ten ein besonderes Erlebnis. Anfang März ist die Hause vor dem Bildschirm sitzen. Überall in der
Region Veneto aufgrund der wieder steigenden Stadt werden leere Läden zur Miete oder zum
Infektionen erneut zur sogenannten „roten“ Zone Kauf angeboten, da nach einem anfänglichen Ver-
geworden. Alle nicht wesentlichen Läden und such durchzuhalten viele inzwischen die Hoff-
natürlich sämtliche Restaurants und Bars muss- nung aufgegeben haben, kurzfristig wieder zur
ten schließen, Tische und Stühle sind von den „Normalität“ zurückzukehren. Allein die Läden
Freiräumen entfernt worden, die Schüler sitzen der internationalen Modemarken, die sich um den
zu Hause vor dem Bildschirm, um dem Unterricht Markusplatz immer mehr ausgedehnt haben,
online zu folgen, und kaum ein Hotel ist geöffnet. halten ihren Standort und beleuchten weiterhin
Die knapp 51.000 gemeldeten Einwohner genie- die Vitrinen, die kaum mehr jemand beachtet. Die
ßen die leere Stadt und müssen keine Geheim- Museen und alle anderen Sehenswürdigkeiten
wege mehr einschlagen, um den Touristen zu mit Ausnahme der Kirchen bleiben geschlossen.
entkommen. Auf den Straßen trifft man nur we- Als im Februar die Bürger Appelle lancierten,
nige. Auch das Spazierengehen ist eigentlich nur die Museen doch bitte wieder zu öffnen, äußerte
in unmittelbarer Nähe des Wohnsitzes erlaubt. sich der Bürgermeister entschieden dagegen,
Einige Kinder spielen auf den Campi, und die Häu- denn „es seien ja eh keine Touristen in der Stadt“.
ser spiegeln sich in den stillen Gewässern der Dass die Venezianer die Möglichkeit nutzen woll-
Ohne Touristen müssen Kanäle, auf denen kaum mehr Boote zirkulieren. ten, die Sehenswürdigkeiten ihrer eigenen Stadt
die Venezianer nicht auf
Locktown Venedig
Sogar Delfine wurden im Bacino San Marco zwi- einmal ohne Touristen zu besuchen, ist ihm wohl
Geh eimwegen durch ihre
Stadt gehen. Doch fällt schen Markusplatz und der Punta della Dogana nicht in den Sinn gekommen.
auf, dass vieles vor allem gesichtet! Was nicht stillsteht: die Baustellen für die Res-
als Touristenattraktion
Man hört Geräusche, die vorher nicht zu hören taurierung und Sanierung der Bausubstanz. Ver-
existiert: Für alltägliche
Besorgungen wird kaum waren, und sieht Details an den Palästen, die ei- schiedene steuerliche Erleichterungen wurden
jemand in diese Gondeln nem vorher nie aufgefallen sind. Wenn der Lock- von vielen Eigentümern wahrgenommen, um Dä-
steigen. down in anderen Städten ein trostloses und cher und Fassaden zu restaurieren, auch in der
tristes Erscheinungsbild haben mag, in Venedig Hoffnung, dass der Immobilienmarkt bald wieder
Text Clemens F. Kusch Fotos Federico Sutera ist er ein ästhetisches Vergnügen, wie es in den startet. Die derzeit wohl größte Baustelle ist die
letzten Jahren nie zu erleben war. Für diejenigen, Restaurierung der Procuratie Vecchie, des nörd-
die nicht vom Tourismus leben, ist dies ein Ge- lichen Flügels des Markusplatzes, der nach den
nuss – für die Mehrheit jedoch eine Katastrophe. Plänen von David Chipperfield umgestaltet wird.
Der Tourismus in Venedig ist in den vergangenen Monaten zeitweise Die Hauptindustrie der Stadt, die in den letzten
Jahren weit über 20 Millionen Besucher pro Jahr
Der auf den Anfang des 15. Jahrhunderts zurück-
gehende 152 Meter lange Bau ist seit 1823 im
völlig zum Erliegen gekommen. Wie wirkt sich das aus auf die Stadt, zählte, ist zusammengebrochen. Hunderte
Airb nb-Wohnungen stehen leer, und selbst der
Eigentum der Versicherungsgruppe Generali, die
bis in die achtziger Jahre des vergangenen Jahr-
in die normalerweise viele Millionen Besucher strömen? Versuch, sie an Studenten zu vermieten, blieb hunderts hier ihren Hauptsitz hatte. Nun sollen