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Schriften zum Strafrecht

Band 413

Der Einsatz von Öffnungsklauseln


im Strafrecht
Eine verfassungsrechtliche Analyse

Von

Lena Gumnior

Duncker & Humblot · Berlin


LENA GUMNIOR

Der Einsatz von Öffnungsklauseln im Strafrecht


Schriften zum Strafrecht
Band 413
Der Einsatz von Öffnungsklauseln
im Strafrecht
Eine verfassungsrechtliche Analyse

Von

Lena Gumnior

Duncker & Humblot · Berlin


Die Juristische Fakultät der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder)
hat diese Arbeit im Jahre 2022 als Dissertation angenommen.

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der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten
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Alle Rechte vorbehalten


© 2023 Duncker & Humblot GmbH, Berlin
Satz: Klaus-Dieter Voigt
Druck: CPI books GmbH, Leck
Printed in Germany
ISSN 0558-9126
ISBN 978-3-428-18847-5 (Print)
ISBN 978-3-428-58847-3 (E-Book)
Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier
entsprechend ISO 9706
Internet: http://www.duncker-humblot.de
Vorwort
Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2022 vom Fachbereich
Rechtswissenschaften der Stiftung Europa Universität Viadrina in Frankfurt (Oder)
als Dissertation angenommen.
Mein herzlicher Dank gilt zuallererst meinem Doktorvater, Herrn Professor
Dr. Christian Becker, an dessen Lehrstuhl ich während des Verfassens dieser Ar-
beit mein Wissen im Strafrecht anwenden und vertiefen konnte. Herr Professor
Dr. Christian Becker begleitete meine Arbeit und meine Forschung mit großer
Ruhe und stets mit kritischem und konstruktivem Blick und trug durch die inten-
sive Betreuung und bereichernde Diskussionen maßgeblich zum Gelingen dieser
Arbeit bei. Weiterhin danke ich herzlich Herrn Professor Dr. Kilian Wegner für
die zügige Erstellung des Zweitgutachtens.
Zudem bedanke ich mich beim Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht und
Rechtsphilosophie, insbesondere bei Frau Susen Pönitzsch, die mich mit offenen
Armen empfangen und jederzeit im Lehrbetrieb und bei der Erstellung dieser Ar-
beit unterstützt hat.
Zum Gelingen dieser Arbeit hat ferner Nils-Hendrik Grohmann beigetragen,
der immer für ergiebige Diskussionen zur Verfügung stand und mir jederzeit auf-
munternd zur Seite stand. Ihm gilt ein besonderer Dank.
Außerdem bedanke ich mich bei meiner Familie, meinen Freund*innen und
meinem Partner, die mir insbesondere beim Abschluss dieser Arbeit zur Seite
standen. Ein besonderer Dank gebührt meiner Mutter, ohne die ich nicht den
Mut gehabt hätte, mich dieses Projektes anzunehmen, und die die Fertigstellung
dieser Arbeit in besonderem Maße vorangetrieben hat. Ich danke meinen Eltern
für die Unterstützung und die nie endende Zuversicht in meinen Werdegang.
Ich widme diese Arbeit meinem Großvater in liebevoller Erinnerung, der den
Abschluss dieser Arbeit leider nicht mehr erlebt hat.
Berlin, im Winter 2022 Lena Gumnior
Inhaltsverzeichnis
A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
B. Begriffsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
I. Definition Öffnungsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
II. Abgrenzung von Öffnungsklauseln zu Generalklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
C. Legitimität der Begründungsansätze zum Einsatz von Öffnungsklauseln . . 22
I. Mit Öffnungsklauseln verfolgte Ziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
1. Schließung von Strafbarkeitslücken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24
a) Vermeidung von Gesetzesumgehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25
aa) Gesetzesumgehung im Strafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26
bb) Öffnungsklauseln als verschleierte Umgehungsgesetze . . . . . . . 28
b) Schaffung von Flexibilität in Bezug auf die Rechtsprechung . . . . . . 30
aa) Verengter Entscheidungsspielraum der Judikative im Strafrecht 31
bb) Erweiterung des Entscheidungsspielraums durch Öffnungs-
klauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32
c) Opferschutz und Wahrung von Opferinteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34
2. Schaffung absoluter Gerechtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35
II. Tragfähigkeit der gewählten Begründungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36
1. Schließung von Strafbarkeitslücken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37
a) Schließung von Strafbarkeitslücken und der fragmentarische Cha-
rakter des Strafrechts im Allgemeinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37
b) Strafbarkeitslücken und Wirksamkeit des Strafrechts im Allgemei-
nen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40
aa) Generelle Wirksamkeit von Strafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41
(1) Empirische Befunde zur Spezialprävention . . . . . . . . . . . . . . 43
(2) Empirische Befunde zur Generalprävention . . . . . . . . . . . . . 44
bb) Verlust der Wirksamkeit durch den Einsatz von Öffnungs-
klauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46
cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47
c) Vermeidung von Gesetzesumgehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47
d) Schaffung von Flexibilität als Begründungsansatz . . . . . . . . . . . . . . . 48
e) Schließung von Strafbarkeitslücken zur Förderung des Opferschut-
zes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50
aa) Begriff des Opfers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51
bb) Opferinteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52
8 Inhaltsverzeichnis

(1) Interessen des potenziellen Tatopfers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52


(2) Interessen tatsächlicher Tatopfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53
cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54
2. Schaffung absoluter Gerechtigkeit als Begründungsansatz . . . . . . . . . . . . 55
a) Begriffsbestimmung „Gerechtigkeit“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55
aa) Politische und soziale Gerechtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56
bb) Gerechtigkeitsverständnis des Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . 56
b) Möglichkeit der Schaffung absoluter Gerechtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . 58
c) Gerechtigkeit als Argumentationstopos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60
d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61
III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61
D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63
I. Historische Entwicklung des Gesetzlichkeitsprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64
1. Entscheidung für das geschriebene Recht und daraus resultierende
Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65
2. Historische Entwicklung bis zur Kodifikation im Grundgesetz . . . . . . . . 66
3. Entstehungsgeschichte des Art. 103 Abs. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70
II. Heutiger Sinn und Zweck des Gesetzlichkeitsprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71
1. Verfassungsrechtliche Herleitung des Gesetzlichkeitsprinzips . . . . . . . . . 72
2. Tatsächliche Bedeutung des Gesetzlichkeitsprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . 75
III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78
IV. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Bestimmtheitsgrundsatz . . . . 79
1. Begriff „Bestimmtheit“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80
a) Sinn und Zweck des Bestimmtheitsgrundsatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84
aa) Schutz der Bürger*innen vor willkürlichen Entscheidungen . . . . 86
bb) Sicherung des Grundsatzes der Gewaltenteilung . . . . . . . . . . . . . . 88
b) Sprachliche Grenzen der Gesetzesbestimmtheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90
c) Handhabung des Bestimmtheitsgrundsatzes durch die Gerichte . . . . 94
aa) Präzisierung durch das BVerfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96
(1) Gefestigte Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98
(2) Präzisierungsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99
(3) Anforderungen abhängig von Schwere des Eingriffs . . . . . . 100
bb) Kritische Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101
(1) Abhängigkeit von Schwere der Straftat . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101
(2) Präzisierung durch die Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103
(3) Rechtsfolgen der Rechtsprechung des Bundesverfassungs-
gerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107
(4) Praktikabilität der Auslegung durch die Gerichte . . . . . . . . . 108
cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110
d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111
Inhaltsverzeichnis 9

2. Konsequenzen für Öffnungsklauseln im Strafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111


3. Gesamtergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118
V. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Analogieverbot . . . . . . . . . . . 120
1. Analogien im Strafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120
a) Verbot entsprechender Rechtsanwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121
b) Adressat des Analogieverbotes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122
c) Sinn und Zweck des Analogieverbotes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123
d) Keine eingeschränkte Geltung bei unbewussten Lücken . . . . . . . . . . 124
2. Abgrenzung von Auslegung und Analogie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125
a) Abgrenzung anhand der Ratio des Gesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126
b) Abgrenzung anhand des Wortlautes des Gesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . 129
c) Handhabung des Analogieverbotes durch die Gerichte . . . . . . . . . . . 135
d) Konsequenzen für den Einsatz von Öffnungsklauseln . . . . . . . . . . . . 138
3. Analogieverbot als Handlungsanweisung an den Gesetzgeber . . . . . . . . 139
a) Analogieverbot ausschließlich Handlungsanweisung an Judikative . . 139
b) Analogieverbot auch als Handlungsanweisung an Legislative . . . . . . 140
4. Öffnungsklauseln als innertatbestandliche Analogien und Umgehungs-
gesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142
a) Vereinbarkeit einer innertatbestandlichen Analogie mit dem Analo-
gieverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143
b) Konsequenz für den Einsatz von Öffnungsklauseln im Strafrecht . . 148
5. Gesamtergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150
VI. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Rückwirkungsverbot . . . . . . 152
1. Sinn und Zweck des Rückwirkungsverbotes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152
2. Adressat*innen des Rückwirkungsverbotes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154
3. Geltung des Rückwirkungsverbots für die Rechtsprechung . . . . . . . . . . . 155
a) Direkte Anwendung des Art. 103 Abs. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156
b) Analoge Anwendung des Art. 103 Abs. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157
aa) Planwidrige Regelungslücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157
(1) Hinreichende Regelung über § 17 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . 158
(2) Planwidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160
bb) Vergleichbare Interessenlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161
(1) Vergleichbarkeit aufgrund Überschneidung der Kompetenz-
bereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161
(2) Unvergleichbarkeit der legislativen und der judikativen
Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164
(3) Rechtsprechung zu rückwirkenden Rechtsprechungsände-
rungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167
(4) Stellungnahme zur analogen Anwendung des Art. 103
Abs. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168
10 Inhaltsverzeichnis

c) Übertragbarkeit der für die Rechtsprechung geltenden Grundsätze


auf Öffnungsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171
d) Rechtsfolge der Anwendung des Rückwirkungsverbotes auf die
Rechtsprechung: Übertragung der „von-nun-an“-Theorie auf die
Anwendbarkeit von Öffnungsklauseln im Strafrecht . . . . . . . . . . . . . . 173
aa) Allgemeines zur „von-nun-an“-Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . 174
bb) Anwendung auf die erstmalige Verwendung von Öffnungs-
klauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178
4. Gesamtergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180
VII. Vereinbarkeit mit dem fragmentarischen Charakter des Strafrechts . . . . . . . 182
1. Ebenen des fragmentarischen Charakters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183
2. Feststellung der strafwürdigen Verhaltensweisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183
3. Abgrenzung zur Subsidiarität des Strafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185
4. Verfassungsrechtliche Herleitung des fragmentarischen Charakters des
Strafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186
a) Gesetzlichkeitsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186
b) Allgemeine Handlungsfreiheit, Art. 2 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . 187
c) Rechtsstaatsprinzip, Art. 20 Abs. 3 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188
5. Erforderlichkeit des fragmentarischen Charakters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189
a) Fragmentarischer Charakter als Manko der Strafrechtsordnung . . . . 189
b) Gerechtigkeit, Freiheitssicherung und Strafökonomie . . . . . . . . . . . . . 190
6. Fragmentarischer Charakter als Handlungsanweisung an die Legislative 192
7. Vereinbarkeit des fragmentarischen Charakters mit Öffnungsklauseln . . 194
a) Fragmentarität auch innerhalb einzelner Tatbestände . . . . . . . . . . . . . 194
b) Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem fragmentarischen
Charakter des Strafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195
8. Gesamtergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198
VIII.Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Grundsatz der Gesetzes-
bindung und dem Grundsatz der Gewaltenteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198
1. Historische Entwicklung des Grundsatzes der Gesetzesbindung . . . . . . . 199
2. Gesetzesbindung zwischen Wunsch und Wirklichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . 203
a) Gesetzesbindung und Grundsatz der Gewaltenteilung . . . . . . . . . . . . . 204
b) Gesetzesbindung und Demokratieprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204
c) Gesetzesbindung und Rechtstaatsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205
d) Verhältnis des Grundsatzes „nulla poena sine lege“ zur Gesetzes-
bindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206
e) Bindung durch den Inhalt des Gesetzes oder an den Inhalt des Ge-
setzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207
aa) Können Normen eine Bindungswirkung entfalten? . . . . . . . . . . . 208
(1) Gesetzesbindung als Utopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209
(2) Gesetzesbindung durch Normtext und Anwendung . . . . . . . . 210
bb) Konkretisierung der Gesetzesbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211
Inhaltsverzeichnis 11

(1) Objektive Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215


(2) Subjektive Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216
(3) Gesetzesauslegung im Strafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217
f) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219
g) Durchbrechung des Grundsatzes der Gesetzesbindung . . . . . . . . . . . . 219
h) Zulässigkeit richterlicher Rechtsfortbildung im Strafrecht . . . . . . . . 221
aa) Begriff der richterlichen Rechtsfortbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . 221
bb) Vereinbarkeit von richterlicher Rechtsfortbildung mit dem
Grundsatz der Gesetzesbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222
cc) Generalklauseln und richterliche Rechtsfortbildung im Straf-
recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224
i) Grundsatz der Gesetzesbindung als Auftrag an die Gesetzgebung . . 225
3. Gewaltenteilung als solche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226
a) Überschneidung der Aufgabenbereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226
b) Kernbereichslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229
4. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Grundsatz der Gesetzes-
bindung und dem Grundsatz der Gewaltenteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230
5. Gesamtergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232
IX. Ergebnis der Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit den dargelegten
Grundsätzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233
E. Konsequenz für Strafgesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236
F. Praktische Konsequenzen der Nichtanwendung von bestehenden Öffnungs-
klauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239
I. § 238 Abs. 1 Nr. 8 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239
II. § 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240
G. Gesamtergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243
I. Begründungen zum Einsatz von Öffnungsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243
II. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248

Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285
A. Einleitung
Nach § 1 Gerichtsverfassungsgesetz (im folgenden GVG) und Art. 97 Abs. 1
Grundgesetz (im folgenden GG) sind Richter*innen nur dem Gesetz unterwor-
fen. Handlungsanleitung für Richter*innen ist damit nur das, was sich durch Aus-
legung aus dem Gesetz ergibt. Dies hat erhebliche Konsequenzen für die Art und
Weise, wie Strafgesetze geschaffen werden und geschaffen werden sollten. Dabei
bewegt sich die Gesetzgebung in einem ständigen Spannungsfeld zwischen Ein-
zelfallgerechtigkeit und Rechtssicherheit.1 Einzelfallgerechtigkeit kann im Zwei-
fel aber nur durch entsprechende Entscheidungen der Fachgerichte erlangt wer-
den, denen dafür ein gewisser Entscheidungsspielraum zugestanden werden
muss. Ein solcher Entscheidungsspielraum geht aber mit gewissen Unsicherheits-
koeffizienten und infolgedessen nicht ohne die Einschränkung der Rechtssicher-
heit einher.2
Um die Möglichkeiten der Gerichte zur Erreichung einer solchen Einzelfallge-
rechtigkeit zu erweitern, liegt der Schluss nahe, dass die Straftatbestände einen
gewissen Entscheidungsspielraum enthalten sollten. Insbesondere der Einsatz sog.
Öffnungsklauseln3 erlaubt es, Verhaltensweisen unter einen Straftatbestand zu
subsumieren, die der Gesetzgeber bei der Gesetzgebung noch nicht klar umrissen
hat und vielleicht auch nicht umreißen konnte.
Bei solchen Öffnungsklauseln bedient sich die Legislative einer besonderen Art
der Gesetzgebung (siehe dazu unter B. I.). Zunächst wird enumerativ aufgezählt,
durch welche konkreten Verhaltensweisen ein Straftatbestand erfüllt wird. Am
Ende dieser Aufzählung hält sich der Gesetzgeber durch entsprechende Formulie-
rungen offen, auch „andere vergleichbare Handlungen“ oder „ebenso gefährliche
Eingriffe“ darunter zu fassen.4 Der Judikative wird durch diesen gesetzlich ange-
ordneten Ähnlichkeitsschluss ermöglicht, auch weitere, nicht näher bezeichnete
Handlungen unter den Tatbestand zu subsumieren. Es besteht also die Möglich-
keit, Lücken zu füllen, die Tatbestände notwendigerweise hinterlassen, indem sie

1 Vgl. dazu umfassend Roxin/Greco, Strafrecht AT I, S. 219 ff.


2 Lenckner, JuS 1968, 304, 305.
3 Zum Einsatz des Begriffs der Öffnungsklausel s. Sadtler, Stalking – Nachstellung,

S. 314, die stattdessen den Begriff der „Auffangklausel“ verwendet; Karl, Der Tatbe-
stand der Nachstellung, S. 188 ff.; Lackner/Kühl/Kühl, § 238, 5; MüKo-StGB/Gericke,
§ 238 Rn. 34; Gazeas, JR 2007, 497, 501.
4 Vgl. § 238 Abs. 1 Nr. 8 n. F. StGB seit der Neufassung des Gesetzes, die am

01.10.2021 in Kraft getreten ist, zuvor befand sich die Öffnungsklausel in § 238 Abs. 1
Nr. 5 StGB a. F.; § 315 Abs. 1 Nr. 4 und § 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB.
14 A. Einleitung

das strafbare Verhalten möglichst genau umschreiben. Dieses Merkmal ist nicht
nur konstituierend für Öffnungsklauseln, gleichzeitig unterscheiden sich Öff-
nungsklauseln dadurch von klassischen Generalklauseln (siehe dazu unter B. II.).
Mit dem Einsatz von Öffnungsklauseln im Strafrecht werden unterschiedliche
Interessen verfolgt (dazu unter C. I.). Die Hauptintention des Einsatzes solcher
Öffnungsklauseln im Strafrecht ist es, die Möglichkeit zu schaffen, Einzelfälle
im Zweifel unter den entsprechenden Tatbestand zu subsumieren, auch wenn
diese nicht von den zuvor enumerativ aufgezählten Verhaltensweisen erfasst sind.
Dieses Bedürfnis wird mit der Einzelfallgerechtigkeit begründet. Auch ist dieses
Bestreben nach gerechten Lösungen im Einzelfall in Form einer möglichst offe-
nen Strafgesetzgebung keine neue Erscheinung,5 sondern diese gab es bereits im
Rahmen der Vorbereitung der deutschen Strafrechtsreform im Jahre 1905. Hier
wurde vorgeschlagen, dem Tatbestand der Körperverletzung den Zusatz „[. . .]
oder wenn eine Verletzung von gleicher Bedeutung eingetreten ist“ anzufügen.6
Gleichwohl hat der Einsatz von Öffnungsklauseln im Strafrecht nicht an Ak-
tualität verloren. Zuletzt hat die um § 238 Abs. 1 Nr. 8 StGB geführte Diskus-
sion bereits bei Schaffung der Norm als auch im Rahmen der Reformen des Ge-
setzes 2016 und 2021 die Diskussion um die Zulässigkeit von Öffnungsklauseln
im Strafrecht wieder in Gang gebracht.7 Trotz erheblicher verfassungsrechtlicher

5 Wie vielleicht im Hinblick auf die Diskussionen um § 238 Abs. 1 Nr. 8 StGB ge-

dacht werden könnte.


6 Löffler, in: Verbrechen und Vergehen wider das Leben, S. 159, 160.
7 Vgl. zum Gesetzgebungsverfahren aus dem Jahre 2006: Stellungnahme des Bun-

desrates zum Gesetzentwurf der Bundesregierung Drucksache 16/585 v. 08.02.2006, ab-


rufbar unter https://dserver.bundestag.de/btd/16/005/1600575.pdf [zuletzt abgerufen
am 27.07.2021]; Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses Drucksache 16/3641 v.
29.11.2006, abrufbar unter https://dserver.bundestag.de/btd/16/036/1603641.pdf [zu-
letzt abgerufen am 27.07.2021]; zur Diskussion im Rahmen der Reform 2016 vgl. Ple-
narprotokoll Deutscher Bundestag, 18. Wahlperiode, 196. Sitzung, 20.10.2016, S. 19458,
abrufbar unter https://dserver.bundestag.de/btp/18/18196.pdf [zuletzt abgerufen am
27.07.2021]; Referentenentwurf des Bundesministerium der Justiz Drucksache 18/994 v.
12.10.2016, abrufbar unter https://dserver.bundestag.de/btd/18/099/1809946.pdf [zu-
letzt abgerufen am 27.07.2021]; Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für
Recht und Verbraucherschutz (6. Ausschuss) Drucksache 18/10654 v. 14.12.2016, abruf-
bar unter https://dserver.bundestag.de/btd/18/106/1810654.pdf [zuletzt abgerufen am
27.07.2021]; zur Reform der Norm 2021 vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, v.
15.02.2021, abrufbar unter https://www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/
DE/Cyberstalking.html;jsessionid=04777432DF8BE6C886B2A087B26B99AE.2_cid324
?nn=6704238 [zuletzt abgerufen am 27.07.2021], wonach der Tatbestand des § 238
Abs. 1 um eine Handlungsalternative erweitert werden soll und schließlich auch erweitert
wurde, obgleich die in Frage stehende Verhaltensweise als von § 238 Abs. 1 Nr. 8 StGB
erfasst angesehen wird; kritisch zu einer Ausweitung des Tatbestandes im Hinblick auf
die existierende Öffnungsklausel, vgl. auch Evaluierungsbericht des Bundesministeriums
der Justiz und für Verbraucherschutz zur Neufassung des § 238 Strafgesetzbuch, v.
14.12.2020, Ministerium der Justiz Rheinland-Pfalz, S. 2/4, abrufbar unter https://
www.bmjv.de/SharedDocs/Downloads/DE/Service/Fachpublikationen/Evaluierung_238
StGB.pdf?__blob=publicationFile&v=1 [zuletzt abgerufen am 27.07.2021].
A. Einleitung 15

Bedenken über die Zulässigkeit der Öffnungsklausel wurde § 238 Abs. 1 Nr. 8
StGB (bzw. § 238 Abs. 1 Nr. 5 StGB a. F.) in das Gesetz aufgenommen und bis-
her nicht gestrichen, obwohl diese Tatbestandsvariante in der Rechtsanwendung
quasi keine Rolle spielt.8
Öffnungsklauseln haben durch ihre Verfasstheit aber erhebliche Auswirkungen
auf das Verhältnis der Aufgabenverteilung von Legislative und Judikative.9 Die
klare Aufgabenteilung von der Fassung abstrakt-genereller Regelungen als Tätig-
keitsfeld der Legislative und der Anwendung der Normen auf den konkreten Ein-
zelfall durch die Judikative droht unterlaufen zu werden, wenn der Gesetzgeber
eine solche vorgelagerte Entscheidung nicht mehr trifft, sondern stattdessen die
Möglichkeit eines Ähnlichkeitsschlusses anordnet. Durch diesen für Öffnungs-
klauseln konstituierenden Ähnlichkeitsschluss unterscheiden sich auch General-
klauseln von Öffnungsklauseln.10
Eine solche Art der Gesetzgebung sieht sich aufgrund der fehlenden abschlie-
ßenden Entscheidung über das strafbare Verhalten und der Aufgabenverlagerung
mit dem Vorwurf der Verfassungswidrigkeit konfrontiert.11 Es stellt sich bei sol-
chen Klauseln unweigerlich die Frage, wer im Ergebnis eigentlich das Recht
schafft; die Richter*innen oder der Gesetzgeber. Es besteht die Befürchtung, dass
der Gesetzgeber eine ihm übertragene Aufgabe12, nämlich die der Gesetzgebung
und die damit verbundene Bestimmung, welche Verhaltensweisen strafbar sind,
auf die Gerichte auslagert und auf diese Weise gegen den Grundsatz der Gewal-
tenteilung und den Grundsatz der Gesetzesbindung verstößt.13
Bisherige Monografien und Beiträge zu diesem Thema beleuchten den Einsatz
konkreter Öffnungsklauseln, wie § 283 Abs. 1 Nr. 8 StGB und § 315b Abs. 1
Nr. 3 StGB, behandeln dort aber nur Teilaspekte der Verfassungsmäßigkeit.14

8 So gibt es, soweit ersichtlich, nur eine Entscheidung des LG Potsdam, die auf

§ 238 Abs. 1 Nr. 8 StGB Bezug nimmt: LG Potsdam, Beschl. v. 15.09.2010 – 24 Qs 94/10.
9 Zur Aufgabenteilung von Legislative und Judikative vgl. Noll, JZ 1963, 297; vgl.

auch G. Hirsch, ZRP 2006, 161.


10 Siehe dazu Kap. B. II. dieser Arbeit.
11 Dabei ist die Diskussion um die Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

nicht neu, sondern wurde bereits 1927 geführt, vgl. Große Strafrechtskommission, Be-
sonderer Teil, 91.–103. Sitzung, 1959, S. 320; zur Notwendigkeit klarer Normen vgl.
bereits Montesquieu, Vom Geist der Gesetze, S. 251.
12 Maunz/Dürig/Grzeszick, Art. 20 II. Rn. 135; Bringewat, Grundbegriffe des Straf-

rechts, S. 77.
13 Was wiederum zu einer erheblichen Politisierung der Entscheidungen führen kann,

vgl. Vorländer, APuZ 35–36, 2011, 15 ff.


14 Sieh dazu z. B. Gazeas, JR 2007, 497; Krüger, Stalking als Straftatbestand, 2007;

Neubacher/Seher, JZ 2007, 1029; S. Peters, NStZ 2009, 238; Seiler, Analyse und Aus-
legung des Nachstellungstatbestandes, 2010; Fabricius, GA 1994, 164; zum Teil werden
auch nur Einzelaspekte einer möglichen Verfassungswidrigkeit untersucht, wie z. B. die
Vereinbarkeit mit den Analogieverbot, vgl. Eschelbach/Krehl, in: FS-Kargl, S. 81, 86;
Obermann, Gefährliche Eingriffe in den Straßenverkehr, 2005, der lediglich die Verein-
16 A. Einleitung

Darin erschöpfen sich die bisherigen Untersuchungen zum Einsatz von Öffnungs-
klauseln, wobei die verwendete legislative Technik dieser Klauseln häufig nur
einen Teilaspekt der Untersuchungen darstellt. Die vorliegende Arbeit soll einen
ersten Beitrag zur Schließung dieser Lücke liefern und unterzieht Öffnungsklau-
seln als spezifische Form der Strafgesetzgebung und in Abgrenzung zu General-
klauseln im Strafrecht einer grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Untersu-
chung.
Eine solche, von konkreten Tatbeständen losgelöste Untersuchung kann Richt-
linien für zukünftige Gesetzgebungsverfahren aufzeigen und zumindest einen
Hinweis darauf geben, wie Strafgesetze (nicht) geschaffen werden sollten.15
Bereits die mit Öffnungsklauseln verfolgten Ziele des Lückenschlusses und der
gerechten Einzelfallentscheidung stehen im Widerspruch zu strafrechtlichen Prin-
zipien, wie dem fragmentarischen Charakter des Strafrechts oder scheinen schon
nicht erreichbar, ebenso wie die Schaffung absoluter Gerechtigkeit. Dazu werden
im Folgenden die mit Öffnungsklauseln verfolgten Ziele dargelegt (siehe dazu
Kap. C.) und sodann daraufhin untersucht, inwieweit die gewählten Begrün-
dungsansätze tragfähig sind (dazu unter Kap. B.).
Konstituierendes Merkmal der Öffnungsklauseln ist aber die gesetzgeberisch
angeordnete Möglichkeit zur Lückenschließung. Auf diesem Wege schafft der
Gesetzgeber die Möglichkeit für die Judikative, die Norm auch auf Fälle anzu-
wenden, die gerade nicht ausdrücklich in der zuvor erfolgten enumerativen Auf-
zählung genannt werden. Die Legislative vermeidet es auf diese Weise selbst eine
abschließende Regelung für die als strafbar empfundenen Verhaltensweisen zu
schaffen und verlagert diese Aufgabe stattdessen auf die Rechtsprechung.
Inwieweit ein solches Vorgehen verfassungsgemäß ist, wird anhand des Ge-
setzlichkeitsprinzips (dazu unter D. I.–VI.), aufgrund der lückenschließenden
Funktion anhand des verfassungsrechtlich verankerten fragmentarischen Charak-
ters des Strafrechts (dazu unter D. VII.) und dem mit diesem untrennbar verbun-
denen Grundsatz der Gesetzesbindung und dem Grundsatz der Gewaltenteilung
untersucht (dazu unter D. VIII.). Diese Aufgabenverlagerung berührt den Kernbe-
reich legislativer Tätigkeit (dazu unter D. VIII.). Gleichzeitig fehlt es auf diese
Weise an einer abschließenden Entscheidung der Legislative, welches Verhalten
unter Strafe gestellt werden soll. Auf diese Weise kann keine Legitimationskette
zwischen der abstrakten Entscheidung des Gesetzgebers und der konkreten Ent-
scheidung der Judikative hergestellt werden (dazu unter D. VIII.), was zur Verfas-
sungswidrigkeit der Norm führen kann.

barkeit mit dem Analogieverbot und dem Bestimmtheitsgrundsatz thematisiert; Greco,


GA 2012, 452, mit einem Schwerpunkt auf die Frage, ob der Gesetzgeber überhaupt
Adressat des Analogieverbotes sein kann.
15 Gegenstand der Arbeit ist demnach die „handwerkliche“ Seite der Gesetzgebung,

wie auch Hirsch sie nennt, vgl. J. Hirsch, in: FS-Puppe, S. 105.
B. Begriffsbestimmung
Gegenstand der vorliegenden Untersuchung sind sog. Öffnungsklauseln im
Strafrecht, wie sie in §§ 315 Abs. 1 Nr. 4, 315b Abs. 1 Nr. 3 und 238 Abs. 1
Nr. 8 StGB verwendet werden. Vorliegend wird ein strafrechtliches Verständnis
des Begriffs der Öffnungsklausel zugrunde gelegt (dazu unter I.).1 Öffnungsklau-
seln unterscheiden sich durch den Verweis auf die Strafbarkeit vergleichbarer
Verhaltensweisen auch von klassischen Generalklauseln im Strafrecht, die wie-
derum durch die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe gekennzeichnet sind
(dazu unter II.).

I. Definition Öffnungsklausel

Öffnungsklauseln sind solche Bestandteile einer Norm, die nach einer enume-
rativen Aufzählung als letzten Punkt den Tatbestand für weitere nicht abschlie-
ßend aufgezählte Handlungen „öffnen“.2 Dies geschieht, indem der Wortlaut des
Gesetzes die Anwendung der Norm auf „ähnliche“ oder „vergleichbare“ Hand-
lungen anordnet. Insbesondere im Rahmen des § 238 Abs. 1 Nr. 8 StGB hat sich
die Bezeichnung als Öffnungsklausel durchgesetzt.3 Die Bezeichnung des § 238
Abs. 1 Nr. 8 StGB als Öffnungsklausel wurde augenscheinlich erstmals von Ga-
zeas anlässlich des Gesetzgebungsverfahrens verwendet und etablierte sich.4
Diese Begrifflichkeit beschreibt besonders plastisch, dass diese Art der Gesetz-
gebung der Erweiterung der strafbaren Handlungen dient. Es handelt sich also
um den Bestandteil einer Norm, die sich aus einer Kombination von Kasuistik

1 Der Begriff der Öffnungsklausel wird ansonsten schwerpunktmäßig im Vertrags-

recht (z. B. im WEG-Recht) genutzt, um Parteien die Möglichkeit zu eröffnen, von den
bestehenden Regelungen abzuweichen. Die Nutzung des Begriffs in Bezug auf das Ver-
tragsrecht soll hier aber nicht weiter erörtert werden. Vgl. dazu etwa BeckOGK-Her-
mann, § 23 WEG Rn. 49.
2 Auch der 3. Strafsenat des BGH spricht in einer Entscheidung zur § 238 Abs. 1

Nr. 8 davon, dass dieser „das Spektrum der Tathandlungen [. . .] öffnet“; diese Art der
Gesetzgebung wird zum Teil in anderen Rechtsgebieten als „Anpassungs- und Ergän-
zungsklausel“ bezeichnet, vgl. Ipsen, Richterrecht und Verfassung, S. 71.
3 Karl, Der Tatbestand der Nachstellung, S. 188, wobei hier uneinheitlich sowohl der

Begriff Auffangtatbestand als auch der Begriff Öffnungsklausel verwendet wird; Lack-
ner/Kühl/Kühl, § 238 Rn. 5; MüKo-StGB/Gericke, § 238 Rn. 34; Gazeas, JR 2007,
497, 501; zum Teil werden diese auch als Analogieklauseln bezeichnet, vgl. Eschel-
bach/Krehl, in: FS-Kargl, S. 81, 86; Kühl, in: FS-Seebode, S. 61, 69; Sadtler, Stalking –
Nachstellung, S. 314 ff. spricht hingegen von einer sog. „Auffangklausel“.
4 Gazeas, KJ 39 (2006), 247, 258.
18 B. Begriffsbestimmung

und einer generalklauselartigen Regelung zusammensetzt.5 Der Tatbestand soll


dabei über die deskriptive Aufzählung hinaus erweitert werden. Charakteristisch
für solche Öffnungsklauseln ist folglich die Ergänzung der kasuistischen Me-
thode in Form von konkreten Verhaltensaufzählungen durch eine normative Öff-
nung für andere Verhaltensweisen. Was unter diese geöffneten Tatbestände fällt,
soll durch einen Ähnlichkeitsschluss in Bezug auf die vorherige enumerative
Aufzählung festgestellt werden. Auf diese Weise kommt den Klauseln eine Auf-
fangfunktion zu.6 Diese Art der Gesetzgebung findet sich in § 238 Abs. 1 Nr. 8
StGB7 und §§ 315 Abs. 1 Nr. 4 und 315 b Abs. 1 Nr. 3 StGB.
Öffnungsklauseln bedienen sich ihrerseits normativer8 Begriffe, welche von
den sog. deskriptiven9 Begriffen abzugrenzen sind. Normative Begriffe sind sol-
che, „deren Vorliegen eine Bewertung voraussetzt“.10 Richter*innen müssen bei
ihren Entscheidungen also ein Werturteil abgeben, ob es sich um eine „ähnliche“
oder „vergleichbare“ Handlung handelt.11 Diese Begriffe müssen dann in Bezug
zur Norm ausgelegt werden, um festzustellen, ob die ihm vorliegende Handlung
vergleichbar oder ähnlich ist. Dabei handelt es sich um Rechtsfindung secundum
legem.12 Auf was konkret sich die Ähnlichkeit der Verhaltensweisen beziehen
muss, also z. B. auf die Eingriffsintensität oder ob eine Vergleichbarkeit mit allen
oder einer einzigen vorher genannten Verhaltensweise gegeben sein muss, bleibt
offen.13
Davon zu unterscheiden sind die Formulierungen in § 211 Abs. 1 StGB (nied-
rige Beweggründe) und § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB (anderes gefährliches Werk-
zeug). Denn diese enthalten, auch wenn sie ihrerseits in hohem Maße konkre-
tisierungsbedürftig sind, in ihrer Formulierung, anders als die oben genannten
Öffnungsklauseln, bereits selbst konkrete Merkmale und verweisen in ihrer For-

5 Vgl. zu dieser Art der Gesetzgebung Garstka, in: Juristische Methodenlehre und

Analytische Philosophie, S. 96, 117.


6 Weswegen vielfach auch der Begriff der Auffangklausel oder des Auffangtatbestan-

des verwendet wird, vgl. MüKo-StGB/Gericke, § 238 Rn. 34; Eiden, ZIS 2008, 123,
127; Buß, JR 2011, 80, 84; Mosbacher, ZRP 2016, 161; Kuhlen, ZIS 2018, 89, 90.
7 J. Hirsch, in: FS-Puppe, S. 115; Kubiciel, jurisPR-StrafR 8/2016, Anm. 1, abrufbar

unter https://www.juris.de/perma?d=jpr-NLSFADG000616 [zuletzt abgerufen am 09.11.


2020].
8 MüKo-StGB/Schmitz, § 1 Rn. 47; Kramer, Juristische Methodenlehre, S. 69.
9 Lenckner, 1968, 249, 250.
10 Kritisch Roxin/Greco, Strafrecht AT I, S. 405 f., mangels klarer Abgrenzbarkeit

normativer und deskriptiver Tatbestandsmerkmale und unter Verweis auf die Definition
bei Engisch, FS-Mezger, S. 147; und zuletzt dazu Kuhli, Normative Tatbestandsmerk-
male in der strafrichterlichen Rechtsanwendung.
11 Vgl. BT-Drucksache IV/650 v. 04.10.1962, S. 522.
12 Haubelt, Die Konkretisierung der Generalklausel, S. 9.
13 Ob es sich dabei um einen Fall der Gesetzesauslegung oder der Analogie handelt,

wird an anderer Stelle erörtert, vgl. dazu in dieser Arbeit Kap. D.V. 2.
II. Abgrenzung von Öffnungsklauseln zu Generalklauseln 19

mulierung nicht gänzlich auf die übrige Regelung.14 Es fehlt an dem für Öff-
nungsklauseln konkretisierenden gesetzlich angeordneten Ähnlichkeitsschluss.
Gegenstand dieser Untersuchung sollen nur Öffnungsklauseln sein, die keine ei-
genen, ohne den restlichen Tatbestand verständliche Merkmale in sich tragen,
und die gesetzgeberisch ausdrückliche Befugnis enthalten, den Tatbestand auch
auf vergleichbare oder ähnliche Fälle anzuwenden.

II. Abgrenzung von Öffnungsklauseln


zu Generalklauseln

Öffnungsklauseln sind von klassischen Generalklauseln zu unterscheiden.15


Ungenau ist es, wenn anstatt von Generalklauseln von generellen, im Kontrast zu
kasuistischen Regelungen gesprochen wird.16 Denn auch kasuistische Regelun-
gen können Elemente einer Generalklausel enthalten. Öffnungsklauseln weisen
zwar ebenfalls Elemente auf, die konstituierend für Generalklauseln sind, den-
noch sind diese beiden Arten der Gesetzgebung zu unterscheiden.17
Eine abschließende Definition des Begriffs der Generalklausel ist wohl nicht
möglich,18 vielmehr wird der Begriff auf unterschiedliche Weisen definiert und
interpretiert.19 Nach Haubelt wird unter einer Generalklausel eine „unmittelbar

14 Zur Differenzierung siehe Greco, GA 2012, 452, 461.


15 Die Probleme im Zusammenhang mit generalklauselartigen Regelungen wurden
bereits vielfach erörtert, vgl. dazu zum Begriff der Generalklausel: Haubelt, Die Kon-
kretisierung der Generalklausel, S. 4 ff.; zu Generalklausel im Strafrecht grundlegend
vgl. Naucke, Über Generalklauseln und Rechtsanwendung im Strafrecht, S. 3 f. in Ab-
grenzung zu Class, in: FS-Ebh. Schmidt, S. 123 f.: „In der Tat wäre es paradox, ein
Gebilde, das seinem Wesen nach unbestimmten Charakters ist, bestimmt definieren zu
wollen.“; zum Sonderfall der Regelbeispiele vgl. Schünemann, JZ 2005, 271; im
Bereich der Methodenlehre siehe insbesondere Kramer, Juristische Methodenlehre,
S. 72 ff.; zur Vereinbarkeit von strafrechtlichen Generalklausen mit Art. 103 Abs. 2 GG
vgl. insb. Woesner, NJW 1963, 273, 274; zu Generalklauseln im Bereich des VStGB
vgl. Satzger, NStZ 2002, 125, 130; Weber, AcP 192 (1992), 516, 522 definiert diese
als „präzisierungsbedürftige gesetzliche Anordnungen“; Tiedemann, in: FS-Rissing-van
Saan, S. 685, zu Generalklauseln im Wirtschaftsstrafrecht.
16 Noll, Gesetzgebungslehre, S. 264, fordert eine Differenzierung zwischen generel-

len und kasuistischen Regelungen, was den Kern nicht ganz zu treffen scheint. Denkbar
sind eben auch kasuistische Regelungen, deren einzelne Tatbestandsvarianten generell
sind.
17 Obwohl in Bezug auf § 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB auch der Begriff „Generalklausel“

verwendet wird, vgl. Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben/Hecker, § 315b Rn. 9; MüKo-


StGB/Pegel, § 315b Rn. 37.
18 Hier soll ein weites Verständnis des Begriffs der Generalklausel zugrunde gelegt

werden, vgl. Haubelt, Die Konkretisierung der Generalklausel, S. 5.


19 Vgl. beispielsweise Ohly, ACP 201 (2001), 1, 5; Kamanabrou ACP 202 (2002),

662, 663; Haubelt, Die Konkretisierung der Generalklausel, S. 5; Werner, Zum Verhält-
nis von gesetzlicher Generalklausel und Richterrecht, S. 7 ff.
20 B. Begriffsbestimmung

geltende, aber inhaltlich präzisierungsbedürftige Anordnung“ verstanden.20 Bei


Generalklauseln handelt es sich demnach um solche gesetzlichen Anordnungen,
die der Präzisierung bedürfen und damit dazu geeignet sind, noch unbestimmte
Sachverhalte zu regeln.21 Nach Kramer zeichnen sich Generalklauseln gerade da-
durch aus, dass sie „eine besonders große Zahl neutraler Kandidaten“22 enthal-
ten, also Begriffe bei denen nicht ohne Weiteres mit Gewissheit gesagt werden
kann, was vom Wortlaut dieser Formulierung erfasst wird. Wohingegen die Zahl
der Verhaltensweisen, die eindeutig darunterfallen (positive Kandidaten) oder
eindeutig nicht unter die Norm fallen (negative Kandidaten), gering ist.23 Gene-
ralklauseln zeichnen sich „durch die große Allgemeinheit aus, mit der sie, im
Gegensatz zur kasuistischen Methode, einen Sachverhalt zu erfassen suchen“.24
Auch Öffnungsklauseln weisen durch ihre konkrete Verfasstheit durchaus Merk-
male von Generalklauseln auf. Denn die in Öffnungsklauseln typischerweise ver-
wendeten Begriffe wie „ähnlich“ und „vergleichbar“ bedürfen augenscheinlich
ebenfalls in besonderer Weise einer Wertung in der Rechtsanwendung. Daraus
lässt sich aber gerade nicht schließen, dass es sich bei Öffnungsklauseln um eine
Unterart der Generalklausel handelt.25
Öffnungsklauseln unterscheiden sich von der Generalklausel im klassischen
Sinne zum einen dadurch, dass die Norm, in die sie eingebettet sind, als solche
nicht vollumfänglich generell ausgestaltet worden ist, sondern zuvor gerade Ver-
haltensweisen deskriptiv beschrieben wurden, die den Tatbestand erfüllen sollen.
Sie stellen lediglich einen Bestandteil einer Norm dar.
Zum anderen, und das ist für die vorliegende Untersuchung von besonderer
Bedeutung, ist das konstituierende Merkmal der Öffnungsklausel gerade die An-
wendung auf nicht genauer bezeichnete Verhaltensweisen durch einen Ähnlich-
keitsschluss. Dieser Ähnlichkeitsschluss wird auch als innertatbestandliche Ana-
logie bezeichnet.26 Eine solche Regelung ermöglicht einen über den Wortlaut der
Norm hinausgehenden Lückenschluss aufgrund einer gesetzgeberischen Anord-
nung. Im Kontrast dazu sind Generalklauseln zwar in besonderem Maße konkre-
tisierungsbedürftig und ermöglichen folglich auch eine Vielzahl von Konkreti-
sierungen. Die Konkretisierung muss sich aber immer innerhalb des Wortlautes
der Norm bewegen und geht nicht durch Ähnlichkeitsschlüsse darüber hinaus,

20 Haubelt, Die Konkretisierung der Generalklausel, S. 5; Lenckner, JuS 1968, 249,

250 und verweist auf die Strukturgleichheit von Generalklauseln und normativen Tatbe-
standsmerkmalen.
21 Weber, AcP 192 (1992), 516, 525.
22 Kramer, Juristische Methodenlehre, S. 70.
23 Vgl. dazu in dieser Arbeit Kap. D. V. 2. b).
24 Lenckner, JuS 1968, 249, 250.
25 Haubelt will unter den Begriff der Generalklausel die gesamte Anordnung, also

die Norm als solche, fassen: Haubelt, Die Konkretisierung der Generalklausel, S. 5.
26 Vgl. dazu innerhalb dieser Arbeit Kap. D. V. 4.
II. Abgrenzung von Öffnungsklauseln zu Generalklauseln 21

wohingegen Öffnungsklauseln die Möglichkeit des Ähnlichkeitsschlusses explizit


anordnen. Auslegung und Analogie sind aber zu unterscheiden.27 Aus dieser Un-
terscheidbarkeit ergibt sich der wesentliche Unterschied von Öffnungsklauseln zu
Generalklauseln.
Bezugnehmend auf die oben dargelegten Definitionsversuche von Kramer und
Haubelt ist die große Anzahl neutraler Kandidaten gerade nicht Kernelement der
Öffnungsklauseln. Diese neutralen Kandidaten können bei entsprechender Rege-
lung der zuvorderst genannten exemplifizierenden Regelung sogar geringer aus-
fallen. Auch die Präzisierungsbedürftigkeit allein kann nicht zur Einordung unter
den Begriff der Generalklausel führen. Wie noch zu zeigen sein wird, weisen alle
Normen Konkretisierungsbedürftigkeit auf.28
Diese gesetzgeberisch angeordnete Befugnis zur Lückenschließung innerhalb
des Tatbestandes zeichnet gerade Öffnungsklauseln aus, sodass auf diese Weise
eine Kompetenzverlagerung vorgenommen wird, die zwar auch im Bereich der
Generalklauseln möglich und diskutabel ist, aber nicht in gleicherweise offen-
sichtlich zu Tage tritt.

27 Vgl. dazu innerhalb dieser Arbeit Kap. D. V. 2.


28 Vgl. dazu innerhalb dieser Arbeit Kap. D. V. 2.; vgl. zur Zulässigkeit von General-
klauseln im Strafrecht allgemein Rieger, Der sog. „ähnliche ebenso gefährliche Ein-
griff“ im Sinne von § 315b I Nr. 3 StGB als Beispiel analoger Tatbestandanwendungen
im Strafrecht.
C. Legitimität der Begründungsansätze
zum Einsatz von Öffnungsklauseln
Nach der Einführung von § 315b StGB wurde die Gesetzgebungstechnik der
Öffnungsklauseln zunächst über mehrere Jahrzehnte nicht angewendet, bis sie mit
der Schaffung der der Nachstellung in § 238 Abs. 1 StGB erneut Einzug in das
Strafgesetzbuch fand. Dieser relativ aktuelle Anlass bietet für die hier beabsich-
tigte Untersuchung die Gelegenheit, anhand der Gesetzgebungsmaterialien und
Diskussionen zu § 238 Abs. 1 StGB die Begründungsansätze zu strukturieren,
die für den Einsatz von Öffnungsklauseln angeführt werden (siehe I.). Dabei wer-
den sich vor allem die Schließung von Strafbarkeitslücken (II. 1.) sowie die
Schaffung von Gerechtigkeit (II. 2.) als charakteristische Begründungsmuster er-
weisen, die jedoch beide mit Blick auf ihre verfassungs- bzw. strafrechtliche Le-
gitimation zweifelhaft sind.

I. Mit Öffnungsklauseln verfolgte Ziele

Welche Ziele der Gesetzgeber konkret mit dem Einsatz der Öffnungsklauseln
verfolgt, ergibt sich aus den dazugehörigen Gesetzesbegründungen und den Ge-
setzgebungsverfahren, in denen zum Teil auch andere Möglichkeiten der Ausge-
staltung der Norm diskutiert wurden.
Öffnungsklauseln finden in der Regel dann Anwendung, wenn sich die Vielfalt
der potenziell gefährdenden Handlungen nicht erschöpfend aufzählen lässt,1 da
zum einen nicht alle möglicherweise für strafwürdig empfundenen Verhaltens-
weisen ersichtlich sind und zum anderen laufend neue potenziell strafwürdige
Verhaltensweisen hinzukommen können. Würde man dennoch auf die Möglich-
keit der Öffnung des Tatbestandes für nicht näher bestimmte Verhaltensweisen
verzichten, würde dies bedeuten, dass für strafwürdig erachtete Verhaltensweisen
aus dem Tatbestand fielen. Ein solcher Zustand kann unter kriminalpolitischen

1 Vgl. BT-Drucksache vom 04.10.1962 – IV/650, S. 522; Gesetzesentwurf des Bun-

desrates vom 27.04.2005 – BT-Drucksache 15/5410, S. 7, abrufbar unter https://dserver.


bundestag.de/btd/15/054/1505410.pdf [zuletzt abgerufen am 21.10.2021]; so auch:
Fünfsinn, Neue Kriminalpolitik 2005, 82, 84; Kubiciel, jurisPR-StrafR 8/2016 Anm. 1;
so auch die SPD im Beratungsverlauf zum Gesetzentwurf der Bundesregierung vom
12.10.2016 – BT-Drs. 18/9946, abrufbar unter https://dserver.bundestag.de/btd/18/099/
1809946.pdf [zuletzt abgerufen am 26.10.2021]; Beschlussempfehlung und Bericht des
Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz vom 14.12.2016 – BT-Drucksache 18/
10654, S. 5, abrufbar unter https://dserver.bundestag.de/btd/18/106/1810654.pdf [zu-
letzt abgerufen am 26.10.2021].
I. Mit Öffnungsklauseln verfolgte Ziele 23

Gesichtspunkten nicht wünschenswert sein.2 Denn der Vielgestaltigkeit des Le-


bens kann dabei nur durch den Einsatz einer Öffnungsklausel Rechnung getragen
werden, wenn eine erschöpfende Aufzählung der für strafbar zu erachtenden Ver-
haltensweisen nicht möglich ist.3 Zu diesem Zwecke muss für die Gerichte die
Möglichkeit erhalten bleiben, dass jedes für strafwürdig befundene Verhalten
auch verfolgbar ist.4 Nichts anderes kann, insbesondere in solchen Bereichen des
Strafrechts gelten, in denen man auf „neu auftretende Verhaltensweisen“ reagie-
ren können muss.5 Die Judikative soll damit flexibel bleiben und in der Lage
sein, auf Entwicklungen ohne vorgeschalteten gesetzgeberischen Akt reagieren
zu können. Dabei ist aber bereits an dieser Stelle zu betonen, dass grundsätzlich
strafbar ist, was Inhalt eines gesetzlichen Tatbestandes ist und sich die Strafbar-
keit gerade nicht aus Strafwürdigkeitserwägungen der Gerichte ergibt.6
Die soeben aufgezeigte Argumentationsstruktur (dazu näher unter 1. und 2.)
wird dabei nicht nur im Rahmen des StGB, sondern auch in Bezug auf Regelun-
gen des VStGB7 verwendet. Auch hier wird von einer Vielgestaltigkeit des Le-
bens ausgegangen, die nur durch Öffnungsklauseln beherrscht werden kann.8
Öffnungsklauseln sollen demnach immer dann zur Ergänzung eines Straftatbe-
standes herangezogen werden, wenn die einzelne Erfassung aller vorstellbaren
Verhaltensweisen nicht möglich ist. Es muss aber beachtet werden, dass Gesetze
gerade abstrakt-generelle Regelungen darstellen und sich gerade nicht durch eine
genaue Beschreibung der möglichen Einzelfälle auszeichnen.9 Dieser Wider-

2 A. a. O.
3 Große Strafrechtskommission, Besonderer Teil, 91.–103. Sitzung, 1959, S. 265,
Lange spricht dabei von einem sog. terra incognita.
4 Großes Strafrechtskommission, Besonderer Teil, 91.–103. Sitzung, 1959, S. 320;

Zentrale Informationsstelle Autonomer Frauenhäuser, Entwurf eines Gesetzes zur Ver-


besserung des Schutzes gegen Nachstellung – Stellungnahme der Zentralen Informa-
tionsstelle Autonomer Frauenhäuser, S. 1, abrufbar unter https://www.bmjv.de/Shared
Docs/Gesetzgebungsverfahren/Stellungnahmen/2016/Downloads/05032016_Stellung
nahme_ZIF_RefE_Stalking.pdf?__blob=publicationFile&v=1 [zuletzt abgerufen am
26.10.2021].
5 Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuss) vom

14.12.2016 – BT-Drucksache 16/3641 S. 14, abrufbar unter https://dserver.bundes


tag.de/btd/16/036/1603641.pdf [zuletzt abgerufen am 26.10.2021]; so auch: bff: Frauen
gegen Gewalt e.V., Stellungnahme des bff: S. 3, abrufbar unter https://www.frauen-ge
gen-gewalt.de/de/stellungnahmen-1718/bff-bezieht-stellung-zum-gesetzentwurf-zur-ver
besserung-des-schutzes-gegen-nachstellungen.html [zuletzt abgerufen am 26.10.2021].
6 Siehe dazu genauer Kap. C. II. 1. dieser Arbeit.
7 Völkerstrafgesetzbuch.
8 Satzger, NStZ 2002, 125, 130.
9 So auch in der Kommentierung zum Draft Code of Crimes against the Peace and

Security of Mankind: „It’s impossible to establish an exhaustive list of the inhuman acts
which might constitute crimes against humanity“, Vereinte Nationen, Art. 18 (k), abruf-
bar unter https://legal.un.org/ilc/texts/instruments/english/commentaries/7_4_1996.pdf
[zuletzt abgerufen am 26.10.2021].
24 C. Legitimität der Begründungsansätze zum Einsatz von Öffnungsklauseln

spruch zeigt bereits auf, dass die mit Öffnungsklauseln verfolgten Ziele nicht
ohne Weiteres als tragfähige Begründungen herangezogen werden können (dazu
näher unter II.).
Dazu sei bereits an dieser Stelle gesagt, dass im Folgenden die mit dem Ein-
satz von Öffnungsklauseln verfolgten Zwecke auf einer generellen Ebene, das
heißt, losgelöst von konkreten Tatbeständen erörtert werden. Es ist also nicht aus-
geschlossen, dass diese Art der Gesetzgebung, wenn sie in einem konkreten Tat-
bestand verwendet wird, wie § 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB für die Verkehrssicher-
heit, ihren konkreten Zweck vom Schutz des Rechtsgutes ableitet und infolge-
dessen für diese einzelne Öffnungsklausel in einer bestimmten Norm dennoch
ein tragfähig begründet werden kann.

1. Schließung von Strafbarkeitslücken

Insgesamt ist der Topos der Schließung von Strafbarkeitslücken die am häufigs-
ten genannte Begründung für Gesetzesänderungen in jüngster Zeit.10 Auch bei
den bisher genannten Funktionen des Einsatzes von Öffnungsklauseln handelt es
sich hauptsächlich um den gleichen Argumentationstopos. Denn der Gesetzgeber
sei gerade zur Schließung von Strafbarkeitslücken angehalten.11 Eine solche
Sichtweise fußt auf dem Wunsch, dass jede für strafwürdig gehaltene Verhaltens-
weise vom StGB erfasst werden muss, um entsprechende strafrechtliche Sank-
tionen zu ermöglichen. Kertai beschreibt, dass eine „Nicht-Strafbarkeit bei
gleicher Strafwürdigkeit [. . .] als Wertungswiderspruch und damit als Manko an-
gesehen wird“.12 Denn nur durch eine entsprechend weite Fassung der Straftatbe-
stände könne eine effektive Schließung solcher Strafbarkeitslücken erreicht wer-
den (siehe dazu a)–c)). Diese Vorgehensweise ermögliche einen umfassenden und
lückenlosen Rechtsgüterschutz. Hierbei ist allerdings bereits zweifelhaft, ob so
etwas wie Strafbarkeitslücken im Sinne des Wortlautes überhaupt existieren und
ob die Schließung etwaiger Lücken überhaupt legitim ist (siehe dazu II. 1.).13

10 Schlepper, Strafgesetzgebung in der Spätmoderne, S. 154 ff. erklärt, dass diese Be-

gründung „mitunter völlig kontextunabhängig“ eingesetzt wird; als Begründung heran-


gezogen zum Beispiel bei § 248c, vgl. Lackner/Kühl/Kühl, § 248c Rn. 1; siehe etwa
auch zur Erweiterung des Sexualstrafrechts zur Schließung von Strafbarkeitslücken NK-
StGB/Frommel, § 177 Rn. 99; außerdem handelt es sich um ein wiederkehrendes Argu-
ment in Bezug auf den strafrechtlichen Schutz von Sexworker*innen, vgl. dazu. Thiée,
KJ 2005, 387, 387 ff.
11 BVerfG, Beschl. v. 10.01.1995 1 BvR 718/89, 719/89, 722/89, 723/89 = BVerfGE

92, 1 = NJW 1995, 1141, 1143.


12 Kertai, JuS 2011, 976, 977.
13 Vormbaum, ZStW 2011, 660, 689; wobei die verfolgten Zwecke nicht isoliert von-

einander, sondern in einem inneren Zusammenhang betrachtet werden sollen: Große


Strafrechtskommission, Besonderer Teil, 91.–103. Sitzung, 1959, S. 268.
I. Mit Öffnungsklauseln verfolgte Ziele 25

a) Vermeidung von Gesetzesumgehungen

Ziel der Schließung von Strafbarkeitslücken ist es, gesetzesumgehendes Ver-


halten einzudämmen.14 Die Kreativität der Täter*innen solle gerade nicht durch
Straffreiheit honoriert werden.15 Eine solche Sichtweise ist nicht etwa neu, schon
Montesquieu konstatiert, dass Gesetze, die man umgehen kann, die Gesetzge-
bung schwächen.16 Fest steht, dass wenn Strafgesetze eine bestimmte Tatbege-
hung unter Strafe stellen, dies reflexhaft zur Folge hat, dass einige Handlungen
gerade nicht unter die Handlungsbeschreibung des Straftatbestandes fallen.17 Die
dadurch entstehenden Lücken eröffnen dann zumindest die Möglichkeit, dass
diese wissentlich ausgenutzt werden können, um eine Strafbarkeit bewusst zu
vermeiden.18 Wenn die Schließung von Strafbarkeitslücken gefordert wird, dann
meint dies auch die Vermeidung gesetzesumgehenden Verhaltens.
Der Einsatz von Öffnungsklauseln hätte dann zur Folge, dass sich Täter*innen
nicht der Strafbarkeit entziehen können, indem sie Verhaltensweisen wählen, die
zwar ebenso strafwürdig sind, wie die vom gesetzlichen Tatbestand beschriebe-
nen Verhaltensweisen, aber, weil diese Verhaltensweisen beim Gesetzgebungspro-
zess noch nicht bekannt waren oder nicht mitgedacht wurden, aufgrund des be-
grenzenden Wortlautes nicht unter den Straftatbestand fallen.
Grundsätzlich gilt, dass wenn der Gesetzgeber auf ein gesetzesumgehendes
Verhalten aufmerksam wird oder gerade auf eine technische Entwicklung, die
eine Ausweitung der Strafbarkeit erforderlich macht, reagieren will, dann ge-
schieht dies aus dem Wunsch, die Strafbarkeitslücken zu schließen. Im Rahmen
von Öffnungsklauseln findet aber ein vorgelagerter – quasi präventiver – Prozess
für solche Fälle statt. Es wird gerade nicht zunächst abgewartet, dass sich unhalt-
bare Lücken ergeben.

14 So wohl auch Stellungnahme des Deutschen Juristinnenbundes zur öffentlichen

Anhörung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz am 09.11.2016 zum Ent-
wurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Schutzes gegen Nachstellung Drs. 18/9946,
S. 2, abrufbar unter https://www.djb.de/presse/stellungnahmen/detail/st16-23/ [zuletzt
abgerufen am 12.11.2020]; ebenfalls Stellungnahme des Bundesrates zu BT-Drs. 16/
575 vom 08.02.2006, Anlage 2, abrufbar unter https://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/16/
005/1600575.pdf [zuletzt abgerufen am 12.11.2020].
15 Stellungnahme der Deutschen Justiz-Gewerkschaft (DJG) zum Entwurf eines Ge-

setzes zur Verbesserung des Schutzes gegen Nachstellung, S. 2, abrufbar unter https://
www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/Stellungnahmen/2016/Downloads/
04252016_Stellungnahme_djg_RefE_Stalking.pdf;jsessionid=AEB5D4D109E9ED9BB
02179469480E121.2_cid334?__blob=publicationFile&v=1 [zuletzt abgerufen am 11.11.
2020].
16 Montesquieu, Vom Geist der Gesetze, S. 407.
17 Schröder, Zum Begriff der Gesetzesumgehung im materiellen Strafrecht und sei-

ner Bedeutung für die praktische Anwendung des Rechts, S. 20.


18 Dieser Gedanke findet sich auch in Franz von Liszts Ausspruch des Strafgesetz-

buchs als „magna charta des Verbrechers“ wieder, vgl. Liszt, Strafrechtliche Vorträge
und Aufsätze, Bd. II, S. 80.
26 C. Legitimität der Begründungsansätze zum Einsatz von Öffnungsklauseln

Der Einsatz von Öffnungsklauseln dient auf diese Weise auch der „Pönalisie-
rung“ eines solchen gesetzesumgehenden Verhaltens.19

aa) Gesetzesumgehung im Strafrecht20

Die mit Gesetzesumgehung generell und auch im Strafrecht verbundenen Kon-


flikte beschreibt Teichmann zutreffend mit der Frage: „Was kann damit proble-
matisch sein, wenn zwar nicht gegen den Wortlaut aber gegen den Sinn eines
Gesetzes verstoßen wird?“ 21 Reisner definiert die Umgehung von Gesetzen an-
hand der aufgezeigten Problematik folgendermaßen:
„Bei der Umgehung belastender Normen werden die Voraussetzungen einer Norm
nicht erfüllt, so dass die Belastung als Rechtsfolge nicht eintritt. Nach dem Zweck
der Norm hätte diese Handlung jedoch auch von der belastenden Rechtsfolge erfasst
werden sollen. Aufgrund dieser mangelnden Übereinstimmung von Normvorausset-
zung und Normzweck liegt eine Regelungslücke vor, die durch Analogie geschlossen
werden könnte.“ 22
Diese Umschreibung verdeutlicht zum einen, was unter Gesetzesumgehung
verstanden werden kann und zum anderen die Problematik der Gesetzesumge-
hung im Bereich des Strafrechts. Grundsätzlich hätte der Gesetzgeber, wenn er
das (strafwürdige) Verhalten zum Zeitpunkt der Gesetzgebung gekannt hätte, die-
ses für strafbar erachtet und mit dem Wortlaut der Norm erfasst. Der Gesetzgeber
schafft insofern – unbewusst – Lücken der Strafbarkeit, da das gesetzesumge-
hende Verhalten grundsätzlich das Unrecht des Tatbestandes verwirklicht. Ein für

19 Bruns, GA 1986, 1, 32.


20 Das Problem der Gesetzesumgehung im Strafrecht stellt sich insbesondere im Rah-
men des Wirtschaftsstrafrechts (z. B. im Rahmen der AO und des Subventionsbetruges),
vgl. dazu insb. grundlegend Stöckel, Gesetzesumgehung und Umgehungsgesetze im
Strafrecht, 1966; Vogel, in: Bausteine des europäischen Wirtschaftsstrafrechts, S. 151
und Stöckel, ZRP 1977, 134; auf die Normqualität als Grund für Gesetzesumgehungen
verweisend: Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht, Rn. 283 ff.; ders., in: FS-Kühl, S. 735 ff.,
wonach Art. 103 Abs. 2 GG und der damit verbundene Wortlaut der Norm die Möglich-
keiten der Gesetzesumgehung bestimmt; LK-StGB/Dannecker, § 1 Rn. 263 ff.; außer-
dem umfassend Schröder, Zum Begriff der Gesetzesumgehung im materiellen Strafrecht
und seiner Bedeutung für die praktische Anwendung des Rechts, S. 33 ff.; umfassend
zum Begriff der Gesetzesumgehung vgl. Stöckel, Gesetzesumgehung und Umgehungs-
gesetze im Strafrecht, S. 9 ff.; Schröder, Zum Begriff der Gesetzesumgehung im mate-
riellen Strafrecht und seiner Bedeutung für die praktische Anwendung des Rechts,
S. 182 ff.; Bruns, GA 1986, 1, 4 zur Straffreiheit der Gesetzesumgehung; Stöckel, ZRP
1977, 134 ff., zur Möglichkeit der Vermeidung von Gesetzesumgehungen; Kudlich, in:
FS-Stöckel, S. 94 zum Zusammenhang von Wortlautgrenze und Gesetzesumgehung.
21 Teichmann, JZ 2003, 761, 762.
22 Reisner, Die Strafbarkeit von Schein- und Umgehungshandlungen in der EG,

S. 10; zur umfassenden Diskussion und dem Versuch der Bildung einer Definition vgl.
Schröder, Zum Begriff der Gesetzesumgehung im materiellen Strafrecht und seiner Be-
deutung für die praktische Anwendung des Rechts, 2013.
I. Mit Öffnungsklauseln verfolgte Ziele 27

strafwürdig – und bereits hier drängt sich die Frage auf, auf wessen Einschätzung
es bezüglich der Strafwürdigkeit eigentlich ankommt – zu erachtendes Verhalten
löst damit gerade nicht die ganz grundsätzlich intendierte Rechtsfolge aus, da
auch die bewusste Umgehung von Strafgesetzen im Strafrecht straffrei ist.23 Es
entsteht ein Spannungsfeld, welches von (vermeintlichen) Täter*innen bewusst
oder unbewusst (aus-)genutzt werden kann. Ein Fall der Gesetzesumgehung liegt
dabei vor, wenn Täter*innen sich vorsätzlich dieser Lücke bedienen, um einer
Bestrafung zu entgehen.24 Schröder beschreibt dies, als für das „Gerechtigkeits-
empfinden irritierend“.25 Durch eine solche Irritation motiviert, ergibt sich das
Bedürfnis, diese Lücken der Strafbarkeit zu schließen. Diese Lücken erscheinen
für einige durch die genaue Beschreibung der Verhaltensweisen in der vorliegen-
den Art der Gesetzgebung besonders prägnant, wenn im Anschluss darauf auf
eine Öffnungsklausel verzichtet würde. So böten Normen ohne Öffnungsklausel
die Möglichkeit, die dort beschriebenen Verhaltensweisen bewusst zu umgehen
und sich anderer, vergleichbarer Verhaltensweisen zu bedienen.26
Anders als in anderen Rechtsgebieten27 kann die Umgehung von Strafgesetzen
aufgrund des Analogieverbotes (Art. 103 Abs. 1 GG und § 1 StGB) nicht durch
einen Ähnlichkeitsschluss bewältigt werden.28 Dies schließt gerade auch eine
Übertragung von zivilrechtlichen Grundsätzen zur Gesetzesumgehung auf das
Strafrecht aus.29 Um diese häufig dennoch ungewollten Lücken zu schließen30
oder auch von vorneherein zu vermeiden, dass diese wohlweislich genutzt wer-
den, bedient sich der Gesetzgeber des Einsatzes von Umgehungsgesetzen.31 Da-

23 Vgl. Reisner, Die Strafbarkeit von Schein- und Umgehungshandlungen in der EG,

S. 5; Stöckel, ZRP 1977, 134, 135; so im Ergebnis auch Bruns, der sich mit einem Ur-
teil zur Umgehung des § 183 StGB a. F. mit der Gesetzesumgehung im Strafrecht aus-
einandersetzte, vgl. JZ 1956, 151.
24 Schröder, Zum Begriff der Gesetzesumgehung im materiellen Strafrecht und sei-

ner Bedeutung für die praktische Anwendung des Rechts, S. 236; Stöckel, Gesetzes-
umgehung und Umgehungsgesetze im Strafrecht, S. 149.
25 Schröder, Zum Begriff der Gesetzesumgehung im materiellen Strafrecht und sei-

ner Bedeutung für die praktische Anwendung des Rechts, S. 401.


26 Krey, Keine Strafe ohne Gesetz, S. 33; so auch Lemmel, Unbestimmte Strafbar-

keitsvoraussetzungen im besonderen Teil des Strafrechts, S. 29.


27 Allgemein zur Verhinderung von Gesetzesumgehungen insbesondere im Zivilrecht

s. Sieker, Umgehungsgeschäfte, S. 58 ff.; hier gilt gerade nicht der Grundsatz, dass jede
Rechtsnorm zugleich auch die Umgehung verbietet, vgl. Bruns, JZ 1956, 147.
28 Dies gilt selbstredend nicht für die Zeit des Nationalsozialismus, in der das Analo-

gieverbot im Strafrecht außer Kraft gesetzt wurde, vgl. dazu Fitting, Analogieverbot
und Kontinuität, S. 58 ff.
29 Bruns, JZ 1956, 152.
30 Eine solche Lückenschließung wird dabei insbesondere im Bereich der Wirt-

schafts- und sog. White-Collar-Kriminalität gefordert, vgl. Bruns, GA 1986, 1, 2.


31 Dies zeigt bereits auf, dass Umgehungsgesetze in Konflikt mit dem Analogie-

verbot geraten können. Diese scheinen zumindest ihrerseits dieses Verbot umgehen zu
wollen.
28 C. Legitimität der Begründungsansätze zum Einsatz von Öffnungsklauseln

bei kann zwischen ausdrücklichen32 und sog. verschleierten Umgehungsstrafge-


setzen33 differenziert werden.34 Ausdrückliche Umgehungsgesetze zeichnen sich
dabei nach Schröder35 dadurch aus, dass diese das Wort der Gesetzesumgehung
in ihrem Wortlaut enthalten. Anders verhält es sich hingegen mit den verschleier-
ten Umgehungsgesetzen. Diese verfolgen das Ziel der Eindämmung gesetzes-
umgehender Verhaltensweisen durch eine Ausweitung der Strafbarkeit anhand
der Verwendung von Generalklauseln, die das Wort „Gesetzesumgehung“ nicht
ausdrücklich nennen.

bb) Öffnungsklauseln als verschleierte Umgehungsgesetze

Bei Normen, die sich einer Öffnungsklausel bedienen, könnte es sich gerade
um solche verschleierten Umgehungsgesetze handeln, was wiederum auf die Ille-
gitimität des damit verfolgten Ziels hinweisen dürfte.36 Diese öffnen gerade den
Tatbestand für nicht näher bezeichnete Verhaltensweisen durch die Möglichkeit
eines Ähnlichkeitsschlusses. Dabei gehen Öffnungsklauseln auf diese Weise ge-
rade anders vor als klassische Generalklauseln, die sich besonders konkretisie-
rungsbedürftiger Regelungen bedienen.
Dies legt den Schluss nahe, dass damit auch das vorsätzlich gesetzesumge-
hende Verhalten bestraft werden soll. Ob es sich dabei um Umgehungsgesetze
handelt, ist aber nicht abschließend geklärt. Teilweise wird, insbesondere in Hin-
blick auf § 315 Abs. 1 Nr. 4 StGB und § 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB angeführt, dass
sich aus der Gesetzesbegründung nicht ergibt, dass die Norm gerade der Vermei-
dung vorsätzlicher Gesetzesumgehungen dienen soll und auch in der Praxis der
Anwendung dieser Norm der Anwendungsbereich in Bezug auf die bewusste
Umgehung eher gering einzuschätzen sei.37
Allerdings kann die konkrete Form der Gesetzgebung auch als bewusst ge-
wähltes Mittel zur „Bekämpfung von GU [Gesetzesumgehungen]“ 38 eingestuft

32 Ein solches ausdrückliches Umgehungsgesetz fand sich z. B. in § 5 HiWG.


33 Diese Formulierung geht auf Stöckel zurück, der die Öffnungsklausel von § 315
Abs. 1 Nr. 4 StGB erstmals als Umgehungsgesetz einordnete, vgl. Stöckel, Gesetzes-
umgehung und Umgehungsgesetze im Strafrecht, S. 145.
34 Schröder, Zum Begriff der Gesetzesumgehung im materiellen Strafrecht und sei-

ner Bedeutung für die praktische Anwendung des Rechts, S. 179; so auch Reisner, Die
Strafbarkeit von Schein- und Umgehungshandlungen in der EG, S. 8; zu den grundsätz-
lichen Möglichkeiten der Bekämpfung von Gesetzesumgehungen im Strafrecht vgl.
Stöckel, ZRP 1977, 134.
35 A. a. O.
36 So auch Stöckel, Gesetzesumgehung und Umgehungsgesetze im Strafrecht, S. 145.
37 Schröder, Zum Begriff der Gesetzesumgehung im materiellen Strafrecht und sei-

ner Bedeutung für die praktische Anwendung des Rechts, S. 180.


38 Bruns, GA 1986, 1, 14; so auch Stöckel, Gesetzesumgehung und Umgehungsge-

setze im Strafrecht, S. 149.


I. Mit Öffnungsklauseln verfolgte Ziele 29

werden. Die Gesetzesbegründung zu § 238 Abs. 1 Nr. 8 StGB in Bezug auf die
Einführung und schließlich der Beibehaltung einer Generalklausel legt diesen
Schluss nahe. Hier wurde die Öffnungsklausel eingesetzt, um der Vielgestaltig-
keit des Phänomens Herr zu werden. Dies zeigt, dass davon ausgegangen wird,
dass sich die für strafbar zu erachtenden Verhaltensweisen nicht abschließend
aufzählen lassen. In den Stellungnahmen wird teilweise davon gesprochen, die
Kreativität der Täter*innen nicht zu belohnen.39 Insbesondere das Motiv des
Schließens von Strafbarkeitslücken40 bezieht sich zunächst auf alle erdenklichen
Lücken und damit auf solche, die unbewusst aber auch auf solche, die bewusst
genutzt werden. Hier findet gerade keine weitere Differenzierung durch den Ge-
setzgeber statt, was für eine weite Auslegung des verfolgten Zweckes spricht.
Wenn auf Grundlage der einzelnen Stellungnahmen die Aufnahme oder Bei-
behaltung von Öffnungsklauseln befürwortet wurde, kann daraus geschlossen
werden, dass dadurch verhindert werden soll, dass Täter*innen bewusst solche
Verhaltensweisen wählen, die nicht durch die tatbestandliche Umschreibung kri-
minalisiert wurden.
Es ist nicht ersichtlich, warum der Gesetzgeber dieses Motiv nur auf die unbe-
wusste Umgehung von Strafgesetzen habe anwenden wollen. Auch wenn die Ver-
hinderung von Gesetzesumgehungen nicht die alleinige Zielsetzung bei der Ver-
wendung dieser Art der Gesetzgebung darstellt, so kann doch davon ausgegangen
werden, dass dies zumindest einen Punkt im Rahmen eines Motivbündels41 des
Gesetzgebers beim Einsatz von Öffnungsklauseln darstellt.
Auch kann aus dem, den Gesetzgebungsprozess nachgelagerten, tatsächlichen
Anwendungsbereich allein noch nicht die Intention des Gesetzgebers zum Zeit-
punkt der Gesetzgebung hergeleitet werden. Schließlich werden Gesetze gerade
aus der ex-ante Perspektive begründet. Außerdem stellt Schröder dabei auch le-
diglich die Vermutung auf, dass die Fälle der bewussten Gesetzesumgehung in
der Minderheit seien.42 Selbst, wenn dies der Fall sein sollte, kann die Legisla-
tive dennoch zum Zeitpunkt der Gesetzgebung die bewusste Gesetzesumgehung
zu verhindern gesucht haben. Auch Bruns sieht den Einsatz von Öffnungsklau-

39 Stellungnahme der Deutschen Justiz-Gewerkschaft (DJG) zum Entwurf eines Ge-

setzes zur Verbesserung des Schutzes gegen Nachstellung, S. 2, abrufbar unter https://
www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/Stellungnahmen/2016/Downloads/
04252016_Stellungnahme_djg_RefE_Stalking.pdf;jsessionid=AEB5D4D109E9ED9BB
02179469480E121.2_cid334?__blob=publicationFile&v=1 [zuletzt abgerufen am 11.11.
2020].
40 Stellungnahme des Bundesrates zu BT-Drs. 16/575 vom 08.02.2006, Anlage 2,

abrufbar unter https://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/16/005/1600575.pdf [zuletzt abge-


rufen am 12.11.2010].
41 Hirsch beschreibt den Gesetzgeber dabei insgesamt als vom Lückenlosigkeitswahn

getrieben, vgl. J. Hirsch, in: FS-Puppe, S. 117.


42 Schröder, Zum Begriff der Gesetzesumgehung im materiellen Strafrecht und sei-

ner Bedeutung für die praktische Anwendung des Rechts, S. 180.


30 C. Legitimität der Begründungsansätze zum Einsatz von Öffnungsklauseln

seln als bewusste Gegenmaßnahme zur Vermeidung von Gesetzesumgehungen.43


Er verweist dabei insbesondere auf den „gedanklichen Zusammenhang von Ge-
setzesumgehung, Ähnlichkeit und Analogie“, die in diesen Normen geradezu
„offensichtlich ist“.44 Stöckel nennt in seinen Ausführungen zur Bekämpfung
von Gesetzesumgehungen im Strafrecht diese „verschleierten Umgehungsge-
setze“ 45 ausdrücklich als ein eingesetztes – wenn auch umstrittenes – Mittel.
Dies spricht dafür, davon auszugehen, dass der Gesetzgeber bei Schaffung der
Normen auch, wenn auch nicht ausschließlich, Gesetzesumgehungen verhindern
wollte und es sich bei Öffnungsklauseln um solche verschleierten Umgehungsge-
setze handelt. Damit ist an dieser Stelle allerdings nur eine Aussage über die ge-
wählten Begründungsansätze und nicht bereits über die Tragfähigkeit eben jener
gesagt (dazu unter Kap. D. II.).

b) Schaffung von Flexibilität in Bezug auf die Rechtsprechung

Als ein weiteres Motiv für die Wahl von Öffnungsklauseln als gestalterisches
Mittel des Gesetzgebers wird die Beibehaltung der Flexibilität in der Rechtsfin-
dung bzw. die flexible Handhabung der strafrechtlichen Vorschriften genannt.46
Eine flexible Möglichkeit der Handhabung der gesetzlichen Regelung könnte
dabei zu einer Effizienzsteigerung des Strafsystems beitragen, indem auf lang-
wierige Gesetzgebungsverfahren im Zweifel verzichtet würde, um strafwürdiges
Verhalten rechtlich zu erfassen. Es wird darauf verwiesen, dass ein von vorneher-
ein sprachlich genauer und allumfassender Ausdruck eben nicht möglich sei.47
Folglich kann Flexibilität im Strafrecht einmal durch eine Entformalisierung
des Strafverfahrens48 aber auch durch eine offene Gestaltung und Erweiterung
von Straftatbeständen49 erreicht werden. Öffnungsklauseln in Straftatbeständen be-

43 Bruns, GA 1986, 1, 9.
44 Bruns, GA 1986, 1, 9; zum Verhältnis von Öffnungsklauseln und dem Analogie-
verbot vgl. V. 4.
45 Stöckel, ZRP 1977, 134, 136; ebd., Gesetzesumgehung und Umgehungsgesetze im

Strafrecht.
46 Vgl. dazu und zur Ökonomisierung des Strafverfahrens allgemein: Singelnstein,

KJ 2011, 7, 15; zur Notwendigkeit von Flexibilität vgl. Hassemer, Einführung in die
Grundlagen des Strafrechts, S. 165; zur Auswirkung der Flexibilität insbesondere durch
den Einsatz von Regelbeispielen vgl. Naucke, KritV 1999, 336 f.
47 Naucke, Über Generalklauseln und Rechtsanwendung im Strafrecht, S. 15; zum

Argumentationstopos der Flexibilität in der Regelbeispielstechnik vgl. Naucke, KritV


1999, 336; Zipf, Kriminalpolitik, S. 54 f., wonach Maximen staatlichen Handelns vor
allem „Rationalität, Praktikabilität und Effektivität“ sind; zur „Flexibilisierung der Straf-
verfolgung“, vgl. Kunz, KritV 2021, 252; Leisner, Effizienz als Rechtsprinzip, S. 402 f.
48 Vgl. zu beiden Verfahren eingehend und kritisch P.-A. Albrecht, KritV 1993, 163.
49 Dabei ist insbesondere die Vorverlagerung durch die Umwandlung von Erfolgs- in

Gefährdungsdelikte zu nennen.
I. Mit Öffnungsklauseln verfolgte Ziele 31

ziehen sich dabei lediglich auf das materielle Strafrecht. Eine solche Einführung
von Flexibilität wird insoweit teilweise als logische Konsequenz eines liberalen
Regierungsstils verstanden50 und als Kennzeichen für ein modernes Strafrecht,
welches auf die „wechselnden Strömungen angemessen antworten [kann]“51, ge-
wertet.

aa) Verengter Entscheidungsspielraum der Judikative im Strafrecht

Grundsätzlich können Richter*innen im Rahmen eines Strafverfahrens zur


Feststellung der Strafbarkeit einer Person nur solche Sachverhalte unter ein Ge-
setz subsumieren, bei denen die Auslegung des Tatbestandes ergibt, dass diese
konkreten Fälle von der Norm erfasst werden.52 Im Strafrecht begrenzt der Wort-
laut einer Norm deren Anwendungsbereich, der sich durch Auslegung ergibt. Da-
mit ist grundsätzlich nicht ausgeschlossen, dass Verhaltensweisen oder auch tech-
nische Entwicklungen, die im Zeitpunkt der Gesetzgebung noch nicht erkennbar
waren, sich nicht unter den Tatbestand subsumieren lassen, vorausgesetzt, der
Wortlaut der Norm steht einer solchen Rechtsanwendung nicht entgegen.53 Alles
andere würde dazu führen, dass das Recht laufend durch Gesetzesänderungen
angepasst werden müsste. Dennoch sind bei der Anwendbarkeit der Norm im
Strafrecht durch das Analogieverbot (Art. 103 Abs. 2 GG, § 1 StGB), also dem
Verbot einer entsprechenden Rechtsanwendung, Grenzen gesetzt.54 Lässt der
Wortlaut, etwa weil dieser besonders eng gefasst wurde, keine solche Auslegung
zu, sind den Richter*innen im Rahmen der Rechtsanwendung durch das Analo-
gieverbot im Strafrecht die Hände gebunden.55 Dies kann im Zweifel dazu füh-
ren, dass Sachverhalte sich nicht mehr unter die Normen subsumieren lassen,56

50 Singelnstein, KJ 2011, 7, 14.


51 Hassemer, ZRP 1992, 378, 382.
52 Maunz/Dürig/Grzeszick, Art. 20 V. Rn. 100.
53 Eine streng historische Betrachtungsweise vertritt, soweit ersichtlich, nur Naucke,

Zur Lehre vom strafbaren Betrug, S. 202.


54 Hier liegt ein wesentlicher Unterschied des Strafrechts, wie wir es heute kennen,

im Vergleich zum Strafrecht zur Zeit des Nationalsozialismus vor, welches bereits die
Bedeutung dieser gesetzlichen Regelung herausstreicht, vgl. dazu insgesamt: Naucke,
Über die Zerbrechlichkeit des rechtsstaatlichen Strafrechts, S. 301 ff.; zur Abgrenzung
von Auslegung und Analogie vgl. in dieser Arbeit Kap. D. V.
55 Vgl. dazu Krahl, Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des

Bundesgerichtshofs zum Bestimmtheitsgrundsatz im Strafrecht, S. 306, Krahl nennt


dazu als Beispiel die Entziehung elektrischer Energie (RGST 29, 111) und das Erschlei-
chen von Leistungen an Automaten (RG 18.12.1933 – 2 D 462/33, RGSt 68, 65 ff.);
bzgl. der Entziehung von Strom heißt es im Urteil des Reichsgerichts: „Wenn es als ein
Bedürfnis des heutigen Rechtslebens anerkannt werden müßte, die widerrechtliche An-
eignung elektrischen Stromes unter strafrechtliche Bestimmungen zu stellen, so wird
deren Erlaß Aufgabe der Gesetzgebung sein.“
56 Z. B. im Bereich des technischen Fortschritts Schumann, in: Strafbegründung und

Strafeinschränkung als Argumentationsmuster, S. 59.


32 C. Legitimität der Begründungsansätze zum Einsatz von Öffnungsklauseln

wie z. B. im Falle der Entziehung elektrischen Stroms: Hier war und ist der Wort-
laut des § 242 StGB so gefasst, dass sich der Sachverhalt, namentlich der elek-
trische Strom, gerade nicht mehr unter das Tatbestandsmerkmal Sache des § 242
StGB subsumieren ließ. Hier hatte der Gesetzgeber gerade nicht (rechtzeitig) rea-
giert und hinterließ damit – unbewusst – eine Lücke.57 Bei einer entsprechend
engen Fassung der Tatbestände kann folglich eine Anpassung des Rechts an ver-
änderte Verhältnisse erforderlich sein.

bb) Erweiterung des Entscheidungsspielraums durch Öffnungsklauseln

Dieser – vermeintliche und noch näher zu untersuchende – Missstand, dass


eine gesetzgeberische Intervention zur Fortentwicklung nötig sei, soll dabei
durch den Einsatz von Öffnungsklauseln behoben werden.58 Die Judikative soll
durch die Öffnung des Tatbestandes gerade schnell und unkompliziert auf sich
ändernde Verhältnisse reagieren können. Es werde angestrebt, dass die „Tole-
ranzgrenzen des liberalen Freiheitsraumes [. . .] flexibel, dynamisch und tempo-
rär“ 59 sein sollen. Die damit verbundene geringere „gesetzliche Bindung“ werde
durch ein „Mehr an Macht für das gesamte Kriminaljustizsystem“ 60 ausgegli-
chen. Auf diese Weise würden Handlungs- und Entscheidungsspielräume für die
Judikative geschaffen.61 Bereits an dieser Stelle deutet sich ein Konflikt mit dem
soeben genannten Analogieverbot und dem Grundsatz der Gesetzesbindung im
Strafrecht an, der an anderer Stelle erörtert werden wird.62
Durch Öffnungsklauseln solle gerade kein vorgeschaltetes Gesetzgebungsver-
fahren nötig sein, welches mit einem erheblichen Zeitaufwand und einer entspre-
chenden Verzögerung verbunden ist und welches auch immer das Risiko in sich
birgt, dass eine solche Änderung der Gesetzeslage gerade keine entsprechende
Mehrheit im Parlament finden würde. Es würde ein Zustand entstehen, in dem
ein unter Umständen vom Gesetzgeber für strafbar zu erachtendes Verhalten ge-
rade noch nicht unter Strafe steht – also abermals ein Fall der Strafbarkeitslücke
vorliegt – und die*derjenige, die*der scheinbares Unrecht begangen hat, auf-
grund des Rückwirkungsverbotes für seine Verhaltensweise nicht bestraft werden
könnte (Art. 20 Abs. 1, S. 3 GG). Mit einer erhöhten Flexibilität des Strafrechts

57 Siehe dazu die Entscheidung des Reichsgerichts zur Entziehung von Strom, vgl.

RGST 29, 111.


58 Vgl. dazu in dieser Arbeit Kap. C. II. 1.; zum Entscheidungsspielraum des Strafge-

setzgebers hingegen vgl. NK-StGB/Hassemer/Neumann, Vorbm. § 1 Rn. 85; zu Flexibi-


lität und Entscheidungsspielräumen vgl. auch Hassemer, ZRP 1992, 378, 381.
59 Singelnstein, KJ 2011, 7, 13.
60 P.-A. Albrecht, KritV 1993, 163, 165.
61 Singelnstein, KJ 2011, 7, 13.
62 Vgl. dazu in dieser Arbeit D. V. und VIII.
I. Mit Öffnungsklauseln verfolgte Ziele 33

werde die Hoffnung auf eine Effektivitätssteigerung verbunden.63 Dabei wird von
einer sog. Ökonomisierung des Handelns gesprochen.64 An dieser Stelle deutet
sich außerdem bereits an, dass diese Umgehung der Entscheidungsfindung des
Gesetzgebers nicht ohne Weiteres als Begründung herangezogen werden kann
und eine solche Art der Gesetzgebung die Art. 103 Abs. 2 GG innewohnende
Wertung – auch in Bezug auf die Aufgabenverteilung – umgeht.
Wenn also die Judikative nicht mehr an bestimmte numerisch aufgezählte Ver-
haltensweisen gebunden ist, dann steht ihr durch eine Öffnungsklausel gerade
frei, das entsprechende Verhalten unter diesen Tatbestand zu subsumieren und
damit zu einer Strafbarkeit zu kommen.65 Dies soll im Ergebnis dafür sorgen,
dass das Strafrecht nicht starr und kasuistisch ist und sich verändernden Verhält-
nissen ohne vorgeschaltetes Gesetzgebungsverfahren anpassen kann.
Aber auch Konstellationen, bei denen der Gesetzgeber keinen politischen Kon-
sens erreichen konnte, könnten dann der „justiziellen Entwicklung“ überlassen
werden.66 Probleme mit der Aufgabenteilung zwischen Legislative, als derjeni-
gen Gewalt, die abstrakt-generell über Strafbarkeit entscheiden soll und der Judi-
kative als Anwenderin dieser Regeln auf den konkreten Einzelfall würden so
durch eine Entscheidung des Gesetzgebers umgangen.67 Insbesondere die Fort-
entwicklung von Gesetzen sei danach durch ein flexibel formuliertes Strafrecht
gewährleistet.68 Rein deskriptive Gesetze könnten hingegen im Ergebnis dazu
führen, dass ein „kriminalpolitischer Stillstand“ entstehen würde.69
Bereits hier deutet sich aber an, dass Flexibilität nur auf Kosten der strikten
Aufgabentrennung erreicht werden kann und die Entscheidung über Strafbarkei-
ten der Judikative überlassen wird und sich ein Konflikt mit Art. 20 Abs. 3 und
Art. 103 Abs.2 GG aufdrängt. Hassemer beschreibt dies so, dass jede gesetzgebe-
rische Entscheidung eine Entscheidung auf der Skala von Flexibilität und Präzi-
sion darstellt.70 Ob es sich dann dabei überhaupt noch um eine legitime Begrün-
dung handeln kann, wird an anderer Stelle erörtert.71

63 P.-A. Albrecht, KritV 1993, 163, 166.


64 Singelnstein, KJ 2011, 7, 13.
65 Singelnstein spricht dabei davon, dass „Staatsanwälte und Richter zu ,Unterneh-

mer ihrer selbst‘ “ werden, vgl. KJ 2017, 7, 13.


66 Hassemer, Einführung in die Grundlagen des Strafrechts, S. 256.
67 Zum Konflikt mit dem Grundsatz der Gewaltenteilung siehe Kap. D. VIII.
68 Hassemer, Einführung in die Grundlagen des Strafrechts, S. 256; für Fälle von

Blankettverweisungen im Strafrecht, vgl. Wagner, in: Strafrecht als interdisziplinäre


Wissenschaft, S. 99, 113.
69 Bringewat, Grundbegriffe des Strafrechts, S. 88.
70 Hassemer, Einführung in die Grundlagen des Strafrechts, S. 256.
71 Vgl. dazu Kap. C. II. 1. d).
34 C. Legitimität der Begründungsansätze zum Einsatz von Öffnungsklauseln

c) Opferschutz und Wahrung von Opferinteressen

Eine Öffnung des Tatbestandes und damit eine Erweiterung der für strafbar zu
erachtenden Handlungen wird auch mit dem Gedanken des Opferschutzes be-
gründet.72 So weist die Opferschutzorganisation „Der Weiße Ring“ im Rahmen
ihrer Stellungnahme darauf hin, dass es im Falle einer potentiellen Streichung
der Öffnungsklausel zu erheblichen Schutzlücken käme und dies zu einer Ver-
schlechterung des Strafrechtsschutzes für die Opfer führen würde.73 Die Verwen-
dung von Öffnungsklauseln enthalte demnach auch eine Gerechtigkeitskomponen-
te und soll durch ihre Ausweitung der (Wieder-)Herstellung ebendieser dienen.
Diese Hinwendung des Strafrechts in Richtung Opferschutz zeichnete sich in
den letzten Jahrzehnten ab.74 Bei dieser Entwicklung handelt es sich aber unstrei-
tig um eine Hinwendung zum bereits betroffenen Tatopfer. Das „potentielle Tat-
opfer“ war hingegen im Rahmen der positiven Generalprävention schon lange
Zeit im Fokus der Gesetzgebung.75 Dadurch rückten nicht mehr – wie bis dato

72 Auch hier stellt Schlepper einen Anstieg der sog. „opferorientierten Gesetzesbe-

gründungen fest“, vgl. Schlepper, Strafgesetzgebung in der Spätmoderne, S. 123; zum


Opferschutz im Strafrecht vgl. auch Kertai, Sicherheit, Risiko und Opferschutz, 2013;
Kilchling, Opferschutz innerhalb und außerhalb des Strafrechts, S. 25 ff. insbesondere
in Bezug auf das Verfahrensrecht und Schroth/Schroth, Die Rechte des Verletzten im
Strafprozess; historisch: J. Hermann, ZIS 2010, 236; Schädler, in: Ambivalenzen der
Opferzuwendung im Strafrecht, S. 51, 53, der auf die Bedeutung der Beteiligung des
Opfers im Strafverfahren hinweist; zur Rolle des Opfers in der Straftheorie vgl. Hörnle,
JZ 2006, 950 ff. und Anders, ZStW 124 (2012), 374, 393 ff.; zu Frauen als Opfer im
Strafrecht und insbesondere zur besonderen Betroffenheit bestimmter Deliktsgruppen
vgl. Harzer, in: Geschlecht im Recht, S. 96 ff.; Hoffmann-Riem, Kriminalpolitik ist Ge-
sellschaftspolitik, S. 138; für eine stärkere Berücksichtigung des Opfers im materiellen
Strafrecht und Strafverfahrensrecht vgl. Neumann, in: Strafrechtspolitik, S. 225, 252.
73 Stellungnahme zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Schutzes ge-

gen Nachstellung des Weißen Rings, abrufbar unter https://www.bmjv.de/SharedDocs/


Gesetzgebungsverfahren /Stellungnahmen/2016/Downloads/05062016_Stellungnahme_
Weisser_Ring_RefE_Stalking.pdf?__blob=publicationFile&v=1 [zuletzt abgerufen am
10.11.2020]; so auch die CDU im Beratungsverlauf zum Gesetzentwurf der Bundesre-
gierung, S. 20998, abrufbar unter https://dipbt.bundestag.de/dip21/btp/18/18209.pdf#P.
20976 [zuletzt abgerufen am 10.11.2020]; so auch Stellungnahme der Deutschen Justiz-
Gewerkschaft (DJG) zum Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Schutzes gegen
Nachstellung, S. 3, abrufbar unter https://www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzgebungsver
fahren/Stellungnahmen/2016/Downloads/04252016_Stellungnahme_djg_RefE_Stalking.
pdf?__blob=publicationFile&v=1 [zuletzt abgerufen am 10.11.2020]; Stellungnahme
des bff: Frauen gegen Gewalt e.V., S. 3, abrufbar unter https://www.bmjv.de/Shared
Docs/Gesetzgebungsverfahren/Stellungnahmen/2016/Downloads/05042016_Stellungnah
me_bff_RefE_Stalking.pdf?__blob=publicationFile&v=1 [zuletzt abgerufen am 10.11.
2020].
74 Zu den grundsätzlichen Entwicklungen im Strafrecht und Strafprozessrecht in Be-

zug auf die Hinwendung zum Opfer siehe Jung, ZRP 2000, 159 ff.; siehe auch zur Ge-
schichte der Viktimologie: Sautner, Viktimologie, S. 5 ff.; Hassemer/Reemtsma, Verbre-
chensopfer, S. 13 ff.
75 Seelmann, JZ 1989, 670.
I. Mit Öffnungsklauseln verfolgte Ziele 35

üblich – die*der Täter*in in den Mittelpunkt des Strafrechts und des Strafverfah-
rens, sondern es erfolgte eine Fokussierung auf die Interessen und Bedürfnisse
des Opfers.76 Diese Hinwendung lässt sich auch in den Argumentationslinien im
Rahmen des Einsatzes von Öffnungsklauseln erkennen.77 Ob aber der pauschale
Verweis auf diese Interessen den Einsatz von Öffnungsklauseln legitimieren
kann, erscheint aufgrund der Vagheit des Begriffs zumindest zweifelhaft und
wird anderer Stelle genauer erläutert.78

2. Schaffung absoluter Gerechtigkeit

Öffnungsklauseln im Strafrecht sollen außerdem durch ihren weiten Anwen-


dungsbereich der Schaffung von absoluter Gerechtigkeit dienen.79 Grundsätzlich
ist die Schaffung von Gerechtigkeit, insbesondere im Hinblick auf das Rechts-
staatsprinzip, ein erstrebenswertes Ziel.80 Gesetze sollten einem gleichberechtig-
ten und friedlichen Zusammenleben in der Gesellschaft dienlich und auf diese
Weise der Gerechtigkeit unterworfen sein. Bereits an dieser Stelle kann aber dar-
auf verwiesen werden, dass dies nicht gleichwohl für den Absolutheitsanspruch
von Gerechtigkeit gelten kann.81
Der Erreichung von Gerechtigkeit könnten Öffnungsklauseln auch dienlich
sein, indem sie der Judikative die Möglichkeit bieten „offensichtlich ungerechte
Entscheidungen des Gesetzgebers zu korrigieren“.82 Denn wenn davon ausgegan-
gen wird, dass die Verwendung von Kasuistik im Strafrecht aufgrund des regel-

76 Zur sog. Viktimologie siehe umfassend: Görgen, in: Handbuch der forensischen

Psychiatrie, S. 236 ff.


77 Durch die generelle Einführung des § 238 StGB sollten insbesondere die Opfer-

rechte gestärkt werden, welche durch das GewaltSchG nicht als ausreichend gesichert
angesehen wurden, vgl. dazu Gropp, Neue Kriminalpolitik 2002, 112 ff.; ebenfalls Stel-
lungnahme des Bundesrates zu BT-Drs. 16/575 vom 08.02.2006, Anlage 2, abrufbar
unter https://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/16/005/1600575.pdf [zuletzt abgerufen am
12.11.2020]; so auch die Stellungnahme der Fraktion der SPD zur Streichung der Gene-
ralklausel in Bezug auf die Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für
Recht und Verbraucherschutz (6. Ausschuss) BR-Drs. 18/10654 vom 14.12.2016, S. 4:
„Die Fraktion der SPD wies die Bedenken insbesondere aus Opferschutzgesichtspunk-
ten als nicht nachvollziehbar zurück.“; so auch Stellungnahme zu dem Entwurf eines
Gesetzes zur Verbesserung des Schutzes gegen Nachstellung des Weißen Rings, abruf-
bar unter https://www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/Stellungnahmen/
2016/Downloads/05062016_Stellungnahme_Weisser_Ring_RefE_Stalking.pdf?__blob=
publicationFile&v=1 [zuletzt abgerufen am 10.11.2020].
78 Vgl. dazu in dieser Arbeit Kap. C. II.
79 Stöckel, Gesetzesumgehung und Umgehungsgesetze im Strafrecht, 1966, S. 137;

Krey, Keine Strafe ohne Gesetz, S. 15.


80 Höffe, Politische Gerechtigkeit, S. 17, der Gerechtigkeit als einen „Leitgedanken

der Zeit“ beschreibt; Kröpil, JR 2013, 553, 554.


81 Vgl. dazu in dieser Arbeit Kap. C. II. 2.
82 Lenckner, JuS 1968, 249, 255.
36 C. Legitimität der Begründungsansätze zum Einsatz von Öffnungsklauseln

mäßig eng gefassten Wortlautes gerade zu einer Missachtung der Gerechtigkeit


führt, könnte der Schluss nahe liegen, dass durch eine Erweiterung des Anwen-
dungsbereichs auch eine gerechtere Entscheidung getroffen werden kann. Mit
dem Einsatz von Öffnungsklauseln wird insofern die Hoffnung verbunden, dass
eine Ausweitung der strafbaren Handlung eine bessere Wahrung insbesondere
der Rechte des Opfers zur Folge hat und dadurch ein Zustand absoluter Gerech-
tigkeit hergestellt werden könnte. Erscheint den Richter*innen ein Verhalten also
in gleicher Weise strafwürdig, könne sie*er auf diesem Wege das Verhalten unter
den Straftatbestand subsumieren. Diesem Vorgehen wird zugegeben, dass es eine
umfassende Bestrafung der Täter*innen ermögliche, die ansonsten trotz vorwerf-
barem Verhalten, straffrei davonkommen könnten. So könne zweckmäßig und
flexibel auf Änderungen der tatsächlichen Verhältnisse reagiert werden. Aus ei-
nem solchen zweckmäßigen Vorgehen könne gerade die Gerechtigkeit folgen.83
Auch für den Fall, dass die unter den Anwendungsbereich der Öffnungsklausel
fallenden Verhaltensweisen bereits von anderen Tatbeständen erfasst werden,
wird zum Teil vertreten, dass nur auf diese Art und Weise das gesamte Unrecht
angemessen erfasst werden kann und durch eine Aufspaltung die Arbeit der
Strafverfolgungsbehörden erschwert würde.84 Folglich könne es sich bei Öff-
nungsklauseln, um die – zumindest für das Tatopfer und die Gesellschaft – ge-
rechteste Lösung handeln. Wie noch darzulegen sein wird kann der Argumenta-
tionstopos der Gerechtigkeit nicht ohne Weiteres zur Begründung herangezogen
werden.85

II. Tragfähigkeit der gewählten Begründungsansätze

Nachdem nun die Schließung von Strafbarkeitslücken und die Schaffung von
Gerechtigkeit als typische Begründungsmuster für den Einsatz von Öffnungs-
klauseln herausgearbeitet wurden, ist im folgenden Abschnitt zu fragen, wie
diese Begründungsansätze aus verfassungs- bzw. strafrechtlicher Perspektive zu
bewerten sind. Grundsätzlich kann die gesetzgebende Gewalt die Zwecke ihres
Handelns zwar selbst bestimmen86 und dem Gesetzgeber wird insofern eine
weite Einschätzungsprärogative zugestanden.87 Dennoch darf eine gegebene Be-
gründung selbstverständlich nicht wahllos erfolgen. Das folgt für das Strafrecht
bereits aus dem Ultima-Ratio-Grundsatz, wonach aufgrund der Schwere des

83 Naucke, KritV 1993, 157.


84 Stellungnahme der BAGFW zum Referentenentwurf, S. 2, abrufbar unter https://
www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/Stellungnahmen/2016/Downloads/
05042016_Stellungnahme_BAGFW_RefE_Stalking.pdf?__blob=publicationFile&v=1
[zuletzt abgerufen am 10.11.2020].
85 Siehe dazu unter Kap. C. II. 2.
86 Maunz/Dürig/Grzeszick, Art. 20 VII. Rn. 111.
87 Appel, Verfassung und Strafe, S. 182.
II. Tragfähigkeit der gewählten Begründungsansätze 37

staatlichen Eingriffs ein gesteigertes Legitimationsbedürfnis besteht.88 Die fol-


gende Betrachtung wird insoweit zeigen, dass die beiden Hauptbegründungsan-
sätze für den Einsatz von Öffnungsklauseln durchaus problematisch sind.

1. Schließung von Strafbarkeitslücken

Inwieweit die Schließung von Strafbarkeitslücken als tragfähiger Begrün-


dungsansatz betrachtet werden kann, hängt im Wesentlichen davon ab, in wel-
chem Zusammenhang dieser Zweck zum fragmentarischen Charakter des Straf-
rechts steht (dazu unter a)) und inwieweit eine solche Schließung Opferschutz-
gesichtspunkten Rechnung trägt (dazu unter e)). Darüber hinaus könnte auch
im Hinblick auf die Wirksamkeit von Strafrecht eine Argumentation in Bezug
auf die Schließung von Strafbarkeitslücken kritisch zu betrachten sein (dazu
unter b)).

a) Schließung von Strafbarkeitslücken und der fragmentarische Charakter


des Strafrechts im Allgemeinen

Auch wenn der Gesetzgeber gerade zur Schließung dieser Lücken ermächtigt
ist,89 muss die allgemeine Argumentation der Schließung von Strafbarkeitslücken
kritisch betrachtet werden.90 Denn dieses Bestreben nach der Lückenlosigkeit
steht, wie sogleich gezeigt wird, im Widerspruch zum sog. fragmentarischen
Charakter des Strafrechts.91
Zur Feststellung, was darunter zu verstehen ist, kann dieser strafrechtliche
Grundsatz über das Wort „Fragment“ definiert werden. Nach der gängigen Wort-
bedeutung ist ein Fragment das Gegenteil von einem Ganzen.92 Es handelt sich
bei einem fragmentarischen Strafrecht dann um ein nur teilweise geregeltes und
insoweit konsequenterweise lückenhaftes System, bei welchem immer ungere-

88 Siehe dazu allgemein Hamm, NStZ 2016, 1537.


89 Kertai, JuS 2011, 976, 981.
90 Kühl, in: FS-Stöckl, S. 117, 132; ders., in: FS-Tiedemann, S. 32 ff.; Kaspar, Ver-

hältnismäßigkeit und Grundrechtsschutz im Präventionsstrafrecht, S. 254, danach kön-


nen Strafbarkeitslücken nicht zur Gesetzesbegründung herangezogen werden.
91 Umfassend zur Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln als Regelungstechnik mit dem

fragmentarischen Charakter des Strafrechts, vgl. Kap. D. VII.; siehe dazu auch grund-
legend Binding, Lehrbuch des gemeinen deutschen Strafrechts, S. 20; Hefendehl, JA
2011, 401, 405 f. begründet, dass es sich beim fragmentarischen Charakter des Straf-
rechts, um einen Grundsatz von Verfassungsrang handelt; Prittwitz, in: Vom unmögli-
chen Zustand des Strafrechts, S. 387; Vormbaum, ZStW 123, (2011), 660; Maiwald, in:
FS-Maurach, S. 9 ff.; Roxin/Greco, Strafrecht AT, S. 87, wobei das Verhältnis zum Sub-
sidiaritätsprinzip unklar bleibt, näher dazu vgl. Kap. D. VII. 3.
92 Vgl. dazu die Wortbedeutung im Duden, abrufbar unter https://www.duden.de/

rechtschreibung/Fragment [zuletzt abgerufen am 29.07.2021], wonach ein Fragment ein


„Bruchstück“ ist.
38 C. Legitimität der Begründungsansätze zum Einsatz von Öffnungsklauseln

gelte Bereiche verbleiben,93 soweit nicht alle denkbaren Verhaltensweisen unter


Strafe gestellt werden. Genauer gesagt, aus dem großen Teil der Verhaltenswei-
sen, die strafwürdig erscheinen könnten, wird nur ein Teil unter Strafe gestellt
und kann überhaupt nur unter Strafe gestellt werden.94 Diese Fragmente bezie-
hen sich sowohl auf die Strafrechtsordnung als Ganzes, als auch auf die Fassung
einzelner Tatbestände.95 Notwendige Konsequenzen, um den fragmentarischen
Charakter des Strafrechts beizubehalten, sind die Beachtung der in Art. 103
Abs. 2 GG normierten Garantien96 und eine zurückhaltende Strafgesetzgebung.97
So handelt es sich im Ergebnis eher um ein Prinzip, auf dessen Verwirklichung
aktiv hingearbeitet werden muss, als um einen dem Strafrecht automatisch inne-
wohnenden Charakterzug.
Auf Grundlage dessen kann man nach Kaspar den fragmentarischen Charakter
des Strafrechts als „das Freibleiben bestimmter Bereiche und Handlungsweisen
von jeglicher strafrechtlichen Kontrolle“ verstehen.98 Strafrecht kann und soll ge-
rade niemals umfassend, sondern immer nur lückenhaft sein. Strafbarkeiten bil-
den gerade die Ausnahme und Straflosigkeit ist der sog. Naturzustand.99
Binding, der erstmals die Feststellung der Fragmentarität in Bezug auf das
Strafrecht traf, fasste diese aber gerade nicht als Stärke auf, sondern als eine
untragbare Schwäche des strafrechtlichen Systems.100 Er sah das Strafrecht als
durch den Erlass von Gelegenheitsgesetzen geprägt, das Strafrecht nehme als zu
regelnde Materie gerade nur das auf, was ihm „vor die Füße gespült wird“.101 Es
würden folglich nur einzelne Delikte als zu bestrafende Verhaltensweise betrachtet
und es werde dadurch gerade nicht in einem großen Ganzen gedacht. Das führe im
Ergebnis dazu, dass neben den vielen mit Strafe belegten Delikten, benachbarte
Handlungen straflos blieben, woraus sich die grundsätzliche Neigung ergeben
könne, diese entstehenden Lücken zu schließen. Auf Grund dessen handele es
sich, nach Binding, beim fragmentarischen gerade um den größten Mangel des
Strafrechts, weshalb Binding auch ausdrücklich Analogien im Strafrecht befür-
wortet.102

93 Tiedemann spricht dabei nicht von Lücken, sondern von „strafrechtsfreien Räu-

men“, vgl. ders., Tatbestandsfunktionen im Nebenstrafrecht, S. 18.


94 Maiwald, in: FS-Maurach, S. 9, 10; zum Begriff der Strafwürdigkeit vgl. in dieser

Arbeit Kap. D. VII. 4.


95 Krahl, Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesge-

richtshofs zum Bestimmtheitsgrundsatz im Strafrecht, S. 28 f.


96 Dazu unter Kap. D. VII. 1.
97 Naucke, Strafrecht, S. 64 f.
98 Kaspar, Verhältnismäßigkeit und Grundrechtsschutz im Präventionsstrafrecht,

S. 252.
99 Vormbaum, ZStW 123 (2011), 660, 689.
100 Binding, Lehrbuch des gemeinen deutschen Strafrechts, S. 20.
101 Binding, Lehrbuch des gemeinen deutschen Strafrechts, S. 20.
102 Binding, Lehrbuch des gemeinen deutschen Strafrechts, S. 21.
II. Tragfähigkeit der gewählten Begründungsansätze 39

Dies entspricht aber nicht mehr der heute herrschenden Meinung.103 Dieser
teilweise Schutz durch das Strafrecht soll hingegen gerade dem Schutz von
Rechtsgütern dienen.104 Dem Grundsatz des fragmentarischen Strafrechts liegt
die Vorstellung zu Grunde, dass eine restriktive Anwendung des Strafrechts der
Wirksamkeit nur zuträglich sein kann und allein der Verweis auf bestehende Lü-
cken gerade nicht deren Schließung rechtfertige, sondern Ausdruck eines libera-
len Strafrechts sei.105
Auf Grundlage dieser positiven Bedeutung des fragmentarischen Charakters
des Strafrechts lässt sich feststellen, dass die Schließung von strafrechtlichen
Lücken ihrerseits begründungsbedürftig ist,106 und nicht andersherum Strafbar-
keitslücken zur Begründung bei der Schaffung gesetzlicher Tatbestände herange-
zogen werden dürfen. Die Schließung von solchen Strafbarkeitslücken ist damit
nicht insgesamt ausgeschlossen, darin kann aber keine Begründung des Lücken-
schlusses bestehen.
Diese Argumentationsstruktur des Bedürfnisses nach Lückenschließung wird,
wie oben bereits dargelegt, auch im Rahmen der Öffnungsklauseln verwendet.
Danach soll für strafbar empfundenes Verhalten bestrafbar sein, auch wenn der
Gesetzgeber diese Form der Tatbegehung abstrakt nicht vorhergesehen und folg-
lich nicht unter Strafe gestellt hat. Diese Argumentation der Lückenschließung
kann zum einen aufgrund der Notwendigkeit der strikten Umsetzung des Be-
stimmtheitsgrundsatzes und aufgrund des Analogieverbotes und zum anderen,
um die Freiheit des Einzelnen nicht übermäßig einzuschränken und den Ausnah-
mecharakter des Strafrechts beizubehalten, nicht pauschal eingesetzt werden. Ins-
besondere dann nicht, wenn das Rechtsgut grundsätzlich bereits durch den vor-
liegenden Tatbestand geschützt wird und es tatsächlich nur darum geht, weitere,
noch nicht näher bestimmbare Verhaltensweisen unter den Tatbestand subsumie-
ren zu können. Erkennt man den fragmentarischen Charakter des Strafrechts an,
dann kann die Schließung von Strafbarkeitslücken im Allgemeinen keine tragfä-
hige Begründung für den Einsatz von Öffnungsklauseln im Strafrecht darstellen.

