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Christiane Borgelt

Das Gebäude der DZ Bank AG, Pariser Platz 3 in Berlin (2004)

Frank O. Gehry baut am Pariser Platz. Besteht da nicht ein Widerspruch? Soll sich der kalifornische
Architekt, der wegen seiner ungestümen, raumgreifenden Formen alle Welt in Erstaunen versetzt,
etwa mit den preußisch-strengen Regeln der Berliner Stadtplanung arrangieren?
Er soll es, und er will es. Am Pariser Platz führt Gehry vor, dass er sich auch unter Bedingungen
enger Gestaltungsvorgaben treu bleibt. Am Pariser Platz steht ein echter Gehry, der sich jedoch
nicht auf den ersten Blick zu erkennen gibt.

Am schönsten ist es auf dem Pariser Platz am Abend, bevor die Dämmerung einsetzt. Die Sonne
steht dann tief hinter dem Brandenburger Tor und taucht die in hell-beigen Farbtönen gehaltenen
Gebäude in sanftes rötliches Licht. Die Menschen flanieren über den Platz, betrachten die neuen
Gebäude oder setzen sich für einen Cappuccino an einen der Tische vor den Cafés.

Die Sonne beleuchtet noch die Südseite des Platzes. Sie scheint auf ein Gebäude, das sich in
merkwürdiger Weise von den anderen unterscheidet. Auffällig sind die ungewöhnlich großen und
tiefen Fensteröffnungen. Sie sehen aus, als wären sie in einen Steinblock gemeißelt worden. Die
raumhohen Fenster bestehen aus einer einzigen, riesigen Scheibe ohne die in der Nachbarschaft
üblichen Rahmen mit Sprossenteilung. Bei genauerer Betrachtung wird deutlich, dass manche
Scheiben schräg eingesetzt sind. Im Erdgeschoss fallen sie nach hinten, im dritten Obergeschoss
nach vorn. Oben ist die Dynamik am stärksten, deshalb setzt sich die Schräge in der Brüstung des
darüber liegenden, obersten Geschosses fort. Um dieses als Dachgeschoss zu betonen, springt es
von der Fassade zurück zu Gunsten eines breiten Balkons, von dem aus sich das einmalige
Panorama des Platzes entfaltet.

Je tiefer die Sonne steht, desto klarer erscheinen die gläsernen Brüstungen vor den Fenstern. Jetzt
gliedern sie das Gebäude sanft in der Horizontalen, die man bei Tage kaum bemerkt. Das sich
verändernde Licht macht auch die Spiegelungen sichtbar. Die schrägen Glasscheiben bilden das
Leben auf dem Platz ab, und sie holen den Himmel auf die Erde. Dezent präsentiert sich der
Haupteingang in der Mitte. Seine drei Öffnungen sind überdacht von einer Glasscheibe aus einem
Stück, ohne Rahmen und Stützen. Der steinerne Teil der Fassade besteht aus italienischem
Kalksandstein, „Pietro di Vicenza“, dessen Farbe wunderbar mit der des Brandenburger Tores
harmoniert. Es sind schwere, 18 Zentimeter dicke, von Öffnung zu Öffnung reichende, bis 4 Meter
lange Steinquader, die den Rohbau verkleiden und sich absetzen von der der dünnen Steintapete,
wie sie in der Regel bei den Nachbargebäuden verwendet wird. Sobald die Sonne hinter dem
Tiergarten versinkt, sind die großen Fenster hell erleuchtet, und die gediegene Atmosphäre der
Arbeitsräume überträgt sich auf den Platz.

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Dieses Gebäude – Pariser Platz 3 – stammt von Frank O. Gehry. Eine Hausfassade in extremer
Einfachheit - reduziert auf archaische Formen, ohne Schmuck, selbst Fugen werden vermieden -
das erwartet man eigentlich nicht von diesem Architekten. Doch die subtile Lebendigkeit, das
Wechselspiel von Stein, Glas, geometrischen Formen und Licht machen neugierig. Dezente
Buchstaben am Eingang weisen auf den Nutzer hin: „DZ Bank AG“. Und der Blick durch die
Glastüren in den Innenhof fällt auf eine riesige, matt-silbrig schimmernde Skulptur in welligen
Formen, die bestätigt: Ja, das muss ein Werk von Gehry sein.

