosmos werden von Marduk passgenau übereinander ge-
setzt (siehe 3.3.) und darin die Wohnsitze der großen Götter eingerichtet: Anu
(im oberen Himmel), Enlil (im mittleren Himmel: Ešarra: zuständig für die
Erde) und Ea (im Apsû unten, der bereits zuvor etabliert worden war). Jes 40,12
verdichtet beides, das Maßnehmen und das in die Hand Nehmen zu einem
einzigen Bild der Größe JHWHs, bei dem auffällt, dass dieser – anders als Mar-
duk – mit seiner Handspanne die Himmel ausmisst: eine räumliche Steigerung
im Sinn der Gott-Welt-Unterscheidung. Denn Marduk findet sich ja, wie oben
gesagt, als Schöpfer bereits in einer unfertigen Welt mit einem Vorhimmel (ver-
bunden mit seinem Großvater Anu) vor. JHWH hingegen hat keine Voreltern
(vgl. Jes 43,10b–12a); er baut den Himmel auch nicht nur weiter aus, sondern
macht ihn mit der Erde zu seinem universalen Thronraum (Jes 40,21f):
»21 Erkennt ihr es nicht, hört ihr es nicht, ist es euch nicht verkündet vom Anfang her,
habt ihr nicht verstanden die Fundamente der Erde? 22 Der thront über dem Kreis / Ho-
rizont der Erde, ihre Bewohner – wie Heuschrecken! Der ausspannt (nāṭāh) wie Stoff /
Schleier (doq) den Himmel, ihn ausbreitet (mātaḥ, vielleicht auch ausmisst?) wie ein Zelt
zum Wohnen.«
67
Kämmerer / Metzler (s. Anm. 51), 234f (Enuma elisch V,47–52).
68
Kämmerer / Metzler (s. Anm. 51), 225f (Enuma elisch IV,141–146).
402 Friedhelm Hartenstein ZThK
Hier dient der Hinweis auf das Ausspannen des Himmels wie eine Zeltbahn69
erneut der Betonung der Größe und unbeschränkten Handlungsmacht JHWHs.
Es handelt sich meines Erachtens um eine Grundstelle zur Vorstellung vom
Ausbreiten / Ausspannen des Himmels und ihrer Bedeutung im Alten Testament.
Auch hier ist ein genauerer Blick in das Enuma elisch hilfreich. In ihm findet sich
eine vergleichbare Vorstellung, wenn aus der einen Hälfte Tiamats der Himmel
als Dach über der Erde installiert wird (Verb ṣullulu »bedachen / überdecken«):
»Der Herr ruhte, um ihren Leichnam zu betrachten, um den Fötus zu teilen, um Kunst-
volles zu schaffen. Er zerbrach sie wie einen Dörrfisch entzwei; Aus ihrer Hälfte setzte
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er ein(,) den Himmel(,) gestaltete er dann als Dach (ṣullulu). Er spannte eine Haut (mašku)
aus, er postierte Wächter; Ihr Wasser nicht herausgehen zu lassen, befahl er ihnen dann.«70
Unklar bleibt, ob das »Ausspannen« (Verb šadādu »ziehen«) der »Haut« eine
Erläuterung zur Überdachung ist oder eine zusätzliche Maßnahme. Der so
entstandene Himmel ist auf jeden Fall ein überlegtes Werk, das die Wasser
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69
Oder einen Thronbaldachin, vgl. die Mehrdeutigkeit von jāšab »sitzen / wohnen«
und »thronen«. Dann würde sich das Bild vom »Himmelszelt« in Jes 40,22 zusätzlich mit
der Vorstellung eines Thronhimmels überlagern, wie er in Mesopotamien, besonders aber
bei den Achämeniden zur Herrschaftsrepräsentation gehörte; vgl. F. Hartenstein, Das
Angesicht JHWHs. Studien zu seinem höfischen und kultischen Bedeutungshintergrund
in den Psalmen und in Exodus 32–34 (FAT 55), 2008, 164f.