103 Zum fragmentarischen Charakter des Strafrechts aus der neueren Literatur siehe

insbesondere Vormbaum, ZStW 123 (2011), 660 zur besonderen Bedeutung des frag-
mentarischen Charakters als Argumentationstopos; Naucke, Strafrecht, S. 64; Kühl, in:
FS-Tiedemann, S. 29; Hefendehl, JA 2011, 401; Zaczyk, ZStW 123 (2011), 691 versteht
das fragmentarische Strafrecht als Übergangssituation; Roxin/Greco, Strafrecht AT I,
S. 87; Leutheusser-Schnarrenberger, ZStW 123 (2011), 651 auch kritisch zur politi-
schen Forderung der Schließung von Strafbarkeitslücken; Prittwitz, StV 1991, 435, 440
am Beispiel des Umweltstrafrechts; ders., in: Vom unmöglichen Zustand des Straf-
rechts, S. 387 ff., der für eine formall-empirische Begriffsbestimmung argumentiert.
104 Kulhanek, ZIS 2014, 674.
105 Kühl, in: FS-Stöckl, S. 117, 132; im Ergebnis u. U. auch Liszt, Aufsätze und Vor-

träge, Bd. I, S. 161 f.: „Der Zweckgedanke aber verlangt Anpassung des Mittels an den
Zweck und möglichste Sparsamkeit in seiner Verwendung.“
106 Kühl, in: FS-Tiedemann, S. 29, 37.
40 C. Legitimität der Begründungsansätze zum Einsatz von Öffnungsklauseln

b) Strafbarkeitslücken und Wirksamkeit des Strafrechts


im Allgemeinen
Der Legitimität der Schließung von Strafbarkeitslücken könnte darüber hinaus
auch die Wirksamkeit des Strafrechts entgegenstehen, sodass eine Schließung
von Lücken nicht als hinreichend tragfähige Begründung angesehen werden
könnte.107 Denn Strafe kann durch seine Rechtsfolgen der Geld- oder Freiheits-
strafe ein erheblich zerstörerischer Charakter zugesprochen werden.108 Wenn
Strafe, wie es der fragmentarische Charakter des Strafrechts nahelegt, im Rah-
men eines Regel-Ausnahme-Verhältnisses gerade die Ausnahme bildet und dies
mit der Wirkweise von Strafrecht begründet wird, dann kann eine Ausweitung
des Strafrechts mit dem Ziel der Schließung von Strafbarkeitslücken dafür sor-
gen, dass das Strafrecht unwirksam oder zumindest weniger wirksam wird und
folglich die Legitimation der Schließung von Strafbarkeitslücken in der Zweck-
setzung eines Gesetzes bezweifelt werden könnte.109 Eine erhöhte Anwendung
des Strafrechts könnte gerade dazu führen, dass sich ein gewisser Abnutzungs-
effekt einstellt, der der Wirksamkeit von Strafe abträglich ist.
Ein Wirksamkeitsverlust setzt aber voraus, dass Strafrecht überhaupt Zwecken
folgt und diesen eine Wirkweise zugesprochen wird. Bereits an dieser Stelle sei
gesagt, dass die folgende Darstellung der Strafzwecke stark verkürzt ist. Eine
ausführliche Diskussion der Wirksamkeit von Strafe anhand der Strafzwecktheo-
rien ist an dieser Stelle weder möglich noch für den Untersuchungsgegenstand
erforderlich.110 Im Folgenden soll lediglich dargelegt werden, inwieweit Strafe
eine Wirksamkeit zugesprochen werden kann und wie sich diese zum Einsatz
von Öffnungsklauseln verhalten könnte.

107 K. Peters, ZStW 1965, 470, 471; Stolle, StudZR 2006, 27, 31; zur Wirksamkeit

von Strafe vgl. auch Schöch, in: Kriminologie und wissensbasierte Kriminalpolitik,
S. 64; Roxin, Strafrechtliche Grundlagenprobleme, vgl. S. 1, zur Rechtfertigungspflicht
von Strafe; historisch sah bereits Liszt die Erforderlichkeit die Wirkung von Strafe zu
untersuchen, vgl. dazu Liszt, Strafrechtliche Aufsätze und Vorträge, Bd. II, S. 293:
„Auch auf diesem Gebiet stehen wir noch in allerersten Anfängen der wissenschaft-
lichen Arbeit.“
108 K. Peters, ZStW 1965, 470, 475.
109 K. Peters, ZStW 1965, 470, 471; zur Schwierigkeit der empirischen Arbeit mit

Legalbewährungsdaten siehe: Meier, Kriminologie, S. 275.


110 Vgl. dazu zur Spezialprävention etwa Weigend, ZStW 94 (1982), 801, 805 ff.;

Kunz/Singelnstein, Kriminologie, S. 337 zum Widerspruch zwischen empirischen


Befunden und Kriminalpolitik; zu Kohortenstudien vgl. etwa Farrington/Coid/West,
MschKrim 92 (2009) 160 ff., die die Delinquenz von Männern zwischen ihrem 8. und
50. Lebensjahr durch Interviews gemessen hat; Andrews/Zinger/Hoge u. a., Crimino-
logy 1990, 369 ff. zur Bedeutung des Behandlungsgedankens; zur Jugendkriminalität
vgl. insbesondere Boers/Walburg/Reinecke, MschKrim 89 (2006), 63 ff.
II. Tragfähigkeit der gewählten Begründungsansätze 41

aa) Generelle Wirksamkeit von Strafrecht

Strafe generell und damit Strafrecht grundsätzlich wirkt, indem es eine Rechts-
folge setzt und infolgedessen eine Veränderung der rechtlichen Position herbei-
führt. Dabei unterscheidet sich das Strafrecht von anderen Rechtsgebieten da-
durch, dass die Rechtsfolge in der Setzung einer Sanktion, also in der Zufügung
eines Übels, besteht. Jedes Strafgesetz führt durch die Strafandrohung im Falle
einer Verurteilung eine Rechtsfolge herbei.
Aus der Setzung einer Rechtsfolge ergibt sich aber noch keine Wirksamkeit im
Sinne einer Zweckerreichung. Gestraft werden darf nur, um einen legitimen
Zweck zu erfüllen.111 Die Sprache von der Wirksamkeit von Strafe ist also
grundsätzlich ungenau. Gemeint ist vielmehr der übergeordnete Zweck, den das
Strafrecht durch die Setzung der Sanktion verfolgt und die Erreichung eben jenes
Zwecks. Um die Wirksamkeit von Strafe zu bestimmen, ist zu untersuchen, in-
wieweit die verfolgten Strafzwecke durch Sanktion erreicht werden. Denn die
Wirksamkeit von Strafe ergibt sich gerade nicht aus der verbindlichen Festset-
zung durch den Gesetzgeber allein.112
Die Strafzwecke sind in §§ 46, 47 StGB normiert. Primär geht es um den Aus-
gleich der Schuld der*des Täterin*Täters, § 46 Abs. 1 S. 1 StGB. Als Strafzweck
kann also zum einen der Schuldausgleich sowohl gegenüber dem Tatopfer und
dessen Angehörigen als auch gegenüber der Gesellschaft genannt werden.113 Ro-
xin fasst diesen Vergeltungsgedanken wie folgt zusammen: „[Strafe] muss sein,
damit Gerechtigkeit herrschen soll.“114 Daraus folgt, dass sich die Strafe aus sich
selbst heraus legitimiert.
Darüber hinaus wird im Rahmen der heutzutage herrschenden relativen Straf-
theorien zwischen den sog. generalpräventiven und spezialpräventiven Strafzwe-
cken unterschieden.115 Unter der spezialpräventiven116 Wirkung von Strafe wird

111 Brandenstein, in: FS-Kury, S. 357; Prittwitz, StV 1991, 435, 441; zum Zusam-

menhang von Zweckmäßigkeit, Strafe und Gerechtigkeit vgl. Liszt, Strafrechtliche Auf-
sätze und Vorträge, Bd. I, S. 126; zu Sinn und Zweck der Strafe vgl. NK-StGB/Hasse-
mer/Neumann, Vorbm. § 1 Rn. 105 ff., wonach Strafe „nur in Hinblick auf soziale Not-
wendigkeit“ zu rechtfertigen ist; zum Verhältnis von Gerechtigkeit und Strafe vgl. auch
Neumann, in: Gerechtigkeit – Theorie und Praxis, S. 128 f.
112 Meier, Kriminologie, S. 274.
113 BGH 12.07.1995 – 2 StR 60/95 = NStZ 1995, 595, 596.
114 Roxin, Strafrechtliche Grundlagenprobleme, S. 2.
115 Zusammenfassend zu den verfolgten Zwecken vgl. Frisch, NStZ 2016, 16, 17 f.;

allgemein zu den relativen Straftheorien vgl. Dölling, in: FS-Lampe, S. 597, 602;
Grimm, KritV 1986, S. 38; Otto, Generalprävention, S. 21 ff.; LK-StGB/Theune,
Vorbm. § 46 Rn. 25; Albrecht, ZStW 97 (1985), 831, 834 insbesondere zu Spezialprä-
vention und Resozialisierung; Schmidtchen, in: FS-Lampe, S. 250; Hoerster, GA 1970,
272; Müller-Dietz, in: Ist die lebenslange Freiheitsstrafe verfassungswidrig?, S. 91, im
Schwerpunkt zur individual- und generalpräventiven Funktion von lebenslanger Frei-
heitsstrafe.
42 C. Legitimität der Begründungsansätze zum Einsatz von Öffnungsklauseln

zum einen die Individualabschreckung potenzieller Täter*innen (negativ) und


zum anderen die Resozialisierung bzw. die Vermeidung der Entsozialisierung der
Ersttäter*innen (positiv) verstanden. Die Generalprävention117 adressiert Strafe
hingegen, wie bereits die Wortbedeutung indiziert, an die Allgemeinheit. Zweck
ist dabei einerseits das Vertrauen der Gesellschaft in die Rechtsordnung zu bestä-
tigen (positiv, vgl. § 47 Abs. 1, § 56 Abs. 3, § 59 Abs. 1 Nr. 3 StGB) und ande-
rerseits die Abschreckung der Allgemeinheit (negativ).118 Insbesondere im Be-
reich der Strafgesetzgebung, also der Entscheidung über die Androhung von
Strafe, finden generalpräventive Erwägungen ihren Platz, da diese sich – vor
allem bei neuen Delikten – gerade nicht auf spezielle (bereits tätig gewordene)
Täter*innen beziehen.119
Die absoluten Straftheorien sind dagegen in die Vergangenheit gerichtet120:
Danach dient Strafe der Vergeltung des durch die Tat erfolgten Unrechts (sog.

116 Die Spezialprävention wurde insbesondere durch Liszt geprägt, siehe dazu: Straf-

rechtliche Aufsätze und Vorträge, Bd. I, S. 133 ff.; zum Teil wird auch eine Differenzie-
rung zwischen personenorientierten und normorientierten Straftheorien gefordert, vgl.
dazu Hörnle, JZ 2006, 950, 954; dies., Straftheorien, S. 33; ebenso Montebruck, Deut-
sche Straftheorie, S. 143; umfassend und kritisch auch: Albrecht, ZStW 97 (1985), 831;
Bock, ZStW 102 (1990), 504 insbesondere zur Abkehr vom Behandlungs- und Resozia-
lisierungsgedanken; Dölling, in: FS-Lampe, 2003, S. 597.
117 Deren prominentester Vertreter wohl Feuerbach ist, vgl. Revision der Grundsätze

und Grundbegriffe des positiven peinlichen Rechts, S. 43 f.; Naucke, in: Hauptprobleme
der Generalprävention, S. 15 ff.; Baurmann, GA 1994, 368, 371.
118 Feuerbach, Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden peinlichen Rechts,

S. 18; Jakobs, Schuld und Prävention, 1976; ders., ZStW 101 (1989), 516: „General-
prävention durch Einübung der Normanerkennung“; in Reaktion darauf: Bloy, ZStW
103 (1991), 636; Badura, JZ 1964, 337, 338; und Feijoo Sánchez, in: FS-Jakobs, S. 75,
84; zur Generalprävention als Strafzumessungsgrund: Roxin, JuS 1966, 377, 380; NK-
StGB/Streng, § 46 Rn. 33 ff., 42 ff.; MüKo-StGB/Miebach/Maier, § 46, Rn. 38; Fi-
scher-StGB, § 46 Rn. 7 ff.; wobei insbesondere im Rahmen der positiven Generalprä-
vention problematisch ist, dass diese die Bestraften zu Objekten des Staates macht,
indem sie diese nutzt, um die Rechtsgeltung gegenüber den anderen Bürger*innen zu
demonstrieren, vgl. dazu Calliess, NJW 1989, 1338, 1340; Baurmann, GA 1994, 368
zur empirischen Überprüfbarkeit; Dölling, ZStW 102 (1990), 1, 19 unter Verweis auf
eine unzureichende empirische Datenlage zur Generalprävention; A. v. Hirsch/Hörnle,
GA 1995, 261; Otto, Generalprävention, 1982.
119 Roxin, Strafrechtliche Grundlagenprobleme, S. 12 ff.; Hassemer, in: Hauptproble-

me der Generalprävention, S. 29 ff.


120 Absolute Straftheorien finden ihren Ursprung bei Kant, Metaphysik der Sitten

und Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts; vgl. dazu aufschlussreich: Wolff,
ZStW 97 (1985), 786; Seelmann, in: Strafe – Warum?, S. 79 ff.; ders., Anerkennungs-
verlust und Selbstsubsumtion – Hegels Straftheorien, 1995; einschränkend zur Einord-
nung Kants im Bereich der Vergeltungstheorie: im Vergleich zur relativen Straftheorie
vgl. Bloy, in: FS-Frisch, S. 59, 69 f.; Küper, in: FS-Jung, S. 485, 494, im Verhältnis von
Feuerbach und Kant; Hörnle, in: Strafe – Warum? S. 12; zustimmend: Weigend, in:
Strafe – Warum? S. 31; ebenfalls zum Verhältnis Streng, in: FS-Heinz, S. 677; siehe
dazu auch Rengier, Strafrecht AT; § 3 Rn. 10; Frister, Strafrecht AT, Kap. 2 Rn. 3; ge-
gen den dualistischen Ansatz der absoluten und relativen Straftheorie vgl. Hörnle, Straf-
theorien, S. 3; dies., in: FS-Roxin, S. 315 f.; Baumann/Weber/Mitsch/Eisele/Eisele, § 2
II. Tragfähigkeit der gewählten Begründungsansätze 43

Vergeltungstheorie) und soll der Wiederherstellung der Rechtsordnung dienen,


die durch den Normverstoß gerade verletzt wurde (Sühnetheorie). Absolute Straf-
theorien zeichnen sich also gerade dadurch aus, dass sie „von ihrer gesellschaft-
lichen Wirkung unabhängig“121 sind. Aus diesem Grund werden sie, losgelöst
davon, inwieweit sie heute noch vertreten werden, bei der folgenden Wirksam-
keitsanalyse außer Betracht gelassen.
Eine Wirksamkeit im Sinne der oben genannten durch Strafe und damit durch
Strafrecht verfolgten (relativen) Zwecke bedarf aber einer empirischen Überprüf-
barkeit eben jener Zwecke. Sind die Zwecke nicht überprüfbar, kann weder eine
Wirksamkeit begründet noch negiert werden. Die Überprüfung der Strafzwecke
auf ihre tatsächliche Wirksamkeit hin ist Aufgabe der Sanktionsforschung und
aufgrund der multifaktoriellen Beeinflussung nicht immer ohne weiteres mög-
lich. Dazu gesellen sich auch eine Reihe von methodischen Problemen.122 Eine
Möglichkeit zu überprüfen, ob dieses Ziel erreicht wird, ist die Analyse von
Rückfallzahlen, also anhand des Kriteriums der Legalbewährung.123 Dennoch
kann aufgrund der Schwierigkeiten der empirischen Überprüfung der Wirksam-
keit von Strafe bisher keine allgemeingültige Aussage getroffen werden. Zumin-
dest können die bisherigen Untersuchungen aber eine Tendenz in Bezug auf die
Wirksamkeit aufzeigen.

(1) Empirische Befunde zur Spezialprävention


Im Rahmen der empirischen Forschung124 zur Spezialprävention wurde lange
Zeit vom sog. „nothing works“-Grundsatz ausgegangen, dem die Annahme zu-
grunde liegt, dass Strafe niemals eine resozialisierende Wirkung aufweist und
insoweit niemals einen Nutzen hat und somit strafbegleitende Maßnahmen keine
Geltung beanspruchen können. Neuere empirische Untersuchungen haben aber
gezeigt, dass Strafe durchaus eine resozialisierende Wirkung aufweisen kann,
wenn die dafür angewendeten Maßnahmen z. B. im Rahmen des Strafvollzugs
auf die Biografie und die Bedürfnisse der Täter*innen abgestimmt werden.125

Rn. 43 ff.; weniger kritisch: Jescheck/Weigend, Lehrbuch des Strafrechts, S. 70 ff.; aus
der neueren Literatur zur Bedeutung Pawlik, Person, Subjekt, Bürger. Zur Legitimation
von Strafe, S. 54 ff.; Hirsch, in: Strafe – Warum? Gegenwärtige Strafbegründungstheo-
rien, S. 44; Kahlo, in: FS-Hassemer, S. 383.
121 Roxin/Greco, Strafrecht AT I, S. 129.
122 Meier, Kriminologie, S. 275, teilweise wird behauptet, dass die Wirksamkeit des

Strafrechts quasi kaum empirisch überprüfbar ist, vgl. Prittwitz, StV 1991, 435, 436.
123 Stolle, StudZR 2006, 27, 31; so z. B. Tetal/Hohmann-Fricke/Jehle, Legalbewäh-

rung nach strafrechtlichen Sanktionen, wobei diesen nur eine bedingte Aussagekraft zu-
kommt.
124 Zusammenfassend dazu: Meier, JZ 2010, 112.
125 Andrews/Zinger/Hodge u. a., Criminology 1990, 369 ff., danach sind Strafen dann

am effektivsten, wenn den Faktoren risk, criminogenic needs und responsivity Rechnung
getragen wird (besser bekannt als das RNR-Prinzip); so auch Lösel, ZJJ 2013, 267, 268.
44 C. Legitimität der Begründungsansätze zum Einsatz von Öffnungsklauseln

Sanktionsart und Härte der Sanktion sind dabei in gewissem Maßen austausch-
bar.126 Dies gilt insbesondere in Hinblick darauf, dass härtere Sanktionen gegen-
über milderen Sanktionen nicht zwingend eine Verringerung des Rückfallrisikos
bedeuten.127 Aus diesen Ergebnissen lässt sich zumindest ableiten, dass Strafe
eine grundsätzliche Wirkung aufweisen und unter gewissen Gesichtspunkten spe-
zialpräventive Effekte erzielen kann.128 Aber die Tatsache, dass eine Resozia-
lisierung gelingen kann, muss nicht zwangsläufig bedeuten, dass mit den Tä-
ter*innen die dafür erforderlichen Maßnahmen und Anwendungen auch immer
durchgeführt werden.

(2) Empirische Befunde zur Generalprävention

Abschreckung im Sinne der negativen Generalprävention bedeutet die Erfah-


rung unangenehmer Gefühle durch die Vorstellung eines Übels, welches dann
dazu bewegt, dieses Übel durch die Einhaltung der Regeln abwenden zu wol-
len.129 Abschreckung im Sinne der Generalprävention ist auf der Makroebene zu
verstehen, d. h. der Fokus liegt hier nicht auf der Abschreckung Einzelner, son-
dern der Gesellschaft als solcher.130 Die Abschreckungswirkung beruht auf der
Einsicht, dass es für die Bürger*innen i. d. R. besser ist, sich normkonform zu
verhalten. Wie sich dann die*der Einzelne im konkreten Fall entscheiden, ist
nicht ausschlaggebend, da die Mikroebene im Bereich der Generalprävention in
der Regel nicht untersucht wird. In der Theorie wird die Kenntnis des konkreten
Gesetzes, dass das Verhalten mit Strafe bedroht, gerade nicht vorausgesetzt. Die
generalpräventive Wirkung beansprucht auch heute noch Geltung, insbesondere,
wenn die Erhöhung von Strafrahmen diskutiert wird, denn dieser wird dann
i. d. R. mit der höheren Abschreckungswirkung begründet.
Zur empirischen Überprüfung der Wirksamkeit von Strafe i. S. d. Generalprä-
vention werden entweder Daten auf der „Makroebene“ oder auf der „Mikro-

126 Meier, Kriminologie, S. 278.


127 Tetal/Hohmann-Fricke/Jehle, Legalbewährung nach strafrechtlichen Sanktionen,
S. 202 differenziert hier zwischen Freiheits- und Geldstrafen: Bei Freiheitsstrafen wei-
sen kürzere Freiheitsstrafen eine höhere Rückfallquote auf, wohingegen sich eine solche
Differenz bei den Tagessätzen der Geldstrafen nicht feststellen lässt, S. 196, 202.
128 Zusammenfassend zu einer umfassenden Meta-Analyse m.w. N.: Pintarelli, ZJJ

2014, 226, 262 ff.; Greco nennt dies „Klugheitsgründe“, die Tat nicht zu begehen, vgl.
Greco, Lebendiges und Totes in Feuerbachs Straftheorie, S. 359.
129 Greco, Lebendiges und Totes in Feuerbachs Straftheorie, S. 356; inwieweit die

positive Generalprävention empirisch überprüfbar ist oder sein sollte, ist strittig, vgl.
dazu befürwortend Kaspar, in: Strafen im Namen des Volkes? S. 74 ff.; Schöch, in: Der
Sachverständige im Strafrecht Kriminalitätsverhütung, S. 96; ablehnend: Jakobs, ZStW
1995, 843, 844; Meier, Kriminologie, S. 30; Albrecht, Kriminologie, S. 60 verweist auf
die Studie von Schöch, in: FS-Jescheck, S. 1081 ff., der daraus eine empirische Nach-
weisbarkeit der Generalprävention ableiten will.
130 Greco, Lebendiges und Totes in Feuerbachs Straftheorie, S. 361.
II. Tragfähigkeit der gewählten Begründungsansätze 45

ebene“ erhoben und untersucht.131 Insgesamt gestaltet sich der Nachweis eines
abschreckenden Effektes von Strafe auf Grund der multifaktoriellen Beeinflus-
sung von Personen, die sich gegen eine Tatbegehung entscheiden, als schwie-
rig.132 Es stehen dabei in der Regel unterschiedliche Einflussfaktoren auf das
Maß der abschreckenden Wirkung im Fokus, wie z. B. die Höhe der Strafandro-
hung oder die Bestrafungswahrscheinlichkeit.
Zunächst einmal könnte man davon ausgehen, dass Strafe keine abschreckende
Wirkung zukommt, da unstreitig trotz gesetzlicher Normierung tagtäglich Straf-
taten begangen werden.133 Dem wird allerdings entgegengehalten, dass die ab-
schreckende Wirkung des Strafrechts gerade nur ein Element ist und Strafe unter-
schiedliche Wirkungsweisen zukommen. Da trotz Strafandrohung dennoch Straf-
taten begangen werden, kann der Grundsatz der Generalprävention gerade keinen
Anspruch auf Vollständigkeit erheben.134 Daraus kann aber dennoch nicht ge-
schlossen werden, dass Strafe gerade keine abschreckende Wirkung i. S. d. Gene-
ralprävention zukommt. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass die abschre-
ckende Wirkung eine permanente und keine punktuelle Wirkung auf jedes Indi-
viduum hat.135
Dennoch legen die Untersuchungen nahe, dass das Strafrecht als solches nur
einen geringen abschreckenden Effekt aufweist, da sich normkonformes Verhal-
ten häufig auf soziale Kontrolle z. B. der Eltern oder des sozialen Umfeldes zu-
rückführen lässt.136 Es kann festgestellt werden, dass sich eine abschreckende

131 Dölling, ZStW 102 (1990), 1, 3; Meier, Kriminologie, S. 282; zu unterschied-

lichen Forschungsdesigns vgl. auch Schöch, in: Der Sachverständige im Strafrecht Kri-
minalitätsverhütung, S. 98.
132 So auch Vormbaum, ZStW 107 (1995), 734, 759 m.w. N., der davon ausgeht, dass

die generalpräventive Wirkung von Strafe kaum empirisch überprüfbar ist; zur unklaren
Datenlage vgl. auch Eisele, Die general- und spezialpräventive Wirkung strafrechtlicher
Sanktionen. Methoden, Ergebnisse, Metaanalyse; zur generalpräventiven Wirkung der
Geldstrafe vgl. Albrecht, in: Empirische Kriminologie, S. 318, wonach die Angst vor
eine Bestrafung nur eine untergeordnete Rolle spielt.
133 Ablehnend zur abschreckenden Wirkung des Strafrechts ebenfalls: Jakobs, Straf-

recht AT, S. 21; Kaiser, Kriminologie, S. 259 ff.; zur Bedeutung, die Untersuchungen
nach Deliktsart aufzuschlüsseln, vgl. Curtie, ZRP 1999, 234, 235.
134 Haffke, Tiefenpsychologie und Generalprävention, S. 80.
135 Haffke, Tiefenpsychologie und Generalprävention, S. 82.
136 Meier, Kriminologie, S. 285; zustimmend ebenfalls Curtie, ZRP 1999, 234, 236;

zusammenfassend und insgesamt kritisch auch Andrissek, Vergeltung als Strafzweck,


S. 93; zur abschreckenden Wirkung im Jugendstrafrecht siehe Dölling/Hermann, in:
Achtung (für) Jugend!, 2012, S. 427 ff.; so auch die Ergebnisse der Göttinger General-
präventionsforschung, vgl. zusammenfassend Schöch, in: Der Sachverständige im Straf-
recht Kriminalitätsverhütung, S. 101 ff.; zum Zusammenhang zufälliger Messfehler und
dem Abschreckungseffekt von Strafe vgl. Dölling/Hermann, in: Kriminalität, Ökono-
mie und Europäischer Sozialstaat, 156 f.; eine solche Wirkung lässt sich bei der Andro-
hung einer lebenslangen Freiheitsstrafe für die Verwirklichung empirisch nicht feststel-
len, vgl. Kaiser, in: Ist die lebenslange Freiheitsstrafe verfassungswidrig?, S. 115, 121.
46 C. Legitimität der Begründungsansätze zum Einsatz von Öffnungsklauseln

Wirkung anhand der vorliegenden Untersuchungen insgesamt aus der Verbindung


der „moralischen Verbindlichkeit der Norm und [der] Verbreitung der Norm-
akzeptanz“137 ergibt. Es ist danach jede strafrechtliche Normierung als Kenn-
zeichnung eines Unwerturteils maßgeblich, die Strafhöhe ist nicht ausschlag-
gebend für eine abschreckende Wirkung.138 Insgesamt kann aus den bisherigen
Forschungsergebnissen geschlossen werden, dass man dem Strafrecht dadurch
die abschreckende Wirkung nicht vollends absprechen darf, da diese in einem
wechselseitigen Verhältnis zu den weiteren Einflussfaktoren steht.139 Außerdem
zeigt sich, dass insbesondere der Wahrscheinlichkeit einer Strafe schon im gerin-
gen Ausmaß eine erhöhte abschreckende Wirkung zukommt.140 Selbst wenn man
dabei dem Risiko der Entdeckung die abschreckende Wirkung zuspricht, so darf
nicht vernachlässigt werden, dass das Entdeckungsrisiko nur dann in die Kalkula-
tion des Tatgeneigten einfließen kann, wenn dieser vom Verbot seines Verhaltens
Kenntnis erlangt hat.141 Zudem zeigte sich aber auch, dass generell die Abschre-
ckungswirkung bei leichten Delikten größer ist als bei schwereren Delikten.142
Insgesamt kann also zumindest partiell eine abschreckende Wirkung von Stra-
fe, auch wenn diese im Wesentlichen auf soziale Kontrolle und das Entdeckungs-
risiko zurückzuführen ist, angenommen werden. Daraus lässt sich insgesamt
schließen, dass Strafe wirksam sein kann. Schließlich ist in einem letzten Schritt
zu überprüfen, ob und inwieweit Strafbarkeitslücken bzw. deren Schließung die
Wirksamkeit von Strafe beeinflussen können.

bb) Verlust der Wirksamkeit durch den Einsatz von Öffnungsklauseln

Dem oben dargelegten Argumentationsmuster folgend stellt sich dann an die-


ser Stelle die Frage, ob eine Ausweitung von Strafbarkeit nachweislich zu einer
Minderung der Wirksamkeit des Strafrechts führt. Ob also eine Ausweitung des
Anwendungsbereichs einer Norm zu einem „zu viel“ der Strafbarkeit führen
kann, sodass einzelne Strafen an Wirkung verlieren.
Dies kann schon deshalb bezweifelt werden, da sich gerade die Wirksamkeit
nicht uneingeschränkt empirisch nachweisen lässt, da die Wirksamkeit multifak-

137 Stolle, StudZR 2006, 27, 34; Dölling, ZStW (102) 1990, 1, 7 m.w. N.; so wohl im

Ergebnis auch Kaspar, in: Strafen im Namen des Volkes?, S. 72.


138 Schöch, in: FS-Jescheck, S. 1081, 1104; anders jedoch Curtie, ZRP 1999, 234,

236, wobei beachtet werden muss, dass dieser in seiner Analyse nur bestimmte Delikts-
typen in den Blick genommen hat, bei denen es sich nicht um klassische Affekt-Taten
handelt.
139 Meier, Kriminologie, S. 285, mit Verweis auf Albrecht, in: Empirische Krimino-

logie, 318 ff.


140 Vilsmeier, MschKrim 1990, 273.
141 Roxin, in: Das Gesetzlichkeitsprinzip im Strafrecht, S. 113, 116.
142 Meier, Kriminologie, S. 286.
II. Tragfähigkeit der gewählten Begründungsansätze 47

toriell beeinflusst wird.143 Das lässt darauf schließen, dass keine eindeutige Aus-
sage darüber getroffen werden kann, ob und inwieweit Öffnungsklauseln durch
ihren erweiterten Anwendungsbereich zu einer (Un-)Wirksamkeit des Strafrechts
führen können.
Grundsätzlich ist der Gedanke des Regel-Ausnahme-Verhältnisses im Straf-
recht durchaus nachvollziehbar. Dennoch lässt sich nicht feststellen, ob spezial-
präventive oder generalpräventive Effekte nur eine (zahlenmäßig) beschränkte
Wirksamkeit aufweisen. Ob eine Erweiterung der Strafbarkeit also gleichzeitig
mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu einer Einschränkung der
Wirksamkeit des Strafrechts im Sinne der verfolgen Strafzwecke führt, kann auf
Grundlage der bisherigen Datenlage nicht geschlussfolgert werden.
Allerdings können gerade Zweifel an der Effektivität des Strafrechts eine sol-
che Begrenzung des Strafrechts begründen.144 Denn ein Mittel, bei dem nicht mit
Sicherheit gesagt werden kann, ob und wie es wirkt, sollte grundsätzlich mit Vor-
sicht eingesetzt werden. Dann muss das entsprechende Gegenargument sich aber
auf die Ungewissheit bzgl. der Wirksamkeit beziehen und gerade nicht auf die
Einschränkung der Wirksamkeit durch eine entsprechende Erweiterung des Straf-
rechtsschutzes. Über diese lässt sich bereits generell keine hinreichende Aussage
treffen.

cc) Zwischenergebnis

Im Hinblick auf die Wirksamkeit ist die Legitimität des Begründungsansatzes


nicht zu bezweifeln. Es kann an dieser Stelle festgehalten werden, dass Strafrecht
und auch dem Einsatz von Strafen, wie Geld- oder Freiheitsstrafen, eine empiri-
sche, wenn auch nur bedingt nachweisbare Wirksamkeit zugesprochen werden
kann. Allerdings lässt sich gerade nicht feststellen, dass ein erweiterter Einsatz
des Strafrechts zu einer geringeren Wirksamkeit eben desselben führt. Insoweit
steht dem Argumentationstopos der Schließung von Strafbarkeitslücken nicht die
Annahme entgegen, dass eine solche Lückenschließung die Wirksamkeit des
Strafrechts beeinträchtigt.

c) Vermeidung von Gesetzesumgehungen

Zuvor wurde bereits angedeutet, dass die Umgehung von Strafbarkeitslücken


als legitimer Zweck nur bedingt herangezogen werden kann. Auch wenn insge-
samt die Vermeidung von Gesetzesumgehungen im Hinblick auf den strafrecht-
lich bezweckten Rechtsgüterschutz notwendig sein könnte, so erscheint proble-
matisch, dass zu einer wirksamen Bekämpfung gesetzesumgehenden Verhaltens

143 Stolle, StudZR 2006, 27, 35.


144 Prittwitz, StV 1991, 435, 437.
48 C. Legitimität der Begründungsansätze zum Einsatz von Öffnungsklauseln

zwangsläufig Regelungen erforderlich sind, die einen Ähnlichkeitsschluss zulas-


sen. Bei der Nutzung von Öffnungsklauseln zur Vermeidung bewusster Gesetzes-
umgehungen kann allerdings dem Gesetzgeber gerade selbst ein solches gesetzes-
umgehendes Verhalten vorgeworfen werden: Strafbares Verhalten darf aufgrund
des verfassungsrechtlich normierten Analogieverbotes gerade nicht durch einen
Ähnlichkeitsschluss geschaffen werden (Art. 103 Abs. 2 GG).145 Insbesondere
der Judikative ist es auch bei offensichtlichen Gesetzesumgehungen untersagt,
diese durch eine Analogie für strafbar zu erklären.146 Indem der Gesetzgeber
sich nun der in Öffnungsklauseln klassischerweise verwendeten Fassung des Ge-
setzeswortlautes bedient, gestattet er den Rechtsanwender*innen einen solchen
Ähnlichkeitsschluss.147 Wenn der verfassungsrechtliche Gesetzgeber aber seiner-
seits durch Art. 103 Abs. 2 GG eine Norm schuf, die gerade verhindern sollte,
dass vergleichbare Verhaltensweisen ohne gesetzliche Regelungen als strafbar er-
klärt werden, kann eine solche Umgehung dieser Regelung gerade keine trag-
fähige Begründung sein. Allein die Berufung auf das „Rechtsgefühl“ und der
„Appell an die materielle Gerechtigkeit“ können den verfolgten Zweck der Ver-
meidung von Gesetzesumgehungen gerade noch nicht legitimieren. Dies kann
insbesondere in Hinblick auf den fragmentarischen Charakter des Strafrechts
nicht genügen.148
Die notwendige Verknüpfung von der Vermeidung von Gesetzesumgehungen
und dem Mittel des Ähnlichkeitsschlusses lässt es zumindest zweifelhaft erschei-
nen, ob dann der verfolgte Zweck aufgrund der notwendigen Zweck-Mittel-Rela-
tion noch legitim erscheinen kann.

d) Schaffung von Flexibilität als Begründungsansatz

Als weiterer Begründungsansatz für den Einsatz von Öffnungsklauseln im


Strafrecht wurde die Notwendigkeit der Schaffung von Flexibilität in der Straf-
rechtsanwendung genannt. Eine solche Flexibilität könnte gerade zu einer Effi-
zienzsteigerung der Rechtsprechung und damit allgemein der Strafrechtspflege
führen und folglich ein legitimes Ziel darstellen. Der Grundsatz der Entformali-
sierung zur Effizienzsteigerung ist sowohl im Strafverfahrensrecht als auch im
Bereich der Strafgesetzgebung ein grundsätzlich nachvollziehbarer Ansatz. Die-

145 Zustimmend: Bruns, GA 1986, 1, 14 ff.; Stöckel, ZRP 1977, 134, 136; zur Verein-

barkeit von Öffnungsklauseln mit dem Analogieverbot siehe Kap. D. V.; Schröder, Zum
Begriff der Gesetzesumgehung im materiellen Strafrecht und seiner Bedeutung für die
praktische Anwendung des Rechts, S. 384 sieht keinen Verstoß gegen das Analogiever-
bot, da sich die Rechtsanwendung immer noch innerhalb des vorgegebenen Wortlautes
befinden würde.
146 SK-StGB/Rudolphie/Jäger, § 1 Rn. 23a.
147 Inwieweit der Gesetzgeber Adressat des Analogieverbotes ist, wird an anderer

Stelle dieser Arbeit diskutiert, vgl. dazu Kap. D. V. 1. b).


148 Bruns, JZ 1956, 148.
II. Tragfähigkeit der gewählten Begründungsansätze 49

ser kann jeweils durch eine Erweiterung der Handlungsbefugnisse der entspre-
chenden Akteur*innen erreicht werden.149 Es ist gerade Aufgabe des Staates,
eine funktionierende Strafrechtspflege zu schaffen und aufrecht zu erhalten.150
Allerdings fehlt es an einer funktionierenden Strafrechtspflege gerade dann,
wenn es zu einer Überlastung der Justiz kommt. Diese kann aber gerade Folge
einer Ausdehnung des materiellen Strafrechts und folglich auch einer Handlungs-
kompetenzerweiterung durch Öffnungsklauseln sein.151 Denn es kann im Falle
der Erweiterung der Anwendungsbereiche gerade zu einer „Flut der ,ubiquitären
Anfangsverdächte‘ “152 kommen. Auf diese Weise führen die erweiterten Anwen-
dungsbereiche nicht zu einer Arbeitsentlastung und tragen folglich nicht zu einer
Vereinfachung für die Judikative bei, was die Legitimität von Flexibilität im
Strafrecht in Frage stellt.
Die Schaffung von Flexibilität im Strafrecht geht darüber hinaus auch immer
mit einer Entformalisierung einher.153 Denn durch eine Erweiterung der Anwen-
dungsbereiche von Normen bedarf es gerade keiner weiteren Gesetzgebungs-
verfahren zur anlassbezogenen Erweiterung des entsprechenden Gesetzes. Diese
Abkehr von förmlichen (Gesetzgebung)-Verfahren stellt dabei den Preis für eine
solche Flexibilität dar. Der Abbau von Förmlichkeiten bedarf allerdings auch
seinerseits einer Legitimation.154 Ob sich die Legitimation rein aus der dadurch
gewonnenen Flexibilität ableiten lässt, erscheint zweifelhaft.
Zum einen geht ein größerer Entscheidungsspielraum der Judikative automa-
tisch mit einer Einschränkung der Freiheit der Bürger*innen einher;155 flexibel
handhabbare Regelungen sind per se weniger vorhersehbar und bergen damit die
Gefahr eines Verstoßes gegen Art. 103 Abs. 2 GG, da solche Regelungen immer
in besonderem Maße einer Wertung durch die Judikative bedürfen.156

149 Kuhlen, in: Recht ohne Regeln? S. 19 ff.; Entformalisierung des Strafrechts am

Beispiel des ProstSchG 2017, vgl. Frommel, NK 2018, 115; P.-A. Albrecht, KritV 1993,
163, 166 in Bezug auf das materielle Strafrecht; zur Entwicklung des Rechts, vgl. Sin-
gelnstein, Zeitschrift für Rechtssoziologie, 2014, 321 und verortet den Beginn der Ent-
formalisierung des Strafverfahrens in den 1970er-Jahren.
150 BVerfG, Beschl. v. 20.10.1977 – 2 BvR 631/77 = BVerfGE 46, 214 = NJW

1977, 2355, 2356; zur „Wiederbelebung des Topos“, vgl. Singelnstein, KJ 2011, 7, 12.
151 Landau, in: FS-Schick, S. 523, 525.
152 Hamm, NStZ 2016, 1537, 1542; Landau, in: FS-Schick, S. 523, 524.
153 Singelnstein, KritV 2011, 7, 11; zur Flexibilität im Jugendstrafrecht vgl. befür-

wortend Ostendorf, GA 2006, 515.


154 P.-A. Albrecht, KritV 1993, 163, 164.
155 P.-A. Albrecht, KritV 1993, 163, 165.
156 Krahl fasst dies zutreffend zusammen: „Wertbezogen wird es durch die Absichten

und Interessen derjenigen, in deren Hände dieses Machtmittel gegeben wird. Entspre-
chend wechselhaft und dynamisch werden die Ergebnisse ausfallen.“; vgl. die Recht-
sprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs zum Bestimmt-
heitsgrundsatz im Strafrecht, S. 309.
50 C. Legitimität der Begründungsansätze zum Einsatz von Öffnungsklauseln

Zum anderen führt die Schaffung solcher flexiblen Normen gerade dazu, dass
strafbares Verhalten nicht mehr durch eine Mehrheitsentscheidung eines demo-
kratisch legitimierten Organes getroffen wird.157 Flexibilität bedeutet also auch
immer eine Einschränkung des Grundsatzes der Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 2,
S. 2 GG). Diese Kompetenzverteilung zwischen Legislative und Judikative
schlägt sich aber gerade nicht nur im Grundsatz der Gewaltenteilung nieder, son-
dern auch in den Geboten bzw. Verboten des Art. 103 Abs. 2 GG. Auch dieser
enthält eine gewaltenteilende Komponente.158 Konsequenterweise muss gerade
der Gesetzgeber tätig werden, um das entsprechende Verhalten für die Zukunft,
und nur soweit er es auch für strafwürdig erachtet, unter Strafe zu stellen. Es
handelt sich gerade um die Aufgabe des Gesetzgebers.159 Ureigene Aufgabe der
Judikative hingegen ist es, das Strafrecht entsprechend anzuwenden und gerade
keine quasi Gesetzgebung, etwa durch Rechtsfortbildung oder analoge Anwen-
dung der entsprechenden Vorschriften, vorzunehmen.160 Daran ändert sich auch
dadurch nichts, dass es keine vollkommen strikte Gewaltenteilung gibt, sondern
auch immer wieder „Verschränkungen und Verflechtungen“ zwischen den Gewal-
ten auftauchen.161 Insbesondere im Bereich des Strafrechts muss eine solche Ver-
flechtung aufgrund der besonderen Eingriffsintensität vermieden werden.
Die Schließung von Strafbarkeitslücken zum Zwecke der flexibleren Handha-
bung der Strafgesetze durch die Judikative stellt folglich keine tragfähige Be-
gründung.

e) Schließung von Strafbarkeitslücken zur Förderung des Opferschutzes

Zur Ermittlung, ob es sich bei der Schließung von Strafbarkeitslücken im Hin-


blick auf einen besseren Opferschutz um ein legitimes Ziel handelt, ist zunächst
zu erörtern, was Opferschutz eigentlich bedeutet und wie Regelungen im Rah-
men des materiellen Strafrechts überhaupt dem Opferschutz dienen können. Ziel
der Untersuchung soll dabei nicht sein, die Bedeutung von Opferschutz und Op-
ferinteressen an sich in Frage zu stellen. Vielmehr ist zu zeigen, dass sich das
Ziel des Opferschutzes als Argumentationstopos für eine bestimmte Art und
Weise der Gesetzgebung nur bedingt eignet, in Abhängigkeit davon, ob dieser
Schutz und die Wahrung dieser Interessen dadurch überhaupt geleistet werden
können.

157 P.-A. Albrecht, KritV 1993, 163, 171; ebenso Murmann, in: Recht ohne Regeln?,
S. 5.
158 Vgl. dazu in dieser Arbeit Kap. D. II.
159 Maunz/Dürig/Grzeszick, Art. 20 II. Rn. 135, soweit es sich um „wesentliche Ent-
scheidungen“ handelt; Bringewat, Grundbegriffe des Strafrechts, S. 77; zur Aufgabe der
Gesetzgebung außerdem Sachs/Magiera, Art. 38 Rn. 27 ff.; im Hinblick auf den Ent-
scheidungsspielraum der Legislative vgl. Jarass/Pieroth/Kment/Jarass, Art. 20 Rn. 122.
160 Bringewat, Grundbegriffe des Strafrechts, S. 77.
161 BeckOK-GG/Rux, Art. 20 Rn. 160.
II. Tragfähigkeit der gewählten Begründungsansätze 51

aa) Begriff des Opfers

Unklar in dieser Argumentation ist bereits der zugrunde gelegte Begriff des
Opfers. Anders als das österreichische Strafverfahrensrecht (§ 65 Z 1 Ö-StPO)
enthält das deutsche Strafverfahrensrecht und Strafrecht keine Legaldefinition
des Opferbegriffs. Um die Unschuld bis zur rechtskräftigen Verurteilung zu un-
terstreichen, spricht das Gesetz hingegen stattdessen vom Verletzten.162 Das gilt
auch für den Täter-Opfer-Ausgleich in § 155a StPO und § 46a StGB, wo der Be-
griff des Opfers 1999 erstmals und nur in der Überschrift der Norm auftaucht.163
Der – im deutschen Straf- und Strafverfahrensrecht insoweit nicht gebräuchliche –
Opferbegriff kann, abhängig von der eingenommenen Perspektive, unterschied-
liche Bedeutungen haben und diverse Interessen repräsentieren.164 Grundsätzlich
versteht man unter dem materiell-strafrechtlichen Opferbegriff die Geschädigten
von solchen Straftaten, die i. d. R. ein Individualrechtsgut schützen.165 Der Schutz
eines solchen Opfers kann folglich einmal dadurch erreicht werden, dass man
dem Strafrecht einen präventiven Charakter zuspricht. D. h. man nimmt an, dass
potenzielle Täter*innen sich von einer strafrechtlichen Regelung abschrecken
lassen. Ein möglichst weit gefasster Tatbestand sollte dann folglich auch eine
umfassende Abschreckungswirkung erzielen.
Aber auch nach einer begangenen Tat kann ein umfassendes Strafgesetz unter
Umständen dazu führen, dass die Interessen des Opfers – so zum Beispiel etwa
ein Genugtuungsbedürfnis166 – ausreichend gewahrt werden.
Schon hier deutet sich an, dass Opferinteressen mitunter konträr sind und des-
wegen als Sinn und Zweck einer bestimmten Gesetzgebungstaktik nur bedingt
geeignet sind. Es wird aufgrund dieser widerstreitenden Interessen folglich zwi-

162 Unklar bleibt, warum das Opfer einer Straftat bei Freispruch der Angeklagten

seine Opfereigenschaft verlieren sollte, vgl. dazu auch die Legaldefinition des Opfers in
der Opferschutzrichtlinie Art. 2 Nr. 1 a der Richtlinie 2012/29/EU; zur Bedeutung der
Richtlinie vgl. auch Europäisches Unionsrecht/Meyer, Art. 82 AEUV Rn. 47; zum Be-
griff des Verletzten im Zusammenhang mit der Unschuldsvermutung vgl. Seelmann, JZ
1989, 671; für einen „subjektiven, konstruktivistischen Opferbegriff“ vgl. Wetzels, Wi-
der den naiven Realismus kriminologischer Opferforschung, S. 25 ff.; zusammenfassend
auch: Treibel, in: Kriminalsoziologie, 441 ff. m.w. N.
163 Der Begriff des Opfers wird außerdem in § 155b und 154c StPO genannt.
164 Sautner, Viktimologie, S. 20; dies., Opferinteressen und Strafrechtstheorien, 2010,

S. 25 ff.
165 Sautner, Viktimologie, S. 19.
166 Weigend, RW 2010, 39, 42, wobei dabei schon nicht unumstritten ist, was unter

dem Begriff der Genugtuung eigentlich zu verstehen ist. Weigend macht deutlich, dass
dabei „der berechtigte Wunsch, dass die Tat nicht ohne offizielle Reaktion bleibt, mit
ungezügelter Rachsucht gleichgesetzt und damit ein wesentlicher Unterschied ver-
wischt“ wird, 43.
52 C. Legitimität der Begründungsansätze zum Einsatz von Öffnungsklauseln

schen möglichen Tatopfern, die vermieden werden sollen, und tatsächlichen Tat-
opfern unterschieden.167
Welcher Opferbegriff bei den Gesetzesbegründungen zu Grunde gelegt wurde,
ist nicht abschließend feststellbar. Denn sowohl die tatsächlichen als auch die
potenziellen Tatopfer können Interesse an entsprechenden Strafgesetzen haben.
Dennoch soll im nachfolgenden der Opferbegriff in Bezug zum materiell-recht-
lichen Strafrecht gesetzt werden und gerade keine Opfer von Naturkatastrophen
oder Diskriminierung erfassen, soweit diese nicht auch materiell-rechtlich als
Opfer gelten können.168 Zu Grunde gelegt wird im Folgenden der eingangs ge-
nannte Verbrechensopferbegriff.

bb) Opferinteressen
Offen ist bei der Berufung auf Interessen des Opfers bereits, welche Opfer-
interessen überhaupt im Rahmen der Schaffung von Tatbeständen berücksichtig
werden und welche unterschiedlichen Dimensionen dieser Interessenlagen vor-
liegen können.

(1) Interessen des potenziellen Tatopfers


Mögliche (oder auch virtuelle169) Tatopfer – in diesem Sinne also alle Men-
schen, die Opfer von Straftaten werden können – sollen durch den abschreckenden
Effekt von Strafe geschützt werden, sog. negative Generalprävention,170 aber ge-
rade auch in ihrer Erwartungshaltung in Bezug auf die Normgeltung bestärkt wer-
den, also im Sinne einer positiven Generalprävention.171 Wie das Wort General-
prävention andeutet, handelt es sich also um den Schutz der Gesellschaft als sol-
cher, bei der jeder Teil grundsätzlich ein potenzielles Tatopfer sein könnte. Das
Opfer kann also einmal dadurch geschützt werden, dass die*der (ebenso potenziel-
len*r) Täter*in von einer Tatbegehung aufgrund der Strafandrohung absieht.
Allerdings können die Interessen eines potenziellen Opfers auch aufgrund ei-
ner Verurteilung gewahrt werden, weil einer solchen Verurteilung auch immer die
Bestätigung der Anwendung und Geltung der bestehenden Normen innewohnt.
Bei einer Orientierung am potenziellen Opfer ergibt sich außerdem die Proble-

167 Hörnle, JZ 2006, 950; Opferinteressen lassen sich mitunter nicht kategorisieren

und pauschalisieren, vgl. Reemtsma, Rechtsmedizin 2005, 86, 88.


168 Der Opferbegriff im Rahmen der Viktimologie ist weiterhin umstritten und wird

dort aber in der Regel sehr weit gefasst, siehe dazu zusammenfassend: Sautner, Vikti-
mologie, S. 14.
169 Hassemer/Reemtsma, Verbrechensopfer, S. 101.
170 MüKo-StGB/Joecks, Einleitung, Rn. 70 ff.; Reemtsma verweist darauf, dass wir

alle mögliche Tatopfer, aber auch Täter*innen sind, vgl. Reemtsma, Rechtsmedizin
2005, 86, 88.
171 Seelmann, JZ 1989, 670.
II. Tragfähigkeit der gewählten Begründungsansätze 53

matik, dass dessen Bedürfnisse weitaus schwieriger zu erfassen sein dürften, weil
es sich gerade nicht um konkrete Personen handelt.172 Es steht dabei aber als
übergeordnetes Interesse bzw. Handlungsmotiv die Kriminalitätsfurcht im Vor-
dergrund.173 Wenn die Bewältigung dieser Furcht aber das handlungsleitende
Motiv ist, muss dabei die Divergenz zwischen Verbrechensfurcht und tatsäch-
licher Verbrechengefährdung beachtet werden,174 die einen Einfluss auf die Vali-
dität dieses Argumentationstopos haben kann. Wenn die Furcht jeglicher Grund-
lage entbehrt, dann kann diese auch keine ausreichende Argumentationsgrund-
lage darstellen.
Es ist zu betonen, dass die negative Generalprävention gerade keine Aussage
über das tatsächliche Opfer trifft. Wie Hörnle zutreffend feststellt, gelingt dies
auch keiner der anderen Straftheorien.175

(2) Interessen tatsächlicher Tatopfer


Zu den Interessen eines tatsächlichen Tatopfers zählt, dass durch eine Verur-
teilung und dem damit verbundenen Unwerturteil eine Aufarbeitung des Gesche-
henen möglich ist.176 Für ein Opfer enthält dies auch zugleich die Aussage, dass
dieses keine Schuld an den Vorkommnissen trifft.177 Einer Verurteilung aufgrund
eines Strafgesetzes kann also (wenn auch nur begrenzt) eine heilende Wirkung
zukommen. Diese wird durch das damit verbundene Beileid und die Solidarität,
die die Gesellschaft dadurch zum Ausdruck bringt, verstärkt.178 Hörnle begrün-
det das Bedürfnis der Übelszufügung dabei mit der „Kongruenz zwischen verba-
ler Aussage und materieller Verdeutlichung“.179 Das bedeutet, dass auf eine Aus-
sage über den Unwert einer Handlung auch eine entsprechende nonverbale Reak-
tion erfolgen soll, weil dies unserer Sozialisation entspricht. Dies rechtfertigt das
Bedürfnis nach Strafe für das Opfer. Außerdem zeigen tatsächliche Opfer einer
Tat ein erhöhtes Interesse an der Wiedergutmachung des entstandenen Scha-
dens.180

172 Seelmann, JZ 1989, 670, 672.


173 Hassemer/Reemtsma, Verbrechensopfer, S. 103.
174 Hassemer/Reemtsma, Verbrechensopfer, S. 109.
175 Hörnle, JZ 2006, 950, 951; dies., Straftheorien, S. 33; A. v. Hirsch/Hörnle, GA

1995, 261, 270 ff. zum Tadel als Reaktion auf strafbares Verhalten.
176 Seelmann, JZ 1989, 670; zum Konflikt des Opferbegriffs mit der Unschuldsver-

mutung vgl. Kanz, MSchKr, 2017, 225, 231.


177 Hörnle, JZ 2006, 950, 955, dabei grenzt Hörnle dieses Bedürfnis bewusst von

einem Bedürfnis nach Rache ab; zur unterschiedlichen Schutzbedürftigkeit des Opfers
vgl. R. Hassemer, Schutzbedürftigkeit des Opfers und Strafrechtsdogmatik, S. 72 ff.
178 A. a. O.; ebenso Kanz, MSchKr 2017, 225, 232.
179 Hörnle, JZ 2006, 950, 956.
180 M. w. N. Stolle, StudZR 2006, 27, 42; zur sog. Restorative Justice siehe auch Saut-

ner, Opferinteressen und Strafrechtstheorien, S. 70 ff.


54 C. Legitimität der Begründungsansätze zum Einsatz von Öffnungsklauseln

Seelmann weist aber zurecht darauf hin, dass es gerade im Bereich der Inter-
essen von potenziellen und tatsächlichen Opfern zu Paradoxien kommen kann.181
Das Interesse eines potenziellen Opfers muss nicht zwangsläufig dem eines tat-
sächlichen Opfers entsprechen. Und auch die Interessen tatsächlicher Opfer di-
vergieren im Hinblick darauf, welche Tat zugrunde liegt.182 Die Interessen dieser
beiden Gruppen können geradezu konträr sein. So liegt das Interesse eines poten-
ziellen Tatopfers vermutlich eher im präventiven Bereich und im bestmöglichen
Schutz, wohingegen tatsächliche Tatopfer i. d. R. an einer Wiedergutmachung
interessiert sein dürften. Daraus folgt für die vorliegende Untersuchung des ge-
wählten Erklärungsansätze, dass die simple Begründung des Opferschutzes an
sich noch keine Aussage darüber zulässt, wessen Interessen in einem solchen Fall
vorrangig sind, sondern dass diese sich vielmehr in konträrer Weise gegenüber-
stehen. Denn es wird gerade nicht deutlich, inwieweit das Opfer geschützt wer-
den muss, insbesondere nicht von und durch was. Der optimale Schutz eines
potenziellen Opfers entspricht gerade nicht dem eines tatsächlichen Opfers bzw.
vollzieht sich auf andere Art und Weise. Dies stützt die These, dass derjenige
„der [im Namen von] Verbrechensopfern Forderungen stellt, [. . .] Rechnung zu
legen [hat], in wessen Namen er auftritt“.183 Ein einfacher Verweis auf Opfer-
interessen bei der Erweiterung eines Tatbestandes erscheint nicht legitim.184

cc) Zwischenergebnis

Die oben dargestellte Unklarheit, welcher Art von Opfern die Verwendung die-
ser Art der Gesetzgebungstechnik genau dienen soll, zeigt bereits auf, dass ein
Verweis auf Opferinteressen nicht ohne Weiteres zur Begründung herangezogen
werden kann. Dies hängt insbesondere mit der Ambivalenz der verfolgten Opfer-
interessen je nach Zeitpunkt der Betrachtung zusammen.185 Darüber hinaus ste-
hen die Wege zur Erreichung des Opferschutzes möglicherweise in Konflikt mit
strafrechtlichen Grundsätzen, wie dem fragmentarischen Charakter des Straf-
rechts.186 Insbesondere, wenn als Opferinteressen solche von potenziellen Tat-

181 Seelmann, JZ 1989, 670, 671, wobei hier zuvorderst auf die Paradoxien im Straf-

verfahren abgestellt wird, dennoch sind die Gedanken auch auf das materielle Strafrecht
übertragbar, denn auch hier treffen bei einer Opferorientierung widerstreitende Inte-
ressen aufeinander; im Ergebnis wohl auch: P.-A. Albrecht, in: Opfers im Strafrechts-
system, 2000, S. 39.
182 Zusammenfasend zu den Interessen von Tatopfern aufgeschlüsselt nach Delikts-

typen vgl. Kanz, MSchKr 2017, 225, 239 f.


183 Hassemer/Reemtsma, Verbrechensopfer, S. 101.
184 Kanz, MSchrKr 2017, 225, 245 führt ebenfalls aus, dass Gesetze nicht mit einem

„universellen Genugtuungsinteresse“ der Opfer begründet werden können.


185 Vgl. dazu Kap. C. I. 1. c).
186 So auch Hassemer, der auf das Risiko der Ausweitung des Strafrechts hinweist,

wenn der Opferschutz im Mittelpunkt steht, vgl. Hassemer, JRP 2007, 79, 85.
II. Tragfähigkeit der gewählten Begründungsansätze 55

opfern herangezogen werden, muss beachtet werden, dass die Verbrechensfurcht


nicht der tatsächlich bestehenden Bedrohungslage entspricht.187 Wenn folglich
eine Konzentration auf die vermeintlichen Verbrechensopfer stattfindet, hat eine
entsprechende Orientierung zumindest das Potential diese verzerrte Wahrneh-
mung der Gesellschaft zu manifestieren. Ein pauschaler Verweis auf Opferinter-
essen kann – ohne weitere Erörterungen – nicht als tragfähige Begründung her-
angezogen werden.

2. Schaffung absoluter Gerechtigkeit als Begründungsansatz

Außerdem wurde zur Verwendung von Öffnungsklauseln, wie dargelegt, die


Begründung herangezogen, dass dies eine möglichst gerechte Entscheidung im
Einzelfall ermögliche. Der Legitimität des Begründungsansatzes steht, wie so-
gleich dargelegt werden wird, entgegen, dass sich Gerechtigkeit im Zweifel nicht
einheitlich definieren lässt. Unklar ist auch, welche Definition der Gesetzgeber
dabei zugrunde legt und inwieweit Gerechtigkeit überhaupt Absolutheit bean-
spruchen kann.

a) Begriffsbestimmung „Gerechtigkeit“

Der Begriff der Gerechtigkeit und folglich auch der damit verbundene Argu-
mentationstopos ist einigermaßen vage und unspezifisch.188 Mit Kelsen lässt sich
sagen, dass die Frage, was Gerechtigkeit eigentlich ist, schlussendlich nicht ab-
schließend zu beantworten ist.189 Es steht folglich schon nicht zweifelsfrei fest,
was unter Gerechtigkeit zu verstehen ist und ob überhaupt ein solcher Zustand
geschaffen werden kann.190 Auch wie im Strafrecht191 eine gerechte Rechtslage
geschaffen werden kann, ist unklar. Das wirft zudem die Frage auf, ob, wenn
bereits der Begriff der Gerechtigkeit nur schwer erfasst werden kann, es sowas
wie absolute Gerechtigkeit – zumal im Strafrecht – überhaupt geben kann.
Zum Verständnis von Gerechtigkeit wurden unterschiedliche Theorien ge-
schaffen, die insbesondere von der jeweiligen Epoche ihrer Entstehung beein-

187 Hassemer, JRP 2007, 79, 85, vgl. dazu auch Landau, NStZ 2007, 121, der darauf

hinweist, dass diesem Bedrohungsgefühl nicht mit einer Erweiterung des Strafrechts be-
gegnet werden kann.
188 Sax, Das strafrechtliche „Analogieverbot“, S. 150; Kriele, Kriterien der Gerechtig-

keit, S. 42 ff.; mit Bezug zur Rechtswissenschaft, vgl. Mahlmann, Konkrete Gerechtig-
keit, S. 264 ff.; zur „Idee der Gerechtigkeit“ in der Strafgesetzgebung, vgl. Schuchmann,
in: Strafrecht und Politik, S. 40.
189 Kelsen, Was ist Gerechtigkeit?, S. 52.
190 Daraus folgen auch die Zweifel an der Geeignetheit von Gerechtigkeit als Argu-

mentationstopos, vgl. von Münch, Der Staat, 1994, 165, 172; zur Wortbedeutung siehe
auch Köhler, Recht und Gerechtigkeit, S. 1 ff.
191 Gerechtigkeit muss im Hinblick auf einen konkreten Bezugspunkt gedacht wer-

den, vgl. v. Münch, Der Staat, 165, 172.


56 C. Legitimität der Begründungsansätze zum Einsatz von Öffnungsklauseln

flusst wurden.192 Solche Gerechtigkeitstheorien sollen gerade allgemeingültige


Aussagen darüber treffen, was unter Gerechtigkeit verstanden wird und wie diese
erreicht werden kann.193

aa) Politische und soziale Gerechtigkeit

Im Rahmen von Gerechtigkeit wird grundsätzlich zwischen der politischen


und der sozialen Gerechtigkeit unterschieden.194 Grundsätzlich ergibt sich das
Bedürfnis nach Gerechtigkeit aus einer Begrenztheit von Ressourcen, wonach
diese fair auf alle Teilhabenden verteilt werden sollen.195 Dieser Gedanke des
Bedürfnisses nach Gerechtigkeit lässt sich aber nicht ohne Weiteres auf die Ge-
rechtigkeit in Bezug auf Rechtsetzung – insbesondere im Strafrecht – übertragen.
Denn Grundsätze, die der Gerechtigkeit dienen, wie z. B. der Gleichheit vor dem
Gesetz, sind nicht im begrenzten Maße verfügbar.196 Allerdings müssen auch im
Recht widerstreitende Interessen, auch wenn diese nicht Folge der Knappheit von
Ressourcen sind, in Einklang gebracht werden, denn nicht alle Rechte können
gleichermaßen Beachtung finden. Viel mehr stehen Rechte und Interessen häufig
im Widerspruch, sodass ein Ausgleich gefunden werden muss. In diesem Sinne
wird also von politischer Gerechtigkeit gesprochen.197

bb) Gerechtigkeitsverständnis des Gesetzgebers

Zunächst ist festzustellen, dass der Gesetzgeber aber auch die Gerichte, wenn
sie sich in ihren Entscheidungen oder auch Gesetzesbegründungen auf Gerechtig-
keit beziehen, nicht bereits definieren, was unter Gerechtigkeit verstanden
wird.198 Im allgemeinen Sprachgebrauch wird Gerechtigkeit als „Prinzip eines

192 Zusammenfassend dazu: Höffe, in: Werte und Politik, S. 37 f. und Heidenreich,

Theorien der Gerechtigkeit, 2011; Godwin definiert Gerechtigkeit über das, was für die
Gesamtheit am besten ist, vgl. Godwin, An Enquiry concerning political Justice and ist
Influence on general Virtue and Happiness, S. 121, 151, 81, zitiert Godwin, Über die
politische Gerechtigkeit, S. 10; siehe auch Höffe (Hrsg.), John Rawls – Eine Theorie der
Gerechtigkeit, 1975; Sen, Idee der Gerechtigkeit, S. 59 ff.
193 Heidenreich, Theorien der Gerechtigkeit, S. 9.
194 Höffe, in: Werte und Politik, S. 42 ff.; zum Problem der sozialen Gerechtigkeit

vgl. Kersting, Theorie der sozialen Gerechtigkeit, 2000; Gosepath, in: Demokratie und
Gerechtigkeit in Verteidigungskonflikten, S. 35 ff. und zum Begriff der politischen Ge-
rechtigkeit vgl. S. 43 ff.
195 Höffe, Gerechtigkeit, S. 26.
196 Höffe, in: Werte und Politik, 2015, S. 39.
197 Höffe, Gerechtigkeit, S. 61.
198 Bei der Fassung eines abstrakten Tatbestandes kann es gerade nicht nur um eine

tatproportionale Strafe gehen, vgl. dazu Engisch, Auf der Suche nach Gerechtigkeit,
S. 175; grundlegend dazu Liszt, Strafrechtliche Aufsätze und Vorträge, Bd. I, S. 126 ff.
II. Tragfähigkeit der gewählten Begründungsansätze 57

staatlichen oder gesellschaftlichen Verhaltens, das jedem gleichermaßen sein


Recht gewährt“199 verstanden.
Synonyme für den Begriff der Gerechtigkeit sind unter anderem Fairness, Ob-
jektivität und Unparteilichkeit.200 Der Rückgriff auf den allgemeinen Sprachge-
brauch legt nahe, dass dann eine absolute Gerechtigkeit vorliegt, wenn eine Lö-
sung erzielt wurde, die alle widerstreitenden Interessen und Rechte im gleichen
Maße erkennt, anerkennt und wahrt. Dem schließen sich Stimmen aus dem Be-
reich des Strafrechts an, wenn sie ausführen, dass Gerechtigkeit dann vorliegt,
wenn wesentlich Gleiches auch gleichbehandelt wird.201
Aus der dortigen Wortbedeutung kann entnommen und insbesondere für das
Strafrecht gefolgert werden, dass die Gerechtigkeit des staatlichen Handelns auf
Grundlage eines Strafgesetzes im Wesentlichen auf Gleichbehandlung im Rah-
men der Rechtsgewährung beruht und sich der Gesetzgeber bei seiner Definition
auch an einer solchen Wortbedeutung orientiert. Opfer- und Täter*innenrechte
müssen gleichermaßen gewahrt und zugleich gewährt werden. Diese Definition
legt den Schluss nahe, dass eine reine Orientierung an den Rechten und Interes-
sen des Opfers dann kein gerechtes Gesetz im Sinne dieser Norm darstellen
kann, wenn dabei die Rechte der (potenziellen) Täter*innen außer Acht gelassen
werden sollten oder zumindest nicht im gleichen Maße Beachtung finden wie die
Rechte des potenziellen Tatopfers. Zu beachten ist folglich, dass das Bedürfnis
nach Gerechtigkeit des Opfers unter Umständen im Widerspruch zur Rechtssi-
cherheit, die gegenüber den (potenziellen) Täter*innen als gerecht empfunden
wird, steht. Die darauffolgende Abwägung darf nicht dazu führen, dass im Er-
gebnis der Rechtssicherheit mehr geschadet wird als der Gerechtigkeit genutzt
wird.202
Materiale Gerechtigkeit kann im Gegensatz dazu auch als eine am Rechtsge-
fühl orientierte Entscheidung beschrieben werden, die je nach Sach- und Rechts-
lage unterschiedliche Punkte unterschiedlich stark gewichtet und so im Sinne
einer Abwägung die Lösung findet, die die Interessen möglichst schonend in
Einklang bringt.203 Eine solche materiale Gerechtigkeit „strebt nach optimalen,

199 Siehe Begriffsdefinition im Duden, abrufbar unter https://www.duden.de/recht

schreibung/Gerechtigkeit [zuletzt abgerufen am 19.11.2020]; „Gleichheit ist der In-


begriff der Gerechtigkeit“: Gosepath, Gleiche Gerechtigkeit, S. 463; zur Problematik
von Gleichheit und Gerechtigkeit vgl. anschaulich Mahnmann, Konkrete Gerechtigkeit,
S. 264.
200 Siehe Begriffsdefinition im Duden, abrufbar unter https://www.duden.de/recht

schreibung/Gerechtigkeit [zuletzt abgerufen am 19.11.2020].


201 Lemmel, Unbestimmte Strafbarkeitsvoraussetzungen im Besonderen Teil des

Strafrechts, S. 110; zum Bestandteil der Gleichbehandlung von Recht und Unrecht vgl.
Kriele, Kriterien der Gerechtigkeit, S. 95.
202 Lenckner, JuS 1968, 304, 305.
203 Krahl, Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesge-

richtshofs zum Bestimmtheitsgrundsatz im Strafrecht, S. 285.


58 C. Legitimität der Begründungsansätze zum Einsatz von Öffnungsklauseln

richtigen Entscheidungsergebnissen“.204 Wird dieser Ansatz der materialen Ge-


rechtigkeit durch Einzelfallentscheidung zugrunde gelegt, könnten dem Öff-
nungsklauseln gerade dienlich sein, indem sie die Möglichkeit der Erweiterung
des Anwendungsbereichs offenhalten.
Die unterschiedlichen Definitionen dessen, was eine gerechte Entscheidung
ist, legen nahe, dass sich Gerechtigkeit als Argumentationstopos nur bedingt eig-
net, weil es an einer näheren Begründung dessen fehlt, was es für eine gerechte
Entscheidung bedarf. Es ist folglich nur schwer nachvollziehbar, was der Gesetz-
geber bei einer Argumentation mit dem Begriff der Gerechtigkeit genau meint
und inwieweit eine bestimmte Art der Gesetzgebung der Verwirklichung dieser
Gerechtigkeit dienlich sein kann. Eine Bewertung, ob Öffnungsklauseln diesem
Zweck dann überhaupt dienlich sein können, ist nur schwerlich möglich.

b) Möglichkeit der Schaffung absoluter Gerechtigkeit

Neben der Definitionsproblematik bleibt insgesamt fraglich, ob Menschen


überhaupt in der Lage sind, eine absolute Gerechtigkeit zu schaffen. Dies würde
nämlich bedeuten, dass über die Entscheidung einer Sache kein anderes Wert-
urteil als das der Gerechtigkeit gefällt werden kann.205 Es ist aber davon auszu-
gehen, dass immer eine andere Bewertung möglich ist, weil eine umfassende,
vollumfängliche und gleichberechtige Einbeziehung aller Interessen im gleichen
Maße gerade nicht möglich ist.206 Insbesondere dort nicht, wo es sich um wider-
streitende Interessen handelt. Und solche Konflikte treten auf, wo menschliche
Interessen aufeinandertreffen.207 Gerade der Staat ist dazu angehalten, wechsel-
seitig die Interessen aller zu schützen.208 Dabei aber konkrete Kriterien dessen
aufstellen zu können, dürfte aber eine Utopie sein.209 So stehen sich gerade im
Strafrecht Interessen von Opfer, Gesellschaft und der potenziellen Täter*innen
diametral gegenüber: Dort, wo sich Tatopfer Einzelfallgerechtigkeit wünschen,
darf die erforderliche Rechtssicherheit nicht missachtet werden, um die allge-

204 Krahl, Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesge-

richtshofs zum Bestimmtheitsgrundsatz im Strafrecht, S. 285.


205 Kelsen, Was ist Gerechtigkeit?, S. 49; gerade die Entscheidung darüber, was ge-

recht ist und was nicht, stellt aber nicht überprüfbare Werturteile, bei der sich eine
Überprüfung mit der Richtigkeit verbietet, dar, vgl. Emge, Über das Grunddogma des
rechtsphilosophischen Relativismus, S. 57.
206 Kelsen, der Gerechtigkeit mit Glück umschreibt, erläutert, dass das Glück des

einen auch immer das Unglück eines anderen bedeutet, vgl. Kelsen, Was ist Gerechtig-
keit?, S. 12; Rüthers, Das Ungerechte an der Gerechtigkeit, S. 133.
207 Kelsen, Was ist Gerechtigkeit?, S. 49.
208 Feuerbach, Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden peinlichen Rechts,

S. 12.
209 Kriele, Kriterien der Gerechtigkeit, S. 100, zum Widerspruch zwischen Rechts-

gefühl und Rationalität.


II. Tragfähigkeit der gewählten Begründungsansätze 59

meine Handlungsfreiheit nicht über das erforderliche Maß hinweg einzuschrän-


ken. Weitere Interessen von potenziellen Täter*innen ergeben sich aus dem Ge-
setzlichkeitsprinzip, was wiederum einer Flexibilität der Gerichte im Hinblick
auf die Entscheidung entgegensteht.
So ist es offenkundig unmöglich, dass eine Norm so ausgestaltet sein kann,
dass sie eine absolute Gerechtigkeit herbeiführt.210 Vielmehr kann es gerade kon-
stituierend für einen freiheitlichen Staat sein, sich vom Streben nach einer sol-
chen „absoluten Gerechtigkeit“ zu lösen, indem anerkannt wird, dass es einen
solchen Zustand nicht gibt und stattdessen die widerstreitenden Interessen in ei-
nen Ausgleich gebracht werden müssen, sowohl im Hinblick auf die Rechte der
Opfer als auch der Täter*innen. Gerade, wenn beim Einsatz von Öffnungsklau-
seln auf die Erreichung absoluter Gerechtigkeit verwiesen wird, wird außer Acht
gelassen, dass dies grundsätzlich erst einmal nur zu einer Erweiterung der Opfer-
rechte führt.211 Ein Einklang mit der Wortbedeutung von Gerechtigkeit, die in
jedem Fall Rechte der Opfer als auch der vermeintlichen Täter*innen gleicher-
maßen beachten sollte, wird dadurch noch nicht hergestellt.
Zur Bestimmung, ob Öffnungsklauseln zur Erreichung einer absoluten Gerech-
tigkeit geeignet sind, kann auf das dreistufige Gerechtigkeitsmodell nach Höffe
zurückgegriffen werden. Auf der ersten Stufe steht die Suche nach Wegen, Ver-
fahren und Mitteln zur Erreichung ebendieser Gerechtigkeit. Die nächste Stufe
wird infolge einer „individual- oder sozialpragmatischen Bewertung“ 212 erreicht.
Es wird bestimmt, welches Mittel bzw. welcher Weg zur Erreichung von Gerech-
tigkeit am besten für den Einzelnen ist. Die dritte Stufe wird mit Erreichen einer
„genuin moralischen Verbindlichkeit“ 213 erklommen. Ziel ist es, dass bestehende
Indifferenzen aufgehoben werden und die Lösung für jeden Einzelnen gleicher-
maßen geeignet ist.214
Überträgt man dieses Stufenmodell auf den Einsatz von Öffnungsklauseln
würde dies bedeuten, dass durch die Wahl des Mittels grundsätzlich die erste
Stufe erreicht wird. Es kann dann entsprechend argumentiert werden, dass der
Einsatz von Öffnungsklauseln gerade gut für das einzelne potenzielle oder tat-
sächliche Opfer ist, weil dadurch zumindest die Möglichkeit der Abschreckung,
aber auch die Möglichkeit der Strafverfolgung eines für strafwürdig befundenen
Verhaltens besteht. Eine solche Argumentationslinie blickt dabei einseitig auf die
Bedürfnisse und Interessen des Opfers. Eine solche Regelung wäre also gut für

210 Kritisch zur Erreichung absoluter Gerechtigkeit vgl. auch Engisch, Auf der Suche

nach Gerechtigkeit, S. 176, 178; Rüthers, Das Ungerechte an der Gerechtigkeit, S. 70.
211 Rüthers, Das Ungerechte an der Gerechtigkeit, S. 133, verweist auf die „Subjek-

tivität der Maßstäbe“ bei der Bestimmung von Gerechtigkeit.


212 Höffe, Gerechtigkeit, S. 29.
213 Höffe, Gerechtigkeit, S. 29.
214 Höffe, Gerechtigkeit, S. 28 ff.
60 C. Legitimität der Begründungsansätze zum Einsatz von Öffnungsklauseln

einen Einzelnen, wenn es sich dabei nur um potenzielle Opfer handelt. Wenn
dieser Weg aber gerade jegliche Indifferenzen aufheben soll, dann bedeutet dies,
dass der Einsatz auch gerade gut für Täter*innen und Opfer sein muss; es also
eines Blickes auf alle von der Regelung Betroffenen bedarf, folglich auch auf die
Rechte und Interessen der Täter*innen.
Auch aus dieser Perspektive ist es fraglich, ob bei einer solchen Fokussierung
auf das Opfer von einer absoluten Gerechtigkeit gesprochen werden kann, unab-
hängig davon, welcher Definition von Gerechtigkeit man sich anschließt. Denn
auch Art. 103 Abs. 2 GG und Art. 20 Abs. 2 GG als Schutz vor Aufgabenverla-
gerung und einer gelockerten Gesetzesbindung sind Ausdruck von Gerechtigkeit
und müssen bei der Bewertung um die Schaffung ebensolcher Gerechtigkeit in
gleichem Maße Eingang finden.
Auch wenn dies die Suche nach Gerechtigkeit oder einer möglichst gerechten
Lösung nicht unmöglich macht, so ist doch zu bezweifeln, ob sich die absolute
Gerechtigkeit als Begründung für den Einsatz einer bestimmten Gesetzgebungs-
technik heranziehen lässt.215 Zumindest die Legitimität eines nicht messbaren
und nicht zu erreichenden Zweckes muss in Frage gestellt werden.

c) Gerechtigkeit als Argumentationstopos

Folgt man Radbruch und sieht das Recht – folglich auch das gesetzte Recht –
„als eine Satzung, die ihrem Sinn nach dazu bestimmt ist, Gerechtigkeit zu die-
nen“216, dann ist die oberste Maxime in der Rechtsetzung die Schaffung von Ge-
rechtigkeit.217 Inwieweit infolgedessen dann die Schaffung (absoluter) Gerechtig-
keit als Argumentationstopos herangezogen werden kann, ist auch im Hinblick
auf diese übergeordnete Maxime fraglich: In einem Rechtsstaat sollte ein Ziel
immer auch die Schaffung von Gerechtigkeit – wie auch immer eine solche im
Einzelfall ausgestaltet werden sollte – sein. Daraus ergibt sich, dass jedes Gesetz
der Herstellung oder Beibehaltung der Gerechtigkeit dienen muss. Diese ist also
gerade die Handlungsmaxime. Hinter jedem erlassenen Gesetz muss der Grund-
gedanke der Gerechtigkeit stehen. Es ist dann gerade kein Argument für eine be-
stimmte Art der Gesetzgebung, sondern Grundvoraussetzung für die Schaffung
einer gesetzlichen Regelung. Dies steht der Einordnung als tragfähiger Begrün-
dungsansatz entgegen. Wenn diese Voraussetzung ohnehin von jedem Gesetz er-
füllt werden muss, kann dies nicht bzw. nur eingeschränkt zur Begründung her-
angezogen werden.

215 Zweifel am objektiven Gehalt von Gerechtigkeit auch bei Luhmann, Das Recht

der Gesellschaft, S. 215 ff.


216 Radbruch, Süddeutsche Juristenzeitung 1946, 105, 107.
217 „Justice is the axiom of law“, vgl. Bröstl, in: Gerechtigkeit, Theorie und Praxis,

S. 19.
III. Zwischenergebnis 61

d) Zwischenergebnis

Es ist unklar, wie Gerechtigkeit genau definiert werden kann und welche Vor-
aussetzungen Gesetze infolgedessen erfüllen müssen, um dem Gerechtigkeitsan-
spruch gerecht zu werden. Auch die Gesetzesbegründungen, die die Gerechtig-
keit als Argumentationstopos zur Begründung einer bestimmten Art der Gesetz-
gebung heranziehen, erläutern nicht, was darunter verstanden werden soll. Im
Hinblick auf die vielfältigen Deutungsmöglichkeiten der Gerechtigkeit kann
nicht festgestellt werden, ob dieser Zweck überhaupt erfüllt werden kann. Er-
schwerend kommt hinzu, dass Gerechtigkeit nie einen Absolutheitsanspruch er-
füllen kann. Unabhängig von der zugrunde liegenden Definition, ist eine allum-
fassende Berücksichtigung aller Rechte und Interessen gleichermaßen ein zwar
nachvollziehbares aber wohl unerreichbares Ziel. Schließlich muss auch beachtet
werden, dass Gerechtigkeit, unabhängig davon, wie man diese im Detail defi-
niert, Grundlage jeder gesetzgeberischen Tätigkeit sein muss. Inwieweit die Ver-
wirklichung von Gerechtigkeit dann noch als Zwecksetzung herangezogen wer-
den kann, ist zumindest diskutabel.
Insgesamt handelt es sich aufgrund der Bedenken zur Begriffsbildung und der
Verwirklichung absoluter Gerechtigkeit um einen Zweck, dessen Legitimität zu
bezweifeln ist, wenn es sich lediglich um einen pauschalen Verweis handelt.

III. Zwischenergebnis

Es lässt sich bereits hier festhalten, dass die für den Einsatz von Öffnungsklau-
seln gewählten Begründungsansätze nicht ohne weiteres plausibel sind. Dabei
weisen die verfolgten Zwecke einen Konflikt mit wesentlichen verfassungsrecht-
lichen Prinzipien auf und sind zum Teil zu pauschal, als dass sie ohne Weiteres
als legitim eingeordnet werden könnten.
Die oberste Maxime beim Einsatz von Öffnungsklauseln im Strafrecht scheint
die Vermeidung von Strafbarkeitslücken zu sein. Diese sollen geschlossen wer-
den, um (bewusste) Gesetzesumgehungen zu vermeiden, um der Judikative auf
diese Weise eine flexiblere Handhabung der gesetzlichen Regelungen zu ermög-
lichen und um den Opferinteressen gerecht zu werden. Übergeordnetes Ziel ist
auch immer die Verwirklichung einer möglichst gerechten Regelung.
Die Legitimität der Begründungsansätze ist aber insbesondere im Hinblick auf
die pauschalen Verweisungen und die Vereinbarkeit mit strafrechtlichen Grund-
sätzen anzuzweifeln.
Gerade der Verweis auf die Schließung von Schutzlücken gerät mit dem frag-
mentarischen Charakter des Strafrechts in Konflikt. Wenn es konstituierend für
das deutsche Strafrecht ist, dass es, aufgrund verfassungsrechtlicher Vorgaben
und selbstgewählter Zielsetzung, lückenhaft ist, dann erscheint es widersprüch-
62 C. Legitimität der Begründungsansätze zum Einsatz von Öffnungsklauseln

lich, dass die Schließung von Lücken zur Begründung eines Gesetzes herangezo-
gen werden kann. Zumindest bedürfte es einer genaueren Begründung, warum in
genau diesen Fällen eine Ausnahme vom fragmentarischen Charakter des Straf-
rechts geboten ist. Bedenken gegen die Wirksamkeit des Strafrechts im Falle der
Erweiterung der Tatbestände sind hingegen nicht durchgreifend.
Insbesondere der Verweis auf Gerechtigkeit und die Erfüllung von Opferinte-
ressen stellen aufgrund ihrer Pauschalität keine legitimen Ziele dar. Sie bergen
aufgrund dieser allgemeinen Verweise vielmehr die Gefahr, dass sie in jeder Ge-
setzesbegründung als Zielsetzung benannt werden und auf diese Weise ihrer Aus-
sagekraft weiter einbüßen müssen.
Denn gerade Opferinteressen lassen sich ohne nähere Begründung nicht pau-
schalisieren. Es ist dabei bereits nicht klar, ob die gewählte Art der Gesetzge-
bung den Interessen von potenziellen oder tatsächlichen Opfern diesen soll. Aber
auch innerhalb der beiden Gruppen divergieren die Bedürfnisse stark und lassen
sich nur schwer verallgemeinern.
Eine vergleichbare Problematik besteht auch beim Verweis auf die absolute
Gerechtigkeit. Zum einen sollte Gerechtigkeit in der Gesetzgebung immer hand-
lungsleitende Maxime sein, sodass deren Verfolgung nicht explizit als Begrün-
dung für den Einsatz einer bestimmten Art der Gesetzgebung herangezogen wer-
den kann. Zum anderen ergibt sich auch hier die Problematik, dass unklar ist,
was unter Gerechtigkeit überhaupt zu verstehen ist und ob absolute Gerechtigkeit
überhaupt jemals erreicht werden kann und folglich das Streben danach legitim
ist.
So lässt sich zusammenfassend sagen, dass die verwendeten allgemeinen Be-
gründungsmuster in der Legitimität ihrer verfolgten Zwecke nicht überzeugen
können. Aber, wie eingangs bereits gesagt, schließt die Illegitimität dieser pau-
schalen Argumentationsmuster nicht aus, dass der Einsatz von Öffnungsklauseln
in konkreten Tatbeständen durchaus hinreichend begründet werden kann, indem
sie dem Schutz eines Rechtsguts dienen. Sie bieten durch die offene Fassung zu-
mindest potenziell einen umfassenderen Schutz, als dies der Tatbestand ohne die
Öffnungsklauseln leisten könnte. So besteht zumindest die Möglichkeit, dass ein
praktikabler Begründungsansatz verbleiben könnte.
D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln
Öffnungsklauseln sehen sich, unabhängig von der gerade erörterten Begrün-
dungsansätzen, mit dem Vorwurf konfrontiert, dass diese Art der Gesetzgebung
gegen Art.103 Abs. 2 GG verstößt.1
In Art. 103 Abs. 2 GG wurde die „freiheitsverbürgende Rechtsbeziehung zwi-
schen Bürger und Staat“ 2 normiert und die dort enthaltenen Ge- und Verbote
werden zusammenfassend als Gesetzlichkeitsprinzip bezeichnet.3 Diese beziehen
sich sowohl auf die Entscheidung, ob ein Verhalten für strafbar erklärt werden
soll als auch auf die konkrete Ausgestaltung des Tatbestandes.4 Bei Art. 103
Abs. 2 GG handelt es sich nach Schünemann um eine sog. „Fundamentalnorm“,
sodass eine Einhaltung der dort garantierten Grundsätze in jedem Falle erforder-
lich ist.5 Dieser Grundsatz findet sich darüber hinaus auch in Art. 7 der Mensch-
RKonv6 und Art. 49 Abs. 1 Grundrechtecharta wieder, was die nicht nur im In-
land überragende Bedeutung unterstreicht.
Aus ebendieser Norm leiten sich der Bestimmtheitsgrundsatz, das Analogie-
verbot, das Rückwirkungsverbot, der Grundsatz des Gesetzesvorbehaltes und der
Grundsatz der Gesetzesbindung ab, gegen die die Öffnungsklauseln jeweils ver-
stoßen könnten. Eng verbunden ist das Prinzip, wie noch zu zeigen sein wird,
außerdem mit dem Grundsatz der Gewaltenteilung.
Der Grundgedanke des Gesetzlichkeitsprinzips geht auf die Entscheidung zu-
rück, Recht zu kodifizieren (unter I. 1.), gleichwohl hat sich die Bedeutung des

1 Kühl, in: FS-Geppert, S. 311, 315; ders., in: FS-Seebode, S. 71; Eiden, ZIS 2008,

123, 127; Gazeas, KJ 39 (2006), 247, 257 f.; ders., JR 2007, 497, 501; Greco, GA 2012,
452, 455; Neubacher, ZStW 118 (2006), 855, 870; Neubacher/Seher, JZ 2007, 1023,
1033; MüKo-StGB/Gericke, § 238, Rn. 35 m.w. N.; Bartsch, in: FS-Rössner, 715, 724;
Kinzig/Zander, JA 2007, 481, 485; Meyer, ZStW 2003, 249, 288; wohl auch Entwurf
des zweiten Gesetzes zur Sicherung des Straßenverkehrs, v. 27.09.1962 – BT-Drucks.
IV/651, S. 22, abrufbar unter https://dipbt.bundestag.de/doc/btd/04/006/0400 651.pdf
(zuletzt abgerufen am 02.12.2020).
2 Calliess, NJW 1989, 1338.
3 Mangoldt/Klein/Starck/Nolte/Aust, Art. 103 Abs. 2 Rn. 2; die Bezeichnung wird

insgesamt nicht einheitlich verwendet, in dieser Arbeit wird aber dem herrschenden
Verständnis gefolgt und der Begriff des Gesetzlichkeitsprinzips soll alle in Art. 103
Abs. 2 GG normierten Ge- bzw. Verbote umfassen, vgl. Maunz/Dürig/Remmert, Art. 103
Abs. 2 Rn. 2.
4 Roxin/Greco, Strafrecht AT I, S. 215.
5 Schünemann, Nulla poena sine lege?, S. 2.
6 Außerdem in Art. 49 GRC und Art. 7 Abs. 1 EMRK und Art. 15 Abs. 1 IPBPR.
64 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

Grundsatzes im Laufe der Zeit immer wieder gewandelt, in dem die Schutzrich-
tungen des Gesetzlichkeitsprinzips unterschiedlich gewichtet wurden (unter I. 2.).
Das Gesetzlichkeitsprinzip nimmt auch heute eine prominente Position in § 1
StGB und in Art. 103 Abs. 2 GG ein (dazu unter I. 3.). Das Prinzip ist aufgrund
seiner vielfältigen verfassungsrechtlichen Verschränkungen grundlegend für die
strafrechtliche Gesetzgebung und Rechtsanwendung (dazu unter II.), daran ver-
mag auch eine etwaig festzustellende gelockerte Handhabung durch die Judika-
tive7 nichts ändern (dazu unter II. 2.).
Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 2 GG oder auch den Grundsatz der Gesetzes-
bindung und dem Grundsatz der Gewaltenteilung führt zur Verfassungswidrig-
keit. Ein solcher kann auch nicht durch die verfolgten Zwecke geheilt werden
oder durch Verhältnismäßigkeitserwägungen überwunden werden.8 Eine Abwä-
gung ist aufgrund der klaren Vorgaben und der hohen Bedeutung dieser verfas-
sungsrechtlichen Prinzipien gerade nicht möglich.9 Infolgedessen kommt grund-
sätzlich keine Absenkung des Schutzniveaus der Garantien in Betracht. Eine
solche unterschiedliche bzw. gelockerte Handhabung der Ge- und Verbote ist nur
durch eine entsprechende Auslegung überhaupt möglich.10

I. Historische Entwicklung des Gesetzlichkeitsprinzips

Das Gesetzlichkeitsprinzip11 und dessen Ausprägungen tauchen nicht erstmals


im Grundgesetz der Bundesrepublik auf.12 Durch die Entscheidung Recht und
insbesondere das Strafrecht zu verschriftlichen, erwuchsen auch Anforderungen

7 Das BVerfG legt die Maßstäbe, anhand derer die ausreichende Bestimmtheit einer

Norm festgestellt werden soll, danach aus, wie eingriffsintensiv das entsprechende Ge-
setz ist, vgl. BVerfG, Beschl. v. 21.09.2016 – 2 BvL 1/15 = BVerfGE 143, 38 = NJW
2016, 3648, 349; BVerfGE 25.07.1962 – 2 BvL 4/62 = BVerfGE 14, 245, 250 = NJW
1962, 1563; BVerfG, Beschl. v. 06.05.1987 – 2 BvL 11/85 = BVerfGE 75, 329, 342 =
NJW 1987, 3175.
8 Schreiber, ZStW 80 (1986), 348, 367; ebenso: Krey, Keine Strafe ohne Gesetz,

S. 100; Bonner-Kommentar GG/Pohlreich, Art. 103 Abs. 2 Rn. 44.


9 BVerfG v. 05. April 2004 – 2 BvR 2029/01 = NJW 2004, 739; Maunz/Dürig/Rem-

mert, Art. 103 Abs. 2 Rn. 135, 136 relativiert die Bedeutung aber, indem er davon aus-
geht, dass auch ohne eine ausdrückliche Normierung von Art. 103 Abs. 2 GG ein ver-
gleichbarer Schutzstandard herrschen würde; ebenso Sachs/Degenhart, Art. 103 Rn. 53;
v. Münch/Kunig/Kunig/Saliger, Art. 103 Rn. 30.
10 Einen anderen Ansatz verfolgt augenscheinlich Kuhlen, in: FS-Otto, S. 95, indem

er Art. 103 Abs. 2 GG als „Optimierungsgebot“ versteht und auch als „Exaktheitsprin-
zip“ beschreibt, S. 96.
11 Ausführlich zur historischen Entwicklung siehe LK-StGB/Dannecker, § 1 S. 72;

zur geschichtlichen Entwicklung siehe auch zusammenfassend Jähnke, ZIS 2010, 463;
Welzel, Das deutsche Strafrecht, S. 19 ff.
12 Matt/Renzikowski/Basak, § 1 Rn. 1; zu ersten Erscheinungsformen siehe auch

Kohlmann, Der Begriff des Staatsgeheimnisses, S. 168.


I. Historische Entwicklung des Gesetzlichkeitsprinzips 65

an dieses geschriebene Recht.13 Aufgrund dessen handelt es sich um einen tradi-


tionsreichen, insbesondere das Strafrecht betreffenden Grundsatz, der im Laufe
der Zeit unterschiedliche Funktionen erfüllen sollte.14 Auf der Grundlage dieser
unterschiedlichen Zwecke kann ermittelt werden, welche Funktionen diesem
Grundsatz heute zugeschrieben werden. Krey erklärt dazu, dass die Untersu-
chung der geschichtlichen Entwicklung „erhellt [. . .], in welchem Umfang Ge-
sichtspunkte zur Deutung des strafrechtlichen Gesetzesvorbehalts, die heute dis-
kutiert werden, bereits vor Jahrhunderten eine Rolle gespielt haben“.15

1. Entscheidung für das geschriebene Recht


und daraus resultierende Konsequenzen

Mit der Entscheidung für geschriebenes Recht war der erste Schritt in Rich-
tung des Gesetzlichkeitsprinzips bereits getan,16 denn Art. 103 Abs. 2 GG ist
Konsequenz der Entscheidung, die Ordnung des Rechtssystems über Kodifikatio-
nen herzustellen. Begründet werden kann diese Entscheidung für das geschrie-
bene Recht und gegen das Richterrecht und Gewohnheitsrecht mit dem Interesse
des Souveräns, der sich dadurch selber mehr Macht verleihen und sich insbeson-
dere vor unvorhersehbaren Entscheidungen der Judikative und einem damit ver-
bundenen Machtverlust schützen konnte und wollte.17 Diese Motivation war ge-
prägt von tiefem Misstrauen des Souveräns gegenüber den Richter*innen.18 Ein
weiterer Antrieb war der Schutz des Einzelnen vor Willkür, der durch die exakte
Normierung sichergestellt werden sollte. Dadurch sollte außerdem das Recht dem
Volk zugänglich gemacht werden und die „richterliche und magistratische Will-
kür des Patriziats eingeschränkt“ werden.19 Denn geschriebenes Recht bedeutet
gleichzeitig eine deutlich erhöhte Rechtssicherheit durch die Bindung an dieses
geschriebene Recht im Gegensatz zu Richter*innen- und Gewohnheitsrecht. Spä-

13 Krey, Keine Strafe ohne Gesetz, S. 3 ff.; ähnliche Entscheidungen könnte auch ein

Case-Law-System nach sich ziehen, vgl. NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 7.


14 Vgl. dazu Kap. D. I. 2.
15 Krey, Keine Strafe ohne Gesetz, S. 2.
16 Dannecker, in: FS-Otto, S. 25; Krey, Keine Strafe ohne Gesetz, S. 3; bereits im

Römischen Recht war ein Rückwirkungsverbot zumindest in Grundzügen vorhanden,


vgl. Mangoldt/Klein/Starck/Nolte/Aust, Art. 103 Rn. 98; Roxin/Greco, Strafrecht AT I,
S. 217; Rüthers, NJW 2011, 434, 435; Schöckel, Die Entwicklung des strafrechtlichen
Rückwirkungsverbots, S. 8 ff.; Kirsch, Zur Geltung des Gesetzlichkeitsprinzips im All-
gemeinen Teil des Strafgesetzbuchs, S. 35 ff.; Welzel, Das deutsche Strafrecht, S. 19 ff.;
NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 13 Rn. 7, sieht als Alternative auch ein „an Präjudizien
eng gebundenes case law“ als Voraussetzung für das Gesetzlichkeitsprinzip.
17 Dannecker, Das intertemporale Strafrecht, S. 107; Krey, Keine Strafe ohne Gesetz,

S. 3.
18 Krey, Keine Strafe ohne Gesetz, S. 7; Dannecker, in: FS-Otto, S. 27.
19 NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 9; Krey, Keine Strafe ohne Gesetz, S. 8.
66 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

testens im Rahmen des österreichischen Strafgesetzbuches von 1787 im Zeitalter


der Aufklärung vermischten sich diese beiden Motive und waren nicht mehr
streng voneinander zu trennen.20
Die Entscheidung für eine solche Verschriftlichung des Rechts zieht besondere
Anforderungen an die Sprache im Recht nach sich.21 Der Gesetzgeber ist grund-
sätzlich in allen Rechtsgebieten dazu angehalten, sprachlich präzise zu arbeiten,
damit der Wille der Legislative möglichst klar zum Ausdruck gebracht wird.
Fehlt es an einer solchen Präzision oder wird durch die konkrete Fassung des Tat-
bestandes die Entscheidung bewusst auf die Judikative verlagert, besteht die Ge-
fahr, dass Judikative und Exekutive den Platz der Legislative einnehmen, indem
sie den Inhalt des Gesetzes selbst bestimmen können und ihnen damit ein erheb-
licher Entscheidungsspielraum zugestanden wird. Dies kann im schlimmsten Fall
zu einer faktischen Aufhebung der Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 3 GG) führen,
da auf diese Weise die Aufgaben der Legislative auf die Judikative und Exekutive
ausgelagert werden. Das Recht würde also von den Richter*innen gemacht wer-
den. Folglich bildet die Sprache als Instrument der Rechtsbildung einen Grund-
stein zur Verwirklichung der Gewaltenteilung, weil „die Grenzsteine [zwischen
den einzelnen Gewalten] zu einem guten Stück sprachliche Gebilde sind“.22 Dies
bedeutet im Umkehrschluss, dass diese Grenzsteine durch eine entsprechende
Formulierung auch eingerissen werden können. Ebenso spiegelt sich darin das
Demokratieprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) wider, dass sicherstellt, dass Gesetze
vom Parlament, also legitimiert durch das Volk, erlassen werden.
Durch Art. 103 Abs. 2 GG werden die generellen Anforderungen im Bereich
des Strafrechts erhöht, die an das geschriebene Recht und die damit verwendete
Sprache gestellt werden. Das Gesetz muss die darin normierten Anforderungen
des Bestimmtheitsgrundsatzes erfüllen. Außerdem dürfen Strafgesetze keine rück-
wirkende Wirkung entfalten und dürfen nicht analog auf vergleichbare Verhal-
tensweisen angewendet werden, die bei Schaffung des entsprechenden Strafgeset-
zes nicht abstrakt umrissen wurden.

2. Historische Entwicklung bis zur Kodifikation im Grundgesetz

Beim Gesetzlichkeitsprinzip, das heute in Art. 103 Abs. 2 GG verfassungs-


rechtlich und in § 1 StGB einfachgesetzlich normiert ist, handelt es sich um
Rechtsgrundsätze, die so oder so ähnlich bereits in der Vergangenheit Geltung

20 Krey, Keine Strafe ohne Gesetz, S. 6; zumindest für das Bestimmtheitsgebot: Man-

goldt/Klein/Starck/Nolte/Aust, Art. 103 Rn. 96; zum Gesetzlichkeitsprinzip und Auf-


klärung vgl. auch Deffert, Strafgesetzlichkeit als völkerstrafrechtliches Legitimations-
prinzip, S. 2 ff.
21 Hassemer, Strafen im Rechtsstaat, S. 14.
22 Hassemer, Strafen im Rechtsstaat, S. 15.
I. Historische Entwicklung des Gesetzlichkeitsprinzips 67

beanspruchten.23 Auch wenn diese Rechtsgrundsätze augenscheinlich aus der


Entscheidung resultierten, Recht zu kodifizieren, kann aus der vergleichbaren
Ausgangslage nicht zugleich auch auf eine einheitliche Schutzrichtung geschlos-
sen werden.
Dabei ist eine komplett einheitliche (historische) Betrachtung der damit ver-
bundenen unterschiedlichen Garantien nicht ohne weiteres möglich. Dennoch be-
ruhen auch die Einzelprinzipien auf Grundpfeilern, die man einer Gesamtbe-
trachtung unterziehen kann.24 So sind Teil des Gesetzlichkeitsprinzips bereits in
der Constitutio Criminalis Carolina (CCC) aus dem Jahre 1532 gesetzlich nor-
miert worden, wobei diese u. a. noch eine ausdrückliche Analogieermächtigung
enthielt.25 Global gesehen wurde der „nullum crimen sine lege“ Grundsatz erst-
mals umfassend in der Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika aus dem
Jahre 1776 und der französischen Menschenrechtserklärung 1789 manifestiert.26
Der Grundsatz der Gesetzesbindung beanspruchte dabei im Laufe der Zeit mal
mehr und mal weniger Geltung und verfolgte unterschiedliche Ziele. Die damit
verbundene Gesetzesbindung diente, wie bereits anhand der Entscheidung für
das geschriebene Recht erörtert, bei absolutistischen Herrschaftsverhältnissen der
Erhaltung des Machtanspruchs des Herrschers. Insbesondere im Rahmen des All-
gemeinen Preußischen Landrechts war das Verhältnis der Gewalten geprägt vom
starken Misstrauen des Monarchen gegen „die Rechtsfindungsmacht der Rechts-
gelehrten“,27 das Gesetzlichkeitsprinzip sollte folglich den Monarchen vor den
Rechtsgelehrten schützen.
Der Schutz des Einzelnen vor Willkür28 und die Sicherung seiner Rechte29
spielte zur Zeit der Aufklärung eine tragende Rolle für die Entwicklung und
Fortdauer des Gesetzlichkeitsprinzips. Dies folgte aus der Vorstellung, dass nie-

23 Den „Kerngedanken“ des Gesetzlichkeitsprinzips sieht Kirsch bereits in der An-

tike angedacht, vgl. Kirsch, Zur Geltung des Gesetzlichkeitsprinzips im Allgemeinen


Teil des Strafgesetzbuchs, S. 35 ff.; zusammenfassend zur geschichtlichen Entwicklung
siehe auch Lutfullin, Das strafrechtliche Bestimmtheitsgebot und Mengenbegriffe,
S. 21 ff. m.w. N.; Hassemer, in: FS-Jung, S. 255, 233 zur Methodenlehre als Sicherstel-
lung der Gesetzesbindung.
24 Krey, Keine Strafe ohne Gesetz, S. 1.
25 Kirsch, Zur Geltung des Gesetzlichkeitsprinzips im Allgemeinen Teil des Strafge-

setzbuchs, S. 36 ff.; Krey, Keine Strafe ohne Gesetz, S. 11.


26 Schöckel, Die Entwicklung des strafrechtlichen Rückwirkungsverbotes bis zur

französischen Revolution, S. 77 f., der den Impuls, das Rückwirkungsverbot zu nor-


mieren, als von Nordamerika ausgehend determiniert; Dreier/Schulze/Fielitz, Art. 103
Abs. 2 Rn. 2; Krey, Keine Strafe ohne Gesetz, S. 17; Dannecker, Das intertemporale
Strafrecht, S. 91 ff.
27 Krey, Keine Strafe ohne Gesetz, S. 7.
28 Krey, Keine Strafe ohne Gesetz, S. 3.
29 Kirsch, Zur Geltung des Gesetzlichkeitsprinzips im Allgemeinen Teil des Strafge-

setzbuchs, S. 39.
68 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

mals einzelne Richter*innen über das Recht entscheiden sollten, sondern nur der
repräsentative Gesetzgeber.30 Auf diese Weise kommt zu Teilen auch heute der
Grundsatz der Gewaltenteilung in Art. 103 Abs. 2 GG zum Ausdruck.
Beccaria, der zusammen mit Montesquieu und Locke als Vordenker des Ge-
setzlichkeitsprinzips gilt, verband außerdem dieses Prinzip mit dem generalprä-
ventiven Charakter von Strafe.31 Nur wenn erkennbar ist, welche Verhaltenswei-
sen unter Strafe stehen, kann dieses geschriebene Recht den potenziellen Täter
von der Tatbegehung abschrecken.
Montesquieu betrachtete den Schutz der Bürger*innen vor Willkür als Haupt-
aufgabe des geschriebenen Rechts.32 Diese können nur dann vor der Willkür des
Staates geschützt werden, wenn es klare gesetzliche Vorgaben gibt, die die Bür-
ger*innen erkennen lassen, welche Verhaltensweisen unter Strafe gestellt werden.
Zum Teil werden die Äußerungen Montesquieus über die Rolle der Richter*innen
so interpretiert, dass Richter*innen ihre Entscheidungen nur durch einen Blick in
das Gesetz treffen sollen und keine persönliche Wertung bzw. Bewertung der
Richter*innen einfließen sollen.33
Ausdrücklich schriftlich kodifiziert wurde das Gesetzlichkeitsprinzip im
deutschsprachigen Raum erstmals in der Josephina von 1787 und diente dort
nach überwiegender Ansicht der Freiheitssicherung der Bürger*innen.34 Schließ-
lich war es aber Anselm v. Feuerbach, der das Gesetzlichkeitsprinzip durch seine
Formulierung „nullum crimen, nulla poena sine lege“ geprägt hat und erstmals
darin alle vier Einzelprinzipien herausarbeitete.35 Dabei bediente er sich einer
strafrechtlichen und einer staatsrechtlichen Begründung. Im Rahmen der straf-
rechtlichen Dimension sollte die genaue Kodifikation von Gesetzen dafür sorgen,

30 Schünemann, Nulla poena sine lege?, S. 1.


31 Dannecker, Das intertemporale Strafrecht, 1993, S. 108; Alff/Beccaria, Über Ver-
brechen und Strafen, S. 60 ff.; siehe zusammenfassend zu Montesquieu auch Deffert,
Strafgesetzlichkeit als völkerstrafrechtliches Prinzip, S. 4 f. und Kohlmann, Der Begriff
des Staatsgeheimnisses, S. 170.
32 Krey, Keine Strafe ohne Gesetz, S. 14; Welke, KJ 95, 368, zum Verhältnis Bür-

ger*innen und Staat.


33 Siehe dazu beispielsweise Küper, Die Richteridee der Strafprozessordnung und

ihre geschichtlichen Grundlagen, S. 52; ebenso Hassemer, in: Einführung in Rechtsphi-


losophie und Rechtstheorie der Gegenwart, S. 261; Montesquieu, Vom Geist der Ge-
setze, S. 172; eine solche Auslegung der Ausführungen ist aber nicht unstrittig, vgl.
dazu nur Ogorek, Rechtshistorisches Journal 1983, 278, 280 ff. und dies., in: FS-Lüders-
sen, 2002, 127, 129: „Montesquieu hat den Richterautomaten niemals gefordert.“
34 Kirsch, Zur Geltung des Gesetzlichkeitsprinzips im Allgemeinen Teil des Strafge-

setzbuchs, S. 41; teilweise wird aber auch hier vertreten, dass die Kodifikation eigent-
lich dem Machterhalt des Souveräns dienen sollte, vgl. LK-StGB/Dannecker, § 1 S. 72;
anders wohl Kohlmann, Der Begriff des Staatsgeheimnisses, S. 180 f.; Roxin/Greco,
Strafrecht AT I, S. 217.
35 Feuerbach, Lehrbuch des peinlichen Rechts, § 24; siehe dazu ausführlicher bei

Krey, Keine Strafe ohne Gesetz, S. 19; Schönke/Schröder/Hecker, § 1 Rn. 1.


I. Historische Entwicklung des Gesetzlichkeitsprinzips 69

dass die Strafandrohung nur so Täter*innern von der Tatbegehung abhalten


kann.36 Seine staatsrechtliche Vorstellung des Prinzips war hingegen geprägt von
der Idee eines liberalen Rechtsstaates, denn auch er wollte die Bürger*innen vor
richterlicher Willkür schützen.37 Aufgrund dessen wurde das Gesetzlichkeitsprin-
zip im Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich von 1871 im damaligen gesamten
Deutschen Reich verankert.38
Durch Belings „Die Lehre vom Verbrechen“ nahm dieser Anfang des 20. Jahr-
hunderts Einfluss auf das heutige Verständnis von Art. 103 Abs. 2 GG und sorgte
für eine erneute Hervorhebung dieses Grundsatzes zur damaligen Zeit.39 Konse-
quenz dessen war die Aufnahme des Gesetzlichkeitsprinzips in Art. 116 WRV.40
Durch die Zerrissenheit Deutschlands zu dieser Zeit wurde der Ruf nach ge-
naueren Gesetzen größer.41 Infolgedessen erlangte das Gesetzlichkeitsprinzip
erstmals in Deutschland Verfassungsrang und fand sich nicht nur im einfachen
Recht wieder.
Die Zeit des Nationalsozialismus stellt in Bezug auf die (Fort-)Entwicklung
des Gesetzlichkeitsprinzips eine Zäsur dar. Zu jener Zeit bestand das höchste
Ziel darin alles, was für strafwürdig erachtet wurde, zu ahnden, ohne Rücksicht
auf die Rechtspositionen der Betroffenen.42 Damit verlor das Gesetzlichkeitsprin-
zip zunehmend an Bedeutung bis es schließlich in der strafrechtlichen Gesetz-
gebung keine Rolle mehr spielte, was insbesondere auf die Neufassung von § 2
StGB im Jahre 1935 zurückzuführen ist, die eine analoge Rechtsanwendung aus-
drücklich ermöglicht.43 Als Beginn dieser Entwicklung kann dabei das sog.

36 LK-StGB-Dannecker, § 1 S. 74.
37 Krey, Keine Strafe ohne Gesetz, S. 20; Feuerbach, Revision der Grundsätze und
Grundbegriffe des positiven peinlichen Rechts, S. 63.
38 Krey, Keine Strafe ohne Gesetz, S. 22.
39 Beling, Die Lehre vom Verbrechen, Vorwort V f., und der Feststellung, dass nur

„fest umrissene Verbrechenstypen unter die Strafdrohung fallen können“, S. 21 ff.


