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Strafrechtliche Abhandlungen

Neue Folge · Band 286

Handlung und Zurechnung

Von

Stephan Ast

Duncker & Humblot · Berlin


STEPHAN AST

Handlung und Zurechnung


Strafrechtliche Abhandlungen · Neue Folge
Begründet von Dr. Eberhard Schmidhäuser (†)
em. ord. Prof. der Rechte an der Universität Hamburg

Herausgegeben von
Dr. Dres. h. c. Friedrich-Christian Schroeder
em. ord. Prof. der Rechte an der Universität Regensburg

und
Dr. Andreas Hoyer
ord. Prof. der Rechte an der Universität Kiel

in Zusammenarbeit mit den Strafrechtslehrern der deutschen Universitäten

Band 286
Handlung und Zurechnung

Von

Stephan Ast

Duncker & Humblot · Berlin


In die Reihe aufgenommen als Habilitationsschrift.

Die Juristische Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg


hat diese Arbeit im Wintersemester 2016/2017 als Habilitationsschrift angenommen.

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ISSN 0720-7271
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entsprechend ISO 9706
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Dankeswort

An erster Stelle danke ich Prof. Dr. Joachim Renzikowski. Er hat diese
Arbeit ermöglicht – auch, indem er mir in seiner unkonventionellen und un-
bestechlich-kritischen Art große wissenschaftliche Freiheit gab und die Ge-
duld aufbrachte, die erforderlich ist, wenn Fragen und Ideen verfolgt werden,
deren Produktivität und Folgen nicht von vornherein absehbar sind: „Ma-
chen!“
Allerhöchsten Respekt zolle ich den beiden weiteren Gutachtern, Prof. Dr.
Dr. h. c. mult. Urs Kindhäuser und Prof. Dr. Henning Rosenau. Ihnen danke
ich für die zügige und fundierte Begutachtung der Arbeit.
Während der Konzeptionierung konnte ich noch mit Prof. Dr. Knut Ame-
lung diskutieren, zum Abschluss dann sehr intensiv mit PD Dr. phil. Alexan-
der Aichele. Beider Weitblick und analytische Schärfe haben mich sehr
beeindruckt. Den Tod von Prof. Amelung empfinde ich noch immer als
­
schmerzlichsten Verlust.
Unschätzbar sind all die anderen Freunde und Kollegen sowie die Familie
und meine Frau.

Köln, im Januar 2018 Stephan Ast


Inhaltsverzeichnis

A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
I. Der Stand der Strafrechtswissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
II. Der Begriff der Handlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
1. Der abstrakte Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
2. Der Begriff der verbotsgegenständlichen Handlung . . . . . . . . . . . . . . . 16
III. Gang und Charakter der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18
B. Handlung und normative Zurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
I. Die Begriffe von Handlung und Zurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
1. Definition der Handlung durch die Zurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
2. Der Begriff der normativen Zurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
3. Der Begriff der normativen Zurechnung bei Baumgarten und Kant . . 22
4. Der Begriff der normativen Zurechnung bei Kelsen . . . . . . . . . . . . . . 24
II. Besonderheiten der strafrechtlichen Handlungslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26
1. Die Frage nach der verbotsgegenständlichen Handlung . . . . . . . . . . . . 26
2. Der nichtnormative Charakter der verbotsgegenständlichen Hand-
lung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
3. Verbotsgegenständliche und erfolgsdefinierte Handlungsart . . . . . . . . 30
4. Untersuchungsanliegen und -methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31
III. Der kausale, objektive Handlungsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32
1. Die Konzeption bei v. Liszt und Radbruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32
a) Der Begriff der Handlung bei Radbruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32
b) Berücksichtigung des Handlungssinns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33
c) Irrelevanz der Intention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35
d) Vergleich mit der philosophischen kausalen Handlungstheorie . . . 36
2. Die tatbestandliche als verbotsgegenständliche Handlungsart . . . . . . . 38
a) Der Begriff der tatbestandlichen Handlungsart . . . . . . . . . . . . . . . . 38
b) Das Verhältnis von tatbestandlicher Handlungsart und Tatbestand . 40
c) Tatbestandliche und verbotsgegenständliche Handlung –
alternative Konzepte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48
d) Die Begriffe tatbestandlicher Handlungen zwischen Normativität
und Deskriptivität und die Unterscheidung von Tatbestand und
Rechtswidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55
e) Tatbestandliche Handlungsart und Rechtfertigungsmerkmale . . . . . 59
3. Die Handlung als willkürliche Körperbewegung . . . . . . . . . . . . . . . . . 66
a) Die Definition der Handlung als willkürliche Körperbewegung . . 66
b) Die Handlung als vortatbestandliche Prüfungsstufe . . . . . . . . . . . . 67
8 Inhaltsverzeichnis

c) Der inhaltlich unbestimmte Begriff des Körperverhaltens


­(Handelns) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68
d) Die Identifikation der Handlung mit dem Körperverhalten . . . . . . 69
e) Das Problem der Nichtbestimmbarkeit einzelner Handlungen . . . . 71
4. Erfolgsdefinierte Handlungsarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72
a) Begriff des Erfolgs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73
b) Erfolgsdefinierte Handlung und Ausführungshandlung . . . . . . . . . . 76
c) Das Verhältnis von erfolgsdefinierter Handlung und Ausführungs-
handlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78
d) Die Verbote erfolgsdefinierter und erfolgsgeeigneter Handlungen . 80
5. Das Problem der Umgrenzung erfolgsdefinierter Handlungsarten . . . . 82
a) Das Regressverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83
b) Die soziale Handlungslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84
c) Die Adäquanztheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85
d) Die Lehre von der objektiven Zurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88
IV. Der finale, subjektive Handlungsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91
1. Welzels Konzeption – Subjektiver Sinn als Maßstab der Zurechnung . 91
2. Das Problem des Fahrlässigkeitsdelikts – Welzels Lösungsversuche . 94
a) Finalität und Fahrlässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94
b) Erster Ausweg: Vorhersehbarkeit und Vermeidbarkeit der Ver­
ursachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95
c) Zweiter Ausweg: Finale Steuerung des Körperverhaltens . . . . . . . 96
3. Die These von der Irrelevanz des Erfolgs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97
a) Kaufmann und Zielinski . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97
b) Die Resistenz des Problems: Notwendig objektiv zu verstehende
Verbotsbestandteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99
c) Die Relevanz des Erfolgs für Handlung und Norm . . . . . . . . . . . . 101
4. Vermeidbarkeit statt Finalität – Jakobs Handlungsbegriff . . . . . . . . . . 106
a) Der Begriff der individuell vermeidbaren Verursachung . . . . . . . . 106
b) Vermeidbarkeit und Finalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107
c) Die normative Orientierung des Vermeidbarkeitsurteils . . . . . . . . . 108
5. Der intentionale Handlungsbegriff – Kindhäuser . . . . . . . . . . . . . . . . . 110
a) Der finale, der intentionale und der deliktssystematische Grund-
begriff der Handlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110
b) Abschied vom Primat der Handlungslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111
V. Handlung und Straftatsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112
1. Zur Möglichkeit, final und objektiv definierte Handlungsarten in
einem Handlungsbegriff zu erfassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112
2. Kritik des kausalen Handlungsbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114
3. Der soziale und personale Handlungsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116
4. Kritik der Funktionalisierung des Handlungsbegriffs für strafrechts-
dogmatische Zwecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118
5. Die Straftat als Handlungsart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122
Inhaltsverzeichnis9

C. Die Handlung als Ergebnis einer Zurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127


I. Sinnsetzung und Gegenstand des Sinnbezugs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127
II. Der Zurechnungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130
1. Das Körperverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130
2. Sonstige Veränderungen oder deren Ausbleiben . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132
3. Der Zurechnungsgegenstand bei der Unterlassung . . . . . . . . . . . . . . . . 135
III. Die Kontingenzvoraussetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136
1. Kontingenz des Körperverhaltens und Kontingenzverknüpfung . . . . . 136
2. Kontingenzverknüpfung, Kausalität und condicio sine qua non . . . . . 139
3. „Ersatzursachen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143
4. Handlungen anderer Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146
5. „Alternative“ und „kumulative Kausalität“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148
IV. Die intentionale Zurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154
1. Intention und Norm als Zurechnungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154
2. Intention, Vorsatz, Absicht und Inkaufnehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157
3. Die Verbindlichkeit der Intention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164
4. Die Zuschreibung der Intention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167
5. Abgrenzung der Handlung zu „Nichthandlungen“ . . . . . . . . . . . . . . . . 168
V. Die normative Zurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169
1. Die Struktur der normativen Zurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169
a) Besonderheit und Implikationen des Urteils über die normative
Zurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169
b) Die Begründung der konkreten aus einer generellen Norm . . . . . . 171
c) Die Begründung des normativen Zurechnungsurteils . . . . . . . . . . . 172
2. Das vorsätzliche Begehungsdelikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173
3. Die teleologische Folgerichtigkeit der Normsetzung . . . . . . . . . . . . . . 175
4. Das Fahrlässigkeitsdelikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178
a) Fehlende Intention hinsichtlich von Handlungsfolgen . . . . . . . . . . 178
b) Fehlende Kenntnis von relevanten Situationsumständen . . . . . . . . 180
c) Kenntnisgebote und kenntnisbezogene Handlungsnormen . . . . . . . 182
d) Zurechnungsregeln und Bestimmungsnorm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186
e) Der Begriff der Fahrlässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190
5. Das Unterlassungsdelikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192
D. Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209
Sachwortregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222
A. Einleitung

I. Der Stand der Strafrechtswissenschaft

1. Die Begriffe Handlung und Zurechnung gehören so selbstverständlich


zum Grundbestand des Strafrechts, dass eine Beschäftigung mit deren Defi-
nition überflüssig erscheint. So kann man sich für den Begriff der Zurech-
nung auf Pufendorf und Kant berufen sowie für den Begriff der Handlung
auf eine maßgeblich von v. Liszt, Beling, Radbruch und Welzel beeinflusste
strafrechtswissenschaftliche Tradition. Was nutzt es also, die heute kaum
mehr weiter verfolgten Diskussionen zu den Begriffen Handlung und Zu-
rechnung wieder aufzugreifen – zumal es nicht nahe liegt, dass das zu fall-
praktisch relevanten Ergebnissen führt? Leicht handelt man sich den Vorwurf
eines akademischen Glasperlenspiels ein.1
Fälle werden mithilfe des Handlungsbegriffs in der Tat nicht unmittelbar
gelöst, jedoch ist dieser Begriff grundlegend für das Straftatsystem. Seine
Definition wirkt sich auf das Verständnis vieler Begriffe dieses Systems aus,
denn die Straftat als solche ist eine Handlung bestimmter Art: ein Mord, ein
Betrug, eine fahrlässige Tötung. Die Straftatlehre ist eine spezielle Hand-
lungslehre. Sie klassifiziert deren Arten und systematisiert deren allgemeine
Voraussetzungen.
Der Handlungsbegriff des Strafrechts muss sich dabei an ein allgemeines
Handlungskonzept anschließen lassen. Es ist nicht anzunehmen, dass die
Strafrechtsdogmatik einen Handlungsbegriff erzeugt, der völlig isoliert so-
wohl von anderen Rechtsbereichen als auch von der außerrechtlichen Rede
ist. Eine allgemeine Handlungstheorie und ein aus ihr zu entwickelnder abs-
trakter Begriff der Handlung, der nicht nur auf Straftaten zutrifft, muss um-
gekehrt auch für den spezielleren Begriff der Straftat sowie die Straftatlehre
aussagekräftig sein. Er muss der gemeinsame Bezugspunkt der Merkmale
einer beliebigen Straftatart sein. Deren Merkmale müssen aus den Merkma-
len jenes Begriffes heraus zu entwickeln sein.
In der klassischen strafrechtlichen Kontroverse um die kausale und finale
Handlungslehre war man sich dessen zumindest insofern bewusst, als jene

1 Vgl. demgegenüber die Bemerkung von Seher (2013) S. 220 f. dass bei den heu-
tigen Autoren „der Kernbegriff der Zurechnung im Nebel liegt,“ obgleich „der
Sprechakt des Zurechnens als Schlüsselschritt angewandter Straftatdogmatik gilt.“
12 A. Einleitung

Lehren die Tatbestandsmerkmale – den Taterfolg, die Kausalität und die fi-
nale Lehre auch den Vorsatz – als Merkmale des Begriffs der tatbestandli-
chen Handlung verstanden haben. Im Gegensatz dazu fasst man heute die
Merkmale der Straftat – die Tatbestandsmerkmale ebenso wie die Urteile
über Rechtswidrigkeit und Schuld – zumeist fragmentiert je für sich auf,
ohne in deren Interpretation einen Bezug zum Handlungsbegriff herzustel-
len.2 Demgegenüber kann die Grundlegung jener Merkmale im Begriff der
Handlung Wesentliches zu ihrer Deutung beitragen. Das wird am Verständnis
der Kausalität, des Vorsatzes und des Unterlassungsdelikts zu zeigen sein.
Insofern wird der Handlungsbegriff auch für die Beurteilung von Fällen
praktisch relevant.
2. Sofern ein Zusammenhang des Handlungsbegriffs zu den einzelnen
Deliktsmerkmalen nicht hergestellt wird, erscheint auch die Handlung selbst
zusammenhanglos im Deliktssystem. Sie gilt nur als ein Tatbestandsmerkmal
unter anderen. Ihrem Begriff wird lediglich die Funktion zugemessen, die
Strafbarkeit wegen eines Körperverhaltens auszuschließen, das nicht willkür-
lich und deshalb keine Handlung sei.3
Dass der Handlungsbegriff derart marginalisiert wird, verdankt er einer
Aporie, in welche die Diskussion der strafrechtlichen Handlungslehren gera-
ten ist. Man akzeptierte den Anspruch, alle Arten der Straftaten bereits ohne
Rücksicht auf das Urteil über die Rechts- bzw. Normwidrigkeit und in die-
sem Sinne vornormativ als Handlungen auszuweisen. Einlösen konnte die
kausale und finale Lehre diesen Anspruch für das Unterlassungs- und Fahr-
lässigkeitsdelikt aber nicht.4
Deshalb weicht man auf Handlungsdefinitionen aus, die ohne Aussagekraft
sind, weil sie bloß diffuse Merkmale enthalten und relevante Fragen nur
verschieben. Handlung sei ein „Verhalten“ bzw. ein „Sachverhalt“, welcher
in einem Tun oder Unterlassen einer Person besteht,5 oder eine
„Persönlichkeitsäußerung.“6 Dass für eine Handlung die Sinn- und Sozialdi-
mension wesentlich ist, wird zwar konstatiert, aber nicht weiter analysiert,
weshalb die behaupteten Ergebnisse unzureichend begründet werden.7
Derartigen Handlungsbegriffen kommt keine vergleichbare systematische
Bedeutung zu, wie sie dem Handlungsbegriff früher zugemessen wurde und

Etwa Roxin AT I (2006) § 10 Rn. 67.


2
Kühl AT (2017) § 2 Rn. 3, Walter (2006) S. 27 ff., ders. LK-StGB (2007) Vor
3
§ 13 Rn. 30 ff.
4 Vgl. die Kritik etwa bei Roxin AT I (2006) § 8 Rn. 19 f.
5 Puppe NK-StGB (2017) Vor §§ 13 ff. Rn. 53 ff., 61.
6 Roxin AT I (2006) § 8 Rn. 44.
7 Wessels / Beulke / Satzger AT (2017) § 3 Rn. 136 ff.
I. Der Stand der Strafrechtswissenschaft13

die sich in allgemein anerkannten Ergebnissen wie der Etablierung des Be-
griffs der tatbestandlichen Handlung und der Einbeziehung des Vorsatzes in
den Begriff dieser Handlung niederschlug. An die Stelle der Handlungslehre
tritt insoweit die Lehre von der objektiven Zurechnung, die ihrerseits zu ei-
ner Änderung der Tatbestandslehre führte.8
Auf breiter Linie ist ferner eine Abkehr vom finalen hin zu objektivieren-
den Handlungsbegriffen zu verzeichnen, welche in der Tradition der kausalen
Lehre stehen. Weil der Vorsatz nicht mehr im Handlungsbegriff verankert
wird, fällt die systematische Grundlage für den finalistischen Verbrechens-
aufbau weg. Der Erfolgseintritt und darauf bezogene Vorsatz werden nicht
mehr auf die Handlung bezogen, sondern vom Strafzweck her gedeutet.9
Systematisch würde dem eine Neuordnung der Strafbarkeitsmerkmale
nach Verhaltensnormwidrigkeit und Strafzweckgesichtspunkten entspre-
chen.10 Die Verhaltensnormwidrigkeit bzw. das Unrecht wird dann allein
durch das „unerlaubte Risiko“, den Sorgfaltspflichtverstoß begründet. Die
Straftatlehre geht vom Fahrlässigkeitsdelikt aus, zu welchem das Vorsatzde-
likt nur als ein Spezialfall erscheint.11
3. Die Handlungslehre wird somit von primär strafzweck- bzw. präven­
tionsbezogenen Theorien entweder verdrängt oder zumindest geprägt – so
bei Jakobs. Er sieht die Straftat als solche als Handlung an,12 deutet aber
deren Merkmale primär vom Strafzweck der positiven Generalprävention her
und meint sogar, dass sich auch über den Begriff der Handlung selbst „ohne
Blick auf die Aufgabe des Strafrechts schlechthin nichts sagen lässt“13 –
weshalb er mit der „Vermeidbarkeit einer Erfolgsdifferenz“ einen rein straf-
rechtsbezogenen Handlungsbegriff postuliert.14
Nicht jede Handlung ist jedoch eine Straftat, weshalb Begriff und soziale
Funktion der Handlung zunächst unabhängig vom Strafrecht bestimmbar sein
müssen. Erst wenn dieser Schritt getan ist, kann man fragen, ob die Straf-
rechtsdogmatik Gesichtspunkte außer Acht lassen kann, die für die alltägliche
Praxis von Handlungszuschreibungen bedeutsam sind, bzw. ob Besonderhei-
ten im Strafrecht gelten oder gelten sollten, welche eine weiter oder weniger
weit reichende Zurechnung erfordern. Für eine Wissenschaft ist es jedenfalls
unabdingbar, diese Differenzen offen zu legen und zu reflektieren.

8 Ebenso Schroeder (2003) S. 651. Vgl. Roxin AT I (2006) § 11 Rn. 44 ff., 50.
9 Frisch (1983) S. 102 ff., ders. (1988) S. 516 ff.
10 Frisch (1983) S. 502 ff., Stein (2009) passim, Walter (2006) S. 212 f.
11 Roxin AT I (2006) § 11 Rn. 49.
12 Jakobs (1992) S. 44.
13 Jakobs AT (1991) S. VII.
14 Jakobs AT (1991) 6 / 27, S. 141. Hierzu unter B.III.4.
14 A. Einleitung

Ferner ist es im Hinblick auf eine teleologische und funktionalistische


Deutung des Strafrechts wichtig zu bestimmen, welche Zweckannahme wel-
chen Aspekt der Straftat erklären und – normativ gewendet – legitimieren
kann. Die Konstitution von Handlungen, auf die dann in einem Tatstrafrecht
erst mit Strafe reagiert werden kann, hat die Funktion zu ermöglichen, Ereig-
nisse oder deren Ausbleiben auf Personen zuzuordnen.15
Diese Funktionsbestimmung sagt noch nichts über die Legitimation jener
Zuordnung aus. Hierfür sind rechtfertigende Gründe anzuführen. Man muss
dem Täter erklären können, warum ihm ein Ereignis oder Ausbleiben zuge-
rechnet wird und warum er bestraft wird. Der Zweck der Strafe oder des
Strafrechts spielt hierfür keine Rolle, weil diese nur erklären, warum er be­
straft wird.

II. Der Begriff der Handlung

1. Der abstrakte Begriff

1. Entsprechend der Funktionsbestimmung ist der Begriff der Handlung


durch den Begriff der Zurechnung zu definieren. Diese wird nicht ausschließ-
lich im juristischen oder moralischen Sinne verstanden,16 sondern als die
Grundform eines Urteils, durch welches einer Person etwas zugeordnet wird.
Die Handlung ist zu definieren als das Ergebnis einer Zurechnung. Zuge-
rechnet wird aus besonderen Gründen einer Person, dass sich eine gegebene
Lage verändert oder nicht verändert hat. Das heißt, dass eine Handlung nicht
bereits vor der Zurechnung als solche gegeben ist, so dass sie nur noch einer
Person zugeordnet werden müsste. Vielmehr wird die Handlung durch die
Zurechnung erst konstituiert. Zurechnen kann sich auch der Handelnde
selbst. Welche Gründe die Zurechnung rechtfertigen, ist die zentrale Frage
der strafrechtlichen Handlungslehre.
Der komplexe Begriff der Zurechnung zeigt zum einen, dass in einer
Handlung heterogene Elemente verknüpft sind: Zurechnungsgegenstand, Zu-
rechnungsgründe, Person und (Selbst-)Beobachter. Zum anderen verankert er
mit den Zurechnungsgründen und dem Zurechnungsakt die Dimensionen des
Sinns und der Sozialität sowie die Beobachtungsabhängigkeit im Handlungs-
begriff. Das hier zu entwickelnde Handlungskonzept steht deshalb Theorien

Luhmann (1984) S. 160, 228.


15
So die juristische Handlungsdefinition in der Tradition Hegels, etwa Berner
16
(1872) § 90, S. 155 f. = (1898) § 62, S. 116 f., Binding (1914) S. 88 ff., 93. Vgl. inso-
weit Radbruch (1904a) S. 86 ff. m. w. N. und unten B.V.5.2.
II. Der Begriff der Handlung15

nahe, die den sozialen Sinn und die soziale Funktion der Handlung betonen
und dabei oft auch den Begriff der Zurechnung einbeziehen.17
Selbst Handlungen, die nur in der Selbstbeobachtung des Handelnden und
nicht in der Beobachtung durch andere konstituiert werden, weisen eine so-
ziale Dimension auf, schon weil die Selbstdeutung das soziale, sprachlich
verankerte Schema der Handlung übernimmt: die Zurechnung auf die eigene
Person. Rechtlich relevante Handlungen werden aber immer auch durch eine
Fremdbeobachtung konstituiert.
Zur sozialen Dimension der Handlung gehört auch der Bezug auf Normen
und Werte, den Handlungen allgemein aufweisen können und als rechtlich
relevante immer aufweisen. Handlungen können Gegenstand einer Bewer-
tung sein oder diese begrifflich implizieren, so die Begriffe einzelner Strafta-
ten. Diese normative Dimension kann im Zurechnungsbegriff integriert wer-
den, weil eine Norm der Zurechnungsgrund innerhalb einer Handlung sein
kann.
2. Die strafrechtlichen wie philosophischen Handlungstheorien stellen
sich die Handlung demgegenüber zumeist als ein willkürliches Körperverhal-
ten vor, das durch den Willen gesteuert wird und gegebenenfalls bestimmte
Folgen in der Welt verursacht.
Dieses Modell der Handlung mag der Alltagsvorstellung entsprechen, doch
hat es nur begrenzte Erklärungskraft. Es ist zu vereinfachend und zugleich
nicht abstrakt genug: Wenn die Handlung eine relationale Struktur zwischen
verschiedenen, aufeinander bezogenen Elementen aufweist, ist es unange-
messen vereinfachend, ein einzelnes Element – das Körperverhalten – für
das Ganze zu nehmen, indem man in der Definition das Ganze und das Ele-
ment gleichsetzt. Infolgedessen können andere Elemente nicht plausibel inte-
griert werden. Wie über das Körperverhalten hinausgehende Erfolge zur
Handlung gehören, bleibt ebenso ungeklärt wie die Relevanz dessen, was der
Handelnde über das Körperverhalten hinausgehend will. In der Definition
des Begriffs kommen diese Elemente nicht vor, weshalb sie als etwas für die
Handlung Unwesentliches erscheinen müssen.
Die Definition der Handlung als Körperverhalten ist zugleich nicht abs-
trakt genug, weil es nicht alle Erscheinungsformen der Handlung deuten

17 Vgl. Larenz (1927) S. 75 ff., Welzel (1931) S. 718 ff. = (1975) S. 19 ff., Roxin
(1968) S. 262, Schmidt (1969) S. 340 f., Hruschka (1976) S. 12 f., Kindhäuser (1980a)
S. 156 ff., 197 ff., (1984) S. 16 ff., (2011) S. 41 ff., Jakobs (1992) S. 27 ff. Vgl. aus
soziologischer Sicht Luhmann (1965) S. 65, (1978) S. 237 f., (1984) S. 228 f. Aus
philosophischer Sicht Lenk (1978) S. 292 ff., 323 f. Vgl. auch Hart (1948), hierzu
Feinberg (1977), S. 186 ff., Kindhäuser (1980a) S. 163 ff., Koriath (1994) S. 379 ff.,
Mañalich (2009) S. 186 ff.
16 A. Einleitung

kann – insbesondere die Unterlassung. Nicht genügend abstrahiert wird auch,


sofern die Kausalität als ausschlaggebend für die Verknüpfung des Körper-
verhaltens oder der Unterlassung eines Körperverhaltens mit dem Erfolg an-
gesehen wird. Wie zu zeigen sein wird, ist das eine unzutreffende Verallge-
meinerung.
Das Modell der Handlung als Körperbewegung ist insgesamt ein Beispiel
für den fallacy of misplaced concreteness, den Whitehead für das klassische,
mechanistische Modell der Natur feststellte. Dieses reduzierte die Realität der
Natur auf die raum-zeitliche Lokalisierung von Körpern und deren kausale
Wirksamkeit. Qualitative Eigenschaften fasste sie als bloß akzidentiell auf.18
3. Das Zurechnungskonzept der Handlung kennt die Schwierigkeiten
nicht, die aus dem Fehler unzutreffender Konkretheit folgen. Die soziale
wird ebenso wie die normative Dimension von Handlungen einbezogen,
ohne den Handlungsbegriff auf Straftaten zu verengen. Die Handlung wird
nicht mit einem Körperverhalten identifiziert. Stattdessen wird dieses als
möglicher Zurechnungsgegenstand sowie funktional als Anknüpfungspunkt
der Zurechnung gedeutet. Deshalb kann erklärt werden, dass auch die Unter-
lassung, die an ein potentielles Körperverhalten anknüpft, eine Handlung
sein kann.
Die Definition der Handlung durch den Begriff der Zurechnung setzt nicht
gegenstands-, sondern funktionsbezogen an, da die Zurechnung ein funktio-
naler Gesichtspunkt ist. Von dieser Funktion her sind die einzelnen Elemente
des Handlungsbegriffs zu deuten.
Die Abstraktion vom Körperverhalten ist freilich mit einem Verlust an
Anschaulichkeit verbunden. Jedoch abstrahiert jede Theorie – auch das Mo-
dell der Handlung als Körperverhalten. Wenn ein Modell nicht mehr in der
Lage ist, wichtige Aspekte des Gegenstands zu integrieren, muss man ein
alternatives Modell zur Beschreibung entwickeln.

2. Der Begriff der verbotsgegenständlichen Handlung

1. Neben dem allgemeinen Handlungsbegriff und dem spezielleren Begriff


der Straftat ist im Strafrecht ein weiterer Handlungsbegriff von großer Be-
deutung. Es ist der allgemeine Begriff derjenigen Handlungsarten, welche
Gegenstand der strafrechtlich untermauerten Verbote sind.19 Die klassische
Kontroverse zwischen kausaler und finaler Handlungslehre wird nur ver-

Whitehead (1988) S. 66 ff.


18
Zur Konzeption strafrechtlicher Verhaltensnormen allgemein Renzikowski
19
(2005) S. 115 ff., Mañalich (2009) S. 23 ff.
II. Der Begriff der Handlung17

ständlich, wenn man sie auf die Frage bezieht, wie der Begriff dieser Hand-
lungen zu definieren ist.
Im Gegensatz zum Begriff der Straftat hat dieser Begriff nichtnormativen
Charakter, insofern als er nicht bereits durch die Verbotswidrigkeit definiert
sein kann: Die verbotsgegenständliche Handlung wird erst durch das hinzu-
tretende, auf sie bezogene Verbot als verboten ausgewiesen und kann diese
Bedeutung nicht schon implizieren.
Somit verfügt die Strafrechtsdogmatik mit den beiden Begriffen der Straf-
tat und der verbotsgegenständlichen Handlung über Handlungsbegriffe, die
für sie spezifisch sind. Das begründet die Besonderheit und zugleich die
Berechtigung einer eigenständigen strafrechtlichen Handlungslehre. Dabei
war der Begriff der verbotsgegenständlichen Handlung in der Diskussion der
kausalen und finalen Handlungslehre von vorrangigem Interesse, weil beide
Lehren von der Prämisse ausgingen, dass sich Verbote nur auf Handlungen
richten können. Diese These liegt dem Begriff und dem Aufbau des Verbre-
chens als tatbestandlicher, rechtswidriger, schuldhafter und somit verbotener
Handlung (bzw. gebotswidriger Unterlassung) zugrunde.
2. Dass die vorliegende Untersuchung von einem anderen Handlungsbe-
griff ausgeht als jene beiden Handlungslehren, lässt diese keineswegs als
obsolet erscheinen. Das jeweilige Modell der Handlung ist nur ein Aspekt
einer Handlungstheorie. Die Wahl eines anderen Modells macht die je behan-
delten Fragen nicht überflüssig. Die Antworten werden vielmehr in eine an-
dere begriffliche Sprache übersetzt. So kann der Gegensatz von kausaler und
finaler Lehre auf die Frage bezogen werden, welche Zurechnungsgründe die
verbotsgegenständliche Handlung konstituieren können – ob entweder allein
die subjektive Sinnsetzung des Handelnden ausschlaggebend ist oder objek-
tivierende, beschreibende Kriterien wie die Verursachung oder Vermeidbar-
keit.
Das Zurechnungskonzept der Handlung beantwortet die Frage nach der
verbotsgegenständlichen Handlung übereinstimmend mit der finalen Lehre.
Eine Zurechnung von Ereignissen auf Personen kann nicht plausibel gemacht
und legitimiert werden, indem man ein Geschehen als vermeidbar bloß be-
schreibt, auch wenn diese Beschreibung als soziales Deutungsmuster be-
hauptet wird. Unter dem Blick des Rechts wird aus einem alltäglich-sozialen
sofort ein juristisch-konstruktiver Begriff, wofür die kausale Lehre und ihr
folgende objektivierende Lehren ein Beispiel geben.
Eine zentrale These der Untersuchung ist vielmehr, dass für das Strafrecht
als Zurechnungsgründe einer Handlung ausschließlich die subjektive Sinnset-
zung durch eine Intention oder die objektive durch eine Norm in Betracht
kommen. Diese These wird in der Diskussion der strafrechtlichen Hand-
lungslehren bestätigt werden.
18 A. Einleitung

III. Gang und Charakter der Untersuchung

1. Nachdem der durch die Zurechnung definierte Handlungsbegriff skiz-


ziert wird (B.I.1. f)), nimmt die Untersuchung ihren Ausgangspunkt bei der
klassischen Zurechnungslehre (B.I.3.). Diese Lehre hat dem Begriff der Zu-
rechnung bereits eine klare Fassung gegeben. Die zweistufige Struktur der
normativen Zurechnung hat sie klar herausgearbeitet: Wenn im Einzelfall
untersucht wird, ob ein Handelnder eine Norm missachtet hat, ist zunächst
festzustellen, ob eine Handlung von der im Verbot bezeichneten Art gegeben
ist, und sodann, ob diese Handlung verbotswidrig war.
Um den allgemeinen Begriff dieser verbotsgegenständlichen Handlung
ging der Streit der strafrechtlichen Handlungslehren (zu deren Besonderhei-
ten B.II.), paradigmatisch der kausalen (B.III.) und finalen Lehre (B.IV.). Der
Gegensatz beider Lehren besteht vor allem hinsichtlich der Frage, ob der
Handelnde bestimmt, was seine Handlung ist, oder ob dies auch ein Beob-
achter ohne Rücksicht auf den Willen des Handelnden bestimmen kann, und
gegebenenfalls, nach welchen Kriterien.
Für die kausale Lehre war ein Hauptproblem die Begrenzung der Erfolgs-
zurechnung und Begründung plausibler Zurechnungsgründe (B.III.5.), für die
finale Lehre die Erklärung des fahrlässigen, erfolgsvoraussetzenden Bege-
hungsdelikts (B.IV.2.–4.). Die jeweiligen Versuche, diese Fragen zu lösen,
sind für die Handlungstheorie lehrreich und führen zu einer abschließenden
Reflexion darüber, was ein strafrechtsdogmatischer Begriff der verbotsge-
genständlichen Handlung leisten kann und soll (B.V.).
Anlässlich der Behandlung der kausalen Handlungslehre werden wichtige
allgemeine Fragen diskutiert – insbesondere die Vorstellung von der Hand-
lung als einer Körperbewegung bzw. eines Kausalprozesses (B.III.3.) sowie
die Differenzierung von erfolgsdefinierten Handlungen und Ausführungs-
handlungen (B.III.4.). Ausführlich diskutiert wird der Begriff des Tatbestands
(B.III.2.). Dieser bezeichnet, handlungsbezogen aufgefasst, diejenige Hand-
lungsart, die Gegenstand eines strafrechtlichen Verbots ist.
2. Der zweite Hauptteil entwickelt das Zurechnungskonzept der Handlung.
Zunächst werden mögliche Gegenstände der Zurechnung und entsprechende
Handlungsarten bestimmt (C.II.). Sodann liegt der Schwerpunkt auf der Frage,
warum zugerechnet werden kann. An erster Stelle steht eine Kontingenzan-
nahme, welche einerseits unmittelbar das Körperverhalten betrifft, anderer-
seits die Erfolge (C.III.). Die Bedeutung der Kausalität wird durch das allge-
meinere Kriterium der Kontingenzverknüpfung relativiert (C.III.2., 4 und 5.).
Darüber hinaus muss die Zurechnung durch eine Sinnsetzung begründet
werden (C.I.), welche einerseits mit einer Intention, andererseits mit einer
Norm gegeben sein kann (C.IV. und V.). Es wird zugerechnet, was einer In-
III. Gang und Charakter der Untersuchung19

tention entspricht oder einer Norm widerspricht (C.IV.1.). Aus der Parallelität
von Norm und Intention werden Anhaltspunkte für deren Verständnis und
Definition gewonnen (C.IV.2.).
Schließlich wird gefragt, wie die intentionale und normative Zurechnung
verknüpft werden. Dabei wird mit der Behandlung des vorsätzlichen Bege-
hungsdelikts der Bogen zurück zur Ausgangsfragestellung nach der verbots-
gegenständlichen Handlung geschlagen (C.V.1. f)). In Wiederaufnahme der
Unterscheidung von erfolgsdefinierten und ‑verursachenden Handlungen
(B.III.4.) wird eine allgemeine teleologische Struktur der normativen Zurech-
nung aufgezeigt, welche auch die Lehre von der objektiven Zurechnung ex-
pliziert hat (C.V.3.). Abschließend wird gezeigt, dass und wie eine normativ
begründete Zurechnung ohne vorherige intentionale Zurechnung möglich ist.
Das betrifft zum einen das Fahrlässigkeits- und zum anderen das Unterlas-
sungsdelikt (C.V.4. und 5.).
3. Das Zurechnungskonzept der Handlung, welches die normative Zurech-
nung umfasst, macht deutlich, dass die strafrechtliche Handlungstheorie eng
mit der Normentheorie verknüpft ist. – Norm und Handlung sind gleichsam
die Grundbausteine des Straftatsystems. Dieses kann nur durch eine Kombi-
nation aus Handlungs- und Normentheorie fundiert werden. Deshalb knüpft
die Untersuchung im Hinblick auf die Normentheorie an die vorangehende
Monographie an, insbesondere in der Analyse teleologischer Normenbezie-
hungen.20
4. Die beiden Hauptabschnitte der Untersuchung können unabhängig von-
einander gelesen werden. Der erste zeigt in der Kritik der überlieferten Leh-
ren Vorteile des Zurechnungskonzepts der Handlung. Im zweiten Teil wird
dieses Konzept systematisch entwickelt.
Die Grenzen von Theorie und Dogmatik sowie zwischen allgemeiner und
strafrechtlicher Handlungstheorie spiegeln sich nicht in der Einteilung der
Kapitel, sondern bleiben immanent.
Mit Blick auf die normative Beurteilung von strafrechtlichen Problemen
zeigt die Arbeit einerseits Problemstrukturen und Begründungsprämissen (ins-
besondere zur Irrtumslehre, B.III.2.e), C.V.2.). Andererseits werden mit Hilfe
der Theorie Legitimationsanforderungen klarer formulierbar: Der Kern des
Handlungsbegriffs besteht aus hiesiger Sicht in der Legitimationsfrage, wie
die Zurechnung begründet wird und, normativ gewendet, begründet werden
soll. Das gilt insbesondere mit Blick auf die Limitierung von Zurechnungs-
gründen (B.V.), strafrechtliche Fragen der Kausalität (C.III.), der normativen
Zurechnung (C.V.3. und 4.) sowie die Vorsatzdogmatik (C.IV.2. und C.V.5.).

20 Ast (2010).
B. Handlung und normative Zurechnung

I. Die Begriffe von Handlung und Zurechnung

1. Definition der Handlung durch die Zurechnung

Die Handlung ist das Ergebnis einer Zurechnung. Jedes Zurechnungsurteil


verknüpft vier Elemente, die dadurch bestimmt werden, wer – wem – was –
warum zurechnet. Es sind der Urteilende, das Subjekt, der Gegenstand und
der Grund der Zurechnung. Zurechnungsgegenstand im Rahmen einer Hand-
lung ist eine Veränderung oder deren Ausbleiben. Die Handlung ist somit das
Ergebnis eines Urteils, welches eine Veränderung oder deren Ausbleiben aus
einem besonderen Grund einer Person zurechnet.
Die Unterscheidung von Gegenstand und Grund der Zurechnung ist bereits
auf Handlungen anwendbar, die bloß durch ein Körperverhalten definiert
werden (z. B. „den Arm heben“). Dieses ist Gegenstand der Zurechnung; ihr
Grund ist etwa die Annahme, dass das Handlungssubjekt sich willentlich
verhalten habe. Zurechnungsgegenstand kann aber auch ein anderer Erfolg
sein, zum Beispiel bei der Handlung „töten“ der Tod eines Menschen.
Im Folgenden wird die Auseinandersetzung von kausaler und finaler
Handlungslehre im Strafrecht auf die Frage bezogen, ob bereits die Verursa-
chung des Erfolges oder vergleichbare „objektive“ Kriterien die Zurechnung
hinreichend begründen oder ob es darüber hinaus erforderlich ist, dass der
Handelnde subjektiv den Erfolgseintritt beabsichtigt.

2. Der Begriff der normativen Zurechnung

1. Der Begriff der Zurechnung, durch welchen die Handlung allgemein zu


definieren ist, entstammt der moralphilosophischen Tradition. Er hat in dieser
Tradition eine engere Bedeutung, weil er die Zurechnung im Hinblick auf
Normen bezeichnet, die normative Zurechnung. Das ist die Feststellung ei­
ner negativen oder positiven Normabweichung.1 Die missbilligende norma-
tive Zurechnung ist das Urteil, dass eine Person eine Norm (Gebot oder

1 Zur positiven Normabweichung (Supererogation) Joerden (2010) S. 221 ff.


m. w. N.
I. Die Begriffe von Handlung und Zurechnung21

Verbot) missachtet hat. Nur diese Art der normativen Zurechnung ist mit
Blick auf die Straftat zu behandeln.
2. Die Annahme, dass das Zurechnungssubjekt eine Norm missachtet hat,
ist der Grund der normativen Zurechnung. Ihr Gegenstand ist derjenige
Sachverhalt, welcher der Norm widerspricht. Er ergibt sich aus dem Gegen-
stand der Norm und kann positiv oder negativ bestimmt sein. Bezeichnet die
Norm eine Veränderung, die nicht eintreten soll (z. B. beim Verbot zu töten),
wird der Eintritt dieser Veränderung zugerechnet (im Beispiel: dass eine an-
dere Person gestorben ist); bezeichnet sie eine Veränderung, die eintreten soll
(z. B. beim Gebot, eine Summe Geldes zu zahlen), wird inhaltlich negativ
zugerechnet, dass diese Veränderung nicht eingetreten ist.
Wenn Gegenstand eines Verbots oder Gebots eine Handlung ist, wird de-
ren Ergebnis oder das Ausbleiben deren Ergebnisses zugerechnet. Das Hand-
lungsergebnis kann seinerseits positiv oder negativ bestimmt sein. Positiv
bestimmt ist es etwa bei der Handlung „töten“. Negativ bestimmt ist es bei
den Handlungen „retten“, „abwenden“, „vermeiden“ und „verhindern“, da
das Ergebnis hier das Ausbleiben einer Veränderung ist. Missachtet man das
Gebot einer solchen Handlung, wird positiv zugerechnet, dass die Verände-
rung eingetreten ist.
3. Zurechnungssubjekt der normativen Zurechnung ist das Normsubjekt
(der Adressat der Norm, der Normunterworfene). Die Zurechnung setzt inso-
weit eine namhaft gemachte, als identisch angenommene Person voraus, die
auch bei „natürlichen Personen“ nicht einfach mit dem Menschen oder des-
sen Psyche gleichzusetzen ist.2
Das Zurechnungssubjekt kann an der Normsetzung beteiligt gewesen sein
und sich dadurch selbst der Norm unterworfen haben (bei Versprechen, Ver-
abredung oder Vertrag). Die Norm kann aber auch ohne Rücksicht auf seine
Zustimmung an ihn gestellt sein (generell: Rechtsnormen, singulär: Befehl).
Jedenfalls ist mindestens ein Zweipersonenverhältnis vorausgesetzt.
4. Derjenige, der ein Zurechnungsurteil fällt, ist der Beurteiler. Das kann
der Normsetzer, das Zurechnungssubjekt selbst oder ein Dritter sein. Zurech-
nungsurteile verschiedener Beurteiler können divergieren. Einem Beurteiler
kann die Befugnis zukommen, für alle verbindlich über die Zurechnung zu
entscheiden, so im Hinblick auf die rechtliche Zurechnung der Richter bzw.
das Gericht. Kant unterscheidet insoweit zwischen rechtskräftiger und beur-
teilender Zurechnung (imputatio iudiciaria s. valida und imputatio diiudica­
toria).3

2 Kelsen (1911) S. 82 f., 514 ff., Luhmann (1984) S. 229.


3 Kant (1907) S. 227 = (2009) S. 25.
22 B. Handlung und normative Zurechnung

3. Der Begriff der normativen Zurechnung bei Baumgarten und Kant

1. Der allgemeinere Begriff der Zurechnung, durch welchen die Handlung


zu definieren ist, unterscheidet sich von dem der normativen Zurechnung
dadurch, dass er die Frage des Zurechnungsgrundes nicht spezifiziert, wäh-
rend der Zurechnungsgrund der normativen Zurechnung eine Norm ist. Die
normative Zurechnung ist demnach ein Spezialfall der Zurechnung im Rah-
men einer Handlung. Sie ist in Handlungsbegriffen vorausgesetzt, die ein
Verbrechen bezeichnen, zum Beispiel Mord und Diebstahl.
Man kann somit bei der Handlungskonstitution eine normative und eine
nichtnormativ begründete Zurechnung unterscheiden.
2. In den klassischen Texten ist diese Unterscheidung in derjenigen von
imputatio facti und imputatio legis (bzw. auf das Recht bezogen: imputatio
iuris) angelegt.
So hat Baumgarten definiert: „Zurechnung … wird genannt (1) das Urteil,
wodurch beurteilt wird, dass einer der Urheber (auctor) einer bestimmten Tat
(factum) sei, (2) die Anwendung (applicatio) des Gesetzes auf die Tat bzw.
die Subsumtion der Tat unter ein Gesetz.“4
Kant hat das in seiner Definition verkürzt ausgedrückt: „Zurechnung (im­
putatio) in moralischer Bedeutung ist das Urteil, wodurch jemand als Urhe-
ber (causa libera) einer Handlung, die alsdann Tat (factum) heißt und unter
Gesetzen steht, angesehen wird.“5
Zunächst wird nichtnormativ eine Handlung zugerechnet (imputatio facti)
und „alsdann“ (mit der normativen Zurechnung, imputatio iuris) eine Tat, die
unter Gesetzen („der Verbindlichkeit“)6 steht – was man übersetzen kann mit:
die einem Gebot oder Verbot widerspricht (insbesondere eine „Straftat“).7
Der Begriff der normativen Zurechnung kann somit definiert werden als
das Urteil, durch welches festgestellt wird, dass jemand eine Norm missach­
tet hat.

Baumgarten (1760) § 125, S. 81 f., Übersetzung von Aichele (2011a) S. 503 f.


4
Kant Metaphysik der Sitten (1907) S. 227 = (2009) S. 25. Hierzu Aichele
5
(2011b) S. 34 ff., Stübinger (2011) S. 163 ff., Pawlik (2012) S. 288 f., Blöser (2014).
6 Kant (1907) S. 223 = (2009) S. 25.
7 Zum Begriff der Tat Blöser (2014) S. 17 f. Zur Begriffsgeschichte Binding Nor-
men I (1914) S. 83 ff., Fn. 1, Engisch (1944) S. 154 f. Fn. 51, Pawlik (2012) S. 289 f.,
297; z. B. genau umgekehrt wie Kant Hegel Grundlinien (1981) § 118: „Unterschied
[…] von Tat und Handlung, der äußerlichen Begebenheit und dem Vorsatze und Wis-
sen der Umstände sowie der Zersplitterung der Folgen.“ Zur Ablehnung der Unter-
scheidung einer imputatio facti und iuris seitens der Hegelianer Larenz (1927) S. 60 f.,
68 ff., dessen Kategorie der „objektiven Zurechnung“ diese Unterscheidung sozusa-
gen rehabilitiert, vgl. a. a. O. S. 70 f. und unter B.III.5.d).
I. Die Begriffe von Handlung und Zurechnung23

3. Die aus dem 18. Jahrhundert stammende Tradition hat für die neuere
Diskussion Hruschka wieder aufgenommen.8 Er wendet in Anschluss an
Daries ein, dass das normative Zurechnungsurteil nicht wie bei Baumgarten
mit der applicatio legis gleichgesetzt werden könne, sondern ihr nachfolge.
Die applicatio legis entspreche dem heutigen Rechtswidrigkeitsurteil, die
imputatio iuris dem Schuldurteil, mit welchem die rechtswidrige Handlung
dem Subjekt zugerechnet werde.9
Sieht man es so, fehlt aber eine klare Definition des Begriffs der imputatio
iuris, wie sie Baumgarten gegeben hat. Die Gleichsetzung von applicatio
legis und imputatio iuris bedeutet demgegenüber, dass nicht das Rechtswid-
rigkeits‑, sondern erst das Schuldurteil den Normverstoß feststellt.10
Diese Position kann hier nicht ausführlich begründet werden. Jedoch
wird ein normentheoretisches Konzept entwickelt, das zeigen kann, dass die
Annahme eines Normverstoßes und mithin das Zurechnungsurteil voraus-
setzt, dass der Normadressat zurechnungsfähig, das heißt in der Lage war,
die Norm zu befolgen. Hierfür ist lediglich zwischen der Bestimmungs-
und Bewertungsperspektive auf die Norm zu differenzieren.11 Das Zurech-
nungsurteil nimmt die Bewertungsperspektive ein. In dieser ist es nur dann
legitimierbar, jemandem mitzuteilen, dass er sich nach der jeweiligen Norm
hätte richten sollen, wenn man aufzeigt, dass er es gekonnt hätte.12 Dem-
nach ist das Rechtswidrigkeitsurteil nur ein Teilaspekt der applicatio legis.
Über die Berechtigung, zwischen Rechtswidrigkeit und Schuld zu differen-
zieren, ist damit nichts gesagt. Ebenso offen bleiben muss, ob der spezi-
fisch strafrechtliche Schuldbegriff durch ergänzende Merkmale zu definie-
ren ist, um alle strafrechtlichen Schuldausschlussgründe adäquat erklären zu
können.13
4. Baumgartens und Kants Definitionen des Begriffs der normativen Zu-
rechnung setzen voraus, dass zunächst als Handlung und darauf folgend
normativ zugerechnet wird. Die Anbindung der normativen Zurechnung an

8 Hruschka (1976) S. 34 ff. Hierzu Joerden (2010) S. 136 ff., 261 ff. Zu den Grün-
den für das zwischenzeitliche Verschwinden des Zurechnungsbegriffs Stübinger
(2011) S. 170 ff., Pawlik (2012) S. 289 ff. Zur Opposition von Feuerbach (1799)
S. 150 ff. gegen die Zurechnungslehre Hardwig (1957) S. 46 ff., Reinhold (2009)
S. 82 ff.
9 Hruschka (1976) S. 35 f.; (1984) S. 672 ff., 692 ff., (1987) S. 136 f., 166, (1991)
S. 452. Ebenso Blöser (2014) S. 23 ff. Kritisch Reinhold (2009) S. 72 ff., 80, Pawlik
(2012) S. 263 f.
10 So Renzikowski Matt / Renzikowski-StGB (2013) Vor § 13 Rn. 39 f. m. w. N.
11 Vgl. C.V.4.f) und h).
12 Zum Prinzip ultra posse nemo obligatur C.V.4.e).
13 So Roxin (1974) S. 181 ff.
24 B. Handlung und normative Zurechnung

den Begriff der freien Handlung hat beginnend mit Aristoteles Tradition.14
Sie erfasst die Fahrlässigkeitszurechnung aber nur als Ausnahme:15 Die actio
non libera in se sed in sua causa wird „außerordentlich“ zugerechnet.16
Wenn auch die außerordentliche Zurechnung ein Fall der normativen Zu-
rechnung ist, kann deren Begriff nicht durch eine Voraussetzung definiert
werden, welche nur für die ordentliche Zurechnung zutrifft (eine freie Hand-
lung). Deshalb ist dieser Begriff formal als Annahme eines Normverstoßes
zu definieren.17 Dass die „ordentliche“ Zurechnung eine freie Handlung vor-
aussetzt, ergibt sich dann daraus, dass Gegenstand des zurechnungsbegrün-
denden Verbots eine solche Handlung ist. Die Frage, ob nur Handlungen
Gegenstand von Verboten sein können, ist von der Definition des Begriffs
der normativen Zurechnung deutlicher zu trennen. Nur dann ist es auch mög-
lich, die ordentliche und außerordentliche Zurechnung in einem Gesamtkon-
zept zu vereinen, so dass die „außerordentliche“ Zurechnung nicht als syste-
matisch nicht integrierbare Ausnahme erscheint.

4. Der Begriff der normativen Zurechnung bei Kelsen

Kelsen hat den Begriff der Zurechnung im normativen Sinn in den „Haupt-
problemen der Staatsrechtslehre“ ebenfalls rein formal definiert: „Die auf
Grund der Norm vorgenommene Verknüpfung zwischen einem Seinstatbe-
stande und einem Subjekte ist die Zurechnung.“18 Er meint damit zunächst
die Zurechnung eines normwidrigen Tatbestands an ein Subjekt. Dass dieser

14 Aristoteles Eth. Nic. (1985) III 1–3, 1109b 30 ff., V 10, 1135a 22 ff. [hierzu
Loening (1903), zu diesem wiederum Koriath (1994) S. 102 ff., Hardwig (1957)
S. 11 ff., Stuckenberg (2007) S. 506 ff.]; Pufendorf (1679) liber I caput I §§ 2, 17
[hierzu Welzel (1958) S. 21 f., 84 ff., Hardwig (1957) S. 35 ff., Hruschka (1984), Rein­
hold (2009) S. 12 ff.]; Thomasius (1705) liber I caput II, §§ 52 ff., S. 26 ff.; Hegel
(1981) § 113 ff. Kritisch Luhmann (1965) S. 64 f.
15 Aristoteles Eth. Nic. (1985) III 7, 1113b 24 ff. [hierzu Loening (1903) S. 210 ff.,
Hardwig (1957) S. 16 ff.], Kant (1907) S. 224.
16 Hruschka (1976) S. 28, 65 ff., (1984) S. 664 ff., 690 ff., (1987) S. 144 ff., (1991)
S. 454 ff.
17 Ebenso Hardwig (1957) S. 121: „Zurechnung ist wenigstens im entscheidenden
abschließenden Urteil die formale Feststellung, dass es dieser bestimmte Rechtsver-
pflichtete gewesen ist, der die Rechtspflicht verletzt hat.“ Materielle Zurechnungsvo-
raussetzung ist bei Hardwig statt der Handlung die Vermeidbarkeit des Geschehens;
er trennt dann selbst aber nicht deutlich genug zwischen Begriffsdefinition und mate-
riellen Voraussetzungen, Hardwig (1957) S. 120, 151. Das erschwert die Rezeption,
so bei Koriath (1994) S. 130. Kritisch Kahlo (2001) S. 47 ff., 53 ff.
18 Kelsen (1911) S. 72, hierzu Hardwig (1957) S. 107 ff., Pohlmann (1984)
S. 86 ff., Koriath (1994) S. 146 ff., Renzikowski (2002), Paulsen (2004), Reinhold
(2009) S. 30 ff., 72 f., Stübinger (2011) S. 155 m. w. N.
I. Die Begriffe von Handlung und Zurechnung25

„auf Grund der Norm“ zugerechnet wird, bedeutet, dass der Seinstatbestand
als der Norm widersprechend beurteilt wird; das Geschehen wird unter eine
Norm subsumiert. Kelsen bemerkt, dass prinzipiell sowohl eine akausale als
auch eine ateleologische Zurechnung möglich ist – so beim Unterlassungs-
bzw. Fahrlässigkeitsdelikt.19 Offenbar muss aber in der missachteten Norm
irgendeine Relation zwischen dem Zurechnungssubjekt als Normadressat und
dem Zurechnungsgegenstand hergestellt werden und sei es nur durch die
Anknüpfung an das Eigentum des Normadressaten.20
Die Bestimmung der Art dieser Relation und sonstiger materieller Zurech-
nungsvoraussetzungen wird aus dem Strukturbegriff der Zurechnung ausge-
lagert, weil sie die Legitimation der zurechnungsbegründenden generellen
wie singulären Normen betrifft. Die Reine Rechtslehre enthält sich inhaltli-
cher Vorgaben, entsprechend ihrem Selbstverständnis als einer Strukturtheo-
rie des Rechts. Aus ihrer Sicht beginnt hier das Feld der praktisch-dogmati-
schen Rechtswissenschaft. Doch es ist auch ein Thema der Rechtstheorie, die
Praxis der normativ wie der nicht normativ begründeten Zurechnung zu be-
schreiben und zu reflektieren.
Die hier relevante „Zurechnung eines Unrechtstatbestands“ ist für Kelsen
allerdings von untergeordneter Bedeutung.21 Da er den Begriff der Rechts-
norm inhaltlich auf die Sanktionsanordnung festlegt, erkennt er die Verhal-
tensnormen (Pflichten) nicht als eigenständige Rechtsnormen an.22 Dement-
sprechend unterscheidet er eine innere, pflichtenbegründete von der äußeren,
rechtsnormbegründeten Zurechnung; zum einen, wie dargelegt, die Zurech-
nung des Unrechtstatbestands an den Täter, zum anderen die Zurechnung der
Sanktion als Folge des Unrechtstatbestands.23
Beide Zurechnungsbegriffe sind indessen unverträglich, da im ersten Fall
das der Norm Widersprechende (der Unrechtstatbestand), im zweiten das der
Norm Entsprechende (die Sanktion), im ersten etwas vom Täter zu Verant-
wortendes, im zweiten von ihm zu Erleidendes „zugerechnet“ wird. Die äu-
ßere Zurechnung der Sanktion setzt dabei die innere Zurechnung eines Un-

19 Kelsen (1911) S. 73 ff., 517 f.


20 So in einem Beispiel von Kelsen (1911) S. 73, in welchem folgendes Verbot
anzunehmen ist: „Anderen darf kein Schaden durch dein Eigentum entstehen.“ Frag-
lich ist aber, ob darin das Römische Recht richtig gedeutet ist. Vgl. insoweit Jhering
(1879) S. 184 f., zum fehlenden Verschuldensmoment im alten Römischen Recht
a. a. O. S. 163 ff.
21 Vgl. die relativierende Bemerkung von Kelsen (1923) S. IX f.
22 Kelsen (1911) S. 189 ff., (1934) S. 25 ff.
23 Kelsen (1911) S. 517 ff., (1934) S. 21 ff. Zur Tradition dieser Ansicht Stübinger
(2011) S. 160 ff. Kant (1907) S. 227 = (2009) S. 25 spricht insoweit von einer Zu-
rechnung, die „zugleich die Folgen aus dieser Tat bei sich führt.“
26 B. Handlung und normative Zurechnung

rechts voraus. Umgekehrt ist die innere nicht notwendig mit einer äußeren
Zurechnung verbunden. Es gibt etwa rechtswidrige oder schuldhafte Taten,
die nicht bestraft werden. Wesentlich für den Begriff der Zurechnung ist
deshalb allein die Verknüpfung von Normsubjekt und Unrechtstatbestand,
nicht aber die Sanktionsfolge.24

II. Besonderheiten der strafrechtlichen Handlungslehre

1. Die Frage nach der verbotsgegenständlichen Handlung

1. Die formale Definition des Begriffs der normativen Zurechnung als


Annahme eines Normverstoßes sieht davon ab, bereits im Begriff der norma-
tiven Zurechnung die These zu verankern, dass diese das Gegebensein einer
Handlung bzw. eine nichtnormative Zurechnung voraussetze. Hierin liegt ein
wichtiger Unterschied zur moralphilosophischen Tradition.
Das bedeutet aber nicht, dass die nichtnormative für die normative Zurech-
nung unwichtig wäre, sondern macht nur deutlich, dass die Frage, was die
normative Zurechnung voraussetzt, allein vom Inhalt der Norm abhängt.
Dementsprechend setzt die normative Zurechnung die Feststellung einer
Handlung voraus, wenn eine Handlung verboten ist, zum Beispiel beim Ver-
bot, einen anderen zu töten. Dann muss zuerst festgestellt werden, dass der
Normadressat diese verbotsgegenständliche Handlung verwirklicht hat, also
einen anderen getötet hat. Der Tod wird dem Handelnden dann bereits nicht-
normativ zugerechnet. In einem zweiten Schritt wird ihm dieser mit dem
Urteil über den Normverstoß auch normativ zugerechnet – als Mord oder
Totschlag.
2. Die Unterscheidung von nichtnormativer und normativer Zurechnung
ist für das Verständnis der Diskussion um den strafrechtlichen Handlungsbe-
griff von zentraler Bedeutung. Diese Diskussion bezieht sich auf die Frage,
wie der allgemeine Begriff der verbotsgegenständlichen Handlungen zu defi-
nieren ist. Dadurch unterscheidet sie sich von den allgemeineren philosophi-
schen und soziologischen Handlungstheorien. – Die strafrechtliche Diskus-
sion betrifft somit immer auch das Verständnis der strafrechtlich untermauer-
ten Verhaltensnormen, weshalb die Handlungslehren eng mit normentheore-
tischen Annahmen verknüpft sind.
Sowohl die kausale als auch die finale Handlungslehre gehen dabei von
der normentheoretischen Prämisse aus, dass Gegenstand der strafrechtlichen
Verhaltensnormen (also das, was diese Normen bezeichnen) nur Handlungen
sein können. Diese These entspricht der moralphilosophischen Tradition,

24 Ebenso Luhmann (1965) S. 63 Fn. 30.


II. Besonderheiten der strafrechtlichen Handlungslehre27

welche für die normative Zurechnung eine nichtnormative Zurechnung (im­


putatio facti) und insofern eine Handlung voraussetzt.
Das Urteil über die Verbotswidrigkeit setzt demnach immer das nichtnor-
mative Urteil voraus, dass eine Handlung bestimmter Art gegeben ist. Nor-
mative Verbrechensmerkmale wie die Rechtswidrigkeit und Schuldhaftigkeit
sind deshalb auf die primär festzustellende Handlung bezogene akzidentielle
Attribute, nicht aber Merkmale des Begriffs der Handlung selbst. Weil sie
zum Begriff der Handlung hinzutreten, erscheint dieser als der Grundbegriff
des Deliktssystems. Das Delikt wird definiert als tatbestandliche, rechtswid-
rige und schuldhafte Handlung. Für die strafrechtliche Systembildung wurde
deshalb entscheidend, welches die Merkmale des vornormativen Handlungs-
begriffs sind.
Bevor diese Diskussion dargestellt wird, sind zwei zentrale Probleme zu
erörtern, die in der Diskussion immer wieder relevant geworden sind, näm-
lich inwiefern die verbotsgegenständliche Handlung nichtnormativen Cha-
rakter hat und welche Bedeutung der tatbestandliche Erfolg für den Begriff
dieser Handlung hat.

2. Der nichtnormative Charakter


der verbotsgegenständlichen Handlung

1. Die verbotsgegenständliche Handlung hat im folgenden Sinn nicht-


oder vornormativen Charakter: Ihr Begriff kann nicht durch den Verstoß ge­
gen dasjenige Verbot definiert sein, das diese Handlung verbietet.
Die verbotsgegenständliche Handlung des Tötungsverbots ist deshalb etwa
das „Töten“, nicht das „Morden“. Der Verbrechensbegriff „Ermorden“ impli-
ziert den Verstoß gegen das Tötungsverbot, der Handlungsbegriff „Töten“
impliziert ihn nicht. Der eine Begriff ist durch den Normverstoß definiert,
der andere nicht. In genau diesem Sinn ist der Begriff der verbotsgegenständ-
lichen Handlung deskriptiv, mag auch die Definition bzw. Auslegung dieses
Begriffs normativ geprägt sein.25
Diese These ist für das Strafrecht von großer Reichweite. Sie ist, wie aus-
führlich zu zeigen sein wird, grundlegend für das Verständnis der Systemstu-
fen Tatbestand und Rechtswidrigkeit als einer Unterscheidung von Urteilen,
die genau im explizierten Sinn deskriptiv bzw. normativ sind. Diese These
behauptet sich, da logisch begründet,26 gegenüber allen Einebnungstenden-
zen, die das Urteil der Tatbestandlichkeit mit dem über die Rechtswidrigkeit

25 Hierzu näher unter B.III.2.d) und C.V.1.


26 Jörgensen (1937) S. 291 ff., Hare (1964) S. 17 ff., Weinberger (1977) S. 185 f.:
„Postulat der Deskriptivität des Norminhalts“.
28 B. Handlung und normative Zurechnung

gleichbedeutend setzen. Zu einer solchen Entdifferenzierung kann insbeson-


dere die Lehre vom Gesamtunrechtstatbestand gelangen.27
2. Da die These vom nichtnormativen Charakter der verbotsgegenständli-
chen Handlung von zentraler Bedeutug ist, soll sie zunächst allgemein be-
gründet werden – und zwar anhand eines speziellen strafrechtlichen Hand-
lungsbegriffs („töten“), aber ohne auf die strafrechtsdogmatischen Implikatio­
nen der These Rücksicht zu nehmen.
Es geht darum, wie das Verhältnis folgender beider Urteile zu bestimmen
ist:
(1) „A hat B getötet (i. S. d. § 212 I StGB).“
(2) „A hat das Verbot missachtet, einen anderen (B) zu töten.“
Gemäß der These, dass die verbotsgegenständliche Handlung nichtnorma-
tiven Charakter hat, bedeuten diese beiden Urteile etwas Unterschiedliches:
Das erste ist das Urteil, dass jemand die Handlung „töten“ verwirklicht
habe, die begrifflich noch keinen Verbotsverstoß voraussetzt.
Das zweite ist das Urteil über die normative Zurechnung, also darüber,
dass ein Verstoß gegen das Verbot der fraglichen Handlung „töten“ gegeben
ist.
Das zweite Urteil impliziert das erste, weil Gegenstand des Tötungsver-
bots eine Tötungshandlung ist. Deren Verwirklichung muss also zuerst fest-
gestellt werden; erst dann kann das Urteil über den Normverstoß gefällt
werden.
3. Nun kann das Verhältnis der beiden Urteile auch genau umgekehrt be-
stimmt werden, so dass das erste Urteil das zweite impliziert. Dann würde
das zweite Urteil lediglich etwas explizieren, das bereits im ersten Urteil
ausgesagt ist. Demnach impliziert der Begriff „töten“ (i S. d. § 212 I StGB),
dass diese Handlung verboten ist. Im zweiten Urteil wird dieser begriffliche
Gehalt des ersten Urteils lediglich analytisch verdeutlicht.
Versteht man das Verhältnis beider Urteile in dieser Weise, bleibt die Frage
aber virulent, was das vom Handelnden missachtete Verbot nun eigentlich
verbietet.
Herkömmlich geht man davon aus, dass Gegenstand des Verbots eine
Handlung ist. Setzt man hierfür wiederum „töten“ in dem einen Verbotsver-
stoß implizierenden Sinn, verschiebt sich lediglich das Problem, den Begriff
der verbotsgegenständlichen Handlung zu definieren, um einen Schritt: In

27 Pawlik (2012) S. 205, Renzikowski Matt-Renzikowski-StGB (2013) Vor § 13


Rn. 33, 35. Hierzu näher unter B.III.2.e).
II. Besonderheiten der strafrechtlichen Handlungslehre29

dem „Verbot, einen anderen zu töten“ wird dann die verbotsgegenständliche


Handlung „töten“ dadurch definiert, dass sie eine verbotene Todesverursa-
chung ist, die nach der finalen Lehre vorsätzlich sein muss. Substituiert man
in dem Verbot den Begriff des Tötens durch seine Definition, ergibt sich ein
„Verbot der verbotenen vorsätzlichen Todesverursachung.“ In diesem Satz ist
zugespitzt folgende Aussage enthalten: „Verboten ist, was verboten ist.“
4. Für eine derartige Bezugnahme auf ein Verbot im Verbot gibt es drei
Deutungsmöglichkeiten:
Möglichkeit 1: Man kann die Bezugnahme zunächst entweder beschrei-
bend oder normativ verstehen. Eine Handlung kann einerseits als verboten
beschrieben werden, ohne dass der Sprecher eine normative Einstellung
übernimmt. Dabei wird das Verbotensein als verifizierbare Tatsache behan-
delt. Der Satz, dass das Verbotene verboten ist, ist analytisch notwendig
wahr. Die Parallele hierzu im Bereich der Aussagen ist: „Es wird behauptet,
was behauptet wird.“ Es handelt sich um eine prädikatenlogische Tautologie.
Möglichkeit 2: Versteht man den genannten Satz demgegenüber normativ,
kann er dahingehend gedeutet werden, dass die jeweils bezeichneten Verbote
unterschiedliche Normsetzer haben; etwa des Sinns: „Ich verbiete dir, was
auch er (oder zum Beispiel das Recht) dir verbietet.“ Dann handelt es sich
um eine (im Beispiel: meine) Normsetzung, die sich inhaltlich auf eine an-
dere (seine) Normsetzung bezieht und diese übernimmt.
Innerhalb ein und desselben Normensystems und somit innerhalb des hier
interessierenden Bezugssystems der Rechtsnormen, kann man den genann-
ten Satz aber nicht in dieser Art deuten. Statt „Ich verbiete, was er verbie-
tet“, heißt es dann – Möglichkeit 3: „Ich verbiete, was ich verbiete.“ Das ist
bloß eine rhetorische Bekräftigung, eine pathetische Verdopplung des so-
wieso schon gesetzten Verbots. Eigenständigen Sinn hat diese Wiederholung
nicht.
5. Streicht man deshalb eine der beiden Bezugnahmen auf das Verbot
weg, bleibt ein „Verbot der vorsätzlichen Todesverursachung“ stehen. Dann
hat man wiederum zwei Möglichkeiten:
Möglichkeit 1: Man bezeichnet die „vorsätzliche Todesverursachung“ als
Handlung. Damit wäre der gesuchte Begriff der verbotsgegenständlichen
Handlung definiert. Man könnte somit einen Begriff des „Tötens“ im norma-
tiven, einen Verbotsverstoß implizierenden Sinn von einem Begriff des „Tö-
tens“ im nichtnormativen Sinn unterscheiden.
Um den Begriff von verbotsgegenständlichen Handlungen im nichtnorma-
tiven Sinn wird die folgende Diskussion gehen. Einen sachlichen Unterschied
zur ersten Deutungsalternative, den Begriff „töten“ von vornherein als nicht-
normativen Handlungsbegriff zu verstehen, gibt es demnach nicht.
30 B. Handlung und normative Zurechnung

Möglichkeit 2: Alternativ kann man sich verweigern, den Sachverhalt mit


der Merkmalskonfiguration „vorsätzliche Todesverursachung“ als Handlung
zu bezeichnen. Das muss dadurch begründet werden, dass man einen allge-
meinen Handlungsbegriff angibt und darlegt, dass dieser Sachverhalt die
Anforderungen dieses Handlungsbegriffs nicht erfüllt. Man kann hierzu etwa
Jakobs’ These anführen, dass nur und erst das Verbrechen als solches Hand-
lung sei,28 so dass vor der Feststellung, dass ein Verbrechen gegeben ist, im
Hinblick auf den tatbestandlichen Erfolg von einer Handlung nicht die Rede
sein könne.
Diese These steht jedoch außerhalb der klassischen Diskussion zwischen
kausaler und finaler Lehre und wird deshalb erst im Anschluss an deren Dar-
stellung zu diskutieren sein.29

3. Verbotsgegenständliche und erfolgsdefinierte Handlungsart

1. Eine andere besondere Fragestellung des strafrechtlichen Handlungsbe-


griffs ergibt sich gleichfalls daraus, dass er die verbotsgegenständliche Hand-
lung definieren muss.
Im Anschluss an die oben erörterte Problemlage wird eine Position vertre-
ten, die als Gegenstand etwa des Tötungsverbots nicht das Töten im Sinne
einer „vorsätzlichen Todesverursachung“ sieht. Vielmehr wird der Begriff
des Tötens wenigstens im Hinblick auf das Tötungsverbot anders definiert.
Das ergibt sich aus der folgenden Überlegung:
Wenn das Verbot darauf lautet, einen anderen zu töten, fragt sich, was ei-
gentlich verboten ist. Eine naheliegende, aber doch etwas ungenaue Antwort
ist, dass etwa verboten ist, auf einen anderen zu schießen. Daraus könnte
man nun folgern, dass „töten“ jedes Verhalten sei, das intendiert oder geeig-
net ist, den Tod eines anderen zu verursachen, gleichgültig, ob der Tod ein-
tritt oder nicht.30
2. Es ist wichtig zu bemerken, dass die maßgeblichen Protagonisten der
strafrechtlichen Handlungslehre diese Deutung nicht geteilt haben, so dass
diese Diskussion sich gerade auf den Begriff der verbotsgegenständlichen,
nichtnormativen und noch dazu erfolgsdefinierten Handlungsart konzentriert
hat. „Erfolgsdefiniert“ bedeutet, dass eine Handlung dieser Art nur dann ver-
wirklicht ist, wenn der Erfolg eintritt, da der Begriff dieser Handlungsart
durch den Eintritt eines Erfolgs definiert wird.

28 Jakobs (1992) S. 44.


29 B.V.5.
30 Haas (2002) S. 79.
II. Besonderheiten der strafrechtlichen Handlungslehre31

Dementsprechend wird die folgende Darstellung von jenen ursprünglichen


Positionen der Handlungslehren ausgehen. Die abweichenden Konzeptionen,
die es sowohl von Seiten der kausalen wie der finalen Lehre gab, werden in
Bezug auf diese jeweilige Grundposition zu diskutieren sein.
3. Das hier vertretene Zurechnungskonzept der Handlung muss den ab-
weichenden Konzepten widersprechen. Eine vollendete Handlung erfordert
einen Zurechnungsgegenstand. Dementsprechend setzt das „Töten“ den Ein-
tritt des Todes voraus. Die Zurechnung ist immer erst handlungsbegleitend
oder retrospektiv möglich – gleichgültig, ob Zurechnungsgegenstand ein
Körperverhalten oder ein entfernterer Erfolg ist.
Um diese Deutung prima facie plausibel zu machen, bietet sich ein Ver-
gleich zu Geboten an: Wenn geboten wäre, jemanden zu töten, würde es
nicht damit getan sein, auf ihn zu schießen, wenn der Erfolg nicht eintritt.
Dieses Verständnis der erfolgsdefinierten Handlung ermöglicht vor allem
eine genauere Analyse von teleologischen Normbeziehungen. So folgt aus
dem Verbot zu töten, teleologisch ein Verbot, auf jemanden zu schießen.31
Beide Verbote sind nicht begriffslogisch gleichbedeutend. Ein Verbot zu tö-
ten fordert den Handelnden dazu auf, nicht durch Handlungen mögliche Be-
dingungen für die Verwirklichung des Zurechnungsgegenstands zu setzen
und Zurechnungsgründe zu geben. Hat er das getan, ist dieses Verbot gleich-
wohl erst missachtet, wenn der Zurechnungsgegenstand verwirklicht wird.

4. Untersuchungsanliegen und -methode

Den Begriff der verbotsgegenständlichen Handlung hat zuerst die kausale


Handlungslehre problematisiert, die theoriegeschichtlich von der finalen ab-
gelöst wurde. Heute gelten beide Lehren als obsolet; doch ist die Beschäfti-
gung mit ihnen keineswegs nur theoriegeschichtlich interessant. Kein weite-
res Konzept ist in vergleichbarer Weise ausgearbeitet sowie in seinen Konse-
quenzen reflektiert und diskutiert.
Der Gegensatz von kausaler und finaler Lehre ist für die Frage nach dem
Begriff der verbotsgegenständlichen Handlung paradigmatisch: Der kausale
Begriff ist wesentlich dadurch gekennzeichnet, dass er die Absichten und
Kenntnisse des Handelnden nicht als maßgeblich ansieht. Die Zurechnung
wird nach objektiv definierten Kriterien begründet. Demgegenüber ist für
den finalen Handlungsbegriff Maßstab der Zurechnung das subjektive Ver-
ständnis des Handelnden, insbesondere dessen Zwecksetzung. Diesen beiden
konträren Positionen können alle anderen Auffassungen als Modifikationen

31 Hierzu unter B.III.4.d), B.IV.3.c)3., C.V.3.


32 B. Handlung und normative Zurechnung

oder als Versuche einer Synthese zugeordnet werden, je nachdem, wie sie
sich zu der genannten Frage verhalten.
Die Beschäftigung mit dem Handlungsbegriff im Strafrecht muss von bei-
den Grundpositionen ausgehen. An ihnen können die Möglichkeiten, Gren-
zen und Probleme von Theorieannahmen aufgezeigt werden. Erst nachdem
der Überblick gewonnen ist, kann beurteilt werden, welche Positionen haltbar
und anschlussfähig sind. Einzelne Probleme werden aber bereits zuvor ge-
klärt – so der Begriff der tatbestandlichen Handlung, die Möglichkeit einer
vortatbestandlichen Handlungsfeststellung sowie die Relevanz des Erfolgs
für den Handlungsbegriff.
Erst im Anschluss an die Diskussion beider Handlungslehren wird das
Zurechnungskonzept der Handlung entwickelt. Es ist in der Theoriedarstel-
lung nicht bereits vorausgesetzt. Ziel der Arbeit ist es, einen Neuansatz für
die strafrechtliche Handlungslehre zu erarbeiten. Die bisher bestehenden
Theorieangebote sollen dabei so weit wie möglich ausgeschöpft, differenziert
und in geklärter Form in Gebrauch genommen werden.

III. Der kausale, objektive Handlungsbegriff

1. Die Konzeption bei v. Liszt und Radbruch

a) Der Begriff der Handlung bei Radbruch

1. Radbruch definierte, dass für eine Handlung erforderlich sei „Wille, Tat
und eine Beziehung zwischen beiden,“ wobei „Tat“ „eine Körperbewegung
in kausaler Verbindung mit dem Erfolg“ sei.32 Die Beziehung zwischen Wille
und Tat wird als eine Verursachung aufgefasst.33 Die These, dass der Wille
seinerseits verursacht sei,34 ist für die Definition des Handlungsbegriffs nicht
entscheidend.35
Wichtig ist, dass der Inhalt des Willens zur Bestimmung der Tat nicht re-
levant wird: Der Handelnde muss weder den Erfolg noch die Körperbewe-

32 Radbruch (1904a) S. 75. Weitere wichtige Vertreter des kausalen Handlungs­


begriffs: v. Liszt (1884) S. 104 f., 107 f., Beling (1912) S. 22 f., Mezger (1931)
S. 105 f., 109. Vgl. Otter (1973) S. 64 ff.
33 Radbruch (1904a) S. 130. Einflussreich für das Konzept der Handlung als durch
den Willen verursachte Körperbewegung Zitelmann (1879) S. 29 ff., 186 ff. Vgl. Rad­
bruch (1904a) S. 113 f., kritisch Larenz (1927) S. 72 ff., Kindhäuser (1980a) S. 97 ff.
34 So Radbruch (1904a) S. 83 f. Hierzu Welzel (1935) S. 22 ff. = (1975) S. 51 ff.
35 Vgl. v. Liszt (1884) § 28, S. 105 f., § 36 III, S. 137 f. Hierzu Engisch (1965)
S. 8 ff.
III. Der kausale, objektive Handlungsbegriff33

gung vorhergesehen oder gewollt haben.36 Der Wille wird aber durchaus
nicht als „inhaltslos“ gedacht, wie kritisiert wurde.37 Selbstverständlich muss
der Handelnde etwas Bestimmtes gewollt haben – nur eben nicht zwingend
das Verwirklichte. Die Zurechnung wird nicht auf das Gewollte begrenzt,
auch deshalb, weil die fahrlässige Verursachung als Handlung darstellbar
sein sollte.38
Mit der Definition des Handlungsbegriffs verfolgte Radbruch vor allem
ein strafrechtssystematisches Interesse: Spricht man von der Straftat als einer
rechtswidrigen und schuldhaften Handlung, setzt das einen Begriff der Hand-
lung voraus, der bei sämtlichen Deliktsarten – also auch dem Fahrlässigkeits-
delikt – anwendbar ist und den Sinngehalt der Merkmale „rechtswidrig und
schuldhaft“ nicht bereits impliziert.39
2. Nach Radbruch gibt es einen solchen Begriff aber letztlich nicht, weil
ein vom Körperverhalten ausgehender Handlungsbegriff die Unterlassung
nicht erfassen kann.40 Radbruch postulierte deshalb eine grundlegende Zwei-
teilung des Straftatsystems in Handlungs- und Unterlassungsdelikte, wofür er
kritisiert wurde.41
Jedoch ist zu bedenken, dass Verbote die normwidrige und Gebote die
normgemäße Handlung bezeichnen. Daraus folgt, dass nur das Urteil über
den Verbotsverstoß eine Handlung voraussetzt und dass sich nur beim Bege-
hungsdelikt die Urteile über Rechtswidrigkeit und Schuld auf eine Handlung
beziehen müssen. Beim Unterlassungsdelikt hingegen genügt die Feststel-
lung, dass der Handelnde die gebotsgegenständliche Handlung nicht verwirk-
licht hat; hierauf beziehen sich die Urteile von Rechtswidrigkeit und Schuld.42
Das Verbrechen setzt aus dieser Perspektive die rechtswidrig-schuldhafte
Verwirklichung oder Nichtverwirklichung einer Handlung voraus.

b) Berücksichtigung des Handlungssinns

Definiert man die Handlung als Körperbewegung, stellt man für den abs-
trakten Handlungsbegriff einen rein physischen Aspekt in den Vordergrund.

