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23, 13:50
Wäre die Schweiz ein Maissilo, dann hätte sie ein Popcorn-Problem. Wie
in einem Silo, das immer voller wird, wohnen in der Schweiz immer
mehr Menschen auf demselben Raum. Wie die Maiskörner im Silo
werden die Menschen immer mehr aufeinandergestapelt – in höheren
Gebäuden mit mehr Stockwerken und mehr Wohnungen. Und wie beim
Silo, das immer höher werden muss, ist das eine Herausforderung für
Raumplanung und Bauwirtschaft.
Die Bevölkerung der Schweiz wächst nicht nur, ihre Einwohner brauchen
auch immer mehr Platz
Wohnfläche pro Bewohner, in m²
Doch das eigentliche Problem ist ein anderes: Die Bevölkerung der
Schweiz wächst nicht nur, ihre Einwohner brauchen auch immer mehr
Platz. Die Maiskörner ploppen zu Popcorns auf – und das Silo droht zu
platzen.
Zum Beispiel in Zürich, der grössten Stadt des Landes: Hier wurde im
vergangenen Frühling ein Bevölkerungsrekord aus den 1960ern
egalisiert. Heute leben wieder so viele Leute in Zürich wie damals, zum
Höhepunkt des Nachkriegsbooms. Und doch ist die Stadt eine andere.
Ganze Quartiere wurden aus dem Boden gestampft, riesige
Überbauungen haben alte Häuschen ersetzt, über 80 000 zusätzliche
Wohnungen sind entstanden.
In der Stadt Zürich leben wieder gleich viele Menschen wie 1962
Mittlere Wohnbevölkerung der Stadt Zürich (in Tausend)
443,5
400
300
200
100
0
1940 1950 1960 1970 1980 1990 2000 2010 2020
Gleich viele Menschen wie 1962 – aber ein Vielfaches an Wohnraum. Das
kann nur sein, wenn die einzelnen Bewohnerinnen und Bewohner
markant mehr Platz in Anspruch nehmen. Wenn aus kleinen
Maiskörnchen voluminöses Popcorn wird.
Verdichtung ist in der Schweiz auch deshalb so schwierig, weil sie uns zu
etwas zwingt, was wir ungern tun, wenn das Land immer reicher und die
Lebensqualität immer höher wird: Viele von uns müssten verzichten –
auf zu grosse Wohnungen und immer mehr Quadratmeter Wohnraum.
«Das ist schwierig zu vermitteln», sagt Kurath. «Selber will man frei
sein, gerade wenn es ums Wohnen geht. Verzichten sollen die anderen.»
Und doch hat das Schweizer Stimmvolk diesem Verzicht im Prinzip mit
grosser Mehrheit zugestimmt. 2013 nahm es das geänderte
Raumplanungsgesetz an. Dessen Devise: Verdichten statt zersiedeln. Um
die Landschaft zu bewahren, sollen mehr Menschen auf gleich viel Raum
leben, besonders in den Städten.
Die Logik ist eigentlich ganz einfach: Die Schweizer Bevölkerung wächst.
Bisher wuchs auch die Fläche, auf der gewohnt wird. Aber diese Fläche
kann nicht ewig weiterwachsen. Deshalb braucht es mehr Wohnungen
auf weniger Platz. Und weniger Platz pro Person. Kurz: Verdichtung.
Diese soll, so die Idee der Raumplaner, vor allem mittels grosser
Neubauten und Ersatzneubauten erfolgen – idealerweise entlang
bestehender Verkehrsachsen in den Städten und Agglomerationen, wo
die Erschliessung der Gebäude schon gegeben ist.
Die Angst, etwas zu verlieren, und der Widerstand dagegen sind für
Loderer das grösste Hindernis auf dem Weg zur verdichteten Schweiz. Er
findet: Statt riesige Neubauten neben Häuschen zu stellen, könnte man
kleine Gebäude vergrössern und aufstocken. «Dann würde man den
Einfamilienhausbesitzern auch etwas geben: die Möglichkeit zu Ausbau
und Wertsteigerung ihres Eigentums. Verdichtung wäre kein Engros-
Geschäft mehr, sondern ein Detailhandel.»
Mehrfamilienhäuser haben rund ein Drittel mehr Wohnungen als noch vor
20 Jahren
Durchschnittliche Anzahl Wohnungen in Mehrfamilienhäusern, in den 5 grössten Schweizer Städten
NZZ / cia.
Selbst wenn man nur die Neubauten betrachtet, die eigentlich Treiber
der Verdichtung sein sollten, zeigt sich: Die Wohnfläche pro Person sinkt
kaum, während die Wohnungen deutlich kleiner werden.
Seit 2005 werden die Wohnungen in Neubauten kleiner, doch die Fläche pro
Bewohner verändert sich kaum
Flächen nach Bauperiode, in m²
0 50 100
vor 1919
1919–1945
1946–1960
1961–1970
1971–1980
1981–1990
1991–2000
2001–2005
2006–2010
2011–2015
2016–2020
Das Resultat von all dem: Es wird immer mehr gebaut – und doch reicht
der zusätzliche Wohnraum nicht, um mit den wachsenden Bedürfnissen
einer wachsenden Bevölkerung Schritt zu halten. Oder um es in den
Worten eines kürzlich erschienen Immobilienberichts der
Raiffeisenbank auszudrücken: «Die Schweizer Wohngebäude nutzen
den Boden zwar immer effizienter, die Schweizerinnen und Schweizer
nutzen den Wohnraum aber immer ineffizienter.»
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