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Tech-News Nr.

2012/05 Massivbau
(Stand: 30.05.2012)

Dr.-Ing. Petra Höß


Beratende Ingenieurin IngK BW
Prüfingenieurin für Bautechnik VPI
Basler Str. 115
79115 Freiburg

DIN EN 1992-1 (EC2) Massivbau


Verbundfuge in abschnittsweise hergestellten Unterzügen

1. Allgemeines

Die Schubkraftübertragung in Fugen wird in der DIN EN 1992-1-1 im Abschnitt 6.2.5


geregelt. Die dort beschriebenen Nachweise werden dann erforderlich, wenn zum Beispiel
Unterzüge / Überzüge abschnittsweise hergestellt werden. In der täglichen Baupraxis ist es
üblich, die Unterzüge bis Unterkante Decke vorzubetonieren.
Bei der Bemessung der Unterzüge wird jedoch im Vorfeld der Nachweis zur Verbundfuge
selten geführt. Dies kann dann zu Problemen auf der Baustelle führen. Oftmals reicht vor Ort
die Bügelbewehrung und/oder die Oberflächenbeschaffenheit der Fuge nicht aus oder kann
nur mit erheblichem Aufwand hergestellt werden.

2. Neue Regelungen in DIN EN 1992-1-1: 2011-01

Schon in der Neuauflage zur DIN 1045-1: 2008-08 wurden die Bemessungsregeln für
Verbundfugen nach DIN 1045-1: 2001-07 überarbeitet und an DIN EN 1992-1-1 angepasst,
da sie sich sowohl in formaler Hinsicht als auch bei den Bemessungsergebnissen deutlich
von den Regelungen der DIN EN 1992-1-1 unterscheiden.
Die bisherigen Regelungen nach DIN 1045-1: 2001-07 im Vergleich zu DIN 1045-1: 2008-08
sind in der Tech-News Nr. 2009/2 finden.
In den folgenden Abschnitten sind nun ergänzend die wesentlichen Nachweise für bewehrte
Verbundfugen unter Längsschubbeanspruchung nach DIN EN 1992-1-1:2011-01
zusammengestellt.

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3 Nachweis nach DIN EN 1992-1-1: 2011-01

3.1 Fugenausbildung

Die Anforderungen an die Fugenausbildung sind analog zu DIN 1045-1: 2008-08 geregelt.
Die Fugenbeschaffenheit wird folgendermaßen definiert (s. DIN EN 1992-1-1: 2011-01, 6.2.5
und DAfStb-Heft 600):

sehr glatt:
- Oberfläche gegen Stahl, Kunststoff, oder glatte Holzschalung betoniert
- unbehandelte Fugenoberfläche bei Verwendung von Beton im ersten Betonierabschnitt mit
fließfähiger bzw. sehr fließfähiger Konsistenz

glatt:
- Oberfläche abgezogen
- Oberfläche im Gleit- bzw. Extruderverfahren hergestellt
- Oberfläche blieb nach dem Verdichten ohne weitere Behandlung

rau:
- Oberfläche mit mindestens 3 mm durch Rechen erzeugte Rauigkeit mit ca. 40 mm Abstand
bzw. entsprechendes Freilegen von Gesteinskörnung
bzw. andere Methoden, die ein äquivalentes Tragverhalten herbeiführen
- Oberfläche mit definierter Rauigkeit

verzahnt:
- Geometrie der Verzahnung nach Bild 6.9 nach DIN EN 1992-1-1: 2011-01

3.2 Bemessungswert der einwirkenden Schubkraft nach DIN EN 1992-1-1: 2011-01

Der Bemessungswert der Schubkraft in der Fuge wird ermittelt durch:

νEdi = β VEd / (z bi) gemäß DIN EN 1992-1-1:2011-01, Bedingung (6.24)

mit:

β das Verhältnis der Normalkraft in der Betonergänzung und der Gesamtnormalkraft in


der Druck- bzw. Zugzone im betrachteten Querschnitt (Fcdi / Fcd)
VEd der Bemessungswert der einwirkenden Querkraft
z Der Hebelarm des zusammengesetzten Querschnitts (z = 0,9 d) wenn
Verbundbewehrung = Querkraftbewehrung dann gilt NCl zu 6.2.3 (1)
bi die Breite der Fuge nach Bild 6.8

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3.3 Bemessungswert der aufnehmbaren Schubkraft nach DIN EN 1992-1-1: 2011-01

Im Vergleich zwischen der DIN EN 1992-1-1: 2011-01 und der DIN 1045-1: 2008 ändert sich
außer der Indizes und dem Bezug der einwirkenden Kraft auf die Fugenbreite wenig. Die
Ergebnisse sind annähernd gleich. In den folgenden Abschnitten sind die Änderungen
dargestellt.