36 Radbruch (1904a) S. 110 ff., 127–131. Zur Frage, ob die Körperbewegung ge-
wollt sein muss, mit Blick auf „ungeschickte Bewegungen“ a. a. O. S. 128 f.
37 Hruschka (1976) S. 10, Kindhäuser (1980a) S. 183, Koriath (1994) S. 332 f.
38 Radbruch (1904a) S. 82–85, 101–103, 128–130.
39 Radbruch (1904a) S. 71 f., 115 ff.; unzutreffend deshalb die Deutung von Schild
(1995) S. 102.
40 Radbruch (1904a) S. 131 ff., 140 ff.
41 Wolff (1964) S. 10 f., Kindhäuser (1980a) S. 182, Koriath (1994) S. 333, Zabel
(2007) S. 199.
42 Vgl. zu den Konsequenzen dieses Unterschieds unter C.V.5.
34 B. Handlung und normative Zurechnung

Es fragt sich deshalb, ob und wie der Sinn einer Handlung im Handlungsbe-
griff berücksichtigt wird.
Sinn kann man sehr abstrakt durch eine relationale Struktur bestimmen:
Wenn ein Gegenstand durch seinen Sinn gekennzeichnet ist, verweist er auf
anderes. Sinnaspekte einer Handlung können zum einen die sprachliche oder
sonstige kommunikative Bedeutung sein, zum anderen aber auch die Absicht
des Handelnden, das Handlungsergebnis zu verwirklichen. Sinn liegt auch
noch grundlegender darin, dass jede Handlung auf unbestimmte andere Mög-
lichkeiten des Handelns verweist, da sie sonst nicht Handlung wäre.43
Nur den zuletzt genannten, grundlegenden Aspekt berücksichtigt die kausale
Lehre. Die Handlung ist nach v. Liszts ursprünglicher Konzeption die „kausal-
wirkende willkürliche Körperbewegung (Kontraktion der Muskeln). Willkür
aber ist bewusste und gewollte (d. h. durch Vorstellungen bestimmte und moti-
vierte) Erregung der motorischen Nerven […], ist also gleichbedeutend mit
Innervation.“44 Da die Bestimmung durch Vorstellungen kontingent ist, wird
zumindest insoweit ein Sinnaspekt aufgenommen. Darüber hinaus sind Sin-
naspekte einer Handlung für die kausale Lehre nicht begriffswesentlich.
Wenn die Bedeutung eines Körperverhaltens ganz ausgeblendet wird, ist
es konsequent, auch die Erfolge zunächst rein „physiologisch“ und „materi-
ell“ zu deuten, so beim frühen v. Liszt. Die Beleidigung wird mit Blick auf
ihren allgemeinen Handlungscharakter als „Erregung von Luftschwingungen
und … physiologischen Prozessen in dem Nervensystem des Angegriffenen“
beschrieben.45 Der „ideelle“, „juristische“, „nur begrifflich existierende“
Sinn tritt dann lediglich hinzu.46
Jener Sinn ist nun für die Begriffe speziellerer Handlungsarten wie die
Täuschung oder Ehrverletzung ganz offensichtlich wesentlich, schon weil
diese, berücksichtigt man allein das körperliche Geschehen, gar nicht identi-
fiziert werden können. Der Bedeutungsaspekt etwa einer sprachlichen Äuße-
rung kann für die kausale Lehre zwar nicht deren Handlungscharakter be-
gründen. Wohl aber kann er differentia specifica einer bestimmten Hand-
lungsart sein. Weil Gegenstand von Verboten nur Handlungen von bestimmter
Art sind, kommt es für die kausale Lehre gegebenenfalls allein darauf an,
dass der Begriff einer Handlungsart durch einen Bedeutungsgehalt definiert
wird.
Gleichwohl bleibt für eine allgemeine Handlungstheorie entscheidend, ob
nicht erst der Sinn und gegebenenfalls welcher Sinn eine Handlung konstitu-

43 Vgl. Luhmann (1984) S. 93.


44 v. Liszt (1884) § 28 I, S. 105.
45 v. Liszt (1884) S. 107 f.
46 v. Liszt a. a. O.
III. Der kausale, objektive Handlungsbegriff35

iert. Dass der Sinnaspekt in v. Liszts früher Konzeption ganz vernachlässigt


wird, kritisierte bereits Radbruch und blieb bis heute einer der wesentlichen
Kritikpunkte an der kausalen Lehre;47 es ist das deutlichste Beispiel für den
bereits erwähnten fallacy of misplaced concreteness.48 Auch die kausale
Lehre selbst hat deshalb später den Sinnaspekt stärker betont. Für die Kör-
perbewegung ist er, wie gezeigt, bereits im Merkmal der Willkürlichkeit
enthalten. Später wurde auch der Erfolg auf die soziale Dimension und somit
einen Sinn bezogen.49

c) Irrelevanz der Intention

Auch die kausale Lehre kann und muss somit Sinnaspekte als Handlungs-
bestandteil anerkennen, schon weil die Arten kommunikativer Handlungen
wie etwa die Beleidigung durch einen bestimmten Sinn definiert sind. Diese
Sinnaspekte ordnet man im Strafrecht dem objektiven Tatbestand zu. Objek-
tiv sind sie insofern, als eine Äußerung sich hier auf konventionale Bedeu-
tung insbesondere der Sprache bezieht.
Nicht in den Handlungsbegriff aufgenommen werden indes die subjektiven
Absichten des Handelnden. Der subjektiv gemeinte Sinn einer Handlung
wird nach der strafrechtlichen kausalen Lehre weder in der Definition des
allgemeinen Handlungsbegriffs noch in den Definitionen der Begriffe von
Handlungsarten berücksichtigt.50 Er ist gegebenenfalls bloß eine unwesent­
liche, akzidentielle Eigenschaft der verbotsgegenständlichen Handlungen.
Diese werden nach dem Sinnverständnis eines Beurteilenden definiert, das
dieser als objektiv, also allgemeingültig behaupten muss.
Das erklärt sich nicht aus dem Anliegen, auch das Fahrlässigkeitsdelikt als
Handlung zu beschreiben. Hierzu würde es genügen, den abstrakten Oberbe-
griff entsprechend zu definieren. Es folgt vielmehr aus der objektiven Un-
rechts- und der (psychologischen) Schuldlehre, die mit der kausalen Hand-
lungslehre verbunden ist.
Die kausale Lehre konzipiert die Unterscheidung von Unrecht und Schuld
als eine von Objektivem und Subjektivem. Unrecht und somit verbotswidrig
ist das Verursachen eines rechtswidrigen Zustands.51 Schuld ist die insoweit

47 Radbruch (1930) S. 161 f. S. 161 f. Vgl. Wolff (1964) S. 11, Kindhäuser (1980a)
S. 184; Koriath (1994) S. 334, Zabel (2007) S. 199.
48 A.II.1.2.
49 v. Liszt / Schmidt (1932) § 28, S. 154, 157; zur sozialen Handlungslehre unten
B.III.5.b), B.V.3.
50 Beling (1906) S. 140 f.,178 f., Mezger (1952) § 18.II.2.b. S. 40. Vgl. demgegen-
über zur philosophischen kausalen Handlungstheorie unten d).
51 Jhering (1879) S. 159 ff., Mezger (1924) S. 239 ff.
36 B. Handlung und normative Zurechnung

fehlerhafte Willensbestimmung (Gesinnung) in der Form von Vorsatz oder


Fahrlässigkeit (sog. psychologischer Schuldbegriff).52 Da der Vorsatz erst
eine Schuldart ist, kann er nicht bereits Merkmal der Handlung sein.
Die Fragestellung nach der verbotsgegenständlichen Handlung changiert
notwendig zwischen Handlungs- und Normentheorie. Die Antwort der kausa-
len Lehre ist normentheoretisch, die der finalen handlungstheoretisch moti-
viert: Bei der ersten folgt die Handlungs- der Unrechts- und Schuldlehre, bei
der zweiten umgekehrt die Unrechts- und Schuld- der Handlungslehre.
Weil die kausale Lehre somit den subjektiven Sinn der Handlung nicht be-
rücksichtigt, können bei erfolgsdefinierten Handlungen wie „töten“ oder „ver-
letzen“ beliebige Wirkungen einer Körperbewegung im Rahmen der Hand-
lung zugerechnet werden. Es gibt kein Definitionsmerkmal der Handlung, das
die Zurechnung begrenzen könnte.53 Den erfolgsvoraussetzenden Delikten
liegen bloße Verursachungsverbote zugrunde. Diese werden auch nicht durch
normative Kriterien eingeschränkt – etwa durch die Voraussetzung, dass die
verursachende Handlung sorgfaltswidrig sein muss – da auch die Fahrlässig-
keit erst der Schuldstufe vorbehalten ist. Erst auf dieser wird allerdings nach
v. Liszt über eine wirkliche Zurechnung des Erfolgs entschieden.54

d) Vergleich mit der philosophischen kausalen Handlungstheorie

In der analytischen Philosophie ist die kausale Handlungstheorie ebenfalls


dadurch gekennzeichnet, dass sie den Willensinhalt und somit die Gründe
der Handlung als deren Ursache ansieht.55 Auch nach der Seite der Wirkun-
gen geht sie davon aus, dass eine Handlung nicht als solche intendiert und
eine verursachte Wirkung nicht vom Willen des Handelnden umfasst sein
müsse; prominent Davidson: „Sobald [der Handelnde] eine Sache getan (ei-
nen Finger bewegt) hat, liefert uns jede Konsequenz eine Tat; der Handelnde
bewirkt, was seine Handlungen bewirken.“56

52 v. Liszt (1908) § 36 I 1, S. 157 f.; Radbruch (1904b) S. 348; Beling (1906)


S. 140 f., 178 ff.
53 Vgl. hierzu die nicht genügende Auskunft bei v. Liszt (1884) § 30 IV, S. 109:
„Es ist Sache des positiven Rechts, wieweit die näheren und entfernteren Wirkungen
der Handlung zu dieser selbst gerechnet, wieweit sie als etwas außerhalb derselben
gelegenes betrachtet werden sollen.“
54 v. Liszt (1884) § 36 IV I, S. 135 (Definition der Schuld durch den Begriff der
Zurechnung), ders. (1908) § 36 I 1, II 2, S. 157 ff.
55 Zum Überblick über die Diskussion etwa Kindhäuser (1980a) S. 22 ff., Koriath
(1994) S. 355 ff., Keil (2000) S. 13 ff., Stuckenberg (2007) S. 174 ff., Bottek (2014)
S. 11 ff., Burkhardt (2015) S. 22 ff.
56 Davidson (1971) S. 87.
III. Der kausale, objektive Handlungsbegriff37

Allerdings betreffen die zur Untermauerung dieser These angeführten Bei-


spiele häufig erwartungswidrige oder unsorgfältige Handlungen.57 Für die
Frage, ob die fahrlässige Handlung bereits vornormativ als Handlung ausge-
wiesen werden kann, sind diese Autoren deshalb nicht vorbehaltlos in An-
spruch zu nehmen. Sie fragen nicht speziell nach der verbotsgegenständlichen
Handlung und unterscheiden nicht explizit zwischen vornormativer und nor-
mativer Konstitution einer Handlung. Prägnant kommt das im folgenden Zi-
tat Davidsons zum Ausdruck:
„Schildert man eine Handlung als eine, die einen bestimmten Zweck oder ein be-
absichtigtes Ergebnis hatte, so beschreibt man sie als Wirkung, schildert man sie
als Handlung, die zu einem bestimmten Ergebnis geführt hat, so beschreibt man sie
als Ursache. Entschuldigungen und Rechtfertigungen sind typische Fälle von Ab-
sichtszuschreibungen, Beschuldigungen und Verantwortlichmachen sind typische
Fälle von Handlungszuschreibungen. Natürlich schließen die beiden Zuschrei-
bungsarten einander nicht aus, denn die Angabe der Absicht, mit der ein Akt voll-
zogen wurde, ist überdies und notwendig eine Handlungszuschreibung.“58
Das „Verantwortlichmachen“ ist eine „Handlungszuschreibung“ im nor-
mativen Sinn, zum Beispiel das Urteil, jemand habe einen anderen fahrläs-
sig getötet. Eine Absicht ist dann nicht zwingend vorausgesetzt, wohl aber
die Normwidrigkeit der Todesverursachung. Demgegenüber führt die „Ab-
sichtszuschreibung“ – zum Beispiel, jemand habe sein eigenes Leben vertei-
digt und einen Angriff abgewehrt – immer zu einer entsprechenden „Hand-
lungszuschreibung“, ohne dass es auf eine etwaige Verantwortlichkeit an-
käme.
Dass etwa die fahrlässige Tötung auch ohne Rücksicht auf das normative
Urteil als Handlung ausgewiesen werden könne, wird in der amerikanischen
strafrechtswissenschaftlichen Diskussion vertreten, in der sich Positionen
gegenüberstehen, die der kausalen und finalen Lehre durchaus entsprechen.
Von der kausalen Richtung wird die (tatbestandliche) Handlung als „actus
reus“ von der Frage der Intention als eine der „mens rea“ separiert und als
intentionsunabhängig angesehen.59

57 Davidson (1971) S. 88 ff., Ginet (1990) S. 72.


58 Vgl. Davidson (1971) S. 79.
59 Moore (1993) S. 169 ff. gegen Hall (1960) S. 222 ff.
38 B. Handlung und normative Zurechnung

2. Die tatbestandliche als verbotsgegenständliche Handlungsart

a) Der Begriff der tatbestandlichen Handlungsart

1. Der auf Beling zurückgehende Begriff der Tatbestandlichkeit bzw. des


Tatbestands60 ist eine bleibende Errungenschaft der kausalen Verbrechensleh-
re.61 Er ist für die Handlungslehre von großer Bedeutung.
Der Tatbestand definiert diejenige Handlungsart, die Gegenstand des gene-
rellen strafrechtlichen Verbots ist, das einem Begehungs- bzw. Handlungsde-
likt zugrunde liegt (tatbestandliche Handlungsart), bzw. definiert die Unter-
lassung einer Handlungsart, die Gegenstand eines Gebots ist, das einem Un-
terlassungsdelikt zugrunde liegt (tatbestandliche Unterlassungsart).
Zum Beispiel ist die tatbestandliche Handlungsart „töten“ Gegenstand des
generellen Tötungsverbots, das dem Totschlag (§ 212 StGB) zugrunde liegt.
Die tatbestandliche Unterlassungsart des korrespondierenden Unterlassungs-
delikts (§§ 212, 13) ist die Unterlassung, den Tod eines anderen abzuwenden.
Die Handlungsart Abwenden (Verhindern) des Todes ist hier Gegenstand des
Gebots; die Unterlassungsart wird aus der Handlungsart abgeleitet.
Der allgemeine Begriff der tatbestandlichen Handlung ist durchaus wichti-
ger als der abstrakte Handlungsbegriff, denn für die Konstruktion des Straf-
tatsystems relevant sind allein diejenigen Handlungsarten, die Gegenstand
von strafrechtlichen Verboten sind.62 Alle Besonderheiten der strafrechtlichen
Handlungslehre müssen zwingend erst an den allgemeinen Begriff tatbe-
standlicher Handlungen anknüpfen, insbesondere die These vom nichtnorma-
tiven Charakter der verbotsgegenständlichen Handlung und nach der kausa-
len Lehre die These von der Irrelevanz der Intention des Handelnden, wobei
dann lediglich vorausgesetzt ist, dass der abstrakte Begriff der Handlung
nicht durch ein entsprechendes normatives bzw. intentionales Element defi-
niert wird.
2. Um zu verstehen, dass der Begriff der tatbestandlichen Handlung für
die strafrechtliche Handlungslehre wie für die praktische Fallprüfung sehr
vorteilhaft ist, muss man auf die Situation vor der allgemeinen Anerkennung
von Belings Tatbestandsbegriff zurückblicken:
Liszt und Radbruch definierten die Straftat ursprünglich als rechtswidrige,
schuldhafte und strafbare Handlung.63 Rechtswidrig ist eine Handlung, wenn

60Beling (1906) S. 21, 24.


61Vgl. Welzel (1969) § 10 III, S. 53.
62 Vgl. Radbruch (1930) S. 162 Fn. 2: „[Der Handlungsbegriff ist] nur insoweit
straf­rechtserheblich, als er die Verwirklichung des Tatbestands bedeutet.“
63 v. Liszt (1881) S. 64, Radbruch (1904a) S. 115.
III. Der kausale, objektive Handlungsbegriff39

sie gegen ein Verbot verstößt; schuldhaft, wenn sie vorsätzlich oder fahrläs-
sig ist.64 Diese Merkmale setzen einander begrifflich voraus: Das Verbot
bezieht sich auf eine Handlung, schuldhaft kann nur eine verbotswidrige
Handlung sein, und strafbar nur eine schuldhafte Handlung.
Allein das Merkmal der Strafbarkeit ist ein spezifisch strafrechtliches. Wer
einem anderen ein Buch wegnimmt, um es zu lesen und es anschließend
wieder zurückzubringen, handelt rechtswidrig und schuldhaft, ist aber nicht
wegen Diebstahls strafbar, weil er sich das Buch nicht zueignen wollte. Die
Rechts- und Verbotswidrigkeit kann wie in diesem Beispiel primär zivilrecht-
lich zu bestimmen sein; in anderen Fällen ergibt sich das Verbot erst im
Rückschluss aus der Strafdrohung, so bei den Straftaten gegen den Staat.
Nun interessieren den Strafrechtler zivil- und öffentlichrechtlich begrün-
dete Verbote nur insoweit, als sie strafrechtlich sanktioniert werden. Wenn
jemand ohne Erlaubnis ein Haus baut, fehlt es von vornherein an einem
strafrechtlich sanktionierten Verbot. Es ist eigentlich überflüssig, eine Straf-
barkeit in Betracht zu ziehen, doch wenn man sie prüft, muss man zunächst
Rechtswidrigkeit und Schuld bejahen und kann erst auf der anschließenden
dritten Systemstufe die Strafbarkeit verneinen.
Es liegt deshalb nahe, die Prüfung von Handlung und Rechtswidrigkeit
von vornherein auf diejenigen Handlungsarten zu beschränken, die in den
einzelnen Strafbestimmungen beschrieben sind, sowie auf diejenigen Ver-
bote, die in jenen vorausgesetzt sind. Diese systematische Alternative wird
durch den Begriff des Tatbestands bzw. genauer: der tatbestandlichen Hand-
lung eröffnet.
3. Die tatbestandliche ist die für eine Verbrechensart charakteristische,
verbotsgegenständliche Handlung.65 Das heutige StGB verwendet für sie den
Begriff „Tat“ (vgl. § 11 Abs. 1 Nr. 5, §§ 32, 34 StGB). Die Prüfung von
Rechtswidrigkeit und Schuld bezieht sich nur auf diese Handlungsart.
Dementsprechend kann das Verbrechen als schuldhafte rechtswidrige Tat
(tatbestandliche Handlung) definiert werden. In dieser Definition ist die Tat-
bestandlichkeit ein handlungsdefinierendes Merkmal. Rechtswidrigkeit und
Schuld sind hingegen nicht Merkmale des Begriffs der tatbestandlichen
Handlung. Sie treten zur tatbestandlichen Handlung hinzu und bezeichnen
Eigenschaften, die für diese unwesentlich sind.
Der Tatbestand beschreibt die tatbestandliche Handlungsart und scheidet
dadurch wesentliche von unwesentlichen Eigenschaften einer tatbestandli-
chen Handlung. Unwesentlich ist etwa für die tatbestandliche Handlungsart

64 v. Liszt (1881) S. 65.


65 Beling (1906) S. 3.
40 B. Handlung und normative Zurechnung

„töten“, welcher Art Täter, Opfer und Mittel sind. Eine tatbestandliche Hand-
lungsart kann demgegenüber definiert sein durch die Spezifizierung des
Handlungssubjekts oder -objekts, des Sinns, des Ergebnisses, der Modalität
sowie von Zeit und Ort.
Eine Straftat kann auch aus mehreren tatbestandlichen Handlungen zusam-
mengesetzt sein. So sind beim Betrug (§ 263 Abs. 1 StGB) eine Täuschung,
eine Irrtumserregung, eine Schädigung und eine zumindest versuchte Berei-
cherung tatbestandlich; beim Raub (§ 249 Abs. 1 StGB) sind es eine Weg-
nahme, eine Drohung oder Gewaltanwendung und Nötigung sowie eine zu-
mindest versuchte Zueignung.
4. Die „objektiven“ Merkmale der tatbestandlichen Handlungsart(en) sind
der Bezugspunkt des Vorsatzes. Das folgt nicht erst aus der finalen Hand-
lungslehre, sondern gilt bereits für die kausale: Weil diese das Verbrechen als
schuldhafte tatbestandliche Handlung definiert, das Merkmal der Schuld also
auf die tatbestandliche Handlung bezieht und den Vorsatz als Schuldform
auffasst, begründet die Definition der tatbestandlichen Handlungsart zugleich,
welche Handlungsumstände vom Vorsatz umfasst sein müssen.
Dass und in welchem Umfang Vorsatz erforderlich ist, ist systematisch
somit sowohl nach der kausalen als auch der finalen Handlungslehre im Be-
griff der tatbestandlichen Handlung verankert.

b) Das Verhältnis von tatbestandlicher Handlungsart und Tatbestand

1. Wenn sich der Begriff der Tatbestandlichkeit ausschließlich auf die


verbotene Handlungsart bezieht, ist die so definierte tatbestandliche Hand-
lungsart nicht ein Element dieses Tatbestands unter anderen. Vielmehr be-
schreibt der „Tatbestand“ mit allen seinen Merkmalen allein die tatbestand­
liche Handlungsart (bzw. gegebenenfalls, etwa beim Betrug, mehrere Hand-
lungsarten). Umgekehrt gilt: Was nicht zum Begriff dieser Handlungsart ge-
hört, ist nicht Merkmal des Tatbestands in diesem Sinn.
Allerdings haben die kausale Lehre und mit ihr auch Beling diesem aus-
schließlich handlungsbezogenen Begriff der Tatbestandlichkeit zu geringe
Aufmerksamkeit geschenkt bzw. den Tatbestandsbegriff zumeist gar nicht
handlungsbezogen, sondern in einem weiteren Sinn aufgefasst, wohl aus
folgendem Grund:
Wenn man den allgemeinen Handlungsbegriff bloß als willkürliche Kör-
perbewegung definiert, eventuell in Verbindung mit einem Erfolg, und wenn
man hiervon ausgehend den Begriff der tatbestandlichen Handlungsarten nur
durch Merkmale definiert, welche ein Merkmal dieses übergeordneten, allge-
meinen Handlungsbegriffs spezifizieren, können Merkmale des „Tatbe-
III. Der kausale, objektive Handlungsbegriff41

stands“, die nicht auf den allgemeinen Handlungsbegriff bezogen sind, keine
definierenden Merkmale der tatbestandlichen Handlungsart sein.
Diese Auffassung des Tatbestands findet sich schon bei Beling selbst.66
Systematisch entwickelt hat sie Erik Wolf in seiner Analyse von „Typen der
Tatbestandsmäßigkeit.“ Er hat auf der Grundlage des kausalen Begriffs
Handlungselemente und -umstände unterschieden. Handlungs­ elemente
seien – entsprechend den Definitionsmerkmalen des kausalen Handlungsbe-
griffs – nur der Willensentschluss, die Willensbetätigung und der Erfolg in
ihren jeweiligen tatbestandlichen Ausprägungen. Handlungsumstände seien
demgegenüber etwa Ort und Zeit, aber auch der Sinn der Handlung.67
Gegen Wolfs Konzept hat Engisch eingewendet, dass es zweifelhaft sei, ob
jedes Merkmal eines Unterbegriffs – des Begriffs der tatbestandlichen Hand-
lung – aus den Merkmalen eines Oberbegriffs – des allgemeinen Handlungs-
begriffs – konkretisierend entwickelt werden müsse.68 Eine Gegenkritik kann
gegen die Fassung des Oberbegriffs gewendet werden: Ein Oberbegriff sollte
nicht durch bloßes Weglassen von Merkmalen eines Unterbegriffs, sondern
durch Abstraktion gewonnen werden, so dass die Merkmale eines Unterbe-
griffs auf Merkmale des Oberbegriffs bezogen und aus ihnen heraus spezifi-
zierend entwickelt werden können.69
2. Eine Konzeption wie die Wolfsche führt jedenfalls dazu, dass die Be-
schreibung der tatbestandlichen Handlungsart nur ein Element des „Tatbe-
stands“ unter anderen ist. Man muss dementsprechend im Einzelfall unter-
scheiden zwischen dem Vorliegen einer Handlung von tatbestandlicher Art
und der „Tatbestandsmäßigkeit“ dieser Handlung in dem Sinn, dass auch die
übrigen Umstände erfüllt sind, welche im „Tatbestand“ beschrieben sind. Die
„Merkmale“ des Tatbestands teilen sich demnach in Merkmale der Hand-
lungsart (nach Wolf „Handlungselemente“) und in Tatbestandsvoraussetzun-
gen, die unwesentliche Eigenschaften der tatbestandlichen Handlung be-
schreiben („Handlungsumstände).
Am plausibelsten erklärbar wird dies an einer etwas komplizierteren Tat
wie dem Schwangerschaftsabbruch nach §§ 218 Abs. 1 i. V. m. 218a Abs. 1

66 So schon Beling (1906) S. 203 f. Ganz ähnlich heute Puppe. Sie definiert wie
Beling den allgemeinen Begriff der Handlung durch Tun durch das Merkmal der will-
kürlichen Körperbewegung, Puppe NK-StGB (2017) Vor §§ 13 ff. Rn. 41, 61. Wohl
deshalb zählt sie etwa den Handlungserfolg und Eigenschaften des Handlungssub-
jekts nicht zum Begriff der tatbestandlichen Handlung, Puppe NK-StGB (2017)
Vor §§ 13 ff. Rn. 4, 33.
67 Wolf (1931) S. 427 mit einer Übersicht nach S. 438, zum Handlungsbegriff auf
S. 389.
68 Engisch (1968) S. 170 f.
69 Vgl. Cassirer (1910) S. 27 ff.
42 B. Handlung und normative Zurechnung

StGB. Unbestreitbar gehört hier zur Beschreibung der tatbestandlichen


Handlungsart zumindest das „Abbrechen der Schwangerschaft“ gem. § 218
Abs. 1 StGB. Nun bestimmt der später ins Gesetz aufgenommene § 218a
Abs. 1 StGB:
„Der Tatbestand des § 218 ist nicht verwirklicht, wenn (1.) die Schwangere den
Schwangerschaftsabbruch verlangt und dem Arzt durch eine Bescheinigung nach
§ 219 Abs. 2 Satz 2 nachgewiesen hat, daß sie sich mindestens drei Tage vor dem
Eingriff hat beraten lassen, (2.) der Schwangerschaftsabbruch von einem Arzt vor-
genommen wird und (3.) seit der Empfängnis nicht mehr als zwölf Wochen vergan-
gen sind.“
Nach einer handlungsbezogenen Auffassung des § 218a Abs. 1 StGB wird
hier die Definition der tatbestandlichen Handlungsart ergänzt. Wenn die Vor-
aussetzungen (1.) bis (3.) erfüllt sind, liegt demnach keine tatbestandliche
Handlung, das heißt keine Handlung der tatbestandlichen Art vor. Die Hand-
lungsart ist somit zu beschreiben als „Abbrechen der Schwangerschaft, wenn
nicht die Bedingungen (1.) bis (3.) gegeben sind.“
3. Die Alternative zur handlungsbezogenen Auffassung des § 218a Abs. 1
StGB ist, zwischen der Handlungsart „Abbrechen der Schwangerschaft“ und
der genannten negativen Bedingung zu trennen. Dann wäre das Abbrechen
der Schwangerschaft auch dann eine tatbestandliche Handlung, wenn die
Voraussetzungen (1.) bis (3.) des § 218a Abs. 1 StGB gegeben sind. Diese
tatbestandliche Handlung würde aber „nicht den Tatbestand verwirklichen.“
Was heißt das dann?
Geht man von der Definition der Straftat als rechtswidrig-schuldhafter
(und somit verbotener) tatbestandlicher Handlung aus, können nicht hand-
lungsbezogene Tatbestandsvoraussetzungen nur dem Merkmal der Rechts-
widrigkeit zugeordnet werden. Die negative Bedingung, die in § 218a Abs. 1
StGB enthalten ist, wäre demnach eine neben der tatbestandlichen Handlung
stehende, selbständige Rechtswidrigkeits­voraussetzung. Die tatbestandliche
Handlung muss bejaht, die Verbots- und somit Rechtswidrigkeit dieser Hand-
lung aber verneint werden.
Somit wird deutlich, was es heißt, dass eine tatbestandliche Handlung
„den Tatbestand nicht erfüllt“: Der Begriff des Tatbestands wird dann ver-
standen als Inbegriff aller Voraussetzungen des Rechtswidrigkeits­urteils – als
Unrechtstatbestand.70 Dieser Tatbestand umfasst nicht allein diejenigen
Merkmale, welche die normgegenständliche Handlung ihrer Art nach bestim-
men; vielmehr ist die „tatbestandsmäßige“ Handlungsart nur eine von mehre-

70 Etwa v. Weber (1954) S. 189: „Der Unrechtstatbestand umfasst … alle Merk-


male, die die Rechtswidrigkeit der Handlung ausmachen“ (außer der Rechtswidrigkeit
selbst).“
III. Der kausale, objektive Handlungsbegriff43

ren Tatbestands- bzw. Rechtswidrigkeits­voraussetzungen. Weil dieser Tatbe-


standsbegriff somit nicht von der Handlung, sondern von der Norm her defi-
niert wird, stimmt er mit dem der allgemeinen Rechtslehre überein, deren
Tatbestandsbegriff die Gesamtheit der Voraussetzungen eines Gebots oder
Verbots bezeichnet.71 Er bezieht sich dabei nicht auf die Sanktions- sondern
auf die strafrechtliche Verhaltensnorm.
4. Die unterschiedliche Konzeption des Tatbestandsbegriffs hat insofern
keine Auswirkungen auf das strafrechtliche Verbot, als die Verneinung der
Tatbestandlichkeit weder nach der einen noch nach der anderen Konzeption
bedeutet, dass das Verhalten notwendig als rechtmäßig zu beurteilen ist.
Das Rechtswidrigkeitsurteil kann immer nur in Bezug auf das generelle
Verbot einer bestimmten Handlungsart gefällt werden. Das aus dem Straf-
recht ableitbare Verbot beschränkt sich dabei auf die im Strafgesetz benann-
ten Merkmale. Wie ein Verhalten im Übrigen zu beurteilen ist, kann allein
aus diesem Strafgesetz nicht beurteilt werden. Insoweit können sich auch aus
beiden Tatbestandskonzepten keine Unterschiede ergeben. Man muss im ge-
nannten Beispiel jedenfalls von folgendem Verbot ausgehen: „Verboten ist
das Abbrechen der Schwangerschaft, wenn nicht die Voraussetzungen (1.) bis
(3.) vorliegen.“ Auch wenn die Voraussetzungen (1.) bis (3.) vorliegen und
die Tatbestandlichkeit somit zu verneinen ist, kann die Rechtswidrigkeit des
Schwangerschaftsabbruchs (als einer je nach Konzeption nicht tatbestandli-
chen oder aber tatbestandlichen Handlung) durch andere Rechtsnormen fest-
gelegt werden.72
Das Strafrecht kann im Übrigen zwar nicht die Rechtswidrigkeit, wohl
aber die Rechtmäßigkeit einer bestimmten Handlung mit Geltung für das
gesamte Rechtsgebiet festlegen. So müssen im Beispiel des Schwanger-
schaftsabbruchs § 218a Abs. 2 und 3 StGB (medizinisch-soziale und krimi-
nologische Indikation) als Erlaubnisnormen interpretiert werden, die auch
außerhalb des Strafrechts gelten. Sie müssen auch einen Schwangerschafts-
abbruch rechtfertigen können, welcher unter den Voraussetzungen des § 218a
Abs. 1 StGB vorgenommen wird und somit keine strafrechtliche „Tat“, aber
anderweitig Gegenstand eines Verbots ist.73
5. Zurück zur Frage des Tatbestandsbegriffs. Es ist konstruktiv möglich,
den Begriff der Tatbestandlichkeit in der einen oder anderen Weise zu defi-
nieren:

71 Zum Verhältnis dieser Tatbestandsbegriffe Beling (1930) S. 28 f., Mezger (1953)


S. 2, Engisch (1954) S. 130 ff.
72 Hierauf kam es dem BVerfG an, BVerGE 88, 204, Rn. 209 ff., 221.
73 Es ist nicht nötig, § 218a Abs. 1 StGB mit Eser Sch / Sch-StGB (2014) § 218a
Rn. 17 als „Tatbestandsausschluss sui generis“ zu interpretieren, um dieses Ergebnis
zu begründen.
44 B. Handlung und normative Zurechnung

(1) entweder als Inbegriff aller Voraussetzungen des deliktstypischen Ver-


bots oder zumindest aller außer der fehlenden Rechtfertigung74 (Un­
rechts­tatbestand) oder
(2) als Begriff derjenigen Handlungsart, die Gegenstand jenes Verbots ist.
Dieser Handlungstatbestand ist ein Bestandteil des Unrechtstatbestands.
Die heute herrschende Tatbestandskonzeption ist die erstgenannte.75 Sie
erscheint deshalb auf den ersten Blick vorteilhaft, weil sie auf alle Delikts­
arten verallgemeinerbar ist. Die Voraussetzungen eines Verbots- wie Gebots-
verstoßes sind gleichermaßen Unrechtsvoraussetzungen.
Jedoch kann auch die handlungsbezogene Tatbestandskonzeption auf den
Leitgesichtspunkt hin verallgemeinert werden, was genau der Gegenstand
des Unrechtsurteils und somit der Normen ist. Beim vorsätzlichen Bege-
hungsdelikt ist dies sowohl nach der kausalen als auch der finalen Lehre die
tatbestandliche Handlungsart. Beim Unterlassungsdelikt ist es, wie eingangs
dieses Kapitels gezeigt, die tatbestandliche Unterlassungsart. Mit Blick auf
das Fahrlässigkeitsdelikt konnte die kausale Lehre noch von einer tatbestand-
lichen Handlungsart ausgehen, die finale Lehre nicht.76 Infolgedessen muss
hier der Gegenstand des Verbots anders, etwa als Verursachung eines Erfolgs
bestimmt werden.77 Dem unrechtsbezogenen kann somit ein normgegen-
standsbezogener Tatbestandsbegriff gegenübergestellt werden. Dieser kann,
muss aber nicht handlungsbezogen sein.
Hiervon ausgehend kann das Delikt bestimmt werden als rechtswidrige
und schuldhafte Tatbestandsverwirklichung, wie es Radbruch vorgeschlagen
hat.78 Allerdings muss man auf der weniger abstrakten Ebene der einzelnen
Deliktstypen wie des Begehungs- und Unterlassungsdelikts oder des Ver-
suchs sogleich angeben, was genau rechtswidrig und schuldhaft, also Gegen-
stand der Norm ist. Das ist nicht abstrakt die „Tatbestandsverwirklichung“,
sondern es sind konkreter die tatbestandlichen Handlungs- oder Unterlas-
sungsarten bzw. deren Versuch.79
6. Der nicht normgegenstands- sondern unrechtsbezogene Begriff der Tat-
bestandsverwirklichung ist als Prüfungsstufe für alle Rechtswidrigkeitsvo­

74Hierzu sogleich unter B.III.2.e).


75Vgl. nur Roxin AT I (2006) § 10 Rn.1 ff. mit der weiteren Unterscheidung von
Tatbestandsfunktionen (ordnende Funktion, Garantiefunktion, irrtumsregelnde Funk-
tion).
76 Hierzu B.IV.2.
77 Hierzu B.IV.5. und ausführlich unter C.V.4.
78 Radbruch (1930) S. 162 Fn. 2.
79 Ebenso wohl Radbruch a. a. O. Vgl. auch Engisch (1944) S. 165.
III. Der kausale, objektive Handlungsbegriff45

raussetzungen außer der fehlenden Rechtfertigung praktisch nützlich. Der


normgegenstandsbezogene Tatbestandsbegriff ist demgegenüber aus zwei
Gründen unverzichtbar:
1.) Die Urteile über Rechtswidrigkeit und Schuld beziehen sich nicht auf
den Tatbestand im Sinne der Gesamtheit von Unrechtsvoraussetzungen. Ge-
genstand einer strafrechtlichen Norm ist vielmehr immer eine Handlungsart,
eine Unterlassungsart oder deren Versuch.
Da die kausale Lehre Vorsatz und Fahrlässigkeit als Schuldarten konzi-
piert, muss vorsätzlich oder fahrlässig nur die tatbestandliche Handlung oder
Unterlassung sein. Vorsatz oder Fahrlässigkeit beziehen sich deshalb nur auf
diejenigen Merkmale, welche jene Handlung oder Unterlassung definieren,
nicht auf sonstige Unrechts-, das heißt Verbots- oder Gebotsvoraussetzungen.
Diesbezügliche Irrtümer führen aus systematischer Sicht nur zu einem Ver-
botsirrtum.
2.) Alle allgemeinen Definitionsmerkmale des Handlungsbegriffs müssen
nur für die tatbestandliche Handlung vorliegen, nicht auch für sonstige Ver-
bots- bzw. Rechtswidrigkeitsvoraussetzungen.
Deshalb muss sich auch nach der finalen Lehre der Vorsatz nur auf die
Handlungsmerkmale des Tatbestands beziehen, nicht auf etwaige sonstige
Rechtswidrigkeitsvoraussetzungen. Irrtümer über die sonstigen Rechtswid-
rigkeitsvoraussetzungen werden auch für die finale Lehre systematisch nur
als Verbotsirrtümer greifbar.
7. Aus den genannten Gründen ist es wichtig anzugeben, welche Merk-
male des Unrechtstatbestands Handlungsmerkmale sind. Die tatbestandliche
Handlung muss präzise definiert werden.
Abgesehen davon, dass der Begriff einer Handlungsart die Voraussetzun-
gen des allgemeinen Handlungsbegriffs erfüllen muss, gibt es prinzipiell
keine logische Grenze der Definierbarkeit des Begriffs einer Handlungsart.
Deswegen muss es für dessen Definition darauf ankommen, was derjenige
bezweckt, der einen bestimmten Handlungsbegriff verwendet – somit der
Gesetzgeber und Rechtsanwender. Die Handlungsart muss dabei auch gerade
mit Blick auf das Vorsatzerfordernis definiert werden: Der Handelnde muss
die Bedeutungsbezüge nachvollziehen, welche dem Begriff einer Handlungs-
art beigelegt werden, weil er auch nur dann den Sinn des entsprechenden
Verbots nachvollziehen kann. Deshalb kann der Vorsatz auch nicht nur auf
die Absicht reduziert werden, einen Erfolg herbeizuführen. Denn diese Ab-
sicht ist in ihrem Sinngehalt durch Vorbedingungen und Umstände der Situ-
ation bedingt, in welcher der Handelnde steht. Es ist etwas anderes, als Arzt
entweder in der zweiten oder in der zwanzigsten Schwangerschaftswoche
einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen zu wollen. Die abstraktere Be-
46 B. Handlung und normative Zurechnung

schreibung als Absicht eines Schwangerschaftsabbruchs erschöpft den Inhalt


der konkreten Sinnsetzung des Handelnden nicht.80
Die Merkmale eines Unrechtstatbestands, der eine oder mehrere tatbe-
standliche Handlungsarten beschreibt, sind somit weitgehend als Merkmale
dieser Handlungsarten aufzufassen. Ob daneben noch spezifisch normative
Merkmale stehen, wird mit Blick auf die Rechtfertigungsgründe zu diskutie-
ren sein.81
8. Jede Handlungsart, die ein bestimmtes Strafgesetz benennt, ist tatbe-
standlich und somit verbotsgegenständlich. Wenn sich ein Delikt auf mehrere
tatbestandliche Handlungsarten bezieht, können diese wie bei der Körperver-
letzung (§ 223 Abs. 1 StGB) oder Urkundenfälschung (§ 267 Abs. 1 StGB)
alternativ verwirklicht werden oder müssen wie beim Betrug (§ 263 Abs. 1
StGB) und Raub (§ 249 Abs. 1 StGB) kumulativ vorliegen. Im letzteren Fall
hängen die verschiedenen Handlungsarten zusammen: Der Betrug setzt eine
Vermögensschädigung durch Täuschung voraus; der Raub eine Wegnahme
mittels Gewaltanwendung oder Drohung.
Diesen Zusammenhang könnte man durchaus so verstehen, dass etwa die
Handlungsart „Schädigung“ dadurch definiert wird, dass das Mittel der Schä-
digung eine Täuschung sein muss. Allerdings setzt die beim Betrug verbotene
Vermögensschädigung eine Täuschung voraus, die bereits für sich allein
verboten ist. Es muss also nicht die Definition der Handlungsart „Schädigung
des Vermögens“ auf die Täuschung Bezug nehmen, sondern lediglich das
Verbot der Schädigung auf das Verbot der Täuschung: „Verboten ist eine
Schädigung durch eine verbotene Täuschung.“ Die Bezugnahme auf die ver-
botene Täuschung definiert nicht die Handlungsart „Schädigen“, sondern
gehört zu den sonstigen Verbotsbedingungen, also den Rechtswidrigkeits­
voraussetzungen der Schädigung.
9. Die Konzeptionen des Tatbestands – einerseits als Inbegriff der Un-
rechtsvoraussetzungen, andererseits als Beschreibung der verbotsgegenständ-
lichen Handlungsart – lässt sich, wie schon gezeigt, gewissermaßen spiegel-
bildlich, auf das Unterlassungsdelikt übertragen. Die normgegenständliche ist
hier eine gebotsgegenständliche Handlungsart und bezeichnet somit anders
als beim Verbot die normgemäße Handlungsart. Erst in einem zweiten Schritt
ergibt sich deshalb mit Blick auf den Gebotsverstoß der Unrechtstatbestand
ebenso wie der Tatbestand der Unterlassungsart: Es ist die Unterlassung der
gebotsgegenständlichen Handlung. Sowohl der Unterlassungstatbestand als
auch der Unrechtstatbestand benennen Voraussetzungen für die Annahme
eines Gebotsverstoßes.

80 Hierzu erst im systematischen Teil, C.I., IV.


81 Sogleich unter B.III.2.e).
III. Der kausale, objektive Handlungsbegriff47

In Bezug auf das sogenannte unechte Unterlassungsdelikt (Kommissivde-


likt per omissionem) wurde der Dogmatik zum ersten Mal ein ähnlicher Zu-
sammenhang verschiedener Normen bewusst, wie er zwischen dem Verbot
der Vermögensschädigung und dem der Täuschung besteht: Die Strafbarkeit
wegen der Unterlassung, einen bestimmten Erfolg zu verhindern, setzt vor-
aus, dass der Handelnde Garantenpflichten missachtet hat, also konkrete
Gebote verhinderungsgeeigneter Handlungen. Die Unterlassung derartiger
Handlungen ist im Tatbestand nicht beschrieben, aber vorausgesetzt. Bereits
Beling und v. Liszt erkannten sie als Unrechtsvoraussetzungen.82 Damit war
der Weg angedeutet, der später zur Erkenntnis führte, dass auch beim Fahr-
lässigkeitsdelikt die Pflichtverletzung nicht Verschuldens- sondern Unrechts-
voraussetzung ist.
10. Dass Gegenstand der strafrechtlichen Verbote die tatbestandliche(n)
Handlungsart(en) sind, begründet den strafrechtsspezifischen Charakter die-
ser Verbote bzw. entsprechend der Gebote.83 Sie werden nur vom Strafge-
setz her konstruiert. Auch die Konkretisierung dieser Verhaltensnormen auf
den Einzelfall hin erfolgt insofern strafrechtsspezifisch, als sie an die Ausle-
gung der Begriffe tatbestandlicher Handlungen des Strafgesetzes gebunden
ist.
Mit dieser strafrechtsakzessorischen Bestimmung der anzunehmenden Ver-
haltensnormen ist man zunächst einmal auf sicherem Boden, denn alle dieje-
nigen Handlungsarten, auf deren Verwirklichung von Gesetzes wegen Strafe
folgen soll, müssen verboten sein. Das ist das Axiom der strafrechtlichen
Normentheorie.
Es spricht dabei nicht gegen die Selbständigkeit der strafrechtlichen Ver-
haltensnormen, dass diese häufig auf Regelungen anderer Rechtsgebiete
aufgebaut sind, etwa des Zivilrechts.84 Die strafrechtlichen Verbote von
Wegnahme und Zueignung, die dem Diebstahl zugrunde liegen, sind etwa
auf das zivilrechtliche Verbot bezogen, gegen den Willen eines anderen auf
dessen Sachen einzuwirken (§ 903 BGB) sowie auf das Verbot, den Besitz zu
entziehen (§ 858 Abs.1 BGB). Das strafrechtliche Verbot hat lediglich einen
engeren Anwendungsbereich als diese beiden zivilrechtlichen Verbote.

82 Beling (1906) S. 164 f., v. Liszt (1908) § 30.II., S. 133 Fn. 4.


83 Zum spezifisch strafrechtlichen und somit öffentlich-rechtlichen Charakter die-
ser Normen Mañalich (2015) S. 311 ff. Zur soziologischen Perspektive Ast (2010)
S. 11 ff.
84 Vgl. hierzu Haas (2002) S. 78 ff., 104 f., Renzikowski (2005) S. 122 ff., ders.
Matt / Renzikowski-StGB (2013) Einl. Rn. 15 ff.
48 B. Handlung und normative Zurechnung

c) Tatbestandliche und verbotsgegenständliche Handlung –


alternative Konzepte

1. Der normentheoretische Ausgangspunkt der kausalen wie finalen Hand-


lungslehre waren die Verbote tatbestandlicher Handlungsarten bzw. beim
Unterlassungsdelikt tatbestandsbezogene Gebote. Es wurde gezeigt, dass der
Unrechtstatbestand eines Delikts so weit wie möglich als Umschreibung der
tatbestandlichen Handlungs- oder Unterlassungsart(en) aufgefasst werden
sollte. Die normentheoretische Konstruktion der strafrechtlichen Verhaltens-
normen lehnt sich somit eng an das Strafgesetz an.
Diese tatbestandsbezogene Konzeption der strafrechtlichen Verbote ist
weder selbstverständlich noch konkurrenzlos. Die Alternativen zu überden-
ken, ist wichtig, weil jene Konzeption für die Systematisierung der Straftat-
merkmale entscheidend ist. Insbesondere normentheoretisch orientierte Auto-
ren bestimmen den Gegenstand des Verbots häufig nicht in enger Bindung an
die Straftatbestände.
Ein wichtiges Motiv hierfür ist die Überlegung, dass nicht alle handlungs-
bezogenen Tatbestandsmerkmale zwingend erforderlich sind, um im Einzel-
fall zu ermitteln, was der Handelnde von Rechts wegen tun oder unterlassen
soll. So genügt es etwa, die Körperverletzung zu verbieten (§ 223 Abs. 1
StGB), um a maiore ad minus auch die Körperverletzung mittels eines ge-
fährlichen Werkzeugs zu erfassen (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB). Ein Tatbestand
ist ferner häufig aus mehreren Handlungsarten zusammengesetzt. Dann ge-
nügt es, Verbote derjenigen Handlungsarten anzunehmen, die den Eintritt der
tatbestandlichen Erfolge nicht voraussetzen. Im Beispiel der Straßenver-
kehrsgefährdung, § 315c StGB, ist das Verbot, Leib und Leben von anderen
Menschen zu gefährden, neben den Verboten, die Vorfahrt zu missachten,
falsch zu überholen etc. nicht zwingend erforderlich, um das Verhalten zu
beeinflussen. Beim Diebstahl, § 242 StGB, würde es genügen, ein Verbot der
Wegnahme fremder Sachen anzunehmen; das Verbot der Zueignung scheint
wiederum nicht erforderlich. Dass der Tatbestand bestimmte Handlungsmo-
dalitäten oder zusätzliche vollendete oder versuchte Handlungen aufnimmt,
begründet sich aus seiner Funktion, die Grenze strafwürdigen Unrechts sowie
unrechtserhöhende Umstände festzulegen.
Demgemäß ist es möglich, die Frage in den Mittelpunkt zu stellen, welche
Informationen notwendig sind, um das Verhalten des Normadressaten effek-
tiv zu beeinflussen, und daran ausgerichtet die verbotsgegenständlichen
Handlungsarten zu definieren. Ein solches Konzept kann man auch abstra-
hierend anlegen und die strafrechtlichen Handlungstatbestände unberücksich-
tigt lassen. So wären sowohl die Sachbeschädigung als auch der Diebstahl
von einem anzunehmenden Verbot erfasst, fremdes Eigentum zu verletzen.
III. Der kausale, objektive Handlungsbegriff49

2. Allerdings ist es nicht Aufgabe der Strafrechtsdogmatik, eine vom


Strafrecht abgelöste verbotsgegenständliche Handlungsart zu bestimmen und
zu entscheiden, welche tatbestandlichen Handlungen hierfür irrelevant sind.
Der Gewinn eines solchen Unternehmens wäre gering, weil strafrechtlich
interessant nur Verbote sind, an deren Missachtung Strafe anknüpft. Abstrak-
tere und deshalb weiter gehende Verbote zu postulieren, ist schlicht unnötig.
Dass die Frage nach einer über das Strafrecht hinaus gehenden Bestim-
mung des Normgegenstands für das Strafrecht offen bleiben kann, hat bereits
Beling als Vorteil seiner Konzeption eines Tatbestands angesehen, welcher
der Rechtswidrigkeit vorgelagert ist.85 Die Urteile von Rechtswidrigkeit und
Schuld und somit das Urteil über die Verbotswidrigkeit beschränken sich auf
die tatbestandliche(n) Handlung(en).
Diese Sichtweise hat auch die finale Handlungslehre übernommen. Für
Welzel ist der Tatbestand die Materie (der Inhalt, Gegenstand) der strafrecht-
lichen Verbote, er beschreibt die verbotene Handlungsart.86 Das gilt nicht
nur, wie Kaufmann einschränkend hinzugefügt hat, wenn ein Strafgesetz alle
Verbotsverstöße unter Strafe stellt.87 Welzel bezieht sich eben nur auf straf-
rechtliche Verbote, Kaufmann auch auf nicht strafrechtliche.
3. Beling wandte sich mit der Konzeption der tatbestandlichen als ver-
botsgegenständlicher Handlungsart gegen Binding.88 Dieser unterschied
zwischen Delikt und Verbrechen bzw. Normwidrigkeits- und Strafbarkeits-
merkmalen.89 Bindings Spur folgten auch später Konzepte, die zwischen
verhaltens- und sanktionsnormbezogenen Merkmalen unterscheiden; hierzu
sogleich. Sie eint das Bemühen, den Inhalt der Verhaltensnormen auf dieje-
nigen Informationen zu reduzieren, die für die Verhaltensbeeinflussung unab-
dingbar sind – und den Geltungsbereich dieser (deliktsbegründenden) Norm
dadurch über das Strafrecht hinaus auszuweiten.
Diese Konzepte stehen einer objektiven Unrechtskonzeption insoweit
nahe, als sie Verhaltensnorm und Verhaltensnormverstoß unabhängig davon
bestimmen, was der Handelnde wusste und wollte. Allerdings setzen sie zu-
meist ein Fahrlässigkeitsurteil voraus.
So hat Binding die Verhaltensnorm, welche das „Delikt“ im oben genann-
ten Sinn begründet, ohne Rücksicht auf Vorsatz oder Fahrlässigkeit formu-

85 Beling (1906) S. 117 ff.


86 Welzel (1969) S. 49 f.
87 Armin Kaufmann (1954) S. 107.
88 Gegen Bindings These von der Selbständigkeit der „Norm“ gegenüber dem
Strafgesetz auch Kelsen (1911) S. 282 ff.
89 Binding Normen I (1890) S. 194 ff., ders. Handbuch (1885) S. 507 ff., Armin
Kaufmann (1954) S. 30 ff., 196 ff., 207 ff.
50 B. Handlung und normative Zurechnung

liert, welche er als Arten des Verschuldens dem „Verbrechen“ und somit der
Sanktionsnorm zuordnete.90 Dass er gleichwohl nicht eine objektive Un-
rechtslehre vertrat, erklärt sich daraus, dass das Verschulden – unabhängig
von der Art des Verschuldens – Deliktsvoraussetzung ist.91 Es wird der Sa-
che nach durch ein Fahrlässigkeitsurteil begründet: Jede Norm verpflichte
implizit zur Aufmerksamkeit.92 Ein Delikt liegt deshalb nur vor, wenn der
Handelnde im Einzelfall erkennen sollte, dass er die deliktstatbestandliche
Handlung verwirklicht, und wenn er es nicht vermieden hat, sie zu verwirk-
lichen, weil er dieses nicht erkannt hat oder obgleich er es erkannte.93
4. Während Binding im Hinblick auf den Erfolg Verletzungsverbote an-
nahm, gründen seine „Nachfolger“ ihre Konzeptionen auf Gefährdungsver-
bote, was Binding entschieden abgelehnt hätte.94
Für Frisch ist Gegenstand des Verbots, das den Straftatbeständen zugrunde
liegt, das „tatbestandsmäßige Verhalten“. Es besteht bei Erfolgsdelikten ge-
rade nicht aus einer Handlung der vom Strafgesetz bezeichneten, durch den
Erfolgseintritt definierten Art (z. B. „töten“), sondern aus einer Handlung von
im Strafgesetz nicht beschriebener Art, die durch die Schaffung einer Er-
folgsgefahr definiert wird (z. B. „eine Todesgefahr schaffen“, Unterart: „auf
jemanden schießen“).95 Das Verbot dieser Handlungsart ist auch dann miss-
achtet, wenn der Erfolg nicht eintritt. Der Erfolgseintritt ist eine bloße
Sanktionsvoraussetzung,96 weswegen die „Erfolgszurechnung“ allein nach
strafzweckbezogenen Kriterien begründet wird.97 Da die Handlungsart, wel-
che durch die Gefahr definiert wird, bereits aufgrund ihrer objektiv erkenn-
baren Gefährlichkeit verboten ist, ist auch ein subjektiver Bezug des Han-
delnden hierauf nicht zwingend erforderlich. Der Vorsatz ist daher ebenfalls
nur Sanktionsvoraussetzung.98

Binding Normen I (1890) S. 53 f., Normen II (1914) S. 348 f.


90
Zu diesem Widerspruch Armin Kaufmann (1954) S. 215 ff.
91
92 Binding Normen II (1914) S. 241 f.
93 Binding Normen II (1914) S. 244: Andernfalls Verneinung der Zurechnungsfä-
higkeit.
94 Binding Normen II (1914) S. 349, 370 ff., 382 ff., Normen IV (1919) S. 374 ff.,
398 ff.
95 Frisch (1983) S. 74 ff., (1988) S. 69 f. Ebenso Freund AT (2009) § 1 Rn. 32 f.,
56, § 2 Rn. 8 ff. Seher (2013) S. 215 ff. weist zutreffend darauf hin, dass auch nach
Frischs Konzept in der Formulierung der generellen Verbote tatbestandsmäßigen Ver-
haltens auf die Gefährlichkeit des Verhaltens und somit auf den Erfolg notwendiger
Weise Bezug genommen werden muss.
96 Frisch (1983) S. 57 ff., 76 f., Freund AT (2009) § 2 Rn. 52 ff.
97 Frisch (1988) S. 510 ff., 516 ff.
98 Frisch (1983) S. 78 ff., 84 ff., 90, 93, Freund AT (2009) § 7 Rn. 35 ff. Ähnlich
sieht es Stein, für den sowohl Erfolg als auch der Vorsatz nur die „Strafbedürftigkeit“
III. Der kausale, objektive Handlungsbegriff51

5. Der Begriff des Tatbestands ist in derartigen Konzepten überflüssig


oder bedeutet anderes.
Binding – der Belings Konzept für wertlos erachtete99 – bezieht den Tat-
bestandsbegriff einerseits auf sämtliche Voraussetzungen des Verbrechens
(einschließlich Rechtswidrigkeit und Schuld).100 Er kannte andererseits aber
auch einen objektiven Tatbestand, der dem Tatbestandsbegriff Belings im
Ansatzpunkt entspricht. Dieser enthält „eine aus menschlicher Tätigkeit ent-
sprungene, der Absicht der Norm widersprechende Änderung in der
Außenwelt.“101 Anders als Belings Tatbestand bezieht sich dieser objektive
Tatbestand aber allein auf das Delikt (die Normverletzung), nicht das Verbre-
chen (die strafbare Handlung), und beinhaltet ein Rechtswidrigkeitsurteil.102
Außerdem wird die Verwirklichung des objektiven Tatbestands nicht als
„Handlung“ ausgewiesen, da eine Handlung den subjektiven Tatbestand im
Sinn eines Verschuldens (Vorsatz oder Fahrlässigkeit) voraussetzt.103
Demgegenüber ist der Tatbestand für Frisch eine Kategorie der Sanktions-
norm.104 Deren Tatbestand umfasst indes sämtliche Sanktionsvoraussetzungen.
Er teilt sich auf in die Voraussetzung eines Normverstoßes durch ein „tatbe-
standsmäßiges Verhalten“, auf welches sich die Urteile über Rechtswidrigkeit
und Schuld beziehen müssen, und in einen Tatbestandsteil, der sich auf bewer-
tungs- und strafzweckrelevante Fragen bezieht. Dieser beinhaltet bei Frisch die
Voraussetzungen des Erfolgseintritts und des Erfolgsvorsatzes. Man kommt
mit derartigen Konzepten also auf den vorbelingschen Stand zurück – die Un-
terscheidung von Rechtswidrigkeit, Schuldhaftigkeit und Strafbarkeit.105
6. Derartige Konzepte haben einen unbestreitbar zutreffenden Gedanken:
Bei der Auslegung des Strafgesetzes sind als Zweckgesichtspunkte sowohl
die Verhaltenssteuerung als auch die strafrechtsspezifische Verhaltensbewer-
tung relevant. So ist es etwa kaum für die Verhaltenssteuerung, wohl aber die
Bewertung wichtig, Betrug und Diebstahl genau voneinander abzugrenzen.106

begründen: zum Erfolg Stein (2009) S. 61–85, zum Vorsatz S. 229 ff., 249 ff., 278 ff.,
307 ff., zum Unterschied zu Frischs Normentheorie S. 309 f.
99 Binding Normen II (1914) S. 161, 230 f.; ders. Grundriss (1913) S. 86. Hierzu
Heinitz (1926) S. 20.
100 Binding Handbuch (1885) S. 504.
101 Binding Handbuch (1885) S. 503, hierzu Armin Kaufmann (1954) S. 18 ff.
102 Vgl. Binding Normen II (1914) S. 230 ff.
103 Binding Normen I (1890) S. 92 ff., Handbuch (1885) S. 503, 565 f.
104 Frisch (1983) S. 60, Freund AT (2009) § 1 Rn. 34.
105 Vgl. auch Stein (2009) S. 344, der zwischen dem Tatschuldurteil und dem Ur-
teil über die Strafbedürftigkeit der Tatschuld differenziert. Vgl. zur vorbelingschen
Konzeption B.III.2.a)2.
106 Am Beispiel des Einverständnisses mit der Wegnahme Ast (2013) S. 306 f.
52 B. Handlung und normative Zurechnung

Eine andere Frage ist aber, ob die unterschiedlichen Zweckgesichtspunkte


es erforderlich oder auch nur möglich machen, das Straftatsystem streng nach
ihnen ausgerichtet zu differenzieren. Es ist keineswegs ausgemacht, dass etwa
der Erfolgseintritt nur mit Blick auf Strafzwecke relevant ist, wirkt doch die
Vorgabe zu erreichender und vermeidender Erfolge verhaltenssteuernd.107
Der Nachteil einer derartigen Systematik besteht schließlich darin, dass
der Frage der Konstitution der verbrecherischen Handlung zu wenig Auf-
merksamkeit zuteil wird. Geht man statt von tatbestandlichen Handlungen
wie „töten“ nur von einem tatbestandsmäßigen Verhalten bzw. einer Gefahr-
schaffung aus, wirkt es etwas disparat, wenn man abschließend dann doch
nicht nur eine gefährliche Handlung, sondern eine erfolgsdefinierte Delikts-
handlung wie den „Mord“ oder „Totschlag“ zurechnet. Es ist widersprüch-
lich, dass sich die normative Zurechnung des „tatbestandsmäßigen Verhal-
tens“ zwar auf ein entsprechendes Verbot, die des Erfolgs aber nicht auf das
Verbot einer erfolgsdefinierten Handlungsart stützen soll. Was bedeutet dann
der Begriff der Zurechnung?
7. Probleme bereitet solchen Konzepten auch zu begründen, dass sich der
Vorsatz des Handelnden auf Umstände beziehen muss, die letztlich nur für
das Strafbarkeits- oder Strafwürdigkeitsurteil relevant sein sollen.
So bezieht Binding den Vorsatz konsequent nicht auf die Straftatmerkmale,
da der Vorsatz als Schuldform nur delikts- und somit verhaltensnormbezogen
ist.108 Allerdings sieht er die Qualifikationsmerkmale, die bei ihm nicht dem
Delikt, sondern dem Verbrechen zugeordnet sind, dann doch nicht nur als
objektive, sondern (zugleich) „psychologische Höhen­marken.“109
Dass die Qualifikationsmerkmale die Kenntnis des Täters voraussetzen,
erklärt sich demgegenüber zwanglos, wenn man sie als Handlungsmerkmale
auffasst.110 Binding muss die Voraussetzung der Kenntnis stattdessen allein
mit einem Bewertungs­gesichtspunkt begründen: Es handele sich um Merk-
male, „deren Kenntnis nach Auffassung des Gesetzgebers dem Täter die
Begehung der konkreten Pflichtwidrigkeit hätte erschweren sollen“ und die
deshalb die Intensität des rechtswidrigen Vorsatzes steigern.111 Doch dann
müsste ein Qualifikationsmerkmal auch erfüllt sein, wenn es der Täter irrig
annimmt. Dieser Konsequenz entgeht Binding nur, indem er sie zu „Merk-
malen zweiter Ordnung“ erhebt, die erst durch die Kenntnis zu Schärfungs-

Ausführlich zu dieser Frage unter B.IV.3.


107
Binding Normen III (1918) S. 184 ff.
108
109 Binding Normen III (1918) S. 186.
110 Vgl. Armin Kaufmann (1954) S. 210.
111 Binding Normen III (1918) S. 189, vgl. auch S. 186 und Normen II (1914)
S. 979 ff.
III. Der kausale, objektive Handlungsbegriff53

gründen werden.112 Dass diese Merkmale tatsächlich gegeben sein müssen


und der Handelnde es zugleich wissen muss, zeigt aber doch, dass sie echte
Handlungsmerkmale sind.
8. Vergleichbar ist es in Frischs Konzeption fraglich, welche Rolle Erfolg
und Erfolgsvorsatz bei der Konstitution der Straftat spielen.
Weil das verbotsgegenständliche „tatbestandmäßige Verhalten“ (zum Bei-
spiel die Handlung „Schaffen einer Lebensgefahr“ durch „Schießen auf einen
anderen“) nur durch die Erfolgsgefahr definiert wird, bezieht Frisch auch den
Vorsatz allein auf diese Gefahr.113 Doch wenn eine Straftat wie der Totschlag
die Verwirklichung einer Handlungsart ist, die durch den Erfolgseintritt defi-
niert ist, genügt es nicht, den Vorsatz bzw. die Intention nur auf die Erfolgs-
gefahr zu beziehen. Dass man eine Handlung will, welche mit einer Gefahr
als der Möglichkeit des Erfolgs verbunden ist, heißt nicht notwendig, dass
man die Wirklichkeit des Erfolgs will. Die Intention bzw. der Vorsatz bezieht
sich inhaltlich immer auf die Verwirklichung des intendierten Gegenstands
und nur deshalb auf dessen Ermöglichung. Deshalb beinhaltet der Erfolgs-
vorsatz nicht ausschließlich ein kognitives, bloß prognostisches Urteil über
eine Gefahr, sondern hat ebenso wie eine Norm unabdingbar einen volunta-
tiven, wirklichkeitsgestaltenden Sinn.114
9. Die Thesen, dass Handlung, Vorsatz oder Norm nur bis zum gefährli-
chen Verhalten reichen, nicht aber bis zum Erfolgseintritt, wurden in der
strafrechtlichen Dogmengeschichte aus verschiedenen Gründen vertreten.115
Ihnen liegt wohl immer die Vorstellung zugrunde, dass die Handlung oder
das „Verhalten“ nur ein bestimmtes Körperverhalten ist.116 So erklärt sich die
Fixierung auf das gegenwärtig in der Handlungssituation Gegebene (die Ge-
fahr) oder für den Handelnden unmittelbar zu Verwirklichende (das Körper-
verhalten). Nur dieses soll Anknüpfungspunkt bzw. Gegenstand von Vorsatz
und Norm sein können, nicht ein künftiger anderer Erfolg.
Sowohl Vorsatz als auch Norm sind aber unabdingbar zukunftsbezogen.
Sie richten sich darauf, einen Erfolg zu verwirklichen oder nicht zu verwirk-
lichen, der noch nicht gegeben ist. Nachdem der Erfolg gegeben ist, wäre es
sinnlos, ihn zu verbieten oder zu beabsichtigen. Das gilt unabhängig davon,
ob Gegenstand von Norm oder Intention nur ein Körperverhalten oder ein

112 Binding Normen III (1918) S. 189.


113 Frisch (1983) S. 96 ff., 115 ff., 300 ff., 341 ff. (1988) S. 569 ff. Ebenso Stein
(2009) S. 307.
114 Hierzu ausführlich unter C.IV.
115 Vgl. bereits B.III.2.b)1. sowie nochmals ausführlich unter B.IV.3.
116 Hierzu auch Seher (2013) S. 212. Dagegen bereits A.II.1.2. sowie nochmals
ausführlich unter B.III.3.
54 B. Handlung und normative Zurechnung

davon unabhängig beschreibbarer Erfolg ist. Unterschiede im zeitlichen Ab-


stand zwischen der Setzung von Erfolgsbedingungen und dem Erfolgseintritt
oder Unterschiede in der Verwirklichungswahrscheinlichkeit des Erfolgs sind
rein quantitativ und graduell. Sie rechtfertigen nicht, unterschiedliche theore-
tische Konzepte anzusetzen: Die Handlung „den Finger krümmen“, die der
Handelnde unmittelbar und mit hoher Wahrscheinlichkeit verwirklichen
kann, ist strukturell genau so aufgebaut wie die Handlung „töten“, die der
Handelnde eventuell mit geringerer Wahrscheinlichkeit verwirklichen wird
und bei der zwischen der Setzung von Erfolgsbedingungen und dem Erfolgs-
eintritt eine größere Zeitspanne liegen kann. Auch dass beim „Töten“ eine
Relation zwischen einem Körperverhalten und dem Erfolg vorausgesetzt ist,
während beim „Armheben“ ein einfaches Körperverhalten genügt, begründet
keinen strukturellen Unterschied. Es bedeutet nur, dass im zweiten Fall das
Körperverhalten der Zurechnungsgegenstand ist, während es im ersten Fall
der Tod eines anderen und gerade nicht das Körperverhalten der handelnden
Person ist. Dieses wird vom Handlungsbegriff des Tötens ja auch gar nicht
beschrieben, sondern im Unbestimmten gelassen. Auf die Handlung „töten“
kann sich deshalb ebenso gut eine Norm beziehen wie auf die Handlung
„den Arm heben“. Die Vorstellung, dass Normen nur ein Körperverhalten
verbieten oder gebieten können, ist deshalb zurückzuweisen.
Somit ist die tatbestandliche Handlungsart eines Erfolgsdelikts durch den
Erfolgseintritt definierbar. Das generelle strafrechtliche Verbot richtet sich
auch auf diese tatbestandliche Handlungsart und ist somit seinerseits auf die
Verwirklichung und nicht nur die Ermöglichung des Erfolgs bezogen.
Natürlich kann man erst, nachdem ein bestimmter Erfolg eingetreten ist
und somit retrospektiv feststellen, ob der Erfolg einer Intention entspricht, ob
eine entsprechende Handlungsart verwirklicht wurde und ob ein Verbot die-
ser Handlungsart missachtet ist. Das spricht aber nicht gegen die Möglich-
keit, prospektiv eine Handlung und somit etwas bloß als möglich Vorgestell-
tes, erst noch zu Verwirklichendes zu verbieten oder zu gebieten bzw. einen
zukünftigen Erfolgseintritt zu beabsichtigen.117
10. Ergebnis dieses Untersuchungsschritts ist, dass Gegenstand der straf-
rechtlichen Verbote die tatbestandlichen Handlungen sind. Nicht vorteilhaft
sind Konzeptionen, für welche die tatbestandlichen Handlungen nicht der
Gegenstand der strafrechtlichen Verbote sind.
Ob und inwiefern im Strafrecht neben den Verboten tatbestandlicher Hand-
lungen Verbote anderer, nichttatbestandlicher Handlungen relevant sind –
etwa des „tatbestandsmäßigen Verhaltens“ (Frisch) – wird an späterer Stelle
zu untersuchen sein.118

117 Ebenso Mañalich (2009) S. 59 ff.


118 B.III.4.
III. Der kausale, objektive Handlungsbegriff55

Um das Thema der tatbestandlichen Handlung abzuschließen, seien die


dem allgemeinen Begriff der Handlung unterzuordnenden Begriffe nochmals
geklärt:
− Gattung der „verbotsgegenständlichen Handlungen“ = Beliebige Hand-
lungsart, deren Verwirklichung von einem Verbot verboten wird.
− Art der „tatbestandlichen Handlungen“ = Verbotsgegenständliche Hand-
lungsarten der generellen Verbote, die per Umformulierung direkt aus den
Strafgesetzen abgeleitet werden (strafrechtliche Verbote).
− Unterart der „tatbestandlichen Handlungsart(en) einer bestimmten Straf-
tatart“ = Verbotsgegenständliche Handlungs­ art(en) des strafrechtlichen
Verbots bzw. der Verbote, welche(s) einer Straftatart zugrunde liegen.
− Einzelne Handlung von tatbestandlicher Art.
Die einzelne Handlung von tatbestandlicher Art ist somit zugleich (in zu-
nehmend allgemeinen bzw. abstrakten und deswegen weniger bestimmten
Begriffen): „tatbestandliche Handlung“, „verbotsgegenständliche Handlung“
und „Handlung.“

d) Die Begriffe tatbestandlicher Handlungen zwischen


Normativität und Deskriptivität und die Unterscheidung
von Tatbestand und Rechtswidrigkeit

1. Im Folgenden sind charakteristische, allgemeine Merkmale der tatbe-


standlichen Handlungsarten und somit des Begriffs der tatbestandlichen
Handlung herauszuarbeiten.
Es wurde bereits begründet, dass der Begriff der verbotsgegenständlichen
Handlung insofern vornormativen Charakter hat, als er nicht dadurch defi-
niert sein kann, dass der Handelnde dasjenige Verbot missachtet hat, das sich
auf diese Handlung richtet. Mit anderen Worten kann der Begriff einer ver-
botsgegenständlichen Handlungsart nicht den Verstoß gegen dasselbe gene-
relle Verbot implizieren.119 Das gilt auch für den Begriff der tatbestandlichen
Handlung bzw. die Begriffe tatbestandlicher Handlungsarten als verbotsge-
genständlicher Handlungen des Strafrechts.
2. Nichts anderes hat Beling gemeint, als er den Tatbestand als „wertfrei“
bezeichnete: Das Urteil, dass eine Handlung von tatbestandlicher Art gege-
ben ist, hat rein deskriptive und keine normative Bedeutung. Mit diesem
Urteil ist noch nicht festgestellt, dass der Handelnde dasjenige Verbot miss-
achtet hat, welches Handlungen jener Art verbietet. Eine tatbestandliche

119 B.II.2.
56 B. Handlung und normative Zurechnung

Handlung kann im Einzelfall immer noch gerechtfertigt und muss schon


deshalb nicht notwendig rechtswidrig sein.120
Der Gegensatz zu in diesem Sinne deskriptiven sind normative Hand-
lungsbegriffe oder, präziser gesagt, Begriffe von Handlungsarten, die durch
einen Verbotsverstoß, also ein normatives Zurechnungsurteil definiert wer-
den. Dies sind etwa die Deliktsbegriffe des Mordes, Diebstahls und des Be-
trugs. Wenn man im Einzelfall eine solche Handlung annimmt, stellt man
implizit fest, dass der Handelnde ein Verbot missachtet hat. Wenn man dem-
gegenüber behauptet, dass der Handelnde eine tatbestandliche Handlung
verwirklicht habe – dass er etwa einen Menschen getötet, eine fremde Sache
weggenommen oder einen anderen getäuscht und am Vermögen geschädigt
habe – ist ein normatives Zurechnungsurteil noch nicht impliziert.
3. Die These von der Wertfreiheit des Tatbestands wurde teils überinter-
pretiert und teils missverstanden.
So hat M. E. Mayer den Begriff der „normativen Tatbestandsmerkmale“
eingeführt. Beispielhaft hierfür ist das Merkmal der „Fremdheit“ einer Sache,
das auf die zivilrechtliche Eigentumslage und somit denjenigen Normenkom-
plex Bezug nimmt, welcher das Eigentum regelt. Mayer hat diese Merkmale
zwar als Tatbestandsmerkmale bezeichnet, wegen ihres normativen Hinter-
grunds aber primär als Rechtswidrigkeitsmerkmale aufgefasst, weil Tatbe-
standsmerkmale bloß deskriptiv seien.121
Dass jemand eine fremde Sache im Sinne des § 242 Abs. 1 StGB wegge-
nommen hat, ist aber ungeachtet der Bezugnahme auf andere Normen inso-
fern ein deskriptives Urteil, als es kein normatives Zurechnungsurteil impli-
ziert. „Wegnahme“ und „Zueignung einer fremden Sache“ sind die tatbe-
standlichen Handlungsarten des Diebstahls, weshalb die „Fremdheit“ kein
eigenständiges Rechtswidrigkeitsmerkmal ist.
4. Die Begriffe tatbestandlicher Handlungsarten sind zwar im genannten
Sinn deskriptiven Charakters. Alle Begriffe tatbestandlicher Handlungsarten
sind aber normativ geprägt in dem Sinn, dass sich ihre Definition an der
Frage ausrichtet, welche Handlungsarten bei Strafe verboten sein sollen.122
Die jeweilige Definition bezweckt nicht bloß die Beschreibung einer vorge-
fundenen Wirklichkeit, sondern bezieht sich auf die Gestaltung der Wirklich-
keit. Die Begriffe tatbestandlicher Handlungsarten werden mit Blick auf das
Verbot definiert.

Beling (1906) S. 112, 145 ff., 162 ff., ders. (1930) S. 30 f.


120
M. E. Mayer (1915) S. 182 ff. Daran anschließend Mezger (1926) S. 215 ff.,
121
Grünhut (1930) S. 21 ff. Hierzu wiederum Engisch (1954) S. 135 ff., Roxin (1970a)
S. 36 f., Ziemann (2009) S. 125 ff.
122 Wolf (1929) S. 44 f., 54 ff., (1931) S. 434 f. Hierzu Engisch (1954) S. 138 f.,
Schünemann (1984) S. 30 f. Zum kriminalpolitischen Aspekt Amelung (1984) S. 87 ff.
III. Der kausale, objektive Handlungsbegriff57

Beling erkannte die normative Prägung der Tatbestandsmerkmale bereits


ansatzweise.123 Der „empirische Befund“ bestätigt es: Sofern das Gesetz er-
folgsdefinierte Handlungsarten und somit letztlich nur den Erfolg bezeichnet
(§§ 212, 223, 239, 242, 303 StGB), sind die Bestimmung von Tatobjekt und
Erfolg normativ geprägt. Beispiele sind die Begriffe Mensch,124 Gewahrsam
(mit Bezug auf die Verkehrsanschauung) und Vermögensschaden (mit einer
normativ wertenden Überformung der wirtschaftlichen Bilanzierung).
Auch Begriffe tatbestandlicher Handlungen, die nicht durch den Erfolgs-
eintritt definiert sind, sind normativ geprägt, etwa bei der Nötigung (§ 240
StGB). Die deskriptive Definition der Drohung als Ankündigung eines Nach-
teils genügt nicht. Vielmehr muss fallgruppenweise bestimmt werden, welche
Nachteilsankündigungen verboten bzw., wie § 240 Abs. 2 StGB sagt, ver-
werflich sind.125
Gleiches gilt für das Merkmal der Täuschung beim Betrug. Die konklu-
dente Täuschung wird fallgruppenweise durch Bezugnahme auf die Ver-
kehrsanschauung und somit normativ bestimmt. Dass jemand täuscht, der
rechnungsähnliche Anzeigenofferten verschickt,126 ist eine nur normativ be-
gründbare Auslegung des Begriffs der Täuschung. Die fallgruppenbezogene
Konkretisierung derartiger Begriffe führt zu extensiven Definitionen, wie sie
die Seiten der Strafrechtskommentare füllen. Sie gibt den Begriffen einen
eigentümlichen, von der normalsprachlichen Verwendung abweichenden In-
halt.
5. Dass eine solche Auslegung bzw. Definition des Begriffs einer tatbe-
standlichen Handlungsart ein generelles normatives Urteil ist, bzw. dass sie
die Behauptung einer generellen Norm impliziert, wird deutlich, wenn man
sich die logische Konsequenz der Auslegung vor Augen führt: Sie ordnet der
tatbestandlichen Handlungsart eine andere, weniger abstrakt beschriebene
Handlungsart unter und setzt somit implizit eine konkretisierende generelle
Norm. Darstellbar ist das im modus barbara:
Obersatz (Gesetzesnorm):
Jeder, der rechtswidrig und schuldhaft täuscht und dadurch einen anderen schä-
digt, soll bestraft werden.
Untersatz (Auslegung bzw. exemplifizierende Definition):
Jeder, der rechnungsähnliche Anzeigeofferten versendet, täuscht.

