Sie sind auf Seite 1von 327

Strafrechtliche Abhandlungen

Neue Folge · Band 204

Feindstrafrecht –
Eine kritische Analyse

Von

Geraldine Louisa Morguet

asdfghjk
Duncker & Humblot · Berlin
GERALDINE LOUISA MORGUET

Feindstrafrecht – Eine kritische Analyse


Strafrechtliche Abhandlungen · Neue Folge
Begründet von Dr. Eberhard Schmidhäuser (†)
em. ord. Prof. der Rechte an der Universität Hamburg

Herausgegeben von
Dr. Dr. h. c. (Breslau) Friedrich-Christian Schroeder
em. ord. Prof. der Rechte an der Universität Regensburg

und
Dr. Andreas Hoyer
ord. Prof. der Rechte an der Universität Kiel

in Zusammenarbeit mit den Strafrechtslehrern der deutschen Universitäten

Band 204
Feindstrafrecht –
Eine kritische Analyse

Von

Geraldine Louisa Morguet

asdfghjk
Duncker & Humblot · Berlin
Zur Aufnahme in die Reihe empfohlen von
Prof. Dr. Hendrik Schneider, Leipzig

Der Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften


der Johannes Gutenberg-Universität Mainz hat diese Arbeit
im Wintersemester 2007/2008 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in


der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten
sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten


# 2009 Duncker & Humblot GmbH, Berlin
Satz: werksatz · Büro für Typografie und Buchgestaltung, Berlin
Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin
Printed in Germany
ISSN 0720-7271
ISBN 978-3-428-12795-5
Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier
entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de
Meinen Eltern
Vorwort
Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2007/08 vom Fachbereich
Rechts- und Wirtschaftswissenschaften der Johannes Gutenberg-Universität
Mainz als Dissertation angenommen.
Zunächst gilt mein herzlicher Dank meinem Doktorvater, Herrn Professor Dr.
Hendrik Schneider, der die Arbeit angeregt und sie mit vielen praktischen wie auch
fachlichen Hinweisen gefördert hat. Er hat mich in der gesamten Zeit hervorragend
betreut, so dass ich trotz aller Mühen, die eine Dissertation mit sich bringt, sagen
kann, dass es mir eine große Freude bereitet hat, bei ihm zu promovieren. Ebenfalls
möchte ich Herrn Professor Dr. Volker Erb für die intensive Beschäftigung mit
der Thematik und die zügige Erstellung des Zweitgutachtens danken. Der Lang-
Hinrichsen-Stiftung danke ich für den großzügigen Druckkostenzuschuss.
Allerdings wäre diese Arbeit niemals begonnen oder gar beendet worden, wenn
ich nicht der unendlichen Unterstützung meiner Familie gewiss gewesen wäre,
die mein wissenschaftliches Unterfangen stets mit aufmunternden Worten und
viel Stolz bestärkt und vorangetrieben hat. Meine Dissertation ist daher meinen
Eltern Christine Kirsten-Morguet und Reinhard Morguet gewidmet, die in jeder
Lebenslage für mich und meine Geschwister da sind und auf die ich mich immer
und in jeder Hinsicht verlassen kann. Meiner Mutter schulde ich darüber hinaus
besonderen Dank für ihr unermüdliches Korrekturlesen. Daneben möchte ich mich
auch bei meinem Freund, Herrn Dr. Frank Peter Schuster, besonders bedanken, von
dessen Erfahrung ich sehr profitiert und von dem ich in zahlreichen Gesprächen
wertvolle Anregungen erhalten habe.

Mainz, im Juli 2008 Geraldine Louisa Morguet


Inhaltsverzeichnis
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17

Kapitel 1
Das Feindstrafrecht 20

A. Der Begriff des Feindstrafrechts in der Prägung Jakobs und seiner Schüler 20
I. Die Differenzierung zwischen Bürger- und Feindstrafrecht . . . . . . . . . . . . . 20
1. Die Grundlagen des Bürgerstrafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
a) Der Begriff des Bürgers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
b) Die freiheitliche Selbstverwaltung des Bürgers . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
c) Der Strafzweck im Bürgerstrafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
aa) Modifizierung der positiven Generalprävention . . . . . . . . . . . . . 25
bb) Die Strafe als zwangsweise Reaktion auf die Tat eines Bürgers . 26
2. Die Grundlagen des Feindstrafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
a) Der Begriff des Feindes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
aa) Rechtsphilosophische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
(1) Die Entpersonalisierung des Feindes . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31
(2) Distanzierung vom Feindbegriff bei Carl Schmitt . . . . . . . . 32
bb) Weiterführung der Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33
(1) Fehlende kognitive Mindestgarantie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33
(2) Konkretisierung und Fallgruppenbildung . . . . . . . . . . . . . . . 34
b) Die Fremdverwaltung des Feindes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35
c) Der Strafzweck im Feindstrafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35
aa) Die Bemessung der Strafe als Zwangsmittel gegen den Feind . . 36
bb) Der Unterschied zur Zwangswirkung im Bürgerstrafrecht . . . . . 37
II. Das Verhältnis von Bürger- und Feindstrafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37
1. Fehlende Verankerung des Rechtsgüterschutzes im Bürgerstrafrecht . . . 38
2. Bürger- und Feindstrafrecht als Idealtypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39
B. Materielle und prozessuale Inhalte des Feindstrafrechts . . . . . . . . . . . . . . . 40
I. Grenzen und Inhalte des Bürgerstrafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41
1. Tatstrafrecht und Manifestation der Tat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42
2. Proportionalität von Tatbestand und Strafmaß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43
3. Repressivität des Bürgerstrafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45
10 Inhaltsverzeichnis

4. Verfahrensgarantien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45
II. Beschaffenheitsmerkmale des Feindstrafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49
1. Interna berücksichtigende Vorverlagerung der Strafbarkeit . . . . . . . . . . 49
2. Fehlende Proportionalität der Strafe zur Tatschuld . . . . . . . . . . . . . . . . . 54
3. Übergang zur präventiven Bekämpfungsgesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . 55
4. Einschränkung prozessualer Garantien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58
C. Die Abspaltung feindstrafrechtlicher Regelungen vom Bürgerstrafrecht . . 62
I. Die Verwendungsebenen des Feindstrafrechtsbegriffes bei Jakobs . . . . . . . 64
1. Deskriptive und affirmative Ebene bei Jakobs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66
2. Verbleibende Zweifel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70
3. Feindstrafrecht als systemimmanente Kritik an der vorherrschenden
Rechtsgutslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72
4. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73
II. Ebenen des Feindstrafrechts bei Lesch und Pawlik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74
1. Das Feindstrafrecht bei Lesch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74
2. Das Feindstrafrecht bei Pawlik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76
III. Feindstrafrecht als Strafrecht im Begründungsmodell von Jakobs . . . . . . . 77
1. Die Bezeichnung „Feindstrafrecht“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77
2. Feindstrafrecht als Recht im Begründungsmodell Jakobs . . . . . . . . . . . 79
D. Die Rezeption des Feindstrafrechts durch die Rechtswissenschaft . . . . . . . . 81
I. Erste Reaktionen auf das Feindstrafrecht nach Jakobs . . . . . . . . . . . . . . . . . 81
II. Vertiefung der kritischen Diskussion durch die Rechtswissenschaft . . . . . . 83
1. Die (straf-)rechtliche Qualität des Feindstrafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . 84
2. Strafverfahrensrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87
3. Materielles Strafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88
4. Verfassungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89

Kapitel 2
Überprüfung der deskriptiven Ebene bei Jakobs 92

A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92
B. Überprüfung der deskriptiven Ebene – Übereinstimmungen des Feindstraf-
rechts mit der Entwicklung der Strafgesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93
I. Feindstrafrechtliche Vorverlagerungen im materiellen Recht . . . . . . . . . . . . 94
1. Vorverlagerungen im Rahmen der Wirtschaftsdelikte . . . . . . . . . . . . . . 94
2. Vorverlagerungen im Betäubungsmittelstrafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95
3. Vorverlagerungen zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität . . . . 96
4. Vorverlagerungen im Rahmen von Sexualdelinquenz . . . . . . . . . . . . . . . 97
5. Vorverlagerungen zur Bekämpfung des Terrorismus . . . . . . . . . . . . . . . 98
Inhaltsverzeichnis 11

II. Fehlende Proportionalität von Strafe und Tatschuld . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100


1. Unverhältnismäßige Strafschärfungen im Wirtschaftsstrafrecht . . . . . . 100
2. Feindstrafrechtliche Strafschärfungen in Form der Vermögensstrafe und
des erweiterten Verfalls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102
3. Sonstige zur Tatschuld unproportionale Strafschärfungen . . . . . . . . . . 103
III. Der Erlass von Bekämpfungsgesetzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104
1. Gesetzgeberisches Bekämpfungsvokabular . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105
2. Gesetzesgeberische Bekämpfungsbegründungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 106
3. Gesetzgeberische Bekämpfungsrechtsentwicklung am Beispiel der Si-
cherungsverwahrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109
IV. Einschränkung prozessualer Garantien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110
1. Prozessuale Einschränkungen mit Bezug zur Betäubungsmittel- und Or-
ganisierten Kriminalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111
2. „Feindstrafrechtlicher Zwang“ im Rahmen der Sexualdelinquenz . . . . 112
3. Prozessuale Einschränkungen mit Bezug zur Terrorismusbekämpfung 114
4. Weitere prozessuale Einschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117
5. Prozessuale Vorverlagerungen aufgrund materieller Vorfeldkriminalisie-
rung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119
V. Tatsächliche Kommunikation von Feindbildern als Merkmal des Feindstraf-
rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121
1. Überprüfung der gesellschaftlichen Kommunikation über den „Feind“
in den von Jakobs benannten Täterbereichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122
2. Überprüfung der deskriptiven Adressatenkorrektheit feindstrafrechtli-
cher Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125
3. Konsequenz: Deskriptive Untauglichkeit des Feindstrafrechts? . . . . . . 129
a) Tauglichkeit des Kriteriums des physischen Zwangs zur Adressaten-
differenzierung im Prozessrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130
b) Erforderliche Konkretisierung des prozessualen Feindstrafrechts im
Theorienmodell von Jakobs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133
VI. Ergebnis der Überprüfung der deskriptiven Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136
C. Übereinstimmungen des Feindstrafrechts mit der Entwicklung in Krimi-
nalpolitik und Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137
I. Feindstrafrechtliche Tendenzen in der Kriminalpolitik . . . . . . . . . . . . . . . 137
1. Präventivhaft, Filterprogramme gegen Bombenbauanleitungen und wei-
tere Vorschläge zur Bekämpfung des Terrorismus . . . . . . . . . . . . . . . . 138
2. Erweiterung der Aufzeichnung und Übermittlung biometrischer Daten 141
3. Folter und deren Androhung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142
a) Exkurs: Die Folterdebatte in den USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144
b) Die Folterlegitimierung nach Dershowitz in Parallele zum Feindstraf-
recht nach Jakobs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147
4. Der Abschuss „fliegender Bomben“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148
12 Inhaltsverzeichnis

5. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150
II. Feindstrafrechtliche Tendenzen in der deutschen Rechtsprechung . . . . . . . 151
1. Zum Feindstrafrecht divergierende beziehungsweise legislatives Feind-
strafrecht abschwächende Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152
a) Der Fall Motassadeq . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152
b) Der „Große Lauschangriff“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155
c) Die Vermögensstrafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157
2. Tendenz offen gelassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158
a) Das Urteil im Fall Daschner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159
b) Die Nichtigkeitsbegründung des § 14 Abs. 3 LuftSiG . . . . . . . . . . . 161
3. Tendenziell feindstrafrechtliche Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . 164
a) Die Auslegung des Begriffs „Handeltreiben“ im Betäubungsmittel-,
Kriegswaffenkontroll- und Waffengesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164
b) Die Rechtsprechung zum „agent provocateur“ . . . . . . . . . . . . . . . . 167
c) Die Vernehmung von V-Leuten insbesondere in Fällen der Organi-
sierten Kriminalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169
d) Der Vernehmungsrichter als Zeuge vom Hörensagen insbesondere in
Fällen von Sexualdelinquenz und Organisierter Kriminalität . . . . . . 171
4. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173
D. Exkurs: Feindstrafrecht in ausländischen Strafrechtsordnungen . . . . . . . 175
I. Feindstrafrecht in Kolumbien nach Aponte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180
1. Staatliche Problemlage als Nährboden des Feindstrafrechts . . . . . . . . . 180
2. Das Statut zur Verteidigung der Justiz als kolumbianisches Feindstraf-
recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181
II. Feindstrafrecht in Großbritannien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183
1. Die britischen Anti-Terror-Gesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185
2. Jakobs Feindstrafrecht und Garlands Culture of Control . . . . . . . . . . . 187
III. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189
E. Ausblick: Zukünftiges Feindstrafrecht – Die prognostische Ebene bei Ja-
kobs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189

Kapitel 3
Zweck- und Verhältnismäßigkeit des Feindstrafrechts 196

A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196
B. Die Zweckmäßigkeit des Feindstrafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197
I. Ziele des Feindstrafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197
1. Persönliche Gütersicherheit durch Feindbekämpfung . . . . . . . . . . . . . . 197
2. Staatliche Stabilisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198
Inhaltsverzeichnis 13

a) Stabilisierung durch tatsächliche Effektivität feindstrafrechtlicher


Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199
b) Stabilisierung durch Symbolwirkung feindstrafrechtlicher Maßnah-
men . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199
II. Potentielle Geeignetheit des Feindstrafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200
1. Geeignetheit in Hinsicht auf die persönliche Gütersicherheit durch Feind-
bekämpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201
a) Geeignetheit materieller Vorverlagerungen zur Gütersicherheit . . . 202
aa) Kritik an der Effizienz materieller Vorverlagerungen am Beispiel
des „Schläfers“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202
(1) Kriminalität bei sonstiger sozialer Unauffälligkeit . . . . . . 204
(2) Übertragung der Überlegungen zur Kriminalität bei sonstiger
sozialer Unauffälligkeit auf den Schläfer . . . . . . . . . . . . . . 205
(3) Effizienzprobleme mangels Kenntnis der Täterinterna . . . 205
bb) Effizienzüberprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206
b) Geeignetheit von zur Tatschuld unproportionaler Strafrahmen zur
Gütersicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207
c) Geeignetheit prozessualer Einschränkungen zur Gütersicherheit . . 209
aa) Ineffizienzüberlegungen am Beispiel von Datenabgleich und
-überwachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210
bb) Gegenüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212
cc) Ergebnis zur Geeignetheit feindstrafprozessualer Maßnahmen . 213
d) Geeignetheit der Bekämpfungsgesetzgebung zur Gütersicherheit . 215
aa) Statistik als Eignungskriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215
bb) Optimalität als Eignungskriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217
cc) Maßnahmenbündelung als Eignungskriterium . . . . . . . . . . . . . 218
e) Geeignetheit der Maßnahmen zur Feindbekämpfung . . . . . . . . . . . 219
aa) Adressatenmängel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219
bb) Konsequenz in Bezug auf die Eignung zur Feindbekämpfung . 221
f) Ergebnis zur Geeignetheit in Hinsicht auf die individuelle Gütersi-
cherheit durch Feindbekämpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223
2. Geeignetheit zur staatlichen Stabilisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223
a) Stabilisierung durch tatsächliche Effektivität feindstrafrechtlicher
Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223
aa) Ineffizienz des kolumbianischen Feindstrafrechts . . . . . . . . . . . 224
bb) Übertragbarkeit auf die generelle Geeignetheit zur Stabilisierung 226
cc) Historischer Nachweis der potentiellen Geeignetheit zur Stabili-
sierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228
(1) Feindstrafrecht in der Deutschen Demokratischen Republik 229
(2) Bewirkte Stabilisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232
dd) Ergebnis zur Geeignetheit des Feindstrafrechts zur Stabilisierung
des Staates durch tatsächliche Effektivität . . . . . . . . . . . . . . . . 233
14 Inhaltsverzeichnis

b) Stabilisierung durch Symbolwirkung feindstrafrechtlicher Maßnah-


men . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233
aa) Staatliche Stabilisation infolge der Abgrenzungsfunktion des
Feindstrafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234
(1) Der Feindbegriff als geeignetes Abgrenzungskriterium . . 236
(2) Ergebnis zur symbolischen Abgrenzungsfunktion des Feind-
strafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238
bb) Staatliche Stabilisation infolge der Vereinfachungs- und Publizi-
tätsfunktion des Feindstrafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238
(1) Stabilisation durch penal populism . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239
(2) Schlussfolgerungen für das Feindstrafrecht . . . . . . . . . . . . 240
cc) Staatliche Stabilisation infolge der Sicherheitsfiktionsfunktion
des Feindstrafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240
(1) Sicherheitsfiktion als Wahlsteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . 242
(2) Einfluss der Wahlsteuerung auf die Geeignetheit zur Sicher-
heitsfiktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243
dd) Verhältnis der Symbolik zu den anderen Zwecken des Feindstraf-
rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243
3. Gesamtergebnis zur Geeignetheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244
III. Die Erforderlichkeit des Feindstrafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245
1. Erforderlichkeit der einzelnen Merkmale des Feindstrafrechts . . . . . . . 247
a) Interna berücksichtigende Strafbarkeitsvorverlagerungen . . . . . . . . 247
b) Zur Tatschuld unproportionale Strafrahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249
c) Ausweitung der prozessualen Eingriffsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . 249
d) Bekämpfungsgesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251
2. Erforderlichkeit eines dualistischen Strafrechtssystems . . . . . . . . . . . . 252
a) Theoretische Notwendigkeit des Dualismus von Bürger- und Feind-
strafrecht bei Jakobs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252
b) Praktische Notwendigkeit eines Dualismus von Bürger- und Feind-
strafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253
3. Ergebnis zur generellen Erforderlichkeit des Feindstrafrechts . . . . . . . 255
C. Verfassungsmäßigkeit des Feindstrafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256
I. Wesentliche Verfassungsverstöße eines vom Bürgerstrafrecht abgespalteten,
idealtypischen Feindstrafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257
1. Der Verstoß gegen die Menschenwürdegarantie des Art. 1 Abs. 1 GG . 259
a) Die Exklusion des Feindes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262
aa) Die Exklusion von Feinden im Nationalsozialismus . . . . . . . . . 265
(1) Sonderstrafrecht gegen Juden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266
(2) Ergänzendes Sonderstrafrecht gegen „Gewohnheitsverbre-
cher“, „Volksschädlinge“ und „Gemeinschaftsfremde“ . . . 268
(3) Sonderstrafrecht gegen Polen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269
Inhaltsverzeichnis 15

bb) Ergebnis zur Exklusion im Nationalsozialismus . . . . . . . . . . . . 270


b) Konsequenz der Exklusionswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271
2. Der Verstoß gegen den Bestimmtheitsgrundsatz gemäß Art. 103 Abs. 2
GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272
a) Unbestimmheit des Jakobsschen Feindbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . 273
b) Mangelnde Objektivierbarkeit des Feindbegriffs . . . . . . . . . . . . . . 275
c) Fehlende Abgrenzungsinstrumentarien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276
II. Verfassungsmäßigkeit eines in das Bürgerstrafrecht integrierten, tendenzi-
ellen Feindstrafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278
III. Verfassungsmäßigkeit der von Jakobs benannten Normmerkmale . . . . . . 279
Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286
Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322
Einleitung

„Nein, es hat nicht zu heißen: alles, was dem Volk nützt, ist Recht,
vielmehr umgekehrt: nur was Recht ist, nützt dem Volke.“
Gustav Radbruch (1878 –1949)

Dieser Ausspruch entstammt einem der Heidelberger Rhein-Neckar-Zeitung


vom 12. September 1945 entnommenen, als „Fünf Minuten Rechtsphilosophie
und Rechtsgeschichte“ betitelten Beitrag von Gustav Radbruch und gibt eine
Erkenntnis wieder, die auch in der gegenwärtigen Debatte um das „Feindstrafrecht“
Beachtung verdient.
Der Begriff des Feindstrafrechts ist auf den nunmehr emeritierten Bonner Straf-
rechtsprofessor Günther Jakobs zurückzuführen. Bereits ab Mitte der achtziger
Jahre gebrauchte dieser den Terminus zur kritischen Beschreibung des Phäno-
mens der Interna berücksichtigenden Vorfeldkriminalisierungen wie beispielswei-
se § 30 StGB. Danach zeichne sich die Entwicklung ab, dass der Normadressat
im Strafrecht partiell nicht mehr als Bürger, sondern als Feind behandelt werde.
Um die Jahrtausendwende erfuhr das Feindstrafrecht von Jakobs nicht nur eine
inhaltliche Präzisierung, sondern es wurde durch Jakobs dahingehend aufgewertet,
dass das Feindstrafrecht zum potentiell tragfähigen Zukunftsmodell avancierte,
zu dem es „keine heute ersichtliche Alternative gebe“. In der Folge rückte das
Feindstrafrecht unaufhaltsam in den Blickpunkt der Diskussion über Präventi-
on im Strafrecht und die Rechtmäßigkeit solcher Maßnahmen, deren Aktualität
insbesondere aufgrund der Brisanz der Kriminalitätsbereiche Terrorismus, Betäu-
bungsmittel- und Organisierte Kriminalität sowie dem Sexualstrafrecht für die
Zukunft gesichert bleibt.
In der vorliegenden Arbeit soll zunächst der Begriff des Feindstrafrechts in
seiner Prägung durch Jakobs unter teilweiser Bezugnahme auf seine Schüler
Heiko Lesch und Michael Pawlik analysiert werden. Dabei ist auf das Jakobs-
sche Grundkonzept staatlicher Strafe sowie deren Wirkweise einzugehen und es
sind die äußeren Spezifika eines feindlich ausgerichteten Strafrechts herauszu-
arbeiten. Diese Betrachtung wird zeigen, dass der Begriff des Feindstrafrechts
einen Idealtypus in der Terminologie Max Webers darstellt. Ein Feindstrafrecht
wird somit in der empirischen Wirklichkeit demokratischer Gesellschaften nur
als Grenzfall vorkommen und es werden sich nur Annäherungen an diesen Typus
nachweisen lassen. Die Arbeit verfolgt insofern die Zielsetzung, die Bruchlinie
18 Einleitung

zwischen einem Bürgerstrafrecht, das den anderen idealtypischen Endpunkt ei-


nes möglichen Kontinuums rechtsstaatlicher Ausrichtung des Strafrechts darstellt,
und dem Feindstrafrecht aufzuzeigen. Darüber hinaus ist im ersten Teil dieser
Arbeit darauf einzugehen, welche Position Jakobs gegenüber dem Feindstrafrecht
einnimmt, also ob die anfangs kritische Haltung in Bezug auf die gegenwärtige
Strafrechtsentwicklung beibehalten wurde oder ob Jakobs nunmehr als Apologet
seiner strafrechtlichen Eigenkreation anzusehen ist. Auch soll eine kurze Zusam-
menfassung der seitens der Strafrechtswissenschaft geäußerten Kritik gegenüber
dem Feindstrafrecht nicht vorenthalten werden, um einen Überblick über die
einschlägigen Standpunkte im gegenwärtigen Diskurs zu verschaffen.
Im Anschluss an diese notwendigen Vorklärungen wird im zweiten Teil die
These Jakobs auf ihre deskriptive Richtigkeit hin überprüft. Es soll also aufgezeigt
werden, ob und inwiefern die äußerlichen Merkmale, die Jakobs als Feindstrafrecht
bezeichnet, tatsächlich im Strafrecht de lege lata vorzufinden sind. Dabei muss
auch hinterfragt werden, inwiefern die äußeren feindstrafrechtlichen Merkmale
im Sinne Jakobs, gemessen an der Gesetzgebung sowie der realen Strafpraxis
gegebenenfalls inhaltliche Mängel aufweisen und einer Konkretisierung bedürfen.
Neben der Analyse des Feindstrafrechts auf Rechtsetzungsebene soll zudem auch
die aktuelle Kriminalpolitik und einige Beispiele aus der Rechtsprechung auf
feindstrafrechtliche Tendenzen hin untersucht werden. Ferner werden einzelne
Vergleiche mit ähnlichen Entwicklungen im ausländischen Recht gezogen, wo-
bei der kolumbianischen Notstandsgesetzgebung im Rahmen der Darstellung bei
Alejandro Aponte sowie den Anti-Terror-Gesetzen in Großbritannien ein beson-
derer Stellenwert eingeräumt wird. Den Abschluss des zweiten Teils bildet ein
allgemeiner Ausblick in Bezug auf eine mögliche Zunahme feindstrafrechtlicher
Modalitäten im künftigen Strafrecht.
Im dritten Teil wird Stellung dazu genommen, ob ein Feindstrafrecht sowohl in
einer idealtypischen wie auch in einer nur tendenziell idealtypischen Ausformung
zweckmäßig und vor allem verfassungskonform ist. Es ist daher das erklärte Ziel
dieser Arbeit, im Einzelnen zu prüfen, welche Zwecke das Jakobssche Feindstraf-
recht verfolgt und ob es geeignet wie auch erforderlich ist, die angestrebten Ziele
zu erreichen. Des Weiteren bedarf es der Klärung, ob das Feindstrafrecht zugleich
ein verhältnismäßiges Mittel ist, wobei die Verhältnismäßigkeit selbstverständ-
lich an den Schranken zu messen ist, die die Verfassung dem strafrechtlichen
Regelungsinstrumentarium vorgibt. Scheitert zwar das Feindstrafrecht in der Ja-
kobsschen Konzeption an einem dieser Prüfungsschritte, ist weiterhin zu fragen,
ob der Terminus des Feindstrafrechts von der bei Jakobs zugrunde liegenden
Strafrechtskonstruktion gelöst, also erweitert werden kann und welche Folgen
daraus für die Verhältnismäßigkeit eines derart verstandenen Feindstrafrechts
entstehen. Innerhalb dieser Untersuchungen wird auch Bezug auf in der Vergan-
genheit praktiziertes Feindstrafrecht in der DDR und im Nationalsozialismus
genommen werden, um bestimmte Wirkmechanismen besser verdeutlichen zu
Einleitung 19

können, nämlich insbesondere um bestimmte Symbolfunktionen wie auch die


Exklusionswirkung des Feindstrafrechts nahe zu bringen.
Um damit auf Radbruch zurückzukommen: In dieser Arbeit geht es nicht nur
darum, zu vermitteln, was das so genannte Feindstrafrecht inhaltlich umfasst und
inwieweit es bereits vorliegt, sondern vor allem hat sie sich zum Ziel gesetzt, zu
klären, ob das Feindstrafrecht dem Strafrecht einen Gewinn bringt oder ob der
vermeintliche Nutzen sich als verfassungsrechtliches Unrecht entpuppt und somit
gerade keinen Gewinn für einen rechtsstaatlich ausgerichteten Staat abwerfen
kann.
Kapitel 1

Das Feindstrafrecht

A. Der Begriff des Feindstrafrechts in


der Prägung Jakobs und seiner Schüler

Der Begriff des Feindstrafrechts wurde 1985 auf der Strafrechtslehrertagung in


Frankfurt am Main von dem mittlerweile emeritierten Bonner Strafrechtslehrer
Günther Jakobs in seinem Referat zur Problematik von Vorfeldkriminalisierun-
gen 1 eingeführt. Jakobs beschrieb die Tendenz des deutschen Strafgesetzgebers,
den Täter zunehmend als Gefahrenquelle zu charakterisieren. Diese Sichtweise
führe zur Institutionalisierung von Straftatbeständen 2, die die Strafbarkeit zum
Zwecke der Gefahrbekämpfung vorverlagern, indem Interna des Täters berück-
sichtigt werden. Derartige Vorverlagerungen seien nicht mit den Grundzügen eines
Strafrechts gegen Bürger zu vereinbaren. Vielmehr werde der Straftäter zum Feind
deklariert. 3 Mithin handele es sich bei den betreffenden Tatbeständen nicht um
ein Strafrecht gegen „Bürger“, sondern um ein „Feindstrafrecht“ gegen „Feinde“.