70
Kämmerer / Metzler (s. Anm. 51), 224f (Enuma elisch IV,135–140; Übersetzung
von Z. 139 [»Er zog eine Haut ein«] geändert mit Horowitz [s. Anm. 43], 112: »He stret-
ched out a skin«).
71
»Then in lines 139–40 Marduk stretches out a skin, presumably to keep the watery
corpse of Tiamat from draining downward into Apsu« (Horowitz [s. Anm. 43], 112).
72
Üblicherweise war die Zeltbahn dort aus gewebtem Ziegenhaar oder Fell; vgl.
G. Dalman, Arbeit und Sitte in Palästina 7: Zeltleben, Vieh- und Milchwirtschaft, Jagd,
Fischfang, 1939, 30–32; H. Weippert, Art. Zelt, BRL2, (363–364) 363.
110 (2013) JHWH, Erschaffer des Himmels 403
betont unanschauliche bārā’ durch nāṭāh erläutert. bārā’ als alleiniges Verb für
die Himmelsschöpfung findet sich in Jes 45,18:
»18 Ja, so hat JHWH gesprochen, der Schöpfer des Himmels (bôre’ haššāmajim) – er ist
der Gott, der Bildner der Erde (joṣer hā’āræṣ) und ihr Erschaffer – er hat sie fest zuge-
rüstet. Nicht als Leere / Ödnis hat er sie geschaffen – zum Wohnen hat er sie gebildet: Ich,
JHWH, und keiner sonst!«
Jes 42,10 – von einer universalen Völkeraudienz vor dem Königsgott JHWH,
dessen unerreichbare Stellung über allen Göttern mit seiner Rolle als alleinigem
»Erschaffer des Himmels« begründet wird (Ps 96,4f par. 1Chr 16,25f):73
»4 Denn groß ist JHWH und hoch zu preisen, furchterregend ist er über allen Göttern!
5 Ja, alle Götter der Völker sind Nichtse, JHWH aber – den Himmel hat er gemacht (wa-
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Sehr betont hebt die Eingangsdoxologie des großen Bußgebets Neh 9,6–37 aus
spätpersischer Zeit gleich als erstes JHWHs Himmelserschaffung hervor und
bezieht sich dabei auch auf deuteronomisch-deuteronomistische Wendungen
(Neh 9,6):74
»Du, JHWH, bist der einzige (lebadækā)! Du hast den Himmel gemacht (‘āśîtā ’æt-haš-
šāmajim), den Himmel der Himmel und all sein Heer, die Erde und alles, was auf ihr ist,
die Meere und alles, was in ihnen ist, und du gibst ihnen alles Leben, und das Heer des
Himmels betet dich an!«
Hier liegt es sehr nahe, dass auch die oben (3.4.) genannten stereotypen achä-
menidischen Eingangsformeln der Königsinschriften ab Darius I. einen Einfluss
auf das Bild des königlichen JHWH als unumschränkter Schöpfer und Herr-
scher gehabt haben. Dasselbe gilt auch für Ps 33, einen späten lehrhaften Psalm
mit weitem literarischem Horizont,75 in dem vor allem das machtvolle königli-
73
Die Forschung ist sich dabei recht einig, dass der polemisch-abwertende Satz Ps 96,5a
einen noch späteren Zusatz und Korrekturversuch zu V.4 darstellt, vgl. F.-L. Hossfeld,
Psalm 96 (in: Ders. / E. Zenger, Psalmen 51–100 [HThK.AT 26], 2000, 667f).
74
Zu Neh 9 vgl. A. H. J. Gunneweg, Nehemia (KAT 19/2), 1987, 121–129, 125, der
für die Wendung »die Himmel der Himmel« auf 1Kön 8,27 und Dtn 10,14 verweist, für
das anbetende »Himmelsheer« auf Ps 103,21; 148,2; zur Geschichtstheologie des Bußge-
bets vgl. V. Pröbstl, Nehemia 9, Psalm 106 und Psalm 136 und die Rezeption des Penta-
teuchs, 1997, 7–105.