123 Am Beispiel der Hehlerei rechtswidrig erbettelter Sachen Beling (1906)


S. 215 f.
124 Roxin AT I (2006) § 10 Rn. 11, 59.
125 Welzel (1969) S. 54, 82 sah die Nötigung deshalb als „offenen“ Tatbestand,
ablehnend Roxin (1970a) S. 60 f., ders. AT I (2006) § 10 / 43, Jakobs AT (1991) 6 / 62.
126 BGHSt 47, 1, 3.
58 B. Handlung und normative Zurechnung

Schluss (konkretisierende Norm):


Jeder, der rechtswidrig und schuldhaft rechnungsähnliche Anzeigeofferten ver-
sendet und dadurch einen anderen schädigt, soll bestraft werden.
Die Behauptung einer Auslegung des Begriffs der tatbestandlichen Hand-
lungsart ist somit immer ein generelles normatives Urteil.
6. Im Kontrast dazu lässt sich gut zeigen, dass das singuläre Urteil, dass
im Einzelfall eine Handlung von tatbestandlicher Art gegeben ist, kein nor-
matives Urteil ist. Dieses Subsumtionsurteil hat die Form des modus ponens:
1. Prämisse (Ergebnis der Auslegung):
Wenn eine Person rechnungsähnliche Anzeigeofferten versendet (Antezedenz), so
täuscht diese Person (Konsequenz).
2. Prämisse:
Nun hat X derartige Offerten versendet.
Schluss:
Also hat X getäuscht.
In diesem Urteil wird nur festgestellt, dass der Einzelfall der Definition
der tatbestandlichen Handlungsart bzw. der beispielhaft genannten Fallgruppe
entspricht und somit auch die Anwendungsvoraussetzungen des Begriffs der
tatbestandlichen Handlungsart erfüllt sind. Es wird eine Handlung im nicht-
oder vornormativen Sinn bejaht und noch kein Normverstoß festgestellt, da
der Begriff der tatbestandlichen Handlungsart nicht durch den Normverstoß
definiert wird. Die oben aufgezeigte normative Prägung des Begriffs einer
tatbestandlichen Handlungsart ist deshalb ohne weiteres damit vereinbar,
dass das Urteil, dass im Einzelfall eine Handlung dieser Art vorliegt, deskrip-
tiven Charakter hat.
Der normative Aspekt der Tatbestandsprüfung ist somit die Entscheidung
für eine bestimmte Auslegung des Begriffs der tatbestandlichen Handlungs-
art, nicht das singuläre Urteil über das Gegebensein einer Handlung. Ausle-
gung und Subsumtion sind zu trennen. Die Auslegung greift über den Einzel-
fall hinaus. Mit ihr wird implizit eine konkretisierende generelle Norm ge-
setzt. Während die Auslegung ein generelles normatives Urteil ist, ist die
Subsumtion ein singuläres deskriptives Urteil.
7. Das singuläre normative Urteil ist dann dasjenige über die normative
Zurechnung, also über den Normverstoß. Während zunächst festgestellt
wurde, dass im Einzelfall eine Handlung von tatbestandlicher Art gegeben
ist, wird im Urteil der normativen Zurechnung festgestellt, dass diese Hand-
lung das Verbot verletzt. Die logische Form dieses Urteils ist wiederum, da
es singulär ist, der modus ponens:
III. Der kausale, objektive Handlungsbegriff59

1. Prämisse:
Wenn es verboten ist zu täuschen und eine Person getäuscht hat, so hat die Per-
son das Verbot zu täuschen missachtet.
2. Prämisse:
Nun ist es verboten zu täuschen, und A hat getäuscht.
3. Schluss:
Also hat A das Verbot zu täuschen missachtet.
Die Urteile, dass eine tatbestandliche und somit verbotsgegenständliche
Handlung vorliegt und dass diese verboten ist, sind logisch verschieden.
Auch wenn das Verbot außer der tatbestandlichen Handlung keinen weiteren
Inhalt hätte, wäre das Urteil, dass diese Handlung gegeben ist, nicht gleich-
bedeutend mit dem Urteil, dass sie verboten ist, da die tatbestandliche als
verbotsgegenständliche Handlung nicht dadurch definiert sein kann, dass sie
verboten ist.
8. Belings Bemerkungen zur „Wertfreiheit“ des Tatbestands sind oft als
missverständlich kritisiert worden.127 Sie können wie folgt präzisiert werden:
Man muss unterscheiden zwischen (a) dem Begriff der tatbestandlichen
Handlung und (b) dem singulären Urteil, dass eine einzelne tatbestandliche
Handlung vorliege.
(a) Der Begriff einer tatbestandlichen Handlungsart ist nicht „wertfrei“,
weil er im normativen Kontext steht und dementsprechend ausgelegt wird.
Mit der Statuierung eines Straftatbestands legt der Gesetzgeber fest, welche
Handlungsart bei Strafe verboten ist. Der Begriff dieser Handlungsart ist
deshalb normativ geprägt.
(b) Gleichwohl ist das singuläre Urteil über die Tatbestandlichkeit wertfrei
in dem Sinn, dass ein negatives Werturteil über die einzelne Handlung mit
ihm weder explizit noch implizit verbunden ist. Da der Begriff einer tatbe-
standlichen Handlung nicht durch das Merkmal der Verbotswidrigkeit defi-
niert wird, sondern lediglich normativ geprägt, also seinem Inhalt nach von
einer Norm abgeleitet ist, kann auch das singuläre Urteil, dass eine solche
Handlung vorliegt, ein normatives Zurechnungsurteil nicht enthalten. Inso-
fern ist es rein deskriptiv; es stellt Tatsachen fest.

e) Tatbestandliche Handlungsart und Rechtfertigungsmerkmale

1. Die verbotsgegenständlichen Handlungsarten des Strafrechts sind die


tatbestandlichen Handlungsarten. Es wurde gezeigt, dass die Merkmale eines
Unrechtstatbestands weitgehend als Merkmale der jeweiligen Handlungsart

127 Hirsch (1960) S. 106, Roxin (1970a) S. 36 f.


60 B. Handlung und normative Zurechnung

aufzufassen sind. Es bleibt zu klären, ob die tatbestandliche Handlungsart


auch dadurch definiert wird, dass die Voraussetzungen der Rechtfertigung
nicht vorliegen, oder ob die fehlende Rechtfertigung eine sonstige Rechts-
widrigkeitsvoraussetzung ist.
Das Urteil über die fehlende Rechtfertigung als solches in den Begriff der
tatbestandlichen Handlung einzubeziehen, ist nicht möglich, da der Begriff
der tatbestandlichen Handlung kein normatives Zurechnungsurteil implizie-
ren kann. Dass eine Handlung nicht gerechtfertigt ist, bedeutet, dass sie nicht
erlaubt und somit verboten ist.
Dagegen, das Fehlen der tatsächlichen Voraussetzungen der Rechtferti-
gungsgründe in den Begriff der tatbestandlichen Handlung einzubeziehen,
spricht prima facie, dass diese Handlung gleichermaßen vom Verbot und der
korrespondierenden Erlaubnis bezeichnet wird. Wenn das Gesetz die Not-
standserlaubnis (§ 34 StGB) dahingehend formuliert, dass im Notstand die
Tat (d. h. die tatbestandliche Handlung, z. B. die Beschädigung einer fremden
Sache) nicht rechtswidrig ist, kann der Begriff der Tat nicht implizieren, dass
die tatsächlichen Voraussetzungen der Rechtfertigungsgründe nicht vorliegen,
denn eine Beschädigung in diesem Sinn wäre niemals erlaubt. Der Begriff
der tatbestandlichen Handlung, den das Verbot und die korrespondierende
Erlaubnis in Bezug nehmen, ist offensichtlich derselbe.
Die Fragestellung der folgenden Überlegungen ist deshalb letztlich weni-
ger, ob das Fehlen von Rechtfertigungsvoraussetzungen die tatbestandliche
Handlungsart definiert – was ersichtlich niemand vertritt128 – als, warum das
nicht der Fall ist. Denn oben wurde das insoweit gegenläufige Prinzip aufge-
stellt, dass Tatbestandsmerkmale als Merkmale der tatbestandlichen Hand-
lungsart aufgefasst werden sollten, weil sie Sinnbezüge herstellen, die auch
für den Handelnden wesentlich sind.
Geht man von diesem Gedanken aus, liegt es eigentlich nahe, das Nichtge-
gebensein von rechtfertigenden Umständen in die Definition der tatbestand-
lichen Handlungsart aufzunehmen. Für den Handelnden ist es ein wesentli-
cher Unterschied, ob er jemanden verletzt, nachdem dieser ihn angegriffen
hat oder ob er ihn verletzt, ohne dass derartige Umstände gegeben sind.
2. Eine einfache Antwort auf diese Fragestellung wäre, dass das Fehlen
von rechtfertigenden Umständen von den Verboten tatbestandlicher Handlun-
gen gar nicht in Bezug genommen wird. Das ist die Antwort der finalen
Handlungslehre. Ihr Gegner war insoweit die Lehre von den negativen Tat-
bestandsmerkmalen.129

Vgl. Gallas (1955) S. 22 f., 27 f.


128
Der Begriff der negativen Tatbestandsmerkmale geht zurück auf Merkel (1889)
129
S. 82. Dogmengeschichtliche Darstellung bei Hirsch (1960) S. 14–219.
III. Der kausale, objektive Handlungsbegriff61

Von „negativen Tatbestandsmerkmalen“ kann man nur reden, sofern man


den Begriff des Tatbestands als Inbegriff der Unrechtsvoraussetzungen auf-
fasst („Gesamtunrechtstatbestand“).130 Im Tatbestand des Strafgesetzes, also
der Sanktionsnorm, ist das Fehlen von Rechtfertigungsgründen kein negati-
ves Merkmal. Die Nichtrechtfertigung ist vielmehr in der allgemeinen De-
liktsvoraussetzung der Rechtswidrigkeit inbegriffen, und diese Voraussetzung
ist ihrerseits unabdingbar. Demnach lautet eine Sanktionsnorm etwa: „Wer
rechtswidrig und schuldhaft tötet, soll bestraft werden.“
In der Verhaltensnorm erscheint das Fehlen rechtfertigender Umstände
demgegenüber als negative Bedingung. Wenn das Gesetz bestimmt, dass eine
Tat in Notwehr oder Notstand nicht rechtswidrig ist (§ 32, 34 StGB), kann
sie nicht verboten sein. Verboten ist eine tatbestandliche Handlung nur, wenn
kein Rechtfertigungsgrund vorliegt.
3. Im Gegensatz zur Lehre von den negativen Tatbestandsmerkmalen kon-
zipierten die Anhänger der finalen Handlungslehre Verbot und verbotsbezo-
gene Erlaubnis als zwei voneinander unabhängige Normen; der Inhalt der
Erlaubnis wird nicht in das Verbot hineingelesen. Die gerechtfertigte Hand-
lung widerspricht demnach zwar dem Verbot, aber weil die Erlaubnis ein-
greift, ist sie nicht pflicht- und deshalb nicht rechtswidrig.131 Das Verbot der
tatbestandlichen Handlung wird somit als ein unbedingtes (ausnahmsloses)
konzipiert.
Nach dem hier zugrunde gelegten Zurechnungskonzept kann es eine
Norm- ohne Pflichtwidrigkeit allerdings nicht geben: Eine Handlung wider-
spricht nur dann einer generellen Norm, wenn sie einer konkreten Norm
(„Pflicht“) widerspricht, die aus der generellen Norm abgeleitet ist.132
Ein weiteres Modell, welches die Erlaubnisbedingungen nicht in den Ver-
botsinhalt aufnimmt, ist das Rechtfertigungskonzept, das Gardner in An-
schluss an Raz entwickelt hat: Ist eine Handlung gerechtfertigt, liefere das
Verbot, das als unbedingtes gedacht wird, immer noch einen Grund, der ge-
gen sie spricht. Es verliere nur seine Wirkung, gegenläufige Gründe auszu-
schließen, und wird deshalb von dem Grund, der hinter der Erlaubnis steht,
gleichsam übertrumpft.133
Ein Verbot ist (aus der Sicht eines Erwartenden) aber nur dann korrekt in
die Sprache der Handlungsgründe übersetzt, wenn es als Grund bezeichnet

130 Puppe (1993) S. 188. Vgl. schon B.III.2.b).


131 Armin Kaufmann (1954) S. 249 f., Hirsch (1960) S. 276 f., Welzel (1969)
S. 50 f., 80 ff., Paeffgen / Zabel NK-StGB (2017) Vor §§ 32 ff. Rn. 8.
132 Siehe C.V.1.b).
133 Gardner (2007) S. 95 ff., 146 ff., hierzu Grosse-Wilde (2011) S. 83 ff., Paeff­
gen / Zabel NK-StGB (2017) Vor 32 ff. Rn. 8a f.
62 B. Handlung und normative Zurechnung

wird, der alle anderen Gründe ausschließt bzw. herabstuft. Ein Grund, der
Gegengründe zulässt, ist – in die Sprache der Normen zurückübersetzt – kein
Verbot, sondern nur eine relativierbare Bewertung, die im Einzelfall zurück-
treten kann.
4. Die normentheoretische These der Lehre von den negativen Tatbe-
standsmerkmalen ist zutreffend: Das Verbot einer Handlungsart und die kor-
respondierenden Erlaubnisse derselben Handlungsart ergänzen einander:
Dass eine Handlung nur erlaubt ist, wenn bestimmte Bedingungen vorlie-
gen (alternativ Notwehr oder Notstand oder andere Rechtfertigungsgründe),
heißt nichts anderes, als dass sie verboten ist, wenn diese Bedingungen nicht
vorliegen. Eine bedingte, abschließende „nur-wenn“-Erlaubnis ist mit dem
korrespondierenden bedingten „wenn-nicht“-Verbot gleichbedeutend. Diese
Erlaubnis ist lediglich ein negativ ausgedrücktes Verbot. Die Negation der
norminhaltlichen Bedingung und die Negation des Normoperators sind
gleichwertig und können gegeneinander ausgetauscht werden. Ist es nur bei
Grün erlaubt (= nicht verboten), über eine Ampel zu fahren, ist es verboten
zu fahren, wenn die Ampel nicht grün anzeigt (entsprechend umgekehrt,
wenn man Verbot und Erlaubnis auf die rote Ampel bezieht).
Die Erlaubnissätze, die den einzelnen Rechtfertigungsgründen wie Not-
stand und Notwehr zugrunde liegen, sind allerdings nicht im Sinn eines „nur
wenn“ abschließend bedingt. Sie sind lediglich durch ein „jedenfalls wenn“
bedingt. Sie verwenden somit die logische Relation der Implikation, während
die abschließende Erlaubnis eine Replikation ausdrückt. Verneint man die
Voraussetzungen einer solchen nicht abschließenden Erlaubnis, heißt das
nicht, dass die Handlung verboten ist. Es kann immer noch eine andere Er-
laubnis eingreifen. Wenn man Notwehr verneint, kann noch Notstand gege-
ben sein. Beachtet man aber sämtliche Erlaubnissätze, die sich auf eine
Handlung beziehen, und ist diese Handlung nicht von ihnen gedeckt, lässt
sich ein sicherer Rückschluss darauf ziehen, dass die Handlung verboten ist.
5. Das Verbot der tatbestandlichen Handlung ist somit dadurch bedingt,
dass die Voraussetzungen der Rechtfertigungsgründe nicht vorliegen. Des-
halb wäre es prinzipiell möglich, jene negative Kennzeichnung der Hand-
lungssituation zugleich als Merkmal des Begriffs der verbotsgegenständli-
chen bzw. tatbestandlichen Handlungsart aufzufassen. Die normentheoreti-
sche These der Lehre von den negativen Tatbestandsmerkmalen zwingt aber
nicht zu einer bestimmten Konzeption der tatbestandlichen bzw. normgegen-
ständlichen Handlungsart.
Es ist zunächst durchaus möglich, dass eine tatbestandliche Handlung
durch negative Merkmale charakterisiert ist. Ein Beispiel hierfür ist das straf-
bewehrte Verbot, ohne Fahrerlaubnis Auto zu fahren (§ 21 Abs. 1 Nr. 1
StVG). Die negative Verbotsbedingung ist ein Merkmal des Begriffs der
III. Der kausale, objektive Handlungsbegriff63

entsprechenden tatbestandlichen Handlung („ohne Fahrerlaubnis fahren“).


Indessen ist das Haben einer Fahrerlaubnis kein Rechtfertigungsgrund für
das Autofahren. Vielmehr weist das negative Handlungsmerkmal darauf hin,
dass das Gegenteil erwartet wird (dass man eine Fahrerlaubnis hat, falls man
fährt). Das Nichthaben einer Fahrerlaubnis gleicht einer in der Handlung des
Fahrens implizierten Unterlassung. Ähnliches gilt für Rechtfertigungsgründe
nicht: Wenn man eine Straftat begeht, unterlässt man nicht, gerechtfertigt zu
handeln.
6. Die Rechtfertigungsmerkmale unterscheiden sich grundlegend von
sonstigen negativen Verbotsmerkmalen. Der Unterschied ist teleologischer
Art. Er besteht darin, dass die Rechtfertigung dem Verbotszweck wider-
spricht.
Von der Zwecksetzung des Verbots bzw. der ihm zugrunde liegenden Wer-
tung her gesehen, ist die Rechtfertigungsausnahme nicht erklärbar. Das Ver-
bot bezweckt gerade, Handlungen und Erfolge dieser Art zu vermeiden. Re-
lativ zu dieser Zwecksetzung ist die gerechtfertigte Handlung negativ bewer-
tet.
Dieser Wertaspekt wird aber von einem anderen verdrängt, der für die
gerechtfertigte Handlung spricht: Sie dient einem positiv bewerteten Zweck.
Zwar widerspricht sie einer rechtlich anerkannten Wertung; das Recht räumt
aber einem anderen Wertgesichtspunkt den Vorrang ein – zum Beispiel dem,
eine Rechtsverletzung oder einen Schaden an einem Erhaltungsgut zu verhin-
dern.
Demgegenüber erklärt sich im Beispiel des Fahrens ohne Fahrerlaubnis
die negative Verbotsbedingung aus der Teleologie des Verbots selbst: Der
Grund des Verbots ist unter anderem sicherzustellen, dass nur geeignete Fah-
rer am Straßenverkehr teilnehmen. Fährt man mit Fahrerlaubnis, gilt man als
geeignet.
Die Regeln zur Rechtfertigung sind somit zwar Bestandteil des Verbots,
aber teleologisch gesehen verbotsfremd. Sie lösen einen Widerspruch im
Einzelfall kollidierender Bewertungen auf.134 Hierin, nicht in ihrem vom
Verbot aus gesehen negativen Charakter, liegt der Grund, warum das Fehlen
von Rechtfertigungsvoraussetzungen nicht als Merkmal der verbotsgegen-
ständlichen bzw. tatbestandlichen Handlungsart zu konzipieren ist.
In dieser Frage wird die Differenz zwischen dem unrechts- und handlungs-
bezogenen Tatbestandsbegriff am deutlichsten greifbar. Weil das strafrechtli-
che Verbot das Fehlen von Rechtfertigungsvoraussetzungen in Bezug nehmen
muss, enthält auch der Unrechtstatbestand die Bezugnahme hierauf. Dass

134 Vgl. auch Schmidthäuser (1969) S. 440, 450 ff.


64 B. Handlung und normative Zurechnung

man gleichwohl die Rechtfertigung vom Unrechtstatbestand absondert, ist


aus dieser Sicht pragmatisch sinnvoll, aber begrifflich nicht maßgeblich.
Aus der Sicht des handlungsbezogenen Tatbestandsbegriffs, nach welchem
der Tatbestand die verbotsgegenständliche Handlungsart beschreibt, ist das
Fehlen von Rechtfertigungsvoraussetzungen hingegen eine Frage der Rechts-
widrigkeit, nicht des Tatbestands. Die Differenzierung der Prüfungsstufen
Tatbestand und Rechtswidrigkeit ist aus dieser Sicht systematisch begründet.
Der Streit um den zwei- oder dreistufigen Verbrechensaufbau dürfte somit
in der unzureichenden Differenzierung beider Tatbestandsbegriffe begründet
sein.
7. Die Voraussetzung, dass rechtfertigende Umstände nicht gegeben sind,
gehört somit zwar zum Unrechtstatbestand, aber aufgrund der Teleologie des
Verbots nicht zum „Handlungstatbestand.“ Da Beling die Rechtfertigungs-
gründe der Rechtswidrigkeitsstufe zuweist, geht er von einem Verständnis
des Tatbestandsbegriffs als Handlungstatbestand aus. Im Tatbestand wird der
Verbrechenstypus festgelegt.135 Das geschieht dadurch, dass der tatbestandli-
che Handlungstypus, d. h. die tatbestandliche Handlungsart beschrieben wird.
Beling hat sich auch gegen die Konzeption der Rechtfertigungsgründe als
negativer „Tatbestandsmerkmale“ ausgesprochen, was unter der Prämisse
einer handlungsbezogenen Konzeption des „Tatbestands“ konsequent ist.136
Aus dieser handlungsbezogenen Sicht der Tatbestandlichkeit ist das singu-
läre Urteil über die Tatbestandlichkeit einer Handlung deshalb durchaus als
„wertfrei“ in dem Sinn zu bezeichnen, dass es ein Unwerturteil weder enthält
noch notwendig zur Folge hat. Mit ihm ist eine notwendige, aber keine hin-
reichende Bedingung für das Urteil gegeben, dass die tatbestandliche Hand-
lung Unrecht ist.
Das wurde in der späteren Kritik an Belings Konzept verkannt. So hat sich
Mezger gegen die These von der „Wertfreiheit“ des Tatbestands folgender-
maßen geäußert:
„Der Akt der gesetzgeberischen Tatbestandsschöpfung […] enthält unmittelbar die
Rechtswidrigkeitserklärung, die Unrechtsbegründung als speziell typisiertes Un-
recht. Der Gesetzgeber schafft durch die Formulierung des Tatbestandes die spezi-
fische Rechtswidrigkeit: die Tatbestandsmäßigkeit der Handlung ist mitnichten
bloße ratio cognoscendi, sondern echte ratio essendi der (speziellen) Rechtswidrig-
keit.137 Sie macht die Handlung zur rechtswidrigen Handlung, freilich nicht für

Beling (1906) S. 21 ff., 110 f.


135
Beling (1906) S. 37 ff., 148 f., 166.
136
137 Mezger bezieht sich auf die These M. E. Mayers (1915) S. 10, 51 f., 184, der
genau umgekehrt den Tatbestand als Erkenntnisgrund (Indiz) der Rechtswidrigkeit
ausgewiesen hat. Diese Unterscheidung ist unpassend, da sie sich auf Ursache-Wir-
III. Der kausale, objektive Handlungsbegriff65

sich allein, sondern nur in Verbindung mit dem Fehlen besonderer Unrechtsaus-
schließungsgründe. […] Der Tatbestand ist das Urteil darüber, dass die ihm unter-
fallende Handlung bis auf weiteres Unrecht ist.“138
Dass eine Handlung von tatbestandlicher Art bis auf weiteres oder prima
facie Unrecht ist, heißt aber, dass sie noch kein Unrecht ist. Die Informatio-
nen, die beim Handlungstatbestand in Betracht gezogen werden, genügen
nicht, um ein Unrechtsurteil zu begründen. Immerhin kann man feststellen,
dass eine Handlung von einer Art vorliegt, die der Gesetzgeber generell
missbilligt. Für die einzelne Handlung drückt das aber gerade keine Missbil-
ligung aus. Es ist nur eine generelle, nicht auf die Einzelhandlung bezogene
Bewertung, wie sie eben auch im „Akt der gesetzgeberischen Tatbestands-
schöpfung“ zum Ausdruck kommt.
8. Wenn man nicht vom Handlungs-, sondern vom Unrechtstatbestand
ausgeht, ermöglicht das Tatbestandsurteil hingegen, ohne weitere Tatsachen-
feststellungen das Unrechtsurteil zu fällen. Wenn alle tatsächlichen Voraus-
setzungen des Unrechtsurteils feststehen, kann in einem nächsten Schritt auf
die Rechtswidrigkeit geschlossen werden.
Gleichwohl sind beide Urteile zu unterscheiden. Das singuläre Urteil über
die Tatbestandlichkeit allein ist bloß deskriptiv. Der Schluss auf das Rechts-
widrigkeitsurteil ergibt sich erst in Verbindung mit der generellen normativen
Prämisse, dass jede Verwirklichung des „Unrechtstatbestands“ rechtswidrig
ist.139
Da der Begriff der Tatbestandlichkeit nicht durch den Begriff der Rechts-
widrigkeit, sondern nur als Inbegriff der tatsächlichen Voraussetzungen der
Rechtswidrigkeit definiert wird, impliziert die Tatbestandlichkeit begrifflich
nicht die Rechtswidrigkeit. Das Tatbestandsurteil ist deshalb nicht gleichbe-
deutend mit dem Rechtswidrigkeitsurteil, so dass, auch wenn man den Be-
griff des Gesamtunrechtstatbestands zugrunde legt, als Voraussetzungen des
Verbrechens Tatbestandlichkeit und Rechtswidrigkeit zu nennen sind.

kungs-Relationen bezieht. Man könnte indes die Tatbestandsmäßigkeit im logischen


Sinne als notwendige Bedingung der speziellen Rechtswidrigkeit (des Verstoßes ge-
gen das Verbot der tatbestandlichen Handlung) bezeichnen. Dann wäre der Streit zu
übersetzen in die Frage, ob sie nur notwendige oder auch schon hinreichende Bedin-
gung ist.
138 Mezger (1926) S. 195, auch S. 190 f. Differenzierter ders. (1953) S. 3.
139 Siehe oben, B.III.2.d).
66 B. Handlung und normative Zurechnung

3. Die Handlung als willkürliche Körperbewegung

a) Die Definition der Handlung als willkürliche Körperbewegung

Für Beling begründet die These von der logischen Gleichordnung der De-
liktsmerkmale Tatbestandlichkeit, Rechts­widrigkeit und Schuld die Gleich-
rangigkeit der entsprechenden Prüfungsstufen. Auf die gleiche Stufe mit
diesen Attributen wollte Beling nun auch die Handlung selbst stellen und sie
als eigenständigen, gleichgeordneten Prüfungspunkt etablieren. Zuerst sei
festzustellen, dass eine Handlung, dann, dass eine tatbestandliche Handlung
gegeben ist:
„Es ist ja doch unbestreitbar, dass es Handlungen gibt, die einen strafrechtlich rele-
vanten Tatbestand ausmachen – strafrechtlich charakterisierte Handlungen –, und
solche, die das nicht tun. Folglich rührt die Feststellung, dass eine ‚Handlung‘
vorliege, noch gar nicht an die Eigenschaften der Handlung. Noch bevor man die
Frage aufwirft, ob die Tat ein ‚Diebstahl‘, ein ‚Mord‘ usw. sei, mit anderen Worten
bevor man ihre Bedeutung prüft, ist die Frage selbständig zu erledigen, ob über­
haupt eine ‚Handlung‘ vorliege.“140
Eine Abstufung von Gattungs- und Artmerkmalen ist ohne weiteres mög-
lich. Zum Beispiel kann man, wenn man prüft, ob ein Einzelding eine Platane
ist, zunächst darlegen, dass es ein Baum ist, weil es eine Pflanze mit Blättern
und Stamm ist und anschließend, dass es eine Platane ist, weil die Blätter
eine dreizackige, ahornblattähnliche Form haben und sich die Rinde in Plat-
ten ablöst.
Die vom kausalen Handlungsbegriff ausgehende Prüfung, ob eine Täu-
schungshandlung vorliegt, kann dementsprechend aufgeteilt werden. Zuerst
wäre darzulegen, dass eine willkürliche Körperbewegung gegeben ist, weil
der Täter einem anderen etwas gesagt hat. Anschließend wäre darzulegen,
dass die Körperbewegung objektiv den Sinn einer Täuschung hat. Die Prü-
fung einer Schädigungshandlung müsste abstrakt, ohne Rücksicht auf die
Handlungsart, aufzeigen, dass überhaupt eine Veränderung vorliegt – etwa
weil der Getäuschte dem Täuschenden Geld gegeben hat –, um bei der Prü-
fung der Handlungsart festzustellen, ob ein Vermögensschaden gegeben ist.
Diese Aufspaltung der Prüfung in allgemeine und besondere Handlungs-
merkmale ist aber überflüssig, weil man sich auf beiden Prüfungsstationen
auf dasselbe Geschehen bezieht.
Diese Doppelung kann Beling vermeiden, indem er die Merkmale des
kausalen Handlungsbegriffs noch weiter reduziert. Er lässt den Erfolg unbe-
rücksichtigt und definiert die Handlung allein durch das Merkmal der will-

140 Beling (1906) S. 13.


III. Der kausale, objektive Handlungsbegriff67

kürlichen Körperbewegung.141 Ein von der Körperbewegung verschiedener


Erfolg könne nicht ein Merkmal des Oberbegriffs der kausalen Handlung
sein, da es Delikte und somit Handlungen gebe, die einen solchen Erfolg
nicht voraussetzen.142 Die Verursachung des Erfolgs sei gegebenenfalls erst
ein Merkmal der besonderen tatbestandlichen Handlungsbegriffe, nicht des
abstrakten Oberbegriffs.

b) Die Handlung als vortatbestandliche Prüfungsstufe

Indem man die Handlung nur als Körperbewegung definiert, kann man
somit vermeiden, in einer vortatbestandlichen Prüfung der Handlung Merk-
male der tatbestandlichen Handlung vorwegzunehmen.
Ungeachtet dessen ist diese Prüfung überflüssig.143 Handlungen gibt es
ebenso wie etwa Bäume nur in besonderen Arten. Wie Honig bemerkt hat,
kann man „nicht schlechthin, sondern nur etwas unterlassen“ und „nicht
schlechthin, sondern nur etwas tun.“ Das dürfe man „beim Gebrauch des
Gattungsbegriffs Handlung, der als letzte Abstraktion keine Objektsbezie-
hung mehr aufweist, [nicht] vergessen.“144 Die für die strafrechtliche Prüfung
in erster Linie relevante Handlungsart ist dabei die tatbestandliche Hand-
lungsart. Der Begriff einer tatbestandlichen Handlungsart muss dabei alle
Merkmale des abstrakten Handlungsbegriffs aufweisen. Der kausalen Lehre
zufolge gehört dazu auch das Merkmal der willkürlichen Körperbewegung.
Dieses steht gleichrangig neben seinen übrigen Merkmalen, z. B. dem Eintritt
eines Erfolgs. Die Abgrenzungsfunktion, etwa zu Reflexen oder Bewegungen
im Schlaf, erfüllt deshalb jeder Handlungsbegriff, da er – als Ober- oder
Unterbegriff – Handlungen von Nichthandlungen abgrenzt. Das ist also kein
besonderer Vorteil des Begriffs der willkürlichen Körperbewegung.
Die vortatbestandliche Prüfung der willkürlichen Körperbewegung legt
schließlich eine fehlerhafte Identifikation des Prüfungsgegenstands nahe.
Wenn man eine willkürliche Körperbewegung beschreibt, bezeichnet man
bereits eine besondere Handlungsart – eine „Körperbewegungshandlung“.
Wenn jemand einen anderen erschießt, ist das „Krümmen des Fingers am
Abzug der Pistole“ bereits für sich eine Handlung – jedoch nicht der tatbe-
standlichen Art „töten“.

141 Beling (1906) S. 10 ff., 14, 17, 28.


142 Beling (1906) S. 204 ff.
143 Für eine solche Prüfung Walter (2006) S. 25 f.; häufig in den Lehrbüchern,
etwa Kühl (2012) § 2 Rn. 3; Wessels / Beulke / Satzger (2017) § 23 Rn. 1201. Zutref-
fend demgegenüber Welzel (1969) S. 41 f., Otter (1973) S. 171.
144 Honig (1930) S. 197, ebenso Gallas (1955) S. 13 f.
68 B. Handlung und normative Zurechnung

Die Vorstellung, dass die strafrechtlich relevante Handlung in erster Linie


eine bestimmte Körperbewegung sei, kann auch zu der bereits erörterten
These beitragen, dass die Handlung nur ein Tatbestandsmerkmal neben vie-
len anderen sei – insbesondere dem Erfolg.145
Wenn das Delikt somit als tatbestandliche, rechtswidrige und schuldhafte
Handlung definiert wird, bezeichnet die Tatbestandlichkeit die relevante
Handlungsart, auf welche die Prädikate Rechtswidrigkeit und Schuld­
haftigkeit erst bezogen werden.146 Da der Begriff der tatbestandlichen Hand-
lung („Tat“) ein Unterbegriff des Begriffs der Handlung ist, steht das De-
liktsmerkmal „Handlung“ nicht auf derselben logischen Stufe wie das der
Tatbestandlichkeit, sondern ist in jenem impliziert. In einem Mengendia-
gramm umschließt der Kreis „Handlung“ den der „Tat.“

c) Der inhaltlich unbestimmte Begriff


des Körperverhaltens (Handelns)

Beling zielte mit dem Begriff des willkürlichen Körperverhaltens darauf,


dass man feststellen kann, dass jemand gehandelt hat, ohne Art und Zahl der
Handlungen genauer zu benennen:
„Abstrahiert man solchergestalt von der Bedeutung des Handelns, so schrumpft die
Feststellung, jemand habe ‚gehandelt‘, […] zu der einfachen Feststellung zusam-
men, dass er irgend eine [willkürliche] Körperbewegung oder Nichtbewegung
vorgenommen habe.“147
Für das willkürliche Körperverhalten in diesem Sinn kann man aber nicht
den Begriff der Handlung setzen, denn die Behauptungen, jemand habe ge-
nau eine, ihrer Art nach bestimmte Handlung vorgenommen und er habe
gehandelt, unterscheiden sich voneinander: Der Begriff der Handlung be-
zeichnet eine abgrenzbare Einheit, der des Handelns hingegen einen kontinu-
ierlichen Vorgang, der nur durch Schlaf, Bewusstlosigkeit oder Ähnliches
unterbrochen wird. Die Beobachtung einer einzigen Bewegung oder eines
Moments willkürlichen Ruhens genügt bereits um festzustellen, dass ein
Handelnder gehandelt hat. Durch das Kriterium der Willkürlichkeit wird be-
stimmt, welcher Aspekt eines momentanen Körperverhaltens zum Handeln
gehört und welcher nicht, z. B. nicht eine durch zwingende Gewalt oder ei-
nen Reflex hervorgerufene Bewegung.
Das Handeln kann beschrieben werden als ständige Wahrnehmung und
Nichtwahrnehmung von Möglichkeiten des Handelns und somit als Entschei-

145 Vgl. hierzu bereits B.III.2.b).


146 Ebenso Radbruch (1930) S. 162, Fn. 2.
147 Beling (1906) S. 14.
III. Der kausale, objektive Handlungsbegriff69

den. Das kommt im Merkmal der Willkürlichkeit zum Ausdruck. Der Vollzug
eines Handelns bedeutet dabei immer auch ein Unterlassen jedes alternativ
möglichen Handelns, da andere Möglichkeiten im Merkmal der Willkürlich-
keit begrifflich vorausgesetzt sind. Handeln und Unterlassen sind deshalb,
sofern inhaltlich nicht näher spezifiziert, nahezu bedeutungsgleich. Die Be-
obachtung eines Handelns verweist auf ein bestimmtes Körperverhalten, die
eines Unterlassens letztlich auf dasselbe Verhalten. Denn das Unterlassen
wird nur negativ bestimmt als Unterlassen jedes anderen möglichen Körper-
verhaltens als des im Moment der Beobachtung stattfindenden.
Die Begriffe des Handelns bzw. Unterlassens sind, was die Art des Han-
delns angeht, inhaltlich ganz unbestimmt. Wenn festgestellt wird, dass je-
mand handelt, kann man daraus schließen, dass mindestens eine Handlung
gegeben ist; welche und wie viele darüber hinaus, bleibt unbestimmt. Diese
eine Handlung ist eine beschreibbare Einheit des Körperverhaltens. Sobald
man jenes beschreibt, muss man diese Handlung benennen, z. B.: „A bewegt
einen Finger.“ Aus der Feststellung, jemand habe gehandelt, kann somit nur
erschlossen werden, dass eine bestimmbare „Körperbewegungshandlung“
vorliegen muss; alle anderen Arten von Handlungen, etwa durch den Eintritt
bestimmter Erfolge definierte Arten, können durch die Beobachtung bloß des
Handelns nicht identifiziert und beschrieben werden.
Für das Strafrecht hat dieser inhaltlich unbestimmte Begriff des Handelns
deshalb keine Bedeutung. Weil nach der kausalen Lehre die tatbestandliche
Handlung eine willkürliche Körperbewegung voraussetzt, muss diese auf der
Tatbestandsstufe geprüft werden. Da man sie aber immer benennen und so-
mit abgrenzen muss, geht man über den inhaltlich unbestimmten Begriff des
Handelns sofort hinaus.

d) Die Identifikation der Handlung mit dem Körperverhalten

1. Ein wesentliches Charakteristikum des kausalen Handlungsbegriffs ist


die gegenständliche Identifikation der Handlung mit physischen Ereignissen.
Definiert man wie v. Liszt die Handlung als willkürliche Körperbewegung in
kausaler Beziehung zum Erfolg, stellt man sich die Handlung gegenständlich
als ein Ganzes vor, das aus mehreren Teilen zusammengesetzt ist; der Erfolg
ist ebenso wie die Körperbewegung ein Teil der Handlung.
Wenn man demgegenüber mit Beling die Handlung als Körperbewegung
definiert, identifiziert man sie allein mit dieser. Dass die Körperbewegung
einen Erfolg verursacht, erscheint dann wie eine Eigenschaft der Körperbe-
wegung. Die Tötungshandlung ist demnach eine willkürliche Körperbewe-
gung, die den Tod eines anderen verursacht (spezifische Differenz). Alle
Begriffe besonderer Handlungsarten haben demnach ein Körperverhalten als
70 B. Handlung und normative Zurechnung

Referenzobjekt. Dasselbe „willkürliche Körperverhalten“ ist gegebenenfalls


zugleich eine Körperbewegungshandlung (z. B. als eine Handlung der Art
„krümmen des Fingers am Abzug einer Pistole“), eine Handlung, die einen
Zwischenerfolg voraussetzt („schießen auf einen anderen“), und eine erfolgs-
definierte Handlung („töten“).
2. Diese Identifikation macht es schwierig zu verstehen, dass Handlungen
wie das „Töten“ und „Schießen“ und „Fingerkrümmen“ voneinander ver-
schieden sind, obgleich sie auf derselben Körperbewegung beruhen, so im
Beispiel auf einer Bewegung des Fingers. Man müsste demnach eher von
einer einzigen Handlung ausgehen, die verschiedene akzidentielle Eigen-
schaften hat, das heißt solche, die für sie als Handlung begrifflich nicht not-
wendig sind.
So sieht es in der Tat etwa Davidson. Für ihn sind die elementaren Körper-
bewegungen „die einzigen Handlungen, die es gibt.“148 Alle anderen Begriffe
beschreiben sie nur auf andere Weise, bezeichnen aber nicht andersartige und
eigenständige Handlungen.149 Vergleichbar wäre demnach der Fall, dass ver-
schiedene Beobachter eine Person charakterisieren und der eine diese Eigen-
schaft hervorhebt, der andere jene, etwa die Eigenschaft, Musikliebhaber zu
sein, oder die Eigenschaft, Wissenschaftler zu sein. Bezugsgegenstand der
Urteile ist immer dieselbe Person; die unterschiedlichen Beschreibungen
konstituieren nicht verschiedene Personen.
So verhält es sich aber mit Handlungen nicht. Keine der Beschreibungen
ist gegenüber anderen Beschreibungen privilegiert. Warum sollte allein die
Körperbewegung, die nicht sinnvoll zerlegbar ist, die „wirkliche“ Handlung
sein? Auch sie ist Handlung nicht von Natur aus, sondern nur unter einer
Beschreibung als Körperbewegung dieser oder jener Art. Verschiedene Be-
schreibungen derselben Person berühren nicht ihre Identität, sondern setzen
sie voraus; unterschiedliche Handlungsbeschreibungen konstituieren aber
andere Identitäten, sofern die Handlungsbegriffe nicht denselben Bedeu-
tungskern haben, also nicht synonym verwendet werden können.
3. Eine Handlungsdefinition, welche die Handlung gegenständlich mit ei-
nem Körperverhalten identifiziert, kann, wie Radbruch gezeigt hat, die Un-
terlassung nicht erfassen. Der kurioseste Zug von Belings Handlungsauffas-
sung liegt nun darin, dass er diese Auffassung nicht teilte.
Zum einen verstand er unter einer „absoluten Unterlassung“ die vollkom-
mene Körperruhe, die Unterlassung jeder Bewegung. So meinte er zu bewei-
sen, dass diese Unterlassung Körperverhalten und deshalb Handlung sei.150

148 Davidson (1971) S. 96.


149 Davidson (1971) S. 94, 98. Zu Anscombe vgl. B.III.4.c)2.
150 Beling (1906) S. 14 f.
III. Der kausale, objektive Handlungsbegriff71

Nun ist die absolute, willkürliche Körperruhe zweifellos eine Handlung, aber
so wie jede andere Handlung auch ist sie nicht zugleich eine Unterlassung,
sondern geht mit dem Unterlassen möglicher anderer Handlungen nur einher.
Zum anderen verweist Beling darauf, dass in einer Handlung (etwa: dem
Strümpfestricken der Mutter) eine Unterlassung liegen könne (etwa: dem
Kind Nahrung zu verabreichen).151 Zutreffend daran ist, dass die Unterlas-
sung voraussetzt, dass der Unterlassende irgendwie handelt. Identifiziert man
die Unterlassung aber mit einer der Handlungen bzw. einem Körperverhalten,
in welchem die Unterlassung liegt, definiert man die Unterlassung gar nicht
bzw. begründet einen Zirkel: Die „Unterlassung einer Handlung“ ist ein Kör-
perverhalten (z. B. das Strümpfestricken), in welchem die „Unterlassung ei-
ner Handlung“ (der Ernährung des Kindes) und somit (da die Unterlassung
ein Körperverhalten ist, in welchem eine Unterlassung liegt) ein Körperver-
halten liegt, in welchem die Unterlassung einer Handlung liegt …
Stattdessen ist die Unterlassung als Nichtvornahme einer möglichen Hand-
lung zu definieren. In der Voraussetzung der Handlungsmöglichkeit wird
dabei implizit auf ein Körperverhalten Bezug genommen, von welchem aus-
gehend ein anderes möglich gewesen wäre.

e) Das Problem der Nichtbestimmbarkeit einzelner Handlungen

Definiert man die Handlung als willkürliches Körperverhalten, kann man


bei Beobachtung eines Körperverhaltens nur erschließen, dass eine oder
mehrere Körperbewegungshandlungen vorliegen, nicht aber, ob etwa eine
Täuschungs- oder Wegnahmehandlung o. ä. gegeben ist, weil man hierzu
andere Umstände als nur das Körperverhalten berücksichtigen müsste. Des-
halb ermöglicht es diese Begriffsbildung nicht, sozusagen in der Vertikalen
verschiedene Handlungen zu unterscheiden, die auf ein und derselben Kör-
perbewegung aufbauen können.
Doch auch in der Horizontalen, dem andauernden Handeln, kann anhand
der gegebenen Definition als Körperbewegung nicht ausgemacht werden,
wie Einheiten konstituiert werden, die als einzelne Handlungen auszuweisen
sind. Diese Aufgabe kommt erst den Begriffen einzelner Handlungsarten zu.
Hierin liegt ein großes Manko der kausalen Handlungslehre: Die Defini-
tion eines Begriffs sollte den Begriffsanwender in die Lage versetzen, die
durch den Begriff bezeichneten Gegenstände zu erkennen. Das gilt auch für
die Definition eines Gattungsbegriffs, da er lediglich die Frage der Artzuge-
hörigkeit offen lassen kann. So muss eine gute Definition des Begriffs Baum
ermöglichen festzustellen, ob es sich bei einem Einzelding um einen Baum

151 Beling (1906) S. 15.


72 B. Handlung und normative Zurechnung

handelt. Hierzu muss man nicht wissen, um welche Art Baum es sich han-
delt. Auch der allgemeine Begriff der Handlung sollte die Identifikation ein-
zelner Handlungen ermöglichen. Er muss Merkmale enthalten oder auf Kri-
terien verweisen, die es ermöglichen, eine einzelne Handlung zu bestimmen.
Dieser Mangel des kausalen Handlungsbegriffs wird durch die Methode
begründet, die Definition durch bloße Reduktion und nicht durch Abstraktion
von Begriffsmerkmalen einzelner Handlungsbegriffe zu entwickeln. Während
die reduktionistische Begriffsbildung einfach Merkmale weglässt, sucht die
abstrahierende die Gemeinsamkeit von Merkmalen verschiedener Artbegriffe
(bzw. von Eigenschaften der bezeichneten Gegenstände). Wenn das gelingt,
können auch die Merkmale der Artbegriffe auf entsprechende Merkmale des
Gattungsbegriffs bezogen bzw. aus ihnen entwickelt werden.152 So beziehen
sich die Merkmale des Begriffs der Platane auf die Merkmale des Begriffs
Baum, werden aber durch zusätzliche Eigenschaften ergänzt (Form des
Stamms, der Blätter etc.). Dass ein tatbestandlicher Handlungsbegriff wie
„töten“ durch die Verursachung eines Erfolgs oder der Begriff der „Täu-
schung“ durch Sinnaspekte definiert wird, hat demgegenüber keine Entspre-
chung in einem Merkmal eines Handlungsbegriffs, der nur durch die Körper-
bewegung definiert wird. Die Begriffe der Arten von Handlungen werden
vielmehr nach der Art eines Baukastensystems durch bloßes Hinzufügen von
Merkmalen gebildet.
Die Bemühung um eine Definition eines Begriffs kommt, wenn der Ge-
genstand komplex ist, nicht umhin, eine Theorie des Gegenstands zu entwi-
ckeln. Es würde verwundern, wenn sich ausgerechnet die Handlung mit einer
reduktionistischen und extrem einfachen Definition erfassen ließe. Es ist
keineswegs überholt, wenn in der Logik von Port-Royal für die Definition
gefordert wird:
„Eine Definition muss klar sein, das heißt, sie muss uns dazu dienen, eine klarere
und deutlichere Idee des definierten Dinges zu erhalten, und sie muss uns soweit
als möglich seine Natur erkennen lassen: so dass sie uns dazu verhilft, die haupt-
sächlichen Eigenschaften des Dinges auf ihren Grund zurückzuführen.“153

4. Erfolgsdefinierte Handlungsarten

Bei Delikten, die einen Erfolg voraussetzen, ist dieser sowohl für die kau-
sale als auch die finale Handlungslehre ein Merkmal der tatbestandlichen
und somit verbotsgegenständlichen Handlungsart. Die Handlung und daher
auch der Verstoß gegen das Verbot dieser Handlung setzen demnach voraus,
dass der Handlungserfolg eintritt.

152 Vgl. Cassirer (1910) S. 27 ff.


153 Arnauld / Nicole (2005) S. 159.
III. Der kausale, objektive Handlungsbegriff73

Beide Handlungslehren nehmen an, dass der Erfolg durch den Handelnden
verursacht sein müsse. Für sie ist die Handlung ein Kausalprozess aus Wille,
Körperverhalten und Erfolg. Das ist eine naturalistische Sichtweise, die dem
hier zu entwickelnden Zurechnungskonzept entgegengesetzt ist. Sie zemen-
tiert für das Strafrecht, was man als „Kausaldogma“ bezeichnen kann – näm-
lich die Annahme, dass Handlungserfolg und somit normativ zurechenbar nur
sein könne, was der Handelnde verursacht hat.154 Dieses Dogma hat zu einer
Hypertrophie des Kausalitätsbegriffs in der strafrechtswissenschaftlichen und
moralphilosophischen Diskussion geführt.155 Dieser Begriff wurde dabei mit
der Bedingungstheorie in eigentümlicher Weise sehr weit gefasst, woraus für
die Handlungslehren das Problem der Begrenzung der Zurechenbarkeit von
Erfolgen entstand; hierzu mehr im anschließenden fünften Kapitel.
Zunächst wird der strafrechtliche Begriff des „Erfolges“ präzisiert (a).
Derjenigen Handlung, deren Art durch den Eintritt des Erfolgs definiert wird,
steht diejenige Handlung gegenüber, die den Erfolg verursacht: die Ausfüh-
rungs- oder Anknüpfungshandlung der erfolgsdefinierten Handlung (b).
Beide Handlungen können dabei auf identische Körperbewegungshandlungen
(hierzu bereits im vorangegangenen dritten Kapitel) zurückgeführt werden.
Wie sich all diese Handlungen zueinander verhalten, wird unter (c) themati-
siert.
Die Unterscheidung von erfolgsdefinierter Handlung und Ausführungs-
handlung führt zu einer entsprechenden Unterscheidung der Verbote jener
Handlungen. Wegen der Steuerungsfunktion der Normen müssen Ausfüh-
rungshandlungen von Verboten prospektiv gesehen verursachungsgeeigneter
Handlungen erfasst werden. Die Unterscheidung beider Normarten ist für die
Zurechnungslehre von großer Bedeutung; hierzu unter (d).

a) Begriff des Erfolgs

1. Nach der Handlungskonzeption v. Liszts hat jede Handlung einen Er-


folg.156 Bereits eine Körperbewegung ist ein Erfolg. Auch das Zurechnungs-
konzept der Handlung geht davon aus, dass jede Handlungsart durch einen
äußeren Erfolg – den Zurechnungsgegenstand – definiert wird.157 Die analy-

154 Vgl. Hardwig (1957) S. 90 ff.


155 Zur hiesigen alternativen Konzeption C.III.
156 v. Liszt (1908) § 28 II.1, S. 123 bis v. Liszt / Schmidt (1932) § 28 II, S. 157 (we-
niger entschieden noch v. Liszt [1884] § 30 IV, S. 109: Erfolg gegebenenfalls als
konstitutives Merkmal eines spezielleren Handlungsbegriffs), M. E. Mayer (1915)
S. 110 ff., 117 ff., Mezger (1931) S. 95 f., Fn. 15 (Unter­scheidung von körperlichem
Verhalten und „Außenerfolg“).
157 Siehe C.II.
74 B. Handlung und normative Zurechnung

tische Handlungstheorie spricht insoweit von Handlungsergebnissen:158 Das


Handlungsergebnis ist diejenige Veränderung, deren Eintritt vom Begriff ei-
ner Handlungsart vorausgesetzt ist.
Tritt diese Veränderung im Einzelfall nicht ein, liegt die durch das Ergeb-
nis definierte Handlung nicht vor, sondern eventuell deren Versuch.159 Das
Ergebnis einer Handlung ist somit in dem Sinne Bestandteil der Handlung,
dass eine Relation zwischen der handelnden Person und der Veränderung
hergestellt wird; der Handelnde wird als Urheber des Handlungsergebnisses
ausgewiesen.
Der Eintritt des Ergebnisses bzw. Erfolges ist dabei nur für die Vollendung
dieser Handlung vorausgesetzt. Das schließt nicht aus, das die Verwirkli-
chung von Teilaspekten dieser Handlung in der Alltagssprache mit demselben
Handlungswort bezeichnet werden kann. Das bildet die sprachwissenschaftli-
che Unterscheidung des perfektiven und imperfektiven (vollendeten und un-
vollendeten) Aspekts eines Verbs ab. Wird ein ergebnis- bzw. erfolgsdefinier-
tes Verb imperfektiv verwendet, so wird lediglich ausgesagt, dass ein Han-
delnder irgendwie, in nicht näher bestimmter Weise handelt und dieses
Handeln auf das fragliche Ergebnis gerichtet ist. Dabei ist unwichtig, ob das
Handeln das Ergebnis hervorbringt oder nicht, z. B.: „A tötet gerade B“ = „A
ist gerade dabei, B zu töten.“ Demgegenüber ist im perfektiven Aspekt der
Eintritt des Todes vorausgesetzt, da eine Handlung dieser Art durch den Er-
folgseintritt definiert wird.
2. Jeder Erfolg im strafrechtlichen Sinn ist ein Handlungsergebnis. Der
strafrechtliche Begriff des Erfolgs wird indessen häufig enger gefasst, so
dass nicht jedes Handlungsergebnis ein Erfolg im strafrechtlichen Sinn ist.
Beling, der den allgemeinen Begriff der Handlung ohne Rücksicht auf den
Erfolg definiert, kann auf der Ebene der Begriffe spezieller Handlungsarten
ohne Weiteres zwischen erfolgsdefinierten und nicht erfolgsdefinierten
Handlungsarten unterscheiden (z. B.: „töten“ vs. „den Finger krümmen“).
Eine entsprechende Unterscheidung ist aber auch dann möglich, wenn man
mit v. Liszt jede Handlung durch einen Erfolg (i. w. S.) definiert. Um eine
Unterscheidung von erfolgsdefinierten und nicht erfolgsdefinierten Hand-
lungsarten zu ermöglichen, ist dann lediglich ein anderer Begriff des Erfolgs
(i. e. S.) zu entwickeln.
Ein engerer Erfolgsbegriff liegt der strafrechtlichen Unterscheidung von
Erfolgs- und Tätigkeitsdelikten zugrunde.160 Beling sprach insoweit von Ma-

v. Wright (1979) S. 50 f. Vgl. Kindhäuser (1980a) S. 157 f.


158
v. Wright (1979) S. 50 f. (1991) S. 86 f.
159
160 Vgl. nur Jescheck / Weigend AT (1996) § 26 II 1; Eisele, Stree / Bosch Sch / Sch-
StGB (2014) Vor §§ 13 ff., Rn. 130. Vgl. allgemein auch v. Wright (1979) S. 52 f., mit
III. Der kausale, objektive Handlungsbegriff75

terial- und Formaldelikten.161 Welzel kannte „Aktverbrechen“, welche er mit


den eigenhändigen Delikten gleichsetzte.162
Insoweit stellt man sich den Erfolg als ein Ereignis vor, das unabhängig
vom Körperverhalten des Handelnden beschrieben und deshalb durch ein
Körperverhalten verursacht werden kann, zum Beispiel der Tod oder die
Verletzung eines anderen, der Eintritt eines Vermögensschadens oder dieje-
nige Ortsveränderung einer Sache, welche als Gewahrsamsverlust interpre-
tiert wird. Als nicht erfolgsdefinierte „Tätigkeit“ gilt eine kommunikative
Handlung wie die Falschaussage. Das ist zweifelhaft, da hier zumindest das
Verständnis der unzutreffenden Behauptung durch den Vernehmenden vo­
rausgesetzt ist.163 Ein Tätigkeitsdelikt soll ferner der Inzest sein; dann müsste
es aber auch der Hausfriedensbruch sein, da bei beiden kein über das Kör-
perverhalten hinausgehender körperlicher Erfolg vorausgesetzt ist.164 Von
beiden Delikten gilt heute aber nur der Beischlaf als eigenhändig.165
Es kann hier dahinstehen, ob es insoweit eine Rolle spielt, dass das Hand-
lungssubjekt einen besonderen, höchstpersönlichen Status hat (als Geschwis-
terteil, ähnlich bei der Falschaussage als Zeuge), dass eine Verletzung nicht
vorausgesetzt ist oder dass etwa der Beischlaf notwendig ein Moment eige-
nen Erlebens impliziert.166 Jedenfalls sind Anlage und Nutzen einer hand-
lungstheoretischen Unterscheidung zwischen Erfolgs- und Tätigkeitsdelikten
nicht sehr klar und nutzbringend, während der Begriff der Eigenhändigkeit
formal immerhin dadurch definiert werden kann, dass aufgrund des Gesetzes
oder aus sonstigen Gründen mittelbare Täterschaft ausgeschlossen ist.167
3. Für die Zwecke der strafrechtlichen Handlungstheorie gibt es deshalb
nur eine sinnvolle Möglichkeit, zwischen erfolgsdefinierten und nicht er-
folgsdefinierten Handlungsarten zu unterscheiden und dementsprechend den
Begriff eines Erfolgs zu konzipieren, welcher nicht bei jeder Handlung gege-

dem Vorschlag, die Unterscheidung von „Akt“ und „Tätigkeit“ (z. B. rauchen, laufen
oder lesen) durch diejenige von Ereignis und Prozess zu begründen.
161 Beling (1906) S. 203 ff.
162 Welzel (1969) S. 63, 106 f. Vgl. hierzu kritisch im Zusammenhang mit dem
Begriff der eigenhändigen Delikte Roxin (2000) S. 405 ff., 433 m. w. N.
163 Vgl. Beling (1906) S. 206.
164 Zutreffend Roxin (2000) S. 407.
165 Sternberg-Lieben Sch / Sch-StGB (2014) § 123 Rn. 35, Roxin (2000) S. 412.
Für den Charakter des Hausfriedensbruchs als Tätigkeitsdelikt wohl Beling (1906)
S. 205.
166 Vgl. zur Unterscheidung von Handeln und Erleben Luhmann (1978).
167 Zu dieser Deliktsart Loening (1888) S. 273 f. = (1889) S. 149 f., Binding (1915)
S. 265 ff., ders. Normen IV (1919) S. 597 f. Dagegen v. Liszt (1908) § 50 II.3. S. 219,
v. Liszt / Schmidt (1931) § 48 II.3.b. S. 334. Vgl. Mezger (1931) S. 418 ff., Roxin
(2000) S. 392 ff. Geschichtlich Engelmann (1911) S. 464 ff.
76 B. Handlung und normative Zurechnung

ben ist: „Erfolg“ ist die für eine Deliktsart teleologisch ausschlaggebende
Veränderung, das heißt diejenige Veränderung, welche die strafrechtliche
Verhaltensnorm zu verhindern bezweckt.
Der Eintritt dieses Erfolges muss für die Verwirklichung einer tatbestand-
lichen Handlungsart nicht vorausgesetzt sein. So kommt es dem Verbot der
Falschaussage auf die Vermeidung von Fehlurteilen an; strafbar ist aber be-
reits die Falschaussage als solche. Bei den konkreten Gefährdungsdelikten
wie der Straßenverkehrsgefährdung gem. § 315c StGB ist der Gefahrerfolg
kein Erfolg in diesem Sinn, weil vorrangig eine Verletzung und nur deshalb
auch eine konkrete Gefährdung verhindert werden soll. Solcherart Erfolge
i. w. S. kann man als Zwischenerfolge bezeichnen. Es gibt auch Delikte, für
die ein Erfolg i. e. S. gar nicht bestimmt werden kann, so der Inzest.

b) Erfolgsdefinierte Handlung und Ausführungshandlung

1. Es gibt demnach erfolgsdefinierte Handlungen; das sind Handlungen


einer Art, welche durch die Voraussetzung definiert ist, dass ein näher be-
stimmter Erfolg im engeren, strafrechtlichen Sinn eintritt. Eine erfolgsdefi-
nierte Handlung muss im Einzelfall mit zumindest einer Handlung anderer
Art verbunden sein, die – genauer gesagt: deren Ergebnis – den Erfolg be-
dingt und durch welche man deshalb die erfolgsdefinierte Handlung verwirk-
licht.168 Das ist die Ausführungs- oder Anknüpfungshandlung der erfolgsdefi-
nierten Handlung.
Diese Ausführungshandlung kann prinzipiell von beliebiger Art sein. Le-
diglich die erfolgsdefinierte Handlung (z. B. das Töten) kann den Erfolg
(z. B. den Tod) nicht verursachen, gerade weil sie den Erfolgseintritt begriff-
lich voraussetzt.169 Wenn man in der Deliktsprüfung nach dem ursächlichen
Zusammenhang von Handlung und Erfolg fragt,170 meint man deshalb nicht
die erfolgsdefinierte Handlung, sondern zieht eine eventuelle Ausführungs-
handlung in Betracht. Im einfachsten Fall ist es etwa eine Körperbewegungs-
handlung, so im schon erwähnten Beispiel das Krümmen des Fingers am
Abzug der auf einen anderen gerichteten Pistole, durch welche Handlung
gegebenenfalls eine Tötungshandlung ermöglicht wird.
2. Die verbreitete Unterscheidung von Handlungs- und Erfolgsunrecht hat
dazu beigetragen, dass man sich heute Handlung und Erfolg eher als zwei

168 Der Begriff des Verursachens setzt zwar nicht abstrakt genug an, weshalb hier
zunächst von einem Bedingen gesprochen wird. Zum abstrakteren Begriff der Kontin-
genzbedingung und zur Frage der über Handlungen anderer vermittelten Erfolge erst
unter C.III.
169 v. Wright (1979) S. 51 f., Kindhäuser (1980a) S. 87.
170 Vgl. bereits Beling (1904) S. 30.
III. Der kausale, objektive Handlungsbegriff77

getrennte Sachverhalte denkt und (nur) die erfolgsverursachende Handlung


wahrnimmt.171 Demgegenüber hat Welzel den Erfolgsunwert zutreffend als
Teilaspekt des Handlungsunwerts angesehen.172
Fehlerhaft wird jene Trennung, wenn man meint, dass tatbestandlich beim
Erfolgsdelikt allein die nicht erfolgsdefinierte, den Erfolg nur bedingende
Handlung sei.173 Ganz im Gegenteil ist die einzige tatbestandliche Hand-
lung – also die Handlung von der im Tatbestand bezeichneten Art – beim
Totschlag etwa die erfolgsdefinierte „Tötung“, nicht das „Krümmen des
Fingers am Abzug der Pistole.“
3. Der Tatbestand eines Erfolgs-Begehungsdelikts setzt immer voraus,
dass der Handelnde den Erfolg durch eine andere Handlung bedingt als durch
die im Tatbestand benannte erfolgsdefinierte Handlung. Wenn das Gesetz
diese Handlung nicht benennt, ist sie beliebiger Art. Das Gesetz kann aber
auch voraussetzen, dass die Ausführungshandlung von bestimmter Art ist. So
setzt der Tatbestand des Betrugs voraus, dass diejenige Handlung, welche die
Vermögensschädigungshandlung verwirklicht, eine Täuschungshandlung ist;
der Tatbestand der Erpressung, dass jene Handlung eine Nötigung ist, deren
Erfolg wiederum durch eine Drohung oder Gewaltanwendung bedingt wird.
Der Tatbestand eines Erfolgsdelikts benennt die Ausführungshandlung somit
nur, wenn lediglich eine bestimmte Angriffsmodalität strafrechtlich verboten
bzw. typisch für eine Deliktsart ist.
Werden diese Handlungsarten im Tatbestand benannt, sind es tatbestandli-
che Handlungsarten. Werden die Ausführungshandlungen im Tatbestand
nicht beschrieben und sind somit nur implizit vorausgesetzt, ist diejenige
Handlung (beliebiger Art), die im Einzelfall den Erfolg bedingt, keine Hand-
lung tatbestandlicher Art.
Entgegen einer heute verbreiteten Terminologie sind deshalb etwa das
„Krümmen des Fingers am Abzug der Pistole“ oder das „Schießen“ keine
tatbestandlichen Handlungen des Totschlags, weil die entsprechenden Hand-
lungsarten im Gesetz gerade nicht benannt werden. Auch verbietet sich eine
Gleichsetzung: „Schießen“ ist nicht „Töten“. Weder ist jedes „Schießen“ ein
„Töten“, noch jedes „Töten“ ein „Schießen“; und selbst wenn jemand im

171 Deutlich etwa bei Jescheck / Weigend AT (1996) § 24 III 1: Die Unterscheidung
von Erfolgs- und Handlungsunwert beruhe auf derjenigen von Erfolg und der „Art
und Weise der Herbeiführung“ des Erfolgs. Die „Handlung“ kann deshalb nicht be-
reits den Erfolg voraussetzen.
172 Welzel (1969) § 11 II 2.
173 Etwa Jescheck / Weigend (1996) § 27 II: „Der Erfolg ist nicht Handlungsbe-
standteil, wohl aber (vielfach) objektives Tatbestandsmerkmal.“ Zu Konzepten, wel-
che die erfolgsdefinierte Handlung nicht als normgegenständlich ansehen, siehe oben
B.III.2.b) unten B.IV.3.
78 B. Handlung und normative Zurechnung

Einzelfall tötet, indem er schießt, sind das zwei voneinander zu unterschei-


dende Handlungen, gerade weil sich ihre Begriffe nicht implizieren.174

c) Das Verhältnis von erfolgsdefinierter Handlung


und Ausführungshandlung

1. Da die Ausführungshandlung (z. B. „schießen“) nicht identisch mit der


erfolgsdefinierten Handlung („töten“) ist, stellt sich die Frage, wie man sich
das Verhältnis beider Handlungen im Einzelfall vorstellen kann.
Eine Handlung ist zumindest für die kausale Lehre eine Einheit aus Kör-
perbewegung und Erfolg und somit ein Ausschnitt aus einem Geschehen.
Dann scheint die These nahezuliegen, dass die Ausführungshandlung einer
erfolgsdefinierten Handlung im Einzelfall den Ausschnitt eines bestimmten
Körperverhaltens samt eventueller Zwischenerfolge bezeichnet und die er-
folgsdefinierte Handlung nur zusätzlich noch den Eintritt des Erfolgs um-
fasst. Demnach könnte man sich die Handlung „töten“ zusammengesetzt
vorstellen aus dem Schießen und dem Todeseintritt.175
Dieses Beispiel betrifft aber eine sehr einfache Konstellation. Die Vollen-
dung erfolgsdefinierter Handlungen kann demgegenüber eine Vielzahl von
vorbereitenden Einzelhandlungen voraussetzen, die sich über einen längeren
Zeitraum erstrecken (z. B. bei der Handlung „ein Haus bauen“). Die Handlung
wäre dann vergleichbar einem Flickenteppich aus vielen Einzelereignissen.
2. Die analytische Handlungstheorie beschreibt das Verhältnis von verur-
sachender und erfolgsdefinierter Handlung durch den sogenannten Akkor-
deon-Effekt:176 Auf der Grundlage einer oder mehrerer „Basishandlungen“
können eine oder mehrere weitere Handlungen aufgebaut werden, indem
eine unmittelbare oder weiter entfernte Folge der Basishandlungen als das
Ergebnis der jeweiligen weiteren Handlung ausgewiesen wird.177
Zum Beispiel ist das Ergebnis der Handlung „das Fenster öffnen“, dass
das Fenster offen ist. Eine Folge dieser Handlung ist, dass frische Luft ins
Zimmer strömt. Diese Folge wird zum Handlungsergebnis für die Handlung

174 Gegen die These von der Identität auch Kindhäuser (2011) S. 46 f., dessen Bei-
spiel jedoch die verschiedene Beschreibungen desselben Erfolgs betrifft (Tötung des
Wanderers – Tötung des Laios). Die Nichtidentität dieser beiden Handlungen lässt
sich nur unter der Prämisse eines intentionalen Handlungsbegriffs begründen (Ödipus
fehlte die Intention, Laios zu töten).
175 Dagegen Davidson (1971) S. 93 f.
176 Feinberg (1977) S. 204 f., Davidson (1971) S. 87 ff. Zuvor der Sache nach
Anscombe (1986) S. 59 ff., p. 37 ff. mit einem komplexeren Beispiel.
177 Danto (1965) S. 373 ff., Davidson (1971) S. 81 ff., von Wright (1991) S. 70,
165 f., Kindhäuser (1980a) S. 85 ff., ders. (1980b) S. 479 ff. m. w. N.
III. Der kausale, objektive Handlungsbegriff79

„das Zimmer lüften.“178 Entsprechend lässt sich für das „Töten“ eine Hand-
lungskette bilden: Krümmen des Fingers am Abzug der Pistole (Basishand-
lung) – Schießen (Ergebnis: ein Schuss wird ausgelöst) – Töten (Ergebnis:
der Tod der getroffenen Person).
Das Verhältnis dieser Handlungen wird nun derart bestimmt, dass die Ba-
sishandlungen und ergebnisvoraussetzenden Handlungen verschiedene Be­
schreibungen derselben Handlung seien. Hierin stimmen Vertreter der kausa-
listischen und intentionalistischen Richtung überein. So schreibt Anscombe
zu einem Beispiel, in welchem jemand andere tötet, indem er vergiftetes
Wasser in den Hausvorrat pumpt:
„Seinen Arm mit der um den Pumpenschwengel geschlossenen Hand auf und ab zu
bewegen ist, unter diesen Umständen, die Pumpe zu betätigen; und unter diesen
Umständen ist es den Hausvorrat aufzufüllen; und unter diesen Umständen ist es
das Vergiften der Hausbewohnerschaft. Es gibt also eine Handlung mit vier Be-
schreibungen, deren jede von umfassenderen Umständen abhängt, und von denen
jede auf die nächste als Beschreibung eines Mittels zu einem Zweck bezogen
ist.“179
Auch Davidson sieht es so:
„Ich knipse den Schalter an, mache das Licht an und beleuchte das Zimmer. Ohne
zu wissen alarmiere ich auch einen Einbrecher, der merkt, dass ich zu Hause bin.
Hier brauche ich keine vier Dinge getan zu haben, sondern nur eines, von dem vier
Beschreibungen gegeben worden sind.“180
Diese Auffassung ist so zu verstehen, dass die Tatsache dieselbe ist, auf
welche sich die verschiedenen Beschreibungen beziehen: die aus einer Kör-
perbewegung bestehende Basishandlung. Ferner erscheint diese Basishand-
lung als die „eigentliche“ Handlung. So definiert Davidson die Handlung
denn auch als „absichtliches Tun.“ Das entspricht dem Begriff der willkürli-
chen Körperbewegung, mit dem Unterschied, dass sich der Willkürakt inhalt-
lich auf die Körperbewegung beziehen muss.181
3. Die Vorstellung, dass verschiedene Handlungsarten im Einzelfall nur
verschiedene Beschreibungen desselben „Tuns“ sind, wurde bereits kriti-
siert.182 Sie ist eng mit der Vorstellung der Handlung als Körperbewegung

178 von Wright (1979) S. 51 f.


179 Anscombe (1986) S. 73, p. 46; kritisch zu Davidson dies. (1979) S. 229 ff.
180 Davidson (1963) S. 21; ausführlicher ders. (1971) S. 94 ff. Ähnlich interpretiert
Quante (1993) S. 141 ff. Hegels Handlungskonzeption.
181 Davidson (1963) S. 21 Fn. 2: „[Ich bezeichne] alles, was eine Person absicht-
lich tut […] als Handlung.“ Ders. (1971) S. 83: „Zum Handeln ist nötig, dass, was
der Handelnde tut, sich unter einer Beschreibung als beabsichtigt darstellt.“ Hervor-
hebung nicht im Original. Die ausschlaggebende Beschreibung betrifft dann die Kör-
perbewegung („den Arm heben“) als Elementarhandlung.
182 B.III.3.d).
80 B. Handlung und normative Zurechnung

verknüpft und ermöglicht kein angemessenes Verständnis von Handlungsbe-


griffen, die Erfolge jenseits des Körperverhaltens einbeziehen.
Das hier zu entwickelnde Zurechnungskonzept geht demgegenüber davon
aus, dass unterschiedliche Handlungen vorliegen, die nicht identisch sind;
und dass die Körperbewegung auch nicht derjenige Gegenstand ist, auf den
die verschiedenen „Beschreibungen“ verweisen; sondern dass diese sich auf
jeweils andere Veränderungen als Tatsachen bzw. Gegenstände beziehen, sei
es eine Körperbewegung oder ein anderes Ereignis wie das Erleuchten eines
Zimmers oder eine Vergiftung – und dass der Handlungsbegriff somit als
Relationsbegriff zu verstehen ist, der das Handlungssubjekt mit einem Ereig-
nis in Beziehung setzt.

d) Die Verbote erfolgsdefinierter und erfolgsgeeigneter Handlungen

1. Erfolgsdefinierte und Ausführungshandlungen zu unterscheiden, ist


auch deshalb wichtig, weil die Verbote dieser Handlungen zu unterscheiden
und miteinander ins Verhältnis zu setzen sind.183
Das Verbot der erfolgsdefinierten Handlung verbietet die Ausführungs-
handlung nicht unmittelbar, gerade weil beide Handlungen begrifflich unter-
schieden sind: Die erfolgsdefinierte Handlung wird durch den Eintritt des
Erfolgs definiert, die Ausführungshandlung dieser Handlung – welcher Art
sie auch sei – gerade nicht.
Eine unmittelbare, begriffliche Ableitung eines Verbots aus einem anderen
ist demgegenüber nur möglich, wenn der Begriff einer spezielleren Hand-
lungsart unter den Begriff einer allgemeiner bestimmten Handlungsart unter-
geordnet werden kann und letztere verboten ist. Ein Beispiel hierfür wurde
bereits gegeben: Aus dem Verbot zu täuschen folgt per definitionem das
Verbot, einem anderen rechnungsähnliche Anzeigeofferten zuzusenden.184
Ein Verbot derjenigen Handlung, welche sich retrospektiv als eine den
Erfolg bedingende Ausführungshandlung herausstellt, kann somit nicht be-
grifflich, sondern muss teleologisch aus dem Verbot der erfolgsdefinierten
Handlung abgeleitet werden.185 Die prospektiv zu begründende Ableitung
muss ferner unabhängig davon sein, ob die zu verbietende Handlung den
Erfolg tatsächlich hervorbringt oder nicht, weil sich das erst herausstellt,
nachdem diese Handlung vollzogen wurde, also etwa nachdem jemand auf
einen anderen geschossen hat, um ihn zu töten.

183 Vgl. B.II.3. sowie ausführlich unter B.IV.3.c), C.V.3.


184 Siehe B.III.2.d).
185 Ausführlich hierzu B.IV.3.c).
III. Der kausale, objektive Handlungsbegriff81

Weil es nicht möglich ist, das Verbot einer Ausführungshandlung vom


Eintritt des Erfolgs abhängig zu machen, muss ein Verbot der im Einzelfall
den Erfolg bedingenden Ausführungshandlung ohne Rücksicht darauf be-
gründet werden, ob diese Handlung den Erfolg bedingt. Es genügt offenbar,
dass sie hierzu möglicherweise geeignet ist. Das Verbot, auf jemanden zu
schießen, kann also mit Blick auf das Tötungsverbot nur dadurch begründet
werden, dass das Schießen möglicherweise geeignet ist, den Tod des anderen
zu verursachen.
Als möglicherweise geeignet sind diese Handlungen zu bezeichnen, weil
andernfalls unklar bliebe, ob der Begriff der Eignung prospektiv oder retro­
spektiv zu verstehen wäre. Prospektiv ist nur das Urteil möglich, dass eine
Handlung mit höherer oder geringerer Wahrscheinlichkeit den Erfolg bedin-
gen wird. Retrospektiv erfolgsgeeignet sind demgegenüber nur tatsächlich
erfolgsbedingende Handlungen.
2. Die möglicherweise erfolgsgeeigneten sind ihrer Art nach keine tatbe-
standlichen Handlungen, sofern sie im Tatbestand nicht benannt werden.
Dementsprechend sind die Verbote dieser Handlungen nicht spezifisch straf-
rechtlich, da der strafrechtliche Charakter eines Verbots nur davon abhängen
kann, ob ein Strafgesetz diese Handlungsart beschreibt und somit deren
Verwirklichung unter Strafe verbietet. Das generelle Verbot, auf einen ande-
ren zu schießen, ist deshalb kein strafrechtliches – anders als das Verbot, ei-
nen anderen zu töten.
Da die Verbote erfolgsgeeigneter Handlungen nicht begrifflich aus den
Verboten erfolgsdefinierter Handlungen folgen, sondern teleologisch auf sie
bezogen sind, muss die Behauptung, dass eine möglicherweise erfolgsgeeig-
nete Handlung von Rechts wegen verboten ist, selbständig begründet werden.
Das gilt auch für den umgekehrten Fall des Rückschlusses auf Verbote
oder Gebote erfolgsdefinierter Handlungen: Wenn das Strafrecht nur eine
erfolgsgeeignete Handlung verbietet oder gebietet, kann nicht darauf ge-
schlossen werden, dass zwingend auch eine entsprechende erfolgsdefinierte
Handlung verboten oder geboten ist.
So gebietet § 323c StGB, Handlungen vorzunehmen, die möglicherweise
geeignet sind, einen drohenden Schaden abzuwenden. Daraus allein kann
nicht geschlossen werden, dass ein Gebot einer erfolgsdefinierten Handlung
gilt – also ein Gebot, den Schaden abzuwenden. Strafrechtlich kann die Gel-
tung eines solchen Gebots vielmehr nur über § 13 StGB begründet werden.
82 B. Handlung und normative Zurechnung

5. Das Problem der Umgrenzung


erfolgsdefinierter Handlungsarten

Den Begriff tatbestandlicher erfolgsdefinierter Handlungsarten bestimmt


die kausale Lehre als das Verursachen des Erfolges durch ein willkürliches
Körperverhalten. Hieraus entsteht für die kausale Lehre das Problem, Krite-
rien dafür anzugeben, welche Erfolge zurechenbar sind. Die Kausalität ge-
nügt hierfür nicht, denn den Begriff des Verursachens versteht die kausale
Lehre sehr weit im Sinne der Bedingungs- bzw. Äquivalenztheorie: Ursäch-
lich sei jedes Körperverhalten, das den Erfolg bedingt, das also nicht hin-
weggedacht werden kann, ohne dass dieser entfiele.186 Das Körperverhalten
muss dabei nur irgend eine, sei es auch ganz entfernte Bedingung setzen; es
muss nicht determinierend wirken.187
Eine Handlung, welche die Handlung eines anderen ermöglicht oder moti-
viert hat, erscheint deshalb als Ursache für deren Ergebnis: Wenn B die C
tötet, weil A sie beauftragt hat, hat auch A den Tod der C verursacht. Auch
im Rückgriff auf die Vergangenheit ist diese Kausalitätsauffassung unbe-
grenzt: Die Vorfahren der B haben ebenso wie diese selbst den Tod der C
verursacht.188 Haben sie somit vermittels der Zeugung ihrer Nachkommen
eine rechtswidrige Tötungshandlung ausgeführt, die lediglich nicht schuld-
haft (vorsätzlich oder fahrlässig) ist?
Praktisch wird man derartige Handlungen zwar nicht in Betracht ziehen,
sondern diejenige Verursachung, die als tatbestandliche Handlung angesehen
wird, danach auswählen, ob sie möglicherweise normativ zurechenbar ist.189
Die Identifikation einer tatbestandlichen Handlung kann aber nicht von bloß
intuitiven Vorwertungen abhängen. Sonst könnte das Urteil über die Tat­
bestandlichkeit dasjenige über die Rechtswidrigkeit nicht überzeugend fun-
dieren.
Stattdessen müssen objektivierbare Kriterien angegeben werden, welche
die Handlungsidentifikation ermöglichen. Das Verbot, welches das Rechts-

186 v. Buri (1870) S. 5, v. Liszt (1908) § 29 I, S. 125 ff., Mezger (1931) S. 122,
RGSt 1, 373, 374 (Hinstellen vergifteten Weins), RGSt 15, 151, 152 f. (Apotheker-
fall). Zur Entwicklung Mezger (1931) S. 112 ff.
187 Die Vereinbarkeit der Bedingungstheorie mit einer indeterministischen Grund-
position wird deutlich bei v. Buri (1882) S. 233, der die Äquivalenztheorie gerade mit
Blick auf die Teilnahmelehre entwickelt hat.
188 Kritisch hierzu Kindhäuser (1980a) S. 183, Koriath (1994) S. 333, 461, Haas
(2002) S. 305, Eisele Sch / Sch-StGB (2014) Vor §§ 13 ff. Rn. 27, Renzikowski Matt /
Renzikowski-StGB (2013) Vor § 13 / 63.
189 Vgl. die These Feinbergs (1977) S. 215 ff., dass die Auswahl der Ursache im-
mer durch das Interesse eines Beobachters begründet ist.
III. Der kausale, objektive Handlungsbegriff83

widrigkeitsurteil begründet, muss präzisiert werden – entweder hinsichtlich


des Begriffs der verbotenen tatbestandlichen Handlungsart oder hinsichtlich
sonstiger Verbotsbestandteile. Die kausale Lehre hat versucht, den Begriff
der erfolgsdefinierten tatbestandlichen Handlungsart mit entsprechenden Kri-
terien anzureichern. Diesen Ansatzpunkt verfolgen (a) die Lehre vom Re-
gressverbot, (b) die soziale Handlungslehre, (c) die Adäquanztheorie sowie
(d) die Lehre von der objektiven Zurechnung.

a) Das Regressverbot

Die Begriffe tatbestandlicher erfolgsdefinierter tatbestandlicher Handlun-


gen (Taten) können dahingehend ausgelegt werden, dass sie ein unmittelba-
res, nicht über einen anderen Handelnden vermitteltes Verursachen des Er-
folgs voraussetzen.
Zumindest für das Vorsatzdelikt geht das Gesetz heute von einem in die-
sem Sinne restriktiven Täter- oder besser: Tatbegriff aus.190 Eine Zurechnung
nicht unmittelbar verursachter Erfolge findet nur unter den Voraussetzungen
der mittelbaren Täterschaft oder Mittäterschaft statt (§ 25 StGB), nicht bei
der Anstiftung und Beihilfe (§ 26 f. StGB). Obgleich der Anstifter im Sinne
der Äquivalenztheorie den Erfolg verursacht, begeht er nicht die Tat, zu der
er anstiftet.191 Zumindest für die Tatbestände der Vorsatzdelikte wäre also für
die kausale Lehre das Problem entschärft, die erfolgsdefinierten Handlungen
zu begrenzen.
Darüber hinausgehend, also auch für das Fahrlässigkeitsdelikt, hat die
Regressverbotslehre postuliert, dass man in der Zurechnung grundsätzlich
nicht auf Bedingungen zurückgreifen kann, die dem freien Handeln einer
Person voraus liegen.192 Diese These kann entweder kausalitäts- bzw. hand-
lungstheoretisch oder normativ begründet werden; letzteres etwa durch das
Verantwortungsprinzip.193 Begrifflich begründet wäre sie durch eine Defini-
tion der Kausalität, die sich auf determinierte Verläufe beschränkt. Dann
können Handlungen eines anderen, da sie begrifflich Wahlfreiheit vorausset-

190 Hruschka (1998) S. 593, Renzikowski, in: Maurach / Gössel / Zipf (2014) § 47
Rn. 3, 18, 71.
191 v. Liszt (1908) § 29 IV S. 128 (nur aufgrund der gesetzlichen Vorgabe).
192 Frank (1931) Einl. § 1 III 2 a, S. 14 f., v. Liszt / Schmidt (1932) § 29 V. S. 165 f.
Hierzu Renzikowski (1997) S. 157 ff., Hruschka (1998a) S. 581 ff. Die Rechtspre-
chung folgt dem nicht. Vgl. RGSt 34, 91, 92 (Logenschließerfall). Sie nimmt Straf-
barkeit auch in Konstellationen fahrlässiger Anstiftung oder Beihilfe zur Vorsatztat
an, etwa RGSt 61, 318 (Vermietung einer feuergefährlichen Wohnung, Bestrafung des
Vermieters auch bei vorsätzlicher Brandstiftung eines anderen).
193 Renzikowski (1997) S. 72 ff.
84 B. Handlung und normative Zurechnung

zen, von vornherein nicht als verursacht aufgefasst werden – unabhängig


davon, ob der andere vorsätzlich und voll verantwortlich gehandelt hat.194
Der restriktive Tatbegriff und das Kriterium der unmittelbaren Verursa-
chung sind indes in erster Linie normativ begründet, was an den Ausnahme-
fällen, also etwa der mittelbaren Täterschaft deutlich wird. Diese setzt voraus,
dass der unmittelbar Verursachende für die Verursachung nicht voll verant-
wortlich ist. Der Begriff einer tatbestandlichen Handlung wie „töten durch
einen anderen“ als Unterart des Tötens wird also unter Einbeziehung eines
normativen Kriteriums definiert.

b) Die soziale Handlungslehre

Auch die von Eberhard Schmidt entwickelte soziale Handlungslehre re-


agiert auf das Problem, erfolgsdefinierte tatbestandliche Handlungen zu um-
grenzen. Was als Handlung zuzurechnen ist, sei zu bestimmen nach der „so-
zialen Sinnhaftigkeit, wie sie die Erfahrung im sozialen Leben uns verstehen
lehrt.“195 Ganz ähnlich liest es sich später bei Luhmann:
„Was eine Einzelhandlung ist, lässt sich […] nur auf Grund einer sozialen Be-
schreibung ermitteln. Das heißt nicht, dass Handeln nur in sozialen Situationen
möglich wäre; aber in Einzelsituationen hebt sich eine Einzelhandlung aus dem
Verhaltensfluss nur heraus, wenn sie sich an eine soziale Beschreibung erinnert.
Nur so findet die Handlung ihre Einheit, ihren Anfang und ihr Ende […].“196
Die soziale Handlungslehre bestimmt nicht mehr die Körperbewegung und
die Verursachung von Wirkungen als Merkmale des Handlungsbegriffs, wes-
halb sie schlichte Tätigkeiten ebenso wie Unterlassungen problemlos als
Handlungen ausweisen kann.197 Gleichwohl steht sie in der Tradition der
kausalen Lehre, weil das „objektive“ Verständnis eines Beobachters darüber
bestimmt, was im Einzelfall Handlung ist. Die soziale macht es nicht – wie
die finale Lehre – allein vom Handlungssubjekt abhängig, was als Handlung
zurechenbar ist, sondern auch von den normativen Erwartungen eines Beob-
achters. Anders als die finale Lehre kann sie deshalb die fahrlässige Verursa-
chung als Handlung ausweisen.
Der sozial relevante Handlungssinn ergibt sich häufig aus einer Norm. So
sind auch die Deliktstypen des Strafrechts soziale Handlungsbeschreibungen.
Die Strafrechtspflege ist aber dasjenige soziale System, dessen Aufgabe es

Renzikowski (2011) S. 211 f.