I. Die Differenzierung zwischen Bürger- und Feindstrafrecht

Jakobs stellt so dem herkömmlichen, „altliberalen“ 4 Strafrecht, das er „Bürger-


strafrecht“ nennt, ein so genanntes „Feindstrafrecht“ gegenüber.

1. Die Grundlagen des Bürgerstrafrechts

Die Strafbarkeit eines Täters im Bürgerstrafrecht ergebe sich aus den Normen,
die eine Gruppe von Rechtspersonen, die sich aufgrund von Religion, Nationalität,
Abstammung oder ähnlichem 5 als Gesellschaft begreifen, für sich als verbindlich

1
Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 751 ff.
2
Jakobs beruft sich z. B. auf §§ 30; 100; 146 Abs. 1 Nr. 1, 2; 267 Abs. 1 Alt. 1, 2; 310
StGB (siehe Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 751 ff.).
3
Vgl. Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 751 ff., 778 f.
4
In Anlehnung an Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 751 ff., 783.
A. Der Begriff des Feindstrafrechts in der Prägung Jakobs 21

festgelegt habe. Normen bestimmen, welches Verhalten in der Gesellschaft erlaubt


ist und welches nicht. Insofern wird, so Jakobs, ein gesellschaftliches Deutungs-
schema vermittelt, an dem sich das Verhalten von Personen orientieren soll. Die
Vermittlung von Wertemustern durch Normen sei folglich als Kommunikation
über das Selbstverständnis einer Gesellschaft zu begreifen. 6

a) Der Begriff des Bürgers

„Bürger“ einer Gesellschaft könne danach nur sein, wer für diese Kommuni-
kation empfänglich sei 7 und sich grundsätzlich den Normen entsprechend verhal-
te. 8 Jakobs benutzt dabei den Begriff des „Bürgers“ synonym mit den Termini
„Rechtsperson“ beziehungsweise „Person“. 9 Eine Gesellschaft könne danach nur
denjenigen als Bürger behandeln, der die Verhaltenserwartung 10 begründet, er
orientiere sich an den vorgegebenen Normen. Es bedürfe insofern der kognitiven
Untermauerung 11, jemand werde sich als Bürger verhalten, um ihn auch tatsächlich
als Rechtsperson bestrafen zu können.
Allerdings führe nicht jede Straftat per se zum Verlust des Bürgerstatus. 12 Die
Strafe erfolge gerade, weil der Täter Person sei, aber an den Inhalt seines Verhal-
tens nicht angeschlossen werden dürfe. 13 Schließlich könne sich auch ein Bürger
punktuell falsch orientieren. Dies ließe jedoch nicht die generelle Verhaltenser-

5
Ähnliche Überlegungen in Hinsicht auf soziale Verhaltensregelmäßigkeiten, aus denen
Normen resultieren und die einer Kategorie von Personen (insbesondere allen Angehörigen
einer Gesellschaft) zuzuordnen sind, bei: Popitz, H.: Normative Konstruktion von Gesell-
schaft 1980, S. 24 f. Die Zugehörigkeit zu solchen Gruppierungen bestimmt sich z. B. nach
Merkmalen, die an die Person geknüpft werden (wie Nationalität, Verwandtschaft oder
Religionszugehörigkeit), vgl. Popitz, H.: Normative Konstruktion von Gesellschaft 1980,
S. 69 f.
6
Vgl. Jakobs, G.: Norm, Person, Gesellschaft 1999, S. 63 f.
7
Siehe etwa Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahr-
tausendwende 2000, S. 47 ff., 50.
8
Jakobs, G.: Norm, Person, Gesellschaft 1999, S. 112. Vgl. auch ders. in: Kodalle,
K.-M. (Hrsg.): Strafe muss sein 1998, S. 29 ff., 32.
9
Vgl. z. B. Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtau-
sendwende 2000, S. 47 ff., 50 f.; ders.: Staatliche Strafe 2004, S. 41.
10
Vgl. Jakobs, G.: ZStW 117 (2005), 247 ff., 257, 259; vgl. auch ders.: Staatliche Strafe
2004, S. 41 und ders.: Das Schuldprinzip 1993, S. 26 f., 34.
11
Jakobs insbesondere unter Berufung auf Kelsen: Jakobs, G.: Staatliche Strafe 2004,
S. 40 f.; vgl. auch ders.: HRRS 3/2004, 88 ff., 92; ders. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechts-
wissenschaft vor der Jahrtausendwende 2000, S. 47 ff., 51, 53; ders.: HRRS 8 –9/2006,
289 ff., 291.
12
Vgl. Jakobs, G.: Staatliche Strafe, S. 21: Die Rechtspersonalität endet nicht mit der
Begehung einer Straftat; vgl. zudem Lesch, H. H.: GA 2000, 355 ff., 364.
13
Vgl. Jakobs, G.: Norm, Person, Gesellschaft 1999, S. 102, 104; vgl. auch Pawlik, M.:
Person, Subjekt, Bürger 2004, S. 90, 95.
22 Kap. 1: Das Feindstrafrecht

wartung an ihn entfallen: Zwar strebe der bürgerliche Delinquent durch die Tat
einen einzelnen, illegalen Vorteil an; er stelle dadurch jedoch nicht gleich das
gesamte Gesellschaftssystem in Frage. Beispielhaft führt Jakobs hierzu aus:
„... ein Neffe erschlage zur Beschleunigung des Erbfalls seinen Erbonkel. An einem
solchen Fall geht kein Staat zugrunde. Mehr noch, die Tat richtet sich nicht gegen den
Bestand des Staates und nicht einmal prinzipiell gegen denjenigen seiner Institutionen:
Der böse Neffe gedenkt ja, seinerseits den Lebensschutz und den Eigentumsschutz des
Staates zu genießen [...].“ 14

Jakobs Schüler Pawlik sieht etwa auch den (gewerbsmäßigen) Betrugstäter


regelmäßig noch als Bürger in diesem Sinne an, da jener gerade auf das Vertrauen
in die Rechtlichkeit des Systems als Nährboden für sein deliktisches Verhalten
angewiesen ist. 15
Im Jakobsschen Strafrechtsverständnis wendet sich der Bürger demnach allen-
falls punktuell, nicht dagegen dauerhaft vom Recht ab; er ist „per se rechtlich
gesonnen“ 16, ist also „nicht beharrlich, nicht prinzipiell delinquierende Person“ 17
und agiert im Großen und Ganzen als Bürger, also rechtstreu 18. Bürger ist somit,
wer halbwegs verlässlich Rechtsreue gewährleistet. 19

b) Die freiheitliche Selbstverwaltung des Bürgers

Da der Bürger als grundsätzlich am Recht orientiert anzusehen sei, dürfe er


sich selbst organisieren. 20 Er habe als Rechtsperson die Wahlmöglichkeit, sich für
das Recht zu entscheiden und dürfe insofern auch sein Verhalten grundsätzlich
frei gestalten. 21 Das Bürgerstrafrecht zeichne sich dementsprechend dadurch aus,

Auch nach Lesch trifft den Bürger – gerade weil er Rechtsperson ist – die Folgenver-
antwortung für sein deliktisches Verhalten (Lesch, H. H.: ZStW 111 (1999), 624 ff., 637;
ders.: Strafprozessrecht 2001, S. 103).
14
Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 91.
15
Pawlik, M.: Das unerlaubte Verhalten beim Betrug 1999, S. 58. Dazu Schneider, H.:
StV 2004, 535 ff., 538. Interessanter Weise müsste Pawlik mit dieser Argumentation auch
Rauschgifthändler aus dem Kreis der Feinde ausschließen, da diese gleichsam parasitär von
der Gesellschaft leben, sich von ihr bereichern. Diese sind bei Jakobs aber gerade ein Stan-
dardbeispiel eines „Feindes“ (Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft
vor der Jahrtausendwende 2000, S. 47 ff., 51, 52).
16
Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende
2000, S. 47 ff., 50.
17
Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 90.
18
Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 91.
19
Jakobs auf der Trierer Tagung „Feindstrafrecht – Vereinbar mit dem Rechtsstaat“
vom 23. –25. 11. 2005 im Rahmen seines noch unveröffentlichten Vortrages „Das Problem
des Feindstrafrechts“ vom 24. 11. 2005.
20
Vgl. Jakobs, G.: Das Schuldprinzip 1993, S. 34.
A. Der Begriff des Feindstrafrechts in der Prägung Jakobs 23

dass es den Bürgern Freiheitssphären 22 zuerkenne, auf die der Staat keinen Zugriff
nehmen dürfe. Der private Freiraum werde dabei normativ bestimmt. In der
Folge unterliege beispielsweise die Wohnung (Art. 13 Abs. 1 GG) 23 oder der der
Brief-, Post- und Fernmeldeverkehr (Art. 10 Abs. 1 GG) dem Internbereich. 24
In diesen dürfe der Staat prinzipiell nicht eingreifen, sondern der Bürger könne
im Rahmen seiner Privatheit beliebig agieren. Staatliche Interventionen seien
vielmehr erst erlaubt, wenn der Bürger seinen Rechtskreis überschreite oder den
Organisationskreis anderer Rechtspersonen tangiere. Der Staat kontrolliere im
Bürgerstrafrecht folglich nur die Externa, nicht die Interna. 25 Das Grundverhältnis
von Staat und Bürger sei somit primär durch Freiheiten, also letztlich durch Rechte
des Bürgers geprägt.

c) Der Strafzweck im Bürgerstrafrecht

Übertrete der Bürger den Bereich seiner Interna und handele (punktuell) norm-
widrig, werde das durch die Norm vermittelte Deutungsschema negiert. Durch
die Übertretung der Norm bestreite der Täter öffentlich deren Verbindlichkeit. 26
Beispielhaft benennt Jakobs den Fall der Trunkenheit im Straßenverkehr:
„Wer wissentlich betrunken ein Fahrzeug im Verkehr führt und die auch ihm erkennbaren,
nachteiligen Folgen, etwa für das Leben anderer Verkehrsteilnehmer, nicht berücksichtigt,
macht durch sein Verhalten expressiv, dass er in der Situation, in der er sich befindet,
anderes für wichtiger hält, als das Leben der Verkehrsteilnehmer dominant in Acht
nehmen. Diese Aussage, die dem Täter als seine Ansicht zugerechnet wird, ist das
Gegenteil der Aussage, die in den Normen der §§ 316 und 222 StGB getroffen werden.“ 27

21
Vgl. auch Darstellung bei Dencker, F.: StV 1988, 262 ff., 263.
22
Vgl. Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 751 ff., 756.
23
Vgl. zur Wohnung als Internbereich Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 751 ff., 755.
24
Kritisch zur durch Jakobs getroffenen Bestimmung des Umfangs der Privatsphäre
Gössel, K. H.: F.-C. Schroeder-FS 2006, S. 33 ff., 35 f.: Insbesondere gereiche es Jakobs
zum Vorwurf, dass er zur Bestimmung der Interna die Auseinandersetzung mit der Drei-
sphärentheorie des Bundesverfassungsgerichts versäume, nach der zwischen einem staatli-
chen Eingriffen entzogenen Kernbereich unantastbarer privater Lebensgestaltung und einer
weiteren Schutzsphäre nach dem Abgrenzungskriterium des Sozialbezugs (BVerfGE 6,
389 ff., 433) unterschieden wird. Erfolgt der Eingriff in letztere, ist das Recht auf Privatheit
nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gegen das Recht auf die Interessen
der Allgemeinheit abwägbar (BVerfGE 34, 238 ff., 245 f.). Auf die getroffene Differenzie-
rung gehe Jakobs jedoch nicht ein, mit der Folge, dass jede Tangierung der (engen oder
weiteren) Internsphäre unabwägbar und damit in Hinsicht auf staatliche Eingriffe tabu sei.
25
Vgl. Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 751 ff., 756 f.
26
Vgl. auch Beispiele bei Jakobs, G.: Der strafrechtliche Handlungsbegriff 1992, S. 34;
ders.: GA 1997, 553 ff., 553 in Bezug auf die Tötung eines Menschen.
27
Jakobs, J.: Strafrecht AT 1993, 1/9.
24 Kap. 1: Das Feindstrafrecht

Bliebe der Normbruch nunmehr ohne Konsequenz, würde die Gesellschaft sich
nicht mehr verpflichtet fühlen, die Norm einzuhalten. Die Normgeltung würde auf
Täter- und Opferseite erodieren. 28 Daher müsse der Aussage des Täters, die Norm
sei nicht verbindlich, öffentlich widersprochen werden. 29 Es müsse eine für den
Täter nachteilige Reaktion erfolgen, damit die Norm trotz des widersprüchlichen
Täterverhaltens nicht an Geltungskraft verliere. 30
Der Strafe bedürfe es demnach, damit die Orientierung am Recht trotz des
Normbruches weiterhin gewährleistet sei. Tat wie auch Strafe 31 seien insofern
kommunikative Vorgänge innerhalb einer Gesellschaft, durch die die Enttäu-
schungsfestigkeit 32 der wesentlichen normativen Erwartungen garantiert werden
solle. Die Gesellschaft müsse sich über den Normbruch verständigen, damit die
verletzte Norm (weiter-)gelten könne. Andernfalls sei die Norm nicht wirklich und
die gesellschaftliche Ordnung bliebe in ihrer Gestalt unbestätigt. Die Kommuni-
kation über das normwidrige Verhalten bilde daher die Grundlage des Bestandes
der Gesellschaft und ihrer normativen Ausgestaltung, wobei die Verständigung
in Form der Sanktionierung des Täters als für den Normbruch Zuständigen erfol-
ge. 33 Entsprechend legt Jakobs in seiner Publikation über Bedeutung und Zweck
staatlicher Strafe dar:
„Es geht im Strafrecht [...] um eine Reaktion auf das Verbrechen, die sicherstellt, daß
die Rechtstreue als selbstverständliche Haltung der Mehrzahl aller Personen erhalten
bleibt und potentielle Opfer deshalb gewiß sein können, ihre Rechte nicht nur ausüben zu
dürfen, sondern auch unbeschadet ausüben zu können [...]. Adressaten der Strafe sind
also nicht nur und nicht einmal in erster Linie der jeweilige Täter und bereits tatgeneigte

28
Nach Jakobs sei eine solche Erosion bereits bei den gesetzlichen Abtreibungsregelun-
gen der Fall und sie drohe als nächstes in Bezug auf das Euthanasieverbot (so Jakobs auf der
Trierer Tagung „Feindstrafrecht – Vereinbar mit dem Rechtsstaat“ vom 23. –25. 11. 2005
im Rahmen seines noch unveröffentlichten Vortrages „Das Problem des Feindstrafrechts“
vom 24. 11. 2005).
29
Vgl. Jakobs, G.: Der strafrechtliche Handlungsbegriff 1992, S. 34.
30
Jakobs, G. in: Kodalle, K.-M (Hrsg.): Strafe muss sein 1998, S. 29 ff., 32.
31
Siehe Jakobs, G.: Das Schuldprinzip 1993, S. 27; ders. in: Kodalle, K.-M (Hrsg.):
Strafe muss sein 1998, S. 29 ff., 39.
32
Die Enttäuschungsfestigkeit ist zugleich das „Strafrechtsgut“, nämlich das vom Straf-
recht geschützte Gut (Jakobs, G.: Strafrecht AT 1993, 2/2; vgl. hierzu auch Schneider,
H.: Kann die Einübung in Normanerkennung die Strafrechtsdogmatik leiten? 2004, S. 71).
Freilich muss dieses Strafrechtsgut bei Jakobs immer im gesamtgesellschaftlichen Bezugs-
system gesehen werden. Die Bewertung des Guts darf also nicht aus dem Blickwinkel des
individuellen Inhabers erfolgen, sondern muss in Hinblick auf die gesamtgesellschaftliche
Bedeutung desselben ergehen (Jakobs, G.: Strafrecht AT 1993, 1/8). Danach müsse das
Strafrechtsgut zum sozialen Zusammenleben erforderlich und von der Gesellschaft aner-
kannt sein. Werde dieses Gut durch menschliches Verhalten – denn allein menschliches
Verhalten sei geeignet, das gesetzlich ausgestaltete soziale Leben zu stören (Jakobs, G.:
Strafrecht AT 1993, 2/4 f.) – verletzt, sei ein Normbruch zu bejahen.
33
Vgl. Jakobs, G.: Strafrecht AT 1993, 1/2; ders.: ZStW 117 (2005), 247 ff., 258.
A. Der Begriff des Feindstrafrechts in der Prägung Jakobs 25

Personen, sondern die rechtstreuen Personen [...]: Sie sollen ihre Rechtstreue und ihr
Normvertrauen behalten.“ 34

Nach Jakobs liegt der Zweck staatlicher Strafe also darin, auf einen Normbruch
zu reagieren, um zu demonstrieren, dass an der gebrochenen Norm festgehal-
ten werden soll. 35 Adressat der Strafe sei dabei der Bürger, welcher als rechts-
treue Person sein Normvertrauen behalten 36 und Normanerkennung einüben 37
solle. Strafzweck des Bürgerstrafrechts sei somit grundsätzlich die positive Ge-
neralprävention in Form der Stabilisierung 38 beziehungsweise Etablierung 39 der
Normgeltung. 40

aa) Modifizierung der positiven Generalprävention

Allerdings versteht Jakobs zumindest in neueren Publikationen 41 den Straf-


zweck der Einübung in Normanerkennung weniger als relativen Strafzweck der
positiven Generalprävention. 42 Zwar stelle dieser einen Teilaspekt der Strafbe-
gründung dar, erfasse indes als Begriff die bei Jakobs verfolgte Straftheorie nicht
vollumfänglich. 43 Vielmehr nähere sich Jakobs mit seinem Strafmodell dem La-
ger der absoluten Straftheorie an 44, indem er den Strafzweck der Einübung in
Normanerkennung nicht mehr im empirischen Sinne als positive Generalpräven-
tion, sondern symbolisch verstanden wissen wolle. 45 „Die verbreitete Rede vom

34
Jakobs, G.: Staatliche Strafe 2004, S. 31.
35
Jakobs, G.: Strafrecht AT 1993, 1/2. Hierzu auch Schneider, H.: Kann die Einübung
in Normanerkennung die Strafrechtsdogmatik leiten? 2004, Kapitel 3 (S. 70 ff.).
36
Jakobs, G.: ZStW 101 (1989), 516 ff., 517; ders.: Staatliche Strafe 2004, S. 31.
37
Vgl. Jakobs, G.: ZStW 101 (1989), 516 ff., 517: „Vertrauen auf Normgeltung, [...]
Ablehnung nicht normkonformer Verhaltensmuster und [...] Lernen der Konsequenzen
eines Normbruchs [...] lassen sich als Einübung in Normanerkennung zusammenfassen.“
38
Vgl. Jakobs, G.: ZStW 101 (1989), 516 ff., 516; ders.: Der strafrechtliche Handlungs-
begriff 1992, S. 42; vgl. zur „sozialen Stabilisierung“ auch Pawlik, M.: GA 1995, 360 ff.,
366, 370.
39
Vgl. Jakobs, G.: Staatliche Strafe 2004, S. 47.
40
Kritisch etwa Bock, M.: ZStW 103 (1991), 636 ff.
41
Jakobs, G.: GA 1997, 553 ff., 553; ders. in: Kodalle, K.-M. (Hrsg.): Strafe muss sein
1998, S. 29 ff., 34; ders.: Norm, Person, Gesellschaft 1999, 80 ff., 98 ff., 106 f.; ders. in:
Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende 2000, S. 47 ff., 49.
42
Zur Entwicklung der Funktion der Strafe bei Jakobs (von der Einübung in Normaner-
kennung im Rahmen der positiven Generalprävention zur Stabilisierung der Normgeltung
durch Bestätigung gesellschaftlicher Identität) vgl. auch Sacher, M.: ZStW 118 (2006),
574 ff., 574.
43
Lesch, H. H.: JA 1994, 590 ff., 598.
44
Vgl. NK-StGB-Paeffgen vor §§ 32 – 35, Rn. 217; zur Kontinuität im Denken Jakobs,
vgl. zudem Schneider, H.: Kann die Einübung in Normanerkennung die Strafrechtsdogmatik
leiten? 2004, S. 79 ff.
26 Kap. 1: Das Feindstrafrecht

Zweck einer Sanktion ist zumindest ungenau; denn die Sanktion hat nicht einen
Zweck, sondern ist selbst Zweckerreichung, scil. Feststellung der unveränderli-
chen Wirklichkeit der Gesellschaft [...]. Solange diese Bestätigung [die der Norm
als Orientierungsmuster] erfolgt, ist es für die Fortdauer der Gesellschaft ohne
jeden Belang, ob weitere Effekte 46 eintreten.“ 47 Damit geht es bei Jakobs nicht
um Verbrechensverhütung als präventiven Zweck, sondern es handelt sich um
eine funktionale Vergeltungstheorie 48, nach der durch Kommunikation das Recht
wiederhergestellt wird. 49 Insofern entfernt sich Jakobs vom Ausgangspunkt der
positiven Generalprävention, wenngleich er letztlich offen lässt, ob die symboli-
sche Wirkung der Strafe allgemein die Erzeugung eines bestimmten Glaubens an
die Ordnung und Institution oder eine Illusion von Sicherheit bedeutet. 50

bb) Die Strafe als zwangsweise Reaktion auf die Tat eines Bürgers

Im Bürgerstrafrecht stelle die Strafe eine zwangsweise zu erfolgende Reaktion


auf den Normbruch dar. Kommunikativer Inhalt der Sanktionierung sei schließ-
lich, dass dem Täterverhalten nicht zu folgen und die verletzte Norm weiterhin
verbindlich sei. 51 Insofern nimmt Jakobs Bezug auf Hegel, nach dessen Verständ-

45
Lesch, H. H.: JA 1994, 590 ff., 598.; vgl. auch NK-StGB-Paeffgen vor §§ 32 –35,
Rn. 217; Schneider, H. / Morguet, G. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006,
S. 335 ff., 343; weiterhin siehe Neumann, U.: Jakobs-FS 2007, S. 435 ff., 443.
46
Zu Nebeneffekten wie etwa Abschreckung und Angst vgl. auch Jakobs, G.: Staatliche
Strafe 2004, S. 32 f.
47
Jakobs, G.: Norm, Person, Gesellschaft 1999, S. 106 f.; vgl. sinngemäß auch Jakobs,
G. in: Kodalle, K.-M (Hrsg.): Strafe muss sein 1998, S. 29 ff., 39 f.
48
Lesch, H. H.: JA 1994, 590 ff., 598; vgl. auch Feijoo Sánchez, B.: Jakobs-FS 2007,
S. 75 ff., 76; NK-StGB-Paeffgen vor §§ 32 – 35, Rn. 217.
49
Jakobs, G.: GA 1997, 553 ff., 553 f.; vgl. auch zusammenfassend bei Pawlik, M.:
Person, Subjekt, Bürger 2004, S. 58, 62 f., 64.
50
Vgl. zu dieser Interpretation Baratta, A. in: Arthur Kaufmann-FS 1993, S. 393 ff.,
411 ff.
51
Jakobs, G.: Norm, Person, Gesellschaft 1999, S. 55; ders. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.):
Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende 2000, S. 47 ff., 50; siehe ferner auch
ders.: Strafrecht AT 1993, 1/10.
Vergleichbar Popitz, H.: Normative Konstruktion von Gesellschaft 1980, S. 35: Danach
machen Verhaltensgeltung und Sanktionsgeltung die Gesamtgeltung der Norm aus: „Die
Norm gilt in dem Grade, in dem sie eingehalten oder durch Sanktionen bekräftigt wird.“
Allerdings gilt bei Popitz die Einschränkung, dass eine Gesellschaft zum Zwecke der Auf-
rechterhaltung der Normgeltung nicht alle Verhaltensabweichungen aufdecken darf (Popitz,
H.: Präventivwirkung des Nichtwissens 2003, S. 10). Die teilweise Nichtentdeckung von
Normbrüchen sei erforderlich, denn andernfalls – würde nämlich jeder Normbruch bestraft
werden – verliere jener seinen Ausnahmecharakter und die Norm damit an Geltungskraft,
weil das abweichende Verhalten nunmehr als sozialadäquat empfunden werde: „Etwas, das
beinahe jedem reihum passiert, gilt nicht mehr als diskriminierend. Auch die Strafe kann
sich verbrauchen“ (Popitz, H.: Präventivwirkung des Nichtwissens 2003, S. 18 ff.).
A. Der Begriff des Feindstrafrechts in der Prägung Jakobs 27

nis die Strafe symbolisiert, dass „die vom Täter gebildete Maxime unmaßgeblich
und diejenige des Rechts maßgeblich ist“. 52 „Strafe im Staat“ 53 sei folglich die
zwangsweise Durchsetzung der Norm; die staatliche Antwort auf die Tat eines
vernünftigen 54 Täters. 55
Die bloße Feststellung, an das Verhalten der Person sei nicht anzuschließen
(also ein bloßer Ordnungsaufruf), genüge der Wiederherstellung der gesellschaft-
lichen Ordnung dahingegen nicht, da das Maß der Strafe sich nach der in der
Tat objektivierten Leugnung von Normgeltung zu richten habe. 56 Der Aussage
des Täterverhaltens müsse auf derselben Stufe und in derselben Intensität aktiv
widersprochen werden. 57 Der Schuldspruch demonstriere insofern, dass an der
Norm kontrafaktisch festgehalten werde. 58 Seine Vollstreckung erfolge sodann
durch die Wegnahme von Entfaltungs- beziehungsweise Organisationsmitteln wie
Freiheit und Eigentum. 59

52
Vgl. Darstellung Jakobs, G.: Staatliche Strafe 2004, S. 26 in Bezug auf die gesell-
schaftliche Perspektive des Normbruchs bei Hegel; aber auch ders.: Strafrecht AT 1993,
1/10; ders.: HRRS 3/2004, 88 ff., 91.
53
Vgl. Jakobs, G.: in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtau-
sendwende 2000, S. 47 ff., 55.
54
Jakobs insofern – erneut unter Berufung auf Hegel (Strafe ehrt gerade den Verbrecher
als Vernünftigen, weil in ihr sein eigenes Recht enthalten ist) – ausführend: Wäre der Täter
nicht vernünftig (inkompetent), müsste seiner Tat nicht widersprochen werden, um der
Norm fortwährende Geltung zu verschaffen (Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 89; vgl. auch
Pawlik, M.: Person, Subjekt, Bürger 2004, S. 97). Kritisch Hoerster, N.: GA 2006, 710 ff.,
713: „Was [...] Täter angeht, die begeisterte Hegelianer sind und somit unbedingt durch
ihre Bestrafung ‚als Vernünftiges geehrt‘ werden möchten, so erscheint es mir doch sehr
problematisch, wenn der Staat mit Steuergeldern ein (bekanntlich sehr kostenintensives)
System der Kriminalstrafe nur deshalb finanzieren würde, weil gewisse Philosophen bei
ihren Rechtsverstößen, um sich geehrt zu fühlen, nach Strafvergeltung verlangen. Seine
Lust auf Strafe sollte man sich m.E. auf eigene Kosten von privaten Anbietern befriedigen
lassen.“
55
Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 89.
56
Jakobs, G.: Norm, Person, Gesellschaft 1999, S. 105; vgl. auch ders.: Bruns-FS 1978,
S. 31 ff., 39.
57
Jakobs, G.: Staatliche Strafe 2004, S. 26.
58
Jakobs, G. unter Berufung auf Luhmann in: HRRS 8 –9/2006, 289 ff., 291 (vgl. zur
Bezugnahme auf Luhmann bei Jakobs etwa auch Aponte, A. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte
bewahren Sie Ruhe 2006, S. 131 ff., 137; Schneider, H.: Kann die Einübung in Norman-
erkennung die Strafrechtsdogmatik leiten? 2004, S. 71 ff.; Streng, F. in: Uwer, T. (Hrsg.):
Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 227 ff., 239).
59
Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende
2000, S. 47 ff., 50; ders.: Strafrecht AT 1993, 1/10. Vgl. auch ders.: Strafrecht AT 1993,
1/2.
28 Kap. 1: Das Feindstrafrecht

2. Die Grundlagen des Feindstrafrechts

Allerdings ergibt sich aus der Jakobsschen Konzeption des Bürgerstrafrechts,


dass einzig der Normbruch eines Mitglieds der Gesellschaft zum Zwecke der
Bestätigung der normativen Identität sanktioniert werden kann. 60 Denn nur ein
Mitglied der Gesellschaft könne überhaupt die normative Identität derselben
angreifen. 61
Normbrüche von Tätern, die außerhalb der Gesellschaft stehen und für die damit
die Norm mangels Zugehörigkeit nicht gilt, können dagegen nicht mit einer Strafe
verfolgt werden, die auf die Einübung der Normanerkennung und Bestätigung der
gesellschaftlichen Identität abzielt. Weder können etwa die durch die Tat eines
ideologisch motivierten Terroristen gebrochenen Normen durch Strafe kontrafak-
tisch gegenüber Gleichgesinnten bestätigt werden, da diese gleichfalls außerhalb
der Gesellschaft stehen und daher die entsprechenden Normen ohnehin nicht ak-
zeptieren. Noch verliert beispielsweise das allgemeine Tötungsverbot durch einen
Selbstmordanschlag seine Legitimation. Die Tat wird zwar von der Gesellschaft
als Angriff auf Leib und Leben wahrgenommen, nicht aber als Angriff auf den Gel-
tungsanspruch der §§ 212, 211 StGB verstanden. 62 Ein derartiger Normbruch hat
keinen Normgeltungsschaden zur Folge und die interpersonale Kommunikation
über den Normbruch wird hinfällig. Der Strafzweck der Einübung in Norman-
erkennung der Bürger durch die Bestrafung der Attentäter ist somit überflüssig.
Dennoch kann der Normbruch natürlich nicht unbeachtet bleiben, denn obgleich
die Norm weiterhin als von der Gesellschaft verbindlich angesehen wird, sind
zumindest Rechtsgüter verletzt worden. In diesem Fall findet nach Jakobs das
Feindstrafrecht Anwendung.

