03

D 18,50 €
A,L 20,95 €
CH 24,90 SFR

BAU
4 194673 018502

B3 121. JAH RGAN G

Das Architektur-
Magazin
März 24

ME ISTER
Benvinguts a
Mallorca
SEI UNSER
TÜPFELCHEN
AUF DEM ...

WERDE TRAINEE ODER WERKSTUDENT (M/W/D)

IN DEN REDAKTIONEN VON BAUMEISTER, G+L,
TOPOS, RESTAURO UND STEIN

GEORG-MEDIA.DE/JOBS/
 B3 Editorial
Der Punkt, an dem Wirklichkeit und Traum in-
einander übergehen und jedwede Grenze
zwischen den Horizonten verschwimmt, das
ist Mallorca. Die Baleareninsel stellt für zahl-
reiche Menschen den absoluten Urlaubs-
und Reisetraum dar. Und das weltweit und
unabhängig von ihrer gesellschaftlichen
Schicht. Die knallharte Realität der Insel
bleibt jedoch vielen Besuchern verborgen.
Im Bereich der Baukultur kämpft Mallorca
vor allem mit einem enormen Fachkräfte-
mangel, maroder Bausubstanz und komple-
xen Witterungsbedingungen.
Gleichzeitig finden sich auf Mallorca einzig-
artige Baustoffe und Materialien sowie ganz
besondere architektonische und baukultu-
relle Meisterwerke. Die spannenden Bauten
stehen dabei aber nicht unbedingt in Mal-
lorcas Hauptstadt Palma, sondern tendenzi-
ell eher in den ländlicheren Regionen der In-
sel. Hier überrascht Mallorca neben einzig-
artigen Hotelbauten mit eindrucksvollen
Weingütern und vor allem durch kleinere,
dafür aber umso außergewöhnlichere Ob-
COVE RFOTO: DOM INIK BAUR-CALLWEY
jekte. Hier prägt vor allem der inseltypische
Marès die mallorquinische Architektur. Bis
heute baut man auf Mallorca mit dem ba-
learischen Kalkstein.
Wo Licht ist, ist freilich aber auch Schatten.
Man könnte auf der Insel Tage damit verbrin-
gen von einem luxuriösen Dekadenzbunker
zum nächsten zu fahren und sein Augenlicht
von den immergleichen, austauschbar wir-
kenden Luxuswürfeln an den felsigen Küsten
verdunkeln lassen. Die Insel hat allerdings
deutlich mehr zu bieten und lässt sich vor al-
lem im Hinblick auf seine architektonischen
Highlights nichts vormachen.
Außerhalb der größeren Städte beobachtet
man zudem ein weiteres Phänomen: Armut.
Die Massen von Touristen sorgen seit Jahren
auf Mallorca für eine Kostenexplosion nach
der anderen. Einheimische können sich das
Leben kaum noch leisten. Die Zahl der Ob-
dachlosen steigt Jahr für Jahr. Der Massen-
tourismus erstickt die Insel. Infrastrukturell
lassen sich die Millionen von jährlich auf die
Insel strömenden Besuchermassen kaum
noch tragen. Und auch ökologisch hat der
Mallorca-Hype seine Folgen. Die Geister, die
ich rief? Vielleicht. Die einzigartige Flora und
Fauna Mallorcas ruft jedoch schon lange
nichts mehr außer „Hilfe!“.
Mallorca ist eine Insel der Extreme. Und: Mal-
lorca ist Faszination. In dieser Ausgabe be-
schäftigen wir uns deshalb nicht nur mit ei-
nigen der spannendsten architektonischen
Highlights Mallorcas, sondern ebenso mit
den Auswirkungen der Besuchertsunamis
und nehmen die wirklich sehenswerten Ge-
heimtipps unter die Lupe.
Mit Vergnügen darf ich Ihnen in dieser Aus-
gabe eines der schönsten Inselparadiese
überhaupt vorstellen und freue mich auf Ihr
Feedback.
Herzlichst,
Tobias Hager
t.hager@georg-media.de
@baumeister_architekturmagazin
Innovationen
und Lösungen
„Kurviger“
Mallorca ist traumhaft Schalen-
waschtisch
und für viele Men- von

schen Sinnbild von Bette

S. 19
Urlaub und Erholung.
Doch die Witterung
auf der balearischen
Insel kann vor allem
Gebäuden zu schaffen 6
machen. Auf diese Fenster ist nicht
speziellen Anforderun- gleich Fenster.
gen müssen sich Her- So behält man von
steller und Architekten Mallorca bis Nürnberg
einstellen. den Durchblick.

10
Freundliches Ambiente mit Fenster, Türen
Accessoires von Hewi
S. 24 und Tore

Die Wahl fällt nicht

FOTOS VON LINKS NACH RECHTS: HEWI; BE T TE; TOME U CANYE LL AS
leicht: Neben dem
Tageslicht und
der Sicherheit geht es
heute auch um Sonnen-
schutz, Lüftung und
nicht zuletzt um
die Integration in
die Gebäudetechnik.
 Inhalt

18
Bad

Neben dem Design ab

rücken längst Wasser- und
Energiesparen in den Fokus Seite 27
der Hersteller. Passend
für jede Lebensphase 6 Ideen
entscheiden außerdem
Bewegungsraum und zum Thema
Anpassungsmöglichkeit. Mallorca

Fenster vom portugiesischen Hersteller

Otiima in einer Villa von Estudio Cano auf Mallorca
S. 7
6

Mallorquinische
Herausforderungen
in Nürnberg
gelöst

Text:
Tobias Hager

Bauen auf Mallorca ist aus vielerlei Sicht eine He-

rausforderung. Auf der einen Seite stehen stetig
steigende Preise für Grundstücke und oft felsiges
Terrain. Auf der anderen Seite wartet Mallorca
mit speziellen Witterungsbedingungen auf, die
man aus Deutschland kaum kennt. Fensterher-
steller aus aller Welt arbeiten an Innovationen,
um diese und viele andere Themen zu lösen. So
werden im März nicht auf Mallorca, sondern in
Nürnberg von über 600 internationalen Fenster-
Ausstellern Neuheiten präsentiert.
 Innovation und Lösung 7
FOTOS: E STUDIO CANO

Nicht alle Hersteller können Fenster entwickeln, die der speziellen mallorquinischen Witterung
gewachsen sind. Die portugiesische Fenster-Manufaktur Otiima zeichnet sich nicht nur durch einzigartiges Design aus,
sondern vor allem auch durch hochwertige Technik.
8 Innovation und Lösung
Viele, die auf Mallorca bauen,
haben ausschweifende Ansprü-
che an die Architektur. Man
kennt Bilder der protzigen Villen
an den Küsten, und der Ruf der
Insel verliert sich dabei schnell
irgendwo zwischen Party-Tou-
risten und Dekadenz. Fenster
spielen bei den Villen eine
wichtige Rolle. Der Inselbauherr
von heute möchte schließlich
den ungetrübten Blick auf den
Horizont genießen. Und das am
liebsten ohne störende, sicht-
verdeckende Rahmenelemen-
te oder andere Bauteile der meist
bodentiefen, riesigen Fenster-
flächen.
Na tü rl ich geht es daneben
auch um Wärmedämmung. Auf
Mallorca jedoch oftmals mehr
darum, dass Wärme draußen
bleibt und das Raumklima im
Inneren konstant angenehm
gehalten werden kann. Dafür
kommen meist aufwendige Kli-
matisierungs- und Belüftungs-
anlagen zum Einsatz. Zumindest
im Bereich der Villen und luxuri-
öse ren Projek te. D och a n-
spruchsvolle Bauherren wollen
immer häufiger immer riesigere
Fensterflächen mit möglichst
wenig Rahmen. Dem folgt die
Anforderung, dass Fenster, trotz
ihrer Größe, leicht und am bes-
ten mit nur einem Finger zu öff-
nen, bewegen und schließen
sein müssen. Das können nicht
alle Hersteller leisten, und so
lernten wir von Architekten auf
Mallorca, dass Marken wie Otii-
ma besonders bevorzugt wer-
den. Die Anforderungen zwin-
gen Hersteller dazu, immer
leichter zu bedienende und da-
bei möglichst minimalistische
Fensterdesigns zu entwickeln.
Natürlich stellen die Anforde-
rungen an Fenster auch in deut-
schen Bauprojekten Architekten
vor teils anspruchsvolle Heraus-
forderungen, aber auf Mallorca
haben wir es mit extremen und
vor allem anderen Witterungs-
bedingungen zu tun. Die Mi-
schung aus brennender Hitze
und salzhal t ige r Mee reslu f t Auf Veranstaltungen wie der
sorgt in punktueller Kombinati- Fensterbau Frontale, aber auch
on mit Sand für andere Belas- der „glasstec“ in Düsseldor f
tungen für die verbauten Pro- merkt man schnell, wie viel In-
dukte. Laut mallorquinischen novationskraft in europäischen,
Architekten können nicht alle aber vor allem deutschen Her-
europäischen Fabrikate damit stellern steckt. Nicht nur deswe-
umgehen. gen lohnt sich ein Besuch. Viele
Feuchtigkeitsent wicklung ist der mallorquinischen Heraus-
auf einer mediterranen Insel, forderungen betreffen auch uns
trotz all der Hitze, zudem ein in Deutschland, Österreich und
treibendes Thema. Schneller als der Schweiz mehr und mehr.
viele glauben, bildet sich im In-
neren Feuchtigkeit. Logischer-
weise sind Fenster besonders
davon betroffen. Doch auch Ba-
dezimmer und Küchen leiden
schnell unter zu viel Feuchtig-
keit. Deshalb sind leistungsfähi-
ge Belüftungsanlagen sowie Zur Messe
Fensterinnovationen wichtig.
Von Mallorca nach
Nürnberg Die „Fensterbau
Frontale“ führt wieder
Wer wissen möchte, wie Fens- einige der wichtigsten
terhersteller mit den Herausfor- Fensterhersteller der
derungen moderner Architek- Welt nach Nürnberg.
tur, aber auch Bestandsprojek- Über 600 Aussteller
ten umgehen, sollte sich den 19. präsentieren dort ihre
bis 22. März vormerken. Nicht Neuheiten, und
auf Mallorca, dafür aber in Architekten können
Nürnberg findet die internatio- sich speziellen
nale Leitmesse für Fenster, Türen „Guided Tours“ für ihre
und Fassaden namens Fenster- Branche anschließen.
bau Frontale statt. Über 600 Her-
steller präsentieren hier ihre In-
novationen und vor allem Lö-
sungen rund um das Thema
Fenster. Für Architekten werden
spezielle „Guided Tours“ veran-
staltet, bei denen man sich auf
der Webseite der Messe www.
frontale.de anmelden kann.
Auf der Fensterbau Frontale er-
warten den Besucher Innovatio-
nen aus den Bereichen Profil-
systeme, Glas, Sicherheit, Be-
festigungstechnik, Abdichtung
und vieles mehr. Neben den
Messeständen können Besu-
cher an Fachforen und Sonder-
schauen teilnehmen. Außer-
dem findet parallel die Messe
Holz-Handwerk statt, was für
Freunde des Holzbaus interes-
sant sein könnte.
10 Innovation und Lösung
W W W .V E L U X . C O M
Oberlicht für eine umweltfreundliche
Möbelproduktion
Velux
Im norwegischen Magnor steht die Produktions-
stätte „The Plus“ des norwegischen Möbelherstel-
lers Vestre. Entworfen hat die Möbelfabrik das
Architekturbüro Bjarke Ingels Group (BIG). Die Ar-
chitekten setzten auf eine Massivholzkonstruktion
sowie kohlenstoffarmen Zement und recycelten
Stahlbeton. Die auf dem Dach und im Gelände
platzierten Solarzellen produzieren jährlich rund
250.000 kWh Strom.
FOTO LINKS: MONICA SNOPE STAD; RECHTS: SOL ARLUX
Für die Produktionshallen wurden in der Dachkon-
struktion insgesamt 36 „Modular Skylights“ von
Velux mit 24 öffenbaren und zwölf feststehenden
Modulen verbaut. Die eingesetzten Lichtbänder
ermöglichen dank öffenbarer Module einen be-
darfsgerechten Luftaustausch und ein angeneh-
mes Raumklima. Für The Plus wurden besonders
große Module verwendet, die sowohl als Komfort-
lüftung als auch effektiver Rauchabzug dienen.

WWW.SOL ARLUX.DE
Noch mehr Licht
Solarlux
Mit der neuen Generation „cero IV“ hat Solarlux
die Transparenz seines Maximal-Schiebefensters
weiter erhöht: Die vertikale Ansichtsbreite der
Profile beträgt aufgrund des Structural-Glazing-
Effekts nur noch 2 mm. Verantwortlich dafür ist die
Ausführung mit Stufenglas. Dabei überdeckt die
äußere Glasscheibe der Dreifachverglasung die
vertikalen Fensterprofile fast vollständig. Darüber
11
hinaus wurde der gesamte Glasanteil der Schie-
beelemente nochmals erhöht – die obere und
untere horizontale Ansichtshöhe der Profile be-
trägt bei cero IV nur noch jeweils 15 mm.
Durch diese Entwicklung kann das Tageslicht seine
volle Wirkung im Innenraum entfalten. Gleich-
zeitig ist die visuelle Grenze zwischen Innen- und
Außenraum immer weniger wahrnehmbar.
12

W W W . L I N D N E R - G R O U P. C O M

Flächenbündiges Türblatt mit

Sicherheitsglas
Lindner

Lindner hat sein Glastürenangebot um ein flä-
chenbündiges, 100 mm starkes Türblatt erweitert.
Das beidseitig flächenbündige Türblatt besteht
aus einer Glasfüllung mit Sicherheitsglas und ei-
nem auf Gehrung verbundenen Aluminium-Rohr-
rahmen. Die daraus resultierende Optik passt zu
den frontbündigen Glastrennwänden „Lindner
Life Stereo 125“ und „Lindner Life Contour 126“.
Durch die Türblattstärke werden Schalldämm-
werte von bis zu 47 dB erreicht. Je nach Projekt-
anforderung kann zwischen ein- und zweiflügeli-
ger Ausführung gewählt werden. Die Profile sind in
Eloxal oder Pulverbeschichtung erhältlich, die
Verglasung in Klarglas und Weißglas.
 Innovation und Lösung 13

W W W . T E C K E N T R U P. B I Z

Optik, Fluchtweg,
Brand- und Schallschutz
Teckentrup
FOTO: CHRISTIAN E BLE NK A MP / TECKE NTRUP

Für das „Scandic Hotel Macherei“ in München
lieferte Teckentrup Türen in unterschiedlichen Aus-
führungen, was ihre Gestaltung und Funktionen
betrifft. Als Basismodell dient die „Teckentrup 62“
mit planem Türblatt. Türen und Zargen sind im sel-
ben Farbton gehalten: in den meisten Fällen ein
mattes Schwarz. Wenn die Innenarchitektur einen
anderen Farbton vorsieht, auch in einem dunklen
Rotbraun. Die Ausführung als T30-Tür ist der Stan-
dard, für die Schächte wurden ebenfalls die pas-
senden Feuerschutz-Klappen konfiguriert. Erfordern
die Durchgänge Türen mit 90 Minuten Feuerwider-
stand, bietet die Serie auch hierfür entsprechend
geprüfte Lösungen – wiederum optional mit weite-
ren Funktionen.
14
W W W.DOR M AK ABA .COM/DE-DE/MOTIONIQ
Automatisches Türsystem
Mit „MotionIQ“ hat Dormakaba ein intelligentes
System für Automatiktüren entwickelt, das die
Energiebilanz des Gebäudes verbesser t und
gleichzeitig Betriebskosten senkt, den barriere-
freien Zugang zum Gebäude erleichtert und die
sichere Nutzung von automatischen Türen opti-
miert. Erkennt das System eine Begehungsab-
sicht, berechnet MotionIQ aus zahlreichen Bewe-
gungsvektoren den idealen Öffnungszeitpunkt
Innovation und Lösung
FOTO: DOR M AK ABA; RECHTS: WE ISSE NGRUBE R FOTOGR AF IE
Dormakaba
sowie die Offenhaltezeit. Dafür wird ein Feld von
bis zu 10 m im Türbereich mit einem virtuellen Netz
belegt. Sobald eine Person diesen Erfassungsbe-
reich bet ritt, misst MotionIQ Ent fernung, Ge-
schwindigkeit sowie die Winkel von Personen und
berechnet die optimale Türbewegung. Durch die-
ses Verfahren spart das automatische Türsystem
nach Angaben des Herstellers bis zu 50 Prozent
Energie ein.