40 Ausführlich dazu vgl. Honda, in: FS-Seebode, S. 15, 17 ff. und Schreiber, Gesetz

und Richter, S. 67 ff.; dezidiert zur Entstehungsgeschichte vgl. Kohlmann, Der Begriff
des Staatsgeheimnisses, S. 201 ff.; auch wenn der Grundsatz bereits damals stark ge-
schwächt war, vgl. Marxen, Der Kampf gegen das liberale Strafrecht, S. 192 f.; Dan-
necker, Das intertemporale Strafrecht, S. 162, in Zusammenhang mit dem Rückwir-
kungsverbot.
41 Lemmel, Unbestimmte Strafbarkeitsvoraussetzungen im besonderen Teil des Straf-

rechts, S. 26.
42 Cattaneo, Strafrechtstotalitarismus, S. 233 ff.
43 Vgl. dazu Gesetz vom 28.06.1935, RGBl. I S. 839; zusammenfassend: Lemmel,

Unbestimmte Strafbarkeitsvoraussetzungen im besonderen Teil des Strafrechts, S. 28;


grundlegend auch Gernhuber, in: FS-Kern, S. 167, 169; Deffert, Strafgesetzlichkeit
als völkerrechtliches Prinzip, S. 30; Kohlmann, Der Begriff des Staatsgeheimnisses,
S. 211 f.; § 2 RStGB von 1935 lautete: „Bestraft wird, wer eine Tat begeht, die das Ge-
setz für strafbar erklärt oder die nach dem Grundgedanken eines Strafgesetzes und nach
gesundem Volksempfinden Bestrafung verdient. Findet auf die Tat kein bestimmtes Straf-
gesetz unmittelbar Anwendung, so wird die Tat nach dem Gesetz bestraft, dessen Grund-
70 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

Reichsbrand-Urteil 44 erachtet werden, welches die rückwirkende Verhängung der


Todesstrafe für Fälle der aufrührerischen Brandstiftung für rechtmäßig erklärte.
Der Strafgesetzlichkeit, auch als Schutz der Bürger*innen vor willkürlichen Ent-
scheidungen, kam de facto keine Bedeutung mehr zu.

3. Entstehungsgeschichte des Art. 103 Abs. 2 GG

Art. 103 Abs. 2 GG, in seiner heutigen Fassung, fand nach Ende des zweiten
Weltkrieges und mit der Sitzung des Parlamentarischen Rates Einzug in das
Grundgesetz.45 Eine ähnliche Fassung fand sich damals bereits in Art. IV Nr. 7
des Gesetzes Nr. 1 der Militärregierung. Dort hieß es:
„Die Anklage darf nur erhoben werden, Urteile dürfen nur verhängt, Strafen voll-
streckt werden, falls die Tat zur Zeit ihrer Begehung ausdrücklich gesetzlich für straf-
bar erklärt war. Ahndung von strafbaren Handlungen unter Analogien oder wegen
angeblich ,gesunden Volksempfindens‘ ist verboten.“ 46
Diese gesetzliche Regelung diente dabei der Abkehr von § 2 RStGB,47 der zur
Zeit des Nationalsozialismus Analogien im Strafrecht ausdrücklich erlaubte und
als Quasi-Generalklausel für alle Verhaltensweisen diente, die „dem gesunden
Volksempfinden“ entgegenstanden. § 2 RStGB wurde am 30.01.1946 durch Art. I
des Kontrollratsgesetzes Nr. 11 endgültig aufgehoben (Art. V). Es galt dann wei-
terhin Art. II der Proklamation Nr. 3 des Kontrollrates48, welcher im Grunde eine
Vorläuferversion des heutigen Art. 103 Abs. 2 GG darstellte.49 Schließlich wurde

gedanke auf sie am besten zutrifft“ und enthält damit die ausdrückliche Aufforderung
zur analogen Rechtsanwendung; dazu auch: NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 11 f.
insbesondere auch zu den rechtspolitischen Folgen der Abschaffung des § 2; zum „Me-
thodenpluralismus“ im Nationalsozialismus vgl. Grimm, in: FS-Coing, S. 490; Werber,
Analogie- und Rückwirkungsverbot im Dritten Reich unter Berücksichtigung der Konti-
nuitätsfrage zur Weimarer Zeit, S. 95 ff. mit Auszügen aus der Gesetzesbegründung;
umfassend auch: Gruchmann, Justiz im Dritten Reich, S. 822 ff.
44 Zusammenfassend siehe: Holste, JA 2009, 359; dazu auch Honda, in: FS-Seebode,

S. 15.
45 Umfassend zur Entwicklung des Art. 103 Abs. 2 GG siehe auch Honda, in: FS-

Seebode, S. 31 f.
46 Maunz/Dürig/Remmert, Art. 103 Abs. 2 Rn. 17; Kohlmann, der Begriff des Staats-

geheimnisses, S. 213.
47 Maunz/Dürig/Remmert, Art. 103 Abs. 2 Rn. 17, unter Verweis auf den darstellen-

den Teil des Berichts über den Verfassungskonvent; Krey, Keine Strafe ohne Gesetz,
S. 36; Schreiber, Gesetz und Richter, S. 201.
48 Dieser lautet: „1. Niemand darf das Leben, die persönliche Freiheit oder das

Eigentum entzogen werden, es sei denn auf Grund von Recht und Gesetz. 2. Strafbare
Verantwortlichkeit besteht nur für Handlungen, welche das Recht für strafbar erklärt.
3. Kein Gericht darf irgendeine Handlung auf Grund von ,Analogie‘ oder im Hinblick
auf das sogenannte ,gesunde Volksempfinden‘ für strafbar erklären, wie es bisher im
deutschen Strafrecht der Fall war.“
49 Maunz/Dürig/Remmert, Art. 103 Abs. 2 Rn. 17.
II. Heutiger Sinn und Zweck des Gesetzlichkeitsprinzips 71

in Art. 136 Abs. 1 des Entwurfs des Verfassungskonvents auf Herrenchiemsee be-
stimmt, dass „[e]ine Handlung [. . .] nur dann mit Strafe belegt werden [kann],
wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde“.50
Danach handelt es sich nach allgemeiner Auffassung um einen der „überkom-
menen rechtsstaatlichen Grundsätze“ 51 und die Normierung im Grundgesetz
folgte dem Ziel „einen altbewährten Grundsatz wieder zu Ehren kommen zu las-
sen“.52 Damit entspricht diese Fassung des Gesetzlichkeitsprinzips nahezu voll-
ständig der heute geltenden Fassung des Art. 103 Abs. 2 GG und fand sich be-
reits damals auch in Landesverfassungen wieder. Lediglich der Begriff der Hand-
lung wurde durch den Begriff der Tat ersetzt. Damit knüpft die Norm an Art. 116
der WRV an,53 über die Einbindung in die Verfassung bestand insbesondere auf-
grund der Erfahrungen der jüngsten Vergangenheit auch überwiegend Einig-
keit.54 Auch über die wesentliche inhaltliche Ausrichtung herrschte Konsens,
sodass nur noch die genaue Formulierung zur Disposition stand.55 In seiner heu-
tigen Fassung nennt das Gesetzlichkeitsprinzip lediglich den Begriff der Straf-
barkeit und nicht den der Strafe, wobei mittlerweile aber nach wohl einhelliger
Ansicht auch das Strafmaß erfasst ist.56
Schließlich wurde das Gesetzlichkeitsprinzip auch in das einfache Recht über-
nommen und wurde durch das 3. Strafrechtsänderungsgesetz vom 04.08.1953 in
das StGB eingefügt. Diese Wiederholung des Art. 103 Abs. 2 GG findet sich
heute in § 1 StGB. Dies dient der Verdeutlichung des überragend wichtigen Cha-
rakters des Gesetzlichkeitsprinzips.57

II. Heutiger Sinn und Zweck des Gesetzlichkeitsprinzips


Die lange Historie des Gesetzlichkeitsprinzips führt aber nicht etwa dazu, dass
das Gesetzlichkeitsprinzip heutzutage ins Hintertreffen gerät. Beim Gesetzlich-
keitsprinzip handelt es sich insgesamt um einen besonderen Kanon von Rechts-
regeln für das Strafrecht, die darauf zurückzuführen sind, dass es sich bei der
Zufügung von Strafe um einen besonders eingriffsintensiven Bereich handelt. Es

50 Maunz/Dürig/Remmert, Art. 103 Abs. 2 Rn. 19.


51 So Zinn im Plenum des Parlamentarischen Rates, in: Anlage zum stenographi-
schen Bericht der 9. Sitzung des Parlamentarischen Rates vom 06.05.1949, S. 49.
52 Krey, Keine Strafe ohne Gesetz, S. 100.
53 Krey, Keine Strafe ohne Gesetz, S. 25 f.
54 Maunz/Dürig/Remmert, Art. 103 Abs. 2 Rn. 19.
55 Vgl. dazu umfassend Maunz/Dürig/Remmert, Art. 103 Abs. 2 Rn. 21 f.
56 Historisch dazu: Maunz/Dürig/Remmert, Art. 103 Abs. 2 Rn. 20 ff., Einigkeit

herrschte hingegen über die Aufnahme des Grundsatzes in das Grundgesetz; ebenso
Deffert, Strafgesetzlichkeit als völkerrechtliches Prinzip, S. 38.
57 Bockelmann, in: Niederschrift über die Sitzung der großen Strafrechtskommission,

S. 288 f.; zusammenfassend zur Gesetzgebung siehe Schreiber, Gesetz und Richter,
S. 204 f.
72 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

herrscht die allgemeine Auffassung, dass dieser strengeren Regeln unterworfen


werden muss als dies für andere Rechtsbereiche wie z. B. dem Zivilrecht der Fall
ist.58 Es handelt sich also um fundamentale Voraussetzungen, die für die Bestra-
fung durch den Staat aufgrund eines geschriebenen Gesetzes erforderlich sind.
Auf der Skala, die von materieller Gerechtigkeit auf der einen Seite zur Rechts-
sicherheit auf der anderen Seite reicht, hat der verfassunggebende Gesetzgeber
dem Wortlaut nach eine Entscheidung zugunsten der Rechtssicherheit getroffen,
was zur Folge hat, dass im Zweifel strafwürdiges Verhalten mangels expliziter
Regelung straflos bleiben muss.59 Die Durchsetzung der mit Art. 103 Abs. 2 GG
verbundenen Garantien kann über eine Verfassungsbeschwerde (Art. 93 Abs. 1
Nr. 4a GG) oder über eine abstrakte Normenkontrolle (Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG)
beim BVerfG erreicht werden.60

1. Verfassungsrechtliche Herleitung des Gesetzlichkeitsprinzips

Das Gesetzlichkeitsprinzip lässt sich seinerseits aus unterschiedlichen verfas-


sungsrechtlichen Prinzipien herleiten und mit diesen verknüpfen.61 Es steht also
nicht allein und für sich selbst, sondern prägt die Verfassung und wird auch sei-
nerseits von ihr geprägt. Diese Verknüpfungen zeigen auf, welche Bedeutung
dem Gesetzlichkeitsprinzip heute noch zukommt.
Teilweise wird vertreten, dass es sich um einen „konkreten Naturrechtssatz“
handele, der bereits „Kraft seiner Evidenz“ gelte.62 Der Grundsatz ergebe sich
also aus der Natur des geschriebenen Rechts selbst, gelte ohne verfassungsrecht-
liche Anknüpfung und leite sich auch nicht aus verfassungsrechtlichen Grundsät-

58 Mangoldt/Klein/Starck/Nolte/Aust, Art. 103 Rn. 97, dies kann aber auch ange-

zweifelt werden, da es ebenso eingriffsintensive Bereiche gibt, wie z. B. im Bereich des


Polizei- und Ordnungsrechts.
59 Roxin/Greco, Strafrecht AT I, S. 213 f.; LK-StGB/Dannecker, § 1 Rn. 53.
60 Maunz/Dürig/Remmert, Art. 103 Abs. 2 Rn. 135; Mangoldt/Klein/Starck/Nolte/

Aust, Art. 103 Rn. 164; BeckOK-StGB/Heintschel-Heinegg, § 1 Rn. 35; MüKo-StGB/


Schmitz, §1 Rn. 103 ff.; siehe zum Rechtsmittel auch Deffert, Strafgesetzlichkeit als völ-
kerstrafrechtliches Legitimationsprinzip, S. 38.
61 Zur verfassungsrechtlichen Herleitung vgl. insbesondere mit Verweis auf Demo-

kratie- und Rechtsstaatsprinzip: Ransiek, Gesetz und Lebenswirklichkeit, S. 38 ff.; NK-


StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 10; Welke, KJ 95, 368, 371, insbesondere zum Schuld-
prinzip; Schünemann, Nulla poena sine lege?, S. 9; Schönke/Schröder/Hecker, § 1 Rn. 3;
Roxin/Greco, Strafrecht AT I, S. 219 f.; zur Bedeutung der Menschenwürde: vgl. Gaier,
wistra 2014, 161, 165, dieser verweist auf den Menschenwürdegehalt; Schreiber, Gesetz
und Richter, S. 209 ff., der Art. 103 Abs. 2 GG im Ergebnis auch als Folge des Rechts-
staatsprinzips einordnen dürfte; Grünwald, ZStW 76 (1964), 1, 13, der auf das Erforder-
nis verweist, die Zwecksetzung für die in Art. 103 Abs. 2 GG enthaltenen Ver- und Ge-
bote getrennt zu bestimmen; Kuhlen, in: FS-Otto, S. 91, insbesondere zum Verhältnis
zum allgemeinen Gesetzesvorbehalt.
62 Grünwald, ZStW 76 (1964), 1; Kuhlen, in: Das Gesetzlichkeitsprinzip im Straf-

recht, S. 45, 46.


II. Heutiger Sinn und Zweck des Gesetzlichkeitsprinzips 73

zen ab. Das Prinzip wird teilweise auch aus dem diffusen Begriff der „Freiheits-
idee“ hergeleitet.63
Die meisten Erklärungsansätze64 fußen allerdings auf einer verfassungsrecht-
lichen Herleitung: Es wird teilweise aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3
GG) hergeleitet. Nur ein vorhersehbares Handeln der Staatsgewalt könne rechts-
staatlichen Grundsätzen entsprechen und schütze vor willkürlichen Entscheidun-
gen, was sich mit den Zielen im Rahmen der historischen Auslegung deckt.65
Art. 103 Abs. 2 GG soll dabei einen Verstoß gegen das Gesetzlichkeitsprinzip
zum Zwecke der Gerechtigkeit verhindern.66
Wieder andere sehen das Gesetzlichkeitsprinzip als Ausformung des Demo-
kratieprinzips67 oder des Grundsatzes der Gewaltenteilung.68 Denn aufgrund der
Schwere des Eingriffs in die Freiheitsrechte der Bürger*innen, bedürfe es einer
Entscheidung des demokratisch legitimierten Gesetzgebers, wohingegen Rich-
ter*innen lediglich zur Anwendung des gesetzten Rechts berufen seien.69 Der
Herleitung aus dem Prinzip der Gewaltenteilung stünden Erwägungen zum ge-
wöhnlichen Gang des Gesetzgebungsverfahrens nicht entgegen: Lemmel konsta-
tiert zwar, dass Richter*innen zum Teil auch an der Rechtsbildung beteiligt sind,
durch ihre Arbeit eine Art der Rechtssetzung vornehmen und des weiteren auch
in Fachgremien zur Setzung von Recht als Expert*innen einberufen werden und
damit die Gesetzgebung ohnehin nicht kein absolut und rein legislativer Bereich

63 Steinberger, Konzeption und Grenzen freiheitlicher Demokratie, S. 186, 345.


64 Zusammenfassend s. z. B. Lemmel, Unbestimmte Strafbarkeitsvoraussetzungen im
Besonderen Teil des Strafrechts, S. 74 ff.
65 So wohl die herrschende Meinung, vgl. Bonner-Kommentar GG/Pohlreich Art. 103

Abs. 2 Rn. 43, auch mit Verweisen auf das Schuldprinzip; Sachs/Degenhart, Art. 103
Rn. 53, in Verbindung mit dem Schuldprinzip; mehrere Erklärungsansätze ebenfalls
vereinend: Paulduro, Die Verfassungsgemäßheit von Strafrechtsnormen, insbesondere
der Normen des Strafgesetzbuches, im Lichte der Rechtsprechung des Bundesverfas-
sungsgerichts, S. 361; LK-StGB/Dannecker, § 1 Rn. 51; Matt/Renzikowski/Basak, § 1
Rn. 4; MüKo-StGB/Schmitz, § 1 Rn. 9; Mangoldt/Klein/Starck/Nolte, Art. 103 Rn. 101;
Jarass/Pieroth/Kment/Kment, Art. 103 Rn. 62, und der Menschenwürde und des Demo-
kratieprinzips; zur Historie und dem Rechtsstaatsprinzip vgl. NK-StGB/Hassemer/
Kargl, § 1 Rn. 10; zur Bedeutung der verfassungsrechtlichen Herleitung vgl. Lackner/
Kühl/Kühl, § 1 Rn. 1.
66 LK-StGB/Dannecker, § 1 Rn. 52 ff.
67 Grünwald, ZStW 76 (1964), 1, 14; Geitmann, Bundesverfassungsgericht und „of-

fene“ Normen, S. 72; Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 103 Abs. 2 Rn. 17, in Kombination
mit dem Rechtstaatsprinzip; Ransiek, Gesetz und Lebenswirklichkeit, S. 12 ff., 40, sieht
Wahrung von Gewaltenteilungsgrundsatz und dem Demokratieprinzip als Grundlage
von Art. 103 Abs. 2 GG und dem daraus erwachsenden Bestimmtheitsgrundsatz.
68 Roxin/Greco, Strafrecht AT I, S. 219, der dies aber immer im Zusammenhang mit

der freiheitgewährenden Funktion betrachtet; Kratzsch, GA 1971, 65, 70; Grünwald,


in: FS-Kaufmann, S. 433, 436; Kunig/Saliger bejaht eine Zusammensetzung aus mehre-
ren Prinzipien, vgl. v. Münch/Kunig/Kunig/Saliger, Art. 103 Rn. 30; Mangoldt/Klein/
Starck/Nolte, Art. 103 GG Rn. 101 in Hinblick auf den Bestimmtheitsgrundsatz.
69 LK-StGB/Dannecker, § 1 Rn. 55.
74 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

ist.70 Daraus könnte man den Schluss ziehen, dass sich das Gesetzlichkeitsprinzip
gerade nicht (nur) aus dem Grundsatz der Gewaltenteilung ergibt, da diese ohne-
hin nicht konsequent eingehalten wird. Allerdings geht eine solche Einschätzung
wohl zu weit, denn die Letztentscheidung über die abstrakte Strafbarkeit wird nur
vom demokratisch legitimierten Gesetzgeber selbst getroffen. Bei dieser Ent-
scheidung findet, auch wenn Organe der Judikative im Verfahren beratend tätig
wurden, keine Vermischung der Gewalten statt, sodass dies folglich der Her-
leitung aus dem Gesetzlichkeitsprinzip nicht entgegensteht. Außerdem steht der
Grundsatz der Gewaltenteilung, wie noch zu zeigen sein wird, keiner Verschrän-
kung der Gewalten entgegen. Vielmehr schützt er die Kernbereiche der einzelnen
Gewalten. Solange diese nicht betroffen sind, ist kein Verstoß gegen den Grund-
satz der Gewaltenteilung anzunehmen.71
Sax hingegen sieht das Prinzip als Voraussetzung der Verwirklichung der ma-
teriellen Gerechtigkeit und leitet es unter anderem aus dem Schuldprinzip her.72
Schuldhaft handeln könne gerade nur die Person, die hätte wissen können, dass
ein bestimmtes Verhalten unter Strafe gestellt ist. Dies setzte notwendigerweise
eine Kodifizierung der Strafbarkeit voraus.
Gegen eine Herleitung aus dem Schuldprinzip spricht, dass dieses daran an-
knüpft, dass eine Handlung verboten ist, wozu nicht zwangsweise gehört, dass
der Betroffene wissen muss, dass die Handlung unter Strafe steht.73 Damit kann
spätestens nach der gesetzlichen Normierung des Schuldprinzips in § 17 StGB
diese Herleitung nur noch bedingt als Begründungsansatz herhalten, da danach
die Schuld eindeutig nur die Kenntnis des Unrechts der entsprechenden Hand-
lung voraussetzt und nicht die Kenntnis des entsprechenden Strafgesetzes.74 Den-
noch ist zuzugeben, dass zumindest ein Strafgesetz bestehen muss, damit eine
Unrechtskenntnis erlangt werden kann, was ebenfalls durch das Gesetzlichkeits-
prinzip verfassungsrechtlich abgesichert ist.75 Das Gesetzlichkeitsprinzip geht
aber über „die Erfordernisse des Schuldprinzips hinaus“.76 Es handelt sich dabei

70 Lemmel, Unbestimmte Strafbarkeitsvoraussetzungen im besonderen Teil des Straf-

rechts, S. 82.
71 Vgl. dazu in dieser Arbeit Kap. D. VIII. 3.
72 Grünwald, ZStW 76 (1964), 1, 10; zum Teil auch in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1

GG: vgl. BVerfG, Beschl. v. 26.02.1969 – 2 BvL 15, 23/68 = BVerfGE 25, 269, 285 =
NJW 1969, 1509; ebenso Sachs/Degenhart, Art. 103 Rn. 55, als Grundlage des Gesetz-
lichkeitsprinzips; zumindest im Hinblick auf das Rückwirkungsverbot vgl. Welke, KJ
1995, 369, 371; in Hinblick auf die generalpräventive Funktion von Strafen siehe auch
Schönke/Schröder/Hecker, § 1 Rn. 2.
73 Zusammenfassend dazu vgl. LK-StGB/Vogel/Bülte, § 17 Rn. 15.
74 Grünwald, ZStW 76 (1964), 1, 12; anders kann es freilich liegen, wenn das

Schuldprinzip mit dem Prinzip der Menschenwürde verbunden wird, vgl. dazu BVerfG
2 BvR 2029/01 – Urt. v. 05.02.2004 = BVerfGE 109, 133, 171 = NJW 2004, 739.
75 Sachs/Degenhart, Art. 103 Rn. 55.
76 LK-StGB/Dannecker, § 1 Rn. 61.
II. Heutiger Sinn und Zweck des Gesetzlichkeitsprinzips 75

um strengere Anforderungen, die an die Schaffung von Strafgesetzen gestellt


werden. Eine reine Konkretisierung des Schuldprinzips liegt gerade nicht vor,77
da die damit verbundenen Garantien über die des § 17 StGB hinausgehen.
Den unterschiedlichen Ansätzen schließt sich das BVerfG zum Teil an. Es ver-
eint dabei eine freiheitsgewährende Funktion für die Bürger*innen mit der Siche-
rung der Garantie, dass die Entscheidung über strafbares Verhalten und das Straf-
maß durch den demokratisch legitimierten Gesetzgeber getroffen werden und
diese Entscheidung nicht auf die anderen Gewalten ausgelagert wird. Das
BVerfG stellt auf diesem Wege eine Verbindung zum Grundsatz der Gewaltentei-
lung her.78 Art. 103 Abs. 2 GG wohnt nach dem BVerfG insgesamt eine „rechts-
staatliche und grundrechtliche Gewährleistungsfunktion“ 79 inne.
Eine solche Vereinigung der unterschiedlichen Erklärungsansätze ist überzeu-
gend.80 Das Gesetzlichkeitsprinzip in all seinen Ausprägungen vereint unter-
schiedliche Garantien. So soll es nicht nur, wie die Herleitung aus dem Gewal-
tenteilungsprinzip und dem Rechtsstaatsprinzip deutlich macht, garantieren, dass
der demokratisch legitimierte Gesetzgeber die Entscheidung über die Strafbarkeit
trifft. Es soll auch insoweit freiheitsgewährend für die Bürger*innen wirken, dass
es dies sogar über das Schutzniveau des Schuldprinzips hinausgeht und damit
dieses in jedem Falle miteinschließt. Daher ist eine multi-kausale verfassungs-
rechtliche Herleitung geboten, um alle Facetten des Prinzips zu erfassen. Dies
gilt umso mehr, als die verfassungsrechtlichen Grundsätze, wie im Folgenden
aufgezeigt werden wird, in den einzelnen Ausprägungen des Gesetzlichkeitsprin-
zips unterschiedlich stark zum Ausdruck kommen.

2. Tatsächliche Bedeutung des Gesetzlichkeitsprinzips

Bereits die soeben erfolgte Darstellung der verfassungsrechtlichen Veranke-


rung zeigt, dass dem Art. 103 Abs. 2 GG auch heute noch eine überragende Be-
deutung zukommt. Nur auf diesem Wege kann eine effektive Umsetzung des
Rechtsstaats- und Demokratieprinzips erfolgen und der Grundsatz der Gewalten-

77 Roxin/Greco, Strafrecht AT I, S. 221; was sich auch bereits daraus ergibt, dass

zumindest das Rückwirkungsverbot sich auch auf nachträgliche Strafschärfungen be-


zieht, vgl. MüKo-StGB/Schmitz, § 1 Rn. 9 m.w. N.
78 BVerfG, Beschl. v. 23.06.2010 – 2 BvR 2559/08 = BVerfGE 126, 170 = NJW

2010, 3209, 3210; BVerfG, Beschl. v. 17.01.1978 – 1 BvL 13/76 = BVerfGE 47, 109
(120) = NJW 1978. 933, 934; so im Ergebnis auch Roxin/Greco, Strafrecht AT I,
S. 219, die außerdem die generalpräventive Funktion des Gesetzlichkeitsprinzips und
den politischen Liberalismus unterstreichen; Gropp/Sinn, StrafR AT, § 3 Rn. 13 ff.
79 BVerfG, Beschl. v. 24.10.1996 – 2 BvR 1851, 1853, 1875, 1852/94 = BVerfGE

95, 96 (131) = NJW 1997, 929. 930.


80 So im Ergebnis auch v. Münch/Kunig/Kunig/Saliger, Art. 103 Rn. 30; Maunz/Dü-

rig/Remmert, Art. 103 Abs. 2 Rn. 30; so im Ergebnis zumindest in Hinblick auf das
Schuldprinzip und das Demokratieprinzip, vgl. Roxin/Greco, Strafrecht AT, S. 219 f.
76 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

teilung geschützt werden.81 Dafür bedarf es immer wieder eines Austarierens der
Freiheitsverteilung zwischen Staat und Bürger*innen, die durch Art. 103 Abs. 2
GG erfolgt.82
Doch die Bedeutung des Gesetzlichkeitsprinzips hängt auch maßgeblich von
der tatsächlichen Wirksamkeit ab, also davon, wie es von der Judikative verstan-
den und schlussendlich auch durchgesetzt wird.83 Eine solche Betrachtung muss
und wird für die mit dem Gesetzlichkeitsprinzip verbundenen jeweiligen Garan-
tien separat erfolgen.84 Aufgrund dessen erfolgt an dieser Stelle keine umfas-
sende Analyse der Rechtsprechung zu Art. 103 Abs. 2 GG.85 Dennoch kann be-
reits eine Tendenz zur Bedeutung im Rahmen der Rechtsprechung aufgezeigt
werden, um den Konflikt zwischen verfassungsrechtlicher Bedeutung und An-
wendung durch die Rechtsprechung zu verdeutlichen.
Die grundsätzlich überragende Bedeutung für die Rechtsstaatlichkeit und die
Freiheit des Einzelnen ist aufgrund der historischen Entwicklung kaum ernsthaft
zu bezweifeln. Dass dieser Norm auch in der Rechtsprechung eine hohe Bedeu-
tung zukommt, ist schon daran zu erkennen, dass Verstöße gegen Art. 103 Abs. 2
GG im Vergleich zu anderen Artikeln „am häufigsten mit der Verfassungsbe-
schwerde als verletzt gerügt werden“.86 Die am meisten gerügte Ausprägung des
Gesetzlichkeitsprinzips ist dabei, soweit ersichtlich, das Bestimmtheitsgebot.87

81 Maunz/Dürig/Remmert, Art. 103 Abs. 2 Rn. 136, wonach Art. 103 Abs. 2 GG eine

mahnende Funktion zukommt; Grünwald, ZStW 76 (1964), 1, 14.


82 Die zeigt sich z. B. an den Entscheidungen zu § 240 StGB, vgl. Prittwitz, in: Vom

unmöglichen Zustand des Strafrechts, S. 387, 396; so im Ergebnis wohl auch Roxin/
Greco, Strafrecht AT, S. 219.
83 Mangakis, ZStW 1969, 425, 427.
84 Siehe dazu insbesondere in Bezug auf die Handhabung des Bestimmtheitsgrund-

satzes durch die Gerichte Kap. D. IV. 1. c) und in Bezug auf das Analogieverbot
Kap. D.V. 1.; offengelassen bei Maunz/Dürig/Remmert, Art. 103 Abs. 2 Rn. 8, verweist
insbesondere auf die wenigen Entscheidungen zum Analogieverbot, die aber keine ein-
deutige Interpretation zulassen.
85 Siehe dazu nur auch die ausführliche Darstellung der Entscheidungen in Paulduro,

Die Verfassungsgemäßheit von Strafrechtsnormen, insbesondere der Normen des Straf-


gesetzbuches, im Lichte der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, S. 363 ff.,
der im Ergebnis eine strengere Gesetzgebung im Hinblick auf die Vereinbarkeit von
Normen mit Art. 103 Abs. 2 GG fordert, S. 431.
86 v. Münch/Kunig/Kunig/Saliger, 6. Aufl. 2012, Art. 103 Rn. 1; zur Präsenz des Ge-

setzlichkeitsprinzips in der Rechtsprechung vgl. auch Schulz, in: FS-Roxin, S. 305; auf
die (quantitative) Präsenz verweist auch AnwKomm-StGB/Gaede, § 1 Rn. 1.
87 Die Suche nach Entscheidungen zum Begriff „Bestimmtheitsgebot“ ergibt in der

Datenbank des BVerfG 178 Einträge, abrufbar unter https://www.bundesverfassungs


gericht.de/SiteGlobals/Forms/Suche/Entscheidungensuche_Formular.html?input_=5399
828&facettedEntscheidungstyp.GROUP=1&submit=Senden&resourceId=5399864&fa
cettedVerfahrensart.GROUP=1&dateAfter=tt.mm.jjjj&templateQueryString=Bestimmt
heitsgebot&dateBefore=tt.mm.jjjj&pageLocale=de [zuletzt abgerufen am 24.02.2020];
Schulz spricht von einer „Konjunktur des Bestimmtheitsgrundsatzes“, vgl. Schulz, in:
FS-Roxin, S. 305, 315.
II. Heutiger Sinn und Zweck des Gesetzlichkeitsprinzips 77

Gerade der Umgang der Gerichte mit dem aus dem Gesetzlichkeitsprinzip er-
wachsenden Bestimmtheitsgrundsatz zeigt, dass das Gesetzlichkeitsprinzip, durch
die Judikative eher gelockert gehandhabt wird. Dies wird zum einen dadurch
deutlich, dass ein Gesetz nur in Ausnahmefällen für zu unbestimmt erklärt
wird.88 Zum anderen aber auch durch die zum Bestimmtheitsgrundsatz ent-
wickelte Rechtsprechung, in der sich die Judikative selbst die Kompetenz zur
„Heilung“ der zu unbestimmten Strafgesetze zuspricht.89 Besonders deutlich
zeigt sich dies in der Entscheidung zur hinreichenden Bestimmtheit des Untreue-
tatbestandes, bei dem das BVerfG der Judikative gerade die Aufgabe auferlegt,
etwaige Unklarheiten durch die Rechtsprechung zu präzisieren.90 Darüber hinaus
warnt die Rechtsprechung gerade in Bezug auf den Bestimmtheitsgrundsatz
davor, übersteigerte Anforderungen zu stellen.91 Die Anforderungen, die an den
Gesetzgeber für die Einhaltung der in Art. 103 Abs. 2 GG verbürgten Regeln auf-
stellt werden, werden vielmehr von der Eingriffsintensität, die sich in der Straf-
androhung ausdrückt, abhängig gemacht.92
Uneinheitlicher zeigt sich die Rechtsprechung gleichwohl, wie sich noch zei-
gen wird, bei der Anwendung und Durchsetzung des Analogieverbotes. Zum Teil
wurde in Entscheidungen der Wortlaut einer Norm bewusst überschritten.93 Auch
wird der überragende Charakter des Analogieverbotes betont, der gerade nicht
durch Überlegungen zur materiellen Gerechtigkeit durchbrochen werden kann.94
Zumindest zweifelhaft erscheint auch eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs
(im Folgenden BGH) vom 10.07.1975, wonach die Täter § 250 Abs. 1 Nr. 3a

88 Siehe dazu die Entscheidung zum Begriff „grober Unfug“, vgl. BVerfG 14.05.

1969 – 2 BvR 238/68 = BVerfGE 26, 41, 42 = NJW 1969, 1759; ebenso Mangoldt/
Klein/Starck/Nolte/Aust, Art. 103 Rn. 138; die Rechtsprechung des BVerfG zum Be-
stimmtheitsgebot befürwortend: v. Münch/Kunig/Kunig/Saliger, Art. 103 Rn. 50.
89 Siehe dazu sogleich unter Kap. D. IV. 1. c).
90 BVerfG, Beschl. v. 23.06.2010 – 2 BvR 2559/08 = BVerfGE 126, 170, 189 = NJW

2010, 3209.
91 BVerfGE 25.07.1962 – 2 BvL 4/62 = BVerfGE 14, 245, 250 = NJW 1962, 1563;

BVerfG 08.05.1974 – 2 BvR 636/72 = BVerfGE 37, 201, 208 = NJW 1974, 1860;
BVerfG 11.02.1976 – 2 BvL 2/73 = BVerfG 41, 314, 320, insbesondere im Hinblick auf
den Bestimmtheitsgrundsatz.
92 BVerfG, Beschl. v. 06.05.1987 – 2 BvL 11/85 = BVerfGE 75, 329, 342 = NJW

1987, 3175; BVerfG 20.03.2002 – 2 BvR 794/95 = BVerfGE 105, 135 = NJW 2002,
1779.
93 RGST 29, 111; 32, 165; BGH, Urt. v. 13.09.1957 – 1 StR 338/57 = BGHSt 10,

375 = NJW 1957, 1642; BGH, Urt. v. 08.04.1960 – 4 StR 2/60 = BGHSt 14, 213 =
NJW 1960, 1165; BGH, Urt. v. 26.09.1962 – 4 Str 196/62 = BGHSt 18, 114, 120 = NJW
1963, 307.
94 BGH, Urt. v. 17.11.1962 – 3 StR 49/62 = BGHSt 18, 136 = NJW 1963, 499; z. B.

für den Fall der Anwendung des § 142 Abs. 2 StGB, wonach ein unvorsätzliches Entfer-
nen vom Unfallort sich nicht unter den Wortlaut „berechtigt und entschuldigt“ sub-
sumieren lässt, vgl. BGH, Beschl. v. 19.07.2007 – 2 BvR 2273/06 = BVerfGK 10, 442;
AnwKomm-StGB/Gaede, § 1 Rn. 30 bezeichnet dies als „erweitertes Analogieverbot“.
78 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

bestraft wurden, obwohl die Norm in der Zwischenzeit aufgehoben wurde.95


Eine solche Entscheidung scheint zumindest im Lichte des sich aus Art. 103
Abs. 2 GG ebenfalls ergebenden Rückwirkungsverbotes problematisch, indem
die Rechtsprechung die legislative Entscheidung gerade bewusst übergeht.
Die geschützten Garantien scheinen demnach heutzutage nur zum Teil erfüllt
zu werden.96 So wird zum Teil postuliert, dass das Prinzip „nicht uneinge-
schränkt respektiert wird“.97 Schünemann bezeichnet dies als einen eklatanten
Widerspruch zwischen der theoretischen Geltung des Prinzips und der Handha-
bung in der Praxis.98 Dies deutet auf eine eingeschränkte Bedeutung des Prin-
zips, mangels Möglichkeit einer wirksamen Rechtsdurchsetzung, hin. Dies lässt
wiederum Rückschlüsse auf die Handhabung des Gesetzlichkeitsprinzips durch
die Legislative zu: Wenn diese durch die Gerichte nicht zu einer strengen Ein-
haltung des Prinzips gezwungen werden, dann verbleibt im Endeffekt eine ge-
lockerte Handhabung der Prinzipien.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass, obwohl die Bedeutung des Gesetz-
lichkeitsprinzips anhand der historischen Entwicklung unumstritten überragend
ist und dies auch von der Rechtsprechung betont wird,99 die Handhabung durch
die Judikative und infolgedessen auch durch die Legislative einem gelockerten
Verständnis entspricht. Eine umfassende Umsetzung der Prinzipien findet, soweit
ersichtlich, nicht statt. Die betonte Bedeutung des Prinzips und dessen Umset-
zung sind nicht deckungsgleich.

III. Zwischenergebnis

Art. 103 Abs. 2 GG und § 1 StGB sind Folgen der Entscheidung für eine Kodi-
fikation des Rechts und des besonders eingriffsintensiven Charakters des Straf-
rechts. Die historische Entwicklung des Grundsatzes zeigt, dass das Gesetzlich-
keitsprinzip unterschiedliche Schutzrichtungen aufweist und je nach geschicht-
lichem Kontext aufgewiesen hat. Darunter fallen zum Beispiel, der Schutz vor
willkürlichen Entscheidungen, die Freiheitssicherung sowie die Sicherung des
Grundsatzes der Gewaltenteilung, wonach die Legislative die Entscheidung über
strafbare Verhaltensweisen selbst treffen muss. Ebenso offenbart der Blick in die
Vergangenheit aber auch die Einsicht, dass es verheerende Auswirkungen haben

95 BGH, Beschl. v. 10.07.1975 – GSSt 1/75 = BGHSt 26, 167, vgl. dazu insbeson-

dere Schünemann, Nulla poena sine lege?, S. 27 und verweist auf eine „Verkennung der
Grundsubstanz von Art. 103 Abs. 2 GG“.
96 Offengelassen bei Maunz/Dürig/Remmert, Art. 103 Abs. 2 Rn. 8.
97 Zusammenfassend zu den Begründungsansätze des Gesetzlichkeitsprinzips: Grün-

wald, ZStW (76) 1964, 1, 9.


98 Schünemann, Nulla poena sine lege?, S. 8.
99 Zu den im Gesetzlichkeitsprinzip verbürgten Garantien, vgl. BVerfG, Beschl. v.

21.09.2016 – 2 BvL 1/15 = BVerfGE 143, 38 = NJW 2016, 3648.


IV. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Bestimmtheitsgrundsatz 79

kann, wenn diese mit dem Gesetzlichkeitsprinzip verbundenen Garantien ab-


geschafft werden, wie dies zur Zeit des Nationalsozialismus der Fall war. Dies
unterstreicht die grundlegende Bedeutung.
Die Aufnahme des Grundsatzes in die Verfassung und die ihm gewährte pro-
minente Position in § 1 StGB wird der überragenden Bedeutung des Grundsatzes
gerecht. Bereits die verfassungsrechtliche Herleitung des Prinzips zeigt in welcher
vielfältigen Art und Weise das Gesetzlichkeitsprinzip Schutz vermittelt. Daraus
und aus den historischen Erfahrungen ergibt sich, dass der Grundsatz auch in
einem Rechtsstaat bedeutungsvoll ist. Denn auch heute dienen die in Art. 103
Abs. 2 GG verbürgten Garantien dem Vertrauensschutz der Bürger*innen.
Trotz der überragenden Bedeutung des Gesetzlichkeitsprinzips im Strafrecht
geht die Rechtsprechung vermehrt gelockert mit dem Bestimmtheitsgrundsatz,
dem Analogie- und dem Rückwirkungsverbot um. Ein solcher Umgang kann sich
wiederum auf die Wirksamkeit der Grundsätze auswirken, da die Legislative eine
besonders strenge Prüfung der Einhaltung in der Gesetzgebung nicht befürchten
muss.

IV. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln


mit dem Bestimmtheitsgrundsatz

Die durch Öffnungsklauseln konstituierende Möglichkeit auch vergleichbare


oder ähnliche Fälle unter einen Tatbestand zu fassen, zieht am häufigsten die
Kritik nach sich, dass sie gegen den Grundsatz der Gesetzesbestimmtheit ver-
stößt.100 Beim Grundsatz der Gesetzesbestimmtheit, als Teil des zuvor erörterten
Gesetzlichkeitsprinzips, handelt es sich primär um eine „Handlungsanweisung“
an den Gesetzgeber, die Gesetze so bestimmt wie möglich zu schaffen und se-
kundär um eine „Handlungsschranke“ an die anderen Gewalten, sich nur inner-
halb der von der Legislative geschaffenen Grenzen bei der Rechtsprechung und
Rechtsanwendung zu bewegen.101

100 Eiden, ZIS 2008, 123, 127 verweist auf die Unmöglichkeit für Normadres-

sat*innen, das unter Strafe stehende Verhalten zu erkennen; ebenso Gazeas, KJ 39


(2006), 247, 257 f. und verweist insbesondere darauf, dass die bei § 238 Abs. 1 Nr. 1–4
StGB a. F. aufgezählten Verhaltensweisen so unterschiedlich sind, dass eine Vergleich-
barkeit nicht möglich ist; ders., JR 2007, 497, 501; Neubacher, ZStW 118 (2006), 855,
870; Isenbeck, NJW 1969, 174; Greco, GA 2012, 452, 463, der aber im Schwerpunkt
die Vereinbarkeit mit dem Analogieverbot überprüft; Mangoldt/Klein/Starck/Nolte/
Aust, Art. 103 Rn. 138a; MüKo-StGB/Gericke, § 238 Rn. 35 m.w. N.
101 Maunz/Dürig/Remmert, Art. 103 Abs. 2 Rn. 101 f.; monographisch zum Bestimmt-

heitsgrundsatz siehe außerdem grundlegend: Krahl, Die Rechtsprechung des Bundes-


verfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs zum Bestimmtheitsgrundsatz im Straf-
recht, 1986; Birkenstock, Die Bestimmtheit von Straftatbeständen mit unbestimmten
Gesetzesbegriffen, 2004, mit umfassender Analyse der Rechtsprechung, S. 129 ff.; Ham-
mer-Strnad, Das Bestimmtheitsgebot als allgemeiner Rechtsgrundsatz des Europäischen
Gemeinschaftsrechts, 1999, S. 7 ff. allgemein zur Gesetzesbestimmtheit; Raabe, Der Be-
80 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

Öffnungsklauseln scheinen aufgrund ihres Wortlautes, der auf vergleichbare


oder ähnliche Handlungen verweist, die Anforderungen nicht zu erfüllen, die der
Bestimmtheitsgrundsatz an die Fassung von Gesetzen stellt und wären in diesem
Falle nicht mit dem Bestimmtheitsgrundsatz vereinbar (unter 2.).
Welchen Gehalt der Bestimmtheitsgrundsatz innehat und ob Öffnungsklauseln
folglich mit diesen Anforderungen in Einklang zu bringen sind, ergibt sich nicht
ohne Weiteres aus dem Wortlaut des Art. 103 Abs. 2 GG oder § 1 StGB, sondern
muss gerade auch anhand von Sinn und Zweck des Bestimmtheitsgrundsatzes
definiert werden (unter 1. a)). Die daran aufgestellten Anforderungen dürfen
nicht weiter reichen, als diese sprachlich tatsächlich umgesetzt werden können
(unter 1. b)).
Bei dieser Präzisierung des Bestimmtheitsgrundsatzes anhand von Sinn und
Zweck scheint es eine Divergenz der Handhabung des Bestimmtheitsgrundsatzes
durch die Gerichte zu geben (unter 1. c)). Für die Prüfung der Vereinbarkeit von
Öffnungsklauseln mit dem Bestimmtheitsgrundsatz ist entscheidend, ob gewich-
tige Argumente dafürsprechen, die Handhabung des Bestimmtheitsgrundsatzes
der Gerichte zu übernehmen und Öffnungsklauseln an den dort aufgestellten Maß-
stäben zu messen (unter 2.).

1. Begriff „Bestimmtheit“

Als erster Anhaltspunkt dafür, welche Anforderungen der Bestimmtheitsgrund-


satz an die Schaffung von Strafgesetzen stellt, kann der Wortlaut102 des verfas-
sungsrechtlich normierten Gesetzlichkeitsprinzips herangezogen werden. Art. 103
Abs. 2 GG verlangt, dass eine Strafbarkeit gesetzlich bestimmt sein muss. Dem
Wortlaut des Art. 103 Abs. 2 GG zufolge bezieht sich das Erfordernis der Be-
stimmtheit also auf die Strafbarkeit als solche.103 Es muss demzufolge erst ein-

stimmtheitsgrundsatz bei Blankettstrafgesetzen am Beispiel der unzulässigen Markt-


manipulation, 2007.
102 MüKo-StGB/Schmitz, § 1 Rn. 47 formuliert dazu folgende Frage: „Wie ,be-

stimmt‘ ist eigentlich das Bestimmtheitsgebot?“, unter Verweis auf Kuhlen, in: Recht
ohne Regeln, S. 19, 22 f.
103 Zum Begriff der Strafbarkeit in diesem Kontext, vgl. MüKo-StGB/Schmitz, § 1

Rn. 13, wonach Einigkeit darüber herrscht, dass dies mehr meint als den „Tatbestand
einer Strafnorm“; strittig ist insbesondere, ob der Bestimmtheitsgrundsatz auch für den
Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuches Wirkung entfaltet, vgl. dazu ablehnend: Gün-
ther, in: FS-Grünwald, 1999, S. 213, 215 ff.; Moreso, in: Gesetzlichkeit und Strafrecht,
S. 145, 157 ff.; befürwortend: Satzger, Jura 2016, 154, 156 allgemein zur Geltung des
Gesetzlichkeitsprinzips für den Allgemeinen Teil des StGB; Dreier/Schulze-Fielitz,
Art. 103 Abs. 2 Rn. 23 plädiert ebenfalls für eine vollumfängliche Geltung; zusammen-
fassend auch: Kirsch, Zur Geltung des Gesetzlichkeitsprinzips im Allgemeinen Teil des
Strafgesetzbuchs, S. 287, wonach sich weniger die Frage stellt, ob das Prinzip hier gilt,
als vielmehr wie es verwirklicht werden kann; Dannecker, in: FS-Otto, S. 25 ff. unter
Verweis auf Otto, Grundkurs Strafrecht, S. 17, dort aber offengelassen.
IV. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Bestimmtheitsgrundsatz 81

mal nur ein entsprechendes Strafgesetz für die Sanktionierung einer bestimmten
Verhaltensweise geben, weitere Anforderungen lassen sich dem Wortlaut der
Norm zunächst nicht entnehmen. Über die genaue Art und Weise und den erfor-
derlichen Grad der Bestimmtheit ist durch diese Regelung noch nichts gesagt.
Das zeigt, dass der Begriff der Bestimmtheit, wie er im Gesetz steht, seinerseits
unbestimmt ist104 und einer Präzisierung anhand der gängigen Auslegungsmetho-
den bedarf.
Das Erfordernis, den Begriff der Bestimmtheit zu konkretisieren, ergibt sich
auch daraus, dass dieser Grundsatz in einem ständigen Zwiespalt steht, unter-
schiedliche Interessen bei der Strafgesetzgebung zu vereinen: Einerseits sollen
das strafbare Verhalten dem Gesetz selbst entnommen werden und andererseits
sollen die Gerichte zumindest noch eine gewissen Flexibilität in der Handhabung
der Gesetze besitzen, wenn sie die abstrakt-generellen Gesetze auf den konkreten
Einzelfall anwenden, um dadurch angemessen auf den Einzelfall reagieren zu
können.105 Öffnungsklauseln scheinen diesem Interessenskonflikt Rechnung zu
tragen, indem den explizit aufgeführten Tatvarianten eine Öffnung für andere,
nicht explizit genannte Verhaltensweisen folgt.106 Wie weit die Rechtssicherheit
zugunsten der Einzelfallgerechtigkeit eingeschränkt werden darf, ist folglich
auch, aber – wie noch zu zeigen ist – nicht ausschließlich,107 von der Auslegung
des Bestimmtheitsgrundsatzes abhängig. Daraus ist zu folgern, dass der Maßstab,
wann von hinreichender Gesetzesbestimmtheit i. S. d. Art. 103 Abs. 2 GG ausge-
gangen werden kann und wie der Begriff zu verstehen ist, auch davon abhängt,
wie die soeben genannten widerstreitenden Pole gewichtet werden.
Grundsätzlich handelt es sich beim Gesetzesvorbehalt des Art. 103 Abs. 2 GG
um einen „strengen“ Gesetzesvorbehalt.108 Der strenge Gesetzesvorbehalt unter-
scheidet sich vom allgemeinen Gesetzesvorbehalt insofern, als dass „die relativen
Anforderungen an die Regelungsdichte besonders ernst zu nehmen sind und sie
im Zweifel nicht weit, sondern restriktiv zu handhaben“109 sind. Das Vorliegen
eines solchen strengen Gesetzesvorbehalts ist damit zu begründen, dass es sich
beim Strafrecht um einen besonders eingriffsintensiven Bereich handelt, der
durch seine Ausgestaltung als Sanktionsrecht zumindest dazu geeignet ist, mas-

104 Kuhlen, in: Das Gesetzlichkeitsprinzip im Strafrecht, S. 429, 431; Dreier/Schulze-

Fielitz, Art. 103 Abs. 2 Rn. 41 spricht von „relativer Unbestimmtheit“.


105 Kuhlen, in: Recht ohne Regeln, S. 19, 22; beschreibt dies als „Zwar-Aber-Struk-

tur“, die nicht gelöst werden kann; Stöckel, Gesetzesumgehung und Umgehungsgesetze
im Strafrecht, S. 138.
106 Es wird jedoch zu zeigen sein, dass sich die grundsätzliche Notwendigkeit einer

Konkretisierung abstrakter Gesetzestexte und die durch Öffnungsklauseln ermöglichte


Einbeziehung „ähnlicher“ Fälle in qualitativer Hinsicht unterscheiden.
107 Siehe dazu in dieser Arbeit Kap. D. V. und VIII.
108 Siehe dazu anstatt vieler BVerfG, Beschl. v. 21.09.2016 – 2 BvL 1/15 = BVerfGE

143, 38 = NJW 2016, 3648, 3649.


109 Maunz/Dürig/Remmert, Art. 103 Abs. 2 Rn. 107.
82 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

siv in die Grundrechte der Bürger*innen einzugreifen.110 Das bedeutet für den
Bestimmtheitsgrundsatz, als eine Konkretisierung des Gesetzesvorbehalts, dass
auch in diesem Bereich striktere Anforderungen zu stellen sind, als an die grund-
sätzliche Bestimmtheit von nicht strafrechtlichen Gesetzen. Dies spricht bei einer
Abwägung zwischen den beiden o. g. Polen dafür, ein hohes Maß an Gesetzesbe-
stimmtheit zu fordern und dafür im Zweifel eine Einbuße der Einzelfallgerechtig-
keit in Kauf zu nehmen.111 Für die Normadressat*innen muss also in besonders
hohem Maße erkennbar sein, welches Verhalten durch eine Norm unter Strafe
gestellt wird. Daraus könnte geschlossen werden, dass Normen im Strafrecht im-
mer möglichst genau zu fassen sind.112 Daraus hat sich sogar die Forderung nach
einer größtmöglichen Bestimmtheit entwickelt.113 Bei diesem Ausgangspunkt
könnte der Einsatz von Öffnungsklauseln in Konflikt mit dem Bestimmtheits-
grundsatz geraten. Es erscheint insofern aber nicht eindeutig, ob bei der Fassung
von Öffnungsklauseln eine genauere Formulierung, die eine erhöhte Rechtssi-
cherheit bietet, möglich gewesen wäre, oder ob nur die Streichung der Öffnungs-
klausel Abhilfe geschaffen hätte.
Der Begriff der Gesetzesbestimmtheit wird über die Bedeutung des Wortes
„Bestimmtheit“ und auch durch die Maßstäbe präzisiert, die festlegen, wann ein

110 BVerfG, Beschl. v. 21.09.2016 – 2 BvL 1/15 = BVerfGE 143, 38 = NJW 2016,

3648, 3649.
111 So im Ergebnis wohl auch v. Mangoldt/Klein/Starck/Nolte/Aust, Art. 103 Rn. 40,

wenn er darauf verweist, dass die Rechtsprechung keine Korrekturen zugunsten der Ge-
rechtigkeit im Einzelfall vornehmen darf; ebenso im Ergebnis wohl v. Münch/Kunig/
Kunig/Saliger, Art. 103 Rn. 45, wonach das gebotene Maß an Bestimmtheit „an der
Forderung nach Rechtssicherheit auszurichten“ ist.
112 Verstanden als eine „Optimierungspflicht“ des Gesetzgebers und zum Teil auch

als „relative Bestimmtheit“ bezeichnet, vgl. Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 103 Abs. 2


Rn. 41; BeckOK-GG/Radtke, Art. 103 Rn. 25; Mangoldt/Klein/Starck/Nolte, Art. 103
Rn. 42, differenziert aber nach unterschiedlichen Normbestandteilen; einschränkend
und auf eine „hermeneutisch bezeichnete [. . .] Sichtweise“ beziehend vgl. Duttge, JZ
2014, 261, 265; ders., in: FS-Kohlmann, 2013, S. 13, 23 und ablehnend zu einer quanti-
tativen Bestimmung der Bestimmtheit; Kuhlen, in: FS-Otto, S. 95; differenziert Roxin/
Greco, Strafrecht AT, S. 255 f., wonach Bestimmtheit nicht immer zu „ein[em] bes-
sere[n| Gesetz“ führt; LK-StGB/Dannecker, § 1 Rn. 195 ff., der darauf verweist, ob der
Norm ein Schutzzweck entnommen werden kann; offengelassen bzw. Orientierung an
Rechtssicherheit bei v. Münch/Kunig/Kunig/Saliger, Art. 103 Rn. 45, mit Verweis auf
Warda, Dogmatische Grundlagen des richterlichen Ermessens, S. 44; eine konkrete Be-
schreibung und eindeutige Erkennbarkeit fordernd: Dölling/Duttge/König/Rössner/
Rössner, § 1 Rn. 6; ebenfalls eine bestmögliche Konkretisierung fordernd NK-StGB/
Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 41; dabei auf den Zeitpunkt der Verabschiedung abstellen
MüKo-StGB/Schmitz, § 1 Rn. 49; im Ergebnis wohl auch Claas, in: FS-Ebh. Schmidt,
S. 122, 124; im Ergebnis wohl auch Colombi Ciacchi, Fahrlässigkeit und Tatbestandsbe-
stimmtheit, S. 32, die aber auf einen eigenen Ansatz verweist, der aber ebenfalls danach
fragt, ob eine andere Fassung des Tatbestandes möglich gewesen wäre; Löwer, JZ 1979,
621, 625; AnwKomm-StGB/Gaede, § 1 Rn. 20; Appel, Verfassung und Strafe, S. 120;
Schönke/Schröder/Hecker, § 1 Rn. 20; kritisch: Wolff, in: Handbuch der Grundrechte,
§ 134 Rn. 55.
113 Lenckner, JuS 1968, 249, 305; MüKo-StGB/Schmitz, § 1 Rn. 45.
IV. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Bestimmtheitsgrundsatz 83

Gesetz zu unbestimmt ist, also durch das, was unter dem Begriff „unbestimmt“
verstanden wird. Nach der Bedeutung des Wortes liegt Unbestimmtheit u. a. dann
vor, wenn etwas nicht klar umrissen ist und sich auch nicht klar umreißen
lässt.114 Grundsätzlich haben alle Rechtsbegriffe einen solchen „Unbestimmt-
heitskoeffizienten“.115 Es sind aufgrund der Mehrdeutigkeit von Sprache immer
mehrere mitunter unterschiedliche Deutungen des geschriebenen Wortes mög-
lich. Entscheidend ist also, welches Maß an Mehrdeutigkeit noch als erträglich
angesehen wird.116 Feste Kriterien, wann eine Norm als zu unbestimmt angese-
hen wird, wurden bisher nicht entwickelt.117 Zurecht wird darauf hingewiesen,
dass Fälle vorliegen, in denen die Unbestimmtheit der Norm unbestreitbar ist,
weil die Vagheit der Formulierungen offensichtlich ist.118 Daraus wird zum Teil
gefolgert, dass eine Verfassungswidrigkeit wegen Unbestimmtheit nur angenom-
men werden kann, wenn keine sinnvolle Begrenzung des Tatbestandes durch die
gängigen Auslegungsmethoden mehr möglich ist. Es wird darauf verwiesen, dass
an das Bestimmtheitsgebot keine übersteigerten Anforderungen gestellt werden
dürfen.119 Damit nimmt diese Ansicht den Gegenpol zu den zuvor genannten

114 https://www.duden.de/rechtschreibung/unbestimmt [zuletzt abgerufen am 17.10.

2019].
115 Engisch, in: FS-Mezger, S. 127, 142; Schünemann, FS-Klug, S. 169, 177 ff.
116 Stöckel, Gesetzesumgehung und Umgehungsgesetze im Strafrecht, S. 139.
117 Zu den Methoden zur Präzisierung einer Norm durch die Gerichte s. Kap. E.

III. 1. d).
118 Z. B. die Sanktionierung des „Handelns gegen die öffentliche Ordnung“, vgl. dazu

VerfGH Bayern, Entscheidung v. 13.10.1951 – Vf. 168-V-50, BeckRS 1951, 00242.


119 Stöckel, Gesetzesumgehung und Umgehungsgesetze im Strafrecht, S. 140; eben-

falls einem gelockerten Verständnis des Bestimmtheitsgrundsatzes folgend und ein Ver-
weis darauf, dass das Gebot nicht übersteigert werden darf, vgl. BeckOK-GG/Radtke,
Art. 103 Rn. 24, der auf eine tatbestandsspezifische Betrachtungsweise verweist; Jarass/
Pieroth/Kment/Kment, Art. 103 Rn. 75, der Rechtsprechung des Bestimmtheitsgrundsat-
zes einschränkend zustimmend; Geitmann, Bundesverfassungsgericht und „offene“ Nor-
men, S. 118; Arnauld, Rechtssicherheit, S. 246 ff., der gerade Regelbeispiele für eine
Möglichkeit der Aushandlung des Bedürfnisses nach Rechtssicherheit einerseits und
dem Bedürfnis nach generellen Regelungen nennt; SK-StGB/Jäger, § 1 Rn. 14; Kühl,
in: FS-Seebode, S. 64 ff.; Paeffgen, StraFo 2007, 442, 444–446, der feststellt, dass das
Bundesverfassungsgericht im Hinblick auf die Bestimmtheit von Normen „viel genauer
hinschaut“, als noch in der Vergangenheit; darüber hinaus wird der Begriff der Be-
stimmtheit vereinzelt auch als quantifizierbares Kriterium verstanden, wonach eine hin-
reichende Bestimmtheit dann vorliegt, wenn mindestens 50 % der Tatbestandsmerkmale
bestimmt, i. S. d. Art. 103 Abs. 2 GG, sind. Diese von Schünemann, Nulla poena sine
lege, S. 35 f. vertretene Auffassung hat sich augenscheinlich nicht durchgesetzt: Zum
Teil wird auch vertreten, dass bei der Beurteilung der Bestimmtheit die Gründe die zur
konkreten Fassung des Gesetzes geführt haben, berücksichtigt werden müssen, inwie-
weit daraus aber Anforderungen an die Gesetzesbestimmtheit abgeleitet werden können,
vgl. zur Kritik zusammenfassend: Kirsch, Geltung des Gesetzlichkeitsprinzips im Allge-
meinen Teil des Strafgesetzbuchs, S. 143 f.; grundlegend zur Kritik: Duttge, Zur Be-
stimmtheit des Handlungsunwerts von Fahrlässigkeitsdelikten, S. 184 f., mit Verweis
darauf, dass der Gesetzgeber die in Art. 103 Abs. 2 GG normierten Anforderungen voll-
umfänglich erfüllen muss; und ders., in: FS-Kohlmann, S. 13, 23.
84 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

Auslegungsmöglichkeiten des Bestimmtheitsgrundsatzes ein. Auch bei Öffnungs-


klauseln gibt es unterschiedliche Deutungsmöglichkeiten, was noch als mit den
vorhergehenden Tatvarianten als vergleichbar angesehen werden kann oder nicht.
Eine völlige Konturlosigkeit liegt aber aufgrund der zuvor dezidiert genannten
strafbaren Verhaltensweisen eher nicht vor.
Öffnungsklauseln nehmen Bezug zu den zuvor aufgezählten Verhaltensweisen
und fordern eine Vergleichbarkeit. Betrachtet man das gesamte Normengefüge
der Öffnungsklauseln, so bieten die exemplarisch aufgezählten Verhaltensweisen
Orientierungspunkte für Auslegung und Anwendung der Öffnungsklausel.
Eine solche weite Auslegung läuft allerdings dem zuvor postulierten Grund-
satz des strengen Gesetzesvorbehaltes zuwider. Denn die Anforderung an Nor-
men, dass deren Inhalt durch Auslegung zumindest umgrenzt werden kann, gilt
so auch für Gesetze, die lediglich dem allgemeinen Gesetzesvorbehalt unterfal-
len. Einer solchen gelockerten Auslegung des Begriffs der Unbestimmtheit steht
die gesetzliche Regelung des Art. 103 Abs. 2 GG entgegen. Wenn der Verfas-
sungsgesetzgeber keine strengeren Anforderungen an die Bestimmtheit von Straf-
gesetzen stellen wollte, dann wäre Art. 103 Abs. 2 GG zumindest in Hinblick auf
die Gesetzesbestimmtheit überflüssig. Dass hier eine rein deklaratorische Rege-
lung geschaffen werden sollte, ist nicht plausibel.120
Diese unterschiedlichen Lösungsansätze verdeutlichen, dass sich auch aus dem
Begriff der Unbestimmtheit keine genauen Voraussetzungen erschließen lassen,
wann ein Gesetz den Anforderungen des Grundsatzes gerecht wird. Gleiches
gilt für den Wortlaut des Begriffs Bestimmtheit. Gleichwohl lässt sich bereits an
dieser Stelle feststellen, dass aufgrund der gesonderten Regelung in Art. 103
Abs. 2 GG aus verfassungsrechtlicher Sicht konsequenterweise erhöhte Anforde-
rungen an die Gesetzbestimmtheit gestellt werden müssen.

a) Sinn und Zweck des Bestimmtheitsgrundsatzes

Anders als der offene Wortlaut vermuten lässt, scheinen Sinn und Zweck121
des Bestimmtheitsgrundsatzes dafürsprechen, dass das Prinzip als ein Optimie-

120 Im Ergebnis wohl zustimmend, wenngleich auch keine Parallele zum allgemeinen

Bestimmtheitsgebot ziehend, vgl. NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 41; auch MüKo-


StGB/Schmitz § 1 Rn. 49, verweist auf die besonderen Anforderungen, die durch § 1
StGB und Art. 103 Abs. 2 StGB an die Bestimmtheit von Strafgesetzen gestellt werden,
woraus sich im Umkehrschluss ergibt, dass hier andere Anforderungen gelten müssen
als im Bereich des allgemeinen Bestimmtheitsgebotes; Jarass/Pieroth/Kment/Kment,
Art. 103 Rn. 74: „Die Anforderung des Abs. 2 [. . .] stellt noch höhere Anforderungen.“
121 Siehe zu Sinn und Zweck auch Schulz, in: FS-Roxin, S. 321 f.; NK-StGB/Hasse-

mer/Kargl, § 1 Rn. 14; Schönke/Schröder/Hecker, § 1 Rn. 16 zur Bedeutung des Be-


stimmtheitsgrundsatzes für die Aufgabenerfüllung von Strafgesetzen; MüKo-StGB/
Schmitz, § 1 Rn. 47; Lackner/Kühl/Kühl, § 1 Rn. 2; Moll, Europäisches Strafrecht durch
nationale Blankettgesetzgebung?, S. 122 ff.; Kuhlen, Gesetzlichkeitsprinzip, S. 54 f.
IV. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Bestimmtheitsgrundsatz 85

rungsgebot122 im Sinne einer relativen Bestimmtheit verstanden werden muss,


um auf diese Weise die verfassungsrechtlichen Intentionen, die sogleich erörtert
werden, zu erfüllen.
Das Gesetzlichkeitsprinzip und damit auch der Grundsatz der Gesetzesbe-
stimmtheit sind Folge der Entscheidung, Recht zu kodifizieren. Die Bindung der
Judikative an das geschriebene Recht soll nach heutigem Verständnis insbeson-
dere dem Schutz vor staatlicher Willkür dienen.123 Beliebige schriftliche Kodifi-
kationen des Rechts ohne dazugehörige Regeln, denen die Gesetzgebung beim
Verfassen dieser Regelungen unterworfen ist, genügen zu diesem Zweck aller-
dings nicht. Allzu generalklauselartige Regelungen bedeuteten keine erhöhte
Rechtssicherheit gegenüber ungeschriebenem Recht. Daraus ergibt sich, dass der
Sinn und Zweck des Bestimmtheitsgrundsatzes darin bestehen, eine in der Weise
hinreichend bestimmte Regelung zu schaffen, die den Bürger*innen erlaubt,
unproblematisch erkennen zu können, welches Verhalten konkret unter Strafe
gestellt ist, um dadurch vor unvorhersehbaren Entscheidungen geschützt zu wer-
den.124 Gerade Öffnungsklauseln nehmen eine bewusste Aufgabenverlagerung
durch den Verweis auf vergleichbare Fälle vor. Diese Aufgabenverlagerung be-
einflusst gerade auch die Bindung an das geschriebene Recht: Sie schafft für die
Judikative gerade einen weiten Anwendungsspielraum, obgleich dieser auch
durch die zuvor genannten Tatbestandsalternativen begrenzt wird.125
Außerdem dient das Gesetzlichkeitsprinzip, wie bereits erläutert, der Siche-
rung der Gewaltenteilung. Diese kann nur dann ihre Schutzwirkung entfalten,
wenn sich die Aufgabenbereiche der einzelnen Gewalten möglichst nicht über-
schneiden. Der aus dem Gesetzlichkeitsprinzip erwachsenden Grundsatz des Be-
stimmtheitsgebotes dient also auch dazu, dass Gesetze so genau geschaffen wer-
den, dass der Interpretationsspielraum von Judikative und Exekutive möglichst
geringgehalten wird und damit der demokratisch legitimierte Gesetzgeber wei-
testgehend darüber entscheidet, ob eine Handlung strafbar ist oder nicht.126 Auch
mit dieser Zielsetzung scheinen aber Öffnungsklauseln durch ihre bewusste Auf-
gabenverlagerung in Konflikt zu stehen.
Auch das BVerfG stimmt mit diesen Zwecksetzungen überein und führt zu den
Funktionen des Bestimmtheitsgrundsatzes aus: „Es soll sichergestellt werden,
dass der Gesetzgeber selbst abstrakt-generell über die Strafbarkeit entschei-

122 Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 103 Abs. 2 Rn. 41.


123 Vgl. in dieser Arbeit D. II.; Roxin/Greco, Strafrecht AT, S. 252.
124 Dies wird teilweise als Erfordernis der Normenklarheit beschrieben, vgl. Maunz/

Dürig/Remmert, Art. 103 Abs. 2 Rn. 92.


125 Dazu siehe in dieser Arbeit Kap. D. VIII.
126 Dies wird teilweise als Erfordernis der ausreichenden Regelungsdichte beschrie-

ben, vgl. Maunz/Dürig/Remmert, Art. 103 Abs. 2 Rn. 101.


86 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

det.“127 Denn „die Entscheidung über die Beschränkung von Grundrechten oder
über die Voraussetzung einer Beschränkung [obliegt] dem Gesetzgeber und nicht
anderen staatlichen Stellen [. . .]“.128 Die Bestimmtheit von Strafgesetzen dient
damit einmal der Sicherung des Gewaltenteilungsgrundsatzes und auch dem
Schutz der Freiheit der zu Bestrafenden.129

aa) Schutz der Bürger*innen vor willkürlichen Entscheidungen

Diese Freiheit der Bürger*innen kann bereits nach Montesquieu nur gewähr-
leistet werden, wenn Strafgesetze eine hinreichende Bestimmtheit aufweisen.130
Dieser Gedanke wirkt bis heute in der Ausprägung des Bestimmtheitsgrundsatzes
fort.131 Die straffreien Bereiche müssen für die Bürger*innen möglichst klar er-
kennbar sein, was nur durch eben solche hinreichend bestimmten Gesetze ge-
währleistet ist. Art. 103 Abs. 2 GG trifft durch seinen Sinn und Zweck gerade
eine Entscheidung zugunsten der Rechtssicherheit und der damit verbundenen
Freiheit des Einzelnen, auch wenn dies im Zweifel zu Lasten der materialen Ge-
rechtigkeit gehen könnte.132 Denn nur so kann „jedermann sein Verhalten auf die
Strafrechtslage eigenverantwortlich einrichten [. . .] und [muss] keine unvorher-
sehbaren staatlichen Reaktionen befürchten“.133 Jeder soll anhand der Gesetze
vorhersehen können, welches Verhalten unter Strafe steht.134 Außerdem kann das
Strafrecht seine generalpräventive Wirkung nur dann entfalten, wenn sich aus

127 BVerfG 23.06.2010 – 2 BvR 2559/08 = BVerfGE 126, 170, 195 f. = NJW 2010,

3209; BVerfG 17.01.1978 – 1 BvL 13/76 = BVerfGE 47, 109, 120, 212 = NJW 1978,
933, 934.
128 BVerfG 17.01.1978 – 1 BvL 13/76 = BVerfGE 47, 109, 120, 212 = NJW 1978,

933, 934.
129 Maunz/Dürig/Remmert, Art. 103 Abs. 2 Rn. 101.
130 Montesquieu, Vom Geist der Gesetze, S. 251.
131 BVerfG, Beschl. v. 21.09.2016 – 2 BvL 1/15 = BVerfGE 143, 38 = NJW 2016,

3648, 3649; Maunz/Dürig/Remmert, Art. 103 Abs. 2 Rn. 31, 87, wonach Strafbarkeit
„kalkulierbar“ sein muss; Geitmann, Bundesverfassungsgericht und „offene“ Normen,
S. 72; Vogel, ZStW 128 (2016), 139, 140; ebenso Sachs/Degenhart, Art. 103 Rn. 63;
Mangoldt/Klein/Starck/Nolte/Aust, Art. 103 Rn. 140; v. Münch/Kunig/Kunig/Saliger,
Art. 103 Rn. 43; NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 14.
132 Krahl, Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, S. 286; LK-StGB/

Dannecker, § 1 Rn. 52.


133 BVerfG 20.03.2002 – 2 BvR 794/95 = BVerfGE 105, 135, 153 = NJW 2002,

1179; 2002, 1185.


134 BVerfG 23.06.2010 – 2 BvR 2559/08 = BVerfGE 126, 170, 195 f. = NJW 2010,

3209; BVerfG 10.10.1995 – 1 BvR 1476, 1980/91 und 102, 221/92 = BVerfGE 93,
266 = NJW 1995, 3303; BVerfG 11.11.1986 – 1 BvR 713/83, 1 BvR 921/84, 1 BvR
1190/84, 1 BvR 333/85, 1 BvR 248/85 = BVerfGE 73, 206 = NJW 1987, 43; BVerfG,
Beschl. v. 23.10.1985 – 1 BvR 1053/82 = BVerfGE 71, 108 = NJW 1986, 1671; Vogel,
ZStW 125 (2016), 139, 141.
IV. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Bestimmtheitsgrundsatz 87

dem Gesetz selbst und für die Bürger*innen verständlich ergibt, welches Verhal-
ten unter Strafe gestellt ist.135 Von der Tatbegehung abgeschreckt werden kann
nur, wer weiß, wovon er abgeschreckt werden soll. Die Forderung nach einer ge-
nauen Fassung der Strafgesetze schützt aber nicht nur durch die dadurch eröff-
nete Möglichkeit der Bürger*innen, straffreie Bereiche zu erkennen, sondern
auch, indem ein möglichst präziser Wortlaut gegenüber der Judikative eine er-
höhte Gesetzesbindung erzeugt. Insoweit vermittelt der Bestimmtheitsgrundsatz
den Willkürschutz gegenüber der Legislative in Form der genauen Gesetzesfor-
mulierung und gegenüber der Judikative, indem diese an die genaue Gesetzes-
fassung gebunden ist und sich in ihrer Entscheidung innerhalb des Wortlautes
bewegen muss.136
Grundsätzlich ist eine solche erkennbare Umgrenzung auch möglich, wenn
sich Normen der Gesetzgebungstechnik der Öffnungsklauseln bedienen: Auch
Bürger*innen ist es möglich, ihr Verhalten mit den zuvor genannten aufgezählten
Verhaltensweisen sowie in Ausmaß und Intensität zu vergleichen und auf diese
Weise den Tatbestand zu umreißen.
Daraus folgt, dass ein ausreichendes Maß an Bestimmtheit nur dann erreicht
ist, wenn durch die Formulierung des Tatbestandes die freiheitsgewährende Funk-
tion erfüllt ist und den Bürger*innen ohne Zweifel möglich ist, zu erkennen, wel-
ches Verhalten nicht in den strafbaren Bereich fällt und ihnen dadurch freigestellt
ist.137 Nur in einem solchen Fall ist eine ausreichende Rechtssicherheit gegeben.
Allerdings kommt es auf eine tatsächliche Kenntnisnahme der Gesetze durch die
Bürger*innen gerade nicht an. Es handelt sich um eine realitätsferne Annahme,
dass Strafgesetze tatsächlich gelesen werden und das Verhalten danach ausgerich-
tet wird. Dennoch muss dieses Szenario als Ausgangspunkt für die Beurteilung
dienen,138 weil für eine Beurteilung der ausreichenden Bestimmtheit zum Schut-
ze der Bürger*innen, eine Beurteilung aus Sicht eben jener Bürger*innen, deren
Freiheit gewährleistet werden soll nötig ist. Daraus resultiert auch der Maßstab,
der in Bezug auf die Bestimmtheit erfüllt werden muss: Die Verständlichkeit
muss danach durch die Bürger*innen beurteilt werden, denn das Strafgesetzbuch

135 Roxin, in: Das Gesetzlichkeitsprinzip im Strafrecht, S. 113, 115.


136 Zur Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Grundsatz der Gesetzesbindung
vgl. innerhalb dieser Arbeit Kap. D. VIII. 3.; es bedarf bei der Rechtsanwendung durch
die Richter*innen aber immer auch einer Konkretisierung des geschriebenen Rechts,
vgl. dazu in dieser Arbeit Kap. D. V. 2.
137 NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 41, die aber darauf verweisen, dass die De-

tailfülle einer Regelung nicht zulasten der Verständlichkeit für die Normadressat*innen
erfolgen darf; Lackner/Kühl/Kühl, § 1 Rn. 2: „[. . .] für den Normadressaten soll das
Risiko einer Bestrafung erkennbar sein“; MüKo-StGB/Schmitz, § 1 Rn. 49; insb. kri-
tisch, wenn nur die Erkennbarkeit des Bestrafungsrisikos gefordert wird: v. Mangoldt/
Klein/Starck/Nolte/Aust, Art. 103 Rn. 141.
138 v. Münch/Kunig/Kunig, 6. Aufl. 2012, Art. 103 Rn. 28.
88 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

ist „im herausragenden Maße an die Öffentlichkeit adressiert“.139 Der Verständ-


nishorizont der Bürger*innen dient folglich als Maßstab dafür, ob ein Gesetz hin-
reichend bestimmt ist.
Entscheidungen, die auf Grundlage von Strafgesetzen getroffen werden, müs-
sen „messbar“ sein.140 Auf das subjektive Ermessen von Richter*innen, welche
nicht vorhersehbar sind, darf es folglich nur im begrenzten und insoweit unver-
meidbaren Umfang ankommen.141 Die Freiheit des Einzelnen geht immer so
weit, wie dessen Verhalten kein Strafgesetz verletzt. Diese Freiheit kann nur ge-
währleistet werden, wenn der Moment der Grenzüberschreitung ersichtlich ist.
Nur dann handelt es sich um einen ausreichend bestimmten Tatbestand.

bb) Sicherung des Grundsatzes der Gewaltenteilung

Neben dem Schutz vor willkürlichen Entscheidungen enthält der Bestimmt-


heitsgrundsatz auch eine auf den Grundsatz der Gewaltenteilung bezogene Kom-
ponente, indem der Bestimmtheitsgrundsatz vor einer Verlagerung der Kom-
petenzbereiche von der Legislative auf die Judikative durch möglichst genaue
gesetzliche Bestimmungen schützt.142
Nach dem in Art. 20 Abs. 3 GG normierten Gewaltenteilungsgrundsatz sind
der Legislative, Exekutive und Judikative eigene Aufgabenbereiche zugewiesen,
die zwar Überschneidungen aufweisen können, aber auch Kernbereiche aufwei-
sen, die von den anderen Gewalten nicht angetastet werden dürfen.143 Es ist die
ureigene Aufgabe des demokratisch legitimierten Gesetzgebers, dass dieser die
abstrakt-generelle Entscheidung darüber trifft, welches Verhalten unter Strafe
gestellt werden soll und mit welchem Wortlaut dies kodifiziert wird.144 Damit

139 J. Hirsch, in: FS-Puppe, S. 105 verweist bzgl. der Erkennbarkeit durch die Norm-

adressat*innen auf den Schutzzweck: Schönke/Schröder/Hecker, § 1 Rn. 16; Dreier/


Schulze-Fielitz, Art. 103 Rn. 38, verweist auch auf die Erkennbarkeit aller Bürger*in-
nen; Maunz/Dürig/Remmert, Art. 103 II, Rn. 92.
140 Warda, Dogmatische Grundlagen des richterlichen Ermessens im Strafrecht,

S. 44; das ergibt sich gerade aus dem Schutz vor willkürlichen Entscheidungen,
vgl. dazu Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 103 Abs. 2 Rn. 38; Jarass/Pieroth/Kment/Kment,
Art. 103 Rn. 71.
141 Warda, Dogmatische Grundlagen des richterlichen Ermessens im Strafrecht,

S. 45.
142 Detailliert zur Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Grundsatz der Gewal-

tenteilung vgl. in dieser Arbeit Kap. D. VIII. 3.


143 Obgleich unter Gewaltenteilung keine strikte Gewaltentrennung verstanden wer-

den muss, vgl. Dreier/Schulze-Fielitz Art. 20 Rn. 67, siehe dazu auch unter Kap. D.
VIII. 3.
144 Kuhlen, in: Das Gesetzlichkeitsprinzip im Strafrecht, S. 45, 54; Sachs/Degenhart,

Art. 103 Rn. 63; Remmert spricht dabei von Regelungsdichte, vgl. Maunz/Dürig/Rem-
mert, Art. 103 Abs. 2 Rn. 87; Mangoldt/Klein/Starck/Nolte/Aust, Art. 103 Rn. 140;
NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 14.
IV. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Bestimmtheitsgrundsatz 89

macht demnach die Legislative nach Art. 103 Abs. 2, Art. 20 Abs. 2 GG zumin-
dest das geschriebene Recht („durch die gesetzgebende Gewalt“). Diese Aufga-
benteilung entfaltet nur dadurch ihre Wirksamkeit, dass der Gesetzgeber nicht
auch zugleich über die Anwendung im Einzelfall entscheidet.145 Die Bestim-
mung unter welchen Voraussetzungen Grundrechte beschränkt werden können,
obliegt nämlich der Legislative. Damit haben der Grundsatz der Gewaltenteilung
und der damit verzahnte Bestimmtheitsgrundsatz eine kompetenzwahrende Funk-
tion.146 Selbst wenn die Gerichte bei der Anwendung auf den Einzelfall eine –
unter Umständen durch den gewählten Wortlaut entstandene – zu schließende
Lücke147 feststellen, obliegt ihnen nach dem Grundsatz der Gewaltenteilung die
Kompetenz des Lückenschlusses gerade nicht.148 Der Gesetzgeber muss in sol-
chen Fällen diese Lücken für die Zukunft schließen, sollte er das Verhalten für
strafwürdig erachten.149 Diesem Konflikt greifen Öffnungsklauseln vor, indem
sie bei einem unter Umständen zu eng gefassten Wortlaut die Anwendbarkeit auf
nicht benannte Fälle ausdrücklich vorsehen.
Die durch den Bestimmtheitsgrundsatz als Teil des Gesetzlichkeitsprinzips be-
sonders hohen Anforderungen an die Gesetzgebung im Bereich des Strafrechts
rühren daher, dass es sich bei der Entscheidung darüber, ob ein Verhalten als
strafwürdig zu erachten ist, um „den intensivsten Eingriff in die individuelle
Freiheit handelt“.150 Weshalb es gerade in diesem Bereich besonders wichtig ist,
dass der demokratisch legitimierte Gesetzgeber die Entscheidung darüber trifft,
welches Verhalten unter Strafe gestellt wird. Dennoch ist ein gewisser Grad
an richterlicher Rechtsfortbildung unumgänglich und auch zum Teil auch er-
wünscht, weil die Pflicht zur Normanpassung als notwendig angesehen wird.151

145 Roxin, in: Das Gesetzlichkeitsprinzip im Strafrecht, S. 113, 115.


146 Wolff, Hdb. d. Gr., § 134 Rn. 155; Dietmeier, Blankettstrafrecht, S. 112; Dreier/
Schulze-Fielitz, Art. 20 Rn. 72.
147 Umfassend zu Gesetzeslücken siehe Fikentscher, Methoden des Rechts, S. 701 ff.;

Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz; Engisch, Einführung in das Juristi-
sche Denken, S. 178 ff.; soweit ersichtlich erstmals Elze, Lücken im Gesetz, S. 4 ff., ins-
besondere zur planwidrigen Unvollständigkeit und Zitelmann, Lücken im Recht; La-
renz, Methodenlehre und Rechtswissenschaft, S. 370 f., verweist darauf, dass nur dann
von einer Gesetzeslücke gesprochen werden kann, wenn der Bereich sinnvollerweise
hätte geregelt werden sollen; Klug, in: FS-Nipperdey, S. 71, wonach eine Lücke vorliegt,
wenn ein Sachverhaltstyp in der Rechtsordnung nicht geregelt wird, obwohl von einer
entsprechenden Regelung ausgegangen werden kann.
148 Daran hält sich die Judikative aber nicht immer, vgl. BVerfGE 126, 171 = NJW

2010, 3209, wo sich die Rechtsprechung gerade selbst die Kompetenz zuspricht, un-
bestimmte Gesetze durch Rechtsprechung zu konkretisieren; genauer zum „Präzisie-
rungsgebot“ unter B. IV. 1. c) aa) (2).
149 Dies geschah z. B. im Falle des § 265a StGB, nachdem das Reichsgericht auf die

Strafbarkeitslücke hingewiesen hat: RG 18.12.1933 – 2 D 462/33, RGSt 65, 69.


150 BVerfG 23.06.2010 – 2 BvR 2559/08 = BVerfGE 126, 170, 195 f. = NJW 2010,

3209.
151 Hirsch, JZ 2007, 853.
90 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

Der Gesetzgeber schafft gerade nur die Grundbedingungen der Strafbarkeit, die
dann durch die Gerichte mit Leben gefüllt werden müssen. Allerdings sind einer
solchen Rechtsfortbildung durch Art. 103 Abs. 2 GG und dem Grundsatz der Ge-
waltenteilung und der Gesetzesbindung Grenzen gesetzt, wodurch die Gesetze so
eng wie möglich und so weit wie nötig geschaffen werden sollten. Der Bestimmt-
heitsgrundsatz greift auf diese Weise wie ein Zahnrad in den Grundsatz der Ge-
waltenteilung, indem die möglichst bestimmte Fassung der Norm einer unzuläs-
sigen Aufgabenverlagerung vorbeugt.
Der Bestimmtheitsgrundsatz dient auch der Begrenzung des Einflusses der
Politik auf das Gesetzgebungsverfahren und sichert so die Gewaltenteilung: Auf
diese Art und Weise erschöpft sich so die politische Einflussnahme im Gesetz-
gebungsverfahren und wirkt nicht in die richterliche Entscheidungsfindung
hinein.152 Dies ist wiederum nötig, um eine möglichst neutrale Gesetzes- und
Rechtsanwendung zu ermöglichen.153

b) Sprachliche Grenzen der Gesetzesbestimmtheit

Aus der gerade dargelegten Zwecksetzung des Bestimmtheitsgrundsatzes er-


gibt sich, dass der Idealfall von Gesetzesbestimmtheit ein Zustand wäre, in dem
völlige Einigkeit über die Bedeutung eines Begriffes herrscht, also ein Zustand
der bestmöglichen Präzision. Der Optimalzustand, der die Bürger*innen umfas-
send vor Willkür und gemäß dem Grundsatz der Gewaltenteilung schützt, wäre
erreicht, wenn der Wortlaut einer Norm bei allen Menschen eine identische
Vorstellung hervorriefe.154 Dann wäre auch eine Bindung der Judikative an den
Wortlaut möglich, die nur eine Interpretation zulassen würde.
Allerdings wird der Glaube an eine solche Bestimmtheit von Gesetzen zurecht
für utopisch gehalten.155 Ein Zustand, in dem zu jedem Zeitpunkt völlige Einig-
keit über jeden Begriff herrscht, kann es nicht geben.156 Denn Sprache im All-
gemeinen und insbesondere abstrakt-generelle Rechtssätze haben nur eine be-
grenzte sprachliche und regelungstechnische Leistungsfähigkeit.157 Dies ergibt
sich zum einen daraus, dass Sprache einem ständigen Wandel unterliegt und zum

152 Vgl. näher zur Gefahr der Einflussnahme der Politik Bockelmann, in: FS-Smend,

S. 23, 35.
153 Bockelmann, in: FS-Smend, S. 23, 34.
154 Montesquieu, Vom Geist der Gesetze, S. 403.
155 Kaufmann sagt außerdem, dass man sich weigert, aus dieser Erkenntnis die erfor-

derlichen Konsequenzen zu ziehen. Er macht aber nicht deutlich, welche Konsequenz


sein sollten. Eine komplette Aufgabe des Gesetzlichkeitsprinzips lehnt er ab, vgl. dazu:
Kaufmann, Analogie und Natur der Sache, S. 6; zu den Grenzen vgl. auch NK-StGB/
Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 30 f.
156 Garstka, in: Juristische Methodenlehre und analytische Philosophie, S. 96, 103.
157 Schmidt/Aßmann, in: Isensee/Kirchhoff, HbdStr, § 26 Rn. 60; NK-StGB/Hasse-

mer/Kargl, § 1 Rn. 30; Roxin/Greco, Strafrecht AT, S. 254.


IV. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Bestimmtheitsgrundsatz 91

anderen daraus, dass Wörtern unterschiedliche Bedeutungen zugemessen werden,


die sich nur anhand des konkreten Kontextes bestimmen lassen.158 Diese Bedeu-
tungsbestimmung unterliegt auf diese Weise auch immer einer subjektiven Be-
wertung. Auch wenn bei deskriptiven Tatbestandsmerkmalen, also solchen Merk-
malen, die sich auf Objekte beziehen (wie bspw. der Begriff „Waffe“ in § 243
StGB), die sinnlich wahrnehmbar sind,159 eine hinreichende Bestimmtheit im ei-
gentlichen Wortsinn zum Teil noch erreicht werden könnte,160 ist dies in Bezug
auf normative Tatbestandsmerkmale bereits zweifelhaft. Es handelt sich dabei um
solche Merkmale, die zwingend eine Wertungsentscheidung bedürfen, um zu be-
stimmen, ob die Voraussetzung erfüllt ist oder nicht.161 Allein die Existenz sol-
cher normativer Tatbestandsmerkmale (wie bspw. dem Begriff der „Urkunde“ in
§ 268 StGB) zeigt, dass eine absolute Bestimmtheit nicht erreicht werden kann.
Daraus folgt, dass schon denklogisch an die Gesetzesbestimmtheit nicht höhere
Anforderungen gestellt werden können, als in der Realität überhaupt erfüllt wer-
den können.162
An die Feststellung, dass eine zweifelsfreie Bestimmtheit nicht möglich ist,
schließt sich aber zwangsläufig die Frage an, welcher Grad an Bestimmtheit
denn dann erreicht werden kann und in Anbetracht der Ziele angestrebt werden
sollte. Wie bereits dargelegt,163 ist zwischen Ansätzen zu differenzieren, die
verlangen, die Anforderungen an den Gesetzgeber nicht zu übersteigern und
solchen, die im Hinblick auf die Bedeutung des Bestimmtheitsgrundsatzes eine
größtmögliche Bestimmtheit fordern.164 Zum Teil wird darüber hinaus auch eine
Optimierung von Tatbeständen gefordert, auch wenn sich das unter Strafe
stehende Verhalten bereits zweifelsfrei aus der Norm ergibt (sog. absolute Be-
stimmtheit).165

158 MüKo-StGB/Schmitz, §1 Rn. 44; Schünemann, FS-Klug, S. 169, 177 ff.


159 Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben/Schuster, § 15 StGB, Rn. 18.
160 Es wird allerdings zu Recht darauf hingewiesen, dass auch deskriptive Merkmale

„wertausfüllungsbedürftig“ sind, vgl. NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 34.


161 Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben/Schuster, § 15 Rn. 19; Vogel, ZStW 125

(2016), 139, 143.


162 Lenckner, JuS 1968, 304; woraus sich auch ergibt, dass die Verwendung general-

klauselartiger Regelungen und unbestimmter Rechtsbegriffe nicht per se ausgeschlossen


ist, vgl. Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 103 Abs. 2 Rn. 40; NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1
Rn. 40, danach zeigt sich in generalklauselartigen Regelungen der „Wirklichkeitsbezug
von Strafrecht“; MüKo-StGB/Schmitz, § 1 Rn. 48 verweist auf die begrenzte Regelungs-
fähigkeit von Sprache, verweist aber auch darauf, dass das den Gesetzgeber nicht von
seiner Pflicht entbindet, „bestmögliche Präzision“ zu erreichen, Rn. 48; Schönke/Schrö-
der/Hecker, § 1 Rn. 19, danach dürfen „Bestimmtheitsanforderungen nicht überspannt
werden“.
163 Verweis nach oben zu unterschiedlichen Ansichten „Begriffsbestimmung“ in die-

ser Arbeit Kap. D. VI. 1. a).


164 Vgl. dazu Kap. B. IV. 1. a).
165 Kritisch dazu: Maunz/Dürig/Remmert, Art. 103 Abs. 2 Rn. 95; zur absoluten Be-

stimmtheit vgl. auch NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 41.


92 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

Unter Einbeziehung der besonderen Bedeutung der Rechtssicherheit und dem


damit verbundenen Schutz vor Willkür und dem Schutz der Gewaltenteilung auf
der einen Seite und der begrenzten Möglichkeit von Sprache andererseits ist dem
Erfordernis nach größtmöglicher Bestimmtheit zuzustimmen. Danach sind Tatbe-
stände so zu fassen, dass sie die sprachlichen Möglichkeiten umfassend ausnut-
zen. Ob es darüber hinaus auch im Falle einer zweifelsfreien Regelung Optimie-
rung nach Art. 103 Abs. 2 GG bedarf, steht dahin. Es bleibt unklar, welche Norm
bereits jetzt eine zweifelsfreie Bestimmtheit aufweist und dennoch sprachlich ge-
nauer gefasst werden könnte.166
Für größtmögliche Bestimmtheit auch bei begrenzten sprachlichen Möglich-
keiten spricht, dass es sich bei Art. 103 Abs. 2 GG und dem darin enthaltenen
Bestimmtheitsgrundsatz um einen Grundsatz mit Verfassungsrang handelt. Es ist
erforderlich, dass der Wille des Gesetzgebers im Rahmen des sprachlich Mög-
lichen eindeutig zum Ausdruck kommt. Das erfordert auch eine semantisch mög-
lichst genaue Formulierung, die vor Fehldeutungen weitestgehend geschützt ist.
So kommt unzweifelhaft auch in der Verfasstheit von Öffnungsklauseln der Wille
des Gesetzgebers zum Ausdruck, dass die Judikative in ihrer Rechtsanwendung
auch solche Fälle erfassen soll, die mit den zuvor aufgezählten vergleichbar sind.
Es genügt aber nicht, eine ausreichende Bestimmtheit bereits dann anzuneh-
men, „wenn es [. . .] möglich ist, [die Strafbarkeit] auf einen bestimmbaren Kern
zu reduzieren“.167 Denn eine solche Reduzierung auf den Kern einer Regelung
stellt gerade nicht sicher, dass der Inhalt der Norm umfassend erkennbar ist und
so im Sinne der Rechtssicherheit eine hinreichende Regelung darstellt.168 Denn
dafür muss zwingend auch eine Erkennbarkeit bzgl. der konkret sanktionierten
Verhaltensweisen und nicht nur des Kernbereichs gegeben sein.169 Nur so kann
eine nachvollziehbare Grundlage für die Entscheidungen der Judikative geschaf-
fen werden.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass Art. 103 Abs. 2 GG mit
anderen Rechtssätzen konkurriert und diese den Anforderungen, die an den Be-
stimmtheitsgrundsatz gestellt werden können, ihrerseits Grenzen setzen können.170
Es wird dabei auf die Schutzpflicht des Staates gegenüber den Bürger*innen ver-

166 Kritisch dazu siehe Maunz/Dürig/Remmert, Art. 103 Abs. 2 Rn. 94, so im Ergeb-

nis auch: MüKo-StGB/Schmitz, §1 Rn. 45.


167 So aber Roxin/Greco, Strafrecht AT, S. 257, wonach eine Norm insgesamt nur

dann für nichtig erklärt werden darf, wenn dieser Kern nicht mehr bestimmt werden
kann.
168 Unter Verweis auf die Rechtsprechung auch Mangoldt/Klein/Starck/Nolte/Aust,

Art. 103 Rn. 141.


169 LK-StGB/Dannecker, § 1 Rn. 195 ff.; so auch Loos, in: FS-Remmers, S. 565, 568,

im Hinblick auf die Sanktionierung am Beispiel von § 153a StPO.


170 Maunz/Dürig/Remmert, Art. 103 Abs. 2 Rn. 97.
IV. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Bestimmtheitsgrundsatz 93

wiesen, woraus sich eine Pflicht zur Schaffung wirksamer Strafgesetze ergibt.
Denn nur beim Vorliegen einer wirksamen Möglichkeit zur Verfolgung und Ver-
urteilung von Straftaten kann der Staat dieser Schutzpflicht nachkommen.171
Dazu könnte im Zweifel auch eine offenere Formulierung von Tatbeständen ge-
hören. Die Schutzpflicht überwöge dann erhöhten Anforderungen an die Geset-
zesbestimmtheit. Daher wird zum Teil vertreten, dass eine vermehrte Nutzung
wertausfüllungsbedürftiger Rechtsbegriffe dann erforderlich sei, wenn das Be-
dürfnis materieller Gerechtigkeit das Bedürfnis nach Rechtssicherheit über-
wiegt.172
Dies entspricht aber gerade nicht der Wertung des Verfassungsgebers, die die-
ser mit Art. 103 Abs. 2 GG zum Ausdruck gebracht hat, im Zweifelsfall eine
Entscheidung zugunsten der Rechtssicherheit zu treffen.173 Außerdem hätte dies
zur Folge, dass hinreichend bestimmten Strafgesetzen eine geringere Wirksam-
keit zugesprochen würde bzw., dass die Gefahr bestünde, dass diese aufgrund
ihrer Genauigkeit weniger wirksam wären.
Erforderlich ist aber, dass die Wirksamkeit von Strafgesetzen in beide Richtun-
gen, d. h. mit Blick auf Täter*innen und Opfer gedacht werden muss. Die Wirk-
samkeit von Gesetzen lässt sich gerade nicht nur an erfolgreicher Strafverfolgung
messen, denn dies würde dem Zweck der Generalprävention widersprechen.174
Diese konstatiert nicht nur die Abschreckung von der Begehung von Straftaten
als Ziel. Außerdem misst sie sich auch anhand des Maßes an Rechtsstaatlichkeit.
Die Gesetze sollen gerade auch wirksam vor staatlicher Willkür schützen. Inwie-
weit erhöhte Anforderungen an die Gesetzesbestimmtheit die Strafverfolgung be-
einträchtigen, ist nicht ohne Weiteres ersichtlich. Es dient doch auch gerade die
Gesetzesbestimmtheit dem Schutz der Bürger*innen. Eine Kollision von Geset-
zesbestimmtheit und Schutzpflicht ist so nicht ersichtlich. Insofern können sich
also nicht geringere Anforderungen an die Bestimmtheit ergeben.
Es ist also stets eine sprachliche Bestimmtheit erforderlich aus der sich das
unter Strafe stehende Verhalten als Folge der Entscheidung des Gesetzgebers
möglichst zweifelsfrei ergibt.175 Entscheidend für die Beurteilung ist dabei der

171 BVerfG, Beschl. v. 19.06.1976 – 2 BvR 1060/78 = BVerfGE 51, 324, 343 = NJW

1979, 2349.
172 Lenckner, JuS 1968, 304, 305 f.
173 Roxin/Greco, Strafrecht AT, S. 252; siehe dazu auch Kap. B. IV. 1. b) bb).
174 Vgl. dazu Kap. C. II. 1. b) aa) (1).
175 Schönke/Schröder/Lenckner-Hecker, § 1 Rn. 20; Stächelin, Strafgesetzgebung

und Verfassungsstaat, S. 227; Löwer, JZ 1979, 621, 625 unter Verweis auf: Lenckner,
JuS 1968, 304, 304 ff.; Naucke, Über Generalklauseln und Rechtsanwendung, S. 3 ff.;
kritisch dazu Lemmel, Unbestimmte Strafbarkeitsvoraussetzungen im Besonderen Teil,
S. 104 ff.; Geppert, DAR 2007, 380; so im Ergebnis wohl auch NK-StGB/Hassemer/
Kargl, § 1 Rn. 41.
94 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

Gesetzestext in seiner Gesamtheit und nicht einzelne Begriffe.176 Mögen diese


auch in sich unbestimmt sein, können sie dennoch im Gesamtkontext der Norm
hinreichend bestimmt sein. Die bei Öffnungsklauseln verwendete vorhergehende
Kasuistik kann gerade im Gesamtkontext der Norm eine hinreichende Bestimmt-
heit schaffen. Die Anforderungen an die Bestimmtheit von Strafgesetzen auf-
grund der Schutzpflicht des Staates gegenüber seinen Bürger*innen zurücktreten
zu lassen, kann hingegen nicht überzeugen.
Diese geforderte Präzision darf aber im Gegenzug die Verständlichkeit der Re-
gelung nicht unverhältnismäßig stark belasten.177 Denn es wäre im Hinblick auf
Sinn und Zweck der Regelung des Art. 103 Abs. 2 GG nicht zielführend, wenn
im Ergebnis eine höchstmögliche präzise Regelung geschaffen wurde, die sich
aber nur geschulten Jurist*innen erschließt. Es muss also eine solche Regelung
gefunden werden, die bei höchstmöglicher Präzision in Wortwahl und Umfang
bestmöglich verständlich ist. Ein verbleibender Entscheidungsspielraum der Judi-
kative ist unschädlich, wenn sich die Entscheidung des Gesetzgebers über das als
strafwürdig empfundene Verhalten aus der Norm ergibt. Der Gesetzgeber muss
das für strafbar empfundene Verhalten also möglichst präzise in Worte fassen,
soweit – insbesondere bei verhaltensgebundenen Delikten – eine genaue Be-
schreibung dieses Verhaltens sprachlich möglich ist. Grenzen setzen insoweit die
sprachlichen Möglichkeiten und weniger die Vorstellungskraft des Gesetzgebers
im Zeitpunkt der Gesetzgebung.
So erscheint der Tatbestand des § 221 StGB zwar auf den ersten Blick kom-
plex. Dennoch dürfte er durch die Wortwahl und die enumerative Aufzählung
auch für juristische Laien sprachlich verständlich sein und im Ergebnis den An-
wendungsbereich der Norm genau erkennen lassen. Die sprachlichen Möglich-
keiten sind somit hinreichend genutzt worden.

c) Handhabung des Bestimmtheitsgrundsatzes durch die Gerichte

Sinn und Zweck des Bestimmtheitsgrundsatzes sprechen für eine strengere


Handhabung des Grundsatzes. Ein Blick auf die Rechtsprechung zum Bestimmt-
heitsgrundsatz scheint aber nahezulegen, dass sich die Judikative einer solchen
Auslegung nicht uneingeschränkt anschließt (dazu unter aa)). Das wirft die Frage
auf, wie genau der Bestimmtheitsgrundsatz durch die Judikative angewendet wird

176 Eine starre Regelung anhand einzelner Begriffe, wie sie Schünemann, Nulla

poena sine lege, S. 35 fordert, ist aufgrund der Willkür dieses Kriteriums abzulehnen;
ihm ist aber insoweit zuzustimmen, als dass sich ein unbestimmtes Tatbestandsmerkmal
in einem kurz gefassten Tatbestand, wie etwa „Beleidigung“ bei § 185 StGB, stärker auf
die Verständlichkeit des Gesamttatbestandes auswirkt als ein entsprechend unbestimm-
tes Tatbestandsmerkmal in einer umfassenden Regelung, wie z. B. bei § 113 StGB.
177 Roxin, in: Das Gesetzlichkeitsprinzip im Strafrecht, S. 113.
IV. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Bestimmtheitsgrundsatz 95

und welche Anforderungen sich daraus für den Gesetzgeber ergeben. Die Hand-
habung des Bestimmtheitsgrundsatzes durch die Rechtsprechung könnte Auswir-
kungen darauf haben, welcher Maßstab also schlussendlich bei der Überprüfung
der Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Bestimmtheitsgrundsatz anzu-
legen ist (dazu unter bb)).
Auch wenn das BVerfG hervorhebt, dass es sich um ein „striktes Bestimmt-
heitsgebot“178 handelt, handhabt es den Grundsatz der Gesetzesbestimmtheit
insgesamt sehr frei, was bereits daran zu erkennen ist, dass Normen nur in Aus-
nahmefällen für zu unbestimmt erklärt wurden So wurde in der neueren Recht-
sprechung ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 2 GG durch die Einführung der Ver-
mögensstrafe in § 43a StGB festgestellt. Nach der Rechtsprechung mangelte es
der Norm an dezidierten Orientierungspunkten, wann und in welchem Umfang
die Vermögensstrafe Anwendung finden sollte, sodass sie für zu unbestimmt er-
klärt wurde.179 Das BVerfG postuliert außerdem, dass die Unbestimmtheit nur
für jede Norm konkret beurteilt werden kann und gerade keine abstrakten Regeln
aufgestellt werden können.180
Der Schutzbereich des Bestimmtheitsgrundsatzes erfasst nach Einschätzung
des BVerfG dennoch nicht „sachlich missglückte Strafbestimmungen“, der Ge-
setzgeber muss sich „beim Wort nehmen lassen“. Es ist gerade nicht Aufgabe der
Gerichte, die Entscheidung des Gesetzgebers zu korrigieren. Dies obliegt einzig
und allein dem demokratisch legitimierten Gesetzgeber.181 Der Gesetzgeber
muss dann infolge einer solchen Entscheidung selbst bestimmen, ob er die Norm
entsprechend anpassen will.182 Das bedeutet auch, dass im Zweifel eine Lücke
im Gesetz bestehen bleibt und es der Judikative verwehrt bleibt, diese zu schlie-
ßen. Ein solcher lückenhafte Zustand muss hingenommen werden und die Recht-

178 BVerfG, Beschl. v. 21.09.2016 – 2 BvL 1/15 = BVerfGE 143, 38 = NJW 2016,

3648, 3649; zur Handhabung des Bestimmtheitsgrundsatz durch die Gerichte siehe auch
Gropp, in: Grundrechtspolitik und Rechtswissenschaft, S. 105 ff.
179 BVerfG 20.03.2002 – 2 BvR 794/95 = BVerfGE 105, 135 = NJW 2002, 1179;

2002, 1185; dazu auch Mangoldt/Klein/Starck/Nolte/Aust, Art. 103 Rn. 138 unter Ver-
weis auf Krahl, Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Bestimmt-
heitsgrundsatz im Strafrecht, 108 ff. und der dort besprochenen Entscheidung zur hinrei-
chenden Bestimmtheit der Formulierung „im politischen Leben des Volkes stehende
Person“ in § 187a StGB a. F., siehe dazu auch die Entscheidung: BVerfG, Beschl. v.
30.11.1955 – 1 BvL 120/53 = BVerfGE 4, 358 = NJW 11956, 99.
180 BVerfG, Beschl. v. 15.04.1970 – 3 BvR 396/69 = BVerfGE 28, 175, 183 = NJW

1978, 1423.
181 BVerfG 17.01.1978 – 1 BvL 13/76 = BVerfGE 47, 109, 120, 212 = NJW 1978,

933, 934.
182 BVerfG 17.01.1978 – 1 BvL 13/76 = BVerfGE 47, 109, 120, 212 = NJW 1978,

933 unter Verweis auf BVerfG, Beschl. v. 08.11.1967 – BVerfGE 22, 322, 329 = NJW
1968, 147, 149 und BVerfG, Beschl. v. 23.10.1985 – 1 BvR 1053/82 = BVerfGE 71,
108 = NJW 1986, 1671.
96 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

sprechung darf und soll gerade nicht präventiv tätig werden. Diese Lückenhaftig-
keit wollen Öffnungsklauseln gerade umgehen.183
Wie gleich zu sehen ist, stehen diese Feststellungen des BVerfG aber in Kon-
flikt zur tatsächlichen Handhabung des Bestimmtheitsgrundsatzes durch die Ge-
richte.
aa) Präzisierung durch das BVerfG

Nach der Rechtsprechung des BVerfG184 ist entscheidend dafür, ob eine Norm
bestimmt genug ist, dass „Tragweite und Anwendungsbereich der Straftatbe-
stände zu erkennen sind und sich durch Auslegung ermitteln lassen“.185 Es wird
hervorgehoben, dass „der Gesetzgeber im Bereich der Grundrechtsausübung alle
wesentlichen Entscheidungen selbst treffen“ muss, da die „Strafwürdigkeit [. . .]
im demokratisch-parlamentarischen Willensbildungsprozess zu klären“ ist.186 Es
darf bei der Rechtsanwendung gerade nicht durch eine extensive Wortlautausle-
gung zu einer sogenannten „Verschleifung“ von Tatbestandsmerkmalen kommen.
Denn dort, wo der Gesetzgeber bestimmte Verhaltensweisen als strafwürdig er-
achtet hat, muss sich die Rechtsprechung unterordnen.187 Daraus sei aber nicht
zu schließen, dass der Gesetzgeber seinerseits nur mit eindeutigen und deskripti-
ven Begriffen arbeiten darf.188 Es soll hingegen gerade die Arbeit mit General-
klauseln und auch Blankettgesetzen, also solchen Normen, die auf Rechtsverord-
nungen verweisen, möglich sein.189 Das könnte als Argument dafür sprechen, dass
Öffnungsklauseln mit dem Grundsatz der Gesetzesbindung gerade vereinbar sind.
Es wurde bereits aufgezeigt wurde, dass ein qualitativer Unterschied zwischen
Generalklauseln und Öffnungsklauseln besteht.190 Für eine Vereinbarkeit von

183 Vgl. dazu in dieser Arbeit Kap. D. V.


184 Zur Handhabung des Art. 7 EMRK, der der Regelung in Art. 103 Abs. 2 GG ent-
spricht, siehe Meyer-Ladewig/Nettesheim/Raumer/Meyer-Ladewig/Harrendorf/König,
Art. 7 EMRK; Karpenstein/Mayer/Sinner, Art. 7 EMRK; Safferling, NStZ 2011, 376,
377 m.w. N.
185 BVerfG 17.01.1978 – 1 BvL 13/76 = BVerfGE 47, 109, 120, 212 = NJW 1978,

933, 934.
186 BVerfG 23.06.2010 – 2 BvR 2559/08 = BVerfGE 126, 170, 198 f. = NJW 2010,

3209, 3210 unter Verweis auf BVerfG, Beschl. v. 06.05.1987 – 2 BvL 11/85 = BVerfGE
75, 329, 342 = NJW 1987, 3175.
187 BVerfG 10.01.1995 – 1 BvR 718, 719, 722, 723/89 = BVerfGE 92, 1, 16 f. =

NJW 1995, 1141; BVerfG 23.06.2010 – 2 BvR 2559/08 = BVerfGE 126, 170, 198 f. =
NJW 2010, 3209.
188 BVerfG 15.03.1978 – 2 BvR 927/76 = BVerfGE 48, 48 = NJW 1978, 1423.
189 BVerfG 10.01.1995 – 1 BvR 718, 719, 722, 723/89 = BVerfGE 92, 1, 12 = NJW

1995, 1141; BVerfG 10.06.1997 – 2 BvR 1516/96 = BVerfGE 96, 68 = NJW 1998, 50;
BVerfG, Beschl. v. 06.05.1987 – 2 BvL 11/85 = BVerfGE 75, 329, 342 = NJW 1987,
3175.
190 Diese Unterscheidung wird zu einem späteren Punkt noch einmal aufgegriffen,

vgl. dazu Kap. D. VIII. 2. d).