60
Vgl. Jakobs, G. in: Kodalle, K.-M.: Strafe muss sein 1998, S. 29 ff., 37 f.; ders.: Norm,
Person, Gesellschaft 1999, S. 109: „Wenn die Strafe [...] die normative Identität der Gruppe
bestätigt, so liegt auf der Hand, daß nur ein Gruppenmitglied bestraft werden kann: Niemand
sonst kann die normative Identität angreifen [...]. Erfolgt eine Störung durch Externe, so
wird diese [...] kognitiv erledigt, was heißt, der Feind werde an seinen Unternehmungen
gehindert ...“. Vgl. im Umkehrschluss auch Jakobs, G.: Das Schuldprinzip 1993, S. 27.
61
Jakobs, G.: Norm, Person, Gesellschaft 1999, S. 109. Im Ergebnis übereinstimmend
Pawlik, M.: F.-C. Schroeder-FS 2006, S. 357 ff., 373 (mit Verweis in Fn. 84 auf Jakobs,
G. in: Kodalle, K.-M. (Hrsg.): Strafe muss sein 1998, S. 29 ff., 37): „Eine Pflichtverletzung
kann nur begehen, wer Subjekt der in Rede stehenden Pflicht ist. Ebensowenig wie eine
Person, die nicht Partei eines Kaufvertrags ist, die Pflichten eines Käufers verletzen kann,
vermag jemand, der nicht Adressat der Pflicht zur Mitwirkung an dem gemeinsamen
Freiheitsprojekt einer Rechtsgemeinschaft ist, dieser Pflicht zuwiderzuhandeln.“
62
Vgl. auch Schneider, H. / Morguet, G. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe
2006, S. 335 ff., 341 f.
A. Der Begriff des Feindstrafrechts in der Prägung Jakobs 29

a) Der Begriff des Feindes

Der Feind sei im Gegensatz zum Bürger nicht per se rechtlich gesonnen, son-
dern ein „prinzipieller Abweichler“ 63, ein „nach Lust und Unlust bilanzierendes
Individuum“. 64 Jenes sei identisch mit dem einzelnen Individuum im rechts-
und staatslosen Naturzustand, das lediglich seine Wahrnehmung verarbeite und
aufgrund dieser gesammelten Erfahrungen seine Handlungen danach ausrichte,
Lustgefühle zu empfangen beziehungsweise Unlustempfindungen zu vermeiden. 65
Bei Jakobs zeichnet sich das Individuum damit durch seine grenzenlose Be-
dürfnisstruktur aus; es agiere eben nur auf den eigenen Vorteil bedacht. Dem
entspricht bei Lesch 66 die Bezeichnung des Individuums als „tiergleich-kreatürli-
che Existenz“. Mit einem solchen Individuum könne nicht über gesellschaftliche
Wertbezüge kommuniziert werden, da es die gesellschaftlich gesetzten Normen
von Vorneherein nicht akzeptiere. Insofern liege ein Normverstoß besonders nahe;
eine kognitive Untermauerung auf Rechtstreue sei – anders als beim Bürger – ge-
rade nicht gewährleistet, so dass das Individuum als permanente Gefahr für die
Rechtsordnung angesehen werden müsse.

aa) Rechtsphilosophische Grundlagen

Die geistige Grundlage oder zumindest Parallelen 67 und im Übrigen auch


das Vokabular seines Entwurfes bezieht Jakobs insbesondere von namhaften
Staats(vertrags)theoretikern und -philosophen. 68 So beruft sich Jakobs in seinen
Ausführungen zum Beispiel auf Rousseau („Jeder Übeltäter, der das gesellschaft-
liche Recht angreife, höre auf, Mitglied des Staates zu sein, da er mit diesem im
Krieg liege“ 69), auf Leibniz („Wer ohne Not schädigt, ist eine Unperson“ 70) und

63
Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 90.
64
Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausend-
wende 2000, S. 47 ff., 50. Vgl. auch ders.: Staatliche Strafe 2004, S. 26. Zu dem nach der
Interessenlage handelnden Individuum im Lichte der modernen Hirnforschung vgl. darüber
hinaus Jakobs, G.: ZStW 117 (2005), 247 – 266.
65
Jakobs, G.: Norm, Person, Gesellschaft 1999, S. 9 ff. Sich hierauf berufend auch
Pawlik, M.: GA 1998, 378 ff., 379 f.
66
Lesch, H. H.: GA 2000, 355 ff., 363; eine ähnliche Begrifflichkeit fällt in Bezug auf
das Individuum bei Jakobs Schüler Pawlik, M.: GA 1998, 378 ff., 379.
67
Die Auswahl und Ableitung des bei Jakobs wiedergegebenen fremden Gedanken-
guts – insbesondere in Bezug auf Kant, Hobbes und Fichte – wird allerdings teilweise
kritisiert, vgl. Albrecht, P.-A.: ZStW 117 (2005), 852 ff., 858; Arnold, J.: HRRS 8 –9/2006,
303 ff., 305 ff.; Bung, J. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 249 ff.,
263 f.; Schünemann, B.: Nehm-FS 2006, S. 219 ff., 222 ff.
68
Vgl. hierzu auch Frommel, M. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006,
S. 59 ff., 62 ff.; Pérez del Valle, C.: Jakobs-FS 2007, S. 515 ff.
69
Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 89 unter Berufung auf Rousseau.
30 Kap. 1: Das Feindstrafrecht

Fichte („Wer den Bürgervertrag in einem Stücke verlässt, [...] verliert der Strenge
nach alle seine Rechte als Bürger und Mensch, und wird völlig rechtlos“, der
Mörder ist rechtlos und wird erklärt „für eine Sache, für ein Stück Vieh“ 71).
Weitere Überlegungen adaptiert Jakobs auch bei Kant:
„Der Mensch aber oder das Volk im bloßen Naturzustande 72 benimmt mir [...] (die
erforderliche) Sicherheit, und lädirt mich schon durch eben diesen Zustand, in dem
er neben mir ist, obgleich nicht thätig (facto), doch durch die Gesetzlosigkeit seines
Zustandes (statu iniusto), wodurch ich beständig von ihm bedroht werde und ich kann
ihn nöthigen, entweder mit mir in einen gemeinschaftlich-gesetzlichen Zustand zu treten,
oder aus meiner Nachbarschaft zu weichen.“ 73

Derjenige, der sich nicht an die vorgegebene Gesellschaftsordnung halte, sei


dementsprechend aus der Rechtsgemeinschaft und aus dem durch sie vermittelten
Rechtszustand „hinauszuwerfen“ beziehungsweise „in die Sicherungsverwahrung
hineinzuwerfen“. 74 Jedenfalls müsse man ihn nicht als Person, sondern könne ihn
als einen Feind behandeln. 75
Allerdings erkennt Jakobs durchaus, dass nicht jeder Verbrecher per se aus
dem Recht ausgeschlossen werden darf. 76 Er übernimmt insofern zwar die Dif-
ferenzierung zwischen Rechtsperson (Bürger) und Rechtslosem (Feind) von den
vorgenannten Ansätzen, stützt sich aber ansonsten unter anderem auf Hobbes, der
erkannt habe, dass dem Bürger im Grundsatz seine Bürgerrolle zu belassen 77 und
ihm nur in Ausnahmesituationen der personale Status abzuerkennen sei, wenn
das Verbrechen seiner Natur nach die staatliche Unterwerfung aufkündige. Dies

70
So Jakobs auf der Trierer Tagung „Feindstrafrecht – Vereinbar mit dem Rechtsstaat“
vom 23. –25. 11. 2005 im Rahmen seines noch unveröffentlichten Vortrages „Das Problem
des Feindstrafrechts“ vom 24. 11. 2005.
71
Unter Bezug auf Fichte: Jakobs, G. in: Kodalle, K.-M. (Hrsg.): Strafe muss sein
1998, S. 29 ff., 33; ders.: HRRS 3/2004, 88 ff., 89; ders. auf der Trierer Tagung „Feind-
strafrecht – Vereinbar mit dem Rechtsstaat“ vom 23. –25. 11. 2005 im Rahmen seines
noch unveröffentlichten Vortrages „Das Problem des Feindstrafrechts“ vom 24. 11. 2005;
vgl. auch ders.: Norm, Person, Gesellschaft 1999, S. 100 f.
72
Vgl. zum Naturzustand bei Kant auch Enders in Berliner Kommentar zum GG 2006,
vor Art. 1, Rn. 10: Das einzige dem Menschen als Menschen angeborene Recht ist das der
Freiheit. Um dieses Recht zu realisieren, muss die natürliche, wilde und gesetzlose Freiheit
des Einzelnen (= Naturzustand) im Akt des Gesellschaftsvertrages restlos transformiert
werden in die gleichmäßig garantierte und insofern mit einem Gewaltverbot verbundene,
gesetzliche Freiheit des staatlichen Zustands.
73
Zitat Kants bei Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 90; ders.: Staatliche Strafe 2004,
S. 43.
74
Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 90. Vgl. auch ders.: Staatliche Strafe 2004, S. 43 f.
75
Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff. unter Zitierung von Kant.
76
Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 89.
77
Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 89 f. unter Bezugnahme auf Hobbes.
A. Der Begriff des Feindstrafrechts in der Prägung Jakobs 31

bedeute nämlich „einen Rückfall in den Kriegszustand“, in dem die Täter „nicht
als Untertanen, sondern als Feinde bestraft“ würden. 78

(1) Die Entpersonalisierung des Feindes


Es liege zwar nahe, jedem Normbrecher die Personalität abzuerkennen und
ihn als Feind zu behandeln, da jener mit Begehung der Tat gegen bestehendes
Recht verstoßen und sich mithin gegen die gesellschaftliche Rechtsordnung ent-
schieden habe. 79 Voraussetzung für eine solche Konsequenz wäre jedoch, dass der
Normbrecher über seine Personalität verfügen könne. 80 Dies ist aber nach Jakobs
gerade nicht der Fall: Der Delinquent habe ein (natürliches) Recht darauf, sich
mit der Gesellschaft auszusöhnen und dazu müsse er seine rechtliche Personalität
behalten. 81 Außerdem sei die Bewertung des Delinquenten als Person im Recht
Voraussetzung dafür, dass er seiner Pflicht zur Wiedergutmachung nachkommen
könne. 82 Denn das Prinzip der Wiedergutmachung beruhe auf der Gleichwertigkeit
von Tat und Strafe. Handele also der Täter bei Tatbegehung als Rechtsperson 83,
müsse auch die Strafe als personale Leistung vollzogen werden. Andernfalls könn-
te der Verbrecher allein durch seine Tat die Selbstorganisation der Gesellschaft
stören. 84 Eine Gesellschaft ließe sich aber ihre Grenzen nicht von Individuen
vorschreiben 85, mit der Folge, dass der Bürger den eigenen Rechtsstatus gerade
nicht selbst aufheben könne. 86 Darüber hinaus stelle der bürgerliche Delinquent
nicht das System an sich in Frage; vielmehr sei der Normverstoß lediglich als
passagerer Effekt anzusehen. 87

78
Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 90 unter Berufung auf Hobbes; vgl. auch ders. in:
Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende 2000, S. 47 ff., 51.
79
Vgl. Jakobs, G. in: Kodalle, K.-M. (Hrsg.): Strafe muss sein 1998, S. 29 ff., 33; ders.:
Norm, Person, Gesellschaft 1999, S. 100.
80
Jakobs, G.: Norm, Person, Gesellschaft, S. 100 f.
81
Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 89; ähnlich Pawlik, M.: Person, Subjekt, Gesell-
schaft 2004, S. 94.
82
Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 90.
83
Insofern ist bemerkenswert, dass der Täter durch den Normverstoß nicht nur die
Gesellschaft in ihrer Ordnung verletzt, sondern auch sich selbst in seinem Status als
Rechtsperson (Jakobs, G.: Norm, Person, Gesellschaft 1999, S. 104; ebenso ders.: Das
Schuldprinzip 1993, S. 29).
84
Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 90 f. im Vergleich mit dem Unterwerfungsvertrag
bei Hobbes (Levithian 1996, S. 237 ff.).
85
Jakobs, G. in: Kodalle, K.-M. (Hrsg.): Strafe muss sein 1998, S. 29 ff., 34; ders.:
Norm, Person, Gesellschaft 1999, S. 102.
86
Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 91.
87
So Jakobs auf der Trierer Tagung „Feindstrafrecht – Vereinbar mit dem Rechtsstaat“
vom 23. –25. 11. 2005 im Rahmen seines noch unveröffentlichten Vortrages „Das Problem
des Feindstrafrechts“ vom 24. 11. 2005.
32 Kap. 1: Das Feindstrafrecht

Dagegen müsse einem Täter dann die Personalität aberkannt werden, wenn
dieser jegliche Unterwerfung unter die Rechtsordnung aufkündige. 88 Pawlik führt
insofern aus, dass ein feindorientierter Täter nicht wie der bürgerorientierte De-
linquent in der rechtlichen Ordnung mit den übrigen Gesellschaftsmitgliedern
verbleiben möchte, sondern er fühlt sich rechtlich ungebunden. Die gesellschaft-
lich maßgebliche Rechtsordnung werde also generell 89 verweigert. 90 Dadurch
kündige der Täter den bestehenden Gesellschaftsvertrag 91 auf und stelle sich
selbst außerhalb des gesellschaftlichen Gefüges. Insofern sei der Täter aus seinem
Rechtsstatus entlassen 92; er habe seinen Anspruch, als Person behandelt zu werden,
verwirkt. Pawlik stimmt Jakobs Ausführungen dahingehend zu, dass sich die Fein-
dorientierung des Täters bei der „Formulierung seiner Persönlichkeitskriterien“,
nämlich im Strafmaß niederschlagen muss. 93

(2) Distanzierung vom Feindbegriff bei Carl Schmitt


Im Übrigen sei an dieser Stelle angemerkt, dass Jakobs Erläuterungen zum
Feindstrafrecht zwar oftmals mit dem Feindbegriff bei Carl Schmitt 94 in Ver-
bindung gebracht werden 95, er sich jedoch ausdrücklich von diesem Vergleich
distanziert:
„Bei Carl Schmitt ist der Begriff des Politischen ein säkularisierter theologischer Begriff,
der eher Gottesfürchtige von Gottlosen scheidet als politische Gegner im heute geläufigen

88
Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 91.
89
Die generelle Weigerung, eine Rechtsordnung anzuerkennen, kann auch durch Ver-
stoß gegen spezifische Normen zum Ausdruck kommen. Beispielsweise im Falle des Hoch-
verrats (Beispiel von Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 91), bei dem der Täter offensichtlich
staatliche Rechtsgrundsätze ignoriert und gegenläufig handelt.
90
Pawlik, M.: Das unerlaubte Verhalten beim Betrug 1999, S. 58.
91
Jakobs unter Bezugnahme auf Hobbes und Kant, vgl. Jakobs, G.: HRRS 3/2004,
88 ff., 89 f.
92
Das heißt jedoch nicht, dass der Täter keine Rechtsperson mehr ist, sondern nur, dass
er nicht mehr wie eine zu behandeln ist. Denn nach Jakobs lassen sich Personen nicht
aus der Gesellschaft ausschließen. Eine Gesellschaft kann sich nur darauf verständigen,
jemanden nicht mehr als Person zu behandeln, vgl. Jakobs, G.: ZStW 107 (1995), 843 ff.,
868 bzw. 854 Fn. 27.
93
Pawlik, M.: Das unerlaubte Verhalten beim Betrug 1999, S. 58.
94
Vgl. Schmitt, C.: Der Begriff des Politischen 2002.
95
Beispielsweise Ambos, K.: ZStrR 2006, 1 ff., 6 ff., 22 f.; Bung, J. in: Uwer, T. (Hrsg.):
Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 249 ff., 250; Frankenberg, G. in: Beestermöller, G. /
Brunkhorst, H. (Hrsg.): Rückkehr der Folter 2006, S. 55 ff., 64; Fronza, E.: JoJZG 4/2007,
121 ff., 121 Fn. 1; Haffke, B. in: Rode, I. u. a. (Hrsg.): Neue Lust aufs Strafen 2005, S. 35 ff.,
39; Hörnle, T.: GA 2006, 80 ff., 91 ff.; Kaleck, W. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie
Ruhe 2006, S. 281 ff., 282, 290; Kreuzer, A.: Schwind-FS 2006, S. 995 ff., 1006; NK-StGB-
Paeffgen vor §§ 32 –35, Rn. 223; Prantl, H.: SZ v. 5. 3. 2005, S. 17; ders.: Der Terrorist als
Gesetzgeber 2008, S. 162; Uwer, T. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006,
S. 37 ff.
A. Der Begriff des Feindstrafrechts in der Prägung Jakobs 33

Verständnis. Der Schmittsche Begriff handelt nicht von einem Verbrecher, sondern vom
hostis, vom anderen; im Staat kommt es erst bei einem Bürgerkrieg zu einer politischen
Konfrontation im Sinne Schmitts. Der Feind des Feindstrafrechts ist hingegen ein
Verbrecher der vermutlich nachhaltig gefährlichen Sorte, ein inimicus. 96 Er ist nicht
ein anderer, sondern er sollte sich als gleicher benehmen, und deshalb wird ihm auch
Strafrechtsschuld zugeschrieben, anders als dem hostis Schmitts. Hätte ich mich bei
meinen Darlegungen auf Carl Schmitt bezogen, so wäre das ein einigermaßen krasses
Fehlzitat gewesen.“ 97

bb) Weiterführung der Grundlagen

Die Bezeichnung eines Menschen als „Feind“ sei dabei nicht verächtlich oder
ethisch gemeint, sondern solle lediglich dessen Gefährlichkeit und die grundsätz-
lichen Bedingungen von Rechtlichkeit verdeutlichen. 98 Der Feind geriere sich als
solcher, indem er sich gegenüber den anderen Bürgern nicht wie eine Rechts-
person verhalte; er könne daher auch nicht behandelt werden, als ob er sich den
gesellschaftlichen Rechten und Pflichten unterwerfe. 99 Er sei grundsätzlich nicht
fähig, sich zu normgemäßen Verhalten zu motivieren.

(1) Fehlende kognitive Mindestgarantie


Der Feind ist nach Jakobs
„... ein Individuum, das sich in einem nicht nur beiläufigen Maß in seiner Haltung
oder seinem Erwerbsleben oder, hauptsächlich, durch seine Einbindung in eine Organi-
sation, also jedenfalls vermutlich dauerhaft (zumindest aber mit einigem Nachdruck 100)
vom Recht abgewandt hat und insoweit die kognitive Mindestsicherheit personellen
Verhaltens nicht garantiert und dieses Defizit durch sein Verhalten demonstriert.“ 101

96
Zur Gegenüberstellung von hostis und inimicus vgl. auch Jakobs, G.: ZStW 118
(2006), 831 ff., 844 Fn. 49, 847.
97
Jakobs, G.: HRRS 8 – 9/2006, 289 ff., 294.
98
So Jakobs auf den Vorhalt ethischer Unverantwortlichkeit, einen Straftäter den
Rechtsstatus abzusprechen und ihn zur Unperson zu erklären (Trierer Tagung „Feind-
strafrecht – Vereinbar mit dem Rechtsstaat“ vom 23. –25. 11. 2005 im Rahmen seines
noch unveröffentlichten Vortrages „Das Problem des Feindstrafrechts“ vom 24. 11. 2005).
Vgl. auch Aponte, nach dem der Jakobssche Feindbegriff als juristische, nicht aber morali-
sche Konstruktion zu sehen ist (Aponte, A. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe
2006, S. 131 ff., 160).
99
So in etwa Jakobs auf der Trierer Tagung „Feindstrafrecht – Vereinbar mit dem
Rechtsstaat“ vom 23. –25. 11. 2005 im Rahmen seines noch unveröffentlichten Vortrages
„Das Problem des Feindstrafrechts“ vom 24. 11. 2005.
100
Insofern die Definition erweiternd: Jakobs, G.: Staatliche Strafe 2004, S. 42.
101
Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausend-
wende 2000, S. 47 ff., 52.
34 Kap. 1: Das Feindstrafrecht

Der Feind habe sich also (vermutlich dauerhaft) vom Recht abgewandt. 102 Er sei
„Gefahrenherd“ beziehungsweise ein „Sicherheitsproblem“ 103, weil er ein Verhal-
ten an den Tag lege, das es ausschließt, künftig auf Normbefolgung zu vertrauen.
Jakobs insofern bildhaft: „Wer sich dauernd wie der Satan aufführt, den kann man
zumindest insoweit nicht als Rechtsperson behandeln, als es um das Vertrauen
geht, er werde seine Pflichten erfüllen.“ 104 Dies sei insbesondere der Fall, wenn die
normative Erwartung notorisch enttäuscht werde. Einen zwanghaften Pädophilen
werde man nicht mit der Kinderbetreuung, einen notorischen Langfinger nicht
mit der Verwaltung der Clubkasse beauftragen. 105 Der Feind müsse dabei nicht
„Totalfeind“ sein, sondern er könne auch „Partialfeind“ sein. 106 Es genüge also,
wenn das Individuum sich in einem bestimmten Bereich dauerhaft vom Recht
abgewandt habe. 107

(2) Konkretisierung und Fallgruppenbildung


Beispiele feindlicher Straftäter könnten nach Jakobs insbesondere Mitglieder
krimineller und terroristischer Vereinigungen sowie solche der Organisierten
und Wirtschaftskriminalität, außerdem Sexualstraftäter und Delinquenten der
Betäubungsmittelkriminalität sein. 108 Zudem bezeichnet Jakobs unter Berufung
auf Hobbes den Hochverräter 109 als feindliches Paradebeispiel, ebenso wie den
Menschenrechtsverletzer. 110 Pawlik vermutet darüber hinaus eine generelle Feind-
orientierung bei politisch motivierter sowie organisierter und gegebenenfalls auch
bei aus sozialer Verschlechterung hervorgehender Kriminalität. 111

Zur Weiterentwicklung der Typologie des Feindes im Rahmen des Völkerstrafrechts, die
damit begründet wird, dass die internationale Strafgerichtsbarkeit sich schließlich einem
„besiegten Feind“ gegenübersehe, vgl. Fronza, E.: JoJZG 4/2007, 121 ff., 123.
102
Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 93.
103
Jakobs, G.: ZStW 117 (2005), 839 ff., 842.
104
Jakobs, G.: Staatliche Strafe 2004, S. 41.
105
Beispiele von Jakobs auf der Trierer Tagung „Feindstrafrecht – Vereinbar mit dem
Rechtsstaat“ vom 23. –25. 11. 2005 im Rahmen seines noch unveröffentlichten Vortrages
„Das Problem des Feindstrafrechts“ vom 24. 11. 2005; vgl. auch ders.: ZStW 117 (2005),
839 ff., 842.
106
Dies berücksichtigt etwa Schünemann nicht, wenn er als semantisches Gegenargu-
ment zum Feindstrafrecht anführt, dass auch ein Mafiaboss treusorgender Familienvater
sein könne (Schünemann, B.: Nehm-FS 2006, S. 219 ff., 225 f.).
107
Jakobs, G.: HRRS 8 – 9/2006, 289 ff., 293.
108
Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausend-
wende 2000, S. 47 ff., 51, 52.
109
Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 90; ders.: Jakobs, G.: HRRS 8 –9/2006, 289 ff.,
293.
110
Jakobs, G.: Staatliche Strafe 2004, S. 47; ders.: HRRS 3/2004, 88 ff., 95.
111
Pawlik, M.: Das unerlaubte Verhalten beim Betrug 1999, S. 58.
A. Der Begriff des Feindstrafrechts in der Prägung Jakobs 35

Mitunter werden danach diejenigen Täter als Feinde bestraft, die entweder
staatliche Normen grundsätzlich ignorieren, die nach ihren eigenen oder jeden-
falls nach anderen als den gesetzlich bestimmten Regeln ihre Lebensgestaltung
ausrichten, oder die das gesamte Gesellschaftssystem sogar stürzen wollen, also
unter anderem Terroristen 112, Mafiosi, Hang- 113 und Triebtäter, Berufs- oder Ge-
wohnheitsverbrecher. Der Feind ist nach diesem Verständnis somit ein Gegner
der freiheitlich verfassten Gesellschaft; er macht sich selbst zu einem Teil ver-
brecherischer Aktivität und exkludiert sich aus der Gesellschaft. 114 Dabei genüge
eine partielle Feindlichkeit in bestimmten Lebensbereichen; der Täter müsse sich
also zumindest in einem bestimmten Bereich dauerhaft an kriminellen Verhal-
tensstrukturen ausrichten. Auch ein gefährlicher Drogendealer könne zugleich ein
liebvoller Vater sein. 115

b) Die Fremdverwaltung des Feindes

Das Verhältnis von Staat und Feind bestimme sich durch bloßen Zwang. 116
Pawlik vertritt insofern die Ansicht, zwischen einem nach Lust und Unlust bilan-
zierenden Individuum und Staat bestehe im Gegensatz zum Bürger kein Rechtsver-
hältnis. Das Strafverfahren gliche vielmehr einer Jagd auf ein wildes Tier, in der
erlaubt ist, was nützt. 117 Die staatlich gewährten Freiheiten und Rechte des Feindes
seien demgemäß minimiert, denn genau diese würde er andernfalls nutzen, um
sein Gefahrenpotential zu entfalten. Zum Schutze der Bürger sei der Feind daher
fremd zu verwalten, es müsse ein autoritäres Strafrecht angewendet werden.

