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23, 11:09
INTERVIEW
Warum wird nicht mehr gebaut? Das diskutieren der Bauunternehmer Balz Halter,
die Immobilienexperten Martin Neff und Ursina Kubli und der Investorenvertreter
Michel Schneider (v. l. n. r.) bei der NZZ.
Das ganze Land beklagt sich über die Wohnungsnot, dabei ist der
schweizweite Leerstand mit 1,3 Prozent im historischen Vergleich
nicht besonders tief. Woher kommt die Aufregung?
Was sagen Sie jemandem, der in der Stadt Zürich wohnt und eine
grössere Wohnung braucht?
Martin Neff: «Die Preise bei den Wohnungsmieten sind wie eine Infektion, die sich von
den Zentren her ausbreitet.»
Wird sich der Markt nicht von selbst wieder einpendeln? Wenn das
Wohnen teurer wird, sinkt die Nachfrage, und das Angebot steigt.
Halter: Schuld daran ist auch das Mietrecht: Es führt generell dazu,
dass die Leute ihre Wohnungen möglichst nicht verlassen, weil die
Bestandesmieten deutlich tiefer sind als die Angebotsmieten. Wer
nach 20 Jahren aus einer 4-Zimmer-Mietwohnung in eine 2-
Zimmer-Wohnung zieht, zahlt oftmals mehr Geld für weniger
Wohnraum.
Balz Halter: «Wer Ersatzneubauten macht, wird als Übeltäter angesehen, der
günstigen Wohnraum vernichtet.»
Halter: Dass wir in eine Knappheit laufen, hat sich nicht erst seit
Anstieg der Zinsen manifestiert. Jetzt kommt einfach noch dazu,
dass Investitionen sich nicht mehr so günstig finanzieren lassen,
und es gibt wieder Anlagealternativen zu Immobilien. Aber die
Angebotsknappheit hätten wir auch, wenn die Zinsen tief geblieben
wären.
Kubli: Bis vor einem Jahr hatte man tiefe Zinsen und einen
Anlagenotstand, trotzdem ging die Bautätigkeit zurück. Es muss
andere bremsende Faktoren geben.
Ursina Kubli: «Es gibt einen Instinkt, die schützende Hand auf den Wohnungsmarkt zu
legen.»
Michel Schneider: «Neben ‹Not in my backyard› haben wir heute ‹Banana›: ‹Build
Absolutely Nothing Anywhere Near Anything›.»
Halter: Ja, denn die Verdichtung ist Aufgabe der öffentlichen Hand.
Es ist höchste Zeit, dass wir die Agglomerationen neu sehen. Denn
diese sind längst Teil des urbanen Raums. Das, was wir in Zürich vor
über 100 Jahren gemacht haben mit der Eingemeindung von ersten
Stadtquartieren, müssen wir jetzt mit der Agglomeration machen.
Wir müssen gewissermassen den nächsten Kreis um Zürich ziehen
und diesen ebenfalls als Stadt sehen. Ich meine damit nicht die
Eingemeindung, sondern dass wir wieder Städtebau betreiben
sollten.
Halter: Das ist eine Frage des Prozesses, den man anders führen
müsste. Ein historisches Beispiel: Im Ersten Weltkrieg hat man den
Wettbewerb «Gross-Zürich» gemacht. Man hat die
Wettbewerbsbeiträge der Bevölkerung vorgestellt, man hat
diskutiert, wie sich die Stadt entwickeln soll. Das machen wir heute
nicht mehr. Heute kommen wir Investoren wie ein Ufo und sagen,
auf dieser Insel brauche es ein Stück Stadt. Dass die Leute da
erschrecken und das nicht wirklich nachvollziehen können, verstehe
ich. Man muss den Stimmbürger mitnehmen auf dem Weg dieses
Prozesses. Die Gemeinden müssten da mehr Vorleistung betreiben.
Kubli: Mit Blick auf die Einsprachen müssen wir uns schon
überlegen, welche Interessen wir schützen wollen und welche
Einwände zugelassen sein sollen, denn beim Wohnen will
grundsätzlich niemand Veränderung, und darum wehren sich so
viele. Das Lärmschutzargument beispielsweise ist absurd. Aber das
ist mittlerweile auch erkannt.
Warum kommt man mit dem Argument von mehr Markt nicht durch
in der Politik?
Kubli: Mir scheint, es ist ein Instinkt, die schützende Hand auf den
Wohnungsmarkt zu legen. Aber gut gemeint ist halt nicht immer
gut gemacht, denn so werden viele Neubauten verhindert. Wenn
man Anreize zum Bauen setzt, werden wir weniger
Preisunterschiede zwischen Markt und Bestand sehen.
Neff: Wir waren auch einfach nicht auf ein so starkes Wachstum
vorbereitet. Seit den Bilateralen wächst die Schweiz deutlich stärker
als früher. In den 1990er Jahren hatten wir 0,2 bis 0,3 Prozent
Bevölkerungswachstum. Das konnten wir bewältigen. Aber jetzt
sind wir in einer Grössenordnung, die schmerzt. Wir merken, dass
dort, wo es einst grün war, jetzt Häuser stehen und dass wir
zusammenrücken müssen. Da wird jeder zum Ideologen.
Ursina Kubli
Ursina Kubli ist seit 2017 bei der Zürcher Kantonalbank und
leitet den Bereich Analytics Immobilien. Zusammen mit ihrem
Team ist sie verantwortlich für das interne hedonische
Bewertungsmodell. Zudem erstellt sie räumliche Analysen im
Bereich Immobilienmarkt und verfasst dazu regelmässige
Publikationen. Sie studierte Wirtschaftswissenschaften an der
Universität Zürich und ist Chartered Alternative Investment
Analyst (CAIA).
Michel Schneider
Balz Halter
Martin Neff
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