IV. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Bestimmtheitsgrundsatz 97

Öffnungsklauseln mit dem Bestimmtheitsgrundsatz nach den Maßstäben des


Bundesverfassungsgerichts spricht auch, dass das BVerfG seinerseits den Begriff
der Erkennbarkeit sehr weit definiert und im Ergebnis so gut wie nie Normen für
zu unbestimmt erklärt.
Als Begründung für eine solche weite Handhabung des Bestimmtheitsgrund-
satzes führt das Gericht fast floskelhaft in den Entscheidungen aus, dass „das
Gebot der Bestimmtheit [. . .] nicht übersteigert werden [darf]; die Gesetze wür-
den sonst zu starr und kasuistisch und könnten der Vielgestaltigkeit des Lebens,
dem Wandel der Verhältnisse oder der Besonderheit des Einzelfalles nicht mehr
gerecht werden“.191 Die Erweiterung des Tatbestandes auf nicht explizit geregelte
Fälle durchbricht diese Kasuistik. Auf diese Weise sollen die Gesetze gerade auf
Dauer angelegt sein und sich auch an wandelnde Lebensverhältnisse anpassen
können. An das Gebot der Gesetzesbestimmtheit dürfen keine erhöhten Anforde-
rungen gestellt werden und die Verwendung von Generalklauseln ist nicht per se
ausgeschlossen.192 Es genügt, wenn der Bedeutungsgehalt durch Auslegung an-
hand der gängigen Methoden ermittelt werden kann und sich dieser insbesondere
aus dem Normzusammenhang ergibt.193 Ob sich das Verbot eines bestimmten
Verhaltens aus der Norm direkt ergibt, macht das BVerfG auch vom Verständnis-
horizont des generellen Adressaten der Norm abhängig.194 Richtet sich die Norm
folglich nur an eine spezifische Personengruppe, ist auch nur deren Verständnis-
horizont entscheidend.195
Damit bedienen sich das BVerfG und der BGH eines weniger strengen Be-
stimmtheitsbegriffs196 und räumen der Judikative einen weiten Handlungsspiel-
raum ein, der es erlaubt, unbestimmte Tatbestände weiter zu präzisieren. Diese
Möglichkeit der Präzisierung kumuliert bei Öffnungsklauseln mit der gesetzlich
angeordneten Befugnis, die Norm auch auf vergleichbare Fälle anzuwenden. Auf
diese Weise kommt es zu einer durch den Gesetzgeber angeordneten Aufgaben-
verlagerung. Durch die Möglichkeit der Präzisierung wird im Umkehrschluss
aber auch dem Gesetzgeber eine großzügige Handhabung des Bestimmtheits-
grundsatzes zugestanden, da dieser eine Verwerfung der Norm aufgrund eines

191 BVerfG, Beschl. v. 21.09.2016 – 2 BvL 1/15 = BVerfGE 143, 38 = NJW 2016,

3648, 349; BVerfG 21.06.1977 – 2 BvR 308/77 = BVerfGE 43, 363 = NJW 1977, 1815;
BVerfG, Beschl. v. 15.04.1970 – 3 BvR 396/69 = BVerfGE 28, 175, 183; BVerfG 17.01.
1978 – 1 BvL 13/76 = BVerfGE 47, 109, 120, 212 = NJW 1978, 933; BVerfG
23.06.2010 – 2 BvR 2559/08 = BVerfGE 126, 170, 195 f. = NJW 2010, 3209; BVerfG
20.06.2012 – 2 BvR 1048/11 = BVerfGE 131, 268, 307 = NJW 2012, 3357.
192 BVerfG 30.11.1955 – 1BvO 2/52= BVerfGE 4, 358 = NJW 1956, 97, BVerfG

22.03.1960 – 2 BvR 125/60 = BVerfGE 11, 234, 237; BVerfG 14.05.1969 – 2 BvR
238/68 = BVerfGE 26, 41, 42 = NJW 1969, 1759.
193 NJW 1977, 1815.
194 BVerfG 15.03.1978 – 2 BvR 927/76 = BVerfGE 48, 48 = NJW 1978, 1423.
195 BVerfG 15.03.1978 – 2 BvR 927/76 = BVerfGE 48, 48 = NJW 1978, 1423.
196 Krahl, Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, S. 277.
98 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

Verstoßes gegen Art. 103 Abs. 2 GG nur in absoluten Ausnahmefällen zu be-


fürchten hat.
Wie bereits erläutert befindet sich der Gesetzgeber in einem ständigen Span-
nungsfeld, zum einen den Anforderungen des Art. 103 Abs. 2 GG gerecht zu
werden, zum anderen aber Regelungen zu schaffen, die es ermöglichen, bei der
Anwendung der Norm auf einen konkreten Lebenssachverhalt die im Einzelfall
gebotene Lösung zu finden, ohne dass sich die Judikative bei der Anwendung
der Norm selbst eines Verstoßes gegen das Gesetzlichkeitsprinzip schuldig
macht. Die Ausführungen des BVerfG legen zumindest die Vermutung nahe, dass
im Konfliktfall der Flexibilität einer Regelung gegenüber einer zu strengen
Handhabung des Bestimmtheitsgrundsatzes Vorzug gewährt werden soll, was
wiederum für die Anwendung von Öffnungsklauseln sprechen könnte. Im Zuge
dessen darf der Gesetzgeber eine abstrakte Regelung mit unbestimmten Rechts-
begriffen schaffen, um dem übergeordneten Ziel der „Vielgestaltigkeit des Le-
bens Rechnung zu tragen“197 gerecht zu werden. Dieser Ausgleich der wider-
streitenden Interessen könnte durch Öffnungsklauseln gerade realisiert werden.
Um Normen, deren Gesetzesbestimmtheit in Frage steht, eine ausreichende Be-
stimmtheit zu attestieren, hat das BVerfG Strategien entwickelt, die trotz eines
tendenziell zu unbestimmten Wortlautes, zu einer Vereinbarkeit mit Art. 103
Abs. 2 GG führen sollen.

(1) Gefestigte Rechtsprechung


Die Judikative sieht sich selbst in der Pflicht, für eine hinreichende Bestimmt-
heit von Normen zu sorgen. Denn das BVerfG geht auch dann von einer ausrei-
chend bestimmten Norm aus, wenn zu ihrer Präzisierung auf eine gefestigte
Rechtsprechung zurückgegriffen werden kann.198 Dies bezieht sich auf solche
Gesetze, die bereits seit längerer Zeit existieren und für die bereits eine hinrei-
chend gefestigte Rechtsprechung vorliegt.199 Diese Präzision anhand der Recht-
sprechung gilt insbesondere bei wertausfüllungsbedürftigen Rechtsbegriffen und
Generalklauseln,200 was, trotz der Unterschiede, auch für eine Geltung bei der
Anwendung von Öffnungsklauseln spricht. Voraussetzung ist, dass die gefestigte
Rechtsprechung eine ausreichende Grundlage dafür schafft, dass für die Einzel-
nen erkennbar wird, welche Verhaltensweisen unter Strafe gestellt sind.201 Bei-

197 BVerfG, Beschl. v. 21.09.2016 – 2 BvL 1/15 = BVerfGE 143, 38 = NJW 2016,

3648, 3649.
198 BVerfG 10.06.1997 – 2 BvR 1516/96 = BVerfGE 96, 68 = NJW 1998, 50, 56;

BVerfG 21.06.1977 – 2 BvR 308/77 = BVerfGE 43, 363 = NJW 1977, 1815; anders
wohl BVerfG, Beschl. v. 08.11.1967 – BVerfGE 22, 322 = NJW 1968, 147; befürwor-
tend: Mangoldt/Klein/Starck/Nolte/Aust, Art. 103 Rn. 139a.
199 Basak, in: Strafrecht und Verfassung, S. 71, 79.
200 BVerfG 10.06.1997 – 2 BvR 1516/96 = BVerfGE 96, 68 = NJW 1998, 50, 56.
201 BVerfG 21.06.1977 – 2 BvR 308/77 = BVerfGE 43, 363 = NJW 1977, 1815.
IV. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Bestimmtheitsgrundsatz 99

spiel für eine Konkretisierung unbestimmter Rechtsbegriffe durch eine gefestigte


Rechtsprechung ist § 240 StGB.202 Durch den Wortlaut der Norm wird indiziert,
dass eine gesonderte Prüfung der Rechtswidrigkeit erfolgen soll. Wann aber die
in § 240 StGB explizit genannte Rechtswidrigkeit genau vorliegt, hat der Gesetz-
geber nicht geregelt. Folglich sah sich die Judikative in der Position, eigene An-
haltspunkte zu entwickeln, anhand derer die Rechtswidrigkeit beurteilt werden
kann.203
Wann eine solche hinreichend gefestigte Rechtsprechung vorliegt, wird aller-
dings offengelassen. Weiterhin trifft das BVerfG auch keine Aussage darüber,
wie die Norm zu behandeln ist, bevor eine solche gefestigte Rechtsprechung vor-
liegt. Indem die Judikative auf diese Art unbestimmte Normen aufrechterhält,
sprechen sich die Gerichte selbst die Kompetenz zu, eigentlich unbestimmte
Strafgesetze durch Fallgruppenbildung zu heilen.

(2) Präzisierungsgebot

Eine weitere Kompetenz zur Konkretisierung eigentlich unbestimmter Normen


wurde durch die Neujustierung des Bestimmtheitsgrundsatz im Rahmen der Ent-
scheidung vom 23. Juni 2010 geschaffen. Das Bundesverfassungsgericht bestä-
tigte abermals, dass auch die Verwendung generalklauselartiger Regelungen nicht
unweigerlich zu einem Verstoß gegen Art. 103 Abs. 2 GG führt.204 Danach dürfen
die Gerichte dennoch nicht dazu beitragen, dass durch eine großzügige Aus-
legung weit gefasster Tatbestandsmerkmale die Unsicherheit darüber, was unter
eine Norm subsumiert werden kann, weiter verstärkt wird. Was als Aufforderung
zu einer restriktiven Auslegung verstanden werden kann, die sowohl bei General-
klauseln als auch bei der Anwendung von Öffnungsklauseln möglich sein dürfte.
Im Umkehrschluss räumt das BVerfG der Judikative nicht nur die Möglichkeit
der Präzisierung unbestimmter Normen ein, sondern legt ihnen in den letzten
Jahren darüber hinaus auch das Gebot der Präzisierung solcher Regelungen
auf.205 Obwohl die Präzisierung der Strafgesetze nach dem Wortlaut des Art. 103
Abs. 2 GG dem Gesetzgeber obliegt, denn dieser ist Adressat eines „Präzisions-
gebotes“.206

202 Tröndle, FS-Lackner, S. 627, 629.


203 BGH, Beschl. v. 18.03.1952 – GSSt 2/51 = BGHSt 2, 194, unter Verweis auf
BVerfG 15.03.1978 – 2 BvR 927/76 = BVerfGE 48, 48 = NJW 1978, 1423; BVerfG
10.01.1995 – 1 BvR 718, 719, 722, 723/89 = BVerfGE 92, 1, 12 = NJW 1995, 1141;
BVerfG, Beschl. v. 06.05.1987 – 2 BvL 11/85 = BVerfGE 75, 329, 342 = NJW 1987, 317.
204 BVerfG 23.06.2010 – 2 BvR 2559/08 = BVerfGE 126, 170, 195 f. = NJW 2010,

3209; Basak, in: Strafrecht und Verfassung, S. 71, 77; zur Besprechung s. außerdem
Schulz, in: FS-Roxin, S. 306; Becker, HRRS 2010, 383.
205 Schulz sieht darin eine Fortentwicklung des Analogieverbotes, vgl. Schulz, in: FS-

Roxin, S. 306, 321.


206 Kuhlen, in: Das Gesetzlichkeitsprinzip im Strafrecht, S. 45, 54.
100 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

Die Präzisierung durch die Rechtsprechung soll sich insbesondere auf solche
generalklauselartigen Tatbestände beziehen, bei denen nicht bereits eine gefes-
tigte Rechtsprechung besteht. Denn nur so kann eine ausreichende Grundlage
dafür geschaffen werden, dass das Risiko der Bestrafung erkennbar ist. Ein sol-
ches „Präzisierungsgebot“ soll sich aus Art. 103 Abs. 2 GG herleiten. Dies be-
deutet, dass die Gerichte durch das Herausbilden einer gefestigten Rechtspre-
chung nicht nur zur Bestimmtheit von Normen beitragen können, sondern gerade
die Pflicht haben, bisher noch unbestimmte Normen durch eine entsprechende
Rechtsanwendung hinsichtlich ihres Anwendungsbereiches zu konkretisieren.207
Die Prüfungskompetenz des BVerfG erweitert sich infolgedessen auch und be-
zieht sich nun darauf, ob
„die Gerichte bei Anwendung und Auslegung der Strafnorm bei den bislang ent-
wickelten, die Norm konkretisierenden Obersätzen geblieben sind, und gegebenen-
falls darauf, ob sie diese im Rahmen der Strafnorm folgerichtig weiterentwickelt und
ob sie sie der Würdigung des konkreten Falls zu Grunde gelegt haben“.208
Es ist zumindest erforderlich, dass sich die Gerichte bei der Gesetzesauslegung
am Willen des Gesetzgebers orientieren.209 Es findet also auch auf diesem Wege
eine Erweiterung der Kompetenz der Judikative statt, indem nun vorher un-
bestimmte Normen durch eine Präzisierung den Anforderungen des Art. 103
Abs. 2 GG gerecht werden können.

(3) Anforderungen abhängig von Schwere des Eingriffs

Eine weitere Methode, anhand derer das BVerfG den Bestimmtheitsgrundsatz


relativiert, ist, dass sie die Anforderungen, die an die Gesetzesbestimmtheit
gestellt werden, von der Schwere des Eingriffs in die Rechte der Täter*innen
abhängig macht.210 Das bedeutet konkret, dass an solche Strafgesetze, die eine
geringe Strafandrohung vorsehen – im Gegensatz zu solchen Strafgesetzen mit
einem vergleichsweise hohem Strafrahmen – auch geringere Anforderungen an
die Bestimmtheit der Gesetze gestellt werden. Es wird folglich eine Verhältnis-
mäßigkeit211 in Bezug auf die Normen und das Strafmaß hergestellt: Eingriffs-
intensivere Normen bedürfen einer genaueren Formulierung als verhältnismäßig

207 BVerfG 23.06.2010 – 2 BvR 2559/08 = BVerfGE 126, 170, 195 f. = NJW 2010,
3209.
208 BVerfG 23.06.2010 – 2 BvR 2559/08 = BVerfGE 126, 170, 198 f. = NJW 2010,

3209, 3212.
209 Ebd.
210 BVerfG, Beschl. v. 21.09.2016 – 2 BvL 1/15 = BVerfGE 143, 38 = NJW 2016,

3648, 349; BVerfGE 25.07.1962 – 2 BvL 4/62 = BVerfGE 14, 245, 250 = NJW 1962,
1563; BVerfG, Beschl. v. 06.05.1987 – 2 BvL 11/85 = BVerfGE 75, 329, 342 = NJW
1987, 3175.
211 So auch Schulz, in: FS-Roxin, S. 306, 309.
IV. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Bestimmtheitsgrundsatz 101

weniger eingriffsintensive Normen. Dabei wird aber offengelassen, welche (ge-


setzliche) Grundlage die Relativierung des Bestimmtheitsgrundsatzes hat und
warum es zu einer solchen Differenzierung kommt.212
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das BVerfG keine überhöhten Anfor-
derungen an den Bestimmtheitsgrundsatz stellt. Bei bestehenden Zweifeln über
die ausreichende Bestimmtheit einer Norm kommt es zunächst darauf an, ob
bereits eine gefestigte Rechtsprechung besteht oder die Norm durch eine fort-
laufende Rechtsprechung hinreichende Bestimmtheit erlangen kann. Welche An-
forderungen an die Bestimmtheit gestellt werden, hängt darüber hinaus vom
Strafrahmen der Norm ab. Verwerfungen von Normen sind daher nicht zu erwar-
ten, genau so wenig wie Vorgaben an den Gesetzgeber, welche Voraussetzungen
eine Norm für eine ausreichende Gesetzesbestimmtheit erfüllen muss.213 Daraus
kann für Öffnungsklauseln geschlossen werden, dass sich auch hier die hinrei-
chende Bestimmtheit aus einer gefestigten Rechtsprechung ergeben kann (vgl.
§ 315b StGB) oder durch die Präzisierung der Gerichte entwickelt werden kann
(§ 238 StGB). Ein pauschaler Verstoß von Öffnungsklauseln gegen den Grund-
satz der Gesetzesbestimmtheit ließe sich ausgehend von dieser Rechtsprechungs-
linie wohl nicht feststellen.

bb) Kritische Würdigung

Diese gelockerte Handhabung des Bestimmtheitsgrundsatzes wird aber nicht


kritiklos hingenommen.214 Die umstrittene Position des BVerfG kann somit auch
nicht ohne Weiteres als allgemeingültige Auslegung des Begriffs der Gesetzesbe-
stimmtheit und auch nicht uneingeschränkt zur Überprüfung der Vereinbarkeit
von Öffnungsklauseln mit dem Bestimmtheitsgrundsatz herangezogen werden.

(1) Abhängigkeit von Schwere der Straftat

Dass die Anforderungen an den Bestimmtheitsgrundsatz von der Schwere der


Straftat abhängig gemacht werden, hat eine Relativierung des Grundsatzes zur

212 Kritisch siehe dazu Krahl, Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts,

S. 116.
213 Basak, in: Strafrecht und Verfassung, S. 71, 81.
214 Krahl, Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, S. 116; Basak, Straf-

recht und Verfassung, 71; Matt/Renzikowski/Basak, § 1 Rn. 15; Roxin, in: Das Gesetz-
lichkeitsprinzip im Strafrecht, S. 113; differenziert aber auch Roxin/Greco, Strafrecht
AT, S. 262; MüKo-StGB/Schmitz, § 1 Rn. 58 f., der auf die fehlende Erkennbarkeit von
Strafbarkeit der Bürger*innen rekurriert; Schmitz, in: FS-Schünemann, S. 236; Schüne-
mann, Nulla poena sine lege?, S. 32 ff., der dies insbesondere mit einer Schutzzweck-
verletzung begründet; zustimmend zur Rechtsprechung vgl. insbesondere v. Münch/Ku-
nig/Kunig/Saliger, Art. 103 Rn. 50, wonach die Rechtsprechung einen Interessenaus-
gleich findet; befürwortend ebenfalls: Kuhlen, in: FS-Otto, S. 100 ff.
102 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

Folge.215 Diese Beschränkung bedeutet, dass die Entscheidung des verfassungs-


gebenden Gesetzgebers, die zugunsten der Rechtssicherheit getroffen wurde, ins-
besondere bei verhältnismäßig weniger eingriffsintensiven Maßnahmen zumin-
dest teilweise preisgegeben wird.
Diese Abhängigkeit von der Schwere der Strafe ist der Sache nach an den
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit angelehnt. Dessen Ansatz lässt sich allerdings
nicht ohne Weiteres auf den Grundsatz der Gesetzesbestimmtheit anwenden, da
es sich um eine völlig andere Ausgangssituation handelt: Die Verhältnismäßig-
keit soll beim grundsätzlichen Vorliegen von normierten Eingriffsvorausset-
zungen die Betroffenen vor unbilliger Härte der damit ausgelösten Rechtsfolge
schützen. Bei Art. 103 Abs. 2 GG fehlt es bereits an einer solchen Eingriffsvor-
aussetzungen, diese sollen zunächst geschaffen werden.216 Des weiteren soll der
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gerade zu Gunsten der Betroffenen wirken. Eine
geringere Bestimmtheit wirkt sich aber immer nur zulasten desjenigen aus, der
anhand dieser Norm sanktioniert werden soll. Weshalb also der Grundgedanke
dieses Ansatzes teilweise herangezogen wird, erschließt sich nicht.
Dieser Grundsatz führt konsequenterweise dazu, dass bei vergleichsweise ge-
ringerem verwirklichtem Unrecht ebenfalls geringere Anforderungen an die Ge-
nauigkeit der strafrechtlichen Bestimmung gestellt werden.217 Warum aber eine
geringere Sanktion unter offen formulierten Voraussetzungen möglich sein soll,
ist weder anhand des Wortlautes218 noch anhand von Sinn und Zweck des Be-
stimmtheitsgrundsatzes nachvollziehbar. Denn auch in Fällen geringerer Strafen
liegt immer ein Eingriff in die Freiheit des Einzelnen vor.219 Außerdem besteht
bei geringerem Unrecht in der Regel ein geringeres Bedürfnis nach Sanktionen,
welches sich gerade im niedrigeren Strafmaß widerspiegelt. Warum in solchen
Fällen dann die Anforderungen an das Verhängen einer solchen Strafe gemindert
werden sollen und infolgedessen der Anwendungsbereich der Norm erheblich er-
weitert wird, bleibt unklar.220 Durch ein erhöhtes Sanktionsbedürfnis kann diese
Erweiterung nicht ersichtlich gerechtfertigt werden, denn es besteht gerade kein
Bedürfnis nach umfassender Sanktionierung.

215 LK-StGB/Dannecker, § 1, Rn. 186; Schroeder, JZ 1969, 775, 778; kritisch eben-

falls: Maunz/Dürig/Remmert, Art. 103 Abs. 2 Rn. 108; dennoch zustimmend Jarass/
Pieroth/Kment/Kment, Art. 103 Rn. 75 und Sachs/Degenhart, Art. 103 Rn. 64;
v. Münch/Kunig/Kunig/Saliger, Art. 103 Rn. 46; NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 41;
kritisch auch: Kirsch, Zur Geltung des Gesetzlichkeitsprinzips im Allgemeinen Teil des
Strafgesetzbuchs, S. 129; Köhler, Strafrecht AT, S. 89; Schünemann, Nulla poena sine
lege?, S. 32 ff.
216 Krahl, Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, S. 318.
217 Krahl, Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, S. 317 f.
218 Roxin, in: Das Gesetzlichkeitsprinzip im Strafrecht, S. 113, 134.
219 Krahl, Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, S. 317.
220 So im Ergebnis auch Krahl, Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts,

S. 317 f.
IV. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Bestimmtheitsgrundsatz 103

Deswegen sprechen überzeugendere Argumente dafür, dass der Gesetzgeber


auch bei Normen mit geringerer Strafandrohung nach der größtmöglichen Präzi-
sion streben sollte.221 Die Auslegung des BVerfG kann nicht mit dem absoluten
Charakter des Art. 103 Abs. 2 GG in Einklang gebracht werden, der sich aus der
herausragenden Bedeutung der Norm ergibt und daraus, dass keine ausdrückli-
chen Einschränkungsmöglichkeiten in Form von Schranken vorgesehen sind.222
Eine solche relativierende Handhabung des Bestimmtheitsgrundsatzes gibt den
mit Art. 103 Abs. 2 GG verbürgten Bestimmtheitsgrundsatz de facto Preis, um
die größtmöglicher Praktikabilität von Normen zu erreichen.223

(2) Präzisierung durch die Gerichte

Aber auch gegen die Möglichkeit der Konkretisierung unbestimmter Normen


durch die Gerichte wird Widerspruch erhoben, da es sich auch dabei um eine
„einschneidende Relativierung“ des Grundsatzes handelt.224 Denn die Möglich-
keit unbestimmte Normen anhand der Rechtsprechung zu konkretisieren, bedeu-
tet, dass eine anfangs zu unbestimmte Norm in ihrem Verstoß gegen Art. 103
Abs. 2 GG geheilt werden könnte.225 Es findet folglich eine Fortentwicklung von
zu unbestimmten Normen statt, die über die Anwendung im Einzelfall hinaus-
geht.226 Die Gerichte übernehmen auf diesem Wege über die Entscheidung im
Einzelfall hinaus die Aufgabe, allgemeine Grundsätze für die Anwendung der in
Frage stehenden Norm aufzustellen. Auch wenn die Gerichte in ihrer Anwendung
der Normen auf den Einzelfall immer konkretisierend tätig werden, besteht bei
diesem Ansatz der qualitative Unterschied darin, dass in Fällen zuvor unbe-
stimmter Strafgesetze durch die Präzisierung die Verfassungsgemäßheit herge-

221 LK-StGB/Dannecker, § 1 Rn. 186.


222 LK-StGB/Dannecker, § 1 Rn. 204, 52.
223 So auch bereits Krahl, Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts,

S. 373.
224 LK-StGB/Dannecker, § 1 Rn. 189; befürwortend unter Verweis darauf, dass Ge-

setzgeber schon sprachlich keine abschließende und eindeutige Regelung schaffen kann,
vgl. AnwKomm-StGB/Gaede, § 1 Rn. 25; ders., Der Steuerbetrug, S. 448 ff., verweist
dabei insbesondere auf die Belastung der Normadressat*innen; der Gesetzgeber muss
sich immer für die konkretere Fassung des Wortlautes entscheiden, wenn diese möglich
ist, vgl. NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 41; so im Ergebnis auch Naucke, Über Ge-
neralklauseln und Rechtsanwendung im Strafrecht, S. 21 f.; differenziert: Roxin/Greco,
Strafrecht AT, S. 262, grundsätzlich das Präzisierungsgebot befürwortend, aber ein-
schränkend dahingehend, dass der Gesetzgeber seine Pflicht, abstrakt-generelle Rege-
lungen zu schaffen, nicht auf die Judikative übertragen darf; ebenso SSW-StGB/Satz-
ger, § 1 Rn. 23, der aber auch die untergeordnete Rolle der Präzisierung durch die
Gerichte verweist und die Präzision primär als Aufgabe der Legislative betrachtet.
225 Kempf/Schilling, NJW 2012, 1849, 1852.
226 Safferling, NStZ 2011, 376.
104 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

stellt werden soll. Daraus folgt, dass sich die Verfassungsgemäßheit einer Norm
erst aus der Konkretisierung durch die Gerichte ergibt.227
Darüber hinaus bleibt bei der Rechtsprechung des BVerfG offen, wann eine
hinreichend gefestigte Rechtsprechung angenommen wird und wie die Normen
zu behandeln sind, bevor eine solche Rechtsprechung entwickelt wurde. Ebenso
bleibt unklar, wann eine nach der Rechtsprechung unzulässige Nachbesserung
einer Norm vorliegt,228 und wann Strafrichter*innen Normen zulässig präzisie-
ren. Es wird zu Recht darauf hingewiesen, dass bis zum Bestehen einer solchen
gefestigten Rechtsprechung Straftäter*innen für Handlungen sanktioniert werden,
deren Strafwürdigkeit unter Umständen nicht ersichtlich war.229 Dies läuft dem
Ziel zuwider, dass sich das strafbare Verhalten gerade aus der Norm selbst erge-
ben muss.230 Wenn dafür eine Konkretisierung durch die Gerichte erforderlich
ist, widerspricht dies dem Verständnis des Art. 103 Abs. 2 GG. Eine solche Ent-
scheidung zugunsten der materialen Gerechtigkeit bedeutet, dass ein Verlust von
Gerechtigkeit in Bezug auf die Rechtssicherheit hingenommen werden muss.231
Zu beachten ist außerdem, dass Art. 103 Abs. 2 GG einer solchen Konkretisie-
rung durch die Gerichte seinerseits Grenzen setzt, da dieser auch Handlungs-
anweisungen an die Judikative enthält. Denn die Gerichte sind gerade an den
Wortlaut der Norm gebunden und dürfen grundsätzlich keine richterliche Rechts-
fortbildung betreiben. Es scheint also auch im Hinblick auf den Grundsatz der
Gesetzesbindung problematisch, den Gerichten eine solche Kompetenz zuzuspre-
chen. Durch die Entwicklung des Präzisierungsgebotes hält sich die Judikative
selbst die Möglichkeit zur richterlichen Rechtsfortbildung und Lückenschließung
offen.232 Sie übernimmt damit erkennbar eine Rolle der Legislative, was wie-
derum eine Unvereinbarkeit mit dem Grundsatz der Gewaltenteilung bedeuten
kann. Auch der Wortlaut des Art. 103 Abs. 2 GG fordert gerade, dass die Norm
als solche hinreichend bestimmt sein soll und diese Bestimmtheit nicht erst durch
eine Präzisierung eintreten darf.233 Eine Präzisierung durch die Gerichte nach der

227 Kuhlen, Die verfassungskonforme Auslegung von Strafgesetzen, S. 98; woraus

sich gleichwohl die Forderung an die Legislative ergeben kann, den Gesetzestext der
konkretisierten Norm entsprechend anzupassen, vgl. NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1
Rn. 28; ebenso: Hirsch, in: FS-Puppe, S. 122, in Bezug auf „gesetzestechnische [. . .]
Fehler“.
228 BVerfG 20.03.2002 – 2 BvR 794/95 = BVerfGE 105, 135 = NJW 2002, 1779,

1780.
229 MüKo-StGB/Schmitz, §1 Rn. 53.
230 LK-StGB/Dannecker, § 1 Rn. 201.
231 So auch Krahl, Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, S. 288.
232 Kempf/Schilling, NJW 2012, 1849, 1850.
233 Kempf/Schilling, NJW 2012, 1849, 1852; Maunz/Dürig/Remmert, Art. 103 Abs. 2

Rn. 96 m.w. N.; kritisch zu dieser „Heilungsmöglichkeit“ auch: SSW-StGB/Satzger, § 1


Rn. 23; MüKo-StGB/Schmitz, § 1 Rn. 58, aber befürwortend dahingehend, dass das Ge-
richt die Bestimmtheit anhand der konkreten Tatbestände bewertet.
IV. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Bestimmtheitsgrundsatz 105

Tat wird der Anforderung, dass die Strafbarkeit einer Verhaltensweise gerade vor
der Tat gesetzlich bestimmt sein muss, nicht mehr gerecht.234 Insbesondere im
Hinblick auf den dargestellten Sinn und Zweck des Bestimmtheitsgrundsatzes,
die Gewaltenteilung zu sichern, führt eine solche Interpretation des Bestimmt-
heitsgrundsatzes aber zu kontroversen Ergebnissen: Gerade die Kontrollfunktion,
die die Gewalten gegenseitig wahrnehmen, wird unterlaufen. Diese Kontroverse
scheint sich dann bei Öffnungsklauseln zu verstärken, indem diese gerade die
Aufgabe vergleichbare Fälle zu erfassen ausdrücklich auf die Judikative ver-
lagern.
Des weiteren wird darauf hingewiesen, dass eine Rechtsprechungslinie unpro-
blematisch jederzeit geändert werden kann und aufgrund dessen keine Garantie
für Rechtssicherheit bietet, was im Ergebnis zu einer erhöhten Rechtsunsicher-
heit führt.235 Zumindest dort, wo noch keine gefestigte Rechtsprechung existiert,
sollte diese Umgehung des Bestimmtheitsgrundsatzes nicht auch noch durch ein
Präzisierungsgebot für zukünftige, noch unbestimmte Normen gefördert werden.
Den Gerichten kommt durch ein solches „Präzisierungsgebot“ die Aufgabe ei-
nes „Ergänzungs-Gesetzgebers“ zu, wenn sie den Gesetzen den Grad an Be-
stimmtheit zukommen lassen, den sie von vornherein hätten haben müssen.236
Das Ergebnis eines solchen Präzisierungsgebotes ist ein „arbeitsteiliges Zusam-
menwirken“, in dem die Gerichte die originäre Aufgabe der Legislative wahr-
nehmen.237 Auf diese Weise kann die mit dem Grundsatz der Gewaltenteilung
verfolgte Kontrollfunktion der Gewalten untereinander wohl nur noch bedingt
Wirksamkeit entfalten. Dies widerspricht auch dem Verständnis, dass der primäre
Adressat des Bestimmtheitsgrundsatzes gerade nicht die Judikative, sondern die
Legislative ist.238 Damit unterläuft eine solche Auslegung die Bestimmung, dass
gerade der demokratisch legitimierte Gesetzgeber festlegen muss, welche Verhal-
tensweisen als strafbar erachtet werden.239 Beim Ausnutzen des Auslegungsspiel-
raums, der den Gerichten verbleibt, sollte es sich um eine Ausnahme handeln.240
Diese sollte gerade nicht durch einen Auftrag an den Rechtsanwender zur Regel

234 Calliess, NStZ 1987, 209, 211; Krüger, NStZ 2011, 369, 371.
235 Krahl, Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, S. 133; Böse, JURA
2011, 617, 620 f.; zwar wird im Zuge dessen eine Anwendung des Rückwirkungsverbo-
tes auf die Änderung einer bestehenden Rechtsprechungsänderung diskutiert, vgl. dazu
auch Kap. C. VI. 3. c), im Ergebnis wird dies von der Rechtsprechung aber nicht abge-
wendet, sodass sich aus dem status quo keine erhöhte Rechtssicherheit ergibt, vgl. dazu
die Rechtsprechung zur Herabsetzung der Werte der absoluten Fahruntüchtigkeit, BGH,
Beschl. v. 09.12.1966 – 4 StR 119/66 = BGHSt 21, 157, 159 und BGH, Beschl. v.
19.08. 1971 – 4 StR 574/70 = BGHSt 24, 200 ff. = NJW 1971. 1997.
236 MüKo-StGB/Schmitz, §1, Rn. 53; Becker, HRRS 2010, 383, 386.
237 Becker, HRRS 2010, 383, 386.
238 Basak, Strafrecht und Verfassung, S. 71, 79.
239 Amelung, NJW 1995, 2584, 2587.
240 Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 103 Abs. 2 Rn. 40.
106 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

werden. Richter*innen wird ansonsten die Möglichkeit eröffnet, über Strafwür-


digkeit nach ihrem eigenen Rechtsgefühl und mit einem großen Gestaltungsspiel-
raum zu entscheiden.241 Dies reduziert die Bindung an den Bestimmtheitsgrund-
satz. Die Richter*innen werden zu demokratisch nicht legitimierten Gesetzge-
bern, indem sie die Anwendungsbereiche von Normen jetzt und für die Zukunft
festlegen und damit zugleich abstrakt-generell Fälle regeln. Dies führt zu einer
Verschmelzung der Kompetenzbereiche der Gewalten.
Für die Bürger*innen kann daraus eine erhöhte Rechtsunsicherheit resultieren,
ergibt sich doch die Strafbarkeit bestimmter Verhaltensweisen erst nach einer
Durchsicht der (höchstrichterlichen) Rechtsprechung. Außerdem kann die Kennt-
nis der entsprechenden höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht erwartet wer-
den, wenn es bereits abwegig erscheint, dass die Bürger*innen die einschlägigen
Strafgesetze kennen. Dass die Gesetzesbestimmtheit in Hinblick auf ihre Ent-
stehungsgeschichte so verstanden werden soll, erscheint zweifelhaft.
An diesem Zustand ändert sich auch dadurch nichts, dass das BVerfG dem
Präzisierungsgebot mit einer erhöhten Kontrolldichte begegnet.242 Denn diese er-
weiterten Kontrollbefugnisse in Bezug darauf, ob die korrekte Obersatzbildung
durch die Strafgerichte gebildet wurde, führen dazu, dass sich das BVerfG zu
einer Superrevisionsinstanz macht.243 Des weiteren setzt die Kontrolle erst dann
an, wenn die Fachgerichte die Normen ausdifferenziert haben. Damit kommt es
erst nach und nach zu einer Begrenzung der weit gefassten Norm. Es besteht
gerade nicht von Beginn an ein gefestigtes Normverständnis. Ein solches wird
aber gerade von Art. 103 Abs. 2 GG gefordert.244
Für die hier zu untersuchende Gesetzgebungstechnik der Öffnungsklauseln
kann die Legitimation des Präzisierungsgebotes aber dahinstehen. Problematisch
ist bei Öffnungsklauseln gerade nicht die Verwendung unbestimmter Rechtsbe-
griffe, sondern vielmehr die bewusste und durch den Gesetzgeber angeordnete
Befugnis an die Judikative einen Ähnlichkeitsschluss zu ziehen. Es liegt also
qualitativ etwas anderes als eine bloße Konkretisierung vor, sodass nicht ent-
schieden werden muss, ob das durch die Rechtsprechung entwickelte Präzisie-
rungsgebot über die unvermeidbare Konkretisierung bei der Rechtsanwendung
durch die Judikative hinausgeht.

241 Grünwald, ZStW 76 (1964), 1, 7; Calliess, NJW 1989, 1338, 1339.


242 BVerfG 23.06.2010 – 2 BvR 2559/08 = BVerfGE 126, 170, 198 f. = NJW 2010,
3209; BVerfG 28.07.2015 – 2 BvR 2558/14, 2 BvR 2571/14, 2 BvR 2573/14 = NJW
2015, 2949; wobei darauf hingewiesen wird, dass sich eine „umfassende Prüfungskom-
petenz“ bereits aus dem herkömmlichen Verständnis des Bestimmtheitsgrundsatzes er-
gibt (wobei dabei bereits fraglich ist, was unter dem herkömmlichen Verständnis zu ver-
stehen ist), vgl. Krüger, NStZ 2011, 369, 373.
243 Krüger, NStZ 2011, 369, 372; Böse, JURA 2011, 617, 621.
244 Basak, in: Strafrecht und Verfassung, S. 71, 85.
IV. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Bestimmtheitsgrundsatz 107

(3) Rechtsfolgen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

Die Rechtsprechungslinie des BVerfG hat auch Auswirkungen auf die Arbeit
des Gesetzgebers.245 Es kann davon ausgegangen werden, dass der Umgang des
BVerfG und des BGH mit dem Bestimmtheitsgrundsatz die Gesetzgebung im
Strafrecht wesentlich beeinflusst hat und auch der Grund dafür ist, dass die Dis-
kussion über genauere Strafgesetze nur noch auf einer theoretischen Ebene ge-
führt wird.246 Rechtsfolge einer solchen Rechtsprechung ist, dass der Legislative
mehr Freiraum bei der konkreten Ausgestaltung der Gesetze gelassen wird. Im
Zweifel kann sie die Entscheidung darüber, ob ein Verhalten strafbar ist oder
nicht, den Gerichten überlassen und das macht sie bei der Verwendung von Öff-
nungsklauseln auch ausdrücklich.247 Unabhängig von einer etwaigen Bindungs-
wirkung verzichtet das BVerfG gerade darauf, klare Vorgaben für die Genauig-
keit von Strafgesetzen aufzustellen. Dies könnte aber geschehen, indem es auf
eine Optimierungspflicht des Gesetzgebers verweist. Das BVerfG könnte über-
prüfen, ob eine genauere Umschreibung des zu bestrafenden Verhaltens möglich
gewesen wäre und ob dies wiederum ausreichend vom Gesetzgeber geprüft und
dargelegt wurde, inwieweit die offene Regelung im Hinblick auf die Regelungs-
materie tatsächlich unvermeidbar war.248 Ob eine genauere Regelung möglich
gewesen wäre, muss dann für die einzelnen Gesetze separat festgestellt werden.
Dies könnte gerade im Falle von Öffnungsklauseln problematisch sein. Eine ge-
nauere Beschreibung der Verhaltensweisen könnte gerade nicht möglich gewesen
sein. Das kann damit begründet werden, dass die abschließende Nennung kon-
kreter Verhaltensweisen, die für strafbar erklärt wurden, de facto unmöglich er-
schien.
Insbesondere dadurch, dass Normen so gut wie nie wegen Unbestimmtheit
durch das BVerfG verworfen werden, hat der Gesetzgeber gerade kein besonde-
res Augenmerk darauf zu legen, ob die Strafgesetze hinreichend genau gefasst
sind. Denn eine Verwerfung der Norm aufgrund von Unbestimmtheit durch das
BVerfG hat der Gesetzgeber gerade nicht zu befürchten.249

245 MüKo-StGB/Kunig/Saliger, § 1 Rn. 49: „Diese Grundsätze des BVerfG sind in

der Praxis sehr folgenreich.“


246 Krahl, Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, S. 376 f.; Anw-

Komm-StGB/Gaede, § 1 Rn. 25, in Bezug darauf, dass nur ausnahmsweise Normen für
zu unbestimmt erklärt werden. Gaede verweist dabei auf die erhöhte „materiellrecht-
liche Pönalisierungsprärogative“ des Gesetzgebers.
247 Basak, in: Strafrecht und Verfassung, S. 71, 89.
248 Unter Verweis auf eine solche Prüfung bei der Verhältnismäßigkeit jeglicher

Strafgesetze vgl. AnwKomm-StGB/Gaede, § 1 Rn. 26; SSW-StGB/Satzger, § 1 Rn. 22;


Schönke/Schröder/Hecker, § 1 Rn. 20; NK-StGB/Hassemer/Kargl, §1 Rn. 41; Greco,
ZIS 2018, 475, 480 f.; Löwer, JZ 1979, 621, 625; Naucke, Über Generalklauseln und
Rechtsanwendung im Strafrecht, S. 3 ff.
249 Krahl, Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, S. 375.
108 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

(4) Praktikabilität der Auslegung durch die Gerichte

Allerdings wird die Handhabung des Bestimmtheitsgrundsatzes durch das


BVerfG zum Teil aber auch als einzig praktikable Lösung verstanden, auch wenn
deren Auffassung vom klassischen Verständnis des Gesetzlichkeitsprinzips ab-
weiche.250 Denn nur so könne eine Harmonisierung von Theorie und Praxis des
Bestimmtheitsgrundsatzes erreicht werden.251 Die Aufgabe der Legislative be-
schränke sich dadurch auf ein sog. Anordnungsgebot, es solle gerade keine ex-
akte Bestimmung der Strafbarkeit vorgenommen werden.252 Denn eine solche
Bestimmtheit von Normen, bei der die Bürger*innen den Anwendungsbereich
ohne Weiteres aus dem Gesetz erkennen könne, sei der Legislative ohnehin nicht
möglich.253 Aufgabe der Gerichtsbarkeit sei demnach gerade auch die Konkreti-
sierung der Strafgesetze. Eine reine Anwendung der Gesetze auf den Einzelfall
ohne ein konkretisierendes Element könne es nicht geben, es sei ein arbeitsteili-
ges Zusammenwirken beider Gewalten erforderlich.254 Dieses Zusammenwirken
hätte im Ergebnis eine Stärkung des Bestimmtheitsgrundsatzes zur Folge, da nun
zwei Gewalten an der Verwirklichung der ausreichenden Gesetzesbestimmtheit
beteiligt seien. Das führe dazu, dass nun auch die Rechtsprechung primärer
Adressat des Bestimmtheitsgrundsatzes sei.255
Dem ist zuzugeben, dass es einer Konkretisierung von Gesetzen durch die Ju-
dikative im Rahmen der Rechtsanwendung auf den Einzelfall unzweifelhaft be-
darf.256 Offen bleibt aber, inwieweit der Judikative darüber hinaus Kompetenzen
zur Rechtsschaffung zugesprochen werden dürfen. Das zeigt sich bei der Diskus-
sion um die Verfassungsgemäßheit zur richterlichen Rechtsfortbildung,257 aber
gerade auch in der konkreten Befugnisübertragung der Legislative an die Judika-
tive, die in Öffnungsklauseln erhalten ist.
Auf allgemeine Vorgaben zur Gesetzesbestimmtheit müsse danach konsequen-
terweise verzichtet werden, da es immer zu einer Einzelfallabwägung kommen
müsse, ob im konkreten Fall die Rechtssicherheit oder die Einzelfallgerechtigkeit

250 Kuhlen, JR 2011, 246, 249; ders., in: Das Gesetzlichkeitsprinzip im Strafrecht,

S. 45, 62; Warda, Dogmatische Grundlagen des richterlichen Ermessens, S. 37; Dreier/
Schulze-Fielitz, Art. 103 Abs. 2 Rn. 41; Beckemper, ZJS 2011, 88, 92, zumindest für
den Fall des § 266 StGB; so zumindest im Hinblick auf das Präzisierungsgebot Anw-
Komm-StGB/Gaede, § 1 Rn. 25; MüKo-StGB/Schmitz, § 1 Rn. 50.
251 Kuhlen, in: Gesetzlichkeitsprinzip im Strafrecht, S. 45, 57.
252 Herzberg, FS Schünemann, S. 31, 35.
253 Kuhlen, Das Gesetzlichkeitsprinzip im Strafrecht, S. 45, 58; im Ergebnis auch

AnwKomm-StGB/Gaede, § 1 Rn. 25, wonach die Legislative keine sprachlich eindeu-


tige Regelung schaffen kann.
254 Kuhlen, Das Gesetzlichkeitsprinzip im Strafrecht, S. 45, 58.
255 Kuhlen, Das Gesetzlichkeitsprinzip im Strafrecht, S. 45, 59.
256 Dazu auch innerhalb dieser Arbeit unter Kap. D. V. 2.
257 Dazu unter Kap. D. VIII. 2. h).
IV. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Bestimmtheitsgrundsatz 109

überwiege.258 Übersteigerte Erwartungen an einen solchen Grundsatz könnten


dazu führen, dass dieser im Ergebnis überhaupt nicht umgesetzt werden kön-
ne.259 Beim Präzisierungsgebot und der Möglichkeit der Konkretisierung durch
die Fachgerichte handele es sich um eine bereits in der Vergangenheit anerkannte
Lesart des Bestimmtheitsgrundsatzes.260 Auch wenn alle Bürger*innen erkennen
können müssen, welches Verhalten unter Strafe stehe, so werde der Grundsatz
auch in der Literatur zum Teil so verstanden, dass es genüge, wenn sich das straf-
bare Verhalten durch Auslegung ermitteln lasse und somit zumindest das Risiko
einer Bestrafung erkennbar sei.261 Stellt man allerdings nur darauf ab, ob das
Bestrafungsrisiko erkennbar ist, greift dies unzulässig in die allgemeine Hand-
lungsfreiheit der Bürger*innen ein.262 Denn der Bereich solcher Verhaltenswei-
sen, die unter Strafe stehen könnten, ist deutlich größer als der Bereich dessen,
was tatsächlich unter Strafe steht.
Die Befürworter der Rechtsprechung konstatieren auch, dass die Starrheit von
Strafgesetzen im Zweifel zulasten der Gerechtigkeit gehe, was vermieden werden
müsse.263 Zum Teil wird darüber hinaus in der erhöhten gerichtlichen Kontroll-
dichte der Auslegung des Wortsinns durch den Beschluss vom 23.06.2010 sogar
eine Stärkung des Bestimmtheitsgrundsatzes gegenüber der bisherigen Recht-
sprechung gesehen, da die Kontrolle nicht nur auf eine Vertretbarkeitskontrolle
beschränkt bleibe.264 Es wird außerdem auf die „präventive“ Wirkung des Be-
stimmtheitsgebotes verwiesen: Der Gesetzgeber setzt sich im Rahmen des Ge-
setzgebungsprozesses damit auseinander, dass er eine Norm schaffe, die grund-
sätzlich den Anforderungen an die Gesetzesbestimmtheit gerecht werde.265 Diese
Wirkung ist aber insoweit zweifelhaft, als durch einen erhöhten Handlungsspiel-
raum, den die Judikative der Gesetzgebung zubilligt, der Gesetzgeber dem Prob-
lem der Gesetzesbestimmtheit gerade keine erhöhte Beachtung schenken muss.
Inwieweit also ein präventiver Effekt verbleibt, ist schwer zu beurteilen.

258 Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 103 Abs. 2 Rn. 42.


259 Schmidhäuser, GS-Martens, S. 231, 244.
260 Lange, in: Niederschriften über die Sitzung der Großen Strafrechtskommission,

S. 265, der in Bezug auf die Einführung einer Öffnungsklausel argumentiert, dass „wir
[. . .] darauf vertrauen [sollten], daß die Rechtsprechung [. . .] die erforderlichen Ein-
schränkungen finden wird [. . .]“.
261 Schönke/Schröder/Hecker, § 1 Rn. 20; Breuer, AöR 1990, 448, 455 f.; Mangoldt/

Klein/Starck/Nolte/Aust, Art. 103 Rn. 153, wobei auch das BVerfG darauf verweist,
dass in erster Linie der Wortsinn der Norm maßgeblich ist: BVerfG 17.01.1978 – 1 BvL
13/76 = BVerfGE 47, 109, 121 = NJW 1978, 933; so im Ergebnis wohl auch Kühl, FS-
Lackner, S. 815, 833 f. zur Verwaltungsakzessorietät im Strafrecht.
262 Amelung, NJW 1995, 2584, 2587.
263 Krey, Keine Strafe ohne Gesetz, S. 90.
264 Saliger, NJW 2010, 3195; Kuhlen, in: Das Gesetzlichkeitsprinzip im Strafrecht,

S. 45, 63.
265 Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 103 Abs. 2 Rn. 44.
110 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

Aber auch die Vertreter*innen dieser Auffassung haben zum Teil die Proble-
matik der Möglichkeit einer (unvorhersehbaren) Rechtsprechungsänderung er-
kannt und Lösungsmöglichkeiten entwickelt. Insbesondere sollen bei einer sol-
chen Präzisierungsmöglichkeit besondere Anforderungen an eine rückwirkende
Rechtsprechungsänderung zu stellen sein.266 Die soll gerade auch der Wertung
des Gesetzgebers entsprechen, der ein Abweichen von der gefestigten Rechtspre-
chung nicht ohne Weiteres ermöglicht.267 Denn die Rechtsprechung tritt quasi als
ergänzender Gesetzgeber auf, woraus das Bedürfnis resultiert, die Bürger*innen
vor solchen Rechtsprechungsänderungen zu schützen, die nicht mehr unter die
entwickelten Grundsätze fallen.268 Des weiteren soll daraus auch die Pflicht des
BVerfG resultieren, zu überprüfen, ob die Vorgaben der Präzisierung eingehalten
wurden.269 Insgesamt ist die Kontrolle dabei aber auf erkennbar unvertretbare
Ergebnisse beschränkt. Es handelt sich dann nur um eine Evidenzkontrolle. In
Fällen, in denen es noch keine gefestigte Rechtsprechung gibt, erfolgt nur eine
Vertretbarkeitsprüfung.270 Ohne eine entsprechende Anwendung der Grundsätze
des Rückwirkungsverbotes auf die Änderungen einer gefestigten Rechtspre-
chung, bleibt die Problematik aber weiterhin bestehen.271

cc) Zwischenergebnis

Auch wenn zuzugeben ist, dass sich bereits aus der Mehrdeutigkeit von Spra-
che ergibt, dass die Legislative wohl keine eindeutigen und zweifelsfreien Rege-
lungen schaffen kann, widerspricht ein über die unerlässliche Notwendigkeit der
Konkretisierung hinausgehendes arbeitsteiliges Zusammenwirken von Legislative
und Judikative dem Sinn und Zweck des Bestimmtheitsgrundsatzes, der auch
eine kompetenzwahrende Funktion hat. Der Grundsatz der Gewaltenteilung soll
auch eine gegenseitige Kontrolle der Gewalten bewirken. Dafür ist erforderlich,
dass die Aufgabenbereiche klar voneinander abgegrenzt werden. Verschiebt man
nun den Aufgabenbereich der Schaffung ausreichend bestimmter Strafgesetze
hinein in den Kompetenzbereich der Judikative, hat dies zur Folge, dass die Rich-
ter*innen nicht mehr über die ausreichende Bestimmtheit von Normen entschei-
den können. Halten sie eine Norm für zu unbestimmt, hat dies nicht etwa, wie
vorgesehen, die Verfassungswidrigkeit zur Folge, sondern einen Auftrag an die
Rechtsprechung, die Norm zu konkretisieren. Ob eine solche Konkretisierung

266 Kuhlen, JR 2011, 246, 249; ders., in: Das Gesetzlichkeitsprinzip im Strafrecht,

S. 45, 62.
267 Kuhlen, in: Das Gesetzlichkeitsprinzip im Strafrecht, S. 45, 62; unter Verweis auf

BVerfG NJW, 2010, 3209 Rn. 81.


268 Kuhlen, JR 2011, 246, 250.
269 BVerfG 23.06.2010 – 2 BvR 2559/08 = BVerfGE 126, 170, 198 f. = NJW 2010,

3209; umfassend dazu Schulz, in: FS-Roxin, S. 305.


270 Kuhlen, JR 2011, 246.
271 Siehe dazu umfassend Kap. D. VI.
IV. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Bestimmtheitsgrundsatz 111

eingetreten ist, kann dann nur von der Judikative selbst überprüft werden, sollte
es überhaupt zu einer Verfassungsbeschwerde kommen. Wie effektiv eine solche
Selbstkontrolle ist, erscheint zweifelhaft. Genauso wenig könnte die Legislative
kontrolliert werden, wenn sie anfängt das von ihr geschaffene Recht auf Einzel-
fälle anzuwenden. Dennoch ist bei Öffnungsklauseln der Fall etwas anders ge-
lagert: Eine sinnvolle Umgrenzung erscheint durch die vorhergehende Kasuistik
durchaus möglich, sodass zum einen eine Erkennbarkeit gegeben sein kann und
zum anderen die Entscheidung der Legislative auch zum Ausdruck kommt. Viel-
mehr findet hier keine durch ein „Präzisierungsgebot“ vermittelte Übertragung
der Kompetenzbereiche statt, sondern es wird ausdrücklich eine gesetzgeberische
Befugnis geschaffen, die es der Judikative erlaubt, den Tatbestand auch auf dort
nicht geregelte Fälle anzuwenden.

d) Zwischenergebnis

Der Begriff des Bestimmtheitsgebotes ist seinerseits aufgrund des Wortlauts


unbestimmt, sodass es zur näheren Auslegung auch immer einer Auseinanderset-
zung mit dem Sinn und Zweck der Regelung bedarf. Die dort ermittelten Zweck-
setzungen haben für das Festlegen der Reichweite des Bestimmtheitsgrundsatzes
eine überragende Bedeutung: Sie legen fest, dass eine Norm mindestens einen
solchen Grad an Bestimmtheit innehaben muss, dass für die Bürger*innen eine
hinreichende Rechtssicherheit besteht und die Legislative ihre ureigenen Aufga-
ben selbst wahrnimmt, unter Anerkennung, dass es immer einer Konkretisierung
der Gesetze durch die Judikative bedarf. Die Auslegung durch das BVerfG wird
diesen Anforderungen nicht gerecht.272 Es findet durch die dort aufgestellten
Grundsätze eine Verlagerung des Gesetzgebungsprozesses auf die Judikative
statt. Die damit verbundene Herabsetzung der Anforderungen an den Grundsatz
der Gesetzesbestimmtheit wird der Bedeutung von Art. 103 Abs. 2 GG nicht
gerecht und scheint mit der Schutzfunktion im Hinblick auf den Grundsatz der
Gesetzesbindung und dem Grundsatz der Gewaltenteilung nicht vereinbar. Insge-
samt bleibt festzustellen, dass – im Rahmen des sprachlich Möglichen – eine ge-
naue Regelung geschaffen werden soll, bei welcher die Ziele des Bestimmtheits-
grundsatzes primär verfolgt und geachtet werden. Die Einhaltung dessen hat
oberste Priorität auch gegenüber weiteren verfolgten Zielen.

2. Konsequenzen für Öffnungsklauseln im Strafrecht

Nachdem nun dargelegt wurde, wie der Grundsatz der Gesetzesbestimmtheit


interpretiert werden kann und welche Anforderungen sich daraus an den Gesetz-

272 v. Münch/Kunig/Kunig/Saliger, Art. 103 Rn. 45, hält das Abstellen auf einen

„hypothetischen Straftäter [für] unerlässlich“, unter Verweis auf Geitmann, Bundesver-


fassungsgericht und „offene“ Normen, S. 71.
112 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

geber ergeben, soll anhand dieser Ergebnisse überprüft werden, ob Öffnungsklau-


seln im Strafrecht diesen Anforderungen gerecht werden, oder ob ein Verstoß
gegen den in Art. 103 Abs. 2 GG normierten Grundsatz der Gesetzesbindung an-
genommen werden kann.
Grundsätzlich ist der Einsatz unbestimmter Rechtsbegriffe und zum Teil auch
generalklauselartiger Regelungen im Hinblick auf die Aufgabe des Gesetzgebers,
generell-abstrakte Regelungen zu schaffen, nicht gänzlich vermeidbar und bedeu-
tet nicht per se einen Verstoß gegen den Bestimmtheitsgrundsatz. Auch wenn
zwischen Generalklauseln und Öffnungsklauseln ein qualitativer Unterschied be-
steht, so weisen sie doch auch Ähnlichkeiten auf, woraus geschlossen werden
kann, dass für Öffnungsklauseln das Gleiche, wie für den Einsatz von General-
klauseln im Strafrecht gelten muss. Aus den Anforderungen, die an den Be-
stimmtheitsgrundsatz gestellt werden, ergibt sich nicht unweigerlich, dass nur
eine sich der Kasuistik bedienende Gesetzgebungsmethode eine ausreichend be-
stimmte Norm schaffen kann.273 Richtigerweise kann ein Rechtsgut auch durch
eine Regelung hinreichend geschützt werden und dem Bestimmtheitsgrundsatz
Genüge tun, wenn sie gerade nicht dezidiert einzelne strafbare Verhaltensweisen
aufzählt.274 Daraus lässt sich aber lediglich ableiten, dass der Gesetzgeber auf-
grund des Bestimmtheitsgrundsatzes nicht dazu verpflichtet ist, Gesetze kasuis-
tisch zu fassen. Daraus leitet sich hingegen keine Legitimation für die Verwen-
dung von Öffnungsklauseln ab.
Nach dem von der Rechtsprechung dargelegten Verständnis des Bestimmt-
heitsgrundsatzes ist eine Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Grundsatz
der Gesetzesbestimmtheit anzunehmen. Wie oben bereits erörtert, steht nach An-
sicht der Rechtsprechung Art. 103 Abs. 2 GG der Anwendung von Generalklau-
seln im Strafrecht nicht entgegen, sodass diese Zulässigkeit von Generalklauseln
auch auf die Verwendung von Öffnungsklauseln im Strafrecht übertragen werden
kann, auch wenn zwischen Öffnungsklauseln und Generalklauseln ein qualita-
tiver Unterschied besteht.275 Das gilt insbesondere dann, wenn eine Konkretisie-
rung durch eine gefestigte Rechtsprechung erfolgt oder der Normzusammenhang
zur Interpretation herangezogen werden kann.276 Auch wenn es bei neu verfass-
ten Normen an einer gefestigten Rechtsprechung fehlt, kann bei Öffnungsklau-
seln in der Regel der vorhergehend kasuistisch verfasste Teil zur Konkretisierung
herangezogen werden.

273 Fischer, StV 2010, 95, 96.


274 Baldus/Starck/Mangoldt/Klein/Nolte/Aust, Art. 103 Abs. 2 GG, Rn. 143.
275 Vgl. dazu Kap. B. II.
276 BVerfG 22.03.1960 – 2 BvR 125/60 = BVerfGE 11, 234, 237; BVerfG, Beschl. v.

15.04.1970 – 3 BvR 396/69 = BVerfGE 28, 175, 183 = NJW 1978, 1423; BVerfG
10.01.1995 – 1 BvR 718, 719, 722, 723/89 = BVerfGE 92, 1, 12 = NJW 1995, 1141;
BVerfG 20.06.2012 – 2 BvR 1048/11 = BVerfGE 131, 268, 306 f. = NJW 2012, 3357.
IV. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Bestimmtheitsgrundsatz 113

Öffnungsklauseln enthalten keine gesetzliche Anordnung auf die Frage, in Be-


zug auf welchen zuvor aufgezählten Fall, der potentiell unter die Öffnungsklausel
zu subsumierende Sachverhalt vergleichbar sein muss. Der Gesetzgeber lässt die
Regelung gerade bewusst mehrdeutig.277 In einer Entscheidung des BGH zur
Vereinbarkeit der Öffnungsklausel des § 315 b Abs. 1 Nr. 4 StGB mit dem Be-
stimmtheitsgebot, ging dieser davon aus, dass der Ähnlichkeitsschluss sich auf
alle zuvor genannten Fällen beziehen muss und dass bereits aufgrund dessen eine
ausreichende Bestimmtheit gegeben ist.278 Er lässt aber offen, woraus sich diese
Auslegung ergibt. Ungeachtet dessen könnten die Öffnungsklauseln sogar als
bestimmter anzusehen sein als Generalklauseln ohne vorhergehende Kasuistik,
denn diese müssen unter Umständen ganz ohne Orientierung innerhalb des
Normtextes ausgelegt werden. Unabhängig davon, ob eine Vergleichbarkeit mit
einem oder aber mit allen zuvor aufgezählten Fällen angenommen wird, kann
aber eine Konkretisierung durch die vorhergehende kasuistische Regelung vorge-
nommen werden.
Gerade für die in § 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB verwendete Öffnungsklausel des
„ebenso gefährlichen Eingriffs“ existiert eine mehr oder minder gefestigte Recht-
sprechung auf die zurückgegriffen werden könnte. Die Rechtssicherheit kann sich
aus der zuvor erfolgten Fallgruppenbildung ergeben.279 Hier ergibt sich die hin-
reichende Bestimmtheit erst aus der Auslegung der Norm durch die Gerichte und
nicht aus dem Wortlaut der Norm selbst oder dem Vergleich mit den in der Norm
aufgezählten Alternativen. Das ist aber insoweit unschädlich, als dass sich der
konkrete Regelungsgehalt einer Norm immer erst aus der Anwendung der Ge-
setze durch die Gerichte ergeben dürfte.280 Dem ist zuzugeben, dass eine ab-
schließende Regelung durch den Gesetzgeber illusorisch sein dürfte.281 Unstrei-
tig leistet die Gesetzgebung einen Beitrag zur Bestimmtheit des Strafrechts.282
Entscheidend ist, nach dem oben dargelegten Verständnis des Bestimmtheits-
grundsatzes, ob dem Gesetzgeber eine präzisere Formulierung der Norm, bzw.
des Normbestandteils möglich gewesen wäre. Dies ist im Rahmen von Öffnungs-
klauseln zumindest diskutabel.283 Allerdings kann aber auch gerade nicht aus-
geschlossen werden, dass keine genauere Fassung des Tatbestandes möglich ge-
wesen ist. Entscheidend und für diese Art der Gesetzgebung konstituierend ist

277 Zu zwei Möglichkeiten von Unbestimmtheit, vgl. Kindhäuser/Neumann/Paeff-

gen/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 14.


278 BGH, Urt. v. 02.04.1969 – 4 StR 102/69 = NJW 1969, 1218, 1219.
279 Vgl. zur Rechtsprechung des § 315b Abs. 1 Nr. 3 auch Kap. G. II.
280 Vgl. dazu innerhalb dieser Arbeit Kap. D. VIII. 2. e) aa) (2).
281 AnwKomm-StGB/Gaede, § 1 Rn. 25.
282 Kuhlen, in: Gesetzlichkeit und Strafrecht, 2012, 429, 434; ganz im Sinne des

oben dargelegten Präzisierungsgebotes vgl. Kap. D. IV. 1. c) aa) (2).


283 Vgl. dazu Kap. D. IV. 1. c) cc).
114 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

vielmehr, dass hier eine bewusste Verlagerung der Entscheidung über die Straf-
barkeit von der Legislative auf die Judikative vorgenommen wurde.
Dies hat zur Folge, dass die Judikative ihrerseits eine eigene Entscheidung
über die Strafwürdigkeit einer Verhaltensweise treffen kann, indem sie diese für
vergleichbar mit den zuvor durch den Gesetzgeber aufgezählten Verhaltenswei-
sen erklärt.
Inwieweit sich aber diese Konkretisierungsbefugnis von der Anwendung von
Öffnungsklauseln unterscheidet, zeigt auch eine Entscheidung des BGH zur aus-
reichenden Bestimmtheit der Öffnungsklausel des § 315b Abs. 1 Nr. 4 StGB.284
Dort wird argumentiert, dass die Anwendbarkeit solcher Klauseln zur Lückenfül-
lung unabdingbar ist. Würde man die dort in Frage stehende Handlung also nicht
unter § 315b Abs. 1 Nr. 4 StGB fassen, hätte dies zu Folge, dass der Unrechtsge-
halt der Tat nicht vollumfänglich erfasst werden könnte.285 In Frage stand in der
soeben genannten Entscheidung, die Strafbarkeit eines Zufahrens mit einem
PKW auf Menschen, die sich auf dem Bürgersteig befanden. Zuzugeben ist, dass
vertreten wird, dass das konkrete Rechtsgut des § 315b StGB die Sicherheit des
Straßenverkehrs ist,286 die nicht durch ebenfalls einschlägige Delikte, wie § 212
StGB erfasst werden kann. Die Judikative nimmt in der Anwendung der Öff-
nungsklausel folglich die von der Legislative erteilte Befugnis wahr, vermeintli-
che Lücken zu schließen. Gerade die Argumentation anhand des Lückenschlusses
zeigt aber, dass der Tatbestand eine Lücke enthält, die es grundsätzlich durch
eine Entscheidung der Legislative zu schließen gilt. Darauf folgt, dass es keine
diesem konkreten Fall entsprechende Regelung gibt und diese folglich durch die
Rechtsanwendung der Judikative erstmals vollumfänglich geschaffen wird. Auch
hier zeigt sich der qualitative Unterschied zwischen der Konkretisierung von ge-
neralklauselartigen Regelungen und der Anwendung von Öffnungsklauseln. Auch
wenn der Wortlaut der Normen, wie etwa bei § 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB die An-
wendung auf „ähnliche, ebenso gefährliche Eingriffe“ beschränkt, bietet die Norm
zwar ein Orientierungskriterium durch die zuvor genannten Fälle, dennoch ent-
hält die Norm gerade eine Aufforderung an die Judikative rechtsschaffend tätig
zu werden und zwar über eine bloße Konkretisierung hinaus.
Für eine Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Bestimmtheitsgrundsatz
könnte außerdem sprechen, dass das BVerfG davon ausgeht, dass auch Regelbei-
spiele hinreichend bestimmt sind, obwohl diese auch die erhöhte Strafzumessung
für nicht näher bestimmte Verhaltensweisen oder Umstände der Tatbegehung öff-
nen.287 Ebenso erweitern Öffnungsklauseln auch auf tatbestandlicher Ebene den
Anwendungsbereich auf nicht ausdrücklich genannte Fälle. Der Bestimmtheits-

284 BGH, Urt. v. 02.04.1969 – 4 StR 102/69 = NJW 1969, 1218.


285 NJW 1969, 1218, 1219.
286 Siehe dazu Kap. B. II.
287 BVerfG 21.06.1977 – 2 BvR 308/77 = BVerfGE 43, 363 = NJW 1977, 1815.
IV. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Bestimmtheitsgrundsatz 115

grundsatz gilt gerade auch im Bereich der Strafzumessung.288 Im Fall der Regel-
beispiele wird, wie in der o. g. Entscheidung, aufgrund der in der Norm genann-
ten Beispiele von einer hinreichenden Konkretisierung ausgegangen, die eine
vorhersehbare Rechtsanwendung garantieren soll. Diese hinreichende Bestimmt-
heit wird auf zweierlei Weisen begründet: Zum einen wird auf die vorhergehen-
den aufgezählten Beispielsfälle als Auslegungshilfe verwiesen, zum anderen wird
die hinreichende Bestimmtheit aus einer gefestigten Rechtsprechung gezogen.289
Daraus könnte man den Schluss ziehen, dass die Entscheidung im Rahmen der
Regelbeispiele auch für tatbestandliche Öffnungsklauseln gelten muss. Es muss
allerdings beachtet werden, dass die Entscheidung nicht ohne Weiteres auf Öff-
nungsklauseln übertragen werden kann: Regelbeispiele sind, anders als Öffnungs-
klauseln, reine Strafzumessungsregeln. Sie regeln nicht die Strafbarkeit als sol-
che, sondern ermöglichen ein höheres Strafmaß bei bestimmten Modalitäten der
Tatbegehung. Sie beziehen sich ihrerseits auf eine Grundnorm, die die generelle
Entscheidung darüber trifft, ob ein Verhalten strafbar ist. Öffnungsklauseln hin-
gegen entscheiden im Zweifel gerade selbst darüber, ob ein Verhalten überhaupt
strafbar ist. Daraus ergeben sich unterschiedliche Anforderungen. Es gibt gerade
keine Grundnorm, da die Öffnungsklausel Bestandteil eben jener Grundnorm ist,
deren Anwendung über das Ob und nicht nur das Maß der Strafbarkeit entschei-
det. An die Bestimmtheit des Strafmaßes sind insoweit geringere Anforderungen
zu stellen, als diese auch immer einen Gestaltungsspielraum schaffen müssen,
damit die Richter*innen eine schuldangemessene Strafe verhängen können.290
Diese geringeren Anforderungen lassen sich auch in Hinblick auf Sinn und
Zweck des Bestimmtheitsgrundsatzes rechtfertigen: Die Erkennbarkeit dient in
erster Linie als freiheitsgewährende Funktion dem „Ob“ der Strafbarkeit, und
weniger dem „Wie“, im Sinne der genauen Ausgestaltung der Strafe.
Darüber hinaus zeigt gerade die Rechtsprechung zu den Regelbeispielen, dass
diese sich nicht ausschließlich an den ausdrücklich genannten schweren Fällen
orientiert, sondern zum Teil bei den unbenannten Fällen der Regelbeispiele allge-
meine Erwägungen zur Strafzumessung aufstellt und abwägt.291 Diese Öffnung

288 Die Wirkung wird zum Teil einschränkend dahingehend ausgelegt, dass die Straf-

zumessungsregeln in einem Spannungsfeld zum Grundsatz der schuldangemessenen


Strafe stehen, vgl. dazu Roxin/Greco, StrafR AT I, S. 262 unter Verweis auf Kuhlen,
HRRS 2012, 114.
289 Vgl. dazu BVerfG, Beschl. v. 01.09.2008 – 2 BvR 2238/07 = BVerfGE 14, 177 =

NJW 2008, 3627; dieser Dualismus der Herleitung der Bestimmtheit wird aber auch bei
den Regelbeispielen nicht kritiklos hingenommen, vgl. dazu NK-StGB/Kindhäuser,
§ 243 Rn. 4.
290 Schönke/Schröder/Lenckner-Hecker, § 1, Rn. 22.
291 BGH, Urt. v. 21.04.1970 – 1 StR 45/70 = BGH 23, 254 = NJW 1970, 1196 ver-

weist auf eine „Gesamtbewertung“; OLG Köln, Beschl. v. 06.08.1991 – Ss 330/91 =


NStZ 1991, 585 verweist ebenfalls auf eine „Gesamtbetrachtung, ob Ausnahmen vom
116 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

der Regelbeispiele stellt also ein Einfallstor für solche allgemeinen Erwägungen
dar. Ungeachtet der Unterschiede zwischen unbenannten Regelbeispielen und
Öffnungsklauseln erscheint also in beiden Fällen das Problem weniger in der
fehlenden Konkretisierungsmöglichkeit anhand der gängigen Auslegungsmetho-
den zu liegen, als vielmehr in der bewussten Übertragung der Entscheidung von
der Legislative auf die Judikative. Dies führt dazu, dass eine hinreichende Be-
stimmtheit sowohl von Regelbeispielen als auch von Öffnungsklauseln anzuneh-
men ist und das Problem an anderer Stelle zu verorten ist.
Der Wortlaut des Art. 103 Abs. 2 GG legt dadurch, dass er eine gesetzliche
Bestimmtheit vor der Tat fordert, nahe, dass die Entscheidung über strafbares
Verhalten vom Gesetzgeber selbst getroffen werden soll, und der Bestimmtheits-
grundsatz sichert dies, indem er fordert, dass diese Entscheidung Niederschlag
im Wortlaut des entsprechenden Strafgesetzes finden muss. Art. 103 Abs. 2 GG
beinhaltet eine Entscheidung zugunsten der Rechtssicherheit, die im Zweifel
auch zulasten der materiellen Gerechtigkeit geht. Dabei handelt es sich um eine
Wertentscheidung, die nicht ohne Weiteres durch einfaches Recht durchbrochen
werden darf. Es wurde im Rahmen einer Abwägung der betroffenen Interessen
eine Norm von Verfassungsrang geschaffen. Diese Wertung ist in jedem Falle zu
berücksichtigen.292 Dies ist bei allzu weit gefassten Generalklauseln gerade nicht
der Fall, dort findet die Entscheidung des Gesetzgebers dann keinen Nieder-
schlag in der Norm. Anders verhält es sich aber bei Öffnungsklauseln: Hier re-
gelt der Gesetzgeber ausdrücklich, dass die Judikative die Norm – anhand eines
Ähnlichkeitsschlusses – auch auf nicht geregelte Fälle anwenden soll.
Rechtssicherheit und die Sicherung der Gewaltenteilung können nur dann ge-
währleistet werden, wenn der Gesetzgeber, im Rahmen des Möglichen, eine Ent-
scheidung trifft. Was auch bedeutet, dass der Rechtsstaat es ertragen muss, dass
möglicherweise zum Zeitpunkt, in dem das Gesetz verabschiedet wurde, für
strafbar erachtete Verhaltensweisen nicht erkennbar waren und folglich nicht in
die Regelung aufgenommen wurden. Öffnungsklauseln machen gerade deutlich,
dass deren Unbestimmtheit nicht daher rührt, dass der Gesetzgeber das strafbare
Verhalten nicht sprachlich genau erfassen kann. Viel mehr beruht der Einsatz der
Öffnungsklauseln auf dem fehlenden gesetzgeberischen Willen einen Tatbestand
mit abschließend aufgezählten Verhaltensweisen zu schaffen. Dies kommt in der
gesetzlich angeordneten Aufgabenübertragung von der Legislative auf die Judi-
kative zum Ausdruck. Hier ist der Grundsatz der Gewaltenteilung folglich auf
eine andere Weise betroffen: Es wird keine generalklauselartige Regelung ge-
wählt, um den Grundsatz der Gewaltenteilung (bewusst oder unbewusst) zu um-

Strafrahmen geboten sind“; siehe umfassend zu dieser Problematik in Bezug auf Regel-
beispiele Kindhäuser, in: FS-Triffterer, 123, 124 ff.
292 BGH, Urt. v. 07.11.1962 – 3 StR 49/62 = BGHST 18, 136 = NJW 1963, 499,

500; LK-StGB-Dannecker, § 1 Rn. 52.


IV. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Bestimmtheitsgrundsatz 117

gehen. Vielmehr wird bewusst die Befugnis der Judikative geschaffen, die Norm
auch auf vergleichbare Fälle anzuwenden.
Dass der Gesetzgeber bei der Verwendung von Öffnungsklauseln eine solche
Entscheidung hätte treffen können, zeigt er bereits dadurch, dass er typischer-
weise vorhergehend eine Kasuistik verwendet und sich dezidiert mit den Verhal-
tensweisen auseinandersetzt, die unter das strafbare Verhalten fallen sollen. Der
Gesetzgeber weicht dann von dieser genauen Regelung durch die Öffnungsklau-
seln ab. Ob ihm eine genauere Regelung möglich gewesen wäre, bleibt offen,
kann aber auch dahinstehen, denn der Gesetzgeber hat sich gerade bewusst ent-
schieden seine Aufgabe auf die Gerichte zu verlagern.
Öffnungsklauseln führen also zu einer bewussten Verlagerung der Aufgabe der
Gesetzgebung, was aber nicht pauschal dazu führt, dass Öffnungsklauseln mit
dem Grundsatz der Gesetzesbestimmtheit nicht in Einklang zu bringen sind. Die
aus Öffnungsklauseln resultierende Aufgabenverlagerung von Legislative auf die
Judikative beruht nicht auf den fehlenden sprachlichen Möglichkeiten, den Tat-
bestand anders zu fassen, sondern auf der bewussten Entscheidung, der Judika-
tive die Möglichkeit eines Ähnlichkeitsschlusses zu ermöglichen.
Unabhängig davon, welches Verständnis des Bestimmtheitsgrundsatzes nun
zugrunde gelegt wird, also ob ein Verstoß erst dann angenommen wird, wenn
eine sinnvolle Umgrenzung des Tatbestandes nicht mehr möglich ist oder bereits
dann, wenn der Gesetzgeber den Tatbestand nicht gemäß eines Optimierungs-
gebotes gestaltet hat, so scheint bei der Verwendung von Öffnungsklauseln im
Strafrecht nicht zuvorderst der Wortlaut bzw. seine Bestimmtheit problematisch.
Denn es ist durchaus möglich, dass – im Sinne eines Optimierungsgebotes – dem
Gesetzgeber keine genauere Umschreibung der zu bestrafenden Verhaltensweise
möglich gewesen ist, weil es sich bei den Tatbeständen, die sich Öffnungsklau-
seln bedienen, um solche mit einem nur schwer zu fassenden Rechtsgut handelt
und infolgedessen auch die Festlegung, wovor das Rechtsgut geschützt werden
soll, nur schwerlich möglich ist. Zum anderen erscheint es aber auch möglich,
dass Öffnungsklauseln hinreichend durch die Judikative konkretisiert werden
können, indem die Vergleichbarkeit mit den kasuistisch aufgezählten Fällen an-
hand der gängigen Auslegungsmethoden nachvollziehbar dargelegt wird.
Konstituierend für Öffnungsklauseln ist also weniger eine (zu) unbestimmte
Formulierung als vielmehr die Verlagerung der Entscheidung über strafbares
Verhalten anhand einer gesetzlichen Anordnung durch die gesetzgebende Gewalt
auf die Judikative und die damit verbundene Aufgabenverlagerung. Zwar enthält
auch der Grundsatz der Gesetzesbestimmtheit eine Komponente, die dem Schutz
der Gewaltenteilung dienen soll, allerdings soll dieser durch eine möglichst ge-
naue Fassung des zu bestrafenden Verhaltens sichergestellt werden. Es lassen
sich durchaus Parallelen zwischen ungenauen Gesetzesfassungen und Öffnungs-
klauseln erkennen: So führen beide zu einem erweiterten Entscheidungsspiel-
118 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

raum der Judikative und insoweit berühren auch Öffnungsklauseln den Bestimmt-
heitsgrundsatz im Strafrecht. Es besteht aber ein qualitativer Unterschied zwi-
schen generalklauselartigen Regelungen und einer gesetzlich angeordneten Be-
fugnis, ein Gesetz auch entsprechend auf nicht geregelte Fälle anzuwenden. Im
ersteren Fall ist entscheidend, ob eine nachvollziehbare Konkretisierung der ge-
neralklauselartigen Fassung möglich ist. Im Anwendungsbereich von Öffnungs-
klauseln erfolgt aber gerade keine Konkretisierung, denn die Entscheidung über
strafbares Verhalten wird erstmals von der Judikative im Wege eine Ähnlichkeits-
schlusses getroffen und dies aufgrund einer ausdrücklichen gesetzgeberischen
Anordnung. Dies zeigt aber, dass gerade der Schutz der Gewaltenteilung, dem
der Grundsatz der Gesetzesbindung unter anderem dienen soll, für Öffnungsklau-
seln von herausragender Relevanz sein wird. Inwieweit eine Vereinbarkeit von
Öffnungsklauseln mit dem Grundsatz der Gewaltenteilung angenommen werden
kann, ist an anderer Stelle weiter zu untersuchen.293 Insoweit kann also nicht
pauschal ein Verstoß von Öffnungsklauseln gegen den Grundsatz der Gesetzes-
bindung angenommen werden.

3. Gesamtergebnis

Der Inhalt des Bestimmtheitsgrundsatzes speist sich im Wesentlichen aus dem


Sinn und Zweck eben jenes Postulates. Das bedeutet, dass ein Gesetz dann hin-
reichend bestimmt ist, wenn aus dem Normtext das strafbare Verhalten so weit
wie möglich erkennbar ist, unter Anerkennung, dass es immer auch einer Kon-
kretisierung durch die Judikative bedarf. Nur auf diese Weise können die Norm-
adressat*innen hinreichend vor Willkür geschützt werden und zum anderen ge-
lingt nur dann die Aufgabentrennung zwischen Legislative und Exekutive, wenn
der Gesetzgeber die Entscheidung über die Strafbarkeit bestimmter Verhaltens-
weisen selbst trifft und nicht auf die Gerichte verlagert. Diese Schutzfunktion
soll über den Wortlaut der Norm vermittelt werden. Der Bestimmtheitsgrundsatz
bekennt sich dabei im besonderen Maße zur Rechtssicherheit.
Die Erkennbarkeit orientiert sich dabei am Verständnishorizont der Bür-
ger*innen. Woraus nicht geschlossen werden kann, dass generalklauselartige Re-
gelungen insgesamt unzureichend sind, vielmehr ist daraus zu schließen, dass die
Messbarkeit des Einsatzfeldes einer Norm überwiegen muss. Denn dem Ideal
eines zweifelsfrei bestimmten Gesetzes werden insbesondere sprachliche Gren-
zen gesetzt. Worte weisen bereits an sich keine absolute, zweifelsfreie und unbe-
streitbare Bedeutung auf. Unter Berücksichtigung dieser Tatsachse muss aber im
Hinblick auf die hohe Bedeutung des Gesetzlichkeitsprinzips versucht werden,
innerhalb der sprachlichen Grenzen möglichst eindeutige Formulierungen zu fin-
den. Eine reine Erkennbarkeit des Kerninhalts einer Norm – was auch immer

293 Vgl. dazu in dieser Arbeit Kap. D. VIII.


IV. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Bestimmtheitsgrundsatz 119

darunter konkret verstanden werden kann – genügt gerade nicht. Die Regelung
muss vielmehr innerhalb der sprachlichen Möglichkeiten eine größtmögliche Prä-
zision aufweisen und von einer bestmöglichen Verständlichkeit für die Norm-
adressat*innen zeugen. Dies ist anhand des Normtextes und nicht nur anhand
einzelner Wörter zu bestimmen.
Denen durch das BVerfG aufgestellten Anforderungen an die Bestimmtheit
von Strafgesetzen kann hingegen nicht gefolgt werden, denn diese werden der
überragenden Bedeutung des Gesetzlichkeitsprinzips gerade nicht gerecht und
wirken vielmehr den verfolgten Zwecken entgegen. Dies zeigt sich insbesondere
dadurch, dass durch das vom BVerfG zugrunde gelegte Verständnis des Bestimmt-
heitsgrundsatzes im besonderen Maße eine Verschiebung der den Gewalten zu-
geteilten Kernaufgaben erfolgt und eine Erkennbarkeit des Norminhaltes erst
infolge einer gefestigten Rechtsprechung ermöglicht wird.
Dennoch kann aus dem zuvor Gesagtem auch nicht die Pflicht abgeleitet wer-
den, Gesetze strikt kasuistisch zu verfassen. Öffnungsklauseln bieten durch die
vorhergehende Kasuistik auch bei der Möglichkeit, die Norm auf vergleichbare
Fälle anzuwenden, konkrete Orientierungspunkte, die sowohl der Erkennbarkeit
des strafbaren Verhaltens von Bürger*innen dienlich sein können, als auch der
Judikative Orientierungspunkte für die Rechtsanwendung auf den Einzelfall bie-
ten. Gerade in den Fällen von. § 238 Abs. 1 Nr. 8 StGB erscheint das zu schüt-
zende Rechtsgut nur schwer fassbar, sodass auch eine abschließende Regelung
der strafbaren Verhaltensweisen erhebliche Schwierigkeiten aufweist. Insoweit
könnten Öffnungsklauseln gerade die für den Gesetzgeber bestmögliche Rege-
lung darstellen.
Die Öffnungsklauseln innewohnende Problematik erscheint also weniger der
konkret gewählte Wortlaut zu sein, als vielmehr die durch den Gesetzgeber ange-
ordnete Befugnis, die Norm auch auf andere, nicht ausdrücklich geregelte Fälle
anzuwenden.
Insoweit gibt es auch einen Berührungspunkt von Öffnungsklauseln mit dem
Bestimmtheitsgrundsatz: Öffnungsklauseln scheinen auf diese Weise in Konflikt
mit dem Grundsatz der Gewaltenteilung zu geraten. Es findet eine ausdrückliche
und gesetzlich angeordnete Aufgabenverlagerung statt. Auch der in Art. 103
Abs. 2 GG normierte Bestimmtheitsgrundsatz schützt den Grundsatz der Gewal-
tenteilung. Dieser wird soll aber durch einen möglichst genauen Wortlaut der
Norm sichergestellt werden, um auf diesem Wege – im Zusammenspiel mit dem
Grundsatz der Gesetzesbindung – den Handlungsspielraum der Judikative einzu-
grenzen. Indem der Gesetzgeber sich der Gesetzgebungstechnik der Öffnungs-
klauseln bedient, überträgt er ganz offen und erkennbar die Entscheidung über
die Strafbarkeit von Verhaltensweisen auf die Judikative. Es findet gerade keine
Vermittlung dieser Aufgabenübertragung durch einen ungenauen oder general-
klauselartigen Wortlaut statt. Vor der in Öffnungsklauseln zum Ausdruck kom-
120 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

menden Verlagerung der Kompetenzen schützt der Bestimmtheitsgrundsatz, wie


aufgezeigt, nur bedingt.
Auf diese Weise gibt es also einen Berührungspunkt der konkreten Verfasstheit
von Öffnungsklauseln mit dem Bestimmtheitsgrundsatz, es lässt sich hingegen
nicht pauschal für alle Öffnungsklauseln feststellen, dass die Schwelle des Ver-
stoßes überschritten ist.

V. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln


mit dem Analogieverbot
Öffnungsklauseln im Strafrecht ermöglichen das Erfassen von Fällen, die der
Gesetzgeber zum Zeitpunkt der Gesetzgebung nicht vorhergesehen hat und even-
tuell auch nicht vorhersehen konnte und folglich auch nicht dezidiert geregelt
hat. Indem die Norm selbst den Anwendungsbereich des Gesetzes auf nicht
näher geregelte Fälle ausgeweitet, könnten Öffnungsklauseln gegen das Analo-
gieverbot im Strafrecht verstoßen. Das in Art. 103 Abs. 2 GG normierte Ana-
logieverbot richtet sich seinem klassischen Verständnis (dazu unter 1. a)) an die
Judikative und verbietet es, strafrechtlich Normen auf nicht geregelte Fälle ent-
sprechend anzuwenden. Das Analogieverbot könnte darüber hinaus aber auch ei-
nen Handlungsauftrag an die Legislative enthalten, wonach es der gesetzgeben-
den Gewalt nicht erlaubt ist, durch den Normtext die Möglichkeit zu schaffen,
das Gesetz auf nicht näher geregelte Fälle anzuwenden (dazu unter 1. b)). Dies
setzt wiederum voraus, dass es einen Unterschied zwischen Analogie und Ausle-
gung gibt (dazu unter 2.). Konsequenz eines an die Legislative adressierten Ana-
logieverbotes könnte sein, dass der Gesetzgeber gerade keine sog. „innertatbe-
standlichen Analogien“ schaffen darf (dazu unter 3.) und es sich bei Öffnungs-
klauseln gerade um eine solcher innertatbestandliche Analogie handeln könnte.
Wie noch zu zeigen sein wird, handelt es sich bei Öffnungsklauseln zwar um
eine solche innertatbestandliche Analogie, die aber trotz der Aufgabenübertra-
gung nicht pauschal gegen das Analogieverbot verstößt (dazu unter 4.).

1. Analogien im Strafrecht

Eine Analogie ist dem Wortsinn nach die „Entsprechung zweier unterschied-
licher Ereignisse“294 und bezeichnet ein juristisches Schlussverfahren, wonach
zwei unterschiedliche Sachverhalte aufgrund ihrer Ähnlichkeit gleichbehandelt
werden. Bei diesem Schlussverfahren handelt es sich um ein Instrument, bei dem
ein nicht geregeltes Verhalten in Bezug auf die Rechtsfolge in einen bereits nor-
mierten Rechtssatz eingefügt wird.295 Diese „Einfügbarkeit“ setzte eine gleiche

294 Wiedemeyer, Theoretische Begründung und praktische Durchführung des straf-

rechtlichen Analogieverbots, S. 4.
295 Klug, Juristische Logik, S. 109 f.
V. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Analogieverbot 121

Zwecksetzung des geregelten und des ungeregelten Falles voraus und führt dazu,
dass aufgrund eben jener Vergleichbarkeit die gleiche Rechtsfolge ausgelöst
wird.296 Eine Analogie kann es folglich nur dort geben, wo ein Fall noch nicht
gesetzlich geregelt wurde. Es wird also ein gesetzliches Merkmal auf einen Sach-
verhalt angewendet, der zwar nach dem Wortlaut der Norm nicht darunterfällt,
aber den erfassten Fällen zumindest ähnlich ist.
Es wird zwischen einer sog. Gesetzesanalogie und einer sog. Rechtsanalogie
unterschieden. Bei einer Gesetzesanalogie wird eine bestimmte Regel aus einer
vorhandenen Vorschrift abgeleitet und auf weitere Fälle übertragen. Bei einer
Rechtsanalogie hingegen werden bestimmte Rechtsgedanken aus unterschiedli-
chen Vorschriften abgeleitet.297 Entscheidend für die Beurteilung, ob Öffnungs-
klauseln mit dem Analogieverbot vereinbar sind, ist die Gesetzesanalogie, da die-
ser Ähnlichkeitsschluss bei Öffnungsklauseln durch die gesetzgeberische Anord-
nung, die Norm auch auf „vergleichbare“ oder „ähnliche“ Fälle anzuwenden,
explizit durch den Gesetzgeber vorgesehen ist. Die dadurch ausgelöste Rechts-
folge wird aus der Norm selbst abgeleitet.

a) Verbot entsprechender Rechtsanwendung

Eine solche Analogie, die in anderen Rechtsgebieten durchaus üblich ist, ist
aufgrund der Regelung des Art. 103 Abs. 2 GG im Strafrecht allerdings verbo-
ten, wenn die Analogie sich zulasten der Täter*innen auswirkt.298 Analogiever-
bot meint folglich die Unzulässigkeit strafbegründender oder strafschärfender
Rechtsfortbildung299 aufgrund zweier unterschiedlicher Ereignisse, die sich aber

296 Sax, Das strafrechtliche „Analogieverbot“, S. 148; ebenso NK-StGB/Hassemer/

Kargl, § 1 Rn. 71.


297 Soweit ersichtlich erstmals Sax, Das strafrechtliche „Analogieverbot“, S. 100 f.;

Roxin/Greco, Strafrecht AT, S. 215; Maunz/Dürig/Remmert, Art. 103 Abs. 2 Rn. 82;
SK-StGB/Jäger, § 1 StGB, Rn. 46; Baumann/Eisele/Weber/Eisele, Strafrecht AT, § 7
Rn. 18; Maurach/Zipf, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 10 Rn. 15; Klug, Juristische Logik,
S. 110.
298 Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 103 Abs. 2 Rn. 47; gegen das klassische Verständnis

des Analogieverbotes im Strafrecht s. insb. Sax, Das strafrechtliche „Analogieverbot“,


S. 52; zustimmend: Busch, JZ 1955, 223, 224; Kaufmann, Analogie und „Natur der Sa-
che“, S. 37 ff.; gegen das Bestehen eines absoluten Analogieverbotes vgl. Ransiek, in:
FS-Tiedemann, S. 171, 185; historisch zum Analogieverbot vgl. Fitting, Analogieverbot
und Kontinuität, S. 43 ff.; allgemein zum Analogieverbot im Strafrecht außerdem:
MüKo-StGB/Schmitz, § 1 Rn. 73; Baumann/Weber/Mitsch/Eisele, Strafrecht AT, § 7
Rn. 18 NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 70 ff., die das Analogieverbot als „Verlän-
gerung des Bestimmtheitsgebotes“ im Bereich der Rechtsanwendung begreifen; Otto,
in: FS-Seebode, S. 81; Marinucci, in: FS-Tiedemann, S. 189; SSW-StGB/Satzger, § 1
Rn. 40 ff.; LK-StGB/Dannecker, § 1 Rn. 241, der ebenfalls eine Verbundenheit zum Be-
stimmtheitsgrundsatz feststellt; Roxin/Greco, Strafrecht AT, S. 3.
299 Jescheck/Weigend, Lehrbuch des Strafrechts, S. 134 f.
122 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

in gewisser Weise entsprechen und infolgedessen gleichbehandelt werden könn-


ten. Wie bereits dargelegt, bezieht sich das Analogieverbot nur auf solche Fälle,
bei denen eine gesetzliche Regelung für den konkreten Fall gerade fehlt. Denn
es kann nicht ganz grundsätzlich untersagt sein, zwei unterschiedliche Fälle ent-
sprechend zu behandeln. Eine solche Gleichbehandlung ist gerade auch ver-
fassungsrechtlich geboten, vgl. Art. 3 GG.300 Analogieverbot und Gleichbehand-
lungsgrundsatz stehen infolgedessen in einem Spannungsverhältnis. Art. 103
Abs. 2 GG löst dieses Verhältnis zugunsten des Analogieverbotes für den Be-
reich des Strafrechts. Das Analogieverbot richtete sich folglich an die Rechts-
anwender*innen, eine Konsequenz für die gesetzliche Anordnung, Normen auf
vergleichbare Fälle anzuwenden, lässt sich noch nicht entnehmen.

b) Adressat des Analogieverbotes

Das soeben dargelegte Analogieverbot richtet sich primär an die Strafrich-


ter*innen und kann als Erweiterung der Wirkweise des Bestimmtheitsgrundsat-
zes in die Rechtsanwendung hinein betrachtet werden.301 Die Gerichte sind bei
der Rechtsauslegung auf diese Weise an die Normen, die sie verwenden, gebun-
den.302 Dies ist auch die konsequente Fortführung von Sinn und Zweck des Be-
stimmtheitsgrundsatzes. Denn hinreichend bestimmte Gesetze können nur dann
ihre Zwecksetzung erfüllen, wenn es bei der Anwendung auf den Einzelfall nicht
zu einer uferlosen Rechtsanwendung kommt.303 Das Bedürfnis nach einem sol-
chen Analogieverbot besteht allerdings nur dort, wo den Richter*innen überhaupt
eine Rechtsauslegung und infolgedessen ein Entscheidungsspielraum zugestan-
den wird.304 Nur dann ist eine Grenzziehung zwischen zulässiger Gesetzesausle-
gung und unzulässiger Analogie erforderlich.305 Wie oben bereits erläutert, ist
aufgrund der Mehrdeutigkeit von Worten eine Gesetzesauslegung im Bereich der
Gesetzesanwendung unumgänglich. Entscheidend für einen Verstoß gegen das
Analogieverbot ist dann, welche Auslegungsergebnisse noch in den Bereich der
erlaubten Auslegung fallen und welche eine unerlaubte Gesetzesanalogie darstel-
len (dazu unter 2.). Unabhängig von der Geltung des Analogieverbotes innerhalb

300 So auch Wiedemeyer, Theoretische Begründung und praktische Durchführung des

strafrechtlichen Analogieverbots, S. 4.
301 NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 70; MüKo-StGB/Schmitz, §1, Rn. 67.
302 Wolff-GG/Wolff, Art. 103 Abs. 2 Rn. 16; NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 81 ff.

verweisen auf die fehlende praktische Relevanz. Allgemeines zur Wortlautgrenze vgl.
Klatt, in: Gesetzlichkeit und Strafrecht, S. 121; zum Verhältnis von Auslegung zu Ana-
logie vgl. IV. 1. a).
303 NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 70.
304 Zur Problematik der Methodenlehre als universelle Regel zum Umgang mit einer

Norm vgl. Cadus, Die faktische Betrachtungsweise, S. 57.


305 Roxin/Greco, Strafrecht AT, S. 221.
V. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Analogieverbot 123

des allgemeinen Teils des StGB,306 gilt eben jenes unstreitig für alle Tatbestände
im besonderen Teil.307

c) Sinn und Zweck des Analogieverbotes

Das Analogieverbot dient, gestützt durch die Herleitung aus Art. 103 Abs. 1
GG, zum einen dem Grundsatz der Gewaltenteilung.308 Es ordnet eine Subordi-
nation der Gerichtsbarkeit unter das geschriebene Recht und die dort normierten
Entscheidungen der Legislative an. Das Analogieverbot ist allerdings von der
normkonkretisierenden Tätigkeit der Gerichte zu unterscheiden.309 Die Judika-
tive ist durchaus auch dazu angehalten, Normen entsprechend des Wortlautes zu
präzisieren. Davon ist aber aufgrund des Analogieverbotes eine über die Norm
hinausgehende Konkretisierung ausgeschlossen.310
Diese klare Abgrenzung der Kompetenzbereiche voneinander dient der Erhal-
tung der Rechtssicherheit.311 Außerdem soll dies auch dem fragmentarischen
Charakter des Strafrechts sichern, sodass es nicht zu einer Ausweitung des Straf-
rechts auf alle denkbaren strafwürdigen Verhaltensweisen kommt.312 Auf diese
Weise wird die Bindung der Strafrichter*innen an das Gesetz gestärkt.313
Außerdem wird durch das Analogieverbot garantiert, dass der Wille des Ge-
setzgebers gewahrt wird.314 Darüber hinaus entfaltet das Analogieverbot auch
eine Schutzfunktion für Bürger*innen in Bezug auf willkürliche Entscheidungen,

306 Siehe dazu zusammenfassend Kirsch, Zur Geltung des Gesetzlichkeitsprinzips im

Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuchs, S. 297 ff.


307 Roxin/Greco, Strafrecht AT, S. 234.
308 Grünwald, ZStW 76 (1964), 1, 14; Jescheck/Weigend, Lehrbuch des Strafrechts,

S. 135; zum Teil wird als Zweck auch die Erhaltung des Strafrechts als „ultima ratio“
genannt, vgl. Schick, in: FS-Walter, S. 625, 639; Kertai, JuS 2011, 976, 978; so im Er-
gebnis auch Dietmeier, ZStW 110 (1998), 393, 408.
309 BVerfG 14.05.1969 – 2 BvR 238/68 = BVerfGE 26, 41, 42 = NJW 1969, 1759;

BVerfG 21.06.1977 – 2 BvR 308/77 = BVerfGE 43, 363 = NJW 1977, 1815; BVerfG
10.06.1997 – 2 BvR 1516/96 = BVerfGE 96, 68 = NJW 1998, 50.
310 Abweichend: Sánchez, in: Gesetzlichkeit und Strafrecht, S. 55, 64 f., der davon

ausgeht, dass den Gerichten auf Grundlage dessen auch die Pflicht zur „Reparatur“ von
Gesetzen zukommt.
311 So auch Eisele, vgl. Baumann/Eisele/Weber/Mitsch/Eisele/Eisele, Strafrecht AT,

§ 7 Rn. 16, der zu Recht darauf hinweist, dass auch beim Ausnutzen aller Möglichkei-
ten, die eine Analogie bietet, Strafbarkeitslücken weiterhin bestehen würden. Eine um-
fassende Strafbarkeit aller für strafwürdig erfassten Verhaltensweisen ist gerade nicht
möglich.
312 Baumann/Eisele/Mitsch/Weber/Eisele, Strafrecht AT, § 7 Rn. 20; zur Vereinbar-

keit von Öffnungsklauseln mit dem fragmentarischen Charakter des Strafrechts siehe
Kap. D. VII.
313 Grünwald, ZStW 76 (1964), 1, 13, wobei Grünwald jede darüberhinausgehende

wertende Entscheidung der Richter*innen für unvereinbar mit dem Analogieverbot hält.
314 Kuhlen, JR 2011, 246, 248.
124 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

die keine Stütze im Wortlaut des Gesetzes finden.315 Folglich darf eine analoge
Anwendung nur zugunsten der Betroffenen erfolgen. Diejenigen, die innerhalb
der durch das Strafrecht gesetzten Grenzen handeln, sollen keine Bestrafung
durch die entsprechende Anwendung einer Norm fürchten.316 Auch hier dient
das Analogieverbot nicht nur dem subjektiven Vertrauensschutz jedes einzelnen,
sondern vielmehr dem Schutze der Rechtsgemeinschaft als solcher.317 So bleiben,
wie auch durch den Bestimmtheitsgrundsatz gewährleistet, die Bürger*innen vor
willkürlichen Entscheidungen geschützt.318

d) Keine eingeschränkte Geltung bei unbewussten Lücken

Ausgehend von der Zwecksetzung, dass das Analogieverbot ein bewusstes


Übergehen der durch die Legislative getroffenen Entscheidung dienen soll, wird
vertreten, dass das Analogieverbot des Art. 103 Abs. 2 GG nur für die vom Ge-
setzgeber bewusst hinterlassenen Lücken gilt und dass ansonsten eine analoge
Anwendung nicht vollständig ausgeschlossen ist. Dies soll zumindest außerhalb
der Bereiche von Strafbegründung und Strafschärfung gelten.319 Ein solches Ver-
ständnis des Analogieverbotes setzt aber voraus, dass erkennbar ist, welche Lü-
cken bewusst hinterlassen wurden. Insbesondere in Fällen, die der Gesetzgeber
aufgrund der Vielgestaltigkeit des Lebens nicht vorhersehen konnte, ist nicht
ohne Weiteres ersichtlich, ob er auch diese Verhaltensweisen unter Strafe gestellt
hätte. Die Richter*innen würden dann einen hypothetischen Willen des Gesetzge-
bers ermitteln und zugrunde legen müssen, was dazu führen würde, dass diese im
Ergebnis dann doch die Aufgabe des Gesetzgebers übernehmen würden. Eine
Differenzierung zwischen gewollten und ungewollten Lücken ist wohl nicht leist-
bar und ist infolgedessen abzulehnen. Das gilt auch dann, wenn das umfassende
Analogieverbot zu unbefriedigenden Ergebnissen führt. Die rechtsprechende Ge-
walt darf infolgedessen auch dann nicht korrigierend tätig werden, wenn sie
denkt, dass die Entscheidung dem Willen des Gesetzgebers entspricht.320 Das

315 Krey, Keine Strafe ohne Gesetz, S. 73; Grünwald, ZStW 76 (1964), 1, 13, der be-

zweifelt, dass durch das Gebot der Rechtssicherheit das Analogieverbot begründet wer-
den kann; Simon, Gesetzesauslegung im Strafrecht, S. 101.
316 Grünwald, ZStW 76 (1964), 1, 4.
317 Kirsch, Zur Geltung des Gesetzlichkeitsprinzips im Allgemeinen Teil des Strafge-

setzbuchs, S. 185.
318 Schönke/Schröder/Hecker, § 1 Rn. 5; dies darf auch nicht zugunsten kriminal-

politischer Erwägungen aufgeweicht werden, wie etwa Schick, in: FS-Walter, S. 625
vertritt.
319 Maurach/Zipf, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 10 Rn. 23, wobei unklar ist, woraus

sich die Möglichkeit der Schließung unbeabsichtigter Lücken ergibt; außerdem wird
nicht deutlich, ob dies nur für Analogien im Rahmen des Allgemeinen Teils gilt.
320 Dies wird zum Teil auch weniger streng gesehen und mit der Aufforderung des

Gesetzgebers zur Konkretisierung durch die Gerichte begründet, vgl. Streng, in: Gesetz-
lichkeit und Strafrecht, S. 179, 193.
V. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Analogieverbot 125

Analogieverbot erhebt gerade nicht den Anspruch, dass dadurch auch das inhalt-
lich „richtige“ Ergebnis gefunden wird. Vielmehr verlangt es von Richter*innen,
dass diese eine unbefriedigende Situation hinnehmen.321 Die Gerichte dürfen den
Gesetzgeber gerade nicht korrigieren.322 Dies gilt auch, wenn eine solche An-
wendung des Gesetzes zu einer „gerechten Bestrafung“ führt.323 Es ist der Judi-
kative durch das Analogieverbot außerdem untersagt, den Regelungsgehalt einer
Norm erstmal zu schaffen.324 Auch wenn dies dem Willen des Gesetzgebers
entsprechen würde.325 Bei diesem Verbot der Korrektur von Versäumnissen des
Gesetzgebers handelt es sich um den in Art. 103 Abs. 2 GG zum Ausdruck kom-
menden Willen des verfassungsgebenden Gesetzgebers und um eine der Kern-
aussagen eben jener Norm.326 Eine Orientierung am (hypothetischen) Willen des
Gesetzgeber ist abzulehnen.

2. Abgrenzung von Auslegung und Analogie

Wie dargelegt, ist es Richter*innen durch das Analogieverbot untersagt, Recht


über die bestehenden gesetzlichen Regelungen hinaus im Bereich des Strafrechts
fortzubilden. Wann konkret ein Verstoß gegen das Analogieverbot327 vorliegt, ist
eng mit der Frage verbunden, wie stark die Richter*innen an das Gesetz gebun-
den sind328 und wie weit sie sich zulässigerweise bei der Rechtsanwendung von
der Norm entfernen dürfen329 und wann infolgedessen von einer unzulässigen
Rechtsfortbildung ausgegangen werden kann.
Wären Richter*innen bei ihrer Rechtsanwendung nicht auf irgendeine Weise
an das geschriebene Recht gebunden, würde dies gezwungenermaßen dazu füh-
ren, dass es keine Verstöße gegen das Analogieverbot geben könnte. Denn die
Existenz des Analogieverbotes resultiert gerade aus einer irgendwie gearteten
Bindung die bestehenden Gesetze. Ein Verstoß gegen das Analogieverbot kann
folglich dann angenommen werden, wenn Richter*innen über die Bindung an
das Gesetz hinausgehen. Entscheidend ist also, ob und wie die Auslegung von
der Gesetzesanalogie abgegrenzt wird.

321 v. Münch/Kunig/Kunig/Saliger, 6. Aufl. 2012, Art. 103 Rn. 26.


322 Wolff-GG/Wolff, Art. 103 Abs. 2 Rn. 14.
323 Baumann/Weber/Mitsch/Eisele/Eisele, Strafrecht AT, § 7 Rn. 20.
324 Wolff-GG/Wolff GG, Art. 103 Abs. 2 Rn. 16; MüKo-StGB/Schmitz, §1 Rn. 67;

Kirsch, Zur Geltung des Gesetzlichkeitsprinzips im Allgemeinen Teil des Strafgesetz-


buchs, S. 173; Grünwald, ZStW 76 (1964), 1, 3.
325 Schönke/Schröder/Hecker, § 1, Rn. 55 mit Beispielen; Grünwald, ZStW 76

(1964), 1, 2.
326 Bott/Krell, ZJS 2010, 694, 697.
327 Zur Bedeutung des Analogieverbotes in der heutigen Zeit vgl. Marinucci, in: FS-

Tiedemann, S. 189.
328 Siehe dazu im Detail Kap. D. VIII.
329 LK-StGB/Dannecker, § 1 Rn. 146.
126 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

Diese Feststellung lässt aber offen, ob auf die Wortbedeutung330 abgestellt


wird oder der Wortsinn im konkreten Kontext entscheidend ist.331 Auch wäre zu
entscheiden, wie die Wortlautgrenze zu ermitteln ist und wessen Sprachverständ-
nis zu Grunde gelegt werden soll.332
Das kann aber an dieser Stelle dahinstehen, denn Öffnungsklauseln ermög-
lichen gerade einen Ähnlichkeitsschluss, der durch die offene Fassung solcher
Klauseln nicht auf den Wortlaut der Norm in irgendeiner Weise begrenzt ist, so-
dass auch bei einer weiten Auslegung dieses Schlussverfahren die Wortlaut-
grenze gerade nicht überschreitet. Der Ähnlichkeitsschluss wird vielmehr inner-
halb der Norm gezogen. Es handelt sich aber gerade nicht nur um eine bloße
Konkretisierung der Norm, sondern vielmehr um ein bewusstes Hinausgehen
über die in der Norm geregelten Fällen.
Weiterhin kann aufgrund des Untersuchungsgegenstandes – der Öffnungsklau-
sel – an dieser Stelle dahinstehen, ob sich das Analogieverbot nur auf den Beson-
deren Teil des StGB beschränkt.333 Vielmehr ist zu entscheiden, ob es einen Un-
terschied zwischen Auslegung und Analogie gibt. Wäre das nicht der Fall, würde
das eine Zulässigkeit von Öffnungsklauseln bedeuten, da es sich bei der Anwen-
dung eben jener Normen lediglich um eine konkretisierende Gesetzesauslegung
handelt.
a) Abgrenzung anhand der Ratio des Gesetzes

Zum Teil wird eine Bindung der Richter*innen lediglich an den aus einer
Norm ergebenden Sinn und Zweck angenommen und dementsprechend die Wort-
lautgrenze334 als Abgrenzungsmittel zwischen Auslegung und Analogie gänzlich
abgelehnt.335 Die Wortbedeutung des Tatbestandes werde erst durch Vergleich

330 Baumann, MDR 1958, 394, 395.


331 Roxin/Greco, Strafrecht AT, S. 221 ff.; MüKo-StGB/Schmitz, § 1 Rn. 80 ff., zur
Abhängigkeit der Wortbedeutung vom Kontext.
332 NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 83 ff.; Fischer-StGB, § 1 Rn. 21 ff.; Sánchez,

in: Gesetzlichkeit und Strafrecht, S. 55, 67.


333 Im Ergebnis zumindest eingeschränkt zustimmend: Roxin/Greco, Strafrecht AT I,

S. 235; Maurach/Zipf, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 10 Rn. 21. m.w. N.; so auch
Streng, in: Gesetzlichkeit und Strafrecht, S. 179, 191; unklar Schönke/Schröder/Hecker,
§ 1 Rn. 27; Krey, Studien zum Gesetzesvorbehalt, S. 32.
334 Teilweise wird diese auch als „Wortsinn“ bezeichnet, vgl. dazu zusammenfassend

Becker/Martenson, JZ 2016, 779; kritisch zum Begriff der Wortlautgrenze und des
Wortsinns vgl. Klatt, in: Gesetzlichkeit und Strafrecht, S. 121, 122.
335 Sax, Das strafrechtliche „Analogieverbot“, S. 81, der auf die Unterschiede zwi-

schen dem möglichen und den tatsächlichen Wortlaut verweist; Hassemer, Strafen im
Rechtsstaat, S. 29; Hassemer, Tatbestand und Typus, S. 160; Hanack, NStZ 1986, 261,
263; Stratenwerth/Kuhlen, AT I, S. 51; Jakobs, Strafrecht AT, S. 85 ff.; zusammenfas-
send: Krey, Studien zum Gesetzesvorbehalt im Strafrecht, S. 28 verweist darauf, dass
eine solche Auslegung zu weit gefasst ist; Christensen, Was heißt Gesetzesbindung?,
S. 39 ff.; Heller, Analogie und Axiologie der analogen Rechtsanwendung, S. 140; im
V. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Analogieverbot 127

mit dem Sachverhalt näher konkretisiert. Daraus wird gefolgert, dass dem Wort-
laut als solchem keine überragende Bedeutung zukomme.336 Gerade in Grenz-
fällen der Tatbestandsauslegung versage das Instrument der Wortlautauslegung
als Abgrenzungskriterium, weil eine solche Grenzziehung nicht ohne weiteres
möglich und durch Subjektivität geprägt sei.337
Es wird insbesondere argumentiert, dass es keinen Unterschied zwischen Aus-
legung und Analogie gebe, da jede Wortlautauslegung auch notwendigerweise
einen Ähnlichkeitsschluss enthalte, wenn auch nur innertatbestandlich. Ein Ana-
logieverbot würde folglich ein umfassendes Auslegungsverbot bedeuten.338 Ein
Unterschied zwischen Auslegung und Analogie bestehe nur bzgl. des Grades der
semantischen Entfernung.339 Beide Vorgehensweisen beruhen darauf, dass der
Sachverhalt mit der Norm anhand der Ratio des Gesetzes abgeglichen wird.340
Der Sinn des Gesetzes ergebe sich aber gerade nicht nur aus dem Wortlaut einer
Norm.341 Bereits das Verfahren der Rechtsschaffung beinhaltet das Gießen einer
Rechtsidee in Wortform, woraus die Konsequenz gezogen werden könne, dass
der Wortlaut nie unabhängig vom Sinn und Zweck der Norm betrachtet werden
kann.342 Ohnehin sei, wenn überhaupt, eine Bestimmung der Wortlautgrenze im-
mer nur temporär möglich und auch nur in den Fällen, in denen sich der Gesetz-

Ergebnis wohl auch Esser, Grundsatz und Norm in der richterlichen Rechtsfortbildung
des Privatrechts, 253 f.; Schmidhäuser, Einführung in das Strafrecht, 3/53, wonach „die
Gerichte selbst bestimmen, wann die unerlaubte Analogie beginnt“.
336 Hassemer, Tatbestand und Typus, S. 160; Esser, Grundsatz und Norm in der rich-

terlichen Rechtsfortbildung des Privatrechts, S. 164.