c) Der Strafzweck im Feindstrafrecht

In einem „Feindstrafrecht“ bedürfe es daher Maßnahmen anderer Qualität als


im Bürgerstrafrecht: Gegenüber dem Feind ist nach Jakobs „das zur Verhinderung

112
Terrorist ist nach Jakobs derjenige, „der die Legitimität der Rechtsordnung prinzi-
piell leugnet und deshalb darauf auf ist, diese Ordnung zu zerstören“ (Jakobs, G.: HRRS
3/2004, 88 ff., 92).
113
Die Behandlung eines Hangtäters als Person dürfte schon schwieriger fallen, so
Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 92.
114
Jakobs auf der Trierer Tagung „Feindstrafrecht – Vereinbar mit dem Rechtsstaat“
vom 23. –25. 11. 2005 im Rahmen seines noch unveröffentlichten Vortrages „Das Problem
des Feindstrafrechts“ vom 24. 11. 2005; vgl. auch Ausführungen zum Terroristen bei dems.:
ZStW 117 (2005), 839 ff., 849.
115
So in etwa Jakobs auf der Trierer Tagung „Feindstrafrecht – Vereinbar mit dem
Rechtsstaat“ vom 23. –25. 11. 2005 im Rahmen seines noch unveröffentlichten Vortrages
„Das Problem des Feindstrafrechts“ vom 24. 11. 2005.
116
Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 90.
117
Pawlik, M.: GA 1998, 378 ff., 380, wobei Pawlik eine solche Sichtweise als rechtlich
nicht legitimierbar erachtet.
36 Kap. 1: Das Feindstrafrecht

von Wiederholungen Zweckmäßige und sonst nichts“ zu tun. 118 Feindstrafrecht


bekämpfe Gefahren 119 und diene der „Herstellung erträglicher Umweltbedingun-
gen“. Alle Individuen, deren rechtstreues Verhalten nicht gewährleistet sei, seien
„kaltzustellen“. 120 Feindstrafrecht sei letztlich Krieg, der sich in seiner Intensität
und seinen Maßnahmen an der Gefährlichkeit des Feindes orientiere. 121 Bei der Si-
cherung des Feindes als Gefahrenquelle gehe es damit nicht mehr um den Umgang
mit einer Person, sondern der (potentielle) Täter werde quasi einem wilden Tier
gleichgesetzt. 122 Eine andere Möglichkeit verbleibe dem Staat auch gar nicht, denn
würde er den Normbrecher in diesem Fall weiter als Person behandeln, würde er
zugleich das Recht auf Sicherheit der anderen Personen verletzen. 123 In der Folge
sei die Sicherung des Täters 124 und damit der Rechtsgüterschutz 125 Primärziel des
Feindstrafrechts.

aa) Die Bemessung der Strafe als Zwangsmittel gegen den Feind

Eine im Rahmen des Feindstrafrechts verhängte Strafe sei bloßes Zwangsmittel


(Strafe im Naturzustand 126). Sie werde nach reinen „Klugheitsregeln“, also nach
Opportunitätsüberlegungen bemessen. 127 Bestimmend für das Verhalten und die
Maßnahmen gegenüber dem Feind seien einzig und allein Effektivitätserwägun-
gen. 128 Dabei sei besonders die physische Zwangswirkung der Strafe herauszu-
stellen: In der Regel werde es nämlich opportun sein, den Feind (vorsorglich)
wegzusperren. 129 Sei der Feind in der Vollzugsanstalt erst einmal „sicher“ unter-
gebracht oder gar außer Landes verwiesen worden, sei er schließlich außerstande,
extern, nämlich hinsichtlich der vor ihm „gesicherten“ Gesellschaft, Straftaten zu

118
Jakobs, G. in: Kodalle, K.-M. (Hrsg.): Strafe muss sein 1998, S. 29 ff., 35; ders.:
Norm, Person, Gesellschaft 1999, S. 104.
119
Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 90.
120
Dieser – nach eigenem Empfinden – „harten“ Ausdrucksweise bedient sich Ja-
kobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende 2000,
S. 47 ff., 53.
121
Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausend-
wende 2000, S. 47 ff., 53.
122
Vgl. Jakobs, G.: Staatliche Strafe 2004, S. 41.
123
Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 94.
124
Vgl. beispielsweise Jakobs, G.: Staatliche Strafe 2004, S. 43.
125
Vgl. Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 751 ff., 756.
126
Zur Differenzierung „Strafe im Staat“ und „Strafe im Naturzustand“ vgl. Jakobs, G.
in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende 2000, S. 47 ff.,
55.
127
Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausend-
wende 2000, S. 47 ff., 55; unter Bezugnahme auf die „Klugheitsregeln“ bei Hobbes, die
der reinen Selbsterhaltung dienen (vgl. dazu Jakobs, G.: Staatliche Strafe 2004, S. 7).
128
Vgl. Jakobs, G.: Norm, Person, Gesellschaft 1999, S. 104.
A. Der Begriff des Feindstrafrechts in der Prägung Jakobs 37

begehen. 130 Insofern ziele die gegen den Feind verhängte (Freiheits-)Strafe vor
allem darauf ab, die übrigen Normadressaten vor ihm zu schützen. 131

bb) Der Unterschied zur Zwangswirkung im Bürgerstrafrecht

Eine physische Zwangswirkung gehe zwar auch im Bürgerstrafrecht mit der


Verhängung von Freiheitsstrafen (bzw. allgemeiner: der Wegnahme von Interak-
tionsmitteln) einher. Allerdings sei der physische Zwang im Bürgerstrafrecht nur
Nebeneffekt, wohingegen die Sicherung des Täters als schierer und damit effizi-
enter Zwang den Primärzweck des Feindstrafrechts bilde. 132 Demnach erschöpfe
sich die Reaktion auf einen Normbruch im Feindstrafrecht in der Vornahme von
Sicherungsmaßnahmen.

II. Das Verhältnis von Bürger- und Feindstrafrecht

Nach Jakobs ist Feindstrafrecht ein Strafrecht sui generis. 133 Es ist Sonderstraf-
recht zum ordentlichen Strafrecht, dem so genannten Bürgerstrafrecht. Insoweit
stehen sich zwei Formen des Strafrechts oder seiner Regelungen (auch des Straf-
prozessrechts 134) gegenüber: Einmal der Umgang mit dem Bürger, dem eine von
staatlicher Kontrolle freie Sphäre zuerkannt werde 135, zum anderen der Umgang
mit dem Feind, der weit im Vorfeld abgefangen und seiner Gefährlichkeit wegen
bekämpft werde. 136 Das potentiell gefährliche Individuum müsse durch Zwang
davon abgehalten werden, die Rechtsordnung zu zerstören. 137 Ihm komme im
Gegensatz zum Bürger keine eigenverantwortliche, freie Sphäre zu. Vielmehr
unterliege der Feind in allen Lebensbereichen der staatlichen Kontrolle, da er
eine permanente Bedrohung für Rechtsgüter der Allgemeinheit darstelle. Das
Feindstrafrecht erkenne dementsprechend (potentiell) gefährlichen Individuen

129
Auch wenn es gleichfalls denkbar wäre, dass einem der Täter als Vertragspartner
nützlicher ist, und daher auf Strafe verzichtet wird, vgl. Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.):
Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende 2000, S. 47 ff., 55.
130
Vgl. Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 89.
131
Vgl. Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 89.
132
Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 90. Insofern entsprechend Jakobs Ausführungen
über Gewalt als Koordinationsmittel in ders.: Norm, Person, Gesellschaft 1999, S. 24 ff.
133
Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 751 ff., 756.
134
Vgl. Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 94.
135
Vgl. Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 751 ff., 755; siehe darüber hinaus auch Aponte,
A. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 131 ff., 136.
136
Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 93.
137
Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 94.
38 Kap. 1: Das Feindstrafrecht

keinerlei Intimität zu, um effektiven und damit präventiven Rechtsgüterschutz zu


gewährleisten.

1. Fehlende Verankerung des


Rechtsgüterschutzes im Bürgerstrafrecht

Zu beachten ist, dass Jakobs insofern bereits im Grundsatz von der herrschenden
Auffassung 138 abweicht, das herkömmliche Strafrecht (= das Bürgerstrafrecht)
müsse – zumindest auch – dem Schutz von Rechtsgütern 139 dienen. 140 Dieser
Ansatz wird von Jakobs prinzipiell abgelehnt, da der Rechtskreis des Täters unter
dem Prinzip des Rechtsgüterschutzes überhaupt nicht in den Blick gerate. 141 Stelle
man lediglich auf den Schutz von Rechtsgütern ab, werde „der Täter [...] nur
dadurch definiert, dass er dem Rechtsgut gefährlich werden kann [...].“ Er „ist
nur Gefahrenquelle, mit anderen Worten, Feind des Rechtsgutes.“ 142 Demgemäß
sei der Rechtsgüterschutz auch nicht Aufgabe eines Bürgerstrafrechts, sondern
vielmehr Aufgabe eines Feindstrafrechts. Obgleich auch der Bürger durch eine
Normübertretung Rechtsgüter verletze, diene das Bürgerstrafrecht lediglich der
Kontrolle des externen Verhaltens des Bürgers, also eines Verhaltens, das in
fremde Organisationskreise eingreife und über bloße Interna hinausgehe. Indem
dem Bürger aber eine solche Privatsphäre zugestanden werde, werde er gerade
nicht als prinzipielle Gefahr für Rechtgüter verstanden. Allein das Feindstrafrecht
sehe den Täter als Gefahr für Rechtsgüter und bestrafe ihn gerade aus jenem
Grund. Daher optimiere das Bürgerstrafrecht Freiheitssphären 143, während das
Feindstrafrecht Rechtsgüterschutz optimiere. 144

138
Vgl. Jescheck, H. H. / Weigend, T.: Lehrbuch des Strafrechts AT 1996, § 18 I 5
(S. 166); Kindhäuser, U.: Strafrecht AT 2006, § 2 Rn. 6; Lagodny, O.: Strafrecht vor den
Schranken der Grundrechte 1996, S. 21; Otto, H.: Grundkurs Strafrecht 2004, § 1 Rn. 22;
Roxin, C.: Strafrecht AT 2006, § 2 Rn. 1; ders.: ZStW 116 (2004), 929 ff.; Schünemann, B.:
GA 2003, 299 ff., 303; ders, B.: Nehm-FS 2006, S. 219 ff., 224 f.; Wessels, J. / Beulke, W.:
Strafrecht AT 2006, Rn. 6; Maurach, R. / Zipf, H.: Strafrecht AT 1992, § 19 Rn. 4 ff. sowie
ständ. Rsp., vgl. etwa BVerfGE 25, 269 ff., 286; 50, 142 ff., 153.
139
Zum umstrittenen Begriff des Rechtsguts vgl. etwa Baratta, A. in: Arthur Kaufmann-
FS 1993, S. 393 ff., 393 ff.; Jakobs, G.: Strafrecht AT 1993, 2/12 ff.; Roxin, C.: Strafrecht
AT 2006, § 2 Rn. 2 ff.; Stächelin, G.: Strafgesetzgebung im Verfassungsstaat 1998, S. 30 ff.
140
Siehe auch Schneider, H.: Kann die Einübung in Normanerkennung die Strafrechts-
dogmatik leiten? 2004, S. 71, 86.
141
Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 751 ff., 752 f. Zur Kritik an dieser Konzeption vgl. etwa
Roxin, C.: ZStW 116 (2004), 929 ff., 940 ff.
142
Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 751 ff., 752 f.
143
Vgl. auch Jakobs, G.: ZStW 118 (2006), 831 ff., 841: „Eine hoch komplexe Ge-
sellschaft [...] kennt als Grundmaxime nicht ‚optimalen Rechtsgüterschutz‘ (jeder muss
seinen Schaden vermeiden), sondern ‚optimale Verwaltung‘ der eigenen Organisation.“
A. Der Begriff des Feindstrafrechts in der Prägung Jakobs 39

2. Bürger- und Feindstrafrecht als Idealtypen

Das Strafrecht kenne „also zwei Pole oder Tendenzen seiner Regelungen, scil.,
einmal den Umgang mit dem Bürger [...] und zum anderen den Umgang mit
dem Feind ...“. 145 Doch trotz der Differenzierung nach Adressat und Funktion
der Strafe seien die Begrifflichkeiten Feind- und Bürgerstrafrecht nicht isoliert
voneinander zu betrachten. Vielmehr stellen jene zwei komplementäre Tendenzen
eines Strafrechtssystems dar: 146
Es kann [...] nicht darum gehen, zwei isolierte Strafrechtssphären gegenüberzustellen,
sondern zwei Pole einer Welt zu beschreiben oder zwei gegenläufige Tendenzen in
einem Zusammenhang des Strafrecht aufzuzeigen, wobei sich diese Tendenzen durchaus
überlagern können ...“ 147

Damit handelt es sich bei Bürger- und Feindstrafrecht nicht um zwei sich
gegenseitig ausschließende Strafrechtssysteme 148, nach denen bei Anwendung
des einen die Anwendung des anderen verwehrt bleibt, sondern Jakobs sieht in
diesen beiden Termini in ihrer Reinform Idealtypen 149 in der Terminologie Max
Webers, also fiktive begriffliche Extreme beziehungsweise Grenzbegriffe. 150 Ideal
in diesem Sinne meint daher lediglich, dass Phänomene in ihrer theoretischen

144
Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 751 ff., 756. Vgl. auch Ausführungen über den Rechts-
güterschutz in der Strafrechtskonzeption von Jakobs mit der Folge eines „Feindstrafrechts“
bei Schneider, H.: Kann die Einübung in Normanerkennung die Strafrechtsdogmatik leiten?
2004, S. 86 ff.
145
Jakobs, G.: HRRS 3/2004, S. 88 ff., 92.
146
Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 89.
147
Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 88.
148
Vgl. auch Schulz, L. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 315 ff.,
331; Uwer, T. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 37 ff., 57.
149
Explizite Benennung von Feind- und Bürgerstrafrecht als Idealtypen bei Jakobs, G.:
HRRS 3/2004, 88 ff., 89; ders.: HRRS 8 –9/2006, 289 ff., 293; vgl. auch Cancio Meliá,
M.: ZStW 117 (2005), 267 ff., 279.
150
Schneider bedient sich in seiner Habilitationsschrift einer ähnlichen Differenzierung
nach Idealtypen, indem er das bürgerstrafrechtliche Konzept von Jakobs als nahezu ide-
altypischen „systemfunktionalen“ Ansatz beschreibt (Schneider, H.: Kann die Einübung
in Normanerkennung die Strafrechtsdogmatik leiten? 2004, S. 70 ff., 143). Systemfunktio-
nalismus bedeutet in diesem Zusammenhang, dass sich das Strafrecht in seinen gesamten
Grundlagen und Instituten nach der Stabilisierung des „Systems“ bzw. der normativen
Konstruktion von Gesellschaft bestimmt, wobei Jakobs in den Mittelpunkt seiner Sys-
temtheorie die kognitive Untermauerung der Normgeltung rückt (Schneider, H.: Kann die
Einübung in Normanerkennung die Strafrechtsdogmatik leiten? 2004, z. B. S. 71, 87, 143).
Dem systemfunktionalen Ansatz stellt Schneider als Idealtypus den „personfunktionalen“
Ansatz gegenüber, der sich nicht nach abstrakten Bedürfnissen des Systems richtet, sondern
an der Person und dem Ausmaß ihrer Verantwortlichkeit für die begangene Tat orientiert
(vgl. auch Schneider, H.: Kann die Einübung in Normanerkennung die Strafrechtsdogmatik
leiten? 2004, z. B. S. 14; ders. / Morguet, G. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe
2006, S. 335 ff., 339).
40 Kap. 1: Das Feindstrafrecht

Reinform aufgezeigt werden, ohne dass es realiter eine solche Reinform jemals
gebe. 151
Im Idealfall geht Jakobs aber natürlich von einem zwiegespaltenen Strafrecht
in der Form aus 152, dass neben dem Bürgerstrafrecht ein davon unabhängiges
Feindstrafrecht bestünde. Er selbst betont aber, dass die beiden Extreme Feind-
und Bürgerstrafrecht sich (jedenfalls gegenwärtig) kaum jemals rein verwirklicht
finden lassen 153 und es gebe „massenweise Zwischenformen“ beider Strafrechts-
typen. 154 Vielmehr nutzt Jakobs diese Idealisierung zweier komplexer Rechtsbe-
grifflichkeiten zur Verdeutlichung und Vermittlung grundsätzlicher Inhalte, um
die Gegensätzlichkeit beider Systeme vor Augen zu führen. 155 Zwar mögen einige
Kriterien, die Jakobs anhand des Grenzfalles Feindstrafrecht aufzeigt, in ihrer
idealtypischen Ausformulierung teilweise hart oder jedenfalls überspitzt klingen,
doch gelingt es Jakobs auf diese Art und Weise, generelle Tendenzen zu formulie-
ren und deutlich darzustellen sowie sich die Aufmerksamkeit seiner Zuhörer zu
sichern – wie wohl auch beabsichtigt.

B. Materielle und prozessuale Inhalte


des Feindstrafrechts

Fraglich ist zunächst, welche Auswirkungen der im „Feindstrafrecht“ vorherr-


schende Effektivitätsgedanke, nämlich die Sicherung zum Zwecke vorrangigen
Rechtsgüterschutzes und dessen praktische Umsetzung auf die bislang anerkann-
ten strafrechtlichen Maximen haben. Denn selbst eine im Rahmen des Feindstraf-
rechts verhängte Strafe unterliegt nach Jakobs bestimmten rechtlichen Rahmenbe-

151
Vgl. auch Hörnle, T.: GA 2006, 80 ff., 81, 95.
152
So auch Aponte, A. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 131 ff.,
136, 152; Krauß, D. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 79 ff., 93 f.;
Kreuzer, A.: Schwind-FS 2006, S. 995 ff., 1006; Schulz, L. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte
bewahren Sie Ruhe 2006, S. 315 ff., 331; vgl. ferner Brunkhorst, H. in: Uwer, T. (Hrsg.):
Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 103 ff., 108; Düx, H.: ZRP 2003, 189 ff.,194; Hamm,
R. in: Rode, I. u. a. (Hrsg.): Neue Lust aufs Strafen 2005, S. 105 ff., 107; Schulz, L.: ZStW
112 (2000), 653 ff., 659, 662 f.
153
Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 89. Ähnlich auch Gonzáles Cussac, der das Feind-
strafrecht als bloße Umschreibung des „zeitgeschichtlichen Dauerthemas“ (so Naucke, W.:
JoJZG 1/2008, 32 ff., 32) des „autoritären Denkens im Strafrecht“ begreift, vgl. Gonzáles
Cussac, J. L.: Feindstrafrecht 2007, S. 1.
154
Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 90; vgl. ferner Cancio Meliá, M.: ZStW 117
(2005), 267 ff., 279.
155
Vgl. auch die in Anlehnung an den Jakobsschen Feind- und Bürgerstrafrechtsbegriff
gebildeten „Prototypen“ zweier gegensätzlicher Strafrechtsmodelle bei Dencker, F.: StV
1988, 262 ff., 263.
B. Materielle und prozessuale Inhalte des Feindstrafrechts 41

dingungen, da sie jedenfalls nicht willkürlich erfolgen dürfe. Nicht jedes beliebige
Mittel gegen den Feind sei zulässig. 156 Vielmehr werde dem Feind zumindest eine
gewisse potentielle Persönlichkeit 157 zugestanden, so dass auch bei seiner Sank-
tionierung nicht über das Erforderliche hinausgegangen werden dürfe. Dennoch
dürften gegen den Feind natürlich weitreichendere Maßnahmen ergriffen werden
als beispielsweise im Rahmen der Notwehr 158, die einen gegenwärtigen Angriff
voraussetzt. Schließlich decke das Feindstrafrecht gerade auch die Bedrohung
zukünftiger Angriffe ab. 159

I. Grenzen und Inhalte des Bürgerstrafrechts

Insofern ist zu untersuchen, welche Inhalte das feindstrafrechtliche Konzept


Jakobs vermittelt, welche Beschaffenheitsmerkmale also das Feindstrafrecht in
seiner idealtypischen Ausgestaltung nach Jakobs konkret aufweist. Zuvor bietet
es sich allerdings an, einen Blick auf den idealtypischen Gegenpart – das Bürger-
strafrecht – zu werfen, da dessen grundlegende Maximen prinzipiell bekannt sind
und im Umkehrschluss entsprechende Schlussfolgerungen für das Feindstrafrecht
gezogen werden können.
Nach den bisherigen Ausführungen stellt sich das Bürgerstrafrecht in der Ja-
kobsschen Systemtheorie als Tatstrafrecht dar, wobei sich die Tat nach außen
manifestieren muss (1). Tatbestand und Strafmaß stehen in einem proportionalen
Verhältnis zueinander (2). Ferner ist Bürgerstrafrecht repressiv auf Strafverfolgung
ausgerichtet (3) und dem einer Straftat verdächtigten Bürger stehen prozessuale,

156
Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausend-
wende 2000, S. 47 ff., 51.
157
Vgl. hierzu auch Jakobs, G.: Staatliche Strafe 2004, S. 43: „... abstrakt, dem Be-
griff nach, mag der zu sichernde Verbrecher also als Rechtsperson verharren, aber der
wirkliche Umgang mit ihm wird zum Umgang mit einem Feind.“ Die Entpersonalisierung
erfolgt allerdings lediglich punktuell, denn selbst der „zu sichernde Verbrecher“ behält
bestimmte Rechte, wie etwa das Recht auf körperliche Unversehrtheit. Er ist jedoch in
seinen Freiheitsrechten – diese hat er schließlich fehl gebraucht – zu beschränken.
158
Auch i. R. d. § 32 StGB darf der Angreifer fremd verwaltet werden – wenn auch nur
im Rahmen der Erforderlichkeit, da er sich im Zeitpunkt des Angriffs außerhalb des Rechts
stellt und somit die kognitive Erwartung an seine Person nicht erfüllt (so Jakobs auf der
Trierer Tagung „Feindstrafrecht – Vereinbar mit dem Rechtsstaat“ vom 23. –25. 11. 2005
im Rahmen seines noch unveröffentlichten Vortrages „Das Problem des Feindstrafrechts“
vom 24. 11. 2005).
159
Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausend-
wende 2000, S. 47 ff., 51 – dies entspricht freilich dem im Feindstrafrecht verfolgten
Sicherungszweck, wonach der Schutz der Allgemeinheit eben auch dadurch erreicht wird,
dass der Feind bereits vor dem eigentlichen Angriff auf das Rechtsgut eingesperrt werden
darf.
42 Kap. 1: Das Feindstrafrecht

seinem Personenstatus entsprechende Rechte zu (4). Diese Grundelemente des


Jakobsschen Bürgerstrafrechts sind nachfolgend noch zu konkretisieren.

1. Tatstrafrecht und Manifestation der Tat

Bürgerstrafrecht ist nach dem Jakobsschen Konzept Tatstrafrecht, da die Stra-


fe sich an einer konkreten Handlung, nicht dagegen an der Täterpersönlichkeit
orientiert. 160 Die Bestrafung eines Bürgers als Täter setze nämlich einen Norm-
geltungsschaden voraus. Ein solcher könne jedoch überhaupt nur entstehen, wenn
tatsächlich auch eine Tat begangen worden sei und die Allgemeinheit Kenntnis
von dem Täterverhalten erlange. Die Tat müsse folglich ein gewisses Maß an nach
außen manifestierter Sozialschädlichkeit 161 aufweisen. Die Öffentlichkeit eines
Verhaltens im Bürgerstrafrecht bestimme sich dabei in Abgrenzung zum Intern-
bereich 162 des Täters. Erst wenn der Bürger diesen Freiraum überschreite, wirke
sein Verhalten als nach außen manifestierte Störung, so dass das Bürgerstrafrecht
Anwendung finde. 163 Dagegen dürften Interna des Täters, die sich einzig in dessen
eigenen Organisationskreis abspielen, nicht strafbegründend berücksichtigt wer-
den. 164 Beispielsweise sei der bloße Gedanke nicht strafbar, da er als Interna eines
Subjekts keine soziale Störung verursachen – also auch nicht öffentlich werden
könne. 165

160
Damit stimmt Jakobs mit der h.M. überein, dass das herkömmliche Strafrecht an
die konkrete Tat anknüpfen muss und damit als Tatstrafrecht auszugestalten ist. Eine
Ausnahme stellt allerdings das Jugendstrafrecht dar: Da der Jugendliche (gegebenenfalls
auch der Heranwachsende) seine Entwicklung noch nicht abgeschlossen hat und daher
durch Erziehung weiterhin auf seine Persönlichkeit eingewirkt werden kann, orientiert sich
das Jugendstrafrecht an der Täterpersönlichkeit und ist somit Täterstrafrecht. Dennoch
bildet auch hier die Tatschuld die Obergrenze der Strafe.
Täterstrafrechtliche Elemente werden darüber hinaus partiell auch dem „normalen“
(Bürger-) Strafrecht im Rahmen der Strafzumessungsnorm des § 46 StGB zugesprochen.
Dies ist allerdings mit der h.M. abzulehnen, da die Tatschuld jedenfalls die oberste Grenze
der Strafbarkeit festlegt, die eine möglicherweise gegebene Lebensführungsschuld nicht
überschreiten darf (vgl. Roxin, C.: Strafrecht AT 2006, § 6 Rn. 21).
161
Vgl. Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 751 ff., 764.
162
Hierzu bereits Kapitel 1 A.I.1) b).
163
Insofern sei § 22 StGB, welcher das unmittelbare Ansetzen beim Versuch bestimme,
noch zu weit, denn im Rahmen eines Bürgerstrafrechts dürfe der Täter nicht bloß nach seiner
Vorstellung zur Tat unmittelbar angesetzt haben, sondern der Täter müsse nach seinem
externen Verhalten zur Anmaßung fremder Organisation – also zu einer Störung außerhalb
seines eigenen Organisationskreises – unmittelbar ansetzen (Jakobs, G.: ZStW 97 (1985),
751 ff., 765). Damit dürften an sich zwei Irrtumsvarianten nicht mit Versuchsstrafbarkeit
geahndet werden, nämlich die Fälle eines am Tatort fehlenden Angriffsobjekts sowie die
Fälle eines bereits objektiv erkennbar untauglichen Tatmittels (Jakobs, G.: ZStW 97 (1985),
751 ff., 764 f.).
164
Vgl. hierzu Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 751 ff., 756 f.
B. Materielle und prozessuale Inhalte des Feindstrafrechts 43

Interna könnten nur in dem Fall bestraft werden, in dem sich die Privatsphäre
des Täters mit der Privatsphäre einer anderen Person überschneide 166, etwa bei
der vorsätzlichen Beschädigung einer entliehenen Sache (fremdes Eigentum) in
der tätereigenen Wohnung (Internbereich). Denn insofern werde das störende
Verhalten zwangsläufig für den Inhaber des anderen Internbereichs wahrnehmbar
und trete mithin als Anmaßung eines fremden Organisationskreises nach außen.
Interna dürften allerdings auch als Interpretationsrichtlinien hinzugezogen wer-
den, wenn der Täter bereits störend nach außen in Erscheinung getreten ist. 167 Eine
typisch bürgerstrafrechtliche Norm sei insofern zum Beispiel das Erfolgsdelikt der
(fahrlässigen) Tötung nach §§ 212, 222 StGB: Vorsatz- wie auch Fahrlässigkeitstat
seien unter Strafe gestellt, das heißt, die Strafbarkeit werde einzig aufgrund des
öffentlich gewordenen Verhaltens des Täters begründet. 168 Durch die Tötung eines
anderen Menschen habe sich das Verhalten des Täters unzweifelhaft nach außen
manifestiert, er habe sich einen fremden Organisationskreis angemaßt und sein
Verhalten weise damit die erforderliche Sozialschädlichkeit auf.

