Beruflich Dokumente
Kultur Dokumente
Band 413
Von
Lena Gumnior
Von
Lena Gumnior
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248
Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285
A. Einleitung
Nach § 1 Gerichtsverfassungsgesetz (im folgenden GVG) und Art. 97 Abs. 1
Grundgesetz (im folgenden GG) sind Richter*innen nur dem Gesetz unterwor-
fen. Handlungsanleitung für Richter*innen ist damit nur das, was sich durch Aus-
legung aus dem Gesetz ergibt. Dies hat erhebliche Konsequenzen für die Art und
Weise, wie Strafgesetze geschaffen werden und geschaffen werden sollten. Dabei
bewegt sich die Gesetzgebung in einem ständigen Spannungsfeld zwischen Ein-
zelfallgerechtigkeit und Rechtssicherheit.1 Einzelfallgerechtigkeit kann im Zwei-
fel aber nur durch entsprechende Entscheidungen der Fachgerichte erlangt wer-
den, denen dafür ein gewisser Entscheidungsspielraum zugestanden werden
muss. Ein solcher Entscheidungsspielraum geht aber mit gewissen Unsicherheits-
koeffizienten und infolgedessen nicht ohne die Einschränkung der Rechtssicher-
heit einher.2
Um die Möglichkeiten der Gerichte zur Erreichung einer solchen Einzelfallge-
rechtigkeit zu erweitern, liegt der Schluss nahe, dass die Straftatbestände einen
gewissen Entscheidungsspielraum enthalten sollten. Insbesondere der Einsatz sog.
Öffnungsklauseln3 erlaubt es, Verhaltensweisen unter einen Straftatbestand zu
subsumieren, die der Gesetzgeber bei der Gesetzgebung noch nicht klar umrissen
hat und vielleicht auch nicht umreißen konnte.
Bei solchen Öffnungsklauseln bedient sich die Legislative einer besonderen Art
der Gesetzgebung (siehe dazu unter B. I.). Zunächst wird enumerativ aufgezählt,
durch welche konkreten Verhaltensweisen ein Straftatbestand erfüllt wird. Am
Ende dieser Aufzählung hält sich der Gesetzgeber durch entsprechende Formulie-
rungen offen, auch „andere vergleichbare Handlungen“ oder „ebenso gefährliche
Eingriffe“ darunter zu fassen.4 Der Judikative wird durch diesen gesetzlich ange-
ordneten Ähnlichkeitsschluss ermöglicht, auch weitere, nicht näher bezeichnete
Handlungen unter den Tatbestand zu subsumieren. Es besteht also die Möglich-
keit, Lücken zu füllen, die Tatbestände notwendigerweise hinterlassen, indem sie
S. 314, die stattdessen den Begriff der „Auffangklausel“ verwendet; Karl, Der Tatbe-
stand der Nachstellung, S. 188 ff.; Lackner/Kühl/Kühl, § 238, 5; MüKo-StGB/Gericke,
§ 238 Rn. 34; Gazeas, JR 2007, 497, 501.
4 Vgl. § 238 Abs. 1 Nr. 8 n. F. StGB seit der Neufassung des Gesetzes, die am
01.10.2021 in Kraft getreten ist, zuvor befand sich die Öffnungsklausel in § 238 Abs. 1
Nr. 5 StGB a. F.; § 315 Abs. 1 Nr. 4 und § 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB.
14 A. Einleitung
das strafbare Verhalten möglichst genau umschreiben. Dieses Merkmal ist nicht
nur konstituierend für Öffnungsklauseln, gleichzeitig unterscheiden sich Öff-
nungsklauseln dadurch von klassischen Generalklauseln (siehe dazu unter B. II.).
Mit dem Einsatz von Öffnungsklauseln im Strafrecht werden unterschiedliche
Interessen verfolgt (dazu unter C. I.). Die Hauptintention des Einsatzes solcher
Öffnungsklauseln im Strafrecht ist es, die Möglichkeit zu schaffen, Einzelfälle
im Zweifel unter den entsprechenden Tatbestand zu subsumieren, auch wenn
diese nicht von den zuvor enumerativ aufgezählten Verhaltensweisen erfasst sind.
Dieses Bedürfnis wird mit der Einzelfallgerechtigkeit begründet. Auch ist dieses
Bestreben nach gerechten Lösungen im Einzelfall in Form einer möglichst offe-
nen Strafgesetzgebung keine neue Erscheinung,5 sondern diese gab es bereits im
Rahmen der Vorbereitung der deutschen Strafrechtsreform im Jahre 1905. Hier
wurde vorgeschlagen, dem Tatbestand der Körperverletzung den Zusatz „[. . .]
oder wenn eine Verletzung von gleicher Bedeutung eingetreten ist“ anzufügen.6
Gleichwohl hat der Einsatz von Öffnungsklauseln im Strafrecht nicht an Ak-
tualität verloren. Zuletzt hat die um § 238 Abs. 1 Nr. 8 StGB geführte Diskus-
sion bereits bei Schaffung der Norm als auch im Rahmen der Reformen des Ge-
setzes 2016 und 2021 die Diskussion um die Zulässigkeit von Öffnungsklauseln
im Strafrecht wieder in Gang gebracht.7 Trotz erheblicher verfassungsrechtlicher
5 Wie vielleicht im Hinblick auf die Diskussionen um § 238 Abs. 1 Nr. 8 StGB ge-
Bedenken über die Zulässigkeit der Öffnungsklausel wurde § 238 Abs. 1 Nr. 8
StGB (bzw. § 238 Abs. 1 Nr. 5 StGB a. F.) in das Gesetz aufgenommen und bis-
her nicht gestrichen, obwohl diese Tatbestandsvariante in der Rechtsanwendung
quasi keine Rolle spielt.8
Öffnungsklauseln haben durch ihre Verfasstheit aber erhebliche Auswirkungen
auf das Verhältnis der Aufgabenverteilung von Legislative und Judikative.9 Die
klare Aufgabenteilung von der Fassung abstrakt-genereller Regelungen als Tätig-
keitsfeld der Legislative und der Anwendung der Normen auf den konkreten Ein-
zelfall durch die Judikative droht unterlaufen zu werden, wenn der Gesetzgeber
eine solche vorgelagerte Entscheidung nicht mehr trifft, sondern stattdessen die
Möglichkeit eines Ähnlichkeitsschlusses anordnet. Durch diesen für Öffnungs-
klauseln konstituierenden Ähnlichkeitsschluss unterscheiden sich auch General-
klauseln von Öffnungsklauseln.10
Eine solche Art der Gesetzgebung sieht sich aufgrund der fehlenden abschlie-
ßenden Entscheidung über das strafbare Verhalten und der Aufgabenverlagerung
mit dem Vorwurf der Verfassungswidrigkeit konfrontiert.11 Es stellt sich bei sol-
chen Klauseln unweigerlich die Frage, wer im Ergebnis eigentlich das Recht
schafft; die Richter*innen oder der Gesetzgeber. Es besteht die Befürchtung, dass
der Gesetzgeber eine ihm übertragene Aufgabe12, nämlich die der Gesetzgebung
und die damit verbundene Bestimmung, welche Verhaltensweisen strafbar sind,
auf die Gerichte auslagert und auf diese Weise gegen den Grundsatz der Gewal-
tenteilung und den Grundsatz der Gesetzesbindung verstößt.13
Bisherige Monografien und Beiträge zu diesem Thema beleuchten den Einsatz
konkreter Öffnungsklauseln, wie § 283 Abs. 1 Nr. 8 StGB und § 315b Abs. 1
Nr. 3 StGB, behandeln dort aber nur Teilaspekte der Verfassungsmäßigkeit.14
8 So gibt es, soweit ersichtlich, nur eine Entscheidung des LG Potsdam, die auf
§ 238 Abs. 1 Nr. 8 StGB Bezug nimmt: LG Potsdam, Beschl. v. 15.09.2010 – 24 Qs 94/10.
9 Zur Aufgabenteilung von Legislative und Judikative vgl. Noll, JZ 1963, 297; vgl.
nicht neu, sondern wurde bereits 1927 geführt, vgl. Große Strafrechtskommission, Be-
sonderer Teil, 91.–103. Sitzung, 1959, S. 320; zur Notwendigkeit klarer Normen vgl.
bereits Montesquieu, Vom Geist der Gesetze, S. 251.
12 Maunz/Dürig/Grzeszick, Art. 20 II. Rn. 135; Bringewat, Grundbegriffe des Straf-
rechts, S. 77.
13 Was wiederum zu einer erheblichen Politisierung der Entscheidungen führen kann,
Neubacher/Seher, JZ 2007, 1029; S. Peters, NStZ 2009, 238; Seiler, Analyse und Aus-
legung des Nachstellungstatbestandes, 2010; Fabricius, GA 1994, 164; zum Teil werden
auch nur Einzelaspekte einer möglichen Verfassungswidrigkeit untersucht, wie z. B. die
Vereinbarkeit mit den Analogieverbot, vgl. Eschelbach/Krehl, in: FS-Kargl, S. 81, 86;
Obermann, Gefährliche Eingriffe in den Straßenverkehr, 2005, der lediglich die Verein-
16 A. Einleitung
Darin erschöpfen sich die bisherigen Untersuchungen zum Einsatz von Öffnungs-
klauseln, wobei die verwendete legislative Technik dieser Klauseln häufig nur
einen Teilaspekt der Untersuchungen darstellt. Die vorliegende Arbeit soll einen
ersten Beitrag zur Schließung dieser Lücke liefern und unterzieht Öffnungsklau-
seln als spezifische Form der Strafgesetzgebung und in Abgrenzung zu General-
klauseln im Strafrecht einer grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Untersu-
chung.
Eine solche, von konkreten Tatbeständen losgelöste Untersuchung kann Richt-
linien für zukünftige Gesetzgebungsverfahren aufzeigen und zumindest einen
Hinweis darauf geben, wie Strafgesetze (nicht) geschaffen werden sollten.15
Bereits die mit Öffnungsklauseln verfolgten Ziele des Lückenschlusses und der
gerechten Einzelfallentscheidung stehen im Widerspruch zu strafrechtlichen Prin-
zipien, wie dem fragmentarischen Charakter des Strafrechts oder scheinen schon
nicht erreichbar, ebenso wie die Schaffung absoluter Gerechtigkeit. Dazu werden
im Folgenden die mit Öffnungsklauseln verfolgten Ziele dargelegt (siehe dazu
Kap. C.) und sodann daraufhin untersucht, inwieweit die gewählten Begrün-
dungsansätze tragfähig sind (dazu unter Kap. B.).
Konstituierendes Merkmal der Öffnungsklauseln ist aber die gesetzgeberisch
angeordnete Möglichkeit zur Lückenschließung. Auf diesem Wege schafft der
Gesetzgeber die Möglichkeit für die Judikative, die Norm auch auf Fälle anzu-
wenden, die gerade nicht ausdrücklich in der zuvor erfolgten enumerativen Auf-
zählung genannt werden. Die Legislative vermeidet es auf diese Weise selbst eine
abschließende Regelung für die als strafbar empfundenen Verhaltensweisen zu
schaffen und verlagert diese Aufgabe stattdessen auf die Rechtsprechung.
Inwieweit ein solches Vorgehen verfassungsgemäß ist, wird anhand des Ge-
setzlichkeitsprinzips (dazu unter D. I.–VI.), aufgrund der lückenschließenden
Funktion anhand des verfassungsrechtlich verankerten fragmentarischen Charak-
ters des Strafrechts (dazu unter D. VII.) und dem mit diesem untrennbar verbun-
denen Grundsatz der Gesetzesbindung und dem Grundsatz der Gewaltenteilung
untersucht (dazu unter D. VIII.). Diese Aufgabenverlagerung berührt den Kernbe-
reich legislativer Tätigkeit (dazu unter D. VIII.). Gleichzeitig fehlt es auf diese
Weise an einer abschließenden Entscheidung der Legislative, welches Verhalten
unter Strafe gestellt werden soll. Auf diese Weise kann keine Legitimationskette
zwischen der abstrakten Entscheidung des Gesetzgebers und der konkreten Ent-
scheidung der Judikative hergestellt werden (dazu unter D. VIII.), was zur Verfas-
sungswidrigkeit der Norm führen kann.
wie auch Hirsch sie nennt, vgl. J. Hirsch, in: FS-Puppe, S. 105.
B. Begriffsbestimmung
Gegenstand der vorliegenden Untersuchung sind sog. Öffnungsklauseln im
Strafrecht, wie sie in §§ 315 Abs. 1 Nr. 4, 315b Abs. 1 Nr. 3 und 238 Abs. 1
Nr. 8 StGB verwendet werden. Vorliegend wird ein strafrechtliches Verständnis
des Begriffs der Öffnungsklausel zugrunde gelegt (dazu unter I.).1 Öffnungsklau-
seln unterscheiden sich durch den Verweis auf die Strafbarkeit vergleichbarer
Verhaltensweisen auch von klassischen Generalklauseln im Strafrecht, die wie-
derum durch die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe gekennzeichnet sind
(dazu unter II.).
I. Definition Öffnungsklausel
Öffnungsklauseln sind solche Bestandteile einer Norm, die nach einer enume-
rativen Aufzählung als letzten Punkt den Tatbestand für weitere nicht abschlie-
ßend aufgezählte Handlungen „öffnen“.2 Dies geschieht, indem der Wortlaut des
Gesetzes die Anwendung der Norm auf „ähnliche“ oder „vergleichbare“ Hand-
lungen anordnet. Insbesondere im Rahmen des § 238 Abs. 1 Nr. 8 StGB hat sich
die Bezeichnung als Öffnungsklausel durchgesetzt.3 Die Bezeichnung des § 238
Abs. 1 Nr. 8 StGB als Öffnungsklausel wurde augenscheinlich erstmals von Ga-
zeas anlässlich des Gesetzgebungsverfahrens verwendet und etablierte sich.4
Diese Begrifflichkeit beschreibt besonders plastisch, dass diese Art der Gesetz-
gebung der Erweiterung der strafbaren Handlungen dient. Es handelt sich also
um den Bestandteil einer Norm, die sich aus einer Kombination von Kasuistik
recht (z. B. im WEG-Recht) genutzt, um Parteien die Möglichkeit zu eröffnen, von den
bestehenden Regelungen abzuweichen. Die Nutzung des Begriffs in Bezug auf das Ver-
tragsrecht soll hier aber nicht weiter erörtert werden. Vgl. dazu etwa BeckOGK-Her-
mann, § 23 WEG Rn. 49.
2 Auch der 3. Strafsenat des BGH spricht in einer Entscheidung zur § 238 Abs. 1
Nr. 8 davon, dass dieser „das Spektrum der Tathandlungen [. . .] öffnet“; diese Art der
Gesetzgebung wird zum Teil in anderen Rechtsgebieten als „Anpassungs- und Ergän-
zungsklausel“ bezeichnet, vgl. Ipsen, Richterrecht und Verfassung, S. 71.
3 Karl, Der Tatbestand der Nachstellung, S. 188, wobei hier uneinheitlich sowohl der
Begriff Auffangtatbestand als auch der Begriff Öffnungsklausel verwendet wird; Lack-
ner/Kühl/Kühl, § 238 Rn. 5; MüKo-StGB/Gericke, § 238 Rn. 34; Gazeas, JR 2007,
497, 501; zum Teil werden diese auch als Analogieklauseln bezeichnet, vgl. Eschel-
bach/Krehl, in: FS-Kargl, S. 81, 86; Kühl, in: FS-Seebode, S. 61, 69; Sadtler, Stalking –
Nachstellung, S. 314 ff. spricht hingegen von einer sog. „Auffangklausel“.
4 Gazeas, KJ 39 (2006), 247, 258.
18 B. Begriffsbestimmung
5 Vgl. zu dieser Art der Gesetzgebung Garstka, in: Juristische Methodenlehre und
des verwendet wird, vgl. MüKo-StGB/Gericke, § 238 Rn. 34; Eiden, ZIS 2008, 123,
127; Buß, JR 2011, 80, 84; Mosbacher, ZRP 2016, 161; Kuhlen, ZIS 2018, 89, 90.
7 J. Hirsch, in: FS-Puppe, S. 115; Kubiciel, jurisPR-StrafR 8/2016, Anm. 1, abrufbar
normativer und deskriptiver Tatbestandsmerkmale und unter Verweis auf die Definition
bei Engisch, FS-Mezger, S. 147; und zuletzt dazu Kuhli, Normative Tatbestandsmerk-
male in der strafrichterlichen Rechtsanwendung.
11 Vgl. BT-Drucksache IV/650 v. 04.10.1962, S. 522.
12 Haubelt, Die Konkretisierung der Generalklausel, S. 9.
13 Ob es sich dabei um einen Fall der Gesetzesauslegung oder der Analogie handelt,
wird an anderer Stelle erörtert, vgl. dazu in dieser Arbeit Kap. D.V. 2.
II. Abgrenzung von Öffnungsklauseln zu Generalklauseln 19
mulierung nicht gänzlich auf die übrige Regelung.14 Es fehlt an dem für Öff-
nungsklauseln konkretisierenden gesetzlich angeordneten Ähnlichkeitsschluss.
Gegenstand dieser Untersuchung sollen nur Öffnungsklauseln sein, die keine ei-
genen, ohne den restlichen Tatbestand verständliche Merkmale in sich tragen,
und die gesetzgeberisch ausdrückliche Befugnis enthalten, den Tatbestand auch
auf vergleichbare oder ähnliche Fälle anzuwenden.
len und kasuistischen Regelungen, was den Kern nicht ganz zu treffen scheint. Denkbar
sind eben auch kasuistische Regelungen, deren einzelne Tatbestandsvarianten generell
sind.
17 Obwohl in Bezug auf § 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB auch der Begriff „Generalklausel“
662, 663; Haubelt, Die Konkretisierung der Generalklausel, S. 5; Werner, Zum Verhält-
nis von gesetzlicher Generalklausel und Richterrecht, S. 7 ff.
20 B. Begriffsbestimmung
250 und verweist auf die Strukturgleichheit von Generalklauseln und normativen Tatbe-
standsmerkmalen.
21 Weber, AcP 192 (1992), 516, 525.
22 Kramer, Juristische Methodenlehre, S. 70.
23 Vgl. dazu in dieser Arbeit Kap. D. V. 2. b).
24 Lenckner, JuS 1968, 249, 250.
25 Haubelt will unter den Begriff der Generalklausel die gesamte Anordnung, also
die Norm als solche, fassen: Haubelt, Die Konkretisierung der Generalklausel, S. 5.
26 Vgl. dazu innerhalb dieser Arbeit Kap. D. V. 4.
II. Abgrenzung von Öffnungsklauseln zu Generalklauseln 21
Welche Ziele der Gesetzgeber konkret mit dem Einsatz der Öffnungsklauseln
verfolgt, ergibt sich aus den dazugehörigen Gesetzesbegründungen und den Ge-
setzgebungsverfahren, in denen zum Teil auch andere Möglichkeiten der Ausge-
staltung der Norm diskutiert wurden.
Öffnungsklauseln finden in der Regel dann Anwendung, wenn sich die Vielfalt
der potenziell gefährdenden Handlungen nicht erschöpfend aufzählen lässt,1 da
zum einen nicht alle möglicherweise für strafwürdig empfundenen Verhaltens-
weisen ersichtlich sind und zum anderen laufend neue potenziell strafwürdige
Verhaltensweisen hinzukommen können. Würde man dennoch auf die Möglich-
keit der Öffnung des Tatbestandes für nicht näher bestimmte Verhaltensweisen
verzichten, würde dies bedeuten, dass für strafwürdig erachtete Verhaltensweisen
aus dem Tatbestand fielen. Ein solcher Zustand kann unter kriminalpolitischen
2 A. a. O.
3 Große Strafrechtskommission, Besonderer Teil, 91.–103. Sitzung, 1959, S. 265,
Lange spricht dabei von einem sog. terra incognita.
4 Großes Strafrechtskommission, Besonderer Teil, 91.–103. Sitzung, 1959, S. 320;
Security of Mankind: „It’s impossible to establish an exhaustive list of the inhuman acts
which might constitute crimes against humanity“, Vereinte Nationen, Art. 18 (k), abruf-
bar unter https://legal.un.org/ilc/texts/instruments/english/commentaries/7_4_1996.pdf
[zuletzt abgerufen am 26.10.2021].
24 C. Legitimität der Begründungsansätze zum Einsatz von Öffnungsklauseln
spruch zeigt bereits auf, dass die mit Öffnungsklauseln verfolgten Ziele nicht
ohne Weiteres als tragfähige Begründungen herangezogen werden können (dazu
näher unter II.).
Dazu sei bereits an dieser Stelle gesagt, dass im Folgenden die mit dem Ein-
satz von Öffnungsklauseln verfolgten Zwecke auf einer generellen Ebene, das
heißt, losgelöst von konkreten Tatbeständen erörtert werden. Es ist also nicht aus-
geschlossen, dass diese Art der Gesetzgebung, wenn sie in einem konkreten Tat-
bestand verwendet wird, wie § 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB für die Verkehrssicher-
heit, ihren konkreten Zweck vom Schutz des Rechtsgutes ableitet und infolge-
dessen für diese einzelne Öffnungsklausel in einer bestimmten Norm dennoch
ein tragfähig begründet werden kann.
Insgesamt ist der Topos der Schließung von Strafbarkeitslücken die am häufigs-
ten genannte Begründung für Gesetzesänderungen in jüngster Zeit.10 Auch bei
den bisher genannten Funktionen des Einsatzes von Öffnungsklauseln handelt es
sich hauptsächlich um den gleichen Argumentationstopos. Denn der Gesetzgeber
sei gerade zur Schließung von Strafbarkeitslücken angehalten.11 Eine solche
Sichtweise fußt auf dem Wunsch, dass jede für strafwürdig gehaltene Verhaltens-
weise vom StGB erfasst werden muss, um entsprechende strafrechtliche Sank-
tionen zu ermöglichen. Kertai beschreibt, dass eine „Nicht-Strafbarkeit bei
gleicher Strafwürdigkeit [. . .] als Wertungswiderspruch und damit als Manko an-
gesehen wird“.12 Denn nur durch eine entsprechend weite Fassung der Straftatbe-
stände könne eine effektive Schließung solcher Strafbarkeitslücken erreicht wer-
den (siehe dazu a)–c)). Diese Vorgehensweise ermögliche einen umfassenden und
lückenlosen Rechtsgüterschutz. Hierbei ist allerdings bereits zweifelhaft, ob so
etwas wie Strafbarkeitslücken im Sinne des Wortlautes überhaupt existieren und
ob die Schließung etwaiger Lücken überhaupt legitim ist (siehe dazu II. 1.).13
10 Schlepper, Strafgesetzgebung in der Spätmoderne, S. 154 ff. erklärt, dass diese Be-
Anhörung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz am 09.11.2016 zum Ent-
wurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Schutzes gegen Nachstellung Drs. 18/9946,
S. 2, abrufbar unter https://www.djb.de/presse/stellungnahmen/detail/st16-23/ [zuletzt
abgerufen am 12.11.2020]; ebenfalls Stellungnahme des Bundesrates zu BT-Drs. 16/
575 vom 08.02.2006, Anlage 2, abrufbar unter https://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/16/
005/1600575.pdf [zuletzt abgerufen am 12.11.2020].
15 Stellungnahme der Deutschen Justiz-Gewerkschaft (DJG) zum Entwurf eines Ge-
setzes zur Verbesserung des Schutzes gegen Nachstellung, S. 2, abrufbar unter https://
www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/Stellungnahmen/2016/Downloads/
04252016_Stellungnahme_djg_RefE_Stalking.pdf;jsessionid=AEB5D4D109E9ED9BB
02179469480E121.2_cid334?__blob=publicationFile&v=1 [zuletzt abgerufen am 11.11.
2020].
16 Montesquieu, Vom Geist der Gesetze, S. 407.
17 Schröder, Zum Begriff der Gesetzesumgehung im materiellen Strafrecht und sei-
buchs als „magna charta des Verbrechers“ wieder, vgl. Liszt, Strafrechtliche Vorträge
und Aufsätze, Bd. II, S. 80.
26 C. Legitimität der Begründungsansätze zum Einsatz von Öffnungsklauseln
Der Einsatz von Öffnungsklauseln dient auf diese Weise auch der „Pönalisie-
rung“ eines solchen gesetzesumgehenden Verhaltens.19
S. 10; zur umfassenden Diskussion und dem Versuch der Bildung einer Definition vgl.
Schröder, Zum Begriff der Gesetzesumgehung im materiellen Strafrecht und seiner Be-
deutung für die praktische Anwendung des Rechts, 2013.
I. Mit Öffnungsklauseln verfolgte Ziele 27
strafwürdig – und bereits hier drängt sich die Frage auf, auf wessen Einschätzung
es bezüglich der Strafwürdigkeit eigentlich ankommt – zu erachtendes Verhalten
löst damit gerade nicht die ganz grundsätzlich intendierte Rechtsfolge aus, da
auch die bewusste Umgehung von Strafgesetzen im Strafrecht straffrei ist.23 Es
entsteht ein Spannungsfeld, welches von (vermeintlichen) Täter*innen bewusst
oder unbewusst (aus-)genutzt werden kann. Ein Fall der Gesetzesumgehung liegt
dabei vor, wenn Täter*innen sich vorsätzlich dieser Lücke bedienen, um einer
Bestrafung zu entgehen.24 Schröder beschreibt dies, als für das „Gerechtigkeits-
empfinden irritierend“.25 Durch eine solche Irritation motiviert, ergibt sich das
Bedürfnis, diese Lücken der Strafbarkeit zu schließen. Diese Lücken erscheinen
für einige durch die genaue Beschreibung der Verhaltensweisen in der vorliegen-
den Art der Gesetzgebung besonders prägnant, wenn im Anschluss darauf auf
eine Öffnungsklausel verzichtet würde. So böten Normen ohne Öffnungsklausel
die Möglichkeit, die dort beschriebenen Verhaltensweisen bewusst zu umgehen
und sich anderer, vergleichbarer Verhaltensweisen zu bedienen.26
Anders als in anderen Rechtsgebieten27 kann die Umgehung von Strafgesetzen
aufgrund des Analogieverbotes (Art. 103 Abs. 1 GG und § 1 StGB) nicht durch
einen Ähnlichkeitsschluss bewältigt werden.28 Dies schließt gerade auch eine
Übertragung von zivilrechtlichen Grundsätzen zur Gesetzesumgehung auf das
Strafrecht aus.29 Um diese häufig dennoch ungewollten Lücken zu schließen30
oder auch von vorneherein zu vermeiden, dass diese wohlweislich genutzt wer-
den, bedient sich der Gesetzgeber des Einsatzes von Umgehungsgesetzen.31 Da-
23 Vgl. Reisner, Die Strafbarkeit von Schein- und Umgehungshandlungen in der EG,
S. 5; Stöckel, ZRP 1977, 134, 135; so im Ergebnis auch Bruns, der sich mit einem Ur-
teil zur Umgehung des § 183 StGB a. F. mit der Gesetzesumgehung im Strafrecht aus-
einandersetzte, vgl. JZ 1956, 151.
24 Schröder, Zum Begriff der Gesetzesumgehung im materiellen Strafrecht und sei-
ner Bedeutung für die praktische Anwendung des Rechts, S. 236; Stöckel, Gesetzes-
umgehung und Umgehungsgesetze im Strafrecht, S. 149.
25 Schröder, Zum Begriff der Gesetzesumgehung im materiellen Strafrecht und sei-
s. Sieker, Umgehungsgeschäfte, S. 58 ff.; hier gilt gerade nicht der Grundsatz, dass jede
Rechtsnorm zugleich auch die Umgehung verbietet, vgl. Bruns, JZ 1956, 147.
28 Dies gilt selbstredend nicht für die Zeit des Nationalsozialismus, in der das Analo-
gieverbot im Strafrecht außer Kraft gesetzt wurde, vgl. dazu Fitting, Analogieverbot
und Kontinuität, S. 58 ff.
29 Bruns, JZ 1956, 152.
30 Eine solche Lückenschließung wird dabei insbesondere im Bereich der Wirt-
verbot geraten können. Diese scheinen zumindest ihrerseits dieses Verbot umgehen zu
wollen.
28 C. Legitimität der Begründungsansätze zum Einsatz von Öffnungsklauseln
Bei Normen, die sich einer Öffnungsklausel bedienen, könnte es sich gerade
um solche verschleierten Umgehungsgesetze handeln, was wiederum auf die Ille-
gitimität des damit verfolgten Ziels hinweisen dürfte.36 Diese öffnen gerade den
Tatbestand für nicht näher bezeichnete Verhaltensweisen durch die Möglichkeit
eines Ähnlichkeitsschlusses. Dabei gehen Öffnungsklauseln auf diese Weise ge-
rade anders vor als klassische Generalklauseln, die sich besonders konkretisie-
rungsbedürftiger Regelungen bedienen.
Dies legt den Schluss nahe, dass damit auch das vorsätzlich gesetzesumge-
hende Verhalten bestraft werden soll. Ob es sich dabei um Umgehungsgesetze
handelt, ist aber nicht abschließend geklärt. Teilweise wird, insbesondere in Hin-
blick auf § 315 Abs. 1 Nr. 4 StGB und § 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB angeführt, dass
sich aus der Gesetzesbegründung nicht ergibt, dass die Norm gerade der Vermei-
dung vorsätzlicher Gesetzesumgehungen dienen soll und auch in der Praxis der
Anwendung dieser Norm der Anwendungsbereich in Bezug auf die bewusste
Umgehung eher gering einzuschätzen sei.37
Allerdings kann die konkrete Form der Gesetzgebung auch als bewusst ge-
wähltes Mittel zur „Bekämpfung von GU [Gesetzesumgehungen]“ 38 eingestuft
ner Bedeutung für die praktische Anwendung des Rechts, S. 179; so auch Reisner, Die
Strafbarkeit von Schein- und Umgehungshandlungen in der EG, S. 8; zu den grundsätz-
lichen Möglichkeiten der Bekämpfung von Gesetzesumgehungen im Strafrecht vgl.
Stöckel, ZRP 1977, 134.
35 A. a. O.
36 So auch Stöckel, Gesetzesumgehung und Umgehungsgesetze im Strafrecht, S. 145.
37 Schröder, Zum Begriff der Gesetzesumgehung im materiellen Strafrecht und sei-
werden. Die Gesetzesbegründung zu § 238 Abs. 1 Nr. 8 StGB in Bezug auf die
Einführung und schließlich der Beibehaltung einer Generalklausel legt diesen
Schluss nahe. Hier wurde die Öffnungsklausel eingesetzt, um der Vielgestaltig-
keit des Phänomens Herr zu werden. Dies zeigt, dass davon ausgegangen wird,
dass sich die für strafbar zu erachtenden Verhaltensweisen nicht abschließend
aufzählen lassen. In den Stellungnahmen wird teilweise davon gesprochen, die
Kreativität der Täter*innen nicht zu belohnen.39 Insbesondere das Motiv des
Schließens von Strafbarkeitslücken40 bezieht sich zunächst auf alle erdenklichen
Lücken und damit auf solche, die unbewusst aber auch auf solche, die bewusst
genutzt werden. Hier findet gerade keine weitere Differenzierung durch den Ge-
setzgeber statt, was für eine weite Auslegung des verfolgten Zweckes spricht.
Wenn auf Grundlage der einzelnen Stellungnahmen die Aufnahme oder Bei-
behaltung von Öffnungsklauseln befürwortet wurde, kann daraus geschlossen
werden, dass dadurch verhindert werden soll, dass Täter*innen bewusst solche
Verhaltensweisen wählen, die nicht durch die tatbestandliche Umschreibung kri-
minalisiert wurden.
Es ist nicht ersichtlich, warum der Gesetzgeber dieses Motiv nur auf die unbe-
wusste Umgehung von Strafgesetzen habe anwenden wollen. Auch wenn die Ver-
hinderung von Gesetzesumgehungen nicht die alleinige Zielsetzung bei der Ver-
wendung dieser Art der Gesetzgebung darstellt, so kann doch davon ausgegangen
werden, dass dies zumindest einen Punkt im Rahmen eines Motivbündels41 des
Gesetzgebers beim Einsatz von Öffnungsklauseln darstellt.
Auch kann aus dem, den Gesetzgebungsprozess nachgelagerten, tatsächlichen
Anwendungsbereich allein noch nicht die Intention des Gesetzgebers zum Zeit-
punkt der Gesetzgebung hergeleitet werden. Schließlich werden Gesetze gerade
aus der ex-ante Perspektive begründet. Außerdem stellt Schröder dabei auch le-
diglich die Vermutung auf, dass die Fälle der bewussten Gesetzesumgehung in
der Minderheit seien.42 Selbst, wenn dies der Fall sein sollte, kann die Legisla-
tive dennoch zum Zeitpunkt der Gesetzgebung die bewusste Gesetzesumgehung
zu verhindern gesucht haben. Auch Bruns sieht den Einsatz von Öffnungsklau-
setzes zur Verbesserung des Schutzes gegen Nachstellung, S. 2, abrufbar unter https://
www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/Stellungnahmen/2016/Downloads/
04252016_Stellungnahme_djg_RefE_Stalking.pdf;jsessionid=AEB5D4D109E9ED9BB
02179469480E121.2_cid334?__blob=publicationFile&v=1 [zuletzt abgerufen am 11.11.
2020].
40 Stellungnahme des Bundesrates zu BT-Drs. 16/575 vom 08.02.2006, Anlage 2,
Als ein weiteres Motiv für die Wahl von Öffnungsklauseln als gestalterisches
Mittel des Gesetzgebers wird die Beibehaltung der Flexibilität in der Rechtsfin-
dung bzw. die flexible Handhabung der strafrechtlichen Vorschriften genannt.46
Eine flexible Möglichkeit der Handhabung der gesetzlichen Regelung könnte
dabei zu einer Effizienzsteigerung des Strafsystems beitragen, indem auf lang-
wierige Gesetzgebungsverfahren im Zweifel verzichtet würde, um strafwürdiges
Verhalten rechtlich zu erfassen. Es wird darauf verwiesen, dass ein von vorneher-
ein sprachlich genauer und allumfassender Ausdruck eben nicht möglich sei.47
Folglich kann Flexibilität im Strafrecht einmal durch eine Entformalisierung
des Strafverfahrens48 aber auch durch eine offene Gestaltung und Erweiterung
von Straftatbeständen49 erreicht werden. Öffnungsklauseln in Straftatbeständen be-
43 Bruns, GA 1986, 1, 9.
44 Bruns, GA 1986, 1, 9; zum Verhältnis von Öffnungsklauseln und dem Analogie-
verbot vgl. V. 4.
45 Stöckel, ZRP 1977, 134, 136; ebd., Gesetzesumgehung und Umgehungsgesetze im
Strafrecht.
46 Vgl. dazu und zur Ökonomisierung des Strafverfahrens allgemein: Singelnstein,
KJ 2011, 7, 15; zur Notwendigkeit von Flexibilität vgl. Hassemer, Einführung in die
Grundlagen des Strafrechts, S. 165; zur Auswirkung der Flexibilität insbesondere durch
den Einsatz von Regelbeispielen vgl. Naucke, KritV 1999, 336 f.
47 Naucke, Über Generalklauseln und Rechtsanwendung im Strafrecht, S. 15; zum
Gefährdungsdelikte zu nennen.
I. Mit Öffnungsklauseln verfolgte Ziele 31
ziehen sich dabei lediglich auf das materielle Strafrecht. Eine solche Einführung
von Flexibilität wird insoweit teilweise als logische Konsequenz eines liberalen
Regierungsstils verstanden50 und als Kennzeichen für ein modernes Strafrecht,
welches auf die „wechselnden Strömungen angemessen antworten [kann]“51, ge-
wertet.
im Vergleich zum Strafrecht zur Zeit des Nationalsozialismus vor, welches bereits die
Bedeutung dieser gesetzlichen Regelung herausstreicht, vgl. dazu insgesamt: Naucke,
Über die Zerbrechlichkeit des rechtsstaatlichen Strafrechts, S. 301 ff.; zur Abgrenzung
von Auslegung und Analogie vgl. in dieser Arbeit Kap. D. V.
55 Vgl. dazu Krahl, Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des
wie z. B. im Falle der Entziehung elektrischen Stroms: Hier war und ist der Wort-
laut des § 242 StGB so gefasst, dass sich der Sachverhalt, namentlich der elek-
trische Strom, gerade nicht mehr unter das Tatbestandsmerkmal Sache des § 242
StGB subsumieren ließ. Hier hatte der Gesetzgeber gerade nicht (rechtzeitig) rea-
giert und hinterließ damit – unbewusst – eine Lücke.57 Bei einer entsprechend
engen Fassung der Tatbestände kann folglich eine Anpassung des Rechts an ver-
änderte Verhältnisse erforderlich sein.
57 Siehe dazu die Entscheidung des Reichsgerichts zur Entziehung von Strom, vgl.
werde die Hoffnung auf eine Effektivitätssteigerung verbunden.63 Dabei wird von
einer sog. Ökonomisierung des Handelns gesprochen.64 An dieser Stelle deutet
sich außerdem bereits an, dass diese Umgehung der Entscheidungsfindung des
Gesetzgebers nicht ohne Weiteres als Begründung herangezogen werden kann
und eine solche Art der Gesetzgebung die Art. 103 Abs. 2 GG innewohnende
Wertung – auch in Bezug auf die Aufgabenverteilung – umgeht.
Wenn also die Judikative nicht mehr an bestimmte numerisch aufgezählte Ver-
haltensweisen gebunden ist, dann steht ihr durch eine Öffnungsklausel gerade
frei, das entsprechende Verhalten unter diesen Tatbestand zu subsumieren und
damit zu einer Strafbarkeit zu kommen.65 Dies soll im Ergebnis dafür sorgen,
dass das Strafrecht nicht starr und kasuistisch ist und sich verändernden Verhält-
nissen ohne vorgeschaltetes Gesetzgebungsverfahren anpassen kann.
Aber auch Konstellationen, bei denen der Gesetzgeber keinen politischen Kon-
sens erreichen konnte, könnten dann der „justiziellen Entwicklung“ überlassen
werden.66 Probleme mit der Aufgabenteilung zwischen Legislative, als derjeni-
gen Gewalt, die abstrakt-generell über Strafbarkeit entscheiden soll und der Judi-
kative als Anwenderin dieser Regeln auf den konkreten Einzelfall würden so
durch eine Entscheidung des Gesetzgebers umgangen.67 Insbesondere die Fort-
entwicklung von Gesetzen sei danach durch ein flexibel formuliertes Strafrecht
gewährleistet.68 Rein deskriptive Gesetze könnten hingegen im Ergebnis dazu
führen, dass ein „kriminalpolitischer Stillstand“ entstehen würde.69
Bereits hier deutet sich aber an, dass Flexibilität nur auf Kosten der strikten
Aufgabentrennung erreicht werden kann und die Entscheidung über Strafbarkei-
ten der Judikative überlassen wird und sich ein Konflikt mit Art. 20 Abs. 3 und
Art. 103 Abs.2 GG aufdrängt. Hassemer beschreibt dies so, dass jede gesetzgebe-
rische Entscheidung eine Entscheidung auf der Skala von Flexibilität und Präzi-
sion darstellt.70 Ob es sich dann dabei überhaupt noch um eine legitime Begrün-
dung handeln kann, wird an anderer Stelle erörtert.71
Eine Öffnung des Tatbestandes und damit eine Erweiterung der für strafbar zu
erachtenden Handlungen wird auch mit dem Gedanken des Opferschutzes be-
gründet.72 So weist die Opferschutzorganisation „Der Weiße Ring“ im Rahmen
ihrer Stellungnahme darauf hin, dass es im Falle einer potentiellen Streichung
der Öffnungsklausel zu erheblichen Schutzlücken käme und dies zu einer Ver-
schlechterung des Strafrechtsschutzes für die Opfer führen würde.73 Die Verwen-
dung von Öffnungsklauseln enthalte demnach auch eine Gerechtigkeitskomponen-
te und soll durch ihre Ausweitung der (Wieder-)Herstellung ebendieser dienen.
Diese Hinwendung des Strafrechts in Richtung Opferschutz zeichnete sich in
den letzten Jahrzehnten ab.74 Bei dieser Entwicklung handelt es sich aber unstrei-
tig um eine Hinwendung zum bereits betroffenen Tatopfer. Das „potentielle Tat-
opfer“ war hingegen im Rahmen der positiven Generalprävention schon lange
Zeit im Fokus der Gesetzgebung.75 Dadurch rückten nicht mehr – wie bis dato
72 Auch hier stellt Schlepper einen Anstieg der sog. „opferorientierten Gesetzesbe-
zug auf die Hinwendung zum Opfer siehe Jung, ZRP 2000, 159 ff.; siehe auch zur Ge-
schichte der Viktimologie: Sautner, Viktimologie, S. 5 ff.; Hassemer/Reemtsma, Verbre-
chensopfer, S. 13 ff.
75 Seelmann, JZ 1989, 670.
I. Mit Öffnungsklauseln verfolgte Ziele 35
üblich – die*der Täter*in in den Mittelpunkt des Strafrechts und des Strafverfah-
rens, sondern es erfolgte eine Fokussierung auf die Interessen und Bedürfnisse
des Opfers.76 Diese Hinwendung lässt sich auch in den Argumentationslinien im
Rahmen des Einsatzes von Öffnungsklauseln erkennen.77 Ob aber der pauschale
Verweis auf diese Interessen den Einsatz von Öffnungsklauseln legitimieren
kann, erscheint aufgrund der Vagheit des Begriffs zumindest zweifelhaft und
wird anderer Stelle genauer erläutert.78
76 Zur sog. Viktimologie siehe umfassend: Görgen, in: Handbuch der forensischen
rechte gestärkt werden, welche durch das GewaltSchG nicht als ausreichend gesichert
angesehen wurden, vgl. dazu Gropp, Neue Kriminalpolitik 2002, 112 ff.; ebenfalls Stel-
lungnahme des Bundesrates zu BT-Drs. 16/575 vom 08.02.2006, Anlage 2, abrufbar
unter https://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/16/005/1600575.pdf [zuletzt abgerufen am
12.11.2020]; so auch die Stellungnahme der Fraktion der SPD zur Streichung der Gene-
ralklausel in Bezug auf die Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für
Recht und Verbraucherschutz (6. Ausschuss) BR-Drs. 18/10654 vom 14.12.2016, S. 4:
„Die Fraktion der SPD wies die Bedenken insbesondere aus Opferschutzgesichtspunk-
ten als nicht nachvollziehbar zurück.“; so auch Stellungnahme zu dem Entwurf eines
Gesetzes zur Verbesserung des Schutzes gegen Nachstellung des Weißen Rings, abruf-
bar unter https://www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/Stellungnahmen/
2016/Downloads/05062016_Stellungnahme_Weisser_Ring_RefE_Stalking.pdf?__blob=
publicationFile&v=1 [zuletzt abgerufen am 10.11.2020].
78 Vgl. dazu in dieser Arbeit Kap. C. II.
79 Stöckel, Gesetzesumgehung und Umgehungsgesetze im Strafrecht, 1966, S. 137;
Nachdem nun die Schließung von Strafbarkeitslücken und die Schaffung von
Gerechtigkeit als typische Begründungsmuster für den Einsatz von Öffnungs-
klauseln herausgearbeitet wurden, ist im folgenden Abschnitt zu fragen, wie
diese Begründungsansätze aus verfassungs- bzw. strafrechtlicher Perspektive zu
bewerten sind. Grundsätzlich kann die gesetzgebende Gewalt die Zwecke ihres
Handelns zwar selbst bestimmen86 und dem Gesetzgeber wird insofern eine
weite Einschätzungsprärogative zugestanden.87 Dennoch darf eine gegebene Be-
gründung selbstverständlich nicht wahllos erfolgen. Das folgt für das Strafrecht
bereits aus dem Ultima-Ratio-Grundsatz, wonach aufgrund der Schwere des
Auch wenn der Gesetzgeber gerade zur Schließung dieser Lücken ermächtigt
ist,89 muss die allgemeine Argumentation der Schließung von Strafbarkeitslücken
kritisch betrachtet werden.90 Denn dieses Bestreben nach der Lückenlosigkeit
steht, wie sogleich gezeigt wird, im Widerspruch zum sog. fragmentarischen
Charakter des Strafrechts.91
Zur Feststellung, was darunter zu verstehen ist, kann dieser strafrechtliche
Grundsatz über das Wort „Fragment“ definiert werden. Nach der gängigen Wort-
bedeutung ist ein Fragment das Gegenteil von einem Ganzen.92 Es handelt sich
bei einem fragmentarischen Strafrecht dann um ein nur teilweise geregeltes und
insoweit konsequenterweise lückenhaftes System, bei welchem immer ungere-
fragmentarischen Charakter des Strafrechts, vgl. Kap. D. VII.; siehe dazu auch grund-
legend Binding, Lehrbuch des gemeinen deutschen Strafrechts, S. 20; Hefendehl, JA
2011, 401, 405 f. begründet, dass es sich beim fragmentarischen Charakter des Straf-
rechts, um einen Grundsatz von Verfassungsrang handelt; Prittwitz, in: Vom unmögli-
chen Zustand des Strafrechts, S. 387; Vormbaum, ZStW 123, (2011), 660; Maiwald, in:
FS-Maurach, S. 9 ff.; Roxin/Greco, Strafrecht AT, S. 87, wobei das Verhältnis zum Sub-
sidiaritätsprinzip unklar bleibt, näher dazu vgl. Kap. D. VII. 3.
92 Vgl. dazu die Wortbedeutung im Duden, abrufbar unter https://www.duden.de/
93 Tiedemann spricht dabei nicht von Lücken, sondern von „strafrechtsfreien Räu-
S. 252.
99 Vormbaum, ZStW 123 (2011), 660, 689.
100 Binding, Lehrbuch des gemeinen deutschen Strafrechts, S. 20.
101 Binding, Lehrbuch des gemeinen deutschen Strafrechts, S. 20.
102 Binding, Lehrbuch des gemeinen deutschen Strafrechts, S. 21.
II. Tragfähigkeit der gewählten Begründungsansätze 39
Dies entspricht aber nicht mehr der heute herrschenden Meinung.103 Dieser
teilweise Schutz durch das Strafrecht soll hingegen gerade dem Schutz von
Rechtsgütern dienen.104 Dem Grundsatz des fragmentarischen Strafrechts liegt
die Vorstellung zu Grunde, dass eine restriktive Anwendung des Strafrechts der
Wirksamkeit nur zuträglich sein kann und allein der Verweis auf bestehende Lü-
cken gerade nicht deren Schließung rechtfertige, sondern Ausdruck eines libera-
len Strafrechts sei.105
Auf Grundlage dieser positiven Bedeutung des fragmentarischen Charakters
des Strafrechts lässt sich feststellen, dass die Schließung von strafrechtlichen
Lücken ihrerseits begründungsbedürftig ist,106 und nicht andersherum Strafbar-
keitslücken zur Begründung bei der Schaffung gesetzlicher Tatbestände herange-
zogen werden dürfen. Die Schließung von solchen Strafbarkeitslücken ist damit
nicht insgesamt ausgeschlossen, darin kann aber keine Begründung des Lücken-
schlusses bestehen.
Diese Argumentationsstruktur des Bedürfnisses nach Lückenschließung wird,
wie oben bereits dargelegt, auch im Rahmen der Öffnungsklauseln verwendet.
Danach soll für strafbar empfundenes Verhalten bestrafbar sein, auch wenn der
Gesetzgeber diese Form der Tatbegehung abstrakt nicht vorhergesehen und folg-
lich nicht unter Strafe gestellt hat. Diese Argumentation der Lückenschließung
kann zum einen aufgrund der Notwendigkeit der strikten Umsetzung des Be-
stimmtheitsgrundsatzes und aufgrund des Analogieverbotes und zum anderen,
um die Freiheit des Einzelnen nicht übermäßig einzuschränken und den Ausnah-
mecharakter des Strafrechts beizubehalten, nicht pauschal eingesetzt werden. Ins-
besondere dann nicht, wenn das Rechtsgut grundsätzlich bereits durch den vor-
liegenden Tatbestand geschützt wird und es tatsächlich nur darum geht, weitere,
noch nicht näher bestimmbare Verhaltensweisen unter den Tatbestand subsumie-
ren zu können. Erkennt man den fragmentarischen Charakter des Strafrechts an,
dann kann die Schließung von Strafbarkeitslücken im Allgemeinen keine tragfä-
hige Begründung für den Einsatz von Öffnungsklauseln im Strafrecht darstellen.
103 Zum fragmentarischen Charakter des Strafrechts aus der neueren Literatur siehe
insbesondere Vormbaum, ZStW 123 (2011), 660 zur besonderen Bedeutung des frag-
mentarischen Charakters als Argumentationstopos; Naucke, Strafrecht, S. 64; Kühl, in:
FS-Tiedemann, S. 29; Hefendehl, JA 2011, 401; Zaczyk, ZStW 123 (2011), 691 versteht
das fragmentarische Strafrecht als Übergangssituation; Roxin/Greco, Strafrecht AT I,
S. 87; Leutheusser-Schnarrenberger, ZStW 123 (2011), 651 auch kritisch zur politi-
schen Forderung der Schließung von Strafbarkeitslücken; Prittwitz, StV 1991, 435, 440
am Beispiel des Umweltstrafrechts; ders., in: Vom unmöglichen Zustand des Straf-
rechts, S. 387 ff., der für eine formall-empirische Begriffsbestimmung argumentiert.
104 Kulhanek, ZIS 2014, 674.
105 Kühl, in: FS-Stöckl, S. 117, 132; im Ergebnis u. U. auch Liszt, Aufsätze und Vor-
träge, Bd. I, S. 161 f.: „Der Zweckgedanke aber verlangt Anpassung des Mittels an den
Zweck und möglichste Sparsamkeit in seiner Verwendung.“
106 Kühl, in: FS-Tiedemann, S. 29, 37.
40 C. Legitimität der Begründungsansätze zum Einsatz von Öffnungsklauseln
107 K. Peters, ZStW 1965, 470, 471; Stolle, StudZR 2006, 27, 31; zur Wirksamkeit
von Strafe vgl. auch Schöch, in: Kriminologie und wissensbasierte Kriminalpolitik,
S. 64; Roxin, Strafrechtliche Grundlagenprobleme, vgl. S. 1, zur Rechtfertigungspflicht
von Strafe; historisch sah bereits Liszt die Erforderlichkeit die Wirkung von Strafe zu
untersuchen, vgl. dazu Liszt, Strafrechtliche Aufsätze und Vorträge, Bd. II, S. 293:
„Auch auf diesem Gebiet stehen wir noch in allerersten Anfängen der wissenschaft-
lichen Arbeit.“
108 K. Peters, ZStW 1965, 470, 475.
109 K. Peters, ZStW 1965, 470, 471; zur Schwierigkeit der empirischen Arbeit mit
Strafe generell und damit Strafrecht grundsätzlich wirkt, indem es eine Rechts-
folge setzt und infolgedessen eine Veränderung der rechtlichen Position herbei-
führt. Dabei unterscheidet sich das Strafrecht von anderen Rechtsgebieten da-
durch, dass die Rechtsfolge in der Setzung einer Sanktion, also in der Zufügung
eines Übels, besteht. Jedes Strafgesetz führt durch die Strafandrohung im Falle
einer Verurteilung eine Rechtsfolge herbei.
Aus der Setzung einer Rechtsfolge ergibt sich aber noch keine Wirksamkeit im
Sinne einer Zweckerreichung. Gestraft werden darf nur, um einen legitimen
Zweck zu erfüllen.111 Die Sprache von der Wirksamkeit von Strafe ist also
grundsätzlich ungenau. Gemeint ist vielmehr der übergeordnete Zweck, den das
Strafrecht durch die Setzung der Sanktion verfolgt und die Erreichung eben jenes
Zwecks. Um die Wirksamkeit von Strafe zu bestimmen, ist zu untersuchen, in-
wieweit die verfolgten Strafzwecke durch Sanktion erreicht werden. Denn die
Wirksamkeit von Strafe ergibt sich gerade nicht aus der verbindlichen Festset-
zung durch den Gesetzgeber allein.112
Die Strafzwecke sind in §§ 46, 47 StGB normiert. Primär geht es um den Aus-
gleich der Schuld der*des Täterin*Täters, § 46 Abs. 1 S. 1 StGB. Als Strafzweck
kann also zum einen der Schuldausgleich sowohl gegenüber dem Tatopfer und
dessen Angehörigen als auch gegenüber der Gesellschaft genannt werden.113 Ro-
xin fasst diesen Vergeltungsgedanken wie folgt zusammen: „[Strafe] muss sein,
damit Gerechtigkeit herrschen soll.“114 Daraus folgt, dass sich die Strafe aus sich
selbst heraus legitimiert.
Darüber hinaus wird im Rahmen der heutzutage herrschenden relativen Straf-
theorien zwischen den sog. generalpräventiven und spezialpräventiven Strafzwe-
cken unterschieden.115 Unter der spezialpräventiven116 Wirkung von Strafe wird
111 Brandenstein, in: FS-Kury, S. 357; Prittwitz, StV 1991, 435, 441; zum Zusam-
menhang von Zweckmäßigkeit, Strafe und Gerechtigkeit vgl. Liszt, Strafrechtliche Auf-
sätze und Vorträge, Bd. I, S. 126; zu Sinn und Zweck der Strafe vgl. NK-StGB/Hasse-
mer/Neumann, Vorbm. § 1 Rn. 105 ff., wonach Strafe „nur in Hinblick auf soziale Not-
wendigkeit“ zu rechtfertigen ist; zum Verhältnis von Gerechtigkeit und Strafe vgl. auch
Neumann, in: Gerechtigkeit – Theorie und Praxis, S. 128 f.
112 Meier, Kriminologie, S. 274.
113 BGH 12.07.1995 – 2 StR 60/95 = NStZ 1995, 595, 596.
114 Roxin, Strafrechtliche Grundlagenprobleme, S. 2.
115 Zusammenfassend zu den verfolgten Zwecken vgl. Frisch, NStZ 2016, 16, 17 f.;
allgemein zu den relativen Straftheorien vgl. Dölling, in: FS-Lampe, S. 597, 602;
Grimm, KritV 1986, S. 38; Otto, Generalprävention, S. 21 ff.; LK-StGB/Theune,
Vorbm. § 46 Rn. 25; Albrecht, ZStW 97 (1985), 831, 834 insbesondere zu Spezialprä-
vention und Resozialisierung; Schmidtchen, in: FS-Lampe, S. 250; Hoerster, GA 1970,
272; Müller-Dietz, in: Ist die lebenslange Freiheitsstrafe verfassungswidrig?, S. 91, im
Schwerpunkt zur individual- und generalpräventiven Funktion von lebenslanger Frei-
heitsstrafe.
42 C. Legitimität der Begründungsansätze zum Einsatz von Öffnungsklauseln
116 Die Spezialprävention wurde insbesondere durch Liszt geprägt, siehe dazu: Straf-
rechtliche Aufsätze und Vorträge, Bd. I, S. 133 ff.; zum Teil wird auch eine Differenzie-
rung zwischen personenorientierten und normorientierten Straftheorien gefordert, vgl.
dazu Hörnle, JZ 2006, 950, 954; dies., Straftheorien, S. 33; ebenso Montebruck, Deut-
sche Straftheorie, S. 143; umfassend und kritisch auch: Albrecht, ZStW 97 (1985), 831;
Bock, ZStW 102 (1990), 504 insbesondere zur Abkehr vom Behandlungs- und Resozia-
lisierungsgedanken; Dölling, in: FS-Lampe, 2003, S. 597.
117 Deren prominentester Vertreter wohl Feuerbach ist, vgl. Revision der Grundsätze
und Grundbegriffe des positiven peinlichen Rechts, S. 43 f.; Naucke, in: Hauptprobleme
der Generalprävention, S. 15 ff.; Baurmann, GA 1994, 368, 371.
118 Feuerbach, Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden peinlichen Rechts,
S. 18; Jakobs, Schuld und Prävention, 1976; ders., ZStW 101 (1989), 516: „General-
prävention durch Einübung der Normanerkennung“; in Reaktion darauf: Bloy, ZStW
103 (1991), 636; Badura, JZ 1964, 337, 338; und Feijoo Sánchez, in: FS-Jakobs, S. 75,
84; zur Generalprävention als Strafzumessungsgrund: Roxin, JuS 1966, 377, 380; NK-
StGB/Streng, § 46 Rn. 33 ff., 42 ff.; MüKo-StGB/Miebach/Maier, § 46, Rn. 38; Fi-
scher-StGB, § 46 Rn. 7 ff.; wobei insbesondere im Rahmen der positiven Generalprä-
vention problematisch ist, dass diese die Bestraften zu Objekten des Staates macht,
indem sie diese nutzt, um die Rechtsgeltung gegenüber den anderen Bürger*innen zu
demonstrieren, vgl. dazu Calliess, NJW 1989, 1338, 1340; Baurmann, GA 1994, 368
zur empirischen Überprüfbarkeit; Dölling, ZStW 102 (1990), 1, 19 unter Verweis auf
eine unzureichende empirische Datenlage zur Generalprävention; A. v. Hirsch/Hörnle,
GA 1995, 261; Otto, Generalprävention, 1982.
119 Roxin, Strafrechtliche Grundlagenprobleme, S. 12 ff.; Hassemer, in: Hauptproble-
und Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts; vgl. dazu aufschlussreich: Wolff,
ZStW 97 (1985), 786; Seelmann, in: Strafe – Warum?, S. 79 ff.; ders., Anerkennungs-
verlust und Selbstsubsumtion – Hegels Straftheorien, 1995; einschränkend zur Einord-
nung Kants im Bereich der Vergeltungstheorie: im Vergleich zur relativen Straftheorie
vgl. Bloy, in: FS-Frisch, S. 59, 69 f.; Küper, in: FS-Jung, S. 485, 494, im Verhältnis von
Feuerbach und Kant; Hörnle, in: Strafe – Warum? S. 12; zustimmend: Weigend, in:
Strafe – Warum? S. 31; ebenfalls zum Verhältnis Streng, in: FS-Heinz, S. 677; siehe
dazu auch Rengier, Strafrecht AT; § 3 Rn. 10; Frister, Strafrecht AT, Kap. 2 Rn. 3; ge-
gen den dualistischen Ansatz der absoluten und relativen Straftheorie vgl. Hörnle, Straf-
theorien, S. 3; dies., in: FS-Roxin, S. 315 f.; Baumann/Weber/Mitsch/Eisele/Eisele, § 2
II. Tragfähigkeit der gewählten Begründungsansätze 43
Rn. 43 ff.; weniger kritisch: Jescheck/Weigend, Lehrbuch des Strafrechts, S. 70 ff.; aus
der neueren Literatur zur Bedeutung Pawlik, Person, Subjekt, Bürger. Zur Legitimation
von Strafe, S. 54 ff.; Hirsch, in: Strafe – Warum? Gegenwärtige Strafbegründungstheo-
rien, S. 44; Kahlo, in: FS-Hassemer, S. 383.
121 Roxin/Greco, Strafrecht AT I, S. 129.
122 Meier, Kriminologie, S. 275, teilweise wird behauptet, dass die Wirksamkeit des
Strafrechts quasi kaum empirisch überprüfbar ist, vgl. Prittwitz, StV 1991, 435, 436.
123 Stolle, StudZR 2006, 27, 31; so z. B. Tetal/Hohmann-Fricke/Jehle, Legalbewäh-
rung nach strafrechtlichen Sanktionen, wobei diesen nur eine bedingte Aussagekraft zu-
kommt.
124 Zusammenfassend dazu: Meier, JZ 2010, 112.
125 Andrews/Zinger/Hodge u. a., Criminology 1990, 369 ff., danach sind Strafen dann
am effektivsten, wenn den Faktoren risk, criminogenic needs und responsivity Rechnung
getragen wird (besser bekannt als das RNR-Prinzip); so auch Lösel, ZJJ 2013, 267, 268.
44 C. Legitimität der Begründungsansätze zum Einsatz von Öffnungsklauseln
Sanktionsart und Härte der Sanktion sind dabei in gewissem Maßen austausch-
bar.126 Dies gilt insbesondere in Hinblick darauf, dass härtere Sanktionen gegen-
über milderen Sanktionen nicht zwingend eine Verringerung des Rückfallrisikos
bedeuten.127 Aus diesen Ergebnissen lässt sich zumindest ableiten, dass Strafe
eine grundsätzliche Wirkung aufweisen und unter gewissen Gesichtspunkten spe-
zialpräventive Effekte erzielen kann.128 Aber die Tatsache, dass eine Resozia-
lisierung gelingen kann, muss nicht zwangsläufig bedeuten, dass mit den Tä-
ter*innen die dafür erforderlichen Maßnahmen und Anwendungen auch immer
durchgeführt werden.
2014, 226, 262 ff.; Greco nennt dies „Klugheitsgründe“, die Tat nicht zu begehen, vgl.
Greco, Lebendiges und Totes in Feuerbachs Straftheorie, S. 359.
129 Greco, Lebendiges und Totes in Feuerbachs Straftheorie, S. 356; inwieweit die
positive Generalprävention empirisch überprüfbar ist oder sein sollte, ist strittig, vgl.
dazu befürwortend Kaspar, in: Strafen im Namen des Volkes? S. 74 ff.; Schöch, in: Der
Sachverständige im Strafrecht Kriminalitätsverhütung, S. 96; ablehnend: Jakobs, ZStW
1995, 843, 844; Meier, Kriminologie, S. 30; Albrecht, Kriminologie, S. 60 verweist auf
die Studie von Schöch, in: FS-Jescheck, S. 1081 ff., der daraus eine empirische Nach-
weisbarkeit der Generalprävention ableiten will.
130 Greco, Lebendiges und Totes in Feuerbachs Straftheorie, S. 361.
II. Tragfähigkeit der gewählten Begründungsansätze 45
ebene“ erhoben und untersucht.131 Insgesamt gestaltet sich der Nachweis eines
abschreckenden Effektes von Strafe auf Grund der multifaktoriellen Beeinflus-
sung von Personen, die sich gegen eine Tatbegehung entscheiden, als schwie-
rig.132 Es stehen dabei in der Regel unterschiedliche Einflussfaktoren auf das
Maß der abschreckenden Wirkung im Fokus, wie z. B. die Höhe der Strafandro-
hung oder die Bestrafungswahrscheinlichkeit.
Zunächst einmal könnte man davon ausgehen, dass Strafe keine abschreckende
Wirkung zukommt, da unstreitig trotz gesetzlicher Normierung tagtäglich Straf-
taten begangen werden.133 Dem wird allerdings entgegengehalten, dass die ab-
schreckende Wirkung des Strafrechts gerade nur ein Element ist und Strafe unter-
schiedliche Wirkungsweisen zukommen. Da trotz Strafandrohung dennoch Straf-
taten begangen werden, kann der Grundsatz der Generalprävention gerade keinen
Anspruch auf Vollständigkeit erheben.134 Daraus kann aber dennoch nicht ge-
schlossen werden, dass Strafe gerade keine abschreckende Wirkung i. S. d. Gene-
ralprävention zukommt. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass die abschre-
ckende Wirkung eine permanente und keine punktuelle Wirkung auf jedes Indi-
viduum hat.135
Dennoch legen die Untersuchungen nahe, dass das Strafrecht als solches nur
einen geringen abschreckenden Effekt aufweist, da sich normkonformes Verhal-
ten häufig auf soziale Kontrolle z. B. der Eltern oder des sozialen Umfeldes zu-
rückführen lässt.136 Es kann festgestellt werden, dass sich eine abschreckende
lichen Forschungsdesigns vgl. auch Schöch, in: Der Sachverständige im Strafrecht Kri-
minalitätsverhütung, S. 98.
132 So auch Vormbaum, ZStW 107 (1995), 734, 759 m.w. N., der davon ausgeht, dass
die generalpräventive Wirkung von Strafe kaum empirisch überprüfbar ist; zur unklaren
Datenlage vgl. auch Eisele, Die general- und spezialpräventive Wirkung strafrechtlicher
Sanktionen. Methoden, Ergebnisse, Metaanalyse; zur generalpräventiven Wirkung der
Geldstrafe vgl. Albrecht, in: Empirische Kriminologie, S. 318, wonach die Angst vor
eine Bestrafung nur eine untergeordnete Rolle spielt.