337 Sax, Das strafrechtliche „Analogieverbot“, S. 81.
338 Hassemer, Tatbestand und Typus, S. 161, dieser verweist aber darauf, dass dies

nur dann gilt, wenn der Begriff der Analogie im technischen Sinne verstanden wird.
339 Soweit ersichtlich erstmals: Sax, Das strafrechtliche „Analogieverbot“, S. 148,

152; zustimmend: Busch, JZ 1955, 223, 224; Hassemer, Strafen im Rechtsstaat, S. 29;
Kaufmann, Analogie und „Natur der Sache“, S. 37, 40; ders., in: Einführung in Rechts-
philosophie und Rechtstheorie der Gegenwart, S. 278; Zippelius, Juristische Methoden-
lehre, S. 58, zustimmend dazu, dass es sich bei beiden Methoden um eine Fallverglei-
chung handelt, verweist aber darauf, dass sich der Vergleich im Rahmen der Auslegung
innerhalb des Gesetzeswortlautes befindet; Yi, Wortlautgrenze, Intersubjektivität und
Kontexteinbettung, S. 188, 193, 302; Müller/Christensen, Juristische Methodik Band I,
Rn. 526; Haft, in: Einführung in die Rechtsphilosophie, 2016, S. 269, 275; Heller, Ana-
logie und Axiologie der analogen Rechtsanwendung, 140 ff., der Analogie als eine Stufe
der Auslegung ansieht und zwischen Analogie und axiologischer Analogie unterschei-
det; Schroth, in: Einführung in die Rechtsphilosophie, 2016, S. 270, 278; ders., Theorie
und Praxis subjektiver Auslegung, S. 108; ders., in: Hermeneutik, Norminterpretation
und richterliche Normanwendung, S. 270, 278; Küper, in: FS-Uni Heidelberg, S. 451,
452; Ransiek, in: FS-Tiedemann, S. 171, 186; Hanack, NStZ 1986, 261, 263.
340 Kaufmann, Analogie und „Natur der Sache“, S. 38.
341 Kaufmann, Analogie und „Natur der Sache“, S. 39 unter Verweis daraus, dass

das, was unter bestimmten Begriffen verstanden wird, sich auch immer nach der ent-
sprechenden Norm richtet.
342 Kaufmann, Analogie und „Natur der Sache“, S. 43.
128 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

geber der allgemein anerkannten Bedeutung von Worten unterwirft.343 Aufgrund


dessen sei eine Grenzziehung quasi unmöglich und der Glaube daran, wird als
„naiv“ bezeichnet.344
Stattdessen soll das Analogieverbot eine Erneuerung erfahren,345 indem eine
Grenzziehung anhand der Ratio des Gesetzes erfolgen solle,346 wobei sich Sinn
und Zweck des Gesetzes durch die Gesetzgebungsmaterialien bestimmen ließen.
Diese faktische Auslegung solle das Analogieverbot ersetzen347 und könnte zur
Umgehung der Problematik beitragen, so dass aus dem Analogieverbot ein Inter-
pretationsverbot resultierte.348 Außerdem vermeide eine Grenzziehung anhand
von Sinn und Zweck des Gesetzes die mit der Wortlautgrenze verbundene Prob-
lematik, dass durch eine solche Abgrenzung der Anwendungsbereich einer Norm
unnötig verkürzt wird, obwohl dafür nach Sinn und Zweck des Gesetzes kein Be-
darf besteht.349 Insbesondere in den Fällen, in denen die Einhaltung der Wort-
lautgrenze zu unbilligen Ergebnissen führten, seien die Richter*innen darauf an-
gewiesen, dass sie die kriminalpolitischen Erwägungen des Gesetzgebers ver-
wirklichten, die hinter der Regelung stünden.350 Denn die Richter*innen seien
nicht nur der Rechtssicherheit verpflichtet, sondern darüber hinaus auch der ma-
terialen Gerechtigkeit.351
Wann solche eindeutig unbilligen Ergebnisse, die mit der materialen Gerech-
tigkeit unvereinbar sind, vorliegen, bleibt allerdings offen. Auch wenn konkrete
Fälle benannt werden können, in denen eine Bindung an den Wortlaut zu unge-

343 Depenheuer, Der Wortlaut als Grenze, S. 38 f., unter Verweis auf den Begriff des

„Sprachspiels“ Wittgensteins; zur Neuformulierung des Analogieverbotes vgl. Yi, Wort-


lautgrenze, Intersubjektivität und Kontexteinbettung, S. 198.
344 Kaufmann, Analogie und „Natur der Sache“, S. 4.
345 Yi, Wortlautgrenze, Intersubjektivität und Kontexteinbettung, S. 191.
346 So wohl Sax, Das strafrechtliche „Analogieverbot“, S. 152 durch den Verweis auf

die Zulässigkeit der teleologischen Auslegung; dagegen: Grünwald, ZStW 76 (1964), 1,


14 unter Verweis daraus, dass Sinn und Zweck eines Gesetzes nicht ohne Weiteres er-
sichtlich sind; Hanack, NStZ 1986, 261, 263; die Bedeutung des Willens des Gesetzes-
gebers hervorhebend vgl. Wank, Die Auslegung von Gesetzen, S. 44; dagegen Bau-
mann/Weber/Mitsch/Eisele/Weber, Strafrecht AT, § 9 Rn. 87; kritisch: NK-StGB/Has-
semer/Kargl, § 1 Rn. 77; Kaufmann, Analogie und „Natur der Sache“, S. 39; Ransiek,
in: FS-Tiedemann, S. 185, Ausnahme von der Wortlautbindung immer dann, wenn der
Zweck des Gesetzes dieses gebietet, wie in diesen Fällen allerdings die Grenzziehung
erfolgt, bleibt offen; Schick, FS-Walter, S. 625, 641.
347 Bruns, GA 1986, 1, 12; zum Begriff der faktischen Betrachtungsweise vgl. Schrö-

der, Zum Begriff der Gesetzesumgehung im materiellen Strafrecht und seiner Bedeu-
tung für die praktische Anwendung des Rechts, S. 126.
348 Kaufmann, Analogie und „Natur der Sache“, S. 5.
349 So im Ergebnis wohl auch Kaufmann, Analogie und „Natur der Sache“, S. 39;

zum Problem der Feststellung von Rechtsähnlichkeit i. S. d. Analogie vgl. Sax, Das straf-
rechtliche „Analogieverbot“, S. 134.
350 Ransiek, in: FS-Tiedemann, S. 171, 185 f.
351 Heller, Analogie und Axiologie der analogen Rechtsanwendung, S. 142.
V. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Analogieverbot 129

rechten Ergebnissen führen könnten, wird es schwerlich möglich sein, allgemeine


Regeln für diese Fälle aufzustellen. Folgt man also der Ansicht, dass keine Bin-
dung an den reinen Wortlaut der Norm besteht, ergibt sich daraus, dass Öffnungs-
klauseln und die konkrete Anwendung im Einzelfall grundsätzlich nicht in Kon-
flikt mit dem Analogieverbot stehen. Öffnungsklauseln ermöglichen die Sub-
sumtion unter den Begriff der vergleichbaren Handlung. Die Vergleichbarkeit
erfordert aber auch immer eine Auslegung und Rechtfortbildung nach dem Sinn
und Zweck des Gesetzes. Solange sich die Anwendung der Öffnungsklausel in
diesem Rahmen befänden, läge keine unzulässige Analogie vor.

b) Abgrenzung anhand des Wortlautes des Gesetzes

Für eine Bindung an die Ratio des Gesetzes spricht, dass sowohl Auslegung als
auch Analogie auf einem ähnlichen Schlussverfahren beruhen352 und es zweifel-
haft sein kann, ob ein Fall der zulässigen Wortlautauslegung vorliegt oder der
unzulässigen Auslegung über die Wortlautgrenzen hinaus.353 Die Ähnlichkeit der
Schlussverfahren und eine etwaige damit verbundene Problematik bzgl. der Ter-
minologie des Begriffs der Analogie reichen aber nicht aus, um die Wortlaut-
grenze als Abgrenzungskriterium gänzlich auszuschließen.354 Insbesondere kann
aus der Ähnlichkeit der beiden Verfahren nicht zwingend geschlossen werden,
dass eine Abgrenzung der beiden Methoden voneinander nicht möglich ist. Es ist
zumindest theoretisch denkbar, dass diese aufgrund der Entfernung vom Geset-
zeswortlaut voneinander unterschieden und abgegrenzt werden können.355 Diese
Entfernung kann dabei in unterschiedliche Kategorien eingeteilt werden: Die so-
genannten positiven, negativen und neutralen Kandidaten. Danach gibt es also
Fälle, die ganz eindeutig vom Wortlaut der Norm erfasst sind (positive Kandida-

352 Haft, Juristische Rhetorik, S. 75 ff.; Matt/Renzikowski/Basak, § 1 Rn. 20; Joer-

den, Logik im Recht, S. 310 f.; NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 95; Roxin/Greco,


Strafrecht AT, § 1 Rn. 36 in der Sache zwar zustimmend, aber auch darauf verweisend,
dass es sich hier um ein rein terminologisches Argument handelt.
353 So auch kritisch Roxin/Greco, Strafrecht AT, S. 232; Maunz/Dürig/Remmert,

Art. 103 Abs. 2 Rn. 83; SK-StGB/Jäger, § 1 Rn. 83; LK-StGB/Dannecker, § 1 Rn. 247;
Zippelius, Juristische Methodenlehre, S. 58; Lewisch, Verfassung und Strafrecht, S. 66.
354 So auch LK-StGB/Dannecker, § 1 Rn. 252, „der gleiche modus operandi zwingt

nicht dazu, eine qualitative Grenzziehung zwischen zulässiger Auslegung und unzuläs-
siger Analogie zu verneinen“; so im Ergebnis auch Lewisch, Verfassung und Strafrecht,
S. 67; Greco, GA 2012, 452, 453; anders: Hassemer, Tatbestand und Typus, S. 160 f.;
einschränkend mit Verweis auf die unendliche Deutungsmöglichkeit von Sprache, vgl.
Becker/Martenson, JZ 2016, 779, 784; Appel, JURA 2000, 571, 572; SSW-StGB/Satz-
ger, § 1 Rn. 44, der trotz Ähnlichkeiten der beiden Schlussverfahren auf die Abgren-
zung verweist; Engisch, Einführung in das juristische Denken, S. 208 f.; Matt/Renzi-
kowski/Basak, § 1 Rn. 19, der darauf verweist, dass zwischen Auslegung und Analogie
nur ein „gradueller“ Unterschied besteht; NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 78.
355 Krey, ZStW 101 (1989), 838, 844; ebenfalls ablehnend zur Ratio als Abgren-

zungskriterium vgl. NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 77; Kirsch, Zur Geltung des


Gesetzlichkeitsprinzips im Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuchs, S. 186.
130 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

ten), als auch solche, die offensichtlich nicht erfasst sind (negative Kandidaten).
Die neutralen Kandidaten lassen sich hingegen nicht mit Sicherheit unter den
Wortsinn einer Norm fassen.356 Dass es positive und negative Kandidaten gibt,
deutet darauf hin, dass es auch einen messbaren Unterschied zwischen Analogie
und Auslegung gibt. Dieser Unterschied wird auch in der Begründung der Ge-
richte erkennbar, also ob sie eine Anwendung mit der Konkretisierung einer
Norm begründen oder mit der Anwendung auf einen ähnlich gelagerten Fall.
Auslegung erfasst dabei in jedem Falle den Bereich positive und negativen Kan-
didaten. Die Abgrenzung von Auslegung und Analogie ist hingegen in der An-
wendung der neutralen Kandidaten theoretisch strittig.
Befürwortet man in den Grenzbereichen eine Abgrenzung anhand der Ratio
des Gesetzes, ist außerdem fraglich, inwieweit Sinn und Zweck eines Gesetzes
ein zuverlässigeres Abgrenzungskriterium bilden können. Die Ermittlung eines
solchen ist ebenso, wenn nicht sogar noch stärker von Unsicherheiten und sub-
jektiven Interpretationen geprägt.357 Zweifelhaft bleibt auch die Überprüfbarkeit
der dadurch gefundenen Ergebnisse. Gegen den Sinn und Zweck als Abgren-
zungskriterium spricht weiterhin die Normierung in Art. 103 Abs. 2 GG und
§ 1 StGB. Wenn die Abgrenzung nach dem Sinn und Zweck erfolgt, besteht inso-
weit kein Unterscheid zu den anderen Rechtsgebieten, in denen eine analoge An-
wendung von Normen nicht von vorneherein ausgeschlossen ist. Denn auch dort
darf nur eine Analogie gebildet werden, wenn eine vergleichbare Interessenslage
besteht.358 Dann wäre die Regelung des Art. 103 Abs. 2 GG und § 1 StGB im
Hinblick auf das Analogieverbot überflüssig, da sich keine Besonderheiten für
das Strafrecht ergeben würden.
Insgesamt kann die Mehrdeutigkeit von Worten nicht gegen den Wortlaut als
zulässiges Abgrenzungskriterium sprechen. Denn aus der Mehrdeutigkeit von
Sprache alleine kann nicht geschlossen werden, dass es keine Grenzen von Spra-
che und Wortbedeutungen gibt.359 Und auch der Hinweis auf den Wandel von
Sprache und die damit verbundenen Veränderungen von Wortbedeutungen kön-
nen zu keiner anderen Bewertung führen.360 Wäre Sprache in einem besonders

356 Zusammenfassend in Jacobi, Methodenlehre der Normwirkung, S. 6; NK-StGB/

Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 35 ff. unterteilt Rechtbegriffe hingegen in die Kategorien


„Vagheit [. . .] Porosität [. . .] Wertausfüllungsbedürftigkeit [. . .] Bezeichnung von Dis-
positionen“; Kramer, Juristische Methodenlehre, S. 62 unter Verweis auf Koch, ARSP
1975, 34, 53.
357 So auch NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 77; ablehnend ohne dezidierte Be-

gründung vgl. auch MüKo-StGB/Schmitz, § 1 Rn. 80.


358 Kirsch, Zur Geltung des Gesetzlichkeitsprinzips im Allgemeinen Teil des Straf-

gesetzbuchs, S. 176.
359 So auch NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 96; Schünemann, Nulla poena sine

lege?, S. 20, zur Objektsprache und Metasprache.


360 Siehe zur Änderung der Regeln des juristischen Sprachspiels z. B. Yi, Wortlaut-

grenze, Intersubjektivität und Kontexteinbettung, S. 142.


V. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Analogieverbot 131

hohem Maße unbestimmt und einem unüberblickbaren Wandel unterworfen, der


die Mehrdeutigkeit von Sprache überwiegen ließe,361 wäre eine gelingende Kom-
munikation praktisch ausgeschlossen.362 Die Tatsache, dass Urteile jedoch von
den Adressat*innen verstanden werden, lässt aber gerade darauf schließen, dass
sie auch sprachlich begriffen und nachvollzogen werden können und ganz grund-
sätzlich wohl auch als mit dem Wortlaut der entsprechenden Norm vereinbar be-
urteilt werden.363 Außerdem gibt es unstreitig eine übereinstimmende Nutzung
bestimmter Wörter in bestimmten Kontexten in unserer Gesellschaft, aus denen
sich die jeweilige Bedeutung zumindest erschließen lässt.364 Es kann über-
einstimmend festgestellt werden, welche Auslegungsergebnisse keinesfalls vom
Wortsinn einer Norm umfasst sind, dabei handelt es sich um die soeben dargeleg-
ten sog. „negativen Kandidaten“. Dennoch ist zuzugeben, dass es zur Bestim-
mung eben jener Wortlautgrenze im Bereich der neutralen Kandidaten auch im-
mer einer Kontextualisierung bedarf.365 Reine Worte ohne jeden Kontext kommt
erst einmal kein Bedeutungsgehalt zu, woraus aber wiederum nicht zu folgern ist,
dass Wörtern insgesamt keine feststellbare Bedeutung zukommt.366 Die Letztent-
scheidungskompetenz über die kontextualisierte Wortlautgrenze obliegt konse-
quenterweise den Gerichten, wobei sich deren Bestimmung am Gesetzeswort-
laut orientiert.367 Es handelt sich bei der Wortlautgrenze folglich um ein Merk-
mal, dessen Überschreitung zumindest einer Überprüfung zugänglich zu sein
scheint.368 Auch wenn die Bestimmung der Wortlautgrenze nicht immer ohne
weiteres möglich ist,369 handelt es sich dennoch um ein handhabbares Abgren-
zungskriterium, auf das sich neben weiten Teilen der Literatur auch die Recht-

361 So u. a. Depenheuer, Der Wortlaut als Grenze, S. 38; Kaufmann, Analogie und

„Natur der Sache“, S. 39 „abstrakt [. . .] und darum weitgehend sinnentleerten Begrif-


fen“.
362 So im Ergebnis auch MüKo-StGB/Schmitz, §1 Rn. 72; Lewisch, Verfassung und

Strafrecht, S. 67, der darauf verweist, dass es Fälle gibt, die niemals vom Wortlaut er-
fasst sind; Kaspers, Philosophie – Hermeneutik – Jurisprudenz, S. 132; Krey, ZStW 101
(1989), 838, 845; NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 79.
363 Kaspers, Philosophie – Hermeneutik – Jurisprudenz, 132 f.
364 Zippelius, Juristische Methodenlehre, S. 38, unter Verweis darauf, dass Wörter

aber auch immer einen sog. „Bedeutungsspielraum“ aufweisen.


365 Depenheuer, Der Wortlaut als Grenze, S. 40, 60, der für eine Auslegung nach

dem „Sinnverständnis des historischen Gesetzgebers“ plädiert; Lewisch, Verfassung und


Strafrecht, S. 69 am Beispiel der Mehrdeutigkeit des Wortes „Botschaft“; NK-StGB/
Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 79; Becker, Was bleibt? Recht und Postmoderne, S. 44, der
behauptet, dass „[j]edes Wort [. . .] in einer natürlichen Sprache abhängig vom situativen
Kontext alles bedeuten“ kann.
366 So auch Becker, Was bleibt? Recht und Postmoderne, S. 49 f.
367 Krey, ZStW 101 (1989), 838, 846, überprüft werden kann ein Verstoß gegen das

Analogieverbot.
368 NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 79; so im Ergebnis auch Grünwald, der auf

die Ratio innerhalb der Wortlautgrenze verweist, vgl. ZStW 76 (1964), 1, 2.


369 Kudlich/Christensen, JR 2011, 146, 150.
132 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

sprechung beruft.370 Die Rechtsprechung verweist darauf, dass der Begriff der
Analogie nicht im technischen Sinne zu verstehen sei. Das bedeutet, dass es
weniger auf das Verständnis der Analogie als logisches Schlussverfahren als auf
das Verständnis als Übertretung der Wortlautgrenze ankommt, wenn ein Verstoß
gegen das Analogieverbot untersucht werden soll.371
Die genannten Abgrenzungsschwierigkeiten und Einwendungen gegen die
Wortlautgrenze als Abgrenzungskriterium beruhen augenscheinlich darauf, dass,
wie bereits im Rahmen des Bestimmtheitsgrundsatzes erörtert, keine einheitliche
Methodenlehre existiert. Auch wenn man bei einer solchen Überschreitung man-
gels einer einheitlichen Methodenlehre nicht immer zwingend zu eindeutigen Er-
gebnissen kommt, handelt es sich bei der Bindung an den Wortlaut gerade im
Hinblick auf das Analogieverbot um eine „unverzichtbare Grundlage des juris-
tischen Arbeitens“.372 Denn nur durch die Bindung an den Wortlaut einer Norm
und der Abgrenzung von Analogie und Auslegung anhand dieses Wortlautes
kann es zu einer demokratisch legitimierten Einzelfallentscheidung durch die
Richter*innen kommen. Eine an den Wortlaut gebundene Entscheidung soll die

370 Vgl. etwa. BGH, Urt. v. 13.11.1952 – 3 StR 727/51 = BGHSt 3, 300, 303; BGH,

Urt. v. 17.11.1962 – 3 StR 49/62 = BGHSt 18, 136 = NJW 1963, 499; BVerfG, Beschl.
v. 23.10.1985 – 2 BvR 1053/82 = BVerfGE 71, 108 = NJW 1986, 1671; BVerfG,
Beschl. v. 05.07.1983 – 2 BvR 200/81 = BVerfGE 64, 389 = NJW 1984, 225; BVerfG,
Urt. v. 11.11.1986 – 1 BvR 713/83 = BVerfGE 73, 206 = NJW 1978, 43; BVerfG,
Beschl. v. 06.05.1978 – 2 BvL 11/85 = BVerfGE 75, 329 = NJW 1987, 3175; BVerfG
31.05.1988 – 1 BvL 22/85 = BVerfGE 78, 232 = NJW 1988, 3258; BGH, Urt. v. 07.11.
1990 – 2 StR 439/90 = BGHSt 37, 3226, 230 = NJW 1991, 990; BVerfG, Beschl. v.
20.10.1992 – 1 BvR 698/89 = BVerfGE 87, 209 = NJW 1993, 1457; zustimmend auch:
Krey, Studien zum Gesetzesvorbehalt im Strafrecht, S. 146 f., 200; ders., ZStW 101
(1989), 838, 842; Roxin/Greco, Strafrecht AT, S. 221 f.; Schünemann, Nulla poena sine
lege?, S. 20; Zippelius, Juristische Methodenlehre, S. 38; Klug, Juristische Logik,
S. 110; M. E. Mayer, Der Allgemeine Teil des deutschen Strafrechts, S. 27; Marinucci,
in: FS-Tiedemann, S. 189, 199; Bydlinksi, Methodenlehre, S. 467 f.; Lackner, in: FS-Uni
Heidelberg, S. 39, 56, wonach die Wortlautgrenze auch für mangelhafte Gesetze gelten
soll; Baumann/Weber/Mitsch/Eisele/Eisele, Strafrecht AT, § 7 Rn. 18; Simon, Gesetzes-
auslegung im Strafrecht, S. 101 mit Einschränkungen; Schröder, Zum Begriff der Geset-
zesumgehung im materiellen Strafrecht und seiner Bedeutung für die praktische An-
wendung des Rechts, S. 349, unter Verweis auf die Berücksichtigung des Willens des
historischen Gesetzgebers; Kaspers, Philosophie – Hermeneutik – Jurisprudenz, S. 132;
R. Schreiber, Die Geltung von Rechtsnormen, S. 236; Jähnke, in: FS-BGH, S. 393, 397
der auch auf die gleichen Schlussverfahren von Analogie und Auslegung verweist;
NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 77; Matt/Renzikowski/Basak, StGB, § 1 Rn. 19;
SK-StGB/Jäger, § 1 Rn. 89; differenziert: Perron, in: Das Gesetzlichkeitsprinzip im
Strafrecht, S. 211, 218, der zwar primär den Wortlaut bemüht, aber auch die gesetzge-
berische Interpretation miteinbezieht und analoge Rechtsanwendung innerhalb des ge-
setzgeberischen Willens für möglich hält; Begemeier, HRRS 2013, 181 f. zum Verhält-
nis von Wortlautgrenze und unionsrechtskonformer Auslegung.
371 BVerfG, Beschl. v. 23.10.1991 – 1 BvR 850/88 = BVerfGE 85, 69 = NJW 1992,

890.
372 Klatt, in: Gesetzlichkeit und Strafrecht, S. 124; so auch Kirsch, Zur Geltung des

Gesetzlichkeitsprinzips im Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuchs, S. 175.


V. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Analogieverbot 133

getroffene Wertentscheidung des Gesetzgebers in die Einzelfallentscheidung hin-


ein verlängern.373 Daraus folgt, dass der interpretatorische Anteil der Gesetzes-
auslegung die gebildete Legitimationskette zwar schwächen kann, aber gerade
nicht zu brechen vermag. Bei einer Analogie besteht eine solche Legitimations-
kette durch die Loslösung von der Entscheidung des Gesetzgebers, die sich im
Wortlaut der Norm widerspiegelt, gerade nicht mehr. Das macht den Wortlaut
zum „Hüter des Analogieverbotes“.374 Demnach scheint nur eine Bindung an den
Wortlaut der Norm, die Einhaltung der Gewaltenteilung zu ermöglichen.375
Es ist darüber hinaus auch möglich, dass man die Wortlautgrenze mit der Ratio
des Gesetzes als taugliches Abgrenzungskriterium kombiniert. Zum Teil wird
aufgrund dessen das Analogieverbot auch so verstanden, dass neben der Ein-
haltung der Wortlautgrenze auch die Beachtung des Willens des historischen
Gesetzgebers zugunsten des Normadressaten berücksichtigt werden muss.376 Es
wird zum Teil bereits dann ein Verstoß gegen das Analogieverbot angenommen,
wenn Richter*innen eine eigene Entscheidung darüber treffen, ob ein Verhalten
gleich verwerflich und infolge dessen ebenso strafwürdig ist, unabhängig davon,
ob das Ergebnis noch mit der Wortlautgrenze vereinbar ist.377 Dies hätte eine be-
sonders enge Bindung an das Gesetz und einen erheblich eingeschränkten Ent-
scheidungsspielraum für die Gerichte zur Folge. Insbesondere stellt sich auch bei
einem solchen Verständnis des Analogieverbotes die Frage der Überprüfbarkeit.
Für den vorliegenden Untersuchungsgegenstand der Öffnungsklauseln kommt
es aber weniger auf eine theoretische Abgrenzung der Verfahren an, also ob eine
bestimmte Rechtsanwendung noch als Konkretisierung oder bereits als Analogie
angesehen werden kann, als vielmehr darauf, dass zwischen den Verfahren in Ur-
teilsbegründungen unterschieden wird und auf diesem Wege zumindest pragma-
tisch zwischen einer unzulässigen Analogie und einer zulässigen Gesetzesausle-
gung differenziert werden kann.
Im Ergebnis kann dem Analogieverbot also primär eine Anweisung an die
Richter*innen bei der Rechtsanwendung entnommen werden,378 ihre Argumenta-
tion möglichst genau am Wortlaut zu orientieren und nicht losgelöst von eben
jenem Sinn und Zweck der Vorschrift.379 Es spricht viel dafür, das Merkmal der

373 Klatt, in: Gesetzlichkeit und Strafrecht, S. 121, 124.


374 Depenheuer, Der Wortlaut als Grenze, S. 11.
375 Depenheuer, Der Wortlaut als Grenze, S. 9.
376 Kuhlen, JR 2011, 246, 248 unter Verweis aus BVerfG 23.06.2010 – 2 BvR 2559/

08 = BVerfGE 126, 170, 198 f. = NJW 2010, 3209; kritisch dazu Küper, NStZ 2008,
597, 600; von einer daraus resultierenden eingeschränkten Auslegung spricht auch
Saliger, ZIS 2011, 902, 903. Zustimmend wohl auch Böse, JURA 2011, 617, 619.
377 Grünwald, ZStW 76 (1964), 1, 15.
378 Lewisch bezeichnet dieses als „Methodenbeschränkung“, vgl. Lewisch, Verfas-

sung und Strafrecht, S. 63.


379 NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 101.
134 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

Wortlautgrenze als konstituierendes Merkmal zur Abgrenzung zwischen Analo-


gie und Auslegung heranzuziehen.380 Eine unzulässige Analogie kann in einem
rechtstheoretischen Sinne demnach vorliegen, wenn „über den äußersten Wort-
sinn einer konkreten gesetzlichen Bestimmung [hinausgegangen wird] und unter
Berufung auf den Grundgedanken des Gesetzes zum Nachteil des Betroffenen
neues Recht [. . .] entwickel[t] wird“.381 Die subjektive Vorstellung über eine be-
stimmte Wortbedeutung darf dabei die objektive Wortbedeutung nicht verdrän-
gen.382 Die Bestimmung der objektiven Wortbedeutung bedarf immer einer Kon-
textualisierung.
Gibt man hingegen die Möglichkeit einer Abgrenzung von Analogie und Aus-
legung auf und verwirft die Wortlautgrenze als eben jenes Abgrenzungskriterium
und zieht Sinn und Zweck des Gesetzes als Kriterium heran, würde dies dazu
führen, dass das Analogieverbot ins Leere liefe. Es bestünde die Möglichkeit
extensiver Auslegung.383
Die genaue Abgrenzung kann für den vorliegenden Untersuchungsgegenstand
aber dahinstehen. Öffnungsklauseln ordnen ausdrücklich durch ihren Wortlaut
eine Anwendung über die gesetzlich geregelten Fälle hinaus an. Es ist für diese
Art der Rechtsanwendung nur entscheidend, dass es einen Unterschied zwischen
Analogie und Auslegung gibt und es sich folglich bei der Anwendung von Öff-
nungsklauseln nicht nur um eine konkretisierende Gesetzesauslegung handelt.
Einen solchen Unterschied gibt es in jedem Falle in der praktischen Rechtsan-
wendung:

380 Krey, Studien zum Gesetzesvorbehalt im Strafrecht, S. 146 ff.; Roxin/Greco, Straf-

recht AT, S. 222; Lewisch, Verfassung und Strafrecht, S. 65 ff.; Kirsch, Zur Geltung des
Gesetzlichkeitsprinzips im Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuchs, S. 179; Bringewat,
Grundbegriffe des Strafrechts, Rn. 230; BeckOK-StGB/Heintschel-Heinegg, § 1 Rn. 12;
Kertai, JuS 2011, 976, 979; Schreiber, Gesetz und Richter, S. 230; Klatt, in: Gesetzlich-
keit und Strafrecht, S. 121, 123 f., 140 ff. BGH, Urt. v. 17.11.1962 – 3 StR 49/62 =
BGHSt 18, 136 = NJW 1963, 499; BVerfG, Beschl. v. 17.01.1978 – 1 BvL 13/78 =
BVerfGE 47, 109 = NJW 1978, 933; BVerfG, Beschl. v. 05.07.1983 – 2 BvR 200/81 =
BVerfGE 64, 389 = NJW 1984, 225; BVerfG, Beschl. v. 23.10.1985 – 2 BvR 1053/82 =
BVerfGE 71, 108 = NJW 1986, 1671 (ablehnend dazu: Hanack, NStZ 1986, 261, 263);
BVerfG, Urt. v. 11.11.1986 – 1 BvR 713/83 = BVerfGE 73, 206 = NJW 1978, 43;
BVerfG 31.05.1988 – 1 BvL 22/85 = BVerfGE 78, 232 = NJW 1988, 3258; BGH, Urt.
v. 07.11.1990 – 2 StR 439/90 = BGHSt 37, 3226, 230 = NJW 1991, 990; BVerfG,
Beschl. v. 20.10.1992 – 1 BvR 698/89 = BVerfGE 87, 209 = NJW 1993, 1457; BGH,
Urt. v. 26.01.1998 – 4 StR 570/05 = BGHSt 50, 370, 372 = NJW 2006, 1890; BGH,
Urt. v. 07.10.2003 – 1 StR 2012/03 = BGHSt 48, 354, 357 = NJW 2003, 3717; BVerfG,
Beschl. v. 18.09.2006 – 2 BvR 2126/05 = NJW 2007, 1193; BVerfG, Beschl. v. 23.06.
2010 – 2 BvR 2259/08 = BVerfGE 126, 170 = NJW 2010, 3209; BVerfG, Beschl. v.
07.12.2011 – 2 BvR 2500/09, 1857/10 = BVerfGE 130, 1, 43 = NJW 2012, 907;
BVerfG, Beschl. v. 28.07.2015 – 2 BvR 2558/14, 2 BvR 2571/14, 2 BvR 2573/14 =
BVerfGE = NZWiST 2015, 469.
381 SK-StGB/Jäger, § 1 Rn. 83.
382 NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 79.
383 Lewisch, Verfassung und Strafrecht, S. 68.
V. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Analogieverbot 135

Unabhängig davon, welche Abgrenzung zwischen Auslegung und Analogie


man befürwortet, ob die Unterscheidung in einem theoretischen Sinne angenom-
men werden kann, welche Maßstäbe hier also gewählt werden, kann ganz prag-
matisch festgestellt werden, dass es in der Arbeit der Richter*innen in der Ur-
teilsbildung einen messbaren Unterschied zwischen diesen beiden Verfahren gibt.
Dieser besteht gerade in der Argumentationsstruktur der Gerichte: Die täterbe-
lastende Anwendung von Strafgesetzen muss immer als Konkretisierung be-
stehender Normen durch die Gerichte ausgewiesen werden. Wenn die Anwen-
dung der Norm hingegen mit der Übertragung einer Norm oder auch eines
Normbestandteiles auf vergleichbare Fälle oder ähnliche Fälle erfolgt, dann liegt
eine analoge Gesetzesanwendung vor. Entscheidend ist also in erster Linie die
Begründung der Gerichte. Aus diesen unterschiedlichen Begründungen kann der
zumindest pragmatisch bestehende Unterschied zwischen Auslegung und Analo-
gie aufgezeigt werden, der gerade auch bei Öffnungsklauseln zum Tragen kommt
und für diesen Untersuchungsgegenstand entscheidend ist.

c) Handhabung des Analogieverbotes durch die Gerichte


Der Umgang der Gerichte mit dem Analogieverbot ist uneinheitlich.384 Einig-
keit besteht aber zumindest über den Begriff der Analogie.
„,Analogie‘ ist nicht [mehr] im engeren technischen Sinne zu verstehen;385 ausge-
schlossen ist vielmehr jede Rechtsanwendung, die – tatbestandsausweitend – über
den Inhalt einer gesetzlichen Sanktionsnorm hinausgeht, wobei der mögliche Wort-
laut als äußerste Grenze zulässiger richterlicher Interpretation aus der Sicht des
Normadressaten zu bestimmen ist.“ 386
Uneinigkeit herrscht aber über die Handhabung eben jener Definition:387
Zum Teil trägt der BGH der Bedeutung des Art. 103 Abs. 2 GG Rechnung,
indem er herausstellt, dass der Grundgedanke zum Analogieverbot auch nicht
durch Erwägungen zur materialen Gerechtigkeit durchbrochen werden darf. Die

384 Grünwald verweist daraus, dass aus seiner Sicht keine Entscheidungen vorliegen,

die aufgrund des Analogieverbotes eine grundsätzlich strafwürdige Verhaltensweise


nicht für strafwürdig erklären konnte, vgl. ZStW 76 (1964), 1, 2; umfassend zur Recht-
sprechung zum Analogieverbot vgl. Roxin/Greco, Strafrecht AT, S. 226 ff., insb. zur Ab-
grenzung von Analogie und Auslegung.
385 Schulz folgert daraus, dass das Analogieverbot einem Präzisierungsgebot ent-

spricht, vgl. ders., in: FS-Roxin, 2011, 306, 310, wobei er sich dabei u. a. auf die Defini-
tion des BVerfG beruft, das die Analogie in einem untechnischen Sinne versteht.
386 Vgl. z. B.: BVerfG, Beschl. v. 28.07.2015 – 2 BvR 2558/14, 2 BvR 2571/14,

2 BvR 2573/14 = BVerfGE = NZWiSt 2015, 469; BVerfG, Beschl. v. 07.12.2011 –


2 BvR 2500/09, 1857/10 = BVerfGE 130, 1, 43 = NJW 2012, 907; BVerfG, Beschl. v.
23.06.2010 – 2 BvR 2259/08 = BVerfGE 126, 170 = NJW 2010, 3209; BVerfG, Beschl.
v. 10.03.2009 – 2 BvR 1980/07 = NStZ 2009, 561; BGH, Beschl. v. 25.10.2006 – 1 StR
384/06.
387 So auch Simon, Gesetzesauslegung im Strafrecht, S. 110; kritisch zur Hand-

habung: Hanack, NStZ 1986, 261, 263.


136 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

mit dem Gesetzlichkeitsprinzip verfolgte Rechtssicherheit genießt zugunsten der


individuellen Freiheit eine überragende Bedeutung, weshalb eine Einschränkung
des Analogieverbotes ausgeschlossen ist.388 In jüngster Zeit wird in der Recht-
sprechung zum Teil von einer Ergänzung des Analogieverbotes um das Erforder-
nis der Auslegung nach dem Willen des Gesetzgebers gesprochen.389 Ob dies im
Ergebnis dazu führt, dass eine Auslegung, die sich zwar innerhalb der Grenzen
des Wortlautes, aber wohl außerhalb des Telos der Norm befindet, gegen das
Analogieverbot verstößt, bleibt offen.390 Auch Ergänzungen des Analogieverbo-
tes im Hinblick auf den Willen des historischen Gesetzgebers werden zum Teil
bemüht.391 Die unter der Abgrenzung zwischen Analogie und Gesetzesauslegung
angedeutete Problematik, dass sich Sinn und Zweck eines Gesetzes nicht immer
eindeutig bestimmen lassen, wirkt sich im Ergebnis auch hier aus.
Außerdem existieren Entscheidungen aus der Vergangenheit in denen der
Wortsinn einer Norm bewusst überschritten wurde, um Sinn und Zweck eines
Gesetzes hinreichend Rechnung zu tragen.392 Weiterhin gibt es auch neuere Ent-
scheidungen, bei denen der fragmentarische Charakter des Strafrechts, dem
Wortlaut als Auslegungsgrenze zum Trotz, zurückgedrängt und dadurch ein flä-
chendeckendes Strafrecht geschaffen wird.393 So wird zum Bespiel das aufdring-
liche Zufahren eines PKWs zu einem anderen und das Verwenden der Lichthupe
unter den Gewaltbegriff des § 240 StGB subsumiert.394 Einen ähnlichen Effekt
auf die Wirksamkeit des Analogieverbotes kann auch die Gestattung der Verwen-
dung ungenauer Formulierungen haben, wie beim Tatbestand der Untreue, gem.
§ 266 StGB.395

388 BGH, Urt. v. 17.11.1962 – 3 StR 49/62 = BGHSt 18, 136 = NJW 1963, 499.
389 Unter Verweis auf BVerfG, Beschl. v. 23.06.2010 – 2 BvR 2259/08 = BVerfGE
126, 170 = NJW 2010, 3209; vgl. die Besprechungen dazu: Becker, HRRS 2010, 383,
386; Böse, JURA 2011, 617, 621; Saliger, NJW 2010, 3195, wonach ein Verhalten auch
dann nicht unter einen Tatbestand gefasst werden kann, wenn der Wortlaut dies zwar
zulassen würde, dies aber nicht zugleich auch vom Willen des Gesetzgebers gedeckt ist.
390 So aber Kirsch, Zur Geltung des Gesetzlichkeitsprinzips im Allgemeinen Teil des

Strafgesetzbuchs, S. 188, wobei ebenfalls offenbleibt, wie realistisch ein solches Szena-
rio ist.
391 Unter Verweis auf die Entstehungsgeschichte, vgl. BGH, Urt. v. 10.12.1965 –

9 StE, 2/65 = BGHSt 20, 387, 388.


392 RGST 29, 111; 32, 165; BGH, Urt. v. 13.09.1957 – 1 StR 338/57 = BGHSt 10,

375 = NJW 1957, 1642; BGH, Urt. v. 08.04.1960 – 4 StR 2/60 = BGHSt 14, 213 =
NJW 1960, 1165; BGH, Urt. v. 26.09.1962 – 4 Str 196/62BGHSt = 18, 114, 120 =
NJW 1963, 307.
393 So Basak, in: Strafrecht und Verfassung, S. 71, 86 zu BVerfG, Beschl. v. 23.06.

2010 – 2 BvR 2259/08 = BVerfGE 126, 170 = NJW 2010, 3209; BVerfG, Beschl. v.
29.03.2007 – 2 BvR 932/06 = NJW 2007, 1669, wo „drängeln“ unter den Gewaltbegriff
subsumiert wurde; anders vgl. Krey, ZStW 101 (1989), 838, 849.
394 BVerfG, Beschl. v. 29.03.2007 – 2 BvR 932/06 = NJW 2007, 1669.
395 So Basak, in: Strafrecht und Verfassung, S. 71, 86 zu BVerfG, Beschl. v. 23.06.

2010 – 2 BvR 2259/08 = BVerfGE 126, 170 = NJW 2010, 3209.


V. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Analogieverbot 137

Dies wird zum Teil damit begründet, dass dem Gesetzlichkeitsprinzip ein sog.
„Verwirklichungsproblem“ zugesprochen wird, welches für das Analogieverbot
aufgrund des Fokus auf den Wortlaut im Sinne von Semantik angenommen
wird.396 Es wird außerdem bezweifelt, ob eine strengere Handhabung des Gesetz-
lichkeitsprinzips dazu führt, dass der Gesetzgeber, den sich daraus ergebenden
Vorgaben gewissenhafter nachkommt. Auf dieser Grundlage wird dann zum Teil
eine restriktivere Anwendung des Analogieverbotes befürwortet.397 Dem Um-
stand geschuldet, dass in vielen Entscheidung eine Diskussion über das Analogie-
verbot gar nicht zur Sprache kommt,398 wird zum Teil von einer Entwertung eben
jenes Analogieverbotes ausgegangen.399 Dieser Eindruck wird bestärkt durch
eine Rechtsanwendung der Gerichte.400 Exemplarisch kann dafür die Entschei-
dung des BGH aus dem Jahre 1957 genannt werden, in welcher ein KFZ unter
den Begriff eines „bespannten Fuhrwerks“ subsumiert wurde, vgl. § 3 Abs. 1
Ziff. 6 PreußFDG;401 sowie durch das bereits oben genannte Subsumieren des
„Drängelns“ unter den Gewaltbegriff des § 240 StGB,402 obwohl auch nach der
o. g. Definition das Analogieverbot voraussetzt, dass die Wortlautgrenze gewahrt
wird. Dies ist dann nicht mehr der Fall, wenn die Judikative aufgrund von Einzel-
fallgerechtigkeit eben jene Grenze überschreitet.403
Ungeachtet der nicht einheitlichen Handhabung scheinen BGH und BVerfG
insgesamt strenger über das Analogieverbot zu wachen als über die Einhaltung
des Bestimmtheitsgrundsatzes. Diesen Schluss legen zumindest die Entschei-
dungen nahe, in denen ein Widerspruch zu Art. 103 Abs. 2 GG aufgrund eines
Verstoßes gegen das Analogieverbot angenommen wurde.404 Hier beruft sich die
Judikative gerade nicht darauf, dass ein solcher Verstoß abgelehnt werden muss,

396 NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 94.


397 Streng, in: Gesetzlichkeit und Strafrecht, S. 193.
398 Eine Aufzählung „wortlautferner Gesetzesauslegungen“ findet sich bei NK-

StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 92.


399 NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 91.
400 Zum Teil äußert sich der BGH auch missverständlich über die Bedeutung der

Wortlautgrenze, vgl. BGH, BSchl. v. 11.11.1954 – 4 StR 526/54 = BGHSt 6, 394 =


NJW 1955, 72, wo es heißt: „Aber durch den Wortlaut ist die Auslegung der Bestim-
mung nicht begrenzt, [. . .].“; insgesamt die Judikatur zum Analogieverbot begrüßend:
Krey, ZStW 101 (1989), 838, 848 ff.
401 BGH, Urt. v. 13.09.1957 – 1 StR 338/57 = BGHSt 10, 375 = NJW 1957, 1642.
402 BVerfG, Beschl. v. 29.03.2007 – 2 BvR 932/06 = NJW 2007, 1669.
403 MüKo-StGB/Schmitz, §1 Rn. 77.
404 BGH, Urt. v. 22.04.1952 = BGHSt 2, 319 = NJW 1952, 796; BGH, Ent. v. 13.05.

1969 – 2 StR 616/68 = BGHSt 23, 1 = NJW 1969, 1582; BGH, Urt. v. 31.10.1978 –
5 StR 432/78 = NJW 1979, 435; BGH, Beschl. v. 27.10.1988 – 4 StR 239/88 = BGHSt
35, 390 = NJW 1989, 723; BGH, Beschl. v. 10.08.1995 – 4 StR 432/95 = BGHSt 41,
219 = NJW 1996, 328; BGH, Urt. v. 22.08.1996 – 4 StR 217/96 = BGHSt 42, 235,
241 = NJW 1997, 138; BVerfG, Beschl. v. 01.06.2006 – 1 BvR 150/03 = BVerfGK 8,
159 = NJW 2006, 3050.
138 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

um eine gerechte Einzelfallentscheidung zu gewährleisten. Die Handhabung un-


terscheidet sich folglich von der des Bestimmtheitsgrundsatzes. Was aber nicht
bedeutet, dass nicht auch Übertretungen des Gesetzeswortlautes mit Verwendung
des o. g. Argumentationstopos überwunden werden.405 Allerdings wird ein Ver-
stoß gegen das Analogieverbot nur bei eindeutigen und eklatant nicht mehr vom
Wortlaut der Norm gedeckten Auslegungen angenommen.406
Dennoch gibt es, anders als im Rahmen des Bestimmtheitsgrundsatzes, eine
Reihe von Entscheidungen, bei denen ein Verstoß gegen das Analogieverbot ange-
nommen wurde.407 In seiner Anerkennung der Wortlautgrenze schafft das BVerfG
eine Bindungswirkung an diese Entscheidung, vgl. § 31 Abs. 1 BVerfGG.408
Es bleibt jedoch die Frage offen, wie sich das Analogieverbot mit dem Präzi-
sierungsgebot der Judikative vereinen lässt. Nimmt man das Analogieverbot
ernst, dann kann auch diese Präzisierung nur innerhalb des Wortlautes erfolgen.
Ist der Wortlaut aber absichtlich weit gefasst, läuft diese weite Formulierung
nicht nur dem Bestimmtheitsgrundsatz, sondern auch dem Analogieverbot zu-
wider. Denn es fehlt dann gerade an einem Wortlaut, an dem sich die Judikative
orientieren kann. Eine Auslegung rein anhand von Sinn und Zweck der Norm ist
dann möglich. Die Schutzwirkung des Analogieverbotes läuft auf diese Weise ins
Leere.

d) Konsequenzen für den Einsatz von Öffnungsklauseln

Öffnungsklauseln verstoßen durch den von ihnen gewählten Wortlaut nicht ge-
gen das Analogieverbot, welches sich gerade an die Judikative und nicht primär
an die Legislative richtet. Wenn allerdings der Begriff der Analogie mit der hier
vertretenen Ansicht als Verbot der Anwendung auf vergleichbare Fälle verstan-
den wird, dann kann eine Öffnungsklausel, die gerade keine explizite Handlungs-
beschreibung enthält, sondern deren Anwendung auf dem Vergleich mit einer in
der Norm an anderer Stelle genannten Handlung beruht, die gleiche Konfliktlage
hervorrufen, die das Analogieverbot vermeiden will. Schon die Norm als solche
könnte infolgedessen zumindest partiell mit dem Sinn und Zweck des Analogie-
verbotes in Konflikt stehen. Das setzt aber zunächst voraus, dass sich aus dem

405 BGH, Urt. v. 13.09.1957 – 1 StR 338/57 = BGHSt 10, 375 = NJW 1957, 1642.
406 Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 103 Abs. 2 Rn. 48 unter Verweis auf BVerfG, Beschl.
v. 23.06.2010 – 2 BvR 2259/08 = BVerfGE 126, 170 = NJW 2010, 3209.
407 NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 93; so beispielsweise in der Feststellung, dass

es sich bei Kassenärzten nicht um Amtsträger handelt, vgl. dazu BGH, Beschl. v.
29.03.2012 – GSSt 2/11 = BGHSt 57, 202 = NJW 2012, 2503; ebenso BGH, Beschl. v.
10.08.1995 – 4 StR 432/95 = BGHSt 41, 219 = NJW 1996, 328, wo explizit der Gesetz-
geber zur Gesetzesänderung aufgefordert wird und eine Subsumtion unter den Tatbe-
stand abgelehnt wird.
408 Krey, ZStW 101 (1989), 838, 847.
V. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Analogieverbot 139

Analogieverbot eine, wie auch immer geartete, Handlungsanweisung an die Le-


gislative entnehmen lässt.

3. Analogieverbot als Handlungsanweisung an den Gesetzgeber


Das Analogieverbot könnte aber neben einem an die Judikative gerichteten
Verbot einer richterlichen Rechtsfortbildung auch ein Verbot an die Legislative
enthalten, durch die konkrete Fassung von Gesetzen keine analoge Rechtsanwen-
dung zu ermöglichen, de facto also ein Verbot der Umgehungsgesetzgebung in
Bezug auf das Analogieverbot. Dass das Analogieverbot bereits durch einen
Rechtssatz und nicht erst durch die konkrete Anwendung verletzt werden kann,
setzt voraus, dass das Analogieverbot auch eine Handlungsanweisung an den Ge-
setzgeber enthält.409 Handelt es sich beim Analogieverbot ausschließlich um eine
Handlungsanweisung an die Judikative, dann kann die Vereinbarkeit von Öff-
nungsklauseln mit dem Analogieverbot schon nicht überprüft und nur die spätere
Anwendung auf den Einzelfall untersucht werden.410
Einziger Prüfungsmaßstab im Rahmen des Art. 103 Abs. 2 GG bliebe damit
zunächst der bereits untersuchte Bestimmtheitsgrundsatz.

a) Analogieverbot ausschließlich Handlungsanweisung an Judikative


Wie bereits erörtert, ist das Analogieverbot primär eine Handlungsanweisung
an die Richter*innen.411 Dafür, dass das Analogieverbot einzig und allein an die
Judikative adressiert ist, spricht, dass Normen nur und hinreichend anhand des
Bestimmtheitsgrundsatzes überprüft werden können und für eine Vereinbarkeit
mit dem Verbot von Gesetzesanalogien schon kein Bedarf bestehe und insoweit
eine ausreichende Kontrolle der Legislative auch ohne ein entsprechendes an
diese adressiertes Analogieschaffungsverbot gewährleistet ist.412 Inwieweit eine
Überprüfung anhand des Analogieverbotes überhaupt einen Mehrwert mit sich
bringt, ist fraglich, wenn bereits ein Verstoß gegen den Bestimmtheitsgrundsatz

409 Grünwald, ZStW 76 (1964), 1, 2.


410 Ransiek, in: FS-Tiedemann, S. 171, 183; im Ergebnis auch Obermann, Gefähr-
liche Eingriffe in den Straßenverkehr, S. 166 f.
411 LK-StGB/Dannecker, § 1 Rn. 238; Matt/Renzikowski/Basak, § 1 Rn. 19; Grün-

wald, ZStW 76 (1964), 1, 2; Kirsch, Zur Geltung des Gesetzlichkeitsprinzips im Allge-


meinen Teil des Strafgesetzbuchs, S. 191; Schröder, Zum Begriff der Gesetzesumge-
hung im materiellen Strafrecht und seiner Bedeutung für die praktische Anwendung des
Rechts, S. 348; Jähnke, ZIS 2010, 463; Schuhr, ZIS 2012, 441, 442 mit der Behaup-
tung, dass sich das Analogieverbot ausschließlich an den Rechtsanwender richtet;
so auch Arzt, JuS 1972, 515; Appel, JURA 2000, 571, 572; SSW-StGB/Satzger, § 1
Rn. 40; SK-StGB/Jäger, § 1 Rn. 47; zu den sich aus dem Analogieverbot ergebenden
Aufgaben für die Judikative, vgl. NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 101; Roxin/Greco,
Strafrecht AT, S. 216.
412 MüKo-StGB/Schmitz, §1 Rn. 67; Schuhr, ZIS 2012, 441, 442; Kuhlen, FS-Otto,

2007, 89, 92.


140 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

geprüft und angenommen wird. Des Weiteren bezieht sich das Analogieverbot
seiner Sache nach gerade auf die Anwendung eines Gesetzes auf den Einzelfall,
für die Anwendung ist aber nicht der Gesetzgeber, sondern die Judikative und
auch die Exekutive zuständig.413 Überdies zwingen auch Öffnungsklauseln nicht
dazu, das Analogieverbot auch auf die Legislative auszudehnen. Es fehlt in den
Fällen, in denen eine entsprechende Anwendung des Gesetzes auf vergleichbare
Handlungen angeordnet wird, bereits an einer planwidrigen Regelungslücke, die
aber gerade konstituierend für eine Analogie ist, weshalb schon terminologisch
nicht von einem Verstoß gegen das Analogieverbot durch den Gesetzgeber ge-
sprochen werden kann. Eine Ausweitung des Analogieverbotes durch die Adres-
sierung der Legislative sei folglich nicht erforderlich und geboten.414

b) Analogieverbot auch als Handlungsanweisung an Legislative

Allerdings müssen nach der gerade erläuterten Ansicht die unterschiedlichen


Arten der Schutzrichtungen von Analogieverbot und Bestimmtheitsgrundsatz ent-
gegengehalten werden.415 Der Bestimmtheitsgrundsatz entfaltet seine Schutzwir-
kung durch die Garantie einer möglichst genauen Formulierung, wohingegen das
Analogieverbot seinen Schutz durch eine Bindung an eben jene gesetzgeberische
Entscheidung entfaltet. Es soll eine Bestrafung vermieden werden, wenn der Fall
nicht gesetzlich geregelt wurde. Wenn der Gesetzgeber nun nicht nur zu unbe-
stimmte Begriffe in den Gesetzestexten nutzt, sondern darüber hinaus die Mög-
lichkeit schafft, vergleichbare Verhaltensweisen unter den Sachverhalt zu sub-
sumieren, dann hat dies gerade eine andere Qualität als die reine Verwendung
unbestimmter Rechtsbegriffe.416 Der Gesetzgeber fordert bei Öffnungsklauseln
gerade eine Anwendung der Norm in entsprechender Art und Weise heraus und
lässt bewusst die Entscheidung über das für strafbar befundene Verhalten, zumin-
dest im Hinblick auf die Öffnungsklausel, offen.
Der Gesetzgeber wird ebenfalls durch das Verfassungsrecht gebunden und da-
mit auch durch das in Art. 103 Abs. 2 GG normierte Analogieverbot.417 Der Ver-
weis darauf, dass der Gesetzgeber sich bei der Verwendung von Generalklauseln

413 Kuhlen, FS-Otto, S. 89, 92.


414 Kuhlen, FS-Otto, S. 89, 98.
415 Befürwortend für eine Anwendung des Analogieverbotes auf den Gesetzgeber,

vgl. Kirsch, Zur Geltung des Gesetzlichkeitsprinzips im Allgemeinen Teil des Strafge-
setzbuchs, S. 194 (zumindest subsidiär); unklar bei Sarrabayrouse, in: Gesetzlichkeit
und Strafrecht, S. 403, 424; Greco, GA 2012, 452, 459 unter eng umgrenzten Voraus-
setzungen; Calliess, NJW 1998, 929, 935; im Ergebnis auch Stöckel, Gesetzesumge-
hung und Umgehungsgesetze im Strafrecht, S. 145; im Ergebnis auch Krey, Studien
zum Gesetzesvorbehalt im Strafrecht, S. 223.
416 Kirsch, Zur Geltung des Gesetzlichkeitsprinzips im Allgemeinen Teil des Strafge-

setzbuchs, S. 194.
417 Krey, Studien zum Gesetzesvorbehalt im Strafrecht, S. 223.
V. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Analogieverbot 141

auch nicht am Analogieverbot messen lassen muss, überzeugt nicht, denn es han-
delt sich um unterschiedliche Regelungsarten. Eine Generalklausel verwendet
eine weite Formulierung, weil dem Gesetzgeber eine sprachlich genauere Fas-
sung dessen, was bestraft werden soll, nicht möglich erscheint. Wohingegen bei
Öffnungsklauseln eine sprachliche Fassung der für strafbar empfundenen Verhal-
tensweisen möglich ist, aber eine abschließende Regelung durch die Öffnungs-
klauseln bewusst vermieden wird und hier ausdrücklich ein analogiegleicher
Ähnlichkeitsschluss verwendet wird. Gerade dieser Ähnlichkeitsschluss ist kon-
stituierend sowohl für Analogien als auch für Öffnungsklauseln. Des weiteren
legen auch Entscheidungen der Judikative nahe, dass sich das Analogieverbot
auch an den Gesetzgeber richtet.418
Dies kann zumindest als Appell an den Gesetzgeber verstanden werden, Ana-
logien im Rahmen der Gesetzgebung auch im Hinblick auf das Analogieverbot
nicht zu begünstigen. Ansonsten könnte das Analogieverbot als Handlungsanwei-
sung nur an die Judikative so verstanden werden, dass die Schaffung entsprechen-
der Normen sogar gebilligt wird.419 Es erscheint aber inkonsequent demgemäß
der Legislative eine Umgehung des Analogieverbotes zu gestatten. Die Diskus-
sion zur Regelbeispielstechnik in Bezug auf die Vereinbarkeit mit dem Analogie-
verbot spricht außerdem dafür, dass das Analogieverbot auch als Auftrag an den
Gesetzgeber verstanden wird, durch seine Art der Gesetzgebung Analogien nicht
zu ermöglichen.420 Das gilt auch für die Fälle, in denen der Gesetzgeber den
Rechtsanwender zu einer Analogie auffordert. Diese Fälle müssten danach konse-
quenterweise vom Analogieverbot umfasst werden.421

418 BGH. Beschl. v. 14.01.1960 – KRB 12/59 = BGHSt 14, 55, 62 = NJW 1960, 723,

724, der aber den Vorwurf des Analogietatbestandes augenscheinlich im Rahmen des
Bestimmtheitsgrundsatzes verortet.
419 Greco, GA 2012, 452, 460.
420 Dabei ist die Debatte von der Diskussion um die Geltung des Analogieverbotes

für Strafzumessungsregeln zu unterscheiden: Die überwiegende Mehrheit sieht im ge-


setzlich angeordneten Ähnlichkeitsschluss keinen Widerspruch zu einem an den Gesetz-
geber gerichtetes Analogieverbot, vgl. dazu LK-StGB/Dannecker, § 1 Rn. 270; Bau-
mann/Weber/Mitsch/Eisele/Eisele, § 7 Rn. 21, 22 befürwortet eine grundsätzliche Bin-
dung des Gesetzgebers, aber hält eine innertatbestandliche Analogie für vereinbar;
ders., Die Regelbeispielsmethode im Strafrecht, S. 405 und zieht dabei auch einen Ver-
gleich zu Öffnungsklauseln; Krey, Studien zum Gesetzesvorbehalt, S. 237 mit Verweis
darauf, dass es sich um eine zulässige innertatbestandliche Analogie handelt; Schönke/
Schröder/Hecker, § 1 Rn. 29 spricht von „legalisierter Analogie“; MüKo-StGB/Schmitz,
§ 1 Rn. 76 verortet die Problematik im Bereich des Bestimmtheitsgrundsatzes; NK-
StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 73 verweist darauf, dass ansonsten Sinn und Zweck der
exemplifizierenden Methode unterlaufen würde; Bindokat, JZ 1969, 541, 544 ff.; ein
Verstoß gegen ein an den Gesetzgeber adressiertes Analogieverbot bejahend: Zieschang,
Jura 1999, 561, 563 verweist auf eine Umgehung des Analogieverbotes; Roxin/Greco,
Strafrecht AT, S. 440; Fischer-StGB, § 46 Rn. 96a; zumindest angedeutet Blei, in: FS-
Heinitz, 1972, S. 419, 423; Maiwald, in: FS-Gallas, S. 137.
421 Insoweit widersprüchlich zu der Aussage, dass sich das Analogieverbot immer

nur an den Rechtsanwender richtet: vgl. Schuhr, ZIS 2012, 441, 442.
142 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

Daraus kann aber nicht zugleich ohne Weiteres geschlossen werden, dass sich
das Analogieverbot auch automatisch an die Legislative richtet. Analogien sind
ein Schlussverfahren in der Rechtsfindung. Wenn die Judikative in der Einzelfall-
entscheidung einen Ähnlichkeitsschluss zieht und in die Begründung aufnimmt,
dann kann ein solcher Verstoß festgestellt werden. Insofern können also Normen
als solche nicht gegen das Analogieverbot verstoßen, weil dazu ein Akt der
Rechtsfortbildung durch die Richter*innen erforderlich ist. Dennoch ist zuzuge-
ben, dass die gesetzliche Befugnis, eine Norm auf nicht gesetzlich geregelte Fälle
anzuwenden, unzulässig ist. Diese Unzulässigkeit ergibt sich aber ersichtlich
nicht aus einem an den Gesetzgeber adressierten Analogieverbot, sondern viel-
mehr aus der Unzulässigkeit der Aufgabenübertragung von der gesetzgebenden
Gewalt auf die rechtsprechende Gewalt. Diese Aufgabenübertragung ist, wie
noch zu zeigen sein wird, aber primär eine Frage des Grundsatzes der Gewalten-
teilung.422

4. Öffnungsklauseln als innertatbestandliche Analogien


und Umgehungsgesetze
Bei Öffnungsklauseln und deren Anwendung handelt es sich nicht um eine Ge-
setzesanalogie im klassischen Sinne. Das würde voraussetzen, dass der Gedanke
eines Gesetzes auf einen darin nicht geregelten Sachverhalt übertragen wird. Der
Fall ist bei Öffnungsklauseln allerdings anders gelagert. Hier hinterlässt der Ge-
setzgeber bewusst einen ungeregelten Bereich innerhalb eines Gesetzes und
schafft die Befugnis, die Norm auf nicht geregelte Fälle anzuwenden. Die Norm
ist auf Grundlage des gesetzgeberischen Willens gerade darauf ausgelegt, noch
nicht genauer bezeichnete Fälle zu erfassen und überträgt auf diese Weise eine
Aufgabe der Legislative auf die Judikative. Das Gesetz ist gerade auch dem
Wortlaut nach auf die Ausweitung des Anwendungsbereichs angelegt.423 Den-
noch hinterlässt die Norm regelungsfreie Bereiche. Solche Lücken, die eine Ana-
logie ermöglichen, kann es folglich nicht nur innerhalb einer Rechtsordnung,
sondern auch innerhalb eines Gesetzes geben. Demzufolge kann es auch inner-
halb eines solchen lückenhaften Gesetzes einen Analogieschluss geben.424 Diese
Möglichkeit der Lückenschließung innerhalb eines Gesetzes wird als innertat-
bestandliche Analogie425 oder auch als verschleierte Gesetzesumgehung426 be-

422 Siehe zur Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Grundsatz der Gewalten-

teilung Kap. D. VIII. 3.


423 Stöckel, Gesetzesumgehung und Umgehungsgesetze im Strafrecht, S. 143.
424 Wiedemeyer, Theoretische Begründung und praktische Durchführung des straf-

rechtlichen Analogieverbots, S. 5.
425 Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben, § 86a Rn. 4; Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 103

Abs. 2 Rn. 40; BT-Drucksache 16/3641, 14; Baumann/Eisele/Weber/Eisele, Strafrecht


Allgemeiner Teil, § 7 Rn. 22.
426 Stöckel, Gesetzesumgehung und Umgehungsgesetze im Strafrecht, S. 145; Bruns,

GA 1986, 1, 14; J. Vogel, in: Bausteine des europäischen Wirtschaftsstrafrecht, S. 151,


V. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Analogieverbot 143

zeichnet. Unter den Begriff der innertatbestandlichen Analogie fallen, neben an-
deren gesetzlichen Regelungen, insbesondere die Öffnungsklauseln im Straf-
recht.427 Diese ermöglichen gerade die Anwendung einer Norm über die konkret
genannten Handlungsweisen hinaus.
Dass der Gesetzgeber keine allgemeine Analogieerlaubnis erteilen darf, ist
unter den Befürwortern des Analogieverbotes unstreitig, unabhängig davon, was
unter einer Analogie genau verstanden wird.428 Daraus ergibt sich, dass gesetzge-
berisch angeordnete Analogiebefugnisse nicht unproblematisch sind, es kann aber
nicht zwingend geschlossen werden, dass solche Analogiebefugnisse immer und
überall unzulässig sind.

a) Vereinbarkeit einer innertatbestandlichen Analogie


mit dem Analogieverbot
Zum Teil wird die Verwendung von innertatbestandlichen Analogien im Straf-
recht begrüßt und deren Verwendung für unerlässlich befunden.429 Dabei handele
es sich lediglich um die Ermittlung des Willens des Gesetzgebers anhand eines
Analogieschlusses.430 Dies könne nicht allein aufgrund der Einstufung als wer-
tende Tätigkeit der Richter*innen abgelehnt werden. Denn auch die Auslegung
von Gesetzen stellt insbesondere bei normativen Begriffen eine wertende Tätig-
keit dar.431 Selbst wenn es sich beim methodischen Vorgehen im Rahmen der
Anwendung von innertatbestandlichen Analogien um einen Analogieschluss han-
dele, könne dieser nicht unzulässig sein, wenn dieser noch vom Wortlaut der
Norm erfasst werde.432 Außerdem handle es sich bei der innertatbestandlichen

151 ff., trotz unterschiedlicher Bezeichnung und unterschiedlicher Anknüpfungspunkte


wird damit die gleiche Problematik bezeichnet, der Einfachheit halber wird im nachfol-
genden die Bezeichnung innertatbestandliche Analogie verwendet; kritisch zur Bezeich-
nung, vgl. Schröder, Zum Begriff der Gesetzesumgehung im materiellen Strafrecht und
seiner Bedeutung für die praktische Anwendung des Rechts, S. 149 f.
427 So für den Fall von § 238 Abs. 1 Nr. 8 StGB, vgl. Mosbacher, NStZ 2007, 668;

BT-Drucksache 16/3641, 14, wobei die innertatbestandlichen Analogien hier als verfas-
sungsrechtlich zulässig erklärt werden; außerdem Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 103 Abs. 2
Rn. 40; aber auch verwendet in Bezug auf § 86a Abs. 2 S. 2 StGB, vgl. Schönke/Schrö-
der/Sternberg-Lieben, § 86a Rn. 4; Lackner/Kühl/Heger § 315 Rn. 6.
428 Eschelbach/Krehl, in: FS-Kargl, S. 81, 90.
429 Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 103 Abs. 2 Rn. 40; M. E. Mayer, Der Allgemeine Teil

des deutschen Strafrechts, S. 27, weist aber auch darauf hin, dass es Abgrenzungs-
schwierigkeiten bei der Unterscheidung einer Analogie intra legem und praeter legem
geben kann; so im Ergebnis wohl auch Kratzsch, GA 1971, 65, 74; Obermann, Gefähr-
liche Eingriffe in den Straßenverkehr, S. 166 f.
430 M. E. Mayer, Der Allgemeine Teil des deutschen Strafrechts, S. 27.
431 Wiedemeyer, Theoretische Begründung und praktische Durchführung des straf-

rechtlichen Analogieverbots, S. 17.


432 Wiedemeyer, Theoretische Begründung und praktische Durchführung des straf-

rechtlichen Analogieverbots, S. 19.


144 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

Analogie schon ohnehin nicht um eine Analogie, sondern immer nur um eine
Form der Auslegung.433 Des weiteren müsse dem Gesetzgeber die Verwendung
einer innertatbestandlichen Analogie gestattet sein, wenn ihm auch die Verwen-
dung von Generalklauseln möglich sei. Denn auch dort sei eine wertende Tätig-
keit des Rechtsanwenders erforderlich.434 Überdies sei ein Verstoß gegen das
Analogieverbot nur dann anzunehmen, wenn die Rechtsfindung anhand eines
Ähnlichkeitsschlusses außerhalb der Norm vorgenommen werde.435
Diese Ansicht greift allerdings zu kurz. Sie übersieht, dass auch nicht jede Ge-
neralklausel ohne Weiteres verwendet werden kann. Auch dieser sind verfas-
sungsrechtliche Grenzen gesetzt. Außerdem besteht ein bereits aufgezeigter Qua-
litätsunterschied zwischen Öffnungsklauseln und Generalklauseln.436 Überdies
muss beachtet werden, dass auch für die innertatbestandliche Analogie437 bzw.
die Lückenschließung intra legem Art. 103 Abs. 2 GG die äußere Grenze zieht.
Grundsätzlich ist man hier aber auch auf die Gesetzesauslegung durch Rich-
ter*innen angewiesen.438 Die Entscheidung, ob eine Handlung vergleichbar
i. S. v. gleichwertig ist, bedarf auch immer einer Wertentscheidung der Rechtsan-
wender*innen, es handelt sich infolgedessen immer um eine subjektiv geprägte
Entscheidung.439 Eine solche Wertung trägt gezwungenermaßen einen Unsicher-
heitskoeffizienten in sich. Dies spricht dafür, dass das in Art. 103 Abs. 2 GG
normierte Analogieverbot sich auch auf die innertatbestandliche Analogie be-
zieht. Das Analogieverbot will gerade verhindern, dass Menschen für ein Verhal-
ten bestraft werden, dessen Sanktionierung sich nicht aus dem Gesetz selbst er-
gibt und infolgedessen nicht vorhersehbar war. Es ist außerdem zu beachten, dass
bei innertatbestandlichen Analogien die Gefahr einer uneinheitlichen Rechtsan-
wendung besonders hoch ist und die Konturen der Gesetze unklarer werden, weil
auch hier die Rechtsanwender*innen und nicht der Gesetzgeber über die Straf-
barkeit entscheiden.440

433 Krey, Studien zum Gesetzesvorbehalt im Strafrecht, S. 223 f.


434 Obermann, Gefährliche Eingriffe in den Straßenverkehr, S. 166 f.
435 Krey, Studien zum Gesetzesvorbehalt im Strafrecht, S. 223 f.
436 Siehe dazu in dieser Arbeit Kap. B. II.
437 Wenn Kirsch empfiehlt, statt vom Begriff des Analogieverbotes von einer Ab-

grenzung zwischen „erlaubter Rechtsanwendung intra legem und verbotener Rechtsan-


wendung prater legem“ zu sprechen, legt dies den Verdacht nahe, dass Kirsch damit
eine innertatbestandliche Analogie für zulässig hält, vgl. Kirsch, Zur Geltung des Ge-
setzlichkeitsprinzips im Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuchs, S. 174; soweit ersicht-
lich erstmals bei M. E. Mayer, Der Allgemeine Teil des deutschen Strafrechts, S. 27.
438 Noll, JZ 1963, 297.
439 Wiedemeyer, Theoretische Begründung und praktische Durchführung des straf-

rechtlichen Analogieverbots, S. 15 f.
440 Zustimmend: Baumann/Weber/Mitsch/Eisele/Eisele, Strafrecht AT, § 7 Rn. 22;

im Ergebnis dennoch die exemplifizierende Methode befürwortend Noll, JZ 1963, 297,


300 f.
V. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Analogieverbot 145

Dem wird entgegengehalten, dass heute weniger die Rechtssicherheit als viel-
mehr das erhöhte Bedürfnis nach Gerechtigkeit von Bedeutung ist.441 Demzu-
folge stehen auch Regelbeispiele und andere innertatbestandliche Analogien, wie
Öffnungsklauseln, im Einklang mit Art. 103 Abs. 2 GG. Dies ergibt sich auch
daraus, dass die Anweisung zur analogen Anwendung vom Gesetzgeber selbst
kommt.442 Es handelt sich dabei um eine durch den Gesetzgeber „legalisierte
Analogie“443 Außerdem soll die den Öffnungsklauseln vorgelagerte exemplifizie-
rende Methode gerade genaue Argumentationsspielräume vorgeben.444
Überdies wird im Rahmen der Regelbeispiele445 eine solche Art der Gesetzge-
bung und die dort verwendete innertatbestandliche Analogie für zulässig erach-
tet.446 Die gilt zumindest für die Vereinbarkeit mit dem Analogieverbot. Infolge
der grundsätzlich kasuistischen Gesetzesfassung kombiniert mit einer General-
klausel im Rahmen der Regelbeispiele soll die Möglichkeit der innertatbestand-
lichen Analogie einen flexibleren Umgang mit dem Strafmaß ermöglichen, um
zu vermeintlich gerechteren Ergebnissen zu kommen.447 Der Gefahr ausschwei-
fender Wertungsspielräume für den Rechtsanwender werde durch die Eingren-
zung anhand der genannten Regelbeispiele begegnet.448 Ohnehin sei in diesen
Fällen das Analogieverbot nicht einschlägig, da es sich bei den Voraussetzungen
der Strafzumessungsregeln nicht um Tatbestandsmerkmale handele und mithin
nur die Strafzumessung und nicht die Entscheidung über die Strafbarkeit als sol-
che geregelt werde.449 Es handele sich folglich um einen „zulässigen Analogie-
schluss“.450 Dass aber auch die Handhabung dieser gerade nicht geregelten Fälle

441 „Bei Schaffung des StGB wurde dem Gedanken der Rechtssicherheit eine wesent-

lich größere Bedeutung beigemessen als heute“, vgl. Schönke/Schröder/Hecker, § 1,


Rn. 29.
442 Schönke/Schröder/Hecker, § 1 Rn. 29; LK-StGB/Dannecker, § 1 Rn. 270.
443 LK-StGB/Dannecker, § 1 Rn. 29.
444 LK-StGB/Dannecker, § 1 Rn. 271.
445 Zur Regelbeispielstechnik im Strafrecht vgl. Blei, in: FS-Heinitz, 2017, S. 419;

zur Diskussion über die Anwendung der Regelbeispielstechnik bei Qualifikationstatbe-


ständen vgl. Dietmeier, ZStW 110 (1998), 393; Wessels, FS-Maurach, S. 295.
446 Kaufmann, Analogie und „Natur der Sache“, S. 28; Krey, Studien zum Gesetzes-

vorbehalt im Strafrecht, S. 237; Wessels, in: FS-Maurach, S. 295, 300; Noll, JZ 1963,
297, 301, ohne nähere Begründung; Arzt, JuS 1972, 515, wenn sich der Analogieschluss
nur auf einzelne Tatbestandsmerkmale bezieht; NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 73,
der diese Regelungstechnik schon gar nicht als vom Analogieverbot betroffen sieht; ab-
lehnend Calliess, NJW 1998, 929, 935, der einen Verstoß gegen das Analogieverbot nur
durch eine verfassungskonforme Auslegung der Regelbeispiele erreicht, die wiederum
keine Anwendung der Regelbeispiele über die gesetzlich ausdrücklich geregelten Fälle
ermöglicht.
447 Maiwald, NStZ 1984, 433.
448 Maiwald, NStZ 1984, 433, 434.
449 Wessels, in: FS-Maurach, S. 295, 300.
450 Wessels, in: FS-Maurach, S. 295, 300.
146 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

unklar sein kann, zeigt sich bereits daran, dass die Anwendung der sog. unbe-
nannten besonders schweren Fälle in besonderem Maße von der richterlichen
Wertung abhängig ist. Auch bei diesen wird eine vergleichbare exemplifizierende
Methode genutzt, die eine erhöhte Wertungskomponente für die Judikative ent-
hält.451 Denn die Fassung der Regelbeispiele ermöglicht es, nicht genannte, aber
vergleichbare Fälle ebenso zu erfassen, sodass es bereits hier zu einer uneinheit-
lichen Rechtsanwendung kommen kann. Auf diese Weise verschwimmen die
Konturen der Gesetzesanwendung, was eine erhöhte Rechtsunsicherheit zur
Folge hat. Denn es herrscht bereits Uneinigkeit darüber, ob die Annahme eines
unbenannten besonders schweren Falles durch eine „Gesamtabwägung besonders
schwerer Umstände“452 begründet werden kann oder ob die Tatumstände zumin-
dest dem „Sinn“453 der zuvor genannten Regelbeispiele entsprechen muss. Dieser
Konflikt legt zumindest nahe, dass sich diese Unsicherheit in der Rechtsanwen-
dung auch im Rahmen von Öffnungsklauseln zeigt. Diese resultiert aber erkenn-
bar aus der Aufgabenverlagerung auf die Judikative, die Strafbarkeit von Verhal-
tensweisen abschließend selbst zu bestimmen.
Deutlich wird, dass sich hier eine mit dem Analogieverbot vergleichbare Kon-
fliktlage zeigt: In beiden Fällen ist eine Bestrafung nur aufgrund des Ähn-
lichkeitsschlusses möglich, was eine Erkennbarkeit des strafbaren Verhaltens
einschränkt. Kennzeichnend für Öffnungsklauseln ist aber, dass hier die Aufforde-
rung zu einem Ähnlichkeitsschluss vom Gesetzgeber selbst vorgenommen wird.
Der Kritik am Einsatz von innertatbestandlichen Analogien ist zuzugeben, dass
bereits unklar ist, ob heute wirklich das Interesse nach gerechten Entscheidungen
im Einzelfall dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit und der Einhaltung der Ge-

451 MüKo-StGB/Schmitz, § 234 Rn. 7; Schönke/Schröder/Bosch, § 234 Rn. 42a, bei

der Anwendung ist bereits umstritten, inwieweit die Indizwirkung der Regelbeispiele
durch eine Gesamtwürdigung von Unrecht und Schuld widerlegt werden kann; Wessels,
in: FS-Maurach, S. 295, 301; Maiwald, NStZ 1984, 433, 439.
452 Auf eine Gesamtwürdigung stellt insbesondere die Rechtsprechung ab, vgl. exem-

plarisch BayObLG, Beschl. v. 13.03.1980 – RReg. 1. St 535/79 = NJW 1980, 2207;


OLG Stuttgart, Beschl. v. 29.10.1984 – 1 Ss 672/84; OLG Dresden, Beschl. v. 12.03.
2015 – 2 OLG 22 Ss 14/15 = NStZ-RR 2015, 211, 212; Maiwald, in: FS-Gallas, S. 158,
mit Verweis auf die daraus erwachsenden Konsequenzen, etwa dass auch das Vorliegen
von Vorstrafen zur Annahme eines besonders schweren Falles herangezogen werden
kann; Fischer-StGB, § 46 Rn. 89, 93, spricht Regelbeispielen auch eine sog. „Analo-
giewirkung“ zu; außerdem exemplarisch zu unbenannten besonders schweren Fällen,
vgl. Fischer-StGB, § 243 Rn. 23.
453 So zumindest MüKo-StGB/Schmitz, § 234 Rn. 61, der auf diesem Wege sicher-

stellen will, dass die gesetzgeberische Wertung Einzug in die Einzelfallentscheidung


findet; ebenso Schönke/Schröder/Eser/Bosch, § 234 Rn. 42a, der auch ausdrücklich
von einer Analogie spricht; Wessels, in: FS-Maurach, S. 295, 303 f., der darauf verweist,
ob sich die Tat anhand eines konkreten Schlagwortes typisieren lässt; ebenfalls kritisch
Otto, JZ 1985, 21, 24.
V. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Analogieverbot 147

waltenteilung überwiegt.454 Selbst wenn das der Fäll wäre, müsste der Gesetzge-
ber dieser Entwicklung durch eine Verfassungsänderung Rechnung tragen. Es ist
hingegen nicht Aufgabe des einfachen Rechts, die Entwicklungen in Bezug auf
eine verfassungsrechtliche Vorschrift umzusetzen, ohne dass dabei verletzte ver-
fassungsrechtliche Vorschriften geändert werden.455 Einschränkend kann nur kol-
lidierendes Verfassungsrecht wirken. Hier könnte die Effektivität der Strafverfol-
gung in Betracht kommen.456 Die Grundlage des Grundsatzes befindet sich aber
weniger im materiellen Strafrecht als vielmehr im Strafprozessrecht.457 Auch ist
hier zweifelhaft, ob diese Art der Gesetzgebung durch eine Erweiterung des An-
wendungsbereich wirklich zu mehr Effektivität führen würde, zumal sich das Ge-
bot in erste Linie auf die konkrete Strafverfolgung von Taten bezieht und weniger
auf die Schaffung von Straftatbeständen.458 Anzudenken wäre, ob nicht vielmehr
ein „weniger“ an Strafrecht zu einer Effizienzsteigerung führen könnte.459 Dem-
zufolge kann die Effektivität der Strafrechtspflege nicht pauschal, ohne Nachweis
einer tatsächlichen Effizienzsteigerung, als kollidierendes Verfassungsrecht her-
angezogen werden. Ein Bedarf an mehr Flexibilität kann den Einsatz innertatbe-
standlicher Analogien nicht begründen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass innertat-
bestandliche Analogien einen Verstoß gegen das Analogieverbot darstellen.
Wenn, wie oben bereits dargestellt, eine Bindung des Gesetzgebers an das
Analogieverbot nicht angenommen wird, dann resultiert daraus auch, dass ein
Verstoß der gesetzlichen Anordnung, wie sie auch bei Öffnungsklauseln vorge-
nommen wird, nicht gegen das Analogieverbot verstoßen kann. Daraus wiederum
folgt aber nicht, dass der Einsatz von Öffnungsklauseln verfassungsrechtlich voll-
umfänglich unbedenklich ist.

454 So aber Schönke/Schröder/Hecker, § 1 Rn. 29, unter Verweis darauf, dass der Ge-
setzgeber in der Vergangenheit alle Straferhöhungsgründe abschließend regelte und nun
durch Regelbeispiele den Spielraum der Gerichte zugunsten der Einzelfallgerechtigkeit
erhöht hat, ob daraus aber von einer Werteverschiebung von Rechtssicherheit in Rich-
tung der Einzelfallgerechtigkeit ausgegangen werden kann, ist zumindest zweifelhaft.
455 Ransiek, in: FS-Tiedemann, S. 171, 184.
456 Die Rechtsprechung sieht in dessen Gewährleistung einen Grundsatz von Verfas-

sungsrang, der sich aus Art. 2 Abs. 1 und Art. 1 Abs. 1 GG ergibt, vgl. dazu BVerfG,
Beschl. v. 01.10.1987 – 2 BvR 1434/86 = BVerfGE 77, 65 = NJW 1988, 329; aus der
jüngsten Rechtsprechung vgl. BVerfG, Beschl. v. 15.01.2020 – 2 BvR 1763/16 = NJW
2020, 675
457 Soweit ersichtlich erstmals und mit ausdrücklichem Verweis auf die Strafverfah-

rensziele: BVerfG, Beschl. v. 19.07.1972 – 2 BvL 7/71 = BVerfGE 33, 367, 383 = NJW
1972, 2214.
458 Vgl. dazu insbesondere innerhalb dieser Arbeit Kap. B.; vgl. dazu BVerfG,

Beschl. v. 15.01.2020 – 2 BvR 1763/16 = NJW 2020, 675, 677: „Die verfassungsrecht-
liche Verpflichtung zu effektiver Strafverfolgung bezieht sich auf das Tätigwerden aller
Strafverfolgungsorgane.“
459 So wohl auch P.-A. Albrecht, KritV 1996, 330, 332 ff. mit Vorschlägen zur Entkri-

minalisierung.
148 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

b) Konsequenz für den Einsatz von Öffnungsklauseln im Strafrecht


Schon der Begriff der innertatbestandlichen Analogie ist – zumindest in Hin-
blick auf die Verwendung von Öffnungsklauseln – irreführend. Es wird gerade
ein Sachverhalt auf die Norm angewendet, der eben nicht vom regulären Wort-
laut erfasst ist, sondern erst durch die Öffnung eben jener, die bewusst durch den
Gesetzgeber angeordnet wurde.460 Ein eigentlich außerhalb des kasuistisch ge-
fassten Teils des Tatbestandes liegender Sachverhalt wird unter die Norm sub-
sumiert bzw. subsumierbar gemacht.
Dennoch wird vertreten, dass es sich bei Öffnungsklauseln schon begrifflich
nicht um einen Fall einer analogen Rechtsanwendung handele und folglich auch
kein Verstoß gegen das Analogieverbot – auch nicht in modifizierter Form – vor-
liegen könne.461 Die analoge Anwendung fordert immer eine planwidrige Rege-
lungslücke462 und an einer solchen Planwidrigkeit fehlt es gerade. Der Gesetzge-
ber hat in solchen Fällen bewusst einen ungeregelten Bereich hinterlassen. Es
fehlt auch an der für die Analogie kennzeichnenden Überschreitung des Wortlau-
tes, da hier der Wortlaut der Norm gerade keine Beschränkung darstellt.463 Au-
ßerdem wird in diesen Fällen nur der Regelungsbereich einer Norm durch einen
Vergleichsschluss konkretisiert. Die Konkretisierung findet folglich innerhalb des
Regelungsrahmens statt und somit liegt kein Fall verbotener Analogien vor.464
Vielmehr besteht aufgrund der enumerativen Aufzählung eine erhöhte Bindung
der Rechtsanwender*innen.465
Zunächst kann festgestellt werden, dass es sich bei den für Öffnungsklauseln
typischen Formulierungen um eine Aufforderung an die Rechtsprechung handelt,
bei Bedarf einen Ähnlichkeitsschluss zu ziehen, der über die explizit genannten
Verhaltensweisen hinausgeht. Das ergibt sich bereits aus der Bezeichnung „Öff-
nungsklauseln“.466 Wenn ein Tatbestand für vergleichbare Handlungen geöffnet
wird, dann wird er gerade für einen Ähnlichkeitsschluss geöffnet, der die Anwen-
dung bei zuvor gesetzlich nicht geregelten Fällen ermöglicht. Folglich handelt es

460 So im Ergebnis auch Kirsch, Zur Geltung des Gesetzlichkeitsprinzips im Allge-

meinen Teil des Strafgesetzbuchs, S. 192, wenn er davon spricht, dass der „Gesetzgeber
den Rechtsanwender nicht seinerseits zur Analogie ermächtigen darf“.
461 Im Ergebnis Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, 24 ff., der so ge-

fasste Normen (zumindest für den Bereich der Normen des BGB) unter den Bereich der
Rechtsfindung secundum legem einordnet; NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 70b.
462 LK-StGB/Dannecker, § 1 Rn. 252; Schönke/Schröder/Hecker, § 1 Rn. 25; Cana-

ris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, S. 24; Larenz, Methodenlehre der Rechts-
wissenschaften, S. 381 f.
463 Schick, in: FS-Walter, S. 625, 74 f.; Kirsch, Zur Geltung des Gesetzlichkeitsprin-

zips im Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuchs, S. 193.


464 Krey, Studien zum Gesetzesvorbehalt im Strafrecht, S. 225; Eschelbach/Krehl, in:

FS-Kargl, S. 81, 87.


465 Ransiek, FS-Tiedemann, S. 171, 184.
466 So auch Klug, Juristische Logik, S. 114.
V. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Analogieverbot 149

sich bei der Anwendung von Öffnungsklauseln auf den konkreten Einzelfall tech-
nisch auch um eine analoge Rechtsanwendung, auch wenn diese innerhalb des
Tatbestandes erfolgt.467 Daraus folgt aber nicht zugleich, dass die gesetzliche Re-
gelung automatisch auch gegen das Analogieverbot verstößt.
Der zuvor angebrachte Verweis auf die fehlende Regelungslücke kann zwar
nicht überzeugen,468 führt aber auch nicht ohne Weiteres zu einem Verstoß gegen
das Analogieverbot. Die Regelungslücke bildet nur dort die Voraussetzungen für
die Anwendung einer Analogie, wo eine solche nicht von vorneherein durch das
Grundgesetz ausgeschlossen ist. Im Strafrecht sind keine Analogien möglich. Die
planwidrige Regelungslücke ist gerade nur Voraussetzung einer wirksamen Ana-
logie in anderen Rechtsbereichen und kein Kennzeichen der Analogie als solche.
Analogien kann es auch außerhalb dieser Voraussetzungen geben. Dies führt nur
zur Unwirksamkeit des Ähnlichkeitsschlusses. Dadurch bedarf es auch nicht der
Voraussetzungen einer planwidrigen Regelungslücke und einer vergleichbaren
Interessenlage.
Gegen einen Verstoß von innertatbestandlichen Analogien gegen das Analogie-
verbot wird auch vorgebracht, dass hier konsequenterweise nichts anderen gelten
könne als für die Bewertung der Regelbeispiele, da es sich auch bei Öffnungs-
klausel um die Verwendung eben jener Regelbeispielstechnik handele.469 Ein
solch pauschaler Verweis auf die Vereinbarkeit von Regelbeispielen mit dem
Analogieverbot kann allerdings nicht überzeugen. Zum einen handelt es sich bei
Regelbeispielen und Öffnungsklauseln um unterschiedliche Regelungsbereiche.
Zum anderen ist, wie bereits dargelegt, auch umstritten, ob die Regelbeispiels-
technik einen Verstoß gegen das Analogieverbot darstellt.
Zum Teil wird die Zulässigkeit der innertatbestandlichen Analogie in Form
von Öffnungsklauseln daran angeknüpft, ob der restliche Gesetzeswortlaut eine
ausreichende Grundlage für eine gesicherte Auslegung bietet.470 Das setzt vor-
aus, dass die anderen beschriebenen Handlungsweisen untereinander Ähnlich-
keiten aufweisen, damit überhaupt aufgrund des gesamten Wortlautes ein ana-
logisches Schlussverfahren möglich ist.471 Die Problematik der Öffnungsklauseln

467 So auch Jescheck, in: Niederschriften über die Große Strafrechtskommission,

S. 268; angedeutet auch Rackow, GA 2008, 552, 565.


468 So im Ergebnis auch Kirsch, Zur Geltung des Gesetzlichkeitsprinzips im Allge-

meinen Teil des Strafgesetzbuchs, S. 193, wenn er dann aber auf die sprachlich-geset-
zestechnisch möglichen Grenzen verweist, verkennt er dabei, dass es sich um ein Prob-
lem des Bestimmtheitsgrundsatzes handelt.
469 Maiwald, NStZ 1984, 433, 434 f., der von einer zwingenden, aber nicht abschlie-

ßenden Aufzählung spricht.


470 So auch im Ergebnis Greco, GA 2012, 452, 466, der darauf abstellt, ob das Öff-

nungsmerkmal „genügend eigenständige Merkmale enthält“, sodass allein darunter sub-


sumiert werden kann. Im Ergebnis lehnt Greco die Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln
mit dem Analogieverbot ab.
471 Kühl, in: FS-Seebode, S. 61, 71.
150 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

liegt aber weniger in einer fehlenden Vorhersehbarkeit oder fehlenden Orientie-


rungsgrundlage als in der gesetzgeberischen Anordnung an sich.
Es findet hier gerade eine bewusste Aufgabenverlagerung der Legislative auf
die Judikative statt. Auf diese Weise berühren Öffnungsklauseln, wie aufgezeigt,
zumindest Teilaspekte des Analogieverbotes. Das Analogieverbot dient gerade
auch der Sicherung des Grundsatzes der Gewaltenteilung und der Gesetzesbin-
dung. Es soll gerade verhindern, dass die abstrakte Entscheidung über strafbares
Verhalten von den Rechtsanwender*innen selbst getroffen werden und sie damit
eine ureigene Aufgabe der Legislative wahrnehmen. Vielmehr soll das strafbare
Verhalten abschließend in den vom Gesetzgeber geschaffenen Tatbeständen zum
Ausdruck kommen.
Es handelt sich bei Öffnungsklauseln um die Befugnis des Gesetzgebers, in-
nertatbestandliche Analogien zu bilden. Diese Art der Gesetzgebung verstößt
nicht gegen das Analogieverbot, dass sich seinem Sinn und Zweck nach an die
Judikative richtet und nicht an die Legislative. Dennoch berühren Öffnungsklau-
seln das Analogieverbot insoweit, als der Gesetzgeber hier die Möglichkeit eines
Ähnlichkeitsschlusses anordnet. Die Rechtsanwender*innen wird gesetzgeberisch
gestattet, auch solche Fälle unter die Norm zu subsumieren, die vom Gesetzgeber
nicht in das Gesetz aufgenommen wurden. Es fehlt insoweit an einer Legitima-
tionskette zwischen Norm und Einzelfallentscheidung, weil es bereits an einem
vom Gesetzgeber geäußerten Willen fehlt bzw. sich dessen Wille in der (unzu-
lässigen) Aufgabenübertragung erschöpft.472 Auf diese Weise ist der Grundsatz
der Gewaltenteilung verletzt, dessen Schutz auch das Analogieverbot dient. Das
Analogieverbot ist mangels Adressierung an den Gesetzgeber hingegen nicht
verletzt.
5. Gesamtergebnis

Als verfassungsrechtlich normierter Grundsatz kommt dem Analogieverbot


des Art. 103 Abs. 2 GG eine erhebliche Bedeutung zu. Durch die primäre Funk-
tion der Bindung der Richter*innen an das geschriebene Recht, garantiert das
Verbot der analogen Gesetzesanwendung Rechtssicherheit für die Bürger*innen
und auch dient es der Aufrechterhaltung der Gewaltenteilung, indem es die Be-
fugnis zur Rechtsfortbildung einschränkt.
Auch wenn die Abgrenzung bzw. das Verhältnis zwischen unzulässiger Analo-
gie und zulässiger Gesetzeskonkretisierung umstritten ist, kann hier festgehalten
werden, dass es zumindest aus einer pragmatischen Sicht eine solche Unterschei-
dung gibt: Danach kann es dahinstehen, ob es für diese Unterscheidung auf den
Wortlaut oder den Sinn und Zweck ankommt. Vielmehr ist für die vorliegende

472 Siehe dazu innerhalb dieser Arbeit Kap. D. VIII.


V. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Analogieverbot 151

Untersuchung entscheidend, dass ein solcher Unterschied im Rahmen der richter-


lichen Argumentation ausgemacht werden kann. Danach macht es einen Unter-
schied, ob die Entscheidung, einen Fall unter eine Norm zu subsumieren richter-
lich mit einer Konkretisierung der Norm begründet wird, oder damit, dass die
Norm auf vergleichbare Fälle angewendet wird, denn das Analogieverbot verbie-
tet gerade einen täterbelastenden Ähnlichkeitsschluss. Es gibt also zumindest auf
dieser Ebene einen erkennbaren Unterschied zwischen der Konkretisierung von
Normen und Analogien. Daraus ergibt sich, dass es einen Unterschied macht,
ob der Gesetzgeber Generalklauseln verwendet oder einen Ähnlichkeitsschluss
ermöglicht. Dennoch ist zu beachten, dass sich das Analogieverbot mit seiner
Schutzfunktion des Gewaltenteilungsgrundsatzes nicht an den Gesetzgeber rich-
tet, sondern an die Rechtsanwender*innen.
Bei Öffnungsklauseln handelt es sich um eine sog. innertatbestandliche Analo-
gie, die einen Vergleichsschluss innerhalb eines Tatbestandes vorsieht. Die ge-
setzlich angeordnete Befugnis, die Norm auch auf vergleichbare Fälle anzuwen-
den, stellt keinen Verstoß gegen das Analogieverbot dar.
Vielmehr entsteht auch hier der Konflikt auch hier an einer anderen Stelle:
Diese Legislativentscheidung ordnet gesetzlich eine Anwendung der Norm auf
nicht näher geregelte Fälle an. Die Legislative gibt eine, über die gewöhnliche
Konkretisierung des Rechts, hinausgehende Möglichkeit zur Rechtsschaffung. In-
soweit überträgt die Legislative eine ihrer Kernaufgaben an die Judikative und
bietet ihr in besonderem Maße die Möglichkeit zur Korrektur und Fortentwick-
lung des Rechts. Es fehlt insoweit an einer Legitimationskette zwischen Norm
und Einzelfallentscheidung, weil es bereits an einem vom Gesetzgeber geäußer-
ten Willen fehlt. Auf diese Weise berühren Öffnungsklauseln insbesondere die
dem Analogieverbot zugrunde liegenden Schutzgüter, wie den Gewaltenteilungs-
grundsatz und den Grundsatz der Gesetzesbindung. Eine einfachgesetzliche Re-
gelung umgeht so die im Gewaltenteilungsgrundsatz zum Ausdruck kommende
Grundsatzentscheidung, dass die Entscheidung über die Strafbarkeit von Verhal-
tensweisen vom Gesetzgeber geschaffen werden muss und auch Gerechtigkeitser-
wägungen im Einzelfall die Kompetenz nicht auf die Judikative verlagern kann.
Diese Wertentscheidung wirkt im Analogieverbot fort.
An der hier betroffenen Stelle überschneiden sich auch das Analogieverbot
und der Grundsatz der Gesetzesbindung: Denn gerade in diesem Bereich der
Kompetenzverschiebung zwischen Judikative und Legislative verstärkt das Ana-
logieverbot diesen Grundsatz der Gesetzesbindung. Dabei erscheint der Grund-
satz der Gesetzesbindung strenger als das Analogieverbot: Nicht jede Überschrei-
tung der Gesetzesbindung muss zwingend einen Verstoß gegen das Analogiever-
bot darstellen.
Öffnungsklauseln verstoßen somit nicht generell gegen das Analogieverbot des
Art. 103 Abs. 2 GG.
152 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

VI. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln


mit dem Rückwirkungsverbot
Neben dem Grundsatz der Gesetzesbestimmtheit und dem Analogieverbot ent-
hält Art. 103 Abs. 2 GG auch eine Regelung in Bezug auf die zeitliche Kompo-
nente der Strafbestimmung.473 Das Rückwirkungsverbot ergibt sich direkt aus
dem Wortlaut des Art. 103 Abs. 2 GG und wird durch § 2 StGB konkretisiert.
Danach kann eine Bestrafung nur aus einer Norm erfolgen, die bestand „bevor
die Tat begangen wurde“.474 Es richtet sich nach Sinn und Zweck (dazu unter 1.)
zuvorderst an den Gesetzgeber (dazu unter 2.) und verbieten es dem Gesetzgeber,
ein in der Vergangenheit liegendes Verhalten nachträglich unter Strafe zu stellen.
Öffnungsklauseln stellen nicht ausdrücklich ein in der Vergangenheit liegendes
und zum damaligen Zeitpunkt noch nicht strafbares Verhalten unter Strafe, so-
dass ein Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot seinem klassischen Verständnis
nach augenscheinlich ausscheidet. Allerdings kann die Anwendung einer Öff-
nungsklausel auf den konkreten Einzelfall dazu führen, dass ein Verhalten be-
straft wird, dessen Strafbarkeit zum Zeitpunkt der Tatbegehung (noch) nicht er-
kennbar war. Dadurch entsteht eine vergleichbare Konfliktlage wie bei der klassi-
schen Anwendung des Rückwirkungsverbotes. Um einen Verstoß zu begründen,
müsste das Rückwirkungsverbot (analog) auch auf die Rechtsprechung anwend-
bar sein (dazu unter 3.), was wiederum eine planwidrige Regelungslücke (dazu
unter 3. b) aa)) und eine vergleichbare Interessenlage voraussetzt (dazu unter 3. b)
bb)). Im Gegensatz zum klassischen Rückwirkungsverbot kann der Problematik
einer rückwirkenden Rechtsprechungsänderung durch die Anwendung der sog.
„von-nun-an“-Rechtsprechung begegnet werden (dazu unter 3. d)). Dieser Lö-
sungsansatz kann auch auf die erstmalige Anwendung von Öffnungsklauseln
übertragen werden (dazu unter 3. d) bb).

1. Sinn und Zweck des Rückwirkungsverbotes


Anders als das allgemeine Rückwirkungsverbot aus Art. 2 Abs. 1 i.V. m. Art. 20
Abs. 3 GG ist das Rückwirkungsverbot des Art. 103 Abs. 2 GG keiner Abwä-
gung zugänglich und in seiner Schutzwirkung grundsätzlich absolut.475 Das wie-

473 Wolff, in: Handbuch der Grundrechte, § 134 Rn. 104 ff.; historisch zum Rückwir-

kungsverbot vgl. Schöckel, Die Entwicklung des strafrechtlichen Rückwirkungsverbotes


bis zur französischen Revolution, S. 55.
474 Maunz/Dürig/Remmert, Art. 103 Abs. 2 Rn. 32.
475 Maunz/Dürig/Remmert, Art. 103 Abs. 2 Rn. 122; BVerfG, Urt. v. 05.02.2004 –

2 BvR 2029/01 = BVerfGE 109, 133, 172 = NJW 2004, 739; Dreier/Schulze-Fielitz,
Art. 103 Abs. 2 Rn. 50 f.; Sodan, Art. 103 Rn. 22; problematisch ist die Absolutheit des
Rückwirkungsverbotes insbesondere im Bereich der Aufarbeitung systematischen Un-
rechts, vgl. dazu Alexy, Mauerschützen, S. 30 ff.; Sachs/Degenhart, Art. 103 Rn. 74; aus-
führlich Mangoldt/Klein/Starck/Nolte/Aust, Art. 103 Rn. 121 ff.; Jarass/Pieroth/Kment/
Kment, Art. 103 Rn. 74; Bonner-Kommentar GG/Pohlreich, Art. 103 Abs. 2 Rn. 107;
VI. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Rückwirkungsverbot 153

derum bedeutet, dass das Rückwirkungsverbot nicht aufgrund von Erwägungen


zur materiellen Gerechtigkeit umgangen werden kann.476 Anders als die anderen
Garantien des Art. 103 Abs. 2 GG wird das Rückwirkungsverbot nicht durch das
Demokratieprinzip legitimiert, sondern durch die Rechtsicherheit der Bür-
ger*innen, die sich wiederum aus dem Rechtsstaatsprinzip ableitet.477
Diesem strengeren Rückwirkungsverbot können zwei Schutzrichtungen ent-
nommen werden: Zum einen dient das Rückwirkungsverbot dem Schutz vor ei-
ner Bestrafung für eine Handlung, die zum Zeitpunkt der Tatbegehung noch
nicht durch ein Strafgesetz mit Strafe bedroht war, sorgt damit für eine Berechen-
barkeit staatlichen Strafens und trägt damit augenscheinlich auch dem Straf-
zweck der positiven Generalprävention Rechnung.478 Zum anderen wird aber die
Person, die gegen ein Strafgesetz, das zum Tatzeitpunkt bereits in Kraft getreten
war, auch davor geschützt, dass die Tat mit einer höheren Strafe sanktioniert
wird, als dies zum Tatzeitpunkt gesetzlich vorgesehen war.479 Entscheidend ist,
ob die Bürger*innen ihr Verhalten „eigenverantwortlich so ein[. . .]richten kön-
nen, dass es nicht zu einer Bestrafung kommt“.480 Dafür ist es essentiell, dass die
Strafbarkeit zeitlich vor der Tatbegehung normiert war.481 In Bezug auf diese
Dimension kommt es also nicht auf den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges
sondern auf die Ausführungshandlung an.482 Das damit verbundene Verbot der
nachträglichen Erhöhung des Strafrahmens wird unter anderem damit begründet,
dass die Steuerungsfähigkeit von Strafnormen auch mit der konkreten Ausgestal-
tung der Sanktion zusammenhängt.483 Auf ein tatsächlich getätigtes Vertrauen

Stern/Becker-GG/Brüning, Art. 103 Rn. 79, der darauf verweist, dass die Absolutheit
nur für das materielle Recht gilt; Wolff-GG/Wolff, 103 Abs. 2 Rn. 17; Sachs/Degenhart,
Art. 103 Rn. 71.
476 Maunz/Dürig/Remmert, Art. 103 Abs. 2 Rn. 122, 133 ff.; Bonner-Kommentar

GG/Pohlreich, Art. 103 Abs. 2 Rn. 107; Wolff, in: Handbuch der Grundrechte, § 134
Rn. 102, der auch eine Anwendung bei Verstößen gegen das Völkerrecht ablehnt;
ebenso: Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 103 Abs. 2 Rn. 52.
477 Jescheck/Weigend, Lehrbuch des Strafrechts, S. 138; Straßburg, ZStW 82 (1970),

948, 956.
478 Zur Berechenbarkeit siehe auch Ranft, JuS 1992, 468, 470.
479 Erstmals BVerfG, Beschl. v. 26.02.1969 – 2 BvL 15, 23/68 = BVerfGE 25, 269,

285 = NJW 1969, 1059; Stern/Becker-GG/Brüning, Art. 103 Rn. 77; Wolff-GG/Wolff,
Art. 103 Abs. 2 GG Rn. 17; Sachs/Degenhart, Art. 103 Rn. 71; Mangoldt/Klein/Starck/
Nolte/Aust, Art. 103 Rn. 119; Straßburg, ZStW 82 (1970), 948; Dreier/Schulze-Fielitz,
Art. 103 Abs. 2 Rn. 51; Maunz/Dürig/Remmert, Art. 103 Abs. 2 Rn. 121; Sodan,
Art. 103 GG, Rn. 22.
480 BVerfG, Urt. v. 05.02.2004 – 2 BvR 2029/01 = BVerfGE 109, 133, 172 = NJW

2004, 739.
481 Roxin/Greco, Strafrecht AT, S. 216; Maunz/Dürig/Remmert, Art. 103 Abs. 2

Rn. 120; LK-StGB/Dannecker, § 1 Rn. 362.


482 Maunz/Dürig/Remmert, Art. 103 Abs. 2 Rn. 126.
483 Maunz/Dürig/Remmert, Art. 103 Abs. 2 Rn. 121, inwieweit dieser Behauptung

empirischen Untersuchungen standhält, ist fraglich.


154 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

auf den Bestand einer gesetzlichen Regelung kommt es aufgrund der besonderen
rechtsstaatlichen Bedeutung des Rückwirkungsverbotes allerdings nicht an,484
denn dem Strafrecht kommt eine sog. Bestimmungsfunktion zu.485 Diese soll
verhaltenslenkend wirken, wofür erforderlich ist, dass eine Transparenz bzgl. der
unter Strafe stehenden Verhaltensweisen besteht, damit keine übermäßige Ein-
schränkung der Freiheit des Einzelnen erfolgt. Daraus ergibt sich auch, dass sich
das Rückwirkungsverbot nur auf Regelungen zu Lasten der Bürger*innen be-
zieht, die im Gegensatz zu begünstigenden Regelungen tatsächlich zu einer sol-
chen übermäßigen Einschränkung der Freiheit führen könnten.486 Sie sollen in
ihrem Verhalten, solange es sich innerhalb der Grenzen des geltenden Rechts be-
wegt, keine darüber hinausgehende Bestrafung befürchten müssen, wenn diese
zum Zeitpunkt der vermeintlichen Tathandlung nicht erkennbar war.487 Nur so
kann Strafrecht auch eine verhaltenslenkende Wirkung zukommen, eine nach-
trägliche Sanktion von Verhaltensweisen kann konsequenterweise keinen Einfluss
mehr auf die ursprüngliche Entscheidung zur Tatbegehung haben.488 Damit
kommt dem Rückwirkungsverbot insbesondere eine positiv-generalpräventive
Funktion zu. Diese Entscheidung des Rückwirkungsverbotes zugunsten der
Rechtssicherheit kann in der Konsequenz zur Einbuße von Flexibilität in der Ent-
scheidungsfindung führen.489

2. Adressat*innen des Rückwirkungsverbotes

Primär richtete sich das Rückwirkungsverbot gemäß dem soeben erörterten


Sinn und Zweck der Norm als sog. „Berechenbarkeitsmaxime“490 an den Gesetz-
geber. Dieser muss bei seiner legislatorischen Tätigkeit die Grenzen des Rück-
wirkungsverbotes achten und darf im Rahmen dessen gerade keine Verhaltens-
weisen unter Strafe stellen, die zum Zeitpunkt der tatbestandlichen Handlung
noch straffrei waren.491

484 Neumann, ZStW 103 (1991), 331, 349.


485 NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 44, spricht von sog. „Bestimmungsnormen“.
486 Maunz/Dürig/Remmert, Art. 103 Abs. 2 Rn. 125.
487 BVerfG, Beschl. v. 24.10.1996 – 2 BvR 1851, 1853, 1875, 1852/94 = BVerfGE

95, 96, 131 = NJW 1998, 2889; Wolff, in: Handbuch der Grundrechte, § 134 Rn. 103;
Straßburg, ZStW 82 (1970), 948.
488 NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 44.
489 NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 48, wobei der Verzicht auf Flexibilität hier

mit dem Vertrauensschutz begründet wird, inwieweit sich dieser vom Grundsatz der
Rechtssicherheit unterscheidet, bleibt offen.
490 Straßburg, ZStW (82) 1970, 948, 966; LK-StGB/Dannecker, § 1 Rn. 362; diffe-

renzierend und keine Abstufung vornehmend: SSW-StGB/Satzger, § 1 Rn. 55; NK-


StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 42; MüKo-StGB/Schmitz, § 1 Rn. 37.
491 Maunz/Dürig/Remmert, Art. 103 Abs. 2 Rn. 123; Jarass/Pieroth/Kment/Kment,

Art. 103 Rn. 74; Wolff, in: Handbuch der Grundrechte, § 134 Rn. 105; Basak, in: Straf-
recht und Verfassung, 2013, 71, 72.
VI. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Rückwirkungsverbot 155

Allerdings werden daneben auch die Judikative und Exekutive als Adressatin-
nen des Rückwirkungsverbotes verpflichtet. Es ist ihnen untersagt, Strafgesetze
anzuwenden, die gegen das Rückwirkungsverbot verstoßen. Stattdessen sind sie
zur Vorlage des entsprechenden Gesetzes gem. Art. 100 Abs. 1 GG verpflich-
tet.492 Diese Aufgabenverteilung ist am Grundsatz der Gewaltenteilung orien-
tiert. Unklar bleibt allerdings, ob das Rückwirkungsverbot als Garant für Rechts-
sicherheit auch eine beschränkende Wirkung auf Rechtsprechungsänderungen
ausübt. Eine solche Anwendbarkeit des Rückwirkungsverbotes auf nachträgliche
Rechtsprechungsänderungen hat im Ergebnis auch Auswirkung auf die Anwen-
dung von Öffnungsklauseln durch die Judikative. Wenn das Rückwirkungsverbot
im Hinblick auf die Rechtssicherheit eine Änderung der Rechtsprechung für ein
in der Vergangenheit liegendes Verhalten untersagt, dann könnte Vergleichbares
auch für die erstmalige Anwendung von Öffnungsklauseln durch die Judikative
gelten. Sowohl bei nachträglichen Rechtsprechungsänderungen als auch bei der
erstmaligen Anwendung von Öffnungsklauseln ist die Bestrafung für die betrof-
fene Person zum Zeitpunkt der Tatbegehung mitunter nicht ersichtlich gewesen.