Der Bemessungswert der aufnehmbaren Schubkraft ergibt sich aus:

νRdi = c fctd + µ σn + ρ fyd (1,2 µ sin α + cos α) ≤ 0,5 ν fcd Bedingung (6.25)

mit:

c, µ Beiwerte, die von der Rauigkeit der Fuge abhängen (siehe 6.2.5. (2))
fctd der Bemessungwert der Schubtragfähigkeit nach 3.1.6 (2)P
σn die Spannung infolge der minimalen Normalkraft rechtwinklig zur Fuge die gleichzeitig
mit der Querkraft wirken kann (positiv für Druck mit σn < 0,6 fcd und negativ für Zug).
Ist σn eine Zugspannung, ist in der Regel c fctd mit 0 anzusetzen
ρ As / Ai
As die Querschnittsfläche der, die Fuge kreuzenden Verbundbewehrung mit
ausreichender Verankerung auf beiden Seiten der Fuge einschließlich vorhandener
Querkraftbewehrung
Ai die Fläche der Fuge, über die Schub übertragen wird
α der Neigungswinkel der Verbundbewehrung nach Bild 6.9 mit einer Begrenzung auf
45° ≤ α ≤ 90°
ν ein Festigkeitsabminderungsbeiwert, siehe NDP zu 6.2.2 (6): ν = 0,675

4 Ergebnis

Die neuen Regelungen in DIN EN 1992-1-1: 2011-01 liefern ähnliche oder wirtschaftlichere
Verbundbewehrungsmengen für glatte und raue Fugen als die früheren Bemessungen nach
DIN 1045-1: 2001-07 und DIN 1045-1: 2008-08.

Die neuen Ansätze ergeben größere Maximaltragfähigkeiten νRdj,max für glatte und raue
Fugen als die frühere Bemessung.

Die Anforderungen an raue Fugen haben sich erhöht (analog zu DIN 1045-1: 2008-08).

Zusammenfassend wird daher dringend empfohlen, im Vorfeld mit der ausführenden Firma
abzuklären, ob geplant ist, Unterzüge abschnittsweise herzustellen, da die Möglichkeiten, auf
der Baustelle bei vorbetonierten Unterzügen zu reagieren, sehr eingeschränkt sind.

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Ein entsprechender Vermerk zur Ausbildung der Verbundfugen auf den Ausführungsplänen
erspart nachträgliche Diskussionen und Probleme.

Generell ist weiterhin darauf zu achten, dass Arbeitsfugen so ausgebildet werden müssen,
dass alle dort auftretenden Beanspruchungen aufgenommen werden können und ein
ausreichender Verbund der Betonschichten sichergestellt ist. Insbesondere müssen vor dem
Weiterbetonieren Verunreinigungen, Zementschlempe und loser Beton entfernt werden und
die Arbeitsfugen ausreichend vorgenässt werden.

5 Beispiel

Ein Unterzug im Bereich einer Geschossdecke, die mit Großflächenplatten ausgeführt wird,
soll vorbetoniert werden (s. auch Tech-News Nr. 2009/2).

System und Belastung

- Systemparameter

Unterzugsbreite 40 cm
Unterzugshöhe 100 cm
Deckendicke 20 cm
Betongüte C 30/37
Ausbildung einer rauen Fuge
σNd bzw. σn ≈ 0

- Querkraft am Auflager

VEd = 420 kN

- Bemessungswert der Querkraft

Bei direkter Auflagerung und gleichmäßig verteilter Last darf beim monolithischen
Querschnitt der Bemessungswert der Querkraft nach DIN 1045-1: 2001-07, 10.3.2 (1) im
Abstand d vom Auflagerrand ermittelt werden. Bei Verbundfugen sollte die Lage der
Schubfuge berücksichtigt werden, d. h. statt des Abstandes d ist der Schnittpunkt einer 45°
Geraden vom Auflagerrand mit der Verbundfuge maßgebend.