133 Ablehnend zur abschreckenden Wirkung des Strafrechts ebenfalls: Jakobs, Straf-
recht AT, S. 21; Kaiser, Kriminologie, S. 259 ff.; zur Bedeutung, die Untersuchungen
nach Deliktsart aufzuschlüsseln, vgl. Curtie, ZRP 1999, 234, 235.
134 Haffke, Tiefenpsychologie und Generalprävention, S. 80.
135 Haffke, Tiefenpsychologie und Generalprävention, S. 82.
136 Meier, Kriminologie, S. 285; zustimmend ebenfalls Curtie, ZRP 1999, 234, 236;
137 Stolle, StudZR 2006, 27, 34; Dölling, ZStW (102) 1990, 1, 7 m.w. N.; so wohl im
236, wobei beachtet werden muss, dass dieser in seiner Analyse nur bestimmte Delikts-
typen in den Blick genommen hat, bei denen es sich nicht um klassische Affekt-Taten
handelt.
139 Meier, Kriminologie, S. 285, mit Verweis auf Albrecht, in: Empirische Krimino-
toriell beeinflusst wird.143 Das lässt darauf schließen, dass keine eindeutige Aus-
sage darüber getroffen werden kann, ob und inwieweit Öffnungsklauseln durch
ihren erweiterten Anwendungsbereich zu einer (Un-)Wirksamkeit des Strafrechts
führen können.
Grundsätzlich ist der Gedanke des Regel-Ausnahme-Verhältnisses im Straf-
recht durchaus nachvollziehbar. Dennoch lässt sich nicht feststellen, ob spezial-
präventive oder generalpräventive Effekte nur eine (zahlenmäßig) beschränkte
Wirksamkeit aufweisen. Ob eine Erweiterung der Strafbarkeit also gleichzeitig
mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu einer Einschränkung der
Wirksamkeit des Strafrechts im Sinne der verfolgen Strafzwecke führt, kann auf
Grundlage der bisherigen Datenlage nicht geschlussfolgert werden.
Allerdings können gerade Zweifel an der Effektivität des Strafrechts eine sol-
che Begrenzung des Strafrechts begründen.144 Denn ein Mittel, bei dem nicht mit
Sicherheit gesagt werden kann, ob und wie es wirkt, sollte grundsätzlich mit Vor-
sicht eingesetzt werden. Dann muss das entsprechende Gegenargument sich aber
auf die Ungewissheit bzgl. der Wirksamkeit beziehen und gerade nicht auf die
Einschränkung der Wirksamkeit durch eine entsprechende Erweiterung des Straf-
rechtsschutzes. Über diese lässt sich bereits generell keine hinreichende Aussage
treffen.
cc) Zwischenergebnis
145 Zustimmend: Bruns, GA 1986, 1, 14 ff.; Stöckel, ZRP 1977, 134, 136; zur Verein-
barkeit von Öffnungsklauseln mit dem Analogieverbot siehe Kap. D. V.; Schröder, Zum
Begriff der Gesetzesumgehung im materiellen Strafrecht und seiner Bedeutung für die
praktische Anwendung des Rechts, S. 384 sieht keinen Verstoß gegen das Analogiever-
bot, da sich die Rechtsanwendung immer noch innerhalb des vorgegebenen Wortlautes
befinden würde.
146 SK-StGB/Rudolphie/Jäger, § 1 Rn. 23a.
147 Inwieweit der Gesetzgeber Adressat des Analogieverbotes ist, wird an anderer
ser kann jeweils durch eine Erweiterung der Handlungsbefugnisse der entspre-
chenden Akteur*innen erreicht werden.149 Es ist gerade Aufgabe des Staates,
eine funktionierende Strafrechtspflege zu schaffen und aufrecht zu erhalten.150
Allerdings fehlt es an einer funktionierenden Strafrechtspflege gerade dann,
wenn es zu einer Überlastung der Justiz kommt. Diese kann aber gerade Folge
einer Ausdehnung des materiellen Strafrechts und folglich auch einer Handlungs-
kompetenzerweiterung durch Öffnungsklauseln sein.151 Denn es kann im Falle
der Erweiterung der Anwendungsbereiche gerade zu einer „Flut der ,ubiquitären
Anfangsverdächte‘ “152 kommen. Auf diese Weise führen die erweiterten Anwen-
dungsbereiche nicht zu einer Arbeitsentlastung und tragen folglich nicht zu einer
Vereinfachung für die Judikative bei, was die Legitimität von Flexibilität im
Strafrecht in Frage stellt.
Die Schaffung von Flexibilität im Strafrecht geht darüber hinaus auch immer
mit einer Entformalisierung einher.153 Denn durch eine Erweiterung der Anwen-
dungsbereiche von Normen bedarf es gerade keiner weiteren Gesetzgebungs-
verfahren zur anlassbezogenen Erweiterung des entsprechenden Gesetzes. Diese
Abkehr von förmlichen (Gesetzgebung)-Verfahren stellt dabei den Preis für eine
solche Flexibilität dar. Der Abbau von Förmlichkeiten bedarf allerdings auch
seinerseits einer Legitimation.154 Ob sich die Legitimation rein aus der dadurch
gewonnenen Flexibilität ableiten lässt, erscheint zweifelhaft.
Zum einen geht ein größerer Entscheidungsspielraum der Judikative automa-
tisch mit einer Einschränkung der Freiheit der Bürger*innen einher;155 flexibel
handhabbare Regelungen sind per se weniger vorhersehbar und bergen damit die
Gefahr eines Verstoßes gegen Art. 103 Abs. 2 GG, da solche Regelungen immer
in besonderem Maße einer Wertung durch die Judikative bedürfen.156
149 Kuhlen, in: Recht ohne Regeln? S. 19 ff.; Entformalisierung des Strafrechts am
Beispiel des ProstSchG 2017, vgl. Frommel, NK 2018, 115; P.-A. Albrecht, KritV 1993,
163, 166 in Bezug auf das materielle Strafrecht; zur Entwicklung des Rechts, vgl. Sin-
gelnstein, Zeitschrift für Rechtssoziologie, 2014, 321 und verortet den Beginn der Ent-
formalisierung des Strafverfahrens in den 1970er-Jahren.
150 BVerfG, Beschl. v. 20.10.1977 – 2 BvR 631/77 = BVerfGE 46, 214 = NJW
1977, 2355, 2356; zur „Wiederbelebung des Topos“, vgl. Singelnstein, KJ 2011, 7, 12.
151 Landau, in: FS-Schick, S. 523, 525.
152 Hamm, NStZ 2016, 1537, 1542; Landau, in: FS-Schick, S. 523, 524.
153 Singelnstein, KritV 2011, 7, 11; zur Flexibilität im Jugendstrafrecht vgl. befür-
und Interessen derjenigen, in deren Hände dieses Machtmittel gegeben wird. Entspre-
chend wechselhaft und dynamisch werden die Ergebnisse ausfallen.“; vgl. die Recht-
sprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs zum Bestimmt-
heitsgrundsatz im Strafrecht, S. 309.
50 C. Legitimität der Begründungsansätze zum Einsatz von Öffnungsklauseln
Zum anderen führt die Schaffung solcher flexiblen Normen gerade dazu, dass
strafbares Verhalten nicht mehr durch eine Mehrheitsentscheidung eines demo-
kratisch legitimierten Organes getroffen wird.157 Flexibilität bedeutet also auch
immer eine Einschränkung des Grundsatzes der Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 2,
S. 2 GG). Diese Kompetenzverteilung zwischen Legislative und Judikative
schlägt sich aber gerade nicht nur im Grundsatz der Gewaltenteilung nieder, son-
dern auch in den Geboten bzw. Verboten des Art. 103 Abs. 2 GG. Auch dieser
enthält eine gewaltenteilende Komponente.158 Konsequenterweise muss gerade
der Gesetzgeber tätig werden, um das entsprechende Verhalten für die Zukunft,
und nur soweit er es auch für strafwürdig erachtet, unter Strafe zu stellen. Es
handelt sich gerade um die Aufgabe des Gesetzgebers.159 Ureigene Aufgabe der
Judikative hingegen ist es, das Strafrecht entsprechend anzuwenden und gerade
keine quasi Gesetzgebung, etwa durch Rechtsfortbildung oder analoge Anwen-
dung der entsprechenden Vorschriften, vorzunehmen.160 Daran ändert sich auch
dadurch nichts, dass es keine vollkommen strikte Gewaltenteilung gibt, sondern
auch immer wieder „Verschränkungen und Verflechtungen“ zwischen den Gewal-
ten auftauchen.161 Insbesondere im Bereich des Strafrechts muss eine solche Ver-
flechtung aufgrund der besonderen Eingriffsintensität vermieden werden.
Die Schließung von Strafbarkeitslücken zum Zwecke der flexibleren Handha-
bung der Strafgesetze durch die Judikative stellt folglich keine tragfähige Be-
gründung.
157 P.-A. Albrecht, KritV 1993, 163, 171; ebenso Murmann, in: Recht ohne Regeln?,
S. 5.
158 Vgl. dazu in dieser Arbeit Kap. D. II.
159 Maunz/Dürig/Grzeszick, Art. 20 II. Rn. 135, soweit es sich um „wesentliche Ent-
scheidungen“ handelt; Bringewat, Grundbegriffe des Strafrechts, S. 77; zur Aufgabe der
Gesetzgebung außerdem Sachs/Magiera, Art. 38 Rn. 27 ff.; im Hinblick auf den Ent-
scheidungsspielraum der Legislative vgl. Jarass/Pieroth/Kment/Jarass, Art. 20 Rn. 122.
160 Bringewat, Grundbegriffe des Strafrechts, S. 77.
161 BeckOK-GG/Rux, Art. 20 Rn. 160.
II. Tragfähigkeit der gewählten Begründungsansätze 51
Unklar in dieser Argumentation ist bereits der zugrunde gelegte Begriff des
Opfers. Anders als das österreichische Strafverfahrensrecht (§ 65 Z 1 Ö-StPO)
enthält das deutsche Strafverfahrensrecht und Strafrecht keine Legaldefinition
des Opferbegriffs. Um die Unschuld bis zur rechtskräftigen Verurteilung zu un-
terstreichen, spricht das Gesetz hingegen stattdessen vom Verletzten.162 Das gilt
auch für den Täter-Opfer-Ausgleich in § 155a StPO und § 46a StGB, wo der Be-
griff des Opfers 1999 erstmals und nur in der Überschrift der Norm auftaucht.163
Der – im deutschen Straf- und Strafverfahrensrecht insoweit nicht gebräuchliche –
Opferbegriff kann, abhängig von der eingenommenen Perspektive, unterschied-
liche Bedeutungen haben und diverse Interessen repräsentieren.164 Grundsätzlich
versteht man unter dem materiell-strafrechtlichen Opferbegriff die Geschädigten
von solchen Straftaten, die i. d. R. ein Individualrechtsgut schützen.165 Der Schutz
eines solchen Opfers kann folglich einmal dadurch erreicht werden, dass man
dem Strafrecht einen präventiven Charakter zuspricht. D. h. man nimmt an, dass
potenzielle Täter*innen sich von einer strafrechtlichen Regelung abschrecken
lassen. Ein möglichst weit gefasster Tatbestand sollte dann folglich auch eine
umfassende Abschreckungswirkung erzielen.
Aber auch nach einer begangenen Tat kann ein umfassendes Strafgesetz unter
Umständen dazu führen, dass die Interessen des Opfers – so zum Beispiel etwa
ein Genugtuungsbedürfnis166 – ausreichend gewahrt werden.
Schon hier deutet sich an, dass Opferinteressen mitunter konträr sind und des-
wegen als Sinn und Zweck einer bestimmten Gesetzgebungstaktik nur bedingt
geeignet sind. Es wird aufgrund dieser widerstreitenden Interessen folglich zwi-
162 Unklar bleibt, warum das Opfer einer Straftat bei Freispruch der Angeklagten
seine Opfereigenschaft verlieren sollte, vgl. dazu auch die Legaldefinition des Opfers in
der Opferschutzrichtlinie Art. 2 Nr. 1 a der Richtlinie 2012/29/EU; zur Bedeutung der
Richtlinie vgl. auch Europäisches Unionsrecht/Meyer, Art. 82 AEUV Rn. 47; zum Be-
griff des Verletzten im Zusammenhang mit der Unschuldsvermutung vgl. Seelmann, JZ
1989, 671; für einen „subjektiven, konstruktivistischen Opferbegriff“ vgl. Wetzels, Wi-
der den naiven Realismus kriminologischer Opferforschung, S. 25 ff.; zusammenfassend
auch: Treibel, in: Kriminalsoziologie, 441 ff. m.w. N.
163 Der Begriff des Opfers wird außerdem in § 155b und 154c StPO genannt.
164 Sautner, Viktimologie, S. 20; dies., Opferinteressen und Strafrechtstheorien, 2010,
S. 25 ff.
165 Sautner, Viktimologie, S. 19.
166 Weigend, RW 2010, 39, 42, wobei dabei schon nicht unumstritten ist, was unter
dem Begriff der Genugtuung eigentlich zu verstehen ist. Weigend macht deutlich, dass
dabei „der berechtigte Wunsch, dass die Tat nicht ohne offizielle Reaktion bleibt, mit
ungezügelter Rachsucht gleichgesetzt und damit ein wesentlicher Unterschied ver-
wischt“ wird, 43.
52 C. Legitimität der Begründungsansätze zum Einsatz von Öffnungsklauseln
schen möglichen Tatopfern, die vermieden werden sollen, und tatsächlichen Tat-
opfern unterschieden.167
Welcher Opferbegriff bei den Gesetzesbegründungen zu Grunde gelegt wurde,
ist nicht abschließend feststellbar. Denn sowohl die tatsächlichen als auch die
potenziellen Tatopfer können Interesse an entsprechenden Strafgesetzen haben.
Dennoch soll im nachfolgenden der Opferbegriff in Bezug zum materiell-recht-
lichen Strafrecht gesetzt werden und gerade keine Opfer von Naturkatastrophen
oder Diskriminierung erfassen, soweit diese nicht auch materiell-rechtlich als
Opfer gelten können.168 Zu Grunde gelegt wird im Folgenden der eingangs ge-
nannte Verbrechensopferbegriff.
bb) Opferinteressen
Offen ist bei der Berufung auf Interessen des Opfers bereits, welche Opfer-
interessen überhaupt im Rahmen der Schaffung von Tatbeständen berücksichtig
werden und welche unterschiedlichen Dimensionen dieser Interessenlagen vor-
liegen können.
167 Hörnle, JZ 2006, 950; Opferinteressen lassen sich mitunter nicht kategorisieren
dort aber in der Regel sehr weit gefasst, siehe dazu zusammenfassend: Sautner, Vikti-
mologie, S. 14.
169 Hassemer/Reemtsma, Verbrechensopfer, S. 101.
170 MüKo-StGB/Joecks, Einleitung, Rn. 70 ff.; Reemtsma verweist darauf, dass wir
alle mögliche Tatopfer, aber auch Täter*innen sind, vgl. Reemtsma, Rechtsmedizin
2005, 86, 88.
171 Seelmann, JZ 1989, 670.
II. Tragfähigkeit der gewählten Begründungsansätze 53
matik, dass dessen Bedürfnisse weitaus schwieriger zu erfassen sein dürften, weil
es sich gerade nicht um konkrete Personen handelt.172 Es steht dabei aber als
übergeordnetes Interesse bzw. Handlungsmotiv die Kriminalitätsfurcht im Vor-
dergrund.173 Wenn die Bewältigung dieser Furcht aber das handlungsleitende
Motiv ist, muss dabei die Divergenz zwischen Verbrechensfurcht und tatsäch-
licher Verbrechengefährdung beachtet werden,174 die einen Einfluss auf die Vali-
dität dieses Argumentationstopos haben kann. Wenn die Furcht jeglicher Grund-
lage entbehrt, dann kann diese auch keine ausreichende Argumentationsgrund-
lage darstellen.
Es ist zu betonen, dass die negative Generalprävention gerade keine Aussage
über das tatsächliche Opfer trifft. Wie Hörnle zutreffend feststellt, gelingt dies
auch keiner der anderen Straftheorien.175
1995, 261, 270 ff. zum Tadel als Reaktion auf strafbares Verhalten.
176 Seelmann, JZ 1989, 670; zum Konflikt des Opferbegriffs mit der Unschuldsver-
einem Bedürfnis nach Rache ab; zur unterschiedlichen Schutzbedürftigkeit des Opfers
vgl. R. Hassemer, Schutzbedürftigkeit des Opfers und Strafrechtsdogmatik, S. 72 ff.
178 A. a. O.; ebenso Kanz, MSchKr 2017, 225, 232.
179 Hörnle, JZ 2006, 950, 956.
180 M. w. N. Stolle, StudZR 2006, 27, 42; zur sog. Restorative Justice siehe auch Saut-
Seelmann weist aber zurecht darauf hin, dass es gerade im Bereich der Inter-
essen von potenziellen und tatsächlichen Opfern zu Paradoxien kommen kann.181
Das Interesse eines potenziellen Opfers muss nicht zwangsläufig dem eines tat-
sächlichen Opfers entsprechen. Und auch die Interessen tatsächlicher Opfer di-
vergieren im Hinblick darauf, welche Tat zugrunde liegt.182 Die Interessen dieser
beiden Gruppen können geradezu konträr sein. So liegt das Interesse eines poten-
ziellen Tatopfers vermutlich eher im präventiven Bereich und im bestmöglichen
Schutz, wohingegen tatsächliche Tatopfer i. d. R. an einer Wiedergutmachung
interessiert sein dürften. Daraus folgt für die vorliegende Untersuchung des ge-
wählten Erklärungsansätze, dass die simple Begründung des Opferschutzes an
sich noch keine Aussage darüber zulässt, wessen Interessen in einem solchen Fall
vorrangig sind, sondern dass diese sich vielmehr in konträrer Weise gegenüber-
stehen. Denn es wird gerade nicht deutlich, inwieweit das Opfer geschützt wer-
den muss, insbesondere nicht von und durch was. Der optimale Schutz eines
potenziellen Opfers entspricht gerade nicht dem eines tatsächlichen Opfers bzw.
vollzieht sich auf andere Art und Weise. Dies stützt die These, dass derjenige
„der [im Namen von] Verbrechensopfern Forderungen stellt, [. . .] Rechnung zu
legen [hat], in wessen Namen er auftritt“.183 Ein einfacher Verweis auf Opfer-
interessen bei der Erweiterung eines Tatbestandes erscheint nicht legitim.184
cc) Zwischenergebnis
Die oben dargestellte Unklarheit, welcher Art von Opfern die Verwendung die-
ser Art der Gesetzgebungstechnik genau dienen soll, zeigt bereits auf, dass ein
Verweis auf Opferinteressen nicht ohne Weiteres zur Begründung herangezogen
werden kann. Dies hängt insbesondere mit der Ambivalenz der verfolgten Opfer-
interessen je nach Zeitpunkt der Betrachtung zusammen.185 Darüber hinaus ste-
hen die Wege zur Erreichung des Opferschutzes möglicherweise in Konflikt mit
strafrechtlichen Grundsätzen, wie dem fragmentarischen Charakter des Straf-
rechts.186 Insbesondere, wenn als Opferinteressen solche von potenziellen Tat-
181 Seelmann, JZ 1989, 670, 671, wobei hier zuvorderst auf die Paradoxien im Straf-
verfahren abgestellt wird, dennoch sind die Gedanken auch auf das materielle Strafrecht
übertragbar, denn auch hier treffen bei einer Opferorientierung widerstreitende Inte-
ressen aufeinander; im Ergebnis wohl auch: P.-A. Albrecht, in: Opfers im Strafrechts-
system, 2000, S. 39.
182 Zusammenfasend zu den Interessen von Tatopfern aufgeschlüsselt nach Delikts-
wenn der Opferschutz im Mittelpunkt steht, vgl. Hassemer, JRP 2007, 79, 85.
II. Tragfähigkeit der gewählten Begründungsansätze 55
a) Begriffsbestimmung „Gerechtigkeit“
Der Begriff der Gerechtigkeit und folglich auch der damit verbundene Argu-
mentationstopos ist einigermaßen vage und unspezifisch.188 Mit Kelsen lässt sich
sagen, dass die Frage, was Gerechtigkeit eigentlich ist, schlussendlich nicht ab-
schließend zu beantworten ist.189 Es steht folglich schon nicht zweifelsfrei fest,
was unter Gerechtigkeit zu verstehen ist und ob überhaupt ein solcher Zustand
geschaffen werden kann.190 Auch wie im Strafrecht191 eine gerechte Rechtslage
geschaffen werden kann, ist unklar. Das wirft zudem die Frage auf, ob, wenn
bereits der Begriff der Gerechtigkeit nur schwer erfasst werden kann, es sowas
wie absolute Gerechtigkeit – zumal im Strafrecht – überhaupt geben kann.
Zum Verständnis von Gerechtigkeit wurden unterschiedliche Theorien ge-
schaffen, die insbesondere von der jeweiligen Epoche ihrer Entstehung beein-
187 Hassemer, JRP 2007, 79, 85, vgl. dazu auch Landau, NStZ 2007, 121, der darauf
hinweist, dass diesem Bedrohungsgefühl nicht mit einer Erweiterung des Strafrechts be-
gegnet werden kann.
188 Sax, Das strafrechtliche „Analogieverbot“, S. 150; Kriele, Kriterien der Gerechtig-
keit, S. 42 ff.; mit Bezug zur Rechtswissenschaft, vgl. Mahlmann, Konkrete Gerechtig-
keit, S. 264 ff.; zur „Idee der Gerechtigkeit“ in der Strafgesetzgebung, vgl. Schuchmann,
in: Strafrecht und Politik, S. 40.
189 Kelsen, Was ist Gerechtigkeit?, S. 52.
190 Daraus folgen auch die Zweifel an der Geeignetheit von Gerechtigkeit als Argu-
mentationstopos, vgl. von Münch, Der Staat, 1994, 165, 172; zur Wortbedeutung siehe
auch Köhler, Recht und Gerechtigkeit, S. 1 ff.
191 Gerechtigkeit muss im Hinblick auf einen konkreten Bezugspunkt gedacht wer-
Zunächst ist festzustellen, dass der Gesetzgeber aber auch die Gerichte, wenn
sie sich in ihren Entscheidungen oder auch Gesetzesbegründungen auf Gerechtig-
keit beziehen, nicht bereits definieren, was unter Gerechtigkeit verstanden
wird.198 Im allgemeinen Sprachgebrauch wird Gerechtigkeit als „Prinzip eines
192 Zusammenfassend dazu: Höffe, in: Werte und Politik, S. 37 f. und Heidenreich,
Theorien der Gerechtigkeit, 2011; Godwin definiert Gerechtigkeit über das, was für die
Gesamtheit am besten ist, vgl. Godwin, An Enquiry concerning political Justice and ist
Influence on general Virtue and Happiness, S. 121, 151, 81, zitiert Godwin, Über die
politische Gerechtigkeit, S. 10; siehe auch Höffe (Hrsg.), John Rawls – Eine Theorie der
Gerechtigkeit, 1975; Sen, Idee der Gerechtigkeit, S. 59 ff.
193 Heidenreich, Theorien der Gerechtigkeit, S. 9.
194 Höffe, in: Werte und Politik, S. 42 ff.; zum Problem der sozialen Gerechtigkeit
vgl. Kersting, Theorie der sozialen Gerechtigkeit, 2000; Gosepath, in: Demokratie und
Gerechtigkeit in Verteidigungskonflikten, S. 35 ff. und zum Begriff der politischen Ge-
rechtigkeit vgl. S. 43 ff.
195 Höffe, Gerechtigkeit, S. 26.
196 Höffe, in: Werte und Politik, 2015, S. 39.
197 Höffe, Gerechtigkeit, S. 61.
198 Bei der Fassung eines abstrakten Tatbestandes kann es gerade nicht nur um eine
tatproportionale Strafe gehen, vgl. dazu Engisch, Auf der Suche nach Gerechtigkeit,
S. 175; grundlegend dazu Liszt, Strafrechtliche Aufsätze und Vorträge, Bd. I, S. 126 ff.
II. Tragfähigkeit der gewählten Begründungsansätze 57
Strafrechts, S. 110; zum Bestandteil der Gleichbehandlung von Recht und Unrecht vgl.
Kriele, Kriterien der Gerechtigkeit, S. 95.
202 Lenckner, JuS 1968, 304, 305.
203 Krahl, Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesge-
recht ist und was nicht, stellt aber nicht überprüfbare Werturteile, bei der sich eine
Überprüfung mit der Richtigkeit verbietet, dar, vgl. Emge, Über das Grunddogma des
rechtsphilosophischen Relativismus, S. 57.
206 Kelsen, der Gerechtigkeit mit Glück umschreibt, erläutert, dass das Glück des
einen auch immer das Unglück eines anderen bedeutet, vgl. Kelsen, Was ist Gerechtig-
keit?, S. 12; Rüthers, Das Ungerechte an der Gerechtigkeit, S. 133.
207 Kelsen, Was ist Gerechtigkeit?, S. 49.
208 Feuerbach, Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden peinlichen Rechts,
S. 12.
209 Kriele, Kriterien der Gerechtigkeit, S. 100, zum Widerspruch zwischen Rechts-
210 Kritisch zur Erreichung absoluter Gerechtigkeit vgl. auch Engisch, Auf der Suche
nach Gerechtigkeit, S. 176, 178; Rüthers, Das Ungerechte an der Gerechtigkeit, S. 70.
211 Rüthers, Das Ungerechte an der Gerechtigkeit, S. 133, verweist auf die „Subjek-
einen Einzelnen, wenn es sich dabei nur um potenzielle Opfer handelt. Wenn
dieser Weg aber gerade jegliche Indifferenzen aufheben soll, dann bedeutet dies,
dass der Einsatz auch gerade gut für Täter*innen und Opfer sein muss; es also
eines Blickes auf alle von der Regelung Betroffenen bedarf, folglich auch auf die
Rechte und Interessen der Täter*innen.
Auch aus dieser Perspektive ist es fraglich, ob bei einer solchen Fokussierung
auf das Opfer von einer absoluten Gerechtigkeit gesprochen werden kann, unab-
hängig davon, welcher Definition von Gerechtigkeit man sich anschließt. Denn
auch Art. 103 Abs. 2 GG und Art. 20 Abs. 2 GG als Schutz vor Aufgabenverla-
gerung und einer gelockerten Gesetzesbindung sind Ausdruck von Gerechtigkeit
und müssen bei der Bewertung um die Schaffung ebensolcher Gerechtigkeit in
gleichem Maße Eingang finden.
Auch wenn dies die Suche nach Gerechtigkeit oder einer möglichst gerechten
Lösung nicht unmöglich macht, so ist doch zu bezweifeln, ob sich die absolute
Gerechtigkeit als Begründung für den Einsatz einer bestimmten Gesetzgebungs-
technik heranziehen lässt.215 Zumindest die Legitimität eines nicht messbaren
und nicht zu erreichenden Zweckes muss in Frage gestellt werden.
Folgt man Radbruch und sieht das Recht – folglich auch das gesetzte Recht –
„als eine Satzung, die ihrem Sinn nach dazu bestimmt ist, Gerechtigkeit zu die-
nen“216, dann ist die oberste Maxime in der Rechtsetzung die Schaffung von Ge-
rechtigkeit.217 Inwieweit infolgedessen dann die Schaffung (absoluter) Gerechtig-
keit als Argumentationstopos herangezogen werden kann, ist auch im Hinblick
auf diese übergeordnete Maxime fraglich: In einem Rechtsstaat sollte ein Ziel
immer auch die Schaffung von Gerechtigkeit – wie auch immer eine solche im
Einzelfall ausgestaltet werden sollte – sein. Daraus ergibt sich, dass jedes Gesetz
der Herstellung oder Beibehaltung der Gerechtigkeit dienen muss. Diese ist also
gerade die Handlungsmaxime. Hinter jedem erlassenen Gesetz muss der Grund-
gedanke der Gerechtigkeit stehen. Es ist dann gerade kein Argument für eine be-
stimmte Art der Gesetzgebung, sondern Grundvoraussetzung für die Schaffung
einer gesetzlichen Regelung. Dies steht der Einordnung als tragfähiger Begrün-
dungsansatz entgegen. Wenn diese Voraussetzung ohnehin von jedem Gesetz er-
füllt werden muss, kann dies nicht bzw. nur eingeschränkt zur Begründung her-
angezogen werden.
215 Zweifel am objektiven Gehalt von Gerechtigkeit auch bei Luhmann, Das Recht
S. 19.
III. Zwischenergebnis 61
d) Zwischenergebnis
Es ist unklar, wie Gerechtigkeit genau definiert werden kann und welche Vor-
aussetzungen Gesetze infolgedessen erfüllen müssen, um dem Gerechtigkeitsan-
spruch gerecht zu werden. Auch die Gesetzesbegründungen, die die Gerechtig-
keit als Argumentationstopos zur Begründung einer bestimmten Art der Gesetz-
gebung heranziehen, erläutern nicht, was darunter verstanden werden soll. Im
Hinblick auf die vielfältigen Deutungsmöglichkeiten der Gerechtigkeit kann
nicht festgestellt werden, ob dieser Zweck überhaupt erfüllt werden kann. Er-
schwerend kommt hinzu, dass Gerechtigkeit nie einen Absolutheitsanspruch er-
füllen kann. Unabhängig von der zugrunde liegenden Definition, ist eine allum-
fassende Berücksichtigung aller Rechte und Interessen gleichermaßen ein zwar
nachvollziehbares aber wohl unerreichbares Ziel. Schließlich muss auch beachtet
werden, dass Gerechtigkeit, unabhängig davon, wie man diese im Detail defi-
niert, Grundlage jeder gesetzgeberischen Tätigkeit sein muss. Inwieweit die Ver-
wirklichung von Gerechtigkeit dann noch als Zwecksetzung herangezogen wer-
den kann, ist zumindest diskutabel.
Insgesamt handelt es sich aufgrund der Bedenken zur Begriffsbildung und der
Verwirklichung absoluter Gerechtigkeit um einen Zweck, dessen Legitimität zu
bezweifeln ist, wenn es sich lediglich um einen pauschalen Verweis handelt.
III. Zwischenergebnis
Es lässt sich bereits hier festhalten, dass die für den Einsatz von Öffnungsklau-
seln gewählten Begründungsansätze nicht ohne weiteres plausibel sind. Dabei
weisen die verfolgten Zwecke einen Konflikt mit wesentlichen verfassungsrecht-
lichen Prinzipien auf und sind zum Teil zu pauschal, als dass sie ohne Weiteres
als legitim eingeordnet werden könnten.
Die oberste Maxime beim Einsatz von Öffnungsklauseln im Strafrecht scheint
die Vermeidung von Strafbarkeitslücken zu sein. Diese sollen geschlossen wer-
den, um (bewusste) Gesetzesumgehungen zu vermeiden, um der Judikative auf
diese Weise eine flexiblere Handhabung der gesetzlichen Regelungen zu ermög-
lichen und um den Opferinteressen gerecht zu werden. Übergeordnetes Ziel ist
auch immer die Verwirklichung einer möglichst gerechten Regelung.
Die Legitimität der Begründungsansätze ist aber insbesondere im Hinblick auf
die pauschalen Verweisungen und die Vereinbarkeit mit strafrechtlichen Grund-
sätzen anzuzweifeln.
Gerade der Verweis auf die Schließung von Schutzlücken gerät mit dem frag-
mentarischen Charakter des Strafrechts in Konflikt. Wenn es konstituierend für
das deutsche Strafrecht ist, dass es, aufgrund verfassungsrechtlicher Vorgaben
und selbstgewählter Zielsetzung, lückenhaft ist, dann erscheint es widersprüch-
62 C. Legitimität der Begründungsansätze zum Einsatz von Öffnungsklauseln
lich, dass die Schließung von Lücken zur Begründung eines Gesetzes herangezo-
gen werden kann. Zumindest bedürfte es einer genaueren Begründung, warum in
genau diesen Fällen eine Ausnahme vom fragmentarischen Charakter des Straf-
rechts geboten ist. Bedenken gegen die Wirksamkeit des Strafrechts im Falle der
Erweiterung der Tatbestände sind hingegen nicht durchgreifend.
Insbesondere der Verweis auf Gerechtigkeit und die Erfüllung von Opferinte-
ressen stellen aufgrund ihrer Pauschalität keine legitimen Ziele dar. Sie bergen
aufgrund dieser allgemeinen Verweise vielmehr die Gefahr, dass sie in jeder Ge-
setzesbegründung als Zielsetzung benannt werden und auf diese Weise ihrer Aus-
sagekraft weiter einbüßen müssen.
Denn gerade Opferinteressen lassen sich ohne nähere Begründung nicht pau-
schalisieren. Es ist dabei bereits nicht klar, ob die gewählte Art der Gesetzge-
bung den Interessen von potenziellen oder tatsächlichen Opfern diesen soll. Aber
auch innerhalb der beiden Gruppen divergieren die Bedürfnisse stark und lassen
sich nur schwer verallgemeinern.
Eine vergleichbare Problematik besteht auch beim Verweis auf die absolute
Gerechtigkeit. Zum einen sollte Gerechtigkeit in der Gesetzgebung immer hand-
lungsleitende Maxime sein, sodass deren Verfolgung nicht explizit als Begrün-
dung für den Einsatz einer bestimmten Art der Gesetzgebung herangezogen wer-
den kann. Zum anderen ergibt sich auch hier die Problematik, dass unklar ist,
was unter Gerechtigkeit überhaupt zu verstehen ist und ob absolute Gerechtigkeit
überhaupt jemals erreicht werden kann und folglich das Streben danach legitim
ist.
So lässt sich zusammenfassend sagen, dass die verwendeten allgemeinen Be-
gründungsmuster in der Legitimität ihrer verfolgten Zwecke nicht überzeugen
können. Aber, wie eingangs bereits gesagt, schließt die Illegitimität dieser pau-
schalen Argumentationsmuster nicht aus, dass der Einsatz von Öffnungsklauseln
in konkreten Tatbeständen durchaus hinreichend begründet werden kann, indem
sie dem Schutz eines Rechtsguts dienen. Sie bieten durch die offene Fassung zu-
mindest potenziell einen umfassenderen Schutz, als dies der Tatbestand ohne die
Öffnungsklauseln leisten könnte. So besteht zumindest die Möglichkeit, dass ein
praktikabler Begründungsansatz verbleiben könnte.
D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln
Öffnungsklauseln sehen sich, unabhängig von der gerade erörterten Begrün-
dungsansätzen, mit dem Vorwurf konfrontiert, dass diese Art der Gesetzgebung
gegen Art.103 Abs. 2 GG verstößt.1
In Art. 103 Abs. 2 GG wurde die „freiheitsverbürgende Rechtsbeziehung zwi-
schen Bürger und Staat“ 2 normiert und die dort enthaltenen Ge- und Verbote
werden zusammenfassend als Gesetzlichkeitsprinzip bezeichnet.3 Diese beziehen
sich sowohl auf die Entscheidung, ob ein Verhalten für strafbar erklärt werden
soll als auch auf die konkrete Ausgestaltung des Tatbestandes.4 Bei Art. 103
Abs. 2 GG handelt es sich nach Schünemann um eine sog. „Fundamentalnorm“,
sodass eine Einhaltung der dort garantierten Grundsätze in jedem Falle erforder-
lich ist.5 Dieser Grundsatz findet sich darüber hinaus auch in Art. 7 der Mensch-
RKonv6 und Art. 49 Abs. 1 Grundrechtecharta wieder, was die nicht nur im In-
land überragende Bedeutung unterstreicht.
Aus ebendieser Norm leiten sich der Bestimmtheitsgrundsatz, das Analogie-
verbot, das Rückwirkungsverbot, der Grundsatz des Gesetzesvorbehaltes und der
Grundsatz der Gesetzesbindung ab, gegen die die Öffnungsklauseln jeweils ver-
stoßen könnten. Eng verbunden ist das Prinzip, wie noch zu zeigen sein wird,
außerdem mit dem Grundsatz der Gewaltenteilung.
Der Grundgedanke des Gesetzlichkeitsprinzips geht auf die Entscheidung zu-
rück, Recht zu kodifizieren (unter I. 1.), gleichwohl hat sich die Bedeutung des
1 Kühl, in: FS-Geppert, S. 311, 315; ders., in: FS-Seebode, S. 71; Eiden, ZIS 2008,
123, 127; Gazeas, KJ 39 (2006), 247, 257 f.; ders., JR 2007, 497, 501; Greco, GA 2012,
452, 455; Neubacher, ZStW 118 (2006), 855, 870; Neubacher/Seher, JZ 2007, 1023,
1033; MüKo-StGB/Gericke, § 238, Rn. 35 m.w. N.; Bartsch, in: FS-Rössner, 715, 724;
Kinzig/Zander, JA 2007, 481, 485; Meyer, ZStW 2003, 249, 288; wohl auch Entwurf
des zweiten Gesetzes zur Sicherung des Straßenverkehrs, v. 27.09.1962 – BT-Drucks.
IV/651, S. 22, abrufbar unter https://dipbt.bundestag.de/doc/btd/04/006/0400 651.pdf
(zuletzt abgerufen am 02.12.2020).
2 Calliess, NJW 1989, 1338.
3 Mangoldt/Klein/Starck/Nolte/Aust, Art. 103 Abs. 2 Rn. 2; die Bezeichnung wird
insgesamt nicht einheitlich verwendet, in dieser Arbeit wird aber dem herrschenden
Verständnis gefolgt und der Begriff des Gesetzlichkeitsprinzips soll alle in Art. 103
Abs. 2 GG normierten Ge- bzw. Verbote umfassen, vgl. Maunz/Dürig/Remmert, Art. 103
Abs. 2 Rn. 2.
4 Roxin/Greco, Strafrecht AT I, S. 215.
5 Schünemann, Nulla poena sine lege?, S. 2.
6 Außerdem in Art. 49 GRC und Art. 7 Abs. 1 EMRK und Art. 15 Abs. 1 IPBPR.
64 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln
Grundsatzes im Laufe der Zeit immer wieder gewandelt, in dem die Schutzrich-
tungen des Gesetzlichkeitsprinzips unterschiedlich gewichtet wurden (unter I. 2.).
Das Gesetzlichkeitsprinzip nimmt auch heute eine prominente Position in § 1
StGB und in Art. 103 Abs. 2 GG ein (dazu unter I. 3.). Das Prinzip ist aufgrund
seiner vielfältigen verfassungsrechtlichen Verschränkungen grundlegend für die
strafrechtliche Gesetzgebung und Rechtsanwendung (dazu unter II.), daran ver-
mag auch eine etwaig festzustellende gelockerte Handhabung durch die Judika-
tive7 nichts ändern (dazu unter II. 2.).
Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 2 GG oder auch den Grundsatz der Gesetzes-
bindung und dem Grundsatz der Gewaltenteilung führt zur Verfassungswidrig-
keit. Ein solcher kann auch nicht durch die verfolgten Zwecke geheilt werden
oder durch Verhältnismäßigkeitserwägungen überwunden werden.8 Eine Abwä-
gung ist aufgrund der klaren Vorgaben und der hohen Bedeutung dieser verfas-
sungsrechtlichen Prinzipien gerade nicht möglich.9 Infolgedessen kommt grund-
sätzlich keine Absenkung des Schutzniveaus der Garantien in Betracht. Eine
solche unterschiedliche bzw. gelockerte Handhabung der Ge- und Verbote ist nur
durch eine entsprechende Auslegung überhaupt möglich.10
7 Das BVerfG legt die Maßstäbe, anhand derer die ausreichende Bestimmtheit einer
Norm festgestellt werden soll, danach aus, wie eingriffsintensiv das entsprechende Ge-
setz ist, vgl. BVerfG, Beschl. v. 21.09.2016 – 2 BvL 1/15 = BVerfGE 143, 38 = NJW
2016, 3648, 349; BVerfGE 25.07.1962 – 2 BvL 4/62 = BVerfGE 14, 245, 250 = NJW
1962, 1563; BVerfG, Beschl. v. 06.05.1987 – 2 BvL 11/85 = BVerfGE 75, 329, 342 =
NJW 1987, 3175.
8 Schreiber, ZStW 80 (1986), 348, 367; ebenso: Krey, Keine Strafe ohne Gesetz,
mert, Art. 103 Abs. 2 Rn. 135, 136 relativiert die Bedeutung aber, indem er davon aus-
geht, dass auch ohne eine ausdrückliche Normierung von Art. 103 Abs. 2 GG ein ver-
gleichbarer Schutzstandard herrschen würde; ebenso Sachs/Degenhart, Art. 103 Rn. 53;
v. Münch/Kunig/Kunig/Saliger, Art. 103 Rn. 30.
10 Einen anderen Ansatz verfolgt augenscheinlich Kuhlen, in: FS-Otto, S. 95, indem
er Art. 103 Abs. 2 GG als „Optimierungsgebot“ versteht und auch als „Exaktheitsprin-
zip“ beschreibt, S. 96.
11 Ausführlich zur historischen Entwicklung siehe LK-StGB/Dannecker, § 1 S. 72;
zur geschichtlichen Entwicklung siehe auch zusammenfassend Jähnke, ZIS 2010, 463;
Welzel, Das deutsche Strafrecht, S. 19 ff.
12 Matt/Renzikowski/Basak, § 1 Rn. 1; zu ersten Erscheinungsformen siehe auch
Mit der Entscheidung für geschriebenes Recht war der erste Schritt in Rich-
tung des Gesetzlichkeitsprinzips bereits getan,16 denn Art. 103 Abs. 2 GG ist
Konsequenz der Entscheidung, die Ordnung des Rechtssystems über Kodifikatio-
nen herzustellen. Begründet werden kann diese Entscheidung für das geschrie-
bene Recht und gegen das Richterrecht und Gewohnheitsrecht mit dem Interesse
des Souveräns, der sich dadurch selber mehr Macht verleihen und sich insbeson-
dere vor unvorhersehbaren Entscheidungen der Judikative und einem damit ver-
bundenen Machtverlust schützen konnte und wollte.17 Diese Motivation war ge-
prägt von tiefem Misstrauen des Souveräns gegenüber den Richter*innen.18 Ein
weiterer Antrieb war der Schutz des Einzelnen vor Willkür, der durch die exakte
Normierung sichergestellt werden sollte. Dadurch sollte außerdem das Recht dem
Volk zugänglich gemacht werden und die „richterliche und magistratische Will-
kür des Patriziats eingeschränkt“ werden.19 Denn geschriebenes Recht bedeutet
gleichzeitig eine deutlich erhöhte Rechtssicherheit durch die Bindung an dieses
geschriebene Recht im Gegensatz zu Richter*innen- und Gewohnheitsrecht. Spä-
13 Krey, Keine Strafe ohne Gesetz, S. 3 ff.; ähnliche Entscheidungen könnte auch ein
S. 3.
18 Krey, Keine Strafe ohne Gesetz, S. 7; Dannecker, in: FS-Otto, S. 27.
19 NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 9; Krey, Keine Strafe ohne Gesetz, S. 8.
66 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln
20 Krey, Keine Strafe ohne Gesetz, S. 6; zumindest für das Bestimmtheitsgebot: Man-
setzbuchs, S. 39.
68 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln
mals einzelne Richter*innen über das Recht entscheiden sollten, sondern nur der
repräsentative Gesetzgeber.30 Auf diese Weise kommt zu Teilen auch heute der
Grundsatz der Gewaltenteilung in Art. 103 Abs. 2 GG zum Ausdruck.
Beccaria, der zusammen mit Montesquieu und Locke als Vordenker des Ge-
setzlichkeitsprinzips gilt, verband außerdem dieses Prinzip mit dem generalprä-
ventiven Charakter von Strafe.31 Nur wenn erkennbar ist, welche Verhaltenswei-
sen unter Strafe stehen, kann dieses geschriebene Recht den potenziellen Täter
von der Tatbegehung abschrecken.
Montesquieu betrachtete den Schutz der Bürger*innen vor Willkür als Haupt-
aufgabe des geschriebenen Rechts.32 Diese können nur dann vor der Willkür des
Staates geschützt werden, wenn es klare gesetzliche Vorgaben gibt, die die Bür-
ger*innen erkennen lassen, welche Verhaltensweisen unter Strafe gestellt werden.
Zum Teil werden die Äußerungen Montesquieus über die Rolle der Richter*innen
so interpretiert, dass Richter*innen ihre Entscheidungen nur durch einen Blick in
das Gesetz treffen sollen und keine persönliche Wertung bzw. Bewertung der
Richter*innen einfließen sollen.33
Ausdrücklich schriftlich kodifiziert wurde das Gesetzlichkeitsprinzip im
deutschsprachigen Raum erstmals in der Josephina von 1787 und diente dort
nach überwiegender Ansicht der Freiheitssicherung der Bürger*innen.34 Schließ-
lich war es aber Anselm v. Feuerbach, der das Gesetzlichkeitsprinzip durch seine
Formulierung „nullum crimen, nulla poena sine lege“ geprägt hat und erstmals
darin alle vier Einzelprinzipien herausarbeitete.35 Dabei bediente er sich einer
strafrechtlichen und einer staatsrechtlichen Begründung. Im Rahmen der straf-
rechtlichen Dimension sollte die genaue Kodifikation von Gesetzen dafür sorgen,
setzbuchs, S. 41; teilweise wird aber auch hier vertreten, dass die Kodifikation eigent-
lich dem Machterhalt des Souveräns dienen sollte, vgl. LK-StGB/Dannecker, § 1 S. 72;
anders wohl Kohlmann, Der Begriff des Staatsgeheimnisses, S. 180 f.; Roxin/Greco,
Strafrecht AT I, S. 217.
35 Feuerbach, Lehrbuch des peinlichen Rechts, § 24; siehe dazu ausführlicher bei
36 LK-StGB-Dannecker, § 1 S. 74.
37 Krey, Keine Strafe ohne Gesetz, S. 20; Feuerbach, Revision der Grundsätze und
Grundbegriffe des positiven peinlichen Rechts, S. 63.
38 Krey, Keine Strafe ohne Gesetz, S. 22.
39 Beling, Die Lehre vom Verbrechen, Vorwort V f., und der Feststellung, dass nur
und Richter, S. 67 ff.; dezidiert zur Entstehungsgeschichte vgl. Kohlmann, Der Begriff
des Staatsgeheimnisses, S. 201 ff.; auch wenn der Grundsatz bereits damals stark ge-
schwächt war, vgl. Marxen, Der Kampf gegen das liberale Strafrecht, S. 192 f.; Dan-
necker, Das intertemporale Strafrecht, S. 162, in Zusammenhang mit dem Rückwir-
kungsverbot.
41 Lemmel, Unbestimmte Strafbarkeitsvoraussetzungen im besonderen Teil des Straf-
rechts, S. 26.
42 Cattaneo, Strafrechtstotalitarismus, S. 233 ff.
43 Vgl. dazu Gesetz vom 28.06.1935, RGBl. I S. 839; zusammenfassend: Lemmel,
Art. 103 Abs. 2 GG, in seiner heutigen Fassung, fand nach Ende des zweiten
Weltkrieges und mit der Sitzung des Parlamentarischen Rates Einzug in das
Grundgesetz.45 Eine ähnliche Fassung fand sich damals bereits in Art. IV Nr. 7
des Gesetzes Nr. 1 der Militärregierung. Dort hieß es:
„Die Anklage darf nur erhoben werden, Urteile dürfen nur verhängt, Strafen voll-
streckt werden, falls die Tat zur Zeit ihrer Begehung ausdrücklich gesetzlich für straf-
bar erklärt war. Ahndung von strafbaren Handlungen unter Analogien oder wegen
angeblich ,gesunden Volksempfindens‘ ist verboten.“ 46
Diese gesetzliche Regelung diente dabei der Abkehr von § 2 RStGB,47 der zur
Zeit des Nationalsozialismus Analogien im Strafrecht ausdrücklich erlaubte und
als Quasi-Generalklausel für alle Verhaltensweisen diente, die „dem gesunden
Volksempfinden“ entgegenstanden. § 2 RStGB wurde am 30.01.1946 durch Art. I
des Kontrollratsgesetzes Nr. 11 endgültig aufgehoben (Art. V). Es galt dann wei-
terhin Art. II der Proklamation Nr. 3 des Kontrollrates48, welcher im Grunde eine
Vorläuferversion des heutigen Art. 103 Abs. 2 GG darstellte.49 Schließlich wurde
gedanke auf sie am besten zutrifft“ und enthält damit die ausdrückliche Aufforderung
zur analogen Rechtsanwendung; dazu auch: NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 11 f.
insbesondere auch zu den rechtspolitischen Folgen der Abschaffung des § 2; zum „Me-
thodenpluralismus“ im Nationalsozialismus vgl. Grimm, in: FS-Coing, S. 490; Werber,
Analogie- und Rückwirkungsverbot im Dritten Reich unter Berücksichtigung der Konti-
nuitätsfrage zur Weimarer Zeit, S. 95 ff. mit Auszügen aus der Gesetzesbegründung;
umfassend auch: Gruchmann, Justiz im Dritten Reich, S. 822 ff.
44 Zusammenfassend siehe: Holste, JA 2009, 359; dazu auch Honda, in: FS-Seebode,
S. 15.
45 Umfassend zur Entwicklung des Art. 103 Abs. 2 GG siehe auch Honda, in: FS-
Seebode, S. 31 f.
46 Maunz/Dürig/Remmert, Art. 103 Abs. 2 Rn. 17; Kohlmann, der Begriff des Staats-
geheimnisses, S. 213.
47 Maunz/Dürig/Remmert, Art. 103 Abs. 2 Rn. 17, unter Verweis auf den darstellen-
den Teil des Berichts über den Verfassungskonvent; Krey, Keine Strafe ohne Gesetz,
S. 36; Schreiber, Gesetz und Richter, S. 201.
48 Dieser lautet: „1. Niemand darf das Leben, die persönliche Freiheit oder das
Eigentum entzogen werden, es sei denn auf Grund von Recht und Gesetz. 2. Strafbare
Verantwortlichkeit besteht nur für Handlungen, welche das Recht für strafbar erklärt.
3. Kein Gericht darf irgendeine Handlung auf Grund von ,Analogie‘ oder im Hinblick
auf das sogenannte ,gesunde Volksempfinden‘ für strafbar erklären, wie es bisher im
deutschen Strafrecht der Fall war.“
49 Maunz/Dürig/Remmert, Art. 103 Abs. 2 Rn. 17.
II. Heutiger Sinn und Zweck des Gesetzlichkeitsprinzips 71
in Art. 136 Abs. 1 des Entwurfs des Verfassungskonvents auf Herrenchiemsee be-
stimmt, dass „[e]ine Handlung [. . .] nur dann mit Strafe belegt werden [kann],
wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde“.50
Danach handelt es sich nach allgemeiner Auffassung um einen der „überkom-
menen rechtsstaatlichen Grundsätze“ 51 und die Normierung im Grundgesetz
folgte dem Ziel „einen altbewährten Grundsatz wieder zu Ehren kommen zu las-
sen“.52 Damit entspricht diese Fassung des Gesetzlichkeitsprinzips nahezu voll-
ständig der heute geltenden Fassung des Art. 103 Abs. 2 GG und fand sich be-
reits damals auch in Landesverfassungen wieder. Lediglich der Begriff der Hand-
lung wurde durch den Begriff der Tat ersetzt. Damit knüpft die Norm an Art. 116
der WRV an,53 über die Einbindung in die Verfassung bestand insbesondere auf-
grund der Erfahrungen der jüngsten Vergangenheit auch überwiegend Einig-
keit.54 Auch über die wesentliche inhaltliche Ausrichtung herrschte Konsens,
sodass nur noch die genaue Formulierung zur Disposition stand.55 In seiner heu-
tigen Fassung nennt das Gesetzlichkeitsprinzip lediglich den Begriff der Straf-
barkeit und nicht den der Strafe, wobei mittlerweile aber nach wohl einhelliger
Ansicht auch das Strafmaß erfasst ist.56
Schließlich wurde das Gesetzlichkeitsprinzip auch in das einfache Recht über-
nommen und wurde durch das 3. Strafrechtsänderungsgesetz vom 04.08.1953 in
das StGB eingefügt. Diese Wiederholung des Art. 103 Abs. 2 GG findet sich
heute in § 1 StGB. Dies dient der Verdeutlichung des überragend wichtigen Cha-
rakters des Gesetzlichkeitsprinzips.57
herrschte hingegen über die Aufnahme des Grundsatzes in das Grundgesetz; ebenso
Deffert, Strafgesetzlichkeit als völkerrechtliches Prinzip, S. 38.
57 Bockelmann, in: Niederschrift über die Sitzung der großen Strafrechtskommission,
S. 288 f.; zusammenfassend zur Gesetzgebung siehe Schreiber, Gesetz und Richter,
S. 204 f.
72 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln
58 Mangoldt/Klein/Starck/Nolte/Aust, Art. 103 Rn. 97, dies kann aber auch ange-
zen ab. Das Prinzip wird teilweise auch aus dem diffusen Begriff der „Freiheits-
idee“ hergeleitet.63
Die meisten Erklärungsansätze64 fußen allerdings auf einer verfassungsrecht-
lichen Herleitung: Es wird teilweise aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3
GG) hergeleitet. Nur ein vorhersehbares Handeln der Staatsgewalt könne rechts-
staatlichen Grundsätzen entsprechen und schütze vor willkürlichen Entscheidun-
gen, was sich mit den Zielen im Rahmen der historischen Auslegung deckt.65
Art. 103 Abs. 2 GG soll dabei einen Verstoß gegen das Gesetzlichkeitsprinzip
zum Zwecke der Gerechtigkeit verhindern.66
Wieder andere sehen das Gesetzlichkeitsprinzip als Ausformung des Demo-
kratieprinzips67 oder des Grundsatzes der Gewaltenteilung.68 Denn aufgrund der
Schwere des Eingriffs in die Freiheitsrechte der Bürger*innen, bedürfe es einer
Entscheidung des demokratisch legitimierten Gesetzgebers, wohingegen Rich-
ter*innen lediglich zur Anwendung des gesetzten Rechts berufen seien.69 Der
Herleitung aus dem Prinzip der Gewaltenteilung stünden Erwägungen zum ge-
wöhnlichen Gang des Gesetzgebungsverfahrens nicht entgegen: Lemmel konsta-
tiert zwar, dass Richter*innen zum Teil auch an der Rechtsbildung beteiligt sind,
durch ihre Arbeit eine Art der Rechtssetzung vornehmen und des weiteren auch
in Fachgremien zur Setzung von Recht als Expert*innen einberufen werden und
damit die Gesetzgebung ohnehin nicht kein absolut und rein legislativer Bereich
Abs. 2 Rn. 43, auch mit Verweisen auf das Schuldprinzip; Sachs/Degenhart, Art. 103
Rn. 53, in Verbindung mit dem Schuldprinzip; mehrere Erklärungsansätze ebenfalls
vereinend: Paulduro, Die Verfassungsgemäßheit von Strafrechtsnormen, insbesondere
der Normen des Strafgesetzbuches, im Lichte der Rechtsprechung des Bundesverfas-
sungsgerichts, S. 361; LK-StGB/Dannecker, § 1 Rn. 51; Matt/Renzikowski/Basak, § 1
Rn. 4; MüKo-StGB/Schmitz, § 1 Rn. 9; Mangoldt/Klein/Starck/Nolte, Art. 103 Rn. 101;
Jarass/Pieroth/Kment/Kment, Art. 103 Rn. 62, und der Menschenwürde und des Demo-
kratieprinzips; zur Historie und dem Rechtsstaatsprinzip vgl. NK-StGB/Hassemer/
Kargl, § 1 Rn. 10; zur Bedeutung der verfassungsrechtlichen Herleitung vgl. Lackner/
Kühl/Kühl, § 1 Rn. 1.
66 LK-StGB/Dannecker, § 1 Rn. 52 ff.
67 Grünwald, ZStW 76 (1964), 1, 14; Geitmann, Bundesverfassungsgericht und „of-
fene“ Normen, S. 72; Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 103 Abs. 2 Rn. 17, in Kombination
mit dem Rechtstaatsprinzip; Ransiek, Gesetz und Lebenswirklichkeit, S. 12 ff., 40, sieht
Wahrung von Gewaltenteilungsgrundsatz und dem Demokratieprinzip als Grundlage
von Art. 103 Abs. 2 GG und dem daraus erwachsenden Bestimmtheitsgrundsatz.
68 Roxin/Greco, Strafrecht AT I, S. 219, der dies aber immer im Zusammenhang mit
ist.70 Daraus könnte man den Schluss ziehen, dass sich das Gesetzlichkeitsprinzip
gerade nicht (nur) aus dem Grundsatz der Gewaltenteilung ergibt, da diese ohne-
hin nicht konsequent eingehalten wird. Allerdings geht eine solche Einschätzung
wohl zu weit, denn die Letztentscheidung über die abstrakte Strafbarkeit wird nur
vom demokratisch legitimierten Gesetzgeber selbst getroffen. Bei dieser Ent-
scheidung findet, auch wenn Organe der Judikative im Verfahren beratend tätig
wurden, keine Vermischung der Gewalten statt, sodass dies folglich der Her-
leitung aus dem Gesetzlichkeitsprinzip nicht entgegensteht. Außerdem steht der
Grundsatz der Gewaltenteilung, wie noch zu zeigen sein wird, keiner Verschrän-
kung der Gewalten entgegen. Vielmehr schützt er die Kernbereiche der einzelnen
Gewalten. Solange diese nicht betroffen sind, ist kein Verstoß gegen den Grund-
satz der Gewaltenteilung anzunehmen.71
Sax hingegen sieht das Prinzip als Voraussetzung der Verwirklichung der ma-
teriellen Gerechtigkeit und leitet es unter anderem aus dem Schuldprinzip her.72
Schuldhaft handeln könne gerade nur die Person, die hätte wissen können, dass
ein bestimmtes Verhalten unter Strafe gestellt ist. Dies setzte notwendigerweise
eine Kodifizierung der Strafbarkeit voraus.
Gegen eine Herleitung aus dem Schuldprinzip spricht, dass dieses daran an-
knüpft, dass eine Handlung verboten ist, wozu nicht zwangsweise gehört, dass
der Betroffene wissen muss, dass die Handlung unter Strafe steht.73 Damit kann
spätestens nach der gesetzlichen Normierung des Schuldprinzips in § 17 StGB
diese Herleitung nur noch bedingt als Begründungsansatz herhalten, da danach
die Schuld eindeutig nur die Kenntnis des Unrechts der entsprechenden Hand-
lung voraussetzt und nicht die Kenntnis des entsprechenden Strafgesetzes.74 Den-
noch ist zuzugeben, dass zumindest ein Strafgesetz bestehen muss, damit eine
Unrechtskenntnis erlangt werden kann, was ebenfalls durch das Gesetzlichkeits-
prinzip verfassungsrechtlich abgesichert ist.75 Das Gesetzlichkeitsprinzip geht
aber über „die Erfordernisse des Schuldprinzips hinaus“.76 Es handelt sich dabei
rechts, S. 82.
71 Vgl. dazu in dieser Arbeit Kap. D. VIII. 3.
72 Grünwald, ZStW 76 (1964), 1, 10; zum Teil auch in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1
GG: vgl. BVerfG, Beschl. v. 26.02.1969 – 2 BvL 15, 23/68 = BVerfGE 25, 269, 285 =
NJW 1969, 1509; ebenso Sachs/Degenhart, Art. 103 Rn. 55, als Grundlage des Gesetz-
lichkeitsprinzips; zumindest im Hinblick auf das Rückwirkungsverbot vgl. Welke, KJ
1995, 369, 371; in Hinblick auf die generalpräventive Funktion von Strafen siehe auch
Schönke/Schröder/Hecker, § 1 Rn. 2.
73 Zusammenfassend dazu vgl. LK-StGB/Vogel/Bülte, § 17 Rn. 15.
74 Grünwald, ZStW 76 (1964), 1, 12; anders kann es freilich liegen, wenn das
Schuldprinzip mit dem Prinzip der Menschenwürde verbunden wird, vgl. dazu BVerfG
2 BvR 2029/01 – Urt. v. 05.02.2004 = BVerfGE 109, 133, 171 = NJW 2004, 739.
75 Sachs/Degenhart, Art. 103 Rn. 55.
76 LK-StGB/Dannecker, § 1 Rn. 61.
II. Heutiger Sinn und Zweck des Gesetzlichkeitsprinzips 75
77 Roxin/Greco, Strafrecht AT I, S. 221; was sich auch bereits daraus ergibt, dass
2010, 3209, 3210; BVerfG, Beschl. v. 17.01.1978 – 1 BvL 13/76 = BVerfGE 47, 109
(120) = NJW 1978. 933, 934; so im Ergebnis auch Roxin/Greco, Strafrecht AT I,
S. 219, die außerdem die generalpräventive Funktion des Gesetzlichkeitsprinzips und
den politischen Liberalismus unterstreichen; Gropp/Sinn, StrafR AT, § 3 Rn. 13 ff.
79 BVerfG, Beschl. v. 24.10.1996 – 2 BvR 1851, 1853, 1875, 1852/94 = BVerfGE
rig/Remmert, Art. 103 Abs. 2 Rn. 30; so im Ergebnis zumindest in Hinblick auf das
Schuldprinzip und das Demokratieprinzip, vgl. Roxin/Greco, Strafrecht AT, S. 219 f.
76 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln
teilung geschützt werden.81 Dafür bedarf es immer wieder eines Austarierens der
Freiheitsverteilung zwischen Staat und Bürger*innen, die durch Art. 103 Abs. 2
GG erfolgt.82
Doch die Bedeutung des Gesetzlichkeitsprinzips hängt auch maßgeblich von
der tatsächlichen Wirksamkeit ab, also davon, wie es von der Judikative verstan-
den und schlussendlich auch durchgesetzt wird.83 Eine solche Betrachtung muss
und wird für die mit dem Gesetzlichkeitsprinzip verbundenen jeweiligen Garan-
tien separat erfolgen.84 Aufgrund dessen erfolgt an dieser Stelle keine umfas-
sende Analyse der Rechtsprechung zu Art. 103 Abs. 2 GG.85 Dennoch kann be-
reits eine Tendenz zur Bedeutung im Rahmen der Rechtsprechung aufgezeigt
werden, um den Konflikt zwischen verfassungsrechtlicher Bedeutung und An-
wendung durch die Rechtsprechung zu verdeutlichen.
Die grundsätzlich überragende Bedeutung für die Rechtsstaatlichkeit und die
Freiheit des Einzelnen ist aufgrund der historischen Entwicklung kaum ernsthaft
zu bezweifeln. Dass dieser Norm auch in der Rechtsprechung eine hohe Bedeu-
tung zukommt, ist schon daran zu erkennen, dass Verstöße gegen Art. 103 Abs. 2
GG im Vergleich zu anderen Artikeln „am häufigsten mit der Verfassungsbe-
schwerde als verletzt gerügt werden“.86 Die am meisten gerügte Ausprägung des
Gesetzlichkeitsprinzips ist dabei, soweit ersichtlich, das Bestimmtheitsgebot.87
81 Maunz/Dürig/Remmert, Art. 103 Abs. 2 Rn. 136, wonach Art. 103 Abs. 2 GG eine
unmöglichen Zustand des Strafrechts, S. 387, 396; so im Ergebnis wohl auch Roxin/
Greco, Strafrecht AT, S. 219.
83 Mangakis, ZStW 1969, 425, 427.
84 Siehe dazu insbesondere in Bezug auf die Handhabung des Bestimmtheitsgrund-
satzes durch die Gerichte Kap. D. IV. 1. c) und in Bezug auf das Analogieverbot
Kap. D.V. 1.; offengelassen bei Maunz/Dürig/Remmert, Art. 103 Abs. 2 Rn. 8, verweist
insbesondere auf die wenigen Entscheidungen zum Analogieverbot, die aber keine ein-
deutige Interpretation zulassen.