2. Proportionalität von Tatbestand und Strafmaß

Unter Zugrundelegung der Generalprävention nach Jakobs 169 bestimmt sich das
Strafmaß im Bürgerstrafrecht zum einen danach, inwiefern der Täter sich durch
die Verletzung der Norm eine fremde Organisation angemaßt und dadurch das
Opfer in seiner staatlich garantierten Freiheit beeinträchtigt (oder dies im Rahmen
des Versuches zumindest beabsichtigt) hat. Zum anderen ist danach zu fragen,
inwiefern der Täter gegen die Vertrauenserwartung, er werde sich rechtmäßig
verhalten, verstoßen hat. 170 Das Strafmaß sei nach dem Kommunikationsgrad zu

165
Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 751 ff., 755. Dagegen leitet Gössels aus Jakobs
Überlegungen ab, dass gerade dann auch rein intern ablaufende psychische Prozesse
eine Strafbarkeit begründen können, wenn nur – ohne Berücksichtigung des geschützten
Rechtsgutes – auf die Normverletzung abgestellt wird (Gössel, K. H.: F.-C. Schroeder-FS
2006, S. 33 ff., 45). Dabei wird freilich die Eignung zur Normerschütterung, die nach
Jakobs eben ausschließlich bei einer Manifestation der Sozialschädlichkeit nach außen zu
bejahen ist, vernachlässigt.
166
Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 751 ff., 756.
167
Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 751 ff., 761.
168
Zum Idealtypus eines bürgerstrafrechtlichen Straftatbestandes nach Jakobs vgl. Den-
cker, F.: StV 1988, 262 ff., 263.
169
Dabei läuft der von Jakobs vertretene Ansatz der positiven Generalprävention nicht
grundsätzlich mit dem Schuldprinzip des bestehenden Strafrechts (§ 46 Abs. 1 StGB) als
Manifestation des Vergeltungsgedankens konträr. Zwar lehnt Jakobs jedweden Strafzweck
neben der Einübung von Normvertrauen beziehungsweise Stabilisierung der Rechtsordnung
ab; er bringt jedoch den positiv generalpräventiven Ansatz mit dem Aspekt der Vergeltung
(insbesondere nach Hegel) in Zusammenhang, vgl. Schneider, H.: Kann die Einübung in
Normanerkennung die Strafrechtsdogmatik leiten? 2004, S. 82 ff.
44 Kap. 1: Das Feindstrafrecht

bemessen, der nötig sei, um die verletzte Norm zu stabilisieren und deren Geltung
für die Zukunft zu gewährleisten. Der Normgeltungsschaden, der in Form der
sozialen Beunruhigung 171 durch die Tat entstanden sei, müsse durch die Strafe
ausgeglichen werden. Dabei seien das Gewicht der übertretenen Norm und das
Maß ihrer Übertretung, der Stand der kognitiven Sicherung dieser Norm und
schließlich die Verantwortlichkeit des Täters in Bezug auf seine Tatmotivation zu
berücksichtigen. 172 Auch müsse die Strafe eine Art Schadensersatz sein, dessen
Maß den Täter schmerze. 173
Jakobs integriert somit das in § 46 Abs. 1 StGB verankerte Schuldprinzip 174,
in den Strafzweck der positiven Generalprävention 175: „Die Stabilisierung der
schwachen Norm ist Zweck der Schuld“. 176 Der Schuldgrundsatz ist danach Aus-
prägung der positiven Generalprävention. Sämtliche Normverstöße seien daher
bezüglich ihrer Rechtsfolge an der entstandenen Normerschütterung als Schuld-
vorwurf zu messen. 177 Danach trage etwa eine Fahrlässigkeitstat einen geringeren
Schuldvorwurf in sich als die Vorsatztat 178 und der Täter, der mit Absicht handle,
sei strenger zu bestrafen, als derjenige, welcher den Normbruch bloß billigend in
Kauf nehme. Die Vollendung eines Delikts müsse zu einer höheren Strafe als der
Versuch führen. Trete der Täter vom versuchten Delikt zurück, nehme er also die
Tatbestandsnähe und die Expressivität des Normbruchs zurück 179, werde mangels
Normerschütterung gänzlich von Strafe abgesehen. Eine Bestrafung sei in diesem
Falle nicht mehr erforderlich, da das Normbruchstadium nur kurz erreicht und
die negative Einwirkung des Täters auf das Rechtsbewusstsein der Allgemeinheit
minimiert wurde. 180

170
So etwa Pawlik, M.: Person, Subjekt, Bürger, S. 92.
171
Jakobs, G.: Staatliche Strafe 2004, S. 31 f.
172
Jakobs, G.: Staatliche Strafe 2004, S. 32.
173
Vergleich von Jakobs auf der Trierer Tagung „Feindstrafrecht – Vereinbar mit dem
Rechtsstaat“ vom 23. –25. 11. 2005 im Rahmen seines noch unveröffentlichten Vortrages
„Das Problem des Feindstrafrechts“ vom 24. 11. 2005; ders.: Staatliche Strafe 2004, S. 32,
42; ders.: HRRS 8 – 9/2006, 289 ff., 294.
174
Danach ist die Strafzumessung nach der Tatschuld zu bemessen (vgl. Creifelds,
C. / Weber, K. (Hrsg.): Creifelds 2004, S. 1160 „Schuldgrundsatz“).
175
Schneider, H.: Kann die Einübung in Normanerkennung die Strafrechtsdogmatik
leiten? 2004, S. 121 f.
176
Jakobs, G.: Schuldprinzip 1993, S. 24; ders.: Schuld und Prävention 1976, S. 7 ff.
177
Vgl. Jakobs, G.: Schuld und Prävention 1976, S. 9.
178
Vgl. Jakobs, G.: Das Schuldprinzip 1993, S. 9.
Zur Abgrenzung von Vorsatz und Fahrlässigkeit im Jakobsschen Strafrechtsmodell
vgl. Jakobs, G.: Bruns-FS 1978, S. 31 ff.; ders.: ZStW 101 (1989), 516 ff.; ders.: GA 1997,
553 ff.; Schneider, H.: Kann die Einübung in Normanerkennung die Strafrechtsdogmatik
leiten? 2004, S. 108 ff.
179
Jakobs, G.: Strafrecht AT 1993, 26/1.
B. Materielle und prozessuale Inhalte des Feindstrafrechts 45

3. Repressivität des Bürgerstrafrechts

Das Bürgerstrafrecht habe einen rein repressiven Inhalt. Die Verhütung zukünfti-
ger Normverstöße sei dagegen die Aufgabe der Polizei, nicht die des Strafrechts. 181
Bürgerstrafrecht bezwecke also gerade nicht die Prävention vor zukünftigen De-
likten. Insofern sei das Bügerstrafrecht auch ultima ratio, denn es greife einzig
und allein in dem Moment, in dem der Bürger durch äußerlich wahrnehmbares
Verhalten tatsächlich andere Rechtskreise stört. 182

4. Verfahrensgarantien

Der Status des Bürgers als Rechtsperson sei auch im Strafverfahren zu be-
achten. Im Gegensatz zum ehemaligen Inquisitionsprozess sei der Beschuldigte
im bürgerstrafrechtlichen Verfahren Rechtssubjekt 183 und als solches mit eigenen
Rechten ausgestattet. Bürgerstrafrechtliche Rechte seien beispielsweise das Recht
auf rechtliches Gehör (nach Art. 101 Abs. 1 GG) oder das Recht, Beweisanträge
(Art. 6 Abs. 3 lit. d EMRK, §§ 244 ff. StPO) oder auch Fragen (Art. 6 Abs. 3 lit. d
EMRK, § 257 StPO) zu stellen und bei Zeugenvernehmungen beziehungsweise
in der Hauptverhandlung anwesend zu sein (§§ 168c Abs. 5, 230 Abs. 1 StPO). 184
Ferner entspreche das Recht, selbst und in hinreichender Zeit die Art und Weise
der Verteidigung festzulegen sowie einen Verteidiger hinzuzuziehen (vgl. Art. 6
Abs. 3 lit. b, c EMRK, §§ 243 Abs. 4, 136 Abs. 1 S. 2, 137 Abs. 1 StPO), der bür-
gerstrafrechtlichen Subjektsqualität. 185 Ein Bürger dürfe bei der eigenen Aussage
weder unzulässig getäuscht 186, noch gezwungen 187, noch verlockt werden (§ 136a
StPO). 188 Insbesondere dürfe der beschuldigte Bürger die Aussage gänzlich ver-

180
Vgl. Jakobs, G.: Strafrecht AT 1993, 26/2. Ausführlich siehe Schneider, H.: Kann
die Einübung in Normanerkennung die Strafrechtsdogmatik leiten? 2004, S. 128 ff.
181
Jakobs, G.: Staatliche Strafe 2004, S. 31.
182
Vgl. Folgerung zu Jakobs bei Stegmann, A.: Organisierte Kriminalität. Feindstraf-
rechtliche Tendenzen 2004, S. 6.
183
Im ehemaligen Inquisitionsprozess war der Beschuldigte der mehr oder weniger
rechtlose Gegenstand der gerichtlichen Untersuchung. Durch den Mitte des 19. Jahrhun-
derts vollzogenen Übergang zum Anklageverfahren (vgl. z. B. Beulke, W.: Strafprozess-
recht 2006, Rn. 18) hat sich seine Stellung grundlegend geändert: Der Beschuldigte ist
nicht mehr bloß Prozessobjekt, sondern nunmehr auch Prozesssubjekt. D. h., er ist mit
eigenen Rechten ausgestattet, deren Nichteinhaltung gegebenenfalls die Aufhebung des
Urteils bewirken kann. Vgl. auch Lesch, H. H.: ZStW 111 (1999), 624 ff., 643.
184
Vgl. Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 94; ders.: HRRS 8 –9/2006, 289 ff., 296;
Lesch, H. H.: ZStW 111 (1999) 624 ff., 624, 636, 639.
185
Vgl. Lesch, H. H.: ZStW 111 (1999), 624 ff., 624 f., 636.
186
Dabei bezeichnet Lesch die Durchführung von „Überrumplungs- und Überlistungs-
manövern“ unter Berufung auf den Normzweck der Wahrheitsfindung im Sinne einer
fehlerfreien Aussage als unzulässige Täuschung im Sinne des § 136a StPO (Lesch, H. H.:
ZStW 111 (1999), 624 ff., 643 ff.; vgl. auch ders.: GA 2000, 355 ff., 359). Dagegen legt die
46 Kap. 1: Das Feindstrafrecht

weigern, ohne dadurch Nachteile befürchten zu müssen. Das Schweigerecht wie


auch die entsprechende Belehrungspflicht gemäß § 136 Abs. 1 StPO seien somit
bürgerstrafrechtlich. 189 Der Bürger müsse nicht aktiv an der eigenen Überführung
mitwirken, sondern dürfe passiv bleiben, wenn er dies für eine vorzugswürdige
Verteidigungsstrategie halte (nemo tenetur se ipsum accusare). 190 Auch die Un-
schuldsvermutung 191 ist als bürgerstrafrechtlich im Sinne Jakobs anzusehen, da es

h.M. (vgl. etwa BGHSt 35, 328 ff., 329; 37, 48 ff., 52 f.; 42, 139 ff., 149) die Täuschung
im Sinne des § 136a StPO eng aus und erachtet die „kriminalistische List“ (beispielsweise
Fang- und Suggestivfragen, doppeldeutige Erklärungen und partiell auch das Täuschen
durch Unterlassen, sofern keine Pflicht zur Aufklärung besteht) als legitim.
187
Zur Begründung des „Rechts“ des Beschuldigten, nicht zur Aussage gezwungen
werden zu dürfen, das sich als Ausnahme zur staatsbürgerlichen Pflicht zur Mitwirkung
darstellt, vgl. Pawlik, M.: GA 1998, 378 ff., 382 f.; vgl. ferner auch ders.: GA 1998, 378 ff.,
386.
188
Vgl. Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 94; Lesch, H. H.: ZStW 111 (1999), 624 ff.,
624, 636, 639.
Ferner stellt nach Lesch das Aushorchen des Beschuldigten durch Privatpersonen nie
Zwang nach § 136a StPO (analog) dar – unabhängig davon, ob das in § 136a StPO umschrie-
bene Verhalten der Privatperson dem Staat zurechenbar sei oder nicht (insofern abweichend
von der h.M., die zumindest bei behördlichem Auftrag der Privatperson zur Bespitzelung
des Beschuldigten in einer Methode im Sinne des § 136a StPO die Möglichkeit einer
unzulässigen Beweismethode in Betracht zieht, vgl. BGHSt 44, 129 ff., 134).
189
Pawlik folgert das Schweigerecht aus dem Recht auf Kommunikationsverweigerung
seitens des Beschuldigten in seiner Eigenart als Rechtsperson. Andernfalls würde der
Beschuldigte kommunikativ wehrlos gestellt werden. Eine Aussagepflicht käme damit
einer Rechtlosstellung des Beschuldigten gleich (vgl. Pawlik, M.: GA 1998, 378 ff., 383,
389). Pawlik schließt sich im Übrigen der h.M. (BGH NJW 1989, 844 f.) an und sieht das
Schweigerecht in den Fällen als gewahrt an, in denen der Beschuldigte auf sozialadäquates
Nachfragen beziehungsweise von sich aus Angaben zum Tathergang macht (Pawlik, M.:
GA 1998, 378 ff., 386 f., 389).
190
Nach Lesch leitet sich der nemo-tenetur-Grundsatz nicht aus der Menschenwürde
her (anders: BVerfGE 55, 144 ff., 150 f.; 56, 37 ff., 44 f., 50; BVerfG NStZ 1995, 555 f.,
555), sondern stelle sich als unselbständiger Reflex des Rechts auf freie Verteidigerauswahl
im Strafverfahren sowie Ausfluss des Zwecks der Ausschaltung von Fehlerquellen und
damit des Interesses zutreffender Wahrheitserforschung dar. Insofern sei der nemo tenetur-
Grundsatz auch nur auf die Aussagefreiheit bei förmlichen Vernehmungen beschränkt.
Ein absolutes Recht auf Selbstbezichtigungsfreiheit bestehe dagegen nicht (Lesch, H. H.:
ZStW 111 (1999), 624 ff., 638 f.; vgl. auch ders.: GA 2000, 355 ff., 356 f., 359, 363; ders.:
Strafprozessrecht 2001, S. 103 f., 146).
191
Besondere Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips, der Verfassungsrang zukommt
(BVerfGE 82, 106 ff., 114; Herleitung aber umstritten, vgl. statt vieler: Stuckenberg, C.-
F.: Untersuchungen zur Unschuldsvermutung 1998, S. 48 ff.). Die Unschuldsvermutung
verbietet es, Maßnahmen gegen den Beschuldigten zu verhängen, die in ihrer Wirkung
einer Strafe gleichkommen, und ihn verfahrensbezogen als schuldig zu behandeln, oh-
ne im konkreten Strafverfahren einen gesetzlichen, ordnungsgemäßen Schuldnachweis
(BVerfGE 74, 358 ff., 371). Zum Problemkreis, ob und inwiefern Absprachen im Strafpro-
zess gegen die Unschuldsvermutung verstoßen, vgl. Stuckenberg, C.-F.: Untersuchungen
zur Unschuldsvermutung 1998, S. 113 ff. wie auch BGHSt 43, 195 ff.
B. Materielle und prozessuale Inhalte des Feindstrafrechts 47

dem Status des Bürgers als Rechtsperson entspricht, diesen nicht bereits vor der
positiven Überführung der Tat als Täter zu behandeln.
Der Staat müsse ferner im Rahmen des Schuldnachweises im Gegensatz zum
Beschuldigten 192 „mit offenen Karten“ spielen. Heimliche Ermittlungsmethoden
seien im Bürgerstrafrecht nicht erlaubt. 193 Da der Bürger weiterhin Rechtsper-
son sei, müsse zudem Waffen 194- beziehungsweise Wissensgleichheit zwischen
Anklage und Verteidigung bestehen. 195 Eine entsprechende bürgerstrafrechtliche
Ausgestaltung könnte etwa das Akteneinsichtsrecht des Verteidigers (§ 147 Abs. 1
StPO) darstellen. Auch die Prozessmaximen und deren Regelungen im Strafver-
fahrensrecht wie der Unmittelbarkeitsgrundsatz (§§ 250, 261 StPO), das Münd-
lichkeitsprinzip (§ 261 StPO), der Beschleunigungsgrundsatz (Art. 20 Abs. 3 GG,
Art. 6 MRK) und das Öffentlichkeitsprinzip (§ 169 GVG, Art. 6 MRK) dürften
bürgerstrafrechtlich sein, da sie Rechte des Täter wahren und damit der Subjekts-
stellung des Bürgers im Sinne Jakobs entsprechen.
Der materiell-rechtlichen Ausgestaltung des Bürgerstrafrechts als Tatstraf-
recht 196 entspricht prozessual das Erfordernis eines Anfangsverdachts, also des
Verdachts, dass überhaupt eine Straftat begangen wurde. 197 Im Rahmen des bei
Vorliegen eines Anfangsverdachts eingeleiteten Ermittlungsverfahrens müsse wie-
derum der Status des Bürgers als Rechtsperson beachtet werden. Bei Jakobs heißt
das vor allem, dass gegenüber Rechtspersonen kein physischer Zwang angewendet
werden darf. Dieser sei gegenüber dem Bürger nicht notwendig, weil jener aus
Einsicht am Verfahren teilnehme. Seine Anwesenheit müsse demgemäß nicht
erzwungen werden. 198 Zwar wurde bereits aufgezeigt, dass der Bürger im Bür-
gerstrafrecht das Recht hat, sich nicht selbst zu belasten. Er ist nicht aufgrund
seines Rechtspersonenstatus verpflichtet, die Tat zu gestehen – das wäre wohl
selbst von einer Rechtsperson zu viel verlangt. Dennoch greift die Person im
Recht nach Jakobs zumindest nicht zu Maßnahmen, die eine Sachaufklärung

Zur Bezeichnung der Unschuldsvermutung als Metapher, vgl. Lesch, H. H.: Strafpro-
zessrecht 2001, S. 104 f.
192
Vgl. dagegen zur Offenlegung der Beweise („disclosure“) der Verteidigung im
angloamerikanischen Rechtkreis Schuster, F. P.: Verwertbarkeit im Ausland gewonnener
Beweise im deutschen Strafprozess 2006, S. 147, insbesondere Fn. 554. Danach besteht in
England und Wales seit dem Criminal Procedure and Investigation Act 1996 auch für die
Verteidigung eine generelle Offenlegungspflicht bei Verfahren vor dem Crown Court.
193
Umkehrschluss zu Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 94.
194
BVerfGE 38, 105 ff., 111; 63, 45 ff., 61; 63, 380 ff., 391 ff.
195
Vgl. zur „Waffengleichheit“ im Bürgerstrafrecht im Sinne Jakobs: Dencker, F.: StV
1988, 262 ff., 263.
196
Siehe oben, Kapitel 1 C.I.1.
197
Vgl. auch Schlussfolgerung zum prozessualen Bürgerstrafrecht bei Dencker, F.: StV
1988, 262 ff., 263.
198
Jakobs, G.: HRRS 3/2004, S. 88 ff., 93.
48 Kap. 1: Das Feindstrafrecht

unmöglich machen und das strafrechtliche Verfahren vereiteln würden: Die Per-
son im Recht verdunkle keine Tatumstände und entziehe sich auch nicht durch
Flucht der Ermittlung. 199 Insofern sind nach Jakobs die Untersuchungshaft (§§ 112,
112a StPO), die Sicherungsverwahrung, die Blutentnahme (§ 81a StPO) und die
Überwachung ohne Wissen des Beschuldigten 200 rein physische Zwangsmittel,
die im Bürgerstrafrecht nicht angewendet werden dürften. 201 Lesch hält dagegen
die klassischen Haftgründe wie Flucht, Fluchtgefahr und Verdunklungsgefahr
für zulässig, soweit die ursprüngliche Funktion der Untersuchungshaft (Gewähr-
leistung der Durchführung eines geordneten Strafverfahrens und Sicherstellung
der späteren Strafvollstreckung) nicht unterlaufen wird. Nur den Haftgrund der
Wiederholungsgefahr gemäß § 112a StPO sieht er aufgrund seines Charakters als
rein präventiv-polizeiliche Sicherungshaft in materieller Hinsicht als fragwürdig
an. 202 Zudem dürften auch im Bürgerstrafrecht Zwangsmittel angewendet werden,
wenn der Beschuldigte sich der Zwangswirkung freiwillig aussetze, also etwa
freiwillig Wahrheitsdrogen einnehme, sich hypnotisieren lasse oder sich einem
Lügendetektortest unterziehe, um sich bei erdrückender Beweisnot vom Tatvor-
wurf zu entlasten. In einem solchen Falle werde die Stellung als Rechtsperson
nicht verletzt, sondern im Gegenteil sogar gewahrt. 203 Im Übrigen befindet Lesch
auch den Einsatz von Brechmitteln und Blutentnahme als körperliche Untersu-
chung nach § 81a StPO trotz ihres Zwangsmittelcharakters für unbedenklich 204,
da dem Bürger eine Mitwirkungspflicht im Strafprozess obliege. Der Bürger sei
im Rahmen des § 81a StPO nicht bloß zur passiven Duldung, sondern sogar zur
aktiven Mitwirkung verpflichtet. 205

199
Jakobs, G.: HRRS 3/2004, S. 88 ff., 93. Dem dürfte Lesch wohl zustimmen, wenn
er folgert, dass ein genereller Rechtsanspruch auf die Verheimlichung einer Straftat die
Qualität des Beschuldigten als Person zerstören und ihn auf die Stufe eines empirischen
Triebwesens als tiergleich-kreatürliche Existenz stellen würde, vgl. Lesch, H. H.: ZStW
111 (1999), 624 ff., 638.
200
Zumal Maßnahmen wie das Abhören in Wohnungen wiederum dem Internbereich
des Täters unterfielen.
201
Umkehrschluss zu Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 94. Vgl. zu § 112a StPO als
Ausdruck „polizeirechtlicher Verschmutzung“ des Strafrechts auch ders.: ZStW 117 (2005),
839 ff., 840.
202
Vgl. Lesch, H. H.: Strafprozessrecht 2001, S. 167 f.
203
Lesch, H. H.: ZStW 111 (1999), 624 ff., 640 f. und insofern in Übereinstimmung
mit der neueren Rechtsprechung, die die polygraphische Untersuchung mit Zustimmung
des Beschuldigten nicht als Verstoß gegen § 136a StPO und Art. 1 GG ansieht (vgl. BGHSt
44, 308 ff., 318 f.; a. A. noch BGHSt 5, 332 ff., 332 f.; BVerfG NStZ 1981, 446 f., 446),
wenngleich diese ein völlig ungeeignetes Beweismittel darstelle.
204
Vgl. dahingegen das Urteil des EGMR v. 11. 7. 2006 zum Verstoß der zwangsweisen
Verabreichung von Brechmitteln im Fall Jalloh gegen Art. 3 und Art. 6 EMRK in: NJW
2006, 3117 ff. (siehe auch Fn. 346); vgl. zudem Besprechung bei Heintschel-Heinegg, B.:
JA 2006, 904 ff.
B. Materielle und prozessuale Inhalte des Feindstrafrechts 49

II. Beschaffenheitsmerkmale des Feindstrafrechts

Jakobs als Schöpfer des theoretischen Konstruktes hält sich selbst bezüglich
der inhaltlichen Kriterien des feindstrafrechtlichen Modells eher bedeckt. So ve-
hement er sein feindstrafrechtliches Konzept auch gegen die teilweise harsche
Kritik verteidigt, so zaghaft fällt doch die inhaltliche Konkretisierung aus. Sei-
ne Ausführungen verlieren sich stattdessen oftmals in abstrakten Andeutungen
und Benennung von Beispielen, ohne jedoch mehr als eine Groborientierung
vorzugeben. Allerdings gibt Jakobs vier Kennzeichen eines (tendenziellen) Feind-
strafrechts an die Hand 206: In der Tendenz werde die Strafbarkeit zur Erfassung
künftigen Unrechts weit vorverlagert (1), trotz dieser Vorverlagerung finde keine
proportionale Reduktion der Strafbarkeit statt (2), die Strafrechtsgesetzgebung
gehe in eine präventive Bekämpfungsgesetzgebung über (3) und prozessuale Ga-
rantien würden abgebaut (4).

