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11 BTA LF7 Skript1 Klassische genetische Verfahren anwenden

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Drosophila – Kreuzungen

Ziele:
Experimentelle Erarbeitung der Mendelschen Regeln
Zucht von Fruchtfliegen als exemplarisches Beispiel für den Umgang mit Labortieren
Basisinformationen:
Drosophila war und ist das Standardsystem der Genetiker. Die Fliegen haben eine schnelle
Generationszeit (10 bis 14 Tage bei 25° - 28°C) mit vielen Nachkommen. Die Haltung ist
einfach und relativ billig. Ein Nachteil ist, dass, anders als z.B. bei vielen Mikroorganismen,
Stämme nicht konserviert werden können, sondern ständig fortgepflanzt und gewartet werden
müssen. In einzelnen Labors werden oft Hunderte von Stämmen (Mutanten) gehalten und eine
geschulte Kraft ist für die dauernde Versorgung erforderlich.
Drosophila melanogaster ist etwa 2mm groß und ernährt sich von Obstsäften. Der Geruch von
überreifem oder gärendem Obst lockt im Sommer und Herbst viele der zu den Taufliegen
gehörenden Insekten an. Sie dürften deshalb jedem bekannt sein.
Mit einer Lupe können die Geschlechter leicht unterschieden werden:
Der Hinterleib der Weibchen ist zugespitzt und die schwarze Bänderung der Hinterleibsringe
setzt sich bis zum Ende fort. Der Hinterleib der Männchen ist abgerundet und die dunklen Ringe
scheinen zu einem einheitlichen schwarzen Band verschmolzen zu sein.

Die Weibchen legen ihre etwa 0,5mm großen Eier auf die Oberfläche von Obst (bzw. Nährboden
s.u.). Die Embryonalentwicklung des Keimes ist nach etwa einem Tag abgeschlossen, dann
schlüpft die Larve (Made) und bohrt sich in das Obst (Nährboden). In den nächsten drei Tagen
häuten sich die Larven zweimal und wachsen bis zu einer Größe von 2mm heran. Dann verlassen
die Larven den Nährboden wieder und verpuppen sich (an der Wand des Zuchtgefäßes).
Während der Puppenruhe färbt sich die tönnchenförmige Puppe von gelblichweiß nach braun
um. Wenn die Metamorphose (Umwandlung) nach 4-5 Tagen beendet ist, schlüpft die Imago
(das fertige Insekt).

Bereits sechs bis acht Stunden nach dem Schlüpfen sind die Tiere zeugungsfähig!
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Neben dem
Drosophila Wildstamm (oreR)(+) besitzt die Merkmale in der ursprünglichen Ausprägung, z.B.:
Körper bräunlich gefärbt, dunkelrotbraune Augenfarbe, lange
und gerade Flügel
gibt es zahlreiche Mutanten, mit denen die Mendelschen Regeln experimentell bestätigt werden
können, z.B.:
vestigial (vg) Stummelflügel, rezessives Allel auf Chromosom 2
ebony (e) schwarze Körperfarbe, rezessives Allel auf Chromosom 3 für
geschlechtsgebundene Vererbung:
white (w) weiße (pigmentlose) Augen, rezessives Allel auf dem
x-Chromosom
oder Doppelmutanten, wie
ebony (e) /white (w) weiße Augen, schwarzer Körper, s.o.

oder Dreifachmutanten, wie


yellow (y) / white (w) / singed (sn): gelber Körper, weiße Augen, versengte Borsten,
alle Merkmale auf dem x-Chromosom  Genkartierung!

Um die Schreibweise für Kreuzungsansätze zu vereinheitlichen, hat man sich auf folgende
Regeln verständigt:
- Wildtyp-Allele werden jeweils durch ein „+“ abgekürzt.

- Rezessive Mutanten-Allele werden klein-, dominante Mutanten-Allele großgeschrieben.

- Zuerst wird das mütterliche Individuum beschrieben, dann das väterliche.

- Der Genotyp wird als Bruch dargestellt.

