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erker, eine prächtige Fenstergruppe im Hauptgeschoß, Reste westdeutschland in der ersten Hälfte des 13.

Jahrhunderts
des Zinnenkranzes und schließlich ein zierlicher Schornstein führenden Bauhütte, die nach der Errichtung der musterhaften
auf der oberen Plattform. Bauten im Zisterzienserkloster Maulbronn (Vorhalle der
Dieser Schornstein, ein schlankes, im Grundriß recht­ Kirche, Herrenrefektorium und östlicher Kreuzgangflügel) eine
eckiges Türmchen, erhebt sich auf der oberen Brüstungsmauer weitverzweigte und ergebnisreiche Bautätigkeit in Schwaben
des Turmes, dem Burghof zugewandt und dient der Abfüh­ und einem Teil Frankens entfaltete (Anm. 5).
rung der Rauchgase des großen Kamins im Eingangsgeschoß Auf Grund eingehender Formanalyse kann man die Bauzeit
(Anm. 3). Bei einer Gesamthöhe von über 3,00 m steigt der des großen Berchfrits zu Neipperg und seiner Einzelformen in
Schornstein über seinen unteren Sockel und einem Rücksprung das dritte oder vierte Jahrzehnt des 13. Jahrhunderts datieren.
von beiderseits 3,5 cm in einem rechteckigen Aufbau von Sie fällt also in die späte Stauferzeit, den sogenannten „Uber­
0,90x1,18 m Seitenlange auf. Im unteren Teil besteht er aus gangsstil", eine Epoche höchster künstlerischer Entfaltung auch
rauh bearbeitetem Quaderwerk, im oberen Teil, der nach allen im Profanbau. Diese Zeit hat namentlich im Burgenbau wert­
vier Seiten rundbogige Rauchöffnungen enthält, aus fein ge­ volle und vorbildhafte Lösungen gefunden. Ihre hohe Auf­
glätteten Steinen. Den Abschluß bildet die reizvolle Bedachung: fassung vom Wesen der Baukunst äußert sich nicht nur in der
Zwei Satteldächer durchdringen sich über der rechteckigen Gesamtkonzeption der Bauwerke, sondern durchdringt in künst­
Grundrißform, so daß nach den vier Ansichtsseiten Giebel­ lerischer und handwerklicher Vollendung auch jede kleinste
felder entstehen. Der First der Dächer ist mit einem breiten, bauliche Einzelform. Die systematische Aufnahme und Deutung
über die Dachflächen herabhängenden Wulst abgeschlossen. dieser Formen erschließt auch heute noch wichtige Erkennt­
Der oberste Deckstein begrenzt gleichzeitig auch den inneren nisse und überraschende Einblicke in die mittelalterliche Vor­
Kaminschlot nach oben. stellungswelt.
Als Steinmaterial dient gelblich-brauner Keupersandstein von
feiner Struktur und meist guter Qualität. An der Außenseite Anmerkungen.
des Schornsteins sind, wie auch sonst am Berchfrit, große 1. Vgl. z. B. den Palas der Wartburg. Hotz, W. Kaiserpfalzen und Ritter­
Buckelquadern verwendet, die grob gespitzt oder auch sorg­ burgen in Franken und Thüringen, Berlin 1940, Abb. 48.
fältig in Kissenform geglättet sind. An den anderen Seiten 2. Das Königreich Württemberg, Band 1: Allgem. Teil und Neckarkreis,
wurden die Steine mit dem Spitzeisen grob abgearbeitet, wobei Stuttgart 1904, S. 283 f. Eine kurze Beschreibung im Württbg. Inventar:
Die Kunst- und Altertumsdenkmale im Königreich Württemberg, Neckar­
sich der innere, ein wenig erhöhte Spiegel deutlich gegen den
kreis, Stuttgart 1889, S. 121 f. Dort auch Abb. des Kamins und der
glatten Randschlag abhebt. Die oberen Schichten einschließlich Fenstergruppe. Eine systematische Aufnahme und Bearbeitung der Burg
der Abdecksteine zeichnen sich durch sauber geglättete Werk­ steht noch aus.
steine mit gutem Fugenschnitt aus, deren Ansichtsseiten in 3. Der Kamin gehört zu den größten und besterhaltenen Werken dieser
schrägen Hieben mit der Glattfläche behandelt sind. Manche Zeit und verdiente eine eingehende Würdigung. Als Vergleichsbeispiel
für einen Schornstein sei auf den des „Frühmesserhauses" im Kloster
Steine tragen sichtbare Zangenlöcher für die Hebezeuge und
Maulbronn hingewiesen, vgl. Württbg. Inventar, a.a.O. Abb. S. 422.
vereinzelt auch Steinmetzzeichen (Anm. 4).
4 Offenbar handelt es sich hier um ein sehr frühes Vorkommen der Zangen­
Die Formen des kleinen Kunstwerkes weisen eindeutig auf die löcher, da der „Wolf" im allgemeinen noch bis Ende des 13. Jahrhunderts
Bauhütte von Maulbronn. Der Kamin im Inneren des in Übung blieb. Vgl. Ganssauge, G. Hebeklaue und Wolf, in Dt. Kunst
und Denkmalpflege, 1937, S. 202.
Turmes, die prachtvolle Fenstergruppe und zahlreiche Einzel­
5. Schmidt, Paul, Maulbronn. Studien zur Dt. Kunstgeschichte, 47. Straß­
formen der Bauausführung bestätigen dieses Abhängigkeits­
burg 1903. Dort auch eine nähere Betrachtung der Nachfolgebauten Maul­
verhältnis. Die Burganlage zu Neipperg zählt daher zu den bronns in Schwaben und Franken. Vgl. auch Giesau, H. Eine deutsche
Werken der berühmten „Maulbronner Schule", der in Süd­ Bauhütte aus dem Anfang des 13. Jahrhunderts. Halle a. S. 1912.