Der Pariser Platz ist einer der drei geometrisch geformten Stadtplätze, die mit der 1734
begonnenen barocken Stadterweiterung entstanden. Das Karree wurde, passend zum alten
Brandenburger Tor, mit zweigeschossigen Adelspalais bebaut. Nachdem 1791 der Bau des neuen
Brandenburger Tores fertig gestellt wurde, setzte es die barocke Maßstäblichkeit außer Kraft und
eröffnete eine neue Dimension der Raumbildung. Im Lauf des 19. Jahrhunderts wurde die
Architektur des Platzes völlig ausgetauscht. Bis zu seiner Zerstörung im Zweiten Weltkrieg bildete
der Platz das repräsentative Entree in das historische Zentrum der Stadt und war geprägt von der
Architektur des wilhelminischen Zeitalters. Er war vornehme Adresse für Behörden,
Gesandtschaften und Kultureinrichtungen. 1945 blieben nur noch der quadratische Stadtgrundriss
und das Brandenburger Tor übrig.

Der Wiederaufbau des Pariser Platzes konnte erst nach der Wiedervereinigung Deutschlands in
Angriff genommen werden, weil er seit der Teilung der Stadt im Grenzgebiet Ost-Berlins gelegen
hatte. Die Senatsbauverwaltung erarbeitete einen Bebauungsplan mit dezidierten
Gestaltungsrichtlinien, die sich am baulichen Maßstab, Material und Proportionen des
Brandenburger Tores orientierten. Ziel war es, den Platzraum zu rekonstruieren und nicht die
Gebäude. Deshalb bezog sich das Regelwerk vor allem auf die Platzfassade, die als steinerne
Lochfassade definiert wurde mit einem Anteil an Öffnungen bis zu 49 Prozent, einem
Sockelgeschoss und einheitlicher Traufhöhe. Die an den Platz zurückkehrenden Botschaften, das
Hotel Adlon und die Akademie der Künste sollten durch andere städtische Nutzungen wie
Dienstleistungen, Büros, Gastronomie und Wohnungen ergänzt werden. Die Nutzungsvielfalt sollte
sich auch an der Rückseite des Blockes an der Behrenstraße widerspiegeln.

Das Grundstück Pariser Platz 3 wurde zum ersten Mal zwischen 1743 und 1737 im Auftrag des
Königs Friedrich Wilhelm I. bebaut. Nach mehrmaligem Eigentümerwechsel in Kreisen des Adels
gelangte das Palais in die Hände des Generals der Infanterie und Geheimen Staats- und
Kriegsministers Friedrich Wilhelm von Rohdich, der – ohne Erben – sein Anwesen einer Stiftung
für Militärwaisenkinder vermachte, die vom Königlichen Grenadier-Garde-Bataillon zu Potsdam
verwaltet wurde. Botschafter, hohe Militärs, Mitglieder des Adels und Prominente aus Kunst und

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Kultur machten die illustre Mieterschaft aus. Der wohl berühmteste Bewohner war
Generalfeldmarschall von Wrangel. 1888 wurde der Barockbau zu Gunsten eines neuen, viel
größeren Palais abgebrochen, das weiter Mieter aus bester Berliner Gesellschaft beherbergte. Um
1920 zogen dort die Büros großer Industrieunternehmen ein. Im Dritten Reich diente es unter
anderem als Sitz des Generalinspektors für das deutsche Straßenwesen. Seit 1942 hatte Albert
Speer das Amt inne, der 1943 im Garten einen Bunker errichten ließ. Dieser Bunker ist erst 1995
bei den Ausschachtungsarbeiten für den Neubau entdeckt worden. 1945 wurde das Gebäude von
Bomben zerstört.

Nach der Wiedervereinigung Deutschlands erwarb die Deutsche Genossenschaftsbank das


Grundstück Pariser Platz 3, um sich ihr neues Domizil an dieser herausragenden Lage und einem
der schönsten Plätze der Hauptstadt zu errichten. Damit kehrte die Bank zu ihren Wurzeln zurück,
denn nicht weit von ihrem neuen Standort war 1895 die erste genossenschaftliche Zentralbank, die
„Preußenkasse“ gegründet worden. Dass der Neubau ein ganz besonderes Gebäude in höchster
Qualität werden müsste, stand außer Frage, zumal die Zentrale in Frankfurt am Main seit Anfang
der Neunzigerjahre des 20. Jahrhunderts in einem der interessantesten und höchsten
Wolkenkratzer residiert, dessen Entwurf aus dem amerikanischen Architekturbüro Kohn Pedersen
Fox Associates stammt - sichtbares Zeichen des Selbstbewusstseins und der Bedeutung der Bank,
die im Jahr 2001 mit der GZ-Bank AG zur DZ BANK Deutsche Zentral-Genossenschaftsbank AG
fusionierte.