3. Geltung des Rückwirkungsverbots für die Rechtsprechung

Es ist der Verfassung nach unstreitig, dass Gesetzgebung und Rechtsprechung


nicht identisch sind, Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG.493 Dennoch lassen sich die Arbeits-
bereiche nicht immer eindeutig voneinander trennen und so können Gesetzge-
bung und Rechtsprechung unter Umständen ihrer Wirkung nach vergleichbar
sein: Eine Rechtsprechungsänderung kann für die Betroffenen eine ebenso be-
lastende Wirkung haben wie eine rückwirkende Gesetzesänderung, insbesondere
dann, wenn schutzwürdiges Vertrauen getätigt wurde. Infolgedessen kann das
Rückwirkungsverbot, wie noch zu zeigen sein wird, auch Wirkung für die Recht-
sprechung entfalten, was sich im Ergebnis sowohl auf nachträgliche Rechtspre-
chungsänderungen als auch auf die erstmalige Anwendung von Öffnungsklauseln
auswirkt.
Die Rechtsprechung stellt durch die fortlaufendende und gleichbleibende Aus-
legung von Normen mitunter auch allgemeine Rechtssätze auf und wirkt auf
diese Weise an der Rechtsentwicklung mit.494 Ob man auf Grundlage dessen die

492 Maunz/Dürig/Remmert, Art. 103 Abs. 2 Rn. 124; Jarass/Pieroth/Kment/Kment,

Art. 103 Rn. 74; NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 42; SSW-StGB/Satzger, § 1 Rn. 55;
MüKo-StGB/Schmitz, § 1 Rn. 37.
493 So auch Haffke, Das Rückwirkungsverbot des Art. 103 II GG bei Änderung der

Rechtsprechung zum materiellen Recht, S. 77; zustimmend ebenfalls Kuhlen, JR 2011,


246, 249.
494 Kruse, Das Richterrecht als Rechtsquelle des innerstaatlichen Rechts, S. 4; man

beachte dazu z. B. die Konturierung des § 185 StGB durch die Rechtsprechung, vgl.
dazu insbesondere BVerfG, Beschl. v. 10.10.1995 – 1 BvR 1476/91 = BVerfGE 93,
266 = NJW 1995, 3303; so im Ergebnis auch: NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 40.
156 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

Entscheidungen der Gerichte als allgemeine Rechtsquellen qualifiziert,495 kann


dahinstehen.496 Wie im Rahmen des Bestimmtheitsgrundsatzes bereits festge-
stellt, ergibt sich der Anwendungsbereich von Normen nicht vollumfänglich und
unmittelbar aus deren Wortlaut, sondern es bedarf immer auch eines Konkretisie-
rungsaktes durch die Judikative.497 Unstreitig trägt die Rechtsprechung aber zur
Konkretisierung der Tatbestände und Fortentwicklung des geschriebenen Rechts
bei und ist in dieser Funktion auch anerkannt, was sich auch in § 132 IV GVG
widerspiegelt.498 Eine gleichbleibende Gesetzesauslegung und -anwendung durch
die Gerichte ist gleichwohl nicht institutionell garantiert.499 Anders als Gesetze
können Gerichte eine Rechtsprechung jederzeit aufgeben, sie sind insoweit nicht
strikt an vorherige Entscheidungen gebunden. Infolge dieser Freiheit einer ande-
ren Rechtsauffassung zu folgen, stellt sich die Frage, ob das Rückwirkungsverbot
auch in Bezug auf Rechtsprechungsänderungen Bedeutung erlangt. Auch wenn
die gleichbleibende Auslegung von Gesetzen die Regel ist, so kann es doch Fälle
geben, in denen eine unvorhergesehene Rechtsprechungsänderung vorgenommen
wird. Hier schließt sich ein Spannungsfeld unterschiedlicher Interessen an, die
für die Gesetzgebung ausdrücklich über Art. 103 Abs. 2 GG gelöst wurde. Au-
ßerdem es stellt sich die Frage, ob Gerichte eine Rechtsprechung mit Wirkung
für die Vergangenheit ändern können.
Sollte das Rückwirkungsverbot dies – wenn auch nur in bestimmen Fällen –
direkt (dazu unter a)) oder analog (dazu unter b)) untersagen, hat dies auch Aus-
wirkung auf die Handhabung von Öffnungsklauseln durch die Judikative (dazu
unter c)). Es handelt sich, wie sogleich aufgezeigt wird, um ein vergleichbares
Spannungsfeld, das eine Gleichbehandlung der rückwirkenden Rechtsprechungs-
änderung und der erstmaligen Anwendung von Öffnungsklauseln erfordert.

a) Direkte Anwendung des Art. 103 Abs. 2 GG

Eine direkte Anwendung des Rückwirkungsverbot auf die Judikative ist von
Art. 103 Abs. 2 GG nicht umfasst. Eine solche direkte Anwendung des Art. 103
Abs. 2 GG auch auf Rechtsprechungsänderungen setzt voraus, dass diese vom
Wortlaut der Norm umfasst ist. Das verfassungsrechtlich normierte Gesetzlich-
keitsprinzip fordert allerdings dem Wortlaut nach eine gesetzliche Bestimmung
vor der Tatbegehung und bezieht sich folglich auf Gesetze.500 Es handelt sich um

495 Siehe dazu Kruse, Das Richterrecht als Rechtsquelle des innerstaatlichen Rechts,
S. 4.
496 So auch Neumann, ZStW 103 (1991), 331, 340.
497 Vgl. dazu innerhalb dieser Arbeit zu Konkretisierung Kap. D. V. 2.
498 Kempf/Schilling, NJW 2012, 1849, 1850.
499 Arndt, Probleme rückwirkender Rechtsprechungsänderung, S. 1; abgesehen von

der Vorlagepflicht des § 121 GVG: Bittner, JZ 2013, 645, 647.


500 So auch SK-StGB/Jäger, § 1 Rn. 8.
VI. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Rückwirkungsverbot 157

einen Gesetzesvorbehalt, der in seinem Regelungsbereich Gesetze im formellen


Sinne umfasst.501
Auch wenn (höchst-)gerichtliche Entscheidungen eine gewisse Bindungswir-
kung aufweisen können, handelt es sich bei ihnen nicht um Gesetze im formellen
Sinne,502 denn formelle Gesetze sehen ein Gesetzgebungsverfahren durch ein
Gesetzgebungsorgan vor. Weder werden gerichtliche Entscheidungen durch ein
Gesetzgebungsorgan wie die Legislative gefällt, noch handelt es sich dabei um
ein Gesetzgebungsverfahren.

b) Analoge Anwendung des Art. 103 Abs. 2 GG

Auch wenn aufgrund des Wortlautes des Art. 103 Abs.2 GG eine direkte An-
wendung des Rückwirkungsverbotes auf Rechtsprechungsänderungen ausge-
schlossen ist, spricht, wie sogleich aufgezeigt wird, vieles für eine analoge An-
wendung des Rückwirkungsverbotes.503 Dies setzt, wie bereits aufgezeigt, eine
planwidrige Regelungslücke und eine vergleichbare Interessenlage voraus.504

aa) Planwidrige Regelungslücke

Eine solche planwidrige Regelungslücke setzt voraus, dass es keine Regelung


gibt, die den widerstreitenden Positionen hinreichend Rechnung trägt und es darf
sich im Falle einer solchen Regelungslücke insbesondere nicht um eine bewusste

501 Maunz/Dürig/Remmert, Art. 103 Abs. 2 Rn. 77; BeckOK-GG/Radtke, Art. 103

Rn. 23; anders: Hettinger/Engländer, in: FS-Meyer-Goßner, S. 145, 154.


502 Maunz/Dürig/Rederer, Art. 100 Rn. 84.
503 So auch Straßburg, ZStW 82 (1970), 948, 965; Ha, Belastende Rechtsprechungs-

änderungen und die positive Generalprävention, 2000, S. 55b; Neumann, ZStW 103
(1991), 331, 334; ansatzweise auch ders., in: FS-Beulke, S. 210; MüKo-StGB/Schmitz,
§ 1 Rn. 40; Schreiber, JZ 1973, 713, 715; Bernreuther, MdR 1991, 829 f., zur analogen
Anwendung auf Präjudizien; ablehnend Robbers, JZ, 1988, 481, 484; eine Anwendung
des Rückwirkungsverbots auf Rechtsprechungsänderungen befürwortend: Baumann/
Weber/Mitsch/Eisele/Eisele, § 7 Rn. 45, schlägt eine differenzierte Behandlung abhän-
gig von der Schwere der konkreten Rechtsprechungsänderung vor; NK-StGB/Hasse-
mer/Kargl, § 1 Rn. 51 zumindest dann, wenn die Rechtsprechung eine quasi gesetz-
geberische Funktion wahrnimmt; Hettinger/Engländer, in: FS-Meyer-Goßner, S. 145;
Kuhlen, in: Gesetzlichkeit und Strafrecht, S. 430, 439, wonach für den Vertrauensschutz
der Normadressat*innen das durch die Gerichte konkretisierte Gesetz wesentlich ist;
Maurach/Zipf, Strafrecht AT/1, § 12 Rn. 8; Schreiber, JZ 1973, 713, 715, um einer ver-
minderten Wirkung des Art. 103 Abs. 2 GG entgegenzutreten; Dehne-Niemann, wistra
2008, 361, 365 f., unter Verweis auf die Art der Entscheidungsfindung durch die Judika-
tive; mittlerweile auch zustimmend, aufgrund der Entwicklung der Rechtsprechung zu
Art. 103 Abs. 2 GG: Roxin/Greco, Strafrecht AT, S. 249.
504 Zum „logischen Gerüst“ des Analogieschlusses vgl. Engisch, Einführung in das

juristische Denken, S. 204, 250; Rüthers/Fischer, Rechtstheorie, Rn. 878, zur Regelung
der Lückenschließung durch die Gerichte in der Schweiz.
158 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

Regelungslücke des Gesetzgebers handeln. Denn ein bewusstes Unterlassen des


Gesetzgebers darf nicht durch einen Analogieschluss umgangen werden.505

(1) Hinreichende Regelung über § 17 StGB


Es könnte aber bereits an einer Regelungslücke fehlen, wenn durch § 17 StGB
im einfachen Recht eine Regelung gefunden wurde, die gerade der Enttäuschung
des getätigten Vertrauens hinreichend Rechnung tragen könnte, zumindest in den
Fällen, in denen die Rechtsprechungsänderung eine Strafbegründung bewirkt.506
Irrtümer über die Höhe der Strafe sind hingegen unbeachtlich.507 Dennoch wird
zum Teil vertreten, § 17 StGB könne den widerstreitenden Interessen des Ver-
trauensschutzes und der Flexibilität der Rechtsprechung hinreichend Rechnung
tragen.508
Die Anwendung des § 17 StGB fordert, die fehlende Einsicht, Unrecht zu tun.
Der Täter*in darf in dem Fall, in dem der Irrtum unvermeidbar war, kein Schuld-
vorwurf gemacht werden. Das Vertrauen darauf, dass eine bestehende Rechtspre-
chung angewendet wird, könne gerade eine solche fehlende Unrechtseinsicht be-
gründen und der Problematik auf Seiten des einfachen Rechts durch die Rege-
lung zum Verbotsirrtum hinreichend Rechnung tragen.509 Um zu einer fehlenden
Unrechtseinsicht zu kommen, erfordert § 17 StGB ein subjektives Vertrauen der
Betroffenen darauf, dass die bisherige Rechtsprechung angewendet wird, sodass
es nicht pauschal bei einer Rechtsprechungsänderung zu einer Straffreiheit des
Betroffenen kommt.510 Dieses subjektive Vertrauen setzt allerdings voraus, dass
die Rechtsprechung bekannt war und tatsächlich darauf vertraut wurde. Es wird
folglich einem „Informationsdefizit“511 der Täter*in Rechnung getragen.512 Das

505 Arndt, Probleme rückwirkender Rechtsprechungsänderung, S. 30.


506 Ablehnend: Straßburg, ZStW 82 (1970), 948, 949, 958; Kempf/Schilling, NJW
2012, 1849, 1854; umfassend zur Bewältigung unklarer Rechtslagen über § 17 vgl. Cor-
nelius, GA 2015, 101.
507 Arndt, Probleme rückwirkender Rechtsprechungsänderung, S. 45.
508 Knittel, Zum Problem der Rückwirkung bei einer Änderung der Rechtsprechung,

S. 31 ff.; Schünemann, Nulla poena sine lege?, S. 29; ders., in: FS-Bruns, S. 223, 234;
SK-StGB/Jäger, § 1 Rn. 8.
509 Arndt, Probleme rückwirkender Rechtsprechungsänderung, S. 38; Bonner-Kom-

mentar GG/Pohlreich, Art. 103 Abs. 2 Rn. 114; NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 50;
Burmeister, Vertrauensschutz im Prozeßrecht, S. 36.
510 Arndt, Probleme rückwirkender Rechtsprechungsänderung, S. 39; insoweit nicht

differenziert genug: Roxin/Greco, Strafrecht AT, S. 250.


511 Neumann, ZStW 103 (1991), 331, 333.
512 Arndt, Probleme rückwirkender Rechtsprechungsänderung, S. 43 verweist zwar

darauf, dass die Kenntnis der Rechtsprechung nicht bekannt gewesen sein muss, worauf
sich der Irrtum im Rahmen des § 17 StGB bei rückwirkender Rechtsprechungsänderung
aber dann beziehen muss, bleibt unklar. Dass auch bei anderweitig fehlendem Unrechts-
bewusstsein ein Fall des § 17 StGB angenommen werden muss, ist für die vorliegende
Problematik unbeachtlich; kritisch: Kempf/Schilling, NJW 2012, 1849, 1854; Neumann,
VI. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Rückwirkungsverbot 159

an den Gesetzgeber adressierte Rückwirkungsverbot fordert im Gegensatz dazu


kein konkret getätigtes Vertrauen und insbesondere nicht die Kenntnis des ein-
schlägigen Gesetzes. Eine Lösung des Konflikts über § 17 StGB setzt also bereits
eine andere Ausgangslage voraus, als es das allgemeine Rückwirkungsverbot er-
fordert. Ein an das Schutzniveau des Art. 103 Abs. 2 GG heranreichender Schutz
vor willkürlichen Rechtsprechungsänderungen kann, wenn nur ein tatsächlich ge-
tätigtes Vertrauen geschützt wird, nicht erreicht werden.
Darüber hinaus besteht in Fällen der unklaren Anwendungsbereiche von Nor-
men gerade kein Informationsdefizit, da es noch keine eindeutigen Informationen
über die Strafbarkeit gibt. Problematisch ist also bereits die konkrete Fassung der
Norm und nicht erst die daraus resultierende Unsicherheit der Betroffenen über
die Strafbarkeit der in Frage stehenden Verhaltensweise.513
Hinzu kommt die mit § 17 StGB verbundene Problematik der Differenzierung
zwischen der Vermeidbarkeit und Unvermeidbarkeit des Irrtums.514 So nahm
das OLG Karlsruhe im Rahmen der Herabsetzung der Promillegrenze für die
Annahme des Zustandes der Fahruntüchtigkeit gem. § 315c StGB an, dass ein
Irrtum über die zulässige Blutalkoholkonzentration gerade nicht gegeben sein
konnte, da seit längerem eine öffentliche Diskussion über die Herabsetzung des
Grenzwertes stattfand. Allein das Vorliegen eines solchen Diskurses führt aber
wohl nicht zur Unvermeidbarkeit des Irrtums über eben jenen Grenzwert bei al-
len Menschen.515 Die unterschiedliche Beurteilung des Merkmals der Vermeid-
barkeit kann vielmehr zu einer Intensivierung der Unsicherheit führen.516 Auch
bleibt unklar, worüber die Betroffenen geirrt haben sollen, wenn sie doch auf das
Bestehen der gefestigten Rechtsprechung, die zum Zeitpunkt der Tatbegehung
auch noch bestand, vertraut haben.517 Es handelt sich darüber hinaus auch nicht
um einen Irrtum über die Strafbarkeit einer Verhaltensweise. Das in Frage ste-
hende Verhalten war nach der Rechtsprechung zum Zeitpunkt der Tatbegehung
gerade nicht strafbar.518 Insbesondere führt dies auch nicht zu einer Einschrän-
kung im Bereich der richterlichen Entscheidungsfindung, sondern wirkt sich nur
auf der Ebene der Schuld aus.519 Die Anwendung von § 17 StGB trägt dem ent-

ZStW 103 (1991), 331, 347; unter Verweis auf den erheblich kleineren Anwendungsbe-
reich vgl. Schreiber, JZ 1973, 713, 716.
513 Cornelius, GA 2015, 101, 109.
514 NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 58, der ebenfalls darauf hinweist, dass die

hohen Ansprüche, die an die Vermeidbarkeit eines Irrtums gestellt werden, eine erfolg-
reiche Berufung auf § 17 konterkarieren dürften; unter Verweis auf Schreiber, JZ 1973,
717 und Naucke, NJW 1968, 759.
515 Urt. v. 05.10.1976 – 1 Ss 132/67 = NJW 1967, 2166, 2168.
516 Straßburg, ZStW 82 (1970), 948, 959; Naucke, NJW 1968, 758, 759; Kempf/

Schilling, NJW 2012, 1849, 1854.


517 Straßburg, ZStW 82 (1970), 948, 959.
518 Naucke, NJW 1968, 758, 759.
519 Straßburg, ZStW 82 (1970), 948, 958.
160 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

täuschten Vertrauen in den Bestand einer höchstrichterlichen Rechtsprechungsän-


derung nicht hinreichend Rechnung, sodass hier eine Regelungslücke angenom-
men werden muss.

(2) Planwidrigkeit

Entscheidend ist aber, dass es sich bei dieser Regelungslücke auch um einen
unbewusst ungeregelten Bereich handeln muss. Spätestens die Diskussion um die
Rückwirkung einer belastenden Rechtsprechungsänderung gerade im Hinblick
auf die Herabsetzung der Grenzwerte der Blutalkoholkonzentration der relativen
und absoluten Fahruntüchtigkeit zeigt auf, dass sich hier Rechtsprechung und
Legislative in einer vergleichbaren Ausgangssituation befinden, die die analoge
Anwendung des Rückwirkungsverbotes grundsätzlich rechtfertigt. Dass der ver-
fassungsgebende Gesetzgeber und auch der Strafgesetzgeber trotz Kenntnis des
vergleichbaren Spannungsfeldes keine Entscheidung über die Handhabung dieser
Problematik getroffen hat, könnte für das Fehlen der Planwidrigkeit und somit für
ein bewusstes Unterlassen, diesen Fall gesetzlich zu regeln, sprechen.520 Daraus
könnte geschlossen werden, dass es bewusst keinen Vertrauensschutz in eine be-
stehende Rechtsprechung geben soll.521 Infolgedessen wäre also eine Änderung
der Rechtsprechung im Strafrecht immer ohne weiteres möglich. Dem wider-
spricht allerdings bereits die Rechtsprechung selbst, die in eng umrissenen Fällen
dem getätigten Vertrauen Rechnung tragen will.522 Außerdem kann aus einer
Untätigkeit der Legislative nicht automatisch auf ein bewusstes Unterlassen ge-
schlossen werden, vielmehr zeigt sich der Grundkonflikt nur in wenigen Situatio-
nen, wie der genannten Herabsetzung der Blutalkoholkonzentration. So kann ein
Untätigbleiben des Gesetzgebers auch mit den wenigen Anwendungsfällen be-
gründet werden, denn die skizzierte Konfliktlage entfaltet sich gerade nicht bei
jedweder Rechtsprechungsänderung. Überdies geht sie auf eine Aufgabenteilung
zwischen Judikative und Legislative zurück, die bei der Entwicklung des Gesetz-
lichkeitsprinzips so mitunter nicht erwogen wurde. Sie ist gerade Resultat der
Konkretisierung von Gesetzen durch die Rechtsprechung. Dies lässt wiederum
auf eine Planwidrigkeit schließen.

520 Arndt, Probleme rückwirkender Rechtsprechungsänderung, S. 30 f.


521 So wohl auch Robbers, JZ 1988, 481, 484, dennoch insgesamt ablehnend zur ana-
logen Anwendung.
522 BVerfG, Beschl. v. 11.11.1964 = BVerfGE 18, 224, 240; BVerfG, Beschl. v. 16.05.

2011 – 2 BvR 1230/10 = BVerfGE 18, 430, 435; für eine Anwendung des Bestimmt-
heitsgebotes auf die Fälle einer rückwirkenden Rechtsprechungsänderung vgl. auch
Gross, GA 1971, 13, 19 f.; Straßburg, ZStW 82 (1970), 965 ff. verdeutlicht, dass da-
durch keine Gleichstellung von Judikative und Legislative intendiert ist und es sich den-
noch um die einzig interessengerechte Konfliktlösung handelt; Bischoff, Das Problem
der Rückwirkung bei einer Änderung der Rechtsprechung, S. 218 f., zur Rechtspre-
chungsänderung im Bereich der Finanzgerichtsbarkeit und dem Schutz über § 176 AO.
VI. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Rückwirkungsverbot 161

bb) Vergleichbare Interessenlage

Neben dem Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke muss aber auch die
Interessenlage bei einer rückwirkenden Rechtsprechungsänderung mit der eines
rückwirkenden Gesetzes vergleichbar sein, um das Rückwirkungsverbot, entge-
gen des Wortlauts, auch auf die Judikative anwenden zu können und infolgedes-
sen auch über eine Übertragung auf die erstmalige Anwendung von Öffnungs-
klauseln zu prüfen.523

(1) Vergleichbarkeit aufgrund Überschneidung der Kompetenzbereiche

Die Vergleichbarkeit der Interessenlagen kann sich bereits daraus ergeben,


dass sich die Kompetenzbereiche der Gewalten überschneiden: Trotz des Grund-
satzes der Gewaltenteilung können die Kompetenzbereiche von Legislative und
Judikative zwar nicht aufgrund ihrer Arbeitsweise, aber zumindest ihrer Wirkung
nach nicht immer klar voneinander abgegrenzt werden.524 Auch wenn sich der
Weg der Entscheidungsfindung bei Urteilen und Gesetzen unterscheidet, kann
sich auch aus höchstrichterlichen Entscheidungen eine Rechtsüberzeugung her-
ausbilden, die ihrer tatsächlichen Wirkung nach einem Gesetz entspricht, was
insbesondere dann der Fall zu sein scheint, wenn Gesetze einen hohen Grad an
Konkretisierungsbedürftigkeit aufweisen. Daran ändert auch die Tatsache nichts,
dass es sich der Sache nach nicht um ein Gesetz, sondern zunächst nur um eine
Einzelfallentscheidung handelt.525 Eine Veränderung in der Anwendung der ent-
sprechenden Norm kann sich aber konstitutiv auf eben jene Norm auswirken,
ohne dass es zu einer Änderung des Gesetzeswortlautes kommt.526 Nicht jede
gerichtliche Entscheidung kommt ihrer Wirkung nach aber der eines Gesetzes
gleich, sodass eine grundsätzliche Geltung des Rückwirkungsverbotes für jegli-
che gerichtliche Entscheidungen nicht angenommen wird, da nicht in allen Fällen
bereits eine vergleichbare Interessenlage angenommen werden kann.
Zumindest aber für die Fälle, in denen ein Gesetz durch die Anwendung der
Gerichte ergänzt oder das strafrechtliche Unwerturteil geändert wird, wird die
Geltung eines Rückwirkungsverbotes auch für die Rechtsprechung befürwortet.
Dies muss zumindest für eine formelhafte und hinreichend gefestigte Rechtspre-

523 Rüthers/Fischer, Rechtstheorie, Rn. 889; vergleiche dazu auch die umfassende

Darstellung von Unterschieden und Gemeinsamkeiten von Legislative und Judikative


bei Haffke, Das Rückwirkungsverbot des Art. 103 II GG bei Änderung der Rechtspre-
chung zum materiellen Recht, S. 62 f.
524 Vgl. dazu innerhalb dieser Arbeit Kap. D. VIII. 2. e) bb).
525 Bittner, JZ 2013, 645, 646, hätte der Gesetzgeber sich im Rahmen des § 316

StGB dafür entschieden, konkrete Promille-Grenzen zu benennen, hätte die Änderung


eben jener einer Gesetzesänderung bedurft, die keine Rückwirkung hätte entfalten dür-
fen.
526 Hettinger/Engländer, in: FS-Meyer-Goßner, S. 145, 150.
162 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

chung gelten527 oder auch dann, wenn der Rechtsprechungsänderung eine „ge-
setzesändernde Funktion“528 zukommt. Dies wird auch von denjenigen aner-
kannt, die die Anwendung eines Rückwirkungsverbotes auf Rechtsprechungs-
änderungen nur zurückhaltend befürworten.529 Eine in diesem Sinne unzulässige
Rechtsprechungsänderung wird auch als „Abweichungsverbot“ bezeichnet, was
sich auf eine Abweichung von der bisherigen Rechtsprechung bezieht.530 Es
kann also immer nur eine Änderung der gefestigten Rechtsprechung für die Zu-
kunft geben, denn zumindest den im Rahmen von revisionsgerichtlichen Ent-
scheidungen aufgestellten Regeln kommt eine rechtliche Bedeutung auch für
künftige Entscheidungen zu.531 Zwar wird auch innerhalb der Befürworter*innen
eines Rückwirkungsverbotes für die Rechtsprechung die damit verbundene
Rechtsfolge uneinheitlich beurteilt, die nähere Erörterung dieser Problematik
ist allerdings für die zugrundeliegende Fragestellung nicht relevant, sodass eine
tiefergehende Diskussion dessen an dieser Stelle nicht erfolgt.532

527 Straßburg, ZStW 82 (1970), 964 ff.


528 Kempf/Schilling, NJW 2012, 1849, 1853.
529 Mangoldt/Klein/Starck/Nolte/Aust, Art. 103 Rn. 120, nur für die Fälle, in denen

das Risiko einer Bestrafung aufgrund einer gefestigten Vertrauensgrundlage und einer
nicht vorhersehbaren Rechtsprechungsänderung nicht erkennbar war; nach Sodan,
Art. 103 Rn. 23 nur bei völlig unvorhersehbaren Rechtsprechungsänderungen.
530 Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 103 Abs. 2 Rn. 53.
531 Neumann, ZStW 103 (1991), 331, 350, unter Berufung auf die Vorlagepflicht

gem. § 121 Abs. 2 GVG; Schreiber, JZ 1973, 713, 716.


532 Zustimmend zur Anwendbarkeit des Rückwirkungsverbotes auf Rechtsprechungs-

änderungen: vgl. Neumann, ZStW 103 (1991), 331, 336 ff., differenziert zwischen
instanzgerichtlicher Rechtsprechung und revisionsgerichtlicher Rechtsprechung; Straß-
burg, ZStW 82 (1970), 948, 949; Hettinger/Engländer, in: FS-Meyer-Gossner, 2001,
145, die bereits eine direkte Anwendung für möglich halten; Jarass/Pieroth/Kment/
Kment, Art. 103, Rn. 93; Boers, NJW 1967, 1310; Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 103
Abs. 2 Rn. 53; Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke/Schmahl, Art. 103 Rn. 77, wenn
Rechtsprechungsänderung nicht auf Änderung der Tatsachenbasis zurückzuführen ist;
Neumann, in: FS-Beulke, S. 197 unter Verweis auf das von der Rechtsprechung ent-
wickelte Präzisierungsgebot; Stern/Becker-GG/Brüning, Art. 103 Rn. 80; Maunz/Dü-
rig/Remmert, Art. 103 Abs. 2 Rn. 240; Straßburg ZStW 82 (1970), 948, 964 ff.; MüKo-
StGB/Schmitz, §1 Rn. 37, zumindest dann, wenn die Rechtsprechung aufgrund des Prä-
zisierungsgebotes die ureigene Aufgabe der Legislative wahrnimmt; Sachs/Degenhart,
Art. 103 Rn. 73 zumindest für ausfüllungsbedürftige Tatbestandsmerkmale, insofern die
gefestigte Rechtsprechung Grundlage der Auslegung ist; Schreiber, JZ 1973, 713; Mül-
ler-Dietz, in: FS-Maurach, S. 41, 42 f., betroffen davon soll nur eine gewohnheitsrecht-
liche oder gefestigte Rechtsprechung sein; Krahl, NJW 1991, 808, 809; Robbers, JZ
1988, 481; NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 5 ff. unter eng umgrenzten Vorausset-
zungen und nur bei einer „völlig konformen, formelhafte höchstrichterlichen Rspr“;
Grunsky, Grenzen der Rückwirkung bei einer Änderung der Rechtsprechung, S. 19,
allerdings nicht für instanzgerichtliche Urteile, diese richten sich nur an die jeweils Be-
troffenen und unter Bezugnahme auf Art. 20 Abs. 3 GG; Bernreuther MDR 1991, 829;
Krahl NJW 1991, 891; Kuhlen, HRRS 2012, 249; A. H. Albrecht, in: FS-Dencker, 2012,
1, 7; Schreiber, JZ 1973, 713, 717 zumindest für eine Abweichung von einer „nicht
widersprüchlichen, höchstrichterlichen Judikatur“.
VI. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Rückwirkungsverbot 163

Für eine solche Vergleichbarkeit spricht auch, dass die in der Diskussion um
die Geltung des Rückwirkungsverbotes für Rechtsprechungsänderungen zum
Ausdruck kommende Konfliktlage durch die Auslegung und Handhabung des
Bestimmtheitsgrundsatzes verstärkt wird.533 Das soll insbesondere für die Fälle
gelten, in denen der Gesetzgeber den Anforderungen an die Bestimmtheit eines
Gesetzes nicht hinreichend nachgekommen ist.534 Insbesondere bei generalklau-
selartigen Regelungen tritt die Rechtsprechung durch die besonders hohe Kon-
kretisierungsbedürftigkeit häufig in einer quasi-gesetzgebenden Funktion auf.535
Nur so kann der Willkür judikativer Entscheidungen entgegengewirkt werden536
und dem Vertrauensschutz hinreichend Rechnung getragen werden.537
Auch der Charakter des Richterspruchs als Beurteilung eines in der Vergan-
genheit liegenden Ereignisses spricht nicht dagegen, das Rückwirkungsverbot un-
ter bestimmten Voraussetzungen anzuwenden. Es darf gerade, wie das Analogie-
verbot, nicht in einem technischen Sinne verstanden werden, sondern muss auf
Grundlage des bestehenden Konflikts betrachtet werden: Wenn es für das Ver-
trauen der Bürger*innen unerheblich ist, ob sie auf das geschriebene Recht oder
auf gerichtliche Entscheidungen vertrauen, dann kann die Geltung des Rück-
wirkungsverbotes für die Rechtsprechung nicht dadurch abgelehnt werden, dass
Rechtsprechung und Legislative grundsätzlich unterschiedliche Entscheidungen
treffen.538 Wenn sich die Judikative ihrerseits Aufgaben der Legislative in Form
eines Präzisierungsgebotes zu eigen macht, dann muss sie dabei auch den glei-
chen Regeln unterworfen werden. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn das
BVerfG eine „fallgruppenspezifische Obersatzbildung“ fordert und die hinrei-
chende Bestimmtheit von Straftatbeständen erst über eine gefestigte Rechtspre-
chung erreicht werden soll.539 Nicht nur kommt es so zu einer Aufweichung des
Grundsatzes der Gewaltenteilung, auch würde es so zu einer erhöhten Rechts-
unsicherheit kommen, wenn dieses Aufweichen nicht zugleich verfassungsrecht-
lichen Grundsätzen unterworfen wird. In den Bereichen, in denen die Konkretisie-
rung der Rechtsprechung überlassen wird, unterscheidet sich unser Rechtssystem
nicht vom System des „case law“, was dafürspricht, dieses den gleichen Regeln

533 Straßburg, ZStW 82 (1970), 948, 950.


534 NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 52 und weiteren Voraussetzungen.
535 Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 103 Abs. 2 Rn. 53.
536 Krahl, NJW 1991, 808, 809.
537 BFH, Urt. v. 10.11.1982 I R 142/97 = BFHE 137, 202; ablehnend: BVerfG,

Beschl. v. 11.11.1964 = BVerfGE 18, 224, 240 = NJW 1965, 245, aus dem Grundsatz
des Vertrauensschutzes und dem Rückwirkungsverbot entsteht keine Bindung der Ge-
richte an vorhergehende Entscheidungen.
538 Neumann, ZStW 103 (1991), 331, 337, der außerdem darauf verweist, dass auch

durch Urteile und die Anwendung von Normen allgemeine Regelungen für deren Hand-
habung aufgestellt werden.
539 BVerfG 23.06.2010 – 2 BvR 2559/08 = BVerfGE 126, 170, 198 f. = NJW 2010,

3209; vgl. dazu insb. Neumann, in: FS-Beulke, S. 197, 199.


164 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

zu unterwerfen,540 denn die Gerichte fällen in der Konsequenz nicht nur Einzel-
fallentscheidungen, sondern wirken auch an der stetigen Rechtsfortbildung mit.541
Dies hat nicht zur Folge, dass in Zukunft gar keine Rechtsprechungsänderun-
gen mehr möglich sind, sondern in Bezug auf das Verbot der rückwirkenden
Rechtsprechungsänderung eine differenzierte Betrachtungsweise erfolgen muss.
Denn es handelt sich bei der Rechtsprechung gerade nicht um eine verbindliche
Rechtsquelle, wie etwa beim normierten Recht.542 Eine Anpassung des Rechts
bleibt weiterhin möglich.
Um den unterschiedlichen Interessenlagen bei Rechtsprechungsänderungen
Rechnung zu tragen, wird eine differenzierte Betrachtungsweise gefordert: Sollte
sich nur die Tatsachenbasis ändern, also z. B. bei einer Änderung auf Grundlage
von neueren empirischen Erkenntnissen, und die höchstrichterliche Rechtspre-
chung sich nur aufgrund dieser neuen Erkenntnisse ändern,543 wird zum Teil ver-
treten, dass das Rückwirkungsverbot keine Anwendung finde. Die Grenzziehung,
ob die Rechtsprechungsänderung nur aufgrund einer geänderten Tatsachenbasis
erfolgt oder nicht, ist aber nicht immer ohne weiteres möglich ist.544 Außerdem
kann es gerade in den Fällen, in denen die Auslegung des Gesetzes durch
die Anwendung eines mathematischen Wertes erfolgt, ein Verstoß gegen Art. 3
Abs. 1 GG vorliegen, wenn gleiche Fälle aufgrund von Verfahrensverzögerungen
und einer zeitweise geänderten Rechtsprechung unterschiedlich behandelt wer-
den.545

(2) Unvergleichbarkeit der legislativen und der judikativen Tätigkeit

Gegen die analoge Anwendung des Rückwirkungsverbotes auf Rechtspre-


chungsänderungen und folglich auch gegen eine vergleichbare Interessenlage
wird eingewandt, dass in Anbetracht der unterschiedlichen Ausgangspositionen,
aufgrund derer Gesetze erlassen und Urteile gesprochen werden, sich die An-
nahme einer vergleichbaren Interessenlage und die damit verbundene Geltung
des Rückwirkungsverbotes für Rechtsprechungsänderungen verbiete.546 Da die

540 Straßburg, ZStW 82 (1970), 948, 953.


541 Straßburg, ZStW 82 (1970), 948, 955.
542 Burmeister, Vertrauensschutz im Prozeßrecht, S. 31.
543 BVerfG, Beschl. v. 23.06.1990 – 2 BvR 752/90 = NJW 1990, 3140; Dreier/

Schulze-Fielitz, Art. 103 Abs. 2 Rn. 54 unter Verweis auf die Anpassung der Blutalko-
holkonzentration für die absolute Fahruntüchtigkeit, vgl. BGH, Beschl. v. 17.07.1986 –
4 StR 543/85 = BGHSt 34, 133 ff. = NJW 1986, 950.
544 Sodan, 4. Aufl. 2018, Art. 103 GG Rn. 23.
545 Straßburg, ZStW 82 (1970), 948, 961 f.
546 Umfassend: Dannecker, Das intertemporale Strafrecht, 1993, 376 ff.; BayObLG

20.07.1990 – RReg 1. St 164/90 = NJW 1990, 2833 zur Anwendung einer Rechtspre-
chungsänderung auf noch anhängige Verfahren; Jakobs, Strafrecht AT, S. 104 unter Ver-
weis darauf, dass zwischen Rechtsprechung und Gesetzgebung keine Funktionsgleich-
VI. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Rückwirkungsverbot 165

originäre Aufgabe von Richter*innen nicht mit der parlamentarischen Rechts-


findung vergleichbar sei, könne es auch im Bereich des Rückwirkungsverbotes
keine Gleichbehandlung geben.547 Dies würde gerade zu einer unzulässigen
Gleichstellung der beiden Gewalten führen, welche es nach Art. 20 Abs. 3 GG
nicht geben solle.548
Es liege gerade in der Natur der Rechtsprechung, dass durch ihre Entscheidun-
gen ein in der Vergangenheit liegender Sachverhalt mit Wirkung für die Zukunft
beurteilt werde,549 wohingegen die Legislative abstrakte Sachverhalte mit Wir-
kung für die Zukunft durch Gesetzgebung regele. Eine Anwendung des Rückwir-
kungsverbotes auf die Judikative würde die Fortentwicklung einer Rechtspre-
chungslinie von Richter*innen vollständig verhindern.550 Eine Anpassung des
Rechts müsse aber jederzeit gegeben sein und werde durch den Instanzenzug ge-
rade vorausgesetzt,551 insbesondere dann, wenn geänderte Verhältnisse eine sol-
che Anpassung erforderten.552 Die Auswirkung auf die Flexibilität in der Ent-
scheidungsfindung der Rechtsprechung dürfe gerade nicht noch weiter verkürzt
werden.553 Ebenso scheine es widersprüchlich, wenn die Legislative durch den
vermehrten Einsatz generalklauselartiger Regelungen eine flexiblere Einzelfall-
entscheidung ermöglichen wolle und diese dann dadurch verhindert würde, dass
die Gerichte an vorherige Entscheidungen gebunden seien.554 Denn auch wenn
der Rechtsprechung durch solche Generalklauseln in eng umgrenzten Fällen
durch das Präzisionsgebot eine dem Gesetzgeber ähnliche Funktion zukomme,

heit besteht; Maunz/Dürig/Remmert, Art. 103 Abs. 2 Rn. 129; Wolff, in: Handbuch der
Grundrechte, § 134 Rn. 101; Kunig, in: Handbuch der Grundrechte, S. 569, Rn. 27 unter
Bezugnahme auf den Grundsatz der Gewaltenteilung; Wolff, in: Handbuch der Grund-
rechte, § 134 Rn. 101; LK-StGB/Dannecker, § 1 StGB Rn. 442; Schönke/Schröder/He-
cker, § 2 StGB Rn. 7; Lackner/Kühl/Kühl, § 1 Rn. 4; SSW/Satzger, § 1 StGB Rn. 58;
Haffke, Das Rückwirkungsverbot des Art. 103 II GG bei Änderung der Rechtsprechung
zum materiellen Recht, 151; Jeschek/Weigend, Strafrecht AT, S. 128; Schünemann,
Nulla poena sine lege?, S. 27; ders., in: FS-Bruns, S. 223, 233; Tröndle, in: FS-Dreher,
S. 117, 119 ff.; Kunig, Das Rechtsstaatsprinzip, S. 431 ff.; Arndt, Probleme rückwirken-
der Rechtsprechungsänderung, S. 31 ff., der auf die strafrechtliche Behandlung der Prob-
lematik durch § 17 StGB verweist; ebenso Burmeister, Vertrauensschutz im Prozeß-
recht, S. 26 ff., 36; Cornelius, GA 2015, 101, 113; SK-StGB/Jäger, § 1 Rn. 8.
547 Robbers, JZ 1988, 481, 484, es bleibt aber unklar, warum das Parlament, das

durch den Prozess der Gesetzgebung einer „Qualitätssicherung“ unterliegt, einer weite-
ren verfassungsrechtlichen Absicherung bedarf und die Rechtsprechung nicht.
548 Bonner-Kommentar GG/Pohlreich, Art. 103 Abs. 2 Rn. 114.
549 Tröndle, in: FS-Dreher, S. 117, 119; Schünemann, in: FS-Bruns, S. 223, 234.
550 Tröndle, in: FS-Dreher, S. 117, 136; umfassend Haffke, Das Rückwirkungsverbot

in Art. 103 II GG bei Änderung der Rechtsprechung zum materiellen Recht, S. 143.
551 Kunig, Das Rechtsstaatsprinzip, S. 432.
552 Dannecker, Das intertemporale Strafrecht, S. 380.
553 NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 50.
554 Schünemann, Nulla poena sine lege?, S. 28.
166 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

führe dies nicht automatisch dazu, dass Legislative und Judikative gleichgesetzt
würden.555
Auch komme Urteilen bereits nicht die gleiche Bindungswirkung zu wie Ge-
setzen. Es liege insoweit nur eine eingeschränkte Verbindlichkeit vor.556 Die
Richter*innen seien bei ihren Entscheidungen unabhängig und nur dem Gesetz
unterworfen (Art. 97 Abs. 1 GG), eine besondere Berücksichtigung des getätig-
ten Vertrauens ist, anders als bei der Gesetzgebung, nicht vorgesehen und würde
die Regelung des Art. 97 GG unterlaufen. Es müsse beachtet werden, dass eine
teilweise Geltung des Rückwirkungsverbotes für die Rechtsprechung zu einer
noch größeren Rechtsunsicherheit führen könne.557 Etwaige dennoch auftretende
Vertrauensschutzprobleme seien anhand der Grundsätze des allgemeinen Rück-
wirkungsverbotes zu lösen.558 Darüber hinaus wäre zu klären, ob es sich beim
betätigten Vertrauen überhaupt um ein schutzwürdiges Vertrauen handele, dies
sei anhand der gesetzlichen Regelungen zu beurteilen.559
Eine entsprechende Anwendung des Rückwirkungsverbotes auf die Rechtspre-
chung würde unter Berücksichtigung der soeben genannten eingeschränkten
Bindungswirkung von Akten der Judikative im Ergebnis zu einem Verbot der
Weiterentwicklung des Rechts führen bzw. zu einem Verbot der abweichenden
Auslegung.560
Schließlich sei anzumerken, dass sich eine Rechtsanwendung der Gerichte auf-
grund des Analogieverbotes immer innerhalb der Wortlautgrenze befinden muss
und folglich theoretisch vorhersehbar wäre, auch wenn die Gerichte zunächst an-
ders entschieden hätten.561
Insgesamt handele es sich bei der Problematik der nachträglichen Rechtspre-
chungsänderung ohnehin um eine sog. „Scheinproblematik“, die in der Rechts-
praxis ohnehin keine Rolle spiele, da sich das Problem der rückwirkenden Recht-
sprechungsänderung nicht stelle.562 Auch ändere die zum Teil weitreichende
Befugnis der Rechtsprechung nichts daran, dass es sich dennoch nicht um die
gesetzgebende Gewalt handele und bereits aufgrund dessen andere Regelungen
gelten würden.563

555 Mangoldt/Klein/Starck/Nolte/Aust, Art. 103 Rn. 120.


556 Bydlinski, Recht, Methode und Jurisprudenz, 1988, S. 34 ff.
557 NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 50.
558 Maunz/Dürig/Remmert, Art. 103 Abs. 2 Rn. 130.
559 Grunsky, Grenzen der Rückwirkung bei einer Änderung der Rechtsprechung,
S. 11.
560 Mangoldt/Klein/Starck/Nolte/Aust, Art. 103 Rn. 120; Wolff, in: Handbuch der

Grundrechte, § 134 Rn. 101 und verweist dabei auf die Möglichkeit, auf eine geplante
Rechtsprechungsänderung hinzuweisen.
561 Schünemann, in: FS-Bruns, S. 223, 233.
562 Tröndle, in: FS-Dreher, S. 117, 115, 123.
563 Tröndle, in: FS-Dreher, S. 117, 133.
VI. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Rückwirkungsverbot 167

(3) Rechtsprechung zu rückwirkenden Rechtsprechungsänderungen

Wie sich demgegenüber die Rechtsprechung zur Frage der Geltung des Rück-
wirkungsverbotes für den eigenen Arbeitsbereich verhält, ist unklar. Grundsätz-
lich spricht die Rechtsprechung Entscheidungen der Judikative keine Bindungs-
wirkung zu, was konsequenterweise dann zu Ablehnung einer analogen Anwen-
dung führen könnte. Dennoch kann eine Bindungswirkung durch den Grundsatz
des Vertrauensschutzes entstehen, der willkürliche Rechtsprechungsänderungen
für unzulässig hält, wobei im Rahmen dessen zum Teil auf die Regelung des § 17
StGB verwiesen wird.564 Dass § 17 StGB gerade nicht ausreichend ist, um den
Belangen, die mit einer rückwirkenden Rechtsprechungsänderung verbunden
sind, gerecht zu werden, wurde bereits dargelegt.565
Eine direkte oder analoge Anwendung des Art. 103 Abs. 2 GG auf die Recht-
sprechung in Form des Rückwirkungsverbotes wird hingegen offengelassen. Die
Geltung des Rückwirkungsverbotes wird zumindest in zwei Fällen ausdrücklich
abgelehnt: Und zwar dann, wenn nicht „ein Mindestmaß an Kontinuität“ in der
Rechtsprechung besteht566 und auch dann, wenn, ungeachtet des Mindestmaßes
an Kontinuität, neue Erkenntnisse auf der tatbestandlichen Ebene zu einer Ver-
urteilung geführt haben, die von der ursprünglichen Rechtsprechungslinie ab-
weicht.567 Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass eine Anwendung des Art. 103
Abs. 2 nur dann in Betracht kommt, wenn eine gewisse Kontinuität in der Recht-
sprechungslinie besteht, auf dessen Grundlage überhaupt ein Vertrauenstatbe-
stand geschaffen werden konnte.568 Dieser restriktive Ansatz zur Anwendung des
Rückwirkungsverbotes kann damit begründet werden, dass die Uneinheitlichkeit
der Rechtsprechung in der Natur der Sache liegt und sich in der Unabhängigkeit
der Judikative begründet.569 Wie nach den genannten Differenzierungskriterien

564 BVerfG, Beschl. v. 16.05.2011 – 2 BvR 1230/10 = BVerfGK 18, 430, 435 =

HRRS 2001 Nr. 737.


565 Vgl. dazu Kap. D. VI. 3. b) aa) (1).
566 BVerfG, Beschl. v. 16.05.2011 – 2 BvR 1230/10 = BVerfGK 18, 430, 435 =

HRRS 2011 Nr. 737.


567 So bei der Absenkung der Blutalkoholwerte zur absoluten Fahruntüchtigkeit, vgl.

BGH, Beschl. v. 09.12.1966 – 4 StR 119/66 = BGHSt 21, 157, 159 = NJW 1967, 116;
BGH, Beschl. v. 19.08.1971 – 4 StR 574/70 = BGHSt 24, 200 ff. = NJW 1971, 1997;
BGH, Beschl. v. 17.07.1986 – 4 StR 543/85 = BGHSt 34, 133 ff. = NJW 1986, 950;
kritisch dazu Arndt, Probleme rückwirkender Rechtsprechungsänderung, S. 42; Naucke,
NJW 1968, 758.
568 BVerfG, Beschl. v. 16.05.2010 – 2 BvR 1230/10 = BVerfGK 18, 430, 435 = NJW

2010, 3209, 3210.


569 BVerfG, Beschl. v. 26.04.1988 – 1 BvR 669/87 = BVerfGE 78, 123, 126, der dar-

auf verweist, dass nicht auf die Anwendung einer bestimmten Rechtsauffassung vertraut
werden darf, spricht sich aber dennoch gegen eine abrupte Änderung einer gängigen
Verfahrenspraxis an eben jenem Gericht aus.
168 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

allerdings zwischen Feststellung und Bewertung der Tatsachenbasis differenziert


werden soll, bleibt, wie bereits angedeutet, unklar.570
Diese Kriterien werden ergänzt durch eine seit einiger Zeit vertretene erwei-
terte Kontrolldichte, die die Kompetenz des BVerfG nicht mehr nur auf die Ver-
tretbarkeitskontrolle beschränkt, sondern auch auf die Überprüfung einer kor-
rekten Anwendung oder Weiterentwicklung der bisherigen Rechtsprechung. In
diesem Kontrollmaßstab kann ein Schutz der Bürger*innen vor „verdeckten
Rechtsprechungsänderungen“ gesehen werden.571 Unklar bleibt allerdings, wie
weit die Kontrolle und der Vertrauensschutz letztendlich reichen.
Deutlicher ist das Bekenntnis zum Rückwirkungsverbot allerdings in anderen
Rechtsbereichen. Insbesondere im Bereich des Steuerstrafrechts, in denen der
Rechtsprechung aufgrund des extensiven Einsatzes von ausfüllungsbedürftigen
Tatbeständen eine erheblich konkretisierende Funktion zukommt, wird die An-
wendung des Rückwirkungsverbotes auch für die Rechtsprechung angenom-
men.572
Es gibt allerdings soweit ersichtlich auch dort keinen Diskurs darüber, wie sich
die erstmalige Anwendung von eben jenen generalklauselartigen Normen aus-
wirkt und wie in diesen Fällen mit der Unvorhersehbarkeit umgegangen wird.

(4) Stellungnahme zur analogen Anwendung des Art. 103 Abs. 2 GG

Auch wenn der Wortlaut des Art. 103 Abs. 2 GG eine Anwendung des Rück-
wirkungsverbotes lediglich auf die von der Legislative erlassenen Gesetze vor-
sieht, ist für die Frage, ob die Rechtsprechung einem wie auch immer gearteten
Rückwirkungsverbot unterliegt, wie bereits dargelegt, entscheidend, inwieweit
Legislative und Judikative die gleichen Aufgaben wahrnehmen bzw. eine „Wir-
kungsgleichheit“ besteht.573 Es muss gerade dann von einer vergleichbaren Inter-
essenlage ausgegangen werden, wenn die Richter*innen in besonderem Maße an
der Konkretisierung der Strafgesetze mitwirken und infolgedessen durch ihre
Rechtsprechung eine Regelsetzung vornehmen.574 Für die Bürger*innen kommt
es folglich bei einer aktiven Partizipation der Richter*innen an der Fortentwick-

570 Sachs/Degenhart, Art. 103 Rn. 73.


571 BVerfG 23.06.2010 – 2 BvR 2559/08 = BVerfGE 126, 170, 198 f. = NJW 2010,
3209; zur Aussage über die Geltung des Rückwirkungsverbotes vgl. Kuhlen, JR 2011,
246, 249.
572 NK-StGB/Kargl, § 1 Rn. 59.
573 Müller-Dietz, in: FS-Maurach, S. 41, 45; Maunz/Dürig/Remmert, Art. 103 Abs. 2

Rn. 129, verweist aber im Zuge dessen darauf, dass die Judikative bei hinreichend be-
stimmten Normen immer nur innerhalb des Wortlautes tätig werden kann und mithin
keine legislativen Aufgaben wahrnimmt; zum Begriff der „Wirkungsgleichheit“ vgl.
Hettinger/Engländer, in: FS-Meyer-Goßner, S. 145, 156.
574 Kuhlen, in: Gesetzlichkeit und Strafrecht, S. 429, 438.
VI. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Rückwirkungsverbot 169

lung des Rechts auf das „richterlich konkretisierte“ Strafgesetz an.575 Dabei geht
es gerade nicht um den Vertrauensschutz einer – unter Umständen – falschen
Gesetzesanwendung, sondern um ein Vertrauen auf die „formale Geltung“ der
Rechtsprechung.576 Zumal die Unrichtigkeit einer Rechtsprechung für juristische
Laien ohnehin nicht ersichtlich sein dürfte und folglich nicht von einem nicht
schützenswerten Vertrauen auf eine unrichtige Rechtsprechung ausgegangen wer-
den kann. Ebenso ist der Begriff der unrichtigen Rechtsprechung auch restriktiv
anzuwenden, da es gerade nicht nur eine einzig richtige Entscheidung in der
Rechtsanwendung gibt.577 Dies muss dann konsequenterweise dazu führen, dass
die Judikative bei ihrer Entscheidungsfindung den gleichen Regeln unterworfen
wird.578 Ziel des Rückwirkungsverbotes ist es gerade auch, das staatliche Strafen
vorhersehbar zu gestalten. Zum staatlichen Strafen gehört aber nicht nur die Fas-
sung der entsprechenden Normen, sondern insbesondere auch die Rechtsanwen-
dung durch die Gerichte. Auch wenn zuzugeben ist, dass Legislative und Judika-
tive durch die Verfassung unterschiedliche Aufgabenbereiche zuteilwerden, führt
dies nicht automatisch zur Ablehnung einer analogen Anwendung. Unterschied-
liche Ausgangslagen sind gerade konstituierendes Merkmal für eine Analogie.
Vielmehr wäre also erforderlich, dass dargelegt würde, dass die Interessenlagen
aufgrund der divergierenden Ausgangspositionen so unterschiedlich sind, dass
eine Gleichbehandlung ausgeschlossen ist.579
Dazu muss festgestellt werden, welchen Zweck das Urteil im Strafverfahren
hat. Hier kommt dem Urteil eine andere Bedeutung zu als im Zivilprozess, des-
sen Ergebnis nur „inter partes“ wirkt und damit den Zweck der Streitbeilegung
erfüllt, § 322 ZPO. Soll das Strafrecht der Generalprävention und dessen Anwen-
dung der Bestätigung der Normgeltung dienen,580 dann ist eine konsistente und
vorhersehbare Anwendung Grundvoraussetzung für die Erfüllung eben jener
Zwecke. Das muss insbesondere dann gelten, wenn sich die Kompetenzbereiche
von Judikative und Legislative immer weiter angleichen oder, wie bei Öffnungs-
klauseln der Fall, die Entscheidung auf die Judikative durch gesetzliche Anord-
nung verlagert wird.581 Dadurch entsteht zumindest eine Teilüberschneidung der
Kompetenzbereiche, die eine klare Grenzziehung erschwert. In diesen Bereichen
unterscheiden sich die Entscheidungen der Gerichte gerade nicht mehr qualitativ
von denjenigen der Legislative, denn auch hier kommt es in der Regel zu einer
Fallgruppenbildung, die als Richtschnur auch für zukünftige Entscheidungen ge-

575 Kuhlen, in: Gesetzlichkeit und Strafrecht, S. 429, 439.


576 Hettinger/Engländer, in: FS-Meyer-Goßner, S. 145, 154 ff.
577 Neumann, in: FS-Beulke, S. 197, 204.
578 So im Ergebnis auch die Argumentation bei Grunsky, Grenzen der Rückwirkung

bei einer Änderung der Rechtsprechung, 13 f.


579 So auch Bernreuther, MdR 1991, 829.
580 Kindhäuser/Schumann, Strafverfahrensrecht, 5. Aufl. 2017, § 1 Rn. 4.
581 So wohl auch BVerfGE 126, 170, 199 = BVerfGE 126, 170 = NJW 2010, 3209.
170 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

nutzt wird. Vergleichbar ist dann die Interessenlage mit eben jener im „case-law“.
Auch dort wird die Anwendung eines Rückwirkungsverbotes auf Rechtspre-
chungsänderungen befürwortet.582
Darüber hinaus hat das StGB hat auch eine einfachgesetzliche Regelung für
den Bereich der Gesetzesänderung nach Beendigung der Tat getroffen. Nach § 2
Abs. 3 StGB darf bei einer Gesetzesänderung nach Beendigung der Tat im Falle
einer Verurteilung nur aus dem milderen Gesetz bestraft werden. Der darin zum
Ausdruck kommende Grundgedanke kann auch auf den Bereich der Rechtspre-
chungsänderungen übertragen werden: Wenn im Bereich der nachträglichen
Strafschärfung keine Schlechterstellung für den Angeklagten folgen darf, dann
liegt zumindest der Gedanke nicht ganz fern, dass es im Bereich der rückwirken-
den Rechtsprechungsänderung ebenfalls nicht zu einer Schlechterstellung kom-
men darf und eine etwaig neue, mildere Rechtsprechung angewendet werden
muss,583 denn die daraus resultierende Belastung für die Bürger*innen ist ent-
sprechend.
Ebenso verfängt auch der Einwand, dass es gerade originäre Aufgabe der Ge-
richte ist, Entscheidungen für die Vergangenheit zu treffen, nicht. Denn auch ein
Rückwirkungsverbot für Rechtsprechungsänderung ändert diesen Charakter ge-
rade nicht. Es wird nicht der in der Vergangenheit liegende Sachverhalt verän-
dert, viel mehr ändert sich aber die diesbezügliche rechtliche Beurteilung. Inso-
fern würde auch ein Rückwirkungsverbot nicht zu einer Handlungsunfähigkeit
der Judikative führen. Es ist vielmehr nur eine Veränderung des Bewertungsmaß-
stabes betroffen.584
Unstreitig darf die Anwendung des Rückwirkungsverbotes nicht zu einem völ-
ligen Stillstand der Rechtsprechung führen, denn diese ist gerade das flexible In-
strument der Rechtsanwendung, das die starren Normen mit Lebenssachverhalten
füllt.585 Dem widerspricht aber nicht das Bestreben, eine solche rechtliche Fort-
entwicklung in bestimmten Fällen bestimmten Regeln zu unterwerfen.
Auch die, wie bereits aufgezeigt, ebenfalls umstrittene Frage, auf welche kon-
kreten Rechtsprechungsänderungen das Rückwirkungsverbot Anwendung finden
soll, kann für die in dieser Arbeit zu erörternde Fragestellung allerdings dahinste-
hen. Es genügt an dieser Stelle die Feststellung, dass die Voraussetzungen einer
analogen Anwendung des Rückwirkungsverbotes auch auf die Rechtsprechung,
zumindest in bestimmten Konstellationen, vorliegen. Entscheidend ist an dieser

582 NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 43.


583 Grunsky, Grenzen der Rückwirkung bei einer Änderung der Rechtsprechung,
S. 18.
584 Hettinger/Engländer, in: FS-Meyer-Goßner, S. 145, 156.
585 So aber Kunig, Das Rechtsstaatsprinzip, S. 432 unter Verweis darauf, dass das
Festhalten an für unzulässig gehaltenen Rechtsauffassungen unzumutbar ist.
VI. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Rückwirkungsverbot 171

Stelle die Feststellung, dass auch die Rechtsprechung in analoger Anwendung des
Art. 103 Abs. 2 GG Adressatin des Rückwirkungsverbotes sein kann.

c) Übertragbarkeit der für die Rechtsprechung geltenden Grundsätze


auf Öffnungsklauseln
Entscheidend sind in der vorliegend zu untersuchenden Frage, wie bereits auf-
gezeigt, mitunter weniger die Fälle, in denen bereits eine gefestigte Rechtspre-
chung vorliegt,586 als vielmehr die Fälle, in denen erstmals eine Entscheidung
aufgrund einer Gesetzesfassung getroffen wird, die es ermöglicht, das Gesetz
auch auf vergleichbare oder ähnliche Fälle anzuwenden.587 Dabei handelt es sich
zwar nicht um einen klassischen Fall der rückwirkenden Rechtsanwendung, aller-
dings wird auch in diesen Fällen ein Verhalten für strafbar erklärt, dass zum Zeit-
punkt der Tatbegehung als solches mitunter nicht zweifellos erkennbar strafbar
war, denn der Ähnlichkeitsschluss geht gerade über die explizit geregelten Ver-
haltensweisen hinaus.
Es ist also unerlässlich, an dieser Stelle den Blick zu weiten und nicht nur die
viel beschworenen Änderungen einer gefestigten Rechtsprechung zu beleuch-
ten,588 sondern den Fall der erstmaligen Schaffung einer Rechtsprechung im Rah-
men von Öffnungsklauseln zu untersuchen. Denn auch hier kommt es zu einem
„Verschwimmen“ der Kompetenzbereiche, 589 denn Öffnungsklauseln schaffen
gerade die Befugnis, das Gesetz auch auf dort nicht explizit geregelte Fälle anzu-
wenden.590 Den Gerichten kommt in diesen Fällen eine vielfach quasi-gesetz-
geberische Funktion zu, indem sie durch eine Entscheidung erheblich zur Fest-
legung des Anwendungsbereichs der Norm beitragen, weil dieser Bereich nicht
abschließend vom Gesetzgeber geregelt wurde.591 Falls es zur Anwendung von
Öffnungsklauseln durch die Gerichte kommen sollte, könnte daraus eine mit dem
Rückwirkungsverbot vergleichbare Konfliktlage resultieren, woraus sich das
Bedürfnis ergeben könnte, einen „Warnschuss“ im Hinblick auf die geplante
Rechtsanwendung abzugeben.592

586 Dannecker, Das intertemporale Strafrecht, S. 364.


587 So auch A. H. Albrecht, in: FS-Dencker, 2012, 1, 12.
588 Tröndle, in: FS-Dreher, S. 117, 123.
589 Müller-Dietz, in: FS-Maurach, S. 41, 43.
590 Sodass sich hier die Gedanken, ungeachtet der Unterschiede zwischen General-

und Öffnungsklauseln parallelisieren lassen, vgl. A. H. Albrecht, in: FS-Dencker, 2012,


1, 12, in Bezug auf Blanketttatbestände; Albrecht geht davon aus, dass die Norm auch
erst durch die erstmalige Anwendung in Kraft tritt, dies scheint aber zu weit zu gehen,
was wiederum Probleme in der Strafverfolgung nach sich ziehen würde.
591 Zur Konstituierung der Bedeutung von Normen durch die Gerichte vgl. Hettin-

ger/Engländer, in: FS-Meyer-Goßner, S. 145, 152.


592 Kempf/Schilling, NJW 2012, 1849, 1854.
172 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

Der Forderung, das Rückwirkungsverbot auch auf Öffnungsklauseln anzuwen-


den, kann allerdings entgegengehalten werden, dass die Bürger*innen es ertragen
müssen, dass nicht für jeden Fall eine eindeutige Strafnorm bestehen kann und
sie somit auf ihre eigene Rechtsauffassung vertrauen müssen, die unter Umstän-
den von der Auffassung abweichen könnte, die die Gerichte vertreten werden.593
Außerdem könnte in den Fällen der Öffnungsklauseln, bei denen bereits die erst-
malige Anwendung einer Norm unklar ist, der richtige Zugriffspunkt das Be-
stimmtheitsgebot sein. Auf die Übertragung des Rückwirkungsverbotes käme es
insoweit nicht an.594 Auch handelt es sich dabei gerade nicht um Blankettstraf-
gesetze, die notwendigerweise ausfüllungsbedürftig sind. Dem ist zuzugeben,
dass zwar die Anwendung der Norm die Öffnungsklausel konkretisiert, sie bildet
diese aber nicht erstmals. Das Vertrauen der Bürger*innen wird durch die Einbet-
tung der Öffnungsklauseln in eine, im Übrigen hinreichend bestimmte Norm,
ausreichend geschützt.595 Es führt außerdem den Grundgedanken von Öffnungs-
klauseln ad absurdum, wenn die Flexibilität in der Einzelfallentscheidung, die
gerade das konstituierende Merkmal einer solchen Form der Gesetzgebung ist,
mit Wirkung für bereits begangene Taten erheblich beschnitten wird.
Dennoch dient das Rückwirkungsverbot, wie bereits erläutert, dem Schutz der
Bürger*innen vor staatlicher Willkür und ist entscheidend, um Handlungsfreiheit
garantieren zu können. Nur so lassen sich straffreie von strafbewehrten Hand-
lungsbereichen abgrenzen. Wird eine Person aufgrund einer vom Gesetzgeber
nicht vorhergesehenen Verhaltensweise unter Anwendung einer Öffnungsklausel
verurteilt, dann war diese Verurteilung unter Umständen ebenso wenig vorher-
sehbar, wie die Verurteilung aufgrund eines Gesetzes mit Rückwirkung auf eine
vor Geltung des Gesetzes begangene Tathandlung. Unterschiede ergeben sich al-
lerdings daraus, dass nicht der Gesetzgeber die Voraussetzungen des rückwirken-
den Gesetzes genau definiert hat, sondern dass der Judikative die Möglichkeit
eröffnet wurde, die Voraussetzungen der Strafbarkeit durch die Anwendung der
Norm erstmals zu schaffen. Es ist den Richter*innen auf diese Weise gestattet,
den Anwendungsbereich von Öffnungsklauseln durch eine analoge innertatbe-
standliche Rechtsanwendung näher zu bestimmen, was bedeutet, dass der An-
wendungsbereich durch eine Verurteilung erstmals in Bezug auf eine bestimmte
Tathandlung geschaffen wird. Das führt zu einer bewussten Aufgabenverlagerung
der Legislative auf die Judikative.
Je nach konkreter Fassung der vorher explizit genannten Verhaltensweisen
kann hier auch die Rechtsanwendung im Einzelfall unvorhersehbar sein und inso-

593 Grunsky, Grenzen der Rückwirkung bei einer Änderung der Rechtsprechung,
S. 13.
594 Vgl. dazu Müller-Dietz, in: FS-Maurach, S. 41, 46.
595 A. H. Albrecht, in: FS-Dencker, 2012, 1, 13.
VI. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Rückwirkungsverbot 173

weit könnte eine vergleichbare Konfliktlage vorliegen. Das gilt umso mehr, wenn
man als Schutzgut von Art. 103 Abs. 2 die Vorhersehbarkeit staatlicher Entschei-
dungen benennt,596 denn dann müssen darunter auch die von der Judikative ge-
troffenen staatlichen Entscheidungen fallen. Die Entfaltung staatlicher Macht
muss berechenbar sein, zumindest im Sinne einer Orientierungssicherheit.597
Eine solche Differenzierung zwischen Judikative und Legislative ist zumindest
im Bereich der kompetenzüberschneidenden Öffnungsklauseln nicht geboten.
Folglich führt erst die Anwendung der Öffnungsklausel zu einem Verstoß gegen
das Rückwirkungsverbot und ist der Sache nach vergleichbar mit einer nachträg-
lichen Rechtsprechungsänderung.
Auch kriminalpolitisch ist eine Rückwirkung nicht funktional. Wenn die Straf-
barkeit nicht bei Tatbegehung ersichtlich war, und diese Gefahr kann aufgrund
der Befugnis der analogen Rechtsanwendung bestehen, erscheint es wie eine
willkürliche Rechtsanwendung.598 Dies muss insbesondere für Öffnungsklauseln
gelten, die quasi eine Schnittstelle zwischen Gesetz und Rechtsprechung be-
rühren.
Wenn die Legislative bewusst eine ihr obliegende Aufgabe an die Judikative
überträgt und diese Aufgabenübertragung auch unstreitig im Gesetzestext zum
Ausdruck kommt, dann muss in der letzten Konsequenz auch ein Rückwirkungs-
verbot für die Rechtsprechungsänderung Geltung entfalten. Ansonsten sieht sie
sich dem Vorwurf der doppelten Verfassungswidrigkeit ausgesetzt: Zum einen
durch die Verlagerung der Gesetzgebungskompetenz auf die Judikative und zum
anderen dadurch, dass das aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete Vertrauen der
Bürger*innen nicht infolgedessen geschützt wird. Es darf durch eine Aufgaben-
verlagerung gerade nicht zu einem Funktionsverlust verfassungsrechtlicher Prin-
zipien kommen. Die in Art. 103 Abs. 2 GG zum Ausdruck kommenden Grund-
gedanken müssen zur Wahrung einer einheitlich demokratischen Grundordnung
doch beibehalten und entsprechend fortentwickelt werden.599

d) Rechtsfolge der Anwendung des Rückwirkungsverbotes


auf die Rechtsprechung: Übertragung der „von-nun-an“-Theorie
auf die Anwendbarkeit von Öffnungsklauseln im Strafrecht

An die Entscheidung, die Grundsätze des Rückwirkungsverbotes auch auf die


erstmalige Anwendung von Öffnungsklauseln durch die Gerichte zu übertragen,
schließt sich die Frage an, wie mit der erstmaligen Anwendung von Öffnungs-

596 Jung, in: FS-Wassermann, S. 875, 884.


597 Jung, in: FS-Wassermann, S. 875, 884 bezeichnet dies als „Berechnbarkeitsma-
xime“.
598 Maurach/Zipf/Jäger, Grundlehren des Strafrechts und Aufbau der Straftat, S. 159.
599 Basak, in: Strafrecht und Verfassung, 2013, 71, 87.
174 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

klauseln umgegangen werden kann, um insbesondere den Vertrauensschutzge-


sichtspunkten hinreichend Rechnung zu tragen.600
Öffnungsklauseln könnten vollumfänglich von der Judikative nicht angewendet
werden. Verstößt eine Norm gegen das Rückwirkungsverbot führt dies zur Un-
wirksamkeit eben jener Norm. Eine Verurteilung auf Grundlage eines solchen
Gesetzes ist unwirksam, entsprechende Gesetze sind gem. Art. 100 Abs. 1 GG
vorzulegen.601 Für einen solchen Verstoß von Öffnungsklauseln gegen das Rück-
wirkungsverbot fehlt es allerdings, wie oben bereits dargestellt, insbesondere an
einem ausdrücklichen unter Strafe stellen eines in der Vergangenheit liegenden
und zum damaligen Zeitpunkt noch straffreien Verhaltens. Die besondere Schutz-
bedürftigkeit ergibt sich hingegen erst aus dem Umstand, dass die Legislative
eine ihr übertragene Aufgabe auf die Judikative verlagert. Der Verstoß gegen ein
an die Judikative gerichtetes Rückwirkungsverbot ergibt sich, wie dargelegt, erst
durch die Anwendung. Es muss diskutiert werden, wie diesem aus der Anwen-
dung resultierenden Interessenkonflikt begegnet werden kann.
Um zum einen Vertrauensschutzgesichtspunkten Rechnung zu tragen und zum
anderen einer Erstarrung der Rechtsentwicklung entgegenzuwirken, wurden ins-
besondere im anglo-amerikanischen Rechtskreis Lösungsansätze entwickelt
(dazu unter aa)), die mitunter auch auf die (erstmalige) Anwendung von Öff-
nungsklauseln übertragen werden könnten (dazu unter bb)), um auf diese Weise
den bestehenden Interessenkonflikt zu lösen und einen Verstoß der Judikative ge-
gen das Rückwirkungsverbot zu vermeiden.

aa) Allgemeines zur „von-nun-an“-Rechtsprechung


Es gibt unterschiedliche Ansätze dazu, wie zwischen dem Vertrauensschutz
auf den Fortbestand der bisherigen Rechtsprechung und der Fortentwicklungs-
möglichkeit des Rechts eine Balance hergestellt werden kann, die den widerstrei-
tenden Bedürfnissen ausreichend Rechnung trägt. Dazu wird eine Ankündi-
gung,602 z. B. in Form wissenschaftlicher Beiträge aber auch durch das Verfassen
von obiter dicta der geplanten Rechtsprechungsänderung in Betracht gezogen.603

600 Umfassend dazu, wie mit der Anwendung des Rückwirkungsverbotes auf Recht-

sprechungsänderungen umgegangen werden kann, vgl. Kempf/Schilling, NJW 2012,


1849.
601 Maunz/Dürig/Remmert, Art. 103 Abs. 2 Rn. 124.
602 Straßburg, ZStW 82 (1970), 948, 963, der aber auch darauf verweist, dass die

Ankündigungspflicht nicht uneingeschränkt gilt.


603 Befürwortend: Straßburg, ZStW 82 (1970), 948, 967; ablehnend: Schreiber, JZ

1973, 713, 717 und begründet dies damit, dass eine solche Ankündigung nach gelten-
dem Prozessrecht nicht möglich ist; Kempf/Schilling, NJW 2012, 1849, 1854 unter Ver-
weis darauf, dass bei abweichenden obiter dicta keine Vorlagepflicht besteht; ablehnend
in Bezug auf informelle Ankündigungen und obiter dicta: Neumann, ZStW 103 (1991),
331, 352; für die Veröffentlichung in Medien, die der Zielgruppe des Tatbestandes zu-
gänglich sind, vgl. Kuhlen, HRRS 2012, 114, 116.
VI. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Rückwirkungsverbot 175

Dieser Gedanke der Vorankündigung wird zum Teil auch als Lösung der Prob-
lematik der Rückwirkung von Rechtsprechungsänderung angedacht604 und könn-
te auch auf die erstmalige Anwendung von Öffnungsklauseln übertragen werden,
um den Konflikt mit dem Rückwirkungsverbot zu lösen. Die Idee, dem Ver-
trauensschutz durch eine entsprechende Vorwarnung Rechnung zu tragen, findet
ihren Ursprung, soweit ersichtlich, in der anglo-amerikanischen Rechtstradition.
Untere Gerichte sind dort an die ratio decidendi, also vorhergehende Entschei-
dungen in einer vergleichbaren Sache, der in der Gerichtsordnung übergeordne-
ten Gerichte gebunden.605 Ein „overruling“ im Sinne einer Änderung der Recht-
sprechungslinie ist nur in eng umgrenzten Ausnahmefällen möglich, z. B. wenn
bei der Entscheidung, die als Präjudiz dient, ein wesentliches Gesetz nicht be-
achtet wurde.606 Durch dieses Vorgehen wird eine Bindungswirkung an bisherige
Entscheidungen erreicht, die im deutschen Recht über die Bindung an das ge-
schriebene Recht gem. Art. 103 Abs. 2 GG erreicht werden soll. Wird diese Re-
gelung übergangen, kann es zur Aufhebung des betroffenen Urteils kommen,
denn auch im anglo-amerikanischen Rechtskreis ist der Grundsatz des „nulla
poena sine lege“ anerkannt, auch wenn es sich dort auf gesprochene Urteile und
nicht auf das geschriebene Recht bezieht.607 Die so erzeugte Bindungswirkung
kann nur in Ausnahmefällen durch eine gegenläufige Entscheidung aufgehoben
werden und auch nur durch oberste Gerichte.608 Es erfolgt eine Bindung der an-
deren Gerichte an eine solche geänderte Rechtsprechung, wenn diese Teil des Ur-
teils geworden ist (sog. holding).609 Im Hinblick auf das getätigte Vertrauen auf
die bisherige Rechtsprechung muss im Zweifel davon ausgegangen werden, dass
die abweichende Entscheidung des Gerichts nicht vorhersehbar war. Um einem
solchen enttäuschten Vertrauen und einer damit verbundenen Rechtsunsicherheit
entgegenzuwirken, wird in den U.S.A. das sog. „prospective overruling“ befür-
wortet.610 Das bedeutet, dass die angestrebte Rechtsprechungsänderung zwar für
alle zukünftigen Fälle angekündigt wird, aber auf den zu entscheidenden Fall
allerdings noch das alte Recht bzw. die bisherige Rechtsprechung angewendet
wird.611 In welcher Form die Ankündigung erfolgen soll, steht hingegen nicht

604 Müller-Dietz, in: FS-Maurach, S. 41, 44; Maunz/Dürig/Remmert, Art. 103 Abs. 2

Rn. 112; Kruse, Das Richterrecht als Rechtsquelle, S. 17 ff.


605 Siehe dazu auch Lilie, Obiter Dictum, S. 226 f.
606 Lilie, Obiter Dictum, S. 228; Radbruch, Der Geist des Englischen Rechts und die

Anglo-Amerikanische Jurisprudenz, S. 73.


607 Schlüchter, Mittlerfunktion der Präjudizien, S. 75.
608 Bittner, JZ 2013, 645, 647.
609 Knittel, Zum Problem der Rückwirkung bei einer Änderung der Rechtsprechung,

S. 39.
610 Bittner, JZ 2013, 645, 648; wohl ablehnend aufgrund der unterschiedlichen

Rechtssysteme vgl. Lilie, Obiter Dictum, S. 227.


611 Linkletter v. Walker (165), 381 U. S. 618, zitiert in der Sache Jones v. Secretary

of State for Social services (1972) A.C. 944, (1972) 1 All E. R. 145; Haffke, Das Rück-
176 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

fest. Es kann allerdings eine Ankündigung der Rechtsprechungsänderungen, z. B.


in den gängigen Zeitschriften, mit Wirkung für alle Fälle ab eben jener Ankündi-
gung den Vertrauensschutzgesichtspunkten ausreichend Rechnung tragen.612
Allerdings sieht sich der Einsatz der „von-nun-an“-Lösung im deutschen Recht
erheblicher Kritik ausgesetzt.613 Neben dem Einwand, dass die Anwendung einer
solchen Lösung als Aufforderung an die Rechtsprechung verstanden werden
könnte, sich noch weiter vom Gesetz zu lösen,614 wird Kritik vor allem auf straf-
prozessualer Seite angebracht. Danach sei die Formulierung, dass eine Recht-
sprechungsänderung erst in kommenden Entscheidungen Wirkung entfalte, in Ur-
teilen gerade nicht vorgesehen, denn diese wäre infolgedessen zum Zeitpunkt des
Erlasses nicht entscheidungserheblich und sei folglich zur Erwähnung im Urteil
nicht vorgesehen, vgl. §§ 260, 267 StPO.615 Die Gerichte wären darüber hinaus
gezwungen eine veraltete Rechtsprechung anzuwenden, obwohl diese mitunter
für Unrecht gehalten würde.616 Dies erscheine mit rechtsstaatlichen Grundsätzen
unvereinbar und würde erst Recht zum Verlust jeglichen Vertrauens in die Recht-
sprechung führen.617 Es bestehe aufgrund dessen die Gefahr, dass die Angeklag-
ten nur zum Mittel zur Durchsetzung einer Rechtsprechungsänderung würden.618
In der dadurch erfolgenden Objektivierung des Angeklagten könnte wiederum
ein Konflikt mit Art. 1 Abs. 1 GG gesehen werden. Es fehle darüber hinaus an
einer rechtlichen Grundlage auf der man die Straffreiheit trotz Vorliegen der
Strafbarkeitsvoraussetzungen nach der geplanten Rechtsprechungsänderung be-
gründen könne. Außerdem würde dadurch die Möglichkeit genommen, dass der
BGH die Rechtsprechung überprüfen könne, weil keine Beschwerdemöglichkeit
bestehe. Ein Instanzenzug wäre folglich nicht mehr möglich, wenn die Angeklag-
ten auf Grundlage der bisherigen Rechtsprechung freigesprochen würden. Prob-
lematisch erscheint mithin auch, dass der Staatsanwaltschaft im Zweifel die
Möglichkeit zur Anklage genommen würde, wenn eine Verurteilung gerade nur

wirkungsverbot des Art. 103 II GG bei Änderung der Rechtsprechung zum materiellen
Recht, S. 27 f.
612 Bittner, JZ 2013, 645, 649 f.
613 Umfassend zu den damit verbundenen Problemen vgl. Tröndle, in: FS-Dreher,

S. 117; Burmeister, Vertrauensschutz im Prozeßrecht, S. 31 f., der sich dabei aber insbe-
sondere auf das Privatrecht bezieht; Schreiber, JZ 1973, 713, 717; Robbers, JZ 1988,
481, 488.
614 Schreiber, JZ 1973, 713, 717.
615 Tröndle, in: FS-Dreher, S. 117, 125; Schünemann, in: FS-Bruns, S. 223, 234 ver-

weist auf Praktikabilitätsprobleme; Schreiber, JZ 1973, 713, 717; Basak, in: Strafrecht
und Verfassung, S. 71, 87.
616 Schlüchter, Mittlerfunktion der Präjudizien, S. 83; Grunsky, Grenzen der Rück-

wirkung bei einer Änderung der Rechtsprechung, S. 10.


617 Robbers, JZ 1988, 481, 488.
618 Haffke, Das Rückwirkungsverbot des Art. 103 II GG bei Änderung der Rechtspre-

chung zum materiellen Recht, S. 144.


VI. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Rückwirkungsverbot 177

im Hinblick auf eine Änderung der bisherigen Rechtsprechung in Betracht käme.


Sind die Gerichte aber an die bisherige Rechtsprechung gebunden und ist so eine
Änderung der Rechtsprechung mit der einhergehenden Möglichkeit der Verurtei-
lung von vorneherein ausgeschlossen, dann komme eine Anklage in der Regel
nicht in Frage.619
Des weiteren wird eingewandt, dass sich die Bindungswirkung von Urteilen
von jener im anglo-amerikanischen Rechtskreis grundlegend unterscheidet. Eine
solche Bindungswirkung im deutschen Recht würde zur Folge haben, dass die
anderen Gerichte an die im Rahmen des „prospective overruling“ getroffenen
Entscheidungen gebunden wären. Eine solche Bindungswirkung, die insbeson-
dere eine Bindungswirkung für die Zukunft bedeuten würde,620 ist für die Judika-
tive, die in ihrer Entscheidungsfindung grundsätzlich frei ist, nicht vorgesehen.
Die Kompetenzverschiebung zwischen Legislative und Judikative würde durch
eine Änderung der Rechtsprechung nur für die Zukunft lediglich noch weiter be-
stärkt, da die Aufgabe der Judikative eigentlich darin bestehe, eine Einzelfallent-
scheidung für die Vergangenheit zu treffen.621
Allerdings können schwerlich prozessuale Umsetzungsprobleme zur Nichtan-
wendbarkeit eines Verfassungssatzes führen.622 Aus den soeben aufgeworfenen
Problemen kann also nicht gefolgert werden, dass die gesetzlichen Voraussetzun-
gen im Prozessrecht nicht geschaffen werden könnten. Wenn gegen die „von-
nun-an“-Technik eingewandt wird, dass sie dazu führe, dass Richter*innen ge-
zwungen werden, Entscheidungen, die sie für Unrecht halten, ein weiteres Mal
anzuwenden, dann ist zu beachten, dass die Bewertung, ob eine Entscheidung
Unrecht ist, nicht allein anhand der materiellen Rechtslage getroffen werden
kann – auch verfassungsrechtliche Grundsätze sind zu beachten. In dieser Be-
urteilung muss also auch der Vertrauensschutz vor unvorhersehbaren Rechtspre-
chungsänderungen Anerkennung finden, der, wie soeben dargestellt, ebenfalls
in Art. 103 Abs. 2 GG seinen Ausdruck findet. Nur allein eine andere Auslegung
der anzuwendenden Norm führt nicht dazu, dass die bisherige Rechtsprechung
automatisch zu einer unrechten oder materiell-rechtlich falschen Entscheidung
wird.623
Darüber hinaus ist zu beobachten, dass die Revisionsgerichte bereits zuneh-
mend vom Verfassen von obiter dicta Gebrauch machen und auf diese Art und

619 Schreiber, JZ 1973, 713, 717.


620 Bittner, JZ 2013, 645, 648 unter Verweis auf eine Entscheidung des House of
Lords: National Westminster Bank plc (Respondents) v. Spectrum Plus Limited and
others and others (appalants), [2005] UKHL 41 unter 28.
621 Knittel, Zum Problem der Rückwirkung bei einer Änderung der Rechtsprechung,

S. 39.
622 Müller-Dietz, in: FS-Maurach, S. 41, 48; Dannecker, Das intertemporale Straf-

recht, S. 372.
623 Neumann, ZStW 103 (1991), 331, 342.
178 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

Weise Hinweise für die Handhabung einer rechtlichen Problematik in der Zu-
kunft an die Hand geben.624 Auch ist es allgemeine Rechtspraxis, dass Gerichte
entsprechend der höchstgerichtlichen Rechtsprechung Entscheidungen fällen und
nicht völlig losgelöst davon das Recht anwenden, sodass bereits eine faktische
Bindung an die höchstgerichtliche Rechtsprechung angenommen werden kann.
Wenn die Gerichte, durch die konkrete Fassung von Gesetzen, und im vorliegen-
den Falle insbesondere von Öffnungsklauseln, ohnehin eine quasi-gesetzgebe-
rische Tätigkeit übernehmen, dann spricht dies dafür, dass im Sinne der Rechts-
sicherheit auch eine erhöhte Bindungswirkung erzeugt wird, die Vertrauens-
schutzgesichtspunkten Rechnung trägt.
Wenn eingewandt wird, dass die Anwendung einer überholten Rechtsprechung
Unrecht darstellt, dann muss beachtet werden, dass man im Umkehrschluss auch
bei unvorhergesehenen Rechtsprechungsänderungen, die den Bedürfnissen einer
Rechtsprechungsänderung keine Rechnung trägt, von Unrecht sprechen kann.
Das Argument, dass die Gerichte durch die „von-nun-an“-Klausel an eine für
Unrecht empfundene Entscheidung gebunden sind, vermag also nicht zu ver-
fangen.625
Festgestellt werden kann, dass eine Anwendung der „von-nun-an“-Methode im
deutschen Recht nicht gänzlich ausgeschlossen ist, auch wenn sie an bestimmte
Voraussetzungen gebunden ist. Erforderlich ist insbesondere, dass bereits eine
gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung eines obersten Gerichts besteht.626
Ob ein konkretes Vertrauen in eben jene Rechtsprechung getätigt wurde, kann
hingegen dahinstehen. Die geänderte Rechtsprechung wird im konkreten Fall
noch nicht angewendet, um dem Vertrauensschutz ausreichend Rechnung zu tra-
gen. Entgegenstehende prozessrechtliche Vorschriften sind entsprechend zu än-
dern, um dem verfassungsrechtlich geschützten Vertrauen Rechnung zu tragen.
Ob die geänderte Rechtsprechung allerdings bei anderen, bereits laufenden Ver-
fahren, angewendet werden darf, ist noch offen, bedarf an dieser Stelle aber auch
keiner Klärung.

bb) Anwendung auf die erstmalige Verwendung von Öffnungsklauseln

Entscheidend für die zugrunde liegende Fragestellung ist vielmehr, ob die


Methode des „prospective overruling“ auch auf die erstmalige Anwendung von
Öffnungsklauseln Anwendung findet und so den dargelegten Bedenken des Ver-
trauensschutzes Rechnung tragen kann und damit einen Konflikt der erstmaligen

624 A. H. Albrecht, in: FS-Dencker, 2012, 1, 9.


625 Grunsky, Grenzen der Rückwirkung bei einer Änderung der Rechtsprechung,
S. 10.
626 Knittel, Zum Problem der Rückwirkung bei einer Änderung der Rechtsprechung,
S. 55.
VI. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Rückwirkungsverbot 179

Anwendung von Öffnungsklauseln mit einem an die Judikative gerichteten Rück-


wirkungsverbot lösen kann.627 Da sich, wie bereits dargelegt, eine vergleichbare
Konfliktlage zeigt, könnten auch gleiche Lösungsstrategien zur Beseitigung des
Widerspruchs herbeigezogen werden. Auch bei Öffnungsklauseln kommt es nicht
auf das getätigte Vertrauen des Einzelnen, etwa durch Kenntnis des intendierten
Schutzzwecks durch die Normgeber oder auf die Kenntnis konkreter Normen,
an. Auch hier könnte die „von-nun-an“-Methode zugunsten der Rechtssicherheit
wirken.628
Für diejenigen, die erstmals auf Grundlage einer Öffnungsklausel verurteilt
werden, besteht eine unsichere Rechtslage, da sich die Norm eine analoge An-
wendung auf nicht geregelte Verhaltensweisen gestattet, sofern sie mit den zuvor
genannten Verhaltensweisen vergleichbar sind. Das kann dazu führen, dass für
die Betroffenen im Zweifel ein Freispruch ebenso wahrscheinlich ist wie eine
Verurteilung auf Grundlage der Norm. Auch hier macht es für die Betroffenen in
Bezug auf die Unsicherheit der bestehenden Rechtslage keinen Unterschied, ob
der Gesetzgeber von vorneherein selbst seine Norm und dessen Anwendungsbe-
reich hinreichend konkretisiert hat oder die Norm erst durch die Anwendung der
Judikative die erforderlichen Konturen erhält.629 Eine Vorwarnung der Strafbar-
keit einer bestimmten Verhaltensweise durch die Anwendung der „von-nun-an“-
Methode kann auch in diesen Fällen den widerstreitenden Interessen des Vertrau-
ens auf die Straffreiheit und der Möglichkeit der Anwendung der Öffnungsklau-
sel Rechnung tragen. So kann der Angeklagte auf Grund der mangelnden Er-
kennbarkeit der Strafbarkeit zum Zeitpunkt der Tatbegehung freigesprochen wer-
den und dennoch durch das Urteil festgestellt werden, dass in Zukunft solche
Verhaltensweisen nach Ansicht des Gerichts unter den Anwendungsbereich der
Norm fallen sollen. Auf diese Weise kann in gleichem Maße, wie auch bei der
rückwirkenden Rechtsprechungsänderung auf der einen Seite der Vertrauens-
schutz gewahrt werden und auf der anderen Seite eine Anwendung der Öffnungs-
klauseln, zumindest für die Zukunft, sichergestellt werden. Dies wahrt ebenfalls
die Flexibilität der Rechtsprechung. Auch ist in diesen Fällen die Ankündigung
der entsprechenden Rechtsanwendung für die Zukunft in Form von obiter dicta
denkbar. Prozessrechtlichen Einwänden kann hier ebenso mit dem Verweis auf
den verfassungsrechtlich garantierten Vertrauensschutz begegnet werden, sodass

627 Ablehnend: Schlüchter, Mittlerfunktion der Präjudizien, S. 82 f.; so wird die An-

wendung auch auf andere Schlechterstellungen des Täters diskutiert, vgl. Jescheck/Wei-
gend, Lehrbuch des Strafrechts, S. 137.
628 Das offensichtlich übersehend: Tröndle, in: FS-Dreher, S. 117, 126; wenn Knittel,

Zum Problem der Rückwirkung bei einer Änderung der Rechtsprechung, S. 56 von
einem konkret getätigten Vertrauen ausgeht, erkennt er dennoch an, dass es in diesen
Fällen bereits zu erheblichen Beweisschwierigkeiten kommt, da niemand nachweislich
Vertrauen auf eine ausbleibende Bestrafung tätigt.
629 NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 51.
180 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

diese eine solche Art der Rechtsprechung nicht bereits von vorneherein aus-
schließen.
Dies spricht für eine Anwendung der „von-nun-an“-Methode auf erstmalige
Verurteilungen aufgrund einer Öffnungsklausel. Anzumerken bleibt, dass die
Anwendung der „von-nun-an“-Methode nur dann in Betracht kommt, wenn die
konkrete Öffnungsklausel nicht bereits aufgrund anderer Kollisionen mit dem
Grundgesetz für verfassungswidrig gehalten wird und es tatsächlich zu einer An-
wendung eben jener Klausel durch die Gerichte kommt. Diese Methode dient
lediglich der Wahrung des Vertrauensschutzes im Bereich der Rückwirkung. Die
„von-nun-an“-Methode kann hingegen keine, zu einem anderen Punkte zu er-
örternde unzulässige Kompetenzverlagerung der Legislative auf die Judikative
heilen.630 Auch wenn das Verbot einer solchen Kompetenzverlagerung auch dem
Vertrauensschutz dient, so hat der dabei betroffene Grundsatz der Gewaltentei-
lung noch weitere Schutzrichtungen, die auf diesem Wege nicht gewahrt werden
können.
4. Gesamtergebnis

Tröndle weist richtigerweise daraufhin, dass es bei der Problematik der An-
wendung des Rückwirkungsverbotes auf rückwirkende Rechtsprechungsänderun-
gen und den dazu vertretenen Lösungsansätzen „um das Wesen rechtsprecheri-
scher Tätigkeit“631 geht. Das bedeutet, dass entscheidend ist, welche Funktion
und welche Arbeitsweise der Judikative zuordnet werden. Im Rahmen dessen
wird darauf verwiesen, dass das in Art. 103 Abs. 2 GG normierte Rückwirkungs-
verbot sich gerade nicht an die Rechtsprechung richtet und auch nicht richten
soll.632 Dies vermag nur dann zu überzeugen, wenn sich die Tätigkeit der Judika-
tive genau vom Betätigungsfeld der Legislative abgrenzen ließe. Die Zuständig-
keitsbereiche scheinen aber immer miteinander zu verschwimmen. Die Legisla-
tive hinterlässt gerade im Falle von Öffnungsklauseln bewusst ungeregelte Berei-
che und schafft die gesetzgeberische Befugnis, die Norm auch auf nicht explizit
genannte Verhaltensweisen anzuwenden. Auf diese Weise kommt den Gerichten
durch diese Regelsetzung die Möglichkeit der Schaffung von innertatbestand-
lichen Analogien zu. Das Wesen der rechtsprecherischen Tätigkeit lässt sich
nicht mehr ohne Weiteres von der legislativen Tätigkeit trennen. Dies zieht auch
verfassungsrechtliche Konsequenzen nach sich, um Sinn und Zweck der dort ver-
ankerten Grundsätze nicht ins Leere laufen zu lassen. Für einen Verstoß von Öff-
nungsklauseln gegen das Rückwirkungsverbot bedeutet das Folgendes:
Öffnungsklauseln verstoßen nicht bereits durch ihren Wortlaut gegen das
Rückwirkungsverbot, das würde voraussetzen, dass die Norm eine Regelung ver-

630 Vgl. dazu in dieser Arbeit Kap. D. VIII.


631 Tröndle, in: FS-Dreher, S. 117, 124.
632 Tröndle, in: FS-Dreher, S. 117, 124.
VI. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Rückwirkungsverbot 181

fasst, die ein in der Vergangenheit liegendes Verhalten vor Geltung der Norm für
strafbar erklärt. Ein direkter Verstoß gegen das in Art. 103 Abs. 2 GG normierte
Rückwirkungsverbot kann folglich nicht angenommen werden.

Allerdings sprechen insbesondere Sinn und Zweck des Rückwirkungsverbo-


tes dafür, dass eben jenes nicht nur auf die Tätigkeit der Legislative, sondern
auch analog auf die Tätigkeit der Judikative Anwendung findet. Diese Anwen-
dung wird primär im Bereich der Rechtsprechungsänderung verortet. Dennoch
kann das Verbot der Rückwirkung auch für die erstmalige Anwendung von
Öffnungsklauseln Wirkung entfalten: In den Fällen, in denen Verhaltensweisen
erstmals durch Gerichte unter den Anwendungsbereich einer Öffnungsklausel
subsumiert werden, kann ein Verstoß gegen ein an die Judikative adressiertes
Rückwirkungsverbot angenommen werden, weil die Strafbarkeit der konkreten
Verhaltensweise aufgrund der Fassung der Norm ebenfalls nicht im Zeitpunkt
der Tatbegehung ersichtlich gewesen sein könnte und damit ebenfalls in Kon-
flikt mit dem Vertrauensschutz gerät und dieser soll gerade durch das Rückwir-
kungsverbot zugunsten des getätigten Vertrauens gelöst werden. Dies hängt im
besonderen Maße von den vor der Öffnungsklausel explizit genannten Verhaltens-
weisen ab.
Die Annahme eines Verstoßes gegen ein Rückwirkungsverbot, dass an die
Rechtsprechung adressiert ist, gilt allerdings nur unter der Prämisse, dass Öff-
nungsklauseln überhaupt für verfassungsgemäß gehalten werden und es infolge-
dessen überhaupt erst zu einer Anwendung durch die Gerichte kommt. Folglich
können auch Öffnungsklauseln durch eine erstmalige Anwendung gegen das
Rückwirkungsverbot verstoßen.
Die soeben aufgezeigte Interessenkollision kann allerdings dadurch umgangen
werden, dass die Anwendung der Öffnungsklausel auf die konkrete Verhaltens-
weise nur für zukünftige Verfahren Wirkung entfalten kann und in Form eines
obiter dictum Eingang in das Urteil findet. Ein solches Vorgehen entspricht der
zuvor dargelegten „von-nun-an“-Methode. Für den zu verhandelnden Fall muss
dies hingegen zu einer Ablehnung der Anwendung der Öffnungsklausel führen,
da die Strafbarkeit der konkreten Verhaltensweise zum Zeitpunkt der Tatbege-
hung nicht erkennbar war. Dieses Vorgehen würde bei Umsetzung etwaiger er-
forderlicher strafprozessualer Gesetzesänderungen zu einem interessengerechten
Ausgleich zwischen dem ansonsten verletzten Vertrauensschutz und der Funk-
tionsfähigkeit der Öffnungsklausel führen. Verstöße gegen andere verfassungs-
rechtliche Grundsätze, die Öffnungsklauseln verletzen oder verletzen können,
werden auf diesem Wege nicht geheilt. Die „von-nun-an“-Methode bezieht sich
lediglich auf die rechtsprechende Tätigkeit und entfaltet keine heilende Wirkung
für gesetzgeberische Mängel, sodass diese Methode auch keinen Verstoß von
Öffnungsklauseln gegen die Grundsätze der Gewaltenteilung und der Gesetzes-
bindung heilen kann.
182 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

VII. Vereinbarkeit mit dem fragmentarischen Charakter


des Strafrechts
Öffnungsklauseln ermöglichen durch die gesetzlich angeordnete innertatbe-
standliche Analogie die Anwendung der Norm über den vom Gesetzgeber zuvor
durch die konkreten Tatvarianten explizit festgelegten Bereich. Sie sollen gerade
dazu dienen, möglichst umfassend alle für strafwürdig empfundenen Verhaltens-
weisen zu erfassen. Öffnungsklauseln kommt auf diese Weise die Funktion zu,
Lücken zu schließen. Die Legitimität dieser Funktion als Zwecksetzung wurde
bereits an anderer Stelle erörtert und es wurde aufgezeigt, dass ein solcher
Zweck mit dem fragmentarischen Charakter des Strafrechts in Konflikt steht.633
Der fragmentarische Charakter634 (zu Begriff und zur Bedeutung nach Binding
vgl. Kap. C. II. 1. a)) bezeichnet dabei sowohl die Folge einer konsequenten Ein-
haltung der in Art. 103 Abs. 2 GG niedergelegten Grundsätze als auch eine Ziel-
vorstellung dessen, wie Strafgesetze ausgestaltet sein sollten (dazu unter VII. 1.).
Dieser Grundsatz macht eine Auswahl erforderlich, welche Verhaltensweisen in
diesem fragmentarischen System geregelt werden sollen (dazu unter 2.), wobei
der Grundsatz nicht synonym mit dem Grundsatz der Subsidiarität verstanden
werden darf (dazu unter 3.). Grundsätzlich wird in der Strafgesetzgebung aus
einer Vielzahl von Verhaltensweisen, die für strafbar erklärt werden könnten, im-
mer nur ein begrenzter Teil unter Strafe gestellt. Dies ergibt sich aus den verfas-
sungsrechtlichen Grundsätzen, die die Strafgesetzgebung einzuhalten hat (dazu
unter 4.), wie etwa die Vorgaben aus Art. 103 Abs. 2 GG, aber auch daraus, dass
diese Fragmentarität des Strafrechts als ein erstrebenswerter Zustand gewertet
wird (dazu unter 5.).635 Aus diesem Grundsatz könnte sich eine Handlungsanwei-
sung an die Legislative entnehmen lassen (dazu unter 6.). Öffnungsklauseln
ermöglichen gerade auch die Erfassung von Verhaltensweisen, die nicht explizit
in der Norm geregelt sind und verfolgen damit das Ziel, Strafbarkeitslücken zu
schließen. Diese Art der Gesetzgebung steht also in einem Spannungsfeld mit
dem fragmentarischen Charakter des Strafrechts (dazu unter 7.)

633 Vgl. dazu Kap. D. VII. 5.


634 H. Mayer, Strafrechtsreform für heute und morgen, S. 105, wobei sich der Begriff
in der Regel auf den besonderen Teil des StGB bezieht; siehe zum fragmentarischen
Charakter auch: Kaspar, Verhältnismäßigkeit und Grundrechtsschutz im Präcentions-
strafrecht, S. 251 und dem Verhältnis zur Strafwürdigkeit, S. 252; in Bezug auf Straf-
theorien vgl. Zipf, Kriminalpolitik, S. 52.
635 Hefendehl, JA 2011, 401; Maiwald, in: FS-Maurach, S. 9; Vormbaum, ZStW 123

(2011), 660, 666; Prittwitz, in: Vom unmöglichen Zustand des Strafrechts, S. 387,
393 ff.; Naucke, Strafrecht, S. 64; Kuhlhanek, ZIS 2014, 674; Kühl, in: FS-Kühne, S. 15,
19; ders., in: FS-Tiedemann, S. 29, 32; Jescheck/Weigend, Lehrbuch des Strafrechts,
S. 46, 53; Hillenkamp, in: FS-Kirchhof, S. 1349, 1358; K. Peters, ZStW 1965, 470, 475.
VII. Vereinbarkeit mit dem fragmentarischen Charakter des Strafrechts 183

1. Ebenen des fragmentarischen Charakters

Der fragmentarische Charakter des Strafrechts weist, wie bereits unter Kap. C.
II. 1. a) angedeutet, zwei unterschiedliche Ebenen auf: Zum einen ergibt sich
dieses Prinzip aus den Vorgaben des Gesetzlichkeitsprinzips für strafrechtliche
Gesetzgebung und zurückhaltende richterliche Rechtsanwendung. Daraus folgt
logisch, dass bei einer hinreichenden Bestimmtheit von Normen und dem Verbot
analoger Rechtsanwendung, vergleichbare Handlungen gerade nicht unter Strafe
gestellt sind und somit Strafbarkeitslücken verbleiben.636 Dabei handelt es sich
um einen „evaluierbaren Beurteilungsspielraum“, in dem Sinne, dass die Einhal-
tung von Art. 103 Abs. 2 GG und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, die zur
Lückenhaftigkeit des Strafrechts beitragen, überprüft werden können.637 Die Ein-
haltung des Grundsatz des fragmentarischen Strafrechts kann insoweit nur mittel-
bar überprüft werden.
Zum anderen beinhaltet der Grundsatz des fragmentarischen Charakters des
Strafrechts aber auch einen Appell zur Zurückhaltung an die Gesetzgebung, des-
sen Einhaltung nur bedingt überprüfbar ist.638 Daraus ergibt sich einerseits, dass
der fragmentarische Charakter des Strafrechts zum einen eine Konsequenz der
Anforderungen darstellt, die von Art. 103 Abs. 2 GG an Gesetzgeber und Judika-
tive gestellt werden und andererseits ein davon unabhängiger Appell an gesetzge-
berische Zurückhaltung.639
Wie aber das Fragment des Strafrechts aussehen soll, wie also entschieden
wird, was geregelt werden sollte und was lückenhaft bleiben sollte – unabhängig
von solchen Lücken, die aufgrund von Art. 103 Abs. 2 GG verbleiben – wird
unterschiedlich beurteilt. Unklar bleibt auch, ob und welchem System eine sol-
che zurückhaltende Strafgesetzgebung unterliegt.640

2. Feststellung der strafwürdigen Verhaltensweisen

Den im strafrechtlichen System bestehenden Lücken könnte jedwede Systema-


tik abgesprochen werden, wenn es sich um reine Zufälle handelte, welche Ver-
haltensweisen unter Strafe gestellt werden und welche Bereiche straffrei verblei-

636 Vormbaum, ZStW 123 (2011), 660, 665; H. Mayer, Strafrechtsreform für heute

und morgen, S. 106; Maiwald, in: FS-Maurach, S. 9; MüKo-StGB/Freund, Vorb. zu § 13


StGB, Rn. 32; Eschelbach/Krehl, in: FS-Kargl, S. 81, 82.
637 Hefendehl, JA 2011, 401, 405; Kühl, in: FS-Kühne, S. 15, 19.
638 Anders Hefendehl, JA 2011, 401, 405, indem er die Ebenen nicht klar voneinan-

der unterscheidet.
639 Mit Beispielen vgl. Walter, JA 2013, 727, 728.
640 Naucke, Strafrecht, S. 65.
184 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

ben.641 So sah es zumindest Binding, der augenscheinlich erstmals den Begriff


des fragmentarischen Strafrechts verwendete und darunter – anders als die wohl
herrschende Meinung heute – etwas defizitäres verstand.642 Denn gleichsam
strafwürdige Verhaltensweisen würden bei einer abschließenden Aufzählung
strafbarer Verhaltensweisen gerade nicht erfasst.643 Das Strafrecht regelt danach
nur solche Bereiche, die sich im (politischen oder gesellschaftlichen) Diskurs
aufdrängen und infolgedessen einer rechtlichen Regelung bedürfen.644
Konsequenz dessen wäre eine „formell[e] und empirisch[e]“ Definition des
fragmentarischen Charakters des Strafrechts.645 Es verblieben – ohne nähere Be-
gründung – ungeregelte Bereiche, die den für strafwürdig empfundenen Verhal-
tensweisen sehr ähnlich sind. Demnach wäre Fragmentarität etwas Unsystema-
tisches646 und dadurch, nach Binding, für eine Rechtsordnung Nachteiliges.
Der Begriff des fragmentarischen Strafrechts kann allerdings auch aus einer
programmatischen Sicht definiert werden.647 Das bedeutet, dass das Strafrecht
gerade auf solche Handlungen begrenzt ist, die eine dem Strafrecht entsprechen-
de Behandlung verdienen,648 also auf solche Verhaltensweisen, die eine straf-
rechtliche Intervention unbedingt erforderlich machen. Dabei lässt es solche
außer Acht, die zwar auch strafwürdig erscheinen, aber nicht zwingend über das
Strafrecht geregelt werden müssen.649 Das entspricht nach Prittwitz wohl auch
dem heute vorherrschenden Verständnis.650 Die Auswahl der Verhaltensweisen,
die unter Strafe gestellt werden, erfolgt nicht zufällig, sondern aufgrund der
messbaren Strafwürdigkeit dieses konkreten Verhaltens. Ein solches Vorgehen
bei Auswahl der strafwürdigen Fragmente lässt zumindest eine gewisse Systema-
tik erahnen.651 Für ein dahinterliegendes Konzept spricht auch, dass – obwohl

641 Zur fehlenden Systematik siehe auch Zaczyk, ZStW 123 (2011), 691, 692, wobei

er den Begriff eines fragmentarischen Strafrechts etwas anders versteht, er erkennt be-
dingungslos an, dass Strafrecht nur fragmentarisch sein kann und ein umfassender
Schutz nicht das Ziel ist, dennoch sieht er das Fragmentarische grundsätzlich als Gegen-
satz zum Systematischen.
642 Binding, Lehrbuch des gemeinen deutschen Strafrechts, S. 20 f.
643 Binding, Lehrbuch des gemeinen deutschen Strafrechts, S. 21.
644 Nach Binding, Lehrbuch des gemeinen deutschen Strafrechts, S. 20 handelt es

sich um sog. „Gelegenheitsgesetze“.


645 Prittwitz, in: Vom unmöglichen Zustand des Strafrechts, S. 387, 389.
646 Prittwitz, in: Vom unmöglichen Zustand des Strafrechts, S. 387, 389, unter Ver-

weis auf den natürlichen Sprachgebrauch.


647 Zur Begrifflichkeit vgl. Prittwitz, in: Vom unmöglichen Zustand des Strafrechts,

S. 387, 389; so wohl auch Walter, JA 2013, 727, 728.


648 Jescheck/Weigend, Lehrbuch des Strafrechts, S. 53; Kuhlhanek, ZIS 2014, 674.
649 Walter, JA 2013, 727, 728.
650 Prittwitz, in: Vom unmöglichen Zustand des Strafrechts, S. 387, 389.
651 Kuhlhanek, ZIS 2014, 674; umfassend zum Konzept der Strafwürdigkeit vgl. NK-

StGB/Hassemer/Kargl, Vorbm. zu § 1 Rn. 4 ff. und Kap. VII. Rn. 49.


VII. Vereinbarkeit mit dem fragmentarischen Charakter des Strafrechts 185

Strafrecht gerade kein ganzheitliches System ist – dennoch Bereiche durch Straf-
barkeiten bewusst akzentuiert werden. Somit kann der fragmentarische Charakter
als Teil eines Gesamtkonzeptes betrachtet werden.652
Offen bleibt, wie beurteilt wird, welche Verhaltensweisen eine strafrechtliche
Behandlung verdienen und welche nicht im Bereich des Strafrechts geregelt wer-
den sollten. Diese Fragestellung ist allerdings für die Vereinbarkeit von Öff-
nungsklauseln mit dem fragmentarischen Charakter ohne Bedeutung und soll
hier nicht näher erläutert werden.653 Es kann festgestellt werden, dass auch Frag-
mente einem System folgen können und nicht nur vollständig geregelte Bereiche
eine Systematik aufweisen.

3. Abgrenzung zur Subsidiarität des Strafrechts

Zum Teil wird der Begriff des fragmentarischen Strafrechts synonym zur
„Subsidiarität des Strafrechts“ verwendet.654 Diese synonyme Verwendung ist
aber ungenau und trifft die Kernelemente der beiden Grundsätze nicht.655 Denn
Subsidiarität meint den nachrangigen Einsatz von Strafrecht bei gesetzgeberi-
schen Interventionen. Strafrecht soll erst dann zur Anwendung kommen, wenn
das Zivilrecht und das öffentliche Recht keine angemessene Handhabe für den
abstrakten Fall bereithalten. Dies wird mit dem eingriffsintensiven Charakter von
Strafen begründet.656 Subsidiarität trägt auf diese Weise zur Lückenhaftigkeit des
Strafrechts bei. Daraus erklärt sich aber noch nicht, warum das Strafrecht frag-
mentarisch im Sinne von lückenhaft sein sollte. Eine strenge Orientierung am
Subsidiaritätsgrundsatz kann, aber muss nicht zwingend zu einem fragmentari-
schen Strafrecht führen. Auch wenn Subsidiarität teilweise erklären kann, warum

652 Kuhlhanek, ZIS 2014, 674.


653 Zur Systematik vgl. Hillenkamp, in: FS-Kirchhof, S. 1349, 1358 f. m.w. N.
654 Roxin, JuS 1966, 377, 382; Roxin/Greco, Srafrecht AT, S. 82, Verhältnis zueinan-

der offen gelassen; Krahl, Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des
Bundesgerichtshofs zum Bestimmtheitsgrundsatz im Strafrecht, S. 28; so auch Kaspar,
Verhältnismäßigkeit und Grundrechtsschutz im Präventionsstrafrecht, S. 251; allgemein
zum Subsidiaritätsprinzip im Strafrecht vgl. Kaufmann, in: FS-Henkel, S. 89; zur Be-
deutung der Subsidiarität im Strafrecht vgl. zusammenfassend auch Zipf, Kriminalpoli-
tik, S. 52 f.; Jakobs, Strafrecht AT, 2/26 ff.; kritisch zur Einschränkung im Strafrecht am
Beispiel von ultima-ratio und Rechtsgüterschutz, vgl. Frisch, NStZ 2016, 16, 23 f.; dif-
ferenzierend zwischen dem fragmentarischen Charakter und dem ultima-ratio-Grund-
satz: Hassemer, Negatives Strafrecht, S. 82.
655 Zur Unterscheidung der Begrifflichkeiten siehe Lackner/Kühl/Heger, § 13 Rn. 3;

die Fragmentarietät des Strafrecht setzt sich auch nicht aus dem Subsidiaritätsprinzip
und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zusammen, wie Ebert, Strafrecht, Allgemeiner
Teil, 4 vertritt. Diese können zwar Ausprägungen eben dessen darstellen, aber sie er-
schaffen den fragmentarischen Charakter nicht; kritisch zur synonymen Verwendung
der Begriffe vgl. Kaufmann, in: FS-Henkel, S. 89, 103.
656 Roxin, JuS 1966, 377, 382; Kühl, in: FS-Kühne, S. 15, 18.
186 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

die Strafrechtsordnung als solche lückenhaft ist, vermag sie doch keinen Grund
dafür zu liefern, warum der fragmentarische Charakter als eigenständiges Prinzip
anerkannt sein sollte. Schon deshalb können die Begriffe nicht synonym ver-
wandt werden.

4. Verfassungsrechtliche Herleitung des fragmentarischen Charakters


des Strafrechts
Der fragmentarische Charakter des Strafrechts ist kein ausdrücklich verfas-
sungsrechtlich normierter Grundsatz, kann aber aus unterschiedlichen Normen
des Grundgesetzes hergeleitet werden.657

a) Gesetzlichkeitsprinzip
Wie oben bereits dargestellt fußt das Bestehen eines fragmentarischen Straf-
rechts in der Geltung des Art. 103 Abs. 2 GG und den damit verbundenen Garan-
tien, wie dem Bestimmtheitsgrundsatz658 und dem Analogieverbot. Notwendi-
gerweise kann Strafrecht, wenn es die dort verbürgten Anweisungen an Recht-
sprechung und Gesetzgebung ernst nimmt, immer nur fragmentarisch sein.659
Insbesondere im Hinblick auf den Bestimmtheitsgrundsatz ist eine umfassende
Lückenschließung aufgrund des exkludierenden Charakters von Sprache nicht
möglich. Der Bestimmtheitsgrundsatz führt also zur Entstehung straffreier
Räume auf und verhindert (bewusst) eine umfassende Regelung, die zu einem
lückenlosen Strafrecht führen würde.660
Darüber hinaus verhindert das Analogieverbot, vergleichbare Interessenlagen
bei einer fehlenden gesetzlichen Regelung gleich zu behandeln. Eine Schließung
etwaiger Strafbarkeitslücken durch die Judikative wird aber, wie oben bereits dar-
gelegt, auch durch die Legislative verhindert. Die Lückenhaftigkeit des Straf-
rechts stellt sich hier als Reflex der verfassungsrechtlichen Vorgaben dar,661 die

657 Kühl, in: FS-Stöckl, S. 117, 118; kritisch: Kaspar, Verhältnismäßigkeit und

Grundrechtsschutz im Präventionsstrafrecht, S. 253, nach dem der fragmentarische Cha-


rakter „kein eigenständiges verfassungsrechtliches Potential“ aufweist; anders: Appel,
Verfassung und Strafe, S. 411, nach dem der fragmentarische Charakter des Strafrechts
nur eine Zustandsbeschreibung ohne normative Grundlage darstellt.
658 Dazu insbesondere: Eschelbach/Krehl, in: FS-Kargl, S. 81, 82.
659 Vormbaum, ZStW 123 (2011), 660, 665, der die Lücken in der Strafrechtsordnung

als sog. „Reflex“ des nullum-crimen-sine-lege-Grundsatzes begreift; umfassend dazu


auch Hefendehl, JA 2011, 401, 403; MüKo-StGB/Freund, § 13 Rn. 32: „Eine Folge des
nullum crimen Satzes ist der fragmentarische Charakter des Strafrechts“ unter Verweis
auf Maiwald, in: FS-Maurach, S. 9; zum Zusammenhang vom fragmentarischen Cha-
rakter und Art. 103 Abs. 2 GG in Bezug auf den Fahrlässigkeitsbegriff des § 15 StGB
vgl. auch MüKo-StGB/Duttge, § 15 Rn. 10.
660 Krahl, Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesge-

richtshofs zum Bestimmtheitsgrundsatz im Strafrecht, S. 30 f.


