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Sebastian Redecke

Dräi Eechelen
Das Museum für Moderne Kunst in Luxemburg

Architekten:
Pei Cobb Freed & Partners, New York
Ieoh Ming Pei
Projektleiter:
Hitoshi Maehara
Kontaktarchitekt:
Georges Reuter Architectes, Luxemburg
Mitarbeiter:
Jean Sliepen, Christiane Flasche,
Das Museum steht auf den Mauern
Béatrice Schleich, Christian Sine
der alten, von Vauban errrichteten Fes-
Tragwerksplanung: tungsanlage unterhalb der Place de
Schroeder & Associés, Luxemburg; l’Europe.
Ursprünglich sollte das angrenzende
RFR, Paris
Fort Thüngen als Eingangsgebäude
Landschaftsarchitekt: dienen. Da die Denkmalpfleger dage-
Michel Desvigne, Paris gen waren, musste das Projekt völlig
umgeplant werden. Der Eingang ist
Bauherr:
jetzt zur Place de l’Europe orientiert.
Ministerium für öffentliche Bauten,
Luxemburg Lageplan im Maßstab 1 : 2500

Das Projekt hat 15 Jahre gebraucht. Die Gründe der Kalksteinplatten „Magny doré“ aus Bur-
lagen vor allem in der schwierigen Umplanung gund ist wie beim Louvre und beim DHM in
des Gesamtkonzepts und der langen Ausfüh- Berlin (Heft 18/2003) perfekt. Vor allem bei
rungsdauer. Jetzt ist das Mudam, das Musée den integrierten Handläufen und den vielen
d’Art Moderne Grand-Duc Jean, fertig. Es muss Ecken des Gebäudes wird die große entwerfe-
in Zusammenhang mit der Neugestaltung des rische Sicherheit im Detail deutlich. Auf den
gesamten Bereichs der Place de l’Europe mit Böden wurde amerikanischer „Mason“-Granit
der neuen Philharmonie von Christian de Port- verlegt. Der hell gefärbte, präzis gearbeitete
zamparc (Heft 7) und den Bürotürmen von Ri- Sichtbeton begeistert.
cardo Bofill auf dem Plateau de Kirchberg ge- Bei der Eröffnung durch den Großherzog war
sehen werden. Das seit den fünfziger Jahren der 89-jährige Ieoh Ming Pei anwesend und
bebaute Plateau befindet sich, getrennt durch gab bekannt, dass er zwei weitere Museen na-
das Alzette-Tal, vis-à-vis der Altstadt von Lu- hezu beendet habe: Das Museum für Islami-
xemburg. sche Kunst in Doha (Katar) soll Anfang 2007
Die Umplanung war erforderlich, da der Haupt- eröffnet werden. Dann folgt das Ausstellungs-
eingang des Museums nach Protesten der haus zur traditionellen Gartenkunst in seiner
Denkmalpfleger nicht mehr wie ursprünglich chinesischen Geburtsstadt Suzhou. Gerüchten
geplant am Fort Thüngen, einer von Österrei- zufolge soll Pei im Juni auch noch einmal ei-
chern im 18. Jahrhundert erbauten Festung, nen Auftrag zur Erweiterung des Louvre in
sein konnte, sondern um 180 Grad Richtung Paris erhalten haben.
Place de l’Europe gedreht werden musste. Dies Dies sind die schönen Dinge, die dieses Lu-
hatte letztlich zur Folge, dass der Neubau iso- xemburger Projekt begleiten. Zum Bau insge-
liert hinter dem pfeilförmigen Reduit errich- samt, vor allem zur äußeren Gestalt und zum
tet wurde (Heft 16/1997). Der Reduit soll nun Raumprogramm, ist viel Sonderbares zu be-
von Jean-Michel Wilmotte zu einem „Musée de richten. Zunächst verwundert die innere Kon-
la Forteresse“ umgewandelt werden. Noch ist zeption. Der Besucher gelangt durch eine Vor-
nichts zu sehen. So blockt der ungenutzte Bau halle in eine zentrale, den gesamten Neubau
mit den Kehltürmen, den „drei Eicheln“, das dominierende Halle mit Glasdach und Turm,
Museum zum Tal und zur Altstadt ab. wo eigentlich nichts ist. Schon in der Washing-
Nachdem der definitive Entwurf endlich fest- toner National Gallery hat Pei die große Wan-
stand, startete im Büro von Ieoh Ming Pei die delhalle besonders hervorgehoben. Erst dann
Maschinerie der Ausführungplanung, die – wie gelangt man zu den seitlichen Ausstellungs-
gewohnt – tadellos funktionierte. Die Fügung sälen. Der Architekt liebt diese offenen, hellen

