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23, 13:47
440 181 Personen leben gegenwärtig in Zürich, so viele wie noch nie.
Ende Mai wurde der vorherige Bevölkerungsrekord von 1962 gebrochen.
Wie beeinflusst das die Stadt und ihre Bewohner? Eine Spurensuche in
zwei Quartieren, die unterschiedlicher kaum sein könnten.
Inhaltsverzeichnis
Die Altstadt war einst Dorf, später Früher war Altstetten ein Bauerndorf.
sündige Meile. Heute wirkt sie wie ein Heute ist es nicht ganz Stadt und nicht
Freilichtmuseum. ganz A!lomeration.
Das Quartier der Touristen und das der Pendler: Die Altstadt und Altstetten sind
beides keine Orte, an denen man ewig bleibt.
Vor dem Bahnhof sitzen zwei Bauarbeiter in der Morgensonne. Sie essen
eine Brezel und trinken einen Milchdrink mit Erdbeergeschmack.
Während die Pendler zur Arbeit gehen, machen sie schon die erste Pause.
Neue Strassen, neue Tramlinien, neue Häuser: Seit Jahren wird hier
gebaut. Über 3400 neue Wohnungen sind in Altstetten seit 2010
entstanden, das ist mehr als in jedem anderen Quartier.
Auf der Treppe zu den Geleisen eilen Pendler vorbei. Sie tragen Anzüge,
Hipster-Rucksäcke und blitzblanke weisse Sneakers. Einst galt Altstetten
als Quartier für weniger Privilegierte. Heute ziehen Neubauten und
Büros auch immer mehr Gutverdienerinnen an. Es wohnen hier
allerdings immer noch weniger Akademikerinnen und mehr
Sozialhilfebezüger als im städtischen Durchschnitt.
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Früher war Altstetten ein Bauerndorf. Heute ist es nicht ganz Stadt und
nicht ganz Agglomeration, weder Zentrum noch Peripherie. Auf dem
Gleis 3 steigen an diesem Morgen etwa gleich viele Leute in die S-Bahn
ein wie aus ihr aus. Sie wollen weg von oder nach Zürich Altstetten. Nur
bleiben will niemand.
Offiziell heisst das Quartier «Rathaus», aber das weiss in Zürich kaum
jemand. Für die Zürcherinnen und Zürcher ist es einfach die Altstadt, das
Ober- und das Niederdorf. Die Altstadt ist eine Verwandlungskünstlerin.
Sie war einst Dorf, später sündige Meile. Heute wirkt sie wie ein
Freilichtmuseum. Zumindest an Wochentagen.
«Lärm und Littering nehmen zu»: Felix «Das Alte vermissen nur wir Alten»:
Stocker, Mathematiker und Präsident Esther Leibundgut, Coiffeuse und
des Altstadt-Quartiervereins rechts der Präsidentin des Quartiervereins
Limmat. Altstetten.
Felix Stocker stört sich in der Altstadt an Lärm und Littering. Esther Leibundgut
will in Altstetten dem Fortschritt nicht im Weg stehen.
Esther Leibundgut, 61, ist eine Altstetterin, wie es sie immer seltener
gibt. Ihre Grosseltern kamen von hier. Ihre Eltern kommen von hier. Sie
selbst lebt und arbeitet hier seit ihrer Geburt. «Nur einmal habe ich ganz
weit weg gearbeitet – in Schlieren, ennet der Stadtgrenze.»
Esther Leibundgut in ihrem aus der Zeit gefallenen Coiffeursalon hat ein
Herz für die Vergangenheit. Aber der Zukunft will sie nicht im Weg
stehen.
Felix Stocker, 37, ist so, wie man sich einen Altstadtbewohner vorstellt:
kulturell interessiert, politisch engagiert, links. Seit 13 Jahren wohnt er in
der Zürcher Altstadt. Hingezogen ist er als Student aus dem Aargau,
heute ist er Familienvater. Stocker ist Mathematiker und Pianist. Er war
Gemeinderat und führt an drei Tagen in der Woche das Sekretariat der
SP-Kantonsratsfraktion. Seit einem Jahr ist er Präsident des
Quartiervereins mit dem kompliziertesten Namen in der Stadt: Zürich 1
rechts der Limmat.
Stocker sitzt an diesem Morgen auf einem Bänkli neben dem Brunnen
auf dem Zähringerplatz. Ein Mann mit Kindergarten-Kind an der Hand
winkt im Vorbeigehen zu. In der Altstadt kennt man Stocker: Er ist der
Mann, der sich dafür einsetzt, dass die Idylle bewahrt wird.
In der Altstadt wird umgebaut. In Altstetten wird neu gebaut – bald auch von
Stararchitekten.
Wer dorthin geht, geht «ins Dorf», wie die Altstetter sagen. Aber was soll
das für ein Dorf sein, in dem Stararchitekten Wohnungen im mittleren
bis gehobenen Preissegment bauen?
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1 In Altstetten im Kreis 9 gibt es so viele neue Wohnungen wie in keinem anderen Quartier.
2 In der Altstadt kommen so gut wie keine neuen Wohnungen dazu.
Die Neuen werden dabei immer mehr: 1930 wohnten noch weniger als
10 000 Personen in Altstetten. Heute sind es gut 35 000.
Es gebe wenig Kontakt zwischen den Alten und den Neuen, sagt
Leibundgut, auch wenn sich der Quartierverein bemühe, ihn
herzustellen. Die Alteingesessenen in ihren Einfamilienhäusern und
günstigen Wohnungen – die Zuzüger in ihren schicken Neubauten und
Genossenschaftssiedlungen: Sie bleiben meist unter sich.
Denn seither gilt: Der gesamte Haushalt darf zu keinem Zeitpunkt mehr
als das Sechsfache des Mietzinses verdienen. Ausgenommen von dieser
Einkommenslimite werden maximal 15 Prozent aller Haushalte. Zudem
muss die Bewohnerzahl über die gesamte Dauer des Mietverhältnisses
der Formel «Zimmerzahl minus eins» entsprechen. Sind diese
Forderungen nicht erfüllt, droht die Kündigung. Zudem haben Familien,
die Zuwachs erhalten, mit dem neuen Mietreglement kaum Chancen,
eine grössere Wohnung im Quartier zu finden. Stocker findet das
problematisch: «Es wäre schade, wenn die Kinder aus ihrem Umfeld
gerissen würden.»
Wo Zürich ein Freiluftmuseum ist: Tour- Mittelpunkt des alten Altstetten: Der
Guide auf der Münsterbrücke. Lindenplatz ist das Zentrum des
Quartierlebens – noch.
Ein Jahr später folgte das Drama: Die Stadt wollte die Tramlinie 2 vom
Lindenplatz weg zum Bahnhof verlegen. Die NZZ titelte: «Alles für die
Es war ein Sieg für das alte Altstetten – möglicherweise einer der letzten.
Und weiter: Wer in einem reinen Wohnquartier lebe oder von ausserhalb
der Stadt komme, möge sich über die Idee freuen. Wer jedoch sein
Schlafzimmerfenster oberhalb eines Restaurants oder einer Bar habe,
dürfte weniger beglückt sein. Und das haben in der Altstadt einige.
Felix Stocker sagt: «Lärm und Littering nehmen zu.» Wer in die Altstadt
ziehe, müsse tolerant sein, das sei klar. Doch es dürfe nicht so weit
gehen, dass das Wohnquartier infrage gestellt werde.
Gewerbeschule 27 190 41
Schwamendingen-Mitte 3 215 36
Sihlfeld 15 540 30
Hard 17 726 29
Wipkingen 5 862 23
Altstetten 3 840 21
Seebach 3 004 21
Alt-Wiedikon 6 985 20
Unterstrass 7 753 19
Wollishofen 4 570 17
Die Veränderung pro Jahr bezieht sich auf Vergleichsdaten aus der Periode 2008–2012.
Quelle: Stadt Zürich sgi.
Trotz hohen Preisen und Eigentlich sollte hier der Intercity nach
schrumpfender Bevölkerung: Die Bern halten. Doch der Bund fand vor
Altstadt bleibt ein beliebter Wohnort. einigen Jahren: Nein.
Idylle hier, Industrieromantik dort: Die Altstadt und Altstetten sind auch in stillen
Momenten städtebauliche Gegensätze.
Zurück am Bahnhof Altstetten. Zwischen den Zügen kehrt Ruhe ein. Das
riesige Gleisfeld liegt verlassen da. Vormittagsleere am Rand der Stadt.
Nur dann und wann braust ein Intercity aus Bern vorbei, der hier nicht
hält. Vor einigen Jahren wollten die SBB das ändern und einen
Schnellzug pro Tag in Altstetten halten lassen. Doch das Bundesamt für
Verkehr lehnte den Vorschlag ab.
Ein Halt in Altstetten, hiess es, würde die Attraktivität der Zugfahrt zu
stark mindern.
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