75
Zur nachexilischen Datierung und dem ebenso weisheitlichen wie priesterlichen
und prophetischen Gepräge von Ps 33 vgl. F.-L. Hossfeld / E. Zenger, Die Psalmen.
Psalm 1–50 (NEB), 1993, 206; M. Oeming, Das Buch der Psalmen. Psalm 1–41 (KSK.AT
13/1), 2000, 191f (192: »später Lehrtext«); E. Zenger, »Es sei deine Liebe, JHWH, über
404 Friedhelm Hartenstein ZThK
che Befehlswort JHWHs bei der Erschaffung des Himmels und seines Heeres
(vgl. Jes 40,26) hervorgehoben wird76 (Ps 33,6):
»6 Durch das Wort JHWHs ist der Himmel gemacht (bi-debar JHWH šāmajim na‘aśû)
und durch den Hauch seines Mundes all sein Heer. 7 Er hält wie in einem Schlauch die
Wasser des Meeres zusammen und sammelt in Kammern die Fluten. 8 Die ganze Erde
fürchte JHWH, und vor ihm scheue sich alles, was auf dem Erdkreis wohnt.«
Die grundlegende Bedeutung von Gen 1,1–2,4a für die Theologie und Anthro-
pologie der Priesterschrift ist oft herausgestellt worden.77 Die unanschaulich
durch JHWHs Wort und Tun geschehende Errichtung des »Himmels« als fes-
ter Trenner zwischen den Wassern (rāqîa‘), der den Lebensraum eröffnet, ist
nach der Zeit (Scheidung von Licht und Finsternis) der zweite fundamentale
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Schöpfungsakt, der den Raum allererst strukturiert. Von oben nach unten, vom
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uns!« Beobachtungen zu Aufbau und Theologie von Psalm 33 (in: Achenbach / Ar-
neth [s. Anm. 5], 350–361).
76
Enuma elisch IV,19–26 schreibt ein solches königliches Machtwort Marduk (für die
Erschaffung eines Sternbilds: lumāšu) zu, der sich dadurch als unüberwindbar erweist:
»Er [sc. Marduk] sprach mit seinem Mund, das Sternbild wurde vernichtet; Er sprach ein
zweites Mal zu ihm. Das Sternbild wurde daraufhin (wieder) erschaffen« (Kämmerer /
Metzler [s. Anm. 51], 204 [Enuma elisch IV,25f]).
77
Vgl. etwa B. Janowski, Die lebendige Statue Gottes. Zur Anthropologie der pries-
terlichen Urgeschichte (in: Ders., Die Welt als Schöpfung [s. Anm. 6], 140–171).
78
Zur thematischen Struktur des Endtextes von Gen 1,1–2,4a vgl. O. H. Steck, Der
Schöpfungsbericht der Priesterschrift. Studien zur literarkritischen und überlieferungs-
geschichtlichen Problematik von Genesis 1,1–2,4a (FRLANT 115), 21981, 199–243; zur
Literarkritik Ch. Levin, Tatbericht und Wortbericht in der priesterschriftlichen Schöp-
fungserzählung (in: Ders., Fortschreibungen. Gesammelte Studien zum Alten Testament
[BZAW 316], 2003, 23–39).
79
Vgl. dazu auch die im Textverlauf späte Nennung der Erschaffung des »Himmels-
heers« als Unvergleichlichkeitsmerkmal JHWHs in Jes 40,26 (dazu ausführlich Albani
[s. Anm. 66], 124–255).
80
Vgl. J.-Ch. Gertz, Antibabylonische Polemik im priesterlichen Schöpfungsbe-
richt? (ZThK 106, 2009, 137–155).