194
Schmidt (1939) S. 75, ders.(1969) S. 340, Jescheck (1961) S. 150 ff. Ähnlich
195
Arth. Kaufmann (1966) S. 114 ff.
196 Luhmann (1984) S. 228.
197 Zu beiden Fragen Schmidt (1969) S. 341 ff., 350 f.
III. Der kausale, objektive Handlungsbegriff85

ist, die Delikte gesellschaftlich verbindlich einerseits allgemein zu beschrei-


ben und andererseits im Einzelfall zuzurechnen. Wenn die Dogmatik nun
bereits vor jeder normativen Bewertung einen Begriff der Handlung aufstellt,
der sich auf soziale, aber dem Strafrecht externe Beschreibungen bezieht,
läuft sie Gefahr, normative Wertungen unbedacht zu übernehmen und die
eigene Reflexionsaufgabe zu unterlaufen.198
Das wird bei Schmidt gerade in der Beurteilung von Fällen deutlich, in
denen ein Delikt im Ergebnis zu verneinen ist: Der kunstgerechte ärztliche
Heileingriff und das sorgfaltsgemäße Handeln im Straßenverkehr seien von
vornherein keine Körperverletzungs- oder Tötungshandlungen.199 Entschei-
dend ist demgegenüber nicht die von vornherein fehlende Handlungseigen-
schaft, sondern allein, dass diese Handlungen nicht verbotswidrig sind und
daher nicht Ausführungshandlungen einer fahrlässigen Tötung sein können.
Auch zur Einschränkung der Zurechenbarkeit weit entfernt liegender Erfolge
ist das Kriterium des sozialen Handlungssinns zu unpräzise. Denn gerade in
zweifelhaften Fällen ist die soziale Praxis nicht eindeutig, und das Recht
muss nach eigenen Kriterien entscheiden.

c) Die Adäquanztheorie

1. Auch die Theorie der adäquaten Verursachung und verwandte Ansätze


bemühten sich um eine Eingrenzung der Begriffe erfolgsdefinierter tatbe-
standlicher Handlungen.200 Eine Verursachung ist demnach nur zurechenbar,
wenn sie nicht unwahrscheinlich und deshalb vorherseh- und vermeidbar
war. Ähnlich hat bereits Aristoteles danach unterschieden, ob Folgen wider
Erwarten oder nicht wider Erwarten eintraten.201 Die kausale Lehre kommt
hier nicht ohne Grund der finalen Handlungs- und personalen Unrechtslehre
nahe, wie die folgende Stellungnahme v. Bars zeigt:202
„Wir sagen, der abstrakt oder im philosophischen Sinne vorhandene Kausalzusam-
menhang ist für das Recht nur im beschränkten Sinne brauchbar, und wir suchen
für diese Beschränkung objektiv gültige Normen, wobei wir aber den handelnden
Menschen, dessen Kausalität in Betracht kommt, nicht wie ein Stück der leblosen

198 Roxin AT I (2006) § 8 Rn. 30 f. und Küpper (1990) S. 62 werfen ihr deshalb die
Vermischung von sozialer und rechtlicher Wertung vor.
199 Schmidt (1939) S. 75 f., (1969) S. 345 ff.
200 v. Kries (1889) S. 531 ff., Merkel (1889) S. 71 f., 99 ff., 106 ff., Liepmann
(1900) S. 59 ff., 68 ff., v. Bar (1907) S. 181 ff., Tarnowski (1927) S. 338 ff., 405 ff.
Vgl. Engisch (1931) S. 41 ff., Mezger (1931) S. 117 ff. m. w. N.
201 Aristoteles Eth. Nic. (1985) V 10 1135b, mit wohl unzutreffender Übersetzung
von παραλόγως. Zur Deutung Loening (1903) S. 230 f.
202 v. Bar (1907) S. 196 f.
86 B. Handlung und normative Zurechnung

oder unvernünftigen Natur, vielmehr, wie es der Wahrheit entspricht, als ein reflek-
tierendes, den Kausalzusammenhang in gewissem Umfang durch Berechnung be-
herrschendes Wesen behandeln und somit den Kausalzusammenhang auch nach
dem Stande der Reflexion, Einsicht und dem Bestreben des Handelnden zu begren-
zen uns berechtigt erklären.“
2. Der angesprochene Stand der Reflexion des Handelnden wird freilich
als ein generalisierender Maßstab der Vernunft gesehen. Somit fließt ein
normativer Maßstab in die Definition des Begriffs der tatbestandlichen
Handlung ein. Die Begriffe der Vorhersehbarkeit oder Berechenbarkeit der
Verursachung sind an sich zwar nicht normativ. Ohne Rücksicht auf Normen
gibt es aber keine festen Maßstäbe, um zu bestimmen, wie wahrscheinlich
eine Verursachung sein muss, um noch als vorhersehbar zu gelten.203 Außer-
dem wäre durch nicht normativ bestimmte Kriterien das Urteil über die
Rechtswidrigkeit der adäquaten Verursachung methodisch nicht angemessen
fundiert. Deshalb ist die Adäquanztheorie nur tragbar, wenn man sie als nor-
mativ begründet versteht und wenn das auch auf die Beurteilung des Einzel-
falls durchschlägt.
Auf die Kriterien, welche die Anhänger der Adäquanztheorie ausgearbeitet
haben, trifft das der Sache nach zu: Nach v. Kries ist eine Verursachung ad-
äquat bzw. vorherseh- und vermeidbar, wenn eine Handlung generell geeig­
net ist, den Erfolg zu verursachen.204 Das Urteil hierüber ist zwar zunächst
ebenfalls nicht normativ. Im rechtlichen Zusammenhang wird es aber nur
deshalb relevant, weil sich das prospektiv geltende Verbot einer retrospektiv
gesehen verursachenden Handlung nur legitimieren lässt, wenn eine Hand-
lung dieser Art generell verursachungsgeeignet (gefährlich) ist. Nur dann ist
das Verbot über den Einzelfall hinaus generalisierbar.
Ferner schlägt sich darin der Gedanke des ultra posse nemo obligatur
nieder: Nur wenn aufgrund der Erfahrung, also generalisierbar erkennbar ist,
dass die Handlung erfolgsgeeignet ist, kann man verlangen, dass das auch
der Handelnde erkennt und die Handlung unterlässt. Der normative Charak-
ter des Adäquanzkriteriums wird vollends deutlich, wenn mit seiner Hilfe
erlaubte Risiken ausgeschieden oder zurechenbare Erfolge durch die Erwä-
gung begrenzt werden, vor welchen (adäquaten) Verläufen eine Sorgfalts-
norm schützen kann.205
So hat man auch offen eingestanden, dass es beim Adäquanzkriterium „auf
die Kausalität gar nicht ankommt, sondern dass ein ganz anders geartetes, ein

Radbruch (1902) S. 336 ff., Engisch (1931) S. 44 ff. („nicht unwahrscheinlich“).


203
v. Kries (1889) S. 532.
204
205 Zum erlaubten Risiko v. Bar (1907) S. 212 ff.; zur Verneinung des Schutzzweck­
zusammenhangs v. Kries (1889) S. 532.
III. Der kausale, objektive Handlungsbegriff87

teleologisch fundiertes und normativ-juristisch orientiertes Problem zur Erör-


terung steht.“206
3. Das Adäquanzkriterium kann somit nur dann überzeugend begründet
werden, wenn es sich auf das Urteil darüber stützt, was man vorhersehen und
vermeiden soll. De facto wird dann das Verschulden im Sinne von Fahrläs-
sigkeit zur Unrechtsvoraussetzung. Die kausale Unrechtslehre steht deshalb
vor einem Problem; so Radbruch: „In einem System darf kein Posten doppelt
gebucht werden, dagegen verstößt aber die adäquate Kausallehre, indem sie
außer dem Verschulden noch die Verschuldensmöglichkeit besonders
fordert.“207
Es lag deshalb nahe zuzugestehen, dass mit dem Adäquanzurteil zumindest
ein objektives Fahrlässigkeitsurteil begründet wird,208 und die Fahrlässigkeit
somit nicht erst als Schuld-, sondern als Unrechts­voraussetzung anzusehen.
Wegweisend waren insoweit die Überlegungen M. L. Müllers, die Engisch
aufgenommen hat.209 Demnach bedeutet etwa das Verbot der Tötung „nichts
weiter als das Gebot, solche Handlungen zu unterlassen, die im Hinblick auf
die Tötung von Menschen gefährlich sind.“210
Das kann man so verstehen, dass bereits eine erfolgsgefährliche Handlung
ein „Töten“ ist, unabhängig davon, ob der Erfolg eintritt oder nicht.211 Das
wäre aber eine bloße Wortvertauschung, da der begriffliche Unterschied zwi-
schen einer erfolgsdefinierten und einer erfolgsgefährlichen bzw. ‑verursa-
chenden Handlung nicht geleugnet werden kann. In der Sache liefe das da­
rauf hinaus, Verbote erfolgsdefinierter Handlungen für strafrechtlich irrele-
vant zu erachten.
Demgegenüber liegt es näher, Verbote erfolgsdefinierter und erfolgsgefähr-
licher Handlungen nebeneinander gelten zu lassen und miteinander zu ver-
knüpfen: Demnach ist das Verbot der erfolgsdefinierten Handlung nur ver-
letzt, wenn im Einzelfall die verursachende Handlung aufgrund ihrer pro­
spektiv zu bestimmenden Gefährlichkeit verboten war.
4. Es ist möglich, diese Voraussetzung als handlungsdefinierend aufzufas-
sen: Wenn die verursachende Handlung nicht verboten ist, liegt demnach
kein Verstoß gegen das Tötungsverbot vor, weil schon gar keine Tötungs-
handlung gegeben ist.

206 Sauer (1921) S. 443. Vgl. auch Traeger (1904) S. 42, Honig (1930) S. 178 f.
207 Rabruch (1902) S. 387, (1904a) S. 106 ff., (1905) S. 266.
208 Vgl. v. Bar (1907) S. 205.
209 M. L. Müller (1912) S. 22 ff., Engisch (1930) S. 335 ff., ders. (1931) S. 52 ff.
210 Engisch (1930) S. 336. Vgl. ders. (1931) S. 53.
211 So später einige Anhänger der finalen Lehre. Siehe unter B.IV.3.
88 B. Handlung und normative Zurechnung

Diese Voraussetzungen widersprechen nicht dem Postulat, dass die ver-


botsgegenständliche Handlung in dem Sinne vornormativ zu definieren ist,
dass sie einen Verstoß gegen dasselbe Verbot begrifflich nicht voraussetzt;212
denn die Verbote von gefährlichen Handlungen, die in Bezug genommen
werden, sind eigenständige Normen, so dass die Definition nicht zirkulär
wird. Auch ist es, wie gezeigt, keine Besonderheit, dass der Begriff der tat-
bestandlichen Handlung normativ geprägt ist.
Selbst die Auswirkungen auf die kausale Unrechts- und Schuldlehre sind
nur begrenzt. Entscheidend ist insoweit, dass der subjektive Sinnbezug für
das Unrechtsurteil irrelevant bleibt. Das Unrecht wird weiterhin objektiv
bestimmt, wenn man eine objektiv-generelle und subjektive Fahrlässigkeit
unterscheidet und nur erstere dem Tatbestand, letztere hingegen dem Schuld-
urteil zuordnet. Dementsprechend kann auch der psychologische Schuldbe-
griff aufrecht erhalten bleiben.213
5. Die Verlagerung der Fahrlässigkeitsprüfung in den Tatbestand muss
indes auch für das Vorsatzdelikt nachvollzogen werden. Auch bei diesem
kann die äquivalente Kausalität die Handlungs- und Erfolgszurechnung nicht
plausibel begründen, zumal sich nach der kausalen Lehre der Tatbestand des
Fahrlässigkeits- grundsätzlich nicht von dem des Vorsatzdelikts unterschei-
det. Ein systematisches Äquivalent zur Prüfung des Sorgfaltspflichtverstoßes
hat insoweit die Lehre von der objektiven Zurechnung etabliert.

d) Die Lehre von der objektiven Zurechnung

1. Der Begriff der objektiven Zurechnung geht für das Strafrecht auf Ho-
nig zurück. Dieser ging von der Lehre der adäquaten Verursachung aus,
trennte aber die wertenden Kriterien vom Kausalitätsbegriff und verselbstän-
digte sie in der Kategorie der objektiven Zurechnung.214 Zurechnungskrite-
rium war für ihn, dass der verursachte Erfolg bezweckbar sein muss. Das
steht in einer Reihe mit den Kriterien der generellen Eignung und Vorherseh-
barkeit, welche die Adäquanztheorie entwickelt hatte.215 Während aber die

212Siehe B.II.2.
213Engisch (1930) S. 350.
214 Honig (1930) S. 183 ff., 188, im Anschluss an Larenz (1927) S. 51 ff., 58, 68 ff.,
77 ff., 90 ff. Hierzu Roxin (1970b) S. 133 ff., Schroeder (2003) S. 653 ff. Nahestehend
auch Mezger (1931) S. 121 ff., der ebenfalls im Anschluss an die Adäquanztheorie
nach der rechtlichen Relevanz des Kausalverlaufs fragt und dadurch die Erfolgszu-
rechnung begrenzt.
215 Honig (1930) S. 196 f. Ebenso Engisch (1944) S. 160 ff., 164 f., „objektiv-fina-
ler Handlungsbegriff“: „Handlung ist das Bewirken bezweckbarer Folgen durch einen
willkürlich vollzogenen Akt.“
III. Der kausale, objektive Handlungsbegriff89

objektive Zurechnung von der äquivalenten Kausalität her gesehen häufig als
Haftungseinschränkung begriffen wird,216 betonte Honig, dass sie eine tatbe-
standliche Handlung (im kausalen Sinn) als Objekt strafrechtlicher Wertung
erst begründet:
„Nach meiner Auffassung enthält die Frage nach der Tatbestandsmäßigkeit nicht
eine Haftungsbeschränkung, sondern sie schafft überhaupt erst das Beurteilungsob-
jekt und damit die Grundlage der Haftung. Sie ist das Fundament, nicht aber das
Korrektiv des Handlungsbegriffs. Ist die Willensbetätigung überhaupt nicht tatbe-
standsgemäß, dann ist überhaupt keine Handlung im strafrechtlich interessierenden
Sinne gegeben.“217
Erst durch die objektive Zurechnung wird demnach eine Handlung konsti-
tuiert. Die heutige Lehre von der objektiven Zurechnung, die Roxin wesent-
lich geprägt hat,218 versteht sich allerdings kaum mehr als ein Beitrag zur
Handlungslehre; sie steht aber durchaus in der Entwicklungslinie von kausa-
ler Lehre und Adäquanztheorie.219 Ganz im Sinne Honigs und eines kausalen
Handlungsbegriffs schreibt Roxin:
„Es ist demnach zunächst die Aufgabe der Zurechnung zum objektiven Tatbestand,
die Umstände anzugeben, die aus einer Verursachung (als der äußersten Grenze
möglicher Zurechnung) eine Tatbestandshandlung, also z. B. aus einer Todesverur-
sachung eine rechtlich relevante Tötungshandlung, machen; ob eine solche Tö-
tungshandlung dann auch zum subjektiven Tatbestand zugerechnet werden kann
und damit vorsätzlich ist,“220 …
… berührt den Handlungscharakter demnach nicht mehr.
2. Die objektive Zurechnung eines Erfolgs setzt der Lehre von der objek-
tiven Zurechnung gemäß voraus, dass der Handelnde ein unerlaubtes Risiko
geschaffen und sich gerade dieses Risiko in der Erfolgsverursachung bestä-
tigt (realisiert) hat.221 Das heißt nichts anderes, als dass die verursachende
Handlung bereits für sich genommen und aufgrund ihrer prospektiv zu be-
stimmenden Gefährlichkeit verboten sein muss222 und dass darüber hinaus
gerade der gefahr- bzw. verbotsbegründende Umstand die Erfolgsverursa-
chung bedingt haben muss. Diese beiden Zurechnungsvoraussetzungen sind

216 Vgl. etwa Jescheck / Weigend (1996) S. 278, 284.


217 Honig (1930) S. 195.
218 Roxin (1970b) S. 135 ff.
219 Entgegen Pawlik (2012) S. 296 f., der der Lehre von der objektiven Zurech-
nung, eine „Entleerung des Handlungsbegriffs“ und Abkehr von der klassischen Zu-
rechnungslehre vorwirft.
220 Roxin AT I (2006) § 11 Rn. 46.
221 Jesckeck / Weigend (1996) S. 287, Roxin AT I (2006) § 11 Rn. 46 ff., je m. w. N.
Zum Begriff der Gefahrverwirklichung bereits Engisch (1931) S. 66 ff.
222 Versteht man es so, sind weite Teile der Kritik an der Lehre von der objektiven
Zurechnung gegenstandslos, insbesondere Frisch (1988) S. 31 ff., Vogel (1993) S. 60 f.
90 B. Handlung und normative Zurechnung

mit denen der Fahrlässigkeit (Sorgfaltspflichtverstoß und „Kausalität der


Fahrlässigkeit“) identisch, so dass Roxin in der Voraussetzung der Sorgfalts-
widrigkeit konsequent nur eine Ausprägung des unerlaubten Risikos sieht.223
Die Bezugnahme auf generelle Verbote gefährlicher Handlungen ist dabei
nicht zirkulär.224 Dass das „Verbotensein […] nicht Voraussetzung seiner
selbst sein“ kann,225 trifft nur zu, sofern dasselbe Verbot in Rede steht.
Da aber die tatbestandliche Handlung in dem Sinn vornormativ zu definie-
ren ist, dass sie einen Normverstoß nicht implizieren kann, knüpft das Urteil
über die objektive Zurechnung nur daran an, dass eine gefährliche Handlung
vorliegt, welche von einem generellen Verbot bezeichnet wird, ohne dass der
Verbotsverstoß schon festgestellt werden kann. Insofern ist die Rede vom „un-
erlaubten Risiko“ ebenso wie von der „Sorgfaltspflichtverletzung“ auf der Tat-
bestandsebene ungenau. Die Unerlaubtheit des Risiko wird nicht bereits auf
der Tatbestands-, sondern erst auf der Rechtswidrigkeitsstufe festgestellt.
3. Das Problem, welches der kausalen Lehre die Begrenzung erfolgsdefi-
nierter tatbestandlicher Handlungen bereitete, kann somit gelöst werden, in-
dem man sich auf ein prospektiv zu begründendes Verbot der retrospektiv
verursachenden Handlung bezieht und die daraus zu entwickelnden Zurech-
nungsvoraussetzungen so interpretiert, dass sie die erfolgsdefinierte Hand-
lung mit definieren. Eine verbotsgegenständliche erfolgsdefinierte Handlung
liegt demnach nur vor, wenn auch die verursachende Handlung ihrer Art
nach von einem Verbot als verboten bezeichnet wird.226
Die „objektive Zurechnung“ wird demnach zwar durch normativ geprägte
Kriterien begründet, beinhaltet aber selbst noch keine normative Zurechnung;
sie ist vornormative Zurechnung im Sinne der kausalen Lehre.
4. Es bleibt die Frage, ob das Urteil der „objektiven Zurechnung“, das nur
über die „objektive“ Beschreibung und Bewertung einer Gefahr begründet
wird, genügt, um eine tatbestandliche Handlung zu konstituieren. Ist der
Vorsatz des Handelnden hierfür wirklich ohne Bedeutung? Und wenn die
Zurechnung sowieso nur durch die Bezugnahme auf Verbote gefährlicher
Handlungen begrenzt werden kann, ist sie derart „objektiv“ nicht erst wirk-
lich begründet, wenn ein Verstoß gegen diese Verbote festgestellt wird und
nicht bereits dann, wenn deren quasi tatbestandliche Voraussetzungen vorlie-
gen? Ist die fahrlässige Verursachung wirklich bereits vornormativ als Hand-

Roxin AT I (2006) § 24 Rn. 5, 10 ff., Schünemann (1999b) S. 217 f.


223
So aber Gössel Maurach / Gössel / Zipf (2014) § 43 / 120, ähnlich Haas (2002)
224
S. 294, vgl. jedoch auch S. 300 f. Dagegen Ast (2012b) S. 616 Fn. 11, Grosse-Wilde
(2017) S. 336.
225 Hirsch (1998) S. 136.
226 Zur Deutung als Unrechtsvoraussetzung demgegenüber C.V.3.2. f.
IV. Der finale, subjektive Handlungsbegriff91

lung auszuweisen oder wird der Handlungscharakter des Fahrlässigkeitsde-


likts nicht doch erst durch die normative Zurechnung begründet?
Diese Fragen werden erörtert, nachdem die finale bzw. intentionale, oder
besser: subjektive Handlungslehre dargestellt ist. Für diese konstituiert die
Perspektive des Handelnden erst eine Handlung. Auch für sie ist das Problem
des Fahrlässigkeitsdelikts aber ein Angelpunkt.

IV. Der finale, subjektive Handlungsbegriff

1. Welzels Konzeption – Subjektiver Sinn


als Maßstab der Zurechnung

1. Während die kausale Handlungslehre die Zurechnung bloß über objek-


tive Kriterien begründet und die Absichten des Handelnden nicht berücksich-
tigt, ist der Erfolg nach der finalen Lehre im Rahmen einer Handlung nur
zurechenbar, wenn der Handelnde ihn bezweckt oder einkalkuliert hat. Die
Zwecksteuerung (Finalität) muss den körperlichen Vorgang (die Körperbewe-
gungen und die verursachten Wirkungen) gleichsam überwölben, damit die-
ser zur Handlung gehört. Deutlich formulierte das Welzel bereits 1931:
„Das Geschehen, das vom Entschluss zum Erfolg führt, [ist] eine gesetzliche Sinn­
einheit, die sich durch das Moment der Sinngesetztheit aus dem übrigen kausalen
Geschehen heraushebt. Bezeichnen wir diese Sinneinheit als Handlung, so folgt,
dass der Handlungszusammenhang zwischen Erfolg und Entschluss kein bloß kausa-
ler, sondern ein teleologischer Sinnsetzungszusammenhang ist. Der kausale Zusam-
menhang ist nur eine Teilkomponente des Sinnzusammenhangs, bestimmt und ge-
lenkt durch die sinn-intentionale Gesetzlichkeit des Handlungszusammenhangs.“227
Für den finalen Handlungsbegriff ist der Handlungssinn wesentliches
Merkmal einer jeden Handlung. Der Sinn folgt dabei aus der Zwecksetzung.
Was der Handelnde bezweckt und verwirklicht, welche Mittel er hierfür auf-
wendet oder welche Nebenfolgen er in Kauf nimmt, ist ihm im Rahmen einer
Handlung zurechenbar.
Sofern die Zwecksetzung bzw. Intention auf die Verwirklichung der „ob-
jektiven Seite“ einer tatbestandlichen Handlung bezieht, ist sie strafrechtlich
Vorsatz. Bei vollendeten Delikten ist der Vorsatz „in seinem ganzen Umfange
ein finales Element der Handlung.“228 Er ist systematisch somit nicht mehr
im Schuld- sondern im Handlungsbegriff verankert. Infolgedessen wird die

227 Welzel (1931) S. 718 = (1975) S. 19. Zuvor bereits in einem Aufsatz 1930,
abgedruckt in (1965) S. 197 und (1975) S. 4 f. Anschließend daran (1935) S. 79 =
(1975) S. 108.
228 Welzel (1969) S. 64.
92 B. Handlung und normative Zurechnung

Schuld nicht mehr psychologisch aufgefasst, sondern normativ als Vorwerf-


barkeit der normwidrigen Handlung aufgrund des „Vorziehens des niederen
Werts vor dem höheren.“229
2. Die Zwecksetzung des Handelnden im Handlungsbegriff zu berücksich-
tigen, war keineswegs neu.230 So hatte Max Weber die Handlung durch die
subjektive Sinnsetzung definiert: „ ‚Handeln‘ soll […] ein menschliches Ver-
halten (einerlei ob äußeres oder innerliches Tun, Unterlassen oder Dulden)
heißen, wenn und insofern als der oder die Handelnden mit ihm einen subjek-
tiven Sinn verbinden.“231 Dieser „radikale Rückgang auf einen subjektbezoge-
nen Handlungsbegriff“ wendet sich deutlich dagegen, die Handlung auf einen
beschreibbaren Kausalvorgang zu reduzieren.232 Daran anschließend sah auch
Parsons, zeitgleich mit Welzel, in der Zwecksetzung des Handelnden deren
definierendes Element: „An ‚act‘ involves logically the following: (1) It im-
plies an agent, an ‚actor.‘ (2) For purposes of definition the act must have an
‚end‘, a future state of affairs toward which the process of action is oriented.“233
Für Welzel war methodologisch der Gedanke entscheidend, dass die Hand-
lung die „gegenständliche Seinsgrundlage möglicher strafrechtlicher Wertun-
gen“ ist.234 Er setzt für die Handlungsdefinition den Wirklichkeitsbezug vor
dogmatisch-funktionale Interessen.235 Die Handlung ist zuallererst Gegen-
stand beschreibender Wissenschaften, die Strafrechtswissenschaft muss sich
diesen öffnen.
3. Dogmengeschichtlich bewegte sich die finale Lehre wieder auf den
Hegelschen, willensbezogenen Handlungsbegriff zu, der vor der kausalen
Lehre in der Strafrechtsdogmatik herrschend war.236 Der finale ist gleichsam
eine Synthese aus dem Hegelschen und dem kausalen Handlungsbegriff:
Zwar wird der Wille berücksichtigt, aber nicht wie bei Hegel der normative
Bezug. Mit Parsons kann man den finalen Begriff als positivistisch bezeich-
nen, weil er nur die zweckrationalen Elemente, nicht aber den Wertbezug der
Handlung berücksichtigt.237

Welzel (1935) S. 79 f. = (1975) S. 109, ders. (1969) S. 138.


229
Welzel (1969) S. 37, Hirsch (2003a) S. 228.
230
231 Weber (1972) S. 1.
232 So Luhmann (1983) S. 19.
233 Parsons (1968) S. 44. Hierzu Amelung (1972) S. 333, 350 ff.
234 Welzel (1931) S. 720 = (1975) S. 21. Vgl. auch ders. (1962) S. 336 = (1975)
S. 285. Zum Bezug auf die Philosophie Nicolai Hartmanns vgl. Klug (1960) S. 34 ff.
235 Programmatisch bereits Welzel (1965b) S. 194 ff. (urpsr. 1930). Vgl. auch Küp­
per (1990) S. 27 f., Hirsch (2003a) S. 226 ff., 232 f.
236 Vgl. Engisch (1944) S. 149. Zum hegelschen Begriff siehe B.V.5.
237 Parsons (1968) S. 77 ff. Zur diesbezüglichen Kritik an Welzel siehe unten
B.V.5.
IV. Der finale, subjektive Handlungsbegriff93

Das erklärt sich aber gerade aus dem strafrechts­systematischen Interesse,


einen Handlungsbegriff aufzustellen, welcher die Handlung vor ihrer Bewer-
tung als verbots- und rechtswidrig erfasst. Den normativen Aspekt berück-
sichtigt erst der Handlungsbegriff des Verbrechens als schuldvoraussetzender
Handlung. Die Wert- und Normenorientierung wird als Schuldfrage relevant,
während der Begriff der normgegenständlichen, tatbestandlichen Handlung
objektiv und deshalb auch subjektiv den Verstoß gegen dasjenige Verbot,
welches diese Handlung verbietet, nicht schon voraussetzen kann. Die darin
angelegte Trennung von tatbestandsrelevantem Vorsatz und erst schuldrele-
vantem Unrechtsbewusstsein (Schuldtheorie) hat ihren Grund somit nicht im
allgemeinen Begriff der Handlung,238 sondern in dem spezielleren Begriff
der tatbestandlichen als normgegenständlicher Handlung.
Obgleich der finalistische Begriff mögliche handlungskonstituierende Mo-
mente ausblendet, ist er nicht ein dogmatischer Kunstbegriff, wie es der kau-
sale ist, sondern steht dem Alltagsverständnis nahe. Auch umgangssprachlich
ist es möglich, davon zu sprechen, dass jemand getötet habe, ohne Rücksicht
darauf, ob diese Handlung gerechtfertigt oder schuldhaft ist. Die Begriffsbil-
dung ist offenbar frei, von bestimmten Sinnbezügen zu abstrahieren.
4. Weil der abstrakte kausale Handlungsbegriff keine inhaltlichen Krite-
rien enthält, welche die Zurechenbarkeit von im Sinne der Äquivalenztheorie
verursachten Folgen eines Handelns begrenzen, musste er, wie gezeigt, auf
der Ebene der Begriffe tatbestandlicher Handlungen entsprechende Kriterien
einführen: die Lehren vom Regressverbot, von der adäquaten Verursachung
und der objektiven Zurechnung.
Zwar baut auch die finale Handlungslehre auf der Äquivalenztheorie der
Kausalität auf.239 Deren Problematik wird aber dadurch entschärft, dass der
abstrakte Begriff der finalen Handlung mit der Finalität bzw. dem Vorsatz
des Handelnden ein Kriterium enthält, das die Zurechenbarkeit von Hand-
lungsfolgen klar definiert.240 Gleichwohl hat Welzel die Begriffe tatbestand-
licher Handlungen um ein weiteres allgemeines Kriterium angereichert: die
Sozialadäquanz.
Die einzelnen tatbestandlichen Handlungen wie „töten“ und „verletzen“
können demnach auch bei gegebener Finalität nicht auf Handlungen aufge-
baut sein, die der „geschichtlich gewordenen Ordnung des Soziallebens“
entsprechen – beispielhaft: Kinder zu zeugen, obgleich sie Mörder werden
können, einen anderen in Tötungsabsicht zu einer Flugreise zu veranlassen
oder trotz einer Selbstmorddrohung den Ehepartner zu verlassen.241

238 So aber Welzel (1962) S. 336 = (1975) S. 285.


239 Welzel (1969) S. 43 ff.
240 Welzel (1969) S. 45.
94 B. Handlung und normative Zurechnung

Umgekehrt setzt die tatbestandliche, erfolgsdefinierte Handlung also vor-


aus, dass die ursächliche Handlung sozial inadäquat ist. Da das Recht soziale
Maßstäbe nicht ungefiltert übernimmt, kommt es vielmehr darauf an, ob die
fraglichen Handlungen ihrer Art nach rechtlich inadäquat, also von Rechts
wegen verboten sind. Die Kategorie der Sozialadäquanz ist deshalb weitge-
hend mit der von der Lehre von der objektiven Zurechnung postulierten Vo-
raussetzung identisch, dass der Handelnde ein unerlaubtes Risiko geschaffen,
das heißt eine gefährliche Handlung gewählt haben muss, die in einem gene-
rellen Verbot als verboten bezeichnet wird.242

2. Das Problem des Fahrlässigkeitsdelikts – Welzels Lösungsversuche

a) Finalität und Fahrlässigkeit

Weil die finale Lehre die Finalität und den Vorsatz als für eine Handlung
maßgeblich ansieht, fällt es ihr schwer, fahrlässig verursachte Erfolge als
zurechenbar auszuweisen. Die Intention des Täters ist beim Fahrlässigkeits-
delikt nicht auf den Erfolg gerichtet. Wie ist also zu erklären, dass dieser
zugerechnet wird?
Von der kausalen übernahm die finale Lehre die systematische und nor-
mentheoretische Prämisse, jedes Delikt, also auch das fahrlässige, vornorma-
tiv als Handlung zu beschreiben. Der tatbestandlichen Handlung sind dem-
nach die Attribute rechtswidrig und schuldhaft zuzuordnen; Gegenstand der
strafrechtlichen Verbote können nur Handlungen sein.243
Während aber die kausale Lehre den Handlungsbegriff dieser Prämisse
unterordnete und ihn danach ausrichtete, beanspruchte Welzel, den Begriff
am vorgegebenen Gegenstand auszurichten; die dogmatische Systembildung
wurde dem Handlungsbegriff unterworfen. Im Gegenzug bereitete dasjenige
systematische Problem große Schwierigkeiten, nach welchem sich die kau-
sale Lehre ausgerichtet hatte, nämlich das Fahrlässigkeitsdelikt vornormativ
als Handlung zu erweisen.

241 Welzel (1969) S. 55 ff. Zur Rezeption in Literatur und Rechtsprechung Roxin
(1983) S. 303 ff.
242 Ebenso Roxin (1983) S. 310 ff., ders. AT I (2006) § 10 Rn. 38 f., Cancio Melia
(1995) S. 191, Haas (2002) S. 307, Pawlik (2012) S. 212. Schutzzweckerwägungen
ordnet Welzel hingegen der Vorsatzdogmatik zu. Vgl. Welzel (1969) S. 66 (fehlende
Einwirkungsmöglichkeit auf das Geschehen, Beispiel: Jemanden ins Gewitter schi-
cken – was demnach wohl als sozial inadäquat zu beurteilen wäre) und S. 73 (Abwei-
chung vom vorhergesehenen Kausalverlauf).
243 Welzel (1931) S. 720 = (1975) S. 21, Welzel (1969) S. 37, 49 ff., Armin Kauf­
mann (1954) S. 106 ff.
IV. Der finale, subjektive Handlungsbegriff95

Bemerkenswert ist, dass Welzels Versuche, dieses Problem zu lösen, spie-


gelbildlich zu den Versuchen der kausalen Lehre sind, die kausale Handlung
zu begrenzen: Der einen Lehre ging es um die Begrenzung, der anderen um
die Ausweitung der Zurechnung auf das Fahrlässigkeitsdelikt.

b) Erster Ausweg: Vorhersehbarkeit und


Vermeidbarkeit der Verursachung

Welzels erster Lösungsversuch ähnelt der Lehre von der adäquaten Kausa-
lität: Das fahrlässige Begehungsdelikt lässt sich vornormativ als Verursachen
eines tatbestandlichen Erfolgs beschreiben, das vorhersehbar, eventuell sogar
bezweckbar und jedenfalls durch finales Handeln oder Unterlassen vermeid-
bar war. Welzel deutet diese Lösung bereits 1931 an:
„Als eigene Tat oder Handlung einem Subjekt zugehörig und in diesem Sinne ob-
jektiv zurechenbar ist jeder tatbestandlich festgelegte Erfolg, der vom Täter sinn-
haft gesetzt oder dessen Abwendung vorhersehbar und sinnhaft setzbar war.“244
Demnach wäre zunächst jedes vorhersehbare Verursachen des Erfolgs vor-
normativ als Handlung zurechenbar. Um es auch normativ zurechnen zu
können, muss das Urteil, dass der Handelnde den Erfolg vorhersehen konnte,
dahingehend verstärkt werden, dass er ihn vorhersehen und vermeiden sollte.
Vorherseh- und vermeidbar ist das Verursachen, wenn die verursachende
Handlung prospektiv als geeignet einzuschätzen war, den Erfolg zu verursa-
chen.245
Eine bloß möglich gebliebene Finalität, die zumal nicht auf das Erreichen,
sondern Vermeiden des Erfolgs gerichtet ist, hat sich aber gerade nicht ver-
wirklicht.246 Der Begriff der vermeidbaren Verursachung stimmt somit mit
dem kausalen, nicht aber dem finalen Handlungsbegriff überein.247 Er würde
die finale Lehre somit in eine dualistische Konzeption des Gegenstands der
strafrechtlichen Verbote führen. Diese sind entweder auf eine finale Hand-
lung oder auf eine vermeidbare Verursachung des Erfolgs gerichtet. Diese
Konsequenz konnte die finale Lehre nach dem oben Gesagten nicht akzeptie-
ren. Deutlich hierzu Niese:
„Wenn man sagt, dass das unabdingbare Merkmal menschlichen Handelns die Fi-
nalität ist, so kann man von da aus nichtfinales Handeln nicht mehr als Handlung

244 Welzel (1931) S. 720 = (1975) S. 21; ausführlich ders. (1935) S. 80 ff. = 109 ff.
Objektive hier im Gegensatz zur Schuldzurechnung, in Anschluss an Larenz (siehe
oben B.III.4.d)). Bezugnehmend Welzel (1931) S. 718 f. = (1975) S. 20.
245 Vgl. Niese (1951) S. 43, ebenso später Welzel (1969) S. 129.
246 Vgl. Niese (1951) S. 43, Hirsch (2003b) S. 517 f.
247 So bereits Niese (1951) S. 51 ff.
96 B. Handlung und normative Zurechnung

bezeichnen; dadurch würde sich der Finalismus selbst aufheben. Vor dieses Prob-
lem ist der Finalismus gestellt, nachdem die potentielle Finalität als Handlungsmo-
ment ausfällt. […] Wenn [aber] eine unfinale Erfolgsverursachung begrifflich keine
Handlung sein kann, so wird ein Gegner der Finalisten sofort einwerfen: Dann gebt
ihr den geltenden Verbrechensbegriff auf; denn darüber besteht ja nun wenigstens
Einigkeit, dass das Verbrechen Handlung ist; das Fahrlässigkeitsdelikt ist aber als
unfinale Erfolgsverursachung vom Standpunkt der finalen Handlungslehre aus kei-
ne Handlung.“248

c) Zweiter Ausweg: Finale Steuerung des Körperverhaltens

Während die fahrlässige Verursachung keine finale bzw. intentionale


Handlung ist, setzt sie doch eine finale Handlung voraus. So ist die Heraus-
gabe nicht desinfizierter Ziegenhaare, welche den Tod von Fabrikarbeitern
verursacht, eine finale bzw. intentionale Handlung.249 Hierin liegt Welzels
zweiter Ausweg: Bei der Fahrlässigkeit gehe es um die „Art der Ausführung
der finalen Handlung“, um die „Handlungsvollzüge (Steuerungsvorgänge),
welche die im Verkehr […] erforderliche Sorgfalt verletzt haben.“250 Niese
hatte diese Lösung vorgeschlagen: Gegenstand des Tatbestands eines fahr-
lässigen Begehungsdelikts sei die Erfolgsverursachung durch eine finale
Handlung, welche in ihrer Finalität nicht missbilligt ist.251 Der Erfolg und
dessen Verursachung sind nach dieser Lösung nicht mehr Teil der finalen
Handlung.
Das ist für die finale Handlungslehre die einzig konsequente Lösung. Dem
fahrlässigen Begehungsdelikt kann dann im Hinblick auf den Erfolg aber nur
ein Verursachungsverbot zugrunde liegen. Das anzuerkennen, bedeutet zwar
nicht zwingend ein Zurück zur objektiven Unrechtslehre des Kausalismus,
weil die Verursachungsverbote auf die Verbote von verursachungsgeeigneten
Handlungen bezogen werden können. Es wäre gleichwohl eine Konzession
an die kausale Handlungslehre – nicht in der Frage des Handlungsbegriffs,
aber eben darin, dass ein bloßes Verursachen Gegenstand eines Verbots ist.
Vor allem aber hätte die finale Lehre den Anspruch aufgeben müssen, einen
einheitlichen vornormativen Handlungsbegriff für alle Deliktsarten entwi-
ckelt zu haben.

248 Niese (1951) S. 52 f.


249 RGSt 63, 211.
250 Welzel (1969) S. 130. Ebenso Hirsch (2003b) S. 519 f.
251 Niese (1951) S. 53, 58 f. Ebenso Bockelmann (1949) S. 25.
IV. Der finale, subjektive Handlungsbegriff97

3. Die These von der Irrelevanz des Erfolgs

a) Kaufmann und Zielinski

1. Um diese Konsequenz zu vermeiden, konnte die finale Lehre nur noch


die These aufstellen, dass dem fahrlässigen Erfolgsdelikt kein Verbot zu-
grunde liegt, das sich in der Weise auf den Erfolg bezieht, dass es nur bei
Eintritt des Erfolgs missachtet ist, also kein „erfolgsvoraussetzendes Verbot“
wie es ein Erfolgsverursachungsverbot wäre.252 Setzt man die Prämisse, dass
Verbote sich nur auf Handlungen richten können, ergibt sich dieser Schluss
für die finale Lehre zwingend.253
Das Unrecht des Fahrlässigkeitsdelikts wird demnach nur durch Verbote
von unsorgfältigen Handlungen begründet (wie zum Beispiel das Verbot,
nicht desinfizierte, mit Milzbrandbakterien verseuchte Ziegenhaare verarbei-
ten zu lassen), nicht auch durch das Verbot, den Erfolg zu verursachen. Auf
der Ebene des Unrechts unterscheidet sich dann die fahrlässige Verursachung
des Erfolgs nicht von einem folgenlos fahrlässigen Handeln.254 Der Erfolgs-
eintritt erscheint als Merkmal der Sanktionsnorm, nicht der Verhaltensnorm.
Da er aber kausal und normzweckbezogen mit der Handlung verknüpft sein
muss, ist es zweifelhaft, ob er als bloße objektive Bedingung der Strafbarkeit
einzustufen wäre.255 Um die These von der Irrelevanz des Erfolgs zu unter-
mauern, betonte Armin Kaufmann die Zufälligkeit des Erfolgseintritts und
berief sich auch auf die Thesen M. L. Müllers.256
2. Den Erfolg bei der Fahrlässigkeit für irrelevant zu halten, hat aber ei-
nen Preis: Es wirkt sich auch auf das Verständnis von Handlung und Verbot
beim Vorsatzdelikt aus. So gilt die These Müllers unmittelbar für dieses:
Das Verbot richtet sich immer nur auf gefährliche Handlungen; der Erfolgs-
eintritt ist der verbotsgegenständlichen Handlung nicht inbegriffen. Zum
Beispiel erfasse das Tötungsverbot das Krümmen des Fingers am Abzug der
auf einen anderen gerichteten Pistole, unabhängig davon, ob der andere
dann stirbt.257

252 Armin Kaufmann (1964) S. 44, 46 f., ders. (1974) S. 409 ff., Zielinski (1973)
S. 128 ff.,136 ff., 143 f., 152 ff., 191, Schaffstein (1974) S. 561 f., Dornseifer (1989)
S. 433 ff.
253 Deutlich Hirsch (2003b) S. 519.
254 Kritisch daher Renzikowski (1997) S. 214 f.
255 Dafür Armin Kaufmann (1974) S. 411. Dagegen Hirsch (1982) S. 253 ff., ders.
(2003) S. 522.
256 Armin Kaufmann (1964) S. 42 f. m. w. N., ders. (1968 ) S. 51. Zu Müller siehe
B.III.4.c).
257 M. L. Müller (1912) S. 22.
98 B. Handlung und normative Zurechnung

Die Konsequenz, die Voraussetzung des Erfolgseintritts auch aus dem Be-
griff der finalen Handlung zu entfernen, haben Armin Kaufmann und sein
Schüler Zielinski dann auch gezogen. Die wesentlichen Argumente hierfür
sind schon bei Hold von Ferneck angedeutet, der bemerkte, dass „in Wahr-
heit […] doch immer nur der Versuch verboten“ sei: Der Erfolgseintritt sei
bei der Fahrlässigkeit zufällig, und auch beim Vorsatzdelikt werde der Kau-
salverlauf vom Täter nicht vollständig beherrscht.258 Entsprechend argumen-
tiert auch Zielinski: Der Handelnde könne nur sein eigenes Körperverhalten
unmittelbar steuern. Ob dieses tatsächlich verursachungsgeeignet ist und
deshalb den Erfolg verursacht, könne er nicht sicher wissen. Das stehe des-
halb außerhalb des Finalzusammenhangs.259
Handlung und Verbotsgegenstand ist demnach auch beim Vorsatzdelikt
nicht das finale Verursachen des Erfolgs, sondern nur das bewusst verursa-
chungsgeeignete Körperverhalten. Der Erfolgseintritt ist nicht unmittelbar
Gegenstand der Norm, sondern nur als Bezugspunkt von Kenntnis und Ab-
sicht des Handelnden. Zielinski und Kaufmann gingen noch einen Schritt
weiter: Es komme nicht darauf an, ob das Körperverhalten tatsächlich verur-
sachungsgeeignet ist; vielmehr genüge es, dass der Handelnde es dafür halte.
Selbst ein unverständiger oder abergläubischer Versuch, jemanden zu töten,
sei eine finale Tötungshandlung.260
3. Während sowohl die kausale als auch die finale Handlungslehre zwi-
schen dem Körperverhalten und der erfolgsdefinierten Handlung unterschie-
den haben, reduziert diese Theorie die normgegenständliche Handlung auf
das Körperverhalten. Dieses wird von einem psychischen Akt begleitet, der
nicht mehr wie bei der kausalen Lehre inhaltsindifferent als Willkürlichkeit
definiert wird, sondern dessen intentionaler Sinngehalt berücksichtigt wird.
Er bestimmt die Handlung ihrer Art nach (z. B. als quasi „Tötungshandlung“)
ohne Rücksicht darauf, ob die Vorstellung des Handelnden von der Hand-
lungssituation zutrifft oder ob er den Handlungszweck erreicht. Allein das
Körperverhalten muss realisiert sein und wird zugerechnet. Ergebnisse und
Erfolge werden weder vornormativ noch normativ zugerechnet, selbst wenn
sie verwirklicht sind.

258Hold von Ferneck (1911) S. 256 f.


259Zielinski (1973) S. 137: „Eine Norm kann aber … nur einen finalen Akt als
solchen zum Gegenstand haben … Die außerhalb der Finalität des … Handlungspro-
jektes liegenden ‚Unrechtselemente‘ können nicht Normmaterie der gesuchten Norm
des Vollendungsdelikts sein.“ Zum hier verwendeten Begriff des finalen Akts, der
allein das (finale) Körperverhalten bezeichnet, vgl. ibid. S. 128 f., 136, 143. Dieses
Argument kritisiert aus finalistischer Perspektive Hirsch (1982) S. 240 ff., (2002)
S. 7 ff., (2003) S. 520 ff.
260 Zielinski (1973) S. 134, 138 ff., Armin Kaufmann (1974) S. 403.
IV. Der finale, subjektive Handlungsbegriff99

Ursprünglich hat die finale Handlungslehre Erfolg und Intention im Be-


griff der Handlung und somit in der Konzeption des Norminhalts zur De-
ckung gebracht. Handlungsmäßig zurechenbar ist demnach der Erfolg, soweit
der Handelnde ihn bezweckt hat. Welzel sprach diesbezüglich von einer
Sinneinheit. Dieses ursprüngliche Konzept kehrten Kaufmann und Zielinski
zu Lasten des Objektiven um. Außer dem Körperverhalten wird dem Han-
delnden nichts Objektives zugerechnet. Verboten ist nicht eine objektiv ge-
fährliche Handlung, sondern ein Körperverhalten, von welchem der Han-
delnde sich vorstellt, dass es gefährlich sei.
Diese Konzeption führt zu einer radikalen Subjektivierung der normgegen-
ständlichen Handlung und des Unrechts. Insofern ist sie die genaue Gegen-
position zur objektiv-kausalen Unrechtslehre. Doch gibt es gleichsam eine
coincidentia oppositorum: Beide Lehren eint, dass sie mit der Auffassung der
Handlung als Körperverhalten dem Physisch-Gegenständlichen verhaftet
bleiben; von einer Sinneinheit kann keine Rede sein. Ferner ist der methodi-
sche Grundsatz gleich: Während Welzel die Dogmatik nach dem Handlungs-
begriff ausrichten wollte, schneiden Kaufmann und Zielinski den Handlungs-
begriff ebenso wie die kausale Lehre nach den Bedürfnissen der Dogmatik
zu. Ein einheitlicher strafrechtsdogmatischer Handlungsbegriff soll dadurch
ermöglicht werden, dass der Erfolg aus Handlungsbegriff und Norminhalt
ausgeklammert wird.

b) Die Resistenz des Problems:


Notwendig objektiv zu verstehende Verbotsbestandteile

1. Auch der Ausweg, zumindest für das Fahrlässigkeitsdelikt die Relevanz


des Erfolgs zu leugnen, kann das Problem nicht lösen, das diese Deliktsart
der finalen Lehre bereitet. Nicht nur der Erfolg, sondern auch andere ver-
botsrelevante Umstände können beim Fahrlässigkeitsdelikt außerhalb des
Finalzusammenhangs stehen. Eine objektive Auffassung des Verbotsgegen-
stands ist insbesondere bei der unbewussten Fahrlässigkeit unvermeidbar.
Kennt der Handelnde verbotsrelevante, gefahrbegründende Umstände nicht,
wird ihm gleichwohl Fahrlässigkeit zur Last gelegt, wenn er diese Umstände
hat erkennen können und sollen.
Ein Beispiel hierfür ist der Logenschließerfall des Reichsgerichts: Aus ei-
nem an der Garderobe abgegebenen Mantel fiel ein Revolver heraus. „Der
Logenschließer Kr. hat den Revolver, nachdem er ihn aufgehoben, auf die
Brust des Kastellans M. angelegt und in der Meinung, dass er nicht geladen
sei, abgedrückt. Der Schuss hat den M. ins Herz getroffen und dessen sofor-
tigen Tod herbeigeführt.“261 Es gilt ein Verbot, mit geladenen Waffen auf

261 RGSt 34, 91, 92.


100 B. Handlung und normative Zurechnung

Menschen zu schießen. Obgleich der Logenschließer nicht wusste, dass die


Waffe geladen war, wird ihm das Schießen mit geladener Waffe normativ
zugerechnet – weil er hat erkennen können und sollen, dass die Waffe gela-
den war, indem er etwa zuvor überprüft, ob das der Fall ist. Die Zurechnung
setzt wiederum nicht voraus, dass dem Logenschließer bewusst war, dass er
die Überprüfung unterlässt. Sie beruht im Fall unbewusster Fahrlässigkeit
auf dem Kennensollen, nicht auf tatsächlicher Kenntnis von Normen, Situa-
tionsumständen und Handlungsmöglichkeiten.
Demgegenüber hat Zielinski die Finalität der fahrlässigen Handlungsweise
dadurch erweisen wollen, dass er diejenigen Umstände, die nicht von der
Intention umfasst sind, im Verbot nicht oder nur innerhalb einer „ohne-zu“-
Bedingung berücksichtigt. Er geht im Beispiel von einem Verbot aus, einen
Revolver zu betätigen, ohne zuvor zu überprüfen, ob er geladen ist und ihn
gegebenenfalls zu entladen. Die Erfüllung dieser „ohne-zu“-Bedingung hin-
dere lediglich die Konkretisierung des generellen Verbots der finalen Hand-
lung zur singulären Unterlassungspflicht.262 Demnach lautet das generelle
Verbot im genannten Fall: „Betätige keinen Revolver!“ Erfüllt der Handelnde
die „ohne-zu“-Bedingung – prüft und entlädt er also den Revolver – hindert
das die Konkretisierung des Verbots zur Unterlassungsplicht. Erfüllt er jene
Bedingung bewusst oder unbewusst nicht, gilt eine Unterlassungspflicht.
Offenbar muss aber dem Handelnden nicht zwingend bewusst sein, dass er
die Vorsorgehandlungen unterlässt.
2. Strafrechtsdogmatisch bestehen gegen objektiv zu verstehende Verbots-
bedingungen keine Bedenken. Sie führen nicht zurück zu einer objektiven
Unrechtslehre, weil an die Stelle der Intentionalität das Urteil über das Ken-
nensollen gesetzt wird, für welches man wiederum voraussetzt, dass es dem
Handelnden möglich war, die Verbotssituation zu erkennen.263
Wenn für die Fahrlässigkeit somit Verbote anzunehmen sind, welche auf
Situationsumstände oder Handlungs- und Erkenntnismöglichkeiten Bezug
nehmen, die der Handelnde intentional nicht erfasst hat, liegt es nahe, dass es
auch möglich ist, Verbote anzunehmen, den Erfolg zu verursachen, ohne dass
diese Verursachung intendiert sein muss. Auch das führt nicht in eine objek-
tive Unrechtskonzeption, weil insoweit an die Stelle der Intention das Urteil
tritt, dass der Handelnde den Erfolg vermeiden konnte und sollte. Somit
entfällt der wichtigste Einwand, der gegen erfolgsvoraussetzende Verbote
vorgebracht wird.264

262 Zielinski (1973) S. 182 f.


263 Hierzu unten C.V.4.b).
264 Vgl. etwa Roxin (1962) S. 529.
IV. Der finale, subjektive Handlungsbegriff101

Für die Anerkennung von objektiv zu verstehenden Verbotsinhalten spricht


auch, dass die Bestimmung des Verbotenen nicht nur von der Kenntnis des
Handelnden abhängig sein kann. Die Aufforderung, Acht zu geben, die Situ-
ation zutreffend zu erfassen und vorausschauend Gefahren zu erkennen, geht
nur von Verboten aus, deren Inhalt sich nicht allein nach der Kenntnis des
Handelnden bestimmt. Nur wenn der Handelnde weiß, dass seine Kenntnis
für die Beurteilung nicht der alleinige Maßstab ist, wird er zur Aufmerksam-
keit angehalten. Alles andere wäre als Freibrief und Empfehlung zu verste-
hen, nur geringe Aufmerksamkeit aufzubringen.

c) Die Relevanz des Erfolgs für Handlung und Norm

1. Hinsichtlich der Frage, ob der Erfolgseintritt im Rahmen von Handlung


und Norm zu berücksichtigen sei, sah Kaufmann die Begründungslast bei der
Position, die ihn berücksichtigt, weil sie dem Erfolgseintritt bei der Fahrläs-
sigkeit strafbegründende und beim Vorsatzdelikt strafrahmendefinierende
Funktion zumisst.265 Angesichts der strafbarkeitsausweitenden Tendenz von
Kaufmanns Lehre ist die Annahme einer Art „Beweislast“ zwar zweifelhaft.
Gleichwohl seien die mit der Berücksichtigung des Erfolgs zusammenhän-
genden Fragen ausführlicher erörtert.266
Es stehen sich eine monistische und eine dualistische Konzeption der
strafrechtlichen Verbote gegenüber: Die dualistische Konzeption unterschei-
det zwischen Verboten von erfolgsdefinierten Handlungen (z. B. „töten“) und
Verboten von erfolgsgeeigneten Handlungen (z. B. „schießen“).267 Die mo-
nistische Konzeption geht allein von letzteren aus und leugnet die Relevanz
von Verboten erfolgsdefinierter Handlungen.
2. Dagegen, Verbote erfolgsdefinierter Handlungen anzunehmen, wurde
vorgebracht, dass der Handelnde unmittelbar nur sein Körperverhalten steu-
ern könne. Ob der Erfolg eintrete, sei prospektiv nicht gewiss. Es könne auch
nicht von einem künftigen Ereignis abhängen, ob ein Handeln verboten sei
oder nicht.268
Das trifft zwar zu, spricht aber nicht gegen Verbote erfolgsdefinierter
Handlungen:

265 Armin Kaufmann (1968) S. 51.


266 Siehe auch bereits B.II.3., B.III.2.c). Umfassend hierzu auch Burchard (2008)
S. 151 ff. und unter Einbeziehung der „moral-luck“-Debatte Grosse-Wilde (2017)
S. 116 ff.
267 Siehe hierzu schon unter B.III.4.d).
268 Zu diesem zentralen und, wie gesehen, auch von Kaufmann angeführten Kon­
troll- und Zufallsargument Grosse-Wilde (2017) S. 128 ff.
102 B. Handlung und normative Zurechnung

a) Aus dem Umstand, dass der Handelnde nur sein Körperverhalten un-
mittelbar steuern kann, folgt nicht, dass nur dieses geboten oder verboten
werden könnte.
Strukturell unterscheidet sich eine Körperbewegungshandlung nicht von
einer Handlung mit beliebigem anderen Handlungsergebnis. Auch die Norm,
die bloß eine Körperbewegungshandlung gebietet oder verbietet, betrifft pro-
spektiv gesehen ein künftiges Ereignis, dessen Verwirklichung ebenso wie
die jedes anderen kontingenten Ereignisses prinzipiell nicht gewiss ist und
scheitern kann. Dass die Ausführung einer Körperbewegungshandlung mit
geringerer Wahrscheinlichkeit scheitern wird als die Verwirklichung einer
durch einen anderen Erfolg definierten Handlung, kann nicht relevant sein.
Wenn es so wäre, könnte man aber auch nicht legitimieren, den Versuch je-
ner Handlung zu gebieten oder verbieten.
Es behauptet aber wohl niemand ernstlich, dass es nicht verboten werden
kann, einen anderen zu töten oder dies zu versuchen, nur weil nicht sicher
ist, dass man das auch schaffen wird. Gelingt es jemandem, einen anderen zu
töten, beweist sich im Einzelfall, dass die Möglichkeit bestand.
Gleiches gilt mit Blick auf Gebote erfolgsdefinierter Handlungen: Wenn
ein Kind im Teich zu ertrinken droht, ist den Eltern geboten, es nach Mög-
lichkeit zu retten. Dass das Kind eventuell nicht mehr zu retten war, wird
retrospektiv berücksichtigt, indem gegebenenfalls ein Verstoß gegen das
Gebot nicht angenommen wird. Wenn das Kind aber mit höchster Wahr-
scheinlichkeit zu retten war und die Eltern es nicht gerettet haben, ist das
Gebot missachtet.
b) Ein zweites Argument betrifft ebenfalls die prinzipielle Ungewissheit
des Erfolgseintritts: Es könne nicht von einem künftigen Erfolgseintritt ab-
hängen, ob ein Handeln verboten sei oder nicht.
Es trifft zwar zu, dass das Verbot einer Handlung nicht durch den Eintritt
eines künftigen Ereignisses bedingt sein kann, weil ansonsten prospektiv
nicht bestimmbar wäre, ob eine projizierte Handlung, die ihrer Art nach von
dem Verbot bezeichnet wird, im Einzelfall verboten oder erlaubt wäre. Ein
Verbot des Schießens, das dadurch bedingt ist, dass das Schießen den Tod
einer Person zur Folge hat, kann es deshalb nicht geben. Es ist nicht mög-
lich, eine Handlung prospektiv als „verboten oder erlaubt“ zu bestimmen,
und erst retrospektiv, falls der Erfolg eintritt, als eindeutig verboten oder,
falls er nicht eintritt, als eindeutig erlaubt.
Dieses Problem besteht aber bei dem Verbot einer erfolgsdefinierten Hand-
lung wie der Tötung nicht. Das Verbot der Tötung ist gerade nicht bedingt
durch den Eintritt eines künftigen Ereignisses. Vielmehr vollendet sich die
Tötung erst, wenn der Tod eines anderen eintritt. Der normative Status der
IV. Der finale, subjektive Handlungsbegriff103

Handlung Töten als verboten oder erlaubt bleibt im Einzelfall in keinem


Moment unbestimmt. Vielmehr kann eine projizierte und dann gegebenen-
falls vollendete Tötung in jedem Moment als verboten bestimmt werden.
Ungewiss ist nur, ob diese Handlung verwirklicht wird, bis der Tod eintritt.
Es stellt sich aber nicht das logische Problem der Unbestimmbarkeit des
normativen Status.
Viel Verwirrung stiftet hier die Vorstellung von der Handlung als Körper-
bewegung. Identifiziert man die Tötungshandlung mit dem Schießen bzw.
der hierzu erforderlichen Körperbewegung, fällt es schwer, plausibel zu ma-
chen, wie der Todeseintritt in der normgegenständlichen Handlung verankert
wird. Er erscheint dann als ein künftiges Ereignis, dessen Eintritt das Verbot
nicht zur Bedingung dessen machen kann, dass diejenige Körperbewegung
verboten ist, die zugleich das Schießen verwirklicht und mit dem Töten iden-
tifiziert wird.
Aus einer solchen Prämisse kann aber kein Einwand gegen ein Konzept
von Handlungsarten vorgebracht werden, welche durch den Erfolgseintritt
definiert werden. Dass das Konzept der Handlung als Körperbewegung nicht
überzeugend in der Lage ist, außerhalb der Körperbewegung liegende Er-
folge einzubeziehen, sollte eher dazu führen, dass man sich von diesem
Konzept verabschiedet.
3. Ein dualistisches Normenkonzept hat gegenüber einem monistischen
den Vorteil größerer begrifflicher und analytischer Klarheit. Es macht deut-
lich, dass die erfolgsdefinierte Handlung und deren Ausführungshandlung
zwei unterschiedliche Handlungen sind, die deshalb gegebenenfalls von zwei
unterschiedlichen Verboten erfasst sind.269
Im Fall, dass A den B tötet, indem er auf ihn schießt, widerspricht das
Schießen als solches nicht dem generellen Verbot, andere zu töten, sondern
nur dem generellen Verbot, auf andere zu schießen; erst wenn der Tod ein-
tritt, ist auch das generelle Verbot missachtet, andere zu töten. Das Schießen
wird nicht von dem Verbot des Tötens erfasst, weil der Begriff des Schießens
nicht im Begriff des Tötens impliziert ist.
Das Verbot des Schießens ist vielmehr teleologisch auf das Verbot des
Tötens bezogen, da das Schießen eine Handlung ist, die möglicherweise den

269 Vgl. auch B.III.4.d) und C.V.3. Die Anerkennung beider Verbotsarten kann
auch als Rekonstruktion des Inhalts eines entsprechenden subjektiven Rechts des Ver-
letzten aufgefasst werden, denn Rechte sind nichts anderes als Normen. Gerade in der
subjektiv-rechtlichen Perspektive sehen Burchard (2008) S. 164 ff. und Grosse-Wilde
(2017) S. 142 ff. ein entscheidendes Argument für die Berücksichtigung des Erfolgs.
Letzterer nimmt sogar ein „subjektives Recht des Opfers einer Straftat auf Folgenbe-
rücksichtigung“ an.
104 B. Handlung und normative Zurechnung

Tod eines anderen verursacht und die deshalb verboten ist. Das Verbot des
Tötens gibt dem Handelnden somit einen Zweck vor, den er nicht verfolgen
soll. Das Verbot des Schießens betrifft demgegenüber ein Mittel, das der
Handelnde nicht ergreifen soll. Die Ableitung des Verbots zu schießen aus
dem Verbot zu töten ist somit ein praktischer Schluss.270 Bezieht man in das
Schema dieses Schlusses den Versuch ein, ist folgende teleologische Norm-
ableitung darstellbar:
(1) Es ist verboten, eine erfolgsdefinierte Handlung (z. B. töten) zu verwirk-
lichen.
(2) Eine erfolgsdefinierte Handlung kann man nur verwirklichen, indem
man diese Handlung versucht.
(3) Also ist es verboten, die erfolgsdefinierte Handlung zu versuchen.
(4) Eine erfolgsdefinierte Handlung kann man nur versuchen, indem man
Handlungen wählt, die man für möglicherweise verursachungsgeeignet
hält.
(5) Also sind Handlungen verboten, die man für möglicherweise verursa-
chungsgeeignet hält.
Dass die unter (1), (3) und (5) formulierten Verbote mit Blick auf die Be-
stimmungsfunktion äquivalent sind, spricht jedenfalls nicht dafür, nur einige
von ihnen anzuerkennen, andere aber nicht. Auch sind Bedeutungsunter-
schiede nicht zu leugnen. Deshalb trifft der folgende Einwand Zielinskis
nicht zu:
„Die Vollendungsnorm begründet keine Pflicht, die nicht auch schon durch die
Versuchsnorm begründet wäre. Eine Norm, die zu nichts anderem verpflichten
vermag als eine andere Norm, ist keine Norm neben dieser anderen Norm, sondern
eben diese andere Norm bzw. ein Teil von dieser, wenn sie obendrein einen enge-
ren Geltungsbereich hat.“271
Dass das Verbot der Vollendung „zu nichts anderem“ verpflichten soll als
das Verbot des Versuchs, wird wiederum nur vor dem Hintergrund der Vor-
stellung verständlich, dass die Handlung eine Körperbewegung ist und dass
diese Körperbewegung mit dem abgeschlossenen Versuch schon vollendet
ist. Diese Vorstellung ist unangemessen. Eine vollendete Handlung wird im-
mer durch den Erfolgseintritt mit konstituiert. Insofern verpflichtet das Ver-
bot dieser Handlung zu etwas anderem als das Verbot, diese Handlung zu
versuchen. Identisch ist nur das Nichtunterscheidbare.

270 von Wright (1977) S. 56 ff. Zum praktischen Syllogismus Anscombe (1986)
S. 91 ff., p. 57 ff., von Wright (1977) S. 61 ff., Kindhäuser (1989) S. 54 ff. Zur teleolo-
gischen Normableitung auch Philipps (1974) S. 58 ff., Ast (2010) S. 22 ff.
271 Zielinski (1973) S. 141.
IV. Der finale, subjektive Handlungsbegriff105

Im Übrigen ist die geschilderte Ableitungsstruktur in der Tat dadurch ge-


kennzeichnet, dass das Verbot zu (5) über das Verbot zu (3) und dieses wie-
derum über das Verbot zu (1) hinausgeht, so dass es sich nicht bloß um eine
logische Ableitung handelt. Weil somit in umgekehrter Richtung eine Ein­
engung gegeben ist, wäre eine entsprechende Ableitung weniger problema-
tisch, hat aber ebenfalls wohl nur praktisch-teleologischen und nicht logi-
schen Charakter. Es wäre teleologisch widersprüchlich, wenn der Versuch
einer Handlung zwar verboten, die Handlung selbst aber erlaubt wäre. Ei-
gentlich spricht schon das gegen die These, dass Verbote erfolgsdefinierter
Handlungen nicht anzunehmen sind. Wenn man Verbote annimmt, erfolgsde-
finierte Handlungen zu versuchen, muss man auch Verbote annehmen, diese
Handlungen zu vollenden.
Wenn eine monistische Konzeption der strafrechtlichen Normen stattdessen
meint, ohne Verbote erfolgsdefinierter Handlungen auszukommen, leugnet sie
ferner ausgerechnet jene Normart, die sich unzweifelhaft aus dem Strafgesetz
ableiten lässt, welches eine erfolgsdefinierte Handlung wie das Töten unter
Strafe stellt. Die Strafbarkeit des Versuchs ist auf die Strafbarkeit der Vollen-
dung nur bezogen; und wenn der Versuch nicht strafbar ist, ist es bloße theo-
retische Spekulation, ob er von Rechts wegen als verboten gelten muss.
4. Die größere Genauigkeit eines dualistischen Normenkonzepts wird
nicht nur mit Blick auf die Bestimmungsfunktion, sondern auch die Bewer-
tungsfunktion von Normen deutlich.
Folgt man einem differenzierenden Normenkonzept, ist der Begriff der
normativen Zurechnung des Erfolgs klar definierbar: Die Zurechnung wird
durch die Annahme eines Verbotsverstoßes begründet; der Zurechnungsge-
genstand ist der Erfolg derjenigen Handlung, die Gegenstand des Verbots ist.
Es ist somit immer vom Gegenstand des anzunehmenden Verbots abhängig,
was im normativen Sinn zugerechnet wird.272
Dementsprechend wird der Erfolg nur zugerechnet, wenn angenommen
wird, dass der Handelnde das Verbot einer erfolgsdefinierten Handlung miss-
achtet hat. Das Verbot des Versuchs dieser Handlung oder die Verbote von
verursachungsgeeigneten Handlungen können die Erfolgszurechnung demge-
genüber nicht begründen. Wenn etwa bloß das Schießen verboten wäre,
würde der Handelnde nur dafür verantwortlich gemacht, dass er geschossen
hat. Weil vielmehr auch das Töten verboten ist, wird der Handelnde für den
Tod des Erschossenen verantwortlich gemacht.
Ein monistisches Konzept der strafrechtlichen Normen, das die Relevanz
des Erfolgs für die Normen leugnet, kann demgegenüber nicht einen ver-

272 Siehe bereits B.I.2.


106 B. Handlung und normative Zurechnung

gleichbar einfachen Begriff der Erfolgszurechnung entwerfen. Kaufmann


schreibt etwa: „Der Erfolg [ist] dem Täter in dem Sinne zurechenbar, dass er
eine mit Bezug auf diesen Erfolg bestimmte Sorgfaltsverletzung in vorwerf-
barer Weise begangen hat.“273 Da eine Sogfaltspflichtverletzung auch folgen-
los bleiben kann, wird nicht klar, wie die Verletzung der Sorgfaltspflicht der
Grund der Erfolgszurechnung wird. Deshalb ist auch im Fahrlässigkeitsbe-
reich als zurechnungsbegründend ein Verbot anzunehmen, den Erfolg durch
eigene Handlungen zu verursachen. Nur wenn neben den Sorgfaltspflichten
auch dieses Verbot verletzt ist, wird der Erfolg zugerechnet.
Solange im Strafrecht Täter für Erfolge verantwortlich gemacht werden,
ist ein Konzept erfolgsdefinierter Handlungen und entsprechender Verbote
angemessen. Wenn auch die Erfolgsorientierung des Strafrechts mitunter
skeptisch beurteilt wird,274 ist doch der eingetretene Schaden eine plausi-
ble Schwelle, ab welcher Strafrecht einsetzen kann. Die verbindliche und
symbolisch aufgeladene Zuweisung von Verantwortung für Schäden ist
eine wichtige Aufgabe des Strafrechtssystems. Auch ist Strafe, die für den
Täter immer ein Verlust von Freiheit ist, eine plausible Reaktion auf den
Verlust von Freiheit, den der Verletzte durch einen schädlichen Erfolg er-
litten hat.

4. Vermeidbarkeit statt Finalität – Jakobs Handlungsbegriff

a) Der Begriff der individuell vermeidbaren Verursachung

Ebenso wie Kaufmann radikalisierte auch Jakobs in seinen „Studien zum


fahrlässigen Erfolgsdelikt“ einen der beiden Ansätze, die Welzel entwickelt
hatte, um das Fahrlässigkeitsdelikt in die finale Handlungslehre zu integrie-
ren. Jakobs knüpfte daran an, die fahrlässige Verursachung vornormativ als
vermeidbar zu beschreiben.
Als finale Handlung konnte sie so freilich nicht ausgewiesen werden, weil
eine potentiell gebliebene Finalität sich gerade nicht verwirklicht hat.275 Das
Verhältnis beider Begriffe kann jedoch umgekehrt bestimmt werden: Zwar ist
nicht jede vermeidbare Verursachung eine finale Handlung, aber jede finale
Handlung ist eine vermeidbare Verursachung. Gibt man den Anspruch auf,
dass der finale Handlungsbegriff als Oberbegriff des Verbrechenssystems
fungiert, kann man den Begriff der vermeidbaren Verursachung an diese
Stelle setzen. Hierauf baut Jakobs auf; er schreibt:

273 Armin Kaufmann (1964) S. 53.


274 Etwa Degener (1991) S. 357, 397.
275 Siehe B.IV.2.b).
IV. Der finale, subjektive Handlungsbegriff107

„Die individuell vermeidbare Erfolgsverursachung ist der Oberbegriff für vorsätzli-


ches und (individuell) fahrlässiges Handeln. Die Erkenntnis des Verhaltensvollzugs
und gegebenenfalls seiner Folgen (bei Vorsatz) oder die individuelle Erkennbarkeit
(bei Fahrlässigkeit) gehören als Bedingungen der Vermeidung zur Handlung und
damit zum Unrecht.“276
Was vermeidbar ist, bestimmt Jakobs unabhängig von rechtlichen Vorga-
ben, methodisch übereinstimmend mit der kausalen und finalen Lehre.277 Zu
fragen sei, ob der Handelnde vermieden hätte, den Erfolg zu verursachen,
wenn er ein darauf gerichtetes dominantes Motiv gehabt hätte.278 Die zum
Vorhersehen und Vermeiden erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten (als
Bedingungen der Möglichkeit, den Erfolg vorherzusehen und zu vermeiden)
werden dabei individuell bestimmt,279 während Welzel den Fahrlässigkeits-
maßstab generalisierte.280 Die Individualisierung ist schlüssige Konsequenz
einer primär beschreibenden Konzeption der Fahrlässigkeit, weil mit den in-
dividuellen Fähigkeiten ein konkreter, beschreibbarer Sachverhalt gegeben
ist, während ein generalisierender, an durchschnittlichen Kenntnissen und
Fähigkeiten ausgerichteter Maßstab nur normativ überzeugend begründet
werden kann. Soweit diese Konzeption das Notwehrrecht gegen Fahrlässig-
keitstaten einschränkt,281 kann dies durch Zuerkennung eines Defensivnot-
standsrechts kompensiert werden.282

b) Vermeidbarkeit und Finalität

Obgleich der Begriff der Handlung als individuell vermeidbarer Verursa-


chung dem normativen Urteil über das Vorhersehen- und Vermeidensollen
einen individuellen Maßstab vorgibt, wird der Handlungssinn somit anders
als beim finalen Handlungsbegriff wesentlich über die Perspektive eines Be-
obachters bestimmt. Er wird nicht als Handlungszweck vom Handelnden
selbst gesetzt. Vielmehr unterstellt ein Beobachter kontrafaktisch einen Ver-
lauf, in welchem der Handelnde ein dominantes Vermeidemotiv hat, die Ge-
fahr erkennt und gegensteuert. Selbst bei einer finalen Handlung wird die

276 Jakobs AT (1991) 6 / 27, S. 141. Ähnliche Ansätze, die Vermeidbarkeit als
Oberbegriff zu setzen, in Bezug auch auf das Unterlassungsdelikt Herzberg (1972)
S. 170 f., (2007) S. 154 f. Hierzu Jakobs (1991) 6 / 32 f. In Bezug auf eine „subjektive
Zurechnung“ Pawlik (2012) S. 367 ff., 372 f. m. w. N.
277 Jakobs (1972) S. 35, 39, 45.
278 Jakobs (1972 S. 34 ff., 41 ff.
279 Jakobs (1972) S. 69.
280 Welzel (1969) S. 131 ff. Hierzu Jakobs (1972) S. 70 ff.
281 Hierzu Jakobs (1972) S. 16 f.
282 So Renzikowski (1997) S. 253 ff.
108 B. Handlung und normative Zurechnung

reale Finalität nur noch vermittelt herangezogen, als Argument für die Mög-
lichkeit einer alternativen, auf Vermeidung gerichteten Sinnsetzung. Sie wird
somit nicht mehr als sinnsetzendes Element berücksichtigt.
Dementsprechend ist Jakobs’ Handlungsbegriff ein objektiver. Die Finali-
tät ist in seinem Konzept nicht mehr wesentliches Merkmal der Handlung.
Dass für den Vorsatztäter das Verursachen eines Erfolgs vermeidbar war,
lässt sich begründen, ohne den Verursachungsvorsatz zu berücksichtigen.
Man muss nicht einmal darauf abstellen, dass der Täter die Gefährlichkeit
seines Handelns erkannte; denn für das Vermeidbarkeitsurteil kommt es nicht
auf die aktuelle, sondern allein auf die potentielle Kenntnis der Gefährlich-
keit an. Dass ein Handelnder aktuell Kenntnis hatte, bestätigt lediglich, dass
ihm Kenntnis möglich war. Dieses Urteil kann aber, wie sonst bei der Fahr-
lässigkeit, prinzipiell bereits daraus erschlossen werden, dass die relevanten
Situationsumstände wahrnehmbar waren und dass es dem Täter möglich war,
sie zu erkennen. Seine tatsächliche Kenntnis ist somit ein starkes, aber nicht
unabdingbares Argument für die Vermeidbarkeit. Jakobs’ Behauptung, dass
„im Vorsatzbereich […] im Ergebnis kein Unterschied zum finalen Hand-
lungsbegriff“ besteht, trifft deshalb nicht zu.283
Der Vorsatz ist dementsprechend auch nicht Teil der verbotsgegenständli-
chen Handlung. Gegenstand des Verbots ist allein die vermeidbare Verursa-
chung. Daneben noch für Vorsatz und Fahrlässigkeit weitere eigenständige
Verbote anzunehmen, ist unnötig, da die tatsächliche Kenntnis (Vorsatz) bzw.
die Erkennbarkeit (Fahrlässigkeit) nur plausibel machen, dass die Verursa-
chung vermeidbar war. Das Konzept führt somit auch sachlich zurück zu
eingeschränkten Verursachungsverboten im Sinn der kausalen Lehre. Der
Begriff der Handlung als vermeidbarer Verursachung kann nicht begründen,
dass der Vorsatz Bestandteil der verbotsgegenständlichen Handlung und Vo­
raussetzung des Unrechts ist.

c) Die normative Orientierung des Vermeidbarkeitsurteils

Rechnet man einem Handelnden etwas nicht bewusst, aber vermeidbar


Verursachtes als Handlungsergebnis zu, verweist das darauf, dass er dafür
verantwortlich gemacht wird. Demgegenüber wird aufgrund der Finalität,
also einer beliebigen Zwecksetzung, auch zugerechnet, wenn eine normative
Bewertung nicht im Raum steht. Geht es im Alltagsdiskurs um Vermeidbar-
keit, wird etwas zu Vermeidendes, negativ Bewertetes ins Auge gefasst.
Gleichgültige Folgen einer Handlung kommen nicht in Betracht. Beispiel-
haft: Ich lasse die Gartentür offen, worauf sich eine Katze in den Garten

283 Jakobs AT (1991) S. 141.


IV. Der finale, subjektive Handlungsbegriff109

schleicht. Man wird kaum sagen, dass ich die Katze in den Garten gelassen
habe, obgleich ich hätte vermeiden können, dass sie hineingelangt.
Das Urteil über die Vermeidbarkeit wird somit zumeist schon mit Blick
auf Normen gefällt. So fragt sich bereits, warum ein Handelnder eine unter-
stellte Vermeide-Intention fassen sollte – doch nur entweder aufgrund eigener
Zwecksetzungen oder mit Blick auf Verbote und Gebote, welche zu vermei-
dende Erfolge vorgeben. Darüber hinaus werden sich die Maßstäbe, nach
denen das Vermeidbarkeitsurteil gefällt wird, häufig an den generalisierten
Sorgfaltsnormen ausrichten, auch wenn die individuelle Vermeidbarkeit be-
rücksichtigt wird. Die geltenden Sorgfaltsstandards wird der Handelnde nicht
immer gleichsam aus sich selbst heraus schöpfen und durch Überlegung er-
mitteln können. Häufig sind sie sozusagen klüger als er und machen auf
denkbare Risiken aufmerksam – gerade in ausdifferenzierten Arbeitsberei-
chen wie der Medizin. Abgelöst von ihnen muss man auf den Aspekt der
Vorhersehbarkeit und Vermeidbarkeit nur zurückgreifen, wenn für eine
Handlungssituation keine Sorgfaltsnormen institutionalisiert sind. Wenn
Sorgfaltsnormen bestehen, erschließt sich das Risiko einer durch sie verbote-
nen Handlung gerade aus dem generellen Verbot.
Nur wenn man das Vermeidbarkeitsurteil in dieser Weise als normativ
fundiert versteht, ist Jakobs’ These haltbar, dass „die ‚natürliche‘, vorrechtli-
che Fahrlässigkeit hinsichtlich des Verhaltens bereits die Fahrlässigkeit über-
haupt“ bilde.284 Jakobs trifft sich hier mit der Lehre von der objektiven Zu-
rechnung, welche sich aber ausdrücklich auf die Sorgfaltsregeln, das heißt
die Bestimmung eines „unerlaubten Risikos“ stützt.
Im Unterschied zur Lehre von der objektiven Zurechnung muss Jakobs
aber auch die Verwirklichung eines erlaubten Risikos als Handlung auswei-
sen, denn in diesen Fällen ist eine Schädigung zwar vorhersehbar und ver-
meidbar, sie soll aber nicht vorhergesehen und vermieden werden. Dement-
sprechend kann Jakobs diese Fälle erst durch eine Limitierung der Verhal-
tensnorm aus dem Bereich der Strafbarkeit ausschließen.285 Die deskriptiv zu
bestimmende Vermeidbarkeit determiniert das normative Urteil über das
Vorhersehen- und Vermeidensollen somit nicht vollständig.
Fragt man nun, warum die Vermeidbarkeit die Zurechenbarkeit begrenzen
soll, kann man nicht wie hinsichtlich der Finalität auf eine vorrechtliche
Zurechnungspraxis verweisen. Vielmehr stößt man auf einen originär norma-
tiven Gedanken: Wenn ein Erfolg zu vermeiden ist, soll man alles tun oder
lassen, was möglich ist, um ihn zu vermeiden. Zugleich ist man aber auch
nur auf das Mögliche verpflichtet. Das Prinzip des ultra posse nemo obliga­

284 Jakobs (1972) S. 41.


285 Jakobs (1972) S. 87 ff.
110 B. Handlung und normative Zurechnung

tur wird somit in den Handlungsbegriff eingebaut: Was man nicht vorherse-
hen und vermeiden kann, das vorherzusehen und zu vermeiden darf man
nicht verpflichtet werden. Hierin liegt zugleich der legitimatorische Anspruch
dieses Handlungsbegriffs, der nicht nur, wie der kausale Begriff, eine dogma-
tische Abstraktion sein will.