Walter Freier

Bergfried - Berchfrit

Wort und Begriff

Als Nachklang veröffentlichen wir nach­ trug. Es war das Wort aber auch gleichbedeu­ Nachfolgend nun alle mir bekanntgewordenen
stehende Abhandlung unseres langjähri­ tend mit dem Wa.ndelturm oder dem „Ebenhoch", Schreibarten: perfrit; berefreit; pervrit; bervrit;
gen, hochverdienten Mitarbeiters und und es bezeichnet zunächst auch einen hölzernen perferd; berpferd; berchfrit; pürfrit; bürcfrit;
Vorstandsmitgliedes der DBV, des Privat­ Turm (die ganz alten Befestigungswerke waren bürkfride; purkfridt; barenfrid; berfride; perkch-
gelehrten und Heraldikers Dipl.-Ardiitekt gutenteils aus Holz) wie auch ein hölzernes Ge­ frid; pechfrid und bärfried. — Spätlateinische For­
Dr. jur. utr. Walter Freier, Nördlingen. rüst überhaupt. In einer Kirchenbaurechnung von men: bal-, bil-, bei-, ber-, ver-, berte-, balte-
Er starb (67) im Jahre 1957 nach einem Xanten vom Jahre 1375 wird zum Beispiel das fredus; bal-, per-, batifridus, belfragium; beti-, biti-,
erfüllten Leben. Wort für den Glockenstuhl gebraucht: „in turri batifredum usw. -—• Niederdeutsch: berchvrede,
opus pro campanis, quod dicitur bergfrede"; barchvred. — Altfranzösisch: perfroi, bierfroit,
DK 728.81 B 44 1368 wird in Braunschweig ein Kran zum Auf­ baffraiz. — Neufranzösisch: beffroi. Englisch: bel­
Das Wort „Bergfried" in seinen verschiedenen winden von Werksteinen so bezeichnet. fry. Schwedisch: barfrid. Italienisch: belfredo.
Schreibungen Bergfrit, Bergfried, Berchfrit, Berch- Das Wort wird nach der Deutschen Sprachfor­ Seit dem Ende des 18. Jahrhunderts versteht man
friet, franz.: beffroi, engl, belfry, bezeichnet schung hergeleitet aus den Stämmen „Berch — unter Bergfried —- Berchfrit — den Hauptturm
gleichbedeutend mit „Torn" (unser heutiges Wort Berg" und „vrit — frit — fried", das nun ver­ auf Burgen oder einen einzeln stehenden Wart­
„Turm") ein Bauwerk des Befestigungswesens. Das schieden gedeutet wird, wie: „den Frieden ber­ turm, sowie den Turm von Rathäusern.
Wort hat, wie fast alle technischen Ausdrücke gend", „bergende Einfriedigung"; „Umfriedigung
des Mittelalters, im Befestigungswesen verschie­ auf einem Berge"; „Frieden, in dem man sich Durch Cohausen hat sich das Wort „Bergfried"
dene Bedeutung gehabt. Es war zum Beispiel birgt"; „friedlich bergen". Ganz unstreitig hängt allgemeiner eingebürgert, während die alte Form:
gleichbedeutend mit dem Flauptturm der Burg, der das Wort mit dem Begriff des „Burgfriedens" „B e r c h f r i t“ die gerechtfertigtere ist und
manchmal den Zusatz der hohe oder dicke zusammen. eigentlich angewandt werden sollte.

16 Burgen und Schlösser 1960 I

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