VEd,red = VEd - qEd (0,5 * bLager + hF) = 420 – 36 (0,5 * 0,2 + 0,8) = 388 kN

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Nachweis nach DIN EN 1992-1-1: 2011-01

- Bemessungswert der einwirkenden Schubkraft je Fläche

νEdi = β VEd / (z bi) gemäß DIN EN 1992-1-1: 2011-01 (6.24)

Annahme: 100 % der Druckzone in der Deckenplatte


statische Nutzhöhe: d = 95 cm
Hebelarm der inneren Kräfte: z = 0,9 d = 0,9 * 95 = 85,5 cm
< d – 2 cv,l = 95 – 2*3,0 = 89,0 cm
≥ d - cv,l – 3,0 = 89 cm
νEdi = 1,0 * (388 / (0,855 * 0,36) = 1260,55 kN/m² = 1,26 MN/m²

- Aufnehmbare Schubkraft ohne Verbundbewehrung nach DIN EN 1992-1-1: 2011-01

νRdic = c fctd + µ σn mit σn ≈ 0

νRdic = 0,40 * 0,85 * 2 / 1,5 = 0,453 MN/m²

νRdic < νEdi → Verbundbewehrung erforderlich

- Aufnehmbare Schubkraft mit Verbundbewehrung nach DIN EN 1992-1-1: 2011-01

νRdi = νRdic + ρ fyd (1,2 µ sin α + cos α) ≥ νEdi und ≤ 0,5 ν fcd

mit ρ = as / bi , µ = 0,7 (raue Fuge) und α = 90°

as ≥ ((νEdi - νRdic) bi) / (fyd (1,2 µ sin α + cos α))

as = ((1261 – 453) 0,36) / (43,5 (1,2 * 0,7 * 1)) = 7,96 cm²/m

Bügelbewehrung Ø 8 / 12,5 cm mit vorh. as = 8,04 cm2/m ausreichend

Kontrolle: νRdi < 0,5 ν fcd = νRdj,max

1,26 < 0,5 * 0,5 * 0,85 * 30 / 1,5 = 4,25 MN/m²

Hinweis: bei Ausführung einer glatten Fuge ergibt sich

νRdic = c fctd = 0,20 * 1,13 = 0,226 MN/m² < νEd

as ≥ ((νEdi - νRdic) bi) / (fyd (1,2 µ sin α + cos α)) = 11,9 cm2/m
mit µ = 0,6 und α = 90°

Nach DIN 1045-1: 2008-08 ergibt sich für eine raue Fuge analog erf as = 7,96 cm²/m und
für eine glatte Fuge erf as = 11,9 cm²/m.
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6 Literatur

[1] DIN EN 1992-1-1: 2011-01: Eurocode 2: Bemessung und Konstruktion von Stahlbeton-
und Spannbetontragwerken – Teil 1-1: Allgemeine Bemessungsregeln und Regeln für
den Hochbau; Deutsche Fassung EN 1992-1-1:2004 + AC:2010.

[2] DIN EN 1992-1-1/NA: 2011-0:1Nationaler Anhang – National festgelegte Parameter –


Eurocode 2: Bemessung und Konstruktion von Stahlbeton- und Spannbetontragwerken
– Teil 1-1: Allgemeine Bemessungsregeln und Regeln für den Hochbau:

[3] Eurocode 2 für Deutschland: DIN EN 1992-1-1: 2011-01: Bemessung und Konstruktion
von Stahlbeton- und Spannbetontragwerken – Teil 1-1: Allgemeine Bemessungsregeln
und Regeln für den Hochbau mit Nationalem Anhang. Kommentierte Fassung.
F. Fingerloos, J. Hegger, K. Zilch.
Berlin: Beuth Verlag

[4] DAfStb-Heft 600: Erläuterungen zu Eurocode 2. Beuth Verlag.

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