5. Der intentionale Handlungsbegriff – Kindhäuser

a) Der finale, der intentionale und


der deliktssystematische Grundbegriff der Handlung

Kindhäuser hat in seiner sprachphilosophisch orientierten Untersuchung


zum Handlungsbegriff eine Position entwickelt, die insofern in der Entwick-
lungslinie der finalen Handlungslehre steht, als der Handlungsintention zen­
trale Bedeutung zukommt.
Der deutlichste Unterschied zur finalen Lehre ist, dass der Wille nicht als
Kausalfaktor verstanden wird, der die Körperbewegung und die Handlungs-
ergebnisse verursacht.286 Der Wille ist der Handlung nicht als solcher vorge-
geben, sondern ist lediglich als Intention logischer Bestandteil einer be-
stimmten Handlungsbeschreibung. Die Intention ist deshalb inhaltlich relativ
zu einer Handlungszuschreibung (bzw. -zurechnung).287 Anknüpfungspunkt
der Kausalität ist erst die Basishandlung im Sinne einer willkürlichen Kör-
perbewegung.
Im Übrigen stimmt die intentionale mit der finalen Lehre durchaus über-
ein.288 Sie versteht die Intention als Absicht bzw. Zwecksetzung, begrenzt sie
aber hierauf.289 Das wissentliche oder eventualvorsätzliche Inkaufnehmen
von Nebenfolgen wird nicht als handlungskonstituierend aufgefasst, weil die
Erfolgsverursachung dann kein Handlungsgrund ist.290
Methodisch geht Kindhäuser von der Analyse der Umgangssprache aus.291
Gleichwohl übernahm er zunächst (1980) den an den dogmatisch-konstrukti-
ven Handlungsbegriff gestellten Anspruch, Oberbegriff des Verbrechenssys-
tems und Bezugsobjekt der Merkmale Tatbestandlichkeit, Rechtswidrigkeit

286 So Welzel (1939) S. 102 = (1975) S. 129, kritisch Kindhäuser (1980a) S. 183,
186.
287 Kindhäuser (1980a) S. 158 f., 216.
288 Ebenso, die intentionale und finale Lehre vergleichend, Küpper (1990) S. 63 ff.,
70.
289 Kindhäuser (2011) S. 42.
290 Kindhäuser (2011) S. 58, vgl. auch (1989) S. 52.
291 Kindhäuser (1980a) S. 16, beispielhaft S. 214.
IV. Der finale, subjektive Handlungsbegriff111

und Schuld zu sein.292 Er definierte die Handlung als „entscheidbares Tun,


durch das der Handelnde in der Lage ist, ein Ereignis herbeizuführen“,293
wodurch er sowohl das Unterlassungs- als auch das Fahrlässigkeitsdelikt als
Handlung erfassen wollte.294
Auf die Vermeidbarkeit auszuweichen, widerspricht aber der intentionalis-
tischen Prämisse, weil es – wie schon zu Welzel und Jakobs nachgewiesen –
einer objektiv-kausalen Handlungsdefinition entspricht. Auch mit Welzel auf
die Fehlsteuerung einer intentionalen Handlung abzustellen,295 kann den
fahrlässig verursachten Erfolg nicht als Handlungsergebnis ausweisen.296 Der
objektive (quasi kausale) Charakter der vorgeschlagenen Handlungsdefini-
tion wird vollends deutlich, wenn Kindhäuser auf seiner Grundlage konse-
quent den Vorsatz nur als Schuldform auffasst.297 Der Begriff der vermeidba-
ren Erfolgsherbeiführung (durch Verursachen oder Nichtverhindern dessel-
ben) erweist sich somit einmal mehr als unvereinbar mit einem intentionalen
oder finalen Handlungsverständnis.

b) Abschied vom Primat der Handlungslehre

Konsequent gibt Kindhäuser dann (1989) den Anspruch auf, dass der in-
tentionale Handlungsbegriff auch das Fahrlässigkeitsdelikt erfassen müsse.
Eine rein intentional orientierte Handlungslehre kann das Fahrlässigkeitsde-
likt weder vornormativ noch normativ – im Sinne einer Straftat – als Hand-
lung ausweisen.298
Gegenstand des Verbots ist demnach nicht zwingend eine Handlung. Dem
Handelnden wird stattdessen vorgeworfen, dass er „das von ihm durch sein
Verhalten verursachte Geschehen nicht durch normgemäßes Handeln vermie-
den hat.“299 Dieses Konzept geht somit einerseits von Verboten eines Verhal-
tens aus, das den Erfolg verursacht, andererseits von Geboten intentionaler
Vermeidehandlungen.300 Nur bei Absichtsdelikten wie dem Betrug und Dieb-
stahl ist eine intentionale Handlung vorausgesetzt.301 Der Begriff des Verhal-

292 Kindhäuser (1980a) S. 203 ff.


293 Kindhäuser (1980a) S. 175, 214 f., 216.
294 Kindhäuser (1980a) S. 173, 210 f. (widersprüchlich deshalb die Kritik an der
„potentiellen Finalität“ auf S. 192 f.). Vgl. auch Mañalich (2009) S. 280 f.
295 So wohl Kindhäuser (1980a) S. 173.
296 Ebenso Kindhäuser (2011) S. 58.
297 Kindhäuser (1980a) S. 214.
298 Kindhäuser (2011) S. 57.
299 Kindhäuser (2011) S. 59 f.
300 Vgl. auch Kindhäuser (1989) S. 53.
301 A. a. O. Vgl. auch ders. (1989) S. 83.
112 B. Handlung und normative Zurechnung

tens bezeichnet eine Körperbewegung oder ‑nichtbewegung, die nicht not-


wendig willkürlich sein muss.302 Das verursachende Verhalten in diesem
Sinn ist Gegenstand der Norm; die Vermeidehandlung hingegen Gegenstand
einer Pflicht. Bei der Normwidrigkeit geht es allein um den objektiven Er-
klärungswert des Verhaltens, bei der Pflichtwidrigkeit um den subjektiven.303
Eine objektiv festzustellende Normwidrigkeit wird dem Handelnden aber nur
dann normativ zugerechnet, wenn er eine Pflicht verletzt hat.304
Bei Kindhäuser zeigt sich somit die Möglichkeit einer Synthese zwischen
kausaler und intentionaler Handlungslehre. Die kausale Lehre wird zwar als
Handlungslehre verworfen, ihre normentheoretische These aber akzeptiert:
Bei erfolgsvoraussetzenden Delikten kann eine objektiv zu beschreibende
Verursachung Gegenstand des Verbots sein. Die finale Lehre hingegen wird
grundsätzlich als Handlungstheorie anerkannt, die normentheoretische These
wird aber abgelehnt: Gegenstand eines Verbots muss nicht immer eine Hand-
lung sein. Das ist nach allen Erfahrungen der Theorieentwicklung die einzig
mögliche Lösung, um den Erfolg beim Fahrlässigkeitsdelikt norminhaltlich
zu berücksichtigen.
In der dogmatischen Grundanlage wird somit einerseits die Verknüpfung
von Handlungs- und Normentheorie gelockert und der Theorieansatz Welzels
und Armin Kaufmanns relativiert: Mit der Anerkennung von Verursachungs-
verboten kommt man wieder auf eine Position Bindings zurück.305 Anderer-
seits wird die Handlungstheorie von strafrechtssystematischen Fragen entlas-
tet. Das macht den Weg frei, sich unbefangen von diesen der Handlung zu
nähern und philosophische und soziologische Konzepte einzubeziehen.
Kindhäusers Rezeption der philosophischen Diskussion ist hierfür beispiel-
haft. Die dogmatisch zentrale Stellung der Handlungslehre wird relativiert
zugunsten einer allgemeiner verstandenen Zurechnungslehre, die notwendig
normentheoretisch fundiert ist und in die sich jene einordnet.

V. Handlung und Straftatsystem

1. Zur Möglichkeit, final und objektiv definierte Handlungsarten


in einem Handlungsbegriff zu erfassen

1. Ein Hauptproblem der strafrechtlichen Handlungslehren war es, das


fahrlässige Begehungsdelikt bereits auf der Tatbestandsebene als Handlung

302 Kindhäuser (1989) S. 52, (2011) S. 41 f.


303 Kindhäuser (1989) S. 59, Fn. 26, S. 60.
304 Siehe dagegen unter B.III.2.e)3.; zum hiesigen Konzept unter C.V.4.
305 Binding Normen I (1890) S. 111 ff., 115.
V. Handlung und Straftatsystem113

zu beschreiben. Die finale Lehre leistet das nicht. Welzel erklärte dieses De-
likt zuletzt dualistisch aus einer Kombination von sorgfaltswidriger finaler
Handlung und bloßer Verursachung.306
Welzels Schüler bemühten sich, diesen Dualismus zu vermeiden. Kauf-
mann leugnete die Relevanz des Erfolgs, konnte aber die Erfolgszurechnung
nicht mehr erklären.307 Jakobs’ Konzept kehrt demgegenüber zu Verursa-
chungsverboten zurück – nicht nur für das Fahrlässigkeits- sondern auch das
Vorsatzdelikt – und lässt somit die finale Handlungslehre hinter sich.308
Demgegenüber knüpft Kindhäuser eher an Welzels dualistische Position
an. Sein Konzept kombiniert einen intentionalen Handlungsbegriff mit der
Annahme von Verursachungsverboten.309
Will man eine dualistische Konzeption vermeiden und den Anspruch auf-
recht erhalten, dass Gegenstand des erfolgsvoraussetzenden Verbots auch
beim Fahrlässigkeitsdelikt eine Handlung ist, muss man offenbar zu einer
quasi kausalistischen, objektiven Handlungskonzeption zurückkehren:
Um die fahrlässige Begehung tatbestandlich als Handlung zu beschreiben,
hatte die kausale Lehre im abstrakten Handlungsbegriff den Willensinhalt
nicht berücksichtigt.310 Infolgedessen gelang es ihr zwar zunächst nicht, die
erfolgsdefinierten tatbestandlichen Handlungsarten methodisch überzeugend
zu umgrenzen.311 Es konnte ihr aber gelingen, nachdem die Schuldkonzep-
tion geändert und die Fahrlässigkeit Unrechtsvoraussetzung wurde: Nur eine
tatbestandlich fahrlässige Verursachung erscheint dann als tatbestandliche
Handlung.
Schließlich wurden mit der Lehre von der objektiven Zurechnung die Zu-
rechnungsvoraussetzungen des Fahrlässigkeits- auf das Vorsatzdelikt übertra-
gen. Als tatbestandliche Handlung kann in dieser Tradition somit als vermeid-
bare bzw. objektiv zurechenbare Erfolgsverursachung verstanden werden.312
2. In diese objektive, quasi kausalistische Handlungskonzeption können
Begriffe von Handlungsarten integriert werden, die durch die Finalität bzw.
den Vorsatz definiert werden.
Die klassische kausale Handlungslehre hatte zwar den Vorsatz auch für die
speziellen Begriffe tatbestandlicher Handlungsarten der Vorsatzdelikte nicht

306 B.IV.2.
307 B.IV.3.
308 B.IV.4.
309 B.IV.5.
310 B.III.1.a).
311 B.III.5.
312 B.III.5.d).
114 B. Handlung und normative Zurechnung

als Handlungsmerkmal konzipiert. Grund hierfür war aber, dass sie den Vor-
satz als Schuldform auffasste, weshalb er nicht bereits für die tatbestandliche
Handlung relevant sein konnte.313
Nach der Änderung der Schuldlehre kann eine Handlungskonzeption in
der Tradition der kausalen Lehre den Vorsatz aber ohne weiteres als Merkmal
konzipieren, welches die jeweilige tatbestandliche Handlungsart eines Vor-
satzdelikts im Sinne einer differentia specifica definiert. Der Vorsatz bzw. die
Finalität ist dann aber für den Handlungscharakter der vorsätzlichen Hand-
lung nicht wesentlich, weil er kein Merkmal des abstrakten Begriffs der
Handlung ist. Eine solche scheinbare Synthese zwischen kausaler und finaler
Lehre ginge somit zu Lasten der letzteren. Deren Kernthese, dass die Finali-
tät ein definierendes Merkmal des abstrakten Handlungsbegriffs ist, wäre
preisgegeben.
3. Der gegenwärtige Stand der Lehre zur Handlung kann durchaus als
Versuch einer solchen Synthese und somit als ein Zurück zu einem objekti-
ven Handlungsbegriff in der Tradition der kausalen Lehre gedeutet werden.
Die Begriffe tatbestandlicher Handlungen werden bei Roxin durch die objek-
tive Zurechnung und bei Jakobs durch die Vermeidbarkeit definiert. Die tat-
bestandlichen Handlungen der Vorsatzdelikte können widerspruchsfrei zu-
sätzlich durch den Vorsatz definiert werden.
Allerdings muss auch ein synthetisierendes Konzept einen abstrakten Be-
griff der Handlung entwerfen, der für alle denkbaren Handlungen zutrifft.
Dieser Begriff darf nicht tatbestandlich unerlaubte Risiken voraussetzen oder
ausschließlich zu vermeidende Erfolge in den Blick nehmen; er kann aber
auch nicht die Finalität als wesentliches Handlungsmerkmal behaupten.
Der klassische kausale Handlungsbegriff, der die Handlung als Verursa-
chungsvorgang auffasst, kann dies leisten. Wie gezeigt, ist er damit vereinbar,
dass in Begriffen von Handlungsarten Sinnbezüge berücksichtigt werden.314
Diese können sich durch die Zwecksetzung des Handelnden, die Bedeutung
einer sprachlichen Äußerung oder durch den Bezug auf Normen ergeben, wie
er in den Urteilen über die objektive Zurechnung oder die Vermeidbarkeit
vorausgesetzt ist.315

2. Kritik des kausalen Handlungsbegriffs

Der abstrakte kausale Handlungsbegriff ist allerdings zu kriterienarm. In-


dem die Handlung als Körperbewegung definiert wird, welche gegebenen-

313 B.III.1.c).
314 B.III.1.b).
315 B.IV.4.
V. Handlung und Straftatsystem115

falls einen Erfolg verursacht, werden außer der Kausalität keine weiteren
Kriterien für die Identifikation von Handlungen bzw. Handlungsarten be-
nannt. Das ermöglicht es, prinzipiell beliebig und unbegrenzt Handlungen
zuzuschreiben. Der kausale Handlungsbegriff spiegelt deshalb die alltäglich-
praktische Bedeutung der Identifikation von Handlungen nicht wider. Das
Kriterium der Kausalität zielt nur auf die kausale Erklärung eines Gesche-
hens. Handlungen zu identifizieren, hätte demnach eine rein deskriptive und
erklärende Funktion. Die Handlung wäre das Produkt einer theoretischen
Betrachtung.
Die objektiv beschreibende Kausalbetrachtung der Handlung korrespon-
diert dem wissenschaftlichen Interesse an Handlungen sowie deren Ursachen
und Folgen. Aus welchen Gründen jemand in bestimmter Weise handelt oder
welche Rolle Handlungen für ein weiteres Geschehen haben, sind Fragestel-
lungen etwa der Psychologie, Soziologie oder Geschichtswissenschaft. Dass
eine Handlung selbst nie nur extern verursacht und dann nicht immer der
einzige Kausalfaktor für ein folgendes Geschehen ist; dass ferner zwingende
Gesetzlichkeiten nicht auszumachen sind – all das macht das Fragen nach
dem Warum und nach den Konsequenzen von Handlungen nicht unmöglich
oder sinnlos. Aus der Sicht der Kausalerklärung wird deshalb die Rolle der
Absichten und Motive relativiert: Das Hinterfragen der bewussten führt zur
Thematisierung unbewusster Motive (Freud); das Hinterfragen von Zwecken
und Interessen zur Erforschung der latenten Funktionen und der sozialstruk-
turellen Bedingtheit von Handlungen (z. B. Marx). Der Erfolg der wissen-
schaftlichen Methode am Ausgang des 19. Jahrhundert hat die kausale Hand-
lungslehre im Strafrecht sicherlich zumindest mit inspiriert. Die alleinige
Anbindung der Handlungsbetrachtung an die autonome Absicht des Handeln-
den verlor zunächst ihre Plausibilität.
Die Zurechnung im Rahmen einer Handlung durch eine kausale Beschrei-
bung und Erklärung zu ersetzen, würde aber die theoretische und die prakti-
sche Sichtweise auf Handlungen vermengen. Die Zurechnung ist ein prakti-
sches Urteil, gegebenenfalls mit praktischen Konsequenzen wie etwa Strafe.
Sie ordnet Geschehnisse auf Personen zu, auch um Verdienst und Verantwor-
tung adressieren zu können. Der praktische Aspekt der Zurechnung wird
dadurch indiziert, dass die dadurch konstituierte Handlung zumindest mögli-
cher Gegenstand einer Norm ist.
Die Zurechnung kann dabei Kausalurteile oder -hypothesen voraussetzen;
doch werden diese nur relevant, um die Zuordnung zu plausibilisieren und
legitimieren. Umgekehrt setzen auch theoretische Handlungserklärungen an
Handlungen und somit Zurechnungsurteilen an; sie greifen aber darüber hi­
naus, indem sie nach Ursachen bzw. Bedingungen und weiteren Folgen fra-
gen. Ihr Ziel ist nicht, das Zurechnungsurteil besser zu begründen oder wei-
116 B. Handlung und normative Zurechnung

tere Folgen für zurechenbar zu erklären, sondern die Handlung in einen


größeren Zusammenhang einzuordnen. Da die Handlungsidentifikation kein
theoretisches Urteil ist, müssen über die Kausalität hinausgehende Gründe
gegeben sein, um ein Geschehen im Rahmen einer Handlung zuzurechnen.

3. Der soziale und personale Handlungsbegriff

1. Die auf den kausalen folgenden nichtfinalistischen Handlungsbegriffe


haben demgegenüber die praktische Bedeutung und somit auch die Sinndi-
mension der Handlung in der Begriffsdefinition berücksichtigt. Das gilt ins-
besondere für den sozialen und den personalen Handlungsbegriff, den Roxin
vorgeschlagen hat.316 Nach Roxin ist der Begriff der Handlung als Persön-
lichkeitsäußerung zu definieren.317
Beide Begriffe lassen sie die Vorstellung der Handlung als einer Körperbe-
wegung hinter sich – ein Relikt des von Welzel kritisierten Naturalismus der
kausalen Lehre, den Welzel selbst nicht überwunden hat. Sie bedienen sich
aber, um die Sinnkomponente von Handlungen abzubilden, sehr unbestimm-
ter Kriterien.
2. Der soziale Handlungsbegriff nimmt auf soziale Deutungsmuster Be-
zug, die als objektive behauptetet werden.318 Die Objektivität der Deutung
kann sich dabei aus geltenden Normen ergeben (im Hinblick auf die objek-
tive Zurechnung). Es ist aber auch nicht ausgeschlossen, dass die objektive
Deutung an die subjektive Intention des Handelnden anknüpft. Im Übrigen
bleibt jedoch unbestimmt, nach welchen Gesichtspunkten eine Handlung
identifiziert werden kann. Diese Lehre kann prinzipiell jedes Ergebnis recht-
fertigen, weil sie kein materielles Kriterium benennt. Eine Handlung ist für
sie nur nach dem formalen Kriterium bestimmbar, dass eine konventionell
verbreitete Handlungsbeschreibung bzw. ein Deutungsschema, -muster oder
Ähnliches existieren. Handlung ist somit, was ein Beobachter aufgrund der
definierenden Merkmale spezieller Handlungsbegriffe zuschreibt. Allein das
kontingente Beobachtungsschema bzw. die Merkmale des Begriffs einer
Handlungsart begründen die Annahme einer Handlung. Die soziale Zurech-
nungspraxis wird aber bloß als gegeben behauptet und bleibt letztlich un­
reflektiert.
3. Roxins Begriff der Handlung als Persönlichkeitsäußerung kann ebenso
wie der soziale Begriff gleichermaßen subjektive und objektiv-deutende Ele-
mente umfassen, weil er seinerseits nicht weiter bestimmte Begriffe verwen-

316 Zum sozialen Handlungsbegriff bereits B.III.5.b).


317 Roxin AT I (2006) § 8 Rn. 44 ff.
318 Siehe bereits B.III.5.b).
V. Handlung und Straftatsystem117

det: Finale bzw. intentionale Handlungen können aufgrund der subjektiven


Zwecksetzung des Handelnden als Ausdruck von dessen Persönlichkeit ver-
standen werden. Demgegenüber muss die im Rahmen der objektiven Zurech-
nung konstituierte tatbestandliche Handlung des Fahrlässigkeitsdelikts – ein
ungewolltes und unvorhergesehenes Verursachen – unverkennbar objektiv
gedeutet werden.319
In dieser objektiven Deutung wird aber die intentionale Zweck-Mittel-
Struktur von Handlungen durchaus aufgenommen. Die Kriterien der Ver-
meidbarkeit, Bezweckbarkeit oder der Verwirklichung unerlaubter Risiken
sind von einer objektiv verstandenen Teleologie geprägt. Die zurechenbaren
Wirkungen werden durch Bezug auf den Zweck der Verbote gefährlicher
Handlungen begrenzt. Als Persönlichkeitsäußerung ist die Verursachung dann
aber nur aufgrund der Unschärfe dieses Begriffs deutbar.
Bei Roxin kann man die Anknüpfung an die Person durchaus als Versuch
verstehen, einer beliebigen Deutung zu entgehen, die bloß auf ein soziales
Schema rekurriert, ohne weitere materielle Kriterien zu benennen oder auch
nur ansatzweise einen Bezug auf die Person des Handelnden herzustellen.
Diesen Bezug herzustellen, liegt nahe, weil der Handlungszweck von der han-
delnden Person gesetzt werden muss; eine Norm muss an sie adressiert sein.
Hinter dem Begriff der Persönlichkeitsäußerung stand ursprünglich der
Gedanke, dass mit der Handlung „etwas“ auf die „Person“ zugeordnet, das
heißt zugerechnet wird.320 Hiervon ausgehend wäre zu fragen, wie die Zu-
rechnung verstanden werden kann und insbesondere, was die Gründe der
Zurechnung sein können.
Das lässt Roxin aber offen, indem er behauptet, dass der abstrakte Begriff
der Handlung ein „konkret-allgemeiner Begriff“ sei, der „an der Wirklichkeit
konkretisierend zu entfalten“ und nicht durch Merkmale definierbar sei.321
Als nicht definierbares wäre das Wort Handlung aber kein Begriff, sondern
eine Hülse, die beliebig gefüllt werden kann. Wissenschaftlich wäre ein sol-
cher Begriff wertlos, weil rein intuitive Wortverwendungen alles und nichts
begründen können oder man auf die Autorität eines Sprechers vertrauen
muss, der die richtige Einsicht in das Verfahren der Konkretisierung konkret-

319 Dass hier die „Persönlichkeitsäußerung […] durch die rechtliche Normierung
konstituiert [wird]“ bemerkt zutreffend Dedes (2001) S. 196.
320 Roxin (1968) S. 263 f.
321 Roxin AT I (2006) § 8 Rn. 75, (1968) S. 263 f. Ähnlich Arthur Kaufmann
(1966) S. 87 f. Kritisch zur auf Larenz zurückgehenden Lehre vom „konkreten Be-
griff“, gerade im Zusammenhang mit dem Handlungsbegriff Engisch (1944) S. 159 f.
sowie mit dem Tat(herrschafts)begriff Renzikowski (2014) S. 499 ff. Zu Roxin auch
Engisch (1974) S. 359 f. Zum „konkret-allgemeinen“ Begriff interessant Cassirer
(1910) S. 26, vgl. C.I.4. Zum Typusbegriff vgl. C.IV.2.6. und C.V.4.e)1.
118 B. Handlung und normative Zurechnung

allgemeiner Begriffe hat. Auf eine abstrahierende, merkmalsbezogene Be-


griffsbildung sollte man deshalb nicht verzichten, und der Begriff der Hand-
lung als Persönlichkeitsäußerung bietet hierfür durchaus Ansatzpunkte.
4. Der Mangel des sozialen wie des personalen Begriffs liegt allein darin,
die Kriterien offen zu lassen, nach welchen Veränderungen im Rahmen einer
Handlung zugerechnet werden können. Der Begriff der Handlung muss somit
präzisiert werden, indem man diese Kriterien benennt.
Zumindest zwei Kriterien sind zweifellos sozial anerkannt und stellen
auch einen Bezug zu derjenigen Person her, der zugerechnet wird: Zum ei-
nen die Zwecksetzung des Handelnden und zum anderen eine Norm. Der
Handlungszweck ebenso wie der Normverstoß im Fall der Straftat konstitu-
ieren jeweils eine Handlung bestimmter Art.
Die für die personale wie soziale Lehre problematische Frage ist somit, ob
daneben auch bereits die Vermeidbarkeit, Bezweckbarkeit oder die Realisie-
rung eines tatbestandlich unerlaubten Risikos eine Handlung konstituiert.
Selbstverständlich ist jede vermeidbare Verursachung sozialerheblich und auf
eine Person zurückzuführen – jedoch gerade deshalb, weil eine rechtliche
und somit soziale Norm, deren Zweck die Vermeidung des Erfolgs war, an
die Person adressiert war. Dieser Norm ist die Bewertung der Tatbestands-
verwirklichung als negativ und sozial schädlich zu entnehmen. Doch sind die
Handlungsidentifikation und Erfolgszurechnung allein aufgrund dieser Norm
nicht erst dann möglich, wenn ein Normverstoß bejaht werden kann? Kon­
stituiert bereits die tatbestandlich-sorgfaltswidrige Erfolgsverursachung eine
Handlung oder nicht doch erst die rechtswidrig-schuldhafte, etwa als fahrläs-
sige Tötung?

4. Kritik der Funktionalisierung des Handlungsbegriffs


für strafrechtsdogmatische Zwecke

1. Das Motiv für die These, dass bereits mit dem Urteil über die objektive
Zurechnung oder die Vermeidbarkeit eine Handlung festgestellt wird, ist ein
spezifisch strafrechtsdogmatisches – das Bestreben, für alle Deliktsarten tat-
bestandliche Handlungen auszuweisen. Die kausale Lehre ging von der These
aus, dass die Straftat eine Handlung sei, welcher die Attribute der Rechtswid-
rigkeit und Schuld zuzuordnen sind. Nach Maihofer soll die Handlung für
den Deliktsaufbau zugleich als Grund-, Verbindungs-, und Grenzelement
fungieren.322
Die These von den drei Funktionen des Handlungsbegriffs hat indes zu
einem der folgenreichsten Irrtümer der strafrechtsdogmatischen Handlungs-

322 Maihofer (1953) S. 6 ff., vgl. auch Roxin AT I (2006) § 8 Rn. 1 ff.
V. Handlung und Straftatsystem119

auffassung beigetragen, welcher freilich schon auf Beling zurückgeht – der


Vorstellung, dass die Tatbestandlichkeit nur ein Attribut einer vortatbestand-
lich festzustellenden Handlung sei.323 Diese Vorstellung wiederum bedingt
das Festhalten an der naiven Auffassung, dass die Handlung ihrer Substanz
nach eine willkürliche Körperbewegung ist, der die Eigenschaften, die in den
Begriffen einzelner, insbesondere tatbestandlicher Handlungsarten herausge-
hoben werden, nur wie Akzidentien anhängen.324 Die These Maihofers ist
also nur haltbar, wenn man sie in dem Sinn versteht, dass der Handlungsbe-
griff derart zu konstruieren sei, dass die Tatbestandsverwirklichung als Hand-
lung ausweisbar sei.
Von dieser Position aus kritisiert man häufig Handlungsbegriffe, welche
die genannten Funktionen nicht erfüllen, insbesondere den finalen Hand-
lungsbegriff. Dabei handelt es sich um eine petitio principii unter der metho-
dologischen Prämisse, dass der Begriff der Handlung strafrechtsfunktional zu
konzipieren sei bzw. dass jede Tatbestandsverwirklichung als solche eine
Handlung zumindest in einem strafrechtlichen Sinn ist. Der Handlungsbegriff
kann durchaus als funktionaler Begriff ausgestaltet werden. Das müsste aber
zweckmäßig sein, was im Folgenden zu untersuchen ist.
Ein bloß strafrechtsfunktionaler Handlungsbegriff begründet eine nur
strafrechtsspezifische Zurechenbarkeit von Handlungen, die für die sonstige
soziale Praxis nicht von Bedeutung ist. Das strafrechtsdogmatische Interesse
daran, die Voraussetzungen verschiedener Deliktsarten in einer einheitlichen
Terminologie zu systematisieren, wird dann zum Grund dafür, einer Person
Veränderungen im Rahmen einer Handlung zuzurechnen. Die Dogmatik her-
metisiert sich dadurch gegenüber dem Normalverständnis von der Handlung.
Dem Nichtstrafrechtler, etwa dem Täter als einem Adressaten des Strafrechts,
kann nicht mehr ohne weiteres plausibel gemacht werden, warum ihm zuge-
rechnet wird.
Es ist allerdings nicht nötig, den Handlungsbegriff derart zu funktionalisie-
ren und mit dem Ziel flexibel zu fassen, jede Tatbestandsverwirklichung als
Handlung darstellen zu können. Die damit erreichbaren Zwecke erfüllt be-
reits der Begriff der Tatbestandsverwirklichung – hierbei den Begriff des
Tatbestands als abstrakte Bezeichnung des Verbotsgegenstands verstanden,
nicht als Inbegriff von Unrechtsvoraussetzungen.325 Bereits Radbruch hatte
vorgeschlagen, den Begriff der Tatbestandsverwirklichung als Grundelement
des Deliktssystems zu verwenden.326

323 B.III.3.
324 Ganz deutlich wird dies in der Argumentation von Walter (2006) S. 30.
325 B.III.2.b)5.
326 Radbruch (1930) S. 162.
120 B. Handlung und normative Zurechnung

Dieser Begriff erfüllt genau diejenigen Funktionen, die an den Handlungs-


begriff herangetragen wurden: Die Tatbestandsverwirklichung ist Bezugs-
punkt der Urteile über Rechtswidrigkeit und Schuld und kann somit als
„Grund- und Verbindungselement“ der Straftat angesehen werden. Die Straftat
ist eine rechtswidrige und schuldhafte Tatbestandsverwirklichung. Die soge-
nannte Grenzfunktion – der Ausschluss der Strafbarkeit von nicht willkürli-
chen Körperbewegungen – ergibt sich daraus, dass eine Tatbestandsverwirkli-
chung beim Begehungsdelikt Handlungen voraussetzt. Nicht erforderlich ist
hingegen, dass die Tatbestandsverwirklichung als solche eine Handlung ist.
Zum Beispiel setzt die fahrlässige Todesverursachung, obgleich sie als solche
keine Handlung ist, eine Handlung voraus, die eine Sorgfaltspflicht verletzt.
2. Wenn man schließlich am Begriff der Handlung als Grundelement des
Straftatsystems unter der Prämisse festhalten will, dass nur eine Handlung
Gegenstand eines Verbots und somit des Urteils über die Rechtswidrigkeit
sein kann, ist es widersprüchlich, den Begriff der Handlung zu funktionali-
sieren, so dass jede Tatbestandsverwirklichung bloß per definitionem als
Handlung erscheint: Wenn jene Prämisse dazu führt, dass der Handlungsbe-
griff nach dem dogmatischen Bedürfnis zurechtgebogen wird, wird die Prä-
misse entwertet. Man sollte sie aufgeben und die Konstruktionsbemühungen
auf die Normentheorie verlegen. Diese hat zu erklären, wie eine normative
Zurechnung ohne vorrangige Zurechnung im Rahmen einer Handlung legiti-
miert wird – wie man etwa die Zurechnung eines nur fahrlässig verursachten
Erfolgs erklärt. Es spricht nichts dagegen, dass sich ein rechtswidrigkeitsbe-
gründendes Verbot darauf bezieht, einen tatbestandlichen Erfolg fahrlässig zu
verursachen, ohne dass der Begriff des Verursachens hier als Handlungsbe-
griff verstanden wird.327
In gewisser Weise überlebt die kausale Lehre – zwar nicht mit ihrem
Handlungsbegriff, aber mit der These, dass Verursachungen Gegenstand von
Verboten sein können. Diese Verbote sind aber entgegen der kausalen Lehre
als auf die fahrlässige Verursachung eingeschränkte zu konzipieren. Der Feh-
ler sowohl der finalen als auch der kausalen Lehre liegt somit normentheore-
tisch gesehen in einer unzutreffenden Verallgemeinerung, die sich ebenso gut
als ein Reduktionismus oder Monismus kennzeichnen lässt: Die kausale
Lehre anerkennt der Sache nach nur Verursachungsverbote, weil sie die
Handlung bloß als Verursachung definiert. Die finale Lehre hingegen ver-
wirft mit dem kausalen Handlungsbegriff auch gleich die Verursachungsver-
bote und scheitert deshalb zunächst daran, das Fahrlässigkeitsdelikt zu erklä-
ren. Nichts zwingt aber zur Einseitigkeit. Man kann sowohl Verursachungs-
verbote als auch Verbote erfolgsdefinierter Handlungsarten anerkennen.

327 Hierzu unter C.V.4.a) / g).


V. Handlung und Straftatsystem121

Motiviert war jener Reduktionismus durch das Bedürfnis nach einem ein-
heitlichen Begriff der tatbestandlichen Handlung für alle Deliktsarten. Hier-
von muss sich die Strafrechtsdogmatik verabschieden, um stattdessen ein
differenzierteres Bild der Deliktsstrukturen zu zeichnen.
3. Indem man die Tatbestandsverwirklichung als Grundbegriff des Straf-
tatsystems setzt, wird der Handlungsbegriff gleichsam entlastet und frei ge-
setzt. Er bleibt zentral, weil die Tatbestandsverwirklichung beim vorsätz­
lichen Begehungsdelikt nichts anderes als eine oder mehrere Handlungen
vo­raussetzt. Die charakteristischen Merkmale von Handlungen können jetzt
aber unbefangener analysiert werden, ohne auf dogmatisch-konstruktive An-
forderungen Rücksicht nehmen zu müssen. Das Verhältnis von Dogmatik
und Handlungstheorie kehrt sich um; von der Handlungstheorie können Im-
pulse für die Dogmatik ausgehen. Hierbei handelt es sich auch nicht nur um
eine methodische Frage. Die Dogmatik schwebt nicht in einem für sich be-
stehenden Raum ohne praktische Folgen außerhalb dieses Raums, sondern
sie muss die außerhalb ihrer bestehende Realität der Handlungsidentifikation
zur Kenntnis nehmen und reflektieren.
Vor diesem Hintergrund ist Welzels These zu sehen, dass die Handlung
dem Recht ontologisch vorgegeben sei. Lässt man die Ontologie beiseite,
bleibt die Prämisse bestehen, dass die Anbindung an eine außerrechtliche
Praxis und deren philosophische oder soziologische fundierte Reflexion den
dogmatisch-konstruktiven Interessen vorrangig ist.
Die Begriffe spezifisch strafrechtlicher Handlungsarten – der tatbestandli-
chen Handlung ebenso wie der Straftat – müssen sich in einen allgemeineren
Handlungsbegriff einbinden und aus ihm heraus entwickeln lassen. Abgese-
hen von jenen beiden Begriffen kann es keinen weiteren spezifisch straf-
rechtlichen Handlungsbegriff geben.
4. Die Diskussion des strafrechtlichen Handlungsbegriffs wurde eingangs
dahingehend gedeutet, dass sie sich auf die Frage bezieht, welche Gründe die
Zurechnung von Veränderungen im Rahmen einer tatbestandlichen Handlung
rechtfertigen.328
Als Ergebnis ist festzuhalten, dass allein die Finalität bzw. Intentionalität
hinsichtlich der zuzurechnenden Veränderung in Betracht kommt. Ein rein
formal oder strafrechtsdogmatisch begründetes Beobachtungsschema wie die
Realisierung eines tatbestandlich unerlaubten Risikos allein begründen nicht
das Vorliegen einer Handlung – womit nichts über die Berechtigung dieser
Strafbarkeitsvoraussetzung gesagt ist.329

328 B.II.4.
329 Hierzu C.V.3. und 4.
122 B. Handlung und normative Zurechnung

Obgleich die soziale Lehre zutreffend betont, dass die Beobachtung und
sozial anerkannte Zurechnungskriterien für die Handlungskonstitution wich-
tig sind und die personale Lehre zutreffend von dem Gedanken ausging, dass
mit Handlungen Veränderungen auf eine Person zugeordnet werden, bleiben
beide Konzeptionen in Bezug auf die Gründe, warum Handlungen angenom-
men werden können, zu unpräzise und offen. Die Zurechnung durch einen
Beobachter ist nicht beliebig. Sie setzt vielmehr aufgrund ihrer praktischen
Funktion eine Intention oder eine Norm voraus, die sich inhaltlich auf die
zuzurechnende Veränderung richten. Nur diese beiden Sinnreferenzen stellen
einen Bezug her zwischen der zugerechneten Veränderung und der Person,
der die Veränderung zugerechnet wird. Dieser Bezug ist dadurch gegeben,
dass die Person die Intention gesetzt hat bzw. die Norm an sie adressiert war.
Das wird noch näher auszuführen sein.330
Als Zurechnungsgrund kommt für tatbestandliche Handlungen schließlich
nicht ein Normverstoß, sondern allein die Finalität bzw. Intentionalität im
Hinblick auf die zuzurechnende Veränderung in Betracht. Der Begriff der
tatbestandlichen Handlung kann nicht durch den Verstoß gegen dasjenige
Verbot definiert werden, dessen Gegenstand diese Handlung ist.331

5. Die Straftat als Handlungsart

1. Ein allgemeines Handlungskonzept muss nicht nur den Begriff der ver-
botsgegenständlichen bzw. tatbestandlichen als derjenigen Handlung umfas-
sen, welche ein Delikt voraussetzt. Allein diesen Begriff haben die kausale
und die finale Handlungslehre definiert. Vielmehr muss jenes Konzept auch
darstellen können, dass die Straftat als solche eine Handlung ist: Straftaten
wie Mord, Diebstahl oder Betrug sind Handlungen eigener Art, die durch das
Merkmal der Normwidrigkeit mitdefiniert werden und somit eine normative,
objektiv-beurteilende Zurechnung implizieren. Mit dem Verletzten ist ein
anderer im Spiel, der normativ zurechnet, weil seine Erwartung missachtet
wurde. Dritte erwarten mit und rechnen ebenfalls zu – rechtsverbindlich der
urteilende Richter.
2. Der Begriff der Straftat war der Ausgangspunkt der strafrechtsdogmati-
schen Diskussion des Handlungsbegriffs bei den Hegelianern. Ihnen verdankt
dieser Begriff seine bedeutende Stellung in der Strafrechtsdogmatik.332 Sie
bezeichneten aber allein die Straftat als Handlung.333 Erst mit der kausalen

330 C.IV.1.
331 B.II.2.
332 Radbruch (1904a) S. 85 f.
333 Zu den strafrechtlichen Hegelianern Larenz (1927) S. 68 ff., v. Bubnoff (1966)
S. 52 ff., Otter (1973) S. 30 ff.
V. Handlung und Straftatsystem123

Lehre wechselten, wie gezeigt, Bedeutung und Stellung des Handlungsbe-


griffs im Straftatsystem.
Für Hegel wird die Handlung, übereinstimmend mit der finalen Lehre,
durch den Willen des Handelnden definiert: Eine wesentliche Bestimmung
der Handlung sei „von mir in ihrer Äußerlichkeit gewusst zu werden.“334
Hegel nahm aber auch den Wertbezug und das Wertbewusstsein in den Hand-
lungsbegriff auf: „Das Recht des subjektiven Willens ist, […] dass ihm eine
Handlung, als der in die äußerliche Subjektivität tretende Zweck, nach seiner
Kenntnis von ihrem Werte […] zugerechnet werde.“335 Handlung mit Blick
auf das Strafrecht ist deshalb die vorsätzliche und schuldhafte Straftat.336
Zugleich wird der Wertbezug nicht nur als objektiver vom Beobachter an
die Handlung herangetragen, sondern muss vom Handelnden nachvollzogen
werden. Das ist allerdings ein normatives Postulat („das Recht des subjekti-
ven Willens“). Diese Forderung setzt den Hegelschen in Opposition zum
positivrechtlichen Begriff der Straftat, der auch ein unbewusst fahrlässiges
Delikt umfasst.337 Dementsprechend sehen in dieser Tradition stehende Auto-
ren die strafrechtliche Zurechnung in diesen Fällen skeptisch.338 Die Frage
der Legitimität der Zurechnung lässt aber unberührt, dass positivrechtlich
eine Straftat zugerechnet wird. Eine Handlungstheorie muss das zumindest
beschreiben können; eine Legitimitätsforderung ist nicht zwingend schon
begrifflich zu verankern.
3. In neuerer Zeit hat Jakobs behauptet, dass allein die Straftat die für das
Strafrecht relevante Handlung sei.339 Demgemäß wären auf der Tatbestands­
ebene keine Handlungen feststellbar.
Jedenfalls muss aber ein allgemeiner Handlungsbegriff verfügbar sein, der
sich nicht auf Straftaten beschränkt. Der soziale ist ebenso wie der personale
Handlungsbegriff zwar abstrakter als der Begriff der Straftat, kann den
Normverstoß als Handlungskriterium aber nur integrieren, weil er auf abs-

334 Hegel Grundlinien (1981) § 113. Zu Hegels Handlungsbegriff Quante (1993).


335 Hegel Grundlinien (1981) § 132. Hieran anschließend in neuer Zeit Wolff
(1964) S. 15 ff., Köhler (1997) S. 10 ff., 13 f., Kahlo (2001) S. 235 f.
336 Ebenso Jakobs (1991) 6 / 3, ders. (1992) S. 44. Wenn es bei Hegel Grundlinien
(1981) § 119 heißt: „Handlung als äußerliche Tat, noch ohne die Bestimmung ihrer
rechtlichen und unrechtlichen Seite“, ist damit nur der Begriff der Tat definiert. Vgl.
oben B.I.3.2. Dort auch zu Kant, der die Begriffe Handlung und Tat genau umgekehrt
wie Hegel verwendet.
337 Vgl. Binding (1914) S. 402 ff., Larenz (1927) S. 52 f., v. Bubnoff (1966) S. 44 ff.
338 Wolff (1964) S. 24 ff., Köhler (1997) S. 14, 178 ff., Kahlo (2001) S. 27 f., kri-
tisch Pawlik (2012) S. 369 ff.
339 Jakobs (1992) S. 34 ff., 44. Gegen diesbezügliche Kritiker Herzberg (2007)
S. 159 f. m. w. N.
124 B. Handlung und normative Zurechnung

trakt-begrifflicher Ebene keine Kriterien benennt, welche die Zurechenbar-


keit von Veränderung im Rahmen einer Handlung begründen und begrenzen
können.
Gegen dieses offene Konzept wurde hier die These gesetzt, dass allein eine
Intention oder die Annahme eines Normverstoßes die Zurechnung begründen
können. Sie leisten das bei Handlungen durch Tun auch jeweils für sich al-
lein:
So begründet eine Zwecksetzung bzw. Intention die Zurechnung bei Hand-
lungen, die rechtlich oder moralisch neutral sind. Dann wird im Rahmen ei-
ner Handlung allein aufgrund der Zwecksetzung zugerechnet. Das spricht
dafür, dass eine Zurechnung bloß aufgrund der Zwecksetzung auch dann
möglich ist, wenn die Handlung darüber hinaus auf Normen und Werte bezo-
gen wird.340 Deshalb kann ein Begriff der verbotsgegenständlichen Handlung
konzipiert werden, der den Bezug auf dasjenige Verbot noch nicht impliziert,
nach welchem die Handlung bewertet wird. Die Handlung „Mord“ kann
ohne den Wertbezug als „Tötung“ beschrieben werden.
Während somit die Finalität bzw. Intention ohne Rücksicht auf die Norm
eine Zurechnung ermöglicht, kann umgekehrt allein aufgrund einer Norm-
übertretung zugerechnet werden, auch wenn eine entsprechende Intention
nicht gegeben ist: Bei einer fahrlässigen Verursachung oder einem fahrlässi-
gen Tatumstandsirrtum wird eine Handlung besonderer Art zugerechnet, zum
Beispiel eine fahrlässige Tötung oder Brandstiftung. Diese Straftaten sind
auch dann Handlungen, wenn die jeweilige Tatbestandsverwirklichung als
solche keine Handlung ist. Die normative Zurechnung kann nicht nur neben
die intentionale treten, sondern diese gleichsam ersetzen.
Demnach sind weder der Normverstoß noch die Intention für eine Hand-
lung unabdingbar, eines dieser Merkmale muss aber gegeben sein. Hand-
lungsbegriffe, welche noch hierauf verzichten, sind beliebig oder verkappt
normbezogen, wie das Beispiel der Vermeidbarkeit gezeigt hat.341
Wenn sowohl aufgrund einer Intention als auch eines Normverstoßes eine
Handlung angenommen werden kann, muss ein allgemeiner Begriff der
Handlung von beiden Handlungsmerkmalen abstrahieren. Im Oberbegriff der
Handlung muss an deren Stelle ein abstrakteres Merkmal treten. Dieses kann
nur auf der Basis eines Zurechnungskonzepts der Handlung benannt werden:
Sowohl die Norm als auch die Intention sind Gründe für die Zurechenbarkeit
von Veränderungen im Rahmen einer Handlung. Erst ein Zurechnungskon-
zept kann somit die Einheit des Handlungsbegriffs begründen.

340 Entgegen Jakobs (2015) S. 263.


341 B.IV.4.c).
V. Handlung und Straftatsystem125

4. Daraus folgt auch, dass die Kritik unzutreffend ist, die in neuerer Zeit
in Anschluss an Jakobs und Pawlik gegen den finalen Handlungsbegriff vor-
gebracht wurde: Dieser verkürze die Handlung auf deren instrumentellen
Aspekt.342
Gegen die Vorstellung, dass eine Handlung nur in all ihren Sinnaspekten
und somit auch nur gegebenenfalls in ihrem Charakter als Normverstoß an-
gemessen erfasst sei,343 spricht bereits, dass jede Begriffsbildung abstrahie-
renden Charakter hat. Bei der Bestimmung des Handlungsbegriffs geht es
zunächst nur um die Frage, welche Merkmale gegeben sein müssen, um
überhaupt eine Handlung beliebiger Art annehmen zu können.
Die These, dass eine Handlung als solche nur in all ihren Sinnbezügen
erfassbar sei, verkennt ferner deren Zurechnungsstruktur. Eine Handlung ist
nichts der Zurechnung und somit der Bildung von Begriffen besonderer
Handlungsarten Vorgegebenes, so dass diese nur die bereits vorhandenen
Komponenten nachzuzeichnen hätte. Vielmehr wird sie erst durch die Zu-
rechnung als solche konstituiert.
Im Übrigen kann es nur darum gehen, ob es legitim ist, eine Veränderung
einer Person im Rahmen einer Handlung zuzurechnen. Gerade dass diese
Person die Veränderung bezweckt hat, ist dabei ein starker und ausreichender
Legitimationsgrund. Dass die intentionale Handlung normwidrig war, ist nur
ein weiterer, gegebenenfalls neben die Intention tretender Zurechnungsgrund.
Die Intentionalität kann dabei in Bezug auf eine Handlungsart vorausset-
zen, dass der Handelnde die normative Bedeutung von Umständen der Hand-
lungssituation nachvollzieht, so etwa, dass eine Sache im Eigentum eines
anderen steht. Das spricht aber nicht dafür, dass, wie Jakobs meint, die Inten-
tion eine Kenntnis der Normwidrigkeit der Handlung implizieren muss.344
Mit dem Merkmal der „Fremdheit“ einer Sache verweist das Verbot auf an-
dere rechtliche Regeln, nicht aber auf sich selbst.
5. Jede Straftat (bzw. Straftatart) ist als solche eine Handlung(sart); ihr ist
aber nicht zwingend eine tatbestandliche Handlung(sart) zuzuordnen. Beim
vorsätzlichen Begehungsdelikt ist es möglich, beim fahrlässigen nicht.
Der allgemeinste strafrechtsspezifische Handlungsbegriff ist somit nicht
der abstrakte Begriff der Handlung, weil dieser nicht auf das Strafrecht be-

342 Jakobs (1992) S. 30 (vgl. zur Entgegensetzung von Sinn und Natur ders.
[2012] S. 59 ff.), ders. (2003) S. 955 f., ders. (2015) S. 262 f., 268 ff., Pawlik (2012)
S. 265 f. Zustimmend Kawaguchi (2015) S. 115 ff., Stuckenberg (2015) S. 107. Ähn-
lich Schild (1979) S.68 f., (1995) S. 104 ff., Kahlo (2001) S. 37 f., 51 f., 232 f., Zabel
(2007) 204 f., 213, 230 ff. Vgl. bereits Roxin (1962) S. 525 ff.
343 Jakobs (2015) S. 270.
344 Jakobs (2015) S. 269.
126 B. Handlung und normative Zurechnung

grenzt ist. Es ist auch nicht der Begriff der tatbestandlichen Handlung, weil
diese nicht bei jeder Straftat gegeben ist. Vielmehr ist es der Begriff der
Straftat. Sowohl das Vorsatz- wie das Fahrlässigkeitsdelikt, das Begehungs-
wie das Unterlassungsdelikt sind je als solche Handlungen. Die Idee, für jede
Straftatart darüber hinaus eine je spezifische vorausgesetzte Handlungsart zu
benennen, hat sich als nicht tragbar erwiesen.
Die Funktion eines Grund- und Verbindungselements kann allein der vom
Handlungscharakter abstrahierende, normgegenstandsbezogene Begriff der
Tatbestandverwirklichung erfüllen.345 Die Unterscheidung von Tatbestands-
verwirklichung (StGB: „Tat“) und Straftat präzisiert die Kantische Unter-
scheidung von Handlung und Tat bzw. diejenige Hegels von Tat und Hand-
lung.346 Insofern kehrt man an den Ausgangspunkt der strafrechtlichen
Handlungslehre zurück, was nicht dazu führen muss, die darauf folgende
Theorieentwicklung zu negieren. Insbesondere die Konzeptionen des Tatbe-
stands seitens der kausalen Lehre und der tatbestandlichen Handlung des
vorsätzlichen Begehungsdelikts seitens der finalen Lehre sind tragfähig und
haben sich deshalb durchgesetzt.

345 B.V.4.
346 Siehe B.I.3.2.
C. Die Handlung als Ergebnis einer Zurechnung

I. Sinnsetzung und Gegenstand des Sinnbezugs

1. Welzel hatte, als er die Handlung als Sinneinheit auffasste, die Einheit
eines physischen Kausalgeschehens und der Finalität im Blick. Die Sinnhaf-
tigkeit der Handlung als Ganzer und des Kausalgeschehens wird durch die
Finalität erzeugt.1 Dieser Gedanke ist auch dann haltbar, wenn man den
Begriff der Handlung abstrakter auffasst und zunächst sowohl vom Kausal-
geschehen als auch der Finalität absieht. Der einheitsstiftende Sinn einer
Handlung ist dann als eine wechselbezügliche Verweisungsstruktur begreif-
bar: Einem Körperverhalten oder einem Handlungsergebnis kommt, unab-
hängig davon, ob es bereits als solches sinnhaft ist (im Beispiel einer sprach-
lichen Äußerung), deshalb Sinn zu, weil es für einen Beobachter auf eine
Intention oder eine Norm und somit eine Sinnsetzung verweist, die ihrerseits
auf das Körperverhalten oder die Veränderung gerichtet ist.
Der Sinn kann somit subjektiv oder objektiv bestimmt werden – sowohl
vom Handelnden her als auch von der Norm, welche ein Beurteiler als Maß-
stab verwendet. Allein schon, weil sie auf eine Intention oder eine Norm
bezogen werden können, sind ein Körperverhalten, eine Veränderung oder
deren Ausbleiben sinnhaft und können als das Ergebnis einer Handlung oder
als tatbestandlicher Erfolg ausgewiesen werden.
Da die Handlung eine Einheit aus Sinnsetzung und Gegenstand des Sinn-
bezugs ist, müssen beide Elemente gegeben sein – etwa sowohl ein bestimm-
ter Erfolg als auch eine entsprechende Intention oder ein auf diesen gerichte-
tes Verbot. Nur in dieser Relationsstruktur ist die Handlung gegeben. Sie ist
deshalb nicht als ein einfaches Ereignis zu begreifen, weder als Körperbewe-
gung noch als sonstige Veränderung, auch dann nicht, wenn dieses Ereignis
Gegenstand des Sinnbezugs ist. Eine Handlung kann auch deshalb nicht als
ein Ereignis begriffen werden, weil die Sinnsetzung sich auch auf einen nicht
verwirklichten Sachverhalt beziehen kann, etwa das Nichtstattfinden einer
Veränderung. Die Handlung ist ein Ganzes, das nicht auf einen seiner Teile
reduzibel ist.

1 Welzel (1965a) S. 177. Siehe auch B.IV.1.1.


128 C. Die Handlung als Ergebnis einer Zurechnung

2. In der Sinnsetzung durch eine Intention oder eine Norm wird schließ-
lich bereits ein Bezug auf die Person des Handelnden hergestellt. Die Person
ist das Subjekt der Intention oder der Adressat der Norm.
Person ist, wem zugerechnet wird.2 Der Begriff der Person ist in einer
allgemeinen Handlungstheorie nicht nur auf die Person beschränkt, die einem
einzelnen Menschen zuzuordnen ist, so dass etwa auch Verbandspersonen
Handlungssubjekte sein können.3 Die Handlung hat somit weder den Charak-
ter eines Ereignisses, noch ist sie quasi gegenständlich am Menschen zu
verorten.
Die Handlung ist somit nicht vorgegeben, sondern ist das Ergebnis eines
Zurechnungs- und somit Beobachtungsakts, in welchem die Elemente mitein-
ander in Beziehung gebracht werden. Diese Beziehung ist einerseits bereits
dadurch gegeben, dass die Sinnsetzung auf den Gegenstand verweist. Ande-
rerseits bezieht ein Beobachter – auch der Handelnde selbst – aufgrund jenes
inhaltlichen Verweises den Gegenstand des Sinnbezugs auf die Sinnsetzung
zurück. Erst das Ergebnis dieser Beobachtung schließt die Handlung zur Ein-
heit; ohne Beobachtung bzw. Zurechnung gibt es keine Handlung, weshalb sie
das vierte Element der Definition des Handlungsbegriffs sein muss.
3. Die relationale Struktur einer Handlung wird im Begriff der Zurech-
nung abgebildet. Dieser bezeichnet eine Relation zwischen Subjekt, Gegen-
stand und Grund der Zurechnung, die in einem Zurechnungsakt hergestellt
wird: Die Handlung ist das Ergebnis der Zurechnung. Die Zurechnung ist
die Operation eines Beobachters, die einen Gegenstand einem Subjekt aus
einem besonderen Grund zuordnet.
Die Handlung ist somit nicht das, was zugerechnet wird. Vor der Zurech-
nung ist sie nicht als solche gegeben, so dass sie nur noch auf das Zurech-
nungssubjekt zugeordnet werden müsste. Vielmehr wird sie durch den Zu-
rechnungsakt erst konstituiert. Dieser stellt die Relationen zwischen den
Elementen der Zurechnung her.
Von anderen Arten der Zurechnung unterscheidet sich die handlungsbe-
gründende Zurechnung dadurch, dass Gegenstand der Zurechnung das Statt-
finden oder Ausbleiben von Veränderungen ist. Demgegenüber kann die Zu-
ordnung von Sachen durch Eigentum oder Besitzrecht als eine Zurechnungs-
art verstanden werden, welche sich auf Zustände bezieht.
Von Kelsens Konzept der „äußeren“ Zurechnung, welche sich auf Rechts-
folgen bzw. Sanktionen bezieht,4 unterscheidet sich die handlungsbegrün-

2 Kant (1907) S. 223.


3 Vgl. zur persona moralis: Aichele (2008) S. 8 ff.
4 Siehe B.I.4.
I. Sinnsetzung und Gegenstand des Sinnbezugs129

dende Zurechnung durch ihren retrospektiven Charakter: Der Gegenstand der


Zurechnung muss gegeben sein, damit er zugerechnet werden kann. Die Zu-
rechnung von Strafe zielt demgegenüber auf die Zukunft.
Schließlich ist die handlungskonstituierende Zurechnung durch die Art der
Zurechnungsgründe gekennzeichnet, als welche nur eine Intention und ein
Gebot bzw. Verbot in Betracht kommen, da sie sich auf die Verwirklichung
oder Nichtverwirklichung des Zurechnungsgegenstands beziehen.
4. Der durch die Zurechnung definierte Handlungsbegriff ist vorteilhaft,
weil die Begriffe von Grund, Gegenstand und Subjekt der Zurechnung Vari-
ablen für diejenigen Begriffe sind, die an ihrer Stelle eingesetzt werden
können, um konkretisierend besondere Handlungsarten zu bilden. Er ist des-
halb im Gegensatz zu einem körperbewegungs- oder ereignisbezogenen
Handlungsbegriff ein Funktions- und nicht ein Substanzbegriff im Sinne
Cassirers.5
So wird der Zurechnungsgegenstand nicht von vornherein auf das Körper-
verhalten reduziert, sondern kann beliebige Veränderungen und schließlich
auch das Nichtstattfinden von Körperbewegungen und Veränderungen um-
fassen. Die Dualität zwischen einem Begriff der Handlung, der ein willkürli-
ches Körperverhalten bezeichnet, und den erfolgsdefinierten Handlungsbe-
griffen kann somit überwunden werden,6 ebenso diejenige von Handlung und
Unterlassung.
Ferner wird es möglich, die intentionale und normative Zurechnung von
Handlungen in einem Begriff zu vereinen.7 Dass ein solcher Begriff definiert
werden kann, ist aus strafrechtlicher Perspektive nahe liegend, denn der Be-
griff der Straftat ist nichts anderes als ein spezieller, eine normative Zurech-
nung implizierender Handlungsbegriff, und er umfasst sowohl Begehungs-
als auch Unterlassungsdelikte.
Dieser Vorteil des zurechnungsbasierten Begriffs wird dadurch erreicht,
dass er von der praktischen Funktion der Identifikation von Handlungen
ausgeht und die Handlungen nicht als Ereignisse auffasst. Die Identifikation
einer Handlung ist ein praktisches Urteil, keine Beschreibung eines vorgege-
benen Sachverhalts.8 Begriffe für praktisch bedeutsame, soziale Sachverhalte
werden zumeist durch ihre Funktion im sozialen Zusammenhang definiert.
Demgemäß muss die Definition des Handlungsbegriffs davon ausgehen, dass
die Identifikation von Handlungen offenbar dazu dient, an eine Person zu
adressieren, dass eine Veränderung stattfand oder ausblieb, und dann reflek-

5 Cassirer (1910) S. 24 ff.


6 B.III.3. und B.III.4.
7 B.V.5.3.
8 Siehe B.V.2.
130 C. Die Handlung als Ergebnis einer Zurechnung

tieren, wie das gerechtfertigt wird. Gerechtfertigt wird die Zurechnung allge-
mein durch die Annahme, dass der Zurechnungsgegenstand in Abhängigkeit
von der Person kontingent war (hierzu unter III.) und zusätzlich dadurch,
dass sich auf diesen Gegenstand die Intention der Person bezog (III.)
und / oder ein Gebot oder Verbot, das an sie adressiert war (IV.).

II. Der Zurechnungsgegenstand

Der Zurechnungsgegenstand wird durch den Zurechnungsgrund bestimmt.


Intentional kann zugerechnet werden, was der Intention entspricht; normativ,
was von der Norm abweicht. Intention wie Norm können sich auf eine Ver-
änderung oder deren Ausbleiben richten, und dementsprechend kann der
Zurechnungsgegenstand positiv oder negativ bestimmt sein.
Zurechenbar sind demnach ein Körperverhalten (hierzu unter 1.) oder
sonstige Veränderungen bzw. deren Ausbleiben (2.). Das gilt gleichermaßen
für die Handlung durch Tun wie durch Unterlassen (3.).

1. Das Körperverhalten

1. Die Handlung wird zumeist mit dem Körperverhalten des Handelnden


identifiziert. Die kausale Lehre definierte sie als Körperverhalten, das durch
den Willen verursacht ist und seinerseits Folgen verursacht. Die Handlung ist
demnach gleichsam ein Ausschnitt aus einem Kausalgeschehen, welches auf
der Seite der Ursachen mit einem Willkürakt beginnt und zur Seite der Wir-
kungen prinzipiell offen ist. Die Wirkungen der Handlung kann man wie
Radbruch, aber auch Welzel, als gegenständlichen Teil der Handlung anse-
hen, so dass diese ein aus mehreren Teilen zusammengesetztes Ganzes ist;
oder man fasst auch die erfolgsdefinierten Handlungsbegriffe bloß als Be-
schreibungen eines Körperverhaltens auf, wobei die Ursächlichkeit für den
Erfolg als die in der Beschreibung hervorgehobene Eigenschaft des Körper-
verhaltens erscheint.9
Das Zurechnungskonzept der Handlung widerspricht dieser Identifikation
von Handlung und Körperverhalten. Die Handlung ist nicht ein Ausschnitt
aus einem Kausalgeschehen oder eine Sequenz von Körperbewegungen; sie
kann nicht mit einem bloß physischen Gegenstand bzw. Ereignis identifiziert
werden. Jede Handlung hat zwar einen Zurechnungsgegenstand; dieser ist
aber nicht die Handlung. Stattdessen ergibt sich die Handlung aus der Rela-
tion, welche im Akt der Zurechnung zwischen dem Zurechnungssubjekt,

9 Siehe oben B.III.3.d).


II. Der Zurechnungsgegenstand131

-gegenstand und -grund hergestellt wird. In der Zuordnung von Zurech-


nungsgegenständen auf Personen liegt die Funktion der Handlung; darüber
hinaus hat sie keine originäre gegenständliche Referenz.
2. Das Körperverhalten ist für die Handlungskonstitution gleichwohl in
dreifacher Hinsicht bedeutsam: Es ist ein möglicher Zurechnungsgegenstand;
in ihm kommt gegebenenfalls die zurechnungsbegründende Intention zum
Ausdruck; und die zuzurechnende Veränderung muss mit einem wirklichen
oder möglichen Körperverhalten im Zusammenhang stehen.
Zurechnungsgegenstand ist ein Körperverhalten in „Körperbewegungs­
handlungen“ wie etwa dem Heben eines Armes, dem Laufen, Schwimmen
etc. Prinzipiell können aus einem kontinuierlichen Verhalten größere oder
kleinere Abschnitte nach äußeren und / oder sinnbezogenen Gesichtspunkten
herausgelöst und als Handlung beschrieben werden.
Demgegenüber wird, sobald ein Körperverhalten dazu dient, einen von
ihm unterscheidbaren Erfolg („Außenerfolg“)10 zu erreichen, im Rahmen
einer Handlungsbeschreibung dieser Erfolg benannt und zugerechnet; das
zurechnungsbegründende Körperverhalten wird begrifflich nicht bestimmt.
Selbst bei Handlungen wie dem Sprechen oder Musizieren, welche einen
kontinuierlichen Bewegungsverlauf voraussetzen, wird nicht der Bewegung-
saspekt zugerechnet, sondern das Ergebnis der Bewegung. Im Strafrecht
werden ebenfalls zumeist derartige Erfolge zugerechnet: Mit der erfolgsdefi-
nierten Handlung des Tötens wird der Tod einer anderen Person zugerechnet,
nicht ein Körperverhalten des Handelnden. Wenn der Handelnde tötet, indem
er auf einen anderen schießt, indem er wiederum den Finger am Abzug einer
Pistole krümmt, so ist nur bei der letztgenannten Handlung das Körperver-
halten Zurechnungsgegenstand.
3. Nicht irgendein Körperverhalten des Handelnden begründet somit die
Identität einer Handlungsart und einer singulären Handlung dieser Art, son-
dern allein die im Begriff dieser Handlung vorausgesetzten drei Kompo­
nenten der Zurechnung: Subjekt, Grund und Gegenstand. Deshalb sind
Handlungen mit unterschiedlichen Zurechnungsgegenständen auch dann
nicht identisch, wenn die Zurechnung mit Bezug auf ein und dasselbe Kör-
perverhalten – etwa das Krümmen des Fingers – begründet wird. Die ergeb-
nisvoraussetzenden Handlungen sind nicht auf die Körperbewegungshand-
lung reduzierbar. Sie sind auch nicht nur alternative Beschreibungen dieser
Körperbewegungshandlung. Ebenso wenig wie im Fall des Tötens der Tod
eines anderen schon die ganze Handlung ist, ist es im Fall des Fingerkrüm-
mens die entsprechende Bewegung des Fingers. Die Handlung ist das Töten
oder das Fingerkrümmen in der Gesamtheit der Merkmale, welche diese

10 Mezger (1931) S. 95. Vgl. oben B.III.4.a).


132 C. Die Handlung als Ergebnis einer Zurechnung

Handlungen definieren. Zu diesen gehören nicht nur die zugerechnete Verän-


derung, sondern auch der Zurechnungsgrund, das Zurechnungssubjekt und
der Zurechnungsakt.
4. Die Bedeutung des Körperverhaltens für die Handlung ist somit aus
seiner jeweiligen Funktion innerhalb des Gefüges von Zurechnungsgrund
und ‑gegenstand im Begriff einer Handlungsart zu bestimmen und somit zu
relativieren. Demgegenüber stellen selbst Autoren, die ein Zuechnungskon-
zept der Handlung vertreten oder diesem nahe stehen, das Körperverhalten
zu sehr in den Vordergrund. So schreibt Hruschka:
„Wir begreifen einen Vorgang – eine Körperbewegung, einen Laut – als Handlung,
wenn und weil wir annehmen, dass ein Subjekt in diesem Vorgang eine Regel an-
wendet. […] ‚Zurechnung‘ bezeichnet den Akt, meinen Akt, durch den ich einen
Vorgang als Handlung begreife: Ich rechne eine Körperbewegung oder einen Laut
einem dabei vorausgesetzten, und damit als solches anerkannten Subjekt als Hand-
lung zu.“11
Hier verwendet Hruschka den Begriff der Zurechnung nur, um die Abhän-
gigkeit der Handlungsidentifikation von einer sinnverstehenden Beobachtung
kenntlich zu machen. Er bleibt aber dem Modell der Handlung als Körper-
verhalten verhaftet, so dass der Zurechnungsgegenstand nur das Körperver-
halten ist, das dann als Handlung bestimmter Art bezeichnet wird. Dement-
sprechend kann Hruschka die Unterlassung nicht als möglichen Fall einer
Handlung begreifen, obgleich er deren Parallelität im Übrigen betont.12
Auch für Kindhäuser, der die Handlung als Interpretationskonstrukt deutet,
bleibt letztlich das Körperverhalten das Referenzobjekt einer Handlung. Er
schreibt: „[Die] spezifischen Interpretationen [eines] Verhaltens können je-
weils als Handlungen bezeichnet werden. Insofern [können] zwei Handlun-
gen ein und dasselbe Verhalten zum Referenzobjekt [haben].“13

2. Sonstige Veränderungen oder deren Ausbleiben

1. Jeder Begriff einer Handlungsart bezieht sich auf eine Veränderung als
Gegenstand der Zurechnung – positiv auf deren Stattfinden oder negativ auf
deren Ausbleiben. Dass eine Handlung nicht zwingend mit Ereignissen zu-
sammenhängt und nicht mit ihnen identifiziert werden kann, zeigt das Bei-
spiel der Unterlassung, eine Veränderung zu verursachen. Hier knüpft die
Zurechnung lediglich an ein hypothetisch gebliebenes Körperverhalten und
dessen Wirkungen an.

11 Hruschka (1976) S. 12 f.
12 Hruschka (1976) S. 60 ff.
13 Kindhäuser (2011) S. 41 ff., 42. Vgl. auch B.III.3.d) und 4.c).
II. Der Zurechnungsgegenstand133

Veränderungen sind gegeben, wenn etwas neu beginnt, modifiziert oder


beendet wird.14 Zurechenbar ist auch negativ, dass eine Veränderung aus-
bleibt. Die hierfür typischen Handlungsbegriffe sind das Verhindern, Abwen-
den und Vermeiden. Da das Verhindern einer Veränderung als ein Bedingen
eines insoweit unveränderten Fortbestehens eines Zustands gedeutet werden
kann, scheint es so, als ob man auch letzteres als Zurechnungsgegenstand
ausweisen könnte. Wenn A den B aus der Lebensgefahr rettet, ist ihm jedoch
nur zuzurechnen, dass B nicht gestorben ist, nicht auch, dass B noch weiter-
lebt. Das Weiterleben des B hat A nur im Aspekt der Abwendung jener Ge-
fahr bedingt. Im Übrigen lebt B von selbst weiter.
Es gibt zwar auch eine Zurechnung von Zuständen, jedoch nicht im Rah-
men einer Handlung. So kann einem Handelnden ein von ihm geschaffenes,
fortbestehendes Werk zugerechnet werden. Im Rahmen einer Handlung wird
ihm aber nur dessen Erschaffen zugerechnet. Auch im Übrigen begründet die
Zurechnung von Zuständen keine Handlung, sondern legt etwa Eigentum
und Besitz fest.
Zugerechnet werden kann ferner nicht die Handlung einer anderen Person
als solche, da diese kein Veränderungsereignis, sondern eine Relation zwi-
schen Gründen und Ereignissen oder deren Ausbleiben ist. Vielmehr wird ge-
gebenenfalls nur das Ergebnis oder eine Folge jener Handlung zugerechnet.15
Da der Zurechnungsgegenstand die Identität der Handlung bestimmt, kon-
stituiert jede Veränderung an einem selbständigen Handlungsobjekt eine ei-
gene Handlung. Tötet jemand zehn Personen, indem er eine Bombe legt, sind
zehn Tötungshandlungen gegeben. Strafrechtlich werden diese gem. § 52
Abs. 1 StGB im Rahmen der Tateinheit zusammengefasst, weil sie an das
Ergebnis derselben Ausführungshandlung anknüpfen.16
2. Dieselbe Veränderung kann auf unterschiedliche Weise beschrieben
werden. Im Beispiel des mythischen Ödipus, der den Laios tötet, kann diese
Handlung, sofern Ödipus eine entsprechende Intention gehabt hätte, als Tö-
tung eines Wanderers, des Königs und des eigenen Vaters beschrieben wer-
den.17 Jeweils wird eine besondere Eigenschaft oder Bedeutung des Hand-
lungsobjekts hervorgehoben. Nun sind die Tötung des eigenen Vaters, eines
Königs oder allgemein eines anderen Menschen verschiedene Handlungsar-
ten. Sie können in selbständigen strafrechtlichen Tatbeständen vertypt sein
und waren es historisch auch. Im Einzelfall aber kann die Tötung des Königs

14 Ausführlich v. Wright (1979) S. 40 ff.


15 Zu den Zurechnungsvoraussetzungen C.III.4.2.
16 Vgl. B.III.4.
17 Vgl. hierzu Kindhäuser (2011) S. 46 f.
134 C. Die Handlung als Ergebnis einer Zurechnung

zugleich eine Tötung des Vaters sein, was man in einer einzigen Handlungs-
bezeichnung zusammenfassen kann als die „Tötung des Vaters, des Königs
Laios.“
Die je unterschiedlichen Beschreibungen als intentionale Handlung der Art
„Tötung des Königs“ oder „Tötung des Vaters“ begründen nicht unterschied-
liche Handlungen. Es sind – anders als bei den Handlungen, die unterschied-
liche Zurechnungsgegenstände haben wie „schießen“ und „töten“ – nicht
zwei Handlungen gegeben, sondern nur eine Handlung, die alle relevanten
Bedeutungsaspekte mit umfasst. Denn die Identität einer einzelnen Handlung
wird allein durch die Relation von Zurechnungsgegenstand, -grund und -sub-
jekt begründet. Da der Zurechnungsgegenstand das singuläre Ereignis „Tod
des Laios“ ist und auch der Zurechnungsgrund und das -subjekt identisch
sind, ist im Einzelfall die Handlung „Tötung des Königs“ mit der Handlung
„Tötung des Vaters“ identisch.18
Das lässt sich begrifflich begründen: Die Handlungsart „Tötung des eige-
nen Vaters und Königs“ ist eine Unterart sowohl der Handlungsarten „Tötung
des eigenen Vaters“ als auch „Tötung des Königs“, und diese beiden wiede-
rum sind Arten der „Tötung eines Menschen.“ Mit der singulären Handlung
einer Unterart sind analytisch notwendig auch die übergeordneten Hand-
lungsarten gegeben. Bezeichnet man die Handlung „Tötung des eigenen
­Vaters und Königs“ als „Tötung des Vaters“ oder als „Tötung des Königs“,
wählt man lediglich jeweils abstraktere Artbezeichnungen. Die singuläre
Handlung von der Art „Tötung des Vaters“ ist im Fall des Ödipus somit
identisch mit der singulären Handlung der Art „Tötung des Königs“, weil
diese beiden Handlungsarten einen Überschneidungsbereich haben, der eine
jeweilige Unterart definiert, deren Element die singuläre Handlung ist.
Der Zurechnungsgegenstand wird somit durch seine Eigenschaften und
Bedeutungsaspekte mitbestimmt – also nicht nur „Tod des Laios“ als eines
Menschen, sondern der Tod des Laios als Fremder, als König oder als Va-
ter.19 Die entsprechende Handlungsart ist nur dann verwirklicht, wenn die
Intention des Handelnden diese Bedeutungsbezüge umfasst. So hat Ödipus
zwar einen Fremden getötet, nicht im Sinne einer Handlung aber den König
und den eigenen Vater. Strafrechtlich wird, wenn der Handelnde eine tatbe-
standlich relevante Eigenschaft des Tatobjekts nicht kennt, gem. § 16 Abs. 1
StGB die entsprechende tatbestandliche Handlung wegen eines error in per­
sona vel objecto nicht zugerechnet.

18 Vgl. zur fehlenden Identität bei Verschiedenheit der Zurechnungsgegenstände


B.III.3.d) und B.III.4.c).
19 Vgl. bereits B.III.2.b)7.
II. Der Zurechnungsgegenstand135

3. Bei Mitteilungshandlungen ist der Zurechnungsgegenstand eine Ände-


rung des Infomationsstands des Mitteilungsempfängers.20 Wenn jemand ei-
nem anderen etwas mitteilt, ist vorausgesetzt, dass der andere es wahrnimmt
und versteht. Der Begriff der Mitteilungshandlung korrespondiert dem sys-
temtheoretischen Begriff der Kommunikation, welcher als Einheit von Infor-
mation, Mitteilung und Verstehen konzipiert ist.21 Für eine Kommunikation
ist aber Intentionalität nicht wesentlich.22 Ferner muss eine Handlungstheorie
im Unterschied zur Theorie sozialer Systeme von der Zurechnung der Kom-
munikation auf die Person des Mitteilenden ausgehen, während sie für die
Theorie sozialer Systeme verobjektiviert das Grundelement von Sozialsyste-
men ist.23
Obgleich strafrechtliche Dogmatik zumeist an den Körperverletzungs- und
Tötungsdelikten entwickelt wird, ist nicht zu übersehen, dass sinngeprägte
Veränderungen auch im Strafrecht dominieren: Ehrverletzung, Freiheitsbe-
einträchtigung, Gewahrsamsbruch und Vermögensschaden sind nur durch die
Sinndimension zu erfassen und deshalb in gewissem Maß interpretationsab-
hängig. Der sehr abstrakte Begriff der Veränderung kann all diese Erfolge
erfassen.

3. Der Zurechnungsgegenstand
bei der Unterlassung

Die Unterlassung setzt voraus, dass die Person eine Handlung nicht vorge-
nommen hat. Der Gegenstand der Zurechnung ist hier aber nicht die Nicht-
vornahme dieser Handlung, weil diese Handlung ihrerseits durch einen Zu-
rechnungsakt konstituiert und einen Zurechnungsgrund und -gegenstand
aufweisen würde. Bei der Unterlassung wird vielmehr zugerechnet, dass der
Zurechnungsgegenstand der hypothetischen Handlung nicht verwirklicht
ist – sei es ein Körperverhalten oder ein anderes Handlungsergebnis.
Das Ergebnis einer (unterlassenen) Handlung kann, wie oben gezeigt, sei-
nerseits negativ definiert sein, etwa beim Verhindern und Vermeiden. Unter-
lässt man eine solche Handlung, ist der Zurechnungsgegenstand der Unter-
lassung positiv zu bestimmen, da aus der doppelten Negation eine Position
folgt. Deshalb wird, wenn man eine Veränderung zu verhindern unterlässt,
der Eintritt der Veränderung positiv zugerechnet.

20 Vgl. Luhmann (1984) S. 203 f.


21 Luhmann (1984) S. 193 ff.
22 Luhmann (1984) S. 208 f.
23 Luhmann (1984) S. 192.
136 C. Die Handlung als Ergebnis einer Zurechnung

Handlung durch Tun Handlung durch Unterlassen

Eintritt einer Handlung durch Tun Handlung durch Unterlassen


Veränderung mit positiv bestimmtem mit positiv bestimmtem
Ergebnis Ergebnis
Nichteintritt Handlung durch Tun Handlung durch Unterlassen
einer mit negativ bestimmtem mit negativ bestimmtem
Veränderung Ergebnis Ergebnis

Eine zurechnungsbasierte Konzeption der Handlung kann somit die Unter-


lassung als Handlung darstellen – anders als Konzeptionen, welche die
Handlung an das Körperverhalten und dessen Kausalität für Veränderungen
anbinden. Denn auch eine Unterlassung wird wie jede andere Handlung
durch Zurechnungsgegenstand, -grund und -subjekt definiert und ist auf den
Akt einer Beobachtung und Zurechnung angewiesen.24

III. Die Kontingenzvoraussetzung

1. Kontingenz des Körperverhaltens und Kontingenzverknüpfung

1. Nur eine Intention und / oder eine Norm können begründen, dass im
Rahmen einer Handlung ein Zurechnungsgegenstand zugerechnet wird. Es
muss behauptet werden, dass der Handelnde den Zurechnungsgegenstand
intendiert hat und / oder dass er eine Norm missachtet hat, welche auf diesen
gerichtet war.25
Beide Zurechnungsgründe setzen eine Kontingenzannahme voraus. Inten-
tion und Norm können sich prospektiv nur auf etwas Kontingentes richten.
Auch retrospektiv muss deshalb der Zurechnungsgegenstand, auf den sie sich
richten und dessen Zurechenbarkeit sie begründen, als abhängig vom Han-
delnden kontingent erscheinen.
Wenn der Zurechnungsgegenstand positiv zu beschreiben ist, als Verände-
rung, muss es somit möglich sein, dass er hätte nicht der Fall sein können;
ist er negativ zu beschreiben, als Nichteintritt einer Veränderung, muss es
möglich sein, dass das, was nicht ist, hätte der Fall sein können.
Die Kontingenzannahme betrifft unmittelbar ein zuzurechnendes Körper-
verhalten oder dessen Nichtverwirklichung. Sie muss, falls eine andere Ver-
änderung oder deren Nichtverwirklichung zugerechnet werden soll, von ei-
nem Körperverhalten ausgehen, weil nur dieses unmittelbar kontingent ist.

24 Zur Unterlassung als Handlung C.V.5.


25 Hierzu C.IV. und C.V.
III. Die Kontingenzvoraussetzung137

Die Annahme, dass ein Körperverhalten kontingent ist, ist für die intentio-
nal wie für die normativ begründete Zurechnung unabdingbar:26 Auf das,
was mit Notwendigkeit geschieht, kann sich weder eine Intention noch eine
Norm richten. Sie richten sich vielmehr darauf, etwas, das noch nicht der
Fall ist und nicht notwendig der Fall sein wird, aber als möglich erscheint,
vermittels eines Körperverhaltens zu verwirklichen oder nicht zu verwirkli-
chen. Sowohl eine Intention wie eine Norm setzen voraus, dass ein kontin-
gentes Geschehen durch sie beeinflusst werden kann.
2. Wird im Rahmen einer Handlung nur ein Körperverhalten zugerechnet,
ist die Kontingenzvoraussetzung erfüllt, wenn der Handelnde dieses Körper-
verhalten hätte unterlassen und sich in irgendeiner Weise anders verhalten
können. Ist Zurechnungsgegenstand das Ausbleiben eines Körperverhaltens,
muss angenommen werden, dass der Handelnde dieses Körperverhalten hätte
verwirklichen können.
Ein Körperverhalten ist kontingent, wenn es nicht der Notwendigkeit un-
terworfen ist. Es ist notwendig, wenn es nach Naturgesetzen verursacht ist,
etwa durch äußere natürliche Ereignisse oder einen Reflex. Ein Körperver-
halten, das ein anderer Handelnder mit unwiderstehlicher Gewalt erzwingt,
ist nur abhängig von dessen Handeln kontingent und deshalb dem Gezwun-
genen nicht zurechenbar.
Ein Körperverhalten ist schon dann kontingent, wenn der Handelnde die
Möglichkeit hatte, es bewusst zu steuern. Eingeübte und automatisierte Hand-
lungsabläufe wie beim Autofahren oder Klavierspielen sind kontingent, da der
Gesamtzusammenhang des Handelns bewusst und als solcher gewollt ist und
der Handelnde jederzeit innehalten kann. Die Möglichkeit, bewusst zu inter-
venieren, ist bei Spontanreaktionen, Affekthandlungen und Bewegungen eines
Betrunkenen zweifelhaft. Bei einem Verhalten in Trance oder unter Hypnose
ist sie ausgeschlossen. Ob ein Körperverhalten schließlich im Rahmen einer
Handlung zurechenbar ist, entscheidet sich aber erst an der weiteren Frage, ob
es auch intendiert oder, wenn nicht intendiert, zumindest fahrlässig war.27
3. Dass eine andere Veränderung als ein Körperverhalten eingetreten oder
ausgeblieben ist, kann nur zugerechnet werden, wenn diese Veränderung
ebenfalls kontingent ist, wenn also die Möglichkeit besteht, dass sie nicht der
Fall wäre. Deren Kontingenz muss dabei von der Kontingenz des Körperver-
haltens abhängig sein; es muss eine Kontingenzverknüpfung zwischen einem
Körperverhalten bzw. Anknüpfungshandlung(en), die auf diesem beruhen,
und dem Zurechnungsgegenstand bestehen.

26 Vgl. nur Binding Normen II (1914) S. 16 ff., 75 f., Larenz (1927) S. 66 f.,
Hrusch­ka (1998) S. 582 ff.
27 Zur Intentionalität C.IV.5.
138 C. Die Handlung als Ergebnis einer Zurechnung

Diese ist gegeben, wenn die Kontingenz des Körperverhaltens bzw. jener
Anknüpfungshandlung eine Bedingung der Kontingenz des Zurechnungsge­
genstands ist, wenn sie also Bedingung einer Möglichkeit ist, dass der Zu-
rechnungsgegenstand nicht eintritt.
Dieses Urteil ist kontrafaktisch, da es nicht an das tatsächlich gegebene
Körperverhalten anknüpft, sondern an eine mögliche Alternative hierzu. Für
Handlungen durch Tun muss die Alternative nicht notwendig bestimmt wer-
den („nicht so, wie geschehen, sondern beliebig anders“), während die Alter-
native für Handlungen durch Unterlassen positiv bestimmt werden muss
(„auf diese und jene Weise anders“). Die Voraussetzung der Kontingenzver-
knüpfung ist bei Handlungen durch Tun und Unterlassen aber identisch.
4. Der Begriff der Kontingenz ist auf die Zukunft bezogen und ist mit
dem Begriff der Möglichkeit verknüpft. Kontingent ist etwas, von dem so-
wohl möglich ist, dass es der Fall sein wird, wie, dass es nicht der Fall sein
wird.28 Sowohl Intention als auch Norm setzten inhaltlich eine auf die Zu-
kunft bezogene Kontingenzannahme voraus.
Bei der Zurechnung wird der Begriff demgegenüber retrospektiv gebraucht
und somit auf etwas bezogen, das tatsächlich der Fall ist oder war und somit
notwendig geworden ist, weil es nicht mehr geändert werden kann. Hier
kann man besser davon sprechen, dass Kontingenz bedeutet, dass nicht not­
wendig war, dass etwas der Fall ist oder war, und dass es nicht notwendig
war, dass es nicht der Fall ist oder war.29
Im Verhältnis der Begriffe von Kontingenz, Möglichkeit und Notwendig-
keit ist der Begriff der Notwendigkeit der Ausgangsbegriff, aus welchem
durch Negation die Begriffe von Möglichkeit und Kontingenz abgeleitet
werden. Er gleicht insoweit dem des Gebots, aus welchem die Begriffe der
Erlaubnis und Freistellung bzw. der Unverbundenheit (Freistellung im star-
ken Sinn) abgeleitet werden. Das kann in einem logischen Quadrat dargestellt
werden (siehe nächste Seite).
Kontingenz ist der kontradiktorische Gegensatz zur Notwendigkeit, aus
folgendem Grund: Kontradiktorisch (miteinander nicht vereinbar) sind die im
logischen Quadrat dargestellten Aussagen „es ist notwendig, dass“ und „es
ist nicht notwendig, dass“ ebenso wie die Aussagen „es ist notwendig, dass
nicht“ und „es ist nicht notwendig, dass nicht.“ Daraus folgt, dass auch die
Aussage „es ist kontingent, dass“ kontradiktorisch ist zu den beiden Aussa-
gen „es ist notwendig, dass“ und „es ist notwendig, dass nicht“.

28 Vgl. etwa Luhmann (1983) S. 31 ff.


29 Vgl. in Bezug auf die modallogische Bedeutung von Kontingenz, welche die-
sen Begriff auf Aussagen bezieht, Wolters Artikel Kontingenz, in: Mittelstraß (1995)
S. 455.
III. Die Kontingenzvoraussetzung139

notwendig, dass ... notwendig, dass nicht

(nicht möglich, dass nicht) (nicht möglich)

nicht notwendig, dass nicht nicht notwendig, dass ...

(möglich, dass) (möglich, dass nicht)

kontingent, dass

(nicht notwendig, dass ..., und nicht


notwendig, dass nicht = möglich, dass und
möglich, dass nicht)

Der Begriff der Kontingenz ist in Bezug auf Handlungen mit einer meta-
physischen Annahme verbunden: Er bezieht sich nicht modallogisch auf die
Wahrheit von Aussagen, sondern setzt voraus, dass ein bestimmter Gegen-
stand an sich kontingent, also nicht notwendig so ist, wie er ist oder war.30
Notwendigkeit gibt es im Bereich von Handlungen nicht, sondern nur in der
Natur. Dabei ist nicht ausgeschlossen, dass auch in der Natur Kontingenz
gegeben ist. Sie hängt aber gegebenenfalls nicht von Handlungen ab.

2. Kontingenzverknüpfung, Kausalität und condicio sine qua non

1. Die Kontingenzverknüpfung ist eine Zurechnungsvoraussetzung für alle


Arten von Handlungen, deren Zurechnungsgegenstand nicht nur ein Körper-
verhalten oder dessen Ausbleiben ist.
Diese allgemeine Zurechnungsvoraussetzung kann durch den Begriff der
Kausalität zwischen Körperverhalten und Zurechnungsgegenstand nicht ad-
äquat definiert werden. Zwar ist immer dann, wenn ein Körperverhalten für
eine Veränderung ursächlich ist, auch eine Kontingenzbeziehung gegeben.
Die Kontingenz des Körperverhaltens bedingt dann immer die Möglichkeit,
dass der Erfolg nicht eingetreten wäre oder dass er auf andere Weise verur-
sacht worden wäre.31

30 Wolters, Artikel Kontingenz, in: Mittelstraß (1995) S. 455.


31 Zu letzterem C.III.3. und 5.3.
140 C. Die Handlung als Ergebnis einer Zurechnung

Kausalität fehlt aber einerseits, wenn Zurechnungsgegenstand das Ausblei-


ben einer Veränderung ist und andererseits, wenn Anknüpfungspunkt der
Zurechnung das Ausbleiben eines Körperverhaltens ist. Die Kausalität ist
durch die Notwendigkeit einer Ereignisabfolge zu definieren: Ein Körperver-
halten ist ursächlich für eine Veränderung, wenn sie auf jenes mit Notwen-
digkeit folgt. Das Kausalurteil setzt generelle und zwingende Kausalgesetze
voraus.32 Eine Kausalität des Unterlassens gibt es daher ebenso wenig wie
Kausalität mit Bezug auf das Ausbleiben von Veränderungsereignissen.
Die Voraussetzung der Kontingenzverknüpfung tritt an die Stelle, welche
in der kausalen oder finalen Handlungslehre die Kausalität einnimmt. Sie
steht dabei auf der Seite der Zurechnungsgründe, während jene Lehren die
Handlung mit einem Ausschnitt aus einem Kausalgeschehen identifizieren
und deshalb die Kausalität eher dem Zurechnungsgegenstand zuordnen: Rad-
bruch verstand sie als Körperbewegung in kausaler Verbindung mit dem Er-
folg, Welzel als final überdeterminierten und deshalb sinnhaften Ausschnitt
aus einem Kausalgeschehen.
Das Zurechnungskonzept der Handlung teilt diese gegenständliche Vorstel-
lung von der Handlung nicht. Es abstrahiert sowohl vom Körperverhalten als
auch von der Kausalität und kann deshalb einerseits zeigen, dass auch die
Unterlassung eine Handlung sein kann und andererseits, dass Kausalität nicht
zwingend vorausgesetzt ist, um Veränderungen im Rahmen einer Handlung
zuzurechnen.
2. Auch die Bedingungstheorie formuliert die allgemeine Zurechnungs­
voraussetzung nicht adäquat. Sie versteht sich zwar als Kausalitätsdefini-
tion. – Ihr gemäß ist ein Handeln oder Unterlassen ursächlich für eine Verän-
derung, wenn es deren notwendige Bedingung ist bzw. wenn es nicht hin-
weggedacht werden kann, ohne dass diese Veränderung entfiele.33 – Als
Kausalitätsdefinition ist die Bedingungstheorie aber nicht haltbar.34 Gleich-
wohl ist sie als allgemeine Zurechnungsvoraussetzung diskutabel.
Ein Vorteil der Bedingungstheorie ist, dass sie nicht nur auf die Verknüp-
fung von Körperverhalten und Erfolg beim Tun, sondern auch beim Unter-
lassen angewendet werden kann,35 gerade weil sie auf der einen Seite des
Bedingungsurteils – dem Körperverhalten – mit dem Hinwegdenken an eine
Alternative des Handelns anknüpft.36 Das Unterlassen eines Körperverhal-

32 Zur Begründung Nolting (2015) S. 200 ff., 209.


33 Siehe B.III.5.
34 Aichele (2011c) S. 262 ff.
35 Engisch (1950) S. 135, Spendel (1973) S. 139, Puppe NK-StGB (2017) Vor
§§ 13 ff. Rn. 117 f.
36 Ausdrücklich Rödig (1969) S. 123 ff.
III. Die Kontingenzvoraussetzung141

tens kann demnach nicht ursächlich,37 wohl aber notwendige Bedingung für
eine Veränderung sein.38
Die Bedingungstheorie überzieht aber die Anforderungen an die Zurech-
nung, weil sie eine Existenz- und nicht eine Kontingenzbedingung einfordert.
Sie wird deshalb in problematischen Fällen auch nicht durchgehalten. Das
wird vor allem an den Fällen der „alternativen Kausalität“ deutlich.39
Es kann aber auch schon an den Fällen des Vereitelns von Verläufen ge-
zeigt werden, die eine Veränderung verhindert hätten; als Beispiel: B will
den Tod des C verhindern, doch A zerstört das einzige Rettungsmittel, wo­
rauf C stirbt.
A’s Handlung ist nicht ursächlich für den Tod des C, obgleich der Tot-
schlag des A an C ein Begehungsdelikt ist und somit eine Handlung durch
Tun mit positiv definiertem Ergebnis voraussetzt.40 Auf die Zerstörung des
einzigen Rettungsmittels folgt der Tod des zu Rettenden nicht mit Notwen-
digkeit, sondern nur unter der kontrafaktischen Annahme, dass der in Not
Geratene oder ein anderer jenes Mittel eingesetzt hätte.
Die Handlung des A ist auch keine notwendige Bedingung für C’s Tod:
Der Bedingungstheorie folgend muss man die Zerstörung des Rettungsmit-
tels wegdenken. Damit ist aber noch nicht viel gewonnen. B hätte, da sein
Handeln kontingent ist, das Rettungsmittel nicht benutzen müssen. Man
postuliert deshalb, dass das rettungsgeeignete Handeln hinzuzudenken sei.41
Mit dieser Modifikation wird aber die Prämisse preisgegeben, dass die Ursa-
che eine condicio sine qua non des Erfolgs sein müsse, da dieser prinzipiell
auch hätte eintreten können, wenn der Handelnde das Rettungsmittel nicht
zerstört hätte.
Das Vereiteln von Rettungshandlungen anderer verursacht eine Verände-
rung weder, noch bedingt es sie. Wohl aber ist sein Andershandeln Bedingung
einer Möglichkeit, dass die Veränderung nicht eintritt. Hätte A das Rettungs-
mittel nicht zerstört, hätte die Möglichkeit bestanden, dass B den C rettet.42
Die allgemeine Zurechnungsvoraussetzung ist nicht als Existenz-, sondern
als Kontingenzverknüpfung zu formulieren: Nicht die Existenz, sondern die

37 Nolting (2015) S. 210 f.


38 Ast (2010) S. 99 f.
39 C.III.5.
40 Nolting (2015) S. 212.
41 Roxin AT I (2006) § 11 Rn. 34.
42 Die Kontingenzverknüpfung genügt in diesen Fällen aber nicht, um die Zu-
rechnung zu begründen, weil die Zurechnung über das Handeln eines anderen vermit-
telt ist. Deshalb müssen die Voraussetzungen mittelbarer Täterschaft gegeben sein.
Hierzu näher unten C.III.4.
142 C. Die Handlung als Ergebnis einer Zurechnung

Kontingenz des Handelns muss Bedingung wiederum nicht für die Existenz,
sondern für die Kontingenz der zuzurechnenden Veränderung sein. Die
Wahrnehmung (irgend-)einer anderen Handlungsmöglichkeit hätte also nicht
zwingend dazu führen müssen, dass der Erfolg nicht gegeben wäre. Sie hätte
nur die entsprechende Möglichkeit eröffnen müssen. Diese Möglichkeit kann
im Übrigen auch von Handlungen anderer Personen abhängen wie im Bei-
spiel von denen des rettungswilligen B.
3. Der Mangel der Bedingungstheorie liegt darin, dass sie die kontingenz-
bezogene Betrachtung nur auf die Anknüpfungshandlung oder ‑unterlassung,
nicht auch auf den Erfolg bezieht. Die Gründe hierfür sind einerseits, dass
sich diese Theorie als Definition des Begriffs der Kausalität versteht und
andererseits, dass sie das Kausaldogma akzeptiert, nach welchem Handlung
und Zurechnung Kausalität zwingend voraussetzen.43 Dieses Dogma wurde
durch die naturalistische Auffassung der Handlung seitens der kausalen wie
der finalen Lehre, nach welchen die Handlung ein beschreibbarer Ausschnitt
aus einem Kausalgeschehen sei, im Handlungsbegriff verankert. All das
führte dazu, dass der Begriff der Kausalität zurechtgebogen werden musste,
um alle Fälle abzubilden, in welchen praktisch eine Zurechnung gerechtfer-
tigt ist.
Eine Definition des Bedingungsverhältnisses, welche, wie zu zeigen sein
wird, weitgehend ohne derartige Zusatzannahmen auskommt, hat Puppe aus-
gearbeitet: Sie definiert den Begriff der Ursache als notwendigen Bestandteil
einer hypothetischen hinreichenden Mindestbedingung.44 Weil diese hinrei-
chende Mindestbedingung kontrafaktisch gebildet wird, wird auch eine alter-
native Art der Verursachung des Erfolgs in den Blick genommen und die
Kontingenzbetrachtung somit auf den Erfolg ausgedehnt.
Puppe steht auch kurz davor, das Kausaldogma ganz aufzugeben, weil sie
klar erkennt, dass ein Begriff der Kausalität, der sämtliche Fälle der Zurech-
nung umfasst, nicht gebildet werden kann – also einerseits die Zurechnung
aufgrund von naturgesetzlich determinierter Kausalität, andererseits die über
das Handeln anderer vermittelte Zurechnung.45
Erst ein Handlungskonzept, das sich von der Vorstellung der Handlung als
ereignishafter Körperbewegung bzw. als Kausalprozess aus Wille, Körperbe-
wegung und Erfolg verabschiedet, kann aber das Kausaldogma ganz über-
winden, weil die Kausalität dann nicht als etwas erscheint, das mit dem Ge-
genstand der Handlung selbstverständlich gegeben ist. Die Kausalität ist

43 Siehe bereits B.III.4.


44 Puppe (1980) S. 909. Kurze Darstellung ihrer Lehre bei Grosse-Wilde (2017)
S. 304 ff.
45 Puppe NK-StGB (2017) Vor §§ 13 ff. Rn. 131. Näher hierzu unter C.III.4.
III. Die Kontingenzvoraussetzung143

nicht ein Bestandteil des Zurechnungsgegenstands.46 Zugerechnet wird nicht


die Erfolgsverursachung, sondern der Erfolg. Sie ist vielmehr mit Bezug auf
die Zurechnungsgründe relevant, da sie auf das Erfordernis der Kontingenz
bezogen ist: Die Kontingenzvoraussetzung betrifft die Handlung als Ganze,
also nicht nur die Intention und das vorausgesetzte Körperverhalten, sondern
auch den Zurechnungsgegenstand.
4. Dass das Urteil über die Kontingenzverknüpfung ein Möglichkeitsurteil
voraussetzt, bedeutet nicht, dass zugerechnet werden kann, wenn nur mög-
lich erscheint, aber nicht sicher ist, dass ein Handeln für eine Veränderung
ursächlich geworden ist oder nicht. In gleichem Maße wie die Kausalität ist
dann die Kontingenzverknüpfung zweifelhaft.
Das Urteil über die Kontingenz des Zurechnungsgegenstands bezieht sich
auf diesen selbst, während, falls Kausalität unsicher ist, kontingent ist, wel-
che von zwei Aussage wahr ist: Es erscheint dann als möglicherweise wahr,
dass der Handelnde die Veränderung verursacht hat, aber ebenso, dass er sie
nicht verursacht hat.
Entsprechendes gilt im Hinblick auf Handlungen durch Unterlassen für die
kontrafaktische Kausalannahme über die Wirkungen eines unterlassenen
Körperverhaltens. Die abstrakte Erfassung der allgemeinen Zurechnungsvo­
raussetzung als Kontingenzverknüpfung führt nicht in eine wahrscheinlich-
keitsbasierte Zurechnungslehre, wie sie im Strafrecht die Risikoverminde-
rungslehre im Hinblick auf erfolgsvoraussetzende Unterlassungsdelikte ver-
tritt.47 Nach dieser Lehre genügt es, dass in einem rückblickenden Urteil
nicht ausgeschlossen ist, dass eine gebotene Handlung für das Ausbleiben
des Erfolgs ursächlich geworden wäre. Aber auch hier setzt die Zurechnung
voraus, dass, falls die Kontingenzverknüpfung durch eine kontrafaktische
Kausalannahme begründet wird, diese als sicher erscheinen muss. Nur dann
kann behauptet werden, dass die Kontingenz des Handelns Bedingung der
Kontingenz des Erfolgs ist.

3. „Ersatzursachen“

1. Für jede kontrafaktische Analyse eines Geschehens werden Fälle mög-


licher, aber nicht verwirklichter Ursachen problematisch – so auch für die
Feststellung einer Kontingenzverknüpfung.
Als Grundkonstellation im Folgenden zu diskutierender Beispielsfälle sei
angenommen, dass X bewegungsunfähig einer Maschine ausgesetzt ist, und A
und B getrennt voneinander darüber entscheiden können, ob sie jeweils per

46 Ebenso Grosse-Wilde (2017) S. 337 ff.


47 Greco (2011) S. 674 ff. m. w. N.
144 C. Die Handlung als Ergebnis einer Zurechnung

Knopfdruck diese Maschine in Gang setzen. Es sei nun so, dass A und B ge-
trennt voneinander jeweils durch Betätigen eines Schalters verursachen kön-
nen, dass die Maschine eine tödliche Giftdosis bei X injiziert. Der Mechanis-
mus wird bereits ausgelöst, wenn der erste Befehl ergeht; der zweite Befehl
bleibt dann ohne Wirkung. Zuerst drückt A den Schalter, dann B, und C stirbt.
Da Kausalität durch die Notwendigkeit der Abfolge realer Ereignisse zu
definieren ist, ist die Beurteilung des Falls insoweit einfach: Auf die Hand-
lung des A folgte mit Notwendigkeit die Aktivierung des Automatismus,
dann die Giftgabe und der Tod des C. Die Handlung des B hingegen hat den
Automatismus nicht ausgelöst – obgleich sie diese Wirkung hätte haben kön-
nen. Ursächlich ist demnach nur die Handlung des A, nicht des B.
Jedoch ist sowohl das Andershandeln von A als auch von B Bedingung
dafür, dass X nicht stirbt. Denn der Befehl des B hätte die Maschine ausge-
löst, wenn A es nicht zuvor getan hätte. Auch B musste deshalb anders han-
deln, damit X nicht stirbt. Sowohl die Kontingenz des Handelns von A als
auch B bedingt somit, dass der Tod des X kontingent ist.
Man könnte zwar behaupten, dass das Handeln des B nicht Kontingenzbe-
dingung für den Todeserfolg sei, weil der Tod später eingetreten wäre, falls
erst B und nicht bereits A den entscheidenden Befehl gegeben hätte. Prämisse
hierfür wäre, dass der Erfolg durch seine raum-zeitliche Verortung definiert
wird und ein späterer Erfolgseintritt oder auch ein Erfolgseintritt zum glei-
chen Zeitpunkt an einem anderem Ort deshalb nicht das gleiche Ereignis
wäre.48 Das löst das Problem aber nicht, weil denkbar ist, dass eine Ersatz-
ursache am selben Ort und zur selben Zeit die gleiche Wirkung gehabt hätte.
Um das zu zeigen, kann das Beispiel dahingehend abgewandelt werden,
dass der Zeitpunkt feststeht, zu welchem dem gefesselten X eine Giftspritze
gegeben wird, falls A oder B bis dahin ihren jeweiligen Schalter bedienen.
Wer von beiden zuerst den Schalter bedient, löst das Programm aus; ein spä-
terer Befehl des anderen wird nicht mehr wirksam. Wenn zuerst A und erst
danach B den jeweiligen Schalter bedient, löst der Befehl des A den Automa-
tismus aus, nicht der des B. Letzterer hätte aber zum gleichen Ereignis am
gleichen Ort und zur gleichen Zeit geführt.49
2. Betrachtet man die Fälle möglicher Ersatzursachen unter dem Blick-
winkel der Kontingenzverknüpfung, ist somit problematisch, dass auch die
nicht wirksam gewordene Handlung als Kontingenzbedingung des Erfolgs
erscheint; betrachtet man sie unter dem Blickwinkel der Bedingungstheorie
der Kausalität, ist genau umgekehrt problematisch, dass die tatsächlich ur-
sächliche Handlung nicht als notwendige Existenzbedingung des Erfolgs er-

48 Vgl. Toepel (2011) S. 303.


49 Ähnliche Beispiele bei Engisch (1931) S. 15 f.
III. Die Kontingenzvoraussetzung145

scheint: Nach der Bedingungstheorie ist – ebenso wie im Fall der alternativen
Kausalität – weder das Handeln von A noch B notwendige Bedingung für
den Erfolgseintritt. Aus der „Ergänzungsformel“ zur alternativen Kausalität
würde folgen, dass die Handlungen von A und B ursächlich sind; denn es
kann zwar jede Handlung für sich, es können aber nicht beide hinweggedacht
werden, ohne dass der Erfolg entfiele.50
Um das gewünschte Ergebnis zu erzielen, muss die Bedingungstheorie
deshalb eine weitere Modifikation einführen: Verläufe, die sich tatsächlich
nicht verwirklicht haben, werden nicht berücksichtigt (außer, wie gesehen,
rettende Verläufe).51 Im gegebenen Fall darf man also nicht hinzudenken,
dass die Betätigung des Schalters durch B die Maschine auslöst, da das tat-
sächlich nicht passiert ist.
Auch für Puppes These, dass eine Ursache notwendiger Bestandteil einer
wahren (aber kontrafaktisch gebildeten) hinreichenden Mindestbedingung ist,
ist der Fall der „Ersatzursache“ heikel: Sowohl das Handeln von A als auch
von B ist notwendiger Bestandteil einer hinreichenden Mindestbedingung
des Todes von X zu exakt demselben Zeitpunkt und Ort. Puppe muss deshalb
ein Zusatzkriterium einfügen, das dem der herrschenden Meinung gleicht:
„Auch diejenigen Zwischenglieder der Kausalkette, die diese hinreichende
Bedingung mit dem Erfolg verbinden, [müssen] gegeben sein […].“52 Es
kommt also doch auf das tatsächliche Geschehen an; jede kontrafaktische
Betrachtung anhand der Frage nach notwendigen oder hinreichenden Bedin-
gungen hat für die Kausalitätsanalyse sekundären Charakter.
3. Weil das Kriterium der Kontingenzverknüpfung nicht den Begriff der
Kausalität definiert, folgt daraus, dass die „Ersatzursache“ nicht ursächlich
ist, kein prinzipieller Einwand gegen das Kriterium. Gleichwohl gibt der Fall
Anlass, es zu präzisieren.
Offenbar ist eine Veränderung nur zurechenbar, wenn die Kontingenz einer
Handlung des Zurechnungssubjekts auch die Kontingenz des Geschehensver-
laufs bedingt, der ursächlich für die Veränderung wird. Die Einbindung in
reale Kausalverläufe gehört gleichsam mit zur Veränderung.
Das entspricht durchaus dem Vorschlag von Puppe zur Anpassung der
Bedingungstheorie. Dieser läuft darauf hinaus zu fordern, dass die fragliche
Handlung notwendige Bedingung für den Erfolg in der konkreten Art seiner
Verursachung sein muss. Das kann man freilich nur sagen, wenn man mit der
Bedingungstheorie nicht beansprucht, die Kausalität zu definieren, weil die
Definition andernfalls zirkulär wäre.

50 Siehe unten C.III.3.5.


51 Etwa BGHSt 49, 1, 3 f. (Psychiatriefall).
52 Puppe AT (2016) § 2 Rn. 8.
146 C. Die Handlung als Ergebnis einer Zurechnung

Bei der Handlung durch Tun mit positivem Ergebnis muss der Handelnde
somit die Kontingenz des konkreten Geschehensverlaufs bedingen und auf-
grund dessen die Kontingenz des Erfolgs.

4. Handlungen anderer Personen

1. Wenn Handlungen durch Kontingenz sowie Kausalität durch Notwen-


digkeit zu definieren ist, können Handlungen nicht im naturgesetzlichen Sinn
verursacht sein. Demgegenüber gilt es als Vorteil der Bedingungstheorie,
dass sie einen über das Handeln anderer vermittelten Zusammenhang zwi-
schen einem Handeln und dem Erfolg als kausalen ausweisen könne.53
Die Annahme, dass man Handlungen anderer verursachen könne, begrün-
det aber einen unauflösbaren Widerspruch.54 Wenn eine Handlung verur-
sacht wäre, könnte sie nicht kontingent sein und nicht als Handlung zuge-
rechnet werden. Zwar können Handlungen durch andere Handlungen bedingt
sein. Jede Handlung setzt aber eine freie Wahl voraus, trotz gegebener Be-
dingungen noch anders zu handeln. Würde man Kausalität annehmen, würde
sich die Zurechnungslehre selbst aufheben, weil auch eine Handlung, die
eine andere Handlung verursacht, ihrerseits durch Handlungen anderer be-
dingt bzw. „verursacht“ ist. Es gibt auf der Welt keine Handlung, die nicht
durch Handlungen anderer bedingt ist, und sei es nur in dem Aspekt, dass der
Handelnde seine Existenz seinen Erzeugern verdankt. Niemandem wäre ir-
gendetwas zurechenbar, außer demjenigen, der die erste Ursache gesetzt hat.
Wenn jemand die Handlung eines anderen ermöglicht, ist die ermögli-
chende Handlung allerdings condicio sine qua non der ermöglichten Hand-
lung und somit ihres Ergebnisses. Ohne die ermöglichende Handlung hätte
die ermöglichte Handlung nicht stattfinden können. Wird etwa im Hinblick
auf einen Rechtsfall keine Klage oder Anklage erhoben, kann ein Urteil nicht
ergehen.
Wenn die Relation zweier Handlungen aber schwächer ist, kann man von
einer condicio sine qua non nicht mehr reden. Liefert ein Handelnder einem
anderen nur ein gutes Argument für eine Handlung (zum Beispiel ein Argu-
ment innerhalb eines Gerichtsverhandlung), könnte man nur von einer condi­
cio sine qua non reden, wenn man die Handlung des anderen als determiniert,
nicht aber, wenn man sie als kontingent auffasst. So lässt sich etwa die
Möglichkeit nicht ausschließen, dass der Richter auch ohne das vorgebrachte
Argument das gleiche Urteil gefällt hätte.

53 Aus diesem Grund halten etwa Roxin AT I (2006) § 11 Rn. 31 f., ders. (2011)
S. 416 f. und Greco (2011) S. 685 f. an der Bedingungstheorie fest.
54 Renzikowski (2011) S. 211 f.
III. Die Kontingenzvoraussetzung147

2. Diese Entscheidung wäre dann aber eine andere, insofern sie auf ande-
ren Gründen beruhen würde. Das genügt, um eine Kontingenzverknüpfung
zwischen jenem Argument und dem Ergebnis der richterlichen Entscheidung
zu bejahen. Zwar kann die Kontingenz einer Handlung nicht die Kontingenz
der Handlung einer anderen Person bedingen. Die Handlungen anderer sind
aber nicht als solche Gegenstand der Zurechnung. Es genügt deshalb, dass
der tatsächliche Verlauf, welcher zum zuzurechnenden Erfolg führt, ein ande-
rer wäre.55
Das ist gegeben, wenn die Handlung des Zurechnungssubjekts die Hand-
lung der anderen Person in irgendeiner Weise beeinflusst hat – und sei es
nur, dass sie einen Grund neben anderen für diese Handlung geliefert hat.
Die Handlung muss eine der vorausgehenden oder gleichzeitigen Umstände
schaffen, unter denen die andere Handlung vorgenommen wird. Die Kontin-
genz der Handlungen des Zurechnungssubjekts muss somit eine andere Kon-
figuration von Handlungsgründen und somit zumindest denkbar auch eine
alternative Entscheidung der anderen Person begründen. Auch wenn sich die
andere Person dann im Ergebnis gleich entschieden hätte, wäre das eine Ent-
scheidung auf anderen Grundlagen und somit ein alternativer tatsächlicher
Verlauf.
3. Diese Voraussetzung allein aber kann die Zurechnung bei Verläufen,
die über das Handeln oder Nichthandeln anderer vermittelt sind, nicht be-
gründen. Eine derartige Beeinflussung von Handlungen anderer ist ubiquitär.
Deshalb müssen darüber hinaus besondere Zurechnungsgründe gegeben sein.
Derartige Gründe sind nicht allgemeingültig. So geht es im zivilrechtli-
chen Bereich bei der rechtsgeschäftlichen Vertretung um die Zurechnung
dessen, was ein anderer erklärt hat. Sie kann durch eine Vollmacht begründet
werden. Die Zurechnung zu einer juristischen Person wird darüber hinaus
durch organschaftliche Zurechnung begründet. Grund der Zurechnung kann
somit sein, dass eine Erklärung mit einer Verpflichtung oder Ermächtigung
übereinstimmt, welche diejenige natürliche oder juristische Person ausge-
sprochen hat, der zugerechnet werden soll.
Mit Blick auf die normative Zurechnung im Rahmen einer Deliktshand-
lung wie Totschlag oder Mord genügt demgegenüber ein der Vollmacht ver-
gleichbarer Auftrag nicht. So wird dem Anstifter, der einen Mord in Auftrag
gegeben hat, der Tod der ermordeten Person nicht zugerechnet (§ 26 StGB).56
Zugerechnet wird allein bei Mittäterschaft und mittelbarer Täterschaft (§ 25

55 So bereits mit Blick auf hypothetische Ersatzursachen unter C.III.3. Ebenso


BGHSt 13, 13 (Referendarfall) zur Frage „psychischer Kausalität.“
56 Renzikowski Maurach / Gössel / Zipf (2014) § 50 Rn. 19 ff. m. w. N. Für eine
Ausdehnung mittelbarer Täterschaft demgegenüber Haas (2008) S. 80 ff., 85 f.
148 C. Die Handlung als Ergebnis einer Zurechnung

StGB). Angesichts dessen, dass ein Täter sich nicht darauf berufen kann, le-
diglich für einen anderen, insbesondere einen Anstifter zu handeln, ist es
konsequent, den Anstifter von der Verantwortlichkeit für den Erfolg freizu-
sprechen. Deshalb kann nur im Fall mittelbarer Täterschaft – also einer über
die Anstiftung hinausgehenden Beeinflussung und dadurch begründeten Un-
freiheit einer anderen Person – die Verantwortlichkeit des mittelbaren Täters
begründet werden.57

5. „Alternative“ und „kumulative Kausalität“

1. Am Beispiel des Vereitelns einer Rettungsmöglichkeit wurde deutlich,


dass die Zurechnung weder die Relation der Kausalität noch der notwendigen
Bedingung zwischen einem Körperverhalten bzw. einer Handlung des Zu-
rechnungssubjekts und dem zuzurechnendem Erfolg voraussetzt. Stattdessen
sind eine Kontingenzverknüpfung sowie im Hinblick auf die Kontingenz des
Handelns anderer besondere Zurechnungsgründe erforderlich.
Das kann auch an den Fällen der alternativen Kausalität belegt werden. In
Abwandlung der unter C.III.3. geschilderten Grundkonstellation sei ange-
nommen, dass A und B unabhängig voneinander den jeweiligen Knopf be-
dienen, wodurch die Maschine zwei Giftmengen von jeweils tödlicher Dosis
miteinander vermischt und injiziert, worauf X stirbt.
Sowohl die Handlung von A als auch B sind ursächlich für den Erfolg,
weil dieser mit Notwendigkeit aus der Injektion der Giftmenge folgt und
diese wiederum aus den Handlungen von A und B. Beider Handlungen sind
aber nicht notwendige Bedingung des Erfolgs. Wenn jede der Handlungen
für sich allein ausgereicht hätte, den Erfolg zu verursachen, ist keine der
beiden Handlungen dessen notwendige Bedingung.
Auf der Basis der Bedingungstheorie versucht man diese Konstellation zu
lösen, indem man die Definition ergänzt. Demnach sei von zwei Handlungen
jede ursächlich, die zwar je für sich, aber nicht zusammen mit der anderen
hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele;58 oder es sei
jede Handlung ursächlich, die notwendiger Bestandteil einer hypothetischen
hinreichenden Mindestbedingung sei.59 Somit gibt man aber die Vorausset-
zung auf, dass die einzelne Handlung tatsächlich condicio sine qua non sein
müsse.60 Offenbar verlangt man mit einer Existenzbedingung zu viel.

57 Vgl. hierzu Ast (2017) S. 504 ff., 508 f.


58 Traeger (1904) S. 45 ff., Wessels / Beulke / Satzger AT (2017) § 6 Rn. 222.
59 Puppe NK-StGB (2017) Vor § 13 Rn. 102 ff.
60 Zutreffend Puppe NK-StGB (2017) Vor §§ 13 ff. Rn. 92 ff. m. w. N., dies. AT
(2016) § 2 Rn. 4.
III. Die Kontingenzvoraussetzung149

Die Kontingenzverknüpfung erfordert demgegenüber lediglich, dass die


Kon­tingenz des Handelns Bedingung für die Kontingenz des Zurechnungs­
gegenstands sein muss. Nicht das Handeln muss notwendige Bedingung da-
für sein, dass die Veränderung eintritt, sondern das Andershandeln notwen-
dige Bedingung einer Möglichkeit, dass die Veränderung ausbleibt. Die
Kontingenz des Todes von X hängt nun sowohl von der Kontingenz des
Handelns von A als auch B ab. Sowohl die Kontingenz der Anknüpfungs-
handlungen (bzw. das Andershandeln) von A als auch von B ist notwendige
Bedingung der einzigen Möglichkeit, dass X nicht stirbt.
2. Die „alternative“ ist ein Spezialfall der „kumulativen Kausalität.“ Der
Grundfall der kumulativen Kausalität ist in Abwandlung der oben geschil-
derte Konstellation, dass A und B per Knopfdruck über die Zusammenset-
zung einer Injektion für X entscheiden und jeder von beiden die Beimischung
einer Giftmenge verfügt, die für sich allein nicht, wohl aber mit der anderen
zusammen tödlich wirkt.
Beide Handlungen sind notwendige Bedingung – condicio sine qua non –
des Erfolgs. Ebenso ist jede Handlung eine Kontingenzbedingung. Allerdings
gibt es insgesamt drei Möglichkeiten, dass der Erfolg nicht eintritt: (1.) A
bedient den Schalter, aber B nicht; (2.) B, aber A nicht; (3.) weder A noch B
bedienen den Schalter. Die Kontingenz des Handelns von A ist somit notwen-
dige Bedingung für eine der Möglichkeiten, dass der Erfolg nicht eintritt (für
die zweite Variante). Deshalb bedingt es die Kontingenz des Erfolgs.
Ob in diesen Fällen etwa für A ein Totschlag bejaht wird, hängt davon ab,
was A wusste. Wusste er nicht, dass auch B sich für den Tod des X entschei-
den muss und seine eigene Entscheidung allein nicht ausreicht, würde die
Rechtsprechung einen vorsatzrelevanten Irrtum über den Kausalverlauf an-
nehmen und nur wegen Versuchs bestrafen.61 Dementsprechend wäre Vollen-
dung zu bejahen, wenn A wüsste, dass sich auch B für den Tod des X ent-
scheiden muss. Die Literatur würde demgegenüber den Schutzzweckzusam-
menhang zwischen dem Verbot, den Schalter zu betätigen und dem Verbot zu
töten bei Nichtwissen des A verneinen und bei gegebenem Wissen bejahen.62
3. Schwieriger ist der Fall zu beurteilten, dass A die Beimischung einer
für sich allein nicht ausreichenden und B einer ausreichenden Giftmenge
veranlasst und die Gesamtmenge vollständig resorbiert wird.
In diesem Fall sind sowohl die Anknüpfungshandlungen von A und B ur-
sächlich für den Tod des X: Der Tod des X folgt unter den gegebenen Bedin-
gungen mit Notwendigkeit aus der Resorption der Giftmenge, diese wiede-

61 BGHSt 7, 325, 329.


62 Renzikowski, in Matt / Renzikowski-StGB (2013) Vor § 13 Rn. 84. Zur dogma-
tischen Einordnung dieser Lösung C.V.3.
150 C. Die Handlung als Ergebnis einer Zurechnung

rum aus der Injektion des Giftes und jene daraus, dass A und B den Automa-
tismus ausgelöst haben, der zur Injektion führte.
Nach der Bedingungstheorie der Kausalität ist A’s Handeln indes nicht
ursächlich. Nur die Handlung des B ist notwendige Bedingung des Todes
von X, nicht auch die des A. Letztere ist auch nicht ein notwendiger Be-
standteil einer hinreichenden Mindestbedingung.
Es wurde vorgeschlagen, die ausreichende Menge, die B gegeben hat, hy-
pothetisch derart in zwei jeweils nicht ausreichende Teilmengen aufzuteilen,
dass die von A gegebene Menge eine notwendige Bedingung bzw. ein not-
wendiger Bestandteil einer hinreichenden Mindestbedingung wird.63 Man
kann aber eine Handlung – hier die Bedienung des Schalters durch B – nicht
gleichsam halbieren.
Auch das Kriterium der Kontingenzverknüpfung hat zunächst vergleich-
bare Schwierigkeiten: Es gibt keine mögliche Geschehensvariante, in welcher
der Nichteintritt des Todes von X von der Kontingenz des Handelns von A
abhängt. Jedoch ist das Kriterium zu präzisieren, wie schon zu den Fällen der
Ersatzursachen gezeigt wurde: Die Art der Verursachung gehört mit zur Cha-
rakterisierung des Erfolgs. Wenn A keine Giftgabe verfügt hätte, wäre X an
einer geringeren Menge Gift verstorben. Die Kontingenzverknüpfung ist
demnach gegeben. Der Fall ist somit ebenso wie der zuerst erörterte Fall der
kumulativen Kausalität zu beurteilen.
4. Der kalifornische Supreme Court hatte einen Fall zu entscheiden, der in
diesem Zusammenhang diskutiert wird:64 S hat T eine Wunde zugefügt, die
zu Blutverlust führte. T brachte sich sodann selbst eine zweite, gravierendere
Wunde bei und starb. „Überholende Kausalität“ durch die Selbstverletzung
des T wurde nicht angenommen, da der Blutverlust aus beiden Wunden zum
Tod führte. Schon deshalb ist Kausalität der Anknüpfungshandlung des S zu
bejahen. Die Bedingungstheorie muss eine „anknüpfende Kausalität“ anneh-
men, was mit der Kontingenz von T’s Handeln nicht vereinbar ist.
Eine Kontingenzverknüpfung ist auch in diesem Fall zu bejahen. Falls jede
Wunde bereits für sich allein zum Tod des T geführt hätte, liegt ein Fall al-
ternativer Kausalität vor. Dann ist sowohl das Andershandeln von S als auch
T selbst je eine notwendige Bedingung der Möglichkeit, dass T nicht stirbt.
Wenn die Verletzung, die S dem T beigebracht hat, nicht zu dessen Tod ge-
führt hätte, ist gleichwohl eine Kontingenzverknüpfung zu bejahen, da ohne

63 Kritisch zu dieser Lösung Moore (2009) S. 489 f. m. w. N.


64 People v. Lewis 57 P 470 (Cal., 1899), Hinweis bei Moore (2009) S. 417 f., der
diese Fallgruppe als assymetrically overdetermined concurrent-cause cases bezeich-
net.
III. Die Kontingenzvoraussetzung151

die Verletzung der Erfolg auf andere Weise verursacht worden wäre, nämlich
nur durch die Wunde, die sich T selbst zugefügt hat.
5. Die Fälle „kumulativer“ und „alternativer Kausalität“ können auf Un-
terlassungen übertragen werden:65
Ausgehend von der gegebenen Grundkonstellation ist folgender Fall denk-
bar: A und B können dadurch die vorprogrammierte Hinrichtung des X ver-
hindern, dass jeder von ihnen einen jeweiligen Schalter bedient. Beide wissen
aber nicht, wie der je andere sich entscheidet. Weder A noch B bedienen den
Schalter.
Eine erste Variante dieses Falls entspricht den Fällen der „alternativen
Kausalität“ beim Tun: Die Maschine wird schon dadurch gestoppt, dass A
oder B allein den Schalter bedienen.
Hier ist im Sinne der Bedingungstheorie das jeweilige Unterlassen not-
wendige Bedingung des Erfolgseintritts. Auch die Kontingenz des Todes von
X ist sowohl von der Kontingenz des Handelns von A als auch von B abhän-
gig.
6. Für die Bedingungstheorie problematisch ist indessen ein Fall, welcher
der „kumulativen Kausalität“ vergleichbar ist: A und B müssen den jeweili-
gen Schalter bedienen, um X zu retten. Keiner von beiden bedient den Schal-
ter.
In diesem Fall wird wiederum deutlich, dass die Voraussetzung der Kon-
tingenzverknüpfung die allgemeine Zurechnungsvoraussetzung besser trifft
als die Bedingungstheorie: Keine der beiden Unterlassungen ist notwendige
Bedingung des Todes von X. Wohl aber ist die Kontingenz des Handelns von
A ebenso wie von B notwendige Bedingung der einzigen Möglichkeit, dass
X nicht stirbt. Denn sowohl A als auch B müssen hierfür anders handeln.
Eine Kontingenzverknüpfung besteht deshalb sowohl für A als auch für B.
Auf der Grundlage der Bedingungstheorie konnte der BGH die „Quasi-
Kausalität“ im vergleichbaren Politbüro-Fall nur mit dem Argument behaup-
ten, dass sich andernfalls „jeder Garant allein durch den Hinweis auf die
gleichartige und ebenso pflichtwidrige Untätigkeit gleichgeordneter Garanten
von jeder strafrechtlichen Haftung freizeichnen“ könne.66 Er deutet die
„Quasi-Kausalität“ der Unterlassung deshalb als normative Zurechnungsvor-
aussetzung und unterstellt zur Prüfung der Quasi-Kausalität „rechtmäßiges
Verhalten der parallelen Garanten“.67

65 Vgl. Puppe NK-StGB (2017) Vor §§ 13 ff. Rn. 120 ff.


66 BGHSt 48, 77, 94.
67 BGHSt 48, 77, 95.
152 C. Die Handlung als Ergebnis einer Zurechnung

Diese Erwägungen treffen auf die Frage nach dem Pflichtwidrigkeitszu-


sammenhang zwischen der Missachtung des Gebots der verhinderungsgeeig-
neten Handlung und dem Nichtverhindern des Erfolgs zu.68 Für eine allge-
meine Zurechnungsvoraussetzung, wie sie mit der Kontingenzverknüpfung
postuliert wird, können normative Erwägungen indessen nicht maßgeblich
sein.
Puppe konstruiert zur Begründung der Kausalität demgegenüber eine hin-
reichende Mindestbedingung für den Erfolgseintritt. Da bereits das Unterlas-
sen von A notwendiger Bestandteil einer hinreichenden und tatsächlich gege-
benen Mindestbedingung des Erfolgs ist, sei Kausalität zu bejahen.69
Auf der Grundlage des hier vertretenen Kausalitätsbegriffs, können Unter-
lassungen eines Körperverhaltens allerdings nicht ursächlich sein, weil das
Nichtstattfinden eines Körperverhaltens kein Ereignis ist und Kausalität zwi-
schen dem tatsächlichen Körperverhalten und dem Erfolg nicht vorliegt.
Puppes Kriterium zeigt aber letztlich nichts anderes, als dass es für eine all-
gemeine Zurechnungsvoraussetzung auf die Frage ankommt, ob die Kontin-
genz des Handelns notwendige Bedingung für eine der Möglichkeiten ist,
dass der Erfolg nicht eintritt.
Es muss hier nicht weiter untersucht werden, ob im Ausgangsfall die wei-
teren Voraussetzungen der Erfolgszurechnung vorliegen. Vergleichbar zu den
Fällen der kumulativen Kausalität bei Handlungen durch Tun könnte man
das verneinen, wenn A nicht wusste, dass sich auch B für die Rettung ent-
scheiden muss, weil A dann über die gegebene Rettungsmöglichkeit irrt.
Wenn er wusste, dass auch B sich für die Rettung entscheiden muss, wäre
ein Irrtum zu verneinen. Problematisch ist dann, wie schon gesagt, allein der
Pflichtwidrigkeitszusammenhang.
7. Die Komplexität kann in den Fällen „kumulativer Kausalität“ noch ge-
steigert werden, so wenn ein Gremium durch Mehrheitsentscheidung darüber
befinden muss, ob eine Veränderung verhindert wird.
Der Ausgangsfall ist jetzt derart abzuwandeln, dass A, B, C, D und E
durch einfache Mehrheit darüber entscheiden können, ob die Maschine, die
auf die Tötung des X programmiert ist, gestoppt wird. Dabei sitzt jeder in
einem eigenen Raum und bedient ohne Absprache mit den anderen seinen
Schalter.
Wenn nur ein Mitglied, etwa A, dafür und die vier anderen dagegen stim-
men, hängt die Kontingenz einer eingetretenen oder ausgebliebenen Verände-
rung davon ab, dass zwei, drei oder vier Mitglieder anders, nämlich positiv
votierten, sodass eine einfache Mehrheit zustande kommt. Die alternativen

68 Hierzu Ast (2012b) S. 648 ff.


69 Puppe AT (2016) § 30 Rn. 7 f.
III. Die Kontingenzvoraussetzung153

Möglichkeiten des Geschehens sind noch zahlreicher, da für jedes Abstim-


mungsergebnis unterschiedliche Kombinationen denkbar sind. Wenn A tat-
sächlich dafür gestimmt hat, ist möglich, dass auch (B und C), (B und D), (B
und E), (C und D), (C und E), (D und E), (B, C und D), (B, C und E), (C, D
und E) oder schließlich (B, C, D und E) dafür stimmen.
Die Kontingenzbedingung ist hier sowohl kumulativ – mehrere müssen
zusammenwirken – als auch alternativ – nicht alle müssen zusammenwirken.
Zudem sind unterschiedliche Varianten des Zusammenwirkens möglich. Jede
der möglichen Varianten ist insgesamt eine Kontingenzbedingung, weshalb
auch das in einer der Varianten relevante Handeln eines Abstimmenden Kon-
tingenzbedingung ist. Für die Kontingenzverknüpfung unter den Bedingun-
gen des Zusammentreffens je kontingenten Handelns genügt es deshalb, dass
das Andershandeln der einzelnen Person Kontingenzbedingung des Erfolgs
für mindestens eine Geschehensalternative ist, die nicht zum Erfolg führt.
8. Nichts anderes gilt für die entsprechenden Fälle „alternativer Kausali-
tät“ bei Anknüpfungshandlungen durch Tun. Für die einfache Konstellation,
dass nur zwei Personen handeln, ist die Lösung noch einfach, wie schon
gezeigt. Wenn die Verhältnisse komplexer sind, stellt sich exakt dasselbe
Problem wie beim Unterlassen.
So mögen jetzt nicht nur A und B, sondern zusätzlich C, D und E die
Möglichkeit haben, je einen Schalter zu bedienen. X wird automatisch getö-
tet, wenn bis zu einem bestimmten Zeitpunkt mindestens drei der fünf Perso-
nen den Schalter bedient haben. Bedienen B, C, D und E den Schalter, ist
deren jeweiliges Andershandeln Kontingenz­ bedingung für sechs der zehn
möglichen Geschehensvarianten, die nicht zum Tod des X geführt hätten.
Die herkömmliche Betrachtung über die condicio sine qua non führt auch
in diesen Fällen an ihre Grenze. Wenn mehr Stimmen als notwendig für den
Erfolg abgegeben werden, ist die einzelne Stimme nicht notwendig. Man
könnte wiederum nur eine hypothetische hinreichende Mindestbedingung
konstruieren, für welche sie notwendig wäre.
Auch hat man versucht, Fälle dieser Art über die Annahme von Mittäter-
schaft und die gegenseitige Zurechnung der für den Erfolg eintretenden
Handlungen zu lösen.70 Mittäterschaft setzt aber voraus, dass die zuzurech-
nenden Beiträge auf der Grundlage eines gemeinsamen Tatplans erbracht
werden. Dieser fehlt, wenn sich die Handelnden nicht zuvor hinsichtlich ihrer
Stimmabgabe abgestimmt haben. Es genügt nicht, dass diejenigen, die für
den Erfolg votieren, sachlich übereinstimmen. Ein Tatplan ist vielmehr durch
die Kommunikation gegenseitiger Handlungserwartungen gekennzeichnet,
welche die Zurechnung des Ergebnisses der je erwarteten Handlungen recht-

70 Knauer (2001) S. 159 ff. Hierzu Puppe NK-StGB (2017) Vor §§ 13 ff. Rn 94.
154 C. Die Handlung als Ergebnis einer Zurechnung

fertigen.71 Die für den Erfolg stimmenden Gremienmitglieder fassen durch


die Abstimmung erst den Tatplan. Das ermöglicht die Zurechnung nur, wenn
der Erfolg durch weitere Handlungen verursacht wird.

IV. Die intentionale Zurechnung

1. Intention und Norm als Zurechnungsgründe

1. Intention und Verhaltensnorm gehören nicht zum Gegenstand der Zu-


rechnung; Zurechnungsgegenstand sind weder der Normverstoß, noch die
intentionale Handlung als solche. Eine Handlung liegt nicht schon vor der
Zurechnung als eine vorgegebene Einheit von psychischen und physischen
Komponenten vor, die nur einer Person zugeordnet werden müsste. Sie wird
vielmehr durch die Zurechnung als eine solche konstituiert; Intention
und / oder Norm sowie die zugerechnete Veränderung werden erst durch die
Zurechnung zur Einheit der Handlung zusammengeschlossen.
Für das Zurechnungskonzept der Handlung ist somit nicht die Annahme
entscheidend, dass der „Wille“ des Handelnden dasjenige Körperverhalten
verursacht hat, von welchem die Kontingenzverknüpfung ausgeht. Die Hand-
lung ist nicht als Ausschnitt aus einem Kausalprozess zu verstehen. Stattdes-
sen stellt das Zurechnungskonzept eine Grund-Folge-Beziehung her zwischen
der Annahme, dass die kontingente Verwirklichung des Zurechnungsgegen-
stands einer Intention entspricht oder einer Norm widerspricht und dem Ur-
teil über die Zurechnung.
2. Die Zurechnung wird unter Berufung auf eine Intention oder Norm
begründet, weil beide einen besonderen Sinngehalt haben. Sie beziehen sich
inhaltlich auf den Zurechnungsgegenstand – „A verbietet, dass …; B beab-
sichtigt, dass …“ – und sind darauf gerichtet, ihn zu verwirklichen oder nicht
zu verwirklichen. Es geht ihnen um Weltgestaltung im Sinn einer Verände-
rung oder Nichtveränderung der Welt. Sie haben mit einem Wort Searles eine
Welt-auf-Wort-Ausrichtung im Unterschied zu einer Wort-auf-Welt-Ausrich-
tung – und somit nicht beschreibenden, sondern vorschreibenden oder welt-
gestaltenden Sinn.72 Dieser rechtfertigt die Zurechnung des dann verwirk-
lichten Zurechnungsgegenstands.
Die enge Verwandtschaft von Norm und Intention spiegelt sich auch bei
den zugeordneten Modalverben „sollen“ und „wollen“ wider. Wenn jemand
einem anderen eine Handlung gebietet, will er, dass der andere die Handlung

71 Vgl. Renzikowski in: Maurach / Gössel / Zipf (2014) § 49 Rn. 9 ff., 21 ff.
72 Searle (2001) S. 121 ff.
IV. Die intentionale Zurechnung155

vornimmt. Das auf das Handeln eines anderen bezogene und diesem mitge-
teilte Wollen ist ein Sollen. Diese Parallelität kann man heranziehen, um
Begriff und Sinngehalt der Intention zu erschließen.
3. Der Gestaltungssinn von Norm und Intention erklärt, warum diese die
Zurechenbarkeit von Veränderungen begründen. Intentional wird zugerech-
net, weil das Subjekt eine Intention gesetzt, das heißt verbindlich gemacht
hat, und es wird zugerechnet, was mit dieser übereinstimmt. Aufgrund einer
Norm wird zugerechnet, was mit dieser nicht übereinstimmt, da das Zurech-
nungssubjekt Adressat dieser Norm war.
Zugerechnet wird in beiden Fällen, worin das Zurechnungssubjekt aus der
Perspektive des Zurechnenden frei war und was deshalb als das Seine er-
scheint. Es war frei, die Intention zu setzen oder nicht zu setzen, weshalb das
mit ihr Übereinstimmende zugerechnet wird. Demgegenüber war es aus der
Sicht des Zurechnenden verbunden, der Norm zu folgen, weshalb sich die
Freiheit des Subjekts in der Abweichung von der Norm äußert. Die Befol-
gung einer Norm erscheint somit nur unter dem Gesichtspunkt der Intention
als frei und wird als Handlung zugerechnet, nicht aus Sicht der Norm, wäh-
rend deren Missachtung auch aus deren Sicht als frei erscheint.
Dass nur die Normmissachtung, nicht aber deren Befolgung zugerechnet
wird, entspricht Kants Auffassung.73 Weil aber Kant das Gesollte zugleich
als das aus Vernunft Gewollte ausweist, erscheint ihm die Freiheit anderer-
seits in der Normbefolgung, die Unfreiheit – als Nötigung durch sinnliche
Bestimmungsgründe – in der Nichtbefolgung der Norm.74 Diese Annahme
von Unfreiheit setzt aber wiederum voraus, dass Freiheit möglich ist.
4. Intention und Norm stehen als mögliche Zurechnungsgründe gleichbe-
rechtigt nebeneinander. Sie können entweder die Zurechnung je eigenständig
begründen oder kombiniert werden:
(a) Eine bloß intentionale Zurechnung ist etwa bei normativ freigestellten
(indifferenten) Handlungen gegeben. Sie ist aber auch beim vorsätzlichen
Begehungsdelikt Zwischenschritt der normativen Zurechnung, da sich das
Verbot auf eine intentional zurechenbare Handlung richtet.
(b) Aus diesem Grund ist das vorsätzliche Begehungsdelikt für die Kom-
bination von intentionaler und normativer Zurechnung beispielhaft. Obgleich
sich hier das Verbot auf eine intentional zurechenbare Handlung bezieht, ist

73 Siehe bereits unter B.I.1.1. Ferner Kant (1907) S. 227 f., (1934) S. 253 Refl. 7124,
S. 304 Refl. 7295. Vgl. Hruschka (1998a) S. 105 ff., Aichele (2008) S. 17 f., Renzikow­
ski (2011) S. 210. Zu überobligatorischen (supererogatorischen) Handlungen Joerden
(2010) S. 221 ff. m. w. N.
74 Kant (1907) S. 226 f.
156 C. Die Handlung als Ergebnis einer Zurechnung

Gegenstrand der normativen Zurechnung nicht diese intentionale Handlung


als solche, sondern nur deren Zurechnungsgegenstand. Das Verbot tritt als
Zurechnungsgrund gleichsam neben die Intention; der Zurechnungsgegen-
stand bleibt gleich.
Eine Handlungsart, welche durch die Kombination von intentionaler und
normativer Zurechnung definiert wird, ist gegenüber der korrespondierenden,
bloß intentional begründeten Handlungsart spezieller, da der Begriff einer
Handlungsart gleichermaßen durch Grund und Gegenstand der Zurechnung
definiert wird. Umgekehrt ist der Begriff jener intentionalen Handlung merk-
malsärmer und gegenüber dem Deliktsbegriff ein Oberbegriff: Jeder Mord ist
eine Tötungshandlung, nicht aber umgekehrt. Deshalb ist es möglich, bereits
das Tatbestandsurteil als Urteil über das Gegebensein einer Handlung zu
konzipieren, obgleich das darauf aufbauende Urteil, dass eine schuldhafte Tat
vorliege, eine weitere Handlung speziellerer Art feststellt, die sowohl inten-
tional als auch normativ begründet wird.
(c) Allein normativ begründet wird die Zurechnung des Erfolges und so-
mit der Handlungscharakter demgegenüber beim Fahrlässigkeitsdelikt, denn
die Intention richtet sich hier nicht auf den Erfolg, welcher der Zurechnungs-
gegenstand ist. Alle Versuche, die Zurechnung des Erfolgs bzw. die Hand-
lungseigenschaft trotz dieser fehlenden Intention nicht- bzw. vornormativ zu
begründen, sind gescheitert. So kann man die fahrlässige Verursachung zwar
als vermeidbar oder als Verwirklichung des Risikos einer Handlung beschrei­
ben, welche wegen ihrer Gefährlichkeit einem generellen Verbot unterfällt,
doch fehlt dann ein Grund, warum das zugerechnet werden sollte. Die Zu-
rechnung des Erfolgs wird nicht durch irgendein deskriptives Kriterium ge-
rechtfertigt, sondern erst durch das normative Urteil, dass der Handelnde den
Erfolg hat verhindern sollen oder dass er ihn durch eine gefährliche intentio-
nale Handlung verbotswidrig verursacht hat.
Kann dieses Urteil nicht gefällt werden – etwa weil wegen erlaubten Risi-
kos trotz Vermeidbarkeit keine Sorgfaltsnorm postuliert wird oder weil die
fahrlässigkeitstatbestandliche Risikoschaffung gerechtfertigt ist – kann man
den Erfolg nicht zurechnen. Zurechnungsgrund wäre andernfalls nur das
Schema eines Beobachters, das zwar an der Norm orientiert, aber bloß de-
skriptiv ist. Die Zurechnung entbehrte des Bezugs auf den Handelnden; sie
wäre nicht mehr als eine kausale Erklärung von Handlungsfolgen. Der Sinn
einer handlungsbegründenden Zurechnung ist demgegenüber, die Adressier-
barkeit eines Geschehens an einen Handelnden auszudrücken. Es wird als
sein Werk als in seiner Zuständigkeit stehend ausgewiesen.
IV. Die intentionale Zurechnung157

2. Intention, Vorsatz, Absicht und Inkaufnehmen

1. Der Begriff der Intention bezeichnet den Zurechnungsgrund in allen


Fällen, in welchen die Zurechnung einer Veränderung unter Berufung auf die
Sinnsetzung der handelnden Person begründet wird. Er umfasst den straf-
rechtlichen Vorsatz, welcher die Intention einer tatbestandlichen Handlung –
zum Beispiel „töten“ – bezeichnet.
Der Begriff der Intention ist ausgehend vom Begriff der Absicht zu defi-
nieren. Intention und Absicht sind jedoch nicht gleichbedeutend, weil die
Intention auch das Inkaufnehmen umfasst, also Fälle, in denen die handelnde
Person eine zuzurechnende Veränderung nicht beabsichtigt, sondern nur als
sichere oder mögliche Folge ihrer Handlungen voraussieht und hinnimmt.
Strafrechtlich handelt es sich um die Vorsatzformen der Wissentlichkeit und
des dolus eventualis.
Der Begriff der Absicht bezeichnet mit Blick auf ein zuzurechnendes Kör-
perverhalten, dass dieses willkürlich bzw. unmittelbar gewollt ist. Bezieht
sich die Absicht auf einen anderen Zurechnungsgegenstand, welcher mit ei-
nem Körperverhalten kontingenzverknüpft ist, ist dieser bezweckt, so dass
das Körperverhalten oder das Unterlassen eines Körperverhaltens als Mittel
erscheint, diesen Zweck zu verwirklichen. Derart zu differenzieren liegt ei-
nerseits nahe, weil eine über das Körperverhalten hinausgehende Verände-
rung immer als letzten Endes durch ein Körperverhalten bezweckt aufgefasst
werden kann. Andererseits kann ein intentionales bzw. absichtliches Körper-
verhalten selbst nicht als bezweckt bezeichnet werden und muss auch nicht
immer Mittel zu einem Zweck sein.75 Es ist aber gewollt.
Der Begriff des Wollens bzw. einer Wollung (Volition) wird hier demnach
nicht mit der Intention gleichgesetzt. Zwar kann man auch die bloß in Kauf
genommene Folge eines Körperverhaltens als gewollt bezeichnen. Der Be-
griff der Intention ist aber anders als umgangssprachlich der des Wollens an
eine Handlung gebunden: Die Intention ist die im Begriff einer Handlungsart
vorausgesetzte Wollung und unterscheidet sich von einem weniger spezifi-
schen Wollen durch den Aspekt der Verbindlichkeit (hierzu unter C.IV.3.).
Anscombe hat den Begriff der Intention (Absicht) darüber bestimmt, dass
die Frage nach Handlungsgründen durch den Handelnden zugelassen und
nicht zurückgewiesen werde. Durch den Grund selbst kann die Absicht nicht
definiert werden, weil es auch grundlose Handlungen gibt.76 Die Warum-
Frage wird der Handelnde aber gerade deshalb zulassen, weil er die hand-

75 So Hruschka (1976) S. 10 f., den finalen Handlungsbegriff kritisierend.


76 Anscombe (1986) S. 40 f.
158 C. Die Handlung als Ergebnis einer Zurechnung

lungskonstituierende Zurechnung nachvollzieht. Er wird sie nachvollziehen,


weil er die Zuschreibung der Intention akzeptiert. Die Zulassung der Warum-
Frage ist somit eher ein Indiz für die Absicht und angesichts der aufgezeigten
Zirkularität keine Definition derselben. Um die Intention über die Aufzäh-
lung ihrer Arten hinaus zu definieren, wird vielmehr die Frage zu beantwor-
ten sein, warum der Handelnde die intentionsbegründete Zurechnung akzep-
tiert – und warum er sie etwa auch in den Fällen des Inkaufnehmens akzep-
tieren muss.
2. Die Vorsatzformen der Wissentlichkeit und dolus eventualis in den Be-
griff der Intention einzubeziehen, erscheint problematisch, weil anders als
bei der Absicht das Erreichen des zuzurechnenden Erfolgs nicht der Grund
bzw. das entscheidende Motiv der Handlung ist. Diese Begriffsfassung recht-
fertigt sich aber daraus, dass die Intention nicht den Grund der Handlung,
sondern den Grund der Zurechnung bezeichnet.
Auch die finale Handlungslehre hat jene beiden Vorsatzformen als Fälle
handlungsbegründender Finalität aufgefasst.77 Dies wird allerdings mehr be-
hauptet als begründet, da der Begriff der Finalität von der Absicht bzw. der
Zweckorientierung ausgeht.
Es stellt sich aber die Frage, warum eine Intention im Fall aller drei Vor-
satzformen anzunehmen ist und warum nicht auch darüber hinaus schon
dann, wenn der Handelnde erkennt, dass der Erfolg möglicherweise eintritt,
ihn aber nicht in Kauf nimmt. Etwa Gallas hat angenommen, dass letzteres
für Finalität und Vorsatz genüge. Dementsprechend hat er auch für die be-
wusste Fahrlässigkeit den Tatbestandsvorsatz bejaht und bloß den „Vorsatz-
schuldvorwurf“ verneint.78 Die Abgrenzung des Vorsatz- vom Fahrlässig-
keitsdelikt verankert er somit nicht im Handlungsbegriff. Er beurteilt sie
dann nach Strafwürdigkeits­gesichts­punkten.79
Die entgegengesetzte Position zu dieser Lösung wäre, den Begriff der In-
tention auf die Absicht zu beschränken.80 Diese Position führt aber letztlich
zu ähnlichen Ergebnissen wie Gallas’ Vorschlag. Sie verankert den Vorsatz
nicht im Handlungsbegriff, weshalb er nicht mehr zwingend Unrechtsvoraus-
setzung ist.81 Wenn aber ein eventualvorsätzliches Töten nicht mehr als Tö-
tungshandlung angesehen wird, muss die Erfolgszurechnung im Ausgangs-
punkt durch Verursachungsverbote begründet werden, deren Reichweite dann

77 Welzel (1969) S. 34 f., 67 f., Armin Kaufmann (1958) S. 64 f., 81.


78 Gallas (1955) S. 42 ff.
79 Gallas a. a. O. Im Anschluss an Bockelmann (1949) S. 24, Fn. 44.
80 Etwa Kindhäuser, s. o. B.IV.5.a), Puppe NK-StGB (2017) Vor §§ 13 ff. Rn. 48 f.
81 Vgl. Puppe NK-StGB (2017) § 15 Rn. 2.
IV. Die intentionale Zurechnung159

durch die Erfordernisse der Vermeidbarkeit, der Pflichtwidrigkeit oder der


objektiven Zurechnung eingeschränkt werden kann. Auch nach dieser Kon-
zeption wird der Vorsatz frei für eine Deutung nach Strafwürdigkeitsgesichts-
punkten. Ohne das Wollen des Handelnden berücksichtigen zu müssen, kann
der Vorsatz dann bereits aufgrund der Kenntnis einer Gefahr bejaht werden,
die durch sein Handeln begründet wird.82
Die Frage, ob der Vorsatz im Handlungsbegriff zu verankern ist oder nicht,
wirkt sich somit entscheidend auf das Verständnis des Vorsatzes aus. Beja-
hendenfalls wird dieser auf das Problem bezogen, die Zurechnung eines Er-
folges zu rechtfertigen. Andernfalls kann er sinnvoll nur noch unter direktem
Durchgriff auf den Grund für die erhöhte Strafdrohung gedeutet werden. Es
müsste sich somit aus der Logik der Zurechnung zeigen lassen, dass zwar
aufgrund von Wissentlichkeit und dolus eventualis ein Erfolg zugerechnet
werden kann, den der Handelnde nicht bezweckt hat, darüber hinaus aber
nicht.
3. Hierfür ist eine Parallelisierung des Begriffs der Intention mit dem der
Norm aufschlussreich. Sowohl die Intention als auch die Norm kennen zwei
Grade der Bestimmtheit: Die Absicht und das Gebot legen sich auf einen
Weltzustand fest. Dessen Verfehlen wird als Misserfolg und Enttäuschung
definiert und kann zu einem weiteren Versuch führen, ihn noch zu erreichen.
Wenn der Handelnde hingegen die Veränderung nicht beabsichtigt – so beim
dolus directus zweiten Grades und beim dolus eventualis – ist die Situation
eine andere. Der Eintritt der Veränderung wird nur in Kauf genommen, ihr
Nichteintritt bedeutet nicht Misserfolg und Enttäuschung und veranlasst kei-
nen erneuten Versuch.
Diese Art der Intention hat im normativen Bereich eine Entsprechung in
der Erlaubnis (im starken Sinn: „Freistellung“ oder „freistellende Erlaub­
nis“).83 Auch die Garantie, dass eine Art von Handlungen im normativen
Sinne frei, also weder geboten noch verboten ist, kann als eine Norm aufge-
fasst werden, obgleich sie nicht gebietet oder verbietet. Diese Art der Erlaub-
nis ist ebenso wie das Inkaufnehmen geprägt durch eine Indifferenz bzw.
Unbestimmtheit gegenüber dem in Bezug genommenen Objekt.
Die Bedeutung dieser Indifferenz kann verdeutlicht werden, wenn man die
Begriffe des Gebots und der Absicht jeweils als Grundbegriffe eines logi-
schen Quadrats setzt, das die unterschiedlichen Möglichkeiten darstellt, Ne-
gationen zu formulieren:

82 Puppe NK-StGB (2017) § 15 Rn. 69 f., Kindhäuser AT (2017) § 14 Rn. 27 ff.


83 Vgl. Puppe NK-StGB (2017) § 15 Rn. 68.
160 C. Die Handlung als Ergebnis einer Zurechnung

beabsichtigt, dass beabsichtigt, dass nicht

(geboten, dass) (geboten, dass nicht)

nicht beabsichtigt, dass nicht nicht beabsichtigt, dass

(nicht geboten, dass nicht) (nicht geboten, dass)

nicht beabsichtigt, dass, und nicht beabsichtigt, dass nicht

(freigestellt, dass)

Sowohl Gebot als auch Absicht können in unterschiedlicher Weise negiert


werden: Einerseits kann der Gegenstand des Gebots und der Absicht negativ
bestimmt werden, andererseits können Gebot und Absicht als solche („kate-
gorial“) negiert werden. Im ersten Fall handelt es sich um das Verbot einer
Handlung (als das Gebot, dass diese nicht vorgenommen werde) bzw. um die
Absicht, dass eine Veränderung nicht eintritt; im zweiten um die Erlaubnis
einer Handlung bzw. das Inkaufnehmen einer Veränderung.
Erlaubnis und Inkaufnehmen sind durch eine zweifache Negation gekenn-
zeichnet. Die Erlaubnis (im starken Sinn) bezeichnet, dass eine Handlung
weder geboten noch verboten ist. In entsprechender Weise negiert das In-
kaufnehmen die Absicht in zweifacher Hinsicht: Der Handelnde beabsichtigt
weder, dass eine Veränderung eintritt, noch, dass sie nicht eintritt. Ebenso
wie dem Erlaubenden recht ist, dass die erlaubte Handlung vorgenommen
werde oder nicht, ist dem Handelnden recht, dass der Erfolg eintritt, aber
auch, dass er nicht eintritt.84
4. Indifferent ist dabei nur die Intention des Handelnden, nicht zwingend
auch seine Bewertung. Wie er die in Kauf genommene Veränderung bewer-
tet – positiv, negativ oder indifferent – ist aber für die Intention irrelevant.
Wenn die Rechtsprechung den Eventualvorsatz durch das Billigen des Er-
folgs definiert, kann das nicht bedeuten, dass der Handelnde den Erfolg po-
sitiv bewerten müsse.85 Auch ist nicht zu verlangen, dass er dem Erfolg

84 Vgl. auch die logische Interpretation des dolus eventualis von Joerden (2010)
S. 284 f., der ihn aber als Funktion eines bloß kognitiven Urteils auffasst.
85 Klarstellend bereits BGHSt 7, 363, 369 f.
IV. Die intentionale Zurechnung161

wertungsmäßig neutral gegenübersteht. Vielmehr ist das Inkaufnehmen auch


mit einer negativen Bewertung des Erfolgs vereinbar.
Das zeigt der Referenzfall der BGH-Rechtsprechung, der Lederriemenfall:86
Der Tod des Opfers war den Tätern höchst unerwünscht, also negativ bewer-
tet. Sie wollten das Opfer zunächst nur betäuben, um es zu berauben. Im
Vorfeld hatten sie die Möglichkeit verworfen, es mit einem Gurt zu würgen,
weil sie nicht wollten, dass es stirbt. Im Kampf mit dem Opfer zog dann ei-
ner der Täter einen Gurt um dessen Hals und zog ihn fest, bis es bewusstlos
wurde. In dieser Handlung kam nicht mehr die frühere Absicht zum Aus-
druck, das Opfer nicht zu töten, sondern mindestens eine Indifferenz dessen
Tod gegenüber. Der BGH entschied, dass den Tätern Vorsatz zur Last lag.
Sie hätten den Tod des Opfers gebilligt. Im Rechtssinne könne man auch
einen Erfolg billigen, der einem unerwünscht ist.
Wiederum ist der Vergleich mit der deontischen Logik aufschlussreich:
Auch eine erlaubte Handlung bzw. deren Ergebnis kann in Bezug auf einen
Wertaspekt als negativ bewertet erscheinen. Wenn jemand einen anderen in
Notwehr tötet oder im Notstand verletzt, ist der Tod oder die Verletzung des
anderen etwas an sich negativ Bewertetes, Unerwünschtes. Diese negative
Bewertung tritt aber hinter dem mit der Handlung bzw. ihrer Erlaubnis ver-
folgten Interesse zurück – nämlich das Gut zu bewahren, auf das sich der
abgewehrte Angriff richtete oder für das eine Notstandsgefahr bestand. Die
eine Bewertung wird zwar durch die andere relativiert, aber nicht negiert.
Gleiches gilt für das Inkaufnehmen eines Erfolgs: Dessen eventuell nega-
tive Bewertung setzt sich gegen die vom Handelnden verfolgten Zwecke
nicht durch. Eine solche Bewertungslage kann sogar in Fällen der Absicht
gegeben sein, wie das Beispiel von Brutus zeigt, dem der Tod Caesars ei-
gentlich unerwünscht war.87 Die Intention bei zugleich negativer Bewertung
des Erfolges wird als ein „Sich-Abfinden“ beschrieben.88
Weitere Kriterien, durch welche der Eventualvorsatz von der bewussten
Fahrlässigkeit abgegrenzt wird, verdeutlichen die Parallelität von Absicht
und Gebot sowie ihrer Ableitungen. So verhält sich das Inkaufnehmen kon-
tradiktorisch zur Absicht, dass der Erfolg nicht eintrete. Wenn bei einem
gefährlichen Handeln der Handelnde die Intention verfolgt, dass der Erfolg
nicht eintrete, kann nicht angenommen werden, dass er ihn in Kauf
nimmt.89

86 BGHSt 7, 363.
87 Puppe AT (2016) § 9 Rn. 2.
88 BGHSt 7, 363, 369, Roxin AT I (2006) § 12 Rn. 29 m. w. N.
89 Armin Kaufmann (1958) S. 73 ff., zustimmend Hillenkamp (1989) S. 351 ff.,
369.
162 C. Die Handlung als Ergebnis einer Zurechnung

Auch das Kriterium des Vertrauens, dass der Erfolg ausbleibe,90 entstammt
einer normativen, auf das Handeln anderer gerichteten Denkweise: Vertrauen
richtet sich auf die Einhaltung von normativen Erwartungen, also Geboten
und Verboten.91 Übertragen auf den Eventualvorsatz, wird deutlich, dass im
Vertrauen die quasi normative Stellungnahme zum Ausdruck kommt, dass
der Erfolg nicht sein soll – und nicht nur eine kognitive Erwartung, dass dies
tatsächlich nicht der Fall sein werde. Das Vertrauen ist gleichsam eine abge-
schwächte Form der Absicht, dass der Erfolg nicht eintrete, in Fällen, in de-
nen sich eine solche Absicht nicht im Handeln manifestiert. Das Vertrauen
widerspricht deshalb der für den Eventualvorsatz kennzeichnenden intentio-
nalen Indifferenz.
5. Im Punkt der Indifferenz gibt es keine Abweichung, sondern nur Über-
einstimmung. Was auch geschieht, widerspricht weder dem Inkaufnehmen
noch der Erlaubnis.
Nun wird aufgrund einer Norm zugerechnet, was ihr widerspricht, auf-
grund einer Intention, was ihr entspricht. Einen Widerspruch zu einer Erlaub-
nis kann es aber nicht geben. Der Handelnde ist frei, die erlaubte Handlung
vorzunehmen oder nicht. Eine normative Zurechnung findet deshalb nicht
statt.
Demgegenüber vermag die Indifferenz der Intention die Zurechnung einer
Veränderung zu begründen. Der Eintritt einer nicht bezweckten, aber in Kauf
genommenen Veränderung stimmt mit der Intention überein. Die Stellung-
nahme des Handelnden geht dahin, dass ein bestimmter Erfolg sein darf, und
deshalb kann ihm dieser zugerechnet werden.
Es lässt sich somit aus der Funktion der handlungsbegründenden Zurech-
nung erklären, dass die Intention den strafrechtlichen Vorsatz und mit ihm
auch die Vorsatzformen von Wissentlichkeit und dolus eventualis umfasst.
6. Nachdem das begriffliche Verhältnis von Absicht und Inkaufnehmen
geklärt ist, kann untersucht werden, wie die Begriffe der Intention bzw. des
Vorsatzes zu definieren sind.
Offenbar muss die Definition dieser Begriffe vom Begriff der Absicht
ausgehen, weil die Intentions- und Vorsatzform des Inkaufnehmens durch
eine zweifache Negation der Absicht definiert wird: Das Inkaufnehmen eines
Erfolges ist dadurch gekennzeichnet, dass man weder beabsichtigt, dass er
eintritt, noch, dass er nicht eintritt. Weil der Begriff des Vorsatzes mit dem
Inkaufnehmen aber auch die Negation der Absicht enthält, ist er nicht als
Absicht definierbar.

90 Vgl. wiederum BGHSt 7, 363, 370.


91 Luhmann (1984) S. 179 ff., Amelung (2005) S. 7 ff.
IV. Die intentionale Zurechnung163

Ähnlich verhält es sich mit dem Begriff der Norm, sofern man auch die
Erlaubnis (im starken Sinne) als Norm auffasst. Dann kann die Norm nicht
als Gebot, sondern nur mit Bezug auf den Begriff des Gebots definiert wer-
den, da mit der Erlaubnis auch die Negation eines Gebots umfasst ist. Wenn
man eine Handlung erlaubt, also nicht gebietet und nicht verbietet, spricht
man kein Gebot aus, obgleich man über die Frage des Gebots oder Verbots
dieser Handlung bestimmt.
Gebot und Erlaubnis verhalten sich dabei nicht wie a und non-a zueinan-
der, sofern mit non-a etwas kategorial anderes als a gemeint ist, z. B. die
Behauptung eines Sachverhalts. Die Erlaubnis ist nicht irgendetwas beliebi-
ges anderes als ein Gebot. Beide bleiben vielmehr im Beobachtungsschema,
das auf dem Begriff des Gebots beruht. Wenn jemand etwas erlaubt, verhält
er sich hierzu im gleichen Modus, wie wenn er es gebieten / verbieten würde.
Darüber hinaus ist vorausgesetzt, dass er es gebieten oder verbieten könnte,
also die Möglichkeit und den Einfluss hat, dies zu tun.
Gleiches gilt für das Verhältnis von Absicht und Inkaufnehmen. Auch das
Inkaufnehmen bleibt in dem Rahmen, der durch den Begriff der Absicht de-
finiert wird. Wenn jemand etwas in Kauf nimmt, verhält er sich im selben
Modus, wie wenn er es beabsichtigen würde. Auch muss es prinzipiell mög-
lich sein, dass er denselben Erfolg beabsichtigen könnte.
Somit ist es eine wesentliche Bestimmung der Intention, dass sie sprach-
lich als Aussage in Bezug darauf formuliert werden kann, ob etwas (eine
Veränderung) beabsichtigt ist. Die Aussage kann beinhalten, dass beabsich-
tigt ist, dass eine Veränderung eintritt, dass sie nicht eintritt oder weder-noch.
Der zuletzt genannte Fall trifft auf das Inkaufnehmen zu. Parallel hierzu ist
die Norm eine Aussage in Bezug darauf, ob etwas geboten ist.
Die Arten der Norm und Intention ergeben sich aus den Möglichkeiten der
Negation des Begriffs des Gebots bzw. der Absicht. Die Arten der Intention
bzw. des Vorsatzes sind somit die Absicht und das Inkaufnehmen. Dessen
Unterarten sind wiederum – je nachdem, ob der Gegenstand des Inkaufneh-
mens als mit Sicherheit oder nur mit Wahrscheinlichkeit eintretend vorge-
stellt wird – strafrechtlich die Wissentlichkeit und der dolus eventualis. Die
Wissentlichkeit als dolus directus zweiten Grades zu bezeichnen und somit
der Absicht als dolus directus ersten Grades zur Seite zu stellen, ist systema-
tisch verfehlt.92
Die Absicht ist somit die Grundform des Vorsatzes, nicht das Inkaufneh-
men (Wissentlichkeit oder Eventualvorsatz). Den Eventualvorsatz kann man

92 Zurückgehend auf Mezger (1952) § 67 III. Klassisch (zum Fall Thomas) Bin­
ding (1916) Normen II (1916) S. 851 ff.
164 C. Die Handlung als Ergebnis einer Zurechnung

nur dann als Grundform ansehen, wenn man den Vorsatz allein durch die
Kenntnis der Möglichkeit oder Wahrscheinlichkeit definiert, dass die Verän-
derung eintreten wird.93 Dann ist allerdings die Absicht für den Vorsatz
überhaupt irrelevant und gegebenenfalls ein bloß akzidentielles Merkmal.94
Der handlungstheoretische Begriff der Intention und der strafrechtliche des
Vorsatzes würden auseinander fallen.95

3. Die Verbindlichkeit der Intention

1. Sofern die Intention oder die Norm als Zurechnungsgründe fungie-


ren, müssen sie eine verbindliche Bestimmung, eine Festlegung sein. Wer
eine Absicht äußert, legt sich selbst fest, wer eine Norm äußert, bestimmt
das Verhalten eines anderen, legt sich aber auch selbst auf die Norm fest.
Die Sprechakttheorie bezeichnet diesen Aspekt einer Äußerung als die il-
lokutionäre Bedeutung eines Sprachaktes.96 Die Norm ist ihrem illokutio-
nären Gehalt nach direktiv auf das Handeln anderer und die mit diesem
zusammenhängenden Veränderungen gerichtet ist, die Intention dagegen
kommissiv auf eigenes Handeln und dessen Konsequenzen und ist gleich-
sam ein selbstverpflichtender Akt. Obgleich weder Norm noch Intention in
Form eines Sprachaktes geäußert werden müssen, hätten sie immer eine
illokutionäre Bedeutungskomponente, wenn sie geäußert würden. Diese
wird sowohl prospektiv für den Handelnden als auch retrospektiv für die
Zurechnung relevant. Gerade die Verbindlichkeit von Norm und Intention
rechtfertigt die Zurechnung. – Wodurch wird diese Verbindlichkeit herge-
stellt?
Die Verbindlichkeit einer Norm kann daraus folgen, dass sie dem Adressa-
ten mitgeteilt wird oder dass sie wie im Fall von generellen Rechtsnormen
Geltung hat. Der Status der Geltung symbolisiert die Verbindlichkeit, die ei-
ner generellen Rechtsnorm durch die Gesetzgebung zukommt und die in ju-
ristischen Zurechnungsurteilen im Einzelfall bestätigt wird.
Die Intention wird demgegenüber erst dadurch verbindlich, dass der Han-
delnde sich in bestimmter Weise verhält oder nicht verhält. Ein Körperver-
halten ist die de-facto-Entscheidung über die Ausführung eines Plans oder
Vorhabens, das erst dadurch zur Intention wird – sei diese unmittelbar nur

93 Dementsprechend Puppe NK-StGB (2017) § 15 Rn. 105.


94 Schünemann (1999a) S. 370 ff. fasst demgegenüber den Vorsatzbegriff ange-
sichts dessen als Typusbegriff auf, dass die Absicht auch dann Vorsatz begründen
kann, wenn die angenommene Erfolgsgefahr gering ist. Zum Typuskonzept B.V.3.3.
95 So bei Kindhäuser (2005) S. 353 ff., siehe auch B.IV.5.a).
96 Searle (2003) S. 40 f., 84 ff.
IV. Die intentionale Zurechnung165

auf das Körperverhalten gerichtet oder darüber hinaus auf einen anderen
Zurechnungsgegenstand.97 Vorhaben und Intention unterscheiden sich daher
nicht inhaltlich, sondern allein durch den Aspekt der Verbindlichkeit. Die
Intention ist eine unwiderrufliche Entscheidung, weil das tatsächliche Kör-
perverhalten unwiderruflich ist. Für einen Beobachter ist das Körperverhalten
die Mitteilung einer Intention. Sein Verständnis der Intention manifestiert
sich in der Zurechnung.
Da erst das Körperverhalten eine Intention festlegt, ist diese mit ihm lo-
gisch verknüpft; beide sind gleichermaßen voneinander abhängig: Ein alter-
natives intentionales Körperverhalten setzt logisch eine andere Intention vo-
raus; und eine andere, verhaltensbezogene Intention wäre notwendig mit ei-
nem anderen Körperverhalten verbunden. Eine Intention in diesem Sinn kann
das Körperverhalten also nicht verursachen, da sie erst mit diesem gegeben
ist. Ob und wie das Körperverhalten durch psychische Operationen verur-
sacht wird, kann also für die Handlungstheorie offen bleiben. Die Zurech-
nung geht indes, wie oben dargestellt, von der Annahme aus, dass Intention
und Körperverhalten kontingent sind.
Unmittelbar legt ein Körperverhalten nur die auf dieses selbst gerichtete
Intention fest. Eine Intention, die sich auf einen anderen Gegenstand richtet,
wird durch das Körperverhalten festgelegt, wenn es das Mittel ist, jenen Ge-
genstand zu verwirklichen. So kann aus dem Krümmen des Fingers am Ab-
zug einer auf einen anderen gerichteten Pistole auf eine Intention geschlossen
werden, die sich auf den Tod des anderen richtet. Ein Körperverhalten steht
immer in einem bestimmten Kontext, der es schon für sich ermöglichen
kann, die Intentionen des Handelnden zu verstehen.98
Das Körperverhalten verweist in diesem Fall auf eine Intention, und diese
über das Körperverhalten hinaus auf einen anderen Gegenstand. Wegen die-
ser Verweisungsstruktur kommt dem Körperverhalten die Funktion als Sinn-
träger zu; es hat Bedeutung, ist Ausdruck der Intention. Sie manifestiert sich
in ihm, tritt nach außen, teilt sich mit. Der Akt der Zurechnung manifestiert
dann ein Verstehen dieser Intention. Er schließt eine Kommunikation in Luh-
manns Sinn ab.99

97 Vgl. die Unterscheidung von Wunsch, Willkür und Wille bei Kant (1907)
S. 213 = (2009) S. 17: „Sofern [das Vermögen, nach Belieben zu tun oder zu lassen]
mit dem Bewußtsein des Vermögens seiner Handlung zur Hervorbringung des Objek-
tes verbunden ist, heißt es Willkür; ist es aber nicht damit verbunden, so heißt der
Aktus desselben ein Wunsch.“ Diese Passage kann man so deuten, dass das mit der
Handlung (als einem Tun) gegebene Begehrungsvermögen Willkür heißt und das Be-
gehrungsvermögen ohne Handlung Wunsch.
98 Vgl. Anscombe (1986) S. 13 ff., p. 7 ff.
99 Luhmann (1984) S. 198, 203.
166 C. Die Handlung als Ergebnis einer Zurechnung

Diese Sicht auf die Handlung hat letztlich auch der Handelnde selbst; er
rechnet sich eine Handlung aufgrund eines Körperverhaltens ebenso zu, wie
es ein Beobachter tut. Sofern er sich eine Handlung zurechnet, hat er den
Blick eines Beobachters, denkt also dessen Perspektive mit. Das gilt auch,
wenn er Handlungen in einem reflexiven, hypothetischen Urteil projiziert
und sich dabei probehalber selbst zurechnet.
2. Die Frage, wann eine über das Körperverhalten hinausgehende Inten-
tion verbindlich wird, beantwortet das Strafrecht eigenständig mit der Festle-
gung des Versuchsbeginns. Gefordert wird nicht eine aus Sicht des Täters
gefährliche Handlung, sondern gem. § 22 StGB eine, mit welcher er nach
seiner Vorstellung von der tatbestandlichen Handlung zu ihrer Verwirkli-
chung unmittelbar ansetzt. Das muss nicht zwingend diejenige Handlung
sein, welche die Kontingenzverknüpfung begründen kann bzw. soll, sondern
es kann eine Handlung genügen, welche dieser Handlung nach der Tätervor-
stellung unmittelbar vorangeht.
Nur aufgrund dieser Regel kann begründet werden, dass in Fällen des
vorzeitigen Erfolgseintritts Vorsatz und somit eine erfolgsdefinierte Hand-
lung angenommen werden kann, obgleich der Täter noch keine nach seiner
Vorstellung erfolgsgefährliche Handlung vorgenommen hat. Wenn ein Täter
das zu tötende Opfer zunächst nur betäuben will, aber bereits dadurch unbe-
absichtigt dessen Tod verursacht, kommt es nach der Rechtsprechung darauf
an, ob der Versuch des Totschlags bereits begonnen hatte.100
3. Die Verbindlichkeit der Intention schließt nicht aus, dass der Handelnde
sich von ihr inhaltlich distanzieren kann. Er kann anführen, dass sie etwa
durch eine Täuschung oder Drohung beeinflusst war; dass er nicht frei ent-
schieden habe. Die intentionale Zurechnung wird jedoch nur durch zwin-
gende Gewalt, vis absoluta, ausgeschlossen, weil man dann das Körperver-
halten nicht als kontingent ansehen kann.
Die Festlegung einer Intention kann nicht zurückgenommen, aber sozusa-
gen neutralisiert werden, wenn der Handelnde anschließend die kontradikto-
risch entgegengesetzte Intention setzt, dass der Erfolg nicht eintrete. So kann
er vom Versuch gem. § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2, S. 2 StGB strafbefreiend zu-
rücktreten. Dass der Rücktritt die durch das Körperverhalten festgelegte In-
tention nicht berührt, wird daran deutlich, dass zugerechnet wird, falls der
Erfolg trotz der Rücktrittsbemühungen eintritt.

100 BGH NJW 2002, 1057, BGH NStZ 2002, 475. Umstritten, vgl. Roxin AT I
(2006) § 12 Rn.182 ff. m. w. N.
IV. Die intentionale Zurechnung167

4. Die Zuschreibung der Intention

1. Während die normative Zurechnung auf der Annahme einer Norm be-
ruht, welche der Zurechnende selbst postuliert, beruft er sich bei der inten­
tionalen Zurechnung auf eine Sinnsetzung durch den Handelnden. Die inten-
tionale Zurechnung beinhaltet deshalb eine zusätzliche Tatsachenannahme,
sofern die Intention in den sinnbasierten Operationen eines psychischen
Systems, also mentalen Zuständen ihre Grundlage hat. Diese sind allerdings
ereignishaft-flüchtig und nicht unmittelbar zugänglich, sondern nur aus den
Umständen zu erschließen und zu rekonstruieren. Um die Intention mitteilbar
und verstehbar zu machen, muss ihr eine sprachliche Fassung gegeben wer-
den, welche sie interpretierend festlegt. Dabei wird sie der Person des Han-
delnden zugeschrieben.
Von der Zurechnung unterscheidet sich die Zuschreibung einer Intention
insofern, als es keinen besonderen Zurechnungsgrund gibt: Man kann eigene
Intentionen oder Erwartungen nicht wiederum intendieren. Es ist nur eine
Selbstbeobachtung möglich, welche die Intention reflektiert und sich aufgrund
dessen selbst Handlungen zurechnet oder die Intention ändert oder aufgibt.
Intentionen werden vielmehr zugeschrieben, weil sie in einem Handeln er-
kennbar werden. Nur bei juristischen Personen wird eine formelle Beschluss-
fassung als das Setzen einer Intention selbständig als Handlung zugerechnet.
2. Da die Zuschreibung einer Intention das Verstehen bzw. die Rekon­
struktion einer Sinnsetzung voraussetzt, hat sie interpretierenden Charakter
und kann deshalb mehr oder weniger unsicher sein. Intentionen wird man
mithilfe eines Ähnlichkeitsschlusses ermitteln. Weil der Beobachter ebenfalls
ein intentional Handelnder ist, kann er beurteilen, ob ein Körperverhalten
intentional ist, und kann aus den Mitteilungen des Handelnden oder den Um-
ständen erschließen, welche Intention der handelnden Person zuschreibbar
ist.101 Absichten sind dabei leichter zu ermitteln als die indifferente Intention
im Sinne eines Inkaufnehmens.
3. Nicht möglich ist es aber, im Rahmen einer intentionalen Zurechnung
sozusagen einen Schluss vom Sollen auf das Sein zu ziehen.102 Wenn der
Handelnde eine sehr naheliegende Gefahr verdrängt hat, kann ihm keine
entsprechende Intention, keine Stellungnahme hinsichtlich des drohenden
Erfolgs zugeschrieben werden – selbst wenn er sich bei anderer Gelegenheit
oder generell gegen derartige Erfolge gleichgültig verhalten hat. Das Argu-
ment, dass er die Gefahr hätte erkennen müssen, ist kennzeichnend für eine
normative Zurechnung, die aber bei fehlender Intention nur eine Fahrlässig-

101 Hierzu Anscombe (1986) S. 75 ff., p. 47 ff.


102 So Jakobs (2012) S. 56 f., Pawlik (2012) S. 380 ff.
168 C. Die Handlung als Ergebnis einer Zurechnung

keitszurechnung begründen kann. Bejaht man hier eine intentionale bzw.


vorsätzliche Handlung, gewinnt der Begriff des Vorsatzes einen ganz anderen
Sinn. Er differenziert dann in erster Linie nach kriminalpolitischen oder
Strafwürdigkeitsgesichtspunkten. Die Absicht oder das Inkaufnehmen des
Erfolgs definieren den Vorsatz nicht mehr, sondern begründen nur noch die
Erforderlichkeit einer erhöhten Strafe.
Das heißt aber, dass man auf eine subjektiv begründete Zurechnung ver-
zichtet und eine objektive Handlungskonzeption zugrunde legt. Das verkennt
die Bedeutung einer intentionalen Zurechnung, welche sich gerade auf einen
vom Handelnden bewusst gesetzten Handlungssinn stützt. Der strafrechtliche
Begriff des Vorsatzes ist im Begriff der Handlung zu verankern und nicht in
einer Konzeption der Kriminalstrafe. Eine Entpsychologisierung des Vorsat-
zes ist nur insofern berechtigt, als man sich des interpretierend-zuschreiben-
den Charakters bewusst sein muss. Aus der Normativierung des Schuldbe-
griffs folgt keineswegs auch eine normative Deutung des Vorsatzbegriffs.

5. Abgrenzung der Handlung zu „Nichthandlungen“

Die Intentionalität grenzt Handlungen von einem Körperverhalten ab, das


nicht im Rahmen einer Handlung zugerechnet werden kann. Insofern kommt
es darauf an, Mindestvoraussetzungen dafür zu bestimmen, wann ein kontin-
gentes Körperverhalten als intendiert gelten kann.
Wenn die Zurechnung aufgrund einer Intention dadurch begründet ist, dass
in der Intention eine quasi normative Stellungnahme liegt, dass der Zurech-
nungsgegenstand verwirklicht werden soll oder darf, muss ein Mindestmaß
an selbstreflexivem Bewusstsein beteiligt sein, um eine Intention anzuneh-
men. Fehlt dieses, ist das Verhalten zwar nicht gleich Ausdruck einer unge-
brochenen „Natur“, es ist aber nicht als Entscheidung der Person zurechen-
bar. Ein Körperverhalten in Trance oder unter Hypnose ist deshalb nicht in-
tendiert, obgleich das psychische System durchaus beteiligt ist. Wenn vorper-
sonale Impulse ungebrochen zum Ausdruck kommen, bleibt das Verhalten
für die Person fremd.
Auch spontane Reaktionsbewegungen, die Reflexen nahe kommen, kön-
nen deshalb wohl nicht als intentionale Handlungen zugerechnet werden.
Wenn etwa ein Autofahrer das Lenkrad verreißt und einen Unfall auslöst,
weil ihm durch das geöffnete Fenster ein Insekt gegen das Auge fliegt, kann
die normative Zurechnung nicht auf das Verbot dieser Abwehrbewegung ge-
stützt werden, da diese nicht intentional gesteuert war.103 Vielmehr kann
eventuell ein Gebot angenommen werden, die Bewegung dadurch zu verhin-

103 OLG Hamm NJW 1975, 657.


V. Die normative Zurechnung169

dern, dass man bewusst gegensteuert. Erst die Missachtung dieses Gebots
würde dann die normative Zurechnung der Abwehrbewegung im Rahmen
einer fahrlässigen Handlung durch Unterlassen begründen können.104 Bei
weniger unvorhergesehenem, affekt- oder triebgesteuertem Verhalten wird
man demgegenüber Intentionalität bejahen können.105

V. Die normative Zurechnung

1. Die Struktur der normativen Zurechnung

a) Besonderheit und Implikationen des Urteils


über die normative Zurechnung

1. Jedes Zurechnungsurteil setzt die verifizierbare Tatsachenbehauptung


voraus, dass als Zurechnungsgegenstand eine Veränderung eingetreten ist
oder nicht eingetreten ist. Ferner ist ein bestimmtes Körperverhalten oder
dessen Unterlassung vorausgesetzt.
Die Urteile über die Zurechnungsgründe haben demgegenüber eine etwas
kompliziertere Struktur: Das Kontingenzannahme beinhaltet ein kontrafakti-
sches Urteil über ein alternatives Verhalten und mögliche weitere Gesche-
hensverläufe; das Urteil über eine Intention hat den Charakter einer Zu-
schreibung.
Das Urteil über die normative Zurechnung schließlich unterscheidet sich
durch seinen normativen Charakter von allen anderen singulären Urteilen,
die in einem Zurechnungsurteil enthalten sind. Nur mit Vorsicht ist aber da-
von zu sprechen, dass diese anderen Urteile im Gegensatz zum Urteil über
die normative Zurechnung rein deskriptiv seien. Weil die Zurechnung immer
ein Urteil eines Beobachters voraussetzt, ist etwa auch die Konstitution einer
Handlung durch eine intentionsbegründete Zurechnung nie bloß die Feststel-
lung eines gegebenen Sachverhalts. Da sie sich aber mit der Kontingenz und
der Intention auf eine besondere Art von Tatsachenannahmen stützt, könnte
man mit Blick auf die normative Zurechnung gleichwohl von einem Gegen-
satz von Tatsachen- und Normbehauptungen sprechen, was der alten Unter-

104 Demgegenüber bereits in diesem Fall eine Handlung durch Tun bejahend Ja­
kobs AT (1991) 6 / 38: „Soweit der Automatismus motivatorisch aufhebbar ist und es
an der Zeit, die der Motivationsprozess dauert, nicht fehlt, handelt es sich um eine
Handlung.“ Ferner Roxin AT I (2006) § 8 / 67. Auch hier bestätigt sich der objektive,
der kausalen Lehre nahestehende Charakter der Begriffe von „Vermeidbarkeit“ und
„Persönlichkeitsäußerung.“
105 Vgl. OLG Hamburg JR 1950, 408. Zu Affekttaten BGHSt 11, 20, Krümpel­
mann (1974) S. 336 f.
170 C. Die Handlung als Ergebnis einer Zurechnung

scheidung von imputatio facti und iuris entspricht.106 Weniger verfänglich


aber ist es, den Unterschied bloß als einen von nichtnormativen und norma­
tiven Urteilen zu kennzeichnen.
2. Die normative Zurechnung wird durch das Urteil konstituiert, dass die
Person eine Norm missachtet habe, etwa: „A hat das Verbot der Handlung X
missachtet.“ Dieses Urteil setzt zwei weitere singuläre Urteile voraus, bzw.
impliziert sie:
(1) das singuläre normative Urteil, dass es A verboten war, die Handlung X zu
verwirklichen.
(2) das singuläre nichtnormative Urteil, dass A die Handlung X verwirklicht hat.
Im Beispiel:
(1) A war es verboten, den B i. S. d. § 263 I StGB zu täuschen.
(2) A hat den B getäuscht.

Die Perspektive wechselnd ist zu fragen, wie diese beiden Urteile und
insbesondere das normative Urteil begründet werden (hierzu folgend b) und
wie aus ihnen das Urteil über die normative Zurechnung folgt (hierzu fol-
gend c).
Das singuläre nichtnormative Urteil (2) beinhaltet zumeist eine nichtnor-
mative handlungsbegründende Zurechnung. Dann setzt es die Feststellung
voraus, dass der Zurechnungsgegenstand gegeben ist, z. B. dass B eine un-
wahre Information erhalten hat, und dass als Zurechnungsgründe Intention
und Kontingenz sowie gegebenenfalls Kontingenzverknüpfung zu bejahen
sind. Diese intentionsbegründete Zurechnung ist auch dann nichtnormativ,
wenn wie im Beispiel der Täuschung unter den Begriff einer tatbestandlichen
Handlungsart subsumiert wird, welcher nicht umgangssprachlich zu verste-
hen ist, sondern inhaltlich durch eine Rechtsnorm geprägt ist.107
Das singuläre normative Urteil (1) kann aus einer konkreten Norm folgen,
die dem Handelnden genau eine Handlung geboten oder verboten hat. Bei-
spiele hierfür sind ein Befehl, eine Aufforderung, die genau eine Handlung
vorschreibt („Verlassen Sie jetzt meine Wohnung!“), oder die aus einem
Versprechen oder einer Verabredung resultierende Verpflichtung („Ich komme
morgen um 14 Uhr zum Treffpunkt.“).
Das singuläre normative Urteil kann aber auch aus einer generellen Norm
abgeleitet sein, z. B. aus dem generellen Verbot, andere zu täuschen oder dem
Gebot, andere zu retten.

106 Siehe B.I.2.


107 Siehe B.III.2.d).
V. Die normative Zurechnung171

b) Die Begründung der konkreten aus einer generellen Norm

Diese Herleitung des singulären normativen Urteils aus einer generellen


Norm setzt (a) ein generelles und (b) ein singuläres Urteil voraus:
(a) Das generelle Urteil ist die Ableitung einer spezielleren, aber immer
noch generellen Norm, welche die Ausgangsnorm begrifflich derart konkreti-
siert bzw. spezifiziert, dass eine andere, weniger abstrakte Beschreibung des
Normgegenstands gegeben wird, etwa einer besonderen Handlungsart, wel-
che der in der Ausgangsnorm benannten Handlungsart untergeordnet wird.
Der Untersatz dieses Urteils – die Auslegung eines Begriffs der generellen
Norm – beantwortet, sofern es sich um eine Rechtsnorm handelt, eine
Rechtsfrage, die umstritten sein kann. Verallgemeinerungsfähige Besonder-
heiten eines Einzelfalls können dabei zur Modifizierung anerkannter Ausle-
gungen und sogar zu einer Korrektur der Ausgangsnorm führen.108 Der
fragliche Begriff und mit ihm die Norm werden dabei mit Blick auf einen
einzelnen Sachverhalt hin ausgelegt. Umgekehrt werden die relevanten Sach-
verhaltsinformationen mit Blick auf die generelle Norm ausgewählt. Diese
zwischen genereller Norm und Sachverhalt vermittelnde Leistung hat En-
gisch als Hin- und Herwandern des Blickes beschrieben.109
Entscheidet sich der Normanwender für eine bestimmte Auslegung, ist der
folgende Schluss zwingend. Es steht im modus barbara; singuläre Terme
(Namen für Einzeldinge) sind ausgeschlossen:
Obersatz:
Alle Täuschungen sind verboten.
Untersatz:
Jedes Anbieten eines gefälschten Gemäldes als echt ist eine Täuschung.
Schluss:
Jedes Anbieten eines gefälschten Gemäldes als echt ist verboten.

Auch die ältere Lehre hat mit Blick auf die Normanwendung klar zwi-
schen einem generalisierenden Urteil und einem auf den Einzelfall bezoge-
nen Urteil unterschieden. Insbesondere Baumgarten unterscheidet ein allge-
meines Urteil über die applicatio von dem über die applicatio legis ad factum
(das zugleich die imputatio legis als das singuläre Urteil über die normative

108 Vgl. Aristoteles Eth. Nic. (1985) V 14, 1137a (zur „Epikeia“), Wieland (1989)
S. 12 ff. (zur „Applikationsaporie“), Bäcker (2009) S. 421 ff. (zur „defeasibility“), Ast
(2012a) S. 38 ff.
109 Engisch (1963) S. 15. Hierzu auch Hruschka (1965) S. 9 ff., Reinhold (2009)
S. 98 ff., Ast (2012a) S. 36 f.
172 C. Die Handlung als Ergebnis einer Zurechnung

Zurechnung ist).110 Die applicatio im Sinne eines allgemeinen Urteils geht


der applicatio legis ad factum voraus: „Die Anwendung (applicatio) ist ein
Urteil, wodurch das von irgendeinem allgemeinen Begriff Bejahte oder Ver-
neinte dessen niederem, untergeordnetem Begriff, der unter ihm enthalten ist,
zu- oder abgesprochen wird.“111 Die applicatio zielt somit zunächst auf einen
konkretisierenden Begriff.
(b) Ergebnis der Auslegung ist somit eine konkretisierende allgemeine
Norm. In einem zweiten Schritt ist diese auf einen Einzelfall zu beziehen, so
dass man eine konkrete Norm erhält, die einem bestimmten Handelnden ge-
bietet oder verbietet, die in der konkretisierenden Norm und somit auch die
in der generellen Ausgangsnorm genannte Handlung zu verwirklichen. Wie
gezeigt, impliziert die konkretere Handlungsart (das Anbieten eines gefälsch-
ten Gemäldes als echt) die generellere (Täuschung).
Es muss also ein Einzelsachverhalt unter den in der konkretisierenden und
somit den in der generellen Norm beschriebenen Sachverhalt subsumiert und
die Norm auf einen einzelnen Normadressaten bezogen werden.112 Das ist als
Schluss im modus ponens darstellbar. Ausgangspunkt sei hier die als Kondi-
tional umformulierte konkretisierende Norm:
Obersatz:
Wenn jemand Normadressat ist und die Möglichkeit hat, ein gefälschtes Gemälde
als echt anzubieten (und somit zu täuschen), ist ihm das verboten.
Untersatz:
Nun war A Normadressat und hatte die Möglichkeit, ein gefälschtes Gemälde als
echt anzubieten (und somit zu täuschen).
Schluss:
Also war es A verboten, dieses Gemälde als echt anzubieten (und somit zu täu-
schen).

c) Die Begründung des normativen Zurechnungsurteils

Gleichviel, ob man von einer konkreten, konkretisierenden oder generellen


Norm ausgeht, setzt das Urteil über die normative Zurechnung in einem letz-
ten Schritt voraus, den Normverstoß festzustellen.
Ausgangspunkt hierfür sind die beiden singulären Urteile, welche, wie
eingangs gezeigt, in jedem Urteil über die normative Zurechnung impliziert
sind: das normative und nichtnormative Urteil.

110 Siehe B.I.2.


111 Baumgarten (1760) § 125, Übersetzung von Aichele (2011a) S. 503 f.
112 Hierzu Engisch (1963) S. 22 ff.
V. Die normative Zurechnung173

Sind beide Urteile zu bejahen, kann man aber nicht unmittelbar auf das
Urteil über den Normverstoß schließen, da alle drei Urteile singulär sind.
Erforderlich ist deshalb eine allgemeine Regel, die angibt, wann ein Norm-
verstoß zu bejahen ist. Mit einer solchen Regel ergibt sich wiederum ein
Schluss im modus ponens:
(1) Für alle Normen gilt: Wenn das verwirklicht ist, was eine Norm (z. B.:
das Verbot, dass A dem B ein gefälschtes Gemälde als echt anbietet) als nicht
gesollt ausweist, und wenn alle übrigen Bedingungen gegebenen sind, wel-
che die Norm benennt,113 ist ein Normverstoß gegeben.
(2) Nun ist das von einer Norm als nicht gesollt Ausgewiesene verwirk-
licht (A hat B ein gefälschtes Gemälde als echt angeboten), und alle übrigen
Bedingungen, welche die Norm benennt, sind gegeben (insbesondere: A ist
schuldfähig).
(3) Somit ist ein Normverstoß gegeben (A hat das Verbot missachtet, B
ein gefälschtes Gemälde als echt anzubieten).
Aufgrund des Implikationsverhältnisses zwischen konkretisierend und ge-
neralisierend beschriebenen Handlungen und Normen ist mit dem Verstoß
gegen die konkrete Norm nach dem dictum de omni et nullo auch die Miss-
achtung aller übergeordneten generelleren Normen festgestellt. Es ist also
das generelle Verbot missachtet, gefälschte Gemälde als echt anzubieten und
das generelle Verbot der Täuschung.
Man befolgt eine generelle Norm somit, indem man die singuläre Norm
beachtet, welche aus dieser Norm abgeleitet ist, und man missachtet diese
generelle Norm, indem man jene singuläre Norm missachtet.
Es ist deshalb nicht möglich, den Verstoß gegen eine aus einer generellen
Norm abgeleitete konkretisierende oder singuläre Norm (Pflicht) zu vernei-
nen und zugleich anzunehmen, dass der Normadressat die generelle Norm
missachtet habe – wie es strafrechtsdogmatische Konzepte tun, die zwischen
Norm und Pflicht unterschieden.114

2. Das vorsätzliche Begehungsdelikt

1. Sofern sich ein Verbot auf eine Handlung durch Tun richtet, beziehen
sich die beiden Zurechnungsgründe Norm und Intention aufeinander: Das
Verbot nimmt eine intentionale Handlung in Bezug, und dementsprechend
setzt das normative Zurechnungsurteil voraus, dass in einem logisch ersten
Schritt intentionsbegründet zugerechnet wird.

113 Hierzu beispielhaft unter C.V.4.f)–h).


114 Vgl. C.V.4.f)3.
174 C. Die Handlung als Ergebnis einer Zurechnung

Beide Zurechnungsgründe stehen also nicht einfach nebeneinander, so dass


einerseits bloß normativ, andererseits bloß intentionsbegründet zugerechnet
und beides nur addiert wird. Die Handlung gewinnt vielmehr gerade durch
die Art der Verknüpfung eine charakteristische Bedeutungskomponente.
2. Diese besondere Verknüpfungsart prägt die Struktur der strafrechtli-
chen Irrtumsdogmatik, die zwischen Vorsatz und Unrechtsbewusstsein unter-
scheidet.
Während sich beim vorsätzlichen Begehungsdelikt das Verbot auf eine in-
tentional zugerechnete Handlung und somit auf die Intention bezieht, ist es,
um ein vorsätzliches Begehungsdelikt anzunehmen, nicht erforderlich, dass
sich umgekehrt die Intention auf das Verbot bzw. den Verbotsverstoß bezieht.
Die intentionale Zurechnung der relevanten Veränderung ist bereits hinrei-
chend begründet, und um die normative Zurechenbarkeit zu begründen, muss
das Verbot dem Handelnden nicht bekannt sein.
Die Verbotskenntnis ist für die normative Zurechnung zwar relevant, be-
trifft aber nicht die intentionsbegründete Zurechnung, sondern nur die Eig-
nung der Norm, das Handeln des Normadressaten zu beeinflussen. Diese
Eignung setzt die Kenntnis oder Erkennbarkeit der Norm voraus. Schon
wenn der Handelnde hat erkennen können und sollen, was von ihm erwartet
wird, ist die Norm geeignet, sein Handeln zu beeinflussen; dass er sie tat-
sächlich erkannt hat, ist nicht erforderlich. Die normative Zurechnung kann
bejaht werden.
Die Differenzierung von Intention und Verbotskenntnis ist für die straf-
rechtliche Irrtumsdogmatik von großer Bedeutung, denn hierin liegt der
handlungstheoretische Grund für die sogenannte Schuldtheorie, nach welcher
das Unrechtsbewusstsein nicht dem Vorsatz, sondern der Schuld zuzuordnen
ist, sodass ein Verbotsirrtum nicht den Vorsatz entfallen lässt, sondern erst
für das Schuldurteil relevant ist.115 Diese Auffassung hat sich in der Irrtums-
regelung der §§ 16, 17 StGB niedergeschlagen.
Auch dass das Gesetz den Verbotsirrtum strenger als den vorsatzausschlie-
ßenden Tatumstandsirrtum behandelt, kann aus einer einfachen Erwägung
plausibel gemacht werden. Für denjenigen, der im Tatumstandsirrtum han-
delt, entfällt mit dem Vorsatz ein Zurechnungsgrund, so dass ihm gegebenen-
falls nur noch normativ wegen Fahrlässigkeit zugerechnet werden kann. Er
verwirklicht somit eine andere Handlung als der Vorsatztäter. Wenn der
Handelnde indes vermeidbar ein Verbot nicht kennt, ist ihm das Handlungs-
ergebnis sowohl intentional als auch normativ zurechenbar. Er verwirklicht
dieselbe Handlungsart wie derjenige, der das Verbot kennt.

115 Welzel (1969) S. 161, 164 ff.


V. Die normative Zurechnung175

3. Die teleologische Folgerichtigkeit der Normsetzung

1. Jede Handlung hat einen Zurechnungsgegenstand bzw. ein Handlungs-


ergebnis – sei es ein einfaches Körperverhalten oder ein über lange Zeit-
räume hin angestrebter Erfolg. Außer bei einfachen Körperbewegungshand-
lungen wie dem Aufstehen oder Gehen gibt es deshalb immer Handlungen,
welche das Mittel sind, um das Handlungsergebnis zu erreichen. Diese
Handlungen sind die Anknüpfungs- bzw. Ausführungshandlungen der ergeb-
nis- bzw. erfolgsdefinierten Handlung.116 Wenn eine erfolgsdefinierte Hand-
lung verboten ist, muss in einem Normensystem die Frage beantwortet wer-
den, ob auch diese Handlungen verboten sind.
Das Verbot einer erfolgsdefinierten Handlung erfasst die gefährlichen und
gegebenenfalls den Erfolg kontingenzbedingenden Handlungen nicht, da es
andere Handlungen sind, die sowohl durch einen anderen Zurechnungsge-
genstand als auch einen anderen Zurechnungsgrund, das heißt eine andere
Intention definiert werden. Verbote dieser Handlungen können deshalb nur
teleologisch aus dem Verbot der erfolgsdefinierten Handlung abgeleitet
werden.117
Die teleologisch begründete Normableitung unterscheidet sich von derjeni-
gen, die auf der Konkretisierung (Interpretation bzw. Auslegung) von Begrif-
fen beruht.118 Wenn eine Norm eine Veränderung benennt, die (nicht) sein
soll, kann man ein Verbot oder Gebot einer Handlung bestimmen, die mögli-
cherweise geeignet ist, die Veränderung hervorzurufen oder zu verhindern.
Geht man etwa von einem Verbot aus, das Vermögen eines anderen zu schä-
digen, ergibt sich daraus das Verbot, ihn über wirtschaftlich relevante Infor-
mationen zu täuschen. Die Handlungsbegriffe des Schädigens und Täuschens
stehen nicht in einem begrifflichen Ableitungsverhältnis. Die Täuschung ist
keine Vermögensschädigung, sondern kann sie zur Folge haben. Demgegen-
über besteht etwa zwischen dem Anbieten eines gefälschten Gemäldes als
echt und der Täuschung ein begriffliches Unterordnungsverhältnis: Jene
Handlung ist eine Täuschung. Deshalb ist der normative Zusammenhang der
jeweiligen Verbote unterschiedlich – einerseits begriffslogisch, andererseits
teleologisch.
In einem Normensystem würde zwar kein logischer Widerspruch bestehen,
wenn nur die erfolgsdefinierten, nicht aber die den Erfolg bedingenden
Handlungen verboten wären. Ein solcher besteht nur, wenn ein und dieselbe
Handlung sowohl verboten als auch erlaubt wäre. Es wäre aber teleologisch

116 Vgl. B.III.4.b).


117 Siehe bereits B.III.4.d) und B.IV.3.c)3.
118 Siehe C.V.1.b).
176 C. Die Handlung als Ergebnis einer Zurechnung

widersprüchlich, weil die mit der Normsetzung verbundenen Zwecke nicht


kohärent verfolgt würden.
Wenn das Normensystem zweckrationale Legitimation beansprucht, muss
deshalb ausgehend von einer verbotenen erfolgsdefinierten Handlung jede
Handlung verboten sein, welche eine Kontingenzbedingung des Erfolgs ist
und gegebenenfalls wiederum jede Handlung, deren Kontingenz das Hand-
lungsergebnis jener Handlung bedingt usw. bis hinunter zu den erforderlichen
Körperbewegungshandlungen.
Da die Verbote dieser Handlungen prospektiv zu bestimmen sind, können
sie nicht davon abhängig sein, ob die Handlungen den Erfolg bedingen wer-
den, sondern sind bereits auf die prospektiv bzw. möglicherweise erfolgsge-
eignete Handlung gerichtet. Aus dem Verbot, jemanden zu töten, wird des-
halb das Verbot abgeleitet, auf ihn zu schießen, und daraus das Verbot, den
Finger am Abzug der geladenen Pistole zu krümmen.
2. Diese teleologische Ableitung von Verboten gefährlicher Handlungen
wird auch für das Verbot relevant, aus welchem jene abgeleitet werden: Der
Verstoß gegen dieses Verbot ist durch die Missachtung jener abgeleiteten
Verbote bedingt.119
Wenn eine kontingenzbedingende Handlung erlaubt ist, hat der Handelnde
das Verbot der erfolgsdefinierten Handlung nicht missachtet. Im Bereich des
Vorsatzdelikts ist der Lehrbuchfall hierzu der des Neffen, der seinen Onkel
zu einer Flugreise veranlasst in der bloßen Hoffnung, dass das Flugzeug ab-
stürzen werde.120 Relevanter sind etwa Fälle der Nötigung. Die Missachtung
des Verbots, einen anderen zu nötigen, hängt davon ab, ob die Drohung oder
Gewaltanwendung, welche die Handlung des anderen motiviert, verboten ist.
Ähnliches gilt beim Betrug für das Verhältnis zwischen dem Verbot der
Schädigung und der Täuschung. Die Lehre von der objektiven Zurechnung
hat diesen Gedanken verallgemeinert und setzt beim vorsätzlichen Bege-
hungsdelikt voraus, dass der Handelnde ein „unerlaubtes Risiko“ geschaffen
hat,121 was nichts anderes heißt, als dass die kontingenzbedingende Handlung
verboten ist.
Das Verbot einer erfolgsdefinierten Handlung lautet demnach beispielhaft:
Du sollst nicht töten mittels einer gefährlichen Handlung, die ihrerseits ver-
boten ist. Fraglich ist, ob diese einschränkende Bedingung die verbotsgegen-
ständliche Handlung definiert oder ob sie ein neben der Handlung stehender
Verbotsbestandteil ist.

119 Ast (2010) S. 56 ff.


120 Wessels / Beulke / Satzger AT (2017) § 6 Rn. 258.
121 Siehe B.III.5.d).
V. Die normative Zurechnung177

Denkbar ist es, die Voraussetzung der objektiven Zurechenbarkeit, also die
Realisierung einer generell unerlaubten Gefahr, als Definition der tatbestand-
lichen Handlungsart zu verstehen.122 Dagegen spricht aber, dass die Bezug-
nahme auf das Verbot einer gefährlichen Handlung allein in der Funktionali-
tät der Normsetzung begründet ist. Deshalb ist sie nicht in die Definition der
erfolgsdefinierten Handlung aufzunehmen, sondern als sonstiger, neben der
Handlung stehender Verbotsinhalt zu konzipieren.123
Auch beim vorsätzlichen Begehungsdelikt werden noch weitere normative
Zurechnungsvoraussetzungen relevant. Ein Beispiel hierfür ist die Vernei-
nung des Schutzzweckzusammenhangs in Fällen kumulativer Kausalität.124
Ferner ist etwa die Abgrenzung des Begehungs- vom Unterlassungsdelikt
über eine entsprechende Zurechnungsregel zu lösen.125
3. Neben den Zurechnungsvoraussetzungen der tatbestandlichen Handlun­
g(en) stehen somit weitere Voraussetzungen der normativen Zurechnung. Da
der Tatbestandsbegriff in der Definition des vorsätzlichen Begehungsdelikts
als rechtswidrig-schuldhafter Tatbestandsverwirklichung allein die tatbe-
standlichen Handlungsart(en) bezeichnet, sind insbesondere der Schutz-
zweckzusammenhang und die Regel zur Abgrenzung zum Unterlassungsde-
likt Rechtswidrigkeitsvoraussetzungen der jeweiligen erfolgsdefinierten
Handlung.
Werden diese Erwägungen auf der Prüfungsstufe des Tatbestands angesie-
delt, legt man demgegenüber den Begriff des Unrechtstatbestands zugrun-
de.126 Das hat vor allem pragmatische Gründe: Man kann durchaus offen
lassen, ob die tatbestandliche Handlung gegeben ist, wenn jene Rechtswid-
rigkeitsvoraussetzungen der tatbestandlichen Handlung nicht gegeben sind.127
Ferner ist das Erfordernis, dass die kontingenzbedingende Handlung gene-
rell verboten sein muss („unerlaubtes Risiko“), nicht immer nur eine Rechts-
widrigkeitsvoraussetzung der Tatbestandsverwirklichung. Diese unerlaubte
Handlung, die ihrerseits vorsätzlich sein muss, ist vielmehr in Tatbeständen
wie denen der Nötigung und des Betrugs eine Handlung von tatbestandlicher
Art. Daher ist es naheliegend, sie auch dann dem Tatbestand zuzuordnen,
falls sie im handlungsbezogenen Sinn nicht tatbestandlich sind.128

122 Siehe B.III.5.d). So etwa Hirsch (1998) S. 133 ff., (2003a) S. 243.
123 Siehe bereits B.III.2.b)8.
124 Siehe C.III.5.
125 Vgl. Ast (2010) S. 112 ff.
126 Zu den beiden Tatbestandsbegriffen B.III.2.b) / e).
127 Dagegen Armin Kaufmann (1985) S. 261, 266 f., der aber nur die Fälle der
Abweichung vom geplanten Kausalverlauf in Betracht zieht.
128 Zur Frage der Tatbestandlichkeit B.III.2.b)10., B.III.4.d)2.
178 C. Die Handlung als Ergebnis einer Zurechnung

4. Das Fahrlässigkeitsdelikt

Das fahrlässige Delikt ist Handlung nicht aufgrund einer intentionsbegrün-


deten, sondern allein aufgrund normativer Zurechnung. Eine fahrlässig ver-
wirklichte Veränderung gewinnt nicht daraus Sinn, dass sie intendiert war,
sondern daraus, dass sie nicht sein sollte. Es wird nicht aufgrund einer auf
den Erfolg gerichteten Intention, sondern allein aufgrund eines auf ihn ge-
richteten Verbots zugerechnet.
Das Verbot, die Veränderung fahrlässig zu verwirklichen, folgt dabei aus
dem gleichen Werturteil wie das Verbot der entsprechenden intentionalen
Handlung. Wenn ein Normsetzer eine Veränderung in einer näher bestimm-
ten Situation als negativ bewertet, ist es konsequent, nicht nur deren intentio­
nal zurechenbare, sondern auch deren fahrlässige Verwirklichung zu verbie-
ten.
Worauf genau sich das Verbot richtet, das die Fahrlässigkeitszurechnung
begründet, hängt davon ab, ob entweder nur die zuzurechnende Veränderung
oder auch die Umstände nicht intendiert waren, welche die Gefährlichkeit
des Handelns begründen. Die jeweils spezifische Begründungsstruktur wird
folgend unter (a) und (b) dargestellt.

a) Fehlende Intention hinsichtlich von Handlungsfolgen

1. Wenn der Handelnde die zuzurechnende Veränderung nicht intendiert


hat, muss gleichwohl angenommen werden, dass er ein Verbot missachtet
hat, das sich inhaltlich auf den Erfolg bezieht und das deshalb nur beim
Eintritt des Erfolgs missachtet ist (ein „erfolgsbezogenes Verbot“). Denn das
Verbot bestimmt den Zurechnungsgegenstand.
Bloß den Erfolgseintritt als verboten zu bezeichnen, genügt insoweit nicht.
Die nicht adressierte Festlegung „Dieser Erfolg soll (nicht) sein“ wäre ledig-
lich die Kundgabe einer Absicht, welche einer erfolgsbezogenen Normset-
zung zugrunde liegt, bzw. die Feststellung des anerkannten Zwecks einer
rechtlichen Verhaltensnorm. Deswegen muss in der gesuchten Norm eine
Beziehung zwischen dem Zurechnungssubjekt und dem Erfolg hergestellt
werden, welche derjenigen vergleichbar ist, die bei einem Verbot einer er-
folgsdefinierten Handlung gegeben ist.
Die Formulierung eines Verbots, den Erfolg zu verursachen oder zu bedin-
gen, setzt aber wegen der Verwendung von „verursachen“ und „bedingen“
als Handlungsbegriffe eine vorgängige intentionale Zurechnung voraus, die
gerade nicht möglich ist. Auch ist an die Stelle des Begriffs der Ursache
besser der Begriff der Kontingenzbedingung zu setzen.
V. Die normative Zurechnung179

Das erfolgsbezogene Verbot kann deshalb wie folgt formuliert werden:


„Verboten ist, dass die Handlungen des Zurechnungssubjekts (bzw. besser
deren Handlungsergebnisse) Kontingenzbedingung des Erfolgs sind,“ bzw.
als adressiertes Verbot: „Deine Handlungen dürfen nicht Kontingenzbedin-
gung des Erfolgs sein.“ Umgangssprachlich mag man dann formulieren:
„Deine Handlungen dürfen den Erfolg nicht verursachen.“ Bei Missachtung
dieses Verbots wird normativ zugerechnet, dass die Handlungen die Kontin-
genz des Erfolgs bedingt haben, und somit wird der Erfolg bzw. eine erfolgs-
definierte fahrlässige Handlung, etwa eine „fahrlässige Tötung“ zugerechnet.
2. Ein solches erfolgsbezogenes Verbot kann ausgehend von beliebigen
intentionalen Handlungsbegriffen gebildet werden, indem die Veränderung,
die Zurechnungsgegenstand ist, als dasjenige bezeichnet wird, das durch
Handlungen nicht bedingt sein darf.129 Solche erfolgsbezogenen Verbote be-
treffen nicht nur die besonders hervorgehobenen Erfolge, auf deren Vermei-
dung es der Norm letzten Endes ankommt, sondern auch mögliche Zwi-
schenerfolge: Einem Autofahrer ist verboten, in einer Kurve auf der Fahrbahn
der Gegenrichtung zu fahren. Wenn er so schnell in die Kurve hineinfährt,
dass er nicht mehr die Fahrbahn halten kann und auf die Gegenfahrbahn
gelangt, ist dies keine intentionale Handlung. Er steuert bzw. fährt nicht auf
die Gegenfahrbahn. Das ursprünglich ausgesprochene Verbot missachtet er
nicht. Gleichwohl kann ihm als Handlung zugerechnet werden, dass er auf
die Gegenfahrbahn gelangt ist, weil er absichtlich zu schnell in die Kurve
gefahren ist. Die Zurechnung dieser Veränderung wird allein normativ be-
gründet – auf der Grundlage des Verbots, als Autofahrer durch die eigene
Fahrweise zu bedingen, dass das Auto auf die Gegenfahrbahn gelangt. Glei-
ches gilt gegebenenfalls im Hinblick auf ein anzunehmendes Verbot, mit ei-
nem entgegenkommenden Auto zusammenzustoßen und schließlich für das
teleologisch ausschlaggebende, erfolgsbezogene Verbot, andere Verkehrsteil-
nehmer zu verletzten bzw. das Verbot, Autos zu beschädigen.
3. Das Verbot, welches der Erfolgszurechnung beim Fahrlässigkeitsdelikt
zugrunde liegt, bezieht sich auf intentional zurechenbare Handlungen des
Zurechnungssubjekts als Kontingenzbedingungen des Erfolgs. In der teleolo-
gischen Konsequenz der normativen Zurechnung liegt es, dass diese Hand-
lungen ebenfalls verboten sein müssen und dass andernfalls ein Verstoß ge-
gen das erfolgsbezogene Verbot nicht angenommen werden kann.130
Der Erfolg wird ferner nicht zugerechnet, falls die „Kausalität der Fahr-
lässigkeit“ bzw. der Pflichtwidrigkeitszusammenhang fehlt. Die Referenz-

129 Ebenso Kindhäuser (1989) S. 94 ff. – mit Beispielen von unwillentlichem Kör-
perverhalten, das durch vorheriges sorgfaltswidriges Handeln bedingt ist. Daran an-
schließend Vogel (1993) S. 51 ff.
130 Vgl. C.V.3.
180 C. Die Handlung als Ergebnis einer Zurechnung

entscheidung ist das Urteil des Reichsgerichts zum Apothekerfall:131 Ein


Apotheker hatte einem Jungen Medikamente verabreicht, worauf dieser
starb. Die Medikamentengabe war verboten, weil der Apotheker zuvor kei-
nen ärztlichen Rat eingeholt hatte. Im Nachhinein konnte jedoch nicht mit
Sicherheit festgestellt werden, dass die ärztliche Überwachung der Medika-
tion den Tod des Jungen verhindert hätte. Das Reichsgericht hat entschie-
den, dass dieser Nachweis geführt werden muss.
Das Erfordernis der sogenannten Kausalität der Fahrlässigkeit dient der
zweckrationalen Legitimation der Erfolgszurechnung. Es muss nachgewiesen
werden, dass die Handlungsverbote geeignet waren, den Zweck zu erreichen,
der mit ihnen verfolgt wird. Andernfalls entfällt zwar nicht nachträglich das
Verbot, doch kann auf die Verbotsmissachtung die Erfolgszurechnung nicht
gestützt werden. Wenn auch ein alternatives erlaubtes Handeln den Erfolg
hätte bedingen können, beruhte die Verursachung nicht auf dem gefahr- und
somit verbotsbegründenden Umstand. Gebot und korrespondierendes Verbot
waren dann nicht geeignet, den Erfolg zu verhindern.132

b) Fehlende Kenntnis von relevanten Situationsumständen

1. Das Handlungsverbot, das von einem erfolgsbezogenen Verbot in Be-


zug genommen wird, kann eine gefährliche intentionale Handlung bezeich-
nen, so in den Fällen der bewussten Fahrlässigkeit: Dass ein Autofahrer vor
einer schwer einsehbaren Kurve riskant überholt, kann ihm intentionsbegrün-
det zugerechnet werden. Die „Sorgfaltspflicht“ ist hier bloß das Verbot dieser
gefährlichen Handlung. Zur Begründung des Verbotsverstoßes bedarf es
keiner weiteren Zusatzannahmen. Falls die verbotswidrige Handlung zur
Folge hat, dass ein anderer verletzt wird, kann dem Autofahrer diese Verlet-
zung, wie gezeigt, normativ zugerechnet werden.
Es wäre deshalb unzutreffend, verallgemeinernd anzunehmen, dass für die
Fahrlässigkeit immer ein Irrtum kennzeichnend sei.133 Dem Handelnden wird
bei bewusster Fahrlässigkeit nicht vorgeworfen, dass er nicht wusste, dass er
einen Unfall verursachen wird, sondern allein, dass er durch eine verbotene
intentionale Handlung den Unfall verursacht hat. Es ist ein Verstoß gegen das
Verbot gegeben, dass Handlungen, die ihrerseits verboten sind, die Verlet-

131 RGSt 15, 151.


132 Ausführlich hierzu Ast (2010) S.117 ff.
133 Vgl. Mezger LK-StGB (1957) § 59 III.24.d. S. 543, Jescheck / Weigend AT
(1996) § 54.II.1: „Auch die bewusste Fahrlässigkeit beruht auf pflichtwidriger Ver-
kennung zwar nicht des Vorhandenseins, wohl aber des Grades der Gefahr, des Um-
fangs der Sorgfaltspflicht oder der Begrenztheit der eigenen Fähigkeiten.“ Dagegen
schon Engisch (1930) S. 256 ff.
V. Die normative Zurechnung181

zung einer anderen Person kontingenzbedingen. Deshalb kann dem Handeln-


den der Erfolg zugerechnet werden.
2. Das Verbot einer gefährlichen Handlung kann aber auch auf Umstände
Bezug nehmen, die der Handelnde nicht erfasst hat. An die Stelle der Inten-
tion als Zurechnungsgrund kann dann die Missachtung des Gebots treten,
diese Umstände zu erkennen. Die Missachtung dieses Gebots begründet den
Vorwurf der Unkenntnis und somit die normative Zurechnung im Rahmen
einer fahrlässigen Handlung.
Beispielhaft für diese Zurechnungslogik ist der oben geschilderte Apothe-
kerfall.134 Man kann zunächst von einem generellen Verbot ausgehen, Patien-
ten Medikamente zu verabreichen, die sie nicht vertragen. Der Apotheker
hatte die Unverträglichkeit aber nicht erkannt, weshalb eine entsprechende
intentionale Handlung nicht vorliegt.
Infolgedessen fragt sich, ob der Apotheker die Unverträglichkeit erkennen
sollte. Im Hinblick darauf war geboten, zuvor einen Arzt zu konsultieren und
die Anwendung des Medikaments zu überwachen. Das erscheint prospektiv
als geeignet, eine eventuelle Unverträglichkeit zu ermitteln. Dieses Nachfor-
schungsgebot hat der Apotheker missachtet. Hätte die Konsultation die Un-
verträglichkeit aufgedeckt, hätte ihm im Rahmen einer fahrlässigen Handlung
zugerechnet werden können, dass der Junge ein unverträgliches Medikament
bekommen hat.
Weil aber nicht nachweisbar war, dass die Nachforschungen die Unver-
träglichkeit offenbart hätten, konnte nicht angenommen werden, dass der
Apotheker sie erkennen sollte. Deshalb war das Verbot, lebensgefährliche
Medikamente zu verabreichen, nicht verletzt.
Neben dem Verbot, unverträgliche Medikamente herauszugeben, galt aber
noch das weitere Verbot, Medikamente ohne vorherige Konsultation des Arz-
tes zu verabreichen. Dieses Verbot ist teleologisch auf das Gebot bezogen,
einen Arzt zu konsultieren. Weil aber diese Handlung und somit deren Gebot
nicht mit Sicherheit geeignet waren, Kenntnis zu verschaffen, konnte auch
auf die Missachtung des „ohne-zu-Verbots“ die Erfolgszurechnung nicht ge-
stützt werden.135
Auch mit Blick auf das Verbot, Medikamente herauszugeben, ohne zuvor
einen Arzt zu konsultieren, kann schließlich fraglich sein, ob der Apotheker
die Konsultation bewusst und somit intentional unterlassen hat oder ob er
bloß nicht an die mögliche Gefahr und die daraus erwachsende ärztliche
Überwachungspflicht gedacht hat. Im zweiten Fall ist ein weiteres Gebot

134 RGSt 15, 151. Vgl. auch schon zum Logenschließerfall B.IV.3.b)1.
135 Siehe schon oben C.V.4.a)3.
182 C. Die Handlung als Ergebnis einer Zurechnung

anzunehmen, Hypothesen über möglicherweise vorliegende Umstände zu


bilden. Dieses Gebot bezieht sich nicht auf eine Handlung, sondern auf ein
Wissen, das erwartet wird, wenn man einen spezialisierten Beruf ausübt.
3. Situationsumstände, von welchen der Handelnde keine Kenntnis hatte,
können indes nicht nur vermittelt über Kenntnisgebote, sondern auch dann
zugerechnet werden, wenn dem Handelnden geboten war, dafür zu sorgen,
dass diese Umstände jedenfalls nicht vorliegen. Beispielhaft hierfür ist der
Ziegenhaarfall:136 Ein Fabrikant hatte mit Milzbranderregern kontaminierte
Ziegenhaare verarbeiten lassen, worauf mehrere Arbeiter starben.
Geht man hier von einem Verbot aus, verseuchte Ausgangsstoffe weiter-
verarbeiten zu lassen, kommt mangels Intention zunächst ein Gebot der Ge-
fahrerforschung mittels einer Laboruntersuchung in Betracht. Ein solches
Gebot wurde nicht angenommen.
Stattdessen war geboten, die Haare vor ihrer Verarbeitung sicherheitshal-
ber desinfizieren zu lassen, was der Fabrikant unterließ. Hätte die Desinfek-
tion nachweislich die Erreger beseitigt, wäre ihm die Kontamination zuzu-
rechnen gewesen. Er hätte dann unabhängig von der Kenntnis und Erkenn-
barkeit das Verbot missachtet, verseuchte Ziegenhaare auszuhändigen.
Auch in diesem Fall konnte nicht nachgewiesen werden, dass die gebotene
Präventionshandlung erfolgreich gewesen wäre; also die Desinfektion die
Erreger beseitigt hätte. Eine Missachtung des Verbots, verseuchte Ausgangs-
stoffe verarbeiten zu lassen, war deshalb nicht anzunehmen.
Vergleichbar zum Apothekerfall musste man deshalb auf das Verbot zu-
rückgreifen, die Ziegenhaare herauszugeben, ohne sie zu desinfizieren. Die-
ses Verbot hatte der Fabrikant zwar missachtet, doch hätte die Erfolgszurech-
nung hierauf nicht gestützt werden dürfen, da auch insoweit der Nachweis
geführt werden musste, dass die Desinfektion wirksam gewesen wäre, und
dieser Nachweis nicht geführt werden konnte.137

c) Kenntnisgebote und kenntnisbezogene Handlungsnormen

1. Ein singuläres Gebot, bestimmte Situationsumstände zu erkennen, wird


allein in der Beurteilungsperspektive, aber nicht in der Handlungsperspektive
relevant. Es begründet die Zurechenbarkeit, falls die Kenntnis dieser Situa­
tionsumstände fehlt.
Der Beurteiler, der ungeachtet fehlender Kenntnis einen Normverstoß be-
jaht, nimmt zumindest implizit ein Kenntnisgebot an und muss begründen,

136 RGSt 63, 211.


137 Zu den Gründen der Fehlentscheidung des Reichsgerichts Ast (2010) S. 120 f.
V. Die normative Zurechnung183

wie der Handelnde die Umstände erkennen konnte und sollte. Er muss etwa
aufzeigen, welche Informationen zugänglich waren oder welche Anzeichen
auf die Gefahr hindeuteten. Ferner kann er kognitive Voraussetzungen wie
Wissen und Aufmerksamkeit erwarten und dabei weitgehend generalisieren.
Bei Wissensdefiziten kann man mit einem unspezifisch verstandenen Vorver-
schulden argumentieren: Allgemeinwissen oder rollenspezifische Kenntnisse
werden vorausgesetzt, ohne genau aufzuzeigen, wie sie für den Handelnden
erreichbar gewesen wären. Gleiches gilt im Hinblick auf erwartete Fähigkei-
ten, etwa nur durch Übung erlernte Techniken.
In der Handlungsperspektive hat das Kenntnisgebot demgegenüber keine
Funktion. Das an den Handelnden gerichtete Gebot zu erkennen, dass der
Umstand X gegeben ist, ist wirkungslos. Wenn der Handelnde den Umstand
kennt, ist das Gebot bereits erfüllt; falls nicht, erreicht es ihn nicht.
Ferner gibt es keinen selbständigen Verstoß gegen ein Kenntnisgebot; es
kommt immer auf die Anwendung der Kenntnis an.138 Gebotenes Wissen
muss sich in gebotenen Handlungen oder in der Unterlassung verbotener
Handlungen niederschlagen. Ähnlich wie in Klausuren immer nur die Wie-
dergabe und Anwendung von Wissen geprüft werden kann, wird gebotenes
Wissen nur in praktischer Anwendung relevant.
Ein Kenntnisgebot ist somit keine selbständige Norm. Sie ist vielmehr ein
Teil einer Zurechnungsregel derjenigen Norm, auf deren Voraussetzungen es
sich bezieht.
2. Kenntnisgebote sind von sonstigen kenntnisbezogenen Normen zu un-
terscheiden. Für den Handelnden gilt zum einen ein weitgehend generalisier-
tes Gebot, allgemein aufmerksam zu sein.139 Andererseits gelten kenntnisbe-
zogene Handlungsnormen für den Fall, dass dem Handelnden ein Umstand
entweder bewusst unbekannt ist oder unsicher sein sollte. Ihm ist dann wie
im Apothekerfall geboten, den Sachverhalt aufzuklären und in geeigneter
Weise nachzuforschen. Das Aufklärungsgebot gibt die Aufklärung eines Um-
stands als zu erreichenden Quasi-Erfolg vor, wird aber, wie es für erfolgsbe-
zogene Normen typisch ist, begrenzt durch die Möglichkeit, diesen durch die
gebotenen Nachforschungen zu erreichen.

138 Zutreffend, wenn auch nicht so genau differenzierend, Binding Normen II


(1914) S. 241 f. Dagegen Armin Kaufmann (1954) S. 117 ff., 120. Im Grundsatz wie
hier Renzikowski (1997) S. 230 f., 232.
139 Vgl. Binding Normen II (1914) S. 236 ff., 237 f: „Alle Normen verbietenden
Inhalts [enthalten] im Interesse ihrer Befolgung ein Gebot der Anspannung der Denk-
kraft.“ Binding bezieht dies aber vor allem auf die Voraussicht der Erfolgs­
verursachung, während es hier um die Kenntnis von Situations­ bedingungen geht.
Beides hängt aber zusammen, insbesondere weil die Verursachungsverbote als
Zweckprogramme fungieren und insofern den Handelnden auch auffordern, die Eig-
nung von Handlungen zu erkennen.
184 C. Die Handlung als Ergebnis einer Zurechnung

Diese Nachforschungsgebote werden, wie auch im Apothekerfall, ergänzt


durch ein komplementäres Verbot, die möglicherweise gefährliche Handlung
ohne Nachforschungen vorzunehmen. Missachtet der Handelnde dieses Ver-
bot und hätte ihm die Sachverhaltserforschung Kenntnis verschafft, tritt die
Missachtung des Verbots aber hinter die des ursprünglichen Verbots zurück
(im Beispiel: ein kontraindiziertes Medikament zu verabreichen), weil dieses
den schwereren Vorwurf begründet.
3. Die Handlungsnormen, die teleologisch auf die Kenntnis bezogen sind,
können selbständig missachtet werden. Sie gelten unabhängig davon, ob die
im generellen Verbot beschriebene Situation vorliegt, sondern setzten nur vo-
raus, dass dies als möglich erscheint und ungewiss ist (bzw. sein soll). So
folgen aus einem generellen Verbot, ein unverträgliches Medikament zu ver-
abreichen, auch dann ein Aufklärungsgebot und ein Verbot, die Medikamente
ohne Konsultation des Arztes herauszugeben, wenn eine Unverträglichkeit gar
nicht vorliegt, aber in der Handlungssituation als möglich erscheinen sollte.140
Die Aufklärungsgebote haben dabei ebenso wie die Gebote von präventi-
ven Vorsorgehandlungen zugleich eine den Handelnden entlastende Funktion:
Beachtet er sie, ist seine Handlung trotz eventuell nicht auszuschließender
Gefährlichkeit erlaubt; sie schafft ein „erlaubtes Risiko.“141 Hätte der Apo-
theker einen Arzt konsultiert oder der Fabrikbesitzer die Ziegenhaare desin-
fizieren lassen, hätte er erlaubt gehandelt. Der Tod des Jungen bzw. der Ar-
beiter wäre dann von vornherein nicht zurechenbar.
Selbst wenn etwa der Fabrikbesitzer in Kauf genommen hätte, dass einige
Arbeiter infolge der Verarbeitung der nur unsicher desinfizierten Ziegenhaare
sterben, wäre ihm deren Tod zumindest nicht normativ zurechenbar, weil
auch das Verbot der intentionalen Tötungshandlung auf das Verbot der kon-
tingenzbedingenden Handlung Bezug nimmt.142
4. Kenntnisbezogene Handlungsgebote, welche sich auf ein Verbot bezie-
hen, partizipieren an dessen Eigenschaft, verglichen mit selbständigen Gebo-
ten die Handlungsfreiheit geringer zu beschränken. Verbote schließen grund-
sätzlich nur Handlungsalternativen aus und geben nichts vor.143

140 Das spricht nicht dafür, dass allein diese Art von Verboten für die Fahrlässig-
keit charakteristisch ist, so Renzikowsi (1997) S. 226 f. Denn zum einen liegt der
Grund der Nachforschungspflicht in dem möglicherweise vorliegenden gefahrbegrün-
denden Umstand, sodass ein teleologischer Bezug zum generellen Verbot der fragli-
chen gefährlichen Handlung besteht; zum anderen ist bei bewusster Fahrlässigkeit
eine entsprechende Begründungsstruktur nicht anzutreffen.
141 Vgl. bereits Binding Normen II (1914) S. 247 ff.
142 Siehe C.V.3.
143 Vgl. die Formulierung von Philipps (1974) S. 15: „Verbote schließen aus,
schrei­ben aber nicht vor; Gebote schreiben vor, schließen aber nicht aus.“
V. Die normative Zurechnung185

Gebote, welche an Verbote anknüpfen, können deshalb keine unbedingte


Vorgabe enthalten. Sie gebieten nur, dass man nachforscht oder Gefahren
mindert, bevor oder während man eine gefährliche Handlung ausführt, die
aus der Perspektive dieser Normen aber freigestellt sein kann. Konstruktiv
handelt es sich also weniger um eine Bedingung des Gebots als um eine
zeitliche Erfüllbarkeitsbestimmung: Geboten ist, Kenntnisse einzuholen oder
zu aktualisieren, bevor man die gefährliche Bezugshandlung vornimmt oder
während man sie verwirklicht.
Dieses Gebot ist gegebenenfalls erst in dem Moment missachtet, in wel-
chem der Handelnde die gefährliche Handlung verwirklicht. Man hat der­
artige Verbote aufgrund ihres quasi-bedingten Charakters als Obliegenheiten
bezeichnet, zumal ihre Missachtung gleichsam zu dem Verlust des Rechts
führen kann, dass nur nach Maßgabe der Kenntnis zugerechnet werde.144
Das betont aber zu sehr die Besonderheit der verbotsbezogenen Normab-
leitung. Wenn primär ein Handlungsgebot an eine Situation anknüpft, ist dem
Handelnden gegebenenfalls unbedingt geboten, die Situation zu erkennen –
dem Arzt etwa, die dann zu bekämpfende Krankheit zutreffend zu diagnosti-
zieren. Nur in ihrem teleologischen Sinn, nicht in ihrem deontologischen
Status, unterscheiden sich derartige Gebote von den Normen, auf welche sie
bezogen werden.
5. Das Zurechnungsprinzip, dass bei Unkenntnis der Normsituation die
Frage entscheidend wird, ob der Handelnde die Normsituation hätte erken-
nen sollen, beruht auf dem Prinzip ultra posse nemo obligatur. Über sein
Können hinaus würde nicht nur jemand verpflichtet, dem eine gebotene
Handlung faktisch nicht möglich ist, sondern auch jemand, der die Gegeben-
heiten nicht erkennen konnte, auf welche sich die Norm bezieht.
Das Prinzip des ultra posse wird durch die Bezugnahme auf Kenntnisge-
bote aber zugleich eingeschränkt. Wenn der Handelnde jene Gegebenheiten
tatsächlich nicht erkannte, konnte er der Norm nicht folgen, weil er sie auf-
grund der fehlenden Kenntnis nicht assoziieren konnte. Das Kenntnisgebot
beseitigt diesen Einwand: Wenn der Handelnde die Situation gebotsgemäß
erkannt hätte, hätte er der Norm folgen können.
Hinter dem Prinzip des ultra posse steht ein grundlegendes Rationalitäts-
postulat für die normative Praxis. Es ergibt sich nicht aus dem Begriff der
Norm, sondern ist Voraussetzung der zweckrationalen Legitimation der Nor-
men. Ein grausamer Normgeber könnte ein unmöglich zu erfüllendes Gebot
aufstellen, um Anlass für harte Strafen zu haben. In einem zweckrational le-

144 Kindhäuser (1989) S. 65 ff., Pawlik (2012) S. 310 f. Dagegen in Bezug auf Vor-
sorgehandlungen Haas (2002) S. 79 f., je m. w. N. Vgl. insbesondere schon Binding
Normen IV (1919) S. 505, der von sekundären oder Hilfspflichten spricht.
186 C. Die Handlung als Ergebnis einer Zurechnung

gitimierten Normensystem aber muss eine singuläre Norm geeignet sein, das
Handeln zu beeinflussen und die Zwecke zu verwirklichen, denen die Norm
dienen soll. Eine nicht erkennbare Norm kann das Handeln nicht beeinflus-
sen. „Ought implies can“ folgt nicht aus dem Begriff der Norm, sondern ist
ein normatives Postulat für die Normsetzung und Beurteilung.145 Als eine
Norm über Normen hat es reflexiven Charakter.
Dass das ultra-posse-Prinzip auf das Erfordernis der konkreten Eignung
der anzunehmenden Handlungsnormen zurückzuführen ist, erklärt auch die
Grenzen dieses Prinzips. Wie gezeigt, ist es dem Handelnden gar nicht mög-
lich, eine Norm zu befolgen, die er aufgrund mangelhafter Situationskenntnis
nicht assoziieren konnte. Auf dieses Problem reagiert die Annahme von
Kenntnis- und Nachforschungsgeboten. Das Prinzip des ultra posse wird hier
eingeschränkt und darauf bezogen, dass die anzunehmenden Normen insge­
samt den Handelnden nicht überfordern. Sie sind dann insgesamt geeignet,
den Zweck zu erreichen, der mit ihnen verfolgt wird.

d) Zurechnungsregeln und Bestimmungsnorm

1. Sowohl bei fehlender erfolgsbezogener Intention als auch bei fehlender


Kenntnis von Situationsumständen wird die Zurechnung mit der Bezugnahme
auf andere Normen begründet, welche sich letzten Endes auf eine gegebene
Intention oder auf die erlangbare Kenntnis beziehen: Dem Verbot, einen Er-
folg durch eine gefährliche Handlung zu bedingen, wird das Verbot dieser
Handlung zugeordnet. Falls der Handelnde im Hinblick auf dieses Hand-
lungsverbot relevante Situationsumstände nicht erkennt, wird die Zurechnung
mit der Annahme begründet, dass er sie hat erkennen sollen. Um dieses Ge-
bot zu begründen, werden Nachforschungsgebote angenommen.
Einige dieser Zurechnungsvoraussetzungen sind für den Normadressaten
nicht handlungsbestimmend; sie sind nicht wichtig um zu erkennen, welche
Handlungen geboten oder verboten sind. So sind Kenntnisgebote nur für die
Beurteilung relevant. Erst retrospektiv relevant ist auch, ob bei Einhaltung
von Handlungsgeboten oder -verboten Kenntnisse erlangt oder Erfolge er-
reicht oder vermieden worden wären. Das ist nur für den Beurteiler entschei-
dungsleitend. Die entsprechenden Zurechnungsvoraussetzungen können des-
halb als Zurechnungsregeln gekennzeichnet werden.
Diese Zurechnungsregeln haben einen retrospektiven und auch einen refle-
xiven, normbezüglichen Charakter. Sie sind Regeln über Regeln. Letzten
Endes beziehen sie sich immer auf die Frage, ob eine Norm und die mit ihr

145 Vgl. nur Renzikowski (1997) S. 241 m. w. N.


V. Die normative Zurechnung187

teleologisch verknüpften Normen geeignet waren, ihren Zweck, nämlich die


Verwirklichung oder Nichtverwirklichung des Zurechnungsgegenstands, zu
erreichen.
Solche Zurechnungsregeln sind für den Handelnden immerhin mittelbar
relevant. Es ist für ihn nicht unwichtig zu wissen, dass die normative Zurech-
nung nicht allein von seiner Intention, also seinen Absichten und Kenntnissen
abhängt, denn dieses Wissen wird ihn zu größerer Vorsicht und Aufmerksam-
keit anhalten. Die erfolgsbezogenen Verbote fungieren somit als Zweckpro-
gramme, nicht nur insofern als sie vorgeben, dass man den Erfolg nicht in-
tendieren solle, sondern auch, dass man beim Handeln bezwecken solle, dass
der Erfolg nicht eintritt.
2. Diese Ambivalenz der Zurechnungsregeln spiegelt sich in der Frage, ob
sie Bestandteil der (generellen) Normen sind. Dafür spricht, dass sie Voraus-
setzungen für die Annahme eines Normverstoßes aufstellen.
Wenn man demgegenüber etwa die Zurechnungsregel, dass bei fehlender
Kenntnis von Situationsumständen entscheidend ist, ob Kenntnis geboten
war, nicht in den Inhalt der Norm aufnimmt, würde sich die Alternative eines
rein objektiv oder rein subjektiv begründeten Verständnisses des Norminhalts
stellen. So wäre im Apothekerfall nach einem objektiven Verständnis anzu-
nehmen, dass der Apotheker das Verbot missachtet hätte, ein kontraindizier-
tes Medikament zu verabreichen, gleichgültig, ob die Konsultation des Arztes
die Kontraindikation offenbart hätte; oder es wäre nach dem subjektiven
Verständnis dem Apotheker jener Umstand nicht zuzurechnen, weil er ihn
nicht erkannt hat, gleichgültig was die ärztliche Konsultation ergeben hätte.
Demgegenüber ist eine Konzeption vorzugswürdig, die erklären kann, dass
der Apotheker jenes Verbot nur missachtet hat, wenn er die Kontraindikation
erkennen sollte und dass er andernfalls lediglich das Verbot missachtet hat,
das Medikament ohne vorherige Konsultation eines Arztes herauszugeben.
Unter der Prämisse, dass eine Norm die Bedingungen ihrer Beachtung und
Missachtung mitteilt, sind die Zurechnungsregeln als Normbestandteil anzu-
sehen. Nur dann ist die Ableitung einer singulären Norm und das Urteil über
den Normverstoß als Ableitungszusammenhang im modus ponens darstell-
bar.146
3. Alternativ zur Integration in die Norm könnten die Zurechnungsregeln
als Metaregeln aufgefasst werden, zumal sie als regelbezügliche Regeln re-
flexiven Charakter haben. Verselbständigt haben sie die Form: „Ein Norm-
verstoß kann nur angenommen werden, wenn …“ Darin, dass sie verselb-
ständigt und generalisiert, also auf mehrere Normen gleichermaßen bezogen

146 Siehe C.V.1.


188 C. Die Handlung als Ergebnis einer Zurechnung

werden können, ähneln sie den Rechtfertigungsgründen. Aber auch diese


können als Normbestandteil konzipiert und müssen nicht als Metaregeln
aufgefasst werden.147
Metaregeln müssen nur diejenigen Konzepte annehmen, die zwischen ge-
nereller Norm und individueller Pflicht derart unterscheiden, dass etwa bei
fehlender Fahrlässigkeit oder gegebener Rechtfertigung die Normwidrigkeit
bejaht, die Pflichtwidrigkeit aber verneint wird.148 Dann muss das Subsum­
tionsmodell der Ableitung konkreter Normen durch ein anderes ersetzt wer-
den.
Dem hier angenommenen Modell der Ableitung und Verknüpfung von
generellen und konkreten Normen zufolge sind Zurechnungsregeln hingegen
nicht als Metaregeln zu konzipieren: Sie behandeln keinen anderen Rege-
lungsgegenstand als die Norm und beziehen sich auf dieselbe „Rechtsfolge“
wie diese. Sie stellen Voraussetzungen für die Annahme eines Normverstoßes
auf und bestimmen somit über die normative Zurechnung mit.
Eindeutig Metaregeln sind demgegenüber etwa die von H.L.A. Hart als
secondary rules bezeichneten Regeln, sofern sie sich inhaltlich oder formal
auf die Normerzeugung richten.149 Die Legitimitätsforderung, auf welche die
Zurechnungsregeln reagieren, ist zwar eine solche Metanorm, da sie sich
darauf richtet, welche Anforderungen generelle wie singuläre Normen stellen
dürfen. Die regelungsinterne Umsetzung dieser Forderung hat aber nicht
mehr den Charakter einer Metanorm.
4. Mit den Zurechnungsregeln gibt es Normbestandteile, die nur für den
Beurteiler, aber nicht für den Adressaten entscheidungsleitend sind. Für die
Bestimmungsfunktion der Norm wird somit nicht ihr gesamter Inhalt rele-
vant, sondern nur für die Beurteilungsfunktion.
Eine Norm bezweckt immer, das Handeln des Adressaten zu bestimmen,
und ist zugleich Maßstab für dessen Beurteilung; sie ist Bestimmungs- und
Bewertungsnorm. Gemäß seiner Funktion kann derjenige Teil der Norm, der
für den Handelnden prospektiv entscheidungsleitend ist, als Bestimmungs-
norm isoliert werden.
Die Aufteilung der Norm gemäß diesen beiden Funktionen macht den re-
flexiven, selbstbezüglichen Charakter der Zurechnungsregeln handhabbar.150
Dieser zeigt sich darin, dass jede Zurechnungsregel ihrem letzten Sinn nach