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Hallen der Begegnung, die in Luxemburg eher Die zentrale Halle mit Glashaube und
Balkon des Großherzogs ist weitge-
große Salons sind, bestens geeignet für Emp-
hend leer. Pei beeindruckt auch hier
fänge. Nach dem Weg durch die zwei Hallen mit seinem Spiel geometrischer For-
mit nur wenig Kunst ist man im Wintergarten men. Unten: die Arbeit „The Net“ von
Cai Guo-Giang. Rechts: der gläserne
mit Café angelangt, einem Seitenflügel des
Übergang in den Pavillon. Im Oberge-
Museums. Dann geht es über eine draußen an- schoss befindet sich noch ein Kabi-
gesetzte gläserne Treppenanlage nach oben, nett. Dort steht eine gusseiserne „Ka-
pelle“ nach gotischem Vorbild, deren
wo die einzigen klassischen Ausstellungssäle
„Kirchenfenster“ von dem Belgier Wim
zu finden sind: zwei polygonale, sich spiegel- Delvoye subversiv bebildert wurden
symmetrisch gegenüberliegende Hallen mit (ohne Foto).
leicht wirkenden Shed-Dächern aus Betonscha-
Grundrisse Eingangs- und Obergeschoss
len. Zwischen den Sälen liegen der große Luft- im Maßstab 1 : 1000
raum der zentralen Halle und ein weiterer, klei-
nerer Wandelraum über dem Eingangsfoyer.
Dort stehen vier schwarze „klingende“ Sofas
des Designers Martin Szekely, von denen aus
ein schöner Blick zur erhöht liegenden Place
de l’Europe gewährt wird. Die Böschung wurde

1 Eingangshalle
2 Zentrale Halle
3 Wintergarten mit Café
4 Ausstellung
5 Pavillon
6 Kabinett
7 Fort Thüngen

4
4
3

7
2 1

4 4 4

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von dem Grünplaner Michel Desvigne gestal-
tet. Erinnert man sich an das Bild der schein-
bar willkürlich hingestellten Solitärbauten
an diesem Ort, ist jetzt mit der Begrünung ei-
ne gute optische Anbindung gelungen.
Im Erdgeschoss des Museums liegen noch wei-
tere Säle, von denen einer allerdings wegen
der unterspannten Schrägverglasung nur be-
dingt für Kunstausstellungen genutzt werden
kann. Ein Kuriosum ist die „Kapelle“, ein okto-
gonaler Pavillon mit Glasturm, der über einen
Gang zu erreichen ist. Ursprünglich sollte dort
die Sammlung der inzwischen verstorbenen
Großherzogin Joséphine Charlotte einziehen, Nach dem Wintergarten mit dem Café
die aber dann doch in der Altstadt verblieb. betritt der Besucher eine flache Treppe
Stattdessen ist jetzt das aus leeren Flaschen mit Blick auf die Reste der Festung.
Die Treppe führt außen am Gebäude
gestaltetete Werk „Geography: Bottle Messen- zum Obergeschoss mit zwei weiteren
ger“ des New Yorkers Nari Ward zu sehen. Un- Ausstellungssälen.

ter dem Pavillon soll sich eine „Multimedia- Oben: einer der beiden polygonalen
Ausstellungssäle im Obergeschoss. Zu
schatzkammer“ befinden.
sehen sind kleinere Arbeiten von Rémy
Auch in der Haupthalle führen Treppen ins Zaugg, Gaylen Gerber, Julian Schna-
Untergeschoss mit einem gut ausgestatteten bel und Daniel Buren. Die Sammlung
besteht derzeit aus 230 Werken.
Vortragssaal, zwei weiteren, fensterlosen Aus-
Der Museumsbau mit 3500 m2 Aus-
stellungsräumen und der Verwaltung. Die un- stellungsfläche kostete rund 88 Millio-
gewöhnlichen Grundrisse auf allen drei Ebenen nen Euro.
des Museums erklären sich durch die Reste ei-
Fotos: Marco Kany, Saarbrücken
ner mächtigen Bastion, Bestandteil des riesi- (S. 24, 25); Rémi Villaggi, Luxemburg
gen Verteidigungsrings, der auf den französi- (S. 26, 27 links, 28 und 29 oben)
schen Festungsbaumeister Vauban zurückgeht und André Weisgerber, Luxemburg
(S. 27, 28 unten)
und noch vor dem Fort Thüngen errichtet wor-
den war. Pei ist den historischen Mauern ge-
folgt. Sein Entwurf von prägnanter Gestalt ent-
wickelte sich sogar völlig aus der Geometrie
der Festung. So bleiben die Grundrisse sehr for-
mal, und es fehlt ein schlüssiges Gesamtkon-
zept für den Rundgang. Manche Mauerreste
an den Gräben drum herum wurden mit gro-
ßem Aufwand wieder hergerichtet und sogar
überhöht. Was ist hier noch authentisch?
Leider fehlt dem Museum weiterhin eine be-
deutende Sammlung. Schon vor zehn Jahren
war dies bekannt, doch es fand sich wohl in
Luxemburg kein großer Mäzen für die von dem
früheren Ministerpräsidenten Jacques Santer
geleitete Kunststiftung. Der Architekt wusste
während der gesamten Planungszeit nicht, was
ihn erwartete und ob er auf bestimmte Werke
reagieren sollte. Jetzt harrt man der Dinge.
Peis gläserne Türmchen, ein Novum, sollen üb-
rigens Bezug nehmen auf die Türme der Alt-
stadt gegenüber.

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