661 Naucke, Strafrecht, S. 64; Hefendehl, JA 2011, 401, 403.
VII. Vereinbarkeit mit dem fragmentarischen Charakter des Strafrechts 187

an Rechtsprechung und Rechtsetzung gestellt werden (sog. deskriptive Fragmen-


tarität662).
Daraus ist zu folgern, dass sich der fragmentarische Charakter des Strafrechts
aus Art. 103 Abs. 2 GG ergibt und unter anderem auch in diesem Verfassungssatz
seinen Ursprung hat.663 Die Herleitung aus Art. 103 Abs. 2 GG bestärkt aber
auch die Annahme, dass die Wirksamkeit des fragmentarischen Strafrechts durch
Entscheidungen des BVerfG herabgesetzt werden kann.664 Denn wenn dieses der
Legislative bei der Einhaltung des Bestimmtheitsgrundsatzes eine erhebliche Ein-
schätzungsprärogative zuspricht, dann führt dies unweigerlich dazu, dass Tatbe-
stände offener formuliert werden können, eine Vielzahl von Verhaltensweisen
umfassen und weniger straffreie Räume verbleiben.665

b) Allgemeine Handlungsfreiheit, Art. 2 Abs. 1 GG

Die in Art. 103 Abs. 2 GG normierte Forderung, Tatbestände so genau wie


möglich zu fassen und nicht analog anzuwenden, hat auch eine freiheitssichernde
Funktion. Wie bei der Erforderlichkeit eines fragmentarischen Charakters bereits
erläutert, soll dieser Grundsatz auch sicherstellen, dass die Freiheit nicht übermä-
ßig eingeschränkt wird.666 Diese freiheitssichernde Funktion wird verfassungs-
rechtlich aber nicht nur durch das Gesetzlichkeitsprinzip sichergestellt, sondern
ausdrücklich auch durch das Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit,
Art. 2 Abs. 1 GG, wonach zunächst alle menschlichen Verhaltensweisen dem
grundsätzlichen Schutz unterfallen.667 Nur wenn straffreie Räume und strafbare
Verhaltensweisen in einem Regel-Ausnahme-Verhältnis stehen, kann der verfas-
sungsrechtlich normierte Freiheitsgrundsatz verwirklicht werden.668 Das Bedürf-
nis nach einem fragmentarischen Strafrecht ergibt sich folglich auch aus dem
Individualgrundrecht des Art. 2 Abs. 1 GG.

662 Vormbaum, ZStW 123 (2011), 660, 666.


663 Naucke, Strafrecht, S. 65.
664 So zum Beispiel bei BVerfG 23.06.2010 – 2 BvR 2559/08 = BVerfGE 126, 170,

198 f. = NJW 2010, 3209.


665 Vormbaum, ZStW 123 (2011), 660, 684.
666 Krahl, Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesge-

richtshofs zum Bestimmtheitsgrundsatz im Strafrecht, S. 30.


667 Sachs/Rixen, Art. 2 Rn. 52; befürwortend für eine umfassende Handlungsfreiheit:

vgl. Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke/Hofmann, Art. 2 Rn. 2; inwieweit Handlun-


gen wie Mord oder Körperverletzung noch in den Schutzbereich fallen, soll hier nicht
weiter erörtert werden, vgl. dazu Sachs/Rixen, Art. 2 Rn. 53; zur allgemeinen Hand-
lungsfreiheit als freie Entfaltung der Persönlichkeit vgl. Stern, StaatsR Bd. IV/1, S. 190;
einem weiten Verständnis der allgemeinen Handlungsfreiheit folgend: Sachs/Rixen,
Art. 2 Rn. 42 ff.
668 So wohl auch Eschelbach/Krehl, in: FS-Kargl, S. 81, 82.
188 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

c) Rechtsstaatsprinzip, Art. 20 Abs. 3 GG

Diese freiheitssichernde Funktion wirkt sich aber nicht nur auf der Ebene
eines Individualgrundrechts der allgemeinen Handlungsfreiheit aus, sondern ist
auch Ausdruck eines bestimmten Staatsverständnisses. Denn Freiheitssicherung
ist konstituierendes Merkmal eines Rechtsstaates, Art. 20 Abs. 3 GG.669 Es han-
delt sich dabei um eines der „Kernelemente“ eines Rechtsstaates.670 Neben der
Freiheitssicherung gebietet das Rechtsstaatsprinzip auch die Einhaltung des
Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit.671 Dazu gehört auch eine verhältnismäßige
Nutzung des Strafrechts. Eine solche gebietet gerade auch einen zurückhaltenden
Einsatz besonders eingriffsintensiver Maßnahmen, wie der staatlichen Strafen.
Ein verhältnismäßiger und damit pointierter Einsatz des Strafrechts widerspricht
in seinem Grundgedanken gerade einem lückenlosen umfassenden Schutz.672
Das bedeutet im Umkehrschluss, dass der fragmentarische Charakter des Straf-
rechts gerade auch aus dem Rechtsstaatsprinzip Art. 20 Abs. 3 GG hergeleitet
werden kann.673 Demgegenüber wendet Prittwitz ein, dass das Rechtsstaatsprin-
zip (sowie das Demokratie- und Schuldprinzip) nicht zur Herleitung des frag-
mentarischen Charakters des Strafrechts herangezogen werden können. Denn
eine Einhaltung dieser verfassungsrechtlichen Grundsätze wäre auch bei einem
umfassenden und lückenlosen Strafrecht möglich.674 Dem ist aber zumindest
bezogen auf das Rechtsstaatsprinzip entgegenzuhalten, dass nicht ersichtlich ist,
inwieweit der freiheitssichernden Funktion des Rechtsstaatsprinzips bei einem
lückenlosen Strafrecht ausreichend Rechnung getragen werden könnte.
Der fragmentarische Charakter des Strafrechts ergibt sich folglich nicht nur als
logische Konsequenz aus der Einhaltung der verfassungsrechtlichen Grundsätze.
Darüber hinaus ist ein lückenhaftes Strafrecht ist auch ein erstrebenswertes Ziel
der Strafrechtsordnung.

669 Zur Verbindung des Rechtsstaatsprinzips mit Art. 2 GG vgl. Schmidt-Bleibtreu/

Hofmann/Henneke/Hofmann, Art. 20 Rn. 56; umfassend zum Rechtsstaatsprinzip vgl.


Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 20; historisch zum Freiheitsgedanken und Rechtsstaatsprin-
zip vgl. Mangoldt/Klein/Starck/Sommermann, Art. 20 Rn. 232; ob sich das Rechts-
staatsprinzip direkt aus Art. 20 Abs. 3 GG ergibt oder es sich dabei um einen unge-
schriebenen Grundsatz handelt, kann dahinstehen, vgl. dazu v. Münch/Kunig/Schnapp,
6. Aufl. 2012, Art. 20 Rn. 32; Prittwitz, StV 1991, 435, 437.
670 Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 20 Rn. 39; zum Zusammenhang eines ausufernden

Strafrechts und dem Rechtsstaatsprinzip vgl. P.-A. Albrecht, KritV 1996, 330, 339.
671 Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke/Hofmann, Art. 20 Rn. 72 ff.; Dreier/Schul-

ze-Fielitz, Art. 20 Rn. 179.


672 Hefendehl, JA 2011, 401, 403 ff.; Kuhlhanek, ZIS 2014, 674, 675.
673 Jescheck/Weigend, Lehrbuch des Strafrechts, S. 46 unter Verweis auf Maiwald, in:

FS-Maurach, S. 9, 22; Eschelbach/Krehl, in: FS-Kargl, S. 81, 82; anders: Prittwitz, in:
Vom unmöglichen Zustand des Strafrechts, S. 387, 400; im Ergebnis wohl auch Kühl,
in: FS-Tiedemann, S. 29, 36.
674 Prittwitz, in: Vom unmöglichen Zustand des Strafrechts, S. 387, 400.
VII. Vereinbarkeit mit dem fragmentarischen Charakter des Strafrechts 189

5. Erforderlichkeit des fragmentarischen Charakters


Der fragmentarische Charakter meint folglich eine bewusste Begrenzung des
Strafrechts, welches Lücken in der Gesetzgebung als normalen – und nicht zu
beseitigenden Umstand – wahrnimmt.675 Aus der verfassungsrechtlichen Herlei-
tung ergibt sich, dass straffreie Räume verbleiben und gelassen werden müs-
sen.676 Dass es sich dabei um einen erstrebenswerten Zustand handelt, erscheint
unstreitig.677 Dennoch war gerade nach Binding der fragmentarische Charakter
des Strafrechts ein Fehler des Systems. Ein solches lückenhaftes Strafrecht sei
gerade nicht mit der Gerechtigkeit vereinbar und laufe so der Schutzfunktion zu-
wider.678 Die Lückenhaftigkeit ist aber nicht nur verfassungsrechtlich geboten,
sondern auch, unabhängig von der verfassungsrechtlichen Komponente, erstre-
benswerter Sollzustand einer Strafrechtsordnung.

a) Fragmentarischer Charakter als Manko der Strafrechtsordnung


In Übereinstimmung mit Bindings Auffassung ließen sich aus den Strafzwe-
cken, wie dem general- oder spezialpräventiven Charakter des Strafrechts, grund-
sätzlich keine Begründungen dafür finden, warum das Strafrecht einen fragmen-
tarischen Charakter aufweisen müsse.679 Denn sowohl unter dem Gesichtspunkt
der Resozialisierung als auch für das Vertrauen in die Geltung der Rechtsord-
nung ist das Erfordernis straffreier Räume nicht ohne Weiteres ersichtlich.680
Darüber hinaus kann ein lückenhaftes Strafrecht auch im Widerspruch zum
Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG stehen, wonach alle im Wesentlichen glei-
chen Verhaltensweisen auch gleich zu behandeln sind.681 Wenn aufgrund der

675 Kuhlhanek, ZIS 2014, 674; Kühl, in: FS-Stöckl, S. 117, 132.
676 Vormbaum, ZStW 123 (2011), 660, 666, beschreibt dies als „präskriptive Frag-
mentarietät“.
677 Maiwald, in: FS-Maurach, S. 9; Vormbaum, ZStW 123 (2011), 660, 666; kritisch

zur verfassungsrechtlichen Herleitung: Prittwitz, in: Vom unmöglichen Zustand des


Strafrechts, S. 387, 393 ff.; Hefendehl, JA 2011, 401; Kuhlhanek, ZIS 2014, 674; Kühl,
in: FS-Kühne, S. 15, 19; ders., in: FS-Stöckl, S. 117, 118 verweist aber darauf, dass
bei Gesetzgebungsinitiativen im Bereich des Strafrechts dennoch die Schließung von
Lücken im Vordergrund steht; Jescheck/Weigend, Lehrbuch des Strafrechts, S. 46, 53;
Hillenkamp, in: FS-Kirchhof, S. 1349, 1358; K. Peters, ZStW 1965, 470, 475; Kühl, in:
FS-Tiedemann, S. 29, 32.
678 Vormbaum, ZStW 123 (2011), 660, 671; Zaczyk, ZStW 123 (2011), 691 vertritt

die Ansicht, dass sich Binding dabei nur auf den Bereich der Lücken bezieht, die es
aufgrund des Gesetzlichkeitsprinzipes konsequenterweise im Strafrecht gibt, allerdings
wird nicht ersichtlich, warum sich Binding nicht auch auf bewusst gelassene Regelungs-
lücken berufen haben sollte.
679 Kaspar, Verhältnismäßigkeit und Grundrechtsschutz im Präventionsstrafrecht,

S. 251; anders zumindest in Hinblick auf den Strafzweck der Generalprävention vgl.
Kuhlhanek, StV 2015, 725, 727.
680 Kuhlhanek, ZIS 2014, 674, 675; kritisch: Maiwald, in: FS-Maurach, S. 9, 15 ff.
681 Lenckner, JuS 1968, 304, 307.
190 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

Lückenhaftigkeit der Strafrechtsordnung Verhaltensweisen, die mitunter als glei-


chermaßen strafwürdig empfunden werden könnten, in den straffreien Bereich
fallen, weil sie vom Gesetzestext – bewusst oder unbewusst – nicht erfasst wer-
den, kann es zu einer solchen Ungleichbehandlung kommen. Dies kann dafür-
sprechen, gerade keine straffreien Räume beizubehalten. Ein Verstoß gegen den
Gleichheitssatz liegt aber erst dann vor, wenn die Ungleichbehandlung will-
kürlich erscheint.682 Eine solche Willkür kann wohl dann nicht angenommen
werden, wenn die Ungleichbehandlung auf verfassungsrechtlichen Vorgaben des
Art. 103 Abs. 2 GG beruht. Dieser sieht als eine Norm mit Verfassungsrang ge-
rade vor, dass aufgrund von Bestimmtheitsgebot und Analogieverbot straffreie
Räume verbleiben. Eine Willkür ist in dieser Differenzierung nicht zu erkennen.
Auch kann eine völlige und umfassende Gleichbehandlung aller vergleichbarer
Verhaltensweisen ohnehin nicht erreicht werden. Strafrecht kann folglich nur
exemplarisch sein.683 Alles andere würde zu einer umfassenden Einschränkung
der allgemeinen Handlungsfreiheit führen, Art. 2 Abs. 1 GG.

b) Gerechtigkeit, Freiheitssicherung und Strafökonomie

Es muss allerdings auch bedacht werden, dass über das Strafrecht niemals eine
umfassende Gerechtigkeit hergestellt werden kann. Niemals können alle gleich-
wertigen Verhaltensweisen erfasst werden, ohne auf diese Weise solche Tatbe-
stände zu schaffen, die den Anforderungen des Art. 103 Abs. 2 GG nicht genü-
gen.684 Dies scheitert über das Gesetzlichkeitsprinzip hinaus auch bereits daran,
dass eine Vergleichbarkeit ein hohes Maß an individueller Wertung beinhaltet.
Darüber hinaus stellt das staatliche Strafen das letzte zur Verfügung stehende
Mittel dar und kann nicht den Anspruch erheben, umfassend zu schützen.685
Wenn dieses Ziel allumfassender Regelungen nicht erreicht werden kann, kann
die Herstellung umfassender Gerechtigkeit nicht als Argumentationstopos gegen
ein fragmentarisches Strafrecht angeführt werden. Konsequenz dessen sind not-
wendigerweise straffreie Bereiche.
Ergänzend ergibt sich das Erfordernis eines fragmentarischen Strafrechts aus
dem eingriffsintensiven Charakter von Kriminalstrafen. Die Anwendung des
Strafrechts gehört durch den freiheitsentziehenden und pönalisierenden Charak-

682 So auch Kaspar, Verhältnismäßigkeit und Grundrechtsschutz im Präventionsstraf-

recht, S. 251.
683 Schmidhäuser, Einführung in das Strafrecht, S. 142; Hillenkamp, in: FS-Kirchhof,

1349, 1358.
684 Maiwald, in: FS-Maurach, S. 9, 2 f.; zu den negativen Auswirkungen eines

lückenlosen Strafrechts vgl. J. Hirsch, in: FS-Puppe, 2011, 117.


685 Maiwald, in: FS-Maurach, S. 9, 22 f.
VII. Vereinbarkeit mit dem fragmentarischen Charakter des Strafrechts 191

ter zu den schärfsten Mitteln eines Staates.686 Die dem Staat dadurch verliehene
Macht darf nicht missbraucht und in diesem Sinne auch nicht wahllos und will-
kürlich eingesetzt werden.687 Der fragmentarische Charakter des Strafrechts stellt
die Balance zwischen den Polen der freiheitsgewährenden und freiheitsentziehen-
den Funktion des Strafrechts her, indem neben der erhebliche Freiheitsbegren-
zung durch das Strafrecht, straffreie Räume belassen werden.688 Denn nur wenn
Strafrecht fragmentarisch ist, kann es ausreichend Entscheidungsspielräume für
die Freiheit des Einzelnen lassen und damit dem in Art. 2 Abs. 1 GG normierten
Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit Rechnung tragen.689 Dies bedeu-
tet im Ergebnis, dass Strafe im Sinne eines Regel-Ausnahmeverhältnisses immer
den Ausnahmefall darstellen soll.690 Das gilt sowohl für die Strafrechtsordnung
als Ganze als auch für den Anwendungsbereich einzelner Tatbestände.
Für das Verbleiben straffreier Räume, auch wenn diese Räume von Teilen der
Bevölkerung als strafwürdig und strafbedürftig erachtet werden, spricht außer-
dem, dass Strafbarkeit gerade keine moralische Instanz sein soll, die zu einem
vermeintlich richtigen Verhalten i. S. v. moralischem Verhalten anhält.691 Straf-
recht dient immer nur dem Schutz einer schon bestehenden Sozialordnung. Es
kann seinerseits keine Sozialordnung hervorbringen und hat folglich nur eine be-
schränkt lenkende Wirkung, was wiederum zu einem fragmentarischen Strafrecht
führt.692
Neben den Gesichtspunkten der Freiheit und Gerechtigkeit sprechen aber auch
praktische Erwägungen für ein lückenhaftes Strafrecht.693 Den Strafverfolgungs-
behörden stehen immer nur personell und materiell begrenzte Ressourcen zur

686 So auch MüKo-StGB/Freund, § 1 Rn. 37; zum qualitativen Unterschied von

Strafe zu Eingriffen durch Verwaltungsakte vgl. Roxin/Greco, Strafrecht AT I, S. 24,


112 m.w. N.; Eschelbach/Krehl, in: FS-Kargl, S. 81, 82.
687 Kindhäuser, in: Modernes Strafrecht und ultima-ratio-Prinzip, S. 29, 37.
688 Krahl, Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesge-

richtshofs zum Bestimmtheitsgrundsatz im Strafrecht, S. 29; Lenckner hingegen betont


die durch Strafbarkeitslücken entstehenden Einschränkung der Freiheit der Betroffenen,
vgl. JuS 1968, 304, 307; Eschelbach/Krehl, in: FS-Kargl, S. 81, 82.
689 Eschelbach/Krehl, in: FS-Kargl, S. 81, 82; Bloy, in: FS-Maiwald, S. 9, 24; Ebert,

Strafrecht, Allgemeiner Teil, 3 f.


690 Vormbaum, ZStW 123 (2011), 660, 666; das legt auch die Verwendung des Be-

griffs „strafrechtsfreie Räume“ von Tiedemann nahe, vgl. ders., Tatbestandsfunktionen


im Nebenstrafrecht, S. 18.
691 Vormbaum, ZStW 123, 2011, 660, 668; Schmidhäuser, Einführung in das Straf-

recht, S. 45; Maiwald, in: FS-Maurach S. 9, 10.


692 Zipf, Kriminalpolitik, S. 52.
693 Zum Folgenden vgl. Prittwitz, in: Vom unmöglichen Zustand des Strafrechts,

S. 387, 401 f.; Eschelbach/Krehl, in: FS-Kargl, S. 81, 82; Hillenkamp, in: FS-Kirchhof,
S. 1349, 1358; im Ergebnis wohl auch P.-A. Albrecht, KritV 1996, 330, 331, verweist
aber darauf, dass grundsätzlich Ressourcen für eine wirksame Strafverfolgung zur Ver-
fügung gestellt werden müssen; K. Peters, ZStW 1965, 470, 475.
192 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

Verfügung. Ein Mehr an Straftatbeständen bedeutet konsequenterweise auch ein


Mehr an Arbeitsbelastung für die Behörden. Effektivität der Strafverfolgung
kann bei geringerer Arbeitslast eher umgesetzt werden. Dies spricht dafür, klar
umgrenzte strafbare Handlungsbereiche zu verfassen und keine umfassenden
Straftatbestände zu schaffen und so gleichzeitig dem fragmentarischen Charakter
Rechnung zu tragen.
Schließlich unterliegt das Strafrecht, wie die Gesellschaft und die Sozialord-
nung, einem ständigen Wandel. Das bedeutet, dass Strafandrohungen laufend an
den Stand der Zeit angepasst werden müssen. Die konsequente Umsetzung eines
lückenlosen Strafrechts scheitert also auch an der Reaktion des Strafrechts durch
mitunter zeitintensive Gesetzgebungsverfahren auf veränderte Verhältnisse.694

6. Fragmentarischer Charakter als Handlungsanweisung


an die Legislative
Aus dem fragmentarischen Charakter des Strafrechts kann eine Handlungs-
bzw. Unterlassungsanweisung an die Judikative entnommen werden: Dadurch,
dass nicht alles, was vermeintlich strafwürdig erscheint, auch für strafbar erklärt
werden muss, verbietet sich auch aufgrund des fragmentarischen Charakters des
Strafrechts eine lückenfüllende Rechtsanwendung.695 Dies ergibt sich aber auch
aus der konsequenten Anwendung des Analogieverbotes, Art. 103 Abs. 2 GG.
Für die hier zu untersuchende Fragestellung, inwieweit Öffnungsklauseln mit
dem fragmentarischen Charakter des Strafrechts vereinbar sind, ist allerdings von
Bedeutung, auf welche Weise dem Grundsatz eine Handlungsanweisung an die
Legislative entnommen werden kann.
Das Postulat des fragmentarischen Charakters des Strafrechts muss in erster
Linie als Handlungsanweisung an die Legislative verstanden werden.696 Dem Ge-
setzgeber obliegt dabei gerade die Pflicht zu entscheiden, welche Verhaltenswei-
sen strafwürdig sind und inwieweit diese und auf welche Weise unter Strafe ge-
stellt werden sollen.697 Dem Gesetzgeber kommt also eine Einschätzungspräro-
gative zu.698 Dies bezieht sich zum einen auf die Strafbarkeit als solche, also ob

694 Schmidhäuser, Einführung in das Strafrecht, S. 142.


695 H. J. Hirsch, in: FS-Tröndle, S. 19, 26, 38; anders: Kaspar, Verhältnismäßigkeit
und Grundrechtsschutz im Präventionsstrafrecht, S. 251.
696 Naucke, Strafrecht, S. 64; Lackner/Kühl/Heger, Vorbm. § 13 Rn. 3.
697 Zu Strafrechtspolitik und dem Begriff der Strafwürdigkeit insgesamt, vgl. Hasse-

mer, in: Strafrechtspolitik, S. 9, 10, in Abgrenzung zur Kriminaltheorie; Hoffmann-


Riem, Kriminalpolitik ist Gesellschaftspolitik, S. 68 ff. auch im Hinblick auf die selek-
tive Verfolgung von Straftaten; Otto, GS-Schröder, S. 53, 54 ff., der sich der Strafwür-
digkeit über den Begriff der Strafe nähert.
698 Vgl. zur Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers z. B. MüKo-StGB/Joecks/

Erb, Einleitung Rn. 2 m.w. N.; BeckOK-StGB/Heintschel-Heinegg, § 1 Rn. 32; Appel,


Verfassung und Strafe, S. 182; und Hefendehl, JA 2011, 401, 405.
VII. Vereinbarkeit mit dem fragmentarischen Charakter des Strafrechts 193

ein Tatbestand überhaupt in das Strafgesetzbuch aufgenommen werden soll und


zum anderen auf den Umfang der Norm, also auch auf die Fassung der Tatbe-
standsmerkmale. Es ist allerdings bereits unklar, wie Strafwürdigkeit definiert
werden sollte.699 Einleuchtend scheint aber, dass in die Entscheidung darüber
neben Gerechtigkeitserwägungen,700 der Strafwürdigkeit, auch Zweckmäßig-
keitserwägungen, die sog. Strafbedürftigkeit, mit einfließen.701 Der Gesetzgeber
kann hierbei zum Beispiel durch die konkrete Art der Normgebung bestimmte
Bereiche, Handlungsweisen oder subjektive Einstellungen aus dem Tatbestand
ausschließen und so seinerseits innerhalb eines von ihm grundsätzlich für straf-
würdig befundenen Verhaltens bestimmte Bereiche straflos stellen.702 So ist eine
Sachbeschädigung zwar beim vorsätzlichen Handeln strafbar, für die Strafbarkeit
einer fahrlässigen Sachbeschädigung wurde hingegen, mangels entsprechender
Regelung, augenscheinlich kein Bedarf gesehen (vgl. dazu auch § 15 StGB).703
Dies ist ein Beispiel dafür, wie der Gesetzgeber durch subjektive Voraussetzun-
gen ein lückenhaftes Strafrecht schaffen kann. Diese Lückenhaftigkeit des Rechts
ist also nicht nur Reflex des Gesetzlichkeitsprinzips, sondern kann und sollte
auch Folge gesetzgeberischer Wertungsentscheidungen oder anderer strafrecht-
licher Prinzipien, wie dem Schuldprinzip oder dem Prinzip des subsidiären Rechts-

699 Grundlegend zum Begriff der Strafwürdigkeit vgl. Schmidhäuser, Einführung in

das Strafrecht, 1/17; zum Begriff der Strafbedürftigkeit vgl. Günther, JuS 1978, 8, 12,
der die Strafwürdigkeit als „limitierendes Regulativ“ der Strafgesetzgebung beschreibt;
ein überzeugende Definitionsvorschlag findet sich bei NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1
Rn. 51, der zwischen Strafwürdigkeit im normativen und kriminalpolitischen Sinne dif-
ferenziert; eine umfassende Diskussion zur Strafwürdigkeit findet sich auch bei Alwart,
Strafwürdiges Versuchen, S. 21 ff. und insbesondere kritisch zu formellen und materiel-
len Strafwürdigkeitsbegriffen, S. 75 f.; Kaspar, Verhältnismäßigkeit und Grundrechts-
schutz im Präventionsstrafrecht, S. 254 ff.; kritisch zu Schmidhäuser insbesondere Ro-
xin/Greco, Strafrecht AT I, S. 1171 f.; so wohl auch Hamm, in: FS-Kargl, S. 165, 173,
beschreibt Strafwürdigkeit als Rechtfertigungsgrund für das Bestrafen von Verhaltens-
weisen; Differenzierung zwischen Strafwürdigkeit und Strafbedürftigkeit, vgl. Jescheck/
Weigend, Lehrbuch des Strafrechts, S. 551; zur Problematik des Strafwürdigkeitsbe-
griffs vgl. insbesondere Altpeter, Strafwürdigkeit und Straftatensystem, S. 26 ff., insbe-
sondere zum im Kontrast zum Begriff der „Strafbedürftigkeit“; Otto, in: GS-Schröder,
S. 53, 54 ff.
700 Als zentrales Element dessen benennet Hassemer/Neumann die Rechtsgutslehre,

wonach ein Strafgesetz immer dem Schutz eines Rechtsgutes dienen muss, vgl. NK-
StGB/Hassemer/Neumann, Vorbm. § 1 Rn. 62.
701 NK-StGB/Hassemer/Neumann, Vorbm. § 1 Rn. 51 und Rn. 60 mit Beispielen für

unzweckmäßiges Strafrecht; Vormbaum, ZStW 123 (2011), 660, 669; Kaspar, Verhält-
nismäßigkeit und Grundrechtsschutz im Präventionsstrafrecht, S. 251.
702 Vormbaum, ZStW 123 (2011), 660, 669.
703 Was sich durchaus mit Erwägungen zur Tatproportionalität und dem ultima-ratio-

Charakter des Strafrechts begründen lassen kann, siehe dazu z. B. Kaspar, Verhältnis-
mäßigkeit und Grundrechtsschutz im Präventionsstrafrecht, S. 243; die Gesetzesbegrün-
dung enthält insoweit keine Ausführungen, vgl. dazu BT-Drucks. IV/650, S. 419 f., ab-
rufbar unter https://dipbt.bundestag.de/doc/btd/04/006/0400650.pdf [zuletzt abgerufen
am 01.05.2021].
194 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

güterschutzes, sein. Um der Bedeutung des verfassungsrechtlich geschützten


Grundsatzes gerecht zu werden, ist eine zurückhaltende Gesetzgebung erforder-
lich.704
7. Vereinbarkeit des fragmentarischen Charakters
mit Öffnungsklauseln
Wann ein Gesetz nicht mehr mit dem Grundsatz des fragmentarischen Charak-
ters des Strafrechts vereinbar ist, lässt sich nicht immer eindeutig bestimmen, da
bereits unklar ist, welche Maßstäbe an die Unvereinbarkeit gestellt werden. Auch
hier verlaufen, wie im Bereich des Gesetzlichkeitsprinzips, die Grenzen flie-
ßend.705 Insbesondere wird vertreten, dass das Maß der zulässigen Lückenhaftig-
keit der Strafrechtsordnung auch vom zu schützenden Rechtsgut abhängig ist.706

a) Fragmentarität auch innerhalb einzelner Tatbestände

Zunächst ist entscheidend, dass es in Bezug auf Öffnungsklauseln nicht darauf


ankommt, inwieweit der Gesetzgeber bei sozialschädlichem Verhalten unter dem
Postulat des fragmentarischen Charakters des Strafrechts überhaupt entscheidet,
ob ein Verhalten unter Strafe gestellt oder ein bestimmtes Rechtsgut geschützt
werden muss. Vielmehr muss für die hier zugrunde gelegte Fragestellung disku-
tiert werden, ob auch bei sozialschädlichem Verhalten, das unter Strafe gestellt
wurde, im Hinblick auf den fragmentarischen Charakter des Strafrechts, straf-
freie Räume verbleiben müssen. Entscheidend ist also, ob auch das „Wie“ des
Rechtsgüterschutzes, also der dazugehörige Tatbestand, fragmentarisch ausgestal-
tet werden muss.707 Diese Frage stellt sich dann, wenn über das „Ob“ des Rechts-
güterschutzes bereits positiv beschieden wurde.
Zum einen ergibt sich der fragmentarische Charakter einzelner Tatbestände be-
reits aus den verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Strafgesetzgebung. Gem.
Art. 103 Abs. 2 GG müssen Tatbestände eine hinreichende Bestimmtheit aufwei-
sen. Da sich die Bestimmtheit auf den Wortlaut der Norm bezieht,708 führt dies
automatisch zum Ausschluss solcher Verhaltensweisen, die zwar vom Sinn und
Zweck aber nicht vom Wortlaut der Norm erfasst wären.

704 Naucke, Strafrecht, S. 64.


705 Schmidhäuser, Einführung in das Strafrecht, S. 45.
706 Kühl, in: FS-Tiedemann, S. 29, 36, der darauf verweist, dass das Strafrecht beim

Schutz des Lebens durch die konkrete Ausgestaltung der Norm weniger Lücken auf-
weist, als beispielsweise beim Schutz des Vermögens und einen Verstoß von Öffnungs-
klauseln gegen den fragmentarischen Charakter des Strafrechts befürwortend, vgl. so
auch Kaspar, Verhältnismäßigkeit und Grundrechtsschutz im Präventionsstrafrecht,
S. 253, der darin allerdings mangels verfassungsrechtlicher Herleitung keinen Verfas-
sungsverstoß annimmt.
707 Maiwald, in: FS-Maurach, S. 9, 14.
708 Zum Bestimmtheitsgrundsatz vgl. Kap. D. IV.
VII. Vereinbarkeit mit dem fragmentarischen Charakter des Strafrechts 195

Zum anderen erfasst aber auch die Forderung nach einem fragmentarischen
Strafrecht nicht nur die Strafrechtsordnung als solche, sondern gerade auch ein-
zelne Tatbestände.709 Das ergibt sich aus dem Sinn und Zweck des fragmentari-
schen Charakters. Denn beruft man sich für die Erforderlichkeit von straffreien
Räumen, wie oben dargelegt, auf die freiheitssichernde Funktion des fragmen-
tarischen Charakters, dann kann diese konsequenterweise nur dadurch sicher-
gestellt werden, indem das zu sanktionierende Verhalten umschrieben wird und
damit andere Verhaltensweisen aus dem Anwendungsbereich der Norm heraus-
fallen. Dies hat dann die Konsequenz, dass auch innerhalb eines grundsätzlich
sozialschädlichen Verhaltens straffreie Räume verbleiben.
Auch aus der Unerreichbarkeit einer umfassenden Gerechtigkeit ergibt sich
das Erfordernis der hinreichend bestimmt formulierten Tatbestände.710 Denn ein
allumfassender Schutz kann nicht erreicht werden, ohne nicht jegliche denkbaren
Verhaltensweisen zu pönalisieren, sodass gerade auch einzelne Tatbestände eine
Fragmentarität aufweisen müssen. Gleiches gilt für die oben dargelegten straf-
ökonomischen Erwägungen. Auch aus praktischen Gesichtspunkten ist eine um-
fassende Strafbarkeit in Bezug auf einzelne Tatbestände unökonomisch. Gerade
der exkludierende Charakter der einzelnen Tatbestände kann zu einer Entlastung
der Strafverfolgungsbehörden führen.711

b) Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem fragmentarischen Charakter


des Strafrechts
Auch aufgrund des fragmentarischen Charakters des Strafrechts gilt, wie be-
reits im Rahmen des Gesetzlichkeitsprinzips erläutert, dass Strafbarkeitslücken,
mögen diese auch noch so unerträglich sein, nicht durch Entscheidungen der Ge-
richte geschlossen werden dürfen.712 Die Annahme, dass ein Lückenschluss aber
zumindest bei vergleichbaren Handlungen möglich und erforderlich ist, verfängt
nicht.713 Denn Gesetzgebung darf gerade nicht lückenlos sein.714
Insbesondere stehen konturlose Gesetze im Widerspruch zum fragmentarischen
Charakter des Strafrechts.715 Wenn durch eine solche gesetzgeberische Erweite-

709 So im Ergebnis auch: Kühl, in: FS-Tiedemann, S. 29, 37.


710 Maiwald, in: FS-Maurach, S. 9, 21 f.
711 Insbesondere kann nicht, wie Appel, Verfassung und Strafe, S. 410 meint, aus der

Tatsache, dass der fragmentarische Charakter sich auf das Normgefüge als solches als
auch auf einzelne Tatbestände bezieht, eine Schwächung des Grundsatzes hergeleitet
werden.
712 Schmidhäuser, in: GS-Martens, S. 231, 246; im Ergebnis wohl auch Krüger,

NStZ 2011, 369, 372.


713 So aber grundsätzlich Kühl, in: FS-Tiedemann, S. 29, 40.
714 K. Peters, ZStW 1965, 470, 475.
715 So auch Eschelbach/Krehl, in: FS-Kargl, S. 81, 82, der § 238 StGB als Beispiel

anführt.
196 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

rung des Handlungsspielraums der Judikative die Gefahr besteht, dass immer
weitere Verhaltensweisen aufgrund eines vermeintlichen „Rechtsgefühls“ in den
Bereich strafbaren Verhaltens einbezogen werden, kann es zu einer uferlosen
Rechtsanwendung kommen. Es fehlt dann gerade an einer notwendigen gesetzge-
berischen Intervention, die diesen Effekt begrenzt.716 Es ist aber unklar, wo ge-
nau die Grenze des Zulässigen beim fragmentarischen Charakter des Strafrechts
verläuft, zumal dem Gesetzgeber gerade auch ein eigener Entscheidungsspiel-
raum bei der Fassung von Straftatbeständen zusteht.
Öffnungsklauseln sind grundsätzlich durch die gesetzlich angeordnete innertat-
bestandliche Analogie in der Lage, vermeintliche Strafbarkeitslücken zu schlie-
ßen. Unter Öffnungsklauseln können gerade solche Verhaltensweisen subsumiert
werden, die in der enumerativen Aufzählung nicht bereits explizit genannt wur-
den. Diese Möglichkeit zum Schluss von Strafbarkeitslücken ist gerade auch die
wesentliche Intention beim Einsatz von Öffnungsklauseln.717 Das schließt aber
nicht pauschal aus, dass Öffnungsklauseln auch eine restriktive Anwendung der
Norm ermöglichen können, es also nicht automatisch zum Schluss vermeint-
licher Strafbarkeitslücken kommt bzw. kommen muss. Zumindest lässt sich nicht
ohne Weiteres ein pauschaler Verstoß dieser Art der Gesetzgebungstechnik
feststellen. Dies schließt wiederum nicht aus, dass konkrete Normen, wie § 238
Abs. 1 Nr. 8 StGB, durch ihre konkrete Verfasstheit der Öffnungsklausel im Zu-
sammenspiel mit den zuvor explizit genannten Verhaltensweisen gegen den frag-
mentarischen Charakter des Strafrechts verstoßen können.
Betrachtet man die Gesetzgebungstechnik der Öffnungsklauseln losgelöst von
einem solchen konkreten Tatbestand, kann die vorhergehende explizite Regelung
der einzelnen Verhaltensweisen eine Umgrenzung des Tatbestandes möglicher-
weise zulassen, wie sie bei Generalklauseln im Zweifel nicht im gleichen Maße
möglich sein dürfte. Problematisch kann hingegen sein, dass aufgrund der freien
Methodenwahl gerade nicht sichergestellt werden kann, dass der Tatbestand auch
entsprechend restriktiv ausgelegt wird. Auf diese Weise birgt die offene Fassung
von Öffnungsklauseln zumindest die Möglichkeit einer so weitreichenden Rechts-
anwendung, dass auf diesem Wege eine Lückenschließung ermöglicht wird. Die
konkrete Verfasstheit von Öffnungsklauseln kann auf diese Weise zwar mit einer
gelockerten Gesetzesbindung einhergehen. Ein pauschaler Verstoß aller Öff-
nungsklauseln ohne die Betrachtung der konkreten Rechtsanwendung im Ein-
zelfall kann allerdings nicht angenommen werden. Insoweit muss auch hier be-
trachtet werden, dass dem Gesetzgeber bei der Fassung von Normen auch eine
Einschätzungsprärogative zukommt.

716 Krahl, Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesge-

richtshofs zum Bestimmtheitsgrundsatz im Strafrecht, S. 31.


717 Vgl. dazu insbesondere innerhalb dieser Arbeit Kap. C. I.
VII. Vereinbarkeit mit dem fragmentarischen Charakter des Strafrechts 197

Außerdem kann, wie bereits dargelegt, ein pauschaler Verstoß von Öffnungs-
klauseln gegen das Analogieverbot und den Bestimmtheitsgrundsatz nicht fest-
gestellt werden. Betrachtet man den fragmentarischen Charakter nun, wie auf-
gezeigt, als eine Konsequenz daraus, dass die Vorgaben in Art. 103 Abs. 2 GG
eingehalten werden, dann kann auch im Hinblick darauf konsequenterweise auch
kein Verstoß von Öffnungsklauseln gegen den fragmentarischen Charakter des
Strafrechts festgestellt werden.
Auch im Hinblick auf die weitere verfassungsrechtliche Herleitung aus der all-
gemeinen Handlungsfreiheit und dem Rechtsstaatsprinzip kann ebenfalls nicht
pauschal ein Verstoß bejaht werden. Auch hier muss auf die Möglichkeit zur re-
striktiven Auslegung und die Orientierung an den zuvor explizit beschriebenen
Verhaltensweisen verwiesen werden. Diese ermöglichen eine Orientierung bei
Rechtsanwendung, die über die Orientierungsmöglichkeiten bei Generalklauseln
hinausgehen dürften.
Die vielmehr problematische Befugnis zur innertatbestandlichen Analogie-
bildung betrifft hingegen, wie noch zu zeigen sein wird, den Grundsatz der Ge-
waltenteilung und den Grundsatz der Gesetzesbindung.718 Der Fragmentarische
Charakter des Strafrechts stützt sich seinerseits aber nicht maßgeblich und aus-
schließlich auf die gewaltenteilende Funktion. Diese ist nur insoweit Bestandteil
des fragmentarischen Charakters des Strafrechts, als dass Art. 103 Abs. 2 GG
der Wahrung der Gewaltenteilung dient und es so zu einer Verschränkung des
Gesetzlichkeitsprinzips und des fragmentarischen Charakters des Strafrechts
kommt. Da aber insoweit eine Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Ge-
setzlichkeitsprinzip angenommen werden kann, scheidet eine entsprechende Un-
vereinbarkeit aus. Auch wenn der Gesetzgeber die Judikative hier zum Lücken-
schluss ermächtigt, beruht diese Befugnis auf einer Verlagerung der Aufgabe der
Legislative auf die Judikative.
Insgesamt steht die durch Öffnungsklauseln zum Ausdruck kommende Ten-
denz zur Ausweitung des Strafrechts im Gegensatz zu dem Grundsatz, dass Straf-
recht lückenhaft sein muss und ist.719 Allerdings kann aus der grundsätzlichen
Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit Art. 103 Abs. 2 GG zumindest kein ge-
nereller Verstoß dieser Art der Gesetzgebungstechnik gegen den fragmentari-
schen Charakter des Strafrechts angenommen werden. Zwar ermöglichen Öff-
nungsklauseln durch die gesetzgeberische Befugnis zur Analogiebildung einen
Lückenschluss im Strafrecht, dabei ist aber viel mehr der Grundsatz der Gewal-
tenteilung und weniger der fragmentarische Charakter des Strafrechts als solcher
betroffen. Die Norm als solche ist nicht gezwungenermaßen konturlos und ein
pauschaler Verstoß ist nicht gegeben, obgleich zuzugeben ist, dass Öffnungsklau-

718 Vgl. dazu in dieser Arbeit Kap. D. VIII.


719 Vormbaum, ZStW 107 (1995), 734, 738 nennt Beispiele, die die Tendenz zur Aus-
weitung im Rahmen der Gesetzgebung belegen.
198 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

seln die Möglichkeit zum Lückenschluss durch eine bewusst vorgenommene


Aufgabenverlagerung gerade intendieren.

8. Gesamtergebnis

Der fragmentarische, also lückenhafte Charakter des Strafrechts ist kein Zu-
stand, der der Strafrechtsordnung automatisch anhaftet, sondern ein Prinzip, dass
durch die Gesetzgebung aktiv verwirklicht werden muss.
Diese Pflicht zur Verwirklichung ergibt sich aus den verfassungsrechtlichen
Grundlagen des fragmentarischen Charakters. Dieser ergibt sich aus den Vorga-
ben an die Gesetzgebung aus Art. 103 Abs. 2 GG. Aber auch aus dem Grund-
recht auf allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) sowie der freiheits-
sichernden Funktion eines Rechtsstaates, Art. 20 Abs. 3 GG.
Darüber hinaus ergibt sich die Pflicht zur Lückenhaftigkeit aber auch aus prak-
tischen Erwägungen. Es handelt sich beim Verbleib straffreier Bereiche nämlich
gerade nicht um ein Manko der Straffrechtsordnung. Vielmehr sind solche Lücken
im Hinblick auf Gerechtigkeit, Freiheit und Strafökonomie dringend erforderlich.
Dies gilt dabei nicht nur für die Strafrechtsordnung als solche, sondern auch
für die gesetzgeberische Ausgestaltung der einzelnen Tatbestände. Auch inner-
halb derer müssen straffreie Räume verbleiben.
Folglich stehen Öffnungsklauseln, die gerade zum Ziel haben, durch einen
möglichst weiten Anwendungsspielraum straffreie Räume zu eliminieren, in Kon-
flikt mit dem fragmentarischen Charakter des Strafrechts. Daraus folgt aber nicht
zugleich ein Verstoß gegen diesen Grundsatz. Zum einen ist eine restriktive und
insoweit nicht lückenschließende Anwendung von Öffnungsklauseln gerade nicht
ausgeschlossen, sodass ein pauschaler Verstoß dieser Art der Gesetzgebungstech-
nik ausscheidet. Vielmehr muss auch der dem Gesetzgeber zustehenden Ent-
scheidungsspielraum bei der Gestaltung von Normen Beachtung finden. Zum an-
deren folgt auch aus der zuvor festgestellten Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln
mit Art. 103 Abs. 2 GG, dass insoweit keine vollkommen konturlose Norm vor-
liegt, die in ihrer Verfasstheit im Widerspruch zum fragmentarischen Charakter
steht. Vielmehr betrifft die Befugnis zur innertatbestandlichen Analogiebildung
das Verhältnis der Legislative und Judikative.

VIII. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Grundsatz der


Gesetzesbindung und dem Grundsatz der Gewaltenteilung

Die grundsätzlich freien Richter*innen werden durch § 1 GVG und Art. 97


Abs. 1 GG an das Gesetz gebunden bzw. diesem unterworfen. Mit dieser Bin-
dung tariert die Verfassung zwei gegenläufige Tendenzen aus: Es werden „ge-
setzesgehorsame[. . .]“ Richter*innen gewünscht, die aber im Gegenzug als „ei-
VIII. Vereinbarkeit mit dem Grundsatz der Gesetzesbindung 199

genständige denkende Korrektive“ tätig werden, die „freiheits- und struktur-


gefährdende[n] Entwicklungen entgegen[. . .]treten“.720 Die Stärke der Bindung
hängt davon ab, wie die gegenüberliegenden Pole der Rechtssicherheit auf der
einen Seite und der Einzelfallgerechtigkeit auf der anderen Seite gewichtet wer-
den (dazu unter Kap. D. VIII. 1. und 2.).721 Der in den genannten Normen zum
Ausdruck kommende Grundsatz der Gesetzesbindung scheint alle bisher aufge-
worfenen Fragen, wie die der Bindungswirkung des Wortlautes und des Kompe-
tenzbereichs der Judikative, zusammenzuführen (dazu unter Kap. D. VIII. 2. d)).
Denn das Verständnis aller bisher erörterten Grundsätze (Bestimmtheitsgrund-
satz, Analogieverbot, Rückwirkungsverbot und fragmentarischer Charakter des
Strafrechts) hängt im Wesentlichen davon ab, inwieweit die Rechtsanwender*in-
nen durch das geschriebene Recht gebunden werden sollen, tatsächlich gebunden
sind und realistischerweise gebunden werden können (dazu unter VIII. 2. e)). Es
könnte darüber hinaus auch die Möglichkeit geben, den Grundsatz der Geset-
zesbindung durch richterliche Rechtsfortbildung zu durchbrechen (dazu unter
Kap. D. VIII. 3. g)). Dennoch könnte es eine Fassung von Normen geben, die –
trotz der Möglichkeit zur richterlichen Rechtsfortbildung – gegen den Grundsatz
der Gesetzesbindung verstoßen (dazu unter Kap. D. VIII. 4.). Darunter können
durch ihre konkrete Verfasstheit auch Öffnungsklauseln fallen, die zwar nicht
gegen die zuvor erörterten Grundsätze der Gesetzesbestimmtheit, des Analogie-
verbotes und des fragmentarischen Charakters des Strafrechts verstoßen, aber als
vollumfänglich unvereinbar mit dem Grundsatz der Gesetzesbindung anzusehen
sein könnten. Ebenso führt die durch Öffnungsklauseln erfolgte Aufgabenverla-
gerung auch zu einer Übertragung der Aufgaben von der Legislative auf die Judi-
kative. Auf diese Weise berühren Öffnungsklauseln auch den mit dem Grundsatz
der Gesetzesbindung verbundenen Grundsatz der Gewaltenteilung (dazu unter
Kap. D. VIII. 3.). Danach führt nicht jedwede Aufgabenüberschneidung zu einer
Verletzung des Grundsatzes der Gewaltenteilung (dazu unter Kap. D. VIII. 3. a)).
Eine Unvereinbarkeit kann aber dann angenommen werden, wenn es zu einer
Übertragung der Kernbereiche kommt (dazu unter Kap. D. VIII. 3. b)).

1. Historische Entwicklung des Grundsatzes der Gesetzesbindung

In der historischen Entwicklung der Gesetzesbindung lassen sich unterschied-


liche Lesarten der Aufgabenwahrnehmung von Richter*innen und auch des Ver-
ständnisses von Gesetzesbindung erkennen.722

720 Di Fabio, in: Handbuch des Staatsrechts, § 27 Rn. 26.


721 Straßburg, ZStW 82 (1970), 948, 950.
722 Umfassend siehe dazu: Conrad, Richter und Gesetz im Übergang vom Absolutis-

mus zum Verfassungsstaat; Engisch, Einführung in das juristische Denken, S. 241 zur
Entwicklung der Gesetzesbindung; historisch dazu siehe auch: Ogorek, Richterkönig
oder Subsumtionsautomat? Zur Justiztheorie im 19. Jahrhundert, 1986; Schneider, Rich-
200 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

Die historische Entwicklung des Verständnisses der Gesetzesbindung ist eng


dem Verständnis der richterlichen Unabhängigkeit723 verbunden. Durch die erst-
mals von Montesquieu in der Zeit der Aufklärung vorgenommene Einteilung in
die drei Staatsgewalten (Legislative, Judikative und Exekutive)724 kam der Recht-
sprechung ein eigenes Aufgabenfeld zu, dessen Verhältnis insbesondere zur Le-
gislative geordnet und abgegrenzt werden musste. Die Aufgabe der richterlichen
Rechtsfindung sollte insbesondere vor unlauterer Einflussnahme geschützt wer-
den, woraus das Postulat der Unabhängigkeit der Judikative entstand. Die Kehr-
seite dessen war allerdings eine strenge Bindung an den genauen Wortlaut des
Gesetzes,725 denn es sollte sichergestellt werden, dass die Entscheidung, die die
Monarchen durch die Gesetzgebung trafen, in die Einzelfallentscheidungen der
Gerichte transferiert würden.726 Weiterhin sollten die Bürger*innen vor richter-
licher Willkür geschützt und ihre Freiheit gesichert werden. Durch diese Bindung
an den nackten Wortlaut des Gesetzes, sollte eine Auslegung des Gesetzes nicht
nur nicht erforderlich, sondern auch verboten sein.727
Es herrschte ein tiefes Misstrauen gegenüber Richter*innen in Bezug darauf,
dass diese im Rahmen der Rechtsfindung nicht den Willen des Gesetzgebers re-
produzierten und die ihnen zugeteilte Macht missbrauchen würden. Darüber hin-
aus dominierte der Glaube, dass das Recht etwas naturgegebenes und von Politik
losgelöstes sei.728 Es handelte sich folglich um ein strenges Verständnis des ge-
schriebenen Rechts, dem die Vorstellung zugrunde lag, dass geschriebenes Recht
ein nahezu lückenloses System darstellt.729 Die Problematik, dass zum einen
Recht und Gesetz nicht immer deckungsgleich sein müssen und zum anderen,
dass Normen kein lückenloses und eindeutiges Regelungssystem aufweisen,
wurde nicht gesehen.730 Erst im Rahmen der Befreiungskriege wandte man sich

terliche Ethik im Spannungsfeld zwischen richterlicher Unabhängigkeit und Gesetzes-


bindung, S. 343 ff.
723 Zur Unabhängigkeit der Judikative siehe umfassend J. Hermann, DRiZ 1982,

286.
724 Montesquieu, Vom Geist des Gesetzes, S. 216: „Es gibt in jedem Staat drei Arten

von Vollmacht: die legislative Befugnis, die exekutive Befugnis in Sachen, die vom
Völkerrecht abhängen, und die exekutive Befugnis in Sachen, die vom Zivilrecht abhän-
gen“; Böckenförde, Gesetz und gesetzgebende Gewalt, S. 30.
725 Hermann, DRiZ 1982, 286; Simon, Die Unabhängigkeit des Richters, S. 2, 5;

Krey, Keine Strafe ohne Gesetz, S. 12; Bähr, in: Der bürgerliche Rechtsstaat, S. 565,
567.
726 Conrad, Richter und Gesetz im Übergang vom Absolutismus zum Verfassungs-

staat, S. 12; Jescheck/Weigend, Lehrbuch des Strafrechts, S. 131.


727 Kritik des Kleinschrodischen Entwurfs zu einem peinlichen Gesetzbuche fur die

Chur-Pfalz Bayrische Staaten, Band II, S. 20; Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 97 Rn. 3;


Hermann, DRiZ 1982, 286, 287; Böckenförde, Gesetz und gesetzgebende Gewalt, 32 f.
728 Bockelmann, in: FS-Smend, S. 23, 26; Pulch, DRiZ 1976, 33.
729 Kissel/Mayer/Mayer, GVG, § 1 Rn. 11; J. Hermann, DRiZ 1982, 286, 287.
730 Kissel/Mayer/Mayer, GVG, § 1 Rn. 20.
VIII. Vereinbarkeit mit dem Grundsatz der Gesetzesbindung 201

von der Auffassung ab, dass es sich bei der Arbeit der Judikative um einen
Rechtsfindungsprozess handelt, in dem das Ergebnis bereits vorher im Normtext
eindeutig determiniert wurde.731
Diese Maxime war dann auch wegweisend für die Errichtung eines der ersten
Strafgesetzbücher, dem Code Penal im Jahre 1791. Dort wurde den Rich-
ter*innen selbst bei der Strafzumessung kein eigener Beurteilungsspielraum zu-
gebilligt.732 Dem folgte auch das bayrische Strafgesetzbuch von 1813. Dies ent-
hielt darüber hinaus eine amtliche Kommentierung und verbot zum Zwecke der
Bindung an eben jene, jede weitere Kommentierung durch Gelehrte. Eine eigene
Auslegung der Normen durch die Richter*innen sollte unbedingt vermieden wer-
den.733 Noch war zu diesem Zeitpunkt undenkbar, dass bald Richter*innen auch
über die Wirksamkeit von Gesetzen entscheiden würden.
Die sich entwickelnde Interessenjurisprudenz734 begegnete der damals zu-
grunde liegenden Vorstellung über die Naturgegebenheit von Recht skeptisch,
insbesondere im Hinblick darauf, dass die Judikative gezwungenermaßen rechts-
schöpferisch tätig werden muss, wenn das Gesetz Lücken aufwies.735
Eine dem Art. 97 GG entsprechende Regelung, die die sachliche Unabhängig-
keit der Richter*innen aber auch deren Bindung an das geschriebene Recht ver-
fassungsrechtlich garantierte, fand sich im deutschen Recht erstmals in Art. 102
WRV.736 Die dazu vorliegenden Kommentierungen der Vorschrift verwiesen al-
lerdings auf die strenge Bindung, die nicht durch einen Verweis auf Naturrecht
umgangen werden könnte.737 Dennoch bedeutete die so normierte Unabhängig-
keit der Judikative nicht automatisch ein bestehendes Vertrauen in die Tätigkeit
der Judikative.
Im Nationalsozialismus herrschte hingegen wieder ein großes Misstrauen in
die Tätigkeit der Richter*innen. Entscheidungen wurden nur anerkannt, wenn sie
dem Willen des Staatsapparates entsprachen. Dies resultierte in einer völligen

731 Bockelmann, in: FS-Smend, S. 23, 29.


732 Bockelmann, in: FS-Smend, S. 23, 26.
733 Schünemann, Nulla poena sine lege?, S. 10.
734 Zur Interessenjurisprudenz siehe insbesondere grundlegend Heck, AcP 112

(1914), 1, der darin ein Gegenmodell zur Begriffsjurisprudenz sah; ders., AcP 143
(1937), 129; ders., Begriffsbildung und Interessenjurisprudenz, 1932, S. 25 ff. grundle-
gend zur Interessenjurisprudenz; Müller-Erzbach, Wohin führt die Interessenjurispru-
denz?, S. 47 ff.; zusammenfassend siehe auch Dorndorf, ARSP 81 (1995), 542, 543 ff.;
Schröder, ZfPW 2016, 307, 309 und Schoppmeyer, Juristische Methode als Lebensauf-
gabe, Werk und Wirkgeschichte Philipp Hecks, S. 80 ff.; knapp zum Verhältnis auch
Mangoldt/Klein/Starck/Classen, Art. 97 GG Rn. 1.
735 Pulch, DRiZ 1976, 33, 34.
736 Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 97 Rn. 5; Conrad, Richter und Gesetz im Übergang

vom Absolutismus zum Verfassungsstaat, S. 7.


737 Hillgruber, JZ 2008, 745, 747.
202 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

Umkehr der Verhältnisse, was aber nicht zu einer erhöhten Gesetzesbindung


führte. Stattdessen wurde die Justiz unter anderem durch sog. Richterbriefe und
die Entfernung von Richter*innen aus dem Amt gesteuert.738 Die Unabhängig-
keit der Justiz wurde durch politische Instrumentarien eingeschränkt.739 Insbe-
sondere wurde Richter*innen die Befugnis zur Fortbildung des Rechts auch
durch die klare Anweisung, sich bei Bedarf vom Wortlaut der Normen zu lösen,
ausdrücklich erteilt und sogar gesetzlich geregelt.740 Insbesondere im Strafrecht
führte dies zur ausdrücklichen Zulassung analoger Gesetzesanwendung. Plan des
Regimes war es, die Richter*innen dahin zu drängen, dass sie Urteile im Verhält-
nis zu den politischen Entscheidungen fällen, um so die Rechtsprechung als fle-
xibles Machtinstrument nutzen zu können.741 Es zeigt sich also, dass zum einen
die Unabhängigkeit durch eine erhebliche Einflussnahme der Politik einge-
schränkt wurde und zum anderen spiegelbildlich die Erweiterung der richter-
lichen Befugnisse einzig und allein dem Ziel der Durchsetzung des nationalsozia-
listischen Willens dienten. Die Instrumentalisierung gelang auch durch den über-
mäßigen Einsatz von Generalklauseln, die die Tür dafür öffneten, dass die Politik
unentwegt Einfluss auf die richterlichen Entscheidungen nehmen konnten.742
Dies führte zu einer „Aufhebung und Zerstörung [des bestehenden] Verhältnis-
ses“ zwischen Richter*innen und Gesetzgeber.743 Die Schutzmauer der richter-
lichen Unabhängigkeit einerseits und der Gesetzesbindung andererseits wurde
durch die Machtverhältnisse eingerissen.
Als Konsequenz der Instrumentalisierung von Richter*innen wurde unumstrit-
ten die Unabhängigkeit in die Verfassung in Form von Art. 97 Abs. 1 GG in der
BRD wieder aufgenommen und nur durch eine Bindung an das Gesetz begrenzt
und gilt seitdem unverändert.744 Dies wirkt darüber hinaus auch in der einfachge-
setzlichen Regelung des § 1 GVG fort.745 Eine erhöhte Gesetzesbindung sollte
dadurch erreicht werden, dass auf eine Ausweitung der Norm auf eine Unterwer-
fung unter das Gewissen verzichtet wurde.746 Eine solche nur dem Recht unter-
worfene Bindung fordert aber, dass die Gesetze, an welche die Judikative gebun-
den sein soll „über jeden Zweifel erhaben sein“ müssen.747 Das wirft gerade im

738 Bockelmann, in: FS-Smend, S. 23, 34.


739 Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 97 Rn. 6; siehe dazu auch Christensen/Kudlich, Ge-
setzesbindung, S. 176.
740 v. Münch/Kunig/Meyer, Art. 97 Rn. 32; Hillgruber, JZ 2008, 745, 748, 750.
741 J. Hermann, DRiZ 1982, 286.
742 Bockelmann, in: FS-Smend, S. 23, 36; umfassend auch: Vogel, ZStW 115 (2003),

S. 638 ff.
743 Bockelmann, in: FS-Smend, S. 23, 34; siehe dazu auch Holste, JA 2009, 359,

360 f.
744 Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke/Heusch, Art. 97 Rn. 1.
745 Bockelmann, in: FS-Smend, S. 23, 27.
746 Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 97 Rn. 8.
747 Bockelmann, in: FS-Smend, S. 23, 38.
VIII. Vereinbarkeit mit dem Grundsatz der Gesetzesbindung 203

Hinblick auf den historischen Kontext die Frage auf, ob Öffnungsklauseln im


Strafrecht diesem Anspruch gerecht werden können oder nicht vielmehr ein
potentielles Einfallstor zur Instrumentalisierung sein können.

2. Gesetzesbindung zwischen Wunsch und Wirklichkeit

Genauso, wie die Unabhängigkeit und die Gesetzesbindung in ihrer histori-


schen Entwicklung zusammenhängen, bilden sie auch weiterhin ein „unverzicht-
bares Korrelat“.748 Art. 97 GG, Art. 20 Abs. 3 GG und als einfachgesetzliche
Regelung § 1 GVG binden die Richter*innen in der Rechtsanwendung an das Ge-
setz,749 also an die Verfassung und auch an „unterverfassungsrechtliches, außen-
wirksames Recht“ und können zumindest potentiell ein Spannungsfeld mit der
richterlichen Unabhängigkeit bilden750 deren Schutz sie zugleich dienen.751 Denn
Bindung an das geschriebene Recht bedeutet zugleich Ausschluss anderweitiger
Einflussnahme. Richter*innen sollen völlig unabhängig von äußeren Einflüssen
agieren können und sind einzig an den im Normtext zum Ausdruck kommenden
Normbefehl gebunden.752 Eine dem Art. 97 GG entsprechende Regelung für die
Bindung an die Rechtsprechung höherer Instanzen besteht hingegen nicht.753
Allerdings wird die Bindung durch die Verwerfungskompetenz des BVerfG in
Art. 100 GG eingeschränkt.754
Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gesetzesbindung kann angenommen
werden, wenn eine Entscheidung außerhalb der gesetzlichen Grundlage oder ohne
jegliche gesetzliche Grundlage ergeht, aber auch, wenn die Entscheidung von
sachfremden Erwägungen geleitet wurde.755 Dies zeigt, dass der Begriff der Un-
abhängigkeit immer innerhalb des geltenden Rechts verstanden wird.

748 Kissel/Mayer/Mayer, § 1 Rn. 110; zur Unabhängigkeit siehe umfassend: Simon,

Die Unabhängigkeit des Richters, 1975.


749 AK-GG/Wassermann, Art. 97 Rn. 41, beschreibt die Gesetzesbindung im Ver-

hältnis zum Unabhängigkeitspostulat als das „dominierende Prinzip“.


750 Schinkel, in: FS-Remmers, S. 297, 301, und zwar dann, wenn sich Richter*innen

unter Berufung auf ihre Unabhängigkeit zu weit vom Gesetzestext lösen.


751 v. Münch/Kunig/Meyer, Art. 97 Rn. 20; Kissel/Mayer/Mayer, § 1 Rn. 11, Mayer

sieht darin keine Schranke, sondern eine notwendige Ergänzung der richterlichen Unab-
hängigkeit; ebenso: Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 97 Rn. 21; Bockelmann, in: FS-Smend,
S. 23; Hillgruber, JZ 2008, 745, 752; Simon bezeichnet die strenge Gesetzesbindung
als „Preis“ für die Unabhängigkeit, vgl. ders., Die Unabhängigkeit des Richters, S. 68;
Badura, Staatsrecht, S. 440.
752 Maunz/Dürig/Hillgruber, Art. 97 Rn. 28; Conrad, Richter und Gesetz im Über-

gang vom Absolutismus zum Verfassungsstaat, S. 8; Schroth, Theorie und Praxis sub-
jektiver Auslegung im Strafrecht, S. 99.
753 v. Münch/Kunig/Meyer, Art. 97 Rn. 26; KK-StPO/Barthe, § 1 GVG Rn. 4; AK-

GG Wassermann, Art. 97 Rn. 43.


754 Durner, JA 2008, 7, 8.
755 Durner, JA 2008, 7, 8.
204 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

Diese Gesetzesbindung befreit die Richter*innen somit insgesamt von weiter-


gehender Einflussnahme und garantiert auf diese Weise die Freiheit der Rechts-
findung.756 Das BVerfG leitet den Grundsatz der Gesetzesbindung darüber hin-
aus auch aus Art. 103 Abs. 2 GG her und stellt so eine Verbindung zwischen den
dort normierten Garantien und der Gesetzbindung des Art. 97 Abs. 1 GG her757
und bringt damit zumindest konkludent zu Ausdruck, dass die Einhaltung der im
Rahmen des Gesetzlichkeitsprinzips aufgestellten Grundsätze unerlässlich ist, um
eine wirksame Gesetzesbindung zu erreichen.

a) Gesetzesbindung und Grundsatz der Gewaltenteilung

Die Bindung an das Recht kann darüber hinaus mit weiteren verfassungsrecht-
lichen Grundsätzen begründet werden. Zum einen ist eine solche Bindung ent-
scheidend für die Aufrechterhaltung der Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 3 GG).
Diese benötigt zwingend Bindung und Unabhängigkeit, nur dadurch kann eine
gegenseitige Kontrolle der Gewalten sichergestellt und eine darüber hinausgehen-
de Einflussnahme ausgeschlossen werden.758 Auf der Grundlage des Gesetzes-
bindungspostulates kann eine Aufgabenabgrenzung erfolgen. Diese Aufgabenab-
grenzung wird bei der Verwendung von Öffnungsklauseln aufgelöst.759
Nur durch das Zusammenspiel von Gesetzesbindung und Gewaltenteilung
kann gewährleistet werden, dass der Wille des demokratisch legitimierten Ge-
setzgebers Eingang in die Entscheidungen der Judikative findet und so eine de-
mokratische Legitimationskette zwischen Norm und gerichtlicher Entscheidung
vorliegt und Entscheidungen nicht durch außerhalb des Gesetzes liegende Erwä-
gungen, insbesondere eigene Gerechtigkeitsvorstellungen, beeinflusst werden.760

b) Gesetzesbindung und Demokratieprinzip

Wird die Gesetzesbindung abgebaut, bedeutet dies auch immer einen Schwä-
chung des Demokratieprinzips.761 Denn der kontinentaleuropäische Rechtsraum

756 Vogel, ZStW 125 (2016), 139, 140.


757 BVerfG, Urt. v. 3. Juli 1962 – 2 BvR 15/62 = NJW 1962, 1339.
758 Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke/Hofmann, Art. 20 Rn. 91; Christensen/

Kudlich, Gesetzesbindung, S. 178.


759 Siehe dazu Kap. D. VIII. 3.
760 Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke/Heusch, Art. 97 Rn. 5; Dreier/Schulze-

Fielitz, Art. 97 Rn. 21; KK-StPO/Barthe, § 1 GVG Rn. 3; Kissel/Mayer/Mayer, § 1


Rn. 11; Durner, JA 2008, 7, 9; Di Fabio, in: Handbuch des Staatsrechts, § 27 Rn. 25;
Christensen/Kudlich, Gesetzesbindung, S. 179; Badura, Staatsrecht, S. 441; Schroth,
Theorie und Praxis subjektiver Auslegung im Strafrecht, S. 100; BeckOK-GVG/Ger-
hold, § 1 Rn. 26; Gusy, DÖV 1992, 461, 464.
761 Rüthers/Fischer, Rechtstheorie, S. 435; Rüthers, JZ 2006, 53 unter Verweis dar-

auf, dass dazu eine einheitliche Methodenlehre unerlässlich ist.


VIII. Vereinbarkeit mit dem Grundsatz der Gesetzesbindung 205

unterscheidet sich vom anglo-amerikanischen Rechtsraum gerade dadurch, dass


hier die Judikative nicht ausdrücklich, sieht man von der Rechtsschöpfung durch
Einzelfallentscheidungen ab, an der Rechtsbildung beteiligt ist, sondern diese
Aufgabe ausschließlich von der Legislative erfüllt wird.762 Wenn allerdings im
Rahmen dessen gesagt wird, dass der Gesetzgeber durch die Art der Gesetzge-
bung auch über das Maß der Gesetzesbindung bestimmen kann, dann kann dies
aber nur insoweit gelten, als dass die Bindungswirkung nicht vollständig außer
Kraft gesetzt werden kann.763 Ansonsten würde die verfassungsrechtlich garan-
tierte Gesetzesbindung leer laufen, ohne dass sie aufgrund ihres Verfassungs-
rangs bei der Fassung einfachgesetzlicher Regelungen zur Disposition steht.

c) Gesetzesbindung und Rechtstaatsprinzip

Darüber hinaus fußt dieser Grundsatz auch im Rechtsstaatsprinzip, indem er


Entscheidungen kontrollierbar und vorhersehbar macht und die Bürger*innen vor
willkürlichen Entscheidungen schützt.764 Dies ergibt sich auch aus der Stellung
des Art. 20 Abs. 3 im Normgefüge des Art. 20 GG. Sowohl Unabhängigkeit als
auch Gesetzesbindung sind dabei notwendige Elemente im Rechtsstaat. Nur
durch eine solche Bindung können der Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes ge-
wahrt werden.765 Der Grundsatz der Gesetzesbindung erfährt durch die Unverän-
derlichkeit aufgrund der Ewigkeitsklausel des Art. 79 GG eine besondere Bedeu-
tung. Art. 20 Abs. 3 GG bindet darüber hinaus die Judikative nicht nur an das
Gesetz, sondern auch an das Recht. Ob mit dieser Formulierung eine Bindung
der Richter*innen über das geschriebene Recht hinaus an naturrechtliche Rege-
lungen gemeint ist, ist allerdings umstritten, für die hier zugrundeliegende Frage-
stellung aber nicht näher zu erörtern.766 Wie bereits im Rahmen des Bestimmt-
heitsgrundsatzes aufgezeigt wurde, ist im Bereich der Öffnungsklauseln die
Vorhersehbarkeit weniger problematisch. Die Entscheidung, ob ein Verhalten ver-
gleichbar oder ähnlich ist, kann sich an den zuvor aufgezählten Verhaltensweisen
orientieren. So kann eine Vorhersehbarkeit geschaffen werden.

762 Forsthoff, Rechtsstaat im Wandel, S. 243.


763 So etwa: Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 97 GG Rn. 22; Hassemer, in: FS-Jung,
S. 231, 233.
764 Forsthoff, Rechtsstaat im Wandel, S. 244.
765 Maunz/Dürig/Hillgruber, Art. 97 Rn. 27 ff.; Sachs/Detterbeck, Art. 97, Rn. 1.
766 Kissel/Mayer/Mayer, § 1 Rn. 111; Jarass/Pieroth/Kment/Jarass, Art. 20 GG,

Rn. 52; Maunz/Dürig/Hillgruber, Art. 97 Rn. 33; Hillgruber, JZ 2008, 745, 747, sieht
hierin lediglich eine „Tautologie“; Papier, § 130 Richterliche Unabhängigkeit, in: Hand-
buch der Grundrechte, Rn. 26; Di Fabio, in: Handbuch des Staatsrechts, § 27 Rn. 26;
Hermann, DRiZ 1982, 286, 288; Christensen/Kudlich, Gesetzesbindung, S. 170 verste-
hen unter Recht „konkretisierte Gesetze“; umfassend auch: Christensen, Was heißt Ge-
setzesbindung?, S. 292; Ipsen, Richterrecht und Verfassung, S. 118.
206 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

d) Verhältnis des Grundsatzes „nulla poena sine lege“


zur Gesetzesbindung
Neben der soeben dargelegten Herleitung steht der Grundsatz der Gesetzesbin-
dung in seiner rechtsstaatlichen und gewaltenteilenden Funktion im Zusammen-
hang mit dem in Art. 103 Abs. 2 GG normierten Gesetzlichkeitsprinzip und wird
zum Teil als Verstärkung eben dieses Prinzips verstanden.767 Das Zusammenspiel
dieser Normen wirft die Frage auf, in welchem Verhältnis diese beiden Grund-
sätze zueinanderstehen.
Zunächst unterscheiden sich die in Art. 103 Abs. 2 GG enthaltenen Garantien
vom Grundsatz der Gesetzesbindung dadurch, dass Art. 103 Abs. 2 GG nur für
den Bereich des Strafrechts gilt, wohingegen der Grundsatz der Gesetzesbindung
für alle Rechtsgebiete Wirkung entfaltet. Dadurch postuliert, anders als in ande-
ren Rechtsgebieten, der Grundsatz der Gesetzesbindung im Bereich des Straf-
rechts durch Art. 103 Abs. 2 GG eine besonders enge Bindung der Rechtsanwen-
der*innen an das geschriebene Recht. Die Regelung des Art. 103 Abs. 2 GG
„konkretisiert“ folglich den dargestellten Grundsatz der Gesetzesbindung.768 Folg-
lich bleibt Art. 97 Abs. 1 GG hinter den Garantien des Art. 103 Abs. 2 GG
zurück. Anders als das Gesetzlichkeitsprinzip unterliegt der Grundsatz der Geset-
zesbindung allerdings der Ewigkeitsgarantie gem. Art. 79 Abs. 3 GG, denn dieser
ist neben Art. 97 Abs. 1 GG auch in Art. 20 Abs. 3 GG kodifiziert.
Art. 103 Abs. 2 GG präzisiert also durch die dort verbürgten Garantien den
Grundsatz der Gesetzesbindung: Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 97 Abs. 1 GG ent-
halten ihrem Wortlaut nach keine genaueren Informationen darüber, wie die Bin-
dungswirkung zu verstehen ist. Art. 103 Abs. 2 GG bringt allerdings in seinem
Wortlaut zum Ausdruck, dass die Rechtsanwender*innen an den Wortsinn der
einschlägigen Normen gebunden sind und darüber hinaus kein Recht zur Lücken-
schließung besteht.769 Dies geschieht dadurch, dass das Gesetzlichkeitsprinzip
zum einen eine Bestimmtheit der gesetzlichen Regelung fordert. Normen mit ei-
ner erhöhten Bestimmtheit führen auch zu einer engeren Bindung an eben jenen
Wortlaut. Zum anderen verbietet Art. 103 Abs. 2 GG die Bildung von Analogien,

767 Hassemer, in: Einführung in Rechtsphilosophie und Rechtstheorie der Gegenwart,

S. 259; siehe auch Schneider, Richterliche Ethik im Spannungsfeld zwischen richter-


licher Unabhängigkeit und Gesetzesbindung, S. 349.
768 Christensen/Kudlich, Gesetzesbindung, S. 184, 185; auch nach MüKo-StGB/

Schmitz, § 1 Rn. 7 folgt die Gesetzesbindung aus § 1 StGB und dabei insbesondere auf
dem Bestimmtheitsgrundsatz; Jakobs, Strafrecht AT, S. 64; Kim, in: FS-Roxin, S. 125,
126, aber hält auch das Analogieverbot gleichermaßen für eine Voraussetzung einer
wirksamen Gesetzesbindung; Krey, ZStW 101 (1989), 838, 840; Hassemer, ZRP 2007,
213, 214, wenngleich nicht ausdrücklich genannt; Bott/Krell, ZJS 2010, 694, 696, wo-
nach Analogie- und Bestimmtheitsgebot die strenge Gesetzesbindung im Strafrecht si-
cherstellen; LK-StGB/Dannecker, § 1 Rn. 242; NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 70;
Baumann/Weber/Mitsch/Eisele/Eisele, § 7 Rn. 3.
769 LK-StGB/Dannecker, § 1 StGB Rn. 111.
VIII. Vereinbarkeit mit dem Grundsatz der Gesetzesbindung 207

wodurch sichergestellt werden soll, dass die Judikative bei ihrer Entscheidung
keine richterliche Rechtsfortbildung und Lückenschließung praeter legem be-
treibt. Diese Möglichkeit zur Rechtsfortbildung ist bei Öffnungsklauseln, wie
noch zu zeigen sein wird, aber gerade vorgesehen. Art. 103 Abs. 2 GG führt zu
einer, im Vergleich zu den anderen Rechtsgebieten, strengeren Gesetzesbindung.
Nur auf diese Weise kann die Freiheit des Einzelnen im eingriffsintensiven Be-
reich des Strafrechts vor willkürlicher Gesetzesanwendung geschützt werden.770
Dies kann gerade nicht bei richterlicher Rechtsfortbildung gewährleistet wer-
den.771 Im Strafrecht gilt also im besonderen Maße, dass die Entscheidung der
Judikative nicht „die Willensäußerung des beliebigen Trägers der Staatsgewalt“
sein kann.772 Wie bereits aufgezeigt, ist die Abgrenzung zwischen Auslegung
und Analogie strittig, sodass auch im Hinblick auf den Grundsatz der Gesetzes-
bindung strittig sein kann, wann ein Fall unzulässiger richterlicher Rechtsfortbil-
dung vorliegt. Insgesamt ergänzen sich der Grundsatz der Gesetzesbindung und
das Gesetzlichkeitsprinzip, wodurch im Bereich des Strafrechts eine erhöhte Bin-
dungswirkung an die Norm bei der richterlichen Rechtsfindung besteht.

e) Bindung durch den Inhalt des Gesetzes


oder an den Inhalt des Gesetzes
Die Bindung an das Gesetz setzt notwendigerweise voraus, dass entsprechende
Rechtsnormen vorliegen. Dennoch enthält Begriff der Gesetzesbindung keine Er-
läuterung, wie diese Bindung konkret ausgestaltet ist und wann diese verletzt
wird. Es bleibt offen, ob mit der Bindung an den Wortlaut des Gesetzes, die Bin-
dung an den dahinterstehenden Willen des historischen Gesetzgebers oder wo-
möglich die Bindung an den objektiv zu ermittelnden Zweck gemeint ist.773 An-
ders als bei der Abgrenzung zwischen Auslegung und Analogie wird hier der
Blick geweitet, denn nicht jeder Verstoß gegen den Grundsatz der Gesetzesbin-
dung stellt zugleich eine unzulässige Analogie dar. Vielmehr enthält der Grund-

770 Krey, Keine Strafe ohne Gesetz, S. 13.


771 Krey, Keine Strafe ohne Gesetz, S. 41.
772 Mangakis, ZStW 81 (1969), 425, 430.
773 Dazu bereits zur Abgrenzung von Auslegung und Analogie unter Kap. D. V. 2.;

Kudlich/Christensen, ARSP 2007, 128, 138; Engisch, Einführung in das juristische


Denken, S. 163 f., zur Bindung bei Ermessensentscheidungen zur Bedeutung des Men-
schen in der juristischen Entscheidungsfindung, vgl. v. Münch/Kunig/Meyer, Art. 97
Rn. 22 unter Verweis auf Risse/Morawietz, Prozesskostenrisikoanalyse, S. 1–120; um-
fassend auch Schröder, Gesetzesbindung des Richters und Rechtsweggarantie im Mehr-
ebenensystem, S. 21 f.; Schneider, Richterliche Ethik im Spannungsfeld zwischen rich-
terlicher Unabhängigkeit und Gesetzesbindung, S. 345, der darauf verweist, dass es in
der Rechtsfindung erforderlich sein kann, der Rechtsordnung innewohnende Wertevor-
stellungen einfließen zu lassen, auch wenn diese in der konkreten Norm nicht zum Aus-
druck kommen, vgl. S. 350; Rüthers, Die heimliche Revolution vom Rechtsstaat zum
Richterstaat, S. 77 ff.; Ipsen, Richterrecht und Verfassung, S. 117 ff., 207; Wank, Gren-
zen richterlicher Rechtsfortbildung, S. 34 ff.
208 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

satz der Gesetzesbindung, anders als das Analogieverbot, auch einen Auftrag an
die Legislative.

aa) Können Normen eine Bindungswirkung entfalten?

Die Bindungswirkung soll verhindern, dass Richter*innen sich bei ihrer


Entscheidungsfindung und deren Begründung unter Verweis auf die materielle
Gerechtigkeit von jedweder gesetzlichen Grundlage lösen, ansonsten würde die
Bindungswirkung ins Leere laufen.774 Zunächst ist allerdings zu klären, ob es
überhaupt möglich ist, die Judikative bei ihrer Aufgabenerfüllung an das ge-
schriebene Recht zu binden, oder ob der Wortlaut von Normen so viele unter-
schiedliche Deutungsmöglichkeiten und Auslegungsergebnisse bietet, dass eine
solche Bindungswirkung faktisch unmöglich ist.775 Dass es in den meisten Fällen
keine einzig und allein richtige und durch den Wortlaut der Gesetze fest determi-
nierte Lösung einer Rechtsfrage gibt, ist mittlerweile wohl unstreitig.776 Unklar
bleibt allerdings, wie der Begriff der Bindung zu verstehen ist, d. h., ob eine sol-
che in Bezug auf den Normtext bestehen kann und wann infolgedessen diese
Bindung durchbrochen wird.
Im Bereich der Gesetzesbindung steht dabei die Frage im Fokus, die bereits
bei der Vereinbarkeit des Analogieverbotes mit Öffnungsklauseln angedeutet und
im Hinblick auf die Abgrenzung zwischen Analogie und Auslegung erörtert
wurde. Kann es überhaupt eine Bindung an den Wortlaut eines Gesetzes geben?
Oder ist der Wortlaut an sich, ohne Konkretisierung und Interpretation, bedeu-
tungslos, sodass eine Gesetzesbindung faktisch ins Leere läuft, weil die Norm als
solche keine Orientierungsmöglichkeit bietet? Bereits im Rahmen der Diskussion
um die Reichweite des Analogieverbots wurde festgestellt, dass es klar „negative
Kandidaten“ gibt, die in jedem Falle nicht von der Norm erfasst sind.777 Daraus
kann schon pragmatisch das Bestehen einer Bindungswirkung angenommen wer-
den.

774 Zur Entwicklung hin zu einem „ungebundenen Richter“ vgl. Simon, Die Unab-

hängigkeit des Richters, S. 89.


775 Hermann spricht davon, dass Richter*innen „zum Gehirn des Gesetzes“ gewor-

den sind, vgl. DRiZ 1982, 286, 288; vgl. zur Diskussion insgesamt Jakobs, Strafrecht
AT, S. 64 ff., hält Möglichkeit der Gesetzesbindung für Interpretationsfrage von Art. 103
Abs. 2 GG und § 1 StGB; kritisch zu einer effektiven Gesetzesbindung: Jestaedt,
Grundrechtsentfaltung im Gesetz, S. 162, 163, der das Wechselspiel von Konkretisie-
rung durch die Rechtsprechung und gleichzeitiger Bindung der Judikative als „Bin-
dungsparadoxie“ bezeichnet; Tschentscher, Demokratische Legitimation der dritten
Gewalt, S. 191–194, verweist darauf, dass von der subjektiven Prägung der Rechts-
anwendung durch die Richter*innen nicht darauf geschlossen werden kann, dass keine
Gesetzesbindung existiert, S. 192.
776 Vgl. dazu auch Schmidt-Bens, JA 2013, 1030, 1033; Arnauld, Rechtssicherheit,

S. 412; Rüthers, NJW 2011, 1856, 1857; Bleckmann, JuS 2002, 942, 943.
777 Vgl. dazu Kap. D. V. 2.
VIII. Vereinbarkeit mit dem Grundsatz der Gesetzesbindung 209

(1) Gesetzesbindung als Utopie


Es wird vertreten, dass durch die Anwendung einer Norm durch die Judikative
deren Inhalt erstmals geschaffen wird, davor also nur Worte ohne Bindungskom-
petenz bestehen.778 Diese Feststellung könnte so verstanden werden, dass zwi-
schen Auslegung und Analogie kein messbarer Unterschied besteht bzw. ein sol-
cher gerade nicht trennscharf gezogen werden kann,779 da auch jede Auslegung
auf einem Ähnlichkeitsschluss beruht.780 Sprache und damit der Gesetzestext als
solcher ermöglicht daher kein brauchbares Abgrenzungskriterium, auch weil
diese zu unbestimmt und juristisch manipulierbar ist.781 Würde man dem folgen,
ließe sich auch nicht feststellen, wann die Bindung an das Gesetz durchbrochen
würde, sodass die Annahme einer tatsächlichen Gesetzesbindung utopisch wäre.
Wenn dem so wäre, dann könnte nur durch die Anwendung der Norm auf den
Einzelfall eine Bindungswirkung geschaffen werden. Von der Norm an sich
würde ohne konkretisierende Rechtsprechung keine Bindungswirkung ausgehen.
Das würde in letzter Konsequenz bedeuten, dass der Grundsatz der Gesetzesbin-
dung ins Leere liefe.
Dennoch kann aus der Mehrdeutigkeit von Worten nicht ohne Weiteres darauf
geschlossen werden, dass keine Bindungswirkung zum Normtext bei der Rechts-
anwendung bestehen kann.782 Denn der Wortlaut einer Norm stellt neben der In-
terpretationsgrundlage auch die Begrenzung eben jener Interpretation dar.783 Die
Anwendung einer Norm schafft deren Inhalt gerade nicht erstmalig. Die Ent-
scheidung des konkreten Falls soll vielmehr bereits in der Norm als solcher
durch den vorverlagerten Entscheidungsprozess der Legislative angelegt sein.784

778 Hassemer, in: Einführung in Rechtsphilosophie und Rechtstheorie der Gegenwart,

S. 261 f.; siehe Kudlich/Christensen, ARSP 2007, 128, 139; Hesse, Grundzüge des Ver-
fassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Rn. 60; Hassemer, in: Einführung in
Rechtsphilosophie und Rechtstheorie der Gegenwart, S. 260 f., unter Hinweis darauf,
dass die Judikative die Grenzen der Gesetzesanwendung gerade selbst definiert; wohl
auch Jestaedt, wenn er in jeder Rechtsgewinnung auch einen Akt der Rechtssetzung
sieht, vgl. Jestaedt, ZÖR 2000, 133, 153; ders., Grundrechtsentfaltung im Gesetz, 1999,
S. 271 ff.; ders., Das mag in der Theorie richtig sein . . ., S. 46 ff.; zur Rechtsanwendung
und Methodenlehre im Staats- und Verfassungsrecht vgl. ders., in: Das Proprium der
Rechtswissenschaft, S. 254 f.; insbesondere: Hillgruber, JZ 2008, 745, der darauf ver-
weist, dass Gesetzesbindung selbst dann gelten muss, wenn deren Einhaltung unmög-
lich ist.
779 Hassemer, Tatbestand und Typus, S. 163.
780 Hassemer, Tatbestand und Typus, S. 160.
781 Hassemer, Tatbestand und Typus, S. 161; im Ergebnis aber eine Gesetzesbindung

bejahend, vgl. ders., ZRP 2007, 213.


782 Arnauld, Rechtssicherheit, S. 421.
783 „Aber die Interpretation bleibt andererseits ihrem Erkenntnisgegenstand verhaf-

tet“, vgl. Maunz/Dürig/Hillgruber, Art. 97 Rn. 41.


784 Maunz/Dürig/Hillgruber, Art. 97 Rn. 40; Mangoldt/Klein/Starck/Classen, Art. 97

Rn. 12; Tschentscher, Demokratische Legitimation der dritten Gewalt, S. 192, danach ist
210 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

Selbst wenn einer Zeichenfolge als solcher keine Bedeutung zukommt und diese
Bedeutung erst im Kontext von Sprache und Sprachbedeutung entsteht und ge-
zwungenermaßen unklare Randbereiche des Normanwendungsbereich verblei-
ben, steht dieses Verständnis einer Bindungswirkung nicht entgegen.785 Die be-
deutet zunächst nur, dass dem Verständnis der Zeichenabfolge in Gesetzestexten
auch immer eine Wertungseben zugrunde liegt. Daran ändert auch das not-
wendige Vorverständnis mit dem Richter*innen eine Norm lesen und anwenden
nichts.786 Aus der Konkretisierungsbedürftigkeit von Normen kann also nicht be-
reits folgen, dass Gesetzen eine Bindungswirkung abgesprochen werden kann.
Wie bereits dargelegt, lassen sich klar negative und positive Kandidaten bestim-
men.787 Somit kann auf das Bestehen einer Bindungswirkung, wie aufgezeigt,
geschlossen werden.

(2) Gesetzesbindung durch Normtext und Anwendung

Der Grundsatz der Gesetzesbindung kann aber folglich weitreichender gedacht


werden, indem die gesetzliche Regelung in jedem Falle durch die Rechtsanwen-
der*innen „nachgedacht“ werden muss.788 Das bedeutet, dass jede Norm zwar
einen grundsätzlich im Wortlaut determinierten Inhalt enthält, dieser aber zur
vollständigen Erfassung der Norm erst durch die Anwendung konkretisiert wird.
Die Bindungswirkung entsteht also hauptsächlich durch Entscheidung und Be-
gründung dieser Entscheidung.789 Wesentlich ist dabei, dass die Begründung ge-
rade nicht willkürlich erfolgt, sondern sich anhand des anerkannten Auslegungs-
kanons nachverfolgen lässt. Draus ist auch zu schließen, dass nicht jedes Ergeb-
nis der Rechtsanwendung auf den Einzelfall ein vertretbares Ergebnis darstellt.790
Auch aus diesem Prozess der Rechtsfindung kann geschlossen werden, dass es
eine Gesetzesbindung gibt.
Offen bleibt in jedem Falle aber, welches Maß an Bindung aufgrund des
Transformationsprozesses bestehen kann oder inwieweit ein „Nachdenken“ der

die Entscheidung nicht bereits in der Norm angelegt; so auch Durner, JA 2008, 7, 9; so
wohl auch F. Müller, Richterrecht, S. 58; Roxin/Greco, Strafrecht AT I, S. 222, „wo-
nach der Inhalt einer Strafvorschrift immer erst durch die richterliche Auslegung im
Sinne zweifelsausschließender Deutlichkeit ,bestimmt‘ “ ist.
785 Arnauld, Rechtssicherheit, S. 413.
786 Tschentscher, Demokratische Legitimation der dritten Gewalt, S. 192.
787 Vgl. dazu in dieser Arbeit Kap. D. V. 2. b).
788 Kirchhof, NJW 1986, 2275, 2280; so auch wohl partiell Heck, Begriffsbildung

und Interessenjurisprudenz, S. 107; ders., AcP 112 (1914), 1, 20, wenn er vom „den-
kenden Gehorsam“ spricht und dabei ein Rechtsanwendnung meint, die die Interessen-
wertung des Gesetzes zugrunde legt; so im Ergebnis auch Picker, JZ 1988, 1, 7 f.
789 Kuntz spricht dabei vom „Prinzip der performativen Rechtserzeugung“, vgl. AcP

216 (2016), 866, 868.


790 Kuntz, AcP 216 (2016), 866, 878; im Ergebnis auch Dreier/Schulze-Fielitz,

Art. 97 Rn. 21; Kischel, Die Begründung, S. 176 ff.


VIII. Vereinbarkeit mit dem Grundsatz der Gesetzesbindung 211

Richter*innen den Grundsatz der Gesetzesbindung verletzt.791 Es liegt die Ver-


mutung nahe, dass ab einem bestimmten Grad der Konkretisierungsbedürftigkeit
die Bindungswirkung der Norm als solche faktisch aufgehoben ist, weil ein weit
gefasster Wortlaut auch eine Vielzahl von Auslegungsergebnissen zulässt.
Insbesondere die Entscheidung darüber, ob eine Norm bei einer general-
klauselartigen Regelung eine hinreichende Bindungswirkung aufweist, führt zu
Abgrenzungsschwierigkeiten. Diese Abgrenzungsproblematik wird dadurch ver-
stärkt, dass es an einer einheitlichen und insbesondere verbindlichen Methoden-
lehre bei der Auslegung von Rechtsnormen fehlt.792 Der Gesetzestext kann auf-
grund einer Vielzahl von vertretbaren Auslegungsergebnissen im Falle von Ge-
neralklauseln eine Bindungswirkung nur begrenzt entfalten. Hier bietet der
Wortlaut der Norm weniger Anhaltspunkte.793 Daraus folgt, dass zugleich deut-
lich mehr Begründungen von Einzelfallentscheidungen unter die Norm fallen
können. Die Begründung dieser Entscheidungen kann aufgrund des offenen
Wortlautes auch unproblematisch erfolgen, was zumindest eine gelockerte Bin-
dungswirkung zur Folge haben dürfte.
Wenn dem Wortlaut einer Norm (oder auch dem Normtext) eine Bindungswir-
kung also grundsätzlich zugesprochen wird,794 wirft dies die Frage auf, inwieweit
Öffnungsklauseln eine solche Bindungswirkung entfalten können. Öffnungsklau-
seln können grundsätzlich durch die anerkannten Auslegungsmethoden in ihrer
Anwendung auf den Einzelfall konkretisiert werden. Eine der Gesetzesbindung
gerecht werdenden Auslegung ist theoretisch möglich. Entscheidend ist aber,
dass Öffnungsklauseln eben keiner Konkretisierung, sondern eines Ähnlichkeits-
schlusses bedürfen. Dieser unterscheidet sich gerade qualitativ von der notwendi-
gen Konkretisierung von Normen bei der Anwendung auf den Einzelfall.

bb) Konkretisierung der Gesetzesbindung

Aus dem zuvor Erläuterten resultiert bereits die erste Feststellung, dass die Ge-
setzesbindung in einem Staat, der sich für die Kodifikation von Gesetzen ent-
schieden hat, aufgrund ihrer verfassungsrechtlichen Normierung, bestehen
muss.795 Die Bindung bezieht sich dabei auf das geschriebene Wort, denn dieses

791 So im Ergebnis auch Engisch, Einführung in das juristische Denken, S. 139 ff.
792 v. Münch/Kunig/Meyer, Art. 97 Rn. 31.
793 v. Münch/Kunig/Meyer, Art. 97 Rn. 27, 31 stellt dar, wann der Grundsatz der Ge-

setzesbindung nicht verletzt wird.


794 So im Ergebnis auch Hegenbarth, Juristische Hermeneutik und linguistische Prag-

matik, S. 159 und legt die von den Verfasser*innen intendierte Textbedeutung zugrunde
und verweist in Zuge dessen darauf, dass ein Verstoß gegen das Analogieverbot dann
vorliegt, wenn die Interpretation nicht mehr mit dem Willen des historischen Gesetzge-
bers übereinstimmt; Depenheuer, Der Wortlaut als Grenze, S. 43, der auf das Erforder-
nis des konkreten Kontextes verweist, damit Normen verstanden werden können.
795 Hillgruber, JZ 2008, 745.
212 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

bildet die Grundlage der Entscheidungsfindung, auch wenn der Ansicht gefolgt
wird, dass die Rechtsfindung „nachgedacht“ werden muss.796 Die Bindungswir-
kung wird dadurch erzeugt, dass die Richter*innen nicht nur ihre Entscheidung
auf eine gesetzliche Grundlage zurückführen müssen, sondern diese Rückfüh-
rung auch methodisch vertretbar begründen, also nachvollziehbar an die Norm
rückkoppeln müssen.797
Erst durch die dafür erforderliche Konkretisierung der Norm kann in den meis-
ten Fällen eine Subsumtion erfolgen.798 Entscheidend ist dabei, dass das gefun-
dene Ergebnis dieser Konkretisierung auf den Normtext und damit der demokra-
tisch legitimierten Entscheidung des Gesetzgebers tragfähig und nachvollziehbar
zurückgeführt werden kann.799 Das Ergebnis der Rechtsfindung soll kein rein
zufälliges Produkt darstellen, dass im Wesentlichen von den Wertevorstellungen
der konkreten Rechtsanwender*in abhängt.800 An dieser Stelle kann festgestellt
werden, dass Bindung notwendigerweise, wo Konkretisierung erforderlich ist,
eine nähere Determination des Rechts durch den Prozess der Auslegung benötigt.
Diese Auslegung darf aber nicht mit Willkür gleichgesetzt werden, da diese Be-
gründung bestimmten Regeln unterliegt. Nicht jedes „Ergebnis“ einer Auslegung
würde mithin als auf die Entscheidungsnorm zurückgehend akzeptiert werden.801
Ob Richter*innen bei ihrer Entscheidungsfindung und Begründung an den
buchstäblichen Wortlaut des Gesetzes als der damit verbundenen Zeichenfolge
gebunden sind oder vielmehr an den dem Gesetz innewohnenden Sinn und
Zweck als den (vermeintlich) objektiven Inhalt,802 ist durch den Wortlaut des
Art. 97 Abs. 1 GG nicht näher determiniert.803 Bei letzterem könnte es Rich-
ter*innen gestattet sein, sich an dem von ihnen erfassten Sinn und Zweck des

796 Hassemer, in: Einführung in Rechtsphilosophie und Rechtstheorie der Gegenwart,

S. 259.
797 Kuntz, AcP 216 (2016), 866, 885 versteht dies als einen „Rechtfertigungszwang“;

historisch dazu auch: Isay, Rechtsnorm und Entscheidung, S. 174.


798 Jescheck/Weigend, Lehrbuch des Strafrechts, S. 154; Rüthers, NJW 2011, 1856,

1857.
799 Durner, JA 2008, 7, 10; Hillgruber, JZ 2008, 745, 746; Ebsen, Gesetzesbindung

und „Richtigkeit“ der Entscheidung, S. 34.


800 Jescheck/Weigend, Lehrbuch des Strafrechts, S. 154, wonach die Gesetzesbindung

durch die „Anwendung der anerkannten Auslegungsregeln“ garantiert wird.


801 Vgl. zum Beispiel Kuntz, AcP 216 (2016), 866, 878, der darauf verweist, dass als

Strafe für einen Mord keine Todesstrafe verhängt werden kann.


802 Zum Teil bezeichnet als „üblicher Sinn“, vgl. Ebsen, Gesetzesbindung und

„Richtigkeit“ der Entscheidung, S. 44; Christensen, Was heißt Gesetzesbindung?, S. 19,


290; zwischen Normtext und Rechtsnorm differenzierend: Müller/Christensen, Juristi-
sche Methodik Band I, S. 256 ff.; Maunz/Dürig/Hillgruber, Art. 97 Rn. 55; Christen-
sen/Kudlich, Gesetzesbindung, S. 182; Ebsen, Gesetzesbindung und „Richtigkeit“ der
Entscheidung, 31 ff. verweist auf eine Bindung an die „inhaltliche Determinierung“ des
Gesetzes.
803 Bindung an Sinn und Zweck des Gesetzes, vgl. Kissel/Mayer/Mayer, § 1 Rn. 112.
VIII. Vereinbarkeit mit dem Grundsatz der Gesetzesbindung 213

Gesetzes zu halten, auch wenn dieser über den erkennbaren Wortlaut hinaus-
geht.804 Entscheidend ist, wie der Grundsatz der Gesetzesbindung verstanden
wird, welchen Zweck und welche verfassungsrechtliche Grundlage die Gesetzes-
bindung hat.
Unstreitig kann festgestellt werden, dass ein eindeutiges Auslegungsergebnis
bei der Rechtsanwendung der Richter*innen im Sinne eines Subsumtionsautoma-
tismus ohne jegliche Wertung nicht der Realität der Rechtsfindung entspricht.805
Die Auslegung des Gesetzes, zur Erforschung des Inhalts eines Gesetzes, ist un-
entbehrlich und ureigene Aufgabe der Judikative und enthält gezwungenermaßen
immer auch eine Wertungsebene.806 Es muss folglich ein Auslegungs- und Be-
wertungsspielraum für die Richter*innen verbleiben und bei der Bindung an das
Gesetz berücksichtigt werden.807
Dem schließt sich konsequenterweise die Frage an, inwieweit es allgemeine
Regeln gibt, denen sich die Richter*innen bei der Auslegung und Konkretisie-
rung der Normen unterwerfen.808 Ohne eine solche Methodik steht den Rich-
ter*innen die Anwendung der Gesetze erst einmal frei, solange das gefundene

804 Ablehnend: Hillgruber, JZ 2008, 745, 746.


805 Christensen/Kudlich, Gesetzesbindung, S. 178; Christensen, Was heißt Gesetzes-
bindung?, S. 20; Mangoldt/Klein/Starck/Classen, Art. 97 Rn. 12; Papier, § 130 Richter-
liche Unabhängigkeit, in: Handbuch der Grundrechte, Rn. 27; Hermann, DRiZ 1982,
286, 288; Rüthers, JZ 2009, 969, 971; Frister, Strafrecht AT, Kap. 4 Rn. 12; Kaspers,
Philosophie – Hermeneutik – Jurisprudenz, S. 116.
806 Maunz/Dürig/Hillgruber, Art. 97 Rn. 55; Roxin/Greco, Strafrecht AT I, S. 222;

F. Müller, Richterrecht, S. 58; umfassend zu den Auslegungsmethoden siehe auch: Je-


scheck/Weigend, Lehrbuch des Strafrechts, S. 150 ff.; Esser, Vorverständnis und Metho-
denwahl in der Rechtsfindung, S. 24, Rechtsanwender*innen müssen sich aber um die
Zurückdrängung dieser persönlichen Wertung bemühen; Christensen, Was heißt Geset-
zesbindung?, S. 301; Christensen/Kudlich, Theorie richterlichen Begründens, S. 153 ff.;
Kirchhof, NJW 1986, 2275, 2277 aus der Rechtsprechung dazu BVerfG, Beschl. v.
13.02.1973 – 2 BvL 8/71 = BVerfGE 34, 269 = NJW 1973, 1221; das gilt insbesondere
dann, wenn das Recht lückenhaft ist, vgl. dazu etwa Heubel, Der „fair trial“ – ein
Grundsatz des Strafverfahrens, S. 84, der eine solche Wertungsebene in den Fällen an-
nimmt, in denen der Gesetzgeber bewusst lückenhaft gearbeitet hat, wie etwas im Fall
von Generalklauseln; Hoffmann, Das Recht des Rechts, das Recht der Herrschaft und
die Einheit der Verfassung, S. 27 ff. unter Bezugnahme auf das case-law; Ossenbühl, in:
Handbuch des Staatsrechts, Bd. V, § 100 Rn. 52; Herrmann, DRiZ 1982, 286, 287;
Mangoldt/Klein/Starck/Classen, Art. 97 Rn. 12; Tschentscher, Demokratische Legiti-
mation der Dritten Gewalt, S. 191 f.
807 BeckOK-GVG/Gerhold, § 1 Rn. 26.
808 Umfassend zur juristischen Methodenlehre vgl. Bydlinski, Grundzüge der juristi-

schen Methodenlehre. 27 ff.; zur Bedeutung einer einheitlichen Methodenlehre vgl. Rü-
thers, JZ 2006, 53; knapp: Ebsen, Gesetzesbindung und „Richtigkeit“ der Entscheidung,
S. 35; Jescheck/Weigend, Lehrbuch des Strafrechts, S. 124; Rüthers, NJW 2011, 1856;
AK-GG/Wassermann, Art. 97 Rn. 48; aus der Rechtsprechung für eine einheitliche Me-
thodenlehre vgl. BVerfG, Beschl. v. 25.01.2011 – 1 BvR 918/10 = BVerfGE 128, 193 =
NJW 2011, 836, ergänzt durch Rüthers, NJW 2011, 1856; zur Verknüpfung von Geset-
zesbindung und Auslegung vgl. auch Hassemer, ZRP 2007, 213, 214.
214 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

Ergebnis auf irgendeine Art und Weise begründet werden kann.809 Dies birgt die
Gefahr, dass durch eine Vielzahl von Auslegungsmethoden gerade auch eine
Vielzahl von Auslegungsergebnissen methodisch vertreten werden kann, was
wiederum zu einer Schwächung der Bindungswirkung führen kann.810 Dies kann
auch dazu führen, dass sich das gefundene Ergebnis gerade nicht anhand der zu-
grunde liegenden Norm begründen lässt. Dies liegt zum einen daran, dass es un-
terschiedliche Auslegungsmethoden gibt, die sich gegenseitig ergänzen und zum
anderen, dass der Einsatz einer bestimmten Auslegungsmethode nicht verpflich-
tend ist.811 Eine fehlende bindende Methodenlehre, die jegliche Auslegung er-
möglicht, hätte auch Folgen für die Gesetzesbindung.812 In Grenzfällen könnte
dann nicht entschieden werden, ob die Judikative durch ihre Interpretation der
Norm gegen den Grundsatz der Gesetzesbindung verstoßen hat. Die Wahl, wel-
cher Methode gefolgt wird, steht aber den Rechtsanwender*innen frei und ist
insoweit auch nicht gesetzlich normiert. Aus der Freiheit der Methodenwahl
kann aber nicht ohne Weiteres auf die Willkür der Entscheidungsfindung ge-
schlossen werden.813 Denn es Bedarf im Strafrecht immer auch einer Rückbin-
dung an den Wortlaut (dazu unter c)).
Zu erörtern ist allerdings, welche Methoden der Auslegung einer Gesetzes-
bindung eine erhöhte Bindungswirkung hervorrufen können und infolgedessen
in Bezug auf eine maximale Wirksamkeit des Grundsatzes zu bevorzugen wären.
Denn wenn die Begründung im Rahmen der Entscheidungsfindung erheblich ist,
dann ist auch die Methodenwahl für das Maß an Gesetzesbindung entscheidend.

809 Hassemer, in: Juristische Methodenlehre und richterliche Pragmatik, S. 231, 234;

im Umkehrschluss auch ders., in: Einführung in Rechtsphilosophie und Rechtstheorie


der Gegenwart, S. 263; Schneider, Richterliche Ethik im Spannungsfeld zwischen rich-
terlicher Unabhängigkeit und Gesetzesbindung, S. 348.
810 Simon, Die Unabhängigkeit des Richters, S. 69; Hassemer, in: Einführung in die

Rechtsphilosophie und Rechtstheorie der Gegenwart, 2011, S. 263, verweist auf wider-
sprechende Ergebnisse.
811 Zum Teil wird daraus eine Freiheit der Methodenwahl abgeleitet, vgl. dazu Rad-

bruch, Einführung in die Rechtswissenschaften, S. 169 und der daraus die Erkenntnis
ableitet, dass die Auslegungsmethode erst gewählt wird, wenn das Ergebnis bereits fest-
steht: „Die Auslegung ist also das Ergebnis – ihres Ergebnisses [. . .]“; zur fehlenden
gesetzlich verpflichtenden Methodenwahl vgl. NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 115a;
zusammenfassend auch Rüthers/Fischer, Rechtstheorie, Rn. 696 ff.; kritisch: Hassemer,
ZRP 2007, 213.
812 NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 103 bezeichnet diese Frage als eine Frage

nach den „Sicherungen“ im Strafrecht; MüKo-StGB/Schmitz, § 1 Rn. 107.


813 Zum Teil wird auch von einer verfassungsrechtlich, aus Art. 3 Abs. 1 GG resultie-

renden Auslegungsmethode ausgegangen, vgl. dazu Müller, Juristische Methodik und


politisches System, S. 65 f.; gegen eine vollumfängliche Auslegungsfreiheit vgl. NK-
StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 10; zur Rangfolge der einzelnen Auslegungsmethoden
vgl. auch Kudlich/Christensen, JA 2004, 74, 81; Velten/Mertens, ARSP 76 (1990), 516,
534.
VIII. Vereinbarkeit mit dem Grundsatz der Gesetzesbindung 215

(1) Objektive Theorie

Insbesondere in Bezug auf die objektiven Auslegungsmethoden814 wird vertre-


ten, dass dort die Wahl- und Gewichtung der Methoden dem Auslegungsergebnis
folgt und nicht andersherum.815 Es wird also zunächst das gewünschte Ergebnis
ermittelt und dann durch einen Verweis auf den objektiven Zweck der Norm be-
gründet. Die objektive Methode löst sich bewusst vom tatsächlichen Willen des
Gesetzgebers und der dort damit verbundenen demokratischen Legitimations-
kette und will den „wirklichen“ Zweck des Gesetzes erforschen.816 Ein solches
zweckorientiertes Vorgehen wird zum Teil als eigener Rechtssetzungsakt der Ju-
dikative gewertet.817 Aufgrund dessen haftet der objektiven Methode der Vorwurf
an, diese ermächtige Richter*innen dazu, rechtskräftig Normen zu setzen, indem
sie durch die Rechtsanwendung unter Verweis auf den wirklichen Zweck des Ge-
setzes Rechtsfortbildung betreiben.818 Denn die Darlegung eines vermeintlichen
Gesetzeszwecks ist nur eingeschränkt überprüfbar. In der Möglichkeit, Ausle-
gungsergebnisse einem gesellschaftlichen Wandel anzupassen, zeigt sich die
größte Stärke aber auch die Schwäche der objektiven Theorie. Denn wie wandel-
bar die auf diese Weise gefundenen Auslegungsergebnisse sind, zeigt sich bereits
dadurch, wie unterschiedlich die Gesetzbücher, die zum Teil seit über 100 Jahren
in Kraft sind, über die Jahre hinweg auf unterschiedliche Weisen interpretiert

814 Auf diese berufen sich (fast ausschließlich) die obersten deutschen Gerichte, vgl.

dazu BVerfG, Urt. v. 21.05.1951 – 2 BvH 2/52 = BVerfGE 1, 299 = NJW 1952, 737;
BVerfG, Beschl. v. 15.12.1959 – 1 BvL 10/55 = BVerfGE 10, 234 = NJW 1960, 235;
BVerfG, Urt. v. 06.02.1983 – 2 BvE 1/83 = BVerfGE 62, 1 = NJW 1983, 735, verwei-
sen auf den „objektivierten Willen“ des Gesetzgebers, der dem subjektiven Willen des
historischen Gesetzgebers vorgeht; zusammenfassend siehe auch: Bleckmann, JuS 2002,
942, 942; kritisch dazu F. Müller, Normstruktur und Normativität, S. 114; außerdem
wohl auch, wenn er auf das Erfordernis der „sachgerechten Einzelfallentscheidung“ ver-
weist: Burmeister, Die Verfassungsorientierung der Gesetzesauslegung, S. 54 f., auch
wenn er darlegt, dass die Wahl der Auslegungsmethode in der Rechtsfindung unbedeu-
tend ist; Jescheck/Weigend, Lehrbuch des Strafrechts, S. 156, bezeichnet dies als die
„Krone der Auslegungsverfahren“, schließt sich dann aber der sog. „Andeutungstheo-
rie“ an; Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 333 ff.; dazu zusammenfas-
send bei Rüthers/Fischer, Rechtstheorie, Rn. 801; Walz, ZJS 2010, 482, 485; Schäfer
JuS 2015, 875, 878; Bydlinski, Grundzüge der Juristische Methodenlehre, S. 43 ff.;
Schönke/Schröder/Hecker, § 1 Rn. 43; Pawlowski, Einführung in die juristische Metho-
denlehre, S. 198; auch eine Abweichung vom Wortlaut befürwortend, vgl. Zippelius,
Juristische Methodenlehre, S. 76; kritisch zur objektiven Auslegungsmethode insb. im
Hinblick auf das Demokratieprinzip und den Grundsatz der Gewaltenteilung vgl. LK-
StGB/Dannecker, § 1 Rn. 296.
815 Rüthers, Die heimliche Revolution vom Rechtsstaat zum Richterstaat, S. 93 f.;

kritisch dazu siehe auch Christensen/Kudlich, Gesetzesbindung, S. 183.