85 Siehe dazu nur auch die ausführliche Darstellung der Entscheidungen in Paulduro,
setzlichkeitsprinzips in der Rechtsprechung vgl. auch Schulz, in: FS-Roxin, S. 305; auf
die (quantitative) Präsenz verweist auch AnwKomm-StGB/Gaede, § 1 Rn. 1.
87 Die Suche nach Entscheidungen zum Begriff „Bestimmtheitsgebot“ ergibt in der
Gerade der Umgang der Gerichte mit dem aus dem Gesetzlichkeitsprinzip er-
wachsenden Bestimmtheitsgrundsatz zeigt, dass das Gesetzlichkeitsprinzip, durch
die Judikative eher gelockert gehandhabt wird. Dies wird zum einen dadurch
deutlich, dass ein Gesetz nur in Ausnahmefällen für zu unbestimmt erklärt
wird.88 Zum anderen aber auch durch die zum Bestimmtheitsgrundsatz ent-
wickelte Rechtsprechung, in der sich die Judikative selbst die Kompetenz zur
„Heilung“ der zu unbestimmten Strafgesetze zuspricht.89 Besonders deutlich
zeigt sich dies in der Entscheidung zur hinreichenden Bestimmtheit des Untreue-
tatbestandes, bei dem das BVerfG der Judikative gerade die Aufgabe auferlegt,
etwaige Unklarheiten durch die Rechtsprechung zu präzisieren.90 Darüber hinaus
warnt die Rechtsprechung gerade in Bezug auf den Bestimmtheitsgrundsatz
davor, übersteigerte Anforderungen zu stellen.91 Die Anforderungen, die an den
Gesetzgeber für die Einhaltung der in Art. 103 Abs. 2 GG verbürgten Regeln auf-
stellt werden, werden vielmehr von der Eingriffsintensität, die sich in der Straf-
androhung ausdrückt, abhängig gemacht.92
Uneinheitlicher zeigt sich die Rechtsprechung gleichwohl, wie sich noch zei-
gen wird, bei der Anwendung und Durchsetzung des Analogieverbotes. Zum Teil
wurde in Entscheidungen der Wortlaut einer Norm bewusst überschritten.93 Auch
wird der überragende Charakter des Analogieverbotes betont, der gerade nicht
durch Überlegungen zur materiellen Gerechtigkeit durchbrochen werden kann.94
Zumindest zweifelhaft erscheint auch eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs
(im Folgenden BGH) vom 10.07.1975, wonach die Täter § 250 Abs. 1 Nr. 3a
88 Siehe dazu die Entscheidung zum Begriff „grober Unfug“, vgl. BVerfG 14.05.
1969 – 2 BvR 238/68 = BVerfGE 26, 41, 42 = NJW 1969, 1759; ebenso Mangoldt/
Klein/Starck/Nolte/Aust, Art. 103 Rn. 138; die Rechtsprechung des BVerfG zum Be-
stimmtheitsgebot befürwortend: v. Münch/Kunig/Kunig/Saliger, Art. 103 Rn. 50.
89 Siehe dazu sogleich unter Kap. D. IV. 1. c).
90 BVerfG, Beschl. v. 23.06.2010 – 2 BvR 2559/08 = BVerfGE 126, 170, 189 = NJW
2010, 3209.
91 BVerfGE 25.07.1962 – 2 BvL 4/62 = BVerfGE 14, 245, 250 = NJW 1962, 1563;
BVerfG 08.05.1974 – 2 BvR 636/72 = BVerfGE 37, 201, 208 = NJW 1974, 1860;
BVerfG 11.02.1976 – 2 BvL 2/73 = BVerfG 41, 314, 320, insbesondere im Hinblick auf
den Bestimmtheitsgrundsatz.
92 BVerfG, Beschl. v. 06.05.1987 – 2 BvL 11/85 = BVerfGE 75, 329, 342 = NJW
1987, 3175; BVerfG 20.03.2002 – 2 BvR 794/95 = BVerfGE 105, 135 = NJW 2002,
1779.
93 RGST 29, 111; 32, 165; BGH, Urt. v. 13.09.1957 – 1 StR 338/57 = BGHSt 10,
375 = NJW 1957, 1642; BGH, Urt. v. 08.04.1960 – 4 StR 2/60 = BGHSt 14, 213 =
NJW 1960, 1165; BGH, Urt. v. 26.09.1962 – 4 Str 196/62 = BGHSt 18, 114, 120 = NJW
1963, 307.
94 BGH, Urt. v. 17.11.1962 – 3 StR 49/62 = BGHSt 18, 136 = NJW 1963, 499; z. B.
für den Fall der Anwendung des § 142 Abs. 2 StGB, wonach ein unvorsätzliches Entfer-
nen vom Unfallort sich nicht unter den Wortlaut „berechtigt und entschuldigt“ sub-
sumieren lässt, vgl. BGH, Beschl. v. 19.07.2007 – 2 BvR 2273/06 = BVerfGK 10, 442;
AnwKomm-StGB/Gaede, § 1 Rn. 30 bezeichnet dies als „erweitertes Analogieverbot“.
78 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln
III. Zwischenergebnis
Art. 103 Abs. 2 GG und § 1 StGB sind Folgen der Entscheidung für eine Kodi-
fikation des Rechts und des besonders eingriffsintensiven Charakters des Straf-
rechts. Die historische Entwicklung des Grundsatzes zeigt, dass das Gesetzlich-
keitsprinzip unterschiedliche Schutzrichtungen aufweist und je nach geschicht-
lichem Kontext aufgewiesen hat. Darunter fallen zum Beispiel, der Schutz vor
willkürlichen Entscheidungen, die Freiheitssicherung sowie die Sicherung des
Grundsatzes der Gewaltenteilung, wonach die Legislative die Entscheidung über
strafbare Verhaltensweisen selbst treffen muss. Ebenso offenbart der Blick in die
Vergangenheit aber auch die Einsicht, dass es verheerende Auswirkungen haben
95 BGH, Beschl. v. 10.07.1975 – GSSt 1/75 = BGHSt 26, 167, vgl. dazu insbeson-
dere Schünemann, Nulla poena sine lege?, S. 27 und verweist auf eine „Verkennung der
Grundsubstanz von Art. 103 Abs. 2 GG“.
96 Offengelassen bei Maunz/Dürig/Remmert, Art. 103 Abs. 2 Rn. 8.
97 Zusammenfassend zu den Begründungsansätze des Gesetzlichkeitsprinzips: Grün-
100 Eiden, ZIS 2008, 123, 127 verweist auf die Unmöglichkeit für Normadres-
1. Begriff „Bestimmtheit“
stimmt‘ ist eigentlich das Bestimmtheitsgebot?“, unter Verweis auf Kuhlen, in: Recht
ohne Regeln, S. 19, 22 f.
103 Zum Begriff der Strafbarkeit in diesem Kontext, vgl. MüKo-StGB/Schmitz, § 1
Rn. 13, wonach Einigkeit darüber herrscht, dass dies mehr meint als den „Tatbestand
einer Strafnorm“; strittig ist insbesondere, ob der Bestimmtheitsgrundsatz auch für den
Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuches Wirkung entfaltet, vgl. dazu ablehnend: Gün-
ther, in: FS-Grünwald, 1999, S. 213, 215 ff.; Moreso, in: Gesetzlichkeit und Strafrecht,
S. 145, 157 ff.; befürwortend: Satzger, Jura 2016, 154, 156 allgemein zur Geltung des
Gesetzlichkeitsprinzips für den Allgemeinen Teil des StGB; Dreier/Schulze-Fielitz,
Art. 103 Abs. 2 Rn. 23 plädiert ebenfalls für eine vollumfängliche Geltung; zusammen-
fassend auch: Kirsch, Zur Geltung des Gesetzlichkeitsprinzips im Allgemeinen Teil des
Strafgesetzbuchs, S. 287, wonach sich weniger die Frage stellt, ob das Prinzip hier gilt,
als vielmehr wie es verwirklicht werden kann; Dannecker, in: FS-Otto, S. 25 ff. unter
Verweis auf Otto, Grundkurs Strafrecht, S. 17, dort aber offengelassen.
IV. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Bestimmtheitsgrundsatz 81
mal nur ein entsprechendes Strafgesetz für die Sanktionierung einer bestimmten
Verhaltensweise geben, weitere Anforderungen lassen sich dem Wortlaut der
Norm zunächst nicht entnehmen. Über die genaue Art und Weise und den erfor-
derlichen Grad der Bestimmtheit ist durch diese Regelung noch nichts gesagt.
Das zeigt, dass der Begriff der Bestimmtheit, wie er im Gesetz steht, seinerseits
unbestimmt ist104 und einer Präzisierung anhand der gängigen Auslegungsmetho-
den bedarf.
Das Erfordernis, den Begriff der Bestimmtheit zu konkretisieren, ergibt sich
auch daraus, dass dieser Grundsatz in einem ständigen Zwiespalt steht, unter-
schiedliche Interessen bei der Strafgesetzgebung zu vereinen: Einerseits sollen
das strafbare Verhalten dem Gesetz selbst entnommen werden und andererseits
sollen die Gerichte zumindest noch eine gewissen Flexibilität in der Handhabung
der Gesetze besitzen, wenn sie die abstrakt-generellen Gesetze auf den konkreten
Einzelfall anwenden, um dadurch angemessen auf den Einzelfall reagieren zu
können.105 Öffnungsklauseln scheinen diesem Interessenskonflikt Rechnung zu
tragen, indem den explizit aufgeführten Tatvarianten eine Öffnung für andere,
nicht explizit genannte Verhaltensweisen folgt.106 Wie weit die Rechtssicherheit
zugunsten der Einzelfallgerechtigkeit eingeschränkt werden darf, ist folglich
auch, aber – wie noch zu zeigen ist – nicht ausschließlich,107 von der Auslegung
des Bestimmtheitsgrundsatzes abhängig. Daraus ist zu folgern, dass der Maßstab,
wann von hinreichender Gesetzesbestimmtheit i. S. d. Art. 103 Abs. 2 GG ausge-
gangen werden kann und wie der Begriff zu verstehen ist, auch davon abhängt,
wie die soeben genannten widerstreitenden Pole gewichtet werden.
Grundsätzlich handelt es sich beim Gesetzesvorbehalt des Art. 103 Abs. 2 GG
um einen „strengen“ Gesetzesvorbehalt.108 Der strenge Gesetzesvorbehalt unter-
scheidet sich vom allgemeinen Gesetzesvorbehalt insofern, als dass „die relativen
Anforderungen an die Regelungsdichte besonders ernst zu nehmen sind und sie
im Zweifel nicht weit, sondern restriktiv zu handhaben“109 sind. Das Vorliegen
eines solchen strengen Gesetzesvorbehalts ist damit zu begründen, dass es sich
beim Strafrecht um einen besonders eingriffsintensiven Bereich handelt, der
durch seine Ausgestaltung als Sanktionsrecht zumindest dazu geeignet ist, mas-
tur“, die nicht gelöst werden kann; Stöckel, Gesetzesumgehung und Umgehungsgesetze
im Strafrecht, S. 138.
106 Es wird jedoch zu zeigen sein, dass sich die grundsätzliche Notwendigkeit einer
siv in die Grundrechte der Bürger*innen einzugreifen.110 Das bedeutet für den
Bestimmtheitsgrundsatz, als eine Konkretisierung des Gesetzesvorbehalts, dass
auch in diesem Bereich striktere Anforderungen zu stellen sind, als an die grund-
sätzliche Bestimmtheit von nicht strafrechtlichen Gesetzen. Dies spricht bei einer
Abwägung zwischen den beiden o. g. Polen dafür, ein hohes Maß an Gesetzesbe-
stimmtheit zu fordern und dafür im Zweifel eine Einbuße der Einzelfallgerechtig-
keit in Kauf zu nehmen.111 Für die Normadressat*innen muss also in besonders
hohem Maße erkennbar sein, welches Verhalten durch eine Norm unter Strafe
gestellt wird. Daraus könnte geschlossen werden, dass Normen im Strafrecht im-
mer möglichst genau zu fassen sind.112 Daraus hat sich sogar die Forderung nach
einer größtmöglichen Bestimmtheit entwickelt.113 Bei diesem Ausgangspunkt
könnte der Einsatz von Öffnungsklauseln in Konflikt mit dem Bestimmtheits-
grundsatz geraten. Es erscheint insofern aber nicht eindeutig, ob bei der Fassung
von Öffnungsklauseln eine genauere Formulierung, die eine erhöhte Rechtssi-
cherheit bietet, möglich gewesen wäre, oder ob nur die Streichung der Öffnungs-
klausel Abhilfe geschaffen hätte.
Der Begriff der Gesetzesbestimmtheit wird über die Bedeutung des Wortes
„Bestimmtheit“ und auch durch die Maßstäbe präzisiert, die festlegen, wann ein
110 BVerfG, Beschl. v. 21.09.2016 – 2 BvL 1/15 = BVerfGE 143, 38 = NJW 2016,
3648, 3649.
111 So im Ergebnis wohl auch v. Mangoldt/Klein/Starck/Nolte/Aust, Art. 103 Rn. 40,
wenn er darauf verweist, dass die Rechtsprechung keine Korrekturen zugunsten der Ge-
rechtigkeit im Einzelfall vornehmen darf; ebenso im Ergebnis wohl v. Münch/Kunig/
Kunig/Saliger, Art. 103 Rn. 45, wonach das gebotene Maß an Bestimmtheit „an der
Forderung nach Rechtssicherheit auszurichten“ ist.
112 Verstanden als eine „Optimierungspflicht“ des Gesetzgebers und zum Teil auch
Gesetz zu unbestimmt ist, also durch das, was unter dem Begriff „unbestimmt“
verstanden wird. Nach der Bedeutung des Wortes liegt Unbestimmtheit u. a. dann
vor, wenn etwas nicht klar umrissen ist und sich auch nicht klar umreißen
lässt.114 Grundsätzlich haben alle Rechtsbegriffe einen solchen „Unbestimmt-
heitskoeffizienten“.115 Es sind aufgrund der Mehrdeutigkeit von Sprache immer
mehrere mitunter unterschiedliche Deutungen des geschriebenen Wortes mög-
lich. Entscheidend ist also, welches Maß an Mehrdeutigkeit noch als erträglich
angesehen wird.116 Feste Kriterien, wann eine Norm als zu unbestimmt angese-
hen wird, wurden bisher nicht entwickelt.117 Zurecht wird darauf hingewiesen,
dass Fälle vorliegen, in denen die Unbestimmtheit der Norm unbestreitbar ist,
weil die Vagheit der Formulierungen offensichtlich ist.118 Daraus wird zum Teil
gefolgert, dass eine Verfassungswidrigkeit wegen Unbestimmtheit nur angenom-
men werden kann, wenn keine sinnvolle Begrenzung des Tatbestandes durch die
gängigen Auslegungsmethoden mehr möglich ist. Es wird darauf verwiesen, dass
an das Bestimmtheitsgebot keine übersteigerten Anforderungen gestellt werden
dürfen.119 Damit nimmt diese Ansicht den Gegenpol zu den zuvor genannten
2019].
115 Engisch, in: FS-Mezger, S. 127, 142; Schünemann, FS-Klug, S. 169, 177 ff.
116 Stöckel, Gesetzesumgehung und Umgehungsgesetze im Strafrecht, S. 139.
117 Zu den Methoden zur Präzisierung einer Norm durch die Gerichte s. Kap. E.
III. 1. d).
118 Z. B. die Sanktionierung des „Handelns gegen die öffentliche Ordnung“, vgl. dazu
falls einem gelockerten Verständnis des Bestimmtheitsgrundsatzes folgend und ein Ver-
weis darauf, dass das Gebot nicht übersteigert werden darf, vgl. BeckOK-GG/Radtke,
Art. 103 Rn. 24, der auf eine tatbestandsspezifische Betrachtungsweise verweist; Jarass/
Pieroth/Kment/Kment, Art. 103 Rn. 75, der Rechtsprechung des Bestimmtheitsgrundsat-
zes einschränkend zustimmend; Geitmann, Bundesverfassungsgericht und „offene“ Nor-
men, S. 118; Arnauld, Rechtssicherheit, S. 246 ff., der gerade Regelbeispiele für eine
Möglichkeit der Aushandlung des Bedürfnisses nach Rechtssicherheit einerseits und
dem Bedürfnis nach generellen Regelungen nennt; SK-StGB/Jäger, § 1 Rn. 14; Kühl,
in: FS-Seebode, S. 64 ff.; Paeffgen, StraFo 2007, 442, 444–446, der feststellt, dass das
Bundesverfassungsgericht im Hinblick auf die Bestimmtheit von Normen „viel genauer
hinschaut“, als noch in der Vergangenheit; darüber hinaus wird der Begriff der Be-
stimmtheit vereinzelt auch als quantifizierbares Kriterium verstanden, wonach eine hin-
reichende Bestimmtheit dann vorliegt, wenn mindestens 50 % der Tatbestandsmerkmale
bestimmt, i. S. d. Art. 103 Abs. 2 GG, sind. Diese von Schünemann, Nulla poena sine
lege, S. 35 f. vertretene Auffassung hat sich augenscheinlich nicht durchgesetzt: Zum
Teil wird auch vertreten, dass bei der Beurteilung der Bestimmtheit die Gründe die zur
konkreten Fassung des Gesetzes geführt haben, berücksichtigt werden müssen, inwie-
weit daraus aber Anforderungen an die Gesetzesbestimmtheit abgeleitet werden können,
vgl. zur Kritik zusammenfassend: Kirsch, Geltung des Gesetzlichkeitsprinzips im Allge-
meinen Teil des Strafgesetzbuchs, S. 143 f.; grundlegend zur Kritik: Duttge, Zur Be-
stimmtheit des Handlungsunwerts von Fahrlässigkeitsdelikten, S. 184 f., mit Verweis
darauf, dass der Gesetzgeber die in Art. 103 Abs. 2 GG normierten Anforderungen voll-
umfänglich erfüllen muss; und ders., in: FS-Kohlmann, S. 13, 23.
84 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln
Anders als der offene Wortlaut vermuten lässt, scheinen Sinn und Zweck121
des Bestimmtheitsgrundsatzes dafürsprechen, dass das Prinzip als ein Optimie-
120 Im Ergebnis wohl zustimmend, wenngleich auch keine Parallele zum allgemeinen
det.“127 Denn „die Entscheidung über die Beschränkung von Grundrechten oder
über die Voraussetzung einer Beschränkung [obliegt] dem Gesetzgeber und nicht
anderen staatlichen Stellen [. . .]“.128 Die Bestimmtheit von Strafgesetzen dient
damit einmal der Sicherung des Gewaltenteilungsgrundsatzes und auch dem
Schutz der Freiheit der zu Bestrafenden.129
Diese Freiheit der Bürger*innen kann bereits nach Montesquieu nur gewähr-
leistet werden, wenn Strafgesetze eine hinreichende Bestimmtheit aufweisen.130
Dieser Gedanke wirkt bis heute in der Ausprägung des Bestimmtheitsgrundsatzes
fort.131 Die straffreien Bereiche müssen für die Bürger*innen möglichst klar er-
kennbar sein, was nur durch eben solche hinreichend bestimmten Gesetze ge-
währleistet ist. Art. 103 Abs. 2 GG trifft durch seinen Sinn und Zweck gerade
eine Entscheidung zugunsten der Rechtssicherheit und der damit verbundenen
Freiheit des Einzelnen, auch wenn dies im Zweifel zu Lasten der materialen Ge-
rechtigkeit gehen könnte.132 Denn nur so kann „jedermann sein Verhalten auf die
Strafrechtslage eigenverantwortlich einrichten [. . .] und [muss] keine unvorher-
sehbaren staatlichen Reaktionen befürchten“.133 Jeder soll anhand der Gesetze
vorhersehen können, welches Verhalten unter Strafe steht.134 Außerdem kann das
Strafrecht seine generalpräventive Wirkung nur dann entfalten, wenn sich aus
127 BVerfG 23.06.2010 – 2 BvR 2559/08 = BVerfGE 126, 170, 195 f. = NJW 2010,
3209; BVerfG 17.01.1978 – 1 BvL 13/76 = BVerfGE 47, 109, 120, 212 = NJW 1978,
933, 934.
128 BVerfG 17.01.1978 – 1 BvL 13/76 = BVerfGE 47, 109, 120, 212 = NJW 1978,
933, 934.
129 Maunz/Dürig/Remmert, Art. 103 Abs. 2 Rn. 101.
130 Montesquieu, Vom Geist der Gesetze, S. 251.
131 BVerfG, Beschl. v. 21.09.2016 – 2 BvL 1/15 = BVerfGE 143, 38 = NJW 2016,
3648, 3649; Maunz/Dürig/Remmert, Art. 103 Abs. 2 Rn. 31, 87, wonach Strafbarkeit
„kalkulierbar“ sein muss; Geitmann, Bundesverfassungsgericht und „offene“ Normen,
S. 72; Vogel, ZStW 128 (2016), 139, 140; ebenso Sachs/Degenhart, Art. 103 Rn. 63;
Mangoldt/Klein/Starck/Nolte/Aust, Art. 103 Rn. 140; v. Münch/Kunig/Kunig/Saliger,
Art. 103 Rn. 43; NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 14.
132 Krahl, Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, S. 286; LK-StGB/
3209; BVerfG 10.10.1995 – 1 BvR 1476, 1980/91 und 102, 221/92 = BVerfGE 93,
266 = NJW 1995, 3303; BVerfG 11.11.1986 – 1 BvR 713/83, 1 BvR 921/84, 1 BvR
1190/84, 1 BvR 333/85, 1 BvR 248/85 = BVerfGE 73, 206 = NJW 1987, 43; BVerfG,
Beschl. v. 23.10.1985 – 1 BvR 1053/82 = BVerfGE 71, 108 = NJW 1986, 1671; Vogel,
ZStW 125 (2016), 139, 141.
IV. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Bestimmtheitsgrundsatz 87
dem Gesetz selbst und für die Bürger*innen verständlich ergibt, welches Verhal-
ten unter Strafe gestellt ist.135 Von der Tatbegehung abgeschreckt werden kann
nur, wer weiß, wovon er abgeschreckt werden soll. Die Forderung nach einer ge-
nauen Fassung der Strafgesetze schützt aber nicht nur durch die dadurch eröff-
nete Möglichkeit der Bürger*innen, straffreie Bereiche zu erkennen, sondern
auch, indem ein möglichst präziser Wortlaut gegenüber der Judikative eine er-
höhte Gesetzesbindung erzeugt. Insoweit vermittelt der Bestimmtheitsgrundsatz
den Willkürschutz gegenüber der Legislative in Form der genauen Gesetzesfor-
mulierung und gegenüber der Judikative, indem diese an die genaue Gesetzes-
fassung gebunden ist und sich in ihrer Entscheidung innerhalb des Wortlautes
bewegen muss.136
Grundsätzlich ist eine solche erkennbare Umgrenzung auch möglich, wenn
sich Normen der Gesetzgebungstechnik der Öffnungsklauseln bedienen: Auch
Bürger*innen ist es möglich, ihr Verhalten mit den zuvor genannten aufgezählten
Verhaltensweisen sowie in Ausmaß und Intensität zu vergleichen und auf diese
Weise den Tatbestand zu umreißen.
Daraus folgt, dass ein ausreichendes Maß an Bestimmtheit nur dann erreicht
ist, wenn durch die Formulierung des Tatbestandes die freiheitsgewährende Funk-
tion erfüllt ist und den Bürger*innen ohne Zweifel möglich ist, zu erkennen, wel-
ches Verhalten nicht in den strafbaren Bereich fällt und ihnen dadurch freigestellt
ist.137 Nur in einem solchen Fall ist eine ausreichende Rechtssicherheit gegeben.
Allerdings kommt es auf eine tatsächliche Kenntnisnahme der Gesetze durch die
Bürger*innen gerade nicht an. Es handelt sich um eine realitätsferne Annahme,
dass Strafgesetze tatsächlich gelesen werden und das Verhalten danach ausgerich-
tet wird. Dennoch muss dieses Szenario als Ausgangspunkt für die Beurteilung
dienen,138 weil für eine Beurteilung der ausreichenden Bestimmtheit zum Schut-
ze der Bürger*innen, eine Beurteilung aus Sicht eben jener Bürger*innen, deren
Freiheit gewährleistet werden soll nötig ist. Daraus resultiert auch der Maßstab,
der in Bezug auf die Bestimmtheit erfüllt werden muss: Die Verständlichkeit
muss danach durch die Bürger*innen beurteilt werden, denn das Strafgesetzbuch
tailfülle einer Regelung nicht zulasten der Verständlichkeit für die Normadressat*innen
erfolgen darf; Lackner/Kühl/Kühl, § 1 Rn. 2: „[. . .] für den Normadressaten soll das
Risiko einer Bestrafung erkennbar sein“; MüKo-StGB/Schmitz, § 1 Rn. 49; insb. kri-
tisch, wenn nur die Erkennbarkeit des Bestrafungsrisikos gefordert wird: v. Mangoldt/
Klein/Starck/Nolte/Aust, Art. 103 Rn. 141.
138 v. Münch/Kunig/Kunig, 6. Aufl. 2012, Art. 103 Rn. 28.
88 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln
139 J. Hirsch, in: FS-Puppe, S. 105 verweist bzgl. der Erkennbarkeit durch die Norm-
S. 44; das ergibt sich gerade aus dem Schutz vor willkürlichen Entscheidungen,
vgl. dazu Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 103 Abs. 2 Rn. 38; Jarass/Pieroth/Kment/Kment,
Art. 103 Rn. 71.
141 Warda, Dogmatische Grundlagen des richterlichen Ermessens im Strafrecht,
S. 45.
142 Detailliert zur Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Grundsatz der Gewal-
den muss, vgl. Dreier/Schulze-Fielitz Art. 20 Rn. 67, siehe dazu auch unter Kap. D.
VIII. 3.
144 Kuhlen, in: Das Gesetzlichkeitsprinzip im Strafrecht, S. 45, 54; Sachs/Degenhart,
Art. 103 Rn. 63; Remmert spricht dabei von Regelungsdichte, vgl. Maunz/Dürig/Rem-
mert, Art. 103 Abs. 2 Rn. 87; Mangoldt/Klein/Starck/Nolte/Aust, Art. 103 Rn. 140;
NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 14.
IV. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Bestimmtheitsgrundsatz 89
macht demnach die Legislative nach Art. 103 Abs. 2, Art. 20 Abs. 2 GG zumin-
dest das geschriebene Recht („durch die gesetzgebende Gewalt“). Diese Aufga-
benteilung entfaltet nur dadurch ihre Wirksamkeit, dass der Gesetzgeber nicht
auch zugleich über die Anwendung im Einzelfall entscheidet.145 Die Bestim-
mung unter welchen Voraussetzungen Grundrechte beschränkt werden können,
obliegt nämlich der Legislative. Damit haben der Grundsatz der Gewaltenteilung
und der damit verzahnte Bestimmtheitsgrundsatz eine kompetenzwahrende Funk-
tion.146 Selbst wenn die Gerichte bei der Anwendung auf den Einzelfall eine –
unter Umständen durch den gewählten Wortlaut entstandene – zu schließende
Lücke147 feststellen, obliegt ihnen nach dem Grundsatz der Gewaltenteilung die
Kompetenz des Lückenschlusses gerade nicht.148 Der Gesetzgeber muss in sol-
chen Fällen diese Lücken für die Zukunft schließen, sollte er das Verhalten für
strafwürdig erachten.149 Diesem Konflikt greifen Öffnungsklauseln vor, indem
sie bei einem unter Umständen zu eng gefassten Wortlaut die Anwendbarkeit auf
nicht benannte Fälle ausdrücklich vorsehen.
Die durch den Bestimmtheitsgrundsatz als Teil des Gesetzlichkeitsprinzips be-
sonders hohen Anforderungen an die Gesetzgebung im Bereich des Strafrechts
rühren daher, dass es sich bei der Entscheidung darüber, ob ein Verhalten als
strafwürdig zu erachten ist, um „den intensivsten Eingriff in die individuelle
Freiheit handelt“.150 Weshalb es gerade in diesem Bereich besonders wichtig ist,
dass der demokratisch legitimierte Gesetzgeber die Entscheidung darüber trifft,
welches Verhalten unter Strafe gestellt wird. Dennoch ist ein gewisser Grad
an richterlicher Rechtsfortbildung unumgänglich und auch zum Teil auch er-
wünscht, weil die Pflicht zur Normanpassung als notwendig angesehen wird.151
Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz; Engisch, Einführung in das Juristi-
sche Denken, S. 178 ff.; soweit ersichtlich erstmals Elze, Lücken im Gesetz, S. 4 ff., ins-
besondere zur planwidrigen Unvollständigkeit und Zitelmann, Lücken im Recht; La-
renz, Methodenlehre und Rechtswissenschaft, S. 370 f., verweist darauf, dass nur dann
von einer Gesetzeslücke gesprochen werden kann, wenn der Bereich sinnvollerweise
hätte geregelt werden sollen; Klug, in: FS-Nipperdey, S. 71, wonach eine Lücke vorliegt,
wenn ein Sachverhaltstyp in der Rechtsordnung nicht geregelt wird, obwohl von einer
entsprechenden Regelung ausgegangen werden kann.
148 Daran hält sich die Judikative aber nicht immer, vgl. BVerfGE 126, 171 = NJW
2010, 3209, wo sich die Rechtsprechung gerade selbst die Kompetenz zuspricht, un-
bestimmte Gesetze durch Rechtsprechung zu konkretisieren; genauer zum „Präzisie-
rungsgebot“ unter B. IV. 1. c) aa) (2).
149 Dies geschah z. B. im Falle des § 265a StGB, nachdem das Reichsgericht auf die
3209.
151 Hirsch, JZ 2007, 853.
90 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln
Der Gesetzgeber schafft gerade nur die Grundbedingungen der Strafbarkeit, die
dann durch die Gerichte mit Leben gefüllt werden müssen. Allerdings sind einer
solchen Rechtsfortbildung durch Art. 103 Abs. 2 GG und dem Grundsatz der Ge-
waltenteilung und der Gesetzesbindung Grenzen gesetzt, wodurch die Gesetze so
eng wie möglich und so weit wie nötig geschaffen werden sollten. Der Bestimmt-
heitsgrundsatz greift auf diese Weise wie ein Zahnrad in den Grundsatz der Ge-
waltenteilung, indem die möglichst bestimmte Fassung der Norm einer unzuläs-
sigen Aufgabenverlagerung vorbeugt.
Der Bestimmtheitsgrundsatz dient auch der Begrenzung des Einflusses der
Politik auf das Gesetzgebungsverfahren und sichert so die Gewaltenteilung: Auf
diese Art und Weise erschöpft sich so die politische Einflussnahme im Gesetz-
gebungsverfahren und wirkt nicht in die richterliche Entscheidungsfindung
hinein.152 Dies ist wiederum nötig, um eine möglichst neutrale Gesetzes- und
Rechtsanwendung zu ermöglichen.153
152 Vgl. näher zur Gefahr der Einflussnahme der Politik Bockelmann, in: FS-Smend,
S. 23, 35.
153 Bockelmann, in: FS-Smend, S. 23, 34.
154 Montesquieu, Vom Geist der Gesetze, S. 403.
155 Kaufmann sagt außerdem, dass man sich weigert, aus dieser Erkenntnis die erfor-
166 Kritisch dazu siehe Maunz/Dürig/Remmert, Art. 103 Abs. 2 Rn. 94, so im Ergeb-
dann für nichtig erklärt werden darf, wenn dieser Kern nicht mehr bestimmt werden
kann.
168 Unter Verweis auf die Rechtsprechung auch Mangoldt/Klein/Starck/Nolte/Aust,
wiesen, woraus sich eine Pflicht zur Schaffung wirksamer Strafgesetze ergibt.
Denn nur beim Vorliegen einer wirksamen Möglichkeit zur Verfolgung und Ver-
urteilung von Straftaten kann der Staat dieser Schutzpflicht nachkommen.171
Dazu könnte im Zweifel auch eine offenere Formulierung von Tatbeständen ge-
hören. Die Schutzpflicht überwöge dann erhöhten Anforderungen an die Geset-
zesbestimmtheit. Daher wird zum Teil vertreten, dass eine vermehrte Nutzung
wertausfüllungsbedürftiger Rechtsbegriffe dann erforderlich sei, wenn das Be-
dürfnis materieller Gerechtigkeit das Bedürfnis nach Rechtssicherheit über-
wiegt.172
Dies entspricht aber gerade nicht der Wertung des Verfassungsgebers, die die-
ser mit Art. 103 Abs. 2 GG zum Ausdruck gebracht hat, im Zweifelsfall eine
Entscheidung zugunsten der Rechtssicherheit zu treffen.173 Außerdem hätte dies
zur Folge, dass hinreichend bestimmten Strafgesetzen eine geringere Wirksam-
keit zugesprochen würde bzw., dass die Gefahr bestünde, dass diese aufgrund
ihrer Genauigkeit weniger wirksam wären.
Erforderlich ist aber, dass die Wirksamkeit von Strafgesetzen in beide Richtun-
gen, d. h. mit Blick auf Täter*innen und Opfer gedacht werden muss. Die Wirk-
samkeit von Gesetzen lässt sich gerade nicht nur an erfolgreicher Strafverfolgung
messen, denn dies würde dem Zweck der Generalprävention widersprechen.174
Diese konstatiert nicht nur die Abschreckung von der Begehung von Straftaten
als Ziel. Außerdem misst sie sich auch anhand des Maßes an Rechtsstaatlichkeit.
Die Gesetze sollen gerade auch wirksam vor staatlicher Willkür schützen. Inwie-
weit erhöhte Anforderungen an die Gesetzesbestimmtheit die Strafverfolgung be-
einträchtigen, ist nicht ohne Weiteres ersichtlich. Es dient doch auch gerade die
Gesetzesbestimmtheit dem Schutz der Bürger*innen. Eine Kollision von Geset-
zesbestimmtheit und Schutzpflicht ist so nicht ersichtlich. Insofern können sich
also nicht geringere Anforderungen an die Bestimmtheit ergeben.
Es ist also stets eine sprachliche Bestimmtheit erforderlich aus der sich das
unter Strafe stehende Verhalten als Folge der Entscheidung des Gesetzgebers
möglichst zweifelsfrei ergibt.175 Entscheidend für die Beurteilung ist dabei der
171 BVerfG, Beschl. v. 19.06.1976 – 2 BvR 1060/78 = BVerfGE 51, 324, 343 = NJW
1979, 2349.
172 Lenckner, JuS 1968, 304, 305 f.
173 Roxin/Greco, Strafrecht AT, S. 252; siehe dazu auch Kap. B. IV. 1. b) bb).
174 Vgl. dazu Kap. C. II. 1. b) aa) (1).
175 Schönke/Schröder/Lenckner-Hecker, § 1 Rn. 20; Stächelin, Strafgesetzgebung
und Verfassungsstaat, S. 227; Löwer, JZ 1979, 621, 625 unter Verweis auf: Lenckner,
JuS 1968, 304, 304 ff.; Naucke, Über Generalklauseln und Rechtsanwendung, S. 3 ff.;
kritisch dazu Lemmel, Unbestimmte Strafbarkeitsvoraussetzungen im Besonderen Teil,
S. 104 ff.; Geppert, DAR 2007, 380; so im Ergebnis wohl auch NK-StGB/Hassemer/
Kargl, § 1 Rn. 41.
94 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln
176 Eine starre Regelung anhand einzelner Begriffe, wie sie Schünemann, Nulla
poena sine lege, S. 35 fordert, ist aufgrund der Willkür dieses Kriteriums abzulehnen;
ihm ist aber insoweit zuzustimmen, als dass sich ein unbestimmtes Tatbestandsmerkmal
in einem kurz gefassten Tatbestand, wie etwa „Beleidigung“ bei § 185 StGB, stärker auf
die Verständlichkeit des Gesamttatbestandes auswirkt als ein entsprechend unbestimm-
tes Tatbestandsmerkmal in einer umfassenden Regelung, wie z. B. bei § 113 StGB.
177 Roxin, in: Das Gesetzlichkeitsprinzip im Strafrecht, S. 113.
IV. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Bestimmtheitsgrundsatz 95
und welche Anforderungen sich daraus für den Gesetzgeber ergeben. Die Hand-
habung des Bestimmtheitsgrundsatzes durch die Rechtsprechung könnte Auswir-
kungen darauf haben, welcher Maßstab also schlussendlich bei der Überprüfung
der Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Bestimmtheitsgrundsatz anzu-
legen ist (dazu unter bb)).
Auch wenn das BVerfG hervorhebt, dass es sich um ein „striktes Bestimmt-
heitsgebot“178 handelt, handhabt es den Grundsatz der Gesetzesbestimmtheit
insgesamt sehr frei, was bereits daran zu erkennen ist, dass Normen nur in Aus-
nahmefällen für zu unbestimmt erklärt wurden So wurde in der neueren Recht-
sprechung ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 2 GG durch die Einführung der Ver-
mögensstrafe in § 43a StGB festgestellt. Nach der Rechtsprechung mangelte es
der Norm an dezidierten Orientierungspunkten, wann und in welchem Umfang
die Vermögensstrafe Anwendung finden sollte, sodass sie für zu unbestimmt er-
klärt wurde.179 Das BVerfG postuliert außerdem, dass die Unbestimmtheit nur
für jede Norm konkret beurteilt werden kann und gerade keine abstrakten Regeln
aufgestellt werden können.180
Der Schutzbereich des Bestimmtheitsgrundsatzes erfasst nach Einschätzung
des BVerfG dennoch nicht „sachlich missglückte Strafbestimmungen“, der Ge-
setzgeber muss sich „beim Wort nehmen lassen“. Es ist gerade nicht Aufgabe der
Gerichte, die Entscheidung des Gesetzgebers zu korrigieren. Dies obliegt einzig
und allein dem demokratisch legitimierten Gesetzgeber.181 Der Gesetzgeber
muss dann infolge einer solchen Entscheidung selbst bestimmen, ob er die Norm
entsprechend anpassen will.182 Das bedeutet auch, dass im Zweifel eine Lücke
im Gesetz bestehen bleibt und es der Judikative verwehrt bleibt, diese zu schlie-
ßen. Ein solcher lückenhafte Zustand muss hingenommen werden und die Recht-
178 BVerfG, Beschl. v. 21.09.2016 – 2 BvL 1/15 = BVerfGE 143, 38 = NJW 2016,
3648, 3649; zur Handhabung des Bestimmtheitsgrundsatz durch die Gerichte siehe auch
Gropp, in: Grundrechtspolitik und Rechtswissenschaft, S. 105 ff.
179 BVerfG 20.03.2002 – 2 BvR 794/95 = BVerfGE 105, 135 = NJW 2002, 1179;
2002, 1185; dazu auch Mangoldt/Klein/Starck/Nolte/Aust, Art. 103 Rn. 138 unter Ver-
weis auf Krahl, Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Bestimmt-
heitsgrundsatz im Strafrecht, 108 ff. und der dort besprochenen Entscheidung zur hinrei-
chenden Bestimmtheit der Formulierung „im politischen Leben des Volkes stehende
Person“ in § 187a StGB a. F., siehe dazu auch die Entscheidung: BVerfG, Beschl. v.
30.11.1955 – 1 BvL 120/53 = BVerfGE 4, 358 = NJW 11956, 99.
180 BVerfG, Beschl. v. 15.04.1970 – 3 BvR 396/69 = BVerfGE 28, 175, 183 = NJW
1978, 1423.
181 BVerfG 17.01.1978 – 1 BvL 13/76 = BVerfGE 47, 109, 120, 212 = NJW 1978,
933, 934.
182 BVerfG 17.01.1978 – 1 BvL 13/76 = BVerfGE 47, 109, 120, 212 = NJW 1978,
933 unter Verweis auf BVerfG, Beschl. v. 08.11.1967 – BVerfGE 22, 322, 329 = NJW
1968, 147, 149 und BVerfG, Beschl. v. 23.10.1985 – 1 BvR 1053/82 = BVerfGE 71,
108 = NJW 1986, 1671.
96 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln
sprechung darf und soll gerade nicht präventiv tätig werden. Diese Lückenhaftig-
keit wollen Öffnungsklauseln gerade umgehen.183
Wie gleich zu sehen ist, stehen diese Feststellungen des BVerfG aber in Kon-
flikt zur tatsächlichen Handhabung des Bestimmtheitsgrundsatzes durch die Ge-
richte.
aa) Präzisierung durch das BVerfG
Nach der Rechtsprechung des BVerfG184 ist entscheidend dafür, ob eine Norm
bestimmt genug ist, dass „Tragweite und Anwendungsbereich der Straftatbe-
stände zu erkennen sind und sich durch Auslegung ermitteln lassen“.185 Es wird
hervorgehoben, dass „der Gesetzgeber im Bereich der Grundrechtsausübung alle
wesentlichen Entscheidungen selbst treffen“ muss, da die „Strafwürdigkeit [. . .]
im demokratisch-parlamentarischen Willensbildungsprozess zu klären“ ist.186 Es
darf bei der Rechtsanwendung gerade nicht durch eine extensive Wortlautausle-
gung zu einer sogenannten „Verschleifung“ von Tatbestandsmerkmalen kommen.
Denn dort, wo der Gesetzgeber bestimmte Verhaltensweisen als strafwürdig er-
achtet hat, muss sich die Rechtsprechung unterordnen.187 Daraus sei aber nicht
zu schließen, dass der Gesetzgeber seinerseits nur mit eindeutigen und deskripti-
ven Begriffen arbeiten darf.188 Es soll hingegen gerade die Arbeit mit General-
klauseln und auch Blankettgesetzen, also solchen Normen, die auf Rechtsverord-
nungen verweisen, möglich sein.189 Das könnte als Argument dafür sprechen, dass
Öffnungsklauseln mit dem Grundsatz der Gesetzesbindung gerade vereinbar sind.
Es wurde bereits aufgezeigt wurde, dass ein qualitativer Unterschied zwischen
Generalklauseln und Öffnungsklauseln besteht.190 Für eine Vereinbarkeit von
933, 934.
186 BVerfG 23.06.2010 – 2 BvR 2559/08 = BVerfGE 126, 170, 198 f. = NJW 2010,
3209, 3210 unter Verweis auf BVerfG, Beschl. v. 06.05.1987 – 2 BvL 11/85 = BVerfGE
75, 329, 342 = NJW 1987, 3175.
187 BVerfG 10.01.1995 – 1 BvR 718, 719, 722, 723/89 = BVerfGE 92, 1, 16 f. =
NJW 1995, 1141; BVerfG 23.06.2010 – 2 BvR 2559/08 = BVerfGE 126, 170, 198 f. =
NJW 2010, 3209.
188 BVerfG 15.03.1978 – 2 BvR 927/76 = BVerfGE 48, 48 = NJW 1978, 1423.
189 BVerfG 10.01.1995 – 1 BvR 718, 719, 722, 723/89 = BVerfGE 92, 1, 12 = NJW
1995, 1141; BVerfG 10.06.1997 – 2 BvR 1516/96 = BVerfGE 96, 68 = NJW 1998, 50;
BVerfG, Beschl. v. 06.05.1987 – 2 BvL 11/85 = BVerfGE 75, 329, 342 = NJW 1987,
3175.
190 Diese Unterscheidung wird zu einem späteren Punkt noch einmal aufgegriffen,
191 BVerfG, Beschl. v. 21.09.2016 – 2 BvL 1/15 = BVerfGE 143, 38 = NJW 2016,
3648, 349; BVerfG 21.06.1977 – 2 BvR 308/77 = BVerfGE 43, 363 = NJW 1977, 1815;
BVerfG, Beschl. v. 15.04.1970 – 3 BvR 396/69 = BVerfGE 28, 175, 183; BVerfG 17.01.
1978 – 1 BvL 13/76 = BVerfGE 47, 109, 120, 212 = NJW 1978, 933; BVerfG
23.06.2010 – 2 BvR 2559/08 = BVerfGE 126, 170, 195 f. = NJW 2010, 3209; BVerfG
20.06.2012 – 2 BvR 1048/11 = BVerfGE 131, 268, 307 = NJW 2012, 3357.
192 BVerfG 30.11.1955 – 1BvO 2/52= BVerfGE 4, 358 = NJW 1956, 97, BVerfG
22.03.1960 – 2 BvR 125/60 = BVerfGE 11, 234, 237; BVerfG 14.05.1969 – 2 BvR
238/68 = BVerfGE 26, 41, 42 = NJW 1969, 1759.
193 NJW 1977, 1815.
194 BVerfG 15.03.1978 – 2 BvR 927/76 = BVerfGE 48, 48 = NJW 1978, 1423.
195 BVerfG 15.03.1978 – 2 BvR 927/76 = BVerfGE 48, 48 = NJW 1978, 1423.
196 Krahl, Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, S. 277.
98 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln
197 BVerfG, Beschl. v. 21.09.2016 – 2 BvL 1/15 = BVerfGE 143, 38 = NJW 2016,
3648, 3649.
198 BVerfG 10.06.1997 – 2 BvR 1516/96 = BVerfGE 96, 68 = NJW 1998, 50, 56;
BVerfG 21.06.1977 – 2 BvR 308/77 = BVerfGE 43, 363 = NJW 1977, 1815; anders
wohl BVerfG, Beschl. v. 08.11.1967 – BVerfGE 22, 322 = NJW 1968, 147; befürwor-
tend: Mangoldt/Klein/Starck/Nolte/Aust, Art. 103 Rn. 139a.
199 Basak, in: Strafrecht und Verfassung, S. 71, 79.
200 BVerfG 10.06.1997 – 2 BvR 1516/96 = BVerfGE 96, 68 = NJW 1998, 50, 56.
201 BVerfG 21.06.1977 – 2 BvR 308/77 = BVerfGE 43, 363 = NJW 1977, 1815.
IV. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Bestimmtheitsgrundsatz 99
(2) Präzisierungsgebot
3209; Basak, in: Strafrecht und Verfassung, S. 71, 77; zur Besprechung s. außerdem
Schulz, in: FS-Roxin, S. 306; Becker, HRRS 2010, 383.
205 Schulz sieht darin eine Fortentwicklung des Analogieverbotes, vgl. Schulz, in: FS-
Die Präzisierung durch die Rechtsprechung soll sich insbesondere auf solche
generalklauselartigen Tatbestände beziehen, bei denen nicht bereits eine gefes-
tigte Rechtsprechung besteht. Denn nur so kann eine ausreichende Grundlage
dafür geschaffen werden, dass das Risiko der Bestrafung erkennbar ist. Ein sol-
ches „Präzisierungsgebot“ soll sich aus Art. 103 Abs. 2 GG herleiten. Dies be-
deutet, dass die Gerichte durch das Herausbilden einer gefestigten Rechtspre-
chung nicht nur zur Bestimmtheit von Normen beitragen können, sondern gerade
die Pflicht haben, bisher noch unbestimmte Normen durch eine entsprechende
Rechtsanwendung hinsichtlich ihres Anwendungsbereiches zu konkretisieren.207
Die Prüfungskompetenz des BVerfG erweitert sich infolgedessen auch und be-
zieht sich nun darauf, ob
„die Gerichte bei Anwendung und Auslegung der Strafnorm bei den bislang ent-
wickelten, die Norm konkretisierenden Obersätzen geblieben sind, und gegebenen-
falls darauf, ob sie diese im Rahmen der Strafnorm folgerichtig weiterentwickelt und
ob sie sie der Würdigung des konkreten Falls zu Grunde gelegt haben“.208
Es ist zumindest erforderlich, dass sich die Gerichte bei der Gesetzesauslegung
am Willen des Gesetzgebers orientieren.209 Es findet also auch auf diesem Wege
eine Erweiterung der Kompetenz der Judikative statt, indem nun vorher un-
bestimmte Normen durch eine Präzisierung den Anforderungen des Art. 103
Abs. 2 GG gerecht werden können.
207 BVerfG 23.06.2010 – 2 BvR 2559/08 = BVerfGE 126, 170, 195 f. = NJW 2010,
3209.
208 BVerfG 23.06.2010 – 2 BvR 2559/08 = BVerfGE 126, 170, 198 f. = NJW 2010,
3209, 3212.
209 Ebd.
210 BVerfG, Beschl. v. 21.09.2016 – 2 BvL 1/15 = BVerfGE 143, 38 = NJW 2016,
3648, 349; BVerfGE 25.07.1962 – 2 BvL 4/62 = BVerfGE 14, 245, 250 = NJW 1962,
1563; BVerfG, Beschl. v. 06.05.1987 – 2 BvL 11/85 = BVerfGE 75, 329, 342 = NJW
1987, 3175.
211 So auch Schulz, in: FS-Roxin, S. 306, 309.
IV. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Bestimmtheitsgrundsatz 101
S. 116.
213 Basak, in: Strafrecht und Verfassung, S. 71, 81.
214 Krahl, Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, S. 116; Basak, Straf-
recht und Verfassung, 71; Matt/Renzikowski/Basak, § 1 Rn. 15; Roxin, in: Das Gesetz-
lichkeitsprinzip im Strafrecht, S. 113; differenziert aber auch Roxin/Greco, Strafrecht
AT, S. 262; MüKo-StGB/Schmitz, § 1 Rn. 58 f., der auf die fehlende Erkennbarkeit von
Strafbarkeit der Bürger*innen rekurriert; Schmitz, in: FS-Schünemann, S. 236; Schüne-
mann, Nulla poena sine lege?, S. 32 ff., der dies insbesondere mit einer Schutzzweck-
verletzung begründet; zustimmend zur Rechtsprechung vgl. insbesondere v. Münch/Ku-
nig/Kunig/Saliger, Art. 103 Rn. 50, wonach die Rechtsprechung einen Interessenaus-
gleich findet; befürwortend ebenfalls: Kuhlen, in: FS-Otto, S. 100 ff.
102 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln
215 LK-StGB/Dannecker, § 1, Rn. 186; Schroeder, JZ 1969, 775, 778; kritisch eben-
falls: Maunz/Dürig/Remmert, Art. 103 Abs. 2 Rn. 108; dennoch zustimmend Jarass/
Pieroth/Kment/Kment, Art. 103 Rn. 75 und Sachs/Degenhart, Art. 103 Rn. 64;
v. Münch/Kunig/Kunig/Saliger, Art. 103 Rn. 46; NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 41;
kritisch auch: Kirsch, Zur Geltung des Gesetzlichkeitsprinzips im Allgemeinen Teil des
Strafgesetzbuchs, S. 129; Köhler, Strafrecht AT, S. 89; Schünemann, Nulla poena sine
lege?, S. 32 ff.
216 Krahl, Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, S. 318.
217 Krahl, Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, S. 317 f.
218 Roxin, in: Das Gesetzlichkeitsprinzip im Strafrecht, S. 113, 134.
219 Krahl, Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, S. 317.
220 So im Ergebnis auch Krahl, Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts,
S. 317 f.
IV. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Bestimmtheitsgrundsatz 103
S. 373.
224 LK-StGB/Dannecker, § 1 Rn. 189; befürwortend unter Verweis darauf, dass Ge-
setzgeber schon sprachlich keine abschließende und eindeutige Regelung schaffen kann,
vgl. AnwKomm-StGB/Gaede, § 1 Rn. 25; ders., Der Steuerbetrug, S. 448 ff., verweist
dabei insbesondere auf die Belastung der Normadressat*innen; der Gesetzgeber muss
sich immer für die konkretere Fassung des Wortlautes entscheiden, wenn diese möglich
ist, vgl. NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 41; so im Ergebnis auch Naucke, Über Ge-
neralklauseln und Rechtsanwendung im Strafrecht, S. 21 f.; differenziert: Roxin/Greco,
Strafrecht AT, S. 262, grundsätzlich das Präzisierungsgebot befürwortend, aber ein-
schränkend dahingehend, dass der Gesetzgeber seine Pflicht, abstrakt-generelle Rege-
lungen zu schaffen, nicht auf die Judikative übertragen darf; ebenso SSW-StGB/Satz-
ger, § 1 Rn. 23, der aber auch die untergeordnete Rolle der Präzisierung durch die
Gerichte verweist und die Präzision primär als Aufgabe der Legislative betrachtet.
225 Kempf/Schilling, NJW 2012, 1849, 1852.
226 Safferling, NStZ 2011, 376.
104 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln
stellt werden soll. Daraus folgt, dass sich die Verfassungsgemäßheit einer Norm
erst aus der Konkretisierung durch die Gerichte ergibt.227
Darüber hinaus bleibt bei der Rechtsprechung des BVerfG offen, wann eine
hinreichend gefestigte Rechtsprechung angenommen wird und wie die Normen
zu behandeln sind, bevor eine solche Rechtsprechung entwickelt wurde. Ebenso
bleibt unklar, wann eine nach der Rechtsprechung unzulässige Nachbesserung
einer Norm vorliegt,228 und wann Strafrichter*innen Normen zulässig präzisie-
ren. Es wird zu Recht darauf hingewiesen, dass bis zum Bestehen einer solchen
gefestigten Rechtsprechung Straftäter*innen für Handlungen sanktioniert werden,
deren Strafwürdigkeit unter Umständen nicht ersichtlich war.229 Dies läuft dem
Ziel zuwider, dass sich das strafbare Verhalten gerade aus der Norm selbst erge-
ben muss.230 Wenn dafür eine Konkretisierung durch die Gerichte erforderlich
ist, widerspricht dies dem Verständnis des Art. 103 Abs. 2 GG. Eine solche Ent-
scheidung zugunsten der materialen Gerechtigkeit bedeutet, dass ein Verlust von
Gerechtigkeit in Bezug auf die Rechtssicherheit hingenommen werden muss.231
Zu beachten ist außerdem, dass Art. 103 Abs. 2 GG einer solchen Konkretisie-
rung durch die Gerichte seinerseits Grenzen setzt, da dieser auch Handlungs-
anweisungen an die Judikative enthält. Denn die Gerichte sind gerade an den
Wortlaut der Norm gebunden und dürfen grundsätzlich keine richterliche Rechts-
fortbildung betreiben. Es scheint also auch im Hinblick auf den Grundsatz der
Gesetzesbindung problematisch, den Gerichten eine solche Kompetenz zuzuspre-
chen. Durch die Entwicklung des Präzisierungsgebotes hält sich die Judikative
selbst die Möglichkeit zur richterlichen Rechtsfortbildung und Lückenschließung
offen.232 Sie übernimmt damit erkennbar eine Rolle der Legislative, was wie-
derum eine Unvereinbarkeit mit dem Grundsatz der Gewaltenteilung bedeuten
kann. Auch der Wortlaut des Art. 103 Abs. 2 GG fordert gerade, dass die Norm
als solche hinreichend bestimmt sein soll und diese Bestimmtheit nicht erst durch
eine Präzisierung eintreten darf.233 Eine Präzisierung durch die Gerichte nach der
sich gleichwohl die Forderung an die Legislative ergeben kann, den Gesetzestext der
konkretisierten Norm entsprechend anzupassen, vgl. NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1
Rn. 28; ebenso: Hirsch, in: FS-Puppe, S. 122, in Bezug auf „gesetzestechnische [. . .]
Fehler“.
228 BVerfG 20.03.2002 – 2 BvR 794/95 = BVerfGE 105, 135 = NJW 2002, 1779,
1780.
229 MüKo-StGB/Schmitz, §1 Rn. 53.
230 LK-StGB/Dannecker, § 1 Rn. 201.
231 So auch Krahl, Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, S. 288.
232 Kempf/Schilling, NJW 2012, 1849, 1850.
233 Kempf/Schilling, NJW 2012, 1849, 1852; Maunz/Dürig/Remmert, Art. 103 Abs. 2
Tat wird der Anforderung, dass die Strafbarkeit einer Verhaltensweise gerade vor
der Tat gesetzlich bestimmt sein muss, nicht mehr gerecht.234 Insbesondere im
Hinblick auf den dargestellten Sinn und Zweck des Bestimmtheitsgrundsatzes,
die Gewaltenteilung zu sichern, führt eine solche Interpretation des Bestimmt-
heitsgrundsatzes aber zu kontroversen Ergebnissen: Gerade die Kontrollfunktion,
die die Gewalten gegenseitig wahrnehmen, wird unterlaufen. Diese Kontroverse
scheint sich dann bei Öffnungsklauseln zu verstärken, indem diese gerade die
Aufgabe vergleichbare Fälle zu erfassen ausdrücklich auf die Judikative ver-
lagern.
Des weiteren wird darauf hingewiesen, dass eine Rechtsprechungslinie unpro-
blematisch jederzeit geändert werden kann und aufgrund dessen keine Garantie
für Rechtssicherheit bietet, was im Ergebnis zu einer erhöhten Rechtsunsicher-
heit führt.235 Zumindest dort, wo noch keine gefestigte Rechtsprechung existiert,
sollte diese Umgehung des Bestimmtheitsgrundsatzes nicht auch noch durch ein
Präzisierungsgebot für zukünftige, noch unbestimmte Normen gefördert werden.
Den Gerichten kommt durch ein solches „Präzisierungsgebot“ die Aufgabe ei-
nes „Ergänzungs-Gesetzgebers“ zu, wenn sie den Gesetzen den Grad an Be-
stimmtheit zukommen lassen, den sie von vornherein hätten haben müssen.236
Das Ergebnis eines solchen Präzisierungsgebotes ist ein „arbeitsteiliges Zusam-
menwirken“, in dem die Gerichte die originäre Aufgabe der Legislative wahr-
nehmen.237 Auf diese Weise kann die mit dem Grundsatz der Gewaltenteilung
verfolgte Kontrollfunktion der Gewalten untereinander wohl nur noch bedingt
Wirksamkeit entfalten. Dies widerspricht auch dem Verständnis, dass der primäre
Adressat des Bestimmtheitsgrundsatzes gerade nicht die Judikative, sondern die
Legislative ist.238 Damit unterläuft eine solche Auslegung die Bestimmung, dass
gerade der demokratisch legitimierte Gesetzgeber festlegen muss, welche Verhal-
tensweisen als strafbar erachtet werden.239 Beim Ausnutzen des Auslegungsspiel-
raums, der den Gerichten verbleibt, sollte es sich um eine Ausnahme handeln.240
Diese sollte gerade nicht durch einen Auftrag an den Rechtsanwender zur Regel
234 Calliess, NStZ 1987, 209, 211; Krüger, NStZ 2011, 369, 371.
235 Krahl, Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, S. 133; Böse, JURA
2011, 617, 620 f.; zwar wird im Zuge dessen eine Anwendung des Rückwirkungsverbo-
tes auf die Änderung einer bestehenden Rechtsprechungsänderung diskutiert, vgl. dazu
auch Kap. C. VI. 3. c), im Ergebnis wird dies von der Rechtsprechung aber nicht abge-
wendet, sodass sich aus dem status quo keine erhöhte Rechtssicherheit ergibt, vgl. dazu
die Rechtsprechung zur Herabsetzung der Werte der absoluten Fahruntüchtigkeit, BGH,
Beschl. v. 09.12.1966 – 4 StR 119/66 = BGHSt 21, 157, 159 und BGH, Beschl. v.
19.08. 1971 – 4 StR 574/70 = BGHSt 24, 200 ff. = NJW 1971. 1997.
236 MüKo-StGB/Schmitz, §1, Rn. 53; Becker, HRRS 2010, 383, 386.
237 Becker, HRRS 2010, 383, 386.
238 Basak, Strafrecht und Verfassung, S. 71, 79.
239 Amelung, NJW 1995, 2584, 2587.
240 Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 103 Abs. 2 Rn. 40.
106 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln
Die Rechtsprechungslinie des BVerfG hat auch Auswirkungen auf die Arbeit
des Gesetzgebers.245 Es kann davon ausgegangen werden, dass der Umgang des
BVerfG und des BGH mit dem Bestimmtheitsgrundsatz die Gesetzgebung im
Strafrecht wesentlich beeinflusst hat und auch der Grund dafür ist, dass die Dis-
kussion über genauere Strafgesetze nur noch auf einer theoretischen Ebene ge-
führt wird.246 Rechtsfolge einer solchen Rechtsprechung ist, dass der Legislative
mehr Freiraum bei der konkreten Ausgestaltung der Gesetze gelassen wird. Im
Zweifel kann sie die Entscheidung darüber, ob ein Verhalten strafbar ist oder
nicht, den Gerichten überlassen und das macht sie bei der Verwendung von Öff-
nungsklauseln auch ausdrücklich.247 Unabhängig von einer etwaigen Bindungs-
wirkung verzichtet das BVerfG gerade darauf, klare Vorgaben für die Genauig-
keit von Strafgesetzen aufzustellen. Dies könnte aber geschehen, indem es auf
eine Optimierungspflicht des Gesetzgebers verweist. Das BVerfG könnte über-
prüfen, ob eine genauere Umschreibung des zu bestrafenden Verhaltens möglich
gewesen wäre und ob dies wiederum ausreichend vom Gesetzgeber geprüft und
dargelegt wurde, inwieweit die offene Regelung im Hinblick auf die Regelungs-
materie tatsächlich unvermeidbar war.248 Ob eine genauere Regelung möglich
gewesen wäre, muss dann für die einzelnen Gesetze separat festgestellt werden.
Dies könnte gerade im Falle von Öffnungsklauseln problematisch sein. Eine ge-
nauere Beschreibung der Verhaltensweisen könnte gerade nicht möglich gewesen
sein. Das kann damit begründet werden, dass die abschließende Nennung kon-
kreter Verhaltensweisen, die für strafbar erklärt wurden, de facto unmöglich er-
schien.
Insbesondere dadurch, dass Normen so gut wie nie wegen Unbestimmtheit
durch das BVerfG verworfen werden, hat der Gesetzgeber gerade kein besonde-
res Augenmerk darauf zu legen, ob die Strafgesetze hinreichend genau gefasst
sind. Denn eine Verwerfung der Norm aufgrund von Unbestimmtheit durch das
BVerfG hat der Gesetzgeber gerade nicht zu befürchten.249
Komm-StGB/Gaede, § 1 Rn. 25, in Bezug darauf, dass nur ausnahmsweise Normen für
zu unbestimmt erklärt werden. Gaede verweist dabei auf die erhöhte „materiellrecht-
liche Pönalisierungsprärogative“ des Gesetzgebers.
247 Basak, in: Strafrecht und Verfassung, S. 71, 89.
248 Unter Verweis auf eine solche Prüfung bei der Verhältnismäßigkeit jeglicher
250 Kuhlen, JR 2011, 246, 249; ders., in: Das Gesetzlichkeitsprinzip im Strafrecht,
S. 45, 62; Warda, Dogmatische Grundlagen des richterlichen Ermessens, S. 37; Dreier/
Schulze-Fielitz, Art. 103 Abs. 2 Rn. 41; Beckemper, ZJS 2011, 88, 92, zumindest für
den Fall des § 266 StGB; so zumindest im Hinblick auf das Präzisierungsgebot Anw-
Komm-StGB/Gaede, § 1 Rn. 25; MüKo-StGB/Schmitz, § 1 Rn. 50.
251 Kuhlen, in: Gesetzlichkeitsprinzip im Strafrecht, S. 45, 57.
252 Herzberg, FS Schünemann, S. 31, 35.
253 Kuhlen, Das Gesetzlichkeitsprinzip im Strafrecht, S. 45, 58; im Ergebnis auch
S. 265, der in Bezug auf die Einführung einer Öffnungsklausel argumentiert, dass „wir
[. . .] darauf vertrauen [sollten], daß die Rechtsprechung [. . .] die erforderlichen Ein-
schränkungen finden wird [. . .]“.
261 Schönke/Schröder/Hecker, § 1 Rn. 20; Breuer, AöR 1990, 448, 455 f.; Mangoldt/
Klein/Starck/Nolte/Aust, Art. 103 Rn. 153, wobei auch das BVerfG darauf verweist,
dass in erster Linie der Wortsinn der Norm maßgeblich ist: BVerfG 17.01.1978 – 1 BvL
13/76 = BVerfGE 47, 109, 121 = NJW 1978, 933; so im Ergebnis wohl auch Kühl, FS-
Lackner, S. 815, 833 f. zur Verwaltungsakzessorietät im Strafrecht.
