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Amt für Abfall, Wasser, Energie und Luft
Abteilung Gewässerschutz
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8090 Zürich
Bitte beachten:
Die rechtsgültige Fassung dieses Prüfberichtes
ist die unterzeichnete Papierversion!
Prüfleiter: Abteilungsleiter:
Sig. Christoph Czaderski Sig. Prof. Dr. Masoud Motavalli
Anmerkung: Die Untersuchungsergebnisse haben nur Gültigkeit für das geprüfte Objekt. Das Verwenden des Berichtes zu Werbezwecken,
der blosse Hinweis darauf sowie auszugsweises Veröffentlichen bedürfen der Genehmigung der Empa (vgl. Merkblatt). Bericht
und Unterlagen werden 10 Jahre archiviert.
Empa, Abteilung: Ingenieur-Strukturen Seite 2 / 10
1 Auftrag
Die Firma Hunziker hat einen Vergleich der alten und neuen Betonnormen in Bezug auf
Minimalbewehrung von Güllebehältern durchgeführt.
Die Empa erhielt den Auftrag diesen Vergleich zu beurteilen.
2 Referenzen
[1] Mitteilungen zum Gewässerschutz Nr. 12 (1993), Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft,
3003 Bern
[2] SIA Norm 162 (1989), Teilrevision 1993
[3] SIA Heft Nr. 22, 27.5.1993, Norm SIA 162, Teilrevision
[4] SIA Norm 262 (2003)
[5] SIA Dokumentation D 0182 Betonbau, Einführung in die Norm SIA 262
4.4.2.3.3 Die Bemessung der Mindestbewehrung erfolgt für die gemäss Ziffer 4.4.2.2.3 gewählten
Anforderungen durch die Begrenzung der Stahlspannungen auf zulässige Werte.
4.4.2.3.4 In Tabelle 16 sind Ziele, Einwirkungen und Anforderungen aufgeführt. Die zulässigen
Spannungen können Figur 31 entnommen werden.
Gemäss [5] entsprechen die Kurven A, B und C in Figur 31 theoretischen Rissweiten von 0.7, 0.5 und 0.2
mm.
Tabelle 16:
Anforderungen
Ziel
normal erhöht hoch
normale Anforderungen:
Verhindern sprödes Versagen
Rissebeschränkung unter aufgezwungenen oder behinderten Verformungen (Kurve A)
erhöhte Anforderungen:
Verhindern sprödes Versagen
Rissebeschränkung unter aufgezwungenen oder behinderten Verformungen (Kurve B)
Verhindern Plastifizierung unter häufigen Lasten im Gebrauchszustand
hohe Anforderungen:
Verhindern sprödes Versagen
Rissebeschränkung unter aufgezwungenen oder behinderten Verformungen (Kurve C)
Verhindern Plastifizierung unter häufigen Lasten im Gebrauchszustand
Rissbreitenbeschränkung unter quasi-ständigen Lasten (Kurve C)
Für ein Bauwerk, das dicht sein muss, kommt also nur hohe Anforderungen in Frage, da nur hier eine
Rissbreitenbeschränkung unter quasi-ständigen Lasten vorkommt. Bei erhöhten Anforderungen wird nur
ein Fliessen der Bewehrung im Gebrauchszustand verhindert, was unter Umständen grosse Rissweiten
zur Folge haben kann.
Von Fall zu Fall muss der Ingenieur festlegen, ob er aufgezwungene oder behinderte Verformungen
erwartet.
Beispiel 1:
- Wandstärke 250mm
- Beton C25/30
- Stababstand 150mm
- Annahme der Beanspruchung: Schwinden vorhanden und ständige Temperaturdifferenz (Winter-
Sommer) von 5°C in der Wand (reiner Zug)
normale Anforderungen
Ziel 1: Verhindern spröden Versagens beim Erreichen von fctd
fctd=1/(1+0.5*t)*fctm, Formel (83) und (84)
fctd=1/(1+0.5*0.25)*2.6=2.31N/mm2
As,min=fctd*Act/ s,adm
2
As,min=2.31*250*1000/435=1328mm /m
Ziel 2: Begrenzen der Rissbreiten unter aufgezwungenen oder behinderten Verformungen (beim
Erreichen von fctd)
Schwinden vorhanden:
As,min=fctd*Act/ s,adm
As,min=2.31*250*1000/435=1328mm2/m
Empa, Abteilung: Ingenieur-Strukturen Seite 5 / 10
Ziel 3: Begrenzung der Rissbreiten für quasi-ständige Lastfälle gemäss Norm SIA 260
Keine Vorgaben für die Gebrauchstauglichkeit.
erhöhte Anforderungen
Ziel 1: Verhindern spröden Versagens beim Erreichen von fctd
As,min=fctd*Act/ s,adm
2
As,min=2.31*250*1000/435=1328mm /m
Ziel 2: Begrenzen der Rissbreiten unter aufgezwungenen oder behinderten Verformungen (beim
Erreichen von fctd)
Schwinden vorhanden:
As,min=fctd*Act/ s,adm
As,min=2.31*250*1000/400=1444mm2/m
Ziel 3: Begrenzung der Rissbreiten für quasi-ständige Lastfälle gemäss Norm SIA 260
Keine Vorgaben für die Gebrauchstauglichkeit.