Für den Neubau am Pariser Platz 3 schrieb die Bank einen Wettbewerb aus, zu dem sie acht
international bekannte Architekturbüros einlud. Aufgabe war es, auf diesem lang gestreckten, 42
mal 100 Meter messenden Grundstück zwischen Akademie der Künste und Amerikanischer
Botschaft ein Gebäude zu entwerfen, das 500 Büroarbeitsplätze, 39 Wohnungen und ein
Veranstaltungs- und Tagungszentrum aufnimmt und gleichzeitig die strengen städtebaulichen
Auflagen für den Bereich des Pariser Platzes erfüllt. Alle teilnehmenden Architekturbüros schlugen
die gleiche bauliche Grundstruktur vor. Sie umbauten das Grundstück von allen vier Seiten, so dass
sich in der Mitte ein großer Innenhof ergab. Der Beitrag von Frank O. Gehry zeichnete sich durch
zwei herausragende Merkmale aus, weshalb sich die Jury einstimmig für diese Arbeit entschied:
Der Architekt sah für den Innenhof eine surreale Landschaftskomposition vor, die aus einer
Glaskugel, einem Baum, einem in der Luft schwebenden Ruderboot und einer abstrakten Form
bestand. Außerdem wies er nach, dass der mit Glas überdachte Innenhof bis ins Untergeschoss
hinein natürlich belichtet werden kann. Im Lauf der Bearbeitung veränderte sich allerdings die
Ausgestaltung des Atriums; die konkreten Objekte entfielen, und nur noch die abstrakte Form, die
einen Versammlungsraum aufnehmen sollte, wurde weiter entwickelt.

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Gehrys Gebäude präsentiert sich mit zwei völlig unterschiedlichen Fassaden: der kontemplativen,
klaren, auf das Wesentliche beschränkten Hauptfront am Pariser Platz, die den Bürobereich
präsentiert und einer expressiven, fröhlichen an der Behrenstraße, wo der Wohnbereich liegt. Im
Unterschied zum fünfgeschossigen Bürobereich hat der Wohnbereich neun Obergeschosse. Da
diese beiden Nutzungen streng voneinander getrennt sein mussten, entwarf der Architekt für den
Wohnungstrakt an der Nutzungsgrenze ein Platz sparendes gläsernes Atrium in Form einer Linse,
von dem aus die Wohnungen wie über einen Laubengang erschlossen werden. Ein eleganter
gläserner Aufzug sorgt für die schnelle Verbindung zum Erdgeschoss. Durch ein kleines Fenster
dringt auch von dieser Seite etwas Licht in die Wohnungen, die alle zur Behrenstraße orientiert
sind mit weitem Blick bis hin zum Potsdamer Platz. Die Fassade bildet der Baukünstler
wellenförmig aus und macht aus jeder Öffnung einen begehbaren Erker. Nach oben springt die
Fassade in mehreren Stufen zurück. Von weitem scheint es, als ob das Haus sich zurücklehnt und
die gläsernen Kästen auf den Wellen reiten. Dass hier Gehry gebaut hat, erkennt man an dieser
Straßenseite sofort.

Das Gebäude ist zentraler Repräsentationsort für die Mitglieder des genossenschaftlichen
Finanzverbunds um die DZ BANK. Als multifunktionales Bürozentrum mit Konferenzbereich und
einem eigenständigem Wohnhaus an der Behrenstraße dient es auch anderen Nutzern.
Der im Untergeschoss angesiedelte Konferenzbereich wird von nationalen und internationalen
Industrie- und Wirtschaftsbetrieben für Tagungen und Kongresse in der Hauptstadt angemietet. Die
Skulptur beherbergt einen großen Konferenzraum.

Wer das Gebäude durch den Haupteingang am Pariser Platz betreten will, braucht den Türgriff nur
leicht zu berühren, dann öffnet sich die große gläserne Flügeltür wie von Geisterhand. Man gelangt
durch die Vorhalle in das hohe Foyer, das auch für das Publikum geöffnet ist. Jeder kann bis an die
dezent angeordneten Sperrgitter herantreten und ausgiebig die Architektur des Innenhofs
bewundern.

Das Licht - unglaublich, was es für eine Atmosphäre verbreitet! Es scheint, dass die Sonne direkt
den roten Teppich des Untergeschosses anstrahlt, der den warmen Farbton an das den Innenhof
bekleidende Holz des „Oregon Pine“ weitergibt, es noch weicher zeichnet. Die rötlichen Strahlen
durchdringen die das Untergeschoss überwölbende Glasdecke, auf der das Licht von oben glitzert.
Das Farben- und Lichtspiel wird von der zentralen silbrigen Skulptur aufgenommen und durch ihre
Rundungen vervielfacht. Kann denn die Sonne am späten Nachmittag überhaupt sechs Geschosse
tief bis in das Souterrain dringen? Natürlich nicht. Es ist das Glasdach über dem Atrium, das ihre
Strahlen auffängt und sie durch Glasflächen weiterleitet, die wie Prismen wirken.