816 Kritisch zur objektiven Theorie vgl. Rüthers, JZ 2002, 365, 368; Hillgruber, JZ

2008, 745, 755 unter Verweis daraus, dass diese erst recht ein Einfallstor für die persön-
liche Wertung der jeweiligen Richter*innen in der konkreten Entscheidung darstellt.
817 Rüthers, JZ 2009, 969, 971; Foerste, JZ 2007, 121, 124 für das Zivilrecht.
818 Rüthers, JZ 2002, 365, 369.
216 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

wurden.819 Das verdeutlicht, dass dieser „verobjektivierte Zweck“ auch nicht völ-
lig losgelöst vom Normtext bestimmt werden kann, sondern gerade in diesem
angelegt sein muss.820 Folgte man strikt der objektiven Theorie, wäre der Grund-
satz der Gesetzesbindung nur dann verletzt, wenn das Ergebnis der Rechts-
findung weder mit dem objektiven Sinn und Zweck noch mit dem Wortlaut der
Norm vereinbar wäre.821

(2) Subjektive Theorie

Dem gegenüber steht die subjektive Methode, die bei der Auslegung neben
dem Wortlaut822 der Norm auf den Willen des historischen Gesetzgebers abstellt
und auf diese Weise eine direkte Legitimationskette zur Legislative herstellen
will.823 Danach soll bei gesellschaftlichen Entwicklungen, die eine gesetzgebe-
rische Intervention erfordern, gerade nicht die Judikative die Norm entsprechend
der geänderten Verhältnisse anwenden, sondern es soll eine strikte Bindung an
den Wortlaut und der Intention des historischen Gesetzgebers fortbestehen.824
Eine Fortentwicklung des geschriebenen Rechts anhand des Willens eines objek-
tivierten Gesetzgebers soll nicht erfolgen. Dies wird damit begründet, dass ein
Verweis auf den objektiven Sinn und Zweck der Norm die Gesetzesbindung ge-
rade schwächt. Denn dieser könne durch die subjektive Prägung, welche Zielset-

819 Rüthers, JZ 2002, 365, 367; Rüthers, JZ 2006, 53, 55.


820 So auch NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 109d unter Verweis auf Schönke/
Schröder/Hecker, § 1 Rn. 43; SSW/Satzger, § 1 Rn. 44; Frister, Strafrecht AT, Kap. 4
Rn. 25; Foerste, JZ 2007, 121, 124.
821 Kuhlen, in: Recht ohne Regeln, S. 19, 27.
822 Ob es dabei auf ein laienhaftes Verständnis oder ein juristisches Sprachverständ-

nis ankommt, kann an dieser Stelle dahinstehen; Kotsoglou, Forensische Erkenntnistheo-


rie, S. 87, wonach „Rechtssprache [. . .] auf Allgemeinverständlichkeit angelegt ist“; für
einen juristischen Sprachgebrauch Schmidhäuser, Form und Gehalt der Strafgesetze,
S. 49, unter Verweis darauf, dass die juristische Interpretation von Begriffen, wie „Ge-
walt“ gerade nicht mit dem laienhaften Verständnis übereinstimmen (müssen).
823 Befürwortend: Schroth, Theorie und Praxis subjektiver Auslegung im Strafrecht,

S. 37; LK-StGB-Dannecker, § 1, Rn. 309; für eine strenge Gesetzesbindung siehe auch:
Rüthers/C. Fischer, Rechtstheorie, S. 435; Naucke, in: FS-Engisch, S. 174; ders., Zur
Lehre vom strafbaren Betrug, 1964, 191 ff.; kritisch zur objektiven Auslegungsmethode;
Loos, in: FS-Wassermann, S. 123; wohl auch Ebsen, Gesetzesbindung und „Richtigkeit“
der Entscheidung, 42 f.; so auch in einer Entscheidung des ersten Senates: BVerfG,
Beschl. v. 25.01.2011 – 1 BvR 918/10 = BVerfGE 128, 193 = NJW 2011, 836 und
Sondervotum zur Entscheidung BVerfG, Beschl. v. 15.01.2009 – 2 BvR 2044/07 =
BVerfGE 122, 248 = NJW 2009, 1469, 1476, wonach es eine verfassungsrechtlich nor-
mierte Beschränkung der Methodenwahl gibt; umfassend zur subjektiven Auslegung:
Schroth, Theorie und Praxis subjektiver Auslegung im Strafrecht, S. 37 ff.; wohl auch
AK-GG/Wassermann, Art. 97 Rn. 47; unter Verweis darauf, dass der historische Wille
auch im Hinblick auf die Gesetzesbindung nicht außer Betracht bleiben sollte, vgl. NK-
StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 107; Kargl., ZStW 113 (2001), 565, 570, 576, im Hin-
blick auf § 266 StGB; differenziert Rengier, Strafrecht AT, § 5 Rn. 11.
824 LK-StGB-Dannecker, § 1 Rn. 309.
VIII. Vereinbarkeit mit dem Grundsatz der Gesetzesbindung 217

zung vernünftigerweise damit verfolgt werden sollte, nicht überzeugen.825 Dies


scheine mit Art. 103 Abs. 2 GG nicht vereinbar.826 Eine Auslegung, die sich am
Wortlaut und dem historischen Willen des Gesetzgebers orientiert, ist folglich
besser dazu geeignet, die Bindungswirkung zu gewährleisten. Beachtet werden
muss freilich, dass ein Festhalten am Willen des historischen Gesetzgebers in be-
sonderem Maße zu einer „Versteinerung“ des Rechts führen kann, indem sich
wandelnde Umstände nicht in die Gesetzesanwendung miteinbezogen werden
können.
Es kann insoweit angenommen werden, dass nicht nur durch den Text als sol-
chen, sondern im Zusammenspiel mit dem herkömmlichen Methodenkanon eine
Bindungswirkung erzeugt wird und die Bindungswirkung sich folglich nicht nur
auf den Wortlaut, sondern auch auf die damit verbundenen Auslegungsergebnisse
erstreckt.827 Die Bindungswirkung kann also ein Konglomerat aus Normtext und
den Interpretationsmöglichkeiten durch die herkömmlichen Auslegungsmethoden
verstanden werden. Eine Gesetzesbindung setzt notwendigerweise voraus, dass es
auch eine anerkannte Methodenlehre gibt. Eine Freiheit der Methodenwahl, die
insbesondere dazu führt, dass keine überprüfbaren Ergebnisse erzeugt werden,
kann gerade der verfassungsrechtlich garantierten Gesetzesbindung widerspre-
chen. Eine einheitliche Methodenlehre würde die Einhaltung des Grundsatzes der
Gesetzesbindung also stärken.828 Unabhängig von der konkreten Methodenwahl
ist es erforderlich, dass die gefundenen Ergebnisse nachweislich auf den Norm-
text zurückzuführen sind.829 Ein dort nicht angelegter Sinn und Zweck oder der
Wille des historischen Gesetzgebers können wohl keine Berücksichtigung fin-
den.830

(3) Gesetzesauslegung im Strafrecht

Im Bereich des Strafrechts sind der Auslegung engere Grenzen gesetzt als in
anderen Rechtsgebieten. Dem Wortlaut kommt eine erhöhte Bindungswirkung
zu. Grundlage für die Entscheidung ist also die „Zeichenkette“ einer Gesetzes-
norm.831 Denn durch Art. 103 Abs. 2 GG ist die Judikative über eine Norm mit
Verfassungsrang bei der Anwendung des geschriebenen Rechts an dessen Norm-

825 Kritisch zur objektiven Auslegungsmethode siehe auch: Rüthers, JZ 2006, 53, 54.
826 LK-StGB-Dannecker, § 1 Rn. 315.
827 So wohl Tschentscher, Demokratische Legitimation der dritten Gewalt, S. 192;

Badura, Staatsrecht, S. 441, wenn er darauf verweist, dass auf diese Weise eine Ausle-
gung wahrscheinlich gemacht, aber ebenso gewisse Ergebnisse auch ausgeschlossen
werden können; Röhl, in: FS-Lampe, S. 240.
828 Rüthers, Die heimliche Revolution vom Rechtsstaat zum Richterstaat, S. 153.
829 N. Horn, Einführung in die Rechtswissenschaften, Rn. 179a.
830 So unter Bezugnahme auf den Normtext wohl auch Loos, in: FS-Wassermann,

S. 123.
831 Christensen/Kudlich, Gesetzesbindung, S. 183.
218 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

text gebunden.832 Eine über den Wortlaut hinausgehende Rechtsanwendung


würde zu einer unzulässigen Analogie führen. Gesetzesbindung entsteht also ge-
rade dadurch, dass durch einen festgelegten Wortlaut eine semantische Umgren-
zung entsteht, die bei der Rechtsanwendung nicht übertreten werden darf. Durch
die Rückbindung an den Wortlaut entsteht eine Sicherung der Gesetzesbindung.
Einer auf den Gesetzgeberwillen (unabhängig ob historisch oder aktuell) bezoge-
nen und nicht im Wortlaut verankerten Rechtsanwendung unter Verweis auf einen
vermeintlich objektivierten Sinn und Zweck des Gesetzes werden im Strafrecht
durch die verfassungsrechtliche Regelung Einhalt geboten. Aus der Existenz des
in Art. 103 Abs. 2 GG normierten Analogieverbotes kann zudem geschlossen wer-
den, dass es einen qualitativen, wie auch immer gearteten, Unterschied zwischen
Analogie und Auslegung gibt. Alles andere würde das Analogieverbot ad absur-
dum führen. In der Anwendung von Normen durch Rechtsanwender*innen ergibt
sich der Unterschied aus der von den Richter*innen gewählten Begründung.
Durch diese Abgrenzung wird gerade das Verhältnis festgelegt, inwieweit
Richter*innen sowohl frei als auch gebunden sind.833 Dies führt allerdings nicht
ohne Weiteres zu einer Gesetzesbindung, die jede Wertung der Richter*innen bei
der Anwendung des Rechts ausschließt. Denn auch hier muss beachtet werden,
dass für jede Rechtsanwendung eine Normkonkretisierung in Anwendung auf
den konkreten Einzelfall vorgenommen werden muss.834
Wenn Richter*innen bei ihren Entscheidungen nur insoweit gebunden sind, als
dass das Gesetz die Begriffe vorgibt, die als Vergleichsgrößen herangezogen wer-
den, dann führt dies im Ergebnis dazu, dass es ihnen dennoch freisteht, weitge-
hend ungebundene Entscheidungen zu treffen.835 Daraus kann abgeleitet werden,
dass die Richter*innen daran gebunden sind, „im Rahmen des Erwartungshori-
zontes des Adressaten zu bleiben“, um die Entscheidungen vorhersehbar zu ma-
chen und sich nicht dem Vorwurf der Willkürlichkeit auszusetzen.836 Das ge-
fundene Ergebnis muss gerade aufgrund der Gesetzesbindung und insbesondere
unter Beachtung des Grundsatzes der Gewaltenteilung auf den Normtext zurück-
zuführen sein, sich also argumentativ als eine Konkretisierung dessen darstel-
len.837 Eine Korrektur des Ergebnisses aufgrund von Gerechtigkeitserwägungen
ist ausgeschlossen.838 Demnach sind auch subjektive Erwägungen bei der recht-

832 LK-StGB/Dannecker, § 1 Rn. 308.


833 Klatt, in: Gesetzlichkeit und Strafrecht, S. 121, 124.
834 LK-StGB-Dannecker, § 1 Rn. 308.
835 Kaspers, Philosophie – Hermeneutik – Jurisprudenz, S. 129.
836 Kaspers, Philosophie – Hermeneutik – Jurisprudenz, S. 135; so im Ergebnis wohl

auch Becker/Martenson, JZ 2016, 783 ff. zur Bedeutung des Kontextes für das Ver-
ständnis von Sprache und der damit zusammenhängenden Wahrscheinlichkeit der Wort-
bedeutung in einer bestimmten Situation.
837 Christensen/Kudlich, Gesetzesbindung, S. 180.
838 Christensen/Kudlich, Gesetzesbindung, S. 181.
VIII. Vereinbarkeit mit dem Grundsatz der Gesetzesbindung 219

lichen Bewertung nicht ausgeschlossen, so lange sie sich noch im Bereich des
Verständlichen bewegen und mit dem Wortlaut der Norm zu vereinbaren sind,
vgl. Art. 103 Abs. 1 GG und Art. 97 GG.839 Die Bindung wird durch die metho-
disch begründete Anwendung des Gesetzes auf den Einzelfall sichergestellt, un-
abhängig davon, ob die Auslegung sich – neben dem Wortlaut – einer gesetzes-
historischen oder einer an Sinn und Zweck orientierten Begründung bedient.840
In welchem Rangverhältnis die dargelegten Auslegungsmethoden stehen, ist für
die zu erörternde Fragestellung nicht erheblich.841 Entscheidend ist der Normtext
als Rahmen der Auslegung.

f) Zwischenergebnis

So lässt sich als Zwischenergebnis festhalten, dass es eine Gesetzesbindung im


Strafrecht gibt. Diese Bindung ergibt sich aber nicht ohne Weiteres aus dem Ge-
setzestext als solchem, sondern die Bindungswirkung entfaltet seine Wirkkraft in
der Gesetzesanwendung auf den Einzelfall, indem die Rechtsanwender*innen ge-
zwungen sind, die von ihnen gefundene Entscheidung zu begründen. Begründen
meinte dabei, die Darlegung einer nachvollziehbaren Argumentation wie sich die
Entscheidung aus dem zugrunde liegenden Normtext ergeben kann. Diese Ent-
scheidungen der Gerichte müssen, ungeachtet dessen, dass es keine gesetzlich
verpflichtende Methodenlehre gibt, methodisch begründet werden. Diese Begrün-
dungspflicht schließt willkürliche Entscheidungen aus. Dies führt im Ergebnis
dazu, dazu dass es Auslegungsergebnisse gibt, die sich methodisch wohl nicht
begründen lassen.842 Warum dies so ist, spielt für die hier zugrunde liegenden
Fragestellung keine Rolle. Entscheidend ist, dass es eine solche Gesetzesbindung
gibt.
g) Durchbrechung des Grundsatzes der Gesetzesbindung

Ungeachtet der verfassungsrechtlich garantierten Bindung an das Gesetz gibt


es Fälle, in denen faktisch keine Gebundenheit an das geschriebene Recht vor-
liegt bzw. eine solche erheblich gelockert wurde.843 Darunter fallen insbesondere

839 Kaspers, Philosophie – Hermeneutik – Jurisprudenz, S. 136; siehe dazu beispiels-

weise die Auslegung von § 142 StGB, vgl. Küper, in: FS-Uni Heidelberg, S. 451.
840 Und das Ergebnis kann auch anhand dessen (theoretisch) „falsifiziert werden“,

vgl. NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 109d, 114, 122 was hingegen bei der Interpreta-
tion von Sinn und Zweck nicht möglich ist, vgl. Rn. 114b; Hassemer, in: FS-Jung,
S. 246, 254; Kudlich/Christensen, JA 2004, 74, 80; Seelmann, Rechtsphilosophie, § 4
Rn. 15.
841 Vgl. dazu Roxin/Greco, Strafrecht AT I, S. 224.
842 Über die theoretische Begründung dessen kann freilich gestritten werden, vgl. zu

diesen sog. „negativen Kandidaten“: Jacobi, Methodenlehre der Normwirkung, S. 6.


843 BVerfG, Beschl. v. 14.02.1973 – 1 BvR 112/65 = BVerfGE 34, 269, 286–288 =

NJW 1973, 1221; BVerfG, Urt. v. 03.04.1990 – 1 BvR 1186/89 = BVerfGE 82, 6, 12 =
NJW 1990, 1593; BVerfG, Beschl. 11.10.1978 – 1 BvR 84/74 = BVerfGE 49, 304,
220 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

die Fälle der richterlichen Rechtsfortbildung.844 Diese ist von der Konkretisie-
rung zu unterscheiden, indem die richterliche Rechtsfortbildung aus der Art der
Begründung erkennbar über den gesetzlich festgelegten Anwendungsbereich der
Norm hinausgeht. Eine solche kann dazu beitragen, ein gewünschtes Auslegungs-
ergebnis zu erreichen.845 Aus dem Wortlaut von Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 97
Abs. 1 GG lässt sich eine solche Ausnahme allerdings nicht entnehmen.846 Nach
der Rechtsprechung des BVerfG kann allerdings mit Verweis auf die Formulie-
rung „Gesetz und Recht“ in Art. 20 Abs. 3 GG zumindest den (Fach-)Gerichten
eine Befugnis zur Rechtsfortbildung erteilt werden. Dies enthalte gerade einen
Hinweis darauf, dass die Gerichte auch an überpositives Recht gebunden seien,
dieses durch die Fortbildung der bestehenden Rechtslage verwirklichen könnten
und im Bedarfsfall auch sollten. Die geschriebene Rechtsordnung weise Rege-
lungslücken auf und bedürfe gerade der Korrektur durch die Judikative. Eine
strenge Bindung an den Wortsinn sei aufgrund dessen nicht geboten. Die Ge-
richte verweisen darauf, dass die Judikative im Zweifel die Gerechtigkeitsvorstel-
lungen der Gemeinschaft verwirklichen muss.847 Dass ein Verweis auf Gerechtig-
keitsvorstellung als solche jedoch problematisch ist, wurde bereits dargelegt.848
Darüber hinaus wird angeführt, dass es sich bei der richterlichen Rechtsfortbil-
dung auch um ein notwendiges und „seit jeher anerkanntes“ 849 Instrument zur
Lückenschließung in einem Staat handele und es eine anerkannte und ureigene
Aufgabe der Judikative sei. Eine solche Auffassung führt zu einer Lockerung des
Grundsatzes der Gesetzesbindung.850 Dennoch wird gerade der Grundsatz der
Gesetzesbindung (Art. 20 Abs. 3 GG) als Begrenzung der richterlichen Rechts-

318 = NJW 1979, 305; BVerfG, Beschl. v. 08.10.1996 – 1 BvR 875/91 = BVerfGE 95,
48, 62 = NJW 1997, 447; so für Ausnahmefälle auch Christensen/Kudlich, Gesetzesbin-
dung, S. 178; ebenso Schroth, Theorie und Praxis subjektiver Auslegung im Strafrecht,
S. 101.
844 Kritisch dazu: Arnauld, Rechtssicherheit, 415 ff.; befürwortend: Badura, Staats-

recht, S. 440; Gusy beschreibt dies nicht als Durchbrechung als vielmehr einen Vor-
gang, der von der Bindungswirkung mangels einschlägiger gesetzlicher Grundlage
ohnehin nicht erfasst ist, vgl. DÖV, 1992, 461, 463.
845 Wank, Die Auslegung von Gesetzen, S. 114 ff.; allerdings ist diese dann nicht

mehr mit dem Grundsatz der Gesetzesbindung vereinbar, wenn sie contra legem erfolgt,
vgl. Gusy, DÖV, 461, 466.
846 Ebsen, Gesetzesbindung und „Richtigkeit“ der Entscheidung, S. 48; Ipsen, Rich-

terrecht und Verfassung, S. 120, wonach der Art. 20 Abs. 3 GG keine „Detailweisun-
gen“ beinhaltet.
847 BVerfG, Beschl. v. 14.02.1973 – 1 BvR 112/65 = BVerfGE 34, 269, 286–288 =

NJW 1973, 1221, 1225 unter Verweis auf das Privatrecht; kritisch: AK-GG/Wasser-
mann, Art. 97 Rn. 48.
848 Vgl. unter Kap. C. II. 2.
849 BVerfG, Beschl. v. 12.03.1985 – 1 BvR 571/84 = BVerfGE 69, 188 = NJW 1985,

2939.
850 Kritisch: Hillgruber, JZ 2008, 745, 746, der dies unter Verweis auf die Entste-

hungsgeschichte des Art. 20 GG ablehnt.


VIII. Vereinbarkeit mit dem Grundsatz der Gesetzesbindung 221

fortbildung herangezogen.851 Dies soll insbesondere dann der Fall sein, wenn die
Rechtsordnung keinen Anhaltspunkt für das Auslegungsergebnis bietet.852 Es
wird allerdings auch darauf verwiesen, dass die genaue Befugnis zur richter-
lichen Rechtsfortbildung auch vom betroffenen Rechtsgebiet abhängig ist.853 Zu-
mindest wird aus dieser Rechtsprechung aber erkennbar, dass die Judikative in
Art. 20 Abs. 3 keine umfassende Bindung an das geschriebene Wort ableitet. An-
ders kann und muss dies freilich für den Bereich des Strafrechts aufgrund der
Regelung des Art. 103 Abs. 2 GG gesehen werden.

h) Zulässigkeit richterlicher Rechtsfortbildung im Strafrecht

Der Grundsatz der Gesetzesbindung wird, wie bereits dargelegt, im Strafrecht


durch Art. 103 Abs. 2 GG ergänzt, was zu einer erhöhten Gesetzesbindung führt.
Dies hat auch Auswirkungen auf Normen im Strafrecht, die eine solche richter-
liche Rechtsfortbildung gesetzlich gestatten oder anordnen. Dies betrifft gerade
auch die Anwendung von Öffnungsklauseln.

aa) Begriff der richterlichen Rechtsfortbildung

Richterrecht854 kann als sog. Aufstand der Judikative gegen das Recht verstan-
den werden, sodass es sich immer dann um richterliche Rechtsfortbildung han-
delt, wenn die Konkretisierung der Norm durch die Gerichte vom Willen des Ge-
setzgebers abweicht. Dies beinhaltet aber die Gefahr, dass eine mit dem Wortlaut
übereinstimmende Auslegung als richterliche Rechtsfortbildung eingeordnet
wird, weil die konkrete Auslegung als nicht mit dem Willen des Gesetzgebers
vereinbar eingeordnet wird.855

851 BVerfG, Beschl. 11.10.1978 – 1 BvR 84/74 = BVerfGE 49, 304, 318 = NJW

1979, 305, 306; BVerfG, Beschl. v. 19.10.1983 – BVerfGE 65, 182 – 2 BvR 468/80 =
NJW 1984, 475.
852 BVerfG, Beschl. v. 19.10.1983 – BVerfGE 65, 182 – 2 BvR 468/80 = NJW 1984,

475.
853 BVerfG, Beschl. v. 14.02.1973 – 1 BvR 112/65 = BVerfGE 34, 269, 286–288 =

NJW 1973, 1221.


854 Allgemein dazu Rüthers, Die unbegrenzte Auslegung; Bydlinski, Grundzüge der

juristischen Methodenlehre, S. 81; eine umfassende geschichtliche Aufarbeitung der


richterlichen Rechtsfortbildung insbesondere zur Zeit des Nationalsozialismus findet
sich bei Hillgruber, JZ 2008, 745.
855 Bydlinski, Grundzüge der juristischen Methodenlehre, S. 84; zum Teil wird aber

auch jede richterliche Rechtsfindung als Rechtsschöpfung bezeichnet, vgl. Hermann,


DRiZ 1982, 286, 287; anders: Badura, Staatsrecht, S. 440, danach kommt Rechtspre-
chung immer ein „rechtsfortbildender Charakter“ zu; Hirsch, Ansprache des BGH-Prä-
sidenten beim Festakt aus Anlass des 10. Gründungstages des OLG Brandenburg am
03.12.2003, abrufbar unter https://www.bundesgerichtshof.de/DE/DasGericht/Praesi
denten/Hirsch/HirschReden/rede03122003.html?nn=11287202 [zuletzt abgerufen am
07.09.2020].
222 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

Richterrecht muss aber nicht zwingend vom Willen des Gesetzgebers ausge-
hend definiert werden, sondern kann auch danach beurteilt werden, ob (bewusste
oder unbewusste) Rechtslücken durch die Judikative geschlossen werden.856 Das
bedeutet, dass es sich immer dann um richterliche Rechtsfortbildung handelt,
wenn die Judikative bisher rechtsfreie Räume betritt, die Rechtsfindung also
praeter legem erfolgt. Bewusst nicht näher geregelte Bereiche liegen auch dann
vor, wenn sich der Gesetzgeber der Verwendung von Generalklauseln oder Öff-
nungsklauseln bedient.857 Gerade im Bereich der Generalklauseln trifft der Ge-
setzgeber grundsätzlich nur eine abstrakte Entscheidung über die Strafbarkeit
bestimmter Verhaltensweisen, die sich in einem besonderen Maße „in seiner
Distanz von Einzelfällen“ auszeichnet, um möglichst viele solcher Einzelfälle zu
umfassen.858 Werden solche Generalklauseln durch die Judikative nun auf Ein-
zelfälle angewendet, betritt sie dadurch einen bewusst nur in Grundzügen gere-
gelten Bereich. Es findet in der Regel durch die Anwendung auf Einzelfälle eine
Fallgruppenbildung statt, woraus geschlossen werden könnte, dass die Judikative
eine Art der richterlichen Rechtsfortbildung betreibt.859 So werden Generalklau-
seln zum Teil auch als Aufforderung der Gesetzgebung an die Rechtsprechung
zur Fortschreibung des Rechts verstanden.860 Entscheidend ist aber, ob sich die
Entscheidung der Gerichte anhand der Auslegungsmethoden zurückverfolgen las-
sen oder die Gerichte bewusst über die in den Normen geregelten Fälle hinaus-
gehen und dies in ihrer Begründung auch kenntlich machen. Auf diese Weise
unterscheidet sich gerade auch die Anwendung von Öffnungsklauseln von der
Anwendung klassischer Generalklauseln.861 Denn Öffnungsklauseln sehen ge-
rade eine Anwendung auf vergleichbare oder ähnliche Fälle vor, also genau auf
solche, die die bewusst lückenhafte gesetzliche Regelung nicht erfasst.

bb) Vereinbarkeit von richterlicher Rechtsfortbildung


mit dem Grundsatz der Gesetzesbindung
Art. 20 Abs. 3 GG enthält seinem Wortlaut nach keine Aufforderung zur
Rechtsfortbildung durch Richter*innen, allerdings sagt die Regelung auch nichts

856 Pulch, DRiZ 1976, 33, 34; F. Müller, Richterrecht, S. 58, der an dieser Stelle von

einer „politischen Rechtsprechungstätigkeit“ und nennt aber auch ein Beispiel für Rich-
terrecht, wo ein Normtext trotz bestehender Regelung durch die Judikative faktisch ge-
schaffen wurde; Rüthers, JZ 2006, 53, 59; so wohl auch Gusy, DÖV 1992, 461, 463.
857 Rüthers, Die unbegrenzte Auslegung, S. 458 ff.; ablehnend für Generalklauseln

generell: F. Müller, Richterrecht, S. 84 ff.; Ipsen spricht von „Rechtsbildungsbefugnis-


sen [. . .] durch Begriffe und Normen des materiellen Rechts“, vgl. Richterrecht und
Verfassung, S. 64.
858 Grünwald, ZStW 76 (1964), 1, 14.
859 Anders: F. Müller, Richterrecht, S. 86 unter Verweis darauf, dass Generalklauseln

nur den Normtext bezeichnen und nicht die Norm als solche.
860 Ipsen, Richterrecht und Verfassung, S. 63.
861 Zur Differenzierung siehe bereits Kap. B. II.
VIII. Vereinbarkeit mit dem Grundsatz der Gesetzesbindung 223

darüber aus, wie mit gesetzgeberischen Lücken oder Normen, die eine Anwen-
dung über den Regelungsbereich der Norm hinaus ermöglichen, umgegangen
werden muss. Inwieweit im Einklang mit dem Grundsatz der Gesetzesbindung
eine solche Lückenschließung rechtmäßig ist, hängt maßgeblich vom betroffenen
Regelungsbereich ab. Im Zivilrecht sind Richter*innen zwar durch den Grundsatz
der Gesetzesbindung an das geschriebene Recht gebunden, es fehlt darüber hin-
aus aber an einer dem Art. 103 Abs. 2 GG gleichlautenden Regelung. Konse-
quenz dessen ist, dass die Richter*innen gerade in gesetzlich nur wenig oder
auch gar nicht geregelten Bereichen Grundsatzentscheidungen durch richterliche
Rechtsfortbildung treffen können, an denen sich die anderen Gerichte orientieren,
und so zwar keine Normen im Sinne des Ergebnisses eines Gesetzgebungsverfah-
rens schaffen, aber dennoch Regelungen aufstellen, die normgleichen Charakter
aufweisen.862 Allerdings ist eine richterliche Rechtsfortbildung in jenen Be-
reichen ausgeschlossen, in denen es eine klare verfassungsrechtliche Grenze,
wie z. B. durch Art. 103 Abs. 2 GG gibt.863 Darüber hinaus gibt es durch den
Grundsatz der Gesetzesbindung eine Bindung an das bestehende Recht, woraus
geschlossen werden kann, dass die Richter*innen innerhalb der richterlichen
Rechtsfortbildung nicht so frei sind wie der Gesetzgeber.864
Im Strafrecht ist eine solche Lückenschließung, wie sie beispielsweise im Ar-
beitskampfrecht erfolgt,865 grundsätzlich nicht möglich. Das ergibt sich aller-
dings nicht aus Art. 20 Abs. 3 GG, der für alle Rechtsgebiete gleichermaßen gilt,
sondern aus Art. 103 Abs. 2 GG.866 Diese zusätzliche verfassungsrechtliche Vor-
gabe zeigt zumindest partiell das Verhältnis von Art. 20 Abs. 3 und Art. 103
Abs. 2 GG auf: Dort, wo also nur eine Gesetzesbindung nach Art. 20 Abs. 3 GG
Anwendung findet, ist gerade noch nichts über den Umgang mit eben jenen Be-
reichen gesagt, in denen es an einer rechtlichen Regelung fehlt. Dann besteht
zumindest die Möglichkeit, dass diese ungeregelten Bereiche durch die Gerichte
über Einzelfallentscheidungen hinaus geregelt werden.
Im Strafrecht setzen Art. 103 Abs. 2 GG und der damit verbundene Grundsatz
der Gesetzesbindung einem solchen Vorgehen allerdings Grenzen. Daraus folgt,
dass grundsätzlich eine Fortbildung des Rechts durch die Judikative möglich ist,
allerdings sind dem Strafrecht dabei durch das Gesetzlichkeitsprinzip Grenzen
gesetzt. Das erklärt auch, warum die in Art. 103 Abs. 2 GG verbürgten Garantien
zum Teil als „Grundsatz der Gesetzesgebundenheit im Strafrecht“ bezeichnet

862 Schmidt-Bens, JA 2013, 1030; Kirchhof, NJW 1986, 2275; Picker, JZ 1988, 1;

J. Hermann, DRiZ 1982, 286, 288; Pulch, DRiZ 1976, 33, 34.
863 Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke/Hofmann, Art. 20 Rn. 94.
864 Siehe dazu auch die Ausführungen bei Picker, JZ 1988, 1, 2.
865 Hergenröder, Zivilprozessuale Grundlagen richterlicher Rechtsfortbildung, S. 3;

Badura, Staatsrecht, S. 441.


866 F. Müller, Richterrecht, S. 59, auch wenn dieser sich dabei nicht ausdrücklich auf

die Schaffung von Richterrecht durch die Anwendung von Generalklauseln bezieht.
224 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

werden.867 Diese verstärken die durch Art. 20 Abs. 3 GG entstandene Gesetzes-


bindung im Bereich des Strafrechts.

cc) Generalklauseln und richterliche Rechtsfortbildung im Strafrecht

Wenn der Grundsatz der Gesetzesbindung im Strafrecht enger gefasst wird als
in anderen Rechtsbereichen, kann bereits die Anwendung von Generalklauseln
eine unzulässige richterliche Rechtsfortbildung darstellen. Durch eben jene stren-
gere Bindung an das geschriebene Recht dürfen im Rahmen der richterlichen
Rechtsfortbildung unstreitig keine neuen Straftatbestände geschaffen oder exis-
tierende Normen über den Wortlaut der Norm erweitert werden. Ob dies der Fall
ist, ist anhand der richterlichen Begründung zu beurteilen. Die Möglichkeiten der
richterlichen Rechtsfortbildung sind folglich im Strafrecht in einem erhöhten
Maße eingeschränkt.
Generalklauseln erfordern aufgrund ihres offenen Anwendungsbereiches ein
erhöhtes Maß an Konkretisierung und ihnen kann unter Umständen eine Auffor-
derung an die Judikative entnommen werden, eigenes Recht zu schaffen.868 Eine
Orientierung an Auslegungsmethoden erscheint aufgrund des weit gefassten
Wortlautes kaum möglich. Das bedeutet, dass die Gerichte aus Generalklauseln
die Berechtigung zur Schaffung von Recht ableiten können, sollte ein Fall nicht
anderweitig gesetzlich geregelt sein. Die Bindungswirkung an das geschriebene
Recht ist dann allenfalls noch schwach ausgeprägt. Die Anwendung solcher Nor-
men durch die Judikative führt zu einem faktischen Verlust der Bindung an das
geschriebene Recht. Das mag im Rahmen des Zivilrechts weitgehend unproble-
matisch sein. Auch wenn der Wortlaut des Art. 20 Abs. 3 GG mit einem solchen
Vorgehen vereinbar erscheint, lassen Sinn und Zweck der Regelung dies insbe-
sondere durch die Ergänzung durch Art. 103 Abs. 2 GG im Bereich des Straf-
rechts in einem anderen Licht erscheinen. Denn durch diese Regelung soll ge-
rade die Gewaltenteilung wahren und so ein Konzept der gegenseitigen Kontrolle
garantieren. Nimmt dann die Rechtsprechung durch die Anwendung einer Gene-
ralklausel eine quasi-gesetzgeberische Funktion ein, wird die durch die Gewal-
tenteilung gezogene Grenze überschritten. Die Wahrung dieser Grenze soll aller-
dings unter anderem durch Art. 20 Abs. 3 GG garantiert werden.
Diese Befugnis zur richterlichen Rechtsfortbildung tritt bei Öffnungsklauseln
besonders deutlich hervor: Hier findet durch die gesetzgeberische Möglichkeit
der Anwendung des Gesetzes auf vergleichbare Fälle keine verschleierte Aufga-
benverlagerung auf die Judikative statt, sondern es wird eine ausdrückliche Be-
fugnis geschaffen, die Norm auch auf nicht näher geregelte Fälle anzuwenden.

867 BVerfGE 14, 174, 185 = NJW 1962, 1339.


868 Rüthers, Die unbegrenzte Auslegung, S. 460.
VIII. Vereinbarkeit mit dem Grundsatz der Gesetzesbindung 225

Diese Befugnis der richterlichen Rechtsfortbildung geht über die Konkretisierung


von Normen hinaus. Die Rechtsanwendung löst sich auf diese Weise von der Ge-
setzesbindung. Offen bleibt allerdings noch die Frage, ob erst die Anwendung
durch die Judikative einen solchen Verstoß darstellt oder ob nicht bereits die
Schaffung solcher Normen durch die Legislative den verfassungsrechtlich garan-
tierten Grundsatz der Gesetzesbindung verletzt.

i) Grundsatz der Gesetzesbindung als Auftrag an die Gesetzgebung

Diese Vorüberlegungen zur Gesetzesbindung führen zu der Frage, welche Kon-


sequenzen der Grundsatz der Gesetzesbindung aus Art. 97 Abs. 1 und Art. 20
Abs. 3 GG für die Gesetzgebung hat. Insbesondere ist an dieser Stelle entschei-
dend, ob der Grundsatz der Gesetzesbindung auch einen Auftrag an den Gesetz-
geber enthält, gegen den durch die Verwendung von Öffnungsklauseln im Straf-
recht verstoßen werden kann.
Dem Wortlaut nach richtet sich dieser Grundsatz durch die explizite Nennung
der Rechtsprechung ausschließlich an die Judikative und entfaltet seine Wirkung
primär im Bereich der rechtsprechenden Gewalt. In erster Linie ist die Durchset-
zung der Gesetzesbindung folglich Aufgabe der Judikative. Ein Eingreifen der
Legislative ist erst einmal nur durch eine Änderung der Rechtslage für die Zu-
kunft möglich.869 Der damit verbundenen Aussage, dass die Gesetzesbindung in
erster Linie den Rechtsfindungsprozess determiniert, ist grundsätzlich zuzustim-
men.870 Dies greift im Hinblick auf die Legislative allerdings zu kurz. Denn die
Gesetzesbindung kann zumindest vorgelagert auch für die Gesetzgebung Hand-
lungsanweisungen entfalten.
Denn richtigerweise bedarf es für eine wirksame Gesetzesbindung, d. h. eine
Verwirklichung des verfassungsrechtlichen verbürgten Grundsatzes, einer sog.
„Bindungskompetenz“.871 Denn eine Bindung an das geschriebene Recht ist nur
möglich, wenn der Wortlaut des Gesetzes durch Begrenzung des Anwendungsbe-
reichs grundsätzlich aufzeigt, was von der Norm erfasst werden soll.872 Es ist
unstrittig, dass der Gesetzgeber durch die Art der Gesetzgebung über das Maß
der Bindungswirkung entscheiden kann, indem durch ungenaue Gesetzesfassun-
gen ein größerer Entscheidungsspielraum geschaffen wird.873 Der Gesetzgeber

869 Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke/Heusch, Art. 97 Rn. 40; Badura, Staats-

recht, S. 440 verweist dabei auf hinreichende Bestimmtheit und Normenklarheit.


870 Christensen/Kudlich, Gesetzesbindung, S. 183.
871 Tschentscher, Demokratische Legitimation der dritten Gewalt, S. 191.
872 Die Norm muss also „Ausgangs- und Zurechnungsgröße sein“, vgl. Kudlich/Chris-

tensen, ARSP 2007, 128, 141.


873 Tschentscher, Demokratische Legitimation der dritten Gewalt, S. 192; Ipsen,

Richterrecht und Verfassung, S. 64.


226 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

kann die Richter*innen gewissermaßen mit der Konkretisierung der Rechtssätze


beauftragen.874
Allerdings ist dabei, wie bereits angedeutet, der verfassungsrechtliche und
durch die Ewigkeitsgarantie (Art. 79 Abs. 3 GG) garantierte Grundsatz der Geset-
zesbindung zu beachten: Das Maß der Bindung kann nur insoweit variiert werden,
als dass in jedem Falle eine irgendwie geartete Bindungswirkung bestehen bleiben
muss und die Norm dadurch noch eine Bindungskompetenz aufweist. Denn diese
Bindung dient insbesondere der Aufrechterhaltung der Gewaltenteilung. Die Ent-
scheidung des demokratisch legitimierten Gesetzgebers darf infolgedessen nicht
auf die Judikative übertragen werden. Wird die Entscheidung dennoch absicht-
lich oder unabsichtlich von der Legislative auf die Judikative übertragen, ist die
betroffene Norm nicht mit dem Grundsatz der Gesetzesbindung vereinbar.
Daraus folgt, dass der Grundsatz der Gesetzesbindung in seiner Wirksamkeit
maßgeblich von den Normen abhängt, anhand derer die Judikative ihre Entschei-
dungen trifft. Normen müssen ihrem Wortlaut nach dazu geeignet sein, die Judi-
kative an die vorgeschaltete Entscheidung der Legislative zu binden. Konsequen-
terweise beinhaltet der Grundsatz der Gesetzesbindung nicht nur einen Auftrag
an die Rechtsprechung, sondern auch an die Gesetzgebung. Dieser Auftrag wird
im Bereich des Strafrechts durch Art. 103 Abs. 2 GG konkretisiert. Aber auch bei
Außerachtlassung des Gesetzlichkeitsprinzips stellt der Grundsatz der Gesetzes-
bindung Anforderungen an die Gesetzgebung.875 Der Grundsatz der Gesetzes-
bindung enthält also ebenfalls einen Auftrag an die Legislative.

3. Gewaltenteilung als solche

Auch über die geforderte Bindungskompetenz876 ist der Grundsatz der Geset-
zesbindung eng mit dem Grundsatz der Gewaltenteilung verknüpft. Denn diese
zementiert die Aufgabenverteilung zwischen Legislative und Judikative. Der Ge-
setzgeber bestimmt durch die konkrete Verfasstheit der Normen die Stärke der
Gesetzesbindung für die Judikative und nimmt dabei die ihm originär zugeteilte
Aufgabe wahr, selbst über die Strafbarkeit von Verhaltensweisen zu entscheiden.

a) Überschneidung der Aufgabenbereiche

Der Grundsatz der Gewaltenteilung877 ergibt sich zwar nicht ausdrücklich aus
dem Wortlaut des Art. 20 Abs. 2 GG,878 aber aus dem Zusammenspiel des

874 Kirchhof, NJW 1986, 2275.


875 Zumindest im Ergebnis wohl auch Kudlich/Christensen, ARSP 2007, 128.
876 Tschentscher, Demokratische Legitimation der dritten Gewalt, S. 191.
877 Siehe dazu auch Möllers, Gewaltengliederung, S. 398 ff., wonach das Prinzip un-

klar ist und Art. 20 Abs. 2 GG viel mehr die „Organzuordnung“ regelt als die Gewal-
tenteilung; historisch: ders., Die drei Gewalten, S. 43 ff.; ders., AöR 132 (2007), 493 ff.;
VIII. Vereinbarkeit mit dem Grundsatz der Gesetzesbindung 227

Grundsatzes mit dem Rechtsstaat- und Demokratieprinzip.879 Der Gewaltentei-


lungsgrundsatz muss folglich in Zusammenhang mit anderen grundgesetzlichen
Regelungen und Prinzipien verstanden werden.880
Zum Teil wird der Gewaltenteilungsgrundsatz auch als „zentrales Element for-
maler Rechtsstaatlichkeit“ bezeichnet.881 Art. 20 Abs. 2 GG benennt aber die
unterschiedlichen Gewalten, denen wiederum unterschiedliche Aufgabenbereiche
zuteilwerden: Unterschieden werden die Legislative, die Judikative und die Exe-
kutive.882 Diese Aufteilung in verschiedene Aufgaben- und Kompetenzbereiche
wird als „funktionale Gewaltenteilung“ 883 bezeichnet. Neben der funktionalen
Gewaltenteilung wird selbige durch organisatorische und personelle Trennung
hergestellt.884 Da die Gesetzgebung durch ihre Art der Gesetzesfassung das Maß
richterlicher Bindung bestimmt, wird sie in diesem Zusammenhang auch als
„Schlüssel der Machtbalance“ bezeichnet.885 Im Wechselspiel mit der Gesetzes-
bindung dient aber auch die Unabhängigkeit der Judikative der Sicherung der
Gewaltenteilung.886

Ossenbühl, DÖV 1980, 546 ff.; dazu eingehend: Lerchen, in: Gewaltenteilung heute,
S. 75 ff.; Achterberg, Probleme der Funktionslehre, 1970, S. 8 ff.; Jarass, Politik und
Bürokratie als Elemente der Gewaltenteilung, 1975; Horn, AÖR 127 (2002), 427, 457
verweist darauf, dass der Grundsatz der Gewaltenteilung seinen Regelungsgehalt nicht
automatisch entfaltet; Arnauld„ ZParl 32 (2001), 678, 685, insbesondere zur Begriffsbil-
dung und mit Erläuterung, wonach Gewaltenteilung der Verhütung von Missbrauch
dient; Cornils, in: Verfassungstheorie, S. 657, 699 insb. zu den mit der Gewaltenteilung
zusammenhängenden Forderungen; Leisner, DÖV 1969, 405, 411 und beschreibt den
Grundsatz der Gewaltenteilung als „inhaltsarme Staatsgrundnorm“; Kuhl, Der Kernbe-
reich der Exekutive, S. 125 ff.; Kriele, EuGRZ 1986, 601; historisch zur Gewaltentei-
lung siehe auch Grzeszick, Die Teilung der Gewalten, S. 1 ff.; Krebs, Kontrolle in staat-
lichen Entscheidungsprozessen, S. 41 ff.; Stern, StaatsR Bd. II, S. 531 ff.; Zimmer,
Funktion – Kompetenz – Legitimation, S. 21, 24 ff.; Hoffmann-Riem, in: FS-Schneider,
183 ff. insbesondere zu den einzelnen Funktionen der Gewaltenteilung; aus der neueren
Rechtsprechung vgl. insbesondere Beschl. v. 17.07.1996 – 2 BvF 2/93 = BVerfGE 95,
1 = NJW 1997, 383.
878 So auch Mangoldt/Klein/Starck/Unger, Art. 44 Rn. 42.
879 Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 20 Rn. 67; Maunz/Dürig/Herdegen, Art. 79 Rn. 145;

Maunz/Dürig/Gericke, Art. 20 V. Rn. 57, wonach eine Gewaltenteilung aber auch au-
ßerhalb von Demokratie- und Rechtsstaat denkbar ist; Mangoldt/Klein/Starck/Starck,
Art. 20 Rn. 207.
880 Jarass/Pieroth/Kment/Jarass, Art. 20 Rn. 32a; BeckOK-GG/Huster/Rux, Art. 20

Rn. 159.
881 Mangoldt/Klein/Starck/Starck, Art. 20 Rn. 197.
882 Gericke verweist darauf, dass die von ihm vertretene „Kontrolltheorie“ diese Drei-

teilung nur bedingt rechtfertigen kann, vgl. Maunz/Dürig/Gericke, Art. 20 V. Rn. 46.
883 Jarass/Pieroth/Kment/Jarass, Art. 20 Rn. 33; Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 20 Rn. 69;

BeckOK-GG/Huster/Rux, Art. 20 Rn. 155.


884 Maunz/Dürig/Gericke, Art. 20 V. Rn. 39.
885 Maunz/Dürig/Herdegen, Art. 79 Rn. 148.
886 Maunz/Dürig/Gericke, Art. 20 V. Rn. 32.
228 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

Diese Teilung der Gewalten dient als Strukturprinzip887 der Einschränkung der
jeweiligen Macht, die den Gewalten zuteil wird.888 Dem liegt die Vorstellung zu-
grunde, dass eine Machtverteilung auf möglichst viele staatliche Schultern den
Machtmissbrauch einschränken und im Falle eines Machtmissbrauchs den da-
durch resultierenden Schaden minimieren kann.889 Auf diese Weise sichert der
Grundsatz der Gewaltenteilung auch die individuelle Freiheit des Einzelnen.890
Aber die Aufgabenteilung stellt außerdem auch sicher, dass die den Gewalten
zuteilwerdenden Aufgaben ordnungsgemäß erfüllt werden, indem sich die Ge-
walten auf ihre Kompetenzbereiche besinnen.891 Auf diese Weise erfasst der
Grundsatz der Gewaltenteilung auch immer eine „Zuständigkeitsverteilung“.892
Schließlich bietet die Gewaltenteilung auch die Möglichkeit der gegenseitigen
Kontrolle der Gewalten untereinander (sog. checks and balances).893
Eine strenge Gewaltenteilung, in der es keine Überschneidung der einzelnen
Kompetenzbereiche untereinander gibt, kann es aber gleichwohl nicht geben. Ins-
besondere Gesetzgebung und Gesetzesanwendung lassen sich nicht immer klar
voneinander trennen.894 Gewaltenteilung und gegenseitige Kontrolle sind also

887 Maunz/Dürig/Herdegen, Art. 79 Rn. 147; Mangoldt/Klein/Starck/Starck, Art. 20

Rn. 221, wonach die Unabhängigkeit der Judikative zu einer stärkeren Gewaltenteilung
führt als zwischen der Legislative und der Exekutive.
888 Maunz/Dürig/Herdegen, Art. 79 Rn. 145; BeckOK-GG/Huster/Rux, Art. 20

Rn. 156; im Bereich der genauen Funktionsbeschreibung und der Diskussion darüber,
welche Wirkung der Grundsatz der Gewaltenteilung ohne weitergehende grundgesetz-
liche oder einfachgesetzliche Konkretisierung zukommt, stehen sich „Kontrolltheorie“
und „Funktionslehre“ gegenüber; umfassend zur Kontrolltheorie, vgl. Maunz/Dürig/Ge-
ricke, Art. 20 V. Rn. 30 ff.; Dreier/Schulze-Fielitz Art. 20 Rn. 68.
889 Maunz/Dürig/Gericke, Art. 20 V. Rn. 30, 35, der aber auch davon ausgeht, dass

die Komponenten von Machtmissbrauch und Kontrolle den Grundsatz der Gewaltentei-
lung nicht vollumfänglich erfassen; Gericke spricht von „spezifischer Ausübung staat-
licher Macht“, an dieser Stelle entfaltet sich augenscheinlich die Streitigkeit zwischen
„Kontrolltheorie“ und „Funktionslehre“. Gericke weist daraufhin, dass insbesondere
materielle Maßstäbe zur Verhinderung des Machtmissbrauchs als Kontrollinstrumente
erforderlich sind, vgl. dazu Rn. 37.
890 BeckOK-GG/Huster/Rux, Art. 20 Rn. 156.
891 Sachs/Sachs, Art. 20 Rn. 81 spricht von „Organisations- und Funktionsprinzip“;

BeckOK-GG/Huster/Rux, Art. 20 Rn. 156.


892 Maunz/Dürig/Gericke, Art. 20 V. Rn. 31.
893 Maunz/Dürig/Gericke, Art. 20 V. Rn. 33; BeckOK-GG/Huster/Rux, Art. 20

Rn. 158; siehe dazu auch BVerfG, Beschl. v. 10.10.1972 – 2 BvL 51/69 = BVerfGE 34,
52 = NJW 1973, 132: „Kontrolle, Hemmung und Mäßigung der Gewalten“; Jarass/Pie-
roth/Kment/Jarass, Art. 20 Rn. 32.
894 Dreier/Schulze-Fielitz Art. 20 Rn. 67, verweist auch darauf, dass unter Gewalten-

teilung gerade keine „Gewaltentrennung“ zu verstehen ist, vgl. Rn. 71; Sachs/Sachs,
Art. 20 Rn. 81 wird als „Gewaltenbalancierung“ bezeichnet; Mangoldt/Klein/Starck/
Starck, Art. 20 Rn. 210; damit lässt sich auch erklären, warum das BVerfG nur ver-
einzelt Verstöße gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung feststellt, vgl. exemplarisch:
Zu Genehmigungsvorbehalten vgl. BVerfG, Beschl. v. 12.06.1979 – 1 BvL 19/76 =
BVerfGE 52, 1 = NJW 1980, 985.
VIII. Vereinbarkeit mit dem Grundsatz der Gesetzesbindung 229

nicht parallel zueinander, sondern es ist von einer „Gewaltenverschränkung“ aus-


zugehen, die sich durch Zusammenarbeit und Kontrolle auszeichnet. Diese Ver-
schränkung gilt gleichwohl für den Bereich der Kontrolle als auch für den Be-
reich der einzelnen Aufgabenbereiche und ist ebenfalls unverzichtbarer Bestand-
teil der Gewaltenteilung.895 Dadurch, dass die Judikative in ihrer Anwendung auf
den Einzelfall Normen konkretisiert, kann die gesetzgeberische Tätigkeit niemals
trennscharf von der rechtsprechenden Tätigkeit abgegrenzt werden. Es gibt also
praktisch immer Überschneidungspunkte der Aufgabenbereiche der Gewalten.

b) Kernbereichslehre

Diese Überschneidung ist für den Grundsatz der Gewaltenteilung unschädlich.


Begrenzt wird die Beschränkung aber durch die absoluten Kernbereiche der ein-
zelnen Gewalten, die gerade nicht von den anderen Gewalten okkupiert werden
dürfen.896 Darüber hinaus darf der eigene Kompetenzbereich auch nicht zur
Übernahme der anderen Gewalten genutzt werden, also z. B. durch den Gesetzge-
ber zur Übernahme ermächtigt werden (sog. Organtreue).897 Ist der Kernbereich
hingegen nicht betroffen, verhindert auch der Grundsatz der Gesetzesbindung
Flexibilität und Überschneidungen nicht.898
Als Kernbereich der Legislative kann unstreitig im Bereich des Strafrechts die
abstrakte Entscheidung über die Strafbarkeit von Verhaltensweisen verstanden
werden. Diesen Kernbereich verlagert die Legislative mit Öffnungsklauseln auf
die Judikative. Verwendet der Gesetzgeber Öffnungsklauseln, so nimmt er nicht
mehr selbst die abschließende Bestimmung darüber vor, welche Verhaltenswei-
sen strafbar sein sollen. Er schafft vielmehr durch die innertatbestandliche Ana-
logie die Möglichkeit für die Judikative, diese Entscheidung basierend auf Ein-
zelfallentscheidungen zu übernehmen. Es wird also eine ureigene Aufgabe der
gesetzgebenden Gewalt durch eine gesetzliche Regelung übertragen.

895 Maunz/Dürig/Gericke, Art. 20 V. Rn. 42, wonach die Gewaltenteilung nur sicher-

gestellt werden kann, wenn den anderen Gewalten durch das Recht entsprechende Kon-
trollbefugnisse zugestanden werden.
896 Maunz/Dürig/Herdegen, Art. 79 Rn. 149; Maunz/Dürig/Gericke, Art. 20 V.

Rn. 50 unterteilt noch einmal in einen qualitativen und einen quantitativen Kernbereich;
Mangoldt/Klein/Starck/Starck, Art. 20 Rn. 215; so auch BVerfG, Urt. v. 18.12.1953 –
1 BvL 106/53 = BVerfGE 3, 225, 237 = NJW 1954, 65, 66; kritisch insbesondere, weil
der Kernbereich nicht eindeutig zu identifizieren ist: Achterberg, Probleme der Funk-
tionslehre, S. 191 ff.
897 BeckOK-GG/Huster/Rux, Art. 20 Rn. 163.
898 Maunz/Dürig/Gericke, Art. 20 V. Rn. 50; Sachs/Sachs, Art. 20 Rn. 93.
230 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

4. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Grundsatz


der Gesetzesbindung und dem Grundsatz der Gewaltenteilung

Wie bereits dargelegt, kann ein Verstoß von Öffnungsklauseln gegen die in
Art. 103 Abs. 2 GG enthaltenen Garantien, wie dem Bestimmtheitsgrundsatz, das
Analogieverbot und das Rückwirkungsverbot, nicht angenommen werden.
Gleichwohl zeigt sich, dass Öffnungsklauseln eine Aufgabenverlagerung durch
eine gesetzliche Anordnung vornehmen, die als verfassungsrechtlich unzulässig
anzusehen ist. Diese Unvereinbarkeit deutet sich bereits im Rahmen des Analo-
gieverbotes und des Bestimmtheitsgrundsatzes an, obgleich hier ein Verstoß ge-
gen diese Grundsätze nicht festgestellt werden kann. Aber sowohl im Bestimmt-
heitsgrundsatz als auch im Analogieverbot kommen der Grundsatz der Gesetzes-
bindung und der Grundsatz der Gewaltenteilung zum Ausdruck. Wie gleich zu
zeigen ist, sind Öffnungsklauseln mit eben diesen zuletzt genannten Grundsätzen
unvereinbar.
Gesetzesbindung setzt sich zusammen aus dem Normtext und der Norminter-
pretation anhand der anerkannten Auslegungsmethoden. Die Methodenwahl ist
grundsätzlich frei. Ob eine Entscheidung an den Normtext „rückgebunden“ wer-
den kann, entscheidet sich wesentlich anhand der Begründung, die für die
Rechtsanwendung gewählt wird. Entscheidung und Begründung müssen dabei im
Erwartungshorizont bleiben, um nicht willkürlich zu sein. Im Strafrecht verstärkt
Art. 103 Abs. 2 GG die bestehende Gesetzesbindung: Eine erkennbar nicht vom
Wortlaut gedeckte Entscheidung darf die Judikative nicht treffen. Der Gesetzge-
ber muss die Normen hinreichend bestimmt, i. S. e. Optimierungsgebotes, schaf-
fen.899
Der Grundsatz der Gesetzesbindung ist nicht nur reflexhafte Folge der Einhal-
tung der in Art. 103 Abs. 2 GG normierten Grundsätze, sondern enthält auch den
Auftrag an die Gesetzgebung Normen mit Bindungskompetenz900 zu schaffen.
Diese Bindungskompetenz wird aber durch Öffnungsklauseln verletzt: Entschei-
dend ist hier gerade nicht, dass die Rechtsanwendung von Öffnungsklauseln im
erheblichen Maße unvorhersehbar ist. Die Möglichkeit der Vorhersehbarkeit kann
gerade durch die zuvor genannten explizit aufgezählten Verhaltensweisen sicher-
gestellt werden. Es liegt also eine vom Gesetzgeber getroffene Entscheidung vor.
Vielmehr zeichnen sich Öffnungsklauseln gerade dadurch aus, dass diese Nor-
men es den Rechtsanwender*innen ermöglichen, auch nicht vom Gesetzgeber
benannte Fälle unter die Norm zu fassen. Das geschieht dadurch, dass nicht mehr
nur der Inhalt der Norm konkretisiert wird, sondern die Norm ausdrücklich auf
vergleichbare Fälle angewendet wird und somit ein innertatbestandlicher Analo-
gieschluss vorgenommen wird.

899 Vgl. zum „Optimierungsgebot“: Kuhlen, in: FS-Otto, S. 95.


900 Tschentscher, Demokratische Legitimation der dritten Gewalt, S. 191.
VIII. Vereinbarkeit mit dem Grundsatz der Gesetzesbindung 231

Diese Möglichkeit des innertatbestandlichen Analogieschlusses verletzt die


vom Grundsatz der Gesetzesbindung vorgesehene Bindungskompetenz und auf
diese Weise auch den Grundsatz der Gewaltenteilung. Denn die zwischen den
Gewalten vorgenommene Aufgabenverteilung sieht vor, dass die Legislative die
Entscheidung über strafbare Verhaltensweisen trifft und die Judikative diese Nor-
men auf den Einzelfall anwendet. Die Möglichkeit eines Ähnlichkeitsschlusses
durchkreuzt gerade diese Aufgabenverteilung. Selbst wenn die Judikative sich an
den zuvor genannten Fällen orientiert und so im Rahmen des Vorhersehbaren
bleibt, findet gleichwohl eine schöpferische Rechtsfortbildung statt, die im Straf-
recht gerade nicht gestattet ist. Zwar enthält auch die gewöhnliche Rechtsanwen-
dung ein schöpferisches Element, indem die Norm für die Anwendung auf den
Einzelfall konkretisiert werden muss. Diese Vorgänge unterscheiden sich aber
zumindest durch die von der Judikative gewählte Begründung. Wenn diese die
Anwendung des Einzelfalls als Konkretisierung darlegt und diese auf die üb-
lichen Auslegungsmethoden zurückkoppelt, dann liegt ein Fall zulässiger Kon-
kretisierung vor. Wenn die Anwendung hingegen mit einem Ähnlichkeitsschluss
begründet wird, liegt keine zulässige Konkretisierung von Normen vor.
Öffnungsklauseln verlagern auf diese Weise die Entscheidungskompetenz über
strafbare Verhaltensweise unzulässigerweise auf die Judikative. Sie verlagern die
Entscheidung darüber, was sowohl abstrakt als auch im Einzelfall von der Norm
erfasst werden soll auf die Judikative. Es findet eine Verlagerung des Kernbe-
reichs statt: Weiß der Gesetzgeber nicht, was er regeln will, muss die Regelung
unterbleiben. Weiß er es, muss er das Verhalten benennen. Hier macht er nichts
von beidem, sondern verlagert die Problematik auf die nächste Ebene. Diese hat
nun zwar einen Wortlaut, also eine unter Umständen bestimmte Norm, eine
Rückkopplung an die vom Gesetzgeber getroffene Entscheidung kann aber ge-
rade nicht erfolgen, denn eine solche Entscheidung gibt es nicht. Der Kern liegt
also in der Anordnung, die die Legislative hier ausdrücklich trifft und durch die
sie die Bindung der Judikative an die Norm durch die Aufgabenverlagerung er-
heblich schwächt.901 Durch die Öffnung des Tatbestandes auf „ähnliche“ und
„vergleichbare“ Fälle wird hier die Entscheidung ausdrücklich der Judikative
überlassen: Dies geschieht ganz offen, durch die explizite Aufforderung bei Be-
darf einen Ähnlichkeitsschluss zu ziehen. Diese Verlagerung einer gesetzgeberi-
schen Entscheidung auf die Judikative trifft den Grundsatz der Gewaltenteilung,
der sich im Hinblick auf den Gesetzgebungsprozess im Grundsatz der Gesetzes-
bindung und der Notwendigkeit, Normen mit Bindungskompetenz zu schaffen,
widerspiegelt. Ein Normtext, wie er bei Öffnungsklauseln verwendet wird, führt
auf diese Weise zu einer erheblichen Schwächung der Bindung.
Insgesamt findet also eine bewusste, zumindest partielle Aufgabenübertragung
statt. Eine solche durch den Wortlaut der Norm vorgenommene Aufgabenübertra-

901 Durner, JA 2008, 7, 10.


232 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

gung führt dazu, dass dem Normtext eine geringe Bindungskompetenz zukommt.
Denn das ist gerade Ziel der Öffnungsklauseln. Sie sollen unterschiedliche Aus-
legungsergebnisse für den Fall ermöglichen, sodass Gerichte ein Verhalten, das
nicht explizit in der enumerativen Aufzählung erfasst wird, unter den Tatbestand
subsumieren können.902 Die Bindungskompetenz wird aufgrund der gesetzlich
angeordneten innertatbestandlichen Analogie von Öffnungsklauseln verletzt. Eine
Rückbindung der Rechtsanwendung durch die Judikative auf die von der Legisla-
tive getroffene Entscheidung kann nicht erfolgen, weil die Legislative die Ent-
scheidung bewusst ausgelagert hat. Daraus ergibt sich ebenfalls, dass Öffnungs-
klauseln nicht mit dem Grundsatz der Gewaltenteilung vereinbar sind. Der
Grundsatz der Gewaltenteilung stellt sicher, dass die Kernaufgabenbereiche von
Legislative, Judikative und Exekutive nicht auf andere Gewalten übertragen wer-
den. Kernaufgabe der Judikative ist es, die Entscheidung über strafbares Verhal-
ten selbst zu treffen. Das schließt nicht aus, dass es zur Rechtsanwendung durch
die Judikative immer auch einer Konkretisierung der Norm bedarf. Indem Öff-
nungsklauseln aber eine gesetzliche Befugnis zur innertatbestandlichen Analogie
schaffen, gehen sie über diese zulässige Konkretisierung hinaus. Diese unter-
scheidet sich, wie aufgezeigt, zumindest in pragmatischer Hinsicht von der ana-
logen Rechtsanwendung. Öffnungsklauseln übertragen bewusst eine der Legisla-
tive obliegende Aufgabe auf die Judikative. Diese Aufgabe der Rechtssetzung ist
dem Kernbereich legislativer Tätigkeiten zuzuordnen und eine Umverteilung im
Ergebnis unzulässig.

5. Gesamtergebnis

Die in Art. 97 Abs. 1 GG und Art. 20 Abs. 3 GG verfassungsrechtliche nor-


mierte Gesetzesbindung ist ebenso Voraussetzung wie logische Folge einer funk-
tionierenden Gewaltenteilung. Nur auf diese Weise kann sichergestellt werden,
dass sich die Judikative nicht durch eigene Rechtsbildung zu einem Ersatzgesetz-
geber aufschwingt. Sie sichert die Übertragung der Entscheidung des demokra-
tisch legitimierten Gesetzgebers hinein in die Einzelfallentscheidungen der Ge-
richte.
Im Strafrecht wird diese Bindung durch Art. 103 Abs. 2 GG verstärkt. Diese
Norm setzt insbesondere dem Bereich der richterlichen Rechtsfortbildung im
Strafrecht enge Grenzen. Die Anwendung von Öffnungsklauseln durch die Judi-
kative kann, aufgrund der Befugnis, die Norm auch auf vergleichbare oder ähnli-
che Fälle anzuwenden, ebenfalls der richterlichen Rechtsfortbildung zugerechnet
werden.

902 Zur Erweiterung des Anwendungsbereichs vgl. D. Simon, Die Unabhängigkeit des

Richters, 1975, S. 69; Ebsen, Gesetzesbindung und „Richtigkeit“ der Entscheidung,


1974, S. 36 am Beispiel der Generalklausel; ebenso Lenckner, JuS 1968, 249, 251; Den-
ninger/Wassermann, Art. 97 GG, Rn. 45.
IX. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit den dargelegten Grundsätzen 233

Der Topos der Gesetzesbindung enthält aber gerade nicht nur einen Auftrag an
die Judikative, sondern ist, um die volle Wirksamkeit des Zwecks zu entfalten,
ebenfalls an die Legislative gerichtet. Das bedeutet, dass Normen durch die ge-
wählte Art der Formulierung eine Bindungswirkung entfalten können müssen.
Sie müssen also eine sog. Bindungskompetenz aufweisen. Eine Bindungswirkung
kann die Norm allerdings nicht erzeugen, wenn sie direkt oder indirekt die Ent-
scheidung über die abstrakten Voraussetzungen der Strafbarkeit auf die Gerichte
überträgt. Denn dann ist die Judikative gezwungen, die Aufgaben der Legislative
zu übernehmen, was der Funktion der Sicherung der Gewaltenteilung wider-
spricht. Der Grundsatz der Gewaltenteilung führt nicht dazu, dass sich die Auf-
gabenbereiche immer und zu jeder Zeit starr voneinander trennen lassen. Viel-
mehr findet auch in der erforderlichen Konkretisierung von Normen immer auch
eine Form der Rechtsschöpfung durch die Gerichte statt. Unzulässig ist aber,
wenn Kernbereiche einzelner Gewalten übertragen werden. Öffnungsklauseln
zeichnen sich dadurch aus, dass sie es den Rechtsanwender*innen ermöglichen,
die Norm auf vergleichbare Fälle anzuwenden. Sie werden so allein auf Grund-
lage der richterlichen Begründung auf andere Weise rechtsschöpferisch tätig als
dies z. B. im Bereich von Generalklauseln bei der notwendigen Konkretisierung
von Normen, erforderlich ist. Diese Berührung des Kernbereichs der Gewalten-
teilung aufgrund der fehlenden Bindungskompetenz führt zu einer Verletzung
sowohl des Grundsatzes der Gewaltenteilung als auch des Grundsatzes der Ge-
setzesbindung.

IX. Ergebnis der Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln


mit den dargelegten Grundsätzen

Aufgrund der Aufgabenverlagerung von der Legislative auf die Judikative


beim Einsatz von Öffnungsklauseln stellt sich die Frage, inwieweit der Einsatz
solcher Öffnungsklauseln überhaupt mit der Verfassung vereinbar ist. Dazu
wurde die Vereinbarkeit dieser Gesetzgebungstechnik mit dem Bestimmtheits-
grundsatz, dem Analogieverbot, dem Rückwirkungsverbot, dem Grundsatz der
Gesetzesbindung, dem Grundsatz der Gewaltenteilung und dem fragmentarischen
Charakter des Strafrechts untersucht. Diese Grundsätze und Verbote leiten sich
entweder direkt aus Art. 103 Abs. 2 GG oder aus dessen konsequenter Einhal-
tung ab. Das in Art. 103 Abs. 2 GG und § 1 StGB normierte Gesetzlichkeitsprin-
zip hat eine überragende Bedeutung, weil es im Bereich der Strafgesetzgebung
als besonders eingriffsintensivem Bereich erhöhte Anforderungen an die Legis-
lative stellt und auf diese Weise vor Willkür schützt und zur Beibehaltung des
Gewaltenteilungsgrundsatzes beiträgt.
In Bezug auf die Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Bestimmtheits-
grundsatz kann ein pauschaler Verstoß der Gesetzgebungstechnik nicht fest-
gestellt werden. Gerade die zuvor genannten expliziten Verhaltensweisen können
234 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

zur Konkretisierung der Norm beitragen und so eine hinreichende Bestimmtheit


sicherstellen. Gleiches kann für das Analogieverbot wie auch für die Feststellung
eines pauschalen Verstoßes gegen das Analogieverbot. Dieses enthält eine Hand-
lungsanweisung an die Judikative, die Norm nicht auf vergleichbare Fälle anzu-
wenden. Die Besonderheit bei Öffnungsklauseln ist allerdings, dass der Gesetz-
geber diese Anwendung auf vergleichbare oder ähnliche Fälle anordnet. Zwar
dient das Analogieverbot seinem Sinn und Zweck nach auch dem Grundsatz der
Gewaltenteilung. Indem es sicherstellt, dass die Judikative die ihr zugesproche-
nen Kompetenzen nicht überschreitet. Bei Öffnungsklauseln ist der Fall durch die
gesetzgeberische Anordnung aber anders gelagert. Die Aufgabenverlagerung wird
gerade durch die Norm selbst angeordnet und findet nicht erst in der Anwendung
auf den Einzelfall statt. Nach dem klassischen Verständnis vom Analogieverbot
kann auch durch die sog. „innertatbestandliche Analogie“ kein Verstoß festge-
stellt werden. Stattdessen wird diese unzulässige Aufgabenverlagerung direkt
vom Gesetzesbindungspostulat und dem Grundsatz der Gewaltenteilung erfasst.
Ebenso kann auch kein pauschaler Verstoß von Öffnungsklauseln gegen den
fragmentarischen Charakter des Strafrechts festgestellt werden. Zum einen ist der
Charakter des Strafrechts logische Folge der Einhaltung der in Art. 103 Abs. 2 GG
genannten Prinzipien. Insoweit konnte kein Verstoß von Öffnungsklauseln gegen
das Gesetzlichkeitsprinzip festgestellt werden. Zum anderen kann insbesondere
aufgrund der unklaren Maßstäbe, nach denen sich eine Unvereinbarkeit mit dem
fragmentarischen Charakter des Strafrechts bemisst und aufgrund der Möglich-
keit der Begrenzung der Anwendungsbereiche der Normen durch die vorher
explizit genannten Verhaltensweisen kein solcher Verstoß festgestellt werden.
Daraus kann wiederum geschlossen werden, dass konkrete Normen, die sich der
Gesetzgebungstechnik der Öffnungsklauseln bedienen, ihrerseits mit dem frag-
mentarischen Charakter des Strafrechts vereinbar sein können.
Differenzierter stellt sich hingegen die Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit
dem Rückwirkungsverbot dar. Zunächst ist festzustellen, dass es sich bei der An-
wendung von Öffnungsklauseln nicht um eine Rückwirkung von Strafgesetzen
im klassischen Sinne handelt. Im Hinblick auf die Interessenlage bei der (erst-
maligen) Anwendung von Öffnungsklauseln kann allerdings festgestellt werden,
dass eine vergleichbare Interessenlage vorliegt, wie sie auch bei der Rückwir-
kung von Strafgesetzen zutage tritt. Auch hier ist unter Umständen bei Urteils-
verkündung nicht zweifelsfrei eindeutig, ob das entsprechende Verhalten den Tat-
bestand erfüllt. Es fehlt also im gleichen Maße, wie bei der klassischen Rückwir-
kung von Strafgesetzen, an der Vorhersehbarkeit der Strafbarkeit. Daraus kann
geschlossen werden, dass hier eine vergleichbare Interessenlage vorliegt, die die
analoge Anwendung des Rückwirkungsverbotes auch auf die erstmalige Anwen-
dung von Öffnungsklauseln rechtfertigt. Ob dies bei der Gesetzgebungstechnik
der Öffnungsklauseln immer der Fall ist, ist an dieser Stelle nicht entscheidungs-
erheblich, denn diese Konfliktlage kann durch die Anwendung eines sog. pro-
IX. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit den dargelegten Grundsätzen 235

spective overruling umgangen werden. Auf diese Weise kommt es nicht in jedem
Falle zur Unvereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Rückwirkungsverbot.
Dennoch kommen in all den zuvor geprüften verfassungsrechtlichen Grund-
sätzen auf unterschiedliche Weise der Grundsatz der Gesetzesbindung und der
Grundsatz der Gewaltenteilung zum Ausdruck. Mit diesen Grundsätzen ist die
Gesetzgebungstechnik der Öffnungsklauseln, auch losgelöst von einer konkreten
Norm, nicht vereinbar. Der Grundsatz der Gesetzesbindung ist mit dem Grund-
satz der Gewaltenteilung untrennbar verbunden. Nur wenn eine Norm eine sog.
Bindungskompetenz aufweisen kann, kann auch die Aufgabenverteilung zwi-
schen Legislative und Judikative sichergestellt werden. Eine solche Bindungswir-
kung weisen Öffnungsklauseln gerade nicht auf. Sie enthalten eine ausdrückliche
Aufgabenverlagerung, indem sie der Judikative die Befugnis erteilen, die Norm
auch auf vergleichbare oder ähnliche Fälle anzuwenden. Damit geht die Anwen-
dung von Öffnungsklauseln gerade über die bei der Rechtsanwendung notwen-
dige Konkretisierung von Normen hinaus. Der Kernbereich legislativer Tätigkeit,
selbst abstrakt über die Strafbarkeit von Verhaltensweisen zu entscheiden, wird
bewusst auf die Judikative übertragen.
E. Konsequenz für Strafgesetze
Abschließend bleibt noch die Frage, welche Auswirkungen die obigen Feststel-
lungen auf die Strafgesetzgebung haben. Dabei sind zwei Konsequenzen zu diffe-
renzieren: Der zukünftige Einsatz von Öffnungsklauseln bei neu zu schaffenden
Tatbeständen und der Umgang mit dem Einsatz von Öffnungsklauseln als Gesetz-
gebungstechnik in bereits existierenden Strafgesetzen. Dabei ist die Rechtsfolge
der ersten Gruppe offensichtlich: Öffnungsklauseln sollten in der Strafgesetz-
gebung aufgrund ihrer Unvereinbarkeit mit dem Grundsatz der Gesetzesbindung
und dem Grundsatz der Gewaltenteilung nicht eingesetzt werden.1 Ob dabei eine
rein generalisierende Betrachtung oder eine rein kasuistische Methode gewählt
werden sollte, kann hier nicht beurteilt werden und müsste an anderer Stelle wei-
tergehend untersucht werden.
Weiterhin und ebenfalls an anderer Stelle wäre zu untersuchen, wie aber der
Einsatz von Öffnungsklauseln im Völkerstrafrecht zu behandeln wäre. Denn
diese Form der Gesetzgebungstechnik findet sich gerade nicht nur im nationalen
Strafrecht. In § 7 Abs. 1 Nr. 3 VStGB wird mit der Formulierung „oder [. . .] auf
andere Weise einen Menschen versklavt“ eine Öffnungsklausel verwendet. Diese
wird aber deutlich weniger kritisch gewürdigt, als dies bei vergleichbaren Rege-
lungen im Rahmen des StGB der Fall ist. Art. 7 Abs. 1 EMRK fordert den Schutz
vor willkürlicher Strafverfolgung, dies gilt aber gem. Art. 7 Abs. 2 EMRK gerade
nicht für Verbrechen gegen die Menschlichkeit (sog. Nürnberg-Klausel). Damit
gilt das Gesetzlichkeitsprinzip nur eingeschränkt im Völkerstrafrecht.2 Eine
Strafbarkeit nach allgemeinen völkerstrafrechtlichen Grundsätzen zum Zeitpunkt
der Tatbegehung genügt damit.3 Offen bleibt an dieser Stelle, ob auch im Völker-
strafrecht der Einsatz von Öffnungsklauseln vermieden werden müsste oder ob an
dieser Stelle aufgrund der überragenden Bedeutung der dort betroffenen Rechts-

1 Zu alternativen Gesetzgebungstechniken vgl. z. B. Hassemer, Strafen im Rechts-

staat, S. 25 und Mertens, Gesetzgebungskunst im Zeitalter der Kodifikationen, S. 287,


292 ff., wonach die Rechtsordnung durch eine Mischung unterschiedlicher Gesetzge-
bungstechniken charakterisiert wird.
2 Anders allerdings die deutsche Ratifizierung des Vertrages vom 05.12.1952, vgl.

dazu Bekanntmachung über das Inkrafttreten der Konvention zum Schutze der Men-
schenrechte und Grundfreiheit, abrufbar unter https://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav
#__bgbl__%2F%2F*%5B%40attr_id%3D%27bgbl254s0014.pdf%27%5D__160828837
3665 [zuletzt abgerufen am 18.12.2020].
3 Sachs/Degenhart, Art. 103 Rn. 56.
E. Konsequenz für Strafgesetze 237

güter die Anwendung dieser Gesetzgebungstechnik ausnahmsweise gestattet sein


sollte.
Darüber hinaus verbleibt infolge der in dieser Arbeit behandelten Fragestel-
lung die Frage, wie mit Normen im nationalen Strafrecht umzugehen ist, die be-
reits von Öffnungsklauseln Gebrauch gemacht haben und Teil der Strafrechtsord-
nung sind. Die Verfassungswidrigkeit von Öffnungsklauseln muss zunächst ge-
richtlich, z. B. in Form einer abstrakten Normkontrolle festgestellt werden. Die
Kompetenz dazu obliegt dem BVerfG, Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG, Art. 100 GG.
Die Verfassungswidrigkeit eines Normteils muss sich nicht zwingend auf die ge-
samte Norm auswirken. Entscheidend ist, ob die Norm auch ohne den verfas-
sungswidrigen Teil sinnhaft ist.4 Die Nichtigkeit kann sich folglich auch aus-
schließlich auf die Öffnungsklausel beziehen, sog. Teilnichtigkeit.5
Das Gericht kann dann den von der Verfassungswidrigkeit betroffenen Norm-
teil für teilweise nichtig erklären. Die Öffnungsklausel wird dann genau im Urteil
bezeichnet und der Normtext wird um die Öffnungsklausel reduziert.6 Die Norm
kann und sollte möglichst erhalten bleiben.7 Eine solche Trennung zwischen
exemplifizierender Methode und Öffnungsklausel ist insbesondere im Hinblick
auf den kasuistischen Teil wünschenswert, wenn er denn dem erkennbaren Willen
des Gesetzgebers entspricht.
Das BVerfG kann unter Umständen aber auch eine verfassungskonforme Aus-
legung betreiben und die Öffnungsklausel bei zukünftiger Rechtsanwendung
außer Acht lassen oder so auslegen, dass ihr kein eigener Anwendungsbereich
zugutekommt.8 Ob dies allerdings dem gesetzgeberischen Willen entspricht –
und das ist bei der verfassungskonformen Auslegung zumindest zu beachten – ist
zweifelhaft.9 Allerdings ist insbesondere bei der verfassungskonformen Ausle-
gung zu beachten, dass die Judikative die Entscheidung nicht an den Gesetzgeber
zurückgibt, sondern selbst in einer partiell legislativen Funktion auftritt.10 Was

4 Vgl. zur verfassungskonformen Auslegung von Strafgesetzen MüKo-StGB/

Schmitz, § 1 Rn. 97.


5 BVerfGE 65, 325, 358.
6 Schlaich/Korioth/Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, Rn. 384 f.; bei der Ver-

urteilung nach einer solchen Öffnungsklausel ist die Wiederaufnahme des Verfahrens
gem. § 79 Abs. 1 BVerfGG nach den Vorschriften der StPO möglich.
7 Schlaich/Korioth/Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, Rn. 449.
8 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 08.03.1972 – 2 BvR 28/71 = BVerfGE 32, 373 = NJW

1972, 1123; Stern, StaatsR Bd. III/2, S. 1147 zur „verfassungskonformen Auslegung“;
zur Verfassungswidrigkeitserklärung vgl. Ipsen, JZ 1983, 41.
9 BVerfG, Beschl. v. 26.04.1994 – 1 BvR 1299/89, 1 BvL 6/90 = BVerfGE 90, 263,

275 = NJW 1994, 2475.


10 Kritisch dazu Lüddermann, JuS 2004, 27, 29; Schlaich/Korioth/Korioth, Das Bun-

desverfassungsgericht, Rn. 450; kann aber auch als ein „zu viel an Deutungshilfe für
den Gesetzgeber“ verstanden werden, vgl. Stern, StaatsR Bd. II, S. 959.
238 E. Konsequenz für Strafgesetze

auch in diesem Fall die Frage aufwirft, wer tatsächlich Recht macht. In jedem
Falle würde es aber, bei einer entsprechenden Entscheidung, dazu führen, dass
die Öffnungsklausel nicht weiter anwendbar ist. Dies betrifft aber nur den Fall
der nationalen Strafgesetzgebung.
F. Praktische Konsequenzen der Nichtanwendung
von bestehenden Öffnungsklauseln
Zu befürchtende Regelungslücken werden augenscheinlich bei Streichung der
bereits existierenden Öffnungsklauseln nicht verbleiben. Dies zeigt die folgende
exemplarische Analyse der Rechtsprechung zu § 238 Abs. 1 Nr. 8 StGB und
§ 315b Abs. 1 Nr. Dazu sei gesagt, dass diese Analyse der Rechtsprechung insbe-
sondere im Hinblick auf § 315 Abs. 1 Nr. 3 StGB keinen Anspruch auf Vollstän-
digkeit erhebt. Intendiert ist mit der folgenden Darstellung lediglich aufzuzeigen,
wie sich eine Nichtanwendbarkeit auswirken könnte.

I. § 238 Abs. 1 Nr. 8 StGB

Bezüglich des 2007 eingeführten § 238 Abs. 1 Nr. 8 StGB gibt es, soweit er-
sichtlich, nur eine einzige Entscheidung des Landgerichts Potsdam, die auf die
Öffnungsklausel Bezug nimmt.1 In der dortigen Entscheidung suchte die Ange-
schuldigte durch SMS und Anrufe beharrlich die Nähe ihres Opfers. Ein solches
Verhalten lässt sich unstreitig, so sah es auch das LG, unter § 238 Abs. 1 Nr. 2
StGB subsumieren. Dieser erfasst gerade die Fälle der Kontaktaufnahme durch
Telekommunikationsmittel. Warum hier auch ein Fall des § 238 Abs. 1 Nr. 8
StGB angenommen wird, bleibt hingegen offen. Zumindest lässt sich aber für
den in Frage stehenden Sachverhalt feststellen, dass es auch ohne die Öffnungs-
klausel zu einer Verurteilung der Angeklagten gekommen wäre. Strafbarkeits-
lücken wären insoweit nicht zu befürchten gewesen, obgleich schon zweifelhaft
ist, ob Strafbarkeitslücken als Argument für den Einsatz von Öffnungsklauseln
herangezogen werden können.2 Dass es darüber hinaus, soweit ersichtlich, keine
Entscheidungen gibt, die sich auf § 238 Abs. 1 Nr. 8 StGB stützen, legt den
Schluss nahe, dass diese Tatbestandsvariante nicht essenziell ist, um Fälle der
Nachstellung zur Verurteilung zu bringen.3

1 LG Potsdam, Beschl. v. 15.09.2010 – 24 Qs 94/10.


2 Siehe dazu Kap. C. II. 1.
3 Obgleich 2019 18.905 Fälle der Nachstellung polizeilich erfasst wurden, vgl. dazu

Polizeiliche Kriminalstatistik 2019, Band I, S. 12, abrufbar unter https://www.bka.de/


SharedDocs/Downloads/DE/Publikationen/PolizeilicheKriminalstatistik/2019/Jahrbuch/
pks2019Jahrbuch1Faelle.pdf;jsessionid=4A3650027D97D4C3B6E4161FDEA4B1F5.live
0601?__blob=publicationFile&v=3 [zuletzt abgerufen am 17.06.2021].
240 F. Konsequenzen der Nichtanwendung von bestehenden Öffnungsklauseln

II. § 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB


Differenzierter stellt sich das Bild hingegen bei Entscheidungen zu § 315b
Abs. 1 Nr. 3 StGB dar, was zum einen daran liegen dürfte, dass die Norm und
auch die Öffnungsklausel bereits seit 1964 existiert, und vielleicht auch gerade
deswegen, die Rechtsprechung differenzierte Fallgruppen herausgebildet hat. Die
folgende Darstellung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und soll nur in
Grundzügen aufzeigen wie sich eine Außerachtlassung des § 315b Abs. 1 Nr. 3
StGB auswirken könnte.
Es lassen sich bei der exemplarischen Analyse der Rechtsprechung zu § 315b
Abs. 1 Nr. 3 der letzten 60 Jahre zwei Fallgruppen unterscheiden: Die Fälle, in
denen der*die Täter*in mit einem PKW auf Menschen oder andere Fahrzeuge
zufährt4 und die Fälle, in denen Gegenstände aus dem fahrenden PKW oder von
außerhalb auf Fahrzeuge geworfen werden.5 Diesen Fallgruppen ist gemein, dass
die Täter*innen in jedem Fall mit Körperverletzungs- und Tötungsvorsatz gehan-
delt haben oder zumindest Nötigungsvorsatz bestand.6 Dies führt dazu, dass in
den analysierten Fällen neben einer Strafbarkeit aus § 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB
immer auch eine Strafbarkeit aus §§ 223, 224 Abs. 1 Nr. 1 StGB oder § 212
StGB bestand. Hinzukommt, dass Angriffe aus dem Straßenverkehr selbst im
Rahmen des § 315b StGB immer auch einen Schädigungsvorsatz verlangen,7 ein

4 AG Rudolstadt, Urt. v. 02.07.2013 – 110 Js 14767-12: Zufahren auf Fußgänger-

gruppe mit 30 km/h; BGH, Beschl. v. 05.11.2013 4 StR 454-13 = NStZ 2014, 86; OLG
Hamm, Beschl. v. 20.02.2014 – III-1 RVs 15/14, 1 RVs 15/14 = NStZ-RR 2014, 141;
AG Geilenkirchen, Urt. v. 12.06.2018 – 17 Ls 26/18, 17 Ls – 108 Js 1410/17 – 26/18;
BGH, Urt. v. 14.08.2018 – 4 StR 251/18 = NStZ-RR 2018, 332; BGH, Beschl. v. 20.03.
2019 – 4 StR 517/18 = NStZ 2020, 225; OLG, Beschl. v. 27.01.2000 – 2 Ss 1030/2000 =
NStZ-RR 2001, 104 auch beim Zufahren auf eine Polizeiabsperrung, wenn Nötigungs-
zwecke verfolgt werden; LG Zweibrücken, Beschl. v. 01.08.1994 – 1 Qs 112/94 unter
Verweis darauf, dass das Zufahren mit einem PKW einen Gefährdungsvorsatz erfordert;
BGH, Urt. v. 09.11.1989 – 4 StR 342/89 = NZV 1990, 77; OLG Koblenz, Beschl. v.
06.10.1987 – 1 Ss 425/87; BGH, Urt. v. 24.07.1975 – 4 StR 165/75 = BGHSt 26, 176 =
NJW 1975, 1934; BGH, Urt. v. 04.10.1967 – 4 StR 356/67 = BGHSt 22, 6 = NJW
1968, 456.
5 BGH, Urt. v. 06.12.2018 – 4 StR 260/18, wenn die Person auf der Flucht Gegen-

stände aus dem Fahrzeug wirft, um einen Unfall herbeizuführen, kann auch § 315b
Abs. 1 Nr. 2 angenommen werden; BGH, Urt. v. 04.12.2002 – 4 StR 103/02 = BGHSt
48, 119 = NJW 2003, 836; BGH, Beschl. v. 12.11.2002 – 4 StR 384/02 = NStZ 2003,
206: Werfen von Gegenständen von Autobahnbrücke.
6 Womit nicht gesagt ist, dass sich alle Fälle, die von den Gerichten unter § 315b

Abs. 1 Nr. 3 StGB subsumiert werden, erschöpfend in eine der beiden Fallgruppen ein-
teilen lassen, daneben gibt auch noch Fälle, wie das Mitnehmen einer Person auf der
Kühlerhaube bei hoher Geschwindigkeit über einen längeren Zeitraum, vgl. BGH, Urt.
v. 19.12.1974 – 4 StR 541/74 = BGHSt 26, 51 = NJW 1975, 656 oder das Schubsen
eines Radfahrers auf die Fahrbahn, wobei sich dieser Fall auch unter § 315b Abs. 1
Nr. 2 einordnen ließe, vgl. AG Dachau – 1 Cs 53 Js 12791-11.
7 Zu den Voraussetzungen eines sog. „pervertierten Inneneingriffs“ vgl. NK-StGB/

Zieschang, § 315b Rn. 12.


II. § 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB 241

solcher begründet dann i. d. R. auch eine Strafbarkeit aus § 223 oder § 212 Abs. 1
StGB. So käme es auch bei Unanwendbarkeit von Öffnungsklauseln nicht zu ei-
ner Straffreiheit der Verhaltensweisen. Auch wenn es zu keinem Unfall gekom-
men ist, so verbleibt immer auch eine Versuchsstrafbarkeit. Darüber hinaus wei-
sen § 315b Abs. 1 Nr. 2 StGB und § 223 StGB einen identischen Strafrahmen
auf. Unter Umständen liegt in den genannten Fällen aber eine Qualifikation gem.
§ 315b Abs. 3 StGB vor. In diesen Fällen erhöht sich der Strafrahmen, sodass
eine Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu verhängen ist. Eine ver-
gleichbare Strafrahmenerhöhung sieht aber auch § 224 StGB vor. Der Einsatz
eines Fahrzeuges kann darüber hinaus i. d. R. unter § 224 Abs. 1 Nr. 2 Var. 2
StGB subsumiert werden, sodass üblicherweise auch der Tatbestand einer gefähr-
lichen Körperverletzung erfüllt sein dürfte.
Darüber hinaus herrscht zum Teil Unklarheit darüber, ob das Werfen von Ge-
genständen nicht auch bereits von § 315b Abs. 1 Nr. 2 StGB erfasst ist.8 Hier
dürfte es im Einzelfall auf die konkrete Tatsituation ankommen, also ob die Ge-
genstände die anderen PKW direkt treffen sollten oder diese als Hindernisse auf
der Straße liegend beschädigen sollten. Im Zweifel kann hier also auch eine
Strafbarkeit aus § 315b Abs. 1 StGB selbst angenommen werden.
Schließt man sich der Ansicht an, dass diese dem Schutz von Leib, Leben und
Eigentum dienen, ergibt sich auch hier keine Divergenz zu den ansonsten ein-
schlägigen Delikten.9 Hält man hingegen die Sicherheit des Straßenverkehrs
(auch) für das geschützte Rechtsgut,10 kann dies dazu führen, dass eine Verurtei-
lung allein aus Delikten, die dem Schutz von Individualrechtsgütern dienen, dem
Unrecht nicht gerecht wird. Gleichwohl steht es dem Gesetzgeber frei, entspre-
chende Strafbarkeiten für das Zufahren und das Werfen von Gegenständen zu
schaffen, sollte dies für erforderlich gehalten werden, um auf diesem Wege dem
Schutz der Sicherheit des Straßenverkehrs Rechnung zu tragen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass eine Nichtanwendbarkeit des § 315b
Abs. 1 Nr. 3 StGB nicht zu Strafbarkeitslücken führt, denn die Verwirklichung
setzt, zumindest bei Eingriffen aus dem Straßenverkehr selbst, immer auch einen

8 BGH, Urt. v. 06.12.2018 – 4 StR 260/18.


9 Hefendehl, GA 2002, 21, 26; Deichmann, Grenzfälle der Sonderstraftat, S. 193;
SK-StGB/Wolters, § 315b Rn. 2 f. und insoweit kritisch zur „Beeinträchtigung der Si-
cherheit des Straßenverkehrs als geschütztes Rechtsgut“.
10 Die Sicherheit des Straßenverkehrs wird zum Teil ausschließlich für das ge-

schützte Rechtsgut gehalten, vgl. LK-StGB/König, § 315b Rn. 3, verweist aber darauf,
dass der Tatbestand durch seine Fassung auch die Rechtsgüter Leben, Eigentum und die
körperliche Unversehrtheit mitschützt; so wohl auch die Rechtsprechung, vgl. exempla-
risch BGH, Beschl. v. 08.06.2004 – 4 StR 160/04 = NStZ 2004, 625, NStZ 2004; oder
auch in zusätzlich zu den o. g. Individualrechtsgütern, vgl. Matt/Renzikowski, § 315b
Rn. 1; Lackner/Kühl/Heger, § 315 Rn. 1; MüKo-StGB/Pegel, § 315b Rn. 1; Schönke/
Schröder/Hecker, § 315 Rn. 1; SSW-StGB/Ernemann, § 315b Rn. 1.
242 F. Konsequenzen der Nichtanwendung von bestehenden Öffnungsklauseln

Schädigungsvorsatz voraus, der immer auch zu einer Strafbarkeit aus Körperver-


letzungs- oder Tötungsdelikten führen dürfte. Es kommt auch zu keiner nennens-
werten Strafrahmenverschiebung. Einzige Unterscheidung könnte sich aus dem
zu schützenden Rechtsgut ergeben, wobei schon nicht unumstritten ist, welches
Rechtsgut die Verkehrsdelikte der § 315 ff. StGB eigentlich schützen.11

11 Zusammenfassend dazu siehe MüKo-StGB/Pegel, § 315b Rn. 1.


G. Gesamtergebnis
Die Frage, wie eine Gesetzgebungstechnik zum einen Rechtssicherheit für die
Normadressat*innen schaffen kann und zum anderen einen hinreichenden Ent-
scheidungsspielraum für den konkreten Einzelfall aufweisen kann, die der Norm
die nötige Anpassungsfähigkeit an veränderte gesellschaftliche Verhältnisse er-
laubt, ist fortwährend aktuell.
Öffnungsklauseln, die der Gegenstand dieser Untersuchung sind, sollen dabei
den idealen Ausgleich zwischen der Einzelfallgerechtigkeit in der Rechtsanwen-
dung und der erforderlichen Rechtssicherheit darstellen. Erreicht werden soll
dies, indem Öffnungsklauseln es der Judikative durch gesetzliche Anordnung ge-
statten, die Norm auch auf „vergleichbare“ oder „ähnliche“ Fälle anzuwenden.
Hierin liegt auch bereits der wesentliche Unterschied zu Generalklauseln. Gene-
ralklauseln bedienen sich in besonderem Maße höchst konkretisierungsbedürfti-
ger Rechtsbegriffe. Dies ist bei Öffnungsklauseln hingegen nicht der Fall. Zwar
bedarf es ebenfalls in besonderem Maße der Wertung der Richter*innen, welches
Verhalten als „vergleichbar“ oder „ähnlich“ angesehen werden kann. Es erfolgt
aber zuvor eine explizite Nennung von Verhaltensweisen, die als Vergleichsmaß-
stab dienen sollen. Öffnungsklauseln zeichnen sich viel mehr dadurch aus, dass
sie gerade keine Konkretisierung durch die Judikative fordern, sondern einen
Analogieschluss. Gegenstand dieser Arbeit war die Frage, ob eine solche gesetz-
geberische Befugnis zur innertatbestandlichen Analogiebildung verfassungsrecht-
lich zulässig ist.
Dieser Frage wurde sich auf zwei Arten genähert: Zum einen wurde unter-
sucht, welche Zwecke tatsächlich mit dem Einsatz von Öffnungsklauseln verfolgt
werden und ob diese Begründungsansätze tragfähig sind. Zum anderen wurde die
Vereinbarkeit dieser konkreten Art der Gesetzgebungstechnik mit Art. 103 Abs. 2
GG und dem daraus abzuleitenden Grundsatz der Gesetzesbindung, dem Grund-
satz der Gewaltenteilung und dem fragmentarischen Charakter des Strafrechts
untersucht.

I. Begründungen zum Einsatz von Öffnungsklauseln


Die zum Einsatz von Öffnungsklauseln verwendeten Begründungsansätze sind,
losgelöst von konkreten Tatbeständen betrachtet, nicht ohne weiteres legitim.
Dies schließt aber nicht automatisch aus, dass Öffnungsklauseln in einem kon-
kreten Straftatbestand in Bezug auf ein konkret zu schützendes Rechtsgut einen
legitimen Zweck erfüllen können.
244 G. Gesamtergebnis

Die mit dem Einsatz von Öffnungsklauseln im Strafrecht verbundene Hoff-


nung besteht im Wesentlich in der Schließung etwaiger Strafbarkeitslücken, da
der Bereich der eventuell für strafwürdig empfundenen Verhaltensweisen noch
nicht oder nicht hinreichend überschaubar ist. Die Lückenschließung dient dabei
der Vermeidung gesetzesumgehenden Verhaltens, soll aber auch dem Interesse
der Opfer an Bestrafung gerecht werden und die Möglichkeit schaffen, den Ge-
richten die notwendige Flexibilität in den Einzelfallentscheidungen zuzugestehen
und entsprechende Verhaltensweisen für strafbar erachten zu können.
Doch diesen Begründungen begegnen verfassungsrechtliche Bedenken. So ist
gerade nicht Aufgabe der Legislative pauschal etwaige Lücken zu schließen. Es
ist vielmehr Charakter und Ziel des Strafrechts, dass es Lücken aufweist. Ein
lückenloses Strafrecht ist bereits in Hinblick auf das Grundrecht der allgemeinen
Handlungsfreiheit nicht vorgesehen. Das muss umso mehr im Falle der präventi-
ven Lückenschließung gelten, wie sie mit dem Einsatz von Öffnungsklauseln be-
trieben wird. Die Legislative kann vielmehr nur bei etwaig auftretenden Schutz-
lücken in Form von für strafwürdig erachteten Verhaltensweisen im Nachgang
gesetzgeberisch tätig werden und durch eine Gesetzesänderung nachjustieren.
Daran kann auch ein pauschaler Verweis darauf, dass diese Gesetzgebungs-
technik den Interessen der Opfer gerecht wird, nichts ändern. Es ist schon unklar,
auf welche Opfer bei einer solchen Argumentation Bezug genommen wird (tat-
sächliche oder potenzielle). Darüber hinaus lässt auch die empirische Datenlage
keine gesicherten Aussagen darüber zu, ob die pauschale Ausweitung der An-
wendungsbereiche von Tatbeständen ein tatsächliches Opferinteresse darstellt.
Mit dem Hinweis auf die Flexibilisierung in der Entscheidungsfindung bei of-
fenen Tatbeständen kann an dieser Stelle auf die bereits dargelegte Grundproble-
matik verwiesen werden: Flexibilisierung bedeutet immer auch ein Verschwim-
men der Zuständigkeitsbereiche von Legislative und Judikative. Eine solche geht
wiederum zulasten der Rechtssicherheit und kann allein aufgrund derselben nicht
ohne Weiteres als tragfähiger Begründungsansatz deklariert werden.
Ähnlich erscheint die Lage auch beim Verweis auf die Schaffung von Gerechtig-
keit. Zum einen erscheint es zweifelhaft, wenn bezüglich einer Gesetzgebungstech-
nik auf Gerechtigkeitserwägungen verwiesen wird. In Bezug auf die Rechtsstaat-
lichkeit sollte es vielmehr Grundvoraussetzung sein, dass gesetzliche Regelungen
der Gerechtigkeit dienen. Es handelt sich also um eine Grundvoraussetzung und
keinen Argumentationstopos für eine bestimmte Art der Gesetzgebungstechnik.
Erschwerend kommt hinzu, dass auch hier bei pauschaler Verweisung unklar
bleibt, inwieweit die Öffnungsklausel der Durchsetzung von Gerechtigkeit dienen
kann, ob die dabei postulierte Gerechtigkeit überhaupt einen Absolutheits-
anspruch begründen kann und was unter Gerechtigkeit verstanden wird. Gerade
wenn Öffnungsklauseln im Strafrecht mit der Hoffnung eingesetzt werden, dass
sie den Weg zu einer gerechteren oder sogar der gerechtesten Entscheidung eb-
II. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln 245

nen, so muss diesem Optimismus Einhalt geboten werden. Was für gerecht emp-
funden wird, ist nicht unstreitig festgelegt, sondern auch von den politischen Sys-
temen abhängig in denen diese Bewertung getätigt wird. Anwendungsspielräume
zur Verwirklichung der Gerechtigkeit bergen folglich die immerwährende Gefahr,
dass sie sich zum Einfallstor für Rechtsentwicklungen werden, die mit der ur-
sprünglich verbundenen Gerechtigkeitserwägung nichts mehr gemein haben.1 Sie
bieten gerade Einfallstor für das Politische. Rechtsanwendung ist nie völlig wert-
frei, aber sie kann zumindest bemüht sein, sich persönlichen Wertevorstellungen
so weit wie möglich zu entziehen.

II. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

Öffnungsklauseln sind durch ihre gesetzlich geregelte Befugnis zur innertatbe-


standlichen Analogiebildung nicht mit dem Grundsatz der Gesetzesbindung und
dem Grundsatz der Gewaltenteilung vereinbar. Öffnungsklauseln ordnen die An-
wendung der Norm auf dort nicht geregelte Fälle an, die durch einen Vergleichs-
schluss ermittelt werden sollen. Dieser Vergleichsschluss unterscheidet sich, un-
geachtet etwaiger rechtstheoretischer Bedenken bzgl. der Unterscheidbarkeit von
Analogie und Auslegung, von der Konkretisierung von Normen. Die Anwendung
der Norm durch die Judikative soll gerade bewusst über die zuvor aufgezählten
Verhaltensweisen hinausgehen. Dass diese Art der Rechtsanwendung etwas ande-
res ist als eine reine Konkretisierung der Norm im Sinne der Auslegung, wird
dadurch verdeutlicht, dass auch der verfassungsgebende Gesetzgeber zwischen
Auslegung und Analogie unterscheidet, was bereits aus der Existenz eines Analo-
gieverbotes geschlossen werden kann. Außerdem kann der Unterschied zwischen
Auslegung und Analogie auch historisch damit begründet werden, dass § 2
RStGB als Analogieklausel ebenfalls als verfassungswidrig angesehen wurde und
auch hier auf das Analogieverbot verwiesen wurde und insoweit ein qualitativer
Unterschied zur Gesetzesauslegung gesehen wurde.
In dieser Unterscheidung liegt auch der wesentliche Unterschied zwischen Ge-
neral- und Öffnungsklauseln. Öffnungsklauseln sind gerade nicht geeignet, die
von der Legislative getroffene Entscheidung auf die Einzelfallentscheidung der
Judikative zu übertragen. Denn die gesetzgebende Gewalt lässt die Entscheidung
bewusst offen und überträgt diese Entscheidung auf die Judikative. Die Entschei-
dung über strafbares Verhalten ist aber ureigene Aufgabe der Legislative und darf
nicht durch einen gesetzgeberischen Akt übertragen und auf diese Weise die Ge-
waltenteilung umgangen werden.
Aus diesem Verstoß gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung kann auch der
Verstoß gegen den Grundsatz der Gesetzesbindung abgeleitet werden: Die Bin-

1 Zu Gerechtigkeitserwägungen bei politischen Systemwechseln, siehe auch: Rü-

thers, JZ 2006, 53, 56.


246 G. Gesamtergebnis

dung soll gerade eine Fortsetzung der Entscheidung des demokratisch legitimier-
ten Gesetzgebers in die Einzelfallentscheidung der Gerichte hinein sicherstellen.
Wenn aber der Gesetzgeber die Entscheidung gerade offenlässt und bewusst auf
die Judikative überträgt, dann fehlt Normen die erforderliche „Bindungskompe-
tenz“.
Hingegen können Verstöße gegen den Bestimmtheitsgrundsatz und das Analo-
gieverbot nicht pauschal angenommen werden. Öffnungsklauseln weisen, anders
als klassische Generalklauseln, gerade eine explizite Aufzählung der unter Strafe
stehenden Verhaltensweisen auf, die vor der eigentlichen Öffnungsklausel ge-
nannt werden. Diese Aufzählung lässt es zu, dass die Judikative sich auch bei der
Anwendung der Öffnungsklauseln daran orientieren und das Ergebnis daran aus-
richten kann. Die Norm zeichnet sich gerade nicht durch Konturlosigkeit oder
eine besonders große Anzahl unbestimmter Rechtsbegriffe aus. Zwar dient auch
der Grundsatz der Gesetzesbestimmtheit der Wahrung der Gewaltenteilung. Die-
se soll aber durch eine möglichst genaue Gesetzesfassung sichergestellt werden.
Problematisch ist bei Öffnungsklauseln aber die Kompetenzübertragung und we-
niger die konkrete Gesetzesfassung im Sinne des gewählten Wortlautes.
Gleiches gilt für das Analogieverbot: Dieses richtete sich primär an die Judika-
tive und besagt, dass diese Normen nicht durch einen Analogieschluss auf nicht
geregelte Sachverhalte anwenden darf. Öffnungsklauseln als Gesetzgebungstech-
nik verstoßen folglich nicht gegen dieses Analogieverbot. Sie enthalten zwar die
Befugnis zur innertatbestandlichen Analogiebildung. Diese betrifft aber die Ge-
setzgebungstechnik und wird vom Grundsatz der Gewaltenteilung erfasst. Ein
klassisches Verständnis des Analogieverbotes erfasst solche innertatbestandlichen
Analogien gerade nicht. Vielmehr liegt hier ein Verstoß gegen den Grundsatz der
Gewaltenteilung vor.
Vergleichbar kann auch die Antwort auf die Frage der Vereinbarkeit von Öff-
nungsklauseln mit dem fragmentarischen Charakter des Strafrechts beantwortet
werden. Dieser findet unterschiedliche verfassungsrechtliche Anknüpfungspunk-
te, z. B. bei Art. 103 Abs. 2 GG, der allgemeinen Handlungsfreiheit und dem
Rechtsstaatsprinzip. Im Hinblick auf diese verfassungsrechtlichen Anknüpfungen
kann aber nicht per se ein Verstoß gegen den fragmentarischen Charakter des
Strafrechts angenommen werden. Zum einen wurde ein pauschaler Verstoß gegen
Art. 103 Abs. 2 GG bereits abgelehnt und zum anderen ermöglichen auch Öff-
nungsklauseln durchaus eine restriktive Rechtsanwendung, sodass es nicht auto-
matisch zu einem Lückenschluss im Strafrecht kommen muss. Des Weiteren ist
anzuerkennen, dass Hauptzweck von Öffnungsklauseln die Schließung von Straf-
barkeitslücken ist; so ist es auch nicht ausgeschlossen, dass konkrete Normen, die
sich der Gesetzgebungstechnik der Öffnungsklauseln bedienen, nicht mit dem
fragmentarischen Charakter des Strafrechts vereinbar sind. Jedoch wurde bereits
die Zwecksetzung, Strafbarkeitslücken zu schließen, als illegitim gewertet. Was
II. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln 247

die konkrete Ausformung von Öffnungsklauseln betrifft, so führt die dort vorge-
nommene Kompetenzverlagerung vielmehr zu einem Verstoß gegen den Grund-
satz der Gewaltenteilung und der Gesetzesbindung.
Insgesamt lässt sich also sagen, dass – auch wenn dem Gesetzgeber bei der
Fassung von Normen ein Entscheidungsspielraum zusteht – durch den Einsatz
von Öffnungsklauseln eine mit dem Verfassungsrecht unvereinbare Kompetenz-
verschiebung von Legislative zur Judikative vornimmt. Die Entscheidung über
strafbares Verhalten wird auf die Gerichte verlagert. Durch eine sich anschlie-
ßende Fallgruppenbildung, die auch für andere Gerichte Vorbildfunktion ein-
nimmt, wird gerade auch die Normierung von abstrakt-generellen Strafbarkeits-
voraussetzungen in besonderem Maße verlagert. Auch wenn die Kompetenz-
verschiebung unter Umständen sowohl von Legislative als auch Judikative
Zustimmung erhalten sollte,2 legitimiert dies nicht die Durchbrechung des
Grundsatzes der Gewaltenteilung und des Grundsatzes der Gesetzesbindung.
Die Entscheidungskompetenz, inwieweit Normen bei veränderter Tatsachen-
lage anwendbar bleiben sollen oder einer Anpassung bedürfen, ist eine poli-
tische. Sie muss zwingend in der Staatsgewalt entscheiden werden, die für poli-
tische Entscheidungen zuständig ist: Der Legislative.3 Der Grundsatz der Ge-
setzesbindung und der Grundsatz der Gewaltenteilung liefen ins Leere, wenn die
Judikative einerseits an die Gesetze gebunden wäre, aber andererseits faktisch
zur Rechtssetzung beauftragt wäre. Recht muss also zwingend und so abschlie-
ßend wie möglich die Legislative machen.

2 Simon, Vom Rechtsstaat zum Richterstaat, Vortrag vom 03.11.2008 abrufbar unter

https://archiv.rechtswirklichkeit.de/veranstaltungen/Vortragsreihe/inhalte/dokumente/vor
trag_simon.pdf [zuletzt abgerufen am 08.09.2020].
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Sachverzeichnis
Allgemeine Handlungsfreiheit 59, 109, Gesetzlichkeitsprinzip 59, 63 ff., 85, 98,
172, 187, 188, 190, 191, 197 108, 119, 136, 156, 160, 183, 186 ff.,
Analogie 20, 21, 26, 38, 48, 70, 120 ff., 194, 204 ff.
169, 196, 206 ff., 218 Gewaltenteilung 50, 63 ff., 73 ff., 85,
Analogieverbot 27, 31, 39, 48, 63, 77, 88 ff., 105, 116 ff., 133, 142, 180, 197,
120 ff., 163, 166, 186, 192, 197 ff., 208, 198 ff., 204 ff.
218, 230 ff.
Auslegung 21, 29, 31, 64, 73, 81 ff.,
Innertatbestandliche Analogie 120,
94 ff., 108 ff., 122 ff., 144, 155, 177,
142 ff., 172, 180, 196, 229
197, 207, 213 ff., 230 ff.

Kernbereichslehre 229
Bestimmtheitsgrundsatz 39, 63, 66,
77 ff., 105 ff., 124, 132, 133 ff., 149,
156, 163, 186, 197, 205, 230
Nachstellung 22, 239
Bindungswirkung 107, 138, 157, 166,
Nulla-poena-sine-lege 175
167, 175 ff., 199, 201 ff., 204 ff., 233

Objektive Theorie 215


Demokratieprinzip 66, 73, 75, 153,
204 ff., 215, 227 Opferinteressen 34 ff., 50 ff., 62, 244
Opferschutz 34 ff., 50

Fragmentarischer Charakter des Straf-


rechts 37 ff., 189, 192, 199 Präzisierungsgebot 99 ff., 134, 159
Freiheitssicherung 68, 78, 188, 190

Rechtsfortbildung 50, 89 ff., 104, 121,


Generalklausel 17 ff., 28, 70, 96, 112 ff., 139, 164, 199, 207, 215, 220 ff., 231
140 ff., 151, 163, 196, 202 Rechtsprechungsänderung 110, 152,
Generalprävention 34, 41 ff., 52, 68, 86, 155 ff., 167, 170, 175 ff.
93, 153, 169 Rechtsstaatlichkeit 76, 93, 227
Gerechtigkeit 27, 34 ff., 48, 55 ff., 72 ff., Rückwirkungsverbot 32, 63, 78 f., 110,
93, 104, 109, 128, 135, 145 ff., 189 ff., 152 ff., 199, 230
195
Gesetzesauslegung 100, 122, 126, 133,
134, 144, 156, 217 Spezialprävention 43
Gesetzesbindung 32, 60, 63 ff., 87, 96, Strafbarkeitslücken 24 ff., 29, 36 ff., 50,
104, 111 ff., 150, 181, 196, 198 ff. 182 ff., 195, 239 f.
Gesetzesumgehung 25 ff., 47, 61, 77, 142 Strafökonomie 190, 198
286 Sachverzeichnis

Strafwürdigkeit 24, 96, 104, 114, 184, Von-nun-an-Theorie 152, 173 ff.
193
Subjektive Theorie 216 Wirksamkeit des Strafrechts 37, 40 ff.,
Subsidiarität 182, 185 62, 93, 201

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