262 Amelung, NJW 1995, 2584, 2587.
263 Krey, Keine Strafe ohne Gesetz, S. 90.
264 Saliger, NJW 2010, 3195; Kuhlen, in: Das Gesetzlichkeitsprinzip im Strafrecht,
S. 45, 63.
265 Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 103 Abs. 2 Rn. 44.
110 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln
Aber auch die Vertreter*innen dieser Auffassung haben zum Teil die Proble-
matik der Möglichkeit einer (unvorhersehbaren) Rechtsprechungsänderung er-
kannt und Lösungsmöglichkeiten entwickelt. Insbesondere sollen bei einer sol-
chen Präzisierungsmöglichkeit besondere Anforderungen an eine rückwirkende
Rechtsprechungsänderung zu stellen sein.266 Die soll gerade auch der Wertung
des Gesetzgebers entsprechen, der ein Abweichen von der gefestigten Rechtspre-
chung nicht ohne Weiteres ermöglicht.267 Denn die Rechtsprechung tritt quasi als
ergänzender Gesetzgeber auf, woraus das Bedürfnis resultiert, die Bürger*innen
vor solchen Rechtsprechungsänderungen zu schützen, die nicht mehr unter die
entwickelten Grundsätze fallen.268 Des weiteren soll daraus auch die Pflicht des
BVerfG resultieren, zu überprüfen, ob die Vorgaben der Präzisierung eingehalten
wurden.269 Insgesamt ist die Kontrolle dabei aber auf erkennbar unvertretbare
Ergebnisse beschränkt. Es handelt sich dann nur um eine Evidenzkontrolle. In
Fällen, in denen es noch keine gefestigte Rechtsprechung gibt, erfolgt nur eine
Vertretbarkeitsprüfung.270 Ohne eine entsprechende Anwendung der Grundsätze
des Rückwirkungsverbotes auf die Änderungen einer gefestigten Rechtspre-
chung, bleibt die Problematik aber weiterhin bestehen.271
cc) Zwischenergebnis
Auch wenn zuzugeben ist, dass sich bereits aus der Mehrdeutigkeit von Spra-
che ergibt, dass die Legislative wohl keine eindeutigen und zweifelsfreien Rege-
lungen schaffen kann, widerspricht ein über die unerlässliche Notwendigkeit der
Konkretisierung hinausgehendes arbeitsteiliges Zusammenwirken von Legislative
und Judikative dem Sinn und Zweck des Bestimmtheitsgrundsatzes, der auch
eine kompetenzwahrende Funktion hat. Der Grundsatz der Gewaltenteilung soll
auch eine gegenseitige Kontrolle der Gewalten bewirken. Dafür ist erforderlich,
dass die Aufgabenbereiche klar voneinander abgegrenzt werden. Verschiebt man
nun den Aufgabenbereich der Schaffung ausreichend bestimmter Strafgesetze
hinein in den Kompetenzbereich der Judikative, hat dies zur Folge, dass die Rich-
ter*innen nicht mehr über die ausreichende Bestimmtheit von Normen entschei-
den können. Halten sie eine Norm für zu unbestimmt, hat dies nicht etwa, wie
vorgesehen, die Verfassungswidrigkeit zur Folge, sondern einen Auftrag an die
Rechtsprechung, die Norm zu konkretisieren. Ob eine solche Konkretisierung
266 Kuhlen, JR 2011, 246, 249; ders., in: Das Gesetzlichkeitsprinzip im Strafrecht,
S. 45, 62.
267 Kuhlen, in: Das Gesetzlichkeitsprinzip im Strafrecht, S. 45, 62; unter Verweis auf
eingetreten ist, kann dann nur von der Judikative selbst überprüft werden, sollte
es überhaupt zu einer Verfassungsbeschwerde kommen. Wie effektiv eine solche
Selbstkontrolle ist, erscheint zweifelhaft. Genauso wenig könnte die Legislative
kontrolliert werden, wenn sie anfängt das von ihr geschaffene Recht auf Einzel-
fälle anzuwenden. Dennoch ist bei Öffnungsklauseln der Fall etwas anders ge-
lagert: Eine sinnvolle Umgrenzung erscheint durch die vorhergehende Kasuistik
durchaus möglich, sodass zum einen eine Erkennbarkeit gegeben sein kann und
zum anderen die Entscheidung der Legislative auch zum Ausdruck kommt. Viel-
mehr findet hier keine durch ein „Präzisierungsgebot“ vermittelte Übertragung
der Kompetenzbereiche statt, sondern es wird ausdrücklich eine gesetzgeberische
Befugnis geschaffen, die es der Judikative erlaubt, den Tatbestand auch auf dort
nicht geregelte Fälle anzuwenden.
d) Zwischenergebnis
272 v. Münch/Kunig/Kunig/Saliger, Art. 103 Rn. 45, hält das Abstellen auf einen
15.04.1970 – 3 BvR 396/69 = BVerfGE 28, 175, 183 = NJW 1978, 1423; BVerfG
10.01.1995 – 1 BvR 718, 719, 722, 723/89 = BVerfGE 92, 1, 12 = NJW 1995, 1141;
BVerfG 20.06.2012 – 2 BvR 1048/11 = BVerfGE 131, 268, 306 f. = NJW 2012, 3357.
IV. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Bestimmtheitsgrundsatz 113
vielmehr, dass hier eine bewusste Verlagerung der Entscheidung über die Straf-
barkeit von der Legislative auf die Judikative vorgenommen wurde.
Dies hat zur Folge, dass die Judikative ihrerseits eine eigene Entscheidung
über die Strafwürdigkeit einer Verhaltensweise treffen kann, indem sie diese für
vergleichbar mit den zuvor durch den Gesetzgeber aufgezählten Verhaltenswei-
sen erklärt.
Inwieweit sich aber diese Konkretisierungsbefugnis von der Anwendung von
Öffnungsklauseln unterscheidet, zeigt auch eine Entscheidung des BGH zur aus-
reichenden Bestimmtheit der Öffnungsklausel des § 315b Abs. 1 Nr. 4 StGB.284
Dort wird argumentiert, dass die Anwendbarkeit solcher Klauseln zur Lückenfül-
lung unabdingbar ist. Würde man die dort in Frage stehende Handlung also nicht
unter § 315b Abs. 1 Nr. 4 StGB fassen, hätte dies zu Folge, dass der Unrechtsge-
halt der Tat nicht vollumfänglich erfasst werden könnte.285 In Frage stand in der
soeben genannten Entscheidung, die Strafbarkeit eines Zufahrens mit einem
PKW auf Menschen, die sich auf dem Bürgersteig befanden. Zuzugeben ist, dass
vertreten wird, dass das konkrete Rechtsgut des § 315b StGB die Sicherheit des
Straßenverkehrs ist,286 die nicht durch ebenfalls einschlägige Delikte, wie § 212
StGB erfasst werden kann. Die Judikative nimmt in der Anwendung der Öff-
nungsklausel folglich die von der Legislative erteilte Befugnis wahr, vermeintli-
che Lücken zu schließen. Gerade die Argumentation anhand des Lückenschlusses
zeigt aber, dass der Tatbestand eine Lücke enthält, die es grundsätzlich durch
eine Entscheidung der Legislative zu schließen gilt. Darauf folgt, dass es keine
diesem konkreten Fall entsprechende Regelung gibt und diese folglich durch die
Rechtsanwendung der Judikative erstmals vollumfänglich geschaffen wird. Auch
hier zeigt sich der qualitative Unterschied zwischen der Konkretisierung von ge-
neralklauselartigen Regelungen und der Anwendung von Öffnungsklauseln. Auch
wenn der Wortlaut der Normen, wie etwa bei § 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB die An-
wendung auf „ähnliche, ebenso gefährliche Eingriffe“ beschränkt, bietet die Norm
zwar ein Orientierungskriterium durch die zuvor genannten Fälle, dennoch ent-
hält die Norm gerade eine Aufforderung an die Judikative rechtsschaffend tätig
zu werden und zwar über eine bloße Konkretisierung hinaus.
Für eine Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Bestimmtheitsgrundsatz
könnte außerdem sprechen, dass das BVerfG davon ausgeht, dass auch Regelbei-
spiele hinreichend bestimmt sind, obwohl diese auch die erhöhte Strafzumessung
für nicht näher bestimmte Verhaltensweisen oder Umstände der Tatbegehung öff-
nen.287 Ebenso erweitern Öffnungsklauseln auch auf tatbestandlicher Ebene den
Anwendungsbereich auf nicht ausdrücklich genannte Fälle. Der Bestimmtheits-
grundsatz gilt gerade auch im Bereich der Strafzumessung.288 Im Fall der Regel-
beispiele wird, wie in der o. g. Entscheidung, aufgrund der in der Norm genann-
ten Beispiele von einer hinreichenden Konkretisierung ausgegangen, die eine
vorhersehbare Rechtsanwendung garantieren soll. Diese hinreichende Bestimmt-
heit wird auf zweierlei Weisen begründet: Zum einen wird auf die vorhergehen-
den aufgezählten Beispielsfälle als Auslegungshilfe verwiesen, zum anderen wird
die hinreichende Bestimmtheit aus einer gefestigten Rechtsprechung gezogen.289
Daraus könnte man den Schluss ziehen, dass die Entscheidung im Rahmen der
Regelbeispiele auch für tatbestandliche Öffnungsklauseln gelten muss. Es muss
allerdings beachtet werden, dass die Entscheidung nicht ohne Weiteres auf Öff-
nungsklauseln übertragen werden kann: Regelbeispiele sind, anders als Öffnungs-
klauseln, reine Strafzumessungsregeln. Sie regeln nicht die Strafbarkeit als sol-
che, sondern ermöglichen ein höheres Strafmaß bei bestimmten Modalitäten der
Tatbegehung. Sie beziehen sich ihrerseits auf eine Grundnorm, die die generelle
Entscheidung darüber trifft, ob ein Verhalten strafbar ist. Öffnungsklauseln hin-
gegen entscheiden im Zweifel gerade selbst darüber, ob ein Verhalten überhaupt
strafbar ist. Daraus ergeben sich unterschiedliche Anforderungen. Es gibt gerade
keine Grundnorm, da die Öffnungsklausel Bestandteil eben jener Grundnorm ist,
deren Anwendung über das Ob und nicht nur das Maß der Strafbarkeit entschei-
det. An die Bestimmtheit des Strafmaßes sind insoweit geringere Anforderungen
zu stellen, als diese auch immer einen Gestaltungsspielraum schaffen müssen,
damit die Richter*innen eine schuldangemessene Strafe verhängen können.290
Diese geringeren Anforderungen lassen sich auch in Hinblick auf Sinn und
Zweck des Bestimmtheitsgrundsatzes rechtfertigen: Die Erkennbarkeit dient in
erster Linie als freiheitsgewährende Funktion dem „Ob“ der Strafbarkeit, und
weniger dem „Wie“, im Sinne der genauen Ausgestaltung der Strafe.
Darüber hinaus zeigt gerade die Rechtsprechung zu den Regelbeispielen, dass
diese sich nicht ausschließlich an den ausdrücklich genannten schweren Fällen
orientiert, sondern zum Teil bei den unbenannten Fällen der Regelbeispiele allge-
meine Erwägungen zur Strafzumessung aufstellt und abwägt.291 Diese Öffnung
288 Die Wirkung wird zum Teil einschränkend dahingehend ausgelegt, dass die Straf-
NJW 2008, 3627; dieser Dualismus der Herleitung der Bestimmtheit wird aber auch bei
den Regelbeispielen nicht kritiklos hingenommen, vgl. dazu NK-StGB/Kindhäuser,
§ 243 Rn. 4.
290 Schönke/Schröder/Lenckner-Hecker, § 1, Rn. 22.
291 BGH, Urt. v. 21.04.1970 – 1 StR 45/70 = BGH 23, 254 = NJW 1970, 1196 ver-
der Regelbeispiele stellt also ein Einfallstor für solche allgemeinen Erwägungen
dar. Ungeachtet der Unterschiede zwischen unbenannten Regelbeispielen und
Öffnungsklauseln erscheint also in beiden Fällen das Problem weniger in der
fehlenden Konkretisierungsmöglichkeit anhand der gängigen Auslegungsmetho-
den zu liegen, als vielmehr in der bewussten Übertragung der Entscheidung von
der Legislative auf die Judikative. Dies führt dazu, dass eine hinreichende Be-
stimmtheit sowohl von Regelbeispielen als auch von Öffnungsklauseln anzuneh-
men ist und das Problem an anderer Stelle zu verorten ist.
Der Wortlaut des Art. 103 Abs. 2 GG legt dadurch, dass er eine gesetzliche
Bestimmtheit vor der Tat fordert, nahe, dass die Entscheidung über strafbares
Verhalten vom Gesetzgeber selbst getroffen werden soll, und der Bestimmtheits-
grundsatz sichert dies, indem er fordert, dass diese Entscheidung Niederschlag
im Wortlaut des entsprechenden Strafgesetzes finden muss. Art. 103 Abs. 2 GG
beinhaltet eine Entscheidung zugunsten der Rechtssicherheit, die im Zweifel
auch zulasten der materiellen Gerechtigkeit geht. Dabei handelt es sich um eine
Wertentscheidung, die nicht ohne Weiteres durch einfaches Recht durchbrochen
werden darf. Es wurde im Rahmen einer Abwägung der betroffenen Interessen
eine Norm von Verfassungsrang geschaffen. Diese Wertung ist in jedem Falle zu
berücksichtigen.292 Dies ist bei allzu weit gefassten Generalklauseln gerade nicht
der Fall, dort findet die Entscheidung des Gesetzgebers dann keinen Nieder-
schlag in der Norm. Anders verhält es sich aber bei Öffnungsklauseln: Hier re-
gelt der Gesetzgeber ausdrücklich, dass die Judikative die Norm – anhand eines
Ähnlichkeitsschlusses – auch auf nicht geregelte Fälle anwenden soll.
Rechtssicherheit und die Sicherung der Gewaltenteilung können nur dann ge-
währleistet werden, wenn der Gesetzgeber, im Rahmen des Möglichen, eine Ent-
scheidung trifft. Was auch bedeutet, dass der Rechtsstaat es ertragen muss, dass
möglicherweise zum Zeitpunkt, in dem das Gesetz verabschiedet wurde, für
strafbar erachtete Verhaltensweisen nicht erkennbar waren und folglich nicht in
die Regelung aufgenommen wurden. Öffnungsklauseln machen gerade deutlich,
dass deren Unbestimmtheit nicht daher rührt, dass der Gesetzgeber das strafbare
Verhalten nicht sprachlich genau erfassen kann. Viel mehr beruht der Einsatz der
Öffnungsklauseln auf dem fehlenden gesetzgeberischen Willen einen Tatbestand
mit abschließend aufgezählten Verhaltensweisen zu schaffen. Dies kommt in der
gesetzlich angeordneten Aufgabenübertragung von der Legislative auf die Judi-
kative zum Ausdruck. Hier ist der Grundsatz der Gewaltenteilung folglich auf
eine andere Weise betroffen: Es wird keine generalklauselartige Regelung ge-
wählt, um den Grundsatz der Gewaltenteilung (bewusst oder unbewusst) zu um-
Strafrahmen geboten sind“; siehe umfassend zu dieser Problematik in Bezug auf Regel-
beispiele Kindhäuser, in: FS-Triffterer, 123, 124 ff.
292 BGH, Urt. v. 07.11.1962 – 3 StR 49/62 = BGHST 18, 136 = NJW 1963, 499,
gehen. Vielmehr wird bewusst die Befugnis der Judikative geschaffen, die Norm
auch auf vergleichbare Fälle anzuwenden.
Dass der Gesetzgeber bei der Verwendung von Öffnungsklauseln eine solche
Entscheidung hätte treffen können, zeigt er bereits dadurch, dass er typischer-
weise vorhergehend eine Kasuistik verwendet und sich dezidiert mit den Verhal-
tensweisen auseinandersetzt, die unter das strafbare Verhalten fallen sollen. Der
Gesetzgeber weicht dann von dieser genauen Regelung durch die Öffnungsklau-
seln ab. Ob ihm eine genauere Regelung möglich gewesen wäre, bleibt offen,
kann aber auch dahinstehen, denn der Gesetzgeber hat sich gerade bewusst ent-
schieden seine Aufgabe auf die Gerichte zu verlagern.
Öffnungsklauseln führen also zu einer bewussten Verlagerung der Aufgabe der
Gesetzgebung, was aber nicht pauschal dazu führt, dass Öffnungsklauseln mit
dem Grundsatz der Gesetzesbestimmtheit nicht in Einklang zu bringen sind. Die
aus Öffnungsklauseln resultierende Aufgabenverlagerung von Legislative auf die
Judikative beruht nicht auf den fehlenden sprachlichen Möglichkeiten, den Tat-
bestand anders zu fassen, sondern auf der bewussten Entscheidung, der Judika-
tive die Möglichkeit eines Ähnlichkeitsschlusses zu ermöglichen.
Unabhängig davon, welches Verständnis des Bestimmtheitsgrundsatzes nun
zugrunde gelegt wird, also ob ein Verstoß erst dann angenommen wird, wenn
eine sinnvolle Umgrenzung des Tatbestandes nicht mehr möglich ist oder bereits
dann, wenn der Gesetzgeber den Tatbestand nicht gemäß eines Optimierungs-
gebotes gestaltet hat, so scheint bei der Verwendung von Öffnungsklauseln im
Strafrecht nicht zuvorderst der Wortlaut bzw. seine Bestimmtheit problematisch.
Denn es ist durchaus möglich, dass – im Sinne eines Optimierungsgebotes – dem
Gesetzgeber keine genauere Umschreibung der zu bestrafenden Verhaltensweise
möglich gewesen ist, weil es sich bei den Tatbeständen, die sich Öffnungsklau-
seln bedienen, um solche mit einem nur schwer zu fassenden Rechtsgut handelt
und infolgedessen auch die Festlegung, wovor das Rechtsgut geschützt werden
soll, nur schwerlich möglich ist. Zum anderen erscheint es aber auch möglich,
dass Öffnungsklauseln hinreichend durch die Judikative konkretisiert werden
können, indem die Vergleichbarkeit mit den kasuistisch aufgezählten Fällen an-
hand der gängigen Auslegungsmethoden nachvollziehbar dargelegt wird.
Konstituierend für Öffnungsklauseln ist also weniger eine (zu) unbestimmte
Formulierung als vielmehr die Verlagerung der Entscheidung über strafbares
Verhalten anhand einer gesetzlichen Anordnung durch die gesetzgebende Gewalt
auf die Judikative und die damit verbundene Aufgabenverlagerung. Zwar enthält
auch der Grundsatz der Gesetzesbestimmtheit eine Komponente, die dem Schutz
der Gewaltenteilung dienen soll, allerdings soll dieser durch eine möglichst ge-
naue Fassung des zu bestrafenden Verhaltens sichergestellt werden. Es lassen
sich durchaus Parallelen zwischen ungenauen Gesetzesfassungen und Öffnungs-
klauseln erkennen: So führen beide zu einem erweiterten Entscheidungsspiel-
118 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln
raum der Judikative und insoweit berühren auch Öffnungsklauseln den Bestimmt-
heitsgrundsatz im Strafrecht. Es besteht aber ein qualitativer Unterschied zwi-
schen generalklauselartigen Regelungen und einer gesetzlich angeordneten Be-
fugnis, ein Gesetz auch entsprechend auf nicht geregelte Fälle anzuwenden. Im
ersteren Fall ist entscheidend, ob eine nachvollziehbare Konkretisierung der ge-
neralklauselartigen Fassung möglich ist. Im Anwendungsbereich von Öffnungs-
klauseln erfolgt aber gerade keine Konkretisierung, denn die Entscheidung über
strafbares Verhalten wird erstmals von der Judikative im Wege eine Ähnlichkeits-
schlusses getroffen und dies aufgrund einer ausdrücklichen gesetzgeberischen
Anordnung. Dies zeigt aber, dass gerade der Schutz der Gewaltenteilung, dem
der Grundsatz der Gesetzesbindung unter anderem dienen soll, für Öffnungsklau-
seln von herausragender Relevanz sein wird. Inwieweit eine Vereinbarkeit von
Öffnungsklauseln mit dem Grundsatz der Gewaltenteilung angenommen werden
kann, ist an anderer Stelle weiter zu untersuchen.293 Insoweit kann also nicht
pauschal ein Verstoß von Öffnungsklauseln gegen den Grundsatz der Gesetzes-
bindung angenommen werden.
3. Gesamtergebnis
darunter konkret verstanden werden kann – genügt gerade nicht. Die Regelung
muss vielmehr innerhalb der sprachlichen Möglichkeiten eine größtmögliche Prä-
zision aufweisen und von einer bestmöglichen Verständlichkeit für die Norm-
adressat*innen zeugen. Dies ist anhand des Normtextes und nicht nur anhand
einzelner Wörter zu bestimmen.
Denen durch das BVerfG aufgestellten Anforderungen an die Bestimmtheit
von Strafgesetzen kann hingegen nicht gefolgt werden, denn diese werden der
überragenden Bedeutung des Gesetzlichkeitsprinzips gerade nicht gerecht und
wirken vielmehr den verfolgten Zwecken entgegen. Dies zeigt sich insbesondere
dadurch, dass durch das vom BVerfG zugrunde gelegte Verständnis des Bestimmt-
heitsgrundsatzes im besonderen Maße eine Verschiebung der den Gewalten zu-
geteilten Kernaufgaben erfolgt und eine Erkennbarkeit des Norminhaltes erst
infolge einer gefestigten Rechtsprechung ermöglicht wird.
Dennoch kann aus dem zuvor Gesagtem auch nicht die Pflicht abgeleitet wer-
den, Gesetze strikt kasuistisch zu verfassen. Öffnungsklauseln bieten durch die
vorhergehende Kasuistik auch bei der Möglichkeit, die Norm auf vergleichbare
Fälle anzuwenden, konkrete Orientierungspunkte, die sowohl der Erkennbarkeit
des strafbaren Verhaltens von Bürger*innen dienlich sein können, als auch der
Judikative Orientierungspunkte für die Rechtsanwendung auf den Einzelfall bie-
ten. Gerade in den Fällen von. § 238 Abs. 1 Nr. 8 StGB erscheint das zu schüt-
zende Rechtsgut nur schwer fassbar, sodass auch eine abschließende Regelung
der strafbaren Verhaltensweisen erhebliche Schwierigkeiten aufweist. Insoweit
könnten Öffnungsklauseln gerade die für den Gesetzgeber bestmögliche Rege-
lung darstellen.
Die Öffnungsklauseln innewohnende Problematik erscheint also weniger der
konkret gewählte Wortlaut zu sein, als vielmehr die durch den Gesetzgeber ange-
ordnete Befugnis, die Norm auch auf andere, nicht ausdrücklich geregelte Fälle
anzuwenden.
Insoweit gibt es auch einen Berührungspunkt von Öffnungsklauseln mit dem
Bestimmtheitsgrundsatz: Öffnungsklauseln scheinen auf diese Weise in Konflikt
mit dem Grundsatz der Gewaltenteilung zu geraten. Es findet eine ausdrückliche
und gesetzlich angeordnete Aufgabenverlagerung statt. Auch der in Art. 103
Abs. 2 GG normierte Bestimmtheitsgrundsatz schützt den Grundsatz der Gewal-
tenteilung. Dieser wird soll aber durch einen möglichst genauen Wortlaut der
Norm sichergestellt werden, um auf diesem Wege – im Zusammenspiel mit dem
Grundsatz der Gesetzesbindung – den Handlungsspielraum der Judikative einzu-
grenzen. Indem der Gesetzgeber sich der Gesetzgebungstechnik der Öffnungs-
klauseln bedient, überträgt er ganz offen und erkennbar die Entscheidung über
die Strafbarkeit von Verhaltensweisen auf die Judikative. Es findet gerade keine
Vermittlung dieser Aufgabenübertragung durch einen ungenauen oder general-
klauselartigen Wortlaut statt. Vor der in Öffnungsklauseln zum Ausdruck kom-
120 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln
1. Analogien im Strafrecht
Eine Analogie ist dem Wortsinn nach die „Entsprechung zweier unterschied-
licher Ereignisse“294 und bezeichnet ein juristisches Schlussverfahren, wonach
zwei unterschiedliche Sachverhalte aufgrund ihrer Ähnlichkeit gleichbehandelt
werden. Bei diesem Schlussverfahren handelt es sich um ein Instrument, bei dem
ein nicht geregeltes Verhalten in Bezug auf die Rechtsfolge in einen bereits nor-
mierten Rechtssatz eingefügt wird.295 Diese „Einfügbarkeit“ setzte eine gleiche
rechtlichen Analogieverbots, S. 4.
295 Klug, Juristische Logik, S. 109 f.
V. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Analogieverbot 121
Zwecksetzung des geregelten und des ungeregelten Falles voraus und führt dazu,
dass aufgrund eben jener Vergleichbarkeit die gleiche Rechtsfolge ausgelöst
wird.296 Eine Analogie kann es folglich nur dort geben, wo ein Fall noch nicht
gesetzlich geregelt wurde. Es wird also ein gesetzliches Merkmal auf einen Sach-
verhalt angewendet, der zwar nach dem Wortlaut der Norm nicht darunterfällt,
aber den erfassten Fällen zumindest ähnlich ist.
Es wird zwischen einer sog. Gesetzesanalogie und einer sog. Rechtsanalogie
unterschieden. Bei einer Gesetzesanalogie wird eine bestimmte Regel aus einer
vorhandenen Vorschrift abgeleitet und auf weitere Fälle übertragen. Bei einer
Rechtsanalogie hingegen werden bestimmte Rechtsgedanken aus unterschiedli-
chen Vorschriften abgeleitet.297 Entscheidend für die Beurteilung, ob Öffnungs-
klauseln mit dem Analogieverbot vereinbar sind, ist die Gesetzesanalogie, da die-
ser Ähnlichkeitsschluss bei Öffnungsklauseln durch die gesetzgeberische Anord-
nung, die Norm auch auf „vergleichbare“ oder „ähnliche“ Fälle anzuwenden,
explizit durch den Gesetzgeber vorgesehen ist. Die dadurch ausgelöste Rechts-
folge wird aus der Norm selbst abgeleitet.
Eine solche Analogie, die in anderen Rechtsgebieten durchaus üblich ist, ist
aufgrund der Regelung des Art. 103 Abs. 2 GG im Strafrecht allerdings verbo-
ten, wenn die Analogie sich zulasten der Täter*innen auswirkt.298 Analogiever-
bot meint folglich die Unzulässigkeit strafbegründender oder strafschärfender
Rechtsfortbildung299 aufgrund zweier unterschiedlicher Ereignisse, die sich aber
Roxin/Greco, Strafrecht AT, S. 215; Maunz/Dürig/Remmert, Art. 103 Abs. 2 Rn. 82;
SK-StGB/Jäger, § 1 StGB, Rn. 46; Baumann/Eisele/Weber/Eisele, Strafrecht AT, § 7
Rn. 18; Maurach/Zipf, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 10 Rn. 15; Klug, Juristische Logik,
S. 110.
298 Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 103 Abs. 2 Rn. 47; gegen das klassische Verständnis
strafrechtlichen Analogieverbots, S. 4.
301 NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 70; MüKo-StGB/Schmitz, §1, Rn. 67.
302 Wolff-GG/Wolff, Art. 103 Abs. 2 Rn. 16; NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 81 ff.
verweisen auf die fehlende praktische Relevanz. Allgemeines zur Wortlautgrenze vgl.
Klatt, in: Gesetzlichkeit und Strafrecht, S. 121; zum Verhältnis von Auslegung zu Ana-
logie vgl. IV. 1. a).
303 NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 70.
304 Zur Problematik der Methodenlehre als universelle Regel zum Umgang mit einer
des allgemeinen Teils des StGB,306 gilt eben jenes unstreitig für alle Tatbestände
im besonderen Teil.307
Das Analogieverbot dient, gestützt durch die Herleitung aus Art. 103 Abs. 1
GG, zum einen dem Grundsatz der Gewaltenteilung.308 Es ordnet eine Subordi-
nation der Gerichtsbarkeit unter das geschriebene Recht und die dort normierten
Entscheidungen der Legislative an. Das Analogieverbot ist allerdings von der
normkonkretisierenden Tätigkeit der Gerichte zu unterscheiden.309 Die Judika-
tive ist durchaus auch dazu angehalten, Normen entsprechend des Wortlautes zu
präzisieren. Davon ist aber aufgrund des Analogieverbotes eine über die Norm
hinausgehende Konkretisierung ausgeschlossen.310
Diese klare Abgrenzung der Kompetenzbereiche voneinander dient der Erhal-
tung der Rechtssicherheit.311 Außerdem soll dies auch dem fragmentarischen
Charakter des Strafrechts sichern, sodass es nicht zu einer Ausweitung des Straf-
rechts auf alle denkbaren strafwürdigen Verhaltensweisen kommt.312 Auf diese
Weise wird die Bindung der Strafrichter*innen an das Gesetz gestärkt.313
Außerdem wird durch das Analogieverbot garantiert, dass der Wille des Ge-
setzgebers gewahrt wird.314 Darüber hinaus entfaltet das Analogieverbot auch
eine Schutzfunktion für Bürger*innen in Bezug auf willkürliche Entscheidungen,
S. 135; zum Teil wird als Zweck auch die Erhaltung des Strafrechts als „ultima ratio“
genannt, vgl. Schick, in: FS-Walter, S. 625, 639; Kertai, JuS 2011, 976, 978; so im Er-
gebnis auch Dietmeier, ZStW 110 (1998), 393, 408.
309 BVerfG 14.05.1969 – 2 BvR 238/68 = BVerfGE 26, 41, 42 = NJW 1969, 1759;
BVerfG 21.06.1977 – 2 BvR 308/77 = BVerfGE 43, 363 = NJW 1977, 1815; BVerfG
10.06.1997 – 2 BvR 1516/96 = BVerfGE 96, 68 = NJW 1998, 50.
310 Abweichend: Sánchez, in: Gesetzlichkeit und Strafrecht, S. 55, 64 f., der davon
ausgeht, dass den Gerichten auf Grundlage dessen auch die Pflicht zur „Reparatur“ von
Gesetzen zukommt.
311 So auch Eisele, vgl. Baumann/Eisele/Weber/Mitsch/Eisele/Eisele, Strafrecht AT,
§ 7 Rn. 16, der zu Recht darauf hinweist, dass auch beim Ausnutzen aller Möglichkei-
ten, die eine Analogie bietet, Strafbarkeitslücken weiterhin bestehen würden. Eine um-
fassende Strafbarkeit aller für strafwürdig erfassten Verhaltensweisen ist gerade nicht
möglich.
312 Baumann/Eisele/Mitsch/Weber/Eisele, Strafrecht AT, § 7 Rn. 20; zur Vereinbar-
keit von Öffnungsklauseln mit dem fragmentarischen Charakter des Strafrechts siehe
Kap. D. VII.
313 Grünwald, ZStW 76 (1964), 1, 13, wobei Grünwald jede darüberhinausgehende
wertende Entscheidung der Richter*innen für unvereinbar mit dem Analogieverbot hält.
314 Kuhlen, JR 2011, 246, 248.
124 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln
die keine Stütze im Wortlaut des Gesetzes finden.315 Folglich darf eine analoge
Anwendung nur zugunsten der Betroffenen erfolgen. Diejenigen, die innerhalb
der durch das Strafrecht gesetzten Grenzen handeln, sollen keine Bestrafung
durch die entsprechende Anwendung einer Norm fürchten.316 Auch hier dient
das Analogieverbot nicht nur dem subjektiven Vertrauensschutz jedes einzelnen,
sondern vielmehr dem Schutze der Rechtsgemeinschaft als solcher.317 So bleiben,
wie auch durch den Bestimmtheitsgrundsatz gewährleistet, die Bürger*innen vor
willkürlichen Entscheidungen geschützt.318
315 Krey, Keine Strafe ohne Gesetz, S. 73; Grünwald, ZStW 76 (1964), 1, 13, der be-
zweifelt, dass durch das Gebot der Rechtssicherheit das Analogieverbot begründet wer-
den kann; Simon, Gesetzesauslegung im Strafrecht, S. 101.
316 Grünwald, ZStW 76 (1964), 1, 4.
317 Kirsch, Zur Geltung des Gesetzlichkeitsprinzips im Allgemeinen Teil des Strafge-
setzbuchs, S. 185.
318 Schönke/Schröder/Hecker, § 1 Rn. 5; dies darf auch nicht zugunsten kriminal-
politischer Erwägungen aufgeweicht werden, wie etwa Schick, in: FS-Walter, S. 625
vertritt.
319 Maurach/Zipf, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 10 Rn. 23, wobei unklar ist, woraus
sich die Möglichkeit der Schließung unbeabsichtigter Lücken ergibt; außerdem wird
nicht deutlich, ob dies nur für Analogien im Rahmen des Allgemeinen Teils gilt.
320 Dies wird zum Teil auch weniger streng gesehen und mit der Aufforderung des
Gesetzgebers zur Konkretisierung durch die Gerichte begründet, vgl. Streng, in: Gesetz-
lichkeit und Strafrecht, S. 179, 193.
V. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Analogieverbot 125
Analogieverbot erhebt gerade nicht den Anspruch, dass dadurch auch das inhalt-
lich „richtige“ Ergebnis gefunden wird. Vielmehr verlangt es von Richter*innen,
dass diese eine unbefriedigende Situation hinnehmen.321 Die Gerichte dürfen den
Gesetzgeber gerade nicht korrigieren.322 Dies gilt auch, wenn eine solche An-
wendung des Gesetzes zu einer „gerechten Bestrafung“ führt.323 Es ist der Judi-
kative durch das Analogieverbot außerdem untersagt, den Regelungsgehalt einer
Norm erstmal zu schaffen.324 Auch wenn dies dem Willen des Gesetzgebers
entsprechen würde.325 Bei diesem Verbot der Korrektur von Versäumnissen des
Gesetzgebers handelt es sich um den in Art. 103 Abs. 2 GG zum Ausdruck kom-
menden Willen des verfassungsgebenden Gesetzgebers und um eine der Kern-
aussagen eben jener Norm.326 Eine Orientierung am (hypothetischen) Willen des
Gesetzgeber ist abzulehnen.
(1964), 1, 2.
326 Bott/Krell, ZJS 2010, 694, 697.
327 Zur Bedeutung des Analogieverbotes in der heutigen Zeit vgl. Marinucci, in: FS-
Tiedemann, S. 189.
328 Siehe dazu im Detail Kap. D. VIII.
329 LK-StGB/Dannecker, § 1 Rn. 146.
126 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln
Zum Teil wird eine Bindung der Richter*innen lediglich an den aus einer
Norm ergebenden Sinn und Zweck angenommen und dementsprechend die Wort-
lautgrenze334 als Abgrenzungsmittel zwischen Auslegung und Analogie gänzlich
abgelehnt.335 Die Wortbedeutung des Tatbestandes werde erst durch Vergleich
S. 235; Maurach/Zipf, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 10 Rn. 21. m.w. N.; so auch
Streng, in: Gesetzlichkeit und Strafrecht, S. 179, 191; unklar Schönke/Schröder/Hecker,
§ 1 Rn. 27; Krey, Studien zum Gesetzesvorbehalt, S. 32.
334 Teilweise wird diese auch als „Wortsinn“ bezeichnet, vgl. dazu zusammenfassend
Becker/Martenson, JZ 2016, 779; kritisch zum Begriff der Wortlautgrenze und des
Wortsinns vgl. Klatt, in: Gesetzlichkeit und Strafrecht, S. 121, 122.
335 Sax, Das strafrechtliche „Analogieverbot“, S. 81, der auf die Unterschiede zwi-
schen dem möglichen und den tatsächlichen Wortlaut verweist; Hassemer, Strafen im
Rechtsstaat, S. 29; Hassemer, Tatbestand und Typus, S. 160; Hanack, NStZ 1986, 261,
263; Stratenwerth/Kuhlen, AT I, S. 51; Jakobs, Strafrecht AT, S. 85 ff.; zusammenfas-
send: Krey, Studien zum Gesetzesvorbehalt im Strafrecht, S. 28 verweist darauf, dass
eine solche Auslegung zu weit gefasst ist; Christensen, Was heißt Gesetzesbindung?,
S. 39 ff.; Heller, Analogie und Axiologie der analogen Rechtsanwendung, S. 140; im
V. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Analogieverbot 127
mit dem Sachverhalt näher konkretisiert. Daraus wird gefolgert, dass dem Wort-
laut als solchem keine überragende Bedeutung zukomme.336 Gerade in Grenz-
fällen der Tatbestandsauslegung versage das Instrument der Wortlautauslegung
als Abgrenzungskriterium, weil eine solche Grenzziehung nicht ohne weiteres
möglich und durch Subjektivität geprägt sei.337
Es wird insbesondere argumentiert, dass es keinen Unterschied zwischen Aus-
legung und Analogie gebe, da jede Wortlautauslegung auch notwendigerweise
einen Ähnlichkeitsschluss enthalte, wenn auch nur innertatbestandlich. Ein Ana-
logieverbot würde folglich ein umfassendes Auslegungsverbot bedeuten.338 Ein
Unterschied zwischen Auslegung und Analogie bestehe nur bzgl. des Grades der
semantischen Entfernung.339 Beide Vorgehensweisen beruhen darauf, dass der
Sachverhalt mit der Norm anhand der Ratio des Gesetzes abgeglichen wird.340
Der Sinn des Gesetzes ergebe sich aber gerade nicht nur aus dem Wortlaut einer
Norm.341 Bereits das Verfahren der Rechtsschaffung beinhaltet das Gießen einer
Rechtsidee in Wortform, woraus die Konsequenz gezogen werden könne, dass
der Wortlaut nie unabhängig vom Sinn und Zweck der Norm betrachtet werden
kann.342 Ohnehin sei, wenn überhaupt, eine Bestimmung der Wortlautgrenze im-
mer nur temporär möglich und auch nur in den Fällen, in denen sich der Gesetz-
Ergebnis wohl auch Esser, Grundsatz und Norm in der richterlichen Rechtsfortbildung
des Privatrechts, 253 f.; Schmidhäuser, Einführung in das Strafrecht, 3/53, wonach „die
Gerichte selbst bestimmen, wann die unerlaubte Analogie beginnt“.
336 Hassemer, Tatbestand und Typus, S. 160; Esser, Grundsatz und Norm in der rich-
nur dann gilt, wenn der Begriff der Analogie im technischen Sinne verstanden wird.
339 Soweit ersichtlich erstmals: Sax, Das strafrechtliche „Analogieverbot“, S. 148,
152; zustimmend: Busch, JZ 1955, 223, 224; Hassemer, Strafen im Rechtsstaat, S. 29;
Kaufmann, Analogie und „Natur der Sache“, S. 37, 40; ders., in: Einführung in Rechts-
philosophie und Rechtstheorie der Gegenwart, S. 278; Zippelius, Juristische Methoden-
lehre, S. 58, zustimmend dazu, dass es sich bei beiden Methoden um eine Fallverglei-
chung handelt, verweist aber darauf, dass sich der Vergleich im Rahmen der Auslegung
innerhalb des Gesetzeswortlautes befindet; Yi, Wortlautgrenze, Intersubjektivität und
Kontexteinbettung, S. 188, 193, 302; Müller/Christensen, Juristische Methodik Band I,
Rn. 526; Haft, in: Einführung in die Rechtsphilosophie, 2016, S. 269, 275; Heller, Ana-
logie und Axiologie der analogen Rechtsanwendung, 140 ff., der Analogie als eine Stufe
der Auslegung ansieht und zwischen Analogie und axiologischer Analogie unterschei-
det; Schroth, in: Einführung in die Rechtsphilosophie, 2016, S. 270, 278; ders., Theorie
und Praxis subjektiver Auslegung, S. 108; ders., in: Hermeneutik, Norminterpretation
und richterliche Normanwendung, S. 270, 278; Küper, in: FS-Uni Heidelberg, S. 451,
452; Ransiek, in: FS-Tiedemann, S. 171, 186; Hanack, NStZ 1986, 261, 263.
340 Kaufmann, Analogie und „Natur der Sache“, S. 38.
341 Kaufmann, Analogie und „Natur der Sache“, S. 39 unter Verweis daraus, dass
das, was unter bestimmten Begriffen verstanden wird, sich auch immer nach der ent-
sprechenden Norm richtet.
342 Kaufmann, Analogie und „Natur der Sache“, S. 43.
128 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln
343 Depenheuer, Der Wortlaut als Grenze, S. 38 f., unter Verweis auf den Begriff des
der, Zum Begriff der Gesetzesumgehung im materiellen Strafrecht und seiner Bedeu-
tung für die praktische Anwendung des Rechts, S. 126.
348 Kaufmann, Analogie und „Natur der Sache“, S. 5.
349 So im Ergebnis wohl auch Kaufmann, Analogie und „Natur der Sache“, S. 39;
zum Problem der Feststellung von Rechtsähnlichkeit i. S. d. Analogie vgl. Sax, Das straf-
rechtliche „Analogieverbot“, S. 134.
350 Ransiek, in: FS-Tiedemann, S. 171, 185 f.
351 Heller, Analogie und Axiologie der analogen Rechtsanwendung, S. 142.
V. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Analogieverbot 129
Für eine Bindung an die Ratio des Gesetzes spricht, dass sowohl Auslegung als
auch Analogie auf einem ähnlichen Schlussverfahren beruhen352 und es zweifel-
haft sein kann, ob ein Fall der zulässigen Wortlautauslegung vorliegt oder der
unzulässigen Auslegung über die Wortlautgrenzen hinaus.353 Die Ähnlichkeit der
Schlussverfahren und eine etwaige damit verbundene Problematik bzgl. der Ter-
minologie des Begriffs der Analogie reichen aber nicht aus, um die Wortlaut-
grenze als Abgrenzungskriterium gänzlich auszuschließen.354 Insbesondere kann
aus der Ähnlichkeit der beiden Verfahren nicht zwingend geschlossen werden,
dass eine Abgrenzung der beiden Methoden voneinander nicht möglich ist. Es ist
zumindest theoretisch denkbar, dass diese aufgrund der Entfernung vom Geset-
zeswortlaut voneinander unterschieden und abgegrenzt werden können.355 Diese
Entfernung kann dabei in unterschiedliche Kategorien eingeteilt werden: Die so-
genannten positiven, negativen und neutralen Kandidaten. Danach gibt es also
Fälle, die ganz eindeutig vom Wortlaut der Norm erfasst sind (positive Kandida-
Art. 103 Abs. 2 Rn. 83; SK-StGB/Jäger, § 1 Rn. 83; LK-StGB/Dannecker, § 1 Rn. 247;
Zippelius, Juristische Methodenlehre, S. 58; Lewisch, Verfassung und Strafrecht, S. 66.
354 So auch LK-StGB/Dannecker, § 1 Rn. 252, „der gleiche modus operandi zwingt
nicht dazu, eine qualitative Grenzziehung zwischen zulässiger Auslegung und unzuläs-
siger Analogie zu verneinen“; so im Ergebnis auch Lewisch, Verfassung und Strafrecht,
S. 67; Greco, GA 2012, 452, 453; anders: Hassemer, Tatbestand und Typus, S. 160 f.;
einschränkend mit Verweis auf die unendliche Deutungsmöglichkeit von Sprache, vgl.
Becker/Martenson, JZ 2016, 779, 784; Appel, JURA 2000, 571, 572; SSW-StGB/Satz-
ger, § 1 Rn. 44, der trotz Ähnlichkeiten der beiden Schlussverfahren auf die Abgren-
zung verweist; Engisch, Einführung in das juristische Denken, S. 208 f.; Matt/Renzi-
kowski/Basak, § 1 Rn. 19, der darauf verweist, dass zwischen Auslegung und Analogie
nur ein „gradueller“ Unterschied besteht; NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 78.
355 Krey, ZStW 101 (1989), 838, 844; ebenfalls ablehnend zur Ratio als Abgren-
ten), als auch solche, die offensichtlich nicht erfasst sind (negative Kandidaten).
Die neutralen Kandidaten lassen sich hingegen nicht mit Sicherheit unter den
Wortsinn einer Norm fassen.356 Dass es positive und negative Kandidaten gibt,
deutet darauf hin, dass es auch einen messbaren Unterschied zwischen Analogie
und Auslegung gibt. Dieser Unterschied wird auch in der Begründung der Ge-
richte erkennbar, also ob sie eine Anwendung mit der Konkretisierung einer
Norm begründen oder mit der Anwendung auf einen ähnlich gelagerten Fall.
Auslegung erfasst dabei in jedem Falle den Bereich positive und negativen Kan-
didaten. Die Abgrenzung von Auslegung und Analogie ist hingegen in der An-
wendung der neutralen Kandidaten theoretisch strittig.
Befürwortet man in den Grenzbereichen eine Abgrenzung anhand der Ratio
des Gesetzes, ist außerdem fraglich, inwieweit Sinn und Zweck eines Gesetzes
ein zuverlässigeres Abgrenzungskriterium bilden können. Die Ermittlung eines
solchen ist ebenso, wenn nicht sogar noch stärker von Unsicherheiten und sub-
jektiven Interpretationen geprägt.357 Zweifelhaft bleibt auch die Überprüfbarkeit
der dadurch gefundenen Ergebnisse. Gegen den Sinn und Zweck als Abgren-
zungskriterium spricht weiterhin die Normierung in Art. 103 Abs. 2 GG und
§ 1 StGB. Wenn die Abgrenzung nach dem Sinn und Zweck erfolgt, besteht inso-
weit kein Unterscheid zu den anderen Rechtsgebieten, in denen eine analoge An-
wendung von Normen nicht von vorneherein ausgeschlossen ist. Denn auch dort
darf nur eine Analogie gebildet werden, wenn eine vergleichbare Interessenslage
besteht.358 Dann wäre die Regelung des Art. 103 Abs. 2 GG und § 1 StGB im
Hinblick auf das Analogieverbot überflüssig, da sich keine Besonderheiten für
das Strafrecht ergeben würden.
Insgesamt kann die Mehrdeutigkeit von Worten nicht gegen den Wortlaut als
zulässiges Abgrenzungskriterium sprechen. Denn aus der Mehrdeutigkeit von
Sprache alleine kann nicht geschlossen werden, dass es keine Grenzen von Spra-
che und Wortbedeutungen gibt.359 Und auch der Hinweis auf den Wandel von
Sprache und die damit verbundenen Veränderungen von Wortbedeutungen kön-
nen zu keiner anderen Bewertung führen.360 Wäre Sprache in einem besonders
gesetzbuchs, S. 176.
359 So auch NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 96; Schünemann, Nulla poena sine
361 So u. a. Depenheuer, Der Wortlaut als Grenze, S. 38; Kaufmann, Analogie und
Strafrecht, S. 67, der darauf verweist, dass es Fälle gibt, die niemals vom Wortlaut er-
fasst sind; Kaspers, Philosophie – Hermeneutik – Jurisprudenz, S. 132; Krey, ZStW 101
(1989), 838, 845; NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 79.
363 Kaspers, Philosophie – Hermeneutik – Jurisprudenz, 132 f.
364 Zippelius, Juristische Methodenlehre, S. 38, unter Verweis darauf, dass Wörter
Analogieverbot.
368 NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 79; so im Ergebnis auch Grünwald, der auf
sprechung beruft.370 Die Rechtsprechung verweist darauf, dass der Begriff der
Analogie nicht im technischen Sinne zu verstehen sei. Das bedeutet, dass es
weniger auf das Verständnis der Analogie als logisches Schlussverfahren als auf
das Verständnis als Übertretung der Wortlautgrenze ankommt, wenn ein Verstoß
gegen das Analogieverbot untersucht werden soll.371
Die genannten Abgrenzungsschwierigkeiten und Einwendungen gegen die
Wortlautgrenze als Abgrenzungskriterium beruhen augenscheinlich darauf, dass,
wie bereits im Rahmen des Bestimmtheitsgrundsatzes erörtert, keine einheitliche
Methodenlehre existiert. Auch wenn man bei einer solchen Überschreitung man-
gels einer einheitlichen Methodenlehre nicht immer zwingend zu eindeutigen Er-
gebnissen kommt, handelt es sich bei der Bindung an den Wortlaut gerade im
Hinblick auf das Analogieverbot um eine „unverzichtbare Grundlage des juris-
tischen Arbeitens“.372 Denn nur durch die Bindung an den Wortlaut einer Norm
und der Abgrenzung von Analogie und Auslegung anhand dieses Wortlautes
kann es zu einer demokratisch legitimierten Einzelfallentscheidung durch die
Richter*innen kommen. Eine an den Wortlaut gebundene Entscheidung soll die
370 Vgl. etwa. BGH, Urt. v. 13.11.1952 – 3 StR 727/51 = BGHSt 3, 300, 303; BGH,
Urt. v. 17.11.1962 – 3 StR 49/62 = BGHSt 18, 136 = NJW 1963, 499; BVerfG, Beschl.
v. 23.10.1985 – 2 BvR 1053/82 = BVerfGE 71, 108 = NJW 1986, 1671; BVerfG,
Beschl. v. 05.07.1983 – 2 BvR 200/81 = BVerfGE 64, 389 = NJW 1984, 225; BVerfG,
Urt. v. 11.11.1986 – 1 BvR 713/83 = BVerfGE 73, 206 = NJW 1978, 43; BVerfG,
Beschl. v. 06.05.1978 – 2 BvL 11/85 = BVerfGE 75, 329 = NJW 1987, 3175; BVerfG
31.05.1988 – 1 BvL 22/85 = BVerfGE 78, 232 = NJW 1988, 3258; BGH, Urt. v. 07.11.
1990 – 2 StR 439/90 = BGHSt 37, 3226, 230 = NJW 1991, 990; BVerfG, Beschl. v.
20.10.1992 – 1 BvR 698/89 = BVerfGE 87, 209 = NJW 1993, 1457; zustimmend auch:
Krey, Studien zum Gesetzesvorbehalt im Strafrecht, S. 146 f., 200; ders., ZStW 101
(1989), 838, 842; Roxin/Greco, Strafrecht AT, S. 221 f.; Schünemann, Nulla poena sine
lege?, S. 20; Zippelius, Juristische Methodenlehre, S. 38; Klug, Juristische Logik,
S. 110; M. E. Mayer, Der Allgemeine Teil des deutschen Strafrechts, S. 27; Marinucci,
in: FS-Tiedemann, S. 189, 199; Bydlinksi, Methodenlehre, S. 467 f.; Lackner, in: FS-Uni
Heidelberg, S. 39, 56, wonach die Wortlautgrenze auch für mangelhafte Gesetze gelten
soll; Baumann/Weber/Mitsch/Eisele/Eisele, Strafrecht AT, § 7 Rn. 18; Simon, Gesetzes-
auslegung im Strafrecht, S. 101 mit Einschränkungen; Schröder, Zum Begriff der Geset-
zesumgehung im materiellen Strafrecht und seiner Bedeutung für die praktische An-
wendung des Rechts, S. 349, unter Verweis auf die Berücksichtigung des Willens des
historischen Gesetzgebers; Kaspers, Philosophie – Hermeneutik – Jurisprudenz, S. 132;
R. Schreiber, Die Geltung von Rechtsnormen, S. 236; Jähnke, in: FS-BGH, S. 393, 397
der auch auf die gleichen Schlussverfahren von Analogie und Auslegung verweist;
NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 77; Matt/Renzikowski/Basak, StGB, § 1 Rn. 19;
SK-StGB/Jäger, § 1 Rn. 89; differenziert: Perron, in: Das Gesetzlichkeitsprinzip im
Strafrecht, S. 211, 218, der zwar primär den Wortlaut bemüht, aber auch die gesetzge-
berische Interpretation miteinbezieht und analoge Rechtsanwendung innerhalb des ge-
setzgeberischen Willens für möglich hält; Begemeier, HRRS 2013, 181 f. zum Verhält-
nis von Wortlautgrenze und unionsrechtskonformer Auslegung.
371 BVerfG, Beschl. v. 23.10.1991 – 1 BvR 850/88 = BVerfGE 85, 69 = NJW 1992,
890.
372 Klatt, in: Gesetzlichkeit und Strafrecht, S. 124; so auch Kirsch, Zur Geltung des
08 = BVerfGE 126, 170, 198 f. = NJW 2010, 3209; kritisch dazu Küper, NStZ 2008,
597, 600; von einer daraus resultierenden eingeschränkten Auslegung spricht auch
Saliger, ZIS 2011, 902, 903. Zustimmend wohl auch Böse, JURA 2011, 617, 619.
377 Grünwald, ZStW 76 (1964), 1, 15.
378 Lewisch bezeichnet dieses als „Methodenbeschränkung“, vgl. Lewisch, Verfas-
380 Krey, Studien zum Gesetzesvorbehalt im Strafrecht, S. 146 ff.; Roxin/Greco, Straf-
recht AT, S. 222; Lewisch, Verfassung und Strafrecht, S. 65 ff.; Kirsch, Zur Geltung des
Gesetzlichkeitsprinzips im Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuchs, S. 179; Bringewat,
Grundbegriffe des Strafrechts, Rn. 230; BeckOK-StGB/Heintschel-Heinegg, § 1 Rn. 12;
Kertai, JuS 2011, 976, 979; Schreiber, Gesetz und Richter, S. 230; Klatt, in: Gesetzlich-
keit und Strafrecht, S. 121, 123 f., 140 ff. BGH, Urt. v. 17.11.1962 – 3 StR 49/62 =
BGHSt 18, 136 = NJW 1963, 499; BVerfG, Beschl. v. 17.01.1978 – 1 BvL 13/78 =
BVerfGE 47, 109 = NJW 1978, 933; BVerfG, Beschl. v. 05.07.1983 – 2 BvR 200/81 =
BVerfGE 64, 389 = NJW 1984, 225; BVerfG, Beschl. v. 23.10.1985 – 2 BvR 1053/82 =
BVerfGE 71, 108 = NJW 1986, 1671 (ablehnend dazu: Hanack, NStZ 1986, 261, 263);
BVerfG, Urt. v. 11.11.1986 – 1 BvR 713/83 = BVerfGE 73, 206 = NJW 1978, 43;
BVerfG 31.05.1988 – 1 BvL 22/85 = BVerfGE 78, 232 = NJW 1988, 3258; BGH, Urt.
v. 07.11.1990 – 2 StR 439/90 = BGHSt 37, 3226, 230 = NJW 1991, 990; BVerfG,
Beschl. v. 20.10.1992 – 1 BvR 698/89 = BVerfGE 87, 209 = NJW 1993, 1457; BGH,
Urt. v. 26.01.1998 – 4 StR 570/05 = BGHSt 50, 370, 372 = NJW 2006, 1890; BGH,
Urt. v. 07.10.2003 – 1 StR 2012/03 = BGHSt 48, 354, 357 = NJW 2003, 3717; BVerfG,
Beschl. v. 18.09.2006 – 2 BvR 2126/05 = NJW 2007, 1193; BVerfG, Beschl. v. 23.06.
2010 – 2 BvR 2259/08 = BVerfGE 126, 170 = NJW 2010, 3209; BVerfG, Beschl. v.
07.12.2011 – 2 BvR 2500/09, 1857/10 = BVerfGE 130, 1, 43 = NJW 2012, 907;
BVerfG, Beschl. v. 28.07.2015 – 2 BvR 2558/14, 2 BvR 2571/14, 2 BvR 2573/14 =
BVerfGE = NZWiST 2015, 469.
381 SK-StGB/Jäger, § 1 Rn. 83.
382 NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 79.
383 Lewisch, Verfassung und Strafrecht, S. 68.
V. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Analogieverbot 135
384 Grünwald verweist daraus, dass aus seiner Sicht keine Entscheidungen vorliegen,
spricht, vgl. ders., in: FS-Roxin, 2011, 306, 310, wobei er sich dabei u. a. auf die Defini-
tion des BVerfG beruft, das die Analogie in einem untechnischen Sinne versteht.
386 Vgl. z. B.: BVerfG, Beschl. v. 28.07.2015 – 2 BvR 2558/14, 2 BvR 2571/14,
388 BGH, Urt. v. 17.11.1962 – 3 StR 49/62 = BGHSt 18, 136 = NJW 1963, 499.
389 Unter Verweis auf BVerfG, Beschl. v. 23.06.2010 – 2 BvR 2259/08 = BVerfGE
126, 170 = NJW 2010, 3209; vgl. die Besprechungen dazu: Becker, HRRS 2010, 383,
386; Böse, JURA 2011, 617, 621; Saliger, NJW 2010, 3195, wonach ein Verhalten auch
dann nicht unter einen Tatbestand gefasst werden kann, wenn der Wortlaut dies zwar
zulassen würde, dies aber nicht zugleich auch vom Willen des Gesetzgebers gedeckt ist.
390 So aber Kirsch, Zur Geltung des Gesetzlichkeitsprinzips im Allgemeinen Teil des
Strafgesetzbuchs, S. 188, wobei ebenfalls offenbleibt, wie realistisch ein solches Szena-
rio ist.
391 Unter Verweis auf die Entstehungsgeschichte, vgl. BGH, Urt. v. 10.12.1965 –
375 = NJW 1957, 1642; BGH, Urt. v. 08.04.1960 – 4 StR 2/60 = BGHSt 14, 213 =
NJW 1960, 1165; BGH, Urt. v. 26.09.1962 – 4 Str 196/62BGHSt = 18, 114, 120 =
NJW 1963, 307.
393 So Basak, in: Strafrecht und Verfassung, S. 71, 86 zu BVerfG, Beschl. v. 23.06.
2010 – 2 BvR 2259/08 = BVerfGE 126, 170 = NJW 2010, 3209; BVerfG, Beschl. v.
29.03.2007 – 2 BvR 932/06 = NJW 2007, 1669, wo „drängeln“ unter den Gewaltbegriff
subsumiert wurde; anders vgl. Krey, ZStW 101 (1989), 838, 849.
394 BVerfG, Beschl. v. 29.03.2007 – 2 BvR 932/06 = NJW 2007, 1669.
395 So Basak, in: Strafrecht und Verfassung, S. 71, 86 zu BVerfG, Beschl. v. 23.06.
Dies wird zum Teil damit begründet, dass dem Gesetzlichkeitsprinzip ein sog.
„Verwirklichungsproblem“ zugesprochen wird, welches für das Analogieverbot
aufgrund des Fokus auf den Wortlaut im Sinne von Semantik angenommen
wird.396 Es wird außerdem bezweifelt, ob eine strengere Handhabung des Gesetz-
lichkeitsprinzips dazu führt, dass der Gesetzgeber, den sich daraus ergebenden
Vorgaben gewissenhafter nachkommt. Auf dieser Grundlage wird dann zum Teil
eine restriktivere Anwendung des Analogieverbotes befürwortet.397 Dem Um-
stand geschuldet, dass in vielen Entscheidung eine Diskussion über das Analogie-
verbot gar nicht zur Sprache kommt,398 wird zum Teil von einer Entwertung eben
jenes Analogieverbotes ausgegangen.399 Dieser Eindruck wird bestärkt durch
eine Rechtsanwendung der Gerichte.400 Exemplarisch kann dafür die Entschei-
dung des BGH aus dem Jahre 1957 genannt werden, in welcher ein KFZ unter
den Begriff eines „bespannten Fuhrwerks“ subsumiert wurde, vgl. § 3 Abs. 1
Ziff. 6 PreußFDG;401 sowie durch das bereits oben genannte Subsumieren des
„Drängelns“ unter den Gewaltbegriff des § 240 StGB,402 obwohl auch nach der
o. g. Definition das Analogieverbot voraussetzt, dass die Wortlautgrenze gewahrt
wird. Dies ist dann nicht mehr der Fall, wenn die Judikative aufgrund von Einzel-
fallgerechtigkeit eben jene Grenze überschreitet.403
Ungeachtet der nicht einheitlichen Handhabung scheinen BGH und BVerfG
insgesamt strenger über das Analogieverbot zu wachen als über die Einhaltung
des Bestimmtheitsgrundsatzes. Diesen Schluss legen zumindest die Entschei-
dungen nahe, in denen ein Widerspruch zu Art. 103 Abs. 2 GG aufgrund eines
Verstoßes gegen das Analogieverbot angenommen wurde.404 Hier beruft sich die
Judikative gerade nicht darauf, dass ein solcher Verstoß abgelehnt werden muss,
1969 – 2 StR 616/68 = BGHSt 23, 1 = NJW 1969, 1582; BGH, Urt. v. 31.10.1978 –
5 StR 432/78 = NJW 1979, 435; BGH, Beschl. v. 27.10.1988 – 4 StR 239/88 = BGHSt
35, 390 = NJW 1989, 723; BGH, Beschl. v. 10.08.1995 – 4 StR 432/95 = BGHSt 41,
219 = NJW 1996, 328; BGH, Urt. v. 22.08.1996 – 4 StR 217/96 = BGHSt 42, 235,
241 = NJW 1997, 138; BVerfG, Beschl. v. 01.06.2006 – 1 BvR 150/03 = BVerfGK 8,
159 = NJW 2006, 3050.
138 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln
Öffnungsklauseln verstoßen durch den von ihnen gewählten Wortlaut nicht ge-
gen das Analogieverbot, welches sich gerade an die Judikative und nicht primär
an die Legislative richtet. Wenn allerdings der Begriff der Analogie mit der hier
vertretenen Ansicht als Verbot der Anwendung auf vergleichbare Fälle verstan-
den wird, dann kann eine Öffnungsklausel, die gerade keine explizite Handlungs-
beschreibung enthält, sondern deren Anwendung auf dem Vergleich mit einer in
der Norm an anderer Stelle genannten Handlung beruht, die gleiche Konfliktlage
hervorrufen, die das Analogieverbot vermeiden will. Schon die Norm als solche
könnte infolgedessen zumindest partiell mit dem Sinn und Zweck des Analogie-
verbotes in Konflikt stehen. Das setzt aber zunächst voraus, dass sich aus dem
405 BGH, Urt. v. 13.09.1957 – 1 StR 338/57 = BGHSt 10, 375 = NJW 1957, 1642.
406 Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 103 Abs. 2 Rn. 48 unter Verweis auf BVerfG, Beschl.
v. 23.06.2010 – 2 BvR 2259/08 = BVerfGE 126, 170 = NJW 2010, 3209.
407 NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 93; so beispielsweise in der Feststellung, dass
es sich bei Kassenärzten nicht um Amtsträger handelt, vgl. dazu BGH, Beschl. v.
29.03.2012 – GSSt 2/11 = BGHSt 57, 202 = NJW 2012, 2503; ebenso BGH, Beschl. v.
10.08.1995 – 4 StR 432/95 = BGHSt 41, 219 = NJW 1996, 328, wo explizit der Gesetz-
geber zur Gesetzesänderung aufgefordert wird und eine Subsumtion unter den Tatbe-
stand abgelehnt wird.
408 Krey, ZStW 101 (1989), 838, 847.
V. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Analogieverbot 139
geprüft und angenommen wird. Des Weiteren bezieht sich das Analogieverbot
seiner Sache nach gerade auf die Anwendung eines Gesetzes auf den Einzelfall,
für die Anwendung ist aber nicht der Gesetzgeber, sondern die Judikative und
auch die Exekutive zuständig.413 Überdies zwingen auch Öffnungsklauseln nicht
dazu, das Analogieverbot auch auf die Legislative auszudehnen. Es fehlt in den
Fällen, in denen eine entsprechende Anwendung des Gesetzes auf vergleichbare
Handlungen angeordnet wird, bereits an einer planwidrigen Regelungslücke, die
aber gerade konstituierend für eine Analogie ist, weshalb schon terminologisch
nicht von einem Verstoß gegen das Analogieverbot durch den Gesetzgeber ge-
sprochen werden kann. Eine Ausweitung des Analogieverbotes durch die Adres-
sierung der Legislative sei folglich nicht erforderlich und geboten.414
vgl. Kirsch, Zur Geltung des Gesetzlichkeitsprinzips im Allgemeinen Teil des Strafge-
setzbuchs, S. 194 (zumindest subsidiär); unklar bei Sarrabayrouse, in: Gesetzlichkeit
und Strafrecht, S. 403, 424; Greco, GA 2012, 452, 459 unter eng umgrenzten Voraus-
setzungen; Calliess, NJW 1998, 929, 935; im Ergebnis auch Stöckel, Gesetzesumge-
hung und Umgehungsgesetze im Strafrecht, S. 145; im Ergebnis auch Krey, Studien
zum Gesetzesvorbehalt im Strafrecht, S. 223.