110 (2013) JHWH, Erschaffer des Himmels 405
(tebûnah) gemacht hat! Ja, seine Güte ist für fernste Zeit!«
In V.7–9 wird anschließend nach der Ausbreitung der Erde »über den Wassern«
(V.6), in genauer Aufnahme der Reihenfolge von Gen 1 die Regelung der Zeiten
durch die Einrichtung der »großen Lichter« (vgl. Gen 1,14–18) geschildert, be-
vor der Psalm zur Heilsgeschichte (ab V.10 Plagen, Exodus, Landnahme) über-
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geht. Die Betonung der tebûnah »Einsicht« ausschließlich bei der Erschaffung
des Himmels ist bemerkenswert und verbindet Ps 136 mit weisheitlicher Schöp-
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fungstheologie.
81
Vermutlich einmal ein Abschlusstext einer Vorstufe des Psalters, so Ch. Levin,
Psalm 136 als zeitweilige Schlussdoxologie des Psalters (SJOT 14, 2000, 17–27); J. Gärt-
ner, Die Geschichtspsalmen. Eine Studie zu den Psalmen 78, 105, 106, 135 und 136 als
hermeneutische Schlüsseltexte im Psalter (FAT 84), 2012, 362–371.
82
Vgl. H.-J. Hermisson, Zur Schöpfungstheologie der Weisheit (in: Ders., Studien
zu Prophetie und Weisheit. Gesammelte Aufsätze [FAT 23], 1998, 269–285); Keel /
Schroer (s. Anm. 3), 198–211 (zu Hi 38–42).
83
Zu Spr 3,19f vgl. etwa A. Meinhold, Die Sprüche. Teil 1: Sprüche Kapitel 1–15
(ZBK.AT 16/1), 1991, der auf Jer 10,12; Ps 104,24 als Kotexte verweist und zur theolo-
406 Friedhelm Hartenstein ZThK
»19 JHWH – in Weisheit (ḥåkmāh) hat er die Erde gegründet, hat zugerüstet (kûn) die
Himmel in Einsicht (tebûnah). 20 Durch seine Kenntnis – die Urfluten wurden gespal-
ten / brachen hervor und Wolken träufeln Tau.«
Nicht zufällig wird hier – stärker als in anderen Texten zur Erschaffung des
Himmels – von der intelligiblen Funktionalität des Himmels gesprochen, wenn
dieser von JHWH »in Einsicht zugerüstet / fest gemacht« wurde (kûn Polel). Es
geht um die am Himmel und der mit ihm verbundenen Wasserversorgung er-
kennbare und erwartbare Verlässlichkeit der guten Schöpfungswelt.84 Auch in
dem berühmten – durch die ägyptische Konstellation der vor Gott befindlichen
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noch nicht die Erde gemacht hatte und Fluren und den Anfang der Brocken des Erd-
kreises. 27 Als er befestigte / zurüstete (kûn) den Himmel, war ich da, als er einritzte /
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zeichnete den Horizont auf der Oberfläche der Urflut. 28 Als er fest machte Wolken
droben, als stark geworden waren die Quellen der Urflut. 29 Als er festsetzte dem Meer
seine Grenze [. . .].«
Hier ist die Erschaffung des Himmels der Umschlagpunkt des kosmogonischen
Geschehens. Bis zu seiner »Zurüstung / Stabilisierung« (V.27) dominiert die
Kette der »als noch nicht«-Aussagen. Mit dem »Himmel« beginnt die Errich-
tung des Weltgebäudes von oben nach unten wie dezidiert auch in der Kompo-
sition von Ps 104,2–9.87 Nach Spr 8,27 ist die Erschaffung des Himmels ein
zutiefst rationaler Akt Gottes.88 Von seinem »Grundriss« her wird die Urflut
giegeschichtlichen Einordnung bemerkt: »zu Beginn von V.20 deutet sich der Übergang
zur Weisheit als Schöpfungsmittel an, wenn unterirdische Wasser ›durch seine Kenntnis‹
hervorbrachen« (81).
84
Mit Ps 136 ist diese wie auch die Geschichte Ausdruck seines ḥæsæd »Güte / Bezie-
hungstreue«.