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Um den Innenhof reihen und stapeln sich die Einzelbüros in Gebäudehöhe. Die Hauptbüros liegen
am Pariser Platz – mit direkter Aussicht auf das Brandenburger Tor. Verglaste Doppeltüren
ermöglichen den Austritt bis hin zur fast unsichtbaren, gläsernen Brüstung. Ab dem zweiten
Obergeschoss ist die Wand zurückgesetzt, so dass eine umlaufende Galerie entsteht. Die
Seitenansichten des Atriums korrespondieren mit der Außenfassade am Pariser Platz. Das
gestalterische Motiv der aufgereihten, tiefen Öffnungen taucht hier wieder auf und bildet den „Platz“
für dieses aufregende Innenleben, das von jedem der Büros aus einem anderen Blickwinkel
erfahren wird.

Glasüberdachung, Glasdecke über dem Untergeschoss und der dazwischen liegende


Konferenzraum bilden mit dem Atrium aus Holz eine künstlerische Einheit. Ein spezielles Dach als
krönender Abschluss dieses Gesamtkunstwerks kommt hinzu. Um das zu sehen, muss man ganz
oben die Sky-Lobby besichtigen dürfen oder auf eines der umliegenden Dächer steigen.

Am spektakulärsten ist zweifelsohne das „Plenum“, wie der Konferenzsaal genannt wird, die
expressiv geformte Bauplastik, eingehüllt in Edelstahl, die in gestaffelten Sitzreihen 100 Plätze
umfasst und sich in der Höhe über fast vier Geschosse ausdehnt. Diese Skulptur ist das
kontrastierende Element im eckigen hölzernen Kasten; sie gibt dem 25 mal 60 Meter großen
Innenhof eine räumliche Struktur. Wer hier an einer Konferenz teilnimmt, mag sich wie in einer
Grotte geschützt fühlen und kann sich auf das Wesentliche konzentrieren, nachdem er sich an den
raffinierten architektonischen Details satt gesehen hat. Allein die innere Auskleidung mit
perforierten Akustikpaneelen im ebenfalls rötlichen Holzton, die den äußeren Schwüngen folgt,
fordert Hochachtung vor dieser handwerklichen Präzisionsarbeit. Und der Blick auf die Fassade des
Atriums durch die amorphen Öffnungen mit dem geformten Glas gewährt eine verschwommene
Erinnerung an den Ort der Stadt, an dem sich der Betrachter gerade befindet.

Wie kommt Gehry zu einer solchen Form? Dazu bedarf es eines monatelangen Diskussions- und
Entwurfsprozesses, für den unzählige Modelle gebaut werden, um von der anfänglichen Idee der
Landschaftsformation zu dieser künstlerisch ausgereiften Skulptur zu kommen. Für die Realisierung
war zunächst vorgesehen, das Traggerüst aus 10 bis 30 Zentimeter starkem Stahlbeton
herzustellen. Es zeigte sich aber sehr bald, dass dieses Verfahren zu riskant gewesen wäre, denn
es wäre eine aufwändige Schalfläche nötig gewesen, deren Bewehrung exakt der Form hätte
folgen müssen. Bei der Suche nach einer Alternative halfen Erkenntnisse aus dem Schiffsbau.
Geschweißte Stahlspanten bilden das wie ein Schiffsrumpf aufgebaute Grundgerüst, das sowohl
die innere Holzverkleidung als auch die Edelstahl-Ummantelung trägt. Ohne Computereinsatz und
spezielle Programme wäre die Realisierung nicht möglich gewesen. Die Architekten arbeiteten am
3-D-Modell im CAD-Programm CATHIA, von dem aus die rechnergestützte Fertigung gesteuert
wurde. Das CAD-Programm ist sehr komplex und wurde bis dahin in der Automobil- und

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Raumfahrtindustrie angewandt, aber nicht im Bauwesen. Das bedeutete Neuland für das
beauftragte Tragwerksbüro und die ausführenden Firmen in Deutschland.

Das „Plenum“ steht auf einem Betonsockel im Untergeschoss, in dem ein weiterer Tagungsraum
untergebracht ist. In dieser Etage befindet sich der Kongressbereich, der einer
Vermarktungsagentur untersteht. Ein Glasboden, der wie eine Skulptur geformt ist, überdeckt das
Souterrain. Er lässt nicht nur natürliches Licht bis in das unterste Geschoss dringen, sondern
funktioniert auch als Schallschutz für die Büros. Hier gibt es genügend Platz und die beste
Ausstattung für anspruchsvolle Tagungen und elegante Events. Die unter der transparenten Decke
schwebenden Glaswolken des amerikanischen Künstlers Nikolas Weinstein ergänzen das
fantasievolle Ambiente.

Das unregelmäßig gewölbte Glasdach erscheint mit seinem klaren Glas und dem extrem leichten
Tragwerk hell und schwebend. Je nach Blickwinkel wirkt es, als wolle es sich mit dem Himmel
vereinen oder einfach als Kunstobjekt. Der Fantasie des Betrachters sind keine Grenzen gesetzt.
Hier sind bisher unerreichte Glanzleistungen der Statiker zu konstatieren, die es geschafft haben,
ein so feines, geschwungenes Netz aus Edelstahl über das gesamte Atrium zu spannen. Diese
Konstruktion aus Dreiecksmaschen wird in vier Achsen durch Stahlseile ausgesteift. Jeder der
sternförmigen Knoten, welche die Dreiecksmaschen bilden, ist ein Unikat.

Der Abschluss der skulpturalen Komposition im Atrium ist das Dach der „Sky-Lobby“. Nachdem das
erforderliche Raumprogramm im fünfgeschossigen Bürobereich untergebracht werden konnte, gab
es die Chance für einen zusätzlichen großen Raum ganz oben, neben dem Wohntrakt. Von dort
aus hat man einen herrlichen Weitblick über das historische Zentrum Berlins mit seinen neuen
Gebäuden. Das nach vorn geneigte Dach hat die Form eines Rundkragens, der über der Sky-
Lobby zu schweben scheint. Er gibt der Glasüberdeckung einen formalen Rahmen, die sich wie ein
Walfisch aus dem Wasser erhebt. Das Material des Daches ist ebenfalls Edelstahl. Seine Rundung
wird durch eine speichenartige Zugstangenkonstruktion stabilisiert, die schlicht an zwei
Zugbändern aus Stahl befestigt ist. Die aufregende Dachlandschaft ist nur aus einigem Abstand zu
erfassen. Am besten, man erklimmt die Reichstagskuppel.

Was es bedeutet, eine so ungewöhnliche Architektur umzusetzen, insbesondere in


Zusammenarbeit mit einem Architekturbüro in Kalifornien, ist den Worten der Kontaktarchitekten
Peter Mittmann und Charlotte Romeyke zu entnehmen, die über ihre Arbeit einen kurzen Bericht in
der Bauwelt (Heft 38, 2001) veröffentlicht haben. Zu ihren wichtigsten Aufgaben gehörte es, den
Entwurf mit den deutschen Normen und Vorschriften in Einklang zu bringen. Unzählige
Kompromisse und Ausnahmeregeln mussten erkämpft werden, um die notwendigen
Baugenehmigungen zu erhalten. Gehry bestand auf äußerster Detailgenauigkeit, um sein

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Gestaltungsprinzip nicht zu verwässern, das im Kontrast zwischen extremer Einfachheit und
äußerster Bewegtheit liegt. Wegen des Zeitunterschieds von sieben Stunden zwischen Los Angeles
und Deutschland fanden die Abstimmungen zwischen den beiden Büros vorwiegend nachts statt,
so dass in der „heißen Phase“ fast ununterbrochen am Projekt gearbeitet wurde.

Viele Besucher sind vom Anblick des materiellen Feuerwerks im Atrium begeistert. Expressivität,
Perfektion und schlichte Schönheit kennzeichnen dieses einzigartige Gebäude. Beim Abschied
nehmen fallen noch die großen Fotoarbeiten der Künstlerin Katharina Sieverding ins Auge, die das
Foyer bereichern. Sie sind Teil der großen Sammlung zeitgenössischer Fotokunst, für die sich die
Bank engagiert.

Hätte Gehry hier ohne Gestaltungsrichtlinien genauso gebaut? Hätte er sich dann trotzdem auf das
Innere konzentriert und Objekte wie wilde Tiere eingeschlossen? Die Lust wächst, mehr Gebäude
von Gehry zu sehen. Der 1989 mit dem Pritzker-Preis ausgezeichnete Architekt hat ja nicht nur in
Amerika, sondern auch in Europa viel gebaut: auf nach Düsseldorf, nach Prag oder am liebsten
nach Bilbao.

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