416 Kirsch, Zur Geltung des Gesetzlichkeitsprinzips im Allgemeinen Teil des Strafge-
setzbuchs, S. 194.
417 Krey, Studien zum Gesetzesvorbehalt im Strafrecht, S. 223.
V. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Analogieverbot 141
auch nicht am Analogieverbot messen lassen muss, überzeugt nicht, denn es han-
delt sich um unterschiedliche Regelungsarten. Eine Generalklausel verwendet
eine weite Formulierung, weil dem Gesetzgeber eine sprachlich genauere Fas-
sung dessen, was bestraft werden soll, nicht möglich erscheint. Wohingegen bei
Öffnungsklauseln eine sprachliche Fassung der für strafbar empfundenen Verhal-
tensweisen möglich ist, aber eine abschließende Regelung durch die Öffnungs-
klauseln bewusst vermieden wird und hier ausdrücklich ein analogiegleicher
Ähnlichkeitsschluss verwendet wird. Gerade dieser Ähnlichkeitsschluss ist kon-
stituierend sowohl für Analogien als auch für Öffnungsklauseln. Des weiteren
legen auch Entscheidungen der Judikative nahe, dass sich das Analogieverbot
auch an den Gesetzgeber richtet.418
Dies kann zumindest als Appell an den Gesetzgeber verstanden werden, Ana-
logien im Rahmen der Gesetzgebung auch im Hinblick auf das Analogieverbot
nicht zu begünstigen. Ansonsten könnte das Analogieverbot als Handlungsanwei-
sung nur an die Judikative so verstanden werden, dass die Schaffung entsprechen-
der Normen sogar gebilligt wird.419 Es erscheint aber inkonsequent demgemäß
der Legislative eine Umgehung des Analogieverbotes zu gestatten. Die Diskus-
sion zur Regelbeispielstechnik in Bezug auf die Vereinbarkeit mit dem Analogie-
verbot spricht außerdem dafür, dass das Analogieverbot auch als Auftrag an den
Gesetzgeber verstanden wird, durch seine Art der Gesetzgebung Analogien nicht
zu ermöglichen.420 Das gilt auch für die Fälle, in denen der Gesetzgeber den
Rechtsanwender zu einer Analogie auffordert. Diese Fälle müssten danach konse-
quenterweise vom Analogieverbot umfasst werden.421
418 BGH. Beschl. v. 14.01.1960 – KRB 12/59 = BGHSt 14, 55, 62 = NJW 1960, 723,
724, der aber den Vorwurf des Analogietatbestandes augenscheinlich im Rahmen des
Bestimmtheitsgrundsatzes verortet.
419 Greco, GA 2012, 452, 460.
420 Dabei ist die Debatte von der Diskussion um die Geltung des Analogieverbotes
nur an den Rechtsanwender richtet: vgl. Schuhr, ZIS 2012, 441, 442.
142 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln
Daraus kann aber nicht zugleich ohne Weiteres geschlossen werden, dass sich
das Analogieverbot auch automatisch an die Legislative richtet. Analogien sind
ein Schlussverfahren in der Rechtsfindung. Wenn die Judikative in der Einzelfall-
entscheidung einen Ähnlichkeitsschluss zieht und in die Begründung aufnimmt,
dann kann ein solcher Verstoß festgestellt werden. Insofern können also Normen
als solche nicht gegen das Analogieverbot verstoßen, weil dazu ein Akt der
Rechtsfortbildung durch die Richter*innen erforderlich ist. Dennoch ist zuzuge-
ben, dass die gesetzliche Befugnis, eine Norm auf nicht gesetzlich geregelte Fälle
anzuwenden, unzulässig ist. Diese Unzulässigkeit ergibt sich aber ersichtlich
nicht aus einem an den Gesetzgeber adressierten Analogieverbot, sondern viel-
mehr aus der Unzulässigkeit der Aufgabenübertragung von der gesetzgebenden
Gewalt auf die rechtsprechende Gewalt. Diese Aufgabenübertragung ist, wie
noch zu zeigen sein wird, aber primär eine Frage des Grundsatzes der Gewalten-
teilung.422
422 Siehe zur Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Grundsatz der Gewalten-
rechtlichen Analogieverbots, S. 5.
425 Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben, § 86a Rn. 4; Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 103
zeichnet. Unter den Begriff der innertatbestandlichen Analogie fallen, neben an-
deren gesetzlichen Regelungen, insbesondere die Öffnungsklauseln im Straf-
recht.427 Diese ermöglichen gerade die Anwendung einer Norm über die konkret
genannten Handlungsweisen hinaus.
Dass der Gesetzgeber keine allgemeine Analogieerlaubnis erteilen darf, ist
unter den Befürwortern des Analogieverbotes unstreitig, unabhängig davon, was
unter einer Analogie genau verstanden wird.428 Daraus ergibt sich, dass gesetzge-
berisch angeordnete Analogiebefugnisse nicht unproblematisch sind, es kann aber
nicht zwingend geschlossen werden, dass solche Analogiebefugnisse immer und
überall unzulässig sind.
BT-Drucksache 16/3641, 14, wobei die innertatbestandlichen Analogien hier als verfas-
sungsrechtlich zulässig erklärt werden; außerdem Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 103 Abs. 2
Rn. 40; aber auch verwendet in Bezug auf § 86a Abs. 2 S. 2 StGB, vgl. Schönke/Schrö-
der/Sternberg-Lieben, § 86a Rn. 4; Lackner/Kühl/Heger § 315 Rn. 6.
428 Eschelbach/Krehl, in: FS-Kargl, S. 81, 90.
429 Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 103 Abs. 2 Rn. 40; M. E. Mayer, Der Allgemeine Teil
des deutschen Strafrechts, S. 27, weist aber auch darauf hin, dass es Abgrenzungs-
schwierigkeiten bei der Unterscheidung einer Analogie intra legem und praeter legem
geben kann; so im Ergebnis wohl auch Kratzsch, GA 1971, 65, 74; Obermann, Gefähr-
liche Eingriffe in den Straßenverkehr, S. 166 f.
430 M. E. Mayer, Der Allgemeine Teil des deutschen Strafrechts, S. 27.
431 Wiedemeyer, Theoretische Begründung und praktische Durchführung des straf-
Analogie schon ohnehin nicht um eine Analogie, sondern immer nur um eine
Form der Auslegung.433 Des weiteren müsse dem Gesetzgeber die Verwendung
einer innertatbestandlichen Analogie gestattet sein, wenn ihm auch die Verwen-
dung von Generalklauseln möglich sei. Denn auch dort sei eine wertende Tätig-
keit des Rechtsanwenders erforderlich.434 Überdies sei ein Verstoß gegen das
Analogieverbot nur dann anzunehmen, wenn die Rechtsfindung anhand eines
Ähnlichkeitsschlusses außerhalb der Norm vorgenommen werde.435
Diese Ansicht greift allerdings zu kurz. Sie übersieht, dass auch nicht jede Ge-
neralklausel ohne Weiteres verwendet werden kann. Auch dieser sind verfas-
sungsrechtliche Grenzen gesetzt. Außerdem besteht ein bereits aufgezeigter Qua-
litätsunterschied zwischen Öffnungsklauseln und Generalklauseln.436 Überdies
muss beachtet werden, dass auch für die innertatbestandliche Analogie437 bzw.
die Lückenschließung intra legem Art. 103 Abs. 2 GG die äußere Grenze zieht.
Grundsätzlich ist man hier aber auch auf die Gesetzesauslegung durch Rich-
ter*innen angewiesen.438 Die Entscheidung, ob eine Handlung vergleichbar
i. S. v. gleichwertig ist, bedarf auch immer einer Wertentscheidung der Rechtsan-
wender*innen, es handelt sich infolgedessen immer um eine subjektiv geprägte
Entscheidung.439 Eine solche Wertung trägt gezwungenermaßen einen Unsicher-
heitskoeffizienten in sich. Dies spricht dafür, dass das in Art. 103 Abs. 2 GG
normierte Analogieverbot sich auch auf die innertatbestandliche Analogie be-
zieht. Das Analogieverbot will gerade verhindern, dass Menschen für ein Verhal-
ten bestraft werden, dessen Sanktionierung sich nicht aus dem Gesetz selbst er-
gibt und infolgedessen nicht vorhersehbar war. Es ist außerdem zu beachten, dass
bei innertatbestandlichen Analogien die Gefahr einer uneinheitlichen Rechtsan-
wendung besonders hoch ist und die Konturen der Gesetze unklarer werden, weil
auch hier die Rechtsanwender*innen und nicht der Gesetzgeber über die Straf-
barkeit entscheiden.440
rechtlichen Analogieverbots, S. 15 f.
440 Zustimmend: Baumann/Weber/Mitsch/Eisele/Eisele, Strafrecht AT, § 7 Rn. 22;
Dem wird entgegengehalten, dass heute weniger die Rechtssicherheit als viel-
mehr das erhöhte Bedürfnis nach Gerechtigkeit von Bedeutung ist.441 Demzu-
folge stehen auch Regelbeispiele und andere innertatbestandliche Analogien, wie
Öffnungsklauseln, im Einklang mit Art. 103 Abs. 2 GG. Dies ergibt sich auch
daraus, dass die Anweisung zur analogen Anwendung vom Gesetzgeber selbst
kommt.442 Es handelt sich dabei um eine durch den Gesetzgeber „legalisierte
Analogie“443 Außerdem soll die den Öffnungsklauseln vorgelagerte exemplifizie-
rende Methode gerade genaue Argumentationsspielräume vorgeben.444
Überdies wird im Rahmen der Regelbeispiele445 eine solche Art der Gesetzge-
bung und die dort verwendete innertatbestandliche Analogie für zulässig erach-
tet.446 Die gilt zumindest für die Vereinbarkeit mit dem Analogieverbot. Infolge
der grundsätzlich kasuistischen Gesetzesfassung kombiniert mit einer General-
klausel im Rahmen der Regelbeispiele soll die Möglichkeit der innertatbestand-
lichen Analogie einen flexibleren Umgang mit dem Strafmaß ermöglichen, um
zu vermeintlich gerechteren Ergebnissen zu kommen.447 Der Gefahr ausschwei-
fender Wertungsspielräume für den Rechtsanwender werde durch die Eingren-
zung anhand der genannten Regelbeispiele begegnet.448 Ohnehin sei in diesen
Fällen das Analogieverbot nicht einschlägig, da es sich bei den Voraussetzungen
der Strafzumessungsregeln nicht um Tatbestandsmerkmale handele und mithin
nur die Strafzumessung und nicht die Entscheidung über die Strafbarkeit als sol-
che geregelt werde.449 Es handele sich folglich um einen „zulässigen Analogie-
schluss“.450 Dass aber auch die Handhabung dieser gerade nicht geregelten Fälle
441 „Bei Schaffung des StGB wurde dem Gedanken der Rechtssicherheit eine wesent-
vorbehalt im Strafrecht, S. 237; Wessels, in: FS-Maurach, S. 295, 300; Noll, JZ 1963,
297, 301, ohne nähere Begründung; Arzt, JuS 1972, 515, wenn sich der Analogieschluss
nur auf einzelne Tatbestandsmerkmale bezieht; NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 73,
der diese Regelungstechnik schon gar nicht als vom Analogieverbot betroffen sieht; ab-
lehnend Calliess, NJW 1998, 929, 935, der einen Verstoß gegen das Analogieverbot nur
durch eine verfassungskonforme Auslegung der Regelbeispiele erreicht, die wiederum
keine Anwendung der Regelbeispiele über die gesetzlich ausdrücklich geregelten Fälle
ermöglicht.
447 Maiwald, NStZ 1984, 433.
448 Maiwald, NStZ 1984, 433, 434.
449 Wessels, in: FS-Maurach, S. 295, 300.
450 Wessels, in: FS-Maurach, S. 295, 300.
146 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln
unklar sein kann, zeigt sich bereits daran, dass die Anwendung der sog. unbe-
nannten besonders schweren Fälle in besonderem Maße von der richterlichen
Wertung abhängig ist. Auch bei diesen wird eine vergleichbare exemplifizierende
Methode genutzt, die eine erhöhte Wertungskomponente für die Judikative ent-
hält.451 Denn die Fassung der Regelbeispiele ermöglicht es, nicht genannte, aber
vergleichbare Fälle ebenso zu erfassen, sodass es bereits hier zu einer uneinheit-
lichen Rechtsanwendung kommen kann. Auf diese Weise verschwimmen die
Konturen der Gesetzesanwendung, was eine erhöhte Rechtsunsicherheit zur
Folge hat. Denn es herrscht bereits Uneinigkeit darüber, ob die Annahme eines
unbenannten besonders schweren Falles durch eine „Gesamtabwägung besonders
schwerer Umstände“452 begründet werden kann oder ob die Tatumstände zumin-
dest dem „Sinn“453 der zuvor genannten Regelbeispiele entsprechen muss. Dieser
Konflikt legt zumindest nahe, dass sich diese Unsicherheit in der Rechtsanwen-
dung auch im Rahmen von Öffnungsklauseln zeigt. Diese resultiert aber erkenn-
bar aus der Aufgabenverlagerung auf die Judikative, die Strafbarkeit von Verhal-
tensweisen abschließend selbst zu bestimmen.
Deutlich wird, dass sich hier eine mit dem Analogieverbot vergleichbare Kon-
fliktlage zeigt: In beiden Fällen ist eine Bestrafung nur aufgrund des Ähn-
lichkeitsschlusses möglich, was eine Erkennbarkeit des strafbaren Verhaltens
einschränkt. Kennzeichnend für Öffnungsklauseln ist aber, dass hier die Aufforde-
rung zu einem Ähnlichkeitsschluss vom Gesetzgeber selbst vorgenommen wird.
Der Kritik am Einsatz von innertatbestandlichen Analogien ist zuzugeben, dass
bereits unklar ist, ob heute wirklich das Interesse nach gerechten Entscheidungen
im Einzelfall dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit und der Einhaltung der Ge-
der Anwendung ist bereits umstritten, inwieweit die Indizwirkung der Regelbeispiele
durch eine Gesamtwürdigung von Unrecht und Schuld widerlegt werden kann; Wessels,
in: FS-Maurach, S. 295, 301; Maiwald, NStZ 1984, 433, 439.
452 Auf eine Gesamtwürdigung stellt insbesondere die Rechtsprechung ab, vgl. exem-
waltenteilung überwiegt.454 Selbst wenn das der Fäll wäre, müsste der Gesetzge-
ber dieser Entwicklung durch eine Verfassungsänderung Rechnung tragen. Es ist
hingegen nicht Aufgabe des einfachen Rechts, die Entwicklungen in Bezug auf
eine verfassungsrechtliche Vorschrift umzusetzen, ohne dass dabei verletzte ver-
fassungsrechtliche Vorschriften geändert werden.455 Einschränkend kann nur kol-
lidierendes Verfassungsrecht wirken. Hier könnte die Effektivität der Strafverfol-
gung in Betracht kommen.456 Die Grundlage des Grundsatzes befindet sich aber
weniger im materiellen Strafrecht als vielmehr im Strafprozessrecht.457 Auch ist
hier zweifelhaft, ob diese Art der Gesetzgebung durch eine Erweiterung des An-
wendungsbereich wirklich zu mehr Effektivität führen würde, zumal sich das Ge-
bot in erste Linie auf die konkrete Strafverfolgung von Taten bezieht und weniger
auf die Schaffung von Straftatbeständen.458 Anzudenken wäre, ob nicht vielmehr
ein „weniger“ an Strafrecht zu einer Effizienzsteigerung führen könnte.459 Dem-
zufolge kann die Effektivität der Strafrechtspflege nicht pauschal, ohne Nachweis
einer tatsächlichen Effizienzsteigerung, als kollidierendes Verfassungsrecht her-
angezogen werden. Ein Bedarf an mehr Flexibilität kann den Einsatz innertatbe-
standlicher Analogien nicht begründen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass innertat-
bestandliche Analogien einen Verstoß gegen das Analogieverbot darstellen.
Wenn, wie oben bereits dargestellt, eine Bindung des Gesetzgebers an das
Analogieverbot nicht angenommen wird, dann resultiert daraus auch, dass ein
Verstoß der gesetzlichen Anordnung, wie sie auch bei Öffnungsklauseln vorge-
nommen wird, nicht gegen das Analogieverbot verstoßen kann. Daraus wiederum
folgt aber nicht, dass der Einsatz von Öffnungsklauseln verfassungsrechtlich voll-
umfänglich unbedenklich ist.
454 So aber Schönke/Schröder/Hecker, § 1 Rn. 29, unter Verweis darauf, dass der Ge-
setzgeber in der Vergangenheit alle Straferhöhungsgründe abschließend regelte und nun
durch Regelbeispiele den Spielraum der Gerichte zugunsten der Einzelfallgerechtigkeit
erhöht hat, ob daraus aber von einer Werteverschiebung von Rechtssicherheit in Rich-
tung der Einzelfallgerechtigkeit ausgegangen werden kann, ist zumindest zweifelhaft.
455 Ransiek, in: FS-Tiedemann, S. 171, 184.
456 Die Rechtsprechung sieht in dessen Gewährleistung einen Grundsatz von Verfas-
sungsrang, der sich aus Art. 2 Abs. 1 und Art. 1 Abs. 1 GG ergibt, vgl. dazu BVerfG,
Beschl. v. 01.10.1987 – 2 BvR 1434/86 = BVerfGE 77, 65 = NJW 1988, 329; aus der
jüngsten Rechtsprechung vgl. BVerfG, Beschl. v. 15.01.2020 – 2 BvR 1763/16 = NJW
2020, 675
457 Soweit ersichtlich erstmals und mit ausdrücklichem Verweis auf die Strafverfah-
rensziele: BVerfG, Beschl. v. 19.07.1972 – 2 BvL 7/71 = BVerfGE 33, 367, 383 = NJW
1972, 2214.
458 Vgl. dazu insbesondere innerhalb dieser Arbeit Kap. B.; vgl. dazu BVerfG,
Beschl. v. 15.01.2020 – 2 BvR 1763/16 = NJW 2020, 675, 677: „Die verfassungsrecht-
liche Verpflichtung zu effektiver Strafverfolgung bezieht sich auf das Tätigwerden aller
Strafverfolgungsorgane.“
459 So wohl auch P.-A. Albrecht, KritV 1996, 330, 332 ff. mit Vorschlägen zur Entkri-
minalisierung.
148 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln
meinen Teil des Strafgesetzbuchs, S. 192, wenn er davon spricht, dass der „Gesetzgeber
den Rechtsanwender nicht seinerseits zur Analogie ermächtigen darf“.
461 Im Ergebnis Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, 24 ff., der so ge-
fasste Normen (zumindest für den Bereich der Normen des BGB) unter den Bereich der
Rechtsfindung secundum legem einordnet; NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 70b.
462 LK-StGB/Dannecker, § 1 Rn. 252; Schönke/Schröder/Hecker, § 1 Rn. 25; Cana-
ris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, S. 24; Larenz, Methodenlehre der Rechts-
wissenschaften, S. 381 f.
463 Schick, in: FS-Walter, S. 625, 74 f.; Kirsch, Zur Geltung des Gesetzlichkeitsprin-
sich bei der Anwendung von Öffnungsklauseln auf den konkreten Einzelfall tech-
nisch auch um eine analoge Rechtsanwendung, auch wenn diese innerhalb des
Tatbestandes erfolgt.467 Daraus folgt aber nicht zugleich, dass die gesetzliche Re-
gelung automatisch auch gegen das Analogieverbot verstößt.
Der zuvor angebrachte Verweis auf die fehlende Regelungslücke kann zwar
nicht überzeugen,468 führt aber auch nicht ohne Weiteres zu einem Verstoß gegen
das Analogieverbot. Die Regelungslücke bildet nur dort die Voraussetzungen für
die Anwendung einer Analogie, wo eine solche nicht von vorneherein durch das
Grundgesetz ausgeschlossen ist. Im Strafrecht sind keine Analogien möglich. Die
planwidrige Regelungslücke ist gerade nur Voraussetzung einer wirksamen Ana-
logie in anderen Rechtsbereichen und kein Kennzeichen der Analogie als solche.
Analogien kann es auch außerhalb dieser Voraussetzungen geben. Dies führt nur
zur Unwirksamkeit des Ähnlichkeitsschlusses. Dadurch bedarf es auch nicht der
Voraussetzungen einer planwidrigen Regelungslücke und einer vergleichbaren
Interessenlage.
Gegen einen Verstoß von innertatbestandlichen Analogien gegen das Analogie-
verbot wird auch vorgebracht, dass hier konsequenterweise nichts anderen gelten
könne als für die Bewertung der Regelbeispiele, da es sich auch bei Öffnungs-
klausel um die Verwendung eben jener Regelbeispielstechnik handele.469 Ein
solch pauschaler Verweis auf die Vereinbarkeit von Regelbeispielen mit dem
Analogieverbot kann allerdings nicht überzeugen. Zum einen handelt es sich bei
Regelbeispielen und Öffnungsklauseln um unterschiedliche Regelungsbereiche.
Zum anderen ist, wie bereits dargelegt, auch umstritten, ob die Regelbeispiels-
technik einen Verstoß gegen das Analogieverbot darstellt.
Zum Teil wird die Zulässigkeit der innertatbestandlichen Analogie in Form
von Öffnungsklauseln daran angeknüpft, ob der restliche Gesetzeswortlaut eine
ausreichende Grundlage für eine gesicherte Auslegung bietet.470 Das setzt vor-
aus, dass die anderen beschriebenen Handlungsweisen untereinander Ähnlich-
keiten aufweisen, damit überhaupt aufgrund des gesamten Wortlautes ein ana-
logisches Schlussverfahren möglich ist.471 Die Problematik der Öffnungsklauseln
meinen Teil des Strafgesetzbuchs, S. 193, wenn er dann aber auf die sprachlich-geset-
zestechnisch möglichen Grenzen verweist, verkennt er dabei, dass es sich um ein Prob-
lem des Bestimmtheitsgrundsatzes handelt.
469 Maiwald, NStZ 1984, 433, 434 f., der von einer zwingenden, aber nicht abschlie-
473 Wolff, in: Handbuch der Grundrechte, § 134 Rn. 104 ff.; historisch zum Rückwir-
2 BvR 2029/01 = BVerfGE 109, 133, 172 = NJW 2004, 739; Dreier/Schulze-Fielitz,
Art. 103 Abs. 2 Rn. 50 f.; Sodan, Art. 103 Rn. 22; problematisch ist die Absolutheit des
Rückwirkungsverbotes insbesondere im Bereich der Aufarbeitung systematischen Un-
rechts, vgl. dazu Alexy, Mauerschützen, S. 30 ff.; Sachs/Degenhart, Art. 103 Rn. 74; aus-
führlich Mangoldt/Klein/Starck/Nolte/Aust, Art. 103 Rn. 121 ff.; Jarass/Pieroth/Kment/
Kment, Art. 103 Rn. 74; Bonner-Kommentar GG/Pohlreich, Art. 103 Abs. 2 Rn. 107;
VI. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Rückwirkungsverbot 153
Stern/Becker-GG/Brüning, Art. 103 Rn. 79, der darauf verweist, dass die Absolutheit
nur für das materielle Recht gilt; Wolff-GG/Wolff, 103 Abs. 2 Rn. 17; Sachs/Degenhart,
Art. 103 Rn. 71.
476 Maunz/Dürig/Remmert, Art. 103 Abs. 2 Rn. 122, 133 ff.; Bonner-Kommentar
GG/Pohlreich, Art. 103 Abs. 2 Rn. 107; Wolff, in: Handbuch der Grundrechte, § 134
Rn. 102, der auch eine Anwendung bei Verstößen gegen das Völkerrecht ablehnt;
ebenso: Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 103 Abs. 2 Rn. 52.
477 Jescheck/Weigend, Lehrbuch des Strafrechts, S. 138; Straßburg, ZStW 82 (1970),
948, 956.
478 Zur Berechenbarkeit siehe auch Ranft, JuS 1992, 468, 470.
479 Erstmals BVerfG, Beschl. v. 26.02.1969 – 2 BvL 15, 23/68 = BVerfGE 25, 269,
285 = NJW 1969, 1059; Stern/Becker-GG/Brüning, Art. 103 Rn. 77; Wolff-GG/Wolff,
Art. 103 Abs. 2 GG Rn. 17; Sachs/Degenhart, Art. 103 Rn. 71; Mangoldt/Klein/Starck/
Nolte/Aust, Art. 103 Rn. 119; Straßburg, ZStW 82 (1970), 948; Dreier/Schulze-Fielitz,
Art. 103 Abs. 2 Rn. 51; Maunz/Dürig/Remmert, Art. 103 Abs. 2 Rn. 121; Sodan,
Art. 103 GG, Rn. 22.
480 BVerfG, Urt. v. 05.02.2004 – 2 BvR 2029/01 = BVerfGE 109, 133, 172 = NJW
2004, 739.
481 Roxin/Greco, Strafrecht AT, S. 216; Maunz/Dürig/Remmert, Art. 103 Abs. 2
auf den Bestand einer gesetzlichen Regelung kommt es aufgrund der besonderen
rechtsstaatlichen Bedeutung des Rückwirkungsverbotes allerdings nicht an,484
denn dem Strafrecht kommt eine sog. Bestimmungsfunktion zu.485 Diese soll
verhaltenslenkend wirken, wofür erforderlich ist, dass eine Transparenz bzgl. der
unter Strafe stehenden Verhaltensweisen besteht, damit keine übermäßige Ein-
schränkung der Freiheit des Einzelnen erfolgt. Daraus ergibt sich auch, dass sich
das Rückwirkungsverbot nur auf Regelungen zu Lasten der Bürger*innen be-
zieht, die im Gegensatz zu begünstigenden Regelungen tatsächlich zu einer sol-
chen übermäßigen Einschränkung der Freiheit führen könnten.486 Sie sollen in
ihrem Verhalten, solange es sich innerhalb der Grenzen des geltenden Rechts be-
wegt, keine darüber hinausgehende Bestrafung befürchten müssen, wenn diese
zum Zeitpunkt der vermeintlichen Tathandlung nicht erkennbar war.487 Nur so
kann Strafrecht auch eine verhaltenslenkende Wirkung zukommen, eine nach-
trägliche Sanktion von Verhaltensweisen kann konsequenterweise keinen Einfluss
mehr auf die ursprüngliche Entscheidung zur Tatbegehung haben.488 Damit
kommt dem Rückwirkungsverbot insbesondere eine positiv-generalpräventive
Funktion zu. Diese Entscheidung des Rückwirkungsverbotes zugunsten der
Rechtssicherheit kann in der Konsequenz zur Einbuße von Flexibilität in der Ent-
scheidungsfindung führen.489
95, 96, 131 = NJW 1998, 2889; Wolff, in: Handbuch der Grundrechte, § 134 Rn. 103;
Straßburg, ZStW 82 (1970), 948.
488 NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 44.
489 NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 48, wobei der Verzicht auf Flexibilität hier
mit dem Vertrauensschutz begründet wird, inwieweit sich dieser vom Grundsatz der
Rechtssicherheit unterscheidet, bleibt offen.
490 Straßburg, ZStW (82) 1970, 948, 966; LK-StGB/Dannecker, § 1 Rn. 362; diffe-
Art. 103 Rn. 74; Wolff, in: Handbuch der Grundrechte, § 134 Rn. 105; Basak, in: Straf-
recht und Verfassung, 2013, 71, 72.
VI. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Rückwirkungsverbot 155
Allerdings werden daneben auch die Judikative und Exekutive als Adressatin-
nen des Rückwirkungsverbotes verpflichtet. Es ist ihnen untersagt, Strafgesetze
anzuwenden, die gegen das Rückwirkungsverbot verstoßen. Stattdessen sind sie
zur Vorlage des entsprechenden Gesetzes gem. Art. 100 Abs. 1 GG verpflich-
tet.492 Diese Aufgabenverteilung ist am Grundsatz der Gewaltenteilung orien-
tiert. Unklar bleibt allerdings, ob das Rückwirkungsverbot als Garant für Rechts-
sicherheit auch eine beschränkende Wirkung auf Rechtsprechungsänderungen
ausübt. Eine solche Anwendbarkeit des Rückwirkungsverbotes auf nachträgliche
Rechtsprechungsänderungen hat im Ergebnis auch Auswirkung auf die Anwen-
dung von Öffnungsklauseln durch die Judikative. Wenn das Rückwirkungsverbot
im Hinblick auf die Rechtssicherheit eine Änderung der Rechtsprechung für ein
in der Vergangenheit liegendes Verhalten untersagt, dann könnte Vergleichbares
auch für die erstmalige Anwendung von Öffnungsklauseln durch die Judikative
gelten. Sowohl bei nachträglichen Rechtsprechungsänderungen als auch bei der
erstmaligen Anwendung von Öffnungsklauseln ist die Bestrafung für die betrof-
fene Person zum Zeitpunkt der Tatbegehung mitunter nicht ersichtlich gewesen.
Art. 103 Rn. 74; NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 42; SSW-StGB/Satzger, § 1 Rn. 55;
MüKo-StGB/Schmitz, § 1 Rn. 37.
493 So auch Haffke, Das Rückwirkungsverbot des Art. 103 II GG bei Änderung der
beachte dazu z. B. die Konturierung des § 185 StGB durch die Rechtsprechung, vgl.
dazu insbesondere BVerfG, Beschl. v. 10.10.1995 – 1 BvR 1476/91 = BVerfGE 93,
266 = NJW 1995, 3303; so im Ergebnis auch: NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 40.
156 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln
Eine direkte Anwendung des Rückwirkungsverbot auf die Judikative ist von
Art. 103 Abs. 2 GG nicht umfasst. Eine solche direkte Anwendung des Art. 103
Abs. 2 GG auch auf Rechtsprechungsänderungen setzt voraus, dass diese vom
Wortlaut der Norm umfasst ist. Das verfassungsrechtlich normierte Gesetzlich-
keitsprinzip fordert allerdings dem Wortlaut nach eine gesetzliche Bestimmung
vor der Tatbegehung und bezieht sich folglich auf Gesetze.500 Es handelt sich um
495 Siehe dazu Kruse, Das Richterrecht als Rechtsquelle des innerstaatlichen Rechts,
S. 4.
496 So auch Neumann, ZStW 103 (1991), 331, 340.
497 Vgl. dazu innerhalb dieser Arbeit zu Konkretisierung Kap. D. V. 2.
498 Kempf/Schilling, NJW 2012, 1849, 1850.
499 Arndt, Probleme rückwirkender Rechtsprechungsänderung, S. 1; abgesehen von
Auch wenn aufgrund des Wortlautes des Art. 103 Abs.2 GG eine direkte An-
wendung des Rückwirkungsverbotes auf Rechtsprechungsänderungen ausge-
schlossen ist, spricht, wie sogleich aufgezeigt wird, vieles für eine analoge An-
wendung des Rückwirkungsverbotes.503 Dies setzt, wie bereits aufgezeigt, eine
planwidrige Regelungslücke und eine vergleichbare Interessenlage voraus.504
501 Maunz/Dürig/Remmert, Art. 103 Abs. 2 Rn. 77; BeckOK-GG/Radtke, Art. 103
änderungen und die positive Generalprävention, 2000, S. 55b; Neumann, ZStW 103
(1991), 331, 334; ansatzweise auch ders., in: FS-Beulke, S. 210; MüKo-StGB/Schmitz,
§ 1 Rn. 40; Schreiber, JZ 1973, 713, 715; Bernreuther, MdR 1991, 829 f., zur analogen
Anwendung auf Präjudizien; ablehnend Robbers, JZ, 1988, 481, 484; eine Anwendung
des Rückwirkungsverbots auf Rechtsprechungsänderungen befürwortend: Baumann/
Weber/Mitsch/Eisele/Eisele, § 7 Rn. 45, schlägt eine differenzierte Behandlung abhän-
gig von der Schwere der konkreten Rechtsprechungsänderung vor; NK-StGB/Hasse-
mer/Kargl, § 1 Rn. 51 zumindest dann, wenn die Rechtsprechung eine quasi gesetz-
geberische Funktion wahrnimmt; Hettinger/Engländer, in: FS-Meyer-Goßner, S. 145;
Kuhlen, in: Gesetzlichkeit und Strafrecht, S. 430, 439, wonach für den Vertrauensschutz
der Normadressat*innen das durch die Gerichte konkretisierte Gesetz wesentlich ist;
Maurach/Zipf, Strafrecht AT/1, § 12 Rn. 8; Schreiber, JZ 1973, 713, 715, um einer ver-
minderten Wirkung des Art. 103 Abs. 2 GG entgegenzutreten; Dehne-Niemann, wistra
2008, 361, 365 f., unter Verweis auf die Art der Entscheidungsfindung durch die Judika-
tive; mittlerweile auch zustimmend, aufgrund der Entwicklung der Rechtsprechung zu
Art. 103 Abs. 2 GG: Roxin/Greco, Strafrecht AT, S. 249.
504 Zum „logischen Gerüst“ des Analogieschlusses vgl. Engisch, Einführung in das
juristische Denken, S. 204, 250; Rüthers/Fischer, Rechtstheorie, Rn. 878, zur Regelung
der Lückenschließung durch die Gerichte in der Schweiz.
158 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln
S. 31 ff.; Schünemann, Nulla poena sine lege?, S. 29; ders., in: FS-Bruns, S. 223, 234;
SK-StGB/Jäger, § 1 Rn. 8.
509 Arndt, Probleme rückwirkender Rechtsprechungsänderung, S. 38; Bonner-Kom-
mentar GG/Pohlreich, Art. 103 Abs. 2 Rn. 114; NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 50;
Burmeister, Vertrauensschutz im Prozeßrecht, S. 36.
510 Arndt, Probleme rückwirkender Rechtsprechungsänderung, S. 39; insoweit nicht
darauf, dass die Kenntnis der Rechtsprechung nicht bekannt gewesen sein muss, worauf
sich der Irrtum im Rahmen des § 17 StGB bei rückwirkender Rechtsprechungsänderung
aber dann beziehen muss, bleibt unklar. Dass auch bei anderweitig fehlendem Unrechts-
bewusstsein ein Fall des § 17 StGB angenommen werden muss, ist für die vorliegende
Problematik unbeachtlich; kritisch: Kempf/Schilling, NJW 2012, 1849, 1854; Neumann,
VI. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Rückwirkungsverbot 159
ZStW 103 (1991), 331, 347; unter Verweis auf den erheblich kleineren Anwendungsbe-
reich vgl. Schreiber, JZ 1973, 713, 716.
513 Cornelius, GA 2015, 101, 109.
514 NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 58, der ebenfalls darauf hinweist, dass die
hohen Ansprüche, die an die Vermeidbarkeit eines Irrtums gestellt werden, eine erfolg-
reiche Berufung auf § 17 konterkarieren dürften; unter Verweis auf Schreiber, JZ 1973,
717 und Naucke, NJW 1968, 759.
515 Urt. v. 05.10.1976 – 1 Ss 132/67 = NJW 1967, 2166, 2168.
516 Straßburg, ZStW 82 (1970), 948, 959; Naucke, NJW 1968, 758, 759; Kempf/
(2) Planwidrigkeit
Entscheidend ist aber, dass es sich bei dieser Regelungslücke auch um einen
unbewusst ungeregelten Bereich handeln muss. Spätestens die Diskussion um die
Rückwirkung einer belastenden Rechtsprechungsänderung gerade im Hinblick
auf die Herabsetzung der Grenzwerte der Blutalkoholkonzentration der relativen
und absoluten Fahruntüchtigkeit zeigt auf, dass sich hier Rechtsprechung und
Legislative in einer vergleichbaren Ausgangssituation befinden, die die analoge
Anwendung des Rückwirkungsverbotes grundsätzlich rechtfertigt. Dass der ver-
fassungsgebende Gesetzgeber und auch der Strafgesetzgeber trotz Kenntnis des
vergleichbaren Spannungsfeldes keine Entscheidung über die Handhabung dieser
Problematik getroffen hat, könnte für das Fehlen der Planwidrigkeit und somit für
ein bewusstes Unterlassen, diesen Fall gesetzlich zu regeln, sprechen.520 Daraus
könnte geschlossen werden, dass es bewusst keinen Vertrauensschutz in eine be-
stehende Rechtsprechung geben soll.521 Infolgedessen wäre also eine Änderung
der Rechtsprechung im Strafrecht immer ohne weiteres möglich. Dem wider-
spricht allerdings bereits die Rechtsprechung selbst, die in eng umrissenen Fällen
dem getätigten Vertrauen Rechnung tragen will.522 Außerdem kann aus einer
Untätigkeit der Legislative nicht automatisch auf ein bewusstes Unterlassen ge-
schlossen werden, vielmehr zeigt sich der Grundkonflikt nur in wenigen Situatio-
nen, wie der genannten Herabsetzung der Blutalkoholkonzentration. So kann ein
Untätigbleiben des Gesetzgebers auch mit den wenigen Anwendungsfällen be-
gründet werden, denn die skizzierte Konfliktlage entfaltet sich gerade nicht bei
jedweder Rechtsprechungsänderung. Überdies geht sie auf eine Aufgabenteilung
zwischen Judikative und Legislative zurück, die bei der Entwicklung des Gesetz-
lichkeitsprinzips so mitunter nicht erwogen wurde. Sie ist gerade Resultat der
Konkretisierung von Gesetzen durch die Rechtsprechung. Dies lässt wiederum
auf eine Planwidrigkeit schließen.
2011 – 2 BvR 1230/10 = BVerfGE 18, 430, 435; für eine Anwendung des Bestimmt-
heitsgebotes auf die Fälle einer rückwirkenden Rechtsprechungsänderung vgl. auch
Gross, GA 1971, 13, 19 f.; Straßburg, ZStW 82 (1970), 965 ff. verdeutlicht, dass da-
durch keine Gleichstellung von Judikative und Legislative intendiert ist und es sich den-
noch um die einzig interessengerechte Konfliktlösung handelt; Bischoff, Das Problem
der Rückwirkung bei einer Änderung der Rechtsprechung, S. 218 f., zur Rechtspre-
chungsänderung im Bereich der Finanzgerichtsbarkeit und dem Schutz über § 176 AO.
VI. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Rückwirkungsverbot 161
Neben dem Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke muss aber auch die
Interessenlage bei einer rückwirkenden Rechtsprechungsänderung mit der eines
rückwirkenden Gesetzes vergleichbar sein, um das Rückwirkungsverbot, entge-
gen des Wortlauts, auch auf die Judikative anwenden zu können und infolgedes-
sen auch über eine Übertragung auf die erstmalige Anwendung von Öffnungs-
klauseln zu prüfen.523
523 Rüthers/Fischer, Rechtstheorie, Rn. 889; vergleiche dazu auch die umfassende
chung gelten527 oder auch dann, wenn der Rechtsprechungsänderung eine „ge-
setzesändernde Funktion“528 zukommt. Dies wird auch von denjenigen aner-
kannt, die die Anwendung eines Rückwirkungsverbotes auf Rechtsprechungs-
änderungen nur zurückhaltend befürworten.529 Eine in diesem Sinne unzulässige
Rechtsprechungsänderung wird auch als „Abweichungsverbot“ bezeichnet, was
sich auf eine Abweichung von der bisherigen Rechtsprechung bezieht.530 Es
kann also immer nur eine Änderung der gefestigten Rechtsprechung für die Zu-
kunft geben, denn zumindest den im Rahmen von revisionsgerichtlichen Ent-
scheidungen aufgestellten Regeln kommt eine rechtliche Bedeutung auch für
künftige Entscheidungen zu.531 Zwar wird auch innerhalb der Befürworter*innen
eines Rückwirkungsverbotes für die Rechtsprechung die damit verbundene
Rechtsfolge uneinheitlich beurteilt, die nähere Erörterung dieser Problematik
ist allerdings für die zugrundeliegende Fragestellung nicht relevant, sodass eine
tiefergehende Diskussion dessen an dieser Stelle nicht erfolgt.532
das Risiko einer Bestrafung aufgrund einer gefestigten Vertrauensgrundlage und einer
nicht vorhersehbaren Rechtsprechungsänderung nicht erkennbar war; nach Sodan,
Art. 103 Rn. 23 nur bei völlig unvorhersehbaren Rechtsprechungsänderungen.
530 Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 103 Abs. 2 Rn. 53.
531 Neumann, ZStW 103 (1991), 331, 350, unter Berufung auf die Vorlagepflicht
änderungen: vgl. Neumann, ZStW 103 (1991), 331, 336 ff., differenziert zwischen
instanzgerichtlicher Rechtsprechung und revisionsgerichtlicher Rechtsprechung; Straß-
burg, ZStW 82 (1970), 948, 949; Hettinger/Engländer, in: FS-Meyer-Gossner, 2001,
145, die bereits eine direkte Anwendung für möglich halten; Jarass/Pieroth/Kment/
Kment, Art. 103, Rn. 93; Boers, NJW 1967, 1310; Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 103
Abs. 2 Rn. 53; Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke/Schmahl, Art. 103 Rn. 77, wenn
Rechtsprechungsänderung nicht auf Änderung der Tatsachenbasis zurückzuführen ist;
Neumann, in: FS-Beulke, S. 197 unter Verweis auf das von der Rechtsprechung ent-
wickelte Präzisierungsgebot; Stern/Becker-GG/Brüning, Art. 103 Rn. 80; Maunz/Dü-
rig/Remmert, Art. 103 Abs. 2 Rn. 240; Straßburg ZStW 82 (1970), 948, 964 ff.; MüKo-
StGB/Schmitz, §1 Rn. 37, zumindest dann, wenn die Rechtsprechung aufgrund des Prä-
zisierungsgebotes die ureigene Aufgabe der Legislative wahrnimmt; Sachs/Degenhart,
Art. 103 Rn. 73 zumindest für ausfüllungsbedürftige Tatbestandsmerkmale, insofern die
gefestigte Rechtsprechung Grundlage der Auslegung ist; Schreiber, JZ 1973, 713; Mül-
ler-Dietz, in: FS-Maurach, S. 41, 42 f., betroffen davon soll nur eine gewohnheitsrecht-
liche oder gefestigte Rechtsprechung sein; Krahl, NJW 1991, 808, 809; Robbers, JZ
1988, 481; NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 5 ff. unter eng umgrenzten Vorausset-
zungen und nur bei einer „völlig konformen, formelhafte höchstrichterlichen Rspr“;
Grunsky, Grenzen der Rückwirkung bei einer Änderung der Rechtsprechung, S. 19,
allerdings nicht für instanzgerichtliche Urteile, diese richten sich nur an die jeweils Be-
troffenen und unter Bezugnahme auf Art. 20 Abs. 3 GG; Bernreuther MDR 1991, 829;
Krahl NJW 1991, 891; Kuhlen, HRRS 2012, 249; A. H. Albrecht, in: FS-Dencker, 2012,
1, 7; Schreiber, JZ 1973, 713, 717 zumindest für eine Abweichung von einer „nicht
widersprüchlichen, höchstrichterlichen Judikatur“.
VI. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Rückwirkungsverbot 163
Für eine solche Vergleichbarkeit spricht auch, dass die in der Diskussion um
die Geltung des Rückwirkungsverbotes für Rechtsprechungsänderungen zum
Ausdruck kommende Konfliktlage durch die Auslegung und Handhabung des
Bestimmtheitsgrundsatzes verstärkt wird.533 Das soll insbesondere für die Fälle
gelten, in denen der Gesetzgeber den Anforderungen an die Bestimmtheit eines
Gesetzes nicht hinreichend nachgekommen ist.534 Insbesondere bei generalklau-
selartigen Regelungen tritt die Rechtsprechung durch die besonders hohe Kon-
kretisierungsbedürftigkeit häufig in einer quasi-gesetzgebenden Funktion auf.535
Nur so kann der Willkür judikativer Entscheidungen entgegengewirkt werden536
und dem Vertrauensschutz hinreichend Rechnung getragen werden.537
Auch der Charakter des Richterspruchs als Beurteilung eines in der Vergan-
genheit liegenden Ereignisses spricht nicht dagegen, das Rückwirkungsverbot un-
ter bestimmten Voraussetzungen anzuwenden. Es darf gerade, wie das Analogie-
verbot, nicht in einem technischen Sinne verstanden werden, sondern muss auf
Grundlage des bestehenden Konflikts betrachtet werden: Wenn es für das Ver-
trauen der Bürger*innen unerheblich ist, ob sie auf das geschriebene Recht oder
auf gerichtliche Entscheidungen vertrauen, dann kann die Geltung des Rück-
wirkungsverbotes für die Rechtsprechung nicht dadurch abgelehnt werden, dass
Rechtsprechung und Legislative grundsätzlich unterschiedliche Entscheidungen
treffen.538 Wenn sich die Judikative ihrerseits Aufgaben der Legislative in Form
eines Präzisierungsgebotes zu eigen macht, dann muss sie dabei auch den glei-
chen Regeln unterworfen werden. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn das
BVerfG eine „fallgruppenspezifische Obersatzbildung“ fordert und die hinrei-
chende Bestimmtheit von Straftatbeständen erst über eine gefestigte Rechtspre-
chung erreicht werden soll.539 Nicht nur kommt es so zu einer Aufweichung des
Grundsatzes der Gewaltenteilung, auch würde es so zu einer erhöhten Rechts-
unsicherheit kommen, wenn dieses Aufweichen nicht zugleich verfassungsrecht-
lichen Grundsätzen unterworfen wird. In den Bereichen, in denen die Konkretisie-
rung der Rechtsprechung überlassen wird, unterscheidet sich unser Rechtssystem
nicht vom System des „case law“, was dafürspricht, dieses den gleichen Regeln
Beschl. v. 11.11.1964 = BVerfGE 18, 224, 240 = NJW 1965, 245, aus dem Grundsatz
des Vertrauensschutzes und dem Rückwirkungsverbot entsteht keine Bindung der Ge-
richte an vorhergehende Entscheidungen.
538 Neumann, ZStW 103 (1991), 331, 337, der außerdem darauf verweist, dass auch
durch Urteile und die Anwendung von Normen allgemeine Regelungen für deren Hand-
habung aufgestellt werden.
539 BVerfG 23.06.2010 – 2 BvR 2559/08 = BVerfGE 126, 170, 198 f. = NJW 2010,
zu unterwerfen,540 denn die Gerichte fällen in der Konsequenz nicht nur Einzel-
fallentscheidungen, sondern wirken auch an der stetigen Rechtsfortbildung mit.541
Dies hat nicht zur Folge, dass in Zukunft gar keine Rechtsprechungsänderun-
gen mehr möglich sind, sondern in Bezug auf das Verbot der rückwirkenden
Rechtsprechungsänderung eine differenzierte Betrachtungsweise erfolgen muss.
Denn es handelt sich bei der Rechtsprechung gerade nicht um eine verbindliche
Rechtsquelle, wie etwa beim normierten Recht.542 Eine Anpassung des Rechts
bleibt weiterhin möglich.
Um den unterschiedlichen Interessenlagen bei Rechtsprechungsänderungen
Rechnung zu tragen, wird eine differenzierte Betrachtungsweise gefordert: Sollte
sich nur die Tatsachenbasis ändern, also z. B. bei einer Änderung auf Grundlage
von neueren empirischen Erkenntnissen, und die höchstrichterliche Rechtspre-
chung sich nur aufgrund dieser neuen Erkenntnisse ändern,543 wird zum Teil ver-
treten, dass das Rückwirkungsverbot keine Anwendung finde. Die Grenzziehung,
ob die Rechtsprechungsänderung nur aufgrund einer geänderten Tatsachenbasis
erfolgt oder nicht, ist aber nicht immer ohne weiteres möglich ist.544 Außerdem
kann es gerade in den Fällen, in denen die Auslegung des Gesetzes durch
die Anwendung eines mathematischen Wertes erfolgt, ein Verstoß gegen Art. 3
Abs. 1 GG vorliegen, wenn gleiche Fälle aufgrund von Verfahrensverzögerungen
und einer zeitweise geänderten Rechtsprechung unterschiedlich behandelt wer-
den.545
Schulze-Fielitz, Art. 103 Abs. 2 Rn. 54 unter Verweis auf die Anpassung der Blutalko-
holkonzentration für die absolute Fahruntüchtigkeit, vgl. BGH, Beschl. v. 17.07.1986 –
4 StR 543/85 = BGHSt 34, 133 ff. = NJW 1986, 950.
544 Sodan, 4. Aufl. 2018, Art. 103 GG Rn. 23.
545 Straßburg, ZStW 82 (1970), 948, 961 f.
546 Umfassend: Dannecker, Das intertemporale Strafrecht, 1993, 376 ff.; BayObLG
20.07.1990 – RReg 1. St 164/90 = NJW 1990, 2833 zur Anwendung einer Rechtspre-
chungsänderung auf noch anhängige Verfahren; Jakobs, Strafrecht AT, S. 104 unter Ver-
weis darauf, dass zwischen Rechtsprechung und Gesetzgebung keine Funktionsgleich-
VI. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Rückwirkungsverbot 165
heit besteht; Maunz/Dürig/Remmert, Art. 103 Abs. 2 Rn. 129; Wolff, in: Handbuch der
Grundrechte, § 134 Rn. 101; Kunig, in: Handbuch der Grundrechte, S. 569, Rn. 27 unter
Bezugnahme auf den Grundsatz der Gewaltenteilung; Wolff, in: Handbuch der Grund-
rechte, § 134 Rn. 101; LK-StGB/Dannecker, § 1 StGB Rn. 442; Schönke/Schröder/He-
cker, § 2 StGB Rn. 7; Lackner/Kühl/Kühl, § 1 Rn. 4; SSW/Satzger, § 1 StGB Rn. 58;
Haffke, Das Rückwirkungsverbot des Art. 103 II GG bei Änderung der Rechtsprechung
zum materiellen Recht, 151; Jeschek/Weigend, Strafrecht AT, S. 128; Schünemann,
Nulla poena sine lege?, S. 27; ders., in: FS-Bruns, S. 223, 233; Tröndle, in: FS-Dreher,
S. 117, 119 ff.; Kunig, Das Rechtsstaatsprinzip, S. 431 ff.; Arndt, Probleme rückwirken-
der Rechtsprechungsänderung, S. 31 ff., der auf die strafrechtliche Behandlung der Prob-
lematik durch § 17 StGB verweist; ebenso Burmeister, Vertrauensschutz im Prozeß-
recht, S. 26 ff., 36; Cornelius, GA 2015, 101, 113; SK-StGB/Jäger, § 1 Rn. 8.
547 Robbers, JZ 1988, 481, 484, es bleibt aber unklar, warum das Parlament, das
durch den Prozess der Gesetzgebung einer „Qualitätssicherung“ unterliegt, einer weite-
ren verfassungsrechtlichen Absicherung bedarf und die Rechtsprechung nicht.
548 Bonner-Kommentar GG/Pohlreich, Art. 103 Abs. 2 Rn. 114.
549 Tröndle, in: FS-Dreher, S. 117, 119; Schünemann, in: FS-Bruns, S. 223, 234.
550 Tröndle, in: FS-Dreher, S. 117, 136; umfassend Haffke, Das Rückwirkungsverbot
in Art. 103 II GG bei Änderung der Rechtsprechung zum materiellen Recht, S. 143.
551 Kunig, Das Rechtsstaatsprinzip, S. 432.
552 Dannecker, Das intertemporale Strafrecht, S. 380.
553 NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 50.
554 Schünemann, Nulla poena sine lege?, S. 28.
166 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln
führe dies nicht automatisch dazu, dass Legislative und Judikative gleichgesetzt
würden.555
Auch komme Urteilen bereits nicht die gleiche Bindungswirkung zu wie Ge-
setzen. Es liege insoweit nur eine eingeschränkte Verbindlichkeit vor.556 Die
Richter*innen seien bei ihren Entscheidungen unabhängig und nur dem Gesetz
unterworfen (Art. 97 Abs. 1 GG), eine besondere Berücksichtigung des getätig-
ten Vertrauens ist, anders als bei der Gesetzgebung, nicht vorgesehen und würde
die Regelung des Art. 97 GG unterlaufen. Es müsse beachtet werden, dass eine
teilweise Geltung des Rückwirkungsverbotes für die Rechtsprechung zu einer
noch größeren Rechtsunsicherheit führen könne.557 Etwaige dennoch auftretende
Vertrauensschutzprobleme seien anhand der Grundsätze des allgemeinen Rück-
wirkungsverbotes zu lösen.558 Darüber hinaus wäre zu klären, ob es sich beim
betätigten Vertrauen überhaupt um ein schutzwürdiges Vertrauen handele, dies
sei anhand der gesetzlichen Regelungen zu beurteilen.559
Eine entsprechende Anwendung des Rückwirkungsverbotes auf die Rechtspre-
chung würde unter Berücksichtigung der soeben genannten eingeschränkten
Bindungswirkung von Akten der Judikative im Ergebnis zu einem Verbot der
Weiterentwicklung des Rechts führen bzw. zu einem Verbot der abweichenden
Auslegung.560
Schließlich sei anzumerken, dass sich eine Rechtsanwendung der Gerichte auf-
grund des Analogieverbotes immer innerhalb der Wortlautgrenze befinden muss
und folglich theoretisch vorhersehbar wäre, auch wenn die Gerichte zunächst an-
ders entschieden hätten.561
Insgesamt handele es sich bei der Problematik der nachträglichen Rechtspre-
chungsänderung ohnehin um eine sog. „Scheinproblematik“, die in der Rechts-
praxis ohnehin keine Rolle spiele, da sich das Problem der rückwirkenden Recht-
sprechungsänderung nicht stelle.562 Auch ändere die zum Teil weitreichende
Befugnis der Rechtsprechung nichts daran, dass es sich dennoch nicht um die
gesetzgebende Gewalt handele und bereits aufgrund dessen andere Regelungen
gelten würden.563
Grundrechte, § 134 Rn. 101 und verweist dabei auf die Möglichkeit, auf eine geplante
Rechtsprechungsänderung hinzuweisen.
561 Schünemann, in: FS-Bruns, S. 223, 233.
562 Tröndle, in: FS-Dreher, S. 117, 115, 123.
563 Tröndle, in: FS-Dreher, S. 117, 133.
VI. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Rückwirkungsverbot 167
Wie sich demgegenüber die Rechtsprechung zur Frage der Geltung des Rück-
wirkungsverbotes für den eigenen Arbeitsbereich verhält, ist unklar. Grundsätz-
lich spricht die Rechtsprechung Entscheidungen der Judikative keine Bindungs-
wirkung zu, was konsequenterweise dann zu Ablehnung einer analogen Anwen-
dung führen könnte. Dennoch kann eine Bindungswirkung durch den Grundsatz
des Vertrauensschutzes entstehen, der willkürliche Rechtsprechungsänderungen
für unzulässig hält, wobei im Rahmen dessen zum Teil auf die Regelung des § 17
StGB verwiesen wird.564 Dass § 17 StGB gerade nicht ausreichend ist, um den
Belangen, die mit einer rückwirkenden Rechtsprechungsänderung verbunden
sind, gerecht zu werden, wurde bereits dargelegt.565
Eine direkte oder analoge Anwendung des Art. 103 Abs. 2 GG auf die Recht-
sprechung in Form des Rückwirkungsverbotes wird hingegen offengelassen. Die
Geltung des Rückwirkungsverbotes wird zumindest in zwei Fällen ausdrücklich
abgelehnt: Und zwar dann, wenn nicht „ein Mindestmaß an Kontinuität“ in der
Rechtsprechung besteht566 und auch dann, wenn, ungeachtet des Mindestmaßes
an Kontinuität, neue Erkenntnisse auf der tatbestandlichen Ebene zu einer Ver-
urteilung geführt haben, die von der ursprünglichen Rechtsprechungslinie ab-
weicht.567 Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass eine Anwendung des Art. 103
Abs. 2 nur dann in Betracht kommt, wenn eine gewisse Kontinuität in der Recht-
sprechungslinie besteht, auf dessen Grundlage überhaupt ein Vertrauenstatbe-
stand geschaffen werden konnte.568 Dieser restriktive Ansatz zur Anwendung des
Rückwirkungsverbotes kann damit begründet werden, dass die Uneinheitlichkeit
der Rechtsprechung in der Natur der Sache liegt und sich in der Unabhängigkeit
der Judikative begründet.569 Wie nach den genannten Differenzierungskriterien
564 BVerfG, Beschl. v. 16.05.2011 – 2 BvR 1230/10 = BVerfGK 18, 430, 435 =
BGH, Beschl. v. 09.12.1966 – 4 StR 119/66 = BGHSt 21, 157, 159 = NJW 1967, 116;
BGH, Beschl. v. 19.08.1971 – 4 StR 574/70 = BGHSt 24, 200 ff. = NJW 1971, 1997;
BGH, Beschl. v. 17.07.1986 – 4 StR 543/85 = BGHSt 34, 133 ff. = NJW 1986, 950;
kritisch dazu Arndt, Probleme rückwirkender Rechtsprechungsänderung, S. 42; Naucke,
NJW 1968, 758.
568 BVerfG, Beschl. v. 16.05.2010 – 2 BvR 1230/10 = BVerfGK 18, 430, 435 = NJW
auf verweist, dass nicht auf die Anwendung einer bestimmten Rechtsauffassung vertraut
werden darf, spricht sich aber dennoch gegen eine abrupte Änderung einer gängigen
Verfahrenspraxis an eben jenem Gericht aus.
168 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln
Auch wenn der Wortlaut des Art. 103 Abs. 2 GG eine Anwendung des Rück-
wirkungsverbotes lediglich auf die von der Legislative erlassenen Gesetze vor-
sieht, ist für die Frage, ob die Rechtsprechung einem wie auch immer gearteten
Rückwirkungsverbot unterliegt, wie bereits dargelegt, entscheidend, inwieweit
Legislative und Judikative die gleichen Aufgaben wahrnehmen bzw. eine „Wir-
kungsgleichheit“ besteht.573 Es muss gerade dann von einer vergleichbaren Inter-
essenlage ausgegangen werden, wenn die Richter*innen in besonderem Maße an
der Konkretisierung der Strafgesetze mitwirken und infolgedessen durch ihre
Rechtsprechung eine Regelsetzung vornehmen.574 Für die Bürger*innen kommt
es folglich bei einer aktiven Partizipation der Richter*innen an der Fortentwick-
Rn. 129, verweist aber im Zuge dessen darauf, dass die Judikative bei hinreichend be-
stimmten Normen immer nur innerhalb des Wortlautes tätig werden kann und mithin
keine legislativen Aufgaben wahrnimmt; zum Begriff der „Wirkungsgleichheit“ vgl.
Hettinger/Engländer, in: FS-Meyer-Goßner, S. 145, 156.
574 Kuhlen, in: Gesetzlichkeit und Strafrecht, S. 429, 438.
VI. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Rückwirkungsverbot 169
lung des Rechts auf das „richterlich konkretisierte“ Strafgesetz an.575 Dabei geht
es gerade nicht um den Vertrauensschutz einer – unter Umständen – falschen
Gesetzesanwendung, sondern um ein Vertrauen auf die „formale Geltung“ der
Rechtsprechung.576 Zumal die Unrichtigkeit einer Rechtsprechung für juristische
Laien ohnehin nicht ersichtlich sein dürfte und folglich nicht von einem nicht
schützenswerten Vertrauen auf eine unrichtige Rechtsprechung ausgegangen wer-
den kann. Ebenso ist der Begriff der unrichtigen Rechtsprechung auch restriktiv
anzuwenden, da es gerade nicht nur eine einzig richtige Entscheidung in der
Rechtsanwendung gibt.577 Dies muss dann konsequenterweise dazu führen, dass
die Judikative bei ihrer Entscheidungsfindung den gleichen Regeln unterworfen
wird.578 Ziel des Rückwirkungsverbotes ist es gerade auch, das staatliche Strafen
vorhersehbar zu gestalten. Zum staatlichen Strafen gehört aber nicht nur die Fas-
sung der entsprechenden Normen, sondern insbesondere auch die Rechtsanwen-
dung durch die Gerichte. Auch wenn zuzugeben ist, dass Legislative und Judika-
tive durch die Verfassung unterschiedliche Aufgabenbereiche zuteilwerden, führt
dies nicht automatisch zur Ablehnung einer analogen Anwendung. Unterschied-
liche Ausgangslagen sind gerade konstituierendes Merkmal für eine Analogie.
Vielmehr wäre also erforderlich, dass dargelegt würde, dass die Interessenlagen
aufgrund der divergierenden Ausgangspositionen so unterschiedlich sind, dass
eine Gleichbehandlung ausgeschlossen ist.579
Dazu muss festgestellt werden, welchen Zweck das Urteil im Strafverfahren
hat. Hier kommt dem Urteil eine andere Bedeutung zu als im Zivilprozess, des-
sen Ergebnis nur „inter partes“ wirkt und damit den Zweck der Streitbeilegung
erfüllt, § 322 ZPO. Soll das Strafrecht der Generalprävention und dessen Anwen-
dung der Bestätigung der Normgeltung dienen,580 dann ist eine konsistente und
vorhersehbare Anwendung Grundvoraussetzung für die Erfüllung eben jener
Zwecke. Das muss insbesondere dann gelten, wenn sich die Kompetenzbereiche
von Judikative und Legislative immer weiter angleichen oder, wie bei Öffnungs-
klauseln der Fall, die Entscheidung auf die Judikative durch gesetzliche Anord-
nung verlagert wird.581 Dadurch entsteht zumindest eine Teilüberschneidung der
Kompetenzbereiche, die eine klare Grenzziehung erschwert. In diesen Bereichen
unterscheiden sich die Entscheidungen der Gerichte gerade nicht mehr qualitativ
von denjenigen der Legislative, denn auch hier kommt es in der Regel zu einer
Fallgruppenbildung, die als Richtschnur auch für zukünftige Entscheidungen ge-
nutzt wird. Vergleichbar ist dann die Interessenlage mit eben jener im „case-law“.
Auch dort wird die Anwendung eines Rückwirkungsverbotes auf Rechtspre-
chungsänderungen befürwortet.582
Darüber hinaus hat das StGB hat auch eine einfachgesetzliche Regelung für
den Bereich der Gesetzesänderung nach Beendigung der Tat getroffen. Nach § 2
Abs. 3 StGB darf bei einer Gesetzesänderung nach Beendigung der Tat im Falle
einer Verurteilung nur aus dem milderen Gesetz bestraft werden. Der darin zum
Ausdruck kommende Grundgedanke kann auch auf den Bereich der Rechtspre-
chungsänderungen übertragen werden: Wenn im Bereich der nachträglichen
Strafschärfung keine Schlechterstellung für den Angeklagten folgen darf, dann
liegt zumindest der Gedanke nicht ganz fern, dass es im Bereich der rückwirken-
den Rechtsprechungsänderung ebenfalls nicht zu einer Schlechterstellung kom-
men darf und eine etwaig neue, mildere Rechtsprechung angewendet werden
muss,583 denn die daraus resultierende Belastung für die Bürger*innen ist ent-
sprechend.
Ebenso verfängt auch der Einwand, dass es gerade originäre Aufgabe der Ge-
richte ist, Entscheidungen für die Vergangenheit zu treffen, nicht. Denn auch ein
Rückwirkungsverbot für Rechtsprechungsänderung ändert diesen Charakter ge-
rade nicht. Es wird nicht der in der Vergangenheit liegende Sachverhalt verän-
dert, viel mehr ändert sich aber die diesbezügliche rechtliche Beurteilung. Inso-
fern würde auch ein Rückwirkungsverbot nicht zu einer Handlungsunfähigkeit
der Judikative führen. Es ist vielmehr nur eine Veränderung des Bewertungsmaß-
stabes betroffen.584
Unstreitig darf die Anwendung des Rückwirkungsverbotes nicht zu einem völ-
ligen Stillstand der Rechtsprechung führen, denn diese ist gerade das flexible In-
strument der Rechtsanwendung, das die starren Normen mit Lebenssachverhalten
füllt.585 Dem widerspricht aber nicht das Bestreben, eine solche rechtliche Fort-
entwicklung in bestimmten Fällen bestimmten Regeln zu unterwerfen.