1. Interna berücksichtigende Vorverlagerung der Strafbarkeit

Im Gegensatz zum Bürgerstrafrecht werde im Feindstrafrecht nicht zwischen


internem und externem Verhalten unterschieden. Im Rahmen des Feindstrafrechts
würden auch Interna des Täters zur Begründung der Strafbarkeit herangezogen,
um effektiven Rechtsgüterschutz zu gewährleisten. 207 Damit gehe zugleich eine
Vorverlagerung der Strafbarkeit 208 einher. So werde beispielsweise im Rahmen
des § 30 StGB 209 die bloße Verabredung zu einem Verbrechen mit Strafe belegt,
obwohl der Täter lediglich in seiner Privatsphäre tätig wurde, ohne dass sein
Verhalten nach außen gedrungen wäre. 210 Zwar öffnen die Täter beim Beteili-

205
Insofern entgegen der h.M. (BGHSt 34, 39 ff., 45 f. m.w. N.), die dem Bürger nur
eine passive Duldungspflicht auferlegt, vgl. Lesch, H. H.: ZStW 111 (1999), 624 ff., 638 f.;
ders.: Strafprozessrecht 2001, S. 189 ff.; kritisch Schneider, H.: ZStW 113 (2001), 499 ff.,
505 f.
206
Die nachfolgende Aufzählung der Kennzeichen des Feindstrafrechts entstammt der
Ausführung Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtau-
sendwende 2000, S. 47 ff., 51 f.
207
Vgl. Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 751 ff., 756, 761.
208
Kritisch zu den Metaphern der Vorverlagerung oder Vorfeldkriminalisierung Schroe-
der, F.-C.: Jakobs-FS 2007, S. 627 ff.
209
Vgl. Entstehungsgeschichte und Ausführungen zu § 30 StGB bei Jakobs, G.: Staatli-
che Strafe 2004, S. 45 f.; ders.: HRRS 3/2004, 88 ff, 93 f.; ders.: HRRS 8 –9/2006, 289 ff.,
295.
210
Jakobs zu Vorverlagerung bei § 30 StGB: ZStW 97 (1985), 751 ff., 756, 765 f.; ders.:
HRRS 3/2004, 88 ff., 93, 95. Die Legitimation des § 30 StGB wird ebenso wie die generelle
Zulässigkeit von Vorfeldkriminalisierungen grds. angezweifelt. Nicht bloß bei Jakobs wird
sowohl § 30 in seinen diversen Varianten wie auch die allgemeine Vorverlagerung von
Strafbarkeit als Ausprägung eines „Feind-“ oder auch „Gesinnungsstrafrechts“ aufgefasst,
50 Kap. 1: Das Feindstrafrecht

gungsversuch ihre Privatbereiche, jedoch nur im Verhältnis zueinander. „Dieser


entstandene, gemeinsame Bereich bleibt jedoch gegenüber Außenstehenden ver-
schlossen; denn daß sich jemand auf andere Menschen einläßt, legitimiert kei-
ne öffentliche Einmischung.“ 211 Die deliktsvorbereitende soziale Beziehung ist
gleichfalls privat. 212 Mit Berücksichtigung dieses Privatbereichs zur Begründung
von Strafbarkeit werde der Täter als Feind behandelt und nicht als Bürger. 213
Vorverlagerungen finden sich zudem bei Kriminalisierungen materieller Vorbe-
reitungshandlungen, soweit diese im Internbereich erfolgen 214, wie zum Beispiel
einige Staatsschutzdelikte 215 oder die Bildung krimineller und terroristischer Ver-

vgl. z. B. die Ausführungen zur Berücksichtigung nicht äußerlich manifestierter Merkmale


zum Zwecke der Strafbarkeit (im Anschluss an Jakobs in ZStW 97 (1985), 751 ff., 756,
765 f.) bei Dencker, F.: StV 1988, 262 ff., 264; vgl. auch Beck, W.: Unrechtsbegründung
und Vorfeldkriminalisierung 1992, S. 204 ff.; zu § 30 Abs. 2, 3. Alt. StGB, vgl. Fieber, U.:
Die Verbrechensverabredung 2001, S. 187 f.; ähnlich zur Unvereinbarkeit des § 30 mit den
Grundsätzen des Tatstrafrechts Köhler, M.: Strafrecht AT 1997, S. 545 ff.; a. A. Lagodny,
O.: Strafrecht vor den Schranken der Grundrechte 1996, S. 231 f. Insofern verwundert es
auch nicht, dass der zunächst kritisch verwendete Terminus des „Feindstrafrechts“ bei
seiner Einführung durch Jakobs 1985 viel Zustimmung erfahren hat.
211
Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 751 ff., 757.
212
Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 751 ff., 757.
213
Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 751 ff., 756.
214
Jakobs beschreibt also nicht alle materiellen Vorverlagerungen als feindstrafrecht-
lich, sondern nur die den Internbereich bestrafenden Vorverlagerungen. Beispielsweise sind
die meist als abstrakte Gefährdungsdelikte ausgestalteten Umweltstraftaten nach §§ 324 ff.
StGB nicht feindstrafrechtlicher Natur, sofern ein externes Verhalten sanktioniert wird,
wie etwa bei der Luftverunreinigung nach § 325 Abs. 1 StGB. Auch wenn eine tatsächli-
che Gefährdung der Gesundheit etc. nicht nachweisbar ist (Vorverlagerung, da die bloße
Eignung genügt), so hat die Handlung (Ausstoßen von Schadstoffen in die Luft) sich
nach Außen hin manifestiert. Insofern ist die allgemein gehaltene Kritik bei Hamm an
der Trefferquote der Vorverlagerungen im Umweltstrafrecht in Hinsicht auf den Feind
als betroffenen Normadressat zu wenig differenziert (vgl. Hamm, R. in: Rode, I. u. a.
(Hrsg.): Neue Lust aufs Strafen 2005, S. 105 ff., 117). Vgl. auch Saliger, F.: JZ 2006,
756 ff., 760, der das Umweltstrafrecht in seiner abstrakten Charakterisierung als typisches
Risikostrafrecht gleichfalls gegen das konzeptionelle Feindstrafrecht anführt, da keine Fein-
de betroffen werden. Sofern hierunter auch die materiellen Vorverlagerungen im Umwelt-
strafrecht fallen, geht Saliger jedoch ebenso wenig auf die bei Jakobs getroffene Abgren-
zung feindstrafrechtlicher Regelungen nach den berücksichtigten Täterinterna ein. Die Ei-
genheit der Umweltdelikte als Gefährdungsdelikte führt nicht zwangsläufig dazu, dass diese
feindstrafrechtlich sind, sondern es danach zu fragen, ob die entsprechende Norm Interna
des Täters bestraft. Nur dann ist das Gefährdungsdelikt feindstrafrechtlich ausgestaltet.
Die gleiche Kritik ist an Kindhäuser zu üben, wenn er die Straßenverkehrsdelikte in
ihrer Eigenschaft als Gefährdungsdelikte, die keinen Verletzungserfolg voraussetzen (etwa
das generelle Verbot gemäß § 315c Abs. 1 Nr. 1a StGB, ein Fahrzeug im fahruntüchtigen
Zustand zu führen), zur Verneinung des Feindstrafrechts auf deskriptiver Ebene benennt
(Kindhäuser, U.: F.-C. Schroeder-FS 2006, S. 81 ff., 96). Ein sich in fahruntüchtigem
Zustand befindlicher Fahrer eines Kraftfahrzeuges manifestiert sein normuntreues Verhalten
nach außen, indem er eine öffentliche Straße benutzt. Interna des Täters werden in diesem
B. Materielle und prozessuale Inhalte des Feindstrafrechts 51

einigungen (§§ 129, 129a und b StGB 216) und insbesondere, wenn sie sich auf
zukünftige Taten 217 beziehen. Des Weiteren seien abstrakte Gefährdungsdelikte
feindstrafrechtlich zu interpretieren, sobald sich die Strafbarkeit nicht allein aus
einer externen Störung, welche aus der Unabsehbarkeit potentieller Schadensver-
läufe folge, ergebe. 218 Folge die Strafbarkeit eines Verhaltens also nicht allein
daraus, dass das Verhalten die Schadensneigung objektiv in sich trage, sondern
werde vielmehr der konkrete, interne Kontext zu diesem Zwecke berücksich-
tigt, werde die Privatsphäre des Täters als strafbarkeitsbegründendes Kriterium
hinzugezogen, so dass es sich in der Folge um Feindstrafrecht handle. 219 Nach
Jakobs wird unter anderem bei den Alternativen des Herstellens und Verschaf-
fens im Rahmen der Urkundsdelikte (§ 267 Abs. 1 Alt. 1 und 2 StGB) 220 sowie
der Geldfälschung (§ 146 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StGB) auf den inneren Planungs-
zusammenhang abgestellt und somit gegen die Privatheitsmaxime als Ausdruck
des Tatprinzips verstoßen. Gleichfalls sehe die Vorbereitung eines Explosions-
oder Strahlenverbrechens gemäß § 310 StGB 221 sowie die Unterhaltung von frie-
densgefährdenden Beziehungen gemäß § 100 StGB 222 eine feindstrafrechtliche
Berücksichtigung von Interna vor. Der Täter werde demzufolge bestraft, obwohl
sich das störende Verhalten nicht nach außen manifestiert habe. Vielmehr werde
die tätereigene Privatsphäre zur Begründung der Strafbarkeit herangezogen und
die geplante Rechtsgutsverletzung erst gar nicht abgewartet.
Eine solche – nach Jakobs feindstrafrechtliche – Bestrafung muss vor allem
auch in den Fällen sinnvoll erscheinen, in denen eine der eigentlichen Rechts-

Fall also gerade nicht berücksichtigt, so dass es sich hier bereits im Grundsatz nicht um
eine feindstrafrechtliche Norm handelt.
215
Vgl. zu den Vorverlagerungen im Rahmen des politischen Strafrechts etwa auch
Hefendehl, R.: F.-C. Schroeder-FS 2006, S. 453 ff.; Hörnle, T.: GA 2006, 80 ff., 83 f.
216
Jakobs, G.: ZStW 117 (2005), 839 ff., 839 f.; vgl. ferner unter Bezugnahme auf
Jakobs: Cancio Meliá, M.: Jakobs-FS 2007, S. 27 ff., 30 ff. Zur mangelnden Unrechtsbe-
gründung der §§ 129, 129a StGB vgl. auch Beck, W.: Unrechtsbegründung und Vorfeldkri-
minalisierung 1992, S. 206 ff.
217
Vgl. Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 751 ff., 778 f.; ders. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.):
Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende 2000, S. 47 ff., 51.
218
Vgl. auch die Differenzierung zwischen unechten und echten Vorbereitungsverboten
bei Lagodny, O.: Strafrecht vor den Schranken der Grundrechte 1996, S. 207 ff. Danach
sind unechte Vorbereitungsverbote gegeben, wenn der Verbotsgrund rein objektiv aus der
abstrakten Gefahr folgt. Ein echtes Vorbereitungsverbot liegt dagegen vor, wenn das Verbot
nicht allein am konkreten Verhalten anknüpft, sondern auf einen bestimmten deliktischen
Planungszusammenhang abstellt.
219
Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 751 ff., 772.
220
Bezüglich der Urkundsdelikte anderer Ansicht Voß, M.: Symbolische Gesetzgebung
1989, S. 145.
221
Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 751 ff., 772 f., wobei Jakobs sich auf § 311b StGB
a.F. bezieht.
222
Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 751 ff., 761 f.
52 Kap. 1: Das Feindstrafrecht

gutsverletzung nachfolgende Strafe gar nicht möglich ist. So verliert etwa eine
nachträgliche Strafe konsequenter Weise bei terroristischen Selbstmordattentätern
ihren Sinn, da der zu bestrafende Täter nicht länger existent ist. Wer nicht überle-
ben will, ist auch mit nichts zu bedrohen – Abschreckung, Normeinübung, Strafe
und Sühne 223 werden bedeutungslos.
Bestraft würden nicht gefährliche Taten, sondern gefährliche Täter 224, deren
willentlich gesteuertes Internverhalten bereits geeignet sei, Rechtsgüter zu verlet-
zen. Daher könne auch bei einem neutralen Verhalten des Täters allein dessen
Gefährlichkeit eine Strafbarkeit begründen, so dass eine Verlagerung zum Gefähr-
dungsstrafrecht stattfinde. 225 Wie ein derart beschaffenes, ideales Feindstrafrecht
ausgestaltet sein könnte, wird von Jakobs in einem Vergleich mit den Ausführun-
gen bei Zachariä eindrucksvoll vor Augen geführt:
„Der Richter würde gegen Jeden, der in eine Apotheke tritt und Gift fordert, gegen
Jeden, der sich ein Gewehr kauft oder Leitern und Stricke angeschafft hat, zu inquirieren
berechtigt seyn, ob dies nicht in der Absicht geschehen sey, ein Verbrechen zu verüben.“ 226
Damit werde im Feindstrafrecht im Vergleich zum Bürgerstrafrecht ein Wan-
del zum täterorientierten Strafrecht vollzogen. Werde also bereits die Anmaßung
eines abstrakt gefährlichen Verhaltens durch den Täter bestraft, obgleich die Ver-
letzungshandlung selbst noch ausstehe, sei die Strafe auf die reinen Deliktspläne
gestützt 227 und damit feindstrafrechtlich. Auch der Angriff auf den Luftverkehr

223
Bei Selbstmordattentätern läuft die Strafe unter Zugrundelegung sämtlicher Straf-
theorien – nicht bloß im Rahmen der positiven Generalprävention – leer: Das strafrechtliche
Abschreckungspotential versagt in Bezug auf den Selbstmordattentäter, da dieser spezial-
präventiv selbst durch den eigenen Tod nicht von der Durchführung der Tat abgehalten wird.
Das gleiche muss für die generalpräventive Abschreckung potentieller Selbstmordattentä-
ter gelten. Die Vergeltung der Tat als absoluter Strafzweck scheitert ebenso am Tod des
Selbstmordattentäters wie dessen Resozialisierung. Indem der terroristische Schläfer und
Selbstmordattentäter dem Staat das Tötungsmonopol (bzw. in Deutschland die lebenslange
Freiheitsstrafe) abspricht, verliert der Staat an Drohpotential. Er wird machtlos (Reuter, C.:
Mein Leben ist eine Waffe 2002, S. 11). Inwieweit die Strafzwecke im Hinblick auf die
(noch existenten) Hintermänner und (Mit-)Organisatoren greifen, mag hier dahinstehen, da
die Strafe zumindest im Bezug auf den Vordermann ihren Zweck verfehlt. Zudem fehlt den
überlebenden Hintermännern regelmäßig die Einsicht über die Grausamkeit ihrer Tat(en).
Strafrechtlich fehlt es damit an einer befriedigenden Antwort auf Selbstmordattentate sei-
tens der „Opferstaaten“. Es scheint sich vielmehr so zu verhalten, dass eine erfolgreiche
Prävention nur intern durch täternahe, muslimische Institutionen und Personen stattfinden
kann.
224
Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 751 ff., 771.
225
Vgl. hierzu auch Cancio Meliá, M.: ZStW 117 (2005), 267 ff., 269.
226
Zitiert bei Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 751 ff., 762.
227
Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 751 ff., 772.
Ebenso sieht Lagodny gegenwärtig eine Entwicklung in der Gesetzgebung, zunehmend
den „bloßen bösen Gedanken“ zu sanktionieren und damit Vorbereitungsdelikte zu schaffen
(Lagodny, O.: Strafrecht vor den Schranken der Grundrechte, S. 2).
B. Materielle und prozessuale Inhalte des Feindstrafrechts 53

gemäß § 316c Abs. 4 StGB (entspricht § 316c Abs. 3 StGB a.F.), für den bereits
das Sich-Verschaffen einer Waffe zum Anlass genommen wird, dem Täter eine
Angriffsabsicht zu unterstellen, ist nach Jakobs exemplarisch für den Trend zu
feindstrafrechtlichen Vorverlagerungen. Das Besorgen einer Waffe gelte schließ-
lich gemeinhin als straflose Vorbereitungshandlung. 228 Folglich werde auf den
Planungszusammenhang des Täters abgestellt 229 und in der Konsequenz der Täter
als Feind behandelt:
„Solche Entkleidungen des Subjekts von seiner Privatsphäre gehören nicht mehr zum
bürgerlichen Strafrecht, sondern zum Feindstrafrecht.“ 230
Das Feindstrafrecht diene daher insbesondere auch der Verhinderung zukünf-
tiger Taten. Eine solche Tendenz sei neben den bereits benannten Organisations-
delikten nach §§ 129, 129a und b StGB den §§ 30 Abs. 1 Nr. 3, 31 Abs. 1 Nr. 1
BtMG a.F. 231 (bandenmäßiger Anbau von Betäubungsmitteln) zu entnehmen. 232
Ferner komme das präventive, feindstrafrechtliche Element in einigen so genann-
ten Partialnormen zum Ausdruck. Partialnormen seien solche Normen, die ein
bestimmtes „Klima“ schützen, um die Geltungsbedingungen der Hauptnormen,
die konkrete Rechtsgüter schützen, zu gewährleisten. 233 Indem Partialnormen die
eigentliche Hauptnorm (quasi vorsorglich) absichern, würden sie automatisch
Strafbarkeitsvorverlagerungen in Hinsicht auf die Hauptnorm beinhalten. Als
Beispiele für Partialnormen zählt Jakobs unter anderem § 111 StGB (öffentliche
Aufforderung zu Straftaten), die Aufstachelung zum Angriffskrieg nach § 80a
StGB, Volksverhetzung gemäß § 130 StGB 234, Störung des öffentlichen Friedens
durch Androhung von Straftaten gemäß § 126 StGB sowie die Bedrohung (§ 241
StGB) auf. Diese Delikte (von Jakobs auch „Klimaschutzdelikte“ genannt 235)
seien dann feindstrafrechtlicher Natur, wenn die Bestrafung erfolge, obwohl der
Täter lediglich in seinem eigenen Organisationskreis tätig werde, also sein Ver-
halten nicht extern wirke. 236 Auch hier fragt Jakobs konsequenter Weise nach
der Öffentlichkeit des Täterverhaltens als Kriterium für die Abgrenzung des Bür-
gerstrafrechts vom Feindstrafrecht. Denn liege kein öffentliches Verhalten vor,

228
Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 751 ff., 773.
229
Insofern sind nach Jakobs auch nur diejenigen abstrakten Gefährdungsdelikte mit
dem Tatprinzip vereinbar, welche die generelle Gefahr des Verhaltens bestrafen, nicht aber
diejenigen, die auf die Gefahr des speziellen Planungszusammenhangs abstellen (Jakobs,
G.: ZStW 97 (1985), 751 ff., 784 f.).
230
Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 751 ff., 773.
231
Nunmehr in § 30a Abs. 1 BtMG n.F. geregelt.
232
Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausend-
wende 2000, S. 47 ff., 51.
233
Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 751 ff., 775.
234
Zur Eigenschaft des § 130 StGB als sog. Klimadelikt vgl. auch Brugger, W.: JA
2006, 687 ff., 691.
235
Vgl. Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 751 ff., 782.
54 Kap. 1: Das Feindstrafrecht

könne auch das Vertrauen in die Grundnorm nicht tangiert werden. Vielmehr
erfolge die Strafe im Hinblick auf die zukünftige, in der Hauptnorm unter Stra-
fe gestellte Rechtsgutsverletzung 237 aufgrund der generellen Gefährlichkeit des
Täters. In diesem Sinne seien auch die Klimaschutztatbestände nach § 130 StGB
(Volksverhetzung) und § 140 StGB (Belohnung und Billigung von Straftaten)
tendenziell feindstrafrechtlich ausgerichtet, da der Täter sich hierbei eben keine
fremde Organisation anmaße. 238

2. Fehlende Proportionalität der Strafe zur Tatschuld

Nach Jakobs fehlt es im Feindstrafrecht – im Gegensatz zum Bürgerstraf-


recht 239 – an der Proportionalität von Strafe und Tatschuld. Dies lasse sich insbe-
sondere an den Normierungen verdeutlichen, die feindstrafrechtliche Vorverlage-
rungen 240 zum Inhalt haben. Obgleich der Täter im Rahmen einer Vorfeldtat noch
vergleichsweise weit entfernt von der eigentlichen Rechtsgutsverletzung sei, finde
keine Reduktion der Strafe statt, die der mangelnden Rechtsgutsverletzungsnähe
Rechnung trage. 241 Demgemäß mache sich zum Beispiel der Rädelsführer be-
ziehungsweise Hintermann einer terroristischen Vereinigung bereits nach § 129a
StGB strafbar, indem er etwa die Vereinigung gründe – selbst wenn die Gründung
(oder auch die Betätigung in der Vereinigung, vgl. § 129a StGB) in der Privat-
sphäre erfolge. Trotz dieser vorverlagerten Strafbarkeit drohe dem Rädelsführer
der terroristischen Vereinigung gleichfalls wie demjenigen, der einen Mord 242
versucht habe (bei fakultativer Versuchsmilderung nach §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1
Nr. 1 StGB), eine Strafe von nicht weniger als drei Jahren (§ 129a Abs. 4 i.V. m.
Abs. 1 StGB) 243, obwohl letzterer mit dem unmittelbaren Ansetzen bereits wesent-

236
Im Umkehrschluss zu Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 751 ff., 775: Bürgerstrafrechtlich
ist eine Partialnorm, wenn der Täter sich die Gestaltung des Verhältnisses zwischen Opfer
und Hauptnorm anmaßt.
Vgl. auch Ausführungen bei Schneider, H.: Kann die Einübung in Normanerkennung
die Strafrechtsdogmatik leiten? 2004, S. 87.
237
Vgl. Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 751 ff., 781 f.
238
Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 751 ff., 779 f.
239
Zum Tatunrecht im Sinne der positiven Generalprävention bei Jakobs vgl. Kapitel 1
C.I.2.
240
Siehe hierzu den vorhergehenden Unterpunkt (Kapitel 1 C.II.1.).
241
Vgl. Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtau-
sendwende 2000, S. 47 ff., 51.
242
Gemäß § 129a Abs. 1 StGB stellt ein Mord (§ 211 StGB) einen entsprechend straf-
baren Vereinigungszweck dar.
243
Zu dem regelmäßig angestellten Vergleich der Strafbarkeit von §§ 211, 212, 22, 23
Abs. 1 StGB und § 129a StGB siehe Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 93 sowie ders. in:
Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende 2000, S. 47 ff., 51;
ders.: Staatliche Strafe 2004, S. 46 und ders.: HRRS 8 – 9/2006, 289 ff.,295.
B. Materielle und prozessuale Inhalte des Feindstrafrechts 55

lich näher an die Verwirklichung der Rechtsgutsverletzung herangerückt sei. Das


verwirklichte Tatunrecht stehe im Rahmen des Feindstrafrechts also nicht im Ver-
hältnis zum Strafmaß, denn der Feind werde bestraft, lange bevor die eigentliche
Tat überhaupt begangen wurde. Insofern werden im Feindstrafrecht vergleichswei-
se harte Strafen selbst für bloße Vorbereitungshandlungen vorgesehen.
Dies erklärt sich daraus, dass sich die Strafe im Feindstrafrecht nach Jakobs
zwar nicht proportional zur Tatschuld, jedoch proportional zur Gefährlichkeit des
Feindes bemisst. 244 Da die Gesinnung des Feindes im Sinne Jakobs und die damit
von ihm ausgehende Gefährlichkeit jedoch in jedem Stadium der Tat gleich bleibt,
ist die im Rahmen des Feindstrafrechts verhängte Strafe von der Planung der Tat
bis hin zu ihrem Abschluss gleich zu bemessen. Eine Herabsetzung der Strafe
nach dem jeweiligen Zeitpunkt der Tatausführung kommt in der Konsequenz nicht
in Betracht.
Darüber hinaus kommt es mangels des Erfordernisses einer tatsächlich begange-
nen Tat im Feindstrafrecht nach Jakobs nicht auf die Intensität der Rechtsgutsver-
letzung im Sinne einer räumlich-zeitlichen Nähe zum Angriffsobjekt an. Es dürfte
also unerheblich sein, inwiefern die Verletzung nahe lag (Versuch, Vorfeld etc.).
Abzustellen ist danach einzig auf die grundsätzliche Bereitschaft des Feindes,
ein Rechtsgut zu verletzen. Danach wäre der Grad der Gefährlichkeit des Täters
der Maßstab für die Strafzumessung. Im Regelfall dürfte die Strafe aufgrund der
feindstrafrechtlichen Zielsetzung des optimalen Rechtsgüterschutzes wohl – von
einer Verweisung außer Landes oder der hierzulande abgeschafften Todesstra-
fe abgesehen – im (lebens-)langen Freiheitsentzug liegen. Schließlich stellt der
Feind nach Jakobs eine permanente Rechtsgutsgefahr dar, gegen die konsequent
vorzugehen ist (= „das zur Vermeidung einer Wiederholung Zweckmäßige ist zu
tun“ 245). Und so folgert auch Jakobs, dass es sich der Sache nach bei der Strafe
im Feindstrafrecht um eine vorweggenommene Sicherungsverwahrung handeln
dürfte. 246

3. Übergang zur präventiven Bekämpfungsgesetzgebung

Anders als das Bürgerstrafrecht beinhalte das Feindstrafrecht auch die Abwehr
zukünftiger Angriffe. 247 Folglich habe die Sicherung des Feindes als Gefahrenquel-
le frühzeitig stattzufinden; der Feind müsse schnellst möglichst „ausgeschaltet,
kaltgestellt“ 248 werden. Der Feind verletze nämlich bereits dadurch, dass er in

244
Vgl. auch Schlussfolgerung bei Hörnle, T.: GA 2006, 80 ff., 81.
245
Vgl. Jakobs, G.: Norm, Person, Gesellschaft 1999, S. 104.
246
Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 93.
247
Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausend-
wende 2000, S. 47 ff., 51.
56 Kap. 1: Das Feindstrafrecht

seinem rechtslosen Zustand verharre, so dass der Bürger durch ihn beständig
bedroht wird. 249 Im Rahmen des Feindstrafrechts erfolge demgemäß eine Gesetz-
gebung, die der Bekämpfung drohender Gefahren, und nicht bloß der Sanktio-
nierung einer bereits verwirklichten Rechtsgutsgefahr diene. Charakteristisch für
ein Feindstrafrecht sei daher, dass „Bekämpfungsgesetze“ erlassen werden, die
präventiven Rechtsgüterschutz erstreben. Einen solchen, präventiven Sicherungs-
trend beobachtet Jakobs in der aktuellen Strafgesetzgebung. 250 Beispielsweise
werden Bekämpfungsgesetze in Bezug auf die Wirtschaftskriminalität 251, den
Terrorismus 252, die Organisierte Kriminalität 253, aber auch im Hinblick auf Se-
xualstraftaten und andere gefährliche Straftaten 254 erlassen. Per Gesetzgebung
solle das Verbrechen 255 an sich bekämpft 256, also die Begehung schwerwiegender
Straftaten im Keim erstickt werden.
Des Weiteren kann auch die Sicherungsverwahrung nach §§ 66 ff. StGB als
präventive Legislativmaßnahme und damit als qualitative Bekämpfungsrechtset-
zung herangezogen werden. Zwar hat hier der Täter bereits eine schwerwiegende
Rechtsgutsverletzung begangen, die zum Anlass genommen wird, ihn wegen
seiner Gefährlichkeit dauerhaft einzusperren. Präventiv ist die Maßnahme der
Sicherungsverwahrung jedoch dahingehend, dass weitere (zukünftige) Straftaten
durch den als gefährlich eingestuften Delinquenten verhindert werden sollen. Als
gefährlich gilt der Täter, weil er wiederholt straffällig wurde beziehungsweise die
vorhergehenden und die aktuelle Straftaten eine gewisse Schwere 257 aufweisen.

248
Vgl. ob dieser radikalen Ausdrucksweise Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Straf-
rechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende 2000, S. 47 ff., 53.
249
Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 93.
250
Zur Sicherheit im Strafrecht (etwa „Sicherheitsstrafrecht“ bzw. „Sicherheitsstaat“)
vgl. beispielsweise Albrecht, P.-A.: Die vergessene Freiheit 2003; Appel, I.: Verfassung
und Strafe 1998, S. 35 f.; Haffke, B. in: Rode, I. u. a. (Hrsg.): Neue Lust aufs Strafen 2005,
S. 35 ff.; Hassemer, W.: JuS 1987, 257 ff.; ders.: ZRP 1992, 378 ff., 380; ders.: StraFo 2005,
312 ff., 314; Hirsch, J.: Der Sicherheitsstaat 1980; Krauß, D.: StV 1989, 315 ff.; Lagodny,
O.: Strafrecht vor den Schranken der Grundrechte 1997, S. 1 f.; Stratenwerth, G.: ZStW
105 (1993), 679 ff.; Wohlers, W.: Deliktstypen des Präventionsstrafrechts 2000.
251
„Erstes Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität“ vom 29. 7. 1976
(BGBl. I, S. 2034); „Zweites Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität“ vom
15. 5. 1986 (BGBl. I, S. 721).
252
Art. 1 des „Gesetzes zur Bekämpfung des Terrorismus“ vom 19. 12. 1986 (BGBl. I,
S. 2566).
253
„Gesetz zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungs-
formen der Organisierten Kriminalität“ vom 15. 7. 1992 (BGBl. I, S. 1302).
254
„Gesetz zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten“
vom 26. 1. 1998 (BGBl. I, S. 160).
255
„Verbrechensbekämpfungsgesetz“ vom 28. 10. 1994 (BGBl. I, S. 3186).
256
Aufzählung der erlassenen Bekämpfungsgesetze bei Jakobs, G. in: Eser, A. u. a.
(Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende 2000, S. 47 ff., 51 f.; ders.:
Staatliche Strafe 2004, S. 41 f.
B. Materielle und prozessuale Inhalte des Feindstrafrechts 57

Insofern handelt es sich bei der Sicherungsverwahrung um Zwang gegen den


Feind im Sinne Jakobs. Würde sich der ehemals gefährliche Straftäter nämlich
freiwillig unterwerfen, bedürfte es gar keiner Sicherung mehr – der Täter verhielte
sich damit rechtstreu. 258 Gleiche Erwägungen müssen erst recht im Bezug auf die
nachträgliche Sicherungsverwahrung nach § 66b StGB zu Buche schlagen. Dabei
wird der Täter nach Ende der Strafhaft in Sicherungsverwahrung genommen, weil
sich erst nach seiner Verurteilung Anhaltspunkte für seine erhebliche Gefähr-
lichkeit ergeben (und soweit die übrigen Voraussetzungen des § 66 StGB erfüllt
sind). Bezüglich zukünftiger Straftaten ist die Sicherungsverwahrung damit eine
feindstrafrechtlich ausgerichtete Verdachtsstrafe, da selbige nur prognostisch, also
aufgrund bestimmter Anhaltspunkte, die den Verdacht fortwährender Gefährlich-
keit des Verbrechers begründen, ergeht. 259
Zudem stelle das Luftsicherheitsgesetz 260 und insbesondere dessen (zwischen-
zeitlich für verfassungswidrig erklärter 261) Art. 14 feindstrafrechtliche Bekämp-
fungsgesetzgebung im Sinne einer präventiven Abwehr drohender Rechtsgutsver-
letzungen dar 262, da danach entführte (Passagier-)Flugzeuge abgeschossen werden
durften, um weitere Terroranschläge wie diejenigen des 11. Septembers frühzeitig
zu verhindern.
Angemerkt sei an dieser Stelle, dass sich das Merkmal der Bekämpfungsgesetz-
gebung aufgrund der prägenden präventiven Ausgestaltung partiell mit anderen
von Jakobs umschriebenen Kriterien eines Feindstrafrechts überschneidet, insbe-

257
Die erforderliche Schwere ergibt sich nach § 66 StGB bei einer Verurteilung zu
mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe, wenn der Täter (wiederholt) zu einer Freiheitsstrafe
bzw. einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung verurteilt wurde
bzw. jene noch verbüßt (§ 66 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2, Abs. 2 StGB), wenn der Delinquent
aufgrund seines Hanges zu erheblichen Straftaten für die Allgemeinheit gefährlich ist (§ 66
Abs. 1 Nr. 3 StGB) oder wenn bestimmte Delikte, beispielsweise Sexualdelikte, wiederholt
begangen wurden (§ 66 Abs. 3 StGB).
258
Jakobs, G.: Staatliche Strafe 2004, S. 42.
259
Vgl. zur präventiven, täterstrafrechtlichen Orientierung der Sicherungsverwahrung
unter Bezugnahme auf feindstrafrechtliche Tendenzen etwa auch Lüderssen, K. in: Institut
für Kriminalwissenschaften und Rechtsphilosophie Frankfurt a. M. (Hrsg.): Jenseits des
rechtsstaatlichen Strafrechts 2007, S. 405 ff., 412 ff. Siehe ferner zur gesellschaftlichen
Exklusion des zum Feind erklärten, da gefährlichen Strafgefangenen, durch die Siche-
rungsverwahrung: Apel, M. in: Institut für Kriminalwissenschaften und Rechtsphilosophie
Frankfurt a. M. (Hrsg.): Jenseits des rechtsstaatlichen Strafrechts 2007, S. 355 ff., 360 ff.,
vor allem S. 362.
260
LuftSiG vom 11. 1. 2005 (BGBl. I, S. 78) als Artikel 1 des Gesetzes zur Neuregelung
von Luftsicherheitsaufgaben. Das LuftSiG beruht auf der EU-Verordnung 2320/2002 des
Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. 12. 2002 zur Festlegung gemeinsamer
Vorschriften für die Sicherheit in der Zivilluftfahrt (ABIEG Nr. L 355 v. 30. 12. 2002).
Vgl. hierzu auch Kapitel 2 C.I.4. und Kapitel 2 C.II.2.b).
261
Siehe BVerfG NJW 2006, 751 ff.
262
Vgl. Jakobs, G.: ZStW 117 (2005), 839 ff., 848.
58 Kap. 1: Das Feindstrafrecht

sondere der Einschränkung prozessualer Garantien. So werden beispielsweise in


strafrechtlichen Normen zur Überwachung verdächtiger Personen und zur Daten-
übermittlung, die im Rahmen der Bekämpfung Organisierter Kriminalität 263 erlas-
sen wurden, Prozessmaximen wie die Unschuldsvermutung, Schweigerechte des
Beschuldigten oder die Voraussetzung eines Anfangsverdachts vernachlässigt. 264
Auf die prozessuale Prägung des Feindstrafrechts soll jedoch im nachfolgenden
Unterpunkt gesondert eingegangen werden.