85
Vgl. zum ägyptischen Traditionshintergrund O. Keel, Die Weisheit spielt vor
Gott. Ein ikonographischer Beitrag zur Deutung des mesaḥäqät in Spr 8,30f, 1974.
86
Vgl. M. Leuenberger, Die personifizierte Weisheit vorweltlichen Ursprungs von
Hi 28 bis Joh 1. Ein traditionsgeschichtlicher Strang zwischen den Testamenten (in:
Ders., Gott in Bewegung [s. Anm. 12], 279–312), 292–298 (zu Spr 8,22–31).
87
In Ps 104 findet sich folgende Reihenfolge: V.2–4: Himmel:, V.5–9: Erde und Ein-
dämmung des Meeres; vgl. zur Themastruktur des Endtextes Krüger (s. Anm. 24), 92–
104; O. H. Steck, Der Wein unter den Schöpfungsgaben. Überlegungen zu Psalm 104
(in: Ders., Wahrnehmungen Gottes im Alten Testament. Gesammelte Studien [TB 70],
1982, 240–261); zur neueren Redaktionsgeschichte vgl. Müller (s. Anm. 17), 211–235.
88
Die Weisheit ist dabei stets anwesend.
110 (2013) JHWH, Erschaffer des Himmels 407
Wagen, Orion, das Siebengestirn und die Sterne des Südens. 10 Er tut große Dinge, un-
erforschlich, und Wundertaten, unzählbar. 11 Siehe, er geht vor mir vorüber und ich sehe
es nicht, er fährt vorbei und ich bemerke es nicht.«
Hier darf zum Schluss auch der Hinweis auf Ps 8,4 nicht fehlen – ein Text, der
die Stellung des Menschen vor der unermesslichen Größe des Schöpfergottes zu
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verstehen sucht.90 Nicht nur hier, sondern an allen anderen genannten Stellen
zur Erschaffung des Himmels geht es ja zuletzt um JHWHs Zuwendung zu
Copyright Mohr Siebeck
89
Vgl. zu Hi 9,5–10 M. Köhlmoos, Das Auge Gottes. Textstrategie im Hiobbuch
(FAT 25), 1999, 207–209; J. Ebach, Streiten mit Gott. Hiob. Teil 1: Hiob 1–20 (Kleine
Biblische Bibliothek), 32007, 94–96.
90
Zum Menschenbild von Ps 8 vgl. U. Neumann-Gorsolke, Herrschen in den
Grenzen der Schöpfung. Ein Beitrag zur alttestamentlichen Anthropologie am Beispiel
von Psalm 8, Genesis 1 und verwandten Texten (WMANT 101), 2004, 20–136; A. Schel-
lenberg, Der Mensch, das Bild Gottes? Zum Gedanken einer Sonderstellung des Men-
schen im Alten Testament und in weiteren altorientalischen Quellen (AThANT 101), 2011,
143–177.
91
Dazu möchte ich abschließend den Jubilar (s. Anm. 1) zitieren, der nicht nur der
Kosmologie, sondern vor allem der mit dieser notwendig verflochtenen Anthropologie
des Alten Testaments viel Forschungszeit gewidmet hat: »Der Mensch lebt und ist
Mensch, weil Gott seiner gedenkt und sich seiner annimmt (vgl. Ps 144,3) oder weil er –
wie Hi 7,17f den Gedanken der Aufmerksamkeit Gottes bezeichnenderweise abändert –
sein ›Herz‹ prüfend auf ihn richtet. In der Betrachtung der Schöpfung Gottes [sc. in Ps 8,4
eben des Himmels] wird der Mensch seines Menschseins inne« (B. Janowski, Konflikt-
gespräche mit Gott. Eine Anthropologie der Psalmen, 42013, 11).