Auch die, wie bereits aufgezeigt, ebenfalls umstrittene Frage, auf welche kon-
kreten Rechtsprechungsänderungen das Rückwirkungsverbot Anwendung finden
soll, kann für die in dieser Arbeit zu erörternde Fragestellung allerdings dahinste-
hen. Es genügt an dieser Stelle die Feststellung, dass die Voraussetzungen einer
analogen Anwendung des Rückwirkungsverbotes auch auf die Rechtsprechung,
zumindest in bestimmten Konstellationen, vorliegen. Entscheidend ist an dieser
Stelle die Feststellung, dass auch die Rechtsprechung in analoger Anwendung des
Art. 103 Abs. 2 GG Adressatin des Rückwirkungsverbotes sein kann.
593 Grunsky, Grenzen der Rückwirkung bei einer Änderung der Rechtsprechung,
S. 13.
594 Vgl. dazu Müller-Dietz, in: FS-Maurach, S. 41, 46.
595 A. H. Albrecht, in: FS-Dencker, 2012, 1, 13.
VI. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Rückwirkungsverbot 173
weit könnte eine vergleichbare Konfliktlage vorliegen. Das gilt umso mehr, wenn
man als Schutzgut von Art. 103 Abs. 2 die Vorhersehbarkeit staatlicher Entschei-
dungen benennt,596 denn dann müssen darunter auch die von der Judikative ge-
troffenen staatlichen Entscheidungen fallen. Die Entfaltung staatlicher Macht
muss berechenbar sein, zumindest im Sinne einer Orientierungssicherheit.597
Eine solche Differenzierung zwischen Judikative und Legislative ist zumindest
im Bereich der kompetenzüberschneidenden Öffnungsklauseln nicht geboten.
Folglich führt erst die Anwendung der Öffnungsklausel zu einem Verstoß gegen
das Rückwirkungsverbot und ist der Sache nach vergleichbar mit einer nachträg-
lichen Rechtsprechungsänderung.
Auch kriminalpolitisch ist eine Rückwirkung nicht funktional. Wenn die Straf-
barkeit nicht bei Tatbegehung ersichtlich war, und diese Gefahr kann aufgrund
der Befugnis der analogen Rechtsanwendung bestehen, erscheint es wie eine
willkürliche Rechtsanwendung.598 Dies muss insbesondere für Öffnungsklauseln
gelten, die quasi eine Schnittstelle zwischen Gesetz und Rechtsprechung be-
rühren.
Wenn die Legislative bewusst eine ihr obliegende Aufgabe an die Judikative
überträgt und diese Aufgabenübertragung auch unstreitig im Gesetzestext zum
Ausdruck kommt, dann muss in der letzten Konsequenz auch ein Rückwirkungs-
verbot für die Rechtsprechungsänderung Geltung entfalten. Ansonsten sieht sie
sich dem Vorwurf der doppelten Verfassungswidrigkeit ausgesetzt: Zum einen
durch die Verlagerung der Gesetzgebungskompetenz auf die Judikative und zum
anderen dadurch, dass das aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete Vertrauen der
Bürger*innen nicht infolgedessen geschützt wird. Es darf durch eine Aufgaben-
verlagerung gerade nicht zu einem Funktionsverlust verfassungsrechtlicher Prin-
zipien kommen. Die in Art. 103 Abs. 2 GG zum Ausdruck kommenden Grund-
gedanken müssen zur Wahrung einer einheitlich demokratischen Grundordnung
doch beibehalten und entsprechend fortentwickelt werden.599
600 Umfassend dazu, wie mit der Anwendung des Rückwirkungsverbotes auf Recht-
1973, 713, 717 und begründet dies damit, dass eine solche Ankündigung nach gelten-
dem Prozessrecht nicht möglich ist; Kempf/Schilling, NJW 2012, 1849, 1854 unter Ver-
weis darauf, dass bei abweichenden obiter dicta keine Vorlagepflicht besteht; ablehnend
in Bezug auf informelle Ankündigungen und obiter dicta: Neumann, ZStW 103 (1991),
331, 352; für die Veröffentlichung in Medien, die der Zielgruppe des Tatbestandes zu-
gänglich sind, vgl. Kuhlen, HRRS 2012, 114, 116.
VI. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Rückwirkungsverbot 175
Dieser Gedanke der Vorankündigung wird zum Teil auch als Lösung der Prob-
lematik der Rückwirkung von Rechtsprechungsänderung angedacht604 und könn-
te auch auf die erstmalige Anwendung von Öffnungsklauseln übertragen werden,
um den Konflikt mit dem Rückwirkungsverbot zu lösen. Die Idee, dem Ver-
trauensschutz durch eine entsprechende Vorwarnung Rechnung zu tragen, findet
ihren Ursprung, soweit ersichtlich, in der anglo-amerikanischen Rechtstradition.
Untere Gerichte sind dort an die ratio decidendi, also vorhergehende Entschei-
dungen in einer vergleichbaren Sache, der in der Gerichtsordnung übergeordne-
ten Gerichte gebunden.605 Ein „overruling“ im Sinne einer Änderung der Recht-
sprechungslinie ist nur in eng umgrenzten Ausnahmefällen möglich, z. B. wenn
bei der Entscheidung, die als Präjudiz dient, ein wesentliches Gesetz nicht be-
achtet wurde.606 Durch dieses Vorgehen wird eine Bindungswirkung an bisherige
Entscheidungen erreicht, die im deutschen Recht über die Bindung an das ge-
schriebene Recht gem. Art. 103 Abs. 2 GG erreicht werden soll. Wird diese Re-
gelung übergangen, kann es zur Aufhebung des betroffenen Urteils kommen,
denn auch im anglo-amerikanischen Rechtskreis ist der Grundsatz des „nulla
poena sine lege“ anerkannt, auch wenn es sich dort auf gesprochene Urteile und
nicht auf das geschriebene Recht bezieht.607 Die so erzeugte Bindungswirkung
kann nur in Ausnahmefällen durch eine gegenläufige Entscheidung aufgehoben
werden und auch nur durch oberste Gerichte.608 Es erfolgt eine Bindung der an-
deren Gerichte an eine solche geänderte Rechtsprechung, wenn diese Teil des Ur-
teils geworden ist (sog. holding).609 Im Hinblick auf das getätigte Vertrauen auf
die bisherige Rechtsprechung muss im Zweifel davon ausgegangen werden, dass
die abweichende Entscheidung des Gerichts nicht vorhersehbar war. Um einem
solchen enttäuschten Vertrauen und einer damit verbundenen Rechtsunsicherheit
entgegenzuwirken, wird in den U.S.A. das sog. „prospective overruling“ befür-
wortet.610 Das bedeutet, dass die angestrebte Rechtsprechungsänderung zwar für
alle zukünftigen Fälle angekündigt wird, aber auf den zu entscheidenden Fall
allerdings noch das alte Recht bzw. die bisherige Rechtsprechung angewendet
wird.611 In welcher Form die Ankündigung erfolgen soll, steht hingegen nicht
604 Müller-Dietz, in: FS-Maurach, S. 41, 44; Maunz/Dürig/Remmert, Art. 103 Abs. 2
S. 39.
610 Bittner, JZ 2013, 645, 648; wohl ablehnend aufgrund der unterschiedlichen
of State for Social services (1972) A.C. 944, (1972) 1 All E. R. 145; Haffke, Das Rück-
176 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln
wirkungsverbot des Art. 103 II GG bei Änderung der Rechtsprechung zum materiellen
Recht, S. 27 f.
612 Bittner, JZ 2013, 645, 649 f.
613 Umfassend zu den damit verbundenen Problemen vgl. Tröndle, in: FS-Dreher,
S. 117; Burmeister, Vertrauensschutz im Prozeßrecht, S. 31 f., der sich dabei aber insbe-
sondere auf das Privatrecht bezieht; Schreiber, JZ 1973, 713, 717; Robbers, JZ 1988,
481, 488.
614 Schreiber, JZ 1973, 713, 717.
615 Tröndle, in: FS-Dreher, S. 117, 125; Schünemann, in: FS-Bruns, S. 223, 234 ver-
weist auf Praktikabilitätsprobleme; Schreiber, JZ 1973, 713, 717; Basak, in: Strafrecht
und Verfassung, S. 71, 87.
616 Schlüchter, Mittlerfunktion der Präjudizien, S. 83; Grunsky, Grenzen der Rück-
S. 39.
622 Müller-Dietz, in: FS-Maurach, S. 41, 48; Dannecker, Das intertemporale Straf-
recht, S. 372.
623 Neumann, ZStW 103 (1991), 331, 342.
178 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln
Weise Hinweise für die Handhabung einer rechtlichen Problematik in der Zu-
kunft an die Hand geben.624 Auch ist es allgemeine Rechtspraxis, dass Gerichte
entsprechend der höchstgerichtlichen Rechtsprechung Entscheidungen fällen und
nicht völlig losgelöst davon das Recht anwenden, sodass bereits eine faktische
Bindung an die höchstgerichtliche Rechtsprechung angenommen werden kann.
Wenn die Gerichte, durch die konkrete Fassung von Gesetzen, und im vorliegen-
den Falle insbesondere von Öffnungsklauseln, ohnehin eine quasi-gesetzgebe-
rische Tätigkeit übernehmen, dann spricht dies dafür, dass im Sinne der Rechts-
sicherheit auch eine erhöhte Bindungswirkung erzeugt wird, die Vertrauens-
schutzgesichtspunkten Rechnung trägt.
Wenn eingewandt wird, dass die Anwendung einer überholten Rechtsprechung
Unrecht darstellt, dann muss beachtet werden, dass man im Umkehrschluss auch
bei unvorhergesehenen Rechtsprechungsänderungen, die den Bedürfnissen einer
Rechtsprechungsänderung keine Rechnung trägt, von Unrecht sprechen kann.
Das Argument, dass die Gerichte durch die „von-nun-an“-Klausel an eine für
Unrecht empfundene Entscheidung gebunden sind, vermag also nicht zu ver-
fangen.625
Festgestellt werden kann, dass eine Anwendung der „von-nun-an“-Methode im
deutschen Recht nicht gänzlich ausgeschlossen ist, auch wenn sie an bestimmte
Voraussetzungen gebunden ist. Erforderlich ist insbesondere, dass bereits eine
gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung eines obersten Gerichts besteht.626
Ob ein konkretes Vertrauen in eben jene Rechtsprechung getätigt wurde, kann
hingegen dahinstehen. Die geänderte Rechtsprechung wird im konkreten Fall
noch nicht angewendet, um dem Vertrauensschutz ausreichend Rechnung zu tra-
gen. Entgegenstehende prozessrechtliche Vorschriften sind entsprechend zu än-
dern, um dem verfassungsrechtlich geschützten Vertrauen Rechnung zu tragen.
Ob die geänderte Rechtsprechung allerdings bei anderen, bereits laufenden Ver-
fahren, angewendet werden darf, ist noch offen, bedarf an dieser Stelle aber auch
keiner Klärung.
627 Ablehnend: Schlüchter, Mittlerfunktion der Präjudizien, S. 82 f.; so wird die An-
wendung auch auf andere Schlechterstellungen des Täters diskutiert, vgl. Jescheck/Wei-
gend, Lehrbuch des Strafrechts, S. 137.
628 Das offensichtlich übersehend: Tröndle, in: FS-Dreher, S. 117, 126; wenn Knittel,
Zum Problem der Rückwirkung bei einer Änderung der Rechtsprechung, S. 56 von
einem konkret getätigten Vertrauen ausgeht, erkennt er dennoch an, dass es in diesen
Fällen bereits zu erheblichen Beweisschwierigkeiten kommt, da niemand nachweislich
Vertrauen auf eine ausbleibende Bestrafung tätigt.
629 NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 51.
180 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln
diese eine solche Art der Rechtsprechung nicht bereits von vorneherein aus-
schließen.
Dies spricht für eine Anwendung der „von-nun-an“-Methode auf erstmalige
Verurteilungen aufgrund einer Öffnungsklausel. Anzumerken bleibt, dass die
Anwendung der „von-nun-an“-Methode nur dann in Betracht kommt, wenn die
konkrete Öffnungsklausel nicht bereits aufgrund anderer Kollisionen mit dem
Grundgesetz für verfassungswidrig gehalten wird und es tatsächlich zu einer An-
wendung eben jener Klausel durch die Gerichte kommt. Diese Methode dient
lediglich der Wahrung des Vertrauensschutzes im Bereich der Rückwirkung. Die
„von-nun-an“-Methode kann hingegen keine, zu einem anderen Punkte zu er-
örternde unzulässige Kompetenzverlagerung der Legislative auf die Judikative
heilen.630 Auch wenn das Verbot einer solchen Kompetenzverlagerung auch dem
Vertrauensschutz dient, so hat der dabei betroffene Grundsatz der Gewaltentei-
lung noch weitere Schutzrichtungen, die auf diesem Wege nicht gewahrt werden
können.
4. Gesamtergebnis
Tröndle weist richtigerweise daraufhin, dass es bei der Problematik der An-
wendung des Rückwirkungsverbotes auf rückwirkende Rechtsprechungsänderun-
gen und den dazu vertretenen Lösungsansätzen „um das Wesen rechtsprecheri-
scher Tätigkeit“631 geht. Das bedeutet, dass entscheidend ist, welche Funktion
und welche Arbeitsweise der Judikative zuordnet werden. Im Rahmen dessen
wird darauf verwiesen, dass das in Art. 103 Abs. 2 GG normierte Rückwirkungs-
verbot sich gerade nicht an die Rechtsprechung richtet und auch nicht richten
soll.632 Dies vermag nur dann zu überzeugen, wenn sich die Tätigkeit der Judika-
tive genau vom Betätigungsfeld der Legislative abgrenzen ließe. Die Zuständig-
keitsbereiche scheinen aber immer miteinander zu verschwimmen. Die Legisla-
tive hinterlässt gerade im Falle von Öffnungsklauseln bewusst ungeregelte Berei-
che und schafft die gesetzgeberische Befugnis, die Norm auch auf nicht explizit
genannte Verhaltensweisen anzuwenden. Auf diese Weise kommt den Gerichten
durch diese Regelsetzung die Möglichkeit der Schaffung von innertatbestand-
lichen Analogien zu. Das Wesen der rechtsprecherischen Tätigkeit lässt sich
nicht mehr ohne Weiteres von der legislativen Tätigkeit trennen. Dies zieht auch
verfassungsrechtliche Konsequenzen nach sich, um Sinn und Zweck der dort ver-
ankerten Grundsätze nicht ins Leere laufen zu lassen. Für einen Verstoß von Öff-
nungsklauseln gegen das Rückwirkungsverbot bedeutet das Folgendes:
Öffnungsklauseln verstoßen nicht bereits durch ihren Wortlaut gegen das
Rückwirkungsverbot, das würde voraussetzen, dass die Norm eine Regelung ver-
fasst, die ein in der Vergangenheit liegendes Verhalten vor Geltung der Norm für
strafbar erklärt. Ein direkter Verstoß gegen das in Art. 103 Abs. 2 GG normierte
Rückwirkungsverbot kann folglich nicht angenommen werden.
(2011), 660, 666; Prittwitz, in: Vom unmöglichen Zustand des Strafrechts, S. 387,
393 ff.; Naucke, Strafrecht, S. 64; Kuhlhanek, ZIS 2014, 674; Kühl, in: FS-Kühne, S. 15,
19; ders., in: FS-Tiedemann, S. 29, 32; Jescheck/Weigend, Lehrbuch des Strafrechts,
S. 46, 53; Hillenkamp, in: FS-Kirchhof, S. 1349, 1358; K. Peters, ZStW 1965, 470, 475.
VII. Vereinbarkeit mit dem fragmentarischen Charakter des Strafrechts 183
Der fragmentarische Charakter des Strafrechts weist, wie bereits unter Kap. C.
II. 1. a) angedeutet, zwei unterschiedliche Ebenen auf: Zum einen ergibt sich
dieses Prinzip aus den Vorgaben des Gesetzlichkeitsprinzips für strafrechtliche
Gesetzgebung und zurückhaltende richterliche Rechtsanwendung. Daraus folgt
logisch, dass bei einer hinreichenden Bestimmtheit von Normen und dem Verbot
analoger Rechtsanwendung, vergleichbare Handlungen gerade nicht unter Strafe
gestellt sind und somit Strafbarkeitslücken verbleiben.636 Dabei handelt es sich
um einen „evaluierbaren Beurteilungsspielraum“, in dem Sinne, dass die Einhal-
tung von Art. 103 Abs. 2 GG und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, die zur
Lückenhaftigkeit des Strafrechts beitragen, überprüft werden können.637 Die Ein-
haltung des Grundsatz des fragmentarischen Strafrechts kann insoweit nur mittel-
bar überprüft werden.
Zum anderen beinhaltet der Grundsatz des fragmentarischen Charakters des
Strafrechts aber auch einen Appell zur Zurückhaltung an die Gesetzgebung, des-
sen Einhaltung nur bedingt überprüfbar ist.638 Daraus ergibt sich einerseits, dass
der fragmentarische Charakter des Strafrechts zum einen eine Konsequenz der
Anforderungen darstellt, die von Art. 103 Abs. 2 GG an Gesetzgeber und Judika-
tive gestellt werden und andererseits ein davon unabhängiger Appell an gesetzge-
berische Zurückhaltung.639
Wie aber das Fragment des Strafrechts aussehen soll, wie also entschieden
wird, was geregelt werden sollte und was lückenhaft bleiben sollte – unabhängig
von solchen Lücken, die aufgrund von Art. 103 Abs. 2 GG verbleiben – wird
unterschiedlich beurteilt. Unklar bleibt auch, ob und welchem System eine sol-
che zurückhaltende Strafgesetzgebung unterliegt.640
636 Vormbaum, ZStW 123 (2011), 660, 665; H. Mayer, Strafrechtsreform für heute
der unterscheidet.
639 Mit Beispielen vgl. Walter, JA 2013, 727, 728.
640 Naucke, Strafrecht, S. 65.
184 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln
641 Zur fehlenden Systematik siehe auch Zaczyk, ZStW 123 (2011), 691, 692, wobei
er den Begriff eines fragmentarischen Strafrechts etwas anders versteht, er erkennt be-
dingungslos an, dass Strafrecht nur fragmentarisch sein kann und ein umfassender
Schutz nicht das Ziel ist, dennoch sieht er das Fragmentarische grundsätzlich als Gegen-
satz zum Systematischen.
642 Binding, Lehrbuch des gemeinen deutschen Strafrechts, S. 20 f.
643 Binding, Lehrbuch des gemeinen deutschen Strafrechts, S. 21.
644 Nach Binding, Lehrbuch des gemeinen deutschen Strafrechts, S. 20 handelt es
Strafrecht gerade kein ganzheitliches System ist – dennoch Bereiche durch Straf-
barkeiten bewusst akzentuiert werden. Somit kann der fragmentarische Charakter
als Teil eines Gesamtkonzeptes betrachtet werden.652
Offen bleibt, wie beurteilt wird, welche Verhaltensweisen eine strafrechtliche
Behandlung verdienen und welche nicht im Bereich des Strafrechts geregelt wer-
den sollten. Diese Fragestellung ist allerdings für die Vereinbarkeit von Öff-
nungsklauseln mit dem fragmentarischen Charakter ohne Bedeutung und soll
hier nicht näher erläutert werden.653 Es kann festgestellt werden, dass auch Frag-
mente einem System folgen können und nicht nur vollständig geregelte Bereiche
eine Systematik aufweisen.
Zum Teil wird der Begriff des fragmentarischen Strafrechts synonym zur
„Subsidiarität des Strafrechts“ verwendet.654 Diese synonyme Verwendung ist
aber ungenau und trifft die Kernelemente der beiden Grundsätze nicht.655 Denn
Subsidiarität meint den nachrangigen Einsatz von Strafrecht bei gesetzgeberi-
schen Interventionen. Strafrecht soll erst dann zur Anwendung kommen, wenn
das Zivilrecht und das öffentliche Recht keine angemessene Handhabe für den
abstrakten Fall bereithalten. Dies wird mit dem eingriffsintensiven Charakter von
Strafen begründet.656 Subsidiarität trägt auf diese Weise zur Lückenhaftigkeit des
Strafrechts bei. Daraus erklärt sich aber noch nicht, warum das Strafrecht frag-
mentarisch im Sinne von lückenhaft sein sollte. Eine strenge Orientierung am
Subsidiaritätsgrundsatz kann, aber muss nicht zwingend zu einem fragmentari-
schen Strafrecht führen. Auch wenn Subsidiarität teilweise erklären kann, warum
der offen gelassen; Krahl, Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des
Bundesgerichtshofs zum Bestimmtheitsgrundsatz im Strafrecht, S. 28; so auch Kaspar,
Verhältnismäßigkeit und Grundrechtsschutz im Präventionsstrafrecht, S. 251; allgemein
zum Subsidiaritätsprinzip im Strafrecht vgl. Kaufmann, in: FS-Henkel, S. 89; zur Be-
deutung der Subsidiarität im Strafrecht vgl. zusammenfassend auch Zipf, Kriminalpoli-
tik, S. 52 f.; Jakobs, Strafrecht AT, 2/26 ff.; kritisch zur Einschränkung im Strafrecht am
Beispiel von ultima-ratio und Rechtsgüterschutz, vgl. Frisch, NStZ 2016, 16, 23 f.; dif-
ferenzierend zwischen dem fragmentarischen Charakter und dem ultima-ratio-Grund-
satz: Hassemer, Negatives Strafrecht, S. 82.
655 Zur Unterscheidung der Begrifflichkeiten siehe Lackner/Kühl/Heger, § 13 Rn. 3;
die Fragmentarietät des Strafrecht setzt sich auch nicht aus dem Subsidiaritätsprinzip
und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zusammen, wie Ebert, Strafrecht, Allgemeiner
Teil, 4 vertritt. Diese können zwar Ausprägungen eben dessen darstellen, aber sie er-
schaffen den fragmentarischen Charakter nicht; kritisch zur synonymen Verwendung
der Begriffe vgl. Kaufmann, in: FS-Henkel, S. 89, 103.
656 Roxin, JuS 1966, 377, 382; Kühl, in: FS-Kühne, S. 15, 18.
186 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln
die Strafrechtsordnung als solche lückenhaft ist, vermag sie doch keinen Grund
dafür zu liefern, warum der fragmentarische Charakter als eigenständiges Prinzip
anerkannt sein sollte. Schon deshalb können die Begriffe nicht synonym ver-
wandt werden.
a) Gesetzlichkeitsprinzip
Wie oben bereits dargestellt fußt das Bestehen eines fragmentarischen Straf-
rechts in der Geltung des Art. 103 Abs. 2 GG und den damit verbundenen Garan-
tien, wie dem Bestimmtheitsgrundsatz658 und dem Analogieverbot. Notwendi-
gerweise kann Strafrecht, wenn es die dort verbürgten Anweisungen an Recht-
sprechung und Gesetzgebung ernst nimmt, immer nur fragmentarisch sein.659
Insbesondere im Hinblick auf den Bestimmtheitsgrundsatz ist eine umfassende
Lückenschließung aufgrund des exkludierenden Charakters von Sprache nicht
möglich. Der Bestimmtheitsgrundsatz führt also zur Entstehung straffreier
Räume auf und verhindert (bewusst) eine umfassende Regelung, die zu einem
lückenlosen Strafrecht führen würde.660
Darüber hinaus verhindert das Analogieverbot, vergleichbare Interessenlagen
bei einer fehlenden gesetzlichen Regelung gleich zu behandeln. Eine Schließung
etwaiger Strafbarkeitslücken durch die Judikative wird aber, wie oben bereits dar-
gelegt, auch durch die Legislative verhindert. Die Lückenhaftigkeit des Straf-
rechts stellt sich hier als Reflex der verfassungsrechtlichen Vorgaben dar,661 die
657 Kühl, in: FS-Stöckl, S. 117, 118; kritisch: Kaspar, Verhältnismäßigkeit und
Diese freiheitssichernde Funktion wirkt sich aber nicht nur auf der Ebene
eines Individualgrundrechts der allgemeinen Handlungsfreiheit aus, sondern ist
auch Ausdruck eines bestimmten Staatsverständnisses. Denn Freiheitssicherung
ist konstituierendes Merkmal eines Rechtsstaates, Art. 20 Abs. 3 GG.669 Es han-
delt sich dabei um eines der „Kernelemente“ eines Rechtsstaates.670 Neben der
Freiheitssicherung gebietet das Rechtsstaatsprinzip auch die Einhaltung des
Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit.671 Dazu gehört auch eine verhältnismäßige
Nutzung des Strafrechts. Eine solche gebietet gerade auch einen zurückhaltenden
Einsatz besonders eingriffsintensiver Maßnahmen, wie der staatlichen Strafen.
Ein verhältnismäßiger und damit pointierter Einsatz des Strafrechts widerspricht
in seinem Grundgedanken gerade einem lückenlosen umfassenden Schutz.672
Das bedeutet im Umkehrschluss, dass der fragmentarische Charakter des Straf-
rechts gerade auch aus dem Rechtsstaatsprinzip Art. 20 Abs. 3 GG hergeleitet
werden kann.673 Demgegenüber wendet Prittwitz ein, dass das Rechtsstaatsprin-
zip (sowie das Demokratie- und Schuldprinzip) nicht zur Herleitung des frag-
mentarischen Charakters des Strafrechts herangezogen werden können. Denn
eine Einhaltung dieser verfassungsrechtlichen Grundsätze wäre auch bei einem
umfassenden und lückenlosen Strafrecht möglich.674 Dem ist aber zumindest
bezogen auf das Rechtsstaatsprinzip entgegenzuhalten, dass nicht ersichtlich ist,
inwieweit der freiheitssichernden Funktion des Rechtsstaatsprinzips bei einem
lückenlosen Strafrecht ausreichend Rechnung getragen werden könnte.
Der fragmentarische Charakter des Strafrechts ergibt sich folglich nicht nur als
logische Konsequenz aus der Einhaltung der verfassungsrechtlichen Grundsätze.
Darüber hinaus ist ein lückenhaftes Strafrecht ist auch ein erstrebenswertes Ziel
der Strafrechtsordnung.
Strafrechts und dem Rechtsstaatsprinzip vgl. P.-A. Albrecht, KritV 1996, 330, 339.
671 Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke/Hofmann, Art. 20 Rn. 72 ff.; Dreier/Schul-
FS-Maurach, S. 9, 22; Eschelbach/Krehl, in: FS-Kargl, S. 81, 82; anders: Prittwitz, in:
Vom unmöglichen Zustand des Strafrechts, S. 387, 400; im Ergebnis wohl auch Kühl,
in: FS-Tiedemann, S. 29, 36.
674 Prittwitz, in: Vom unmöglichen Zustand des Strafrechts, S. 387, 400.
VII. Vereinbarkeit mit dem fragmentarischen Charakter des Strafrechts 189
675 Kuhlhanek, ZIS 2014, 674; Kühl, in: FS-Stöckl, S. 117, 132.
676 Vormbaum, ZStW 123 (2011), 660, 666, beschreibt dies als „präskriptive Frag-
mentarietät“.
677 Maiwald, in: FS-Maurach, S. 9; Vormbaum, ZStW 123 (2011), 660, 666; kritisch
die Ansicht, dass sich Binding dabei nur auf den Bereich der Lücken bezieht, die es
aufgrund des Gesetzlichkeitsprinzipes konsequenterweise im Strafrecht gibt, allerdings
wird nicht ersichtlich, warum sich Binding nicht auch auf bewusst gelassene Regelungs-
lücken berufen haben sollte.
679 Kaspar, Verhältnismäßigkeit und Grundrechtsschutz im Präventionsstrafrecht,
S. 251; anders zumindest in Hinblick auf den Strafzweck der Generalprävention vgl.
Kuhlhanek, StV 2015, 725, 727.
680 Kuhlhanek, ZIS 2014, 674, 675; kritisch: Maiwald, in: FS-Maurach, S. 9, 15 ff.
681 Lenckner, JuS 1968, 304, 307.
190 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln
Es muss allerdings auch bedacht werden, dass über das Strafrecht niemals eine
umfassende Gerechtigkeit hergestellt werden kann. Niemals können alle gleich-
wertigen Verhaltensweisen erfasst werden, ohne auf diese Weise solche Tatbe-
stände zu schaffen, die den Anforderungen des Art. 103 Abs. 2 GG nicht genü-
gen.684 Dies scheitert über das Gesetzlichkeitsprinzip hinaus auch bereits daran,
dass eine Vergleichbarkeit ein hohes Maß an individueller Wertung beinhaltet.
Darüber hinaus stellt das staatliche Strafen das letzte zur Verfügung stehende
Mittel dar und kann nicht den Anspruch erheben, umfassend zu schützen.685
Wenn dieses Ziel allumfassender Regelungen nicht erreicht werden kann, kann
die Herstellung umfassender Gerechtigkeit nicht als Argumentationstopos gegen
ein fragmentarisches Strafrecht angeführt werden. Konsequenz dessen sind not-
wendigerweise straffreie Bereiche.
Ergänzend ergibt sich das Erfordernis eines fragmentarischen Strafrechts aus
dem eingriffsintensiven Charakter von Kriminalstrafen. Die Anwendung des
Strafrechts gehört durch den freiheitsentziehenden und pönalisierenden Charak-
recht, S. 251.
683 Schmidhäuser, Einführung in das Strafrecht, S. 142; Hillenkamp, in: FS-Kirchhof,
1349, 1358.
684 Maiwald, in: FS-Maurach, S. 9, 2 f.; zu den negativen Auswirkungen eines
ter zu den schärfsten Mitteln eines Staates.686 Die dem Staat dadurch verliehene
Macht darf nicht missbraucht und in diesem Sinne auch nicht wahllos und will-
kürlich eingesetzt werden.687 Der fragmentarische Charakter des Strafrechts stellt
die Balance zwischen den Polen der freiheitsgewährenden und freiheitsentziehen-
den Funktion des Strafrechts her, indem neben der erhebliche Freiheitsbegren-
zung durch das Strafrecht, straffreie Räume belassen werden.688 Denn nur wenn
Strafrecht fragmentarisch ist, kann es ausreichend Entscheidungsspielräume für
die Freiheit des Einzelnen lassen und damit dem in Art. 2 Abs. 1 GG normierten
Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit Rechnung tragen.689 Dies bedeu-
tet im Ergebnis, dass Strafe im Sinne eines Regel-Ausnahmeverhältnisses immer
den Ausnahmefall darstellen soll.690 Das gilt sowohl für die Strafrechtsordnung
als Ganze als auch für den Anwendungsbereich einzelner Tatbestände.
Für das Verbleiben straffreier Räume, auch wenn diese Räume von Teilen der
Bevölkerung als strafwürdig und strafbedürftig erachtet werden, spricht außer-
dem, dass Strafbarkeit gerade keine moralische Instanz sein soll, die zu einem
vermeintlich richtigen Verhalten i. S. v. moralischem Verhalten anhält.691 Straf-
recht dient immer nur dem Schutz einer schon bestehenden Sozialordnung. Es
kann seinerseits keine Sozialordnung hervorbringen und hat folglich nur eine be-
schränkt lenkende Wirkung, was wiederum zu einem fragmentarischen Strafrecht
führt.692
Neben den Gesichtspunkten der Freiheit und Gerechtigkeit sprechen aber auch
praktische Erwägungen für ein lückenhaftes Strafrecht.693 Den Strafverfolgungs-
behörden stehen immer nur personell und materiell begrenzte Ressourcen zur
S. 387, 401 f.; Eschelbach/Krehl, in: FS-Kargl, S. 81, 82; Hillenkamp, in: FS-Kirchhof,
S. 1349, 1358; im Ergebnis wohl auch P.-A. Albrecht, KritV 1996, 330, 331, verweist
aber darauf, dass grundsätzlich Ressourcen für eine wirksame Strafverfolgung zur Ver-
fügung gestellt werden müssen; K. Peters, ZStW 1965, 470, 475.
192 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln
das Strafrecht, 1/17; zum Begriff der Strafbedürftigkeit vgl. Günther, JuS 1978, 8, 12,
der die Strafwürdigkeit als „limitierendes Regulativ“ der Strafgesetzgebung beschreibt;
ein überzeugende Definitionsvorschlag findet sich bei NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1
Rn. 51, der zwischen Strafwürdigkeit im normativen und kriminalpolitischen Sinne dif-
ferenziert; eine umfassende Diskussion zur Strafwürdigkeit findet sich auch bei Alwart,
Strafwürdiges Versuchen, S. 21 ff. und insbesondere kritisch zu formellen und materiel-
len Strafwürdigkeitsbegriffen, S. 75 f.; Kaspar, Verhältnismäßigkeit und Grundrechts-
schutz im Präventionsstrafrecht, S. 254 ff.; kritisch zu Schmidhäuser insbesondere Ro-
xin/Greco, Strafrecht AT I, S. 1171 f.; so wohl auch Hamm, in: FS-Kargl, S. 165, 173,
beschreibt Strafwürdigkeit als Rechtfertigungsgrund für das Bestrafen von Verhaltens-
weisen; Differenzierung zwischen Strafwürdigkeit und Strafbedürftigkeit, vgl. Jescheck/
Weigend, Lehrbuch des Strafrechts, S. 551; zur Problematik des Strafwürdigkeitsbe-
griffs vgl. insbesondere Altpeter, Strafwürdigkeit und Straftatensystem, S. 26 ff., insbe-
sondere zum im Kontrast zum Begriff der „Strafbedürftigkeit“; Otto, in: GS-Schröder,
S. 53, 54 ff.
700 Als zentrales Element dessen benennet Hassemer/Neumann die Rechtsgutslehre,
wonach ein Strafgesetz immer dem Schutz eines Rechtsgutes dienen muss, vgl. NK-
StGB/Hassemer/Neumann, Vorbm. § 1 Rn. 62.
701 NK-StGB/Hassemer/Neumann, Vorbm. § 1 Rn. 51 und Rn. 60 mit Beispielen für
unzweckmäßiges Strafrecht; Vormbaum, ZStW 123 (2011), 660, 669; Kaspar, Verhält-
nismäßigkeit und Grundrechtsschutz im Präventionsstrafrecht, S. 251.
702 Vormbaum, ZStW 123 (2011), 660, 669.
703 Was sich durchaus mit Erwägungen zur Tatproportionalität und dem ultima-ratio-
Charakter des Strafrechts begründen lassen kann, siehe dazu z. B. Kaspar, Verhältnis-
mäßigkeit und Grundrechtsschutz im Präventionsstrafrecht, S. 243; die Gesetzesbegrün-
dung enthält insoweit keine Ausführungen, vgl. dazu BT-Drucks. IV/650, S. 419 f., ab-
rufbar unter https://dipbt.bundestag.de/doc/btd/04/006/0400650.pdf [zuletzt abgerufen
am 01.05.2021].
194 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln
Schutz des Lebens durch die konkrete Ausgestaltung der Norm weniger Lücken auf-
weist, als beispielsweise beim Schutz des Vermögens und einen Verstoß von Öffnungs-
klauseln gegen den fragmentarischen Charakter des Strafrechts befürwortend, vgl. so
auch Kaspar, Verhältnismäßigkeit und Grundrechtsschutz im Präventionsstrafrecht,
S. 253, der darin allerdings mangels verfassungsrechtlicher Herleitung keinen Verfas-
sungsverstoß annimmt.
707 Maiwald, in: FS-Maurach, S. 9, 14.
708 Zum Bestimmtheitsgrundsatz vgl. Kap. D. IV.
VII. Vereinbarkeit mit dem fragmentarischen Charakter des Strafrechts 195
Zum anderen erfasst aber auch die Forderung nach einem fragmentarischen
Strafrecht nicht nur die Strafrechtsordnung als solche, sondern gerade auch ein-
zelne Tatbestände.709 Das ergibt sich aus dem Sinn und Zweck des fragmentari-
schen Charakters. Denn beruft man sich für die Erforderlichkeit von straffreien
Räumen, wie oben dargelegt, auf die freiheitssichernde Funktion des fragmen-
tarischen Charakters, dann kann diese konsequenterweise nur dadurch sicher-
gestellt werden, indem das zu sanktionierende Verhalten umschrieben wird und
damit andere Verhaltensweisen aus dem Anwendungsbereich der Norm heraus-
fallen. Dies hat dann die Konsequenz, dass auch innerhalb eines grundsätzlich
sozialschädlichen Verhaltens straffreie Räume verbleiben.
Auch aus der Unerreichbarkeit einer umfassenden Gerechtigkeit ergibt sich
das Erfordernis der hinreichend bestimmt formulierten Tatbestände.710 Denn ein
allumfassender Schutz kann nicht erreicht werden, ohne nicht jegliche denkbaren
Verhaltensweisen zu pönalisieren, sodass gerade auch einzelne Tatbestände eine
Fragmentarität aufweisen müssen. Gleiches gilt für die oben dargelegten straf-
ökonomischen Erwägungen. Auch aus praktischen Gesichtspunkten ist eine um-
fassende Strafbarkeit in Bezug auf einzelne Tatbestände unökonomisch. Gerade
der exkludierende Charakter der einzelnen Tatbestände kann zu einer Entlastung
der Strafverfolgungsbehörden führen.711
Tatsache, dass der fragmentarische Charakter sich auf das Normgefüge als solches als
auch auf einzelne Tatbestände bezieht, eine Schwächung des Grundsatzes hergeleitet
werden.
712 Schmidhäuser, in: GS-Martens, S. 231, 246; im Ergebnis wohl auch Krüger,
anführt.
196 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln
rung des Handlungsspielraums der Judikative die Gefahr besteht, dass immer
weitere Verhaltensweisen aufgrund eines vermeintlichen „Rechtsgefühls“ in den
Bereich strafbaren Verhaltens einbezogen werden, kann es zu einer uferlosen
Rechtsanwendung kommen. Es fehlt dann gerade an einer notwendigen gesetzge-
berischen Intervention, die diesen Effekt begrenzt.716 Es ist aber unklar, wo ge-
nau die Grenze des Zulässigen beim fragmentarischen Charakter des Strafrechts
verläuft, zumal dem Gesetzgeber gerade auch ein eigener Entscheidungsspiel-
raum bei der Fassung von Straftatbeständen zusteht.
Öffnungsklauseln sind grundsätzlich durch die gesetzlich angeordnete innertat-
bestandliche Analogie in der Lage, vermeintliche Strafbarkeitslücken zu schlie-
ßen. Unter Öffnungsklauseln können gerade solche Verhaltensweisen subsumiert
werden, die in der enumerativen Aufzählung nicht bereits explizit genannt wur-
den. Diese Möglichkeit zum Schluss von Strafbarkeitslücken ist gerade auch die
wesentliche Intention beim Einsatz von Öffnungsklauseln.717 Das schließt aber
nicht pauschal aus, dass Öffnungsklauseln auch eine restriktive Anwendung der
Norm ermöglichen können, es also nicht automatisch zum Schluss vermeint-
licher Strafbarkeitslücken kommt bzw. kommen muss. Zumindest lässt sich nicht
ohne Weiteres ein pauschaler Verstoß dieser Art der Gesetzgebungstechnik
feststellen. Dies schließt wiederum nicht aus, dass konkrete Normen, wie § 238
Abs. 1 Nr. 8 StGB, durch ihre konkrete Verfasstheit der Öffnungsklausel im Zu-
sammenspiel mit den zuvor explizit genannten Verhaltensweisen gegen den frag-
mentarischen Charakter des Strafrechts verstoßen können.
Betrachtet man die Gesetzgebungstechnik der Öffnungsklauseln losgelöst von
einem solchen konkreten Tatbestand, kann die vorhergehende explizite Regelung
der einzelnen Verhaltensweisen eine Umgrenzung des Tatbestandes möglicher-
weise zulassen, wie sie bei Generalklauseln im Zweifel nicht im gleichen Maße
möglich sein dürfte. Problematisch kann hingegen sein, dass aufgrund der freien
Methodenwahl gerade nicht sichergestellt werden kann, dass der Tatbestand auch
entsprechend restriktiv ausgelegt wird. Auf diese Weise birgt die offene Fassung
von Öffnungsklauseln zumindest die Möglichkeit einer so weitreichenden Rechts-
anwendung, dass auf diesem Wege eine Lückenschließung ermöglicht wird. Die
konkrete Verfasstheit von Öffnungsklauseln kann auf diese Weise zwar mit einer
gelockerten Gesetzesbindung einhergehen. Ein pauschaler Verstoß aller Öff-
nungsklauseln ohne die Betrachtung der konkreten Rechtsanwendung im Ein-
zelfall kann allerdings nicht angenommen werden. Insoweit muss auch hier be-
trachtet werden, dass dem Gesetzgeber bei der Fassung von Normen auch eine
Einschätzungsprärogative zukommt.
Außerdem kann, wie bereits dargelegt, ein pauschaler Verstoß von Öffnungs-
klauseln gegen das Analogieverbot und den Bestimmtheitsgrundsatz nicht fest-
gestellt werden. Betrachtet man den fragmentarischen Charakter nun, wie auf-
gezeigt, als eine Konsequenz daraus, dass die Vorgaben in Art. 103 Abs. 2 GG
eingehalten werden, dann kann auch im Hinblick darauf konsequenterweise auch
kein Verstoß von Öffnungsklauseln gegen den fragmentarischen Charakter des
Strafrechts festgestellt werden.
Auch im Hinblick auf die weitere verfassungsrechtliche Herleitung aus der all-
gemeinen Handlungsfreiheit und dem Rechtsstaatsprinzip kann ebenfalls nicht
pauschal ein Verstoß bejaht werden. Auch hier muss auf die Möglichkeit zur re-
striktiven Auslegung und die Orientierung an den zuvor explizit beschriebenen
Verhaltensweisen verwiesen werden. Diese ermöglichen eine Orientierung bei
Rechtsanwendung, die über die Orientierungsmöglichkeiten bei Generalklauseln
hinausgehen dürften.
Die vielmehr problematische Befugnis zur innertatbestandlichen Analogie-
bildung betrifft hingegen, wie noch zu zeigen sein wird, den Grundsatz der Ge-
waltenteilung und den Grundsatz der Gesetzesbindung.718 Der Fragmentarische
Charakter des Strafrechts stützt sich seinerseits aber nicht maßgeblich und aus-
schließlich auf die gewaltenteilende Funktion. Diese ist nur insoweit Bestandteil
des fragmentarischen Charakters des Strafrechts, als dass Art. 103 Abs. 2 GG
der Wahrung der Gewaltenteilung dient und es so zu einer Verschränkung des
Gesetzlichkeitsprinzips und des fragmentarischen Charakters des Strafrechts
kommt. Da aber insoweit eine Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Ge-
setzlichkeitsprinzip angenommen werden kann, scheidet eine entsprechende Un-
vereinbarkeit aus. Auch wenn der Gesetzgeber die Judikative hier zum Lücken-
schluss ermächtigt, beruht diese Befugnis auf einer Verlagerung der Aufgabe der
Legislative auf die Judikative.
Insgesamt steht die durch Öffnungsklauseln zum Ausdruck kommende Ten-
denz zur Ausweitung des Strafrechts im Gegensatz zu dem Grundsatz, dass Straf-
recht lückenhaft sein muss und ist.719 Allerdings kann aus der grundsätzlichen
Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit Art. 103 Abs. 2 GG zumindest kein ge-
nereller Verstoß dieser Art der Gesetzgebungstechnik gegen den fragmentari-
schen Charakter des Strafrechts angenommen werden. Zwar ermöglichen Öff-
nungsklauseln durch die gesetzgeberische Befugnis zur Analogiebildung einen
Lückenschluss im Strafrecht, dabei ist aber viel mehr der Grundsatz der Gewal-
tenteilung und weniger der fragmentarische Charakter des Strafrechts als solcher
betroffen. Die Norm als solche ist nicht gezwungenermaßen konturlos und ein
pauschaler Verstoß ist nicht gegeben, obgleich zuzugeben ist, dass Öffnungsklau-
8. Gesamtergebnis
Der fragmentarische, also lückenhafte Charakter des Strafrechts ist kein Zu-
stand, der der Strafrechtsordnung automatisch anhaftet, sondern ein Prinzip, dass
durch die Gesetzgebung aktiv verwirklicht werden muss.
Diese Pflicht zur Verwirklichung ergibt sich aus den verfassungsrechtlichen
Grundlagen des fragmentarischen Charakters. Dieser ergibt sich aus den Vorga-
ben an die Gesetzgebung aus Art. 103 Abs. 2 GG. Aber auch aus dem Grund-
recht auf allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) sowie der freiheits-
sichernden Funktion eines Rechtsstaates, Art. 20 Abs. 3 GG.
Darüber hinaus ergibt sich die Pflicht zur Lückenhaftigkeit aber auch aus prak-
tischen Erwägungen. Es handelt sich beim Verbleib straffreier Bereiche nämlich
gerade nicht um ein Manko der Straffrechtsordnung. Vielmehr sind solche Lücken
im Hinblick auf Gerechtigkeit, Freiheit und Strafökonomie dringend erforderlich.
Dies gilt dabei nicht nur für die Strafrechtsordnung als solche, sondern auch
für die gesetzgeberische Ausgestaltung der einzelnen Tatbestände. Auch inner-
halb derer müssen straffreie Räume verbleiben.
Folglich stehen Öffnungsklauseln, die gerade zum Ziel haben, durch einen
möglichst weiten Anwendungsspielraum straffreie Räume zu eliminieren, in Kon-
flikt mit dem fragmentarischen Charakter des Strafrechts. Daraus folgt aber nicht
zugleich ein Verstoß gegen diesen Grundsatz. Zum einen ist eine restriktive und
insoweit nicht lückenschließende Anwendung von Öffnungsklauseln gerade nicht
ausgeschlossen, sodass ein pauschaler Verstoß dieser Art der Gesetzgebungstech-
nik ausscheidet. Vielmehr muss auch der dem Gesetzgeber zustehenden Ent-
scheidungsspielraum bei der Gestaltung von Normen Beachtung finden. Zum an-
deren folgt auch aus der zuvor festgestellten Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln
mit Art. 103 Abs. 2 GG, dass insoweit keine vollkommen konturlose Norm vor-
liegt, die in ihrer Verfasstheit im Widerspruch zum fragmentarischen Charakter
steht. Vielmehr betrifft die Befugnis zur innertatbestandlichen Analogiebildung
das Verhältnis der Legislative und Judikative.
mus zum Verfassungsstaat; Engisch, Einführung in das juristische Denken, S. 241 zur
Entwicklung der Gesetzesbindung; historisch dazu siehe auch: Ogorek, Richterkönig
oder Subsumtionsautomat? Zur Justiztheorie im 19. Jahrhundert, 1986; Schneider, Rich-
200 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln
286.
724 Montesquieu, Vom Geist des Gesetzes, S. 216: „Es gibt in jedem Staat drei Arten
von Vollmacht: die legislative Befugnis, die exekutive Befugnis in Sachen, die vom
Völkerrecht abhängen, und die exekutive Befugnis in Sachen, die vom Zivilrecht abhän-
gen“; Böckenförde, Gesetz und gesetzgebende Gewalt, S. 30.
725 Hermann, DRiZ 1982, 286; Simon, Die Unabhängigkeit des Richters, S. 2, 5;
Krey, Keine Strafe ohne Gesetz, S. 12; Bähr, in: Der bürgerliche Rechtsstaat, S. 565,
567.
726 Conrad, Richter und Gesetz im Übergang vom Absolutismus zum Verfassungs-
von der Auffassung ab, dass es sich bei der Arbeit der Judikative um einen
Rechtsfindungsprozess handelt, in dem das Ergebnis bereits vorher im Normtext
eindeutig determiniert wurde.731
Diese Maxime war dann auch wegweisend für die Errichtung eines der ersten
Strafgesetzbücher, dem Code Penal im Jahre 1791. Dort wurde den Rich-
ter*innen selbst bei der Strafzumessung kein eigener Beurteilungsspielraum zu-
gebilligt.732 Dem folgte auch das bayrische Strafgesetzbuch von 1813. Dies ent-
hielt darüber hinaus eine amtliche Kommentierung und verbot zum Zwecke der
Bindung an eben jene, jede weitere Kommentierung durch Gelehrte. Eine eigene
Auslegung der Normen durch die Richter*innen sollte unbedingt vermieden wer-
den.733 Noch war zu diesem Zeitpunkt undenkbar, dass bald Richter*innen auch
über die Wirksamkeit von Gesetzen entscheiden würden.
Die sich entwickelnde Interessenjurisprudenz734 begegnete der damals zu-
grunde liegenden Vorstellung über die Naturgegebenheit von Recht skeptisch,
insbesondere im Hinblick darauf, dass die Judikative gezwungenermaßen rechts-
schöpferisch tätig werden muss, wenn das Gesetz Lücken aufwies.735
Eine dem Art. 97 GG entsprechende Regelung, die die sachliche Unabhängig-
keit der Richter*innen aber auch deren Bindung an das geschriebene Recht ver-
fassungsrechtlich garantierte, fand sich im deutschen Recht erstmals in Art. 102
WRV.736 Die dazu vorliegenden Kommentierungen der Vorschrift verwiesen al-
lerdings auf die strenge Bindung, die nicht durch einen Verweis auf Naturrecht
umgangen werden könnte.737 Dennoch bedeutete die so normierte Unabhängig-
keit der Judikative nicht automatisch ein bestehendes Vertrauen in die Tätigkeit
der Judikative.
Im Nationalsozialismus herrschte hingegen wieder ein großes Misstrauen in
die Tätigkeit der Richter*innen. Entscheidungen wurden nur anerkannt, wenn sie
dem Willen des Staatsapparates entsprachen. Dies resultierte in einer völligen
(1914), 1, der darin ein Gegenmodell zur Begriffsjurisprudenz sah; ders., AcP 143
(1937), 129; ders., Begriffsbildung und Interessenjurisprudenz, 1932, S. 25 ff. grundle-
gend zur Interessenjurisprudenz; Müller-Erzbach, Wohin führt die Interessenjurispru-
denz?, S. 47 ff.; zusammenfassend siehe auch Dorndorf, ARSP 81 (1995), 542, 543 ff.;
Schröder, ZfPW 2016, 307, 309 und Schoppmeyer, Juristische Methode als Lebensauf-
gabe, Werk und Wirkgeschichte Philipp Hecks, S. 80 ff.; knapp zum Verhältnis auch
Mangoldt/Klein/Starck/Classen, Art. 97 GG Rn. 1.
735 Pulch, DRiZ 1976, 33, 34.
736 Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 97 Rn. 5; Conrad, Richter und Gesetz im Übergang
S. 638 ff.
743 Bockelmann, in: FS-Smend, S. 23, 34; siehe dazu auch Holste, JA 2009, 359,
360 f.
744 Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke/Heusch, Art. 97 Rn. 1.
745 Bockelmann, in: FS-Smend, S. 23, 27.
746 Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 97 Rn. 8.
747 Bockelmann, in: FS-Smend, S. 23, 38.
VIII. Vereinbarkeit mit dem Grundsatz der Gesetzesbindung 203
sieht darin keine Schranke, sondern eine notwendige Ergänzung der richterlichen Unab-
hängigkeit; ebenso: Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 97 Rn. 21; Bockelmann, in: FS-Smend,
S. 23; Hillgruber, JZ 2008, 745, 752; Simon bezeichnet die strenge Gesetzesbindung
als „Preis“ für die Unabhängigkeit, vgl. ders., Die Unabhängigkeit des Richters, S. 68;
Badura, Staatsrecht, S. 440.
752 Maunz/Dürig/Hillgruber, Art. 97 Rn. 28; Conrad, Richter und Gesetz im Über-
gang vom Absolutismus zum Verfassungsstaat, S. 8; Schroth, Theorie und Praxis sub-
jektiver Auslegung im Strafrecht, S. 99.
753 v. Münch/Kunig/Meyer, Art. 97 Rn. 26; KK-StPO/Barthe, § 1 GVG Rn. 4; AK-
Die Bindung an das Recht kann darüber hinaus mit weiteren verfassungsrecht-
lichen Grundsätzen begründet werden. Zum einen ist eine solche Bindung ent-
scheidend für die Aufrechterhaltung der Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 3 GG).
Diese benötigt zwingend Bindung und Unabhängigkeit, nur dadurch kann eine
gegenseitige Kontrolle der Gewalten sichergestellt und eine darüber hinausgehen-
de Einflussnahme ausgeschlossen werden.758 Auf der Grundlage des Gesetzes-
bindungspostulates kann eine Aufgabenabgrenzung erfolgen. Diese Aufgabenab-
grenzung wird bei der Verwendung von Öffnungsklauseln aufgelöst.759
Nur durch das Zusammenspiel von Gesetzesbindung und Gewaltenteilung
kann gewährleistet werden, dass der Wille des demokratisch legitimierten Ge-
setzgebers Eingang in die Entscheidungen der Judikative findet und so eine de-
mokratische Legitimationskette zwischen Norm und gerichtlicher Entscheidung
vorliegt und Entscheidungen nicht durch außerhalb des Gesetzes liegende Erwä-
gungen, insbesondere eigene Gerechtigkeitsvorstellungen, beeinflusst werden.760
Wird die Gesetzesbindung abgebaut, bedeutet dies auch immer einen Schwä-
chung des Demokratieprinzips.761 Denn der kontinentaleuropäische Rechtsraum
Rn. 52; Maunz/Dürig/Hillgruber, Art. 97 Rn. 33; Hillgruber, JZ 2008, 745, 747, sieht
hierin lediglich eine „Tautologie“; Papier, § 130 Richterliche Unabhängigkeit, in: Hand-
buch der Grundrechte, Rn. 26; Di Fabio, in: Handbuch des Staatsrechts, § 27 Rn. 26;
Hermann, DRiZ 1982, 286, 288; Christensen/Kudlich, Gesetzesbindung, S. 170 verste-
hen unter Recht „konkretisierte Gesetze“; umfassend auch: Christensen, Was heißt Ge-
setzesbindung?, S. 292; Ipsen, Richterrecht und Verfassung, S. 118.
206 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln
Schmitz, § 1 Rn. 7 folgt die Gesetzesbindung aus § 1 StGB und dabei insbesondere auf
dem Bestimmtheitsgrundsatz; Jakobs, Strafrecht AT, S. 64; Kim, in: FS-Roxin, S. 125,
126, aber hält auch das Analogieverbot gleichermaßen für eine Voraussetzung einer
wirksamen Gesetzesbindung; Krey, ZStW 101 (1989), 838, 840; Hassemer, ZRP 2007,
213, 214, wenngleich nicht ausdrücklich genannt; Bott/Krell, ZJS 2010, 694, 696, wo-
nach Analogie- und Bestimmtheitsgebot die strenge Gesetzesbindung im Strafrecht si-
cherstellen; LK-StGB/Dannecker, § 1 Rn. 242; NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 70;
Baumann/Weber/Mitsch/Eisele/Eisele, § 7 Rn. 3.
769 LK-StGB/Dannecker, § 1 StGB Rn. 111.
VIII. Vereinbarkeit mit dem Grundsatz der Gesetzesbindung 207
wodurch sichergestellt werden soll, dass die Judikative bei ihrer Entscheidung
keine richterliche Rechtsfortbildung und Lückenschließung praeter legem be-
treibt. Diese Möglichkeit zur Rechtsfortbildung ist bei Öffnungsklauseln, wie
noch zu zeigen sein wird, aber gerade vorgesehen. Art. 103 Abs. 2 GG führt zu
einer, im Vergleich zu den anderen Rechtsgebieten, strengeren Gesetzesbindung.
Nur auf diese Weise kann die Freiheit des Einzelnen im eingriffsintensiven Be-
reich des Strafrechts vor willkürlicher Gesetzesanwendung geschützt werden.770
Dies kann gerade nicht bei richterlicher Rechtsfortbildung gewährleistet wer-
den.771 Im Strafrecht gilt also im besonderen Maße, dass die Entscheidung der
Judikative nicht „die Willensäußerung des beliebigen Trägers der Staatsgewalt“
sein kann.772 Wie bereits aufgezeigt, ist die Abgrenzung zwischen Auslegung
und Analogie strittig, sodass auch im Hinblick auf den Grundsatz der Gesetzes-
bindung strittig sein kann, wann ein Fall unzulässiger richterlicher Rechtsfortbil-
dung vorliegt. Insgesamt ergänzen sich der Grundsatz der Gesetzesbindung und
das Gesetzlichkeitsprinzip, wodurch im Bereich des Strafrechts eine erhöhte Bin-
dungswirkung an die Norm bei der richterlichen Rechtsfindung besteht.
satz der Gesetzesbindung, anders als das Analogieverbot, auch einen Auftrag an
die Legislative.
774 Zur Entwicklung hin zu einem „ungebundenen Richter“ vgl. Simon, Die Unab-
den sind, vgl. DRiZ 1982, 286, 288; vgl. zur Diskussion insgesamt Jakobs, Strafrecht
AT, S. 64 ff., hält Möglichkeit der Gesetzesbindung für Interpretationsfrage von Art. 103
Abs. 2 GG und § 1 StGB; kritisch zu einer effektiven Gesetzesbindung: Jestaedt,
Grundrechtsentfaltung im Gesetz, S. 162, 163, der das Wechselspiel von Konkretisie-
rung durch die Rechtsprechung und gleichzeitiger Bindung der Judikative als „Bin-
dungsparadoxie“ bezeichnet; Tschentscher, Demokratische Legitimation der dritten
Gewalt, S. 191–194, verweist darauf, dass von der subjektiven Prägung der Rechts-
anwendung durch die Richter*innen nicht darauf geschlossen werden kann, dass keine
Gesetzesbindung existiert, S. 192.
776 Vgl. dazu auch Schmidt-Bens, JA 2013, 1030, 1033; Arnauld, Rechtssicherheit,
S. 412; Rüthers, NJW 2011, 1856, 1857; Bleckmann, JuS 2002, 942, 943.
777 Vgl. dazu Kap. D. V. 2.
VIII. Vereinbarkeit mit dem Grundsatz der Gesetzesbindung 209
S. 261 f.; siehe Kudlich/Christensen, ARSP 2007, 128, 139; Hesse, Grundzüge des Ver-
fassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Rn. 60; Hassemer, in: Einführung in
Rechtsphilosophie und Rechtstheorie der Gegenwart, S. 260 f., unter Hinweis darauf,
dass die Judikative die Grenzen der Gesetzesanwendung gerade selbst definiert; wohl
auch Jestaedt, wenn er in jeder Rechtsgewinnung auch einen Akt der Rechtssetzung
sieht, vgl. Jestaedt, ZÖR 2000, 133, 153; ders., Grundrechtsentfaltung im Gesetz, 1999,
S. 271 ff.; ders., Das mag in der Theorie richtig sein . . ., S. 46 ff.; zur Rechtsanwendung
und Methodenlehre im Staats- und Verfassungsrecht vgl. ders., in: Das Proprium der
Rechtswissenschaft, S. 254 f.; insbesondere: Hillgruber, JZ 2008, 745, der darauf ver-
weist, dass Gesetzesbindung selbst dann gelten muss, wenn deren Einhaltung unmög-
lich ist.
779 Hassemer, Tatbestand und Typus, S. 163.
780 Hassemer, Tatbestand und Typus, S. 160.
781 Hassemer, Tatbestand und Typus, S. 161; im Ergebnis aber eine Gesetzesbindung
Rn. 12; Tschentscher, Demokratische Legitimation der dritten Gewalt, S. 192, danach ist
210 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln
Selbst wenn einer Zeichenfolge als solcher keine Bedeutung zukommt und diese
Bedeutung erst im Kontext von Sprache und Sprachbedeutung entsteht und ge-
zwungenermaßen unklare Randbereiche des Normanwendungsbereich verblei-
ben, steht dieses Verständnis einer Bindungswirkung nicht entgegen.785 Die be-
deutet zunächst nur, dass dem Verständnis der Zeichenabfolge in Gesetzestexten
auch immer eine Wertungseben zugrunde liegt. Daran ändert auch das not-
wendige Vorverständnis mit dem Richter*innen eine Norm lesen und anwenden
nichts.786 Aus der Konkretisierungsbedürftigkeit von Normen kann also nicht be-
reits folgen, dass Gesetzen eine Bindungswirkung abgesprochen werden kann.
Wie bereits dargelegt, lassen sich klar negative und positive Kandidaten bestim-
men.787 Somit kann auf das Bestehen einer Bindungswirkung, wie aufgezeigt,
geschlossen werden.
die Entscheidung nicht bereits in der Norm angelegt; so auch Durner, JA 2008, 7, 9; so
wohl auch F. Müller, Richterrecht, S. 58; Roxin/Greco, Strafrecht AT I, S. 222, „wo-
nach der Inhalt einer Strafvorschrift immer erst durch die richterliche Auslegung im
Sinne zweifelsausschließender Deutlichkeit ,bestimmt‘ “ ist.
785 Arnauld, Rechtssicherheit, S. 413.
786 Tschentscher, Demokratische Legitimation der dritten Gewalt, S. 192.
787 Vgl. dazu in dieser Arbeit Kap. D. V. 2. b).
788 Kirchhof, NJW 1986, 2275, 2280; so auch wohl partiell Heck, Begriffsbildung
und Interessenjurisprudenz, S. 107; ders., AcP 112 (1914), 1, 20, wenn er vom „den-
kenden Gehorsam“ spricht und dabei ein Rechtsanwendnung meint, die die Interessen-
wertung des Gesetzes zugrunde legt; so im Ergebnis auch Picker, JZ 1988, 1, 7 f.
789 Kuntz spricht dabei vom „Prinzip der performativen Rechtserzeugung“, vgl. AcP
Aus dem zuvor Erläuterten resultiert bereits die erste Feststellung, dass die Ge-
setzesbindung in einem Staat, der sich für die Kodifikation von Gesetzen ent-
schieden hat, aufgrund ihrer verfassungsrechtlichen Normierung, bestehen
muss.795 Die Bindung bezieht sich dabei auf das geschriebene Wort, denn dieses
791 So im Ergebnis auch Engisch, Einführung in das juristische Denken, S. 139 ff.
792 v. Münch/Kunig/Meyer, Art. 97 Rn. 31.
793 v. Münch/Kunig/Meyer, Art. 97 Rn. 27, 31 stellt dar, wann der Grundsatz der Ge-
matik, S. 159 und legt die von den Verfasser*innen intendierte Textbedeutung zugrunde
und verweist in Zuge dessen darauf, dass ein Verstoß gegen das Analogieverbot dann
vorliegt, wenn die Interpretation nicht mehr mit dem Willen des historischen Gesetzge-
bers übereinstimmt; Depenheuer, Der Wortlaut als Grenze, S. 43, der auf das Erforder-
nis des konkreten Kontextes verweist, damit Normen verstanden werden können.
795 Hillgruber, JZ 2008, 745.
212 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln
bildet die Grundlage der Entscheidungsfindung, auch wenn der Ansicht gefolgt
wird, dass die Rechtsfindung „nachgedacht“ werden muss.796 Die Bindungswir-
kung wird dadurch erzeugt, dass die Richter*innen nicht nur ihre Entscheidung
auf eine gesetzliche Grundlage zurückführen müssen, sondern diese Rückfüh-
rung auch methodisch vertretbar begründen, also nachvollziehbar an die Norm
rückkoppeln müssen.797
Erst durch die dafür erforderliche Konkretisierung der Norm kann in den meis-
ten Fällen eine Subsumtion erfolgen.798 Entscheidend ist dabei, dass das gefun-
dene Ergebnis dieser Konkretisierung auf den Normtext und damit der demokra-
tisch legitimierten Entscheidung des Gesetzgebers tragfähig und nachvollziehbar
zurückgeführt werden kann.799 Das Ergebnis der Rechtsfindung soll kein rein
zufälliges Produkt darstellen, dass im Wesentlichen von den Wertevorstellungen
der konkreten Rechtsanwender*in abhängt.800 An dieser Stelle kann festgestellt
werden, dass Bindung notwendigerweise, wo Konkretisierung erforderlich ist,
eine nähere Determination des Rechts durch den Prozess der Auslegung benötigt.