4. Einschränkung prozessualer Garantien

Verfahrensgarantien des Bürgerstrafrechts wie zum Beispiel das Recht des


Beschuldigten auf rechtliches Gehör, der nemo tenetur-Grundsatz oder die Un-
schuldsvermutung finden in einem Feindstrafrecht gar keine oder zumindest nur
eingeschränkte Berücksichtigung, denn der Feind sei kein Rechtssubjekt; seine
Bestrafung sowie die Durchführung des Strafverfahrens habe einzig nach Zweck-
mäßigkeitserwägungen zu erfolgen: Erlaubt sei, was nütze, um die Gefahr zu
bannen. Verfahrensrechtliche Garantien zugunsten des Feindes würden dagegen
die Effizienz des Strafrechts hemmen.
Beispielhaft soll die Reduzierung von Prozessgarantien am Prinzip der Un-
schuldsvermutung dargelegt werden. Der in dubio pro reo-Grundsatz findet seine
Rechtsgrundlage in Art. 6 Abs. 2 EMRK sowie in § 261 StPO und schließlich über-
greifend in dem in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Rechtsstaatsprinzip. 265 Nach der
Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte wird gegen
diesen Grundsatz verstoßen, wenn eine gerichtliche Entscheidung ergeht, welche
dem Angeklagten Schuld zuweist, ohne dass er „vorher auf gesetzliche Weise für
schuldig befunden wurde und ohne dass er Gelegenheit gehabt hätte, seine Ver-
teidigungsrechte auszuüben“. 266 Dabei genügt es bereits, wenn eine Begründung
den Verdacht erregt, dass das Gericht den Angeklagten vorverurteilt, ihn also
bereits als schuldig betrachtet. 267 Die Unschuld des Angeklagten ist also bis zum
rechtskräftigen Nachweis der Schuld im gesetzlich vorgeschriebenen Verfahren
zu vermuten, um eine unvoreingenommene Behandlung des Beschuldigten zu
gewährleisten 268 und ihn vor Nachteilen, die Schuldspruch oder Strafe gleichkom-

263
„Gesetz zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungs-
formen der Organisierten Kriminalität“ vom 15. 7. 1992 (BGBl I, S. 1302).
264
Vgl. hierzu auch Schneider, H.: ZStW 113 (2001), 499, 501; Wolter, J.: ZStW 107
(1995), 793 ff., 794 m.w. N.
265
Engländer, A.: Strafprozessrecht 2006, Rn. 26; zur streitigen Herleitung vgl. etwa
Walter, T.: JZ 2006, 340 ff., 344 f.
266
EuGRZ 1983, 475 ff., 479.
267
EuGRZ 1987, 399 ff., 405, 409.
268
Creifelds, C. / Weber, K.: Creifelds 2004, S. 1361; vgl. auch Engländer, A.: Strafpro-
zessrecht 2006, Rn. 26.
B. Materielle und prozessuale Inhalte des Feindstrafrechts 59

men, denen aber kein rechtsstaatliches, prozessordnungsgemäßes Verfahren zur


Schuldfeststellung und Strafbemessung vorausgegangen ist, zu schützen. 269 Diese
Vermutung zugunsten des Beschuldigten muss in einem prozessordnungsgemä-
ßen Verfahren widerlegt werden, bevor wegen eines Tatvorwurfs Entscheidungen
getroffen werden, die die Feststellung von Schuld erfordern. Die Darlegungslast
trifft dabei die Staatsanwaltschaft. Da die Bestrafung des Feindes nach Jakobs
Ausführungen aber nicht erfordert, dass bereits eine Tat begangen wurde, sondern
vielmehr auch zukünftige, potentielle Taten sanktioniert werden dürfen (so die
Idealform des Feindstrafrechts), kann eine solche unvoreingenommen Behand-
lung des Angeklagten nicht garantiert werden. Der Beschuldigte, der wegen einer
zukünftigen, potentiellen Tat vor Gericht gebracht wird, kann sanktioniert werden,
ohne dass eine konkrete (Tat-)Schuld erwiesen wäre, da er einzig aufgrund seiner
generellen Gefährlichkeit bestraft werden darf. Zwar muss wohl auch im Feind-
strafrecht praktikabler Weise eine gewisse Tatsachengrundlage (Basistatsache 270)
bestehen, aufgrund derer der Feind verwahrt werden kann. Beispielsweise könnte
im Rahmen des Feindstrafrechts eine Person, die sich in Afghanistan aufgehalten
hat, verhaftet werden, weil ihr Aufenthalt vielleicht terroristisch motiviert war
und diese damit gegebenenfalls gefährlich ist. Eine gewisse Tatsachengrundlage
(hier der Aufenthalt) besteht in diesem Fall; sie bildet die Prognosebasis für die
Gefährlichkeitsprognose (Prognosewertung). Ist dagegen nicht sicher, ob sich der
Betroffene in Afghanistan aufgehalten hat oder ob er nur jemandem ähnlich sieht,
der dort war, fehlt es schon an der Basistatsache. In diesem Fall bliebe wohl – will
man nicht jeden vorsorglich wegsperren und damit überfüllte Gefängnisse, aber
leere Straßen riskieren – eine „Unschuldsvermutung“ beziehungsweise „in dubio
pro reo“ zumindest zu einem bestimmten Grad bestehen. 271 Freilich wären diese
eher auf eine Art „Ungefährlichkeitsvermutung“ beschränkt. Eben diese Über-
legung steht etwa auch hinter den §§ 129 ff. StGB: Strafgrund ist die eigentlich
bezweckte und der bloßen Vereinigung an sich nachfolgende Tat. Die Gründung
der Vereinigung beziehungsweise Mitgliedschaft in der Vereinigung per se wird
als Handlungsunrecht deklariert, um vordergründig eine Tat und damit auch ei-
ne gegebene Tatschuld zu konstruieren, obgleich es an der eigentlichen, später
bezweckten Tat und damit auch an einer Tatschuld diesbezüglich fehlt. Insofern
kann jedoch auch die Unschuldsvermutung nicht vollumfänglich greifen. Zwar
gilt sie im Rahmen der §§ 129 ff. StGB hinsichtlich des Nachweises, dass eine
entsprechende Vereinigung vorliegt, deren Zweck in der Begehung von (bestimm-

269
Vgl. BVerfGE 19, 342 ff., 347 f.; 35, 311 ff., 320; 74, 358 ff., 369 ff.; 82, 106 ff.,
118 ff.
270
Vgl. zu den Begrifflichkeiten Basistatsache, Prognosebasis und Prognosewertung
etwa Walter, T.: JZ 2006, 340 ff., 343.
271
Insofern wird man sich wohl an der h.M. (vgl. etwa BGHSt 27, 298 ff., 301; OLG
Koblenz NJW 78, 2043 f., 2044; Meyer-Goßner, L.: StPO 2007, § 261 Rn. 27) orientieren
können, die gegenwärtig den in dubio pro reo-Grundsatz bei Prognosenormen nur bezüglich
der Prognosebasis, nicht aber in Hinsicht auf die Prognosewertung anwendet.
60 Kap. 1: Das Feindstrafrecht

ten) Straftaten liegt. Hinsichtlich der mit der Vereinigung bezweckten Tat selbst
findet die Unschuldsvermutung jedoch keine vollumfängliche Berücksichtigung,
da ohne das Erfordernis einer Tatschuld auch keine Unschuld vermutet werden
kann.
Da es danach im Feindstrafrecht im Sinne Jakobs jedoch auch nicht auf die
spätere (tatsächliche) Rechtsgutsverletzung ankommt, sondern die Strafbarkeit
im Regelfall auf einem weit vorgelagerten Verhalten beruht (siehe §§ 129 ff.
StGB), bezieht sich der Anfangsverdacht ebenfalls auf das Vorverhalten und
setzt damit im Vergleich zum Bürgerstrafrecht früher ein, so dass in der Folge
die strafprozessuale Ermittlungstätigkeit gleichfalls vorgelagert wird. 272 Materielle
Vorverlagerung und prozessuale Verschiebung des Anfangsverdachts stehen daher
in einem proportionalen Verhältnis.
Doch trotz der Reduzierung von Prozessgarantien und Verteidigungsrechten,
verbleibt dem Feind nach Jakobs auch im Feindstrafrecht ein Minimum an Rech-
ten – wohl existenzieller Natur – erhalten: Die Behandlung als Feind „muss
nicht heißen, nunmehr sei alles erlaubt, auch eine maßlose Aktion; vielmehr mag
dem Feind eine potentielle Persönlichkeit zugestanden werden, so dass bei seiner
Bekämpfung nicht über das Erforderliche hinausgegangen werden darf“. 273 Es
gelte demnach selbst im Feindstrafrecht zumindest ein eingeschränkter Verhält-
nismäßigkeitsgrundsatz, der entsprechend bei verfahrensrechtlichen Maßnahmen
zu berücksichtigen ist. Ansonsten dürfe jeglicher strafprozessualer Zwang ange-
wendet werden, der zur Verhinderung von Straftaten seitens des Feindes nütze.
Folgerichtig sind danach auch präventive Ermittlungsmaßnahmen (vor der eigentli-
chen Rechtsgutsverletzung) zulässig. Das Feindstrafrecht zeichne sich demgemäß
dadurch aus, dass der Beschuldigte seinen Status als Prozesssubjekt weitgehend
verliere, indem ihm die Verfahrensgarantien eines Bürgerstrafrechts abgesprochen
oder seine Prozessrechte zumindest eingeschränkt werden. Prozessuale Maßnah-
men beschränken sich danach auf reinen Zwang:
„Dieser Zwang richtet sich nicht gegen die Person im Recht – diese verdunkelt nicht und
flieht nicht – sondern gegen das Individuum, das mit seinen Ängsten und Trieben dem
ordentlichen Rechtsweg gefährlich wird; sich insoweit als Feind geriert.“ 274

Jakobs geht dementsprechend davon aus, dass der Feind sich nicht seiner Fol-
genverantwortung für die Tat stellen wird, sondern vielmehr alles unternimmt,
um sich der Strafe zu entziehen, nämlich entweder flieht oder Beweise besei-
tigt. Um ein ordnungsgemäßes Strafverfahren zu gewährleisten, könne daher nur
mit prozessualen Zwangsmitteln gegen den Feind vorgegangen werden. Derlei

272
Vgl. Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 751 ff., 752.
273
Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausend-
wende 2000, S. 47 ff., 51.
274
Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 94.
B. Materielle und prozessuale Inhalte des Feindstrafrechts 61

Maßnahmen seien beispielsweise die Untersuchungshaft (§ 112 und insbesonde-


re § 112a StPO 275), die Sicherungsverwahrung (§§ 66 ff. StGB) oder sogar auch
die Blutentnahme (§ 81a StPO 276). Ebenso zählt Jakobs zu den feindstrafrechtli-
chen Zwangsmaßnahmen die Überwachung ohne Wissen des Beschuldigten, zum
Beispiel die Überwachung der Telekommunikation (§ 100a StPO), der Einsatz
verdeckter Ermittler (§ 110a StPO) und sonstige geheime Ermittlungen (§ 100c
StPO). 277 Überhaupt sei ein Großteil der im 8. Abschnitt des ersten Buchs der
StPO geregelten Maßnahmen feindstrafrechtlicher Natur, denn „man schicke ei-
nem Bürger keinen V-Mann ins Haus“. 278 Feindstrafrecht gleiche sich aufgrund
der präventiven Ausgestaltung dem Polizeirecht an. 279
Als weiteres Beispiel greift Jakobs die Kontaktsperre nach §§ 31 ff. EGGVG
heraus, welche seines Erachtens eine der „krassesten“ feindstrafprozessualen Re-
gelungen ist, die in Parallele zum materiellen Strafrecht der Abwehr terroristischer
Gefahren dient. 280 Danach kann selbst der Kontakt des Gefangenen zu seinem
Verteidiger untersagt werden, wenn eine gegenwärtige Gefahr für Leib, Leben
oder Freiheit einer Person besteht und bestimmte Tatsachen dafür sprechen, dass
die Gefahr von einer terroristischen Vereinigung ausgeht.
Ferner nimmt Jakobs auch auf ausländische Regelungen Bezug. Insbesondere
bilde die kriegsmäßig anmutende Verfolgung von Terroristen seitens der USA
außerhalb ihres Territoriums infolge der Terroranschläge am 11. September durch
Verfahren, die mangels Trennung von der Exekutive wenig justizförmig scheinen,
ein Paradebeispiel für feindstrafrechtliches Prozessgebaren. Hier werde deutlich,
dass ohne Rücksicht auf – auch zivile – Verluste gegen den Feind vorgegangen
werde. 281 Auch die Gefangenen von Guantánamo bilden ein Beispiel für die – zu-
nehmend unter die öffentliche Kritik geratende – rechtliche Entpersonalisierung
und für die Entgrenzung des Krieges gegen den Feind. 282

275
Hierzu Jakobs, G.: Staatliche Strafe 2004, S. 41: „Wenn nach der Strafprozessord-
nung beim dringenden Verdacht bestimmter Taten, etwa gegen die sexuelle Selbstbestim-
mung oder gegen das Eigentum, eine Wiederholungsgefahr per se einen Haftgrund für die
Untersuchungshaft abgibt, so deshalb, weil die nun einmal zur Orientierung unverzichtbare
kognitive Seite personalen Verhaltens mehr oder weniger offenbar weggefallen ist; es geht
demgemäß um die Sicherung einer Gefahrenquelle ...“
276
Offen bleibt freilich, wie Jakobs sich dann die Verfolgung von Trunkenheitsfahrten
im „Bürgerstrafrecht“ vorstellt.
277
Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 94; ders.: HRRS 8 –9/2006, 289 ff., 296. Vgl. auch
ders.: ZStW 117 (2005), 839 ff., 846.
278
Jakobs zitiert bei Heger, M.: ZStW 117 (2005), 865 ff., 886. Vgl. aber auch Jakobs,
G.: ZStW 117 (2005), 839 ff., 840; ders.: HRRS 8 – 9/2006, 289 ff., 296.
279
Vgl. Jakobs, G.: ZStW 117 (2005), 839 ff., 840.
280
Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 94; Verweis auf die Kontaktsperre aber auch bei
Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende
2000, S. 47 ff., 52; ders.: HRRS 8 – 9/2006, 289 ff., 296.
281
Vgl. Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 94.
62 Kap. 1: Das Feindstrafrecht

Bei Pawlik gehen die strafprozessualen Einschränkungen gegenüber dem Feind


sogar so weit, dass dem gefährlichen Individuum eine Aussagepflicht auferlegt
werden kann. 283 Damit könnte im Feindstrafrecht letztlich sogar Folter 284 angewen-
det werden, um eine Stellungnahme des Feindes zum Tatgeschehen zu bewirken.
Aber auch sonstige Erzwingung, Täuschung und (falsche) Versprechungen wären
opportun, um dem Feind ein Geständnis zu entlocken. Damit dürfte das Individu-
um auch unter atypischen Geständnisdruck gesetzt werden, zum Beispiel indem
eine emotionale Beziehung aufgebaut wird, aufgrund derer es dem Beschuldigten
auf Dauer unmöglich ist, die Beantwortung der vom anderen Partner als bedeutsam
deklarierten Fragen zu verweigern. 285

C. Die Abspaltung feindstrafrechtlicher


Regelungen vom Bürgerstrafrecht

Im Ergebnis lässt sich festhalten, dass sich Jakobs zwar weitgehend enthält, den
Begriff des Feindstrafrechts inhaltlich – über einige Beispiele hinaus – zu füllen,
doch es zeichnet sich ab, welche Tendenzen Jakobs als feindstrafrechtlich aus dem
bestehenden (!) Recht herausfiltern möchte. Jakobs geht nämlich davon aus, dass
das bestehende ordentliche Recht als solches zwar bürgerstrafrechtlich geprägt ist,
jedoch behauptet er, dass jenes bereits von feindstrafrechtlichen Normierungen
durchzogen beziehungsweise unterlaufen ist:
„So wie es unlauter ist, sich die schwierige Legitimation des Feindstrafrechts dadurch
zu ersparen, daß dieses – statt auf sich gestellt – mehr oder weniger heimlich im
Bürgerstrafrecht untergebracht, genauer: verborgen wird 286 , so ist es gleichfalls unlauter,
die Selbstverständlichkeit des Bürgerstrafrechts dadurch zu missbrauchen, daß Feinde
zu Bürgern erklärt werden, was freilich [...] in moderner Zeit nicht selten geschieht.“ 287
Jakobs geht sogar von einer „mittlerweile kaum noch übersehbaren Menge an
feindstrafrechtlichen Strängen und Partikeln“, welche in das allgemeine Strafrecht
eingeführt wurden, aus. 288 Damit verortet Jakobs Feindstrafrecht (zumindest in

282
Jakobs, G.: Staatliche Strafe 2004, S. 44.
283
Umkehrschluss zu Pawlik, M.: GA 1998, 378 ff., 383: Dem Beschuldigten als Rechts-
person (Bürger) kommt ein Recht auf Kommunikationsverweigerung, also ein Schweige-
recht zu.
284
Und entsprechend ist nach Pawlik auch nur die Folter gegenüber einem Bürger tabu,
vgl. Pawlik, M.: FAZ Nr. 51 v. 1. 3. 2003, S. 35. Die Zulässigkeit von Folter gegen den Feind
wird – wohl mit Absicht – offen gelassen, vgl. hierzu auch die Ausführungen Kapitel 1
D.II.2.
285
Umkehrschluss zu Pawlik, M.: GA 1998, 378 ff., 386 f.; Beispiel entlehnt aus BGHSt
42, 139 ff.
286
Anmerkung: Die Hervorhebung erfolgte durch den Verfasser dieser Arbeit.
287
Jakobs, G.: Staatliche Strafe 2004, S. 47.
C. Die Abspaltung feindstrafrechtlicher Regelungen vom Bürgerstrafrecht 63

der Tendenz) im geltenden Recht. Diesen Fall, dass Feindstrafrecht in das Bür-
gerstrafrecht eindringt und sich mit diesem vermischt, sieht Jakobs allerdings als
besonders bedrohlich an. 289 Durch die Überlagerung von Feind- und Bürgerstraf-
recht könnten die beiden Strafrechtspole nicht voneinander abgegrenzt werden;
in der Folge komme es unweigerlich zu einer Vermengung von „Krieg“ und
„Strafrecht“. 290 „Krieg“ dürfe aber nicht gegen Bürger, die sich den staatlichen
Regelungen unterwerfen, sondern eben nur gegen Feinde geführt werden. Gegen
prinzipielle Rechtsabweichler (z. B. Terroristen) könne nun einmal nicht rechts-
staatlich vorgegangen werden, so dass diese auch nicht unter den Begriff des
bürgerlichen Verbrechers zu subsumieren seien. Es sei auch inkonsequent, einen
Feind einmal als Rechtsgutsstörung und einmal als Rechtsperson zu begreifen.
Es könne nicht angehen, dass man sich des Feindes zunächst mit kriegerischen
Mitteln bemächtige, ihn dann aber im Rahmen des Strafprozesses wieder wie
einen normalen Bürger behandele, indem zum ordentlichen Prozedere nach Straf-
gesetzbuch und Strafprozessordnung übergegangen werde. 291 Daher bedürfe es
einer strikten Trennung zwischen dem Bürgerstrafrecht und dem Feindstrafrecht:
„Es ist die kaum erst begonnene Aufgabe der Wissenschaft, die Regeln des Feindstraf-
rechts zu identifizieren und aus dem Bürgerstrafrecht auszusondern, um bei diesem um
so nachdrücklicher auf der Behandlung des Verbrechers als Rechtsperson beharren zu
können.“ 292

Nach Jakobs müssen also sämtliche feindstrafrechtliche Regelungen von dem


Bürgerstrafrecht abgespalten werden: Erforderlich sei eine Sondierung aus dem
Bürgerstrafrecht in ein eigenständiges Regelwerk. 293 Dabei ergänze das Feind-
strafrecht als selbständige Bestrafungsgrundlage das Bürgerstrafrecht und fülle
die Strafbarkeitslücken, die durch rechtslose Personen, nämlich Feinde, entstehen,
und sichere damit den weiteren Bestand der Strafrechtspflege. 294

288
Jakobs, G.: HRRS 3/2004, S. 88 ff., 93.
289
Vgl. etwa auch Stegmann, A.: Organisierte Kriminalität. Feindstrafrechtliche Ten-
denzen 2004, S. 16; Uwer, T. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 37 ff.,
44 f.
290
Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 93.
291
Jakobs, G.: Staatliche Strafe 2004, S. 47; ders.: HRRS 3/2004, 88 ff., 95.
292
Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausend-
wende 2000, S. 47 ff., 53 f.
293
Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausend-
wende 2000, S. 47 ff., 53 f. Vgl. aber schon, wenn auch zurückhaltender formuliert, Jakobs,
G.: ZStW 97 (1985), 385 ff., 784; ders.: ZStW 117 (2005), 839 ff., 850.
294
Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausend-
wende 2000, S. 47 ff., 53 f.
64 Kap. 1: Das Feindstrafrecht

I. Die Verwendungsebenen
des Feindstrafrechtsbegriffes bei Jakobs

Zunächst verwendet Jakobs den Begriff des Feindstrafrechts beschreibend. Ins-


besondere im Hinblick auf seine Ausführungen zur Vorfeldkriminalisierung 295
erschöpfte sich die Bedeutung des Feindstrafrechts in einem plakativen Schlagwort
für gegenwärtige Tendenzen in der deutschen Strafrechtspflege. Die Wortschöp-
fung diente insoweit überwiegend der Deutung strafrechtlicher Begebenheiten
und Intentionen, auch wenn Jakobs bereits zu diesem Zeitpunkt Vorbereitungen
traf, um seine Kreation weiterentwickeln zu können:
„Freilich sind Situationen möglich, vielleicht sogar zur Zeit gegeben, in denen Normen,
die für einen freiheitlichen Staat unverzichtbar sind, ihre Geltungskraft verlieren, wenn
man mit der Repression wartet, bis der Täter aus seiner Privatheit heraustritt. Aber
auch dann ist Feindstrafrecht nur als ein ausnahmsweise geltendes Notstandsstrafrecht
legitimierbar. Die zugehörigen Strafvorschriften müssen deshalb vom bürgerlichen
Strafrecht streng unterschieden werden, am besten auch äußerlich.“ 296

Jakobs beschreibt Feindstrafrecht somit als möglicherweise zulässige Legisla-


tivmaßnahme zur Rettung eines Staates, dem es an rechtlicher oder politischer
Stabilität mangelt: Ist der Bestand der Ordnung akut gefährdet (z. B. im Kriegs-
zustand), wird der Staat harte Strafen verhängen, um zumindest kurzfristige
Effektivität zu erreichen; ein Staat ohne akute Existenzprobleme wird dagegen
seine Sanktionierung auf langfristige Stabilität ausrichten. 297 Feindstrafrecht ist
daher eine Art Härtefallmaßnahme, nämlich Notstandsstrafrecht, um die akute
Geltungsschwäche des Staates auszugleichen.
Diese kritische Grundhaltung hat Jakobs auch vierzehn Jahre später auf der
bereits benannten Berliner Tagung 1999 beibehalten und weiter ausgebaut. In
seinem Vortrag über „Das Selbstverständnis der Strafrechtswissenschaft vor den
Herausforderungen der Gegenwart“ stellte er wiederum fest, dass „noch nicht
ausgemacht sei, dass sich das Feindstrafrecht als Recht erweise.“ 298 Doch während
Jakobs 1985 noch anzweifelte, ob bereits eine Situation eingetreten ist, die ein
Feindstrafrecht zwecks Geltungserhalts der Normen erforderlich mache 299, sei dies
nunmehr (1999) zu bejahen. Nach seiner Auffassung haben sich die Vorzeichen
des deutschen Rechtsstaates aufgrund des sozialen und kulturellen Wandels in den