Verglaste Balkone für mehr Ruhe
Glas Marte
Das „Kai 100“ ist ein Wohngebäude in Wien mit
Büros und Geschäftsräumen in unmittelbarer
Nachbarschaft zu einer viel befahrenen Straße
und Bahngleisen. Aus Lärmschutzgründen ent-
schieden sich die Planer dafür, die zur Straße hin-
gewandte Gebäudeseite mit Balkonen zu verse-
hen, die durch Glas-Schiebeelemente geschützt
sind. Ihre Wahl fiel auf das oben hängende
Schiebesystem „GM Toproll“ von Glas Marte. Das
15
W W W.GL ASM ARTE . AT
rahmenlose Schiebesystem wird oben eingehängt
und kann in zwei, drei oder vier Bahnen ausgeführt
werden. Dabei lassen sich die Glaselemente nach
links oder rechts verschieben, wodurch eine Öff-
nung der Verglasung von bis zu 75 Prozent möglich
ist. Die Gläser im oberen Laufschuh werden sowohl
durch Verklebung als auch durch eine mechani-
sche Sicherung mit Bolzen gehalten. So können
die Gläser nicht verrutschen.
WWW.SOL ARLUX.COM
Anzeige

HERSTELLER:
Solarlux GmbH

PRODUKTE:
Glas-Faltwand-System
„Highline“ und
Schiebefenster „cero“

EIGENSCHAFTEN
„HIGHLINE“:
• Ansichtsbreite im
Flügelstoß: 99 mm
• Flügelgröße:
bis zu 1,10 x 3,50 m
• barrierefrei

EIGENSCHAFTEN
„CERO III“:
• Ansichtsbreite
Rahmen umlaufend:
34 mm
• Flügelgröße:
bis zu 15 m2, (4 x 6 m)
• barrierefrei
 Anzeige
Grenzenloses Raum-
erlebnis:
Strandhaus in
Dänemark
An der Westküste Dänemarks hat der Architekt
Jan Wenzel ein gläsernes Strandhaus für eine
große Familie entworfen. Der auf wenige Materi-
alien reduzierte Neubau öffnet sich zur faszinie-
renden Dünenlandschaft allseits mit beweglichen
Glasfassaden.
FOTOS: M ALIK PAHL M ANN FÜR SOL ARLUX GMBH
Alle Räume sind mit raumhohen Schiebefenstern
beziehungsweise Festverglasungen von Solarlux
ausgestattet, die uneingeschränkte Ausblicke
auf die Dünen und das Meer gewähren. Vier
„cero“-Schiebefenster mit neun beweglichen
Schiebeelementen können zum Innenhof geöff-
net werden, wodurch die räumliche Trennung
zwischen innen und außen komplett aufgehoben
wird. Das größte Schiebefenster ist 7,30 m lang
und 3,10 m hoch und erstreckt sich über die ge-
samte Länge des Wohnbereichs. Die drei weite-
ren, über 3 m breiten cero-Schiebefenster mit je
zwei Schiebeelementen ermöglichen den barrie-
refreien Austritt aus den gegenüberliegenden
Schlafräumen.
Auf automatische Antriebe wurde verzichtet, da
sich die Bauelemente, die bis 1.000 kg schwer
sein können, auch manuell mühelos auf- und
zuschieben lassen. Verantwortlich dafür ist die
ausgeklügelte Edelstahl-Lauftechnik, bei der
integrierte Laufrollen für eine gleichmäßige Las-
tenverteilung sorgen.
Eigentlicher Star des Strandhauses ist aber die
Küche: Sie ist das räumliche Verbindungsglied
zwischen dem Schlaf- und Wohnbereich und kann
auf ihren beiden Längsseiten vollständig geöffnet
werden. Möglich machen dies die Glas-Falt-
wände von Solarlux: Insgesamt sechs Elemente
lassen sich auf jeder Seite mit dem Harmonika-
Falt-Prinzip zusammenschieben und als schmales
Glaspaket auf der Terrassenseite parken. Es ent-
steht eine Öffnungsbreite von 5,80 m, die Öff-
nungshöhe liegt bei 3,10 m. Diese Abmessungen –
in Kombination mit den schmalen Ansichtsbreiten
– waren es, die den Architekten vom wärmege-
dämmten Glas-Fa l t wand-System „H igh l i ne“
überzeugten.
18 Innovation und Lösung
W W W .V I E G A . D E
Dachschrägen – na und?
Viega
Mit den Vorwandinstallationselementen aus dem
„Prevista“-Programm von Viega lassen sich Räu-
me funktional und optisch gliedern – das gilt auch
für Bäder unter einer Dachschräge. Das modular
aufgebaute System kommt aufgrund seiner Platt-
formstrategie mit vergleichsweise wenig System-
komponenten aus. Die Linien „Prevista Dry“, „Pre-
vista Dry Plus“ und „Prevista Pure“ werden in der
klassischen Wandmontage eingesetzt, im Stän-
derwerk und in der Schienenmontage. Herzstück
FOTO: VIEGA; RECHTS: BE T TE
des Systems ist der Spülkasten mit einer Standard-
höhe von 1.120 mm. Die Spültechnik ist unabhän-
gig von Bauhöhe und -tiefe immer gleich. Alle
Viega-Betätigungsplatten sind mit allen Prevista-
Spülkästen kombinierbar und auch nachträglich
austauschbar.
 19

Curvy Model
mal
anders
Bette

Der „BetteCurve“-Scha-
lenwaschtisch erinnert
an einen Kieselstein, der
vom Wasser glatt poliert
wurde. Erhältlich ist er in
den Durchmessern 420
und 320 mm und in ver-
schiedenen Farben,
dazu mit schalldämmen-
der Ausstattung für ge-
räuschreduziertes Hän-
d ewa sch e n . O pt i o n a l
kann die wasser- und
schmutzabweisende
BetteGlasur Plus gewählt
werden. Wie alle Badele-
mente von Bette aus gla-
sie r tem T i tan-Stahl ist
auch der neue Schalen-
waschtisch kreislauffä-
hig. Er wird frei von Plastik
und ohne chemische Zu-
sätze, Verdünner und Lö-
WWW.BET TE .DE

sungsmittel in Deutsch-
land hergestellt, außer-
dem mit einem hohen
Prozentsatz an CO2-neut-
ralem Stahl.
20 Innovation und Lösung

W W W.DE L ABIE .DE

Viel Regen, wenig Wasser

Delabie

Das puristische Design zeichnet den Brausekopf und umhüllend. Ein weiterer Pluspunkt ist das
„Rainy“ von Delabie aus. Zugleich ermöglicht Montagesystem, mit dem der Brausekopf sich
Rainy laut Hersteller eine Wasserersparnis von leicht an der Wand anbringen lässt. Der Anschluss
FOTO: DE L ABIE

80 Prozent. Mit einer Durchflussmenge von 6 l/min wird in der Wand installiert, dann einfach den
bei 3 bar ist es möglich, sparsam, aber dennoch Brausekopf draufklipsen.
komfortabel zu duschen. Der Regenstrahl ist sanft
Baumeister B6 / 2023 curated by Baumeister B6 / 2022 curated by Baumeister B6 / 2021 curated by

UNStudio Sauerbruch Hutton Snøhetta

Baumeister B7 / 2020 curated by Baumeister B6 / 2019 curated by Baumeister B5 / 2018 curated by

Winy Maas / MVRDV Reinier de Graaf / OMA David Adjaye

SHOP.GEORG-MEDIA.DE
22 Innovation und Lösung

W W W. T I L E O F S PA I N . D E

FOTO LINKS: TILE OF SPAIN/E L BARCO, VOGUE E SME R ALDA; RECHTS: K ALDEWE I
Die Rückkehr der Farbe Grün
Tile of Spain

Farbpsychologisch wird der Farbe Grün eine har-
monisierende Wirkung zugeschrieben; sie steht
zugleich für Vitalität und Nachhaltigkeit. Gleich-
zeitig werden natürliche Materialien immer be-
liebter. Dazu zählen auch spanische Keramikflie-
sen mit ihrem handwerklichen Flair. Fliesen mit
changierenden Grüntönen oder floralen Mustern
fangen die Vielfältigkeit und Lebendigkeit der
Pflanzen ein und bringen die Natur ins Innere der
Wohnung. Motive mit Blättern, Zweigen und an-
deren pflanzlichen Elementen vermitteln das Ge-
fühl einer natürlichen Umgebung. Dieses Gefühl
reduziert Stress und steigert das Wohlbefinden.
Da ist es naheliegend, dass grüne Fliesen auch
gerne im Bad eingesetzt werden.
 23

W W W.K ALDEWE I.DE

Schwebende Schale
Kaldewei

Filigran und fast schwebend – die neue Wasch-
tischschale „Avellino“ ist eines von zahlreichen
neuen Produkten von Kaldewei für das Badezim-
mer. Avellino besteht aus Stahl-Emaille. Die
Waschschale ist in drei Größen – jeweils in 300,
360 und 450 mm Durchmesser – und 13 Farben er-
hältlich. Stahl-Emaille – eine Verbindung aus
Stahl und Glas – ist plastikfrei, wird aus natürli-
chen Rohstoffen gefertigt und kann am Ende dem
Materialkreislauf wieder zugeführt werden.
24 Innovation und Lösung

W W W.HEWI.DE

Accessoires in Weiß und Schwarz

Hewi
FOTO LINKS: HEW; RECHTS: L AUFE N

Das „System 800“ von Hewi gibt es seit über zehn
Jahren. Es wurde von Phoenix gestaltet und ist
mehrfach preisgekrönt. Nun hat Hewi die Farbpa-
lette seiner Accessoires um die Farben Schwarz
und Weiß erweitert. Die neuen Ausführungen mit
Pulverbeschichtung in Schwarz matt und Weiß
matt ergänzen die bestehende Oberfläche in
Chrom. Weiteren gestalterischen Spielraum er-
möglichen die Einsätze aus satiniertem Kristall-
glas oder Polyamid. Hewi bietet die neuen Farben
für alle seine Accessoires an: WC-Bürstengarnitur
und WC-Papierhalter, Seifenablage, Becher so-
wie Seifenspender.
 25

Nachhaltiger Umgang
mit Abwasser
Laufen

Das Urin-Trenn-WC „Save!“ von Laufen gibt es seit

2019. Als urinseparierendes WC ist Save! zwar nicht
das erste seiner Art, aber das erste, das wie ein nor-
males WC aussieht und sich auch so benutzen lässt.
Der Urin wird im Inneren des Keramikbeckens und
ohne mechanische oder elektronische Hilfsmittel
separiert. Mittels einer in den Keramikkörper integ-
rierten „Urinfalle“ wird der Urin unter Ausnutzung der
Oberflächenspannung in Richtung eines eigenen

W W W.DE .L AUFE N.COM

Auslasses geleitet. Feststoffe, Toilettenpapier und
das Spülwasser fließen wie gewohnt über den be-
kannten Abfluss. Für die Installation bedeutet dies
jedoch, dass eine zweite Abwasserleitung erforder-
lich ist, über die der Urin zur weiteren Verwendung
abgeführt wird – etwa, um ihn in Dünger umzuwan-
deln, wie es etwa beim Stadtregal Wien geplant ist.
26 Innovation und Lösung

W W W.GE BE RIT.DE

Dusch-WC rund oder eckig

Geberit

Das neue „AquaClean Sela Square“ ist das erste
Dusch-WC aus dem Hause Geberit in eckiger For-
mensprache. Herzstück des Dusch-WCs ist die in-
tegrierte WhirlSpray-Duschtechnologie, die mit
ihrem pulsierenden Wasserstrahl besonders kom-
che und leise Ausspülung. Weitere Funktionen
sind eine Ladydusche, Orientierungslicht für die
Nacht, WC-Sitz und -Deckel mit SoftClosing- und
QuickRelease-Funktion sowie zahlreiche Ein-
stellmöglichkeiten über Fernbedienung oder
FOTO: GE BE RIT

fortabel und wassersparend reinigt. Die Turbo- App. AquaClean Sela Square ist mit Design-Ab-
Flush-Spültechnik mit optimierter Wasserführung deckung in Weiß oder Hochglanz-verchromt er-
des Dusch-WCs sorgt für eine besonders gründli- hältlich.
 THEMA
M ALLORCA – Z WISCHE N DE N WE LTE N
Ideen:
44
Hotel
Son Brull
in Pollença
58
Fotogalerie Neu und Alt trifft in der Galerie
für den Fotografen Toni Catany
aufeinander.

Toni S. 58

Catany
in Llucmajor
70
Ca'n Pedro
in Palma
Komfortables Raumklima
im geförderten Wohnungsbau
Son Servera
S. 94
 Inhalt
82
Sozialwohnungen
in Inca und Son
Servera
+ 54
100 Open-House-
Architektur-Festival
Gomila in Palma

in El Terreno
Ausspannen im Hotel Son Brull
ganz im ruhigen Norden der Insel
S. 44

68
UNTERWEGS
IM SANTUARI
DE LLUC

11 4
IMPRESSUM +
VORSCHAU
FOTO OBE N: ALDO A MORE T TI; UNTE N: JOSÉ HEVIA; RECHTS: RUBÉ N BE SCÓS
30 Sehnsucht Mallorca

Mallorca –
zwischen PORT DE
SÓLLER

den
PUIG MAJOR
E 2° 38.783580

SÓLLER

Welten
N 3 9 ° 3 4 .13 9 76 0

ANDRAT X
C A LV I À PA L M A

1
INSEL

BERG

MEER

STRASSE

IDEEN

1 GOMILA IN EL TERRENO 4 GEFÖRDERTER WOHNBAU

SE ITE 10 0 SEITE 82

2 SANTUARI DE LLUC 5 GEFÖRDERTER WOHNBAU

SEITE 68 SE ITE 94

3 HOTEL SON BRULL 6 FOTOGALE RIE TONI CATANY

SEITE 44 SEITE 58
 






 
 

 


32 Sehnsucht Mallorca

Mallorca ist für viele

Menschen alles und für genauso viele
nichts. Die Insel steckt voller
Widersprüche und kämpft mit immer
stärker ausbrechenden Spannungen.
Doch auf der anderen Seite wird
sie schöner und schöner, je stärker der
Massen-Ballermann-Party-Tourismus
zurückgedrängt wird.
Baulich und für Architekten birgt die
Insel allerdings unzählige andere
Herausforderungen fernab dieser
Themen. So blicken wir auf einen Ort,
der zwischen unzähligen Welten
fast zerrissen wird.