Diese Auslegung darf aber nicht mit Willkür gleichgesetzt werden, da diese Be-
gründung bestimmten Regeln unterliegt. Nicht jedes „Ergebnis“ einer Auslegung
würde mithin als auf die Entscheidungsnorm zurückgehend akzeptiert werden.801
Ob Richter*innen bei ihrer Entscheidungsfindung und Begründung an den
buchstäblichen Wortlaut des Gesetzes als der damit verbundenen Zeichenfolge
gebunden sind oder vielmehr an den dem Gesetz innewohnenden Sinn und
Zweck als den (vermeintlich) objektiven Inhalt,802 ist durch den Wortlaut des
Art. 97 Abs. 1 GG nicht näher determiniert.803 Bei letzterem könnte es Rich-
ter*innen gestattet sein, sich an dem von ihnen erfassten Sinn und Zweck des
S. 259.
797 Kuntz, AcP 216 (2016), 866, 885 versteht dies als einen „Rechtfertigungszwang“;
1857.
799 Durner, JA 2008, 7, 10; Hillgruber, JZ 2008, 745, 746; Ebsen, Gesetzesbindung
Gesetzes zu halten, auch wenn dieser über den erkennbaren Wortlaut hinaus-
geht.804 Entscheidend ist, wie der Grundsatz der Gesetzesbindung verstanden
wird, welchen Zweck und welche verfassungsrechtliche Grundlage die Gesetzes-
bindung hat.
Unstreitig kann festgestellt werden, dass ein eindeutiges Auslegungsergebnis
bei der Rechtsanwendung der Richter*innen im Sinne eines Subsumtionsautoma-
tismus ohne jegliche Wertung nicht der Realität der Rechtsfindung entspricht.805
Die Auslegung des Gesetzes, zur Erforschung des Inhalts eines Gesetzes, ist un-
entbehrlich und ureigene Aufgabe der Judikative und enthält gezwungenermaßen
immer auch eine Wertungsebene.806 Es muss folglich ein Auslegungs- und Be-
wertungsspielraum für die Richter*innen verbleiben und bei der Bindung an das
Gesetz berücksichtigt werden.807
Dem schließt sich konsequenterweise die Frage an, inwieweit es allgemeine
Regeln gibt, denen sich die Richter*innen bei der Auslegung und Konkretisie-
rung der Normen unterwerfen.808 Ohne eine solche Methodik steht den Rich-
ter*innen die Anwendung der Gesetze erst einmal frei, solange das gefundene
schen Methodenlehre. 27 ff.; zur Bedeutung einer einheitlichen Methodenlehre vgl. Rü-
thers, JZ 2006, 53; knapp: Ebsen, Gesetzesbindung und „Richtigkeit“ der Entscheidung,
S. 35; Jescheck/Weigend, Lehrbuch des Strafrechts, S. 124; Rüthers, NJW 2011, 1856;
AK-GG/Wassermann, Art. 97 Rn. 48; aus der Rechtsprechung für eine einheitliche Me-
thodenlehre vgl. BVerfG, Beschl. v. 25.01.2011 – 1 BvR 918/10 = BVerfGE 128, 193 =
NJW 2011, 836, ergänzt durch Rüthers, NJW 2011, 1856; zur Verknüpfung von Geset-
zesbindung und Auslegung vgl. auch Hassemer, ZRP 2007, 213, 214.
214 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln
Ergebnis auf irgendeine Art und Weise begründet werden kann.809 Dies birgt die
Gefahr, dass durch eine Vielzahl von Auslegungsmethoden gerade auch eine
Vielzahl von Auslegungsergebnissen methodisch vertreten werden kann, was
wiederum zu einer Schwächung der Bindungswirkung führen kann.810 Dies kann
auch dazu führen, dass sich das gefundene Ergebnis gerade nicht anhand der zu-
grunde liegenden Norm begründen lässt. Dies liegt zum einen daran, dass es un-
terschiedliche Auslegungsmethoden gibt, die sich gegenseitig ergänzen und zum
anderen, dass der Einsatz einer bestimmten Auslegungsmethode nicht verpflich-
tend ist.811 Eine fehlende bindende Methodenlehre, die jegliche Auslegung er-
möglicht, hätte auch Folgen für die Gesetzesbindung.812 In Grenzfällen könnte
dann nicht entschieden werden, ob die Judikative durch ihre Interpretation der
Norm gegen den Grundsatz der Gesetzesbindung verstoßen hat. Die Wahl, wel-
cher Methode gefolgt wird, steht aber den Rechtsanwender*innen frei und ist
insoweit auch nicht gesetzlich normiert. Aus der Freiheit der Methodenwahl
kann aber nicht ohne Weiteres auf die Willkür der Entscheidungsfindung ge-
schlossen werden.813 Denn es Bedarf im Strafrecht immer auch einer Rückbin-
dung an den Wortlaut (dazu unter c)).
Zu erörtern ist allerdings, welche Methoden der Auslegung einer Gesetzes-
bindung eine erhöhte Bindungswirkung hervorrufen können und infolgedessen
in Bezug auf eine maximale Wirksamkeit des Grundsatzes zu bevorzugen wären.
Denn wenn die Begründung im Rahmen der Entscheidungsfindung erheblich ist,
dann ist auch die Methodenwahl für das Maß an Gesetzesbindung entscheidend.
809 Hassemer, in: Juristische Methodenlehre und richterliche Pragmatik, S. 231, 234;
Rechtsphilosophie und Rechtstheorie der Gegenwart, 2011, S. 263, verweist auf wider-
sprechende Ergebnisse.
811 Zum Teil wird daraus eine Freiheit der Methodenwahl abgeleitet, vgl. dazu Rad-
bruch, Einführung in die Rechtswissenschaften, S. 169 und der daraus die Erkenntnis
ableitet, dass die Auslegungsmethode erst gewählt wird, wenn das Ergebnis bereits fest-
steht: „Die Auslegung ist also das Ergebnis – ihres Ergebnisses [. . .]“; zur fehlenden
gesetzlich verpflichtenden Methodenwahl vgl. NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 115a;
zusammenfassend auch Rüthers/Fischer, Rechtstheorie, Rn. 696 ff.; kritisch: Hassemer,
ZRP 2007, 213.
812 NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 103 bezeichnet diese Frage als eine Frage
814 Auf diese berufen sich (fast ausschließlich) die obersten deutschen Gerichte, vgl.
dazu BVerfG, Urt. v. 21.05.1951 – 2 BvH 2/52 = BVerfGE 1, 299 = NJW 1952, 737;
BVerfG, Beschl. v. 15.12.1959 – 1 BvL 10/55 = BVerfGE 10, 234 = NJW 1960, 235;
BVerfG, Urt. v. 06.02.1983 – 2 BvE 1/83 = BVerfGE 62, 1 = NJW 1983, 735, verwei-
sen auf den „objektivierten Willen“ des Gesetzgebers, der dem subjektiven Willen des
historischen Gesetzgebers vorgeht; zusammenfassend siehe auch: Bleckmann, JuS 2002,
942, 942; kritisch dazu F. Müller, Normstruktur und Normativität, S. 114; außerdem
wohl auch, wenn er auf das Erfordernis der „sachgerechten Einzelfallentscheidung“ ver-
weist: Burmeister, Die Verfassungsorientierung der Gesetzesauslegung, S. 54 f., auch
wenn er darlegt, dass die Wahl der Auslegungsmethode in der Rechtsfindung unbedeu-
tend ist; Jescheck/Weigend, Lehrbuch des Strafrechts, S. 156, bezeichnet dies als die
„Krone der Auslegungsverfahren“, schließt sich dann aber der sog. „Andeutungstheo-
rie“ an; Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 333 ff.; dazu zusammenfas-
send bei Rüthers/Fischer, Rechtstheorie, Rn. 801; Walz, ZJS 2010, 482, 485; Schäfer
JuS 2015, 875, 878; Bydlinski, Grundzüge der Juristische Methodenlehre, S. 43 ff.;
Schönke/Schröder/Hecker, § 1 Rn. 43; Pawlowski, Einführung in die juristische Metho-
denlehre, S. 198; auch eine Abweichung vom Wortlaut befürwortend, vgl. Zippelius,
Juristische Methodenlehre, S. 76; kritisch zur objektiven Auslegungsmethode insb. im
Hinblick auf das Demokratieprinzip und den Grundsatz der Gewaltenteilung vgl. LK-
StGB/Dannecker, § 1 Rn. 296.
815 Rüthers, Die heimliche Revolution vom Rechtsstaat zum Richterstaat, S. 93 f.;
2008, 745, 755 unter Verweis daraus, dass diese erst recht ein Einfallstor für die persön-
liche Wertung der jeweiligen Richter*innen in der konkreten Entscheidung darstellt.
817 Rüthers, JZ 2009, 969, 971; Foerste, JZ 2007, 121, 124 für das Zivilrecht.
818 Rüthers, JZ 2002, 365, 369.
216 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln
wurden.819 Das verdeutlicht, dass dieser „verobjektivierte Zweck“ auch nicht völ-
lig losgelöst vom Normtext bestimmt werden kann, sondern gerade in diesem
angelegt sein muss.820 Folgte man strikt der objektiven Theorie, wäre der Grund-
satz der Gesetzesbindung nur dann verletzt, wenn das Ergebnis der Rechts-
findung weder mit dem objektiven Sinn und Zweck noch mit dem Wortlaut der
Norm vereinbar wäre.821
Dem gegenüber steht die subjektive Methode, die bei der Auslegung neben
dem Wortlaut822 der Norm auf den Willen des historischen Gesetzgebers abstellt
und auf diese Weise eine direkte Legitimationskette zur Legislative herstellen
will.823 Danach soll bei gesellschaftlichen Entwicklungen, die eine gesetzgebe-
rische Intervention erfordern, gerade nicht die Judikative die Norm entsprechend
der geänderten Verhältnisse anwenden, sondern es soll eine strikte Bindung an
den Wortlaut und der Intention des historischen Gesetzgebers fortbestehen.824
Eine Fortentwicklung des geschriebenen Rechts anhand des Willens eines objek-
tivierten Gesetzgebers soll nicht erfolgen. Dies wird damit begründet, dass ein
Verweis auf den objektiven Sinn und Zweck der Norm die Gesetzesbindung ge-
rade schwächt. Denn dieser könne durch die subjektive Prägung, welche Zielset-
S. 37; LK-StGB-Dannecker, § 1, Rn. 309; für eine strenge Gesetzesbindung siehe auch:
Rüthers/C. Fischer, Rechtstheorie, S. 435; Naucke, in: FS-Engisch, S. 174; ders., Zur
Lehre vom strafbaren Betrug, 1964, 191 ff.; kritisch zur objektiven Auslegungsmethode;
Loos, in: FS-Wassermann, S. 123; wohl auch Ebsen, Gesetzesbindung und „Richtigkeit“
der Entscheidung, 42 f.; so auch in einer Entscheidung des ersten Senates: BVerfG,
Beschl. v. 25.01.2011 – 1 BvR 918/10 = BVerfGE 128, 193 = NJW 2011, 836 und
Sondervotum zur Entscheidung BVerfG, Beschl. v. 15.01.2009 – 2 BvR 2044/07 =
BVerfGE 122, 248 = NJW 2009, 1469, 1476, wonach es eine verfassungsrechtlich nor-
mierte Beschränkung der Methodenwahl gibt; umfassend zur subjektiven Auslegung:
Schroth, Theorie und Praxis subjektiver Auslegung im Strafrecht, S. 37 ff.; wohl auch
AK-GG/Wassermann, Art. 97 Rn. 47; unter Verweis darauf, dass der historische Wille
auch im Hinblick auf die Gesetzesbindung nicht außer Betracht bleiben sollte, vgl. NK-
StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 107; Kargl., ZStW 113 (2001), 565, 570, 576, im Hin-
blick auf § 266 StGB; differenziert Rengier, Strafrecht AT, § 5 Rn. 11.
824 LK-StGB-Dannecker, § 1 Rn. 309.
VIII. Vereinbarkeit mit dem Grundsatz der Gesetzesbindung 217
Im Bereich des Strafrechts sind der Auslegung engere Grenzen gesetzt als in
anderen Rechtsgebieten. Dem Wortlaut kommt eine erhöhte Bindungswirkung
zu. Grundlage für die Entscheidung ist also die „Zeichenkette“ einer Gesetzes-
norm.831 Denn durch Art. 103 Abs. 2 GG ist die Judikative über eine Norm mit
Verfassungsrang bei der Anwendung des geschriebenen Rechts an dessen Norm-
825 Kritisch zur objektiven Auslegungsmethode siehe auch: Rüthers, JZ 2006, 53, 54.
826 LK-StGB-Dannecker, § 1 Rn. 315.
827 So wohl Tschentscher, Demokratische Legitimation der dritten Gewalt, S. 192;
Badura, Staatsrecht, S. 441, wenn er darauf verweist, dass auf diese Weise eine Ausle-
gung wahrscheinlich gemacht, aber ebenso gewisse Ergebnisse auch ausgeschlossen
werden können; Röhl, in: FS-Lampe, S. 240.
828 Rüthers, Die heimliche Revolution vom Rechtsstaat zum Richterstaat, S. 153.
829 N. Horn, Einführung in die Rechtswissenschaften, Rn. 179a.
830 So unter Bezugnahme auf den Normtext wohl auch Loos, in: FS-Wassermann,
S. 123.
831 Christensen/Kudlich, Gesetzesbindung, S. 183.
218 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln
auch Becker/Martenson, JZ 2016, 783 ff. zur Bedeutung des Kontextes für das Ver-
ständnis von Sprache und der damit zusammenhängenden Wahrscheinlichkeit der Wort-
bedeutung in einer bestimmten Situation.
837 Christensen/Kudlich, Gesetzesbindung, S. 180.
838 Christensen/Kudlich, Gesetzesbindung, S. 181.
VIII. Vereinbarkeit mit dem Grundsatz der Gesetzesbindung 219
lichen Bewertung nicht ausgeschlossen, so lange sie sich noch im Bereich des
Verständlichen bewegen und mit dem Wortlaut der Norm zu vereinbaren sind,
vgl. Art. 103 Abs. 1 GG und Art. 97 GG.839 Die Bindung wird durch die metho-
disch begründete Anwendung des Gesetzes auf den Einzelfall sichergestellt, un-
abhängig davon, ob die Auslegung sich – neben dem Wortlaut – einer gesetzes-
historischen oder einer an Sinn und Zweck orientierten Begründung bedient.840
In welchem Rangverhältnis die dargelegten Auslegungsmethoden stehen, ist für
die zu erörternde Fragestellung nicht erheblich.841 Entscheidend ist der Normtext
als Rahmen der Auslegung.
f) Zwischenergebnis
weise die Auslegung von § 142 StGB, vgl. Küper, in: FS-Uni Heidelberg, S. 451.
840 Und das Ergebnis kann auch anhand dessen (theoretisch) „falsifiziert werden“,
vgl. NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 109d, 114, 122 was hingegen bei der Interpreta-
tion von Sinn und Zweck nicht möglich ist, vgl. Rn. 114b; Hassemer, in: FS-Jung,
S. 246, 254; Kudlich/Christensen, JA 2004, 74, 80; Seelmann, Rechtsphilosophie, § 4
Rn. 15.
841 Vgl. dazu Roxin/Greco, Strafrecht AT I, S. 224.
842 Über die theoretische Begründung dessen kann freilich gestritten werden, vgl. zu
NJW 1973, 1221; BVerfG, Urt. v. 03.04.1990 – 1 BvR 1186/89 = BVerfGE 82, 6, 12 =
NJW 1990, 1593; BVerfG, Beschl. 11.10.1978 – 1 BvR 84/74 = BVerfGE 49, 304,
220 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln
die Fälle der richterlichen Rechtsfortbildung.844 Diese ist von der Konkretisie-
rung zu unterscheiden, indem die richterliche Rechtsfortbildung aus der Art der
Begründung erkennbar über den gesetzlich festgelegten Anwendungsbereich der
Norm hinausgeht. Eine solche kann dazu beitragen, ein gewünschtes Auslegungs-
ergebnis zu erreichen.845 Aus dem Wortlaut von Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 97
Abs. 1 GG lässt sich eine solche Ausnahme allerdings nicht entnehmen.846 Nach
der Rechtsprechung des BVerfG kann allerdings mit Verweis auf die Formulie-
rung „Gesetz und Recht“ in Art. 20 Abs. 3 GG zumindest den (Fach-)Gerichten
eine Befugnis zur Rechtsfortbildung erteilt werden. Dies enthalte gerade einen
Hinweis darauf, dass die Gerichte auch an überpositives Recht gebunden seien,
dieses durch die Fortbildung der bestehenden Rechtslage verwirklichen könnten
und im Bedarfsfall auch sollten. Die geschriebene Rechtsordnung weise Rege-
lungslücken auf und bedürfe gerade der Korrektur durch die Judikative. Eine
strenge Bindung an den Wortsinn sei aufgrund dessen nicht geboten. Die Ge-
richte verweisen darauf, dass die Judikative im Zweifel die Gerechtigkeitsvorstel-
lungen der Gemeinschaft verwirklichen muss.847 Dass ein Verweis auf Gerechtig-
keitsvorstellung als solche jedoch problematisch ist, wurde bereits dargelegt.848
Darüber hinaus wird angeführt, dass es sich bei der richterlichen Rechtsfortbil-
dung auch um ein notwendiges und „seit jeher anerkanntes“ 849 Instrument zur
Lückenschließung in einem Staat handele und es eine anerkannte und ureigene
Aufgabe der Judikative sei. Eine solche Auffassung führt zu einer Lockerung des
Grundsatzes der Gesetzesbindung.850 Dennoch wird gerade der Grundsatz der
Gesetzesbindung (Art. 20 Abs. 3 GG) als Begrenzung der richterlichen Rechts-
318 = NJW 1979, 305; BVerfG, Beschl. v. 08.10.1996 – 1 BvR 875/91 = BVerfGE 95,
48, 62 = NJW 1997, 447; so für Ausnahmefälle auch Christensen/Kudlich, Gesetzesbin-
dung, S. 178; ebenso Schroth, Theorie und Praxis subjektiver Auslegung im Strafrecht,
S. 101.
844 Kritisch dazu: Arnauld, Rechtssicherheit, 415 ff.; befürwortend: Badura, Staats-
recht, S. 440; Gusy beschreibt dies nicht als Durchbrechung als vielmehr einen Vor-
gang, der von der Bindungswirkung mangels einschlägiger gesetzlicher Grundlage
ohnehin nicht erfasst ist, vgl. DÖV, 1992, 461, 463.
845 Wank, Die Auslegung von Gesetzen, S. 114 ff.; allerdings ist diese dann nicht
mehr mit dem Grundsatz der Gesetzesbindung vereinbar, wenn sie contra legem erfolgt,
vgl. Gusy, DÖV, 461, 466.
846 Ebsen, Gesetzesbindung und „Richtigkeit“ der Entscheidung, S. 48; Ipsen, Rich-
terrecht und Verfassung, S. 120, wonach der Art. 20 Abs. 3 GG keine „Detailweisun-
gen“ beinhaltet.
847 BVerfG, Beschl. v. 14.02.1973 – 1 BvR 112/65 = BVerfGE 34, 269, 286–288 =
NJW 1973, 1221, 1225 unter Verweis auf das Privatrecht; kritisch: AK-GG/Wasser-
mann, Art. 97 Rn. 48.
848 Vgl. unter Kap. C. II. 2.
849 BVerfG, Beschl. v. 12.03.1985 – 1 BvR 571/84 = BVerfGE 69, 188 = NJW 1985,
2939.
850 Kritisch: Hillgruber, JZ 2008, 745, 746, der dies unter Verweis auf die Entste-
fortbildung herangezogen.851 Dies soll insbesondere dann der Fall sein, wenn die
Rechtsordnung keinen Anhaltspunkt für das Auslegungsergebnis bietet.852 Es
wird allerdings auch darauf verwiesen, dass die genaue Befugnis zur richter-
lichen Rechtsfortbildung auch vom betroffenen Rechtsgebiet abhängig ist.853 Zu-
mindest wird aus dieser Rechtsprechung aber erkennbar, dass die Judikative in
Art. 20 Abs. 3 keine umfassende Bindung an das geschriebene Wort ableitet. An-
ders kann und muss dies freilich für den Bereich des Strafrechts aufgrund der
Regelung des Art. 103 Abs. 2 GG gesehen werden.
Richterrecht854 kann als sog. Aufstand der Judikative gegen das Recht verstan-
den werden, sodass es sich immer dann um richterliche Rechtsfortbildung han-
delt, wenn die Konkretisierung der Norm durch die Gerichte vom Willen des Ge-
setzgebers abweicht. Dies beinhaltet aber die Gefahr, dass eine mit dem Wortlaut
übereinstimmende Auslegung als richterliche Rechtsfortbildung eingeordnet
wird, weil die konkrete Auslegung als nicht mit dem Willen des Gesetzgebers
vereinbar eingeordnet wird.855
851 BVerfG, Beschl. 11.10.1978 – 1 BvR 84/74 = BVerfGE 49, 304, 318 = NJW
1979, 305, 306; BVerfG, Beschl. v. 19.10.1983 – BVerfGE 65, 182 – 2 BvR 468/80 =
NJW 1984, 475.
852 BVerfG, Beschl. v. 19.10.1983 – BVerfGE 65, 182 – 2 BvR 468/80 = NJW 1984,
475.
853 BVerfG, Beschl. v. 14.02.1973 – 1 BvR 112/65 = BVerfGE 34, 269, 286–288 =
Richterrecht muss aber nicht zwingend vom Willen des Gesetzgebers ausge-
hend definiert werden, sondern kann auch danach beurteilt werden, ob (bewusste
oder unbewusste) Rechtslücken durch die Judikative geschlossen werden.856 Das
bedeutet, dass es sich immer dann um richterliche Rechtsfortbildung handelt,
wenn die Judikative bisher rechtsfreie Räume betritt, die Rechtsfindung also
praeter legem erfolgt. Bewusst nicht näher geregelte Bereiche liegen auch dann
vor, wenn sich der Gesetzgeber der Verwendung von Generalklauseln oder Öff-
nungsklauseln bedient.857 Gerade im Bereich der Generalklauseln trifft der Ge-
setzgeber grundsätzlich nur eine abstrakte Entscheidung über die Strafbarkeit
bestimmter Verhaltensweisen, die sich in einem besonderen Maße „in seiner
Distanz von Einzelfällen“ auszeichnet, um möglichst viele solcher Einzelfälle zu
umfassen.858 Werden solche Generalklauseln durch die Judikative nun auf Ein-
zelfälle angewendet, betritt sie dadurch einen bewusst nur in Grundzügen gere-
gelten Bereich. Es findet in der Regel durch die Anwendung auf Einzelfälle eine
Fallgruppenbildung statt, woraus geschlossen werden könnte, dass die Judikative
eine Art der richterlichen Rechtsfortbildung betreibt.859 So werden Generalklau-
seln zum Teil auch als Aufforderung der Gesetzgebung an die Rechtsprechung
zur Fortschreibung des Rechts verstanden.860 Entscheidend ist aber, ob sich die
Entscheidung der Gerichte anhand der Auslegungsmethoden zurückverfolgen las-
sen oder die Gerichte bewusst über die in den Normen geregelten Fälle hinaus-
gehen und dies in ihrer Begründung auch kenntlich machen. Auf diese Weise
unterscheidet sich gerade auch die Anwendung von Öffnungsklauseln von der
Anwendung klassischer Generalklauseln.861 Denn Öffnungsklauseln sehen ge-
rade eine Anwendung auf vergleichbare oder ähnliche Fälle vor, also genau auf
solche, die die bewusst lückenhafte gesetzliche Regelung nicht erfasst.
856 Pulch, DRiZ 1976, 33, 34; F. Müller, Richterrecht, S. 58, der an dieser Stelle von
einer „politischen Rechtsprechungstätigkeit“ und nennt aber auch ein Beispiel für Rich-
terrecht, wo ein Normtext trotz bestehender Regelung durch die Judikative faktisch ge-
schaffen wurde; Rüthers, JZ 2006, 53, 59; so wohl auch Gusy, DÖV 1992, 461, 463.
857 Rüthers, Die unbegrenzte Auslegung, S. 458 ff.; ablehnend für Generalklauseln
nur den Normtext bezeichnen und nicht die Norm als solche.
860 Ipsen, Richterrecht und Verfassung, S. 63.
861 Zur Differenzierung siehe bereits Kap. B. II.
VIII. Vereinbarkeit mit dem Grundsatz der Gesetzesbindung 223
darüber aus, wie mit gesetzgeberischen Lücken oder Normen, die eine Anwen-
dung über den Regelungsbereich der Norm hinaus ermöglichen, umgegangen
werden muss. Inwieweit im Einklang mit dem Grundsatz der Gesetzesbindung
eine solche Lückenschließung rechtmäßig ist, hängt maßgeblich vom betroffenen
Regelungsbereich ab. Im Zivilrecht sind Richter*innen zwar durch den Grundsatz
der Gesetzesbindung an das geschriebene Recht gebunden, es fehlt darüber hin-
aus aber an einer dem Art. 103 Abs. 2 GG gleichlautenden Regelung. Konse-
quenz dessen ist, dass die Richter*innen gerade in gesetzlich nur wenig oder
auch gar nicht geregelten Bereichen Grundsatzentscheidungen durch richterliche
Rechtsfortbildung treffen können, an denen sich die anderen Gerichte orientieren,
und so zwar keine Normen im Sinne des Ergebnisses eines Gesetzgebungsverfah-
rens schaffen, aber dennoch Regelungen aufstellen, die normgleichen Charakter
aufweisen.862 Allerdings ist eine richterliche Rechtsfortbildung in jenen Be-
reichen ausgeschlossen, in denen es eine klare verfassungsrechtliche Grenze,
wie z. B. durch Art. 103 Abs. 2 GG gibt.863 Darüber hinaus gibt es durch den
Grundsatz der Gesetzesbindung eine Bindung an das bestehende Recht, woraus
geschlossen werden kann, dass die Richter*innen innerhalb der richterlichen
Rechtsfortbildung nicht so frei sind wie der Gesetzgeber.864
Im Strafrecht ist eine solche Lückenschließung, wie sie beispielsweise im Ar-
beitskampfrecht erfolgt,865 grundsätzlich nicht möglich. Das ergibt sich aller-
dings nicht aus Art. 20 Abs. 3 GG, der für alle Rechtsgebiete gleichermaßen gilt,
sondern aus Art. 103 Abs. 2 GG.866 Diese zusätzliche verfassungsrechtliche Vor-
gabe zeigt zumindest partiell das Verhältnis von Art. 20 Abs. 3 und Art. 103
Abs. 2 GG auf: Dort, wo also nur eine Gesetzesbindung nach Art. 20 Abs. 3 GG
Anwendung findet, ist gerade noch nichts über den Umgang mit eben jenen Be-
reichen gesagt, in denen es an einer rechtlichen Regelung fehlt. Dann besteht
zumindest die Möglichkeit, dass diese ungeregelten Bereiche durch die Gerichte
über Einzelfallentscheidungen hinaus geregelt werden.
Im Strafrecht setzen Art. 103 Abs. 2 GG und der damit verbundene Grundsatz
der Gesetzesbindung einem solchen Vorgehen allerdings Grenzen. Daraus folgt,
dass grundsätzlich eine Fortbildung des Rechts durch die Judikative möglich ist,
allerdings sind dem Strafrecht dabei durch das Gesetzlichkeitsprinzip Grenzen
gesetzt. Das erklärt auch, warum die in Art. 103 Abs. 2 GG verbürgten Garantien
zum Teil als „Grundsatz der Gesetzesgebundenheit im Strafrecht“ bezeichnet
862 Schmidt-Bens, JA 2013, 1030; Kirchhof, NJW 1986, 2275; Picker, JZ 1988, 1;
J. Hermann, DRiZ 1982, 286, 288; Pulch, DRiZ 1976, 33, 34.
863 Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke/Hofmann, Art. 20 Rn. 94.
864 Siehe dazu auch die Ausführungen bei Picker, JZ 1988, 1, 2.
865 Hergenröder, Zivilprozessuale Grundlagen richterlicher Rechtsfortbildung, S. 3;
die Schaffung von Richterrecht durch die Anwendung von Generalklauseln bezieht.
224 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln
Wenn der Grundsatz der Gesetzesbindung im Strafrecht enger gefasst wird als
in anderen Rechtsbereichen, kann bereits die Anwendung von Generalklauseln
eine unzulässige richterliche Rechtsfortbildung darstellen. Durch eben jene stren-
gere Bindung an das geschriebene Recht dürfen im Rahmen der richterlichen
Rechtsfortbildung unstreitig keine neuen Straftatbestände geschaffen oder exis-
tierende Normen über den Wortlaut der Norm erweitert werden. Ob dies der Fall
ist, ist anhand der richterlichen Begründung zu beurteilen. Die Möglichkeiten der
richterlichen Rechtsfortbildung sind folglich im Strafrecht in einem erhöhten
Maße eingeschränkt.
Generalklauseln erfordern aufgrund ihres offenen Anwendungsbereiches ein
erhöhtes Maß an Konkretisierung und ihnen kann unter Umständen eine Auffor-
derung an die Judikative entnommen werden, eigenes Recht zu schaffen.868 Eine
Orientierung an Auslegungsmethoden erscheint aufgrund des weit gefassten
Wortlautes kaum möglich. Das bedeutet, dass die Gerichte aus Generalklauseln
die Berechtigung zur Schaffung von Recht ableiten können, sollte ein Fall nicht
anderweitig gesetzlich geregelt sein. Die Bindungswirkung an das geschriebene
Recht ist dann allenfalls noch schwach ausgeprägt. Die Anwendung solcher Nor-
men durch die Judikative führt zu einem faktischen Verlust der Bindung an das
geschriebene Recht. Das mag im Rahmen des Zivilrechts weitgehend unproble-
matisch sein. Auch wenn der Wortlaut des Art. 20 Abs. 3 GG mit einem solchen
Vorgehen vereinbar erscheint, lassen Sinn und Zweck der Regelung dies insbe-
sondere durch die Ergänzung durch Art. 103 Abs. 2 GG im Bereich des Straf-
rechts in einem anderen Licht erscheinen. Denn durch diese Regelung soll ge-
rade die Gewaltenteilung wahren und so ein Konzept der gegenseitigen Kontrolle
garantieren. Nimmt dann die Rechtsprechung durch die Anwendung einer Gene-
ralklausel eine quasi-gesetzgeberische Funktion ein, wird die durch die Gewal-
tenteilung gezogene Grenze überschritten. Die Wahrung dieser Grenze soll aller-
dings unter anderem durch Art. 20 Abs. 3 GG garantiert werden.
Diese Befugnis zur richterlichen Rechtsfortbildung tritt bei Öffnungsklauseln
besonders deutlich hervor: Hier findet durch die gesetzgeberische Möglichkeit
der Anwendung des Gesetzes auf vergleichbare Fälle keine verschleierte Aufga-
benverlagerung auf die Judikative statt, sondern es wird eine ausdrückliche Be-
fugnis geschaffen, die Norm auch auf nicht näher geregelte Fälle anzuwenden.
Auch über die geforderte Bindungskompetenz876 ist der Grundsatz der Geset-
zesbindung eng mit dem Grundsatz der Gewaltenteilung verknüpft. Denn diese
zementiert die Aufgabenverteilung zwischen Legislative und Judikative. Der Ge-
setzgeber bestimmt durch die konkrete Verfasstheit der Normen die Stärke der
Gesetzesbindung für die Judikative und nimmt dabei die ihm originär zugeteilte
Aufgabe wahr, selbst über die Strafbarkeit von Verhaltensweisen zu entscheiden.
Der Grundsatz der Gewaltenteilung877 ergibt sich zwar nicht ausdrücklich aus
dem Wortlaut des Art. 20 Abs. 2 GG,878 aber aus dem Zusammenspiel des
klar ist und Art. 20 Abs. 2 GG viel mehr die „Organzuordnung“ regelt als die Gewal-
tenteilung; historisch: ders., Die drei Gewalten, S. 43 ff.; ders., AöR 132 (2007), 493 ff.;
VIII. Vereinbarkeit mit dem Grundsatz der Gesetzesbindung 227
Ossenbühl, DÖV 1980, 546 ff.; dazu eingehend: Lerchen, in: Gewaltenteilung heute,
S. 75 ff.; Achterberg, Probleme der Funktionslehre, 1970, S. 8 ff.; Jarass, Politik und
Bürokratie als Elemente der Gewaltenteilung, 1975; Horn, AÖR 127 (2002), 427, 457
verweist darauf, dass der Grundsatz der Gewaltenteilung seinen Regelungsgehalt nicht
automatisch entfaltet; Arnauld„ ZParl 32 (2001), 678, 685, insbesondere zur Begriffsbil-
dung und mit Erläuterung, wonach Gewaltenteilung der Verhütung von Missbrauch
dient; Cornils, in: Verfassungstheorie, S. 657, 699 insb. zu den mit der Gewaltenteilung
zusammenhängenden Forderungen; Leisner, DÖV 1969, 405, 411 und beschreibt den
Grundsatz der Gewaltenteilung als „inhaltsarme Staatsgrundnorm“; Kuhl, Der Kernbe-
reich der Exekutive, S. 125 ff.; Kriele, EuGRZ 1986, 601; historisch zur Gewaltentei-
lung siehe auch Grzeszick, Die Teilung der Gewalten, S. 1 ff.; Krebs, Kontrolle in staat-
lichen Entscheidungsprozessen, S. 41 ff.; Stern, StaatsR Bd. II, S. 531 ff.; Zimmer,
Funktion – Kompetenz – Legitimation, S. 21, 24 ff.; Hoffmann-Riem, in: FS-Schneider,
183 ff. insbesondere zu den einzelnen Funktionen der Gewaltenteilung; aus der neueren
Rechtsprechung vgl. insbesondere Beschl. v. 17.07.1996 – 2 BvF 2/93 = BVerfGE 95,
1 = NJW 1997, 383.
878 So auch Mangoldt/Klein/Starck/Unger, Art. 44 Rn. 42.
879 Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 20 Rn. 67; Maunz/Dürig/Herdegen, Art. 79 Rn. 145;
Maunz/Dürig/Gericke, Art. 20 V. Rn. 57, wonach eine Gewaltenteilung aber auch au-
ßerhalb von Demokratie- und Rechtsstaat denkbar ist; Mangoldt/Klein/Starck/Starck,
Art. 20 Rn. 207.
880 Jarass/Pieroth/Kment/Jarass, Art. 20 Rn. 32a; BeckOK-GG/Huster/Rux, Art. 20
Rn. 159.
881 Mangoldt/Klein/Starck/Starck, Art. 20 Rn. 197.
882 Gericke verweist darauf, dass die von ihm vertretene „Kontrolltheorie“ diese Drei-
teilung nur bedingt rechtfertigen kann, vgl. Maunz/Dürig/Gericke, Art. 20 V. Rn. 46.
883 Jarass/Pieroth/Kment/Jarass, Art. 20 Rn. 33; Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 20 Rn. 69;
Diese Teilung der Gewalten dient als Strukturprinzip887 der Einschränkung der
jeweiligen Macht, die den Gewalten zuteil wird.888 Dem liegt die Vorstellung zu-
grunde, dass eine Machtverteilung auf möglichst viele staatliche Schultern den
Machtmissbrauch einschränken und im Falle eines Machtmissbrauchs den da-
durch resultierenden Schaden minimieren kann.889 Auf diese Weise sichert der
Grundsatz der Gewaltenteilung auch die individuelle Freiheit des Einzelnen.890
Aber die Aufgabenteilung stellt außerdem auch sicher, dass die den Gewalten
zuteilwerdenden Aufgaben ordnungsgemäß erfüllt werden, indem sich die Ge-
walten auf ihre Kompetenzbereiche besinnen.891 Auf diese Weise erfasst der
Grundsatz der Gewaltenteilung auch immer eine „Zuständigkeitsverteilung“.892
Schließlich bietet die Gewaltenteilung auch die Möglichkeit der gegenseitigen
Kontrolle der Gewalten untereinander (sog. checks and balances).893
Eine strenge Gewaltenteilung, in der es keine Überschneidung der einzelnen
Kompetenzbereiche untereinander gibt, kann es aber gleichwohl nicht geben. Ins-
besondere Gesetzgebung und Gesetzesanwendung lassen sich nicht immer klar
voneinander trennen.894 Gewaltenteilung und gegenseitige Kontrolle sind also
Rn. 221, wonach die Unabhängigkeit der Judikative zu einer stärkeren Gewaltenteilung
führt als zwischen der Legislative und der Exekutive.
888 Maunz/Dürig/Herdegen, Art. 79 Rn. 145; BeckOK-GG/Huster/Rux, Art. 20
Rn. 156; im Bereich der genauen Funktionsbeschreibung und der Diskussion darüber,
welche Wirkung der Grundsatz der Gewaltenteilung ohne weitergehende grundgesetz-
liche oder einfachgesetzliche Konkretisierung zukommt, stehen sich „Kontrolltheorie“
und „Funktionslehre“ gegenüber; umfassend zur Kontrolltheorie, vgl. Maunz/Dürig/Ge-
ricke, Art. 20 V. Rn. 30 ff.; Dreier/Schulze-Fielitz Art. 20 Rn. 68.
889 Maunz/Dürig/Gericke, Art. 20 V. Rn. 30, 35, der aber auch davon ausgeht, dass
die Komponenten von Machtmissbrauch und Kontrolle den Grundsatz der Gewaltentei-
lung nicht vollumfänglich erfassen; Gericke spricht von „spezifischer Ausübung staat-
licher Macht“, an dieser Stelle entfaltet sich augenscheinlich die Streitigkeit zwischen
„Kontrolltheorie“ und „Funktionslehre“. Gericke weist daraufhin, dass insbesondere
materielle Maßstäbe zur Verhinderung des Machtmissbrauchs als Kontrollinstrumente
erforderlich sind, vgl. dazu Rn. 37.
890 BeckOK-GG/Huster/Rux, Art. 20 Rn. 156.
891 Sachs/Sachs, Art. 20 Rn. 81 spricht von „Organisations- und Funktionsprinzip“;
Rn. 158; siehe dazu auch BVerfG, Beschl. v. 10.10.1972 – 2 BvL 51/69 = BVerfGE 34,
52 = NJW 1973, 132: „Kontrolle, Hemmung und Mäßigung der Gewalten“; Jarass/Pie-
roth/Kment/Jarass, Art. 20 Rn. 32.
894 Dreier/Schulze-Fielitz Art. 20 Rn. 67, verweist auch darauf, dass unter Gewalten-
teilung gerade keine „Gewaltentrennung“ zu verstehen ist, vgl. Rn. 71; Sachs/Sachs,
Art. 20 Rn. 81 wird als „Gewaltenbalancierung“ bezeichnet; Mangoldt/Klein/Starck/
Starck, Art. 20 Rn. 210; damit lässt sich auch erklären, warum das BVerfG nur ver-
einzelt Verstöße gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung feststellt, vgl. exemplarisch:
Zu Genehmigungsvorbehalten vgl. BVerfG, Beschl. v. 12.06.1979 – 1 BvL 19/76 =
BVerfGE 52, 1 = NJW 1980, 985.
VIII. Vereinbarkeit mit dem Grundsatz der Gesetzesbindung 229
b) Kernbereichslehre
895 Maunz/Dürig/Gericke, Art. 20 V. Rn. 42, wonach die Gewaltenteilung nur sicher-
gestellt werden kann, wenn den anderen Gewalten durch das Recht entsprechende Kon-
trollbefugnisse zugestanden werden.
896 Maunz/Dürig/Herdegen, Art. 79 Rn. 149; Maunz/Dürig/Gericke, Art. 20 V.
Rn. 50 unterteilt noch einmal in einen qualitativen und einen quantitativen Kernbereich;
Mangoldt/Klein/Starck/Starck, Art. 20 Rn. 215; so auch BVerfG, Urt. v. 18.12.1953 –
1 BvL 106/53 = BVerfGE 3, 225, 237 = NJW 1954, 65, 66; kritisch insbesondere, weil
der Kernbereich nicht eindeutig zu identifizieren ist: Achterberg, Probleme der Funk-
tionslehre, S. 191 ff.
897 BeckOK-GG/Huster/Rux, Art. 20 Rn. 163.
898 Maunz/Dürig/Gericke, Art. 20 V. Rn. 50; Sachs/Sachs, Art. 20 Rn. 93.
230 D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln
Wie bereits dargelegt, kann ein Verstoß von Öffnungsklauseln gegen die in
Art. 103 Abs. 2 GG enthaltenen Garantien, wie dem Bestimmtheitsgrundsatz, das
Analogieverbot und das Rückwirkungsverbot, nicht angenommen werden.
Gleichwohl zeigt sich, dass Öffnungsklauseln eine Aufgabenverlagerung durch
eine gesetzliche Anordnung vornehmen, die als verfassungsrechtlich unzulässig
anzusehen ist. Diese Unvereinbarkeit deutet sich bereits im Rahmen des Analo-
gieverbotes und des Bestimmtheitsgrundsatzes an, obgleich hier ein Verstoß ge-
gen diese Grundsätze nicht festgestellt werden kann. Aber sowohl im Bestimmt-
heitsgrundsatz als auch im Analogieverbot kommen der Grundsatz der Gesetzes-
bindung und der Grundsatz der Gewaltenteilung zum Ausdruck. Wie gleich zu
zeigen ist, sind Öffnungsklauseln mit eben diesen zuletzt genannten Grundsätzen
unvereinbar.
Gesetzesbindung setzt sich zusammen aus dem Normtext und der Norminter-
pretation anhand der anerkannten Auslegungsmethoden. Die Methodenwahl ist
grundsätzlich frei. Ob eine Entscheidung an den Normtext „rückgebunden“ wer-
den kann, entscheidet sich wesentlich anhand der Begründung, die für die
Rechtsanwendung gewählt wird. Entscheidung und Begründung müssen dabei im
Erwartungshorizont bleiben, um nicht willkürlich zu sein. Im Strafrecht verstärkt
Art. 103 Abs. 2 GG die bestehende Gesetzesbindung: Eine erkennbar nicht vom
Wortlaut gedeckte Entscheidung darf die Judikative nicht treffen. Der Gesetzge-
ber muss die Normen hinreichend bestimmt, i. S. e. Optimierungsgebotes, schaf-
fen.899
Der Grundsatz der Gesetzesbindung ist nicht nur reflexhafte Folge der Einhal-
tung der in Art. 103 Abs. 2 GG normierten Grundsätze, sondern enthält auch den
Auftrag an die Gesetzgebung Normen mit Bindungskompetenz900 zu schaffen.
Diese Bindungskompetenz wird aber durch Öffnungsklauseln verletzt: Entschei-
dend ist hier gerade nicht, dass die Rechtsanwendung von Öffnungsklauseln im
erheblichen Maße unvorhersehbar ist. Die Möglichkeit der Vorhersehbarkeit kann
gerade durch die zuvor genannten explizit aufgezählten Verhaltensweisen sicher-
gestellt werden. Es liegt also eine vom Gesetzgeber getroffene Entscheidung vor.
Vielmehr zeichnen sich Öffnungsklauseln gerade dadurch aus, dass diese Nor-
men es den Rechtsanwender*innen ermöglichen, auch nicht vom Gesetzgeber
benannte Fälle unter die Norm zu fassen. Das geschieht dadurch, dass nicht mehr
nur der Inhalt der Norm konkretisiert wird, sondern die Norm ausdrücklich auf
vergleichbare Fälle angewendet wird und somit ein innertatbestandlicher Analo-
gieschluss vorgenommen wird.
gung führt dazu, dass dem Normtext eine geringe Bindungskompetenz zukommt.
Denn das ist gerade Ziel der Öffnungsklauseln. Sie sollen unterschiedliche Aus-
legungsergebnisse für den Fall ermöglichen, sodass Gerichte ein Verhalten, das
nicht explizit in der enumerativen Aufzählung erfasst wird, unter den Tatbestand
subsumieren können.902 Die Bindungskompetenz wird aufgrund der gesetzlich
angeordneten innertatbestandlichen Analogie von Öffnungsklauseln verletzt. Eine
Rückbindung der Rechtsanwendung durch die Judikative auf die von der Legisla-
tive getroffene Entscheidung kann nicht erfolgen, weil die Legislative die Ent-
scheidung bewusst ausgelagert hat. Daraus ergibt sich ebenfalls, dass Öffnungs-
klauseln nicht mit dem Grundsatz der Gewaltenteilung vereinbar sind. Der
Grundsatz der Gewaltenteilung stellt sicher, dass die Kernaufgabenbereiche von
Legislative, Judikative und Exekutive nicht auf andere Gewalten übertragen wer-
den. Kernaufgabe der Judikative ist es, die Entscheidung über strafbares Verhal-
ten selbst zu treffen. Das schließt nicht aus, dass es zur Rechtsanwendung durch
die Judikative immer auch einer Konkretisierung der Norm bedarf. Indem Öff-
nungsklauseln aber eine gesetzliche Befugnis zur innertatbestandlichen Analogie
schaffen, gehen sie über diese zulässige Konkretisierung hinaus. Diese unter-
scheidet sich, wie aufgezeigt, zumindest in pragmatischer Hinsicht von der ana-
logen Rechtsanwendung. Öffnungsklauseln übertragen bewusst eine der Legisla-
tive obliegende Aufgabe auf die Judikative. Diese Aufgabe der Rechtssetzung ist
dem Kernbereich legislativer Tätigkeiten zuzuordnen und eine Umverteilung im
Ergebnis unzulässig.
5. Gesamtergebnis
902 Zur Erweiterung des Anwendungsbereichs vgl. D. Simon, Die Unabhängigkeit des
Der Topos der Gesetzesbindung enthält aber gerade nicht nur einen Auftrag an
die Judikative, sondern ist, um die volle Wirksamkeit des Zwecks zu entfalten,
ebenfalls an die Legislative gerichtet. Das bedeutet, dass Normen durch die ge-
wählte Art der Formulierung eine Bindungswirkung entfalten können müssen.
Sie müssen also eine sog. Bindungskompetenz aufweisen. Eine Bindungswirkung
kann die Norm allerdings nicht erzeugen, wenn sie direkt oder indirekt die Ent-
scheidung über die abstrakten Voraussetzungen der Strafbarkeit auf die Gerichte
überträgt. Denn dann ist die Judikative gezwungen, die Aufgaben der Legislative
zu übernehmen, was der Funktion der Sicherung der Gewaltenteilung wider-
spricht. Der Grundsatz der Gewaltenteilung führt nicht dazu, dass sich die Auf-
gabenbereiche immer und zu jeder Zeit starr voneinander trennen lassen. Viel-
mehr findet auch in der erforderlichen Konkretisierung von Normen immer auch
eine Form der Rechtsschöpfung durch die Gerichte statt. Unzulässig ist aber,
wenn Kernbereiche einzelner Gewalten übertragen werden. Öffnungsklauseln
zeichnen sich dadurch aus, dass sie es den Rechtsanwender*innen ermöglichen,
die Norm auf vergleichbare Fälle anzuwenden. Sie werden so allein auf Grund-
lage der richterlichen Begründung auf andere Weise rechtsschöpferisch tätig als
dies z. B. im Bereich von Generalklauseln bei der notwendigen Konkretisierung
von Normen, erforderlich ist. Diese Berührung des Kernbereichs der Gewalten-
teilung aufgrund der fehlenden Bindungskompetenz führt zu einer Verletzung
sowohl des Grundsatzes der Gewaltenteilung als auch des Grundsatzes der Ge-
setzesbindung.
spective overruling umgangen werden. Auf diese Weise kommt es nicht in jedem
Falle zur Unvereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Rückwirkungsverbot.
Dennoch kommen in all den zuvor geprüften verfassungsrechtlichen Grund-
sätzen auf unterschiedliche Weise der Grundsatz der Gesetzesbindung und der
Grundsatz der Gewaltenteilung zum Ausdruck. Mit diesen Grundsätzen ist die
Gesetzgebungstechnik der Öffnungsklauseln, auch losgelöst von einer konkreten
Norm, nicht vereinbar. Der Grundsatz der Gesetzesbindung ist mit dem Grund-
satz der Gewaltenteilung untrennbar verbunden. Nur wenn eine Norm eine sog.
Bindungskompetenz aufweisen kann, kann auch die Aufgabenverteilung zwi-
schen Legislative und Judikative sichergestellt werden. Eine solche Bindungswir-
kung weisen Öffnungsklauseln gerade nicht auf. Sie enthalten eine ausdrückliche
Aufgabenverlagerung, indem sie der Judikative die Befugnis erteilen, die Norm
auch auf vergleichbare oder ähnliche Fälle anzuwenden. Damit geht die Anwen-
dung von Öffnungsklauseln gerade über die bei der Rechtsanwendung notwen-
dige Konkretisierung von Normen hinaus. Der Kernbereich legislativer Tätigkeit,
selbst abstrakt über die Strafbarkeit von Verhaltensweisen zu entscheiden, wird
bewusst auf die Judikative übertragen.
E. Konsequenz für Strafgesetze
Abschließend bleibt noch die Frage, welche Auswirkungen die obigen Feststel-
lungen auf die Strafgesetzgebung haben. Dabei sind zwei Konsequenzen zu diffe-
renzieren: Der zukünftige Einsatz von Öffnungsklauseln bei neu zu schaffenden
Tatbeständen und der Umgang mit dem Einsatz von Öffnungsklauseln als Gesetz-
gebungstechnik in bereits existierenden Strafgesetzen. Dabei ist die Rechtsfolge
der ersten Gruppe offensichtlich: Öffnungsklauseln sollten in der Strafgesetz-
gebung aufgrund ihrer Unvereinbarkeit mit dem Grundsatz der Gesetzesbindung
und dem Grundsatz der Gewaltenteilung nicht eingesetzt werden.1 Ob dabei eine
rein generalisierende Betrachtung oder eine rein kasuistische Methode gewählt
werden sollte, kann hier nicht beurteilt werden und müsste an anderer Stelle wei-
tergehend untersucht werden.
Weiterhin und ebenfalls an anderer Stelle wäre zu untersuchen, wie aber der
Einsatz von Öffnungsklauseln im Völkerstrafrecht zu behandeln wäre. Denn
diese Form der Gesetzgebungstechnik findet sich gerade nicht nur im nationalen
Strafrecht. In § 7 Abs. 1 Nr. 3 VStGB wird mit der Formulierung „oder [. . .] auf
andere Weise einen Menschen versklavt“ eine Öffnungsklausel verwendet. Diese
wird aber deutlich weniger kritisch gewürdigt, als dies bei vergleichbaren Rege-
lungen im Rahmen des StGB der Fall ist. Art. 7 Abs. 1 EMRK fordert den Schutz
vor willkürlicher Strafverfolgung, dies gilt aber gem. Art. 7 Abs. 2 EMRK gerade
nicht für Verbrechen gegen die Menschlichkeit (sog. Nürnberg-Klausel). Damit
gilt das Gesetzlichkeitsprinzip nur eingeschränkt im Völkerstrafrecht.2 Eine
Strafbarkeit nach allgemeinen völkerstrafrechtlichen Grundsätzen zum Zeitpunkt
der Tatbegehung genügt damit.3 Offen bleibt an dieser Stelle, ob auch im Völker-
strafrecht der Einsatz von Öffnungsklauseln vermieden werden müsste oder ob an
dieser Stelle aufgrund der überragenden Bedeutung der dort betroffenen Rechts-
dazu Bekanntmachung über das Inkrafttreten der Konvention zum Schutze der Men-
schenrechte und Grundfreiheit, abrufbar unter https://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav
#__bgbl__%2F%2F*%5B%40attr_id%3D%27bgbl254s0014.pdf%27%5D__160828837
3665 [zuletzt abgerufen am 18.12.2020].
3 Sachs/Degenhart, Art. 103 Rn. 56.
E. Konsequenz für Strafgesetze 237
urteilung nach einer solchen Öffnungsklausel ist die Wiederaufnahme des Verfahrens
gem. § 79 Abs. 1 BVerfGG nach den Vorschriften der StPO möglich.
7 Schlaich/Korioth/Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, Rn. 449.
8 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 08.03.1972 – 2 BvR 28/71 = BVerfGE 32, 373 = NJW
1972, 1123; Stern, StaatsR Bd. III/2, S. 1147 zur „verfassungskonformen Auslegung“;
zur Verfassungswidrigkeitserklärung vgl. Ipsen, JZ 1983, 41.
9 BVerfG, Beschl. v. 26.04.1994 – 1 BvR 1299/89, 1 BvL 6/90 = BVerfGE 90, 263,
desverfassungsgericht, Rn. 450; kann aber auch als ein „zu viel an Deutungshilfe für
den Gesetzgeber“ verstanden werden, vgl. Stern, StaatsR Bd. II, S. 959.
238 E. Konsequenz für Strafgesetze
auch in diesem Fall die Frage aufwirft, wer tatsächlich Recht macht. In jedem
Falle würde es aber, bei einer entsprechenden Entscheidung, dazu führen, dass
die Öffnungsklausel nicht weiter anwendbar ist. Dies betrifft aber nur den Fall
der nationalen Strafgesetzgebung.
F. Praktische Konsequenzen der Nichtanwendung
von bestehenden Öffnungsklauseln
Zu befürchtende Regelungslücken werden augenscheinlich bei Streichung der
bereits existierenden Öffnungsklauseln nicht verbleiben. Dies zeigt die folgende
exemplarische Analyse der Rechtsprechung zu § 238 Abs. 1 Nr. 8 StGB und
§ 315b Abs. 1 Nr. Dazu sei gesagt, dass diese Analyse der Rechtsprechung insbe-
sondere im Hinblick auf § 315 Abs. 1 Nr. 3 StGB keinen Anspruch auf Vollstän-
digkeit erhebt. Intendiert ist mit der folgenden Darstellung lediglich aufzuzeigen,
wie sich eine Nichtanwendbarkeit auswirken könnte.
Bezüglich des 2007 eingeführten § 238 Abs. 1 Nr. 8 StGB gibt es, soweit er-
sichtlich, nur eine einzige Entscheidung des Landgerichts Potsdam, die auf die
Öffnungsklausel Bezug nimmt.1 In der dortigen Entscheidung suchte die Ange-
schuldigte durch SMS und Anrufe beharrlich die Nähe ihres Opfers. Ein solches
Verhalten lässt sich unstreitig, so sah es auch das LG, unter § 238 Abs. 1 Nr. 2
StGB subsumieren. Dieser erfasst gerade die Fälle der Kontaktaufnahme durch
Telekommunikationsmittel. Warum hier auch ein Fall des § 238 Abs. 1 Nr. 8
StGB angenommen wird, bleibt hingegen offen. Zumindest lässt sich aber für
den in Frage stehenden Sachverhalt feststellen, dass es auch ohne die Öffnungs-
klausel zu einer Verurteilung der Angeklagten gekommen wäre. Strafbarkeits-
lücken wären insoweit nicht zu befürchten gewesen, obgleich schon zweifelhaft
ist, ob Strafbarkeitslücken als Argument für den Einsatz von Öffnungsklauseln
herangezogen werden können.2 Dass es darüber hinaus, soweit ersichtlich, keine
Entscheidungen gibt, die sich auf § 238 Abs. 1 Nr. 8 StGB stützen, legt den
Schluss nahe, dass diese Tatbestandsvariante nicht essenziell ist, um Fälle der
Nachstellung zur Verurteilung zu bringen.3
gruppe mit 30 km/h; BGH, Beschl. v. 05.11.2013 4 StR 454-13 = NStZ 2014, 86; OLG
Hamm, Beschl. v. 20.02.2014 – III-1 RVs 15/14, 1 RVs 15/14 = NStZ-RR 2014, 141;
AG Geilenkirchen, Urt. v. 12.06.2018 – 17 Ls 26/18, 17 Ls – 108 Js 1410/17 – 26/18;
BGH, Urt. v. 14.08.2018 – 4 StR 251/18 = NStZ-RR 2018, 332; BGH, Beschl. v. 20.03.
2019 – 4 StR 517/18 = NStZ 2020, 225; OLG, Beschl. v. 27.01.2000 – 2 Ss 1030/2000 =
NStZ-RR 2001, 104 auch beim Zufahren auf eine Polizeiabsperrung, wenn Nötigungs-
zwecke verfolgt werden; LG Zweibrücken, Beschl. v. 01.08.1994 – 1 Qs 112/94 unter
Verweis darauf, dass das Zufahren mit einem PKW einen Gefährdungsvorsatz erfordert;
BGH, Urt. v. 09.11.1989 – 4 StR 342/89 = NZV 1990, 77; OLG Koblenz, Beschl. v.
06.10.1987 – 1 Ss 425/87; BGH, Urt. v. 24.07.1975 – 4 StR 165/75 = BGHSt 26, 176 =
NJW 1975, 1934; BGH, Urt. v. 04.10.1967 – 4 StR 356/67 = BGHSt 22, 6 = NJW
1968, 456.
5 BGH, Urt. v. 06.12.2018 – 4 StR 260/18, wenn die Person auf der Flucht Gegen-
stände aus dem Fahrzeug wirft, um einen Unfall herbeizuführen, kann auch § 315b
Abs. 1 Nr. 2 angenommen werden; BGH, Urt. v. 04.12.2002 – 4 StR 103/02 = BGHSt
48, 119 = NJW 2003, 836; BGH, Beschl. v. 12.11.2002 – 4 StR 384/02 = NStZ 2003,
206: Werfen von Gegenständen von Autobahnbrücke.
6 Womit nicht gesagt ist, dass sich alle Fälle, die von den Gerichten unter § 315b
Abs. 1 Nr. 3 StGB subsumiert werden, erschöpfend in eine der beiden Fallgruppen ein-
teilen lassen, daneben gibt auch noch Fälle, wie das Mitnehmen einer Person auf der
Kühlerhaube bei hoher Geschwindigkeit über einen längeren Zeitraum, vgl. BGH, Urt.
v. 19.12.1974 – 4 StR 541/74 = BGHSt 26, 51 = NJW 1975, 656 oder das Schubsen
eines Radfahrers auf die Fahrbahn, wobei sich dieser Fall auch unter § 315b Abs. 1
Nr. 2 einordnen ließe, vgl. AG Dachau – 1 Cs 53 Js 12791-11.
7 Zu den Voraussetzungen eines sog. „pervertierten Inneneingriffs“ vgl. NK-StGB/
solcher begründet dann i. d. R. auch eine Strafbarkeit aus § 223 oder § 212 Abs. 1
StGB. So käme es auch bei Unanwendbarkeit von Öffnungsklauseln nicht zu ei-
ner Straffreiheit der Verhaltensweisen. Auch wenn es zu keinem Unfall gekom-
men ist, so verbleibt immer auch eine Versuchsstrafbarkeit. Darüber hinaus wei-
sen § 315b Abs. 1 Nr. 2 StGB und § 223 StGB einen identischen Strafrahmen
auf. Unter Umständen liegt in den genannten Fällen aber eine Qualifikation gem.
§ 315b Abs. 3 StGB vor. In diesen Fällen erhöht sich der Strafrahmen, sodass
eine Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu verhängen ist. Eine ver-
gleichbare Strafrahmenerhöhung sieht aber auch § 224 StGB vor. Der Einsatz
eines Fahrzeuges kann darüber hinaus i. d. R. unter § 224 Abs. 1 Nr. 2 Var. 2
StGB subsumiert werden, sodass üblicherweise auch der Tatbestand einer gefähr-
lichen Körperverletzung erfüllt sein dürfte.
Darüber hinaus herrscht zum Teil Unklarheit darüber, ob das Werfen von Ge-
genständen nicht auch bereits von § 315b Abs. 1 Nr. 2 StGB erfasst ist.8 Hier
dürfte es im Einzelfall auf die konkrete Tatsituation ankommen, also ob die Ge-
genstände die anderen PKW direkt treffen sollten oder diese als Hindernisse auf
der Straße liegend beschädigen sollten. Im Zweifel kann hier also auch eine
Strafbarkeit aus § 315b Abs. 1 StGB selbst angenommen werden.
Schließt man sich der Ansicht an, dass diese dem Schutz von Leib, Leben und
Eigentum dienen, ergibt sich auch hier keine Divergenz zu den ansonsten ein-
schlägigen Delikten.9 Hält man hingegen die Sicherheit des Straßenverkehrs
(auch) für das geschützte Rechtsgut,10 kann dies dazu führen, dass eine Verurtei-
lung allein aus Delikten, die dem Schutz von Individualrechtsgütern dienen, dem
Unrecht nicht gerecht wird. Gleichwohl steht es dem Gesetzgeber frei, entspre-
chende Strafbarkeiten für das Zufahren und das Werfen von Gegenständen zu
schaffen, sollte dies für erforderlich gehalten werden, um auf diesem Wege dem
Schutz der Sicherheit des Straßenverkehrs Rechnung zu tragen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass eine Nichtanwendbarkeit des § 315b
Abs. 1 Nr. 3 StGB nicht zu Strafbarkeitslücken führt, denn die Verwirklichung
setzt, zumindest bei Eingriffen aus dem Straßenverkehr selbst, immer auch einen
schützte Rechtsgut gehalten, vgl. LK-StGB/König, § 315b Rn. 3, verweist aber darauf,
dass der Tatbestand durch seine Fassung auch die Rechtsgüter Leben, Eigentum und die
körperliche Unversehrtheit mitschützt; so wohl auch die Rechtsprechung, vgl. exempla-
risch BGH, Beschl. v. 08.06.2004 – 4 StR 160/04 = NStZ 2004, 625, NStZ 2004; oder
auch in zusätzlich zu den o. g. Individualrechtsgütern, vgl. Matt/Renzikowski, § 315b
Rn. 1; Lackner/Kühl/Heger, § 315 Rn. 1; MüKo-StGB/Pegel, § 315b Rn. 1; Schönke/
Schröder/Hecker, § 315 Rn. 1; SSW-StGB/Ernemann, § 315b Rn. 1.
242 F. Konsequenzen der Nichtanwendung von bestehenden Öffnungsklauseln
nen, so muss diesem Optimismus Einhalt geboten werden. Was für gerecht emp-
funden wird, ist nicht unstreitig festgelegt, sondern auch von den politischen Sys-
temen abhängig in denen diese Bewertung getätigt wird. Anwendungsspielräume
zur Verwirklichung der Gerechtigkeit bergen folglich die immerwährende Gefahr,
dass sie sich zum Einfallstor für Rechtsentwicklungen werden, die mit der ur-
sprünglich verbundenen Gerechtigkeitserwägung nichts mehr gemein haben.1 Sie
bieten gerade Einfallstor für das Politische. Rechtsanwendung ist nie völlig wert-
frei, aber sie kann zumindest bemüht sein, sich persönlichen Wertevorstellungen
so weit wie möglich zu entziehen.
dung soll gerade eine Fortsetzung der Entscheidung des demokratisch legitimier-
ten Gesetzgebers in die Einzelfallentscheidung der Gerichte hinein sicherstellen.
Wenn aber der Gesetzgeber die Entscheidung gerade offenlässt und bewusst auf
die Judikative überträgt, dann fehlt Normen die erforderliche „Bindungskompe-
tenz“.
Hingegen können Verstöße gegen den Bestimmtheitsgrundsatz und das Analo-
gieverbot nicht pauschal angenommen werden. Öffnungsklauseln weisen, anders
als klassische Generalklauseln, gerade eine explizite Aufzählung der unter Strafe
stehenden Verhaltensweisen auf, die vor der eigentlichen Öffnungsklausel ge-
nannt werden. Diese Aufzählung lässt es zu, dass die Judikative sich auch bei der
Anwendung der Öffnungsklauseln daran orientieren und das Ergebnis daran aus-
richten kann. Die Norm zeichnet sich gerade nicht durch Konturlosigkeit oder
eine besonders große Anzahl unbestimmter Rechtsbegriffe aus. Zwar dient auch
der Grundsatz der Gesetzesbestimmtheit der Wahrung der Gewaltenteilung. Die-
se soll aber durch eine möglichst genaue Gesetzesfassung sichergestellt werden.
Problematisch ist bei Öffnungsklauseln aber die Kompetenzübertragung und we-
niger die konkrete Gesetzesfassung im Sinne des gewählten Wortlautes.
Gleiches gilt für das Analogieverbot: Dieses richtete sich primär an die Judika-
tive und besagt, dass diese Normen nicht durch einen Analogieschluss auf nicht
geregelte Sachverhalte anwenden darf. Öffnungsklauseln als Gesetzgebungstech-
nik verstoßen folglich nicht gegen dieses Analogieverbot. Sie enthalten zwar die
Befugnis zur innertatbestandlichen Analogiebildung. Diese betrifft aber die Ge-
setzgebungstechnik und wird vom Grundsatz der Gewaltenteilung erfasst. Ein
klassisches Verständnis des Analogieverbotes erfasst solche innertatbestandlichen
Analogien gerade nicht. Vielmehr liegt hier ein Verstoß gegen den Grundsatz der
Gewaltenteilung vor.
Vergleichbar kann auch die Antwort auf die Frage der Vereinbarkeit von Öff-
nungsklauseln mit dem fragmentarischen Charakter des Strafrechts beantwortet
werden. Dieser findet unterschiedliche verfassungsrechtliche Anknüpfungspunk-
te, z. B. bei Art. 103 Abs. 2 GG, der allgemeinen Handlungsfreiheit und dem
Rechtsstaatsprinzip. Im Hinblick auf diese verfassungsrechtlichen Anknüpfungen
kann aber nicht per se ein Verstoß gegen den fragmentarischen Charakter des
Strafrechts angenommen werden. Zum einen wurde ein pauschaler Verstoß gegen
Art. 103 Abs. 2 GG bereits abgelehnt und zum anderen ermöglichen auch Öff-
nungsklauseln durchaus eine restriktive Rechtsanwendung, sodass es nicht auto-
matisch zu einem Lückenschluss im Strafrecht kommen muss. Des Weiteren ist
anzuerkennen, dass Hauptzweck von Öffnungsklauseln die Schließung von Straf-
barkeitslücken ist; so ist es auch nicht ausgeschlossen, dass konkrete Normen, die
sich der Gesetzgebungstechnik der Öffnungsklauseln bedienen, nicht mit dem
fragmentarischen Charakter des Strafrechts vereinbar sind. Jedoch wurde bereits
die Zwecksetzung, Strafbarkeitslücken zu schließen, als illegitim gewertet. Was
II. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln 247
die konkrete Ausformung von Öffnungsklauseln betrifft, so führt die dort vorge-
nommene Kompetenzverlagerung vielmehr zu einem Verstoß gegen den Grund-
satz der Gewaltenteilung und der Gesetzesbindung.
Insgesamt lässt sich also sagen, dass – auch wenn dem Gesetzgeber bei der
Fassung von Normen ein Entscheidungsspielraum zusteht – durch den Einsatz
von Öffnungsklauseln eine mit dem Verfassungsrecht unvereinbare Kompetenz-
verschiebung von Legislative zur Judikative vornimmt. Die Entscheidung über
strafbares Verhalten wird auf die Gerichte verlagert. Durch eine sich anschlie-
ßende Fallgruppenbildung, die auch für andere Gerichte Vorbildfunktion ein-
nimmt, wird gerade auch die Normierung von abstrakt-generellen Strafbarkeits-
voraussetzungen in besonderem Maße verlagert. Auch wenn die Kompetenz-
verschiebung unter Umständen sowohl von Legislative als auch Judikative
Zustimmung erhalten sollte,2 legitimiert dies nicht die Durchbrechung des
Grundsatzes der Gewaltenteilung und des Grundsatzes der Gesetzesbindung.
Die Entscheidungskompetenz, inwieweit Normen bei veränderter Tatsachen-
lage anwendbar bleiben sollen oder einer Anpassung bedürfen, ist eine poli-
tische. Sie muss zwingend in der Staatsgewalt entscheiden werden, die für poli-
tische Entscheidungen zuständig ist: Der Legislative.3 Der Grundsatz der Ge-
setzesbindung und der Grundsatz der Gewaltenteilung liefen ins Leere, wenn die
Judikative einerseits an die Gesetze gebunden wäre, aber andererseits faktisch
zur Rechtssetzung beauftragt wäre. Recht muss also zwingend und so abschlie-
ßend wie möglich die Legislative machen.
2 Simon, Vom Rechtsstaat zum Richterstaat, Vortrag vom 03.11.2008 abrufbar unter
https://archiv.rechtswirklichkeit.de/veranstaltungen/Vortragsreihe/inhalte/dokumente/vor
trag_simon.pdf [zuletzt abgerufen am 08.09.2020].
3 Rüthers, JZ 2006, 53, 59.
Literaturverzeichnis
Achterberg, Norbert: Probleme der Funktionslehre, München 1970
Albrecht, Anna Helena: Überlegungen zur Behandlung gesetzesergänzender Rechtspre-
chung, in: Wilhelm Degener (Hrsg.), Festschrift für Friedrich Dencker zum 70. Ge-
burtstag, Tübingen 2012, S. 1 (zitiert: Albrecht, in: FS-Dencker)
Albrecht, Anna H./Geneuss, Julia/Giraud, Alix u. a. (Hrsg.): Strafrecht und Politik,
6. Symposium Junger Strafrechtlerinnen und Strafrechtler, Baden-Baden 2018
Albrecht, Hans-Jörg: Die generalpräventive Effizienz von strafrechtlichen Sanktionen,
in: Forschungsgruppe Kriminologie (Hrsg.), Empirische Kriminologie – Ein Jahr-
zehnt kriminologischer Forschung am Max-Planck-Institut in Freiburg i. Br.; Be-
standaufnahme und Ausblick, Freiburg 1980, S. 305 (zitiert: Albrecht, in: Empiri-
sche Kriminologie)
Albrecht, Hans-Jörg (Hrsg.): Kriminalität, Ökonomie und europäischer Sozialstaat, Mit
34 Tabellen, Heidelberg 2003
Albrecht, Peter-Alexis: Spezialprävention angesichts neuer Tätergruppen, ZStW 97
(1985), 831
Albrecht, Peter-Alexis: Erosion des rechtsstaatlichen Strafens, KritV 1993, 163
Albrecht, Peter-Alexis: Entkriminalisierung als Gebot des Rechtsstaats, KritV 1996, 330
Albrecht, Peter-Alexis: Die Funktionalisierung des Opfers im Kriminaljustizsystem, in:
Bernd Schünemann (Hrsg.), Die Stellung des Opfers im Strafrechtssystem, Neue
Entwicklungen in Deutschland und in den USA, Köln 2000, S. 39 (zitiert: Albrecht,
in: Die Stellung des Opfers im Strafrechtssystem)
Albrecht, Peter-Alexis: Kriminologie: eine Grundlegung zum Strafrecht, 3. Aufl. Mün-
chen 2005
Alexy, Robert: Theorie der Grundrechte, 8. Aufl., Frankfurt am Main 1985
Alexy, Robert: Mauerschützen: Zum Verhältnis Recht, Moral und Strafbarkeit, Göttin-
gen 1993
Altpeter, Frank: Strafwürdigkeit und Straftatsystem, Eine Untersuchung zur Einbezie-
hung von Strafwürdigkeitsaspekten in das Straftatsystem am Beispiel der vortatbe-
standlichen und tatbestandlichen Ebene, Frankfurt am Main u. a. 1990 (zitiert: Alt-
peter, Strafwürdigkeit und Straftatsystem)
Alwart, Heiner: Strafwürdiges Versuchen, Eine Analyse zum Begriff der Strafwürdig-
keit und zur Struktur des Versuchsdelikts, Berlin 1982 (zitiert: Alwart, Strafwürdi-
ges Versuchen)
Amelung, Knut: Sitzblockaden, Gewalt und Kraftentfaltung, Zur dritten Sitzblockaden-
Entscheidung des BVerfG, NJW 1995, 2584
Literaturverzeichnis 249
Blei, Hermann: Die Regelbeispielstechnik der schweren Fälle und §§ 243, 244 n. F.
StGB, in: Hermann Blei/Hans Lüttger/Peter Hanau (Hrsg.), Festschrift für Ernst
Heinitz zum 70. Geburtstag am 1. Januar 1972, Berlin/Boston 2017, S. 419 (zitiert:
Blei, in: FS-Heinitz)
Blei, Hermann/Lüttger, Hans/Hanau, Peter (Hrsg.): Festschrift für Ernst Heinitz zum
70. Geburtstag am 1. Januar 1972, Berlin/Boston 2017
Bloy, René: Der Vorstellungsgehalt des dolus eventualis, ZStW 103 (1991), 636
Bloy, René: Möglichkeiten und Grenzen der Gewährleistung von Sicherheit durch Straf-
recht, in: Carsten Momsen (Hrsg.), Fragmentarisches Strafrecht, Beiträge zum Straf-
recht, Strafprozeßrecht und zur Strafrechtsvergleichung; für Manfred Maiwald aus
Anlaß seiner Emeritierung, verfaßt von seinen Schülern, Mitarbeitern und Freunden,
Frankfurt a. M. 2003, S. 9 (zitiert: Bloy, in: FS-Maiwald)
Bloy, René: Symbolik im Strafrecht, in: Georg Freund (Hrsg.), Grundlagen und Dogma-
tik des gesamten Strafrechtssystems, Festschrift für Wolfgang Frisch zum 70. Ge-
burtstag, Berlin 2013, S. 59 (zitiert: Bloy, in: FS-Frisch)
Bock, Michael: Kriminologie und Spezialprävention, Ein skeptischer Lagebericht,
ZStW 102 (1990), 504
Bock, Stefanie (Hrsg.): Strafrecht als interdisziplinäre Wissenschaft, 4. Symposium jun-
ger Strafrechtswissenschaftlerinnen und Strafrechtswissenschaftler, Baden-Baden
2015
Bockelmann, Paul: Richter und Gesetz, in: Rechtsprobleme in Staat und Kirche: Fest-
schrift für Rudolf Smend zum 70. Geburtstag 15. Januar 1952; dargebr. von Freun-
den, Schülern und Kollegen, Göttingen 1952, S. 23 (zitiert: Bockelmann, in: FS-
Smed)
Bockelmann, Paul (Hrsg.): Festschrift für Karl Engisch zum 70. Geburtstag, Frankfurt
a. M. 1969
Bockelmann, Paul (Hrsg.): Festschrift für Eberhard Schmidt zum 70. Geburtstag, Aalen
1971
Böckenförde, Ernst-Wolfgang: Gesetz und gesetzgebende Gewalt, Von den Anfängen
der deutschen Staatsrechtslehre bis zur Höhe des staatsrechtlichen Positivismus, Ber-
lin 1958 (zitiert: Böckenförde, Gesetz und gesetzgebende Gewalt)
Boers, Hans: Rückwirkende Anwendung der 1,3-Promille-Grenze, NJW 1967, 1310
Boers, Klaus/Walburg, Christian/Reinecke, Jost: Jugendkriminalität – Keine Zunahme
im Dunkelfeld, kaum Unterschiede zwischen Einheimischen und Migranten, Be-
funde aus Duisburger und Münsteraner Längsschnittstudie, MschKrim 89 (2006), 63
Böse, Martin: Das Bundesverfassungsgericht „bestimmt“ den Inhalt des Untreuetatbe-
standes, JURA 2011, 617
Bott, Ingo/Krell, Paul: Der Grundsatz „nulla poena sine lege“ im Lichte verfassungs-
rechtlicher Entscheidungen, ZJS 2010, 694
Brandenstein, Martin: Strafzweckerfüllung als abhängige Variable der Zeit, in: Joachim
Obergfell-Fuchs/Martin Brandenstein (Hrsg.), Nationale und Internationale Ent-
252 Literaturverzeichnis
wicklungen in der Kriminologie, Festschrift für Helmut Kuty zum 65. Geburtstag
2006, S. 357 (zitiert: Brandenstein, in: FS-Kuty)
Breuer, Rüdiger: Probleme der Zusammenarbeit zwischen Verwaltung und Strafverfol-
gung auf dem Gebiet des Umweltschutzes, AöR 1990, 448
Bringewat, Peter: Grundbegriffe des Strafrechts, 3. Aufl., Baden-Baden 2018
Bröstl, Alexander: On Faces and Traces of Justice, in: Xingyi Liu/Ulfrid Neumann
(Hrsg.), Gerechtigkeit, Theorie und Praxis, Baden-Baden 2011, S. 19 (zitiert: Bröstl,
in: Gerechtigkeit, Theorie und Praxis)
Brunhöber, Beatrice/Höffler, Katrin/Kaspar, Johannes, u. a. (Hrsg.): Strafrecht und Ver-
fassung, 2. Symposium Junger Strafrechtlerinnen und Strafrechtler, Berlin 2013.
Bruns, Hans-Jürgen: Venire contra factum proprium im Strafrecht?, JZ 1956, 147
Bruns, Hans-Jürgen: Zur strafrechtlichen Relevanz des gesetzesumgehenden Täterver-
haltens, Über das Verhältnis der „Rechtsfigur der Gesetzesumgehung“ zu den
Grundprinzipien des Art. 103 II GG, GA 1986, 1
Burgard, Ulrich/Schneider, Uwe H. (Hrsg.): Festschrift für Uwe H. Schneider zum
70. Geburtstag, Köln 2011
Burmeister, Joachim: Die verfassungsorientierte Gesetzesauslegung, München 1966
Burmeister, Joachim: Vertrauensschutz im Prozeßrecht, Ein Beitrag zur Theorie vom
Dispositionsschutz des Bürgers bei Änderungen des Staatshandelns, Berlin/Boston
1979
Busch, Richard: Rezension: Das strafrechtliche „Analogieverbot“, Eine methodologi-
sche Untersuchung über die Grenzen der Auslegung im geltenden deutschen Straf-
recht von Walter Sax, JZ 1955, 223
Buß, Sebastian: BGH v. 19.11.2009 – 3 StR 244/09. BGH zum Stalking; ein neuer Tat-
bestand erhält Kontur, JR 2011, 80
Bydlinski, Peter: Recht, Methode und Jurisprudenz, Würzburg 1988
Bydlinski, Peter: Grundzüge der juristischen Methodenlehre, 3. Aufl., Wien 2018 (zi-
tiert: Bydlinski, Methodenlehre)
Cadus, Joachim M.: Die faktische Betrachtungsweise, Ein Beitrag zur Auslegung im
Strafrecht, Berlin 1984
Calliess, Rolf Peter: Sitzdemonstrationen und strafbare Nötigung in verfassungsrecht-
licher Sicht, NStZ 1987, 209
Calliess, Rolf Peter: Strafzwecke und Strafrecht, NJW 1989, 1338
Calliess, Rolf Peter: Der Rechtscharakter der Regelbeispiele im Strafrecht, Zum Prob-
lem von Tatbestand und Rechtsfolge im 6. Strafrechtsreformgesetz, NJW 1998, 929
Canaris, Claus-Wilhelm: Die Feststellung von Lücken im Gesetz; eine methodologische
Studie über Voraussetzungen und Grenzen der richterlichen Rechtsfortbildung prae-
ter legem, 2. Aufl. Berlin 1983
Cattaneo, Mario A.: Strafrechtstotalitarismus, Terrorismus und Willkür, Baden-Baden
2001
Literaturverzeichnis 253
Gaier, Reinhard: Garantien des deutschen Verfassungsrechts bei Verhängung von Kar-
tellgeldbußen, wistra 2014, 161
Garstka, Hansjürgen: Generalklausel, in: Hans-Joachim Koch (Hrsg.), Juristische Me-
thodenlehre und analytische Philosophie, Kronberg/Ts. 1976, S. 96–123 (zitiert:
Garstka, in: Juristische Methodenlehre und analytische Philosophie)
Gazeas, Nikolaos: „Stalking“ als Straftatbestand – effektiver Schutz oder strafrecht-
licher Aktionismus?, KJ 39 (2006), 247
Gazeas, Nikolaos: Der Stalking-Straftatbestand – § 238 StGB (Nachstellung), JR 2007,
497
Geisler, Claudius/Geppert, Klaus (Hrsg.): Festschrift für Klaus Geppert zum 70. Ge-
burtstag am 10. März 2011, Berlin/New York 2011
Geitmann, Roland: Bundesverfassungsgericht und „offene“ Normen, Zur Bindung des
Gesetzgebers an Bestimmtheitserfordernisse, Berlin 1971 (zitiert: Geitmann, Bun-
desverfassungsgericht und „offene“ Normen)
Geppert, Klaus: Anmerkung zum Beschluss des BVerfG vom 19.03.2007 – 2 BvR
2273/06, zur Erstreckung der Strafbarkeit nach § 142 Abs. 2 Nr. 2 StGB auf Fälle
unvorsätzlichen Sichentfernens vom Unfallort, DAR 2007, 380
Gernhuber, Joachim: Das völkische Recht: Ein Beitrag zur Rechtstheorie des National-
sozialismus, in: Otto Bachof (Hrsg.), Tübinger Festschrift für Eduard Kern, Tübin-
gen 1968, S. 167 (zitiert: Gernhuber, in: FS-Kern)
Godwin, William: An Enquiry concerning political Justice and its Influence on general
Virtue and Happiness, London 1793
Godwin, William: Über die politische Gerechtigkeit, London 1793
Görgen, Thomas: Viktimologie, in: Hans-Ludwig Kröber (Hrsg.), Kriminologie und
forensische Psychiatrie, Handbuch der Forensischen Psychiatrie, Darmstadt 2009,
S. 236 (zitiert: Görgen, Handbuch der forensischen Psychiatrie)
Gosepath, Stefan: Zur Verteidigung der sozialen Gerechtigkeit, in: Regina Kreide, Clau-
dia Landwehr, Katrin Toens (Hrsg.), Demokratie und Gerechtigkeit in Verteilungs-
konflikten, Baden-Baden 2012, S. 35
Gosepath, Stefan: Gleiche Gerechtigkeit, Grundlagen eines liberalen Egalitarismus,
2. Aufl., Frankfurt a. M. 2017
Graf, Jürgen Peter (Hrsg.): Beck’scher Online-Kommentar GVG, 7. Aufl., München
2020 (zitiert: BeckOK-GVG/Bearbeiter)
Greco, Luís: Lebendiges und Totes in Feuerbachs Straftheorie, Berlin 2009
Greco, Luís: Ist der Strafgesetzgeber an das Analogieverbot gebunden?, GA 2012, 452
Greco, Luís: Das Bestimmtheitsgebot als Verbot gesetzgeberisch in Kauf genommener
teleologischer Reduktionen, Zugleich: Zur Verfassungsmäßigkeit von §§ 217 und
89a Abs. 2 Nr. 1 StGB, ZIS 2018, 475
Grimm, Erhard: Methode als Machtfaktor, in: Norbert Horn (Hrsg.), Europäisches
Rechtsdenken in Geschichte und Gegenwart: Festschrift für Helmut Coing zum
70. Geburtstag, München 1982, S. 463 (zitiert: Grimm, in: FS-Coing)
258 Literaturverzeichnis
Hilgendorf, Eric/Rengier, Rudolf (Hrsg.): Festschrift für Wolfgang Heinz, Zum 70. Ge-
burtstag, Baden-Baden 2012
Hillenkamp, Thomas: § 124 Tatbestandlichkeit, in: Hanno Kube (Hrsg.), Staat und Bür-
ger, Leitgedanken des Rechts, Paul Kirchhof zum 70. Geburtstag, Bd. 2, Heidel-
berg/Hamburg 2013, S. 1349 (zitiert: Hillenkamp, in: FS-Kirchhof)
Hillgruber, Christian: „Neue Methodik“ – Ein Beitrag zur Geschichte der richterlichen
Rechtsfortbildung in Deutschland, JZ 2008, 745
Hirsch, Andreas von: Warum soll Strafe existieren? – Tadel und Prävention als Element
der Rechtfertigung, in: Andreas von Hirsch/Kurt Seelmann/Ulfrid Neumann
(Hrsg.), Strafe – Warum?, Gegenwärtige Strafbegründungen im Lichte von Hegels
Straftheorie, Baden-Baden 2011, S. 43 (zitiert: Hirsch, in: Strafe – Warum?)
Hirsch, Andreas von/Hörnle, Tatjana: Positive Generalprävention und Tadel, GA 1995,
261
Hirsch, Andreas von/Seelmann, Kurt/Neumann, Ulfrid (Hrsg.): Strafe – Warum?, Ge-
genwärtige Strafbegründungen im Lichte von Hegels Straftheorie, Baden-Baden
2011
Hirsch, Günther: Zwischenruf, Der Richter wird’s schon richten, ZRP 2006, 161
Hirsch, Günther: Auf dem Weg zum Richterstaat?, JZ 2007, 853
Hirsch, Hans Joachim: Zum Spannungsverhältnis von Theorie und Praxis im Strafrecht,
in: Hans-Heinrich Jescheck/Theo Vogler (Hrsg.), Festschrift für Herbert Tröndle
zum 70. Geburtstag am 24. August 1989, Berlin 1989, S. 19 (zitiert: Hirsch, in: FS-
Tröndle)
Hirsch, Hans Joachim (Hrsg.): Festschrift für Günter Kohlmann zum 70. Geburtstag,
Köln 2003
Hirsch, Hans Joachim: Der Umgang des Gesetzgebers mit dem StGB und die Notwen-
digkeit der gesetzgeberischen Berichtigung unterlaufener gesetzestechnischer Fehler,
Über den Niedergang der Strafgesetzgebung, in: Hans-Ullrich Paeffgen (Hrsg.),
Strafrechtswissenschaft als Analyse und Konstruktion, Festschrift für Ingeborg
Puppe zum 70. Geburtstag, Berlin 2011 (zitiert: Hirsch, in: FS-Puppe)
Höffe, Ottfried (Hrsg.): John Rawls – Eine Theorie der Gerechtigkeit, Berlin 1975
Höffe, Ottfried: Gerechtigkeit, Eine philosophische Einführung, 4. Aufl., München
2010 (zitiert: Höffe, Gerechtigkeit)
Höffe, Ottfried: Gerechtigkeit, in: Christian Krell/Tobias Mörschel (Hrsg.), Werte und
Politik, Wiesbaden 2015, S. 37
Hoffmann, Hasso: Das Recht des Rechts, das Recht der Herrschaft und die Einheit der
Verfassung, Berlin 1998
Hoffmann-Riem, Wolfgang: Kriminalpolitik ist Gesellschaftspolitik, Frankfurt am Main
2000
Hoffmann-Riem, Wolfgang: Gewaltengliederung und Verantwortungsprinzip als Ord-
nungsprinzip, in: Ulrich Burgard (Hrsg.), Festschrift für Uwe H. Schneider zum
70. Geburtstag, Köln 2011, S. 183 (zitiert: Hoffmann-Riem, in: FS-Schneider)
262 Literaturverzeichnis
Jakobs, Günther: Schuld und Prävention, Recht und Staat in Geschichte und Gegen-
wart, Tübingen 1976 (zitiert: Jakobs, Schuld und Prävention)
Jakobs, Günther: Über die Behandlung von Wollensfehlern und von Wissensfehlern,
ZStW 101 (1989), 516
Jakobs, Günther: Das Strafrecht zwischen Funktionalismus und „alteuropäischem“ Prin-
zipiendenken, ZStW 107 (1995), 834
Jakobs, Günther: Strafrecht, Allgemeiner Teil, Die Grundlagen und die Zurechnungs-
lehre. Lehrbuch, Tübingen 2011 (zitiert: Jakobs, Strafrecht AT)
Jarass, Hans Dieter: Politik und Bürokratie als Elemente der Gewaltenteilung, München
1975
Jarass, Hans Dieter/Pieroth, Bodo/Kment, Martin: Grundgesetz für die Bundesrepublik
Deutschland, 16. Aufl. 2020 (zitiert: Jarass/Pieroth/Kment/Bearbeiter)
Jescheck, Hans-Heinrich/Bresser, Paul H. (Hrsg.): Ist die lebenslange Freiheitsstrafe
verfassungswidrig? Dokumentation über die mündliche Verhandlung vor dem Bun-
desverfassungsgericht am 22. u. 23. März 1977, Baden-Baden 1977
Jescheck, Hans-Heinrich/Vogler, Theo (Hrsg.): Festschrift für Herbert Tröndle zum
70. Geburtstag am 24. August 1989, Berlin 1989
Jescheck, Hans-Heinrich/Weigend, Thomas: Lehrbuch des Strafrechts, Allgemeiner Teil,
5. Aufl., Berlin 1996
Jestaedt, Matthias: Grundrechtsentfaltung im Gesetz, Studien zur Interdependenz von
Grundrechtsdogmatik und Rechtsgewinnungstheorie, Tübingen 1999
Jestaedt, Matthias: Wie das Recht, so die Auslegung, Die Rolle der Rechtstheorie bei
der Suche nach der juristischen Auslegungslehre, ZÖR 2000, 133
Jestaedt, Matthias: Das mag in der Theorie richtig sein: Vom Nutzen der Theorie in der
Rechtswissenschaft, Tübingen 2006
Jestaedt, Matthias: „Öffentliches Recht“ als wissenschaftliche Disziplin, in: Christoph
Engel, Wolfgang Schön (Hrsg.), Das Proprium der Rechtswissenschaft, Recht – Wis-
senschaft – Theorie Bd. 1, Tübingen 2007 (zitiert: Jestaedt, in: Das Proprium der
Rechtswissenschaft)
Joecks, Wolfgang/Miebach, Klaus: Münchener Kommentar zum StGB, Band 1, 4. Aufl.
2020 (zitiert: MüKo-StGB/Bearbeiter)
Joecks, Wolfgang/Miebach, Klaus: Münchener Kommentar zum StGB, Band 4, 4. Aufl.
2021 (zitiert: MüKo-StGB/Bearbeiter)
Joecks, Wolfgang/Miebach, Klaus: Münchener Kommentar zum StGB, Band 5, 3. Aufl.
2019 (zitiert: MüKo-StGB/Bearbeiter)
Joerden, Jan C.: Logik im Recht, 3. Aufl., Berlin/Heidelberg 2018
Jung, Heike: Rückwirkungsverbot und Maßregel, in: Christian Broda (Hrsg.), Fest-
schrift für Rudolf Wassermann zum sechzigsten Geburtstag, Neuwied 1985, S. 875
(zitiert: Jung, in: FS-Wassermann)
Jung, Heike: Zur Renaissance des Opfers – ein Lehrstück kriminalpolitischer Zeitge-
schichte, ZRP 2000, 159
264 Literaturverzeichnis
Kahlo, Michael: „Die Weisheit der absoluten Theorien“, in: Felix Herzog/Ulfrid Neu-
mann (Hrsg.), Festschrift für Winfried Hassemer, Zum 70. Geburtstag am 17. Fe-
bruar 2010, Heidelberg 2010, S. 383 (zitiert: Kahlo, in: FS-Hassemer)
Kaiser, Günther: Wie ist beim Mord die präventive Wirkung der lebenslangen Freiheits-
strafe einzuschätzen?, in: Hans-Heinrich Jescheck/Paul H. Bresser (Hrsg.), Ist die
lebenslange Freiheitsstrafe verfassungswidrig?: Dokumentation über die mündliche
Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht am 22. u. 23. März 1977, Baden-
Baden 1977 (zitiert: Kaiser, in: Ist die lebenslange Freiheitsstrafe verfassungswid-
rig?)
Kaiser, Günther: Kriminologie, Ein Lehrbuch, 3. Aufl., Heidelberg 1996 (zitiert: Kai-
ser, Kriminologie)
Kamanabrou, Sudabeh: Die Interpretation zivilrechtlicher Generalklauseln, AcP 2002,
662
Kant, Immanuel: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, Stuttgart 1978
Kanz, Kristina-Maria: Alles im Interesse des Opfers?, Eine kritische Bestandsaufnahme
rechtlicher Veränderungen, politischer Motivationen und empirischer Erkenntnisse
der letzten 30 Jahre, MSchrKr 2017, 225
Kargl, Walter: Die Missbrauchskonzeption der Untreue (§ 266), ZStW 113 (2001), 565
Karl, Lynett: Der Tatbestand der Nachstellung, Die strafrechtliche Erfassung des Phäno-
mens Stalking unter besonderer Berücksichtigung des verfassungsrechtlichen Be-
stimmtheitsgrundsatzes, Hamburg 2012
Karpenstein, Ulrich/Mayer, Franz C.: Konvention zum Schutz der Menschenrechte und
Grundfreiheiten, 2. Aufl., München 2015 (zitiert: Karpenstein/Mayer/Bearbeiter)
Kaspar, Johannes: Verhältnismäßigkeit und Grundrechtsschutz im Präventionsstrafrecht,
Baden-Baden 2014 (zitiert: Kaspar, Kaspar 2014)
Kaspar, Johannes/Walter, Tonio (Hrsg.): Strafen „im Namen des Volkes“?, Zur recht-
lichen und kriminalpolitischen Relevanz empirisch feststellbarer Strafbedürfnisse
der Bevölkerung, Baden-Baden 2019
Kaspers, Jens: Philosophie – Hermeneutik – Jurisprudenz, Die Bedeutung der philoso-
phischen Hermeneutik Hans Georg Gardamers für die Rechtswissenschaften, Berlin
2014
Kaspers, Jens: Verfassungsrechtliche Aspekte einer empirisch fundierten Theorie der
Generalprävention, in: Johannes Kaspar/Tonio Walter (Hrsg.), Strafen „im Namen
des Volkes“?, Zur rechtlichen und kriminalpolitischen Relevanz empirisch feststell-
barer Strafbedürfnisse der Bevölkerung, Baden-Baden 2019, S. 61 (zitiert: Kaspar,
in: Strafen im Namen des Volkes?)
Kaufmann, Arthur: Analogie und Natur der Sache, zugleich ein Beitrag zur Lehre vom
Typus, 2. Aufl., Heidelberg 1982
Kaufmann, Arthur/Hassemer, Winfried/Neumann, Ulfrid (Hrsg.): Einführung in Rechts-
philosophie und Rechtstheorie der Gegenwart, Heidelberg/München u. a. 2011
Kaufmann, Arthur/Hassemer, Winfried/Neumann, Ulfrid: Subsidiarität und Strafrecht,
in: Claus Roxin/Hans-Jürgen Bruns/Herbert Jäger (Hrsg.), Grundfragen der gesam-
Literaturverzeichnis 265
Klatt, Matthias: Die Wortlautgrenze, in: Hans Kudlich (Hrsg.), Gesetzlichkeit und Straf-
recht, Berlin 2012, S. 121 (zitiert: Klatt, in: Gesetzlichkeit und Strafrecht)
Klatt, Matthias/Meister, Moritz: Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, Ein Struktur-
element des globalen Konstitutionalismus, JuS 2014, 193
Klug, Ulrich: Rechtslücke und Rechtsgeltung, in: Hans Carl Nipperdey/Rolf Dietz/
Heinz Hübner (Hrsg.), Festschrift für Hans Carl Nipperdey, Zum 70. Geburtstag
21. Januar 1965, München/Berlin 1965, S. 71 (zitiert: Klug, in: FS-Nipperdey)
Klug, Ulrich: Juristische Logik, Berlin/Heidelberg 1982
Knittel, Bernhard: Zum Problem der Rückwirkung bei einer Änderung der Rechtspre-
chung im Steuerrecht, München 1974
Koch, Hans-Joachim: Das Postulat der Gesetzesbindung im Lichte sprachphilosophi-
scher Überlegungen: Aus Anlaß der Tagung „Recht und Sprache“ der bundesdeut-
schen IVR-Sektion vom 03. bis 05.10.1974 in Mainz, ARSP 1975, 34
Köhler, Michael: Strafrecht Allgemeiner Teil, Berlin/Heidelberg, 1997
Köhler, Michael: Recht und Gerechtigkeit, Grundzüge einer Rechtsphilosophie der ver-
wirklichten Freiheit, Tübingen 2017
Kohlmann, Günther: Der Begriff des Staatsgeheimnisses (§ 93 StGB und § 99 Abs. 1
StGB a. F.) und das verfassungsrechtliche Gebot der Bestimmtheit von Strafvor-
schriften (Art. 103 Abs. 2 GG), Keip 1969
Kohlmann, Günther: Festschrift für Ulrich Klug zum 70. Geburtstag, Köln 1983
Köhne, Michael: Zwischenruf, Die Strafbarkeit gleichartiger Verhaltensweisen, ZRP
2009, 87
Kolloquien des Instituts für Zeitgeschichte (Hrsg.): NS-Recht in historischer Perspek-
tive, München/Wien/Oldenburg 1981
Kotsoglou, Kyriakos N.: Forensische Erkenntnistheorie, Der Inferentielle Kontextualis-
mus und die Funktion der kontextrelevanten Zweifel im Strafverfahren – zugleich
eine analytische Perspektive zur Sachverhaltsfeststellungsdogmatik, Berlin 2015
Krahl, Matthias: Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundes-
gerichtshofs zum Bestimmtheitsgrundsatz im Strafrecht, (Art. 103 Abs. 2 GG),
Frankfurt a. M. 1986
Krahl, Matthias: Fahruntüchtigkeit – Rückwirkende Änderung der Rechtsprechung und
Art. 103 II GG, Besprechung von BVerfG, NJW 1990, 3140, und von BayObLG,
NJW 1990, 2833, zur Zulässigkeit einer rückwirkenden Änderung der sogenannten
Promille-Grenze von 1,3 auf 1,1 Promille, NJW 1991, 808
Kramer, Ernst: Juristische Methodenlehre, 6. Aufl., München 2019
Kratzsch, Dietrich: § 53 StGB und der Grundsatz nullum crimen sine lege, GA 1971,
65
Krebs, Walter: Kontrolle in staatlichen Entscheidungsprozessen, Ein Beitrag zur rechtli-
chen Analyse von gerichtlichen, parlamentarischen und Rechnungshof-Kontrollen,
Heidelberg 1984
Literaturverzeichnis 267
70. Geburtstag am 15. September 2008, Berlin 2008, S. 61 (zitiert: Kühl, in: FS-
Seebode)
Kühl, Kristian: Fragmentarisches und subsidiäres Strafrecht, in: Ulrich Sieber (Hrsg.),
Strafrecht und Wirtschaftsstrafrecht, Dogmatik, Rechtsvergleich, Rechtstatsachen;
Festschrift für Klaus Tiedemann zum 70. Geburtstag, Köln 2008, S. 29 (zitiert:
Kühl, in: FS-Tiedemann)
Kühl, Kristian: Besonders hohe Grenzen für den Strafgesetzgeber, in: Matthias Jahn/
Hans Kudlich/Franz Streng (Hrsg.), Strafrechtspraxis und Reform, Festschrift
für Heinz Stöckel zum 70. Geburtstag, Berlin 2010, S. 117 (zitiert: Kühl, in: FS-
Stöckel)
Kühl, Kristian: Einordnungs- und Anwendungsprobleme bei der Nachstellung, in: Clau-
dius Geisler/Klaus Geppert (Hrsg.), Festschrift für Klaus Geppert zum 70. Geburts-
tag am 10. März 2011, Berlin/New York 2011, S. 311 (zitiert: Kühl, in: FS-Geppert)
Kühl, Kristian: Das Unrecht als Kern der Straftat, in: Robert Esser (Hrsg.), Festschrift
für Hans-Heiner Kühne zum 70. Geburtstag, Heidelberg/Hamburg 2013, S. 15 (zi-
tiert: Kühl, in: FS-Kühne)
Kühl, Kristian: Probleme der Verwaltungsakzessorietät des Strafrechts, insbesondere im
Umweltstrafrecht, in: Ingeborg Puppe/Jörg Tenckhoff/Wilfried Küper (Hrsg.), Fest-
schrift für Karl Lackner zum 70. Geburtstag am 18. Februar 1987, Berlin/Boston
2018, S. 815 (zitiert: Kühl, in: FS-Lackner)
Kuhlen, Lothar: Die verfassungskonforme Auslegung von Strafgesetzen, Heidelberg
2006
Kuhlen, Lothar: Zum Verhältnis vom Bestimmungsgrundsatz und Analogieverbot, in:
Gerhard Dannecker (Hrsg.), Festschrift für Harro Otto, Zum 70. Geburtstag am
1. April 2007, Köln 2007, S. 89 (zitiert: Kuhlen, in: FS-Otto)
Kuhlen, Lothar: Gesetzlichkeitsprinzip und Untreue, JR 2011, 246
Kuhlen, Lothar: Unbestimmtheit und unbegrenzte Auslegung des Strafrechts?, in: Uwe
Murmann (Hrsg.), Recht ohne Regeln? – Die Entformalisierung des Strafrechts,
Göttingen 2011, S. 19 (zitiert: Kuhlen, in: Recht ohne Regeln?)
Kuhlen, Lothar: Aktuelle Probleme des Bestimmtheitsgrundsatzes, in: Hans Kudlich
(Hrsg.), Gesetzlichkeit und Strafrecht, Berlin 2012, S. 429 (zitiert: Kuhlen, in: Ge-
setzlichkeit und Strafrecht)
Kuhlen, Lothar: Zum Vertrauensschutz bei belastenden Rechtsprechungsänderungen,
HRRS 2012, 114
Kuhlen, Lothar: Das Gesetzlichkeitsprinzip in der deutschen Praxis, in: Eric Hilgendorf
(Hrsg.), Das Gesetzlichkeitsprinzip im Strafrecht, Ein deutsch-chinesischer Ver-
gleich, Tübingen 2013, S. 45 (zitiert: Kuhlen, in: Das Gesetzlichkeitsprinzip im
Strafrecht)
Kuhlen, Lothar: Stalking als kriminalpolitisches Problem, ZIS 2018, 89
Kuhli, Milan: Normative Tatbestandsmerkmale in der strafrichterlichen Rechtsanwen-
dung: institutionelle rechtsverweisende und dichte Elemente im Strafrecht, Tübingen
2018
Literaturverzeichnis 269
Kulhanek, Tobias Oliver: Der fragmentarische Charakter des Strafrechts als Argumenta-
tionsfigur, Exemplifiziert an der Frage nach einem Deliktskatalog für das Verbands-
strafrecht, ZIS 2014, 674
Kulhanek, Tobias Oliver: Datenurkundenqualität von E-Mail-Anhängen, StV 2015, 725
Kunig, Philip: Das Rechtsstaatsprinzip, Tübingen 1986
Kunig, Philip: § 69 Rechtstaatliches Rückwirkungsverbot, in: Peter Axer/Detlef Mer-
ten/Hans-Jürgen Papier (Hrsg.), Grundrechte in Deutschland: Allgemeine Lehren,
Band II, Heidelberg 2009, S. 569
Kuntz, Thilo: Recht als Gegenstand der Rechtswissenschaft und performativer Rechts-
erzeugung. Zugleich Beitrag zur Möglichkeit der Dogmatik, AcP 216 (2016), 866
Kunz, Karl-Ludwig: Das neue Strafrecht, KritV 2021, 252
Kunz, Karl-Ludwig/Singelnstein, Tobias: Kriminologie, 7. Aufl., Stuttgart 2016
Küper, Wilfried: Die Richteridee der Strafprozessordnung und ihre geschichtlichen
Grundlagen, Berlin 1967
Küper, Wilfried: Richterrecht im Bereich der Verkehrsunfallflucht, Nachholpflicht auch
bei „unvorsätzlichem“ Verlassen des Unfallortes: zulässige oder geglückte Rechts-
fortbildung durch Richterspruch?, in: Richterliche Rechtsfortbildung, Erscheinungs-
formen, Auftrag und Grenzen, Festschrift der Juristischen Fakultät zur 600-Jahr-
Feier der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, Heidelberg 1986, S. 451 (zitiert:
Küper, in: FS-Uni Heidelberg)
Küper, Wilfried: „Das Strafgesetz ist ein kategorischer Imperativ.“ Zum „Strafgesetz“
in Kants Rechtslehre, in: Heinz Müller-Dietz/Carsten Momsen/Egon Müller u. a.
(Hrsg.), Festschrift für Heike Jung, Zum 65. Geburtstag am 23. April 2007, Baden-
Baden 2007, S. 485 (zitiert: Küper, in: FS-Jung)
Küper, Wilfried: Verfassungswidrige und verfassungskonforme Auslegung von § 142
StGB, NStZ 2008, 597
Lackner, Karl: Zu den Grenzen der richterlichen Befugnis, mangelhafte Strafgesetze zu
berichtigen, in: Richterliche Rechtsfortbildung, Erscheinungsformen, Auftrag und
Grenzen, Festschrift der Juristischen Fakultät zur 600-Jahr-Feier der Ruprecht-Karls-
Universität Heidelberg, Heidelberg 1986, S. 39 (zitiert: Lackner, in: FS-Uni Heidel-
berg)
Lackner, Karl/Kühl, Kristian: StGB Kommentar, 29. Aufl., München 2018 (zitiert:
Lackner/Kühl/Bearbeiter)
Lackner, Karl/Leferenz, Heinz/Schmidt, Eberhard u. a. (Hrsg.): Festschrift für Wilhelm
Galls zum 70. Geburtstag am 22. Juli 1973, Berlin/Bosten 1973
Landau, Herbert: Die Pflicht des Staates zum Erhalt einer funktionstüchtigen Straf-
rechtspflege, NStZ 2007, 121
Landau, Herbert: Das Ultima-ratio-Prinzip im Strafrecht, in: Walther Hadding/Ulrich
Herrmann/Achim Krämer (Hrsg.), Festschrift für Wolfgang Schlick, Zum 65. Ge-
burtstag, Köln 2015, S. 523 (zitiert: Landau, in: FS-Schlick)
Larenz, Karl: Methodenlehre der Rechtswissenschaften, Berlin 1983
270 Literaturverzeichnis
liche Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht am 22. u. 23. März 1977, Ba-
den-Baden 1977 (zitiert: Müller-Dietz, in: Ist die lebenslange Freiheitsstrafe verfas-
sungswidrig?)
Müller-Dietz, Heinz/Momsen, Carsten/Müller, Egon u. a. (Hrsg.): Festschrift für Heike
Jung, Zum 65. Geburtstag am 23. April 2007, Baden-Baden 2007
Müller-Erzbach, Rudolf: Wohin führt die Interessenjurisprudenz, Tübingen 1932
Münch, Ingo von: Rechtsstaat versus Gerechtigkeit?, Der Staat 1994, 165
Münch, Ingo von/Kunig, Philip u. a. (Hrsg.): Grundgesetz-Kommentar Gesamtwerk, in
2 Bänden, 6. Aufl., München 2012 (zitiert: v. Münch/Kunig/Bearbeiter, 6. Aufl.
2012)
Münch, Ingo von/Kunig, Philip/Kämmerer, Jörn Axel u. a. (Hrsg.): Grundgesetz-Kom-
mentar Gesamtwerk, in 2 Bänden, 7. Aufl., München 2021 (zitiert: v. Münch/Ku-
nig/Bearbeiter)
Murmann, Uwe: Entformalisierung des Strafrechts, Eine erste Annäherung, in: Uwe
Murmann (Hrsg.), Recht ohne Regeln? – Die Entformalisierung des Strafrechts,
2011, S. 5 (zitiert: Murmann)
Murmann, Uwe (Hrsg.): Recht ohne Regeln? – Die Entformalisierung des Strafrechts,
Göttingen 2011
Naucke, Wolfgang: Die Lehre vom strafbaren Betrug, Berlin 1964
Naucke, Wolfgang: Rückwirkung der 1,3‰-Grenze, NJW 1968, 758
Naucke, Wolfgang: Der Nutzen der subjektiven Auslegung im Strafrecht, in: Paul Bo-
ckelmann (Hrsg.), Festschrift für Karl Engisch zum 70. Geburtstag, Frankfurt a. M.
1969, S. 274
Naucke, Wolfgang: Über Generalklauseln und Rechtsanwendung im Strafrecht, Tübin-
gen, 1973
Naucke, Wolfgang: Hauptprobleme der Generalprävention, Frankfurt a. M. 1979, S. 21
Naucke, Wolfgang: Die Aufhebung des strafrechtlichen Analogieverbotes 1935, in: Kol-
loquien des Instituts für Zeitgeschichte (Hrsg.), NS-Recht in historischer Perspek-
tive, München/Wien/Oldenburg 1981
Naucke, Wolfgang: Schwerpunktverlagerung im Strafrecht, KritV 1993, 157
Naucke, Wolfgang: Gesetzlichkeit und Kriminalpolitik, Frankfurt a. M. 1999
Naucke, Wolfgang: Konturen eines nach-präventiven Strafrechts, KritV 1999, 336
Naucke, Wolfgang: Über die Zerbrechlichkeit des rechtsstaatlichen Strafrechts, Baden-
Baden 2000
Naucke, Wolfgang: Strafrecht: Eine Einführung, 10. Aufl., München 2002
Naucke, Wolfgang: Negatives Strafrecht, 4 Ansätze, Berlin/Münster 2015
Nehm, Kay: Straflose Straftaten?, Zur Rettung verfassungswidriger Strafgesetze durch
Absehen von Strafe, Heidelberg 1999
Neubacher, Frank: An den Grenzen des Strafrechts – Stalking, Graffiti, Weisungsver-
stöße, ZStW 118 (2006), 855
274 Literaturverzeichnis
Otto, Harro: Die Bedeutung des Bestimmtheitsgrundsatzes für die Auslegung nicht
strafrechtlicher Bezugsnormen, in: Harald Baum/Andreas M. Fleckner/Alexander
Hellgardt (Hrsg.), Festschrift für Manfred Seebode zum 70. Geburtstag am 15. Sep-
tember 2008, Berlin 2008, S. 81 (zitiert: Otto, in: FS-Seebode)
Paeffgen, Hans-Ullrich: Art. 103 II GG, namentlich das Bestimmtheitsgebot und kom-
plementäre Rechtssätze in der Entwicklung, StraFo 2007, 442
Papier, Hans-Jürgen: § 130 Richterliche Unabhängigkeit, in: Hartmut Bauer/Detlef
Merten (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte in Deutschland und Europa, Heidelberg/
Hamburg 2013
Paulduro, Aurelia: Die Verfassungsgemäßheit von Strafrechtsnormen, insbesondere der
Normen des Strafgesetzbuches, im Lichte der Rechtsprechung des Bundesverfas-
sungsgerichts, München 1992 (zitiert: Paulduro)
Pawlik, Michael: Person, Subjekt, Bürger. Zur Legitimation von Strafe, Berlin 2011
Pawlik, Michael/Jakobs, Günther/Cancio Meliá, Manuel (Hrsg.): Festschrift für Gün-
ther Jakobs zum 70. Geburtstag am 26. Juli 2007, Köln 2007
Pawlowski, Hans-Martin: Einführung in die juristische Methodenlehre, ein Studienbuch
zu den Grundlagenfächern Rechtsphilosophie und Rechtssoziologie, 2. Aufl., Hei-
delberg 2000
Perron, Walter: Die Unterscheidung zwischen Auslegung und Analogie aus deutscher
Perspektive, in: Eric Hilgendorf (Hrsg.), Das Gesetzlichkeitsprinzip im Strafrecht,
Ein deutsch-chinesischer Vergleich, Tübingen 2013, S. 211 (zitiert: Perron, in: Das
Gesetzlichkeitsprinzip im Strafrecht)
Peters, Karl: Beschränkung der Tatbestände im Besonderen Teil, ZStW 1965, 470
Peters, Sebastian: Der Tatbestand des § 238 StGB (Nachstellung) in der staatsanwalt-
lichen Praxis, NStZ 2009, 238
Picker, Eduard: Richterrecht oder Rechtsdogmatik – Alternativen der Rechtsgewin-
nung? – Teil 1, JZ 1988, 1
Pintarelli, Claudia: Motivierende Gesprächsführung als Möglichkeit der Förderung von
Veränderungsbereitschaft und Mitwirkungsmotivation im Jugendstrafvollzug, ZJJ
2014, 226
Preiser, Wolfgang: Das Recht zu Strafen, in: Karl Engisch/Rainer Maurach (Hrsg.),
Festschrift für Edmund Mezger zum 70. Geburtstag: 15.10.1953, München 1954,
S. 71 (zitiert: Engisch, in: FS-Maurach)
Prittwitz, Cornelius: Funktionalisierung des Strafrechts, StV 1991, 435
Prittwitz, Cornelius: Das deutsche Strafrecht: Fragmentarisch? Subsidiär? Ultima ratio?,
Gedanken zu Grund und Grenzen gängiger Strafrechtsbeschränkungspostulate, in:
Peter-Alexis Albrecht (Hrsg.), Vom unmöglichen Zustand des Strafrechts, Frankfurt
am Main 1995, S. 387 (zitiert: Prittwitz, in: Vom unmöglichen Zustand des Straf-
rechts)
Prittwitz, Cornelius (Hrsg.): Festschrift für Klaus Lüderssen, Zum 70. Geburtstag am
2. Mai 2002, Baden-Baden 2002
276 Literaturverzeichnis
Pulch, Otto Rudolf: Die politische Funktion des Richters – Fiktion oder Realität?, DRiZ
1976, 33
Puppe, Ingeborg/Tenckhoff, Jörg/Küper, Wilfried (Hrsg.): Festschrift für Karl Lackner
zum 70. Geburtstag am 18. Februar 1987, Berlin/Boston 2018
Raabe, Andreas: Der Bestimmtheitsgrundsatz bei Blankettstrafgesetzen am Beispiel der
unzulässigen Marktmanipulation, Berlin 2007
Rackow, Peter: Der Tatbestand der Nachstellung (§ 238 StGB) Stalking und das Straf-
recht, GA 2008, 552
Radbruch, Gustav: Gesetzliches Unrecht und übergesetzliches Recht, Süddeutsche Juris-
tenzeitung 1946, 105
Radbruch, Gustav: Einführung in die Rechtswissenschaft, 13. Aufl., Stuttgart 1980
Radbruch, Gustav: Der Geist des Englischen Rechts und die Anglo-Amerikanische Ju-
risprudenz, Berlin 2006
Ranft, Otfried: Herabsetzung des Grenzwertes der „absoluten Fahruntüchtigkeit“ und
Rückwirkungsverbot – BayObLG, NJW 1992, 2833, JuS 1992, 468
Ransiek, Andreas: Gesetz und Lebenswirklichkeit, Das strafrechtliche Bestimmtheitsge-
bot, Heidelberg 1989
Ransiek, Andreas: Bestimmtheitsgrundsatz, Analogieverbot und § 370 AO, in: Ulrich
Sieber (Hrsg.), Strafrecht und Wirtschaftsstrafrecht, Dogmatik, Rechtsvergleich,
Rechtstatsachen; Festschrift für Klaus Tiedemann zum 70. Geburtstag, Köln 2008,
S. 171 (zitiert: Ransiek, in: FS-Tiedemann)
Rawls, John in: Otfried Höffe (Hrsg.), John Rawls, Eine Theorie der Gerechtigkeit, Ber-
lin 2013
Reemtsma, Jan Philipp: Was sind eigentlich Opferinteressen?, Rechtsmedizin 2005, 86
Reisner, Sigrun: Die Strafbarkeit von Schein- und Umgehungshandlungen in der EG:
ein rechtsvergleichender Beitrag zum staatlichen Schutz der Finanzinteressen der
EG, Freiburg 1995
Rengier, Rudolf: Strafrecht Allgemeiner Teil, 12. Aufl., München 2020
Rieger, Bernd-Uwe: Der sog. „ähnliche ebenso gefährlicher Eingriff“ im Sinne von
§ 315b I Nr. 3 StGB als Beispiel analoger Tatbestandanwendungen im Strafrecht,
Gießen 1987
Risse, Jörg/Morawietz, Matthias: Prozesskostenrisikoanalyse, Erfolgsaussichten vor Ge-
richt bestimmen, München 2017
Robbers, Gerhard: Rückwirkende Rechtsprechungsänderung, JZ 1988, 481
Röhl, Klaus F.: Was ist ein Bild? In: Dieter Dölling (Hrsg.), Jus humanum, Grundlagen
des Rechts und Strafrecht; Festschrift für Ernst-Joachim Lampe zum 70. Geburtstag,
Berlin 2003, S. 227 (zitiert: Röhl, in: FS-Lampe)
Roxin, Claus: Sinn und Grenzen staatlicher Strafe, JuS 1966, 377
Roxin, Claus: Strafrechtliche Grundlagenprobleme, Berlin 1973
Literaturverzeichnis 277
Roxin, Claus: Der Grundsatz der Gesetzesbestimmtheit im deutschen Strafrecht, in: Eric
Hilgendorf (Hrsg.), Das Gesetzlichkeitsprinzip im Strafrecht, Ein deutsch-chinesi-
scher Vergleich, Tübingen 2013, S. 113 (zitiert: Roxin, in: Das Gesetzlichkeitsprin-
zip im Strafrecht)
Roxin, Claus/Greco, Luís: Strafrecht Allgemeiner Teil, 5. Aufl., München 2020 (zitiert:
Roxin/Greco, Strafrecht AT)
Rudolf, Beate (Hrsg.): Geschlecht im Recht, Eine fortbestehende Herausforderung, Göt-
tingen 2009
Wolter, Jürgen (Hrsg.): Systematischer Kommentar zum Strafgesetzbuch, 9. Aufl., Köln
2017 (zitiert: SK-StGB/Bearbeiter)
Rüthers, Bernd: Das Ungerechte an der Gerechtigkeit, Zürich 1991
Rüthers, Bernd: Demokratischer Rechtsstaat oder oligarchischer Richterstaat?, JZ 2002,
365
Rüthers, Bernd: Methodenpluralismus und Jurisprudenz und Justiz, JZ 2006, 53
Rüthers, Bernd: Das Ungerechte an der Gerechtigkeit, 2009, 696
Rüthers, Bernd: Klartext zu den Grenzen des Richterrechts, NJW 2011, 1856
Rüthers, Bernd: Rechtswissenschaft ohne Recht?, NJW 2011, 434
Rüthers, Bernd: Die unbegrenzte Auslegung, 7. Aufl., Tübingen 2012
Rüthers, Bernd: Die heimliche Revolution vom Rechtsstaat zum Richterstaat, Verfas-
sung und Methoden: ein Essay, 2. Aufl., Tübingen 2016
Rüthers, Bernd/Fischer, Christian/Birk, Axel: Rechtstheorie und Juristischer Methoden-
lehre, 11. Aufl., München 2020 (zitiert: Rüthers/Fischer, Rechtstheorie)
Sachs, Michael (Hrsg.): Grundgesetze, 9. Aufl., München 2021 (zitiert: Sachs/Bearbei-
ter)
Sadtler, Susanne: Stalking – Nachstellung, Entwicklung, Hintergründe und rechtliche
Handlungsmöglichkeiten, Baden-Baden 2009
Safferling, Christoph: Bestimmt oder nicht bestimmt? Der Untreuetatbestand vor den
verfassungsrechtlichen Schranken, Anmerkung zum Beschluss des BVerfG vom
23.06.2010 – 2 BvR 2559/08; 105/09; 491/09, NStZ 2011, 376
Saliger, Frank: Der Untreuetatbestand auf dem Prüfstand der Verfassung, NJW 2010,
3195
Saliger, Frank: Auswirkungen des Untreue-Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts
vom 23.06.2010 auf die Schadensdogmatik, ZIS 2011, 902
Samson, Erich/Dencker, Friedrich/Frisch, Peter u. a. (Hrsg.): Festschrift für Gerald
Grünwald zum siebzigsten Geburtstag, Baden-Baden 1999
Sánchez, Jesú-María Silva: Gesetzesauslegung und strafrechtliche Interpretationskultur,
in: Hans Kudlich (Hrsg.), Gesetzlichkeit und Strafrecht, Berlin 2012, S. 55
Sarrabayrouse, Eugenio C.: Gesetzlichkeitskrise, Gesetzgebungstheorie und das in
dubio-pro-reo-Prinzip, in: Hans Kudlich (Hrsg.), Gesetzlichkeit und Strafrecht, Ber-
lin 2012, S. 403 (zitiert: Sarrabayrouse, in: Gesetzlichkeit und Strafrecht)
278 Literaturverzeichnis
Stöckel, Heinz: Bekämpfung der Gesetzesumgehung mit Mitteln des Strafrechts, ZRP
1977, 134
Stolle, Peer: Das Strafrecht, seine Zwecke und seine Alternativen, StudZR 2006, 27
Stratenwerth, Günther/Kuhlen, Lothar: Die Straftat, 5. Aufl., Köln 2004
Straßburg, Wolfgang: Rückwirkung und Änderung der Rechtsprechung im Strafrecht,
ZStW 82 (1970), 948
Stree, Walter/Schröder, Horst (Hrsg.): Gedächtnisschrift für Horst Schröder, München
1978
Streng, Franz: Das Gesetzlichkeitsprinzip im Bereich der Schuldfähigkeitsentscheidun-
gen, in: Hans Kudlich (Hrsg.), Gesetzlichkeit und Strafrecht, Berlin 2012, S. 179
(zitiert: Streng, in: Gesetzlichkeit und Strafrecht)
Streng, Franz: Die absolute Theorie als wahrer Kern der relativen Straftheorie?, in: Eric
Hilgendorf/Rudolf Rengier (Hrsg.), Festschrift für Wolfgang Heinz, Zum 70. Ge-
burtstag, Baden-Baden 2012, S. 677 (zitiert: Streng, in: FS-Heinz)
Teichmann, Arndt: Die „Gesetzesumgehung“ im Spiegel der Rechtsprechung, JZ 2003,
761
Tetal, Carina/Hohmann-Fricke, Sabine/Jehle, Jörg-Martin u. a.: Legalbewährung nach
strafrechtlichen Sanktionen, eine bundesweite Rückfalluntersuchung 2013 bis 2016
und 2004 bis 2016, Mönchengladbach 2020
Thiée, Philipp: Von White Slavery, Zwangsprostitution, Opferschutz und dem Wunsch,
durch Strafe Gutes zu tun, KJ 2005, 387
Tiedemann, Klaus: Tatbestandsfunktionen im Nebenstrafrecht, Untersuchungen zu ei-
nem rechtsstaatlichen Tatbestandsbegriff entwickelt am Problem des Wirtschafts-
strafrecht, Tübingen 1969
Tiedemann, Klaus: Generalklauseln im Wirtschaftsstrafrecht – am Beispiel der Unlau-
terkeit im Wettbewerbsrecht, in: Thomas Fischer/Klaus Bernsmann (Hrsg.), Fest-
schrift für Ruth Rissing-van Saan zum 65. Geburtstag am 25. Januar 2011, Berlin
2011, S. 685 (zitiert: Tiedemann, in: FS-Rissing-van Saan)
Tiedemann, Klaus: Die Gesetzesumgehung als Zentralthema des Wirtschaftsstrafrecht
am Beispiel des ärztlichen Abrechnungsbetruges, in: Martin Heger/Brigitte Kelker/
Edward Schramm (Hrsg.), Festschrift für Christian Kühl zum 70. Geburtstag, Mün-
chen 2014, S. 735 (zitiert: Tiedemann, in: FS-Kühl)
Tiedemann, Klaus: Wirtschaftsstrafrecht, 5. Aufl., München 2017
Treibel, Angelika: Opferforschung, in: Dieter Hermann/Andreas Pöge (Hrsg.), Krimi-
nalsoziologie, Handbuch für Wissenschaft und Praxis, Baden-Baden 2018, S. 439
(zitiert: Treibel, in: Kriminalsoziologie)
Tröndle, Herbert: Rückwirkungsverbot bei Rechtsprechungswandel?, Eine Betrachtung
zu einem Scheinproblem der Strafrechtswissenschaft, in: Hans-Heinrich Jescheck
(Hrsg.), Festschrift für Eduard Dreher, Zum 70. Geburtstag am 29. April 1977, Ber-
lin 1977, S. 117 (zitiert: Tröndle, in: FS-Dreher)
Literaturverzeichnis 283
Tröndle, Herbert: Ein Plädoyer für die Verfassungsmäßigkeit des § 240 StGB, in: Wil-
fried Küper (Hrsg.), Festschrift für Karl Lackner zum 70. Geburtstag am 18. Februar
1987, Berlin 1987, S. 627 (zitiert: Tröndle, in: FS-Lackner)
Tschentscher, Axel: Demokratische Legitimation der dritten Gewalt, Tübingen 2006
Vilsmeier, Markus: Empirische Untersuchung der Abschreckungswirkung strafrecht-
licher Sanktionen, MschKrim 73 (1990), 273
Vogel, Benjamin: Zur Bedeutung des Rechtsguts für das Gebot strafgesetzlicher Be-
stimmtheit, ZStW 128 (2016), 139
Vogel, Joachim: Schein- und Umgehungshandlungen im Strafrecht, insbesondere im eu-
ropäischen Recht, in: Bernd Schünemann (Hrsg.), Bausteine des europäischen Wirt-
schaftsstrafrechts, Madrid-Symposium für Klaus Tiedemann, Köln 1994, S. 151
Vogel, Joachim: Einflüsse des Nationalsozialismus auf das Strafrecht, ZStW 115 (2003),
638
Vogler, Theo/Hermann, Joachim/Krümpelmann, Justus u. a. (Hrsg.): Festschrift für
Hans-Heinrich Jescheck zum 70. Geburtstag, Halbbd. 2, Berlin 1985
Vorländer, Hans: Regiert Karlsruhe mit? APuZ 35–36 2011, 15
Vormbaum, Thomas: „Politisches“ Strafrecht, ZStW 107 (1995), 734
Vormbaum, Thomas: Fragmentarisches Strafrecht in Geschichte und Dogmatik, ZStW
123 (2011), 660
Wagner, Markus: Die Akzessorietät des Strafrechts, in: Stefanie Bock (Hrsg.), Straf-
recht als interdisziplinäre Wissenschaft, 4. Symposium junger Strafrechtswissen-
schaftlerinnen und Strafrechtswissenschaftler, Baden-Baden 2015, S. 99
Waldhoff, Christian/Walter, Christian u. a. (Hrsg.): Bonner Kommentar zum Grund-
gesetz, Loseblattsammlung, Heidelberg 2014 (zitiert: Bonner-Kommentar GG/Be-
arbeiter)
Walter, Tonio: Einführung in das Strafrecht, JA 2013, 727
Walz, Christian: Das Ziel der Auslegung und die Rangfolgen der Auslegungskriterien,
ZJS 2010, 482
Wank, Rolf: Die Auslegung von Gesetzen, 5. Aufl., München 2011
Warda, Günter: Dogmatische Grundlagen des richterlichen Ermessens im Strafrecht,
Köln 1962
Weber, Ralph: Einige Gedanken zur Konkretisierung von Generalklauseln durch Fall-
gruppen, AcP 192 (1992), 516
Weigend, Thomas: „Neoklassizismus“ ein transatlantisches Missverständnis, ZStW 94
(1982), 801
Weigend, Thomas: „Die Strafe für das Opfer“?, Zur Renaissance des Genugtuungsge-
dankens im Straf- und Strafverfahrensrecht, RW 2010, 39
Weigend, Thomas: Kommentar zu Tatjana Hörnle, Gegenwärtige Strafbegründungstheo-
rien, in: Andreas von Hirsch/Kurt Seelmann/Ulfrid Neumann (Hrsg.), Strafe –
284 Literaturverzeichnis
Kernbereichslehre 229
Bestimmtheitsgrundsatz 39, 63, 66,
77 ff., 105 ff., 124, 132, 133 ff., 149,
156, 163, 186, 197, 205, 230
Nachstellung 22, 239
Bindungswirkung 107, 138, 157, 166,
Nulla-poena-sine-lege 175
167, 175 ff., 199, 201 ff., 204 ff., 233
Strafwürdigkeit 24, 96, 104, 114, 184, Von-nun-an-Theorie 152, 173 ff.
193
Subjektive Theorie 216 Wirksamkeit des Strafrechts 37, 40 ff.,
Subsidiarität 182, 185 62, 93, 201