295
Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 751 – 785.
296
Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 385 ff., 783 f.
297
Jakobs, G.: Strafrecht AT 1993, 1/1. Vgl. aber auch Jakobs Ausführungen in: ZStW
107 (1995), 843 ff., 846 f. über die wechselseitige Abhängigkeit von Gesellschaft und
Strafrecht.
298
Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausend-
wende 2000, S. 47 ff., 51.
299
Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 751 ff., 784.
C. Die Abspaltung feindstrafrechtlicher Regelungen vom Bürgerstrafrecht 65

letzten Jahren derart verändert 300, dass die Gewährleistung der Normgeltung nicht
anders möglich sei, als ein Feindstrafrecht im Sinne eines deutschen Sonderstraf-
rechts einzurichten 301: Der entwicklungs- und kulturell bedingten immanenten
Gefahren könne sich unser Kulturkreis nicht mit den Mitteln des Polizeirechts al-
lein erwehren, sondern es bedürfe der Institutionalisierung eines Feindstrafrechts
zur Gefahrenabwehr. 302
Die Gesetzgebung habe bereits auf die Änderungen im gesellschaftlichen Um-
feld reagiert und etliche feindstrafrechtliche Normierungen im Gesetz aufgenom-
men. Das Feindstrafrecht sei zum Zukunftsmodell avanciert, zu dem keine heute
ersichtliche Alternative besteht, wolle die Strafrechtswissenschaft in der modernen
Gesellschaft nicht mangels Effektivität marginalisiert werden. 303
Diese Aussage von Jakobs lässt aber durchaus Zweifel an dem bloß beschreiben-
den Charakter des Feindstrafrechts aufkommen. Insofern stellt sich die Frage, ob
seine Darstellungen zum Feindstrafrecht eine Wandlung durchlebt haben, indem
der Schwerpunkt vom Deuten des Strafrechts de lege lata auf die Umwandlung
in ein Strafrecht de lege ferenda verlegt wurde. Die Schlussfolgerung, Jakobs
wolle als Begründer des Konzepts das Strafrecht in die Richtung der eigenen
Idee lenken, erscheint zumindest nicht abwegig. In den rechtswissenschaftlichen
Abhandlungen über das Modell des Feindstrafrechts bei Jakobs werden daher
insbesondere zwei Ebenen der Begriffsverwendung diskutiert, nämlich ob Jakobs
den Begriff des Feindstrafrechts deskriptiv (beziehungsweise „analytisch“) oder
affirmativ (beziehungsweise „normativ“ oder „präskriptiv“) gebraucht. 304

300
Zum Einfluss kultureller, politischer, wirtschaftlicher sowie sozialer Prozesse auf
das angloamerikanische Strafrecht, vgl. auch Garland, D.: Culture of Control 2001, Preface
S. viii ff. Anhand der Beispiele USA und Großbritannien beschreibt und beleuchtet Garland
die partielle Rückkehr zum „antimodernen“, punitiv geprägten Sanktionsapparat in Form
eines effizienten Bestrafungs- und Kontrollstaates, für den die Leitlinien der vormaligen
restriktiv gehandhabten Sanktionierung zum Zwecke der Rehabilitation und Erziehung von
Straftätern nicht weiter verbindlich sind.
301
Inwiefern ein solches Konzept von einem Feindstrafrecht noch die Vermutung nahe
legt, es handele sich um vorübergehendes Notstandsstrafrecht zur Erreichung kurzfristiger
Effektivität, eine bewusste Ausnahme, die nicht zum dauernden Gebrauch taugt (so Jakobs
auf der Trierer Tagung „Feindstrafrecht – Vereinbar mit dem Rechtsstaat“ vom 23. –
25. 11. 2005 im Rahmen seines noch unveröffentlichten Vortrages „Das Problem des
Feindstrafrechts“ vom 24. 11. 2005), mag hier dahinstehen.
302
Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausend-
wende 2000, S. 47 ff., 52, 53.
303
Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausend-
wende 2000, S. 47 ff., 53 f.
304
Vgl. bereits Fragestellung bei Puppe auf der Tagung „Die deutsche Strafrechtswis-
senschaft vor der Jahrtausendwende“ 1999, wiedergegeben bei Nutzinger, T. / Sauer, D.: JZ
2000, 407 ff., 407; ferner etwa auch Ambos, K.: ZStrR 2006, 1 ff., 2, 13 f., 18 ff.; Cancio
Meliá, M.: ZStW 117 (2005), 267 ff., 279; Demetrio Crespo, E.: ZIS 2006, 413 ff., 413;
66 Kap. 1: Das Feindstrafrecht

1. Deskriptive und affirmative Ebene bei Jakobs

Jakobs möchte sich jedenfalls offensichtlich nicht über die deskriptive Ebene
hinaus festschreiben lassen. Dass er die Institutionalisierung eines Feindstrafrechts
fordert, bestreitet Jakobs nämlich bis heute. So hat Jakobs nach den Darstellungen
Sauers 305 auf die harsche Kritik, die seinem Konzept auf dem Aachener Straf-
verteidigertag 2005 entgegengehalten wurde, vielmehr darauf verwiesen, dass er
eben die strafrechtliche Entwicklung (und zwar nicht nur des deutschen Straf-
rechts) aufzeige. Er habe diese Entwicklung weder zu verantworten noch sei er
Befürworter der gegenwärtigen Situation. Auch auf der Trierer Tagung „ Feind-
strafrecht – Vereinbar mit dem Rechtsstaat?“ im Jahr 2005 verweist Jakobs darauf,
dass er keine rechtspolitischen Postulate aufstelle, sondern lediglich Tendenzen
und Eigenschaften des Strafrechts de lege lata aufzeige. Er wolle nicht propagie-
ren, sondern beschreibe nur, wie die Gesellschaft mit dem Feind umgeht. Das
Feindstrafrecht sei ihm egal. Er stelle nur fest, dass es jenes gebe. 306
Auf den ersten Blick scheint die Aussage Jakobs, er deute das gegenwärtige
Strafrecht bloß deskriptiv-kritisch, jedenfalls nicht abwegig. Schließlich verweist
Jakobs vermehrt darauf, dass Feindstrafrecht ein Zeichen dafür sei, dass der
freiheitliche Staat nicht (mehr) bestehe 307 und dass zumindest zweifelhaft sei, ob
jenes überhaupt Recht ist. 308 Entsprechend erklärt Jakobs: „Durch die Isolierung
des Feindstrafrechts und das Aufzeigen von Feldern zukünftigen Feindstrafrechts,
zeigt man, wo die Gefahren für das Bürgerstrafrecht liegen.“ 309

Hörnle, T.: GA 2006, 80 ff., 89; Kaleck, W. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie
Ruhe 2006, S. 281 ff., 283 f.; Neumann, U. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe
2006, S. 299 ff., 300 f.; Sack, F.: vorgänge 178/2007, 5 ff., 15 ff.; Sander, L. K. in: Institut
für Kriminalwissenschaften und Rechtsphilosophie Frankfurt a. M. (Hrsg.): Jenseits des
rechtsstaatlichen Strafrechts 2007, S. 253 ff., 256 ff.; Schneider, H. / Morguet, G. in: Uwer, T.
(Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 335 ff., 347; Schulz, L. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte
bewahren Sie Ruhe 2006, S. 315 ff., 321. Ebenso Saliger im Rahmen seines Vortrags vom
25. 3. 2006 auf der Strafrechtsverteidigertagung „Wieviel Sicherheit braucht die Freiheit“
in Frankfurt am Main vom 24. –26. 3. 2006 (Vortrag mit Fundstelle nunmehr abgedruckt
unter Saliger, F.: JZ 2006, 756 ff., 757, 759 f.). Vgl. ferner Greco, L.: GA 2006, 96 ff.,
102 ff. (deskriptive, denunziatorisch-kritische, legitimatorisch-affirmative Verwendung);
mit Bezugnahme auf Greco auch Roxin, C.: Strafrecht AT 2006, § 2 Rn. 127 ff.
Dagegen Frommel, M. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 59 ff.,
72, die dem Jakobsschen Feindstrafrecht weder einen deskriptiven noch einen wertenden
Gehalt zuschreibt, sondern von einer rein „dogmatischen“ Theorie ausgeht. Ähnlich Polaino
Navarrete, M.: Jakobs-FS 2007, S. 529 ff., 538 ff.; 550.
305
Sauer, D.: NJW 2005, 1703 ff., 1703 f.
306
Jakobs auf der Trierer Tagung „Feindstrafrecht – Vereinbar mit dem Rechtsstaat“
vom 23. –25. 11. 2005 im Rahmen seines noch unveröffentlichten Vortrages „Das Problem
des Feindstrafrechts“ vom 24. 11. 2005.
307
Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 385 ff., 783.
308
Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausend-
wende 2000, S. 47 ff., 51.
C. Die Abspaltung feindstrafrechtlicher Regelungen vom Bürgerstrafrecht 67

Allerdings relativiert Jakobs die getroffenen Aussagen dahingehend, dass die


Bezeichnung „Feindstrafrecht“ nicht prinzipiell pejorativ gemeint sei, da es als
„Feindstrafrecht immerhin mindestens für ein regelgeleitetes und deshalb nicht
spontan-affektives Verhalten“ steht. 310 Gleichfalls sei eine Verteufelung des Feind-
strafrechts keine Lösung für das Problem, „wie man mit den Individuen umgehen
soll, die sich nicht unter eine bürgerliche Verfassung zwingen lassen.“ 311 Diese Re-
lativierung, dass feindstrafrechtliche Regelungen durchaus auch positiv gesehen
werden können, da sie zumindest reine Willkür ausschließen und einen Lösungs-
entwurf für aktuelle Problemlagen darstellen könnten, lässt jedoch noch nicht auf
eine zwangsläufig affirmative Beziehung Jakobs zum Feindstrafrecht schließen.
Vielmehr erscheint dies noch als Abwägung von Pro- und Contra-Kriterien und
damit als bloße Deutung, der sich Jakobs nach eigenen Worten verpflichtet hat.
Andererseits schließt die grundsätzliche Kritik am Feindstrafrecht seitens Ja-
kobs nicht aus, dass er selbst seinem Konzept affirmativ gegenüber steht. Schließ-
lich hat auch derjenige Vorsatz, der den Erfolg billigend in Kauf nimmt, auch
wenn jener ihm höchst unerwünscht ist. 312 Auf Jakobs übertragen, meint dies:
Jakobs mag die Entwicklung, die das Strafrecht nimmt, an sich vielleicht nicht
befürworten, dies schließt aber nicht aus, dass er unter diesen ohnehin gegebenen
Umständen für ein Feindstrafrecht plädiert. Entsprechend drängt sich auch die
Frage auf, warum Jakobs nicht eine Summe von 100% auf deskriptiver Ebene
veranschlagt, wenn er öffentlich verkündet: Seine Ausführungen seien „zu 98%
deskriptiv“ zu verstehen. 313 Doch zum Verbleib der übrigen 2% gibt Jakobs
keine Auskunft, ob diese Summe nicht doch auf die Forderung bezüglich eines
Feindstrafrechts aufgeschlagen werden muss. Einige seiner Ausführungen legen
jedenfalls die Vermutung nahe, dass Jakobs doch eine affirmativ geprägte Be-
ziehung zum Feindstrafrecht unterhält und eine Neuorientierung des Strafrechts
befürwortet. Zum einen spricht die Ausdrucksweise Jakobs für die Forderung nach
der Institutionalisierung eines separaten Feindstrafrechts: Zu einem Feindstraf-
recht bestehe „keine heute ersichtliche Alternative“. 314 Das heißt aber, Jakobs sieht
keinen anderen Weg, als dass das Strafrecht seiner Konzeption folgt – immerhin
sind die von Jakobs als feindstrafrechtlich bezeichneten Tendenzen ohnehin schon

309
Jakobs auf der Trierer Tagung „Feindstrafrecht – Vereinbar mit dem Rechtsstaat“
vom 23. –25. 11. 2005 im Rahmen seines noch unveröffentlichten Vortrages „Das Problem
des Feindstrafrechts“ vom 24. 11. 2005.
310
Jakobs, G.: HRRS 3/2004, S. 88 ff., 88.
311
Jakobs, G.: HRRS 3/2004, S. 88 ff., 93.
312
BGHSt 7, 363 ff., 363, 369.
313
Jakobs auf dem 29. Strafverteidigertag in Aachen, zitiert nach Sauer, D.: NJW 2005,
1703 ff., 1703 f. Ähnlich (95%) Jakobs auf der Strafrechtslehrertagung in Frankfurt / Oder
im Mai 2005, vgl. Tagungsbericht bei Heger, M.: ZStW 117 (2005), 865 ff., 886.
314
Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausend-
wende 2000, S. 47 ff., 53.
68 Kap. 1: Das Feindstrafrecht

im gegenwärtigen Recht angelegt. Jakobs baut also auf den Tendenzen auf, die er
dargetan hat, um sein Konzept einzuführen – und zwar als einzig begehbaren Weg,
den die Strafrechtspflege beschreiten könne. Wer jedoch mit seinem Vorschlag
die Wahlmöglichkeit nimmt, weil er zugleich die ausschließliche Richtigkeit für
sich beansprucht, der beschreibt üblicher Weise nicht nur einen Zustand, sondern
fordert, gerade indem er die nach eigenem Empfinden alleinige Lösung aufzeigt,
dass eben jener Lösung auch gefolgt wird. Bereits der oben zitierte Ausspruch
könnte daher als Beleg gesehen werden, dass Jakobs im Feindstrafrecht prinzi-
piell ein tragfähiges und effizientes Zukunftsmodell erblickt, unabhängig davon,
ob jenes nun Recht sei. Darüber hinaus scheint bereits der Vorschlag selbst von
einem affirmativen Verhältnis des Verwenders zur Begrifflichkeit zu zeugen, denn
andernfalls benennt man eine solche Alternative wohl gar nicht erst und macht sie
insbesondere nicht im Rahmen einer öffentlichen Fachtagung publik. Würde sich
Jakobs einer feindstrafrechtlichen Sonderregelung tatsächlich strikt verschließen,
hätte er dann nicht folgerichtig darauf hinwirken müssen, dass die als Feind-
strafrecht identifizierten Normen „rückgängig“ zu machen sind 315, also aus dem
Gesetz gestrichen werden müssen 316 und zwar, ohne sie in einem gesonderten
Regelkatalog für Feinde aufzunehmen?!
Des Weiteren versteckt Jakobs seine Forderung oftmals hinter Generalisie-
rungen und der Eigenart, seine Beobachtungen als richtig zu unterstellen, um
zugleich jeden anderen Lösungsweg zu versperren. Indem Jakobs nämlich seine
Ausführungen als Faktum darstellt, wird auch die von ihm vorgeschlagene Hand-
lungsmöglichkeit zur tatsächlichen Gegebenheit. So Jakobs etwa bei folgender
Formulierung:
„Es ist die kaum erst begonnene Aufgabe der Wissenschaft, die Regeln des Feindstraf-
rechts zu identifizieren und aus dem Bürgerstrafrecht auszusondern, um bei diesem um
so nachdrücklicher auf der Behandlung des Verbrechers als Rechtsperson beharren zu
können.
Damit ist die hauptsächliche Herausforderung an das Selbstverständnis der Strafrechts-
wissenschaft bezeichnet: Sie hat das, was unter dem Namen des Strafrechts läuft, zu
scheiden, also die Ergänzung des Strafrechts durch ein Feindbekämpfungsrecht zur Spra-
che zu bringen. Wenn sie die Notwendigkeit des letzteren nicht anerkennen will, wird

315
Vgl. auch Muñoz Conde, F.: Über das „Feindstrafrecht“ 2007, S. 42, 50 ff., der
Jakobs vorwirft, dass dieser, wenn er schon auf eine Unterscheidung zwischen Bürger-
und Feindstrafrecht hinwirke, sich gerade als Jurist nicht in die Rolle eines stillen Beob-
achters zurückziehen dürfe, sondern gerade auch die Vereinbarkeit mit rechtsstaatlichen
Grundsätzen bewerten müsse.
316
So lautete immerhin Jakobs Vorschlag in Bezug auf einige subjektiv angereicher-
te Gefährdungsdelikte, die Vorbereitungen sanktionieren wie etwa § 267 StGB (in der
Alternative der bloßen Herstellung einer unechten Urkunde als Vorbereitungshandlung)
oder auch bezüglich der „Klimaschutzdelikte“ §§ 130, 131, 140 StGB: „Diese Delikte
widersprechen der gesellschaftlichen Einstellung der Kommunikation auf freie Bürger; sie
[...] sind schlicht zu streichen.“ (Jakobs, G.: ZStW 107 (1995), 843 ff., 858).
C. Die Abspaltung feindstrafrechtlicher Regelungen vom Bürgerstrafrecht 69

sie von der wirtschaftlich dominierenden Gesellschaft mangels Effektivität marginali-


siert werden. Wenn sie alles, was unter dem Namen ‚Strafrecht‘ läuft, gleich behandelt,
kapituliert sie mit ihrem Distinktionsvermögen vor der Politik, gibt sich also selbst
preis.“ 317

Jakobs benutzt nicht den Konjunktiv, um eine Möglichkeit aufzuzeigen, son-


dern er benennt die Aufgabe der zukünftigen Strafrechtswissenschaft, nämlich
die Sondierung feindstrafrechtlicher Regelungen aus dem geltenden Recht, als
Tatsache („Es ist ...; Damit ist ...“). Auf diese Weise setzt er aber freilich zugleich
seine Konzeption vom selbständigen Feindstrafrecht durch. Ähnlich verhält es sich
mit nachfolgender Ausführung: „Wer dem Bürgerstrafrecht seine rechtsstaatlichen
Eigenschaften [...] nicht nehmen will, sollte das, was man gegen Terroristen
tun muß, wenn man nicht untergehen will, anders nennen, eben Feindstrafrecht,
gebändigten Krieg.“ 318 Hier fingiert Jakobs ebenfalls, dass der Staat in einer be-
stimmten Art und Weise gegen Terroristen vorgehen müsse, um seinem Modell
Nachdruck zu verleihen. Weiterhin ist auch auffällig, dass Jakobs in einer neue-
ren Publikation „Staatliche Strafe“ 319 das Feindstrafrecht als Bekämpfungsmittel
mit anderen gesetzlich legitimierten Sicherungsmaßnahmen gleichstellt und da-
mit suggeriert, auch beim Feindstrafrecht handele es sich um eine legitime oder
zumindest legitimierbare Angelegenheit:
„Wer sich nicht unter eine bürgerliche Verfassung zwingen lässt, darf zur Trennung
gezwungen werden, wobei es an dieser Stelle, bei der Frage nach der Legitimation
von Sicherungsmaßnahmen, gleich stehen dürfte, ob nun der Feind aus dem Land
hinausgeworfen oder mangels einer Möglichkeit der Landesverweisung in die Siche-
rungsverwahrung hineingeworfen oder mit einer Sicherungs-‚Strafe‘ belegt wird oder
anderes mehr. Jedenfalls muß das Recht nicht wegen des hartnäckig Abweichenden
darauf verzichten, wirklich zu werden; mit anderen Worten, wer die Garantie nicht
leistet, er werde sich als Person im Recht verhalten, muß auch nicht als Person im Recht
behandelt werden.“ 320

Darüber hinaus lässt auch die emotionale Ausdrucksweise Jakobs, wenn er


über das Feindstrafrecht spricht, weniger auf eine Selbstbeschränkung zur Be-
schreibung hin, sondern vielmehr auf eine Forderung schließen. Die Verwendung
provokativer Bezeichnungen und Redefiguren sowie die drastische Darstellung
seines Konzepts („Feind“, „Unperson“ 321, „kaltstellen“ 322 beziehungsweise „eli-
minieren“, „Krieg“ 323) zeugt nicht von affektiver Neutralität.

317
Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausend-
wende 2000, S. 47 ff., 53 f.
318
Jakobs, G.: HRRS 3/2004, S. 88 ff., 92.
319
Jakobs, G.: Staatliche Strafe 2004.
320
Jakobs, G.: Staatliche Strafe 2004, S. 44.
321
Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausend-
wende 2000, S. 47 ff., 53.
70 Kap. 1: Das Feindstrafrecht

Deshalb liegt es nahe, anzunehmen, dass Jakobs die deskriptive Ebene verlässt
und sich zumindest partiell auf einer affirmativen Ebene bewegt. Auch Jakobs
neuere Ausführungen zum Kampf gegen den Terror deuten in diese Richtung,
denn danach kann der praktisch optimale Rechtsstaat (!) seinen „Feinden“ als
Gefahrenquellen begegnen. Daher ist es ihm möglich, seine Gestalt trotz der
Angriffe seiner Feinde zu wahren. 324 Der Begriff des Optimalen wird jedoch
subjektiv nur verwendet, wenn dahinter das Bedürfnis steht, etwas solle auch
wirklich so sein, wie es der Verwender selbst beschreibt.
Nach der herkömmlichen Differenzierung zwischen deskriptiver und affirma-
tiver Ebene der Verwendung des Feindstrafrechtsbegriffs spricht aufgrund der
angestellten Überlegungen also einiges dafür, dass Jakobs seit 1999 besonders
der letztgenannten Ebene zugetan ist. 325

2. Verbleibende Zweifel

Im Rahmen der der 30. Strafverteidigertagung vom 24. –26. 3. 2006 in Frank-
furt am Main hatte Jakobs am 25. 3. 2006 einen Vortrag gehalten 326, in dem er

322
Jakobs, G.: in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausend-
wende 2000, S. 47 ff., 53; vgl. auch ders.: ZStW 117 (2005), 839 ff., 840.
323
Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausend-
wende 2000, S. 47 ff., 53; den Begriff „Krieg“ gleichfalls verwendend Jakobs, G.: HRRS
3/2004, 88 ff., 92, 95 und ders.: Staatliche Strafe 2004, S. 44.
324
Jakobs, G.: ZStW 117 (2005), 839 ff., 851.
325
So im Ergebnis zum Beispiel Albrecht, P.-A.: ZStW 117 (2005) 852 ff., 856; Ambos,
K.: ZStrR 2006, 1 ff., 2, 13, 18 ff.; Demetrio Crespo, E.: ZIS 2006, 413 ff., 413, 418 f.;
Fahl, C.: StraFo 2006, 178 ff., 178; Frommel, M. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren
Sie Ruhe 2006, S. 59 ff., 71; Hamm, R. in: Rode, I. u. a. (Hrsg.): Neue Lust aufs Strafen
2005, S. 105 ff., 112 f.; Hörnle, T.: GA 2006, 80 ff., 89; Krauß, D. in: Uwer, T. (Hrsg.):
Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 79 ff., 83, 93; Prantl, H.: Der Terrorist als Gesetzgeber
2008, S. 146 ff.; Malek, K.: HRRS 8 –9/2006, 316 f., 316; Prittwitz, C.: Kriminologie.
Akteurin und Kritikerin gesellschaftlicher Entwicklung 2005, S. 215 ff., 217 f., 225; Roxin,
C.: Strafrecht AT 2006, § 2 Rn. 126 f.; Sacher, M.: Sonderwissen 2006, S. 97; dies.: ZStW
118 (2006), 574 ff., 608 f.; Sander, L. K. in: Institut für Kriminalwissenschaften und
Rechtsphilosophie Frankfurt a. M. (Hrsg.): Jenseits des rechtsstaatlichen Strafrechts 2007,
S. 253 ff., 258 ff.; Schulz, L. in: Institut für Kriminalwissenschaften und Rechtsphilosophie
Frankfurt a. M. (Hrsg.): Jenseits des rechtsstaatlichen Strafrechts 2007, S. 619 ff., 621;
Schünemann, B.: Nehm-FS 2006, S. 219 ff., 220; Fischer, T.: StGB 2008, Einl. Rn. 12a. Zur
Deutung als zumindest auch normativ bzw. als „Einheit von Beschreibung und Wertung“
vgl. Saliger, F.: JZ 2006, 756 ff., 757. Letztlich – trotz Andeutung – offen gelassen bei
Greco, L.: GA 2006, 96 ff., 102 ff.
326
Der Vortrag „Feindstrafrecht? – Eine Untersuchung zu den Bedingungen von Recht-
lichkeit“ von Günther Jakobs anlässlich des 30. Strafverteidigertages 2006, der sich im
Übrigen weitgehend mit seinem Vortrag auf der Trierer Tagung „Feindstrafrecht? – Ver-
einbar mit dem Rechtsstaat“ vom 24. 11. 2005 deckt, ist abgedruckt in HRRS 8 –9/2006,
S. 289 ff.
C. Die Abspaltung feindstrafrechtlicher Regelungen vom Bürgerstrafrecht 71

dem Feindstrafrecht einleitend wie auch abschließend jeglichen rechtspolitischen


Charakter absprach. 327 In der anschließenden Diskussionsrunde stritt Jakobs (er-
neut) eine affirmative Verwendung des Feindstrafrechtsbegriffes vehement ab. Er
verwende den Terminus deskriptiv, nicht präskriptiv. 328 Ihm sei die Auflösung
des Feindstrafrechts sogar genehm, es wäre jedoch kein Ansatz einer Auflösung
feindstrafrechtlicher Tendenzen erkennbar. Auf die eine Frage, ob er der Ansicht
sei, wir bräuchten zwei Strafgesetzbücher (ein bürger- und ein feindstrafrechtli-
ches), antwortete Jakobs, er wolle natürlich keine zwei Strafrechtsgesetzbücher.
Er wolle aber das Bewusstsein stärken, dass sich in unseren Gesetzen bereits
Feindstrafrecht befindet und dass Normen wie §§ 129a, 130 StGB Fremdkörper
in unserem Strafrecht seien.
Insofern stellt sich nach der oben beschriebenen, herkömmlichen Deutung nach
deskriptiver und affirmativer Ebene die Frage, ob Jakobs sich mit der Absicht trägt,
seine vorher getroffenen (insbesondere schriftlichen) Aussagen zurückzuziehen
oder abzumildern. Einen affirmativen Charakter kann man den deutlichen Worten
Jakobs, der das Feindstrafrecht im Laufe der Diskussion auch als ein „hässliches
Gesicht“ in unserem Rechtsstaat bezeichnete, jedenfalls kaum entnehmen. 329 Auch
die sonstigen Ausführungen Jakobs auf besagter Tagung betonten sein nach wie
vor kritisches Verhältnis zum Feindstrafrecht. 330 Beispielsweise gab Jakobs an, in
einem annähernd ideal-feindstrafrechtlich ausgeprägten Staatswesen wolle er nicht
leben. Ferner distanzierte Jakobs sich von krass feindstrafrechtlichen Maßnahmen
wie etwa der Folterung: „Es gibt Dinge, die tut man sich selbst nicht an.“
Das vehemente Bestreiten einer affirmativen Bedeutung des Feindstrafrechts
seitens Jakobs widerspricht natürlich massiv seinen schriftlichen Ausführungen,
bei denen er mehrfach über eine bloße Beschreibung hinausgeht. Zwar würde auch
eine Prognose ein Mehr zur bloßen Beschreibung darstellen, so dass zu überlegen
wäre, ob Jakobs das Feindstrafrecht womöglich nur prognostiziert, nicht aber
fordert. Eine prognostische Verwendung entspräche jedenfalls einem Minus zum
affirmativen Wortgebrauch, da sie nicht zwingend eine positive Wertung beinhaltet.
Gleichwohl ist eine Prognose auf die Zukunft ausgerichtet, nur dass eben eine
Entwicklung (neutral) vorausgesagt und eben nicht (affirmativ) angeregt wird.
Jakobs würde danach feindstrafrechtliche Tendenzen in Aussicht stellen, ohne
diese jedoch zu befürworten.

327
Jakobs, G.: HRRS 8 – 9/2006, S. 289 ff., 290, 297.
328
Eingearbeitet in: Jakobs, G.: HRRS 8 – 9/2006, S. 289 ff., 290.
329
Vgl. vorherige Fn. 328.
330
Auch Aponte sieht die „mit jedem neuen Beitrag immer deutlicher hervortretende
Skepsis gegenüber bestimmten feindstrafrechtlichen Phänomenen“, auch wenn die sprach-
liche Zweideutigkeit Jakobs durchaus zu kritisieren sei (Aponte, A. in: Uwer, T. (Hrsg.):
Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 131 ff., 132, 141).
72 Kap. 1: Das Feindstrafrecht

Allerdings kann letztlich keine Klarheit gewonnen werden, wie Jakobs den
Begriff des Feindstrafrechts tatsächlich verwendet. Mit seinen schriftlