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Effiziente Eingriffe in die Stadt | NZZ 11.12.

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Effiziente Eingriffe in die Stadt


Junge Schweizer Architekten Jeder Zürcher kennt sie, jeder ist schon
einmal daran vorbeigefahren: die neue Tramhaltestelle Limmatplatz. Im
Zuge der Sanierung und Aufwertung der Tramwartehäuschen – das
prominenteste steht am Paradeplatz – wurde auch diese Haltestelle
einer kompletten Neugestaltung unterzogen.
J. Christoph Bürkle
29.09.2008

Junge Schweizer Architekten

Jeder Zürcher kennt sie, jeder ist schon einmal daran vorbeigefahren: die
neue Tramhaltestelle Limmatplatz. Im Zuge der Sanierung und
Aufwertung der Tramwartehäuschen – das prominenteste steht am
Paradeplatz – wurde auch diese Haltestelle einer kompletten
Neugestaltung unterzogen. Mit dieser Bauaufgabe betraute man gezielt
jüngere Büros, beim Limmatplatz waren es Lorenz Baumann und Alain
Roserens, die seit zehn Jahren ihr Büro in Zürich betreiben. – Der
Limmatplatz erweist sich als städtebaulich komplex, weil er
unterschiedliche Verkehrsströme kanalisieren muss und gleichzeitig
eine städtebauliche Markierung zwischen Hauptbahnhof und
Industriequartier bildet. Dominiert wird er von der Tramhaltestelle.
Deshalb haben Baumann Roserens diese als urbane Drehscheibe
thematisiert. Der Grundriss ähnelt denn auch einer zweigeteilten
Drehscheibe, wobei die beiden grossen Betondächer alles
zusammenhalten und über verglasten Funktionsbauten des Kiosks, des
Warteraums und des Cafés zu schweben scheinen. Dieser bewusst
gewählte modernistische Ausdruck wird durch die elliptischen
Öffnungen für die Stämme der alten Platanen und durch die bei Nacht
leuchtenden Glasbauten noch unterstützt – Elemente, die schon in den
zwanziger Jahren wirkungsvoll für urbane Dynamik eingesetzt wurden.
Die von Stadt und Architekten gewollte Aufwertung des Limmatplatzes
darf als gelungen gelten. Es gibt keine tristen Ecken mehr; die Eleganz
und die Transparenz der Architektur wirken sich positiv aus auf das
Quartierleben.

Urbane Struktur

Viel mediale Aufmerksamkeit erlangten Baumann Roserens im Jahr 2001


mit dem ersten Preis für die Erweiterung des Kunstmuseums St. Gallen.

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Effiziente Eingriffe in die Stadt | NZZ 11.12.22, 17:11

Mit viel Geschick hatten sie einen volumetrisch gestaffelten Baukörper


zwischen Kunst- und Völkerkundemuseum gesetzt, der mit seiner
scharfkantigen Plastizität einen künstlerischen Akzent in den Stadtpark
gesetzt hätte. Doch wie viele ihrer grösseren Wettbewerbserfolge wurde
auch dieses Projekt nicht realisiert. Umso mehr Gewicht kommt ihrem
ersten grösseren Bau in Zürich zu: der Wohnüberbauung A-Park in
Albisrieden, die im Oktober eingeweiht wird.

Albisrieden wurde erst spät eingemeindet. Es hat bis heute seine


dörfliche Struktur bewahrt, der heterogene Zonen gegenüberstehen. Die
neue Siedlung der Baugenossenschaft Zurlinden steht an der
Schnittstelle zwischen diesen unterschiedlichen städtebaulichen
Räumen und soll ein neuer Wirk- und Orientierungspunkt an der
Albisriederstrasse werden. Zwei lange, geknickte Wohnspangen weisen
tief in das Grundstück hinein und umschliessen einen Hof. Mit dem
Wechsel von engen und weiten Räumen und der angedeuteten Form des
Blockrandes wird die urbane Struktur betont – und gleich durch die
Öffnung des Gevierts im Norden, die versetzten Volumen und die
geknickten Baukörper, die einen Blick auf den Üetliberg freigeben,
konterkariert. Verbindendes Element der beiden Spangen ist an der
Strassenseite ein niedrigeres Kopfgebäude mit einer Coop-Filiale sowie
Büros und Wohnungen im darüber liegenden Geschoss. Zusammen mit
dem angrenzenden, aus den dreissiger Jahren stammenden
Albisriederhaus sowie dem Postgebäude auf der Ostseite wird neuer
urbaner, von öffentlichen Nutzungen bestimmter Raum geschaffen.
Damit wird das Quartierleben «mitgeplant», was bei anderen Zürcher
Wohnanlagen – beispielsweise in Neu-Oerlikon – vernachlässigt und
deshalb im Nachhinein häufig kritisiert wurde.

Bei den eleganten, grautonigen Fassaden haben sich die Architekten an


städtische Motive gehalten. Die grossen Fenster schaffen Bezüge zum
Aussenraum, wobei die formale Einheitlichkeit der Ablesbarkeit
vorgezogen wurde. So kann man von aussen kaum feststellen, wo die
Wohn- oder die Büroräume liegen. Erst bei näherer Betrachtung zeigt
sich, dass die Wände zwischen den Fenstern mit portugiesischen
Schieferplättchen verkleidet sind. Eine Referenz an traditionelle
Bauweisen, aber auch an die Vorliebe der Architekten, mit
Mehrdeutigkeiten und Widersprüchen umzugehen. Das zeigt sich auch
an den ausgeklügelten Grundrissen, deren Vielfältigkeit das Ergebnis
einer langen Recherche ist. Die 57 Wohnungen sind nicht an
Mittelgängen aufgespannt, wie es bei Genossenschaftswohnungen meist
üblich ist. Vielmehr werden sie von den Treppenhäusern als Zweispänner
erschlossen. Somit können sich die Wohnungen über die gesamte Tiefe
der Bauten erstrecken und von zwei Seiten belichtet werden. Die

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Treppenhäuser sind dreiläufig – ein kleines, aber effizientes Detail. Sie


werden dadurch und dank den grossen Fenstern vom Erschliessungsweg
zum wirklichen «Treppenraum».

Wohnen mit Durchblick

Die Viereinhalbzimmerwohnungen haben jeweils zwei Zimmer an den


Flanken; in der Mitte liegt der Wohnessbereich mit Balkon, so dass sich
vielfältige Nutzungen sowie interessante Durchblicke und
Wohnqualitäten ergeben, die in dieser Preisklasse in Zürich sonst nicht
leicht zu finden sind. Das zeigen auch die Duplexwohnungen über dem
Coop-Geschäft, die mit schmalen, langgezogenen Grundrissen und
einem dreiseitigen Hofraum mit Verbindung zur Dachterrasse urbanes
Loft-Flair nach Albisrieden bringen. «Vieles passiert bei uns bewusst aus
dem Bauch heraus», erklärt Alain Roserens mit einem Lächeln. Die
Entwürfe der beiden Architekten zeigen jedoch, dass das Irrationale erst
durch einen arbeitsreichen rationalen Prozess Gestalt findet.

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