- Über dem Bruchstrich werden die mütterlichen Allele mit ihren entsprechenden Abkürzungen
aufgeführt, darunter die väterlichen.
Material:
Drosophila Wildstamm und geeignete Mutanten (s.o.)
Zuchtgefäße (s.u.), Zutaten für Nährboden (s.u., Hinweis: Trockenbierhefe, Maisgries,
Malzextrakt und Vollsojamehl erhält man in Reformhäusern.), Kochtopf, Heizplatte
Rundfilter, Nipagin (Methyl-4-Hydroxybenzoat), Propionsäure, Diethylether
Durchführung:
1. Vorbereiten der Zuchtgefäße:
Im Handel (Fa. Greiner) sind Drosophila-Zuchtgefäße aus Kunststoff mit Schaumstoffdeckel
erhältlich.
Als Zuchtgefäße eignen sich u.a. auch sterile Gläschen von Babynahrung, die mit Wattestopfen
verschlossen werden. Zur Trockensterilisation der Gläschen saubere und trockene Gläschen ohne
Etiketten in kalten Trockenschrank legen; 2h bei 180°C erhitzen; bis zum Erkalten in
geschlossenem Trockenschrank belassen, um ein Springen der Gläser zu vermeiden. Zum
Herstellen der Stopfen in ein Stück Mullbinde ein Knäuel Watte geben und die Mullbinde
zubinden.
2. Vorbereiten der Filterpapiere (etwa 25 Stück):
Man löst in einer großen Petrischale zwei Spatelspitzen Nipagin in etwa 20ml Ethanol, taucht
Rundfilter (90 o. 110mm) in die Lösung und legt sie zum Trocknen.
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3. Herstellung des Nährbodens (ausreichend für 20-25 Zuchtgefäße):


Rezept für Futterbrei:
1 Liter Wasser
8g Agar
20g Trockenbierhefe
75g Maisgries
40g Zuckerrübensirup (etwa 2 Esslöffel)
80g Malzextrakt oder Zucker
10g Vollsojamehl (bei D. melanogaster nicht unbedingt erforderlich)
5ml Propionsäure
1 Spatelspitze Nipagin (Methyl-4-Hydroxybenzoat)
1 Würfel Bäckerhefe oder Trockenhefe
Das Wasser wird zusammen mit dem Agar und der Trockenbierhefe in einem Kochtopf auf einer
Herdplatte unter Rühren zum Kochen gebracht, dann wird der Maisgries und die übrigen Zutaten
nach und nach unter Rühren hinzugefügt. Der Brei muss unter ständigem Umrühren etwa 10–20
Minuten lang aufgekocht werden. Man lässt etwas abkühlen, setzt eine Spatelspitze Nipagin und
5ml Propionsäure zu und verrührt diese Zusätze gleichmäßig. Beim Ausgießen muss der Brei so
warm sein, dass er noch zu gießen ist, aber der Maisgries sich nicht mehr absetzen kann.
Nachdem der Brei etwa 3cm hoch in die Gläschen ausgegossen und weiter abgekühlt ist, wird
die Breioberfläche mit wenigen Tropfen Bäckerhefe-Schlämme (ein Stück Bäckerhefe mit wenig
Wasser suspendieren) benetzt und zu einem Film über den Brei gleichmäßig verteilt. Zum
Schluss werden die vorbereiteten, getrockneten, zu einem Kegel gefalteten Rundfilter in den Brei
gesteckt.
Erst wenn der Brei vollständig erkaltet, der Hefefilm angetrocknet und an den Wänden der
Zuchtbehälter kein Kondenswasser mehr zu sehen ist, dürfen die Fliegen eingesetzt werden.
Die Kulturen gehen am besten an, wenn der Brei nicht älter als 1 – 2 Tage ist, notfalls können
vorbereitete Kulturgefäße eine Woche im Kühlschrank aufbewahrt werden.
Während der Kultur, z.B. im Thermostaten bei 25° - 28°C, ist darauf zu achten, dass der Brei
nicht eintrocknet. Spätestens wenn er sich von der Glaswand gelöst hat, muss etwas Wasser
zugesetzt werden. Dies kann am einfachsten mit einer Spritze und Kanüle durch den
Schaumstoffdeckel bzw. Wattestopfen geschehen.
4. Zuchtansatz (Reinstammkulturen)
Die für die Kreuzungen benötigten Reinzuchten werden über den Lehrmittelhandel oder von
einem genetischen Institut besorgt. 14 Tage bevor man mit den Kreuzungen beginnen will,
werden von jedem Stamm zwei bis drei Zuchtgefäße mit je etwa 10-15 Weibchen und Männchen
angelegt, um unvorhersehbaren Verlusten vorzubeugen. Die Zuchtgefäße sind mit dem
jeweiligen Genotyp und dem Datum des Zuchtansatzes zu beschriften. Die Zuchtgläser werden
bei ca. 25°C im Brutschrank aufbewahrt. Larven treten etwa nach 5 Tagen auf. Man sieht sie von
der Seite des Gefäßes in der Oberflächenschicht des Nährbreis kriechen. Sind nach 5-7 Tagen
keine Larven zu sehen, ist die Kultur nicht angegangen. Etwa nach 4 Wochen sollten erneut
Reinstammkulturen angelegt werden.
5. Narkotisieren
Für die genaue Geschlechts-Diagnose müssen die Fliegen betäubt werden. Man benötigt dazu
einen Kork- oder Gummistopfen, der auf die Zuchtgefäße passt. Auf der Innenseite des Stopfens
wird ein Wattebausch mit einer Reißzwecke befestigt. Direkt vor der Betäubung wird der
Wattebausch mit wenigen Tropfen Diethylether getränkt. Man stößt das Zuchtgefäß mehrfach
leicht auf den Handballen. Die Fliegen fallen dadurch nach unten. Dann ersetzt man rasch den
Stopfen des Zuchtgefäßes gegen ein umgedrehtes, sauberes, leeres Zuchtgefäß, das als
Betäubungsgefäß dient. Umschließt man mit den Händen das untere Gefäß, fliegen oder laufen
die Fliegen dem Licht entgegen in das obere Gefäß. Man kann die beiden Gefäße auch um 180°
drehen und die Fliegen durch leichtes Klopfen in das Narkosegefäß befördern, aber ein
Umstülpen der Gefäße birgt die Gefahr, dass sich der Nährboden löst bzw. auch Puppen in das
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Betäubungsgefäß fallen. Keinesfalls sollten die Gefäße umgestülpt werden, wenn in dem
Zuchtgefäß Schimmelbefall zu erkennen ist. Sind die Fliegen im Betäubungsgefäß, wird dieses
rasch mit dem Betäubungsstopfen, das Kulturgefäß mit dem normalen Stopfen verschlossen.
Die Betäubung erfolgt schneller, wenn man die an der Wand nach oben laufenden Fliegen
mehrfach auf den Boden des Betäubungsgefäßes schüttelt. Wenn die Tiere sich nicht mehr
bewegen bzw. nur noch mit den Beinen zucken, gibt man sie auf einen weißen Rundfilter. Zu
lange Ethereinwirkung tötet die Tiere, direkte Benetzung tötet sie sofort. Tote Fliegen sind an
abgespreizten Flügeln zu erkennen.
Es empfiehlt sich, die Fliegen zügig unter der Lupe zu identifizieren. Mit einem feinen Pinsel
lassen sich die Tiere bewegen. Will man die narkotisierten Fliegen in Zuchtgefäße mit Nährbrei
umsetzen (z.B. zum Ansetzen einer Kreuzung) gibt man sie mit Hilfe des Pinsels in den Filter
des Zuchtgefäßes, damit die Flügel nicht an dem Nährbrei festkleben können.
Bei jeder erneuten Benutzung des Betäubungsglases ist darauf zu achten, dass keine Fliegen von
der vorangegangenen Narkose im Glas geblieben sind.
Nicht mehr benötigte Fliegen werden in narkotisiertem Zustand in einer Laborflasche mit
Ethanol abgetötet. Einfaches Freilassen der Fliegen in Labor oder „Wildnis“ zeugt von geringem
Verantwortungsbewusstsein.
6. Kreuzungsansätze
Die durchzuführenden Kreuzungen bespricht die Praktikumsleitung mit den Praktikanten. Jeder
Praktikant führt mindestens eine Kreuzung bis zur F2 und eine Rückkreuzung eigenständig und
selbstverantwortlich durch. Es ist darauf zu achten (insbesondere bei geschlechtsgebundener
Vererbung), dass auch die reziproke Kreuzung erfolgt. Das Sammeln von virginen
(unbefruchteten, jungfräulichen) Weibchen (s.u.) und auch die Kreuzungsansätze selbst werden
i. d. R. nicht während der Praktikumszeiten erfolgen.
Für den Ansatz der Kreuzungsversuche sind unbefruchtete Weibchen nötig. Um diese zu
erhalten, entfernt man spätestens nach zehn Tagen die Eltern aus den benötigten Stammkulturen
und wartet, bis die ersten Jungfliegen schlüpfen. Dann werden (i. d. R. morgens vor der ersten
Unterrichtsstunde) alle geschlüpften Fliegen aus den Zuchtgefäßen entfernt. Es ist darauf zu
achten, dass wirklich keine Fliege in den Flaschen zurückbleibt (z. B. im Filter). Die innerhalb
der nächsten 6 Stunden (bis zum Mittag) schlüpfenden Tiere sind sicher unbefruchtet. Sie
können w. o. beschrieben betäubt und sortiert werden. Für einen Kreuzungsansatz werden
mindestens 3 Weibchen und 3 Männchen benötigt. Sind nicht ausreichend Fliegen geschlüpft,
muss am nächsten Tag die Prozedur wiederholt werden. Die Geschlechter sind bis zum
Kreuzungsansatz in beschrifteten Zuchtgefäßen mit Nährbrei getrennt zu halten. Hat man
ausreichend Tiere gesammelt, kann die gewünschte Kreuzung in einem beschrifteten
(Generation, Art der Kreuzung, Datum, Name des Praktikanten) Zuchtgefäß erfolgen. Die
Bebrütung erfolgt w. o. a.. Alle Elterntiere sind zu entfernen, sobald Puppen erscheinen (7.-8.
Tag nach Kreuzungsansatz). Eine erfolgreiche Zucht enthält 200-300 Nachkommen.
Soll erneut eine Kreuzung angesetzt werden, z.B. die F1 untereinander, wird w.o.a. betäubt,
sortiert und neue beschriftete Zuchtgefäße besetzt. Für die Kreuzung der F1 untereinander
benötigt man selbstverständlich keine unbefruchteten Weibchen. Auch hier werden nach 7-8
Tagen alle F1-Tiere entfernt.
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7. Auswertung
10-14 Tage nach Ansatz der Kreuzung wird das Ergebnis ausgewertet.
Die Betäubung der Fliegen erfolgt wie oben angegeben. Die nur noch zur Auszählung benötigten
Fliegen können intensiv betäubt (und dabei meist bereits abgetötet) werden. Es werden so viele
Fliegen nach ihren Phänotypen sortiert und ausgezählt, bis sich eine stabile Prognose des
Gesamtergebnisses ergibt.

Aufgaben:
1. Formulieren Sie die erwarteten Ergebnisse der einzelnen Kreuzungen.
2. Protokollieren Sie Ihre tatsächlichen Versuchsergebnisse und vergleichen Sie diese mit den zu
Erwartenden.
3. Überlegen Sie, welcher Phänotyp der F2 zur Rückkreuzung einzusetzen ist, mit welchen
Fliegen diese F2 zu kreuzen ist, ob unbefruchtete Weibchen verwendet werden müssen und
führen Sie die Rückkreuzung entsprechend durch.

Literatur:
„Grüne Reihe“ Genetik-Band der Materialien SII, Schroedel
Materialien-Handbuch Kursunterricht Biologie, Genetik I, Aulis

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