408 Friedhelm Hartenstein ZThK
Erstens: Die alttestamentliche Rede von JHWH als dem Erschaffer des Him-
mels stellt seine universale Handlungsmacht, Einsicht und Weltüberlegenheit
gegenüber allen anderen Mächten heraus. Sie ist ein monotheistisches Kernar-
gument (vgl. hierzu auch das oft mit der Erschaffung des Himmels verbundene
lebadô »für sich allein«). Die Aussage, JHWH habe den Himmel erschaffen, ist
Teil der ab dem 6. Jahrhundert v. Chr. prominent hervortretenden alttestament-
lichen Schöpfungstheologien in der Priesterschrift, den Prophetenbüchern (vor
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allem Deuterojesaja92) und der späten Weisheit. Zugleich liegt die Bedeutung
dieser Rede für Israel und die Menschheit in der Zuwendung Gottes, wie sie in
einer lebensförderlichen Welt sichtbar wird (Ordnung der Zeiten, Verlässlich-
keit der Himmelsbewegungen, Wasserkreislauf durch Regen und Fruchtbarkeit
und – nicht zuletzt – Schönheit). Aber auch die unerforschliche Größe und der
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weite Abstand zwischen Schöpfer und Geschöpf werden mit ihr betont.
Zweitens: Die Frage nach der religionsgeschichtlichen Herkunft der pointier-
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ten Rede von JHWH als Erschaffer des Himmels scheint mir am eindeutigsten
so zu beantworten zu sein, dass sie in den Grundtexten des Deuterojesaja erst-
mals als monotheistisches Argument in Auseinandersetzung mit der Marduk-
theologie Babylons gebraucht wurde (die wichtigste Stelle dafür ist Jes 40,22, sie-
he 4.1.). Ob sie – wie andere Motive der expliziten Schöpfungstheologien – ältere
Vorläufer im eisenzeitlichen Palästina hat, muss offen bleiben. Neben Mesopo-
tamien wird auch die große Bedeutung des Lobpreises Ahuramazdas als trans-
zendenter und universaler Schöpfergott in den achämenidischen Königsinschrif-
ten für die Profilierung JHWHs in derselben Rolle wichtig gewesen sein (die
Aussagen zu JHWH als Himmelsgott finden sich besonders in Texten ab der
persischen Zeit). Zuletzt ist es jedoch die historisch-individuelle Eigenart der
Geschichte JHWHs, die ihn als Schöpfer des »Himmels und der Erde«, der
»sichtbaren und der unsichtbaren Welt«, zum Gott Jesu Christi und so auch zu
unserem Gott hat werden lassen.
92
Aufschlussreich im Blick auf die monotheistische Funktion ist auch der spät in den
Abschnitt Jer 10,2–16 gelangte aramäische Einschub Jer 10,11: »So sollt ihr zu ihnen [sc.
den Völkern] sprechen: Die Götter, die Himmel und Erde nicht gemacht haben (aram.
‘abad), sollen von der Erde und unter diesem Himmel verschwinden!« Vgl. dazu z. B.
H. Weippert, Schöpfer des Himmels und der Erde. Ein Beitrag zur Theologiegeschich-
te des Jeremiabuches (SBS 102), 1981, 34f.
110 (2013) JHWH, Erschaffer des Himmels 409
Summary
The article asks when and why YHWH became the creator of heaven(s). Based on the ob-
servation that the heaven(s) play a more and more dominant role in exilic-postexilic texts,
the article begins with an overview of the development of creation theologies as part of
monotheism since Deutero-Isaiah and »P«. All the notions of YHWH »stretching out«
or »making« the heaven(s) occur in late texts. Mostly we find the formulaic use of »heaven
and earth« as objects of creation, but there are also a few instances where heaven is the
sole object of YHWH’s actions (Ps 96:5 parr. 1Chr 16:26; Ps 33:6; see further Isa 40:22;
Ps 8:4). Here – and in some other more indirect instances – the creation of heaven is
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of the article examines this in more detail and gives an additional overview of the topic in
»P« (Gen 1), in the Psalms, and in late creation texts of wisdom literature (Prov 8; Iob).
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