As=5*10*10 *30000*250*1000/355=1056mm2/m
-6
hohe Anforderungen
Ziel 1: Verhindern spröden Versagens beim Erreichen von fctd
As,min=fctd*Act/ s,adm
As,min=2.31*250*1000/435=1328mm2/m
Ziel 2: Begrenzen der Rissbreiten unter aufgezwungenen oder behinderten Verformungen (beim
Erreichen von fctd)
Schwinden vorhanden:
As,min=fctd*Act/ s,adm
As,min=2.31*250*1000/220=2626mm2/m
Ziel 3: Begrenzung der Rissbreiten für quasi-ständige Lastfälle gemäss Norm SIA 260
- Temperaturdifferenz von 5°C (reiner Zug)
Empa, Abteilung: Ingenieur-Strukturen Seite 6 / 10
As=5*10*10 *30000*250*1000/355=1056mm2/m
-6
SIA 162 (1993) dargestellt wie Tabelle 16 der SIA 262 (2003):
Anforderungen
Ziel
normal erhöht hoch
f ct A ct f ct A ct f ct A ct
1 Fliesszugkraft = Betonzugkraft (3 33 41) A s, min A s, min A s, min
fy fy fy
Rissbreitenbeschränkung infolge
f ct A ct Für spezielle
behinderter bzw. aufgezwungener A s, min
2 fy - Fälle: Figur 20,
Verformungen und Eigenspannungen
und As 1.3 As,min
(3 33 41 und 3 33 52)
Limitierung der zulässigen Stahlspann-
Figur 20 und
3 ungen aus Eigenlasten und ständigen - -
As 1.3 As,min
Lasten zur Rissweitenbegrenz. (3 33 53)
Limitierung der zulässigen
s 0.95fy-100
Stahlspannungen aus Eigenlasten, s 0.95fy-100
4 - MPa und
ständigen und Kurzzeit-Einwirkungen (3 MPa
As 1.3 As,min
33 57)
Der Gebrauchstauglichkeitsnachweis umfasst also nicht nur die Festlegung einer Minimalbewehrung,
sondern auch Spannungsnachweise. Siehe Tabelle oben. Die Begrenzung der Rissweiten infolge von
Lasten bei hohen Anforderungen nach 3 33 5 bezieht sich auf eine theoretische mittlere Rissweite von
0.15 mm und maximale Rissweiten von etwa 0.25 mm (siehe Referenz [3]).
Es kann also festgestellt werden, dass die Konzepte der alten und der neuen Norm sehr ähnlich sind, d.h.
bei normalen Anforderungen sprödes Verhalten verhindern, bei erhöhten Anforderungen fliessen der
Bewehrung im Gebrauchszustand verhindern und bei hohen Anforderungen die Rissbreiten
beschränken.
Empa, Abteilung: Ingenieur-Strukturen Seite 8 / 10
Beispiel:
- Wandstärke 250mm
- Beton B35/25
- Stababstand 150mm
- Annahme der Beanspruchung: Schwinden vorhanden und ständige Temperaturdifferenz (Winter-
Sommer) von 5°C in der Wand (reiner Zug)
normale Anforderungen
As,min= * *fct*Act/fy
As,min=1.1*0.85*2.5*250*1000/460=1270mm2/m
Temperaturdifferenz: kein Nachweis für Gebrauchstauglichkeit
erhöhte Anforderungen
As,min= * *fct*Act/fy
2
As,min=1.1*0.85*2.5*250*1000/460=1270mm /m
As=5*10*10 *30000*250*1000/337=1113mm2/m
-6
hohe Anforderungen
As,min= * *fct*Act/fy
2
As,min=1.1*0.85*2.5*250*1000/460=1270mm /m
Schwinden:
2
As=1.1*0.85*2.5*250*1000/150=3896mm /m
Temperatur:
As= T* *Ec*Act/ s,adm
As=5*10*10 *30000*250*1000/150=2500mm2/m
-6
3 - - 1705
4 - 1056 1056
2 1270 - 3896
3 - - 2500
4 - 1113 1113
Es muss bemerkt werden, dass je nachdem welche Beanspruchungen (Schwinden, Temperatur, Druck
aus Gülle usw.) vorhanden ist, andere Bewehrungsgehalte resultieren und somit der Vergleich anders
ausfällt.
Empa, Abteilung: Ingenieur-Strukturen Seite 10 / 10
6 Zusammenfassung
Bei einem Vergleich der beiden Normen muss das ganze Konzept verglichen werden, d.h. nicht nur die
sogenannte Minimalbewehrung sondern auch alle Spannungsnachweise. Ein Vergleich ist schwierig, da je
nach Fall andere Bewehrungsgehalte resultieren. Der Ingenieur muss z.B. folgende Fälle und deren
Relevanz für sein Bauwerk beurteilen:
Ursachen von Rissen (nach SIA 262 Art. 4.4.2.1.1):
Zu rasches Austrocknen des Betons
Temperatureinwirkung, z.B. aus Hydratationswärme
Schwinden
Lasteinwirkung (z.B. Druck aus der Gülle)
Aufgezwungene oder behinderte Verformungen (z.B. Setzungsdifferenzen)
Frosteinwirkung
Der Ingenieur muss entscheiden, ob er z.B. behinderte Verformungen aus Setzungsdifferenzen oder
Schwinden in seinem Bauwerk erwartet oder nicht. Schwinden kann z.B. mit entsprechenden
Massnahmen wie Etappierung und/oder Nachbehandlung verringert oder ev. sogar verhindert werden.
Aufgrund von diesen Festlegungen muss dann die Bewehrung berechnet werden.
Grundsätzlich haben beide Normen ein ähnliches Konzept d.h. bei normalen Anforderungen sprödes
Verhalten verhindern, bei erhöhten Anforderungen fliessen der Bewehrung im Gebrauchszustand
verhindern und bei hohen Anforderungen die Rissbreiten beschränken. Die Figuren mit den
Spannungsbegrenzungen und die Materialkennwerte haben leicht geändert. Es sollten somit bei gleicher
Anwendung der beiden Normen auch ähnliche Bewehrungsgehalte resultieren. Wegen der vielen
möglichen Fälle macht ein Vergleich der Bewehrungsgehalte wenig Sinn.
Der Vergleich der Minimalbewehrung im Bericht Hunziker ist unvollständig, da die Spannungsnachweise
nur erwähnt und nicht durchgeführt wurden. Es müsste die am Schluss der Bemessung resultierende
Bewehrung miteinander verglichen werden. Die Aussage im Bericht (z.B. Seite 13), dass Zwang keine
Last ist und deshalb der Nachweis entfällt, ist nicht richtig, da Zwang z.B. aus Temperatur auch als Last
interpretiert werden kann.
Die zugrunde liegenden theoretischen Rissweiten von Figur 20 der SIA 162 (1993) und von Figur 31 der
SIA 262 (2003) ist etwa gleich gross für die hohe Anforderung. Es besteht deshalb keine Veranlassung
die hohe Anforderung herabzusetzen (z.B. auf erhöht). Auch muss festgehalten werden, dass für ein
Bauwerk, das dicht sein muss, nur hohe Anforderungen in Frage kommt, da nur hier eine
Rissbreitenbeschränkung unter quasi-ständigen Lasten vorkommt. Bei erhöhten Anforderungen wird nur
ein Fliessen der Bewehrung im Gebrauchszustand verhindert, was unter Umständen grosse Rissweiten
zur Folge haben kann.
7 Empfehlung
Gemäss Buwal-Richtlinie [1] müssen die Bauwerke nach dem neueste Stand der Technik geplant werden,
siehe Auszug auf Seite 2. Dies ist heute die Norm SIA 262 (2003), d.h. bereits heute muss somit gemäss
Buwal-Richtlinie mit der neuen SIA gearbeitet werden! Auf der Seite 6 wird noch auf die alten SIA Normen
hingewiesen. Falls das Dokument schweizweit neu herausgegeben wird, müssten entsprechende
Anpassungen, mit Hinweis auf die neuen Normen, vorgenommen werden.
Die Buwal-Richlinie [1] sollte, bis eine neue angepasste Version verfügbar ist, weiter benutzt werden.
Neben der richtigen Planung und Bemessung der Güllebehälter muss den ausführungstechnischen
Massnahmen (Betontechnologie wie z.B. Betonrezeptur, Nachbehandlung, Betonieretappen usw.)
höchste Aufmerksamkeit geschenkt werden, damit das Ziel, ein dichtes Bauwerk zu erhalten, erreicht
wird. Siehe dazu den Artikel Damit die Gülle in der Grube bleibt von Hanspeter Olbrecht (Empa) in der
Zeitschrift Die Grüne 50/99.