147 Siehe B.III.2.e).


148 So Armin Kaufmann (1954) S. 138 ff., 248 ff., Kindhäuser (1989) S. 53 f.
149 Hart (1994) S. 94 ff.
150 Das Argument von Kindhäuser (1989) S. 29 ff., Mañalich (2009) S. 36 f.
m. w. N., dass die Norm nicht auf sich selbst Bezug nehmen könne, trifft das hiesige
Konzept deshalb nicht.
V. Die normative Zurechnung189

auf die Frage bezogen werden kann, ob die Norm, deren Teil sie ist, geeignet
war, den Normzweck zu verwirklichen – eine Handlung oder einen Erfolg zu
erreichen oder zu vermeiden. Hierbei kommt es nur auf den Norminhalt an,
der die Bestimmungsnorm ausmacht.
Die Eignung der Norm ist etwa zweifelhaft, sofern der Handelnde einen
Situationsumstand nicht erkannte, an welchen die Norm anknüpft. Dass die
Norm gleichwohl geeignet war, das Handeln dieses Adressaten zu bestim-
men, wird durch weitere Normen abgesichert, welche sie in Bezug nimmt –
nämlich die Kenntnis- und Nachforschungsgebote.
5. Die Unterscheidung von Bestimmungs- und Bewertungsnorm hat Mez-
ger eingeführt, um die Unterscheidung von objektivem Unrecht (Verursa-
chung eines rechtswidrigen Zustands) und subjektiver Schuld (Vorsatz oder
Fahrlässigkeit) zu fundieren. Bewertungs- und Bestimmungsnorm sind bei
ihm zwei unterschiedliche Normen, von denen die eine „adressenlos“ ist und
die andere sich an den Handelnden richtet.151
Im Fall einer weder vorsätzlichen noch fahrlässigen Erfolgsverursachung
liegt demnach etwa ein Widerspruch gegen die Bewertungsnorm, nicht aber
die Bestimmungsnorm vor. Die so verstandene Bewertungsnorm ist aber
keine Norm, sondern nur eine (erkennbare bzw. vorgegebene) Bewertung
eines Zustands bzw. einer Erfolgsverursachung als unerwünscht.152 Eine sol-
che mag der Normsetzung vorausgehen, ist aber jedenfalls für den Normun-
terworfenen wie den Beurteiler nur aus der Norm heraus erkennbar und hat
keine eigenständige, handlungsleitende Funktion.153 Deshalb wird die Unter-
scheidung von Bewertungs- und Bestimmungsnormen heute entweder darauf
bezogen, dass ein und dieselbe Norm sowohl eine Bewertungs- als auch eine
Bestimmungsfunktion hat154 oder dass die Bewertungsnorm im Hinblick auf
die Abstufbarkeit der Bewertung (etwa Größe des Schadens, Schwere des
Unrechts) zwar einen Verstoß gegen die Bestimmungsnorm voraussetzt, aber
daneben weitere Bewertungskriterien enthält.155 Als eigenständige Norm
(Gebot) ist sie dann aber allein an den Beurteiler gerichtet und in den Sank-
tions- und Strafzumessungsnormen enthalten.
Wenn Bestimmungs- und Bewertungsnorm wie hier danach unterschieden
werden, welche Informationen für den Handelnden und welche nur für den
Beurteiler entscheidungsleitend sind, kehrt sich das Verhältnis beider Norm­
aspekte gegenüber Mezgers Konzept um: Ein prima facie-Widerspruch zur

151 Mezger (1924) S. 240–245, zustimmend Engisch (1971) S. 34.


152 Zielinski (1973) S. 312.
153 Zur Frage des Primats von Norm oder Wertung Engisch (1971) S. 34 f.
154 Renzikowski (1994) S. 125 f., (1997) S. 238 f.
155 Wolter (1981) S. 25 ff., Lenckner / Eisele Sch / Sch-StGB (2014) Vorbem.
§§ 13 ff. / 48.
190 C. Die Handlung als Ergebnis einer Zurechnung

Bestimmungsnorm kann durch die Zurechnungsregeln widerlegt werden, so


dass ein Normverstoß zu verneinen ist. Die isoliert gedachte „Bestimmungs-
norm“ ist indes keine eigenständige Norm, sondern nur ein isolierbarer
Teil des Norminhalts.

e) Der Begriff der Fahrlässigkeit

1. Die Zurechnungsregeln müssen in den Norminhalt nicht wörtlich inte­


griert werden; es genügt eine Bezugnahme. Diese wird im Begriff der Fahr-
lässigkeit ausgedrückt. Demnach ist etwa mit Blick auf den Apothekerfall
verboten, „fahrlässig den Tod anderer zu bedingen“ sowie „fahrlässig ein
kontraindiziertes Medikament herauszugeben.“ Der Begriff der Fahrlässig-
keit bedeutet hier nicht, dass der bezeichnete Gegenstand (also das Bedingen,
das Herausgeben) verbotswidrig ist – das wäre nur ein zirkulärer Verweis auf
dasselbe Verbot. Vielmehr verweist er jeweils auf andere Normen – zum ei-
nen auf Verbote gefährlicher Handlungen, zum anderen auf Kenntnisgebote.
Er bezieht sich somit auf eine Normmissachtung, welche die Intentionalität
in der bezugnehmenden Norm gleichsam ersetzt bzw. deren Fehlen aus-
gleicht.
So missachtet der bewusst fahrlässig Handelnde zwar bewusst das Verbot
einer gefährlichen Handlung und handelt hinsichtlich aller verbotsrelevanten
Situationsumstände intentional und gerade nicht fahrlässig. Er intendiert aber
den Schaden nicht, so dass ihm dieser gegebenenfalls nur zugerechnet wer-
den kann, weil er das Verbot der gefährlichen Handlung missachtet hat. Auch
wenn ein Schaden nicht eintritt, mag man davon sprechen, dass er fahrlässig
handele; das gilt aber nur im Hinblick auf einen als möglich angenommenen
Schaden, gerade weil die tatsächlich verwirklichte Handlung intentionsbe-
gründet ist.
Der unbewusst fahrlässig Handelnde missachtet demgegenüber ein Kennt-
nisgebot, weshalb bereits seine aktuellen Handlungen ohne Rücksicht auf
mögliche Erfolge fahrlässig sind.
Eine vereinfachende Definition des Begriffs „fahrlässig“ als „verbotswid-
rig“ wäre also ungenau. Kennzeichnend für eine fahrlässige Handlung ist
vielmehr, dass die Zurechnung des Handlungsergebnisses und somit der
Handlungscharakter nicht intentional, sondern nur durch das Urteil über ei-
nen Verbotsverstoß begründet werden können, wobei dieser Verbotsverstoß,
wie gezeigt, durch den Verstoß gegen weitere Normen begründet wird – ins-
besondere das Verbot einer gefährlichen Handlung oder ein Kenntnisgebot.
Durch diese Besonderheit ist der Begriff der Fahrlässigkeit definiert.
Dieser Begriff ist somit nicht unmittelbar durch das Fehlen von Intentiona-
lität bzw. Vorsatz definiert, sondern durch die besondere, normativ begrün-
V. Die normative Zurechnung191

dete Zurechnungslogik, welche auf die fehlende intentionale Zurechenbarkeit


reagiert.
Dass aus dem Begriff der Fahrlässigkeit bzw. des fahrlässigen Handelns
nicht erschlossen werden kann, welches Handeln fahrlässig ist, versteht sich
von selbst. Die in diesem Begriff ausgedrückte Relation auf andere Normen,
welche durch den Handelnden bzw. einen Beurteiler zu bestimmen sind,
führt aber nicht dazu, dass es sich um einen sogenannten „Typusbegriff“
handelt, der nicht genau definiert werden kann.156
2. Weil die normative Zurechnung bei Vorsatz und Fahrlässigkeit somit
durch unterschiedliche Normen und eine unterschiedliche Zurechnungslogik
begründet wird, ist das Vorsatzdelikt kein Spezialfall des korrespondierenden
Fahrlässigkeitsdelikts; es ist nicht ein Fahrlässigkeitsdelikt plus Vorsatz.157
Die unterschiedlichen Normen, auf denen die normative Zurechnung auf-
grund von Vorsatz und Fahrlässigkeit beruht, sind einerseits das Verbot zu
schädigen (als intentionale Handlung) und andererseits das Verbot, durch
Handlungen fahrlässig den Schaden zu bedingen.
Gemeinsam ist beiden Verboten allerdings, dass der Verbotsverstoß vor-
aussetzt, dass auch die kontingenzbedingende Handlung wegen ihrer Gefähr-
lichkeit verboten ist.158 Diese Regel wirkt beim Vorsatzdelikt zurechnungsbe-
grenzend, da die Zurechenbarkeit des Erfolgs durch die Intention begründet
wird, während sie bei beim Fahrlässigkeitsdelikt die Zurechnung begründet.
Weil der Vorsatztäter aber den Erfolg nicht fahrlässig bedingt, missachtet
er nicht das entsprechende Verbot und verwirklicht nicht zugleich das Fahr-

156 So aber Duttge (2001) S. 423 ff. Zum „Typus“-Konzept beim Handlungsbegriff
B.V.3.3. sowie beim Vorsatzbegriff C.IV.2.6. Demgegenüber wurde hier gezeigt, dass
all diese Begriffe, wenn auch komplex, so doch im herkömmlichen Sinn definierbar
sind.
157 So etwa Puppe NK-StGB (2017) § 15 Rn. 5, Pawlik (2012) S. 344, Fn. 528,
371 ff., je m. w. N. Letzterer sieht den gemeinsamen Pflichtverstoß von Vorsatz und
Fahrlässigkeit indes in dem Gesichtspunkt, dass sich der Täter in beiden Fällen nicht
hinreichend um Rechtstreue bemühe. Ähnlich Jakobs (1991) 9 / 4 S. 317. Dagegen
Kindhäuser (1989) S. 93, Gössel Maurach / Gössel / Zipf (2014) § 42 / 45 ff.
158 Zur Begründung dieser Regel für das Vorsatzdelikt C.V.3. Aus diesem Um-
stand will Rostalski (2016) S. 83 ff. auf der Grundlage der unter B.III.2.c)4. darge-
stellten, den Erfolg nicht berücksichtigenden Konzeption begründen, dass das Vor-
satz- und Fahrlässigkeitsdelikt auf der Missachtung desselben Verbots beruht, dem
einer vermeidbaren (d. h. vorsätzlichen oder fahrlässigen) Gefahrschaffung (wobei
erstere durchaus ein Fall bewusster Fahrlässigkeit mit Blick auf den Erfolg sein
kann). Das ähnelt der Jakobsschen Position, die sich allerding auf den Erfolg bezieht,
vgl. B.IV.4. Genau jenes „Oder“ zeigt aber an, dass der Vorsatz kein Fall der Fahrläs-
sigkeit ist. Um letztere zu begründen, braucht man normative Zusatzannahmen, ins-
besondere das Vorverschulden, was Rostalski auch zugesteht, a. a. O. S. 87.
192 C. Die Handlung als Ergebnis einer Zurechnung

lässigkeitsdelikt. Insofern bei diesem die Zurechnung eines Erfolges schwä-


cher begründet ist, trifft es zu, mit der herrschenden Meinung ein „normatives
Stufenverhältnis“ anzunehmen.159
3. Nach dem Gegenkonzept, das von der Identität des Verbots ausgeht,
welches dem fahrlässigen wie vorsätzlichen Erfolgsdelikt zugrunde liegt, tritt
bei letzterem mit der Intention lediglich ein Zurechnungsgrund zum Norm-
verstoß hinzu – ähnlich wie nach dem hiesigen Konzept etwa bei der norma-
tiv begründeten Handlung Mord gegenüber der vornormativ-intentional be-
gründeten Handlung „Tötung“ mit dem Verbotsverstoß ein Zurechnungsgrund
hinzutritt. Beide Zurechnungsgründe stehen aber nicht einfach nebeneinan-
der, sondern beziehen sich aufeinander: Dass der Mord eine Tötungshand-
lung impliziert, ist dadurch begründet, dass das Verbot sich auf eine inten­
tionsbegründete „Tötung“ bezieht.
Wenn die Gegenposition die These vertritt, dass das Vorsatzdelikt ein
Fahr­lässigkeitsdelikt impliziere, muss sie konsequent umgekehrt davon aus-
gehen, dass sich die Intention bzw. der Vorsatz auf den Normverstoß bezieht,
weil andernfalls das Vorsatz- und Fahrlässigkeitsurteil beziehungslos neben-
einander stünden und deshalb einander nicht implizieren könnten.160 Auch in
diesem Zurück zum dolus malus zeigt sich die enge Verwandtschaft derarti-
ger Konzepte mit der kausalen Handlungslehre. Diese ging zwar nicht davon
aus, dass die Schuldform Vorsatz diejenige der Fahrlässigkeit impliziert,
nahm aber ebenfalls eine Identität des unrechtsbegründenden generellen Ver-
bots an.161

5. Das Unterlassungsdelikt

1. Nicht jedes Unterlassen einer Handlung ist selbst eine Handlung, aber
es gibt Unterlassungen, die Handlungen sind, bei denen also eine Verände-
rung bzw. ein Erfolg zugerechnet wird.
Die einfache Feststellung, dass eine Person eine Handlung unterlassen
habe, bedeutet noch nicht, dass sie eine Handlung durch Unterlassen ver-
wirklicht hat. Es wird lediglich ausgesagt, dass die Person eine Handlung
nicht verwirklicht hat, die sie hätte verwirklichen können. Hiermit sind zwar
schon zwei, aber noch nicht alle Voraussetzungen einer Handlung erfüllt: Mit
dem Ausbleiben der Handlung bzw. ihres Ergebnisses ist ein möglicher Zu-
rechnungsgegenstand gegeben; und mit dem Kriterium der Möglichkeit der

159 Roxin AT I (2006) § 24 Rn. 77 m. w. N.


160 So bei Pawlik (2012) S. 397 ff. Siehe auch B.V.5.4. Deutlich auch bei Rostalski
(2016) S. 82 (Vorsatz als Entscheidung gegen das Recht).
161 Siehe oben, B.III.1.c).
V. Die normative Zurechnung193

Handlung wird die Kontingenzvoraussetzung und -verknüpfung angespro-


chen. Jedoch fehlt ein Zurechnungsgrund. Erst wenn dieser gegeben ist, kann
auch aufgrund eines Unterlassens zugerechnet werden. Dann sind die Defini-
tionsmerkmale des Handlungsbegriffs erfüllt.
Es gibt somit Handlungen durch Tun wie durch Unterlassen. Entscheidend
ist allein, dass der handelnden Person Veränderungen oder deren Ausbleiben
begründet zugerechnet werden. Lediglich wenn man die Handlung mit einem
Körperverhalten oder einem Kausalgeschehen identifiziert, muss man eine
unüberwindbare Differenz annehmen.162
Für die Unterscheidung von Handlungen durch Tun und Unterlassen bie-
ten sich auch die Gegensatzpaare aktiv-passiv, positiv-negativ oder Begehung
(Ausführung / Vornahme) und Unterlassung an. Nicht jede Handlung durch
Tun muss aber mit Aktivität verbunden sein. Gegen den Begriff einer nega-
tiven Handlung spricht, dass der Zurechnungsgegenstand bei der Unterlas-
sung ebenso gut der Nichteintritt wie der Eintritt einer Veränderung sein
kann. Den Begriff der Begehung hingegen verwendet das Strafrecht eher
synonym mit einer Tathandlung, welche auch durch Unterlassen verwirklicht
werden kann.
2. Zurechnungsgründe für eine Handlung durch Unterlassen können nur
eine Norm oder eine Intention sein. So wird das fahrlässige Unterlassungsde-
likt allein aufgrund einer Norm als Handlung konstituiert.
Ob auch allein eine Intention, die sich auf eine Veränderung oder deren
Nichtstattfinden richtet, die Zurechnung dieser Veränderung oder deren Aus-
bleibens im Rahmen einer Handlung durch Unterlassen begründen kann, ist
demgegenüber fraglich.
Die normative Zurechnung aufgrund eines Gebotsverstoßes setzt eine vor-
rangige intentionsbegründete Zurechnung jedenfalls nicht voraus. Wenn eine
Handlung geboten ist, missachtet man dieses Gebot, indem man die gebotene
Handlung nicht vornimmt. Ob dieses Unterlassen intentional bzw. vorsätzlich
ist oder nicht, spielt für die Annahme des Gebotsverstoßes keine Rolle. Die-
ser Unterschied zum Begehungsdelikt folgt daraus, dass ein Gebot die norm-
gemäße Handlung benennt, während ein Verbot die normwidrige Handlung
bezeichnet. Um einen Verbotsverstoß festzustellen, muss man deshalb zu-
nächst ermitteln, ob eine intentionale Handlung von der im Verbot beschrie-
benen Art vorliegt. Demgegenüber setzt die Annahme eines Gebotsverstoßes
nicht voraus, dass die im Gebot bezeichnete intentionale Handlung vorliegt,

162 Einerseits Radbruch (1904a) S. 140, andererseits Armin Kaufmann (1959)


S. 66 f., 87 f. Vgl., bezogen auf die Begriffe Verursachen und Unterlassen des Verhin-
derns, noch Ast (2010) S. 94–112.
194 C. Die Handlung als Ergebnis einer Zurechnung

sondern gerade, dass sie nicht vorliegt. Das Unterlassen dieser Handlung
muss nicht intentional sein.
Daher wird die Intention des Handelnden für das Urteil über eine Gebots-
missachtung nicht in derselben Weise relevant wie für das Urteil über die
Verbotsmissachtung. Beim Unterlassungsdelikt missachten Vorsatz- und
Fahrlässigkeitstäter im Hinblick auf den Erfolg dasselbe Gebot. Das kann
anhand des Öhmdfalls des Reichsgerichts gezeigt werden, der eine fahrläs-
sige Brandstiftung durch Unterlassen betrifft (§ 306d Abs. 1, § 13 StGB).163
Ein Bauer hatte Heu in die Scheune eingebracht, welches sich entzündete.
Weil das Einlagern des Heus erlaubt war, kann die Zurechnung des Scheu-
nenbrandes nur durch das Gebot begründet werden, einen wegen der Heuein-
lagerung drohenden Brand zu verhindern. Die Missachtung dieses Gebots
setzt die Missachtung des Gebots einer verhinderungsgeeigneten Handlung
voraus. Neben das Gebot, den Brand zu verhindern, tritt deshalb das weitere
Gebot, Heu auszulagern, das sich so stark erwärmt hat, dass eine Selbstent-
zündung wahrscheinlich wird.
Eine Verletzung dieses Gebots wird angenommen, wenn der Bauer die
geforderte Handlung unterlassen hat – also Heu, das sich sehr erwärmt hat,
nicht wieder ausgelagert hat – und wenn er erkannte, dass das Heu sich zu
stark erwärmt oder es erkennen sollte.
Er sollte es erkennen, da er eine Heustocksonde verwenden sollte, um die
Temperatur regelmäßig zu überprüfen. Das ist ein Nachforschungsgebot. Die
Unkenntnis des Gebots, die Temperatur zu überprüfen, hätte den Bauer nicht
entlastet, sondern wäre ein vorwerfbarer Gebotsirrtum, da er Anlass hatte,
sich über die erforderliche Brandvorsorge zu informieren. Hätte er das gene-
relle Gebot zwar gekannt, aber in der Handlungssituation nicht daran ge-
dacht, würde man aufgrund der einfachen Annahme zurechnen, dass er ange-
sichts der Situation daran denken sollte. Das ist ein bloßes Aufmerksamkeits-
gebot. Hier endet die Begründungskette der normativen Zurechnung.
Deutlich wird somit, dass beim Unterlassungsdelikt sowohl bei Vorsatz als
auch bei Fahrlässigkeit dieselben Gebote missachtet werden – im Beispiel
einerseits das Gebot, den Brand zu verhindern, andererseits das Gebot, zu
stark erwärmtes Heu auszulagern. Auch wenn der Bauer beabsichtigt hätte,
den Brand der Scheune nicht zu verhindern, missachtete er jene Gebote.
Lediglich bei der Begründung des Gebotsverstoßes wird im Hinblick auf die
Situation, an die das Gebot der verhinderungsgeeigneten Handlung anknüpft
(sich erwärmendes Heu), die Kenntnis des Handelnden relevant. Sie wird
aber erst auf der Ebene von Zurechnungsregeln berücksichtigt, nicht schon
im Gebot als Bestimmungsnorm.

163 RGSt 75, 49.


V. Die normative Zurechnung195

Im Gegensatz dazu missachtet der Täter eines fahrlässigen Begehungsde-


likts nicht dasselbe Verbot wie der Vorsatztäter. Weil das Verbot die norm-
widrige Handlung bezeichnet, ist schon nach dem Inhalt der Bestimmungs-
norm ein Verstoß gegen ein Handlungsverbot nur anzunehmen, wenn eine
intentionale Handlung vorliegt.
3. Die normative und intentionsbegründete Zurechnung sind beim Unter-
lassungsdelikt somit nicht in gleicher Weise miteinander verknüpft wie beim
Begehungsdelikt. Das heißt aber nicht, dass die intentionsbegründete neben
der normativen Zurechnung irrelevant wäre. Das vorsätzliche und fahrlässige
Unterlassungsdelikt sind, auch wenn sie sich auf denselben Zurechnungsge-
genstand beziehen, unterschiedliche Handlungsarten, da die Identität einer
Handlung sowohl durch den Gegenstand als auch den Grund der Zurechnung
und somit Intention und / oder Norm bestimmt wird.
Während also beim vorsätzlichen Begehungsdelikt die intentionsbegrün-
dete und normative Zurechnung dadurch miteinander verknüpft sind, dass
sich das Verbot auf eine intentionale Handlung bezieht, ist beim vorsätzli-
chen Unterlassungsdelikt fraglich, ob und wie sich die normative und inten-
tionsbegründete Zurechnung aufeinander beziehen.
Im heute anerkannten Deliktsaufbau wird das vorsätzliche Unterlassungs-
delikt nach dem Vorbild des Begehungsdelikts konzipiert, bei welchem zu-
nächst festgestellt wird, dass eine verbotsgegenständliche Handlung durch
Tun gegeben ist, worauf das Urteil über die normative Zurechnung folgt.
Dementsprechend wird beim Unterlassungsdelikt auf der Tatbestandsebene
eine Unterlassung aufgrund einer entsprechenden Intention zugerechnet und
darauf folgend deren Normwidrigkeit (Rechtswidrigkeit und Schuldhaftig-
keit) festgestellt.
Wegen der Parallelität zum Begehungsdelikt kann diese Konzeption da-
durch erklärt werden, dass sie das Gebot der Handlung in ein Verbot der
Unterlassung dieser Handlung umwandelt und dabei die Unterlassung als
intentionale auffasst, da sie im Verbot an der Stelle einer intentionalen Hand-
lung steht.
Unter dieser Prämisse wandelt sich mit der Umformulierung des Gebots
einer Handlung in ein Verbot der (intentionalen) Unterlassung dieser Hand-
lung aber die Bedeutung der Norm, weil erst dadurch das Erfordernis der
Intentionalität begründet wird. Es handelt sich also nicht bloß um die Umfor-
mulierung eines „Gebots, dass die Handlung X vorgenommen wird“ in ein
gleichbedeutendes „Verbot, dass die Handlung X nicht vorgenommen wird.“
Das Verbot der Handlung durch Unterlassen stellt vielmehr mit der Intentio-
nalität eine zusätzliche Anforderung. Es kann nur durch eine intentionale
Unterlassung missachtet werden, das Gebot hingegen sowohl durch eine
vorsätzliche wie fahrlässige Unterlassung.
196 C. Die Handlung als Ergebnis einer Zurechnung

4. Prämisse dieses Modells ist, dass die Intention ein hinreichender Zu-
rechnungsgrund für die Annahme einer Handlung durch Unterlassen ist. Je-
doch ist zweifelhaft, ob eine bloß intentionsbasierte Zurechnung bei der
Unterlassung hinreichend begründet und legitim ist, ob also eine bloß durch
die Intention begründete „Handlung durch Unterlassen“ einer intentionalen
Handlung durch Tun gleichsteht und ob sie somit eine Handlung ist.
Der Begriff der Handlung impliziert, dass dem Handelnden ein Ausschnitt
der Welt als von ihm gestaltet zugerechnet wird. Bei der Handlung durch
Tun greift der Handelnde in den Weltverlauf ein, weshalb die intendierten
Ergebnisse dieses Eingriffs ihm zugeordnet werden können, nicht einem un-
abhängig von ihm gedachten Weltlauf. Wenn er hingegen unterlässt, ge-
schieht, was aktuell (abgesehen von seinen früheren Handlungen) auch ohne
ihn geschehen wäre. Allein dass er weiß, dass er in den Weltlauf eingreifen
und Veränderungen hervorrufen oder unterbinden könnte, es aber nicht beab-
sichtigt, lässt das Geschehen nicht als ihm zugehörig erscheinen.
Auch fehlt beim Unterlassen eine in vergleichbarer Weise verbindliche
Intention wie beim Tun. Eine Intention ist beim Tun erst mit einem die Inten-
tion festlegenden Körperverhalten, also erst mit einer Externalisierung gege-
ben. Beim Unterlassen ist das Bewusstsein oder Wollen der Unterlassung
aber zunächst nur ein mentaler bzw. epistemischer Zustand, dessen Gegeben-
heit allein dem Unterlassenden zugänglich ist. Es fehlt somit die für die
Annahme einer verbindlichen Intention nötige Externalisierung.
Die Intention allein begründet deshalb bei der Unterlassung nicht die Zu­
rechnung einer Veränderung oder deren Ausbleibens und somit keine Handlung.
Eine bloß intentionale Zurechnung von Veränderungen im Rahmen einer
Handlung durch Unterlassen wäre der Zurechnung im Rahmen einer Hand-
lung durch Tun nicht äquivalent. Eine Veränderung, die der Handelnde ver-
hindern könnte, aber absichtlich nicht verhindert, ist ihm allein aufgrund
dieser Absicht nicht zuzurechnen.
Hinzukommen muss vielmehr, dass dem Handelnden geboten war, diese
Veränderung zu verhindern. Während die Intention bei der Handlung durch
Tun ein ausreichender Zurechnungsgrund ist, ist sie es bei der Handlung
durch Unterlassen nicht.
Dieser Unterschied wird an folgendem Beispiel deutlich: Wenn in meinem
Zimmer das Fenster offen steht und ein plötzlicher Wind die Blätter auf mei-
nem Schreibtisch verwirbelt, ich das Fenster aber nicht schließe, ist das
Entstehen der Unordnung nicht mein Werk.164 Anders ist es, wenn ich in der

164 Vgl. auch Binding Normen II (1914) S. 543, gegen die Annahme von Ursäch-
lichkeit der Unterlassung gewendet; Armin Kaufmann (1959) S. 74 gegen die An-
nahme von Finalität.
V. Die normative Zurechnung197

Absicht, dass die Blätter verwirbeln, bei starkem Wind das Fenster öffne.
Dann mache ich mir den Wind zum Instrument, und die Unordnung ist mir
zuzurechnen.
Das Beispiel zeigt zugleich, dass im Zusammenhang mit Handlungen der
Begriff der Zuständigkeit unpräzise ist. Mein Zimmer, mein Schreibtisch und
meine Papiere fallen in meinen Zuständigkeitsbereich, dessen Gestaltung mir
im Sinne einer Zustandsverantwortlichkeit zugerechnet werden kann. Dabei
geht es aber nicht um eine handlungsbegründende Zurechnung, sondern nur
um die Zuordnung einer räumlich-gegenständlichen Sphäre und ihres Zu-
stands, gleich, ob ich sie durch Tun gestaltet oder nur unterlassen habe, sie
zu verändern oder Veränderungen zu verhindern.
5. Dass die Intention die Zurechnung bei der Handlung durch Unterlassen
anders als bei der Handlung durch Tun nicht hinreichend begründet, hat zur
Folge, dass eine Handlung durch Unterlassen erst durch eine normative Zu-
rechnung konstituiert wird. Erst weil eine Veränderung in Abhängigkeit vom
Handeln des Zurechnungssubjekts sein oder nicht sein sollte, wird deren
Zurechnung auf den Handelnden plausibel.
Eine Handlung durch Unterlassen ist somit nur gegeben, wenn die unter-
lassene Handlung geboten war. Für den Begriff der handlungsgleichen Unter-
lassung genügt es somit nicht, dass dem Handelnden die unterlassene Hand-
lung möglich war und dass er die Unterlassung intendiert hat. Zutreffend ist
vielmehr jene Auffassung, nach welcher der Begriff der Unterlassung (im
Sinne einer Handlung durch Unterlassen) als Nichtvornahme einer erwarte-
ten, das heißt gebotenen Handlung zu definieren ist.165 Neben diesem Begriff
der Handlung durch Unterlassen kann ohne Widerspruch ein weniger an-
spruchsvoller Begriff des Unterlassens stehen, der lediglich aussagt, dass je-
mand eine Handlung nicht vorgenommen hat, die ihm möglich war.
Eine Handlung durch Unterlassen kann somit nur in der eingangs beschrie-
benen Weise normativ konstituiert werden, indem festgestellt wird, dass der
Handelnde ein Gebot nicht befolgt hat, das an ihn gerichtet war.
Das heißt aber nicht, dass die Intention für die Unterlassungszurechnung
irrelevant wäre. Wenn die Intention neben das Gebot tritt, wird vielmehr eine
Handlung anderer Art konstituiert als wenn das nicht der Fall ist. Das vor-
sätzliche und fahrlässige Unterlassungsdelikt sind je andere Handlungsarten.
Es fragt sich dann aber, ob und wie beim vorsätzlichen Unterlassungsdelikt
die normative und intentionale Zurechnung verknüpft werden oder ob sie
bloß nebeneinander stehen.

165 v. Liszt (1897) § 29.II. S. 128, Mezger (1931) S. 132 f., Gallas (1955) S. 9 f.,
Kindhäuser (1980a) S. 177 f.
198 C. Die Handlung als Ergebnis einer Zurechnung

Die Rolle der Intention in der Zurechnungsstruktur könnte derart bestimmt


werden, dass die Intention neben die Norm tritt und sich negativ auf densel-
ben Gegenstand richtet wie das Gebot – nämlich auf die Nichtvornahme der
Handlung und das Ausbleiben ihres erwünschten Ergebnisses. Diese Kon­
struktion entspricht der herrschenden Auffassung. Auf der Tatbestandsebene
wird zunächst die Intentionalität eines Unterlassens festgestellt. Eine Hand-
lung wird damit noch nicht begründet. Auch die oben angedachte Umdeutung
des Gebots in ein Verbot der Unterlassung ändert hieran nichts. Erst mit dem
Urteil über die normative Zurechnung wird bei der Unterlassung eine Hand-
lung konstituiert.
Akzeptiert man dieses Modell, bleibt aber unerklärt, warum die Intention
durch das Hinzutreten der normativen Zurechnung als Zurechnungsgrund
fungieren kann, wenn sie ohne die normative Zurechnung diese Kraft nicht
hat.
Das lässt sich nur überzeugend begründen, wenn sich die Intention auch
auf den Gebotsverstoß richtet, weil sie dann einen anderen Sinn hat. Wäh-
rend sich beim Begehungsdelikt das Verbot auf die intentional konstituierte
Handlung bezieht, verhält es sich bei der intentionalen Handlung durch Un-
terlassen genau umgekehrt, da mit der Intention das Bewusstsein verbunden
sein muss, ein Gebot zu missachten. Nur dann ist das intendierte Nichthan-
deln einer Handlung durch Tun vergleichbar.
Die Handlung durch Tun ist immer schon deshalb Weltgestaltung, weil der
Handelnde etwas sich Ereignendes oder Nichtereignendes durch die Wahr-
nehmung genau einer Handlungsalternative bedingt. Er greift in den Weltlauf
ein. Vergleichbaren Gestaltungssinn hat eine Unterlassung in Beziehung
nicht zum tatsächlichen, sondern zum gesollten Weltzustand.166 Dass dem
Handelnden eine Sinnsetzung zugeschrieben werden kann, welche sich auf
eine andere als die rechtlich vorgesehene Weltgestaltung richtet, setzt aber
voraus, dass der Handelnde diesen normativ begründeten Sinn erfasst hat.
Fehlt ihm das Bewusstsein von der ihm zugewiesenen Zuständigkeit für eine
bestimmte Weltgestaltung, nimmt er nicht verbindlich Stellung in einem ge-
gen sie gerichteten Sinn. Ihm ist eine Handlung durch Unterlassen dann zwar
normativ, aber nicht intentionsbegründet zurechenbar.167
6. Wird diese handlungstheoretische Überlegung ins Normative gewendet,
ist für den Vorsatz des Unterlassungsdelikts zu fordern, dass der Handelnde
zumindest in Kauf nimmt, das Gebot zu missachten. Nur dann entspricht im
Sinne des § 13 Abs.1 StGB das Setzten einer Kontingenzbedingung des Er-
folgs durch Unterlassen dem durch Tun; nur dann ist das vorsätzliche Unter-

166 Ähnlich Kahlo (2001) S. 240 ff.


167 Ebenso Kahlo (2001) S. 268.
V. Die normative Zurechnung199

lassungs- dem Begehungsdelikt äquivalent und ist im gleichen Sinne eine


vorsätzliche Handlung.
Nach der heute herrschenden Vorsatzkonzeption beim Unterlassungsdelikt
genügt demgegenüber für den Vorsatz Tatsachenkenntnis. Diese Auffassung
stützt sich auf die Irrtumsregelung der §§ 16 und 17 StGB, nach welcher die
Unkenntnis eines generellen Verbots oder Gebots nicht den Vorsatz, sondern
erst die Schuld ausschließt.168
Es ist zwar zutreffend, das Erfordernis der Normkenntnis dem Schuldurteil
zuzuordnen, insoweit es um die Eignung der Norm geht, das Handeln zu
beeinflussen.169 Das schließt aber nicht aus, dass beim Unterlassungsdelikt
die Gebotskenntnis auch für die intentionale Zurechnung von Bedeutung ist.
Dabei können durchaus unterschiedliche Maßstäbe für den Fall gelten, dass
der Handelnde zweifelt, ob eine Handlung geboten ist. Intentional kann auch
bei Indifferenz, also dem Inkaufnehmen zugerechnet werden. Gleichwohl ist
dann fehlende Unrechtseinsicht im Sinne des § 17 StGB und somit vermin-
derte oder ausgeschlossene Schuld anzunehmen.170
Dass diese Erwägung auch jenseits des § 13 StGB zu gerechteren Ergeb-
nissen führt, zeigen Fälle, in denen sich nicht wie selbstverständlich auf-
drängt, dass eine Handlung geboten ist, etwa beim Nichtabführen von Arbeit-
nehmerbeiträgen zur Sozialversicherung (§ 266a StGB). Hier genügt der
Rechtsprechung für die Annahme von Vorsatz bereits die Kenntnis der
Möglichkeit, Beiträge abzuführen.171 Jedoch ist das Nichtabführen von Bei-
trägen keine handlungsgleiche Unterlassung, wenn man nicht weiß, dass oder
in welcher Höhe Beiträge geschuldet sind.172
Dass die herrschende Meinung ihre Auffassung zum Unterlassungsvorsatz
durch eine Parallele zu den Begehungsdelikten begründet, ist unzureichend.
Maßgeblich sind vielmehr die hinter den Irrtumsfragen stehenden Strukturen.

168 Roxin AT II (2003) § 31 Rn. 189 ff.


169 Vgl. C.V.2.2.
170 So gegen die herrschende Meinung, welche hier die Kriterien des Eventualvor-
satzes anwendet, Leite (2012) S. 696 ff. m. w. N.
171 BGH wistra 2010, 29; BGHSt 57, 175, 181 f.
172 Ast / Klocke (2014) S. 208 m. w. N.
D. Schlussbetrachtung

1. Handlung und Norm sind die Grundbausteine des Deliktssystems. Ohne


eine Theorie beider Gegenstände kann eine konsistente Dogmatik nicht ge-
baut werden. Die Straftat als solche ist eine Handlung. Ihre Elemente – der
Erfolg, die Kausalität, die objektive Zurechnung, der Vorsatz, die Schuld –
müssen als Merkmale dieser besonderen Handlungsart gedeutet werden.
Ferner ist der Gegenstand des strafrechtlichen Verbots eine Handlung. Wie
beide Handlungsarten in einem Begriff zusammengefügt werden können, ist
ein unbewältigtes Problem der Strafrechtswissenschaft.
Auch wenn der Handlungsbegriff häufig marginalisiert oder beziehungslos
an den Anfang der Straftatprüfung gesetzt wird, prägen die Ergebnisse der
klassischen Diskussion die Dogmatik bis heute. Insbesondere das Konzept
der tatbestandlichen Handlung und der finalistische Verbrechensaufbau ha-
ben sich gegen alternative Entwürfe als stabil erwiesen. Demgegenüber ver-
wundert es, dass die kausale wie finale Lehre als überholt gelten. Welches
Handlungskonzept beide abgelöst hat, ist nicht ersichtlich. Zumeist liegt der
Dogmatik heute bewusst oder unbewusst ein modifizierter kausaler Hand-
lungsbegriff zugrunde.
2. Die grundlegende systematische Bedeutung, welche die Handlungslehre
früher hatte, kommt heute der Lehre von der objektiven Zurechnung zu. Sie
ist indes eine Unrechts- und nicht Handlungslehre. Schrittweise hat sie sich
von der Handlungslehre emanzipiert. Wegweisend war die Ablösung aus dem
Begriff der adäquaten Kausalität, welche dem Bereich der tatbestandlichen
Handlung zugehörte.1 Man fasste die objektive Zurechnung zunächst zwar
noch als handlungsdefinierendes Merkmal auf, das durch die Frage nach der
Vermeidbarkeit oder Bezweckbarkeit der Verursachung zu konkretisieren
war.2 Die neuere Entwicklung der Lehre hat aber diese auf die tatbestand-
liche Handlung bezogene Deutung hinter sich gelassen. Sie konzentriert sich
auf die „unerlaubte Risikoschaffung“ und somit eine andere als die erfolgs-
definierte tatbestandliche Handlung. Wie das Verbot dieser tatbestandlichen
Handlung mit dem Verbot dieser riskanten Handlung verknüpft wird, ist eine
normen- und nicht handlungstheoretische Frage.3

1 B.III.5.c).
2 B.III.5.d).
3 B.III.4.d), C.V.3.
D. Schlussbetrachtung201

Im Gegensatz zur traditionellen strafrechtlichen Handlungslehre hat es die


Lehre von der objektiven Zurechnung vermocht, eine Zurechnungsstruktur
aufzudecken, die bei allen Erfolgsdelikten gleichermaßen gegeben ist, seien
es Vorsatz- oder Fahrlässigkeits- bzw. Begehungs- oder Unterlassungsdelikte.
Immer werden Verbote oder Gebote von erfolgsdefinierten Handlungen mit
Verboten oder Geboten von erfolgsgeeigneten Handlungen verknüpft. Der
unerlaubt gefährlichen Handlung als Zurechnungsvoraussetzung der Bege-
hungsdelikte korrespondiert bei den Unterlassungsdelikten das Unterlassen
einer verhinderungsgeeigneten Handlung. Der Handlungslehre war es dem-
gegenüber nicht gelungen, die Handlung als einheitliche Zurechnungsvoraus-
setzung auf der Tatbestandsebene zu erweisen.
Die Lehre von der objektiven Zurechnung definiert aber nicht den Begriff
der verbotsgegenständlichen Handlung eines Erfolgsdelikts. „Objektiv“ –
also ohne Rücksicht auf die Absichten des Handelnden – kann die Zurech-
nung nur normativ begründet werden. Die normative Zurechnung setzt jedoch
die Annahme eines Normverstoßes voraus bzw. ist mit ihr gleichbedeutend.4
Deshalb kann nicht bereits auf der Ebene des Tatbestands, also vor dem Ur-
teil über Rechtswidrigkeit und Schuld, eine normative Zurechnung und somit
eine Handlung begründet werden. Die tatbestandliche ist diejenige Handlung,
welche Gegenstand des Verbots ist;5 sie kann den Verbotsverstoß nicht be-
reits implizieren.6 Erst mit dem Urteil über Rechtswidrigkeit und Schuld
wird eine Handlung konstituiert, für welche der Sinnaspekt des Normversto-
ßes aber unabdingbar ist. Vor diesem Urteil fehlt, wenn man die Intention
unberücksichtigt lässt, jeder Grund, dem Handelnden einen Erfolg zuzurech-
nen. Es ist weder festgestellt, dass er diesen absichtlich, noch dass er ihn
normwidrig bedingt hat. Das Interesse an abstrakter dogmatischer Begriff-
lichkeit ist kein ausreichender Grund, einen Erfolg „objektiv zuzurechnen.“
Deshalb ist es auch unzutreffend und neben einer normentheoretisch be-
gründeten objektiven Zurechnung überflüssig, einen vornormativen Hand-
lungsbegriff wie den der vermeidbaren Erfolgsverursachung bzw. abstrakter
den der Vermeidbarkeit zu postulieren.7 Während die tatbestandliche „objek-
tive Zurechenbarkeit“ immerhin die Verwirklichung des objektiven Tatbe-
stands so präzise wie möglich definiert, leistet das der Begriff der Vermeid-
barkeit nicht. Das Vermeidenkönnen ist zwar legitimationshalber Vorausset-
zung des Vermeidensollens. Das Sollen folgt aber nicht ohne weiteres aus
dem Können. Der Begriff der Vermeidbarkeit verdeutlicht nicht, dass ein
tatbestandliches vermeidbares Bedingen des Erfolgs dadurch definiert wird,

4 B.I.1.
5 B.III.2.
6 B.II.2.d).
7 B.IV.4.
202 D. Schlussbetrachtung

dass die bedingende Handlung gegen ein Verbot verstößt. Das Vermeidensol-
len kann nur unter Rückgriff auf Verbote gefährlicher Handlungen oder Ge-
bote verhinderungsgeeigneter Handlungen begründet werden. Die Lehre von
der objektiven Zurechnung macht diese Begründungsstruktur explizit. Sie ist
deshalb auf die These nicht angewiesen, dass aufgrund der Vermeidbarkeit
bereits eine Handlung zugerechnet werden könne.
3. Ohne das oder vor einem Urteil über die normative Zurechnung und
in diesem Sinne nicht- oder vornormativ kann eine Handlung nur unter
Bezugnahme auf die Intention des Handelnden begründet werden.8 Das ist
die bleibende Erkenntnis der finalen Handlungslehre, hinter die es kein Zu-
rück gibt. Man sollte endlich den häufig wiederholten und gar nicht mehr
reflektierten Einwand gegen diese Lehre vergessen, dass es ihr Fehler sei,
die tatbestandlich-fahrlässige Verursachung nicht als Handlung beschreiben
zu können.9 Dieser Einwand führt in seiner Konsequenz zwangsläufig zu-
rück in eine objektive, nur dogmatisch-konstruktiv begründete Handlungs-
definition, die gegenüber dem Handelnden unbegründet, eine Handlungsfik-
tion ist und deshalb dem Normadressaten gegenüber nicht legitimiert wer-
den kann.
Es ist gerade die Lehre von der objektiven Zurechnung, die es ermöglicht,
als Unrechtslehre verstanden, jenen alten Einwand zu entkräften. Sie zeigt
auf, dass beim Fahrlässigkeitsdelikt eine Erfolgszurechnung auch dann legi-
tim ist, wenn der Erfolg vornormativ nicht im Rahmen einer Handlung zuge-
rechnet werden kann. Es ist nicht problematisch, dass der Erfolg von einem
Verbot in Bezug genommen werden muss, das sich nicht auf eine erfolgsde-
finierte Handlung richtet. Die Zurechnung wird stattdessen über Verbote ge-
fährlicher Handlungen begründet, welche sich auf ein Verbot beziehen, durch
derartige Handlungen die Kontingenz des Erfolgs zu bedingen.10 Allein von
einem Erbteil der kausalen Lehre muss man sich verabschieden – dem
Dogma, dass der Tatbestand der Erfolgsdelikte in jedem Fall eine erfolgsde-
finierte Handlung konstituiere.11
Infolgedessen kann die Definition des Verbrechens als tatbestandliche,
rechtswidrige und schuldhafte Handlung in dieser Formulierung nur bestehen
bleiben, wenn man jene Attribute als Merkmale des Begriffs der verbrecheri-
schen Handlung versteht.12 Das war für die ursprünglich von Hegel ausge-
hende Auffassung des Verbrechens als Handlung selbstverständlich. Unter

8 C.IV.1.
9 B.IV.2.
10 C.V.4.a).
11 B.IV.5.b), B.V.4.
12 B.V.5.
D. Schlussbetrachtung203

dieser Prämisse ist es auch möglich, sowohl das Vorsatz- als auch das Fahr-
lässigkeitsdelikt und sowohl das Begehungs- als auch das Unterlassungsde-
likt als Handlungen auszuweisen, da allen Erscheinungsformen der Straftat
das Merkmal der Normwidrigkeit gemeinsam ist.
Insofern ist es nicht verwunderlich, dass die Hegelsche Auffassung eine
Renaissance erfahren hat. In deren Zuge sieht man indes die finale Lehre als
überholt an, weil sie die Handlung auf den instrumentellen Aspekt verkür-
ze.13 In der Tat liegt eine Herausforderung darin, aus dem abstrakten Begriff
der Handlung heraus zu entwickeln, dass es normative wie nicht-normative
Handlungsbegriffe gibt – einerseits Verbrechensbegriffe und andererseits
Handlungsbegriffe, die ein normatives Zurechnungsurteil nicht voraussetzen.
Eine einseitige Reduktion des allgemeinen Handlungsbegriffs auf eine
dieser beiden Handlungsarten wäre aber verfehlt. Jene Kritik am finalen
Handlungsbegriff verkennt, dass die strafrechtliche Handlungslehre einen
abstrakten Begriff der verbotsgegenständlichen Handlung entwickeln muss.
Für diese Handlung sind das Verbot und somit die Rechtswidrigkeit und
Schuld etwas Äußerliches, Akzidentielles. Das Verbot tritt zu ihr hinzu, sie
wird an ihm gemessen. Die normgegenständliche Handlung kann nicht durch
die Normwidrigkeit definiert sein.
Dass allein aufgrund einer Intention zugerechnet werden kann, auch wenn
normativ zugerechnet werden könnte, ergibt sich aus der Funktion der Iden-
tifikation von Handlungen. Mittels einer Handlung wird einer Person eine
Veränderung zugerechnet. Diese Zurechnung bedarf besonderer Gründe, die
einen sinnhaften Bezug der Veränderung zur Person herstellen. Sowohl eine
Intention als auch eine Norm sind auf die Verwirklichung oder Nichtverwirk-
lichung der zuzurechnenden Veränderung gerichtet und rechtfertigen deshalb
die Zurechnung der dann eingetretenen Veränderung.14
Die Zurechnung wird durch eine Intention subjektiv und durch eine
Rechtsnorm objektiv begründet. Der Versuch, sie durch bloß beschreibende
objektive Kriterien wie die Kausalität oder Vermeidbarkeit zu begründen,
musste gerade deshalb scheitern, weil er das Erfordernis einer verbindlichen
Sinnsetzung außer Acht lässt, die auf die Veränderung gerichtet ist, und weil
er somit die praktische Funktion der Handlungsidentifikation verfehlt.15
Demgegenüber ist es möglich, die Zurechnung allein subjektiv zu begründen,
auch wenn sie daneben normativ begründet werden könnte, gerade weil die
Intention allgemein ein hinreichender Zurechnungsgrund ist.

13 B.V.5.
14 C.IV.1.
15 B.V.2., B.V.4.
204 D. Schlussbetrachtung

Somit kann die Einheit von normativen und nicht-normativen Handlungs-


begriffen durch den Begriff der Zurechnung hergestellt werden: Die Hand-
lung ist das Ergebnis der Zurechnung einer Veränderung an eine Person
aufgrund einer Intention oder / und einer Norm.16
4. Eine Definition des Begriffs der Handlung ist nur sachhaltig und ange-
messen, wenn sie an die soziale Funktion der Identifikation von Handlungen
anknüpft.17 Handlungen sind entia moralia, faits sociaux, institutional facts,
keine einfachen Ereignisse – Körperbewegungen und dadurch verursachte
physische Veränderungen, welche dem Beobachter als natürliche Tatsachen
vorgegeben sind. Die naive Rede von einem „natürlichen“ Handlungsbegriff
im Strafrecht ignoriert die philosophische und soziologische Tradition der
Handlungstheorie. Auch die finale Lehre hat aber letztlich an dem „naturalisti-
schen“ Bild der Handlung als einer Körperbewegungseinheit festgehalten. Der
Aspekt der Steuerung eines Kausalprozesses ermöglicht zwar, die Einheit des
Körperverhaltens nach Sinnaspekten klarer zu bestimmen.18 Letztlich wird
aber die Vorstellung von der Handlung als Körperverhalten durch das Element
der Steuerung nur ergänzt. Die Auffassung der Handlung als einer Sequenz von
psychischen und physischen Ereignissen wird nicht vollständig überwunden.
Der Begriff der Handlung als Ergebnis der Zurechnung geht demgegen-
über primär vom funktionalen Aspekt aus, dass vermittels der Handlung eine
Veränderung einer Person zugerechnet wird. Der gegenständliche Aspekt
wird darauf bezogen, also sekundär gesetzt. Er liegt einerseits in der Bezie-
hung auf zurechenbare Veränderungen,19 andererseits in einem zurechnungs-
begründenden Körperverhalten.20 Die Rolle des Körperverhaltens wird
wiederum funktional gedeutet – zum einen bezogen auf die Begründung der
Kontingenz des Zurechnungsgegenstands21 und zum anderen auf die Festle-
gung einer zurechnungsbegründenden Intention.22 Weil das Sich-Ereignende
somit nicht als definierendes Merkmal der Handlung gesetzt wird, kann das
Zurechnungskonzept erklären, dass einerseits das Nichtstattfinden einer Ver-
änderung Zurechnungsgegenstand23 und andererseits auch eine Unterlassung
Handlung sein kann, obgleich die Zurechnung bei dieser an ein nicht ausge-
führtes Körperverhalten anknüpft.24

16 C.I.
17 B.V.2.
18 B.III.3.e).
19 C.II.
20 C.II.1.
21 C.III.1.
22 C.IV.2.d).
23 C.II.2.
24 C.II.3., C.III.1., C.V.5.
D. Schlussbetrachtung205

Eine komplexere Theorie eines Gegenstands kann zumeist mehr erklären


als einfache Modelle und Vorstellungen. So kann das Zurechnungsmodell die
Einheit von normativ und nicht normativ definierten Handlungsbegriffen
darstellen ebenso wie diejenige von Handlungen durch Tun und Unterlassen.
Aber auch einzelne Voraussetzungen der handlungsbegründenden Zurech-
nung können mit seiner Hilfe besser gedeutet werden. Die Ablösung vom
scheinbar Vorgegebenen, Sich-Ereignenden ermöglicht zu fragen, inwieweit
die Kausalität für die Handlungskonstitution bedeutsam ist oder warum und
wie Intention und / oder Norm die Zurechnung begründen können. Es genügt
hier nicht zu behaupten, dass die Handlung eine vorgegebene Tatsache sei.
Vielmehr muss die Deutung der Kausalität und der Intention aus dem Zweck
bzw. der Funktionalität der Zurechnung heraus entwickelt und verstanden
werden.
So ist die Kausalität auf die Zurechnungsvoraussetzung der Kontingenz
bezogen: Der Zurechnungsgegenstand muss in Abhängigkeit von der Kontin-
genz des Körperverhaltens als kontingent erscheinen.25 Die Forderung, dass
das Körperverhalten condicio sine qua non der Veränderung sein müsse, geht
demgegenüber zu weit. Das belegen schon die anerkannten Ausnahmen von
dieser Forderung.26 Vielmehr ist Mindestvoraussetzung der Zurechnung
­lediglich, dass die Kontingenz des Körperverhaltens, d. h. die Möglichkeit
eines alternativen Verhaltens, die Kontingenz des Zurechnungsgegenstands
bedingt. Diese Voraussetzung trifft gleichermaßen auf Handlungen durch Tun
wie Unterlassen zu. Gleichsam die gesamte Handlung in allen ihren „Be-
standteilen“ muss als kontingent erscheinen. Der dabei vorausgesetzte Be-
griff der Freiheit wird im Wesentlichen negativ definiert, insbesondere als
Abwesenheit von physisch unwiderstehlichem Zwang.27
Ebenfalls aus der Zurechnungsfunktion von Handlungen erklärt sich, dass
allein eine Intention und / oder eine Norm die Zurechnung begründen können.
Nur diese sind auf eine Weltgestaltung durch das Handeln des Zurechnungs-
subjekts gerichtet. Deshalb können sie die Zuordnung desjenigen Weltas-
pekts, welcher der Intention entspricht bzw. der Norm widerspricht, auf die-
jenige Person begründen, welche die Intention setzt bzw. an welche die Norm
adressiert ist.28 Gerade der quasi-normative Sinn der Intention rechtfertigt
die Zurechnung; nicht etwa die Gleichzeitigkeit oder gegenständlichen Ein-
heit von psychischer Aktivität und Körperverhalten. Letzteres ist nur insofern
von Bedeutung, als es eine Intention festlegt.

25 C.III.1.
26 C.III.3. / 4.
27 C.III.1.3.
28 C.IV.1.
206 D. Schlussbetrachtung

Diese Begründungslogik hat zur Folge, dass der Begriff der Intention bzw.
des Vorsatzes übereinstimmend mit der finalen Lehre von der Absicht her zu
verstehen ist, da sie die klare Form weltgestaltender Orientierung ist. Aus der
Parallelität von Intention und Norm erhellt darüber hinaus, dass eine gegen-
über dem Erfolg indifferente Einstellung wie bei den Vorsatzarten der Wis-
sentlichkeit und des dolus eventualis eine Zurechnung begründen kann. Als
Formen der Intention entsprechen sie der Erlaubnis als Form der Norm.29
5. Aus der zwischen intentionsbegründeter und normativer Zurechnung
unterscheidenden Begründungslogik folgt, dass eine bloß normative, bloß
intentionale und eine kombiniert normativ-intentionale Zurechnung möglich
sind. Sie konstituieren jeweils unterschiedliche Handlungsarten. Normative
und intentionsbegründete Zurechnung beziehen sich dabei je spezifisch auf-
einander: Eine normativ-verbotsbezogene Zurechnung geht von Verboten in-
tentionaler Handlungen aus. Es wird in einem logisch ersten Schritt inten­
tionsbegründet, dann normativ zugerechnet.30 Falls die Intention fehlt, wird
die Zurechnung über ergänzende Verbote oder Gebote begründet.31
Demgegenüber begründet bei einer gebotsbezogenen Zurechnung, also bei
einer Handlung durch Unterlassen, die Kenntnis der Situation und der Hand-
lungsmöglichkeit noch keine intentionale Zurechnung. Der für die Intention
wesentliche Gestaltungssinn setzt die Kenntnis des Gebots voraus.32
Die Intention erweist sich dabei als der stärkere, primäre Zurechnungs-
grund, da auch die Norm sich direkt oder indirekt auf intentionale Handlun-
gen oder zumindest auf die Situations- und Möglichkeitskenntnis des Han-
delnden beziehen muss. Eine nichtintentionale normative Zurechnung ist
schwächer begründet. Dementsprechend wird die fahrlässige gegenüber der
vorsätzlichen Handlung als geringeres Unrecht bewertet.
Sowohl Intention als auch Norm sind schließlich als Sinnsetzungen auf
eine sinnverstehende Beobachtung angewiesen. Da die Handlung ein sinnhaft
konstituierter Gegenstand ist, kann sie nicht der Beobachtung als solche vor-
gegeben sein.33 Beobachtung ist auch die Selbstreflexion des Handlungssub-
jekts, die in der Selbstzurechnung von Handlungen vorausgesetzt ist. Auf-
grund dieser Abhängigkeit von einer Beobachtung muss die Handlung durch
diese mitdefiniert werden, wie es im Begriff der Zurechnung geschieht.
Die alte Zurechnungslehre hatte die soziale Dimension somit begrifflich
verankert. Die mit der kausalen Lehre einsetzende „Naturalisierung“ der

29 C.IV.2.
30 C.V.2.
31 C.V.4.
32 C.V.5.
33 C.I.
D. Schlussbetrachtung207

Handlung, ihre Auffassung als ein quasi natürlicher, vorgegebener Gegen-


stand, machte es dann erforderlich, die zunächst ausgeblendeten Aspekte –
Sinn, Sozialität, Intentionalität, Normorientierung – wieder einzuholen, ohne
sie aber in den begrifflichen Rahmen und ein theoretisches Modell der Hand-
lung stimmig integrieren zu können.
6. Die mit dem Zurechnungsbegriff verbundene handlungs- und normen-
theoretische Begründung der Straftatsystematik hat keineswegs nur analy-
tisch-formalen Charakter. Die theoretische Analyse interessiert sich zwar
primär für die modellhafte Beschreibung einer gegebenen Praxis und macht
sie dadurch verstehbar. Die Beschreibung von Zurechnungserfordernissen
deckt aber zugleich materielle Erwägungen auf, die aus der normativ-straf-
rechtlichen Perspektive aufgenommen werden können. So ist die Straftatlehre
eine Ordnung von Urteilsvoraussetzungen, in deren Ergebnis eine Handlung
bestimmter Art konstituiert und ein Handlungsergebnis zugerechnet wird.
Die Zurechnung ist ein Urteil, das gegenüber dem Handelnden begründet
werden muss.
Aus diesem Ansatzpunkt folgt zum einen, dass der äußere Aspekt bzw. der
Erfolg für eine Straftat zentral ist und zum anderen, dass die Zurechnungs-
gründe eine sinnhaft-inhaltliche Verbindung zwischen Person und Verände-
rung herstellen müssen, wie sie in der weltgestaltenden Orientierung von
Intention und Norm gegeben ist. Die allgemeinen Merkmale des Tatbe-
stands – Erfolgseintritt, „Kausalität“, Vorsatz – sind auf die Begründung der
Zurechnung bezogen. Entsprechendes gilt für das Fahrlässigkeitsdelikt: We-
gen fehlender Intention muss hier die Zurechnung durch die Behauptung
begründet werden, dass das rechtliche Handlungsprogramm insgesamt geeig-
net war, den Erfolg zu verhindern.34 Das macht die Zuordnung des Erfolgs
an den Adressaten dieses Handlungsprogramms plausibel.
Die Legitimation von Zurechnungsurteilen ist der Leitgesichtspunkt einer
handlungs- und normentheoretischen Betrachtung der Straftat; eine Deutung
jener Merkmale allein unter Strafzweckgesichtspunkten wäre demgegenüber
verfehlt. Diesen Ansatzpunkt müssen allerdings Konzepte verfolgen, die den
Erfolgseintritt oder den darauf bezogenen Vorsatz nicht als Voraussetzungen
der Handlung verstehen.
So kann die Erfolgszurechnung auch beim vorsätzlichen Begehungsdelikt
ohne Rücksicht auf einen gegebenen Vorsatz allein objektiv begründet wer-
den.35 Der Erfolgsvorsatz muss dann strafzweckbezogen auf den Aspekt
erhöhter Strafbedürftigkeit hin gedeutet werden. Das missachtet aber die
Perspektive des Handelnden. Dieser wird ein erfolgsbezogenes Verbot zuerst

34 C.V.4.f).
35 Dagegen, zum Begriff der Fahrlässigkeit C.V.4.g).
208 D. Schlussbetrachtung

als das Verbot einer entsprechenden erfolgsdefinierten Handlung verstehen


und erst sekundär als Verbot, den Erfolg durch Handlungen nichtintentional
zu verursachen. Dementsprechend stützt sich auch in der Beurteilung die
Zurechnung primär auf die Intention des Handelnden und greift auf die
schwächere Zurechnungsbegründung qua Fahrlässigkeit nur hilfsweise zu-
rück.
Ferner hat es nicht an entgegengesetzten subjektivierenden Konzepten ge-
fehlt, die dem Erfolgseintritt die Relevanz für die tatbestandliche Handlung
und das Unrecht absprachen.36 Dann kann wiederum nur durch ein erhöhtes
Strafbedürfnis erklärt werden, dass er vom Strafgesetz berücksichtigt wird.
Ausschließlich den Versuch als verboten anzusehen, verkennt aber den nur
abgeleiteten Charakter des Versuchsverbots. Es ist auch deshalb widersprüch-
lich, weil offenbar das Verbot des Versuchs sich darauf richtet, die versuchte
Handlung zu unterbinden. Da beim Versuch anders als bei der Handlung kein
Erfolg zugerechnet wird, ist es auch unkorrekt, die Handlung mit deren Ver-
such einfach gleichbedeutend zu setzen.
Aus der Sicht von Präventionsbedürfnissen mögen Versuch und Vollen-
dung einer Handlung gleichermaßen strafbedürftig erscheinen. Demgegen-
über zielt die Vergeltung auf einen eingetretenen Erfolg. Vielleicht deshalb
hat bereits die natur- und vernunftrechtliche Rechtslehre den Gedanken der
Zurechnung formulieren können. Dieser ist nicht nur für die Normen-, son-
dern für die gesamte Handlungstheorie wegweisend.

36 B.II.4., B.III.2.e).
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Absicht siehe Vorsatz –– mittelbare Täterschaft 84, 141, 147 f.
Adäquanztheorie 85 ff. –– siehe Zurechnung, über das Handeln
Akzessorietät (Verhaltensnormen) 47 anderer vermittelte
Äquivalenztheorie siehe Bedingungs­ Betrug (als Beispiel für tatbestandliche
theorie Handlungen) 46, 57, 77, 170 ff., 175,
Ausführungs- bzw. Anknüpfungshand- 176, 177
lung 76 ff., 80 f., 131, 133, 137, 175 Bewertung 161, 189
Auslegung von Normen 57 f., 171, 175
–– siehe auch Subsumtion Delikt siehe Straftat
–– eigenhändiges 75
Basishandlung siehe Handlung
Bedingungs- oder Äquivalenztheorie Eignung (Gefährlichkeit) 81, 86, 89,
(Kausalität) 73, 82 f., 93, 140 ff. 95, 176
–– alternative Kausalität 141, 145, Entscheidungen der Rechtsprechung
148 f., 151, 153 –– Apothekerfall (RGSt 15, 151) 82,
–– Ersatzursachen 143 ff. 180, 183, 184, 187
–– Gremienproblem 152 f. –– Lederriemenfall (BGHSt 7, 363)
–– Handlungen anderer, „psychische 160 ff.
Kausalität“ 146 f. –– Logenschließerfall (RGSt 34, 91) 83,
–– kumulative Kausalität 149 ff., 151 ff. 99 f.
–– Lehre von der hinreichenden Mindest- –– Öhmdfall (RGSt 75, 49) 194
bedingung (Puppe) 142 f., 145, 148, –– Politbürofall (BGHSt 48, 77) 151 f.
150, 152, 153 –– Referendarfall (BGHSt 13, 13) 147
–– Vereiteln rettender Verläufe 141 f., –– Ziegenhaarfall (RGSt 63, 211) 182,
145 184
Begriff Erfolg
–– Bildung eines Oberbegriffs 41, 45, –– als Bestandteil der Handlung bzw.
66, 71 f., 124, 129 Gegenstand des Verbots 30 f., 50, 52,
–– Funktions- vs. Substanzbegriff 129, 53 f., 67, 68, 69 f., 72 ff., 97 ff., 100 f.,
131 101 ff., 130, 131, 208
–– konkret-allgemeiner Begriff, Typus­ –– Definition durch Ort und Zeit vs. Art
begriff 117 f., 164, 191 der Verursachung 144, 145, 150 f.
–– Relationsbegriff 80, 130 ff. –– Begriff 74 ff., 76
–– siehe auch Handlungstheorie, -modell –– siehe auch Handlungsart, erfolgs­
Bestimmung und Bewertung siehe Norm definierte; Handlungsergebnis
Beteiligung Erfolgsdelikt siehe Handlung, erfolgs­
–– Anstiftung 147 f. definierte
–– Mittäterschaft 153 f. Erlaubnis siehe Rechtfertigung
Sachwortregister223

Fahrlässigkeit –– Identität einer Handlung 131 f.,133 f.,


–– Begriff 190 ff. 175
–– bewusste/unbewusste 123, 180, 184, Handlung/Handlungsart, erfolgs­
190 definierte 30, 74 ff., 76, 80 f., 87, 98,
–– Fahrlässigkeitsdelikt 24, 44, 47, 49 f., 175
87, 90, 94 ff., 106 ff., 111 f., 113, 120, –– siehe auch Erfolg
156, 178–192, 193 ff., 202, 206, 207 Handlung/Handlungsart, verbotsgegen-
–– genereller oder individualisierter Maß- ständliche 16 f., 26, 31, 38 f., 44 ff.,
stab 88, 107 48 ff., 55, 203
Fehler –– als Grundbegriff des Verbrechens­
systems 27, 33, 66 ff., 94, 96, 110 f.,
–– der unzutreffenden Konkretheit 16,
202
35
–– nichtnormativer Charakter 17, 27 ff.,
–– der unzutreffenden Verallgemeinerung 38, 55 ff., 58 f., 88, 93
16, 120
–– siehe auch Tatbestand, tatbestandliche
Freiheit, 136 f., 155, 205 siehe Kontin- Handlungsart
genz Handlungsergebnis (und -folge) 74,
78 f., 130 siehe auch Erfolg
Gefahr als Gegenstand von Norm bzw.
Handlungsgrund 61 f., 110, 157 f.
Vorsatz 50, 53 f.
Handlungslehre, strafrechtliche
Handeln 68 ff. –– deren Besonderheit 11, 16 f., 19, 20,
26 f., 30 f., 33, 38, 93, 94, 99, 125 f.
Handlung
–– finale 13, 72 f., 91 ff., 113 f., 119,
–– Abgrenzungsfunktion 67, 118, 137, 120, 121, 125, 140, 142, 158, 202 f.,
166, 168 f. 204
–– als Ereignis 127, 129, 130, 132, 204 –– Funktionalisierung des Handlungs­
–– Basishandlung 78 f., 131 begriffs für die Dogmatik 119 f., 202
–– Begriff 11, 55, 121, 196; siehe auch –– Handlung als Grund-, Verbindungs-
Begriff und Grenzelement im Straftatsystem
–– Beschreibungs- und Interpretationsab- 118 ff., 126
hängigkeit 70, 79 f., 110, 116, 133 f., –– Hegelianer 92, 122 f., 126, 202 f.
167, 169 f. –– kausale 13, 32 ff., 66 f., 71 ff., 113 f.,
–– Definition als Körperverhalten 15 f., 114 ff., 140, 142, 200, 206 f.
33 f., 41, 53 f., 66 ff., 69 ff., 119, 127, –– kausale und finale (Gemeinsamkeiten
130, 142, 193, 204 ff. siehe auch und Gegensatz) 16 f., 20, 26, 31 f.,
Körperverhalten 36, 37, 40, 193
–– Definition durch die Zurechnung –– Kindhäuser 15, 78 ff., 110 ff., 132,
14 f., 20, 118, 124 f., 128, 131 f., 154, 158 f.
203 f. siehe Zurechnung –– Jakobs 15., 106 ff., 123 f., 167 f.,
–– durch Unterlassen siehe Unterlassung 201 f.
–– funktionsbezogene Definition, soziale/ –– personale 12,14 f., 116 ff., 122
praktische Bedeutung 14 ff., 84 f., –– soziale 12, 35, 84 f., 116, 122
115 f., 121, 129 f., 156, 203 f. –– und Normentheorie 19, 26, 36, 120
–– Handlungsmerkmale (bzw. -elemente) –– Verhältnis zur Handlungstheorie 11,
und Handlungsumstände 41 ff., 45 f., 13, 19, 36 f., 112, 114, 121, 122, 204,
60, 134 207
224 Sachwortregister

Handlungstheorie Konkretisierung siehe Auslegung


–– Handlungsmodell 15 f., 17, 78, 80, Kontingenz, Kontingenzvoraussetzung
127, 130 f., 205 136 ff., 205
–– philosophische, soziologische 15, –– Begriff der Kontingenz 138 f.
36 f., 78 f., 84, 92, 115 f., 135, 207 –– Kontingenz des Körperverhaltens
Handlungs- und Erfolgsunrecht 76 f. 136 f., 166
–– Kontingenz- vs. Existenzbedingung
imputatio facti/iuris siehe Zurechnung 141, 144 f., 148 f.
Intention 35, 110 ff., 157 ff. –– Kontingenzverknüpfung 136, 137 f.,
–– Begriff 157, 162 f. 139 ff. (insbes. 141 f., 145 f., 147,
–– Verbindlichkeit der Intention 164 ff., 149), 205
196 –– siehe auch Bedingungstheorie
–– Wille und Intention, Ursächlichkeit
für das Körperverhalten 32 f., 110, Metaregel 187 f.
154, 157, 165
–– Zuschreibung der Intention 167 f. Norm (Verbot, Gebot)
–– siehe Vorsatz, finale Handlungslehre, –– bedingte Norm 102, 185
Zurechnungsgrund –– Begriff 138, 159 f., 163, 164, 185 f.
–– bei Binding 49 f.
Kausaldogma 73, 142 f. –– bei Kaufmann 97 ff.
Kausalität 73, 83 f., 139 ff., 144, 152, –– bei Frisch 51, 191
205 –– bei Kindhäuser 111 f., 158 f.
–– siehe auch Bedingungstheorie, –– Bestimmungs- und Bewertungsnorm
Unterlassen bzw. -funktion 23, 104 f., 188 ff.
Kenntnis, gebotene 100, 181 ff., 185 f., –– Eignung der Norm 174, 180, 181,
190, 194 185 f., 186 f., 188 f.
–– gebotene Aufmerksamkeit 50, 183, –– Gegenstand der Norm 95 f., 101 ff.,
194 111 siehe auch Handlung, verbots­
–– gebotenes Wissen 182, 183 gegenständliche; Handlungslehre,
–– Gebot der Vorsorge bei Unkenntnis strafrechtliche
182 –– generelle und singuläre Norm 171 ff.,
–– Nachforschungs- bzw. Aufklärungs­ 187 f.
gebot (kenntnisbezogene Normen) –– Norm und Pflicht 61, 100, 112, 173,
181, 182, 183 ff., 194 188
Kommunikation 135, 165 –– ohne-zu-Bedingung eines Verbots
Körperbewegung/-verhalten, willkür­ (komplementäres Verbot) 100, 181,
liches 182, 184
–– als Handlung 20, 66 ff., 69 f., 79 f., –– spezifisch (straf-)rechtlicher Charakter
84, 99, 102, 103, 131, 136 f., 157, 25, 47, 49
168 f. –– Verbotsbestandteile ohne Intentions­
–– Bedeutung für die Handlung 16, 71, bezug 99 ff., 178, 180 ff.
131, 136, 137 f., 157, 164 ff., 204 –– Verursachungsverbot 36, 50, 96, 108,
–– Willkürlichkeit 137 111 f., 120, 158 f., 178 ff., 183, 187
–– siehe Handlung, Definition als –– Zurechnungsregeln als Normbestand-
Körperverhalten teil 187 ff.
Sachwortregister225

–– siehe Handlung, verbotsgegenständ­ –– objektive vs. subjektive Bestimmung


liche 107 f., 116 ff., 127, 202
–– siehe Zurechnungsgrund, Norm­ –– siehe Zurechnungsgrund
verstoß Sorgfaltspflicht 96, 106, 109
Normableitung, teleologische/praktische Sozialadäquanz 93 f. siehe Risiko,
19, 31, 46 f., 80 f., 87, 103 ff., 175 ff., unerlaubtes
191 f., 201 Strafe 106
–– Pflichtwidrigkeitszusammenhang Straftat
(„Kausalität der Fahrlässigkeit“) 152, –– als Handlungsart 11, 13, 17, 30, 56,
179 f. 84, 92 f., 122 ff., 126, 156, 200, 202 f.
–– Risiko, erlaubtes/unerlaubtes, 13, –– Definition 38, 44
89 f., 94, 109, 156, 176, 184
–– Unterscheidung Delikt/Verbrechen bei
–– Schutzzweckzusammenhang 149, Binding 49 f., 52
152, 177
Strafzweckorientierung 13 f., 50 ff.,
–– siehe Zurechnung, objektive 207 f.
Normentheorie 19, 120 Subsumtion 22, 58, 172, 175
Supererogation 20, 155
Obliegenheiten 185
Tätigkeitsdelikt 74 f.
Persönlichkeitsäußerung siehe Hand-
Tat
lungslehre, personale
–– und Handlung 22, 32, 39, 67 f., 123,
Pflicht siehe Norm
126
Pflichtwidrigkeitszusammenhang
–– siehe Tatbestand
siehe Normableitung, teleologische
Tatbestand 27 f., 38 ff., 49, 51, 63 f., 65,
Rechtfertigung, Erlaubnis 43, 46, 119
59–65, 159 f., 161, 162 –– als Grundbegriff der Deliktsdefinition
Rechtswidrigkeit 23, 27, 43, 49 f., 88, 44, 106, 119 ff., 126
90, 189 –– beim Unterlassungsdelikt 38, 44,
Regressverbot 83 f. 46 f.
Risiko, erlaubtes/unerlaubtes siehe –– Gesamtunrechtstatbestand 27 f., 61,
Normableitung, teleologische 65
–– Handlungstatbestand (normgegen-
Schuld 23 standsbezogener Begriff) 42, 44 ff.,
–– als Vorwerfbarkeit 91 f. 49, 64, 119, 156, 177
–– psychologischer Schuldbegriff 35 f., –– Lehre von den negativen Tatbestands-
49 f., 88 merkmalen 60 ff., 64
Schuldtheorie 93, 174 siehe Vorsatz –– rechtstheoretischer Begriff 43, 51
(Unrechtsbewusstsein) –– tatbestandliche Handlungsart 38 ff.,
Schutzzweckzusammenhang siehe 54, 55, 77, 81, 122, 126, 177
Normableitung, teleologische –– normative Prägung 56 f., 59, 88
Schwangerschaftsabbruch (als Beispiel –– normative Tatbestandmerkmale 56,
einer tatbestandlichen Handlungsart) 125
41 ff., 45 f. –– restriktiver Tatbegriff 83 f.
Sinn (Handlungssinn) 33 ff., 45, 91, –– Tatbestandsmerkmale 12, 40 f., 48,
127, 135, 154 f. 60, 63
226 Sachwortregister

–– Unrechtstatbestand 42 f., 44 f., 63 f., –– beim Unterlassungsdelikt 198 f., 206


65, 177 –– error in persona vel objecto 134
–– Wertfreiheit 55 ff., 59, 64 f. siehe –– Inkaufnehmen („dolus directus
auch Handlung, verbotsgegenständ­ 2. Grades“ – Wissentlichkeit – und
liche, nichtnormativer Charakter dolus eventualis) 91, 110, 157–164,
206
ultra-posse-Prinzip 23, 109 f., 185 f. –– Kognitivistische Vorsatzauffassung
Unrecht siehe Rechtswidrigkeit 158 f., 159, 164
Unrechtsbewusstsein siehe Vorsatz –– Normativierung (dolus indirectus)
Unterlassung 167 f.
–– als Handlung (durch Unterlassen) –– Vorsatz und Unrechtsbewusstsein,
129, 132, 135 f., 138, 140, 192 ff., 197 dolus malus 125, 174, 192, 198 f.
–– kausale/finale Lehre 33, 70 f. –– siehe Intention, Zurechnungsgrund
–– Kausalität/Kontingenzverknüpfung Vorsatzdelikt
138, 140 f., 143, 151 ff. –– Verhältnis zum Fahrlässigkeitsdelikt
–– Unterlassungsdelikt, echtes/unechtes 13, 97 f., 100 f., 191f.
81, 177, 192–199 –– Vorsätzliches Begehungsdelikt 155 f.,
–– siehe auch Tatbestand; Vorsatz beim 173 ff., 184
Unterlassungsdelikt –– siehe auch Unterlassungsdelikt

Veränderung siehe Zurechnungsgegen- Wille siehe Intention


stand
Verbot siehe Norm Zurechnender/Beobachter 21, 128, 206
–– erfolgsvoraussetzendes siehe Hand- –– Selbstbeobachtung/-zurechnung 15,
lungsart, erfolgsdefinierte 166, 167, 206
Zurechnung
Verbotsirrtum siehe Vorsatz und
Unrechtsbewusstsein –– Begriff und Funktion 11, 14, 20, 22,
36, 52, 80, 115, 117 f., 128, 131 f.,
Verbrechen siehe Straftat
156, 203f., 206 ff.
Verhalten 12, 111 f.
–– bei Kelsen 24 f., 128 f.
–– tatbestandsmäßiges (Frisch) 50 ff.
–– imputatio facti/iuris 22 f., 26 f.,
Verhaltensnormen siehe Norm 169 f., 171 f.
Vermeidbarkeit 13, 17, 24, 95 f., 106 ff., –– nicht- bzw. vornormative 22, 26,
111, 156, 159 siehe auch Adäquanz- 90 f., 154 ff., 169 f., 170, 192, 193
theorie –– normative, 15, 20 f., 22 ff., 26, 28, 36,
Versuch (einer Handlung) 74, 98, 58 f., 105, 154 ff., 162, 169–199
104 f., 166, 208 –– objektive 13, 22, 88 ff., 109, 114,
–– Rücktritt vom Versuch 166 116, 121, 156, 159, 176 f., 200 ff.
Vertrauen 162 –– ordentliche/außerordentliche 24
Verursachungsverbot siehe Norm –– retrospektiver Charakter 31, 54, 74,
Vorhersehbarkeit siehe Vermeidbarkeit 129
Vorsatz 13, 35 f., 40, 45 f., 50, 52, 53, –– über Handlungen anderer vermittelte
91 f., 93, 107 f., 113 f., 157–164, 166, 133, 141, 142, 146 ff., 150 f.
191 f., 206, 207 f. –– Zurechnung und Zuschreibung 167 f.
–– Absicht 110, 157–164 –– siehe Handlung, Zurechnungsgrund
Sachwortregister227

Zurechnungsgegenstand 21, 31, 98, –– Limitierung der Gründe 17, 118, 129
128, 129, 130 ff. –– Normverstoß allein 156, 178 ff., 193,
–– Körperverhalten 130 f. 203 siehe Norm; Zurechnung,
normative
–– Veränderungen/deren Ausbleiben
132 ff., 135 f. –– Norm(verstoß) und Intention 20 f.,
121 f., 124 f., 127, 130, 136 f., 154 ff.,
–– Zustand 128, 133, 197
173 f., 192, 193 ff., 197 ff., 203, 205,
Zurechnungsgrund 206 ff.
–– Intention allein 155, 193, 196 f., Zurechnungsregel 183, 186–190, 194
202 f. siehe Intention Zurechnungssubjekt 21, 128, 167
–– Kontingenzannahme 136, 143, 192 f. Zuschreibung siehe Intention

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