Text:
Tobias Hager

Das spanische Statistik-Institut (INE) hat errechnet,
dass 2023 insgesamt etwa 14,4 Millionen Touristen
nach Mallorca pilgerten. Das waren 9,1 Prozent
mehr als noch im Vorjahr. Diese Zahl ist vor allem
dann besonders erschreckend, wenn man be-
denkt, dass am 1. April 2023 lediglich 940.471 Men-
schen fest auf Mallorca lebten. Davon vermutlich
etwa 30.000 Deutsche, die ihren festen Wohnsitz
auf der Insel haben. Auf ganz Mallorca leben also
nicht mal so viele Menschen wie in München, und
trotzdem muss die Insel Jahr für Jahr mit Millionen
von Touristen umgehen. Das ist nicht nur für den
Flughafen Palmas eine besondere Herausforde-
rung, sondern für die gesamte Tourismusindustrie.
Schätzungen zufolge arbeiten in den Sommermo-
naten bis zu 180.000 Menschen im Tourismussektor
der Insel. In den Wintermonaten ebbt diese Zahl
dann auf bis zu 60.000 ab. Infrastrukturell gibt es
weltweit kaum einen Ort, der mit derartig heftigen
Schwankungen im Vergleich zur heimischen Be-
völkerung und geografischen Beschränkung zu
kämpfen hat.
Extreme Insel-Architektur
Mallorca ist eine Insel der Extreme. Nicht nur die
unglaublichen Besucherzahlen sorgen für Staunen
und Schrecken, sondern auch die Insel-Architek-
tur. So findet man in allen Gebieten wunderschö-
ne, ehrliche und mallorquinische Architektur. Bo-
denständig und mit einheimischen Materialien
gearbeitet, wie dem typischen Kalkstein oder den
ebenfalls oft genutzten Ziegelsteinen, die nicht nur
für Außenwände, sondern auch gerne für Tragwer-
ke und sogar Fundamente verwendet werden.
Auf der anderen Seite gibt es kaum einen Baustoff,
der auf Mallorca so beliebt ist wie Beton. Das liegt
zum einen sicherlich an den zahlreichen Hotel-
 Ideen
bauten und immer häufiger realisierten mehrge-
schossigen Wohn-, aber oftmals auch Bürogebäu-
den und zum anderen an dem Segment der Luxus-
architektur. Die immer aufwendigeren und oft
recht schrecklich daherkommenden Gebäude,
welche in die Felsenklippen der Insel geschlagen
werden, weisen nicht nur auf übermäßigen Reich-
tum hin, sondern auch auf wenig Sinn für die ur-
sprüngliche Charakteristik der Insel.
Auf Mallorca findet man daneben auch immer
öfter Holzbauten. Wo früher vorwiegend Dachkon-
struktionen aus Holz gefertigt wurden, gibt es in-
zwischen sogar ganze Hafenanlagen, die viele
Elemente aus Holz vorweisen. Sehr zum Leidwesen
einiger Gebäude, denn offensichtlich ist man nicht
immer willens, die Holzelemente den Witterungs-
einflüssen entsprechend zu pflegen, oder hat ar-
chitektonisch gar nicht bedacht, was die Meeres-
luft sowie Hitze mit freiliegendem Holz machen
können. Die großen Yachten hält das aber natür-
lich nicht vom Ankern ab. Apropos Ankern: 2022
liefen 711 Kreuzfahrtschiffe in mallorquinische
Kreuzfahrthäfen ein, die insgesamt 1,4 Millionen
Passagiere auf die Insel losließen.
Grundsätzlich findet man auf Mallorca alles an Ar-
chitektur. Von klein und fein bis zu überdimensio-
niert und protzig. Überraschend ist allerdings, dass
die speziellen und überraschenden Ideen über-
wiegen. Vor allem auf dem Land und fernab der
übertouristischen sowie überdekadenten Regio-
nen jagt ein architektonisches Schmuckstück das
nächste, und man merkt, dass vielen Menschen
etwas an der Insel und dazugehöriger mediterra-
nen Kultur liegt.
So wird inzwischen auch sehr viel alter Bestand
umfunktioniert und modernisiert. Auch ausländi-
sche Architekten finden zunehmend Gefallen an
den ursprünglichen Baumaterialien. Hier sticht si-
cher der sogenannte Marès hervor. Beim Marès
handelt es sich um einen sehr speziellen Kalkstein-
typ mit sandartiger bis beiger Farbe. Dank der wei-
chen Textur lässt er sich verhältnismäßig leicht be-
arbeiten und prägt das Bild vieler historischer Ge-
bäude auf Mallorca. Auch in der Inselhauptstadt
Palma findet man noch zahlreiche Gebäude, die
von diesem einzigartigen Stein getragen werden.
So wurde beispielsweise die bekannte und belieb-
te Kathedrale La Seu mit dem mallorquinischen
Kalkstein gebaut. Ansonsten wurde der Stein, der
bereits von den alten Römern abgebaut wurde, in
vielen Kirchen und Plätzen verbaut und erfreut sich
bis heute vieler Fans auf der ganzen Welt. Nach-
dem die Witterung auf Mallorca zu den größten ar-
chitektonischen Herausforderungen zählt, ist der
Marès ein idealer Baustoff. Er ist nämlich beson-
ders witterungsbeständig und stabil (obwohl er re-
lativ weich ist). Heute gehört der sandfarbene
33
Kalkstein zu den eher teuren Baumaterialien, da
der Abbau des Steins streng kontrolliert und einge-
schränkt wurde. Der Marès ist es aber, der Mallor-
ca seine architektonische Charakteristik verleiht
und ganz wesentlich dazu beiträgt, dass sich so
viele Menschen in den mediterranen Charme der
Insel verlieben.
Von sozialen und ökonomischen
Spannungen
Extrem sind auch die Spannungen auf der Insel.
Der eingangs erwähnte, übermäßige Massentou-
rismus, der die Insel regelrecht wie ein Tsunami
überschwemmt, zieht einen ganzen Rat ten-
schwanz von Problemen und Herausforderungen
nach sich. So herrscht auf Mallorca ein Problem,
welches wir in Deutschland nur allzu gut kennen:
Fachkräftemangel. Wer auf Mallorca bauen will,
muss gut und mit genug Zeit planen. Fachkräfte
werden oft vom Festland oder sogar Ausland ein-
geflogen, weil auf der Insel kaum noch Handwer-
ker leben können. Das liegt zum einen daran, dass
die Kosten auf Mallorca explodierten und auf der
anderen Seite lebensnotwenige und für uns nor-
mal erscheinende Belange wie Wohnraum, Essen
und Wasser vielerorts kaum noch zu finanzieren
sind. Erst recht nicht mit einem üblichen mallorqui-
nischen Gehalt. Wer auf Mallorca bauen möchte,
benötigt sehr gute Kontakte oder zumindest genug
Geld und Atem, um auch langfristigere Bauvorha-
ben durchhalten zu können.
Die Wohnungsnot sorgt auch für eine immer größer
werdende Zahl von obdachlosen Menschen. Vor
allem in den größeren Städten werden mitunter
dadurch die sozialen Brennpunkte immer mehr.
Mallorca ist zwar mit Sicherheit noch kein völlig
ungeregelter und verwahrloster Ort, wie zum Bei-
spiel Berlin in vielen Ecken rüberkommt, aber die
Zahl der bedürftigen Menschen steigt jährlich.
Auch der Tourismus kann hier offensichtlich keine
Hilfe leisten. Wie so oft im mediterranen Raum sind
viele der touristischen Arbeitsplätze saisonab-
hängig. In der Nebensaison ist der Bedarf einfach
nicht so hoch, und viele Menschen müssen trotz-
dem mit den enormen Kosten, die das Leben auf
Mallorca mit sich bringt, klarkommen. Zur Einord-
nung: Das Leben auf Mallorca ist alles in allem si-
cherlich noch deutlich leichter zu finanzieren als in
den teuren Städten Deutschlands, etwa in Mün-
chen oder Hamburg. Aber die Mieten in Palma
können mit durchschnittlichen Mieten der bayeri-
schen Landeshauptstadt mithalten. Zumindest die
Ecken in Palma, die beliebter sind. Jede Region,
die besonders gut an den Flughafen Palma ange-
bunden ist, bringt auch schnell erhöhte Kosten mit
sich. Dazu kommt, dass Mallorca unter zunehmen-
WEITER
34

Omnipräsent ragt die Kathedrale

der Heiligen Maria in Palma auf.
Dabei handelt es sich um
die Bischofskirche des Bistums
Mallorca. Umgangssprachlich
wird sie meist einfach nur
La Seu genannt. Der Ausspruch
bedeutet in etwa
„der Bischofssitz“.
Besonders auffällig:
die Fensterrose, welche
unter allen
stilgleichen Kathedralen
als größte der
Welt gilt.
 Ideen
der Wasserknappheit leidet. Wenn man sich nicht
gerade im bergigeren Nordwesten der Insel auf-
hält, ist Wasser ein teures und im Sommer meist li-
mitiertes Gut. Deshalb wurden vor einiger Zeit
auch Bauvorschriften abgeändert, sodass die Grö-
ße von Pools beschränkt wurde. Riesige private
Wasserplanschbecken waren damit erstmal vom
Tisch. Seit wenigen Monaten werden die Geschi-
cke Mallorcas von einer neuen und deutlich kon-
servativeren Regierung gelenkt. Im Gespräch mit
Architekten und anderen Menschen, die auf der
Insel leben, wird schnell klar, dass zahlreiche Pro-
FOTO LINKE SE ITE: DAVID VIVE S/UNSPL ASH; OBE N: JOSH POWE R/UNSPL ASH
bleme, die dem Anschein nach von der eher links
orientierten Vorgängerregierung verursacht wur-
den, schnell ausgehebelt werden konnten. Übri-
gens gehört Mallorca zum Autonomiegebiet der
balearischen Inseln. Die Amtssprachen sind Kata-
lanisch und Spanisch.
Licht und Schatten
Das vorliegende Heft beschäftigt sich mit dem
Licht- und Schattenspiel, welches uns die Insel
präsentiert. Mallorca zählt zu den beliebtesten Ur-
laubsorten der Deutschen, ist aber auch weit über
deutsche Grenzen hinaus enorm beliebt. So gibt es
seit letztem Jahr den ersten Direktflug von den USA
nach Mallorca, was die Insel vermehrt amerikani-
35
schen Touristen zugänglich machen soll. Prompt
errichtete der amerikanische Milliardär Richard
Branson ein eigenes Ultraluxushotel, welches be-
reits eröffnet wurde. Obwohl weite Teile der Insel
den Massentourismus à la Ballermann einschrän-
ken wollen, benötigt die Wirtschaft Mallorcas Kun-
den, die dazu bereit sind, für die Vorzüge dieses
Mittelmeertraums ausreichend zu zahlen.
Man könnte sogar so weit gehen und vermuten,
dass in wenigen Jahren der Ballermann ein ganz
anderes Gesicht hat. So könnte S’Arenal (der um-
gangssprachlich verunglimpfte Ballermann) das
europäische Miami werden und die Kosten für ei-
nen Mallorca-Urlaub oder Besuch in astronomi-
sche Höhen schnellen. Die ersten Anzeichen dafür
lassen sich bereits in den jüngsten Entwicklungen
wie dem Direktflug nach New York oder auch die
zunehmende Anzahl von Luxushotels erkennen.
Mallorca ist außerdem die beliebteste Trainingsin-
sel für Radsportler. Vorwiegend Rennradler jagen
auf der balearischen Trauminsel von Rekord zu Re-
kord und trainieren in den kühleren Monaten für
die Professionellen- oder Jedermann-Saison. Bei
den zahlreichen Naturschutzgebieten ist das auch
kein Wunder, denn auf dem Rad lassen sich diese
Regionen schließlich besonders gut erkunden.
Mallorca gehört architektonisch wie kulinarisch
definitiv zu den spannendsten Orten Europas. Beim
Betreten der Insel entspannt die Seele nahezu au-
tomatisch. Kein Wunder, dass zahlreiche bekannte
Persönlichkeiten inzwischen auf die Insel gezogen
sind. Doch auf der anderen Seite lassen einen die
zunehmende Armut, fehlende Arbeitsplätze (au-
ßerhalb des Tourismus) und die unbeschreiblichen
vom Tourismus verursachten Schäden an der Um-
welt mit Fragezeichen zurück. Die Insel befindet
sich im Wandel, und es wird spannend zu sehen,
wie sich Palma und Mallorca entwickeln werden.
Wer aktuell bereits Grund und Haus auf Mallorca
besitzt, darf sich so oder so glücklich schätzen.
Oben: Auf ganz Mallorca lassen sich die
typischen, kleinen, meist mit dem
mallorquinischen Kalkstein Marès gebauten
Schmuckstücke finden.
36
 37

Fensterläden bleiben
auf Mallorca die meiste Zeit
geschlossen. Das hält
zum einen die Hitze des Tages
aus den Räumen;
noch wichtiger ist den
Einheimischen aber ihre Privat-
sphäre. Man lässt sich
eben nicht gerne
in die Wohnung schauen.
FOTOS: M AURITIUS IM AGE S. LINKS: HOTE LFASSADE WE STE ND61; RECHTS: CF IM AGE S AL A MY
 38

FOTOS: M AURITIUS IM AGE S. LINKS: NATUREWORLD, AL A MY STOCK PHOTOS; RECHTS: G.I. DOBNE R, AL A MY STOCK PHOTOS
 39

Palma gehört zu den am häufigsten

angesteuerten Häfen Europas. Im statistischen
Durchschnitt legten 2022 täglich
zwei Kreuzfahrtschiffe mit
jeweils 2.000 Menschen an Bord an.
40

Vor allem an touristischen Hotspots ist die

Küste Mallorcas mit eilig errichteten
Hotelbauten aus den Neunzigern versehen.
Die Terrassen von Banyalbufar (rechte Seite)
hingegen existieren
schon seit der Zeit der Mauren
vor etwa 1000 Jahren.
FOTOS: M AURITIUS IM AGE S. LINKS: WAYLE E BIRD, AL A MY STOCK PHOTOS; RECHTS: HANS BLOSSEY

41
42

Vom Flughafen Palma zum Ballermann sind es

gerade einmal zehn Autominuten.
Die karibikähnlichen Strände von Es Trenc (diese
Seite) sind mit knapp 40 Minuten schon
etwas weiter entfernt.

FOTOS: M AURITIUS IM AGE S. LINKS: SÉ RGIO NOGUIE R A, AL A MY STOCK PHOTOS; RECHTS: IM AGE BROKE R
43
 Das Hauptgebäude, ein Jesuiten-Kloster,
wurde aufwendig saniert und als Hotel umgebaut.
Viele Jahre später hat man es um vier luxuriöse Villen samt
eigener Terrasse und Pool erweitert.
Die jeweilige Ausrichtung der Villen sorgt dafür,
dass Gäste jederzeit vom freien Ausblick und viel
Privatsphäre profitieren.

FOTO / QUE LLE: VORNA ME NA ME

 Ideen 45

Fotos: Architektin:
Rubén Bescós Carme Pinós i Desplat

Herrschaftlich
logieren
im Jesuiten-
Kloster
Als echte Institution auf Mallorca
kommt das Fünf-Sterne-Design-Hotel
„Son Brull“ mehr als luxuriös daher
und überrascht mit seinen
preisgekrönten Villen vom Estudio
Carme Pinós. Warum das Hotel nicht
nur beliebte Anlaufstelle für Rad-
sportler ist, klären wir im
Folgenden.

Text:
Tobias Hager
46

Das Son Brull ist eine einzigartige Oase der Erholung.

Architektonisch ist das Hauptgebäude dank
des gut erhaltenen historischen Bestands äußerst
spannend. Die offene Gestaltung und
hochwertige Ausstattung der Villen lässt keine
Wünsche offen.
48

Minimalistisches Design trifft auf enge

Verbundenheit mit der Natur. Das verwendete
Material und die riesigen bodentiefen
Fensterflächen sorgen dafür, dass einem selbst
das Duschen vorkommt, als stünde man
draußen auf der Terrasse.
 Ideen
Bereits 2003 eröffnete das Son Brull im ehemaligen
Jesuiten-Kloster in der Nähe von Pollença im Nor-
den der Insel. Fernab des Trubels der vom Touris-
mus überlaufenen Regionen Mallorcas ist das Son
Brull ein wahres Refugium für all jene, denen die
echte Seele Mallorcas am Herzen liegt. Im Son Brull
scheint die Zeit weniger schnell an einem vorbei-
zuziehen. Das liegt natürlich an der luxuriösen Aus-
stattung, aber vor allem am 30 Hektar großen
Grundstück, welches vom hauseigenen Gärtner-
Team permanent gehegt und gepflegt wird. Die
Gestaltung der gesamten Anlage ist ein absolutes
Highlight. Überall hat man das Gefühl von Privat-
sphäre, und trotzdem findet man entlang der wohl
überlegt gewählten Wege immer wieder Ruhein-
seln oder großartige Ausblicke in die mallorquini-
sche Hügellandschaft.
Eindrucksvoll gestaltete Villen
Seit 2005 führt die Familie Suau das Landhotel und
hat es im Jahre 2019 durch vier eindrucksvolle Vil-
len erweitert. Das Spannende an den kleinen Vil-
len, die aus der Feder vom Estudio Carme Pinós
stammen, ist definitiv das Gefühl von Privatsphäre.
Obgleich die Villen nebeneinanderliegen, be-
kommt man von den anderen Gästen überhaupt
nichts mit und hat stets einen unvergleichlichen
Blick in die Ferne. Die Villen heben sich deutlich
von den restlichen Zimmern des Hauptgebäudes
ab. Sie sind sowohl luxuriöser ausgestattet als auch
schlichtweg moderner. Große Fensterfronten ge-
ben den Blick auf die Schönheit Mallorcas frei, und
dank der großzügigen Innengestaltung – ebenfalls
vom Estudio Carme Pinós – finden pro Villa leicht
fünf Personen Platz. Jeder der vier Villen steht ein
kleiner, eigener Pool sowie eine großzügige Ter-
rasse zur Verfügung. Außerdem überrascht jede
Villa mit zwei abgetrennten Bädern. Im Inneren der
Villen bekommt man das Gefühl, draußen in der
Natur zu stehen. Die offene Gestaltung sowie das
wunderbare Raumklima sorgen für sofortiges
Wohlbefinden.
Wem der eigene Pool zu klein ist, kann sich auch in
den gemeinschaftlichen Infinity-Pool am Haupt-
gebäude begeben. Auch hier ist die Aussicht,
dank der Hanglage, einmalig. Das Haupthaus ist
Teil eines ehemaligen Jesuiten-Klosters – auf lie-
bevolle Weise wurde dort viel Altes erhalten. So
kann man beispielsweise die historische Ölmühle
bewundern, die sich größtenteils noch im Original-
zustand befindet. Der Bestand sorgt auch für eine
gewisse Bodenständigkeit und bedingt einen sehr
modernen Minimalismus in der Ausstattung. Nicht
ohne Grund zählt das Son Brull zu einem der besten
Hotels der Insel und erfreut sich enormer Beliebt-
heit. Neben Radsportlern, die das Hotel der Region
49
wegen zum Ausgangspunkt ihrer Ausfahrten ma-
chen, schätzen es auch Geschäftsleute für Busi-
nessveranstaltungen. Der Konferenzraum bietet
bis zu 22 Personen Platz. Doch was wäre so eine lu-
xuriöse Adresse ohne ein beeindruckendes kuli-
narisches Angebot? Das hauseigene Restaurant
3/65 verwöhnt seine Gäste mit einmaliger, oft regi-
onaler Küche sowie einer wunderbaren Weinaus-
wahl im historischen Ambiente.
Überhaupt hat das Son Brull kulinarisch das eine
oder andere Ass im Ärmel. Denn es werden eigene
Produkte angebaut, und so kann man hauseige-
nes Olivenöl, Gemüse, Wein und Früchte genie-
ßen. Das Luxushotel macht einen selbstbewussten
Eindruck, und dank der überaus freundlichen Mit-
arbeiter bleiben keine Fragen unbeantwortet. Hier
setzt man auf Regionalität für die Gäste aus aller
Welt. Sowie das architektonische als auch wirt-
schaftliche Konzept gehen auf.
Unterschätzte Region mit Abenteuergarantie
Radsportlern steht eine eigene kleine Werkstatt
sowie eine abschließbare Abstellmöglichkeit zur
Verfügung. Darüber hinaus finden sich in der di-
rekten Umgebung wundervolle Strecken; sowohl
für Bergfexe als auch Tourenfahrer sind mehr als
genug anspruchsvolle und caféfahrttaugliche
Routen dabei.
Auf dem Gelände des Son Brull lässt sich auf dem
eigenen Tennisplatz zudem das nächste Match
austragen. Wer keine Lust auf Tennis hat, kann auf
dem Neun-Loch-Golfplatz in Pollença, welcher nur
etwa 15 Minuten entfernt ist, ein paar Bälle schla-
gen. Das Son Brull ist etwa 55 Kilometer vom Flug-
hafen Palma und nicht weit von einigen wunder-
schönen Stränden entfernt. Ohne Auto geht hier
allerdings wenig. Dafür bietet das Hotel großzügi-
ge Parkmöglichkeiten und für Gäste, die aus-
nahmsweise mal nicht mit dem Auto anreisen, so-
gar einen Helikopter-Landeplatz.
Das Son Brull ist mit all seinen Möglichkeiten und
vor allem wegen der selbstbewussten minimalisti-
schen Gestaltung ein absolutes Highlight der Insel.
Hier lässt sich nicht nur in durchdachter Architektur
entspannen, sondern allem voran die Seele auf-
tanken.
PL ÄNE AUF DER NÄCHSTEN SE ITE
50 Sehnsucht Mallorca

BAUHERR:
Hotels Suau, S.A.

ARCHITEKTIN:
Carme Pinós i Desplat

PROJEKT TEAM:
Roberto García Caballero,
Juan Antonio Andreu,
Blanca González Sainz,
Holger Hennefarth,
Rafael Arbó

KOSTE NPL ANUNG:

Vicente Juan Aloy /
Quantity Surveyor

PROJE K TM ANAGER:
Vicente Juan Cifre

LANDSCHAFTSPLANUNG:
Carme Pinós i Desplat

TR AGWERKSPL ANUNG:
Santiago Fiol Arquitecto

HLS:
GNGrup / Tomeu Nadal

LICHTPLANUNG:

M 1: 2 0 0
CA2L

FERTIGSTELLUNG:
2019

STANDORT:
Ctra. Palma – Puerto
Pollença, Mallorca Grundriss

Schnitt
 51

Oben: Der Blick vom Bett aus dem Fenster

lässt, dank viel Privatsphäre,
sofort Urlaubsstimmung aufkommen.

Mitte: Offene Betonflächen und viel

hochwertiges Holz sorgen für die minimalistische
Mischung aus stilvoller Architektur und Natur.

Rechts: Die Villen sind hell und offen gestaltet. Das

Raumklima lädt sofort zum Entspannen ein.
52

FOTO: ARQUITEC TAS – „E L ROSTRO FE ME NINO DE L A ARQUITEC TUR A CONTE MPOR ÁNEA E N BARCE LONA“/ITALO RONDINE LL A
Carme Pinós ist Architektin,
Stadtplanerin und Designerin.
Mit ihren Entwürfen hat sie
internationale
Anerkennungen erhalten
und wurde 2021 mit dem
nationalen Architekturpreis von
Spanien ausgezeichnet.
Text:
Helke Kölschbach
 Ideen 53

Carme Pinós wurde 1954 in Barcelona geboren. Ihr Vater war Arzt am Hospital de
la Santa Cruz y San Pablo in Barcelona. Ihre Mutter bewirtschaftete einen Bau-
ernhof in Balaguer, auf dem Pinós während ihres Studiums half. In dieser Zeit fes-
tigte sich bereits ihre Auffassung von Landschaft und die Gestaltung von Ge-
bäuden, die dem besonderen Charakter des jeweiligen Ortes entsprechen. Für
sie ist Architektur nicht nur ein Objekt, sondern ein Erlebnis.
Während ihres Studiums an der Escuela Técnica Superior de Arquitectura Barce-
lona war sie eine von vier Frauen unter 200 Männern. In dieser Zeit lernte Pinós
ihren Ehemann und Partner Enric Miralles kennen. Gemeinsam gründeten sie
1984 ein Architekturbüro namens „Estudio Enric Miralles-Carme Pinós“. Erste Er-
folge hatten sie mit dem Krematorium auf dem Friedhof von Igualada in Spani-
en. 1991 trennten sich ihre Wege, und Pinós gründete im selben Jahr ihr eigenes
Büro „Estudio Carme Pinós“.
Mit Bauten wie dem Fakultätsgebäude der Wirtschaftsuniversität Wien, dem
Hochhaus Cube II im mexikanischen Guadalajara und dem Kultur- und Ausstel-
lungszentrum Caixaforum im spanischen Saragossa machte sich Pinós in der in-
ternationalen Architekturszene einen Namen. Neben der Architektur gründete
sie 2012 ihre eigene Design- und Möbelfirma „Objects by Estudio Carme Pinós“.
Mit dem Unternehmen möchte sie Produkte zu erschwinglichen Preisen anbie-
ten, die aus hochwertigen Materialien gefertigt werden und einfach zu montie-
ren sind.
Pinós verbindet ihre Arbeit als Architektin mit Lehrtätigkeiten an verschiedenen
Universitäten. So zum Beispiel am IUAV in Venedig, an der École d‘Architecture
in Paris, an der Kunstakademie in Düsseldorf, an der Columbia University in New
York, an der Hochschule für Gestaltung der Harvard-Universität, an der Accade-
mia di Archittetura di Mendrisio in der Schweiz und an vielen anderen Orten.
Für ihre Arbeit wurde sie mit zahlreichen Preisen und Auszeichnungen geehrt.
Sie bekam den ersten Preis der spanischen Architekturbiennale 2008 und den
nationalen Preis für öffentliche Architektur der katalanischen Regierung 2008.
Im Jahr 2015 erhielt sie die höchste zivile Auszeichnung, welche die katalani-
sche Regierung Einzelpersonen und Organisationen für ihre kulturellen und so-
zialen Leistungen verleiht, die Medaille Creu de Sant Jordi. Die Berkeley-Rupp-
Professur für Architektur und der Preis für ihren Beitrag zur Förderung von Frauen
in der Architektur und ihr Engagement für die Gemeinschaft wurden ihr 2016 ver-
liehen. Im selben Jahr erhielt sie die Richard J. Neutra Medal for Professional Ex-
cellence der California State Polytechnic University in Pomona. Neben Preisen
und Anerkennungen ist Pinós die erste spanische Architektin, der 2021 im Museu
ICO in Madrid eine Ausstellung über 30 Jahre ihres Schaffens gewidmet wird.
Als höchste Auszeichnung im Bereich der Architektur erhielt sie 2021 den spani-
schen Architekturpreis. Mit diesem Preis wird die Arbeit einer Person gewürdigt,
die in herausragender Weise zur Bereicherung der sozialen, technologischen
und nachhaltigen Aspekte der spanischen Architektur oder Stadtplanung in-
nerhalb und außerhalb Spaniens beigetragen hat und weiterhin beiträgt.
Carme Pinós gehört zu Recht zu den wichtigsten spanischen und europäischen
Architektinnen und widmet sich neben all den großen Bauprojekten auch klei-
neren Vorhaben wie beispielsweise den Villen des Hotels Son Brull auf Mallorca.
Man kann sich über weitere derartige architektonische Highlights freuen und
mit Sicherheit davon ausgehen, dass Carme Pinós‘ Arbeit viele Architekten auf
der ganzen Welt beeinflusst.
54 Sehnsucht Mallorca

Open-House-
Architektur-
Festival
in Palma
Das Open House Festival in Palma möchte
die einmaligen Architektur-Highlights
Palmas allen Menschen zugänglich machen.
So organisiert der engagierte mallorquini-
sche Architekt Eduard Yuste das Festival und
macht im Interview deutlich, worum es auf
Mallorca zur Zeit geht. Tobias Hager sprach
mit Eduard Yuste. ALLE FOTOS: OPE N HOUSE FE STIVAL

Interview:
Tobias Hager
 Positionen 55

nisiere und leite ich seit 4 Jahren das

Festival Open House Palma.

B : Was hat es mit dem Open House

Festival in Palma auf sich? Worum
geht es überhaupt?

E Y : Das Festival Open House Palma

hat zum Ziel, zeitgenössische und
historische Architektur unter den Ein-
wohnern der Stadt zu fördern. Es ist
sozusagen ein Festival der Architek-
tur für Nicht-Architekten, als Teil einer
internationalen Bewegung. An ei-
nem Wochenende im Jahr öffnen
Das Open House Festival führt seine mehr als 60 Gebäude und Räume,
Teilnehmer nicht nur durch historische Gebäude. die normalerweise verschlossen sind
Auch Baustellenbesuche sind möglich. oder der Öffentlichkeit verborgen
bleiben, ihre Türen, deren gemeinsa-
mer Nenner darin besteht, die besten
Beispiele für Architektur und Design
in Palma zu sein. Es handelt sich um
Palma verfügt über tolle Architektur ter bin ich auf die Insel zurückge- eine wirklich vielfältige und multidis-
und bietet baukulturell unglaublich kehrt und habe einen Master in Kul- ziplinäre Veranstaltung, und indem
viel. Der Druck, der auf der Insel las- t u re rbe-Management gemach t. die Stadt ihr Erbe für Einwohner und
tet, sorgt aber auch in Palma vieler- Während dieser Jahre habe ich in Fachleute gleichermaßen öffnet, för-
or ts für Spannungen. Das Open Barcelona, Sao Paulo (Brasilien), dert sie den Dialog und die Beteili-
House Festival möchte Architektur Sheffield (Großbritannien) und Pal- gung. Während das Festival in Palma
und Baukultur in Palma unterstützen ma gelebt und gearbeitet. Ich habe 2024 zum vierten Mal stattfinden
und nicht nur Architekten zugänglich mit verschiedenen Architekturbüros wird, engagiert sich Open House
machen. Wer Palma besucht, sollte zusammengearbeitet und war in Worldwide seit 1992 für die Bürger, in-
sich diese Veranstaltung nicht ent- mehreren öffentlichen Verwaltun- dem es sie ermutigt und befähigt,
gehen lassen. Palma lässt sich auf gen tätig, bis ich mit einigen Kolle- sich über Architektur und Stadtent-
kaum einem anderen Weg derartig gen mein eigenes Architekturbüro in wicklung zu informieren und an der
gut kennenlernen. Es lohnt sich, Edu- Palma gründete. Parallel dazu orga- Gestaltung ihrer Zukunft mitzuwirken.
ard Yuste zuzuhören und dabei mehr
über Mallorca zu lernen.

BAUMEISTER: Lieber Edu, es war mir

eine große Freude, dich in Palma
persönlich kennenzulernen. Wärst du Viele der Führungen
so freundlich und stellst dich unseren verbinden Architektur mit der Geschichte
Lesern kurz vor? der Insel.

E D U A R D Y U S T E : Es hat mich auch ge-

freut, dich in unserem Studio zu tref-
fen. Mein Name ist Eduard Yuste und
ich bin der Gründer und Präsident
des Kulturvereins Open House Pal-
ma, dessen Ziel es ist, das Festival
Open House Palma zu organisieren.
Natürlich neben anderen Aktivitäten
im Zusammenhang mit Architektur
und Stadtdesign. Ich wurde in Palma
geboren und habe in Barcelona Ar-
chitektur studiert, wo ich 2015 mei-
nen Abschluss gemacht habe. Spä-

WEITER
56 Sehnsucht Mallorca

ren zusammen, die die Veranstal-

tung möglich machen.

B : Du kennst nicht nur Palma sehr gut,

sondern die ganze Insel Mallorca.
Außerdem bist du Architekt und hast
täglich mit der Baubranche auf der
Insel zu tun. Was sind deiner Meinung
nach die größten architektonischen
und sozialen Probleme und Heraus-
forderungen auf Mallorca?

E Y: Die größten Herausforderungen

sind heutzutage meiner Meinung
Zum Teil führen Architekten nach der Wohnungsmangel für die
und Bauherren die Besucher durch die Einheimischen und der Schutz des
eigenen Projekte. Territoriums und der Landschaft, die
unsere Inseln einzigartig machen.
Erstens: Der Mangel an Wohnraum
und die Preise machen es den Ein-
heimischen unmöglich, hier ein er-
fülltes Leben zu führen. Schuld daran
B:Wer unterstützt dich und das Open uns zusammenarbeitet, aber manch- sind der Tourismus und die urbane
House Festival, und von wem würdest mal sind die Dinge anders, als wir sie Spekulation sowie die Industriezwei-
du di r meh r Unterstützung wün- uns wünschen. ge des Sektors, die ihre Gewinne
schen? Andererseits stimmt es, dass das Fes- durch den Bau und Verkauf von Lu-
tival nicht viel Unterstützung von pri- xushäusern für Ausländer steigern
E Y:Als Teil einer internationalen Be- vaten Akteuren erhält, aber das können.
wegung wi rd das Festival Open Team versucht, jedes Jahr mehr Das bringt uns zur nächsten Heraus-
House Palma von einer lokalen Non- Sponsoren zu finden. Je mehr Geld forderung: Unsere Inseln halten das
Profit-Organisation organisiert, was wir zusammenbringen können, desto nicht mehr aus. Wenn wir alle Proble-
bedeutet, dass die Menschen, die größer und besser wird die Veran- me des Klimawandels hinzurechnen,
daran arbeiten, keine Gegenleis- staltung sein. leben wir in einem endlichen Gebiet,
tung erwarten, sondern es tun, weil Glücklicherweise arbeiten wir mit es gibt kein Bauland mehr, kein Trink-
wir an die Kultur glauben. Die finanzi- vielen lokalen Vereinen und Agentu- wasser, keine natürlichen Ressour-
elle Unterstützung des Vereins und
der Veranstaltung beruht haupt-
sächlich auf den Zuschüssen, die wir
von verschiedenen öffentlichen Ver-
waltungen (Govern de les Illes Ba-
lears, Consell de Mallorca, Institut Anhand einer liebevoll
d'Estudis Baleàrics) im Rahmen ver- gestalteten Karte navigieren die Besucher
schiedener Ausschreibungen erhal- durch Palma.
ten. Wir vermissen definitiv die nöti-
ge Unterstützung unseres eigenen
Rathauses, das immer nur gute Wor-
te, aber keine konkreten Taten von
sich gibt, ganz gleich, welche Partei
im Stadtrat regiert.
Wir haben auch die Unterstützung
verschiedener Universitäten in unse-
rem Gebiet (Universitat de les Illes
Balears, UNED Illes Balears) und der
Architektenkammer der Balearen
(COAIB), obwohl wir uns von Letzterer
wünschen würden, dass sie mehr an
unsere Arbeit glaubt und weiter mit

Das Open House Festival ist vor allem,
aber nicht nur unter jungen Architekturliebhabern
beliebt.
cen, und die Temperaturen im Som-
mer steigen jedes Jahr weiter an.
Wenn wir wollen, dass die Menschen
weiterhin kommen, um hier zu leben,
zu wohnen oder zu arbeiten, müssen
wir unser Modell ändern, um die Zu-
kunft zu sichern. Das ist der Grund,
warum die Menschen hierherkom-
men, wegen der Besonderheiten un-
serer privilegierten Umwelt, die wir
aber immer mehr zerstören.
B : Wie könnten deiner Meinung nach
Probleme wie die Wohnungsnot auf
Mallorca bekämpft werden?
Positionen 57
schen Gesetze (um den freien Kapi-
talverkehr einzuschränken) über Ein-
griffe in den Markt bis hin zum Bau
und der Sanierung von Gebäuden für
den ö f fen t l ichen Woh nungsbau
reicht, die so viele Jahre lang ver-
gessen wurden.
B:Was wünschst du dir für Mallorca
und das Open House Festival in den
kommenden Jahren?
E Y: Ich hoffe, dass die Balearen in
naher Zukunft wieder zur Vernunft
kommen, dass die Menschen hier an
den Klimanotstand glauben und
dass er nur mit energischen Maßnah-
men bekämpft werden kann, die sich
auf unser tägliches Leben auswirken:
Einschränkung des Verbrauchs na-
türlicher Ressourcen, Dekarbonisie-
rung von Bauwesen, Verkehr und In-
dustrie, und immer mehr Schutz un-
seres Territoriums, Verringerung der
Touristenströme (im Jahr 2023 haben
fast 18 Millionen Menschen die Bale-
aren besucht, bei nur einer Million
Einwohnern).
Und für Open House Palma hoffe ich,
dass in den kommenden Jahren die
Menschen und Institutionen mehr an
das Projekt glauben. Und dass es
sich als hochwertiges kulturelles An-
gebot etabliert, das in der Lage ist,
die Agenda der Stadt zu beeinflus-
sen.
E Y:Der Wohnungsmangel muss drin-
gend und aus verschiedenen Pers-
pektiven und vor allem mit kurz-, mit-
tel- und langfristigen Maßnahmen
angegangen werden. Eine mutige
Politik, die die Linke in den letzten
acht Jahren nicht in Angriff genom-
men hat und die auch die derzeitige
rechte Regierung nicht in Angriff
nehmen wird, die von faschistischen
Parteien gegen den Klimanotstand
und zugunsten des Kapitals unter-
stützt wird. Es gibt keine einfache
Antwort, es ist ein komplexes Thema,
das von der Änderung der europäi-
58

Durch ihr unscheinbares Äußeres ist die Fotogalerie

im Carrer D‘es Convent leicht zu übersehen.
Nur wenige Eingriffe wie das Brise Soleil und der metallver-
kleidete Zugang weisen auf die neue Nutzung hin.
 Ideen 59

Fotos: Architekten:
Gabriel Ramon / Aldo Amoretti Mateo Arquitectura

Lichter Bilder-
rahmen
Zu Unrecht meiden viele die Südküste
östlich von Palma. Dabei lässt
sich im alten Städtchen Llucmajor
das Geburtshaus eines
berühmten Sohnes der Insel ent-
decken. 1942 ist der Fotograf
Toni Catany in einem bescheidenen
steinernen Eckgebäude geboren,
das seit letztem Jahr ihm zu Ehren als
Fotogalerie eröffnet hat.
FOTO: ALDO A MORE T TI

Text:
Katharina Matzig
60 Sehnsucht Mallorca
„Dies ist ein Gebäude, das während der Covid-
19-Pandemie mit ihren verschiedenen Momenten
der Isolation, Distanz und Digitalität errichtet wur-
de. Allerdings mussten wir hier etwas Konkretes,
Dichtes, Manuelles in einer fernen und manchmal
verzweifelt archaischen Welt produzieren. Es war
nicht einfach“, so Josep Lluís Mateo, der Umbau-
architekt.
Trotzdem – oder vielleicht auch deswegen? – ist
das „Toni Catany International Photography Cen-
tre“ einfach schön geworden. 2013 starb der Foto-
graf, den die US-Zeitschrift „Life“ zu den 100 besten
Vertretern seines Fachs auf der Welt zählt. Geboren
wurde der Autodidakt, der vor allem für seine Still-
leben berühmt wurde, im Jahr 1942 im Dorf Llucma-
jor, im Süden Mallorcas, lange vor der Eroberung
der Insel durch den Tourismus. Heute zählt die
Kleinstadt knapp 40.000 Einwohner. Geschichtlich
bedeutsam ist der 1259 erstmals erwähnte Ort
durch den Kampf zwischen Jakob III. von Mallorca
und Peter IV. von Aragon im Jahr 1349, der zur Un-
abhängigkeit der Insel führte. Und baukulturell
stellt Llucmajor heute die umliegenden, glamou-
rösen Ferienorte in den Schatten. Denn nachdem
sich ein Jahr nach Toni Catanys Tod eine Stiftung
gegründet hatte, lobten das Kulturdepartement
der Balearen und das spanische Kulturministerium
2018 einen Wettbewerb für den Umbau seines Ge-
burtshauses in ein Museum aus. Den ersten Preis
gewann Josep Lluís Mateo; 2021 stellte das von
Barcelona aus arbeitende Büro Mateo Arquitectu-
ra das 1.200 Quadratmeter große Zentrum fertig,
das sich nun um die lokale und globale Fotokultur
und nicht zuletzt natürlich um die Erinnerung an
den berühmten Sohn der Stadt kümmert.
Übergriffe ins
Blockinnere
Seit März 2023 sind nun die mehr als 180.000 Nega-
tive und Tausende Bücher aus dem Archiv des Fo-
tokünstlers, wechselnde Ausstellungen und ein ab-
wechslungsreiches Kulturprogramm der Öffent-
lichkeit zugänglich – bei freiem Eintritt. Den dafür
notwendigen Platz schuf Josep Lluís Mateo, indem
er Catanys Haus mit zwei Nachbarbauten innen-
räumlich verschmolz, die sich an einer Straßen-
ecke bis tief ins Blockinnere im dichten Altstadtge-
füge entwickeln. Hoch überragen und quer verbin-
den zwei Erweiterungen, so dass nicht nur im
Untergeschoss und im Erdgeschoss Raum für das
fotokulturelle Erleben entstand, sondern in Teilen
auch in zwei Obergeschossen.
Dem Genius Loci verpflichtet, gibt sich das aus hel-
lem Stein gemauerte und außen teils sandfarben
verputzte Häuserensemble zur Straße verschlos-
sen. Der Bautradition gemäß öffnet es sich im Inne-
ren auf unterschiedliche Höfe. Dem Anspruch des
Büros entsprechend ist der Bestand sensibel sa-
niert und das Zusammenspiel aus Alt und Neu feinst
detailliert und radikal überzeugend.
Zeitgenössische
Zeichen
Nur wenige, eindeutig zeitgemäße Eingriffe er-
laubten sich die Architekten an den Fassaden an
der Carrer del Convent und Carrer Cardenal Ros-
sell: Der Nebeneingang schneidet sich tief ein und
setzt sich grau ab von der kurzen Straßenfront, da-
rüber brechen steinerne Brise Soleils das Licht. Ab-
lesbar wurde die Dachneigung verändert. Durch
einen Torbogen betreten die Besucher das Muse-
um an seiner Längsseite, der Durchgang unter ei-
nem neuen Querriegel geht über in den zentralen
Patio, der das Ensemble erschließt. Ein Neubau aus
Sandstein fügt sich im Hof zwischen die Altbauten
und überragt den Bestand flachgedeckt. Hier im
steinernen Hof und in den Innenräumen erinnern
jahrhundertealte Relikte – ein Treppenaufgang,
der Brunnen, Mauerreste – charmant an die lange
Baugeschichte. Ein verglastes Foyer sorgt für Ori-
entierung im Raumkontinuum, bewusst hält sich
sein Inneres zurück: Sichtbeton, Naturstein, weißer
Putz schimmern in gedeckten Tönen, wobei ein
Treppenlauf schwebend leicht von der Decke
hängt. Präzise gesetzte Öffnungen und poetische
Lichtlöcher im Beton sorgen für lebendiges Licht-
und Schattenspiel. Gezielte farbliche Akzente
setzt das feuerrote Treppenhaus, ein wenig Blau
und etwas Gelb. Ein lichter Pavillon für Pädagogik
und Vermittlung schließt das Ensemble im Block-
gefüge.
Für sein Gespür für Schönheit wurde der Mallorqui-
ner Lichtbildner einst mit dem spanischen National-
preis für Fotografie ausgezeichnet, „auf der Welt
gibt es genügend Abstoßendes“, zitiert „Diario de
Mallorca“ den Künstler. Wie schön, dass das Centro
Internacional de Fotografía Toni Catany diesem An-
spruch gerecht wird. Es hätte ihm gefallen.
FOTO: ALDO A MORE T TI
PLÄNE AB SEITE 66
 61

Das Büro Mateo Arquitectura aus Barcelona hatte den Wettbewerb 2018
gewonnen, konnte das Projekt aber wegen Corona über lange Zeit
nur aus der Distanz betreuen. Im März vor einem Jahr, 15 Jahre nach dem Tod
des Fotografen, wurde die Galerie eröffnet.
Sehnsucht Mallorca
 63
FOTO LINKS: ALDO A MORE T TI; FOTOS RECHTE SE ITE: GABRIE L R A MON

Grundlage des Entwurfs bilden die Geschichte des Orts,

das Bestehende, der Maßstab und die Typologie
des Hauses. Oben: Die Innenräume erscheinen jedoch
neu, offen und als professioneller Hintergrund der außer-
gewöhnlichen Arbeiten des Fotografen.

Rechts: die neue Ausstellungsebene

im Untergeschoss

Linke Seite: Neue Wände stoßen auf alte, behelfsmäßig

geflickte Mauern im südlichen Innenhof.
64

FOTO LINKS UNTE N UND RECHTE SE ITE: ALDO A MORE T TI; LINKS OBE N: GABRIE L R A MON

Besonderes Augenmerk legten die Architekten

auf die Lichtführung, um
grellen Tageslichteinfall zu vermeiden.

Im Inneren überraschen großzügige Ausstellungsräume

in dem jetzt viergeschossigen Gebäude.
Links: „schwebender“ Treppenlauf ins erste
Obergeschoss

Rechte Seite: Das steinerne Brise Soleil

im ersten Geschoss kann mit zwei Fensterflügeln
geschlossen werden.
66 Sehnsucht Mallorca

Schnitt A

M 1:3 3 3

Schnitt B

Hauptsächlich
die Höfe sorgen
für Belichtung
und Orientierung
im nach außen
geschlossen
wirkenden Ge-
Schnitt C bäude.
 67

BAUHERR:
Kultusministerium
der Balearen/
spanisches Kultusministerium 8

ARCHITEKTEN:
mateoarquitectura,
Barcelona
www.mateo-arquitectura.com
Josep Lluís Mateo

TR AGWERKSPL ANUNG:
BAC Engineering
Consultancy Group

HL S/E NE RGIE KONZE PT:

DEERNS 2. Obergeschoss

AUSFÜHRUNGSPLANUNG:
Biel Garcies
6

WETTBEWERB:
1. Preis, 2018 3 7

FERTIGSTELLUNG:
September 2021

M 1:6 0 0
ERÖFFNUNG:
März 2023

STANDORT:
Llucmajor, Mallorca

1. Obergeschoss

C B

1 Haupteingang
2 Innenhof 1
3 Ausstellung
4 Notausgang 3 2

5 Seminar-Pavillon A
6 Bibliothek 3
4
7 Archiv
8 Verwaltung

Erdgeschoss
 Unterwegs im … 69

Kloster Santuari de Lluc

Mallorca

Sie suchen auf der Insel den größtmöglichen Kontrast zum Bal-
lermann? Dann versuchen Sie es einmal mit einer stillen Nacht
im Heiligtum von Lluc. Eingebettet in den schroffen Karst der Ser-
ra de Tramuntana und fernab der lauten Partymeilen in S’Arenal,
Magaluf und Co., liegt der bedeutendste Wallfahrtsort auf Mal-
lorca, der in dem Ensemble rund um die Renaissance-Basilika
insgesamt 120 Zimmer für Reisende bietet.

Von Palma kommend, dauert die Fahrt mit dem Der im Jahr 1962 von Papst Johannes XXIII. zur „Ba-
Auto über die Autobahn 13 zum Santuari de Lluc un- silica minor“ erhobene Kirchenbau wurde zwi-
gefähr eine Stunde. Ab Inca mäandern Sie sich schen 1622 und 1691 errichtet. Bemerkenswert im
dann den bildgewaltigen Coll de Sa Batalla hinauf, Inneren der Kreuzbasilika sind etwa die mit Apos-
an dessen Höhe sich das Heiligtum befindet. Etwas telgemälden ausgestattete Dachkuppel und der
länger, dafür aber noch ein wenig spektakulärer ist Anfang des 20. Jahrhunderts von Antoni Gaudí an-
die Strecke aus Westen, vom sehenswerten Ört- geregte, neobarocke Innenausbau.
chen Sóller aus. Diese Option wartet besonders Die Zimmer in der angeschlossenen Herberge sind
zum Sonnenuntergang mit atemberaubenden Pa- einfach eingerichtet, aber sauber und zweckmä-
noramen auf. ßig. Das Frühstück ist inbegriffen, auf
In Lluc angekommen, betreten Sie Bo- Wunsch kann auch das Abendessen mit-
PREISE
den, der den Menschen auf Mallorca gebucht werden. Wir empfehlen jedoch,
vermutlich schon zu Zeiten der Vorge- EZ ab 50 Euro, zum Abendessen eine der Ortschaften
schichte heilig war. Talaiotische Grab- DZ ab 70 Euro, im Süden des Klosters, Caimari oder Sel-
FOTOS: M AURITIUS IM AGE S. OBE N: CHRISTIAN HÜT TE R; UNTE N LINKS: NOVARC IM AGE S; UNTE N RECHTS: JOACHIM JOCKSCHAT

höhlen, die sich rund um das Heiligtum inklusive Frühstück va, anzusteuern. Hier finden sich Restau-
finden lassen, zeugen davon; endgültig rants mit ausgezeichneter mallorquini-
zur Legende wurde der Ort indes, als ein AUFTRIT TSZE ITEN scher Küche.
maurischer Hir tenjunge christlichen „ELS BLAUETS“: Weitere Sehenswürdigkeiten im Ensemb-
Glaubens Mitte des 13. Jahrhunderts die le des Heiligtums sind ein Museum, ein
Statue der Gottesmutter von Lluc im hie- Mo bis Fr botanischer Garten mit der Vielfalt der
sigen Geröll vorfand und in die nahege- 13:15 Uhr sowie Inselfauna sowie der Hügel mit dem Gip-
legene Pfarrkirche von Escorca brachte. zur Sonntagsmesse felkreuz und seiner fantastischen Aus-
Auf wundersame Weise jedoch ver- um 11:00 Uhr sicht auf das umliegende Gebirge.
schwand sie am nächsten Morgen aus Unser Tipp, mögen Sie auch vielleicht
der Kirche und fand sich erneut am ur- nicht unbedingt religiös sein: Ihren Be-
sprünglichen Fundort. Nach mehreren Vorfällen such in Lluc runden Sie bestens ab, wenn Sie eine
dieser Art mit der Statue – so die Überlieferung – halbe Stunde der Gesangsdarbietung in der Basili-
entschloss man sich, hier, am Standort des heuti- ka beiwohnen. Immer zu diesem Anlass dreht sich
gen Santuari de Lluc, eine Kapelle zu Ehren der Ma- die Schwarze Madonna in ihrem Hochaltar um 180
rienstatue zu errichten. Grad, um ihren gnädigen Blick nun in das Kirchen-
Es sollte noch bis in das 17. Jahrhundert dauern, bis schiff statt in die hinter dem Altar liegende Kapelle
das heutige Kernstück des Heiligtums von Lluc er- schweifen zu lassen. Anschließend wird das wall-
baut wurde: die Església de Lluc. Währenddessen, fahrende Publikum von „Els Blauets“, einem traditi-
noch vor Beginn der Neuzeit, verschwand die origi- onsreichen Knabenchor, besungen. Gänsehaut ist
nale Marienstatue unter ungeklärten Umständen garantiert, wenn der Chor mit seinen namensge-
ein letztes – und nun unwiederbringliches Mal. Für benden blauen Soutanen, dem übrigens längst
Ersatz sorgte Anfang des 16. Jahrhunderts Joan nicht mehr nur Knaben angehören, zum „Ave Ma-
Amer, ein lokaler Händler und Wohltäter des Heilig- ria“ anstimmt.
tums. Er erwarb die bis heute in ihrem Hochaltar
befindliche Schwarze Madonna in Belgien – was Plaça Pelegrins, 1, Escorca
übrigens ihren flämisch-spätgotischen Stil erklärt. lluc.net

Text Arian Schlichenmayer

 Der kleine Hinterhof ist von üppiger Vegetation
geprägt und lädt als Gegenpart zur Straßenseite zum
Durchatmen ein.
 Ideen 71

Fotos: Architekten:
Tomeu Canyellas Estudio Cano

Ca'n Pedro
in Palma
318 Quadratmeter Wohnfläche,
zwei Autoabstellplätze, vier Schlaf-
zimmer, ein Whirlpool und das
alles auf einer Grundfläche von etwa
67 Quadratmetern. Was nach einer
Puzzleaufgabe für ein schmales Ein-
familienhaus klingt, haben Estudio Cano
in fünf Jahren Planungs- und Bauzeit
realisiert.

Text:
Ramona Kraxner
72

Oben: Mit großen Glasflächen holen Estudio Cano

das Draußen in den Innenbereich des
Erdgeschosses. Dadurch entstehen
qualitative Räume, die andernfalls bloß reine Funktions-
flächen geblieben wären.

Links: Die Dachterrasse ist der zweite Freiraum des

Wohnhauses und dient als privater Rückzugsort.

Rechte Seite: Die Treppe im Inneren ist die

Lebensader des mehrstöckigen Hauses. Feines Lochblech
trennt sie von den Aufenthaltsräumen und unterstreicht
die Luftigkeit, die sich durch viele Design- und
Funktionselemente zieht.
73
74

Natürliche traditionelle Materialien

verleihen den Räumen eine inhärente Ruhe,
konterkariert durch das Leben
der Bewohnerinnen und Bewohner.
 75

Oben: Der Wohnbereich ist stark nach

außen orientiert; man möchte bewusst mit der Stadt leben,
nicht abgekoppelt von ihr.

Rechts: In den Bädern findet sich viel lokaler

Marmor. Als haptischer Ausgleich läuft der Holzfußboden
von den Wohnräumen bis hinein in die Nasszellen.
76 Sehnsucht Mallorca

Vormals war da ein altes, kleines Lebensmittelge-
schäft. Sein Name, Ca’n Pedro, steht heute für den
Neubau, der an seiner statt nun die kleinteilige
Häuserzeile komplettiert. Mit dem Abriss des Ge-
schäfts entstand eine nicht ganz sieben Meter
breite Baulücke. Estudio Cano befüllten diese Lü-
cke mit einer dezenten Fassade, welche die umlie-
genden Elemente aufzunehmen versucht, um da-
bei selbst in den Hintergrund zu rücken. So passt
sich das Haus farblich und maßstäblich in seine
Umgebung ein, spielt dabei mit modernen Linien
und traditioneller Materialität.
In der Ansicht selbst wird erst auf den zweiten Blick
klar, dass auch in der Geschosshöhe ein Spiel der
Verhältnismäßigkeit passiert. So ist das Erd- und
erste Obergeschoss niedrig, in zunehmender Höhe
wächst auch die Raumhöhe und ist derart ein Hin-
weis auf die Ordnung der Räume im Inneren. Auch
an der Fenstergliederung lässt sich die Hierarchie
ablesen, wenn im obersten Geschoss der Wohn-
raum von ausladenden, ja beinahe überdimensio-
nalen Fensterflächen zeugt, die zwei Stockwerke
weiter unten noch eine heimelige, beschützende
Größe aufweisen.
Innen oder doch wieder
draußen?
Am hinteren Ende des Bauplatzes befindet sich ein
kleiner Hof, der, von großen Bäumen beschattet
und kleinen Pflanzen berankt, einen idealen Rück-
zugsort bietet. Seine Charakteristik wurde als be-
sonderes Highlight des Bauprojekts erhalten und
schafft beim Eintritt in das Erdgeschoss einen visu-
ellen Fokuspunkt, der sich gleichsam wieder au-
ßerhalb des Gebäudes befindet und so die Luftig-
keit der Architektur zusätzlich betont. Weitere Ele-
mente, die von der Transparenz des Gebäudes
zeugen, sind die Blickachsen durch die Zimmer
und immer ins Freie sowie die löchrigen Geländer
aus schwarzem Stahl und die großzügigen Glasflä-
chen. Letztere sind auch im Erdgeschoss das maß-
gebliche räumliche Element, das die Garage vom
Aufgang in den Wohnbereich trennt, dabei aber
die Hierarchie zwischen Nutzfläche und Wohnflä-
che entkräftet und somit aus den typischerweise
niederrangigen Abstellflächen qualitative Räume
macht.
einflussen. Einbauschränke sind aus dunklerem
Holz und bilden einen ruhigen Konterpart zum kräf-
tigen Marmor, der sich in den Bädern und in der Kü-
che wiederfindet.
Die Fenster sind traditionell aus Holz und fallen we-
der durch bewusst verschlankte Rahmen, noch
betonte Orthogonalität auf. Damit stehen sie sinn-
bildlich für das Understatement des ganzen Ge-
bäudes: Hier sind Fenster reine Fenster, deren
Funktionalität im Vordergrund steht, auch wenn sie
geschickt platziert sind und damit den Außenraum
als Teil des Inneren optisch präsent sein lassen. Im
Fall von Ca’n Pedro ist das kein elitärer Grünraum,
sondern die lebhafte Straße und die Nachbarsge-
bäude. Bewusst will man auch diesem Kontrast aus
der wohnlichen Ruhe und der städtischen Ge-
schäftigkeit Rechnung tragen, indem das Äußere
weder verleugnet noch kaschiert wird.
Im ersten und zweiten Obergeschoss befinden sich
die Schlafzimmer mit Ensuite-Bädern. Eine ge-
schichtete Treppe verbindet alle Ebenen zentral
miteinander. Sie endet im obersten Geschoss im
offenen Wohnbereich, der einen Ausblick bis auf
den Hafen ermöglicht. Geht man nochmals die
Treppe hinauf, erschließt sich ein zweiter Wohnbe-
reich, diesmal als Dachterrasse inklusive Whirlpool
ausgeformt. Damit gibt es letztlich doch eine Mög-
lichkeit, ab und an der Geschäftigkeit von Palma
de Mallorca zu entkommen.

Kleine Gesten von üppigen

Materialien

Im Wohnbereich dominieren klare Zugehörigkei-

ten des Materials, hier überrascht nichts in seiner
Funktion: Die Böden sind aus warmem Holz, die
Wände, in dezenten Farben gehalten, lassen an-
dere Hauptdarsteller die Raumwahrnehmung be-

PLÄNE AUF DER FOLGENDEN SEITE

 77

Estudio Cano sind sich der dienstleisterischen

Aspekte als Architekturbüro bewusst.
Dabei dürfen der Spaß und das Spiel mit Ästhetik
aber nie zu kurz kommen.
78

Die Fassade wirkt nur auf den ersten Blick simpel.

Bei genauerem Hinsehen offenbaren
sich die strukturellen Abstufungen und
formalen Spielereien.
 Ideen 79

In den Grundrissen
findet alles seinen

M 1:5 0 0
Platz. Auf vier
Geschossen plus
Dachterrasse wird
das Grundstück
optimal, aber
dennoch umsichtig Schnitt und Ansicht
und praktisch aus-
gereizt.

BAUHERR:
privat

ARCHITEKTEN
UND
INNENARCHITEKTEN:
Estudio Cano, Palma

FERTIGSTELLUNG:
2022

STANDORT:
Palma, Mallorca

3. Obergeschoss Dachgeschoss
M 1: 2 0 0

Erdgeschoss 1. Obergeschoss 2. Obergeschoss

80 Sehnsucht Mallorca

Mit der Tradition als

Wegweiser

Das Architekturbüro Estudio

Cano setzt in seiner
Arbeit alles auf die Verbindung
von Tradition mit Zeitgeist. Was
als moderne Formensprache
daherkommt, ist stets verwurzelt
in der reichen Baukultur der Insel.
Mit diesem Erbe will man
verantwortungsvoll umgehen.

B A U M E I S T E R : Ihr seid ein mallorquinisches Büro,
das mit seiner Arbeit die Architektur der Insel aktiv
mitgestaltet. Welche Verantwortung seht ihr in eu-
rer Arbeit, und wie beeinflusst sie wiederum die
Umwelt auf der Insel?
E S T U D I O C A N O : Unsere Verantwortung geht weit
über das bloße Bauen hinaus; sie reicht bis in die
Erhaltung der typisch mallorquinischen Architek-
turgeschichte hinein, während wir moderne Ele-
mente einsetzen, die diese spezifische Schönheit
und Funktionalität noch verstärken können. Wir
sind uns dessen bewusst, dass unser Schaffen stark
die Umgebung beeinflusst. Dabei sprechen wir
aber gar nicht nur von der Landschaft, sondern
auch von der kulturellen und gesellschaftlichen
Struktur der Insel. Deshalb ist es uns ein Anliegen,
mit unseren Bauten einen positiven und nachhalti-
gen Beitrag zu leisten, sowohl ästhetisch als auch
ökologisch.
B:Eure Ästhetik wird dominiert von einfachen ge-
raden, aber umso kräftigeren Linien mit einer gro-
ßen Portion Transparenz und Luftigkeit. Das sind
typische Elemente eines internationalen zeitge-
nössischen Stils. Wie würdet ihr selbst eure Archi-
tektursprache beschreiben? Und welche typisch
mallorquinischen Spuren finden sich darin?
E C : Genau, wir sehen unsere Architektur selbst als
klar und transparent, mit einem Gefühl der Offen-
heit. Diese Qualitäten versuchen wir, in den meis-
ten Projekten aufzuspüren und herauszuarbeiten.
Aber auch wenn unsere Ästhetik zum großen Teil
„zeitgenössisch und international” wirkt, liegen
die Einflüsse darauf in der traditionellen Architek-
tur von Mallorca. Wir sind alle auf dieser Insel und
im Familienunternehmen aufgewachsen, wodurch
wir auf über 70 Jahre an Erfahrung im Entwerfen
und Bauen von Gebäuden auf Mallorca zurückbli-
cken können.
 Ideen 81

In der Mehrheit unserer Arbeit sind Spuren von
mallorquinischer Handarbeit, von Material und
räumlicher Gliederung zu finden, auch wenn diese
häufig in einer modernen Sprache zum Ausdruck
kommen. Wir setzen es uns zum Ziel, die Eleganz
der lokalen architektonischen Elemente und Tradi-
tionen mit dem modernen Anspruch an Raffinesse
und Designparameter im Wohnen zu verbinden.
B:Welche Qualitäten sollte ein Wohngebäude auf
Mallorca also aufweisen?
E C: Wir sind der Meinung, dass sich Wohngebäu-
de auf der Insel in ihre natürliche Umgebung best-
möglich eingliedern sollen. Das ist dem Respekt
vor der einzigartigen Landschaft und der Baukultur
geschuldet. Sie sollen nachhaltig gebaut werden
mit lokalen Materialien und dabei durch möglichst
passive Designstrategien den ökologischen Foot-
print minimieren.
Wir selbst verwenden schadstofffreie und nach-
haltige lokale Materialien in unseren Projekten,
mit dem Augenmerk darauf, sie auch möglichst
effizient einzusetzen. Wann immer es möglich und
sinnvoll ist, setzen wir erneuerbare Energien ein.
Auch während des Bauprozesses möchten wir ei-
nen effizienten und verantwortungsvollen Um-
gang mit Energie, Wasser und anderen Ressour-
cen, so gut es geht, sicherstellen.
Das Einsetzen von lokalen und natürlichen Materi-
alien, wie Kalk, balearischen Stein, Holz, Leinen,
die Verbindung vom inneren mit dem äußeren
Raum und der bewusste Einsatz von Licht und
Schatten, um verschiedene Atmosphären zu kre-
ieren, sind fundamentale Strategien in der Ent-
wicklung unserer Projekte. Das erlaubt es uns, har-
monisch auf die Umgebung einzugehen, in die das
Gebäude eingebettet ist, für eine friedvolle und
zurückhaltende Atmosphäre, in der vordergründig
Licht und Pflanzen den Charakter des Raumes de-
finieren.
Jedes unserer Projekte präsentiert eine einzigarti-
ge Mischung aus Herausforderungen und Mög-
lichkeiten, die uns in unserer Innovationsfähigkeit
herausfordert, während wir dabei immer in der Tra-
dition verwurzelt bleiben. Das kann anspruchsvol-
le Topografie bedeuten, die besondere konstrukti-
ve Maßnahmen erfordert. Oder das kann eine res-
pektvolle Modernisierung eines symbolträchtigen
traditionellen Gebäudes sein, das seit mehr als
zweihundert Jahren am Tramuntanagebirgszug
steht. Oder ein rustikales Haus inmitten einer Land-
schaft, das selbst schon wie ein natürliches Ele-
ment aussieht, ganz so, als wäre es bereits seit
Jahrzehnten ein Teil von ihr. Unser Motto ist, Hinder-
nisse als Möglichkeiten zu sehen.
B : Was würdet ihr euch für die Entwicklung von
Mallorca wünschen?
E C: Wir hoffen sehr, dass die natürliche Schönheit
und das kulturelle Erbe erhalten bleiben, trotz un-
serer Offenheit für Innovationen in architektoni-
scher und stadtplanerischer Hinsicht. Auf einer
kleinen Insel zu leben bedeutet, dass Wachstum
und Ressourcen limitiert sind. Wir als Architektin-
nen und Architekten haben eine große Verantwor-
tung dahingehend, diese Prozesse zu begleiten,
um die Qualitäten und die Schönheit der Insel auf-
rechtzuerhalten. Indem wir nachhaltig und sorg-
fältig entwerfen, möchten wir zu einem Mallorca
beitragen, das ein begehrtes Ziel bleibt gleichsam
für Bewohnerinnen und Touristen.

B:Worauf seid ihr besonders stolz in eurer Arbeit als

Architekten bzw. Architektinnen? Was macht euch
am meisten Spaß, wenn es um das Entwerfen auf
der Insel geht?

E C: Wir sind sehr stolz auf die Möglichkeit, Raum

schaffen zu dürfen, der nicht nur den funktionalen
Bedürfnissen unserer Auftraggeberinnen und Kli-
enten entspricht, sondern auch positiv zu deren
Lebensqualität beiträgt. Zu wissen, dass man mit
der eigenen Entwurfsarbeit auch die Wahrneh-
mung und Interaktion der Menschen mit deren Um-
welt positiv beeinflusst, besonders hier auf Mallor-
ca, wo es so einen reichen kulturellen und natürli-
chen Kontext gibt, das genießen wir am meisten.

Die Fragen stellte Ramona Kraxner.

82

Typisch mallorquinisch sind die Fensterläden – hier

in Lärchenholz –, die unbehandelt bleiben, statt sie grün
anzustreichen. Die Architekten verteilen die
Sozialwohnungen in Inca auf zwei separate Gebäude, so
dass sie mit den Bestandsbauten einen Hof bilden.
 Ideen 83

Text:
Klaus Englert

Lob
des Bauherrn
Es gibt einen Hoffnungsschimmer,
was kostengünstigen Wohnungsbau
auf Mallorca angeht, und das ist
dieser engagierte Bauherr:
IBAVI, das „Instituto Balear de la Vivienda“.
Seit knapp vier Jahrzehnten kümmert
es sich um den Bau und Betrieb von Sozial-
wohnungen auf den Balearen.
Es fördert Entwürfe – meist von unabhängi-
gen Architekturbüros –, die regionale
Baustoffe mit geringem CO2-Fußabdruck
nutzen wie Kalkstein, Lehmziegel, Holz oder
Seegras. Zwei Beispiele

I. Inca II. Son Servera

84

I.
Der geschützte halböffentliche Hof ist nicht nur
als Aufenthaltsort und Treffpunkt für die
Bewohner wichtig, sondern auch als Schallschutz
für die Bahnlinie nach Palma,
die im Süden des Grundstücks vorbeiführt.

Inca
Vor allem in Barcelona und in der gleichnamigen
Provinz entstehen seit einigen Jahren qualitätsvol-
le Projekte mit nachhaltigen Baumaterialien, zahl-
reichen Gemeinschaftsflächen und viel Gestal-
tungsspielraum. Hinter derartigen Sozialprojekten
stehen zumeist das kommunale Wohnungsdezer-
nat Institut de l’Habitage i Rehabilitació de Barce-
lona und das Stadtentwicklungsunternehmen IMP-
SOL, das zur Verwaltung der Metropolregion Bar-
celona (AMB) gehört. Diesen Einrichtungen ist
maßgeblich zu verdanken, dass in Barcelona eine
Renaissance des genossenschaftlichen und sozia-
len Wohnens entstand, beginnend mit den Projek-
ten des jungen Architektenteams Lacol Arquitec-
tura Cooperativa im Arbeiterviertel Sants und H Ar-
quitectes, die ebenfalls in Sants das Genossen-
schaftszentrum Cooperativa Obrera La Lleialtat
Santsenca renovierten und kürzlich im nahen
Gavá einen Komplex aus 136 Sozialwohnungen re-
alisierten. Diese Wohnungen werden zu modera-
ten Preisen angeboten und sind dem überhitzten
Wohnungsmarkt Barcelonas entzogen, dessen
Durchschnittsmiete aktuell bei 21,80 Euro pro Qua-
dratmeter liegt.
Zu dieser Tendenz gehört auch ein Projekt im süd-
westlichen Vorort Cornellà de Llobregat, einem
Problemviertel, das lange durch den verseuchten
Fluss Llobregat geprägt war und sich erst allmäh-
lich von seinem negativen Image befreit. Das Bar-
celoneser Team Peris+Toral realisierte hier 85 Sozi-
alwohnungen, die klar aus dem banalen Wohn-
umfeld hervorstechen. Ein weiteres außergewöhn-
liches Projekt des Teams entstand am Nordrand
der Metropole, im einstigen No-Go-Areal Bon Pas-
tor, wo sie ein Haus mit 54 Sozialwohnungen inner-
halb einer neuen Siedlungseinheit errichteten. Bon
Pastor lag lange Zeit an der Kloake Río Besòs, der
allerdings vor einigen Jahren erfolgreich renatu-
riert wurde. Heute gilt das Siedlungsprojekt an den
Wiesen des erstaunlich klaren Flusses als eines der
ambitioniertesten städtebaulichen Vorhaben Bar-
celonas.

WEITER
 85

Fotos: Architekten:
José Hevia Joan Josep Fortuny Giró
+ Alventosa Morell
Arquitectes
86

18 der 54 Wohnungen liegen auf Erdgeschossebene

und haben Zugang zum Hof. Demonstrativ kostengünstig
sind die unverputzten Gartenmauern
ebenso wie die Zäune aus Baustahlmatten ausgeführt.
 Ideen
Preiswerter wohnen auf der Insel
Man sollte allerdings nicht nur nach Barcelona
schauen, auch auf dem touristenverwöhnten Mal-
lorca haben sich durch die Initiative des Instituto
Balear de la Vivienda (IBAVI), das dem regionalen
Verkehrs- und Bauministerium angegliedert ist, er-
staunliche Fortschritte im preisgedämpften Wohn-
sektor ergeben. Zu den Klienten des Instituts, das
nach den Prinzipien des EU-Programms „Life Reu-
sing Posidonia“ derzeit 900 Mietwohnungen er-
richten lässt, gehören Peris + Toral, H Arquitectes,
López-Rivera Arquitectos, DataAE und schließlich
Ted’A Arquitectes, die als einziges Team ein Büro in
Palma de Mallorca haben. Ein weiteres Team, das
eng mit dem Balearen-Institut zusammenarbeitet,
ist Alventosa Morell Arquitectes, wiederum aus
Barcelona. Ein weiteres Charakteristikum der mit
dem Balearischen Institut für Wohnungswesen IBA-
VI kooperierenden Büros besteht darin, dass sie
fast ausschließlich ihre Ausbildung an der „Escue-
la Técnica Superior de Arquitectura del Vallès“ (ET-
SAV) erhalten haben, die nordwestlich von Barce-
lona liegt. Also nicht an der klassischen „Escuela
Técnica Superior de Arquitectura de Barcelona“.
2021 errichtete das hauseigene Architektenteam
des IBAVI am Rande von Palma de Mallorca das
Mehrfamilienhaus Salvador Espriu, das wegen der
angewandten Baumethoden und Materialien zu
einem Modellprojekt erkoren wurde. Während sich
Life Reusing Posidonia der Verwendung regionaler
Baustoffe mit geringem CO2-Fußabdruck wie Kalk-
stein, Lehmziegel, Holz und Seegras verschrieben
hat, kam nun der lokale Marès-Stein hinzu, auf den
zwar auch Jørn Utzon zurückgriff, als er 1971 seine
Privatvilla Can Lis errichtet hatte, doch der poröse
Sandstein geriet auf Mallorca immer mehr in Ver-
gessenheit. Stattdessen drängten sich zusehends
industrielle Baumaterialien in den Vordergrund.
Klimagerecht bauen
Von dieser Tendenz hin zu klimagerechter Bauwei-
se bei Verwendung lokaler, nachhaltiger und re-
cycelter Materialien profitierten auch die im mal-
lorquinischen Inca realisierten 54 Sozialwohnun-
gen von Alventosa Morell Arquitectes. Die Archi-
tekten fügten die zwei dreigeschossigen Riegel in
ein städtisches Erweiterungsgebiet von Inca ein.
Um eine bessere Belüftung der Wohnungen und
optimierte klimatische Raumverhältnisse zu erzie-
len, wurden die Riegel L-förmig zueinander ausge-
richtet, mit offener Zugangsschneise zwischen den
Baukörpern, was den Bewohnern zudem einen öf-
fentlichen Innenhof bescherte, der in südlicher
Ausrichtung vor einer Bahnlinie liegt. Auch Balko-
ne und private „Gärten“, ebenso die Einfügung von
87
Patios in den oberen Wohnbereichen dienen der
verbesserten Klimabilanz, nicht zu vergessen die
Photovoltaikanlagen auf dem Dach. Die Erschlie-
ßung über Zweispänner ermöglichte eine zweisei-
tige Ausrichtung der Wohnungen und die Anpas-
sung der Schlaf- und Wohnräume an die vorherr-
schenden klimatischen Bedingungen.
Derartige Baumaßnahmen finden sich natürlich
auch bei anderen Wohnprojekten. Bezeichnend
für die Zusammenarbeit von Alventosa Morell Ar-
quitectes und IBAVI ist etwas anderes: die Nutzung
nachhaltiger, lokaler und recycelter Baustoffe.
Das fängt bereits mit der Wiederentdeckung der
„Mallorquinas de Madera“ an, den mallorquini-
schen Jalousien, die offensichtlich auf der Insel
eine Renaissance erleben. Ihr Filtereffekt, durch
Verstellen der Holzlamellen, lässt sich nach Belie-
ben regeln. Das Material besteht aus einheimi-
schem Lärchenholz und wurde in einer mallorquini-
schen Schreinerei hergestellt. Nicht zu übersehen
ist der ästhetische Effekt: Sämtliche Obergeschos-
se lassen sich bündig mit den hölzernen Fensterlä-
den abschließen, die im geschlossenen Zustand
den Eindruck einer Holzfassade hervorrufen.
Neben der Wiederbelebung der alten Bautradition
hat man sich vor allem auf traditionelle Baumate-
rialien besonnen. Beispielsweise besteht die Fas-
sade aus einer zweischaligen Keramikmauer, in
deren Zwischenraum zur Dämmung recycelte
Baumwolle verwendet wurde. Währenddessen ka-
men für die Außendämmung Spritzkork und Grob-
kalk zur Anwendung. Und in den Wohnräumen ge-
langten ausschließlich mineralische Farben und
Kalkmörtel zum Einsatz sowie, unter Verwendung
speziell aufbereiteter Biomasse, keramischer Ton
von den Balearen.
Selbst der in der Presse gescholtene Innenhof ent-
hüllt bei näherer Betrachtung seine Qualitäten: Er
mag zwar fantasielos wirken, besitzt aber seine
Vorzüge, weil der Kies den Regen ins Grundwasser
durchsickern lässt und – wie die Architekten sagen
– die Möglichkeit bietet, einen Regenwasserspei-
cher zu installieren. Nicht zu vergessen: Der ver-
wendete Kies, der auch in den privaten Gärten
eingesetzt wurde, ist ein lokales Recyclingprodukt.
Er findet zudem Anwendung auf den Flachdä-
chern, wodurch eine höhere Lebensdauer der Dä-
cher garantiert wird.
II.
Son Servera
Seite 94
PLÄNE AUF SEITE 92
 89

Noch etwas karg wirken die mit

Recyclinggranulat bedeckten Außenflächen.
In Zukunft sollen Bäume – hier ein Foto
kurz nach Fertigstellung – genügend Schatten
spenden.
 Die Wohnmodule sind als
Zweispänner um ein Treppenhaus
organisiert. Alle verfügen entweder
über einen kleinen Patio,
eine Terrasse oder einen Freiraum
im Erdgeschoss.
In jedem Modul gruppieren sich
die Zimmer um einen Sanitärkern mit
Bad und Küchenzeile.
91
92 Sehnsucht Mallorca

Schnitt

C A . M 1: 2 0 0

Grundriss Zweispänner

Konstruiert sind
die Häuser mit 35 cm
dicken Betondecken,
die auf grün
lackierten Stahlstüt-
zen aufliegen.
Die Hülle besteht aus
zweischaligem
Mauerwerk mit Kern-
dämmung und einer
zusätzlichen
Außendämmung
aus Spritzkork, darü-
ber Kalkputz.
Axonometrie
 Ideen 93

BAUHERR:
IBAVI – Institut Balear de
l‘Habitatge Localización

ARCHITEKTEN:
Joan Josep Fortuny Giró
+
Xavier Morell
+
Marc Alventosa
jjfortuny.com
alventosamorell.com

TEAM:
Marina Morey
Gori Llambías
Sandra Vargas 2. Obergeschoss
Raquel Mirón
Rebeca López
Eric Moya

E X T E R N E PA R T N E R :
Marco Menendez +
Jaime Oliver

HLS:
Estudis d’Enginyeria
de les Illes

TR AGWERKSPL ANUNG:
Joan Mas
Juan Fortuny;
Lluis Guasp

FERTIGSTELLUNG:
2022

STANDORT:
54 Viviendas de
Protección Pública
Inca
Mallorca

Erdgeschoss
M 1:75 0
 Fotos: Architekten:
José Hevia Peris + Toral
 95

II.
Die Haupterschließung liegt zwischen beiden
Wohnriegeln als Lichthof und staffelt sich in mehreren
Ebenen im abfallenden Gelände. Die Architekten
verwenden für Fassaden und Sockel den lokalen Marès-
Stein, der die Bauten mit dem Standort verbindet.

Son
Servera
Die Kooperation des Balearischen Instituts für Woh-
nungswesen mit renommierten Architekturbüros
hat sich bezahlt gemacht. Das Resultat sind hoch-
wertige Sozialwohnungen in einem Land, das pro-
zentual nur wenige und völlig überteuerte Miet-
wohnungen aufweist. Es ist bestimmt kein Zufall,
dass Peris+Toral in Son Servera, unweit von Jørn Ut-
zons Villa Can Lis, ebenfalls Sozialwohnungen ge-
baut haben, die weit über deutschem Standard
liegen.
Auch sie demonstrieren bestens die IBAVI-Strate-
gie, durch Rückbesinnung auf lokale Baumateria-
lien eine atmosphärische Dichte zu erzielen, die
nachhaltig Einfluss auf das Zusammenleben in den
Quartieren hat. Dem katalanischen Team, das sich
in den letzten Jahren auf die Errichtung möglichst
qualitätsvoller Sozialwohnungen spezialisiert hat,
ist in Son Servera das Kunststück gelungen, die 42
Appartements in ein höchst differenziertes Quar-
tier einzubinden, ein Quartier mit Erschließungs-
straßen auf drei Ebenen, mit Gemeinschaftsgär-
ten, individuellen Gärten und Loggien. Völlig zu
Recht sind die Barcelonesen für das mallorquini-
sche Projekt in die Shortlist des Mies van der Rohe
Award gewählt worden.
Marès-Sandstein, Holz und Beton – mit diesen
Grundbausteinen gelang es Peris + Toral, atmo-
sphärische Qualitäten mit den Anforderungen
nach Nachhaltigkeit und Gemeinschaftlichkeit zu
verbinden. Gleichgültig, ob am Beispiel Alventosa
Morell Arquitectes oder Peris + Toral, die IBAVI-
Strategie sucht dringend Nachahmer.

PLÄNE AUF SEITE 98

96

Die Laubengänge sind als großzügige,

verschattete Terrassen angelegt. Die weißen Beton-
lamellen filtern die Luft und spenden Schatten.
 97

Die raumhohen Türen des Balkons lassen

sich komplett öffnen und verwandeln den Innen-
zum Außenraum.
98 Sehnsucht Mallorca

M 1:4 0 0
BAUHERR:
IBAVI – Institut Balear de
l‘Habitatge Localización

ARCHITEKTEN:
Peris + Toral, Barcelona
Marta Peris,
José Toral,
Álvaro Homar

TR AGWERKSPL ANUNG:
Bernúz Fernández

HLS:
L3J Tècnics Associats Querschnitte

Wettbewerb:
1. Preis 2009

FERTIGSTELLUNG:
2023

STANDORT:
Calle des Cos,
49– 51– 53,
Son Servera, Mallorca

1. Obergeschoss
M 1:75 0

Erdgeschoss

Der schmale Spalt zwischen beiden

Wohnriegeln wird als abwechslungsreicher,
schattiger Freiraum und Treff-
punkt für die Bewohner inszeniert.
100

Ein Lehrbeispiel für Maßstäblichkeit:

Das sind die punktuellen, heiteren Eingriffe des
niederländischen Büros in Palmas Stadtviertel El Terreno.
Das Projekt aus sieben Bausteinen bringt
wieder Leben ins vernachlässigte Quartier.
 Ideen 101

Fotos: Architekten:
Daria Scagliola MVRDV + GRAS Reynés
Arquitectos

Frisch-
zellenkur
In Palmas vernachlässigtem
Viertel El Terreno tut sich was.
Der ehemals berühmte Stadtteil wird
wieder populärer, nicht zuletzt des-
halb, weil die Unternehmerfamilie
Fluxá dort ein buntes Ensemble
aus fünf Gebäuden neu oder
umbauen ließ. Zwei weitere Bauten
sollen folgen.

1 Weißes Haus ab Seite 103

2 Rotes Haus ab Seite 106
3 Blaues Haus ab Seite 108
4 Lehmhaus Seite 111 6
5 Grünes Haus Seite 112
6 Gelbes Haus Seite 113
(noch nicht realisiert)
7 Kleine Villa Seite 113 2
(noch nicht realisiert)
1

5
FOTO: MVRDV

Text: 3

Arian Schlichenmayer 4
102 Sehnsucht Mallorca
Kaum jemand kennt heute noch den Stadtteil El
Terreno in Palma. Dabei gehörte der schmale Strei-
fen im Westen der Bucht von Palma einst zu den ex-
klusivsten und glamourösesten Vierteln der Insel-
hauptstadt. Prachtvillen und Patrizierhäuser be-
kunden den einstigen Glanz des Viertels, das ab
Ende des 19. Jahrhunderts zum Zentrum der Intel-
lektuellen und Kreativen avancierte – inklusive
des dazugehörigen Nachtlebens. So angesagt
war das Viertel, dass hier Legenden wie Ray
Charles oder Jimi Hendrix durch die Clubs zogen.
Beginnend mit den 1960ern, geriet das Quartier je-
doch allmählich in Vergessenheit, und bald darauf
sollte es ein anderer Ort auf der Insel zu mitunter
zweifelhaftem Ruhm bringen: das „Balneario 6“,
wörtlich übersetzt Heilbad 6, das seit Tom Ger-
hardts Filmkomödie aus den späten Neunzigern
besser unter seiner deutschen Verballhornung
„Ballermann 6“ bekannt ist.
Im vernachlässigten El Terreno kam es zwischen-
zeitlich zur Genehmigung einiger Projekte, die
heute als Bausünden gelten, während gleichzeitig
viele der herrschaftlichen Villen verfielen. Seit ei-
nigen Jahren jedoch beginnt El Terreno wieder an
Popularität zu gewinnen; an vielen Ecken des Vier-
tels wird wieder gewerkelt.
Nicht nur zur Hochsaison
Eines kleinen Teils des Quartiers, genauer gesagt,
1,5 Hektar, haben sich nun MVRDV und GRAS Rey-
nés Arquitectos angenommen und das Projekt Go-
mila ins Leben gerufen. Der Name Gomila kommt
dabei nicht von ungefähr, schmückt der Nachna-
me einer kubanischen Gönnerfamilie doch auch
den zentralen Platz in El Terreno.
Das Projekt Gomila ist eine Sammlung von sieben
verschiedenen Gebäuden, die sich auf den ersten
Blick durch ihre Farbgliederung unterscheiden,
auf den zweiten durch ihre individuelle Architek-
tur. Verantwortlich für das Projekt ist die Familie
Fluxà, Gründerin und Eigentümerin der internatio-
nal gehandelten und in Inca ansässigen Schuh-
marke Camper.
Insgesamt wurden inzwischen fünf Baukörper er-
richtet oder renoviert, zwei sind noch in Planung;
dabei trägt jeder dieser sieben seine eigene Farbe
und Thematik. Im Zuge des Projekts wurden 60
Wohnungen erschaffen, dazu kommen Gewerbe-,
Büro- und Handelsflächen. Eine Prämisse der Bau-
herrin war, Wohnraum zu schaffen, der eben nicht
nur als Feriendomizil zur Urlaubszeit genutzt wird,
sondern dauerhaft bewohnt wird. Das soll ein we-
nig Druck von Palmas angespanntem Immobilien-
markt nehmen. Nebenbei stellt das sicher, dass
der Stadtteil ganzjährig belebt ist und im Winter
nicht zur Geisterstadt verkommt.
Das größte Gebäude des Gomila-Ensembles ist
das „Gomila Center“. Es ist ein Bestandsbau des
mallorquinischen Architekten Pere Nicolau, der
unter anderem für die Gestaltung des Flughafens
der Insel verantwortlich zeichnete. Das Gebäude
wurde nach seiner Renovierung ganz in Weiß ge-
halten, bietet in zahlreichen Ebenen und Zwischen-
ebenen eine Vielzahl von Blickwinkeln und Sicht-
achsen.
Kein Teil des Bauvolumens scheint dem anderen zu
gleichen, von Schritt zu Schritt wechselt die For-
mensprache, langweilig oder eintönig wird es nie.
Ein zentraler Platz, der das Volumen in zwei Hälften
teilt, dient heute als gern genutzte Begegnungszo-
ne im Ensemble.
„Las Fabri-Casas“ ist ein neu errichtetes Ensemble
von blaugrauen Reihenhäusern. Das Sheddach
mit seiner charakteristischen Sägezahnform ver-
leiht dem Gebäude Industriebaucharme; die
blauen Keramikfliesen, mit denen die Häuserreihe
verkleidet ist, sorgen für einen weiteren Farbtupfer
im Stadtviertel. Direkt hinter den Fabri-Casas
schließt ein Gebäude aus unverputzten Lehmzie-
geln an. Auf diesem befindet sich ein Gemein-
schaftsswimmingpool, von dessen Beckenrand
ungestörte Blicke auf das über dem Stadtteil thro-
nende Castel Bellver möglich sind.
Malkastenfarben
Direkt an der Plaza Gomila befindet sich „La Pla-
za“, ein dunkelgrünes Bestandsgebäude, in dem
heute die Neuauflage der historischen Bar Bellver
nebst Büroflächen untergebracht sind. Ein ge-
meinschaftlicher Dachgarten sorgt auch auf die-
sem Gebäude für eine ausgezeichnete Rundum-
sicht.
Nicht zu übersehen, weil in ihrem knalligen Rot so-
fort ins Auge stechend, sind „Las Casitas“ an der
Einmündung der Carrer de Bellver in die Haupt-
straße Joan Miró. Besonders ist an diesem Gebäu-
de neben der Farbe eine ausgedehnte Dachter-
rassenlandschaft, die soziale Interaktion zwischen
den Anwohnenden fördern soll.
Zwei der Gebäude werden in einer zukünftigen
Bauphase fertiggestellt: ein knallgelbes Wohn-
haus mit grünem Innenhof und ein braunes Ge-
bäude. Beide werden als Bestandsgebäude nach
den Plänen von MVRDV und GRAS einer gründli-
chen Renovierung unterzogen werden.
FOTO: DARIA SCAGLIOL A
 Das umgebaute „Gomila Center“
bietet zahlreiche schattige Freiräume.
 104

FOTOS: DARIA SCAGLIOL A

 105

Das Gomila Center

ist das größte Gebäude im
Ensemble rund um die
Plaça Gomila. Es ist
ein Umbau eines Gebäudes
von 1979 des Architekten
Pere Nicolau.

Oben: Auf den weit

auskragenden Terras-
sen wird das Regen-
wasser gesammelt, um
die Pflanzkästen zu
bewässern. Die Som-
mersonne wird abge-
schirmt, während die Linke Seite: Durch die
niedrigstehende verschattete enge
Wintersonne durch die Gasse strömt der Ost-
großen Glasflächen wind und macht den
dringen kann. Aufenthalt angenehm.
106

Las Casitas nennt sich

der rote Bau im Ensemble mit
einer Dachterrassenland-
schaft, die die Interaktion
zwischen den Nachbarinnen
und Nachbarn fördern soll.

Rechte Seite: Die ver-

Oben: Die schmalen schachtelten Dachter-
Reihenhäuser passen rassen von Las Casitas
sich dem abfallenden laden zum Smalltalk
Gelände an. ein.
FOTOS: DARIA SCAGLIOL A

107
108

„Las Fabri-Casas“ lehnt

sich mit seinen
„Kaminen“, der Fliesen-
fassade und den
Sheddächern an einen
ehemaligen Industriebau an,
der zuvor auf dem Gelände
stand.

Das dreieckige Grund-

stück wird in zehn
schmale Häuser unter-
teilt, wobei noch
Platz für ein paar Ter-
rassen bleibt.
FOTO OBE N: DARIA SCAGLIOL A; RECHTS: JANNE S LINDE RS

109
 110

FOTOS: DARIA SCAGLIOL A

 Unmittelbar an die
Fabri-Casas schließt der
Neubau aus unverputzten
Lehmziegeln an.
Er verfügt auch über einen
Gemeinschafts-Pool auf
dem Dach.

Linke Seite: Im Inneren Dachterrassen sind im

der blauen Reihen- Viertel El Terreno be-
häuser geht es oft sonders begehrt, weil
treppauf und treppab. sie neben der Aussicht
Der handtuchschmale auf den Küstenstreifen
Grundriss orientiert den Blick auf das über
sich an niederländi- allem thronende Castel
schen Vorbildern. Bellver bieten.
112

FOTO: DARIA SCAGLIOL A

Zur Sanierung des
grünen Gebäudes
gehört auch die
Wiedereröffnung der
traditionsreichen Bar
„Bellver“ im Erd-
geschoss. Von seiner
Dachterrasse kann
man auf die Bucht und
Palmas Kathedrale
sehen.

Das grüne Haus ist der

Umbau eines Bestandsge-
bäudes in Büros. Es wird
wegen seiner Lage direkt
an der Plaza Gomila auch
„La Plaza“ genannt.
 Ideen 113

Die „Casa Virginia“

wird als Mehrfamilien-
Das gelbe und das BAUHERR:
Doakid & Forch Med
wohnhaus geplant. schokoladenfarbene
Haus gehören in die ARCHITEKTEN:
MVRDV + GRAS Reynés
zweite Bauphase und sind Arquitectos
noch nicht realisiert.
Beides sind Umbauten im PROJE K T TEA M MVRDV:
Winy Maas,
El-Terreno-Ensemble. Jacob van Rijs,
Nathalie de Vries,
Fokke Moerel (Partner)
Jose Ignacio Velasco Martin,
Jonathan Schuster,
Samuel Delgado,
Mathias Pudelko,
Marek Nosek,
Jonas Andresen,
Alicja Pawlak,
Simone Costa,
Ranmalie Mataraarachchi,
Carl Jarneving

PROJEKT TEAM GRAS

REYNÉS ARQUITECTOS:
Guillermo Reynes,
In diesem Bestandsge- Mayca Sánchez Carvajal,
bäude sollen ebenfalls Alejandro Domingo Leal,
Wohnungen entstehen. Mikolaj Zajda
Die kleine Villa steht Giacomo Sorino,
direkt neben dem wei- Mariano Esposito
ßen Gomila Center.
Auf Seite 105 ist sie T R AGW E R KS PL A N U N G/
noch vor dem Umbau HL S/KOSTE N-
zu sehen. PLANUNG:
EA Engineers Assessors

GRAFIK:
Mario Eskenazi,
Arauna Studio

FERTIGSTELLUNG:
2023

STANDORT:
Die Farben Palma, Mallorca,
der Häuser sind von Spanien

der vorgefundenen
Materialität auf der Insel
inspiriert wie etwa
blaue Fliesen, weißer
Putz, Terracotta
und die grüne Vielfalt
der Pflanzen.
114 Impressum

B4
121. J a h rg a n g

VERLEGER
Dominik Bau r-Cal lwey

C H E F R E D A K T I O N ( V . i . S . d . P. )
Tobias Hager

S T E L LV E R T R E T E N D E
CHEFREDAKTION
Jessica Mankel

REDAKTION
Sa b i n e Sch n e i d e r, Ra m o n a K ra x n e r
A r i a n Sch l i ch e n m a ye r, An n a M a r t i n
The resa Ramisch, Helke Kölschbach, Jul ia Ma ria Ko rn

GE STALTUNG
Stepha n i e I s i ng, Tom I s i ng (A r td i rect i on)
Lisa Reckeweg für Herburg Weiland, München

PRODUKTION
Laura Celine Heinemann

CHIEF CONTENT OFFICER

Tobias Hager

ADVERTISING DIRECTOR
Andreas Schneider
(ve rant wo r t l ich fü r den Anzeigentei l)

ABONNEMENTSERVICE
VU. SOLUTIONS GmbH & Co. KG
Vorschau

V E R T R I E B E I N Z E LV E R K AU F
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Ve r l a g a n g e f ra g t we rd e n . D i e s e Ze i t s ch r i f t u n d a l l e i n i h r e n t h a l t e -
Sichtbeton und Kera- nen einzelnen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich ge-
s ch ü t z t. J e d e Ve r we r t u n g a u ß e r h a l b d e r e n g e n G re n z e n d e s

mik. Zudem richten wir U r h e b e r re ch t s g e s e t z e s b e d a r f d e r Zu s t i m m u n g d e s Ve r l a g e s . M i t

der Einsendung von Manuskripten und Bildmaterial erklär t sich
d e r/d i e Au t o r/ i n e i nve r s t a n d e n , d a s s d i e s e vo l l s t ä n d i g o d e r
den Fokus auf den teilweise in der Zeitschrift Baumeister publiziert werden. Ebenso
s t i m m t e r/s i e d e r Ve r we r t u n g i m We g e d e r d i g i t a l e n Ve r v i e l f ä l t i -

Erhalt bestehender g u n g u n d Ve r b re i t u n g ü b e r O f f l i n e - o d e r O n l i n e - P ro d u k t i o n e n z u
(z . B . CD - RO M o d e r D a t e n f e r n ü b e r t ra g u n g) . F a l l s e i n e Ve rg ü t u n g

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