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Als „Rote Spitzen“ werden die beiden Westtürme Beginnend mit dem 17. Jahrhundert erfuhr das al- Arnulf Dähne ist als
der ehemaligen Stiftskirche St. Marien bezeich- te Kirchenschiff einige Umbaumaßnahmen. 1669 freiberuflicher Restaurator
net, sie sind der letzte Überrest der einstmals - 1671 wurde hier ein Witwen- und Waisenhaus Mitglied der Partnergesellschaft
größten und reichsten Stiftsanlage des Pleißen- eingerichtet, das die Breite des einstigen Mittel- pons asini. Seit 2001 ist er
landes. Die Bezeichnung „Rote Spitzen“ stammt schiffes einnahm und von der Ausdehnung her bis Assistent an der Hochschule
aus dem 19. Jahrhundert, im Mittelalter war zu den westlichen Vierungspfeilern reichte. Bereits für Bildende Künste Dresden,
das Augustiner-Chorherrenstift aufgrund seiner im Jahr 1717 erfolgte ein Ausbau dieses Hauses, Studiengang Restaurierung.
exponierten Lage auf einer Anhöhe als „Berger- der im Wesentlichen die gesamte Länge des alten
kloster“ bekannt. Kirchenschiffs einnahm. Nach einem Brand im Dr. Uwe Moos ist Archäologe
Jahr 1810 wurde das Gebäude wieder aufgebaut, an der Friedrich-Schiller-
Was heute über das mittelalterliche Stift und die es diente jetzt als Zucht- und Arbeitshaus. Mitte Universität Jena. Er leitet
Kirche St. Marien an baugeschichtlichen Eckda- des 19. Jahrhunderts entstand im Osten noch ein archäologische Ausgrabungen
ten bekannt ist, gestaltet sich recht übersichtlich. Anbau aus Fachwerk. Dies entspricht im Wesent- aller Zeitstellungen für
Die Gründung des Stifts erfolgte 1165, die Weihe lichen dem Bauzustand von heute. verschiedene Institutionen
der Kirche St. Marien soll 1172 durch Bischof in der Bundesrepublik
Udo von Naumburg in Anwesenheit des Kaisers Altenburg als Zentralort des Reichslandes Plei- Deutschland.
Friedrich I. Barbarossa vorgenommen worden ßenland ist im sich konsolidierenden Machtgefü-
sein. Die betreffenden Urkunden haben sich als ge des Stauferkaisers Friedrich I. Barbarossa von
Fälschungen erwiesen, die historische Forschung herausragender Bedeutung für die Reichspolitik
geht jedoch davon aus, dass an einer Stiftung gewesen. Das Augustiner-Chorherrenstift mit
durch Kaiser Barbarossa nicht zu zweifeln sei. Im seiner Kirche kann als „steingebundenes“ Symbol
Jahr 1306 wurde dem Stift zur Erbauung eines kaiserlichen Machtanspruchs gewertet werden
Kreuzganges ein Steinbruch bei Pähnitz übereig- und repräsentiert so den damaligen politischen
net. Der in Stein ausgeführte Kreuzgang ersetzte Rang Altenburgs. Die Stiftskirche St. Marien ist
einen zunächst hypothetischen Vorgängerbau. einer der wichtigsten frühen Backsteinbauten der
Durch eine dendrochronologische Beprobung Romanik nördlich der Alpen. Hier spiegeln sich
im Jahr 2005 wissen wir, dass die heutigen Dach- die modernsten architektonischen Entwicklun-
stühle der Türme von St. Marien (bzw. Bauteile gen der Zeit wider.
davon) um 1336 datieren. Im Gefolge der Refor-
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mation wurde das Stift 1543 aufgelöst, säkulari-
Die Westtürme der ehemaligen
siert und die gesamten Besitzungen verteilt.
Stiftskirche St. Marien, heute
Wahrzeichen der Stadt Altenburg
Eine Meriandarstellung des Weichbildes von
Altenburg um 1600 zeigt ein bereits verfallenes
Kirchenschiff. Das Westturmwerk war hingegen
kaum zerstört. Hier wurde 1665 eine Schule
eingerichtet, ab 1685 dienten die Türme etwa
200 Jahre lang als Gefängnis, danach als Archiv.
1871-1873 sind unter dem Architekten Sprenger
umfassende Sanierungsarbeiten am Westturm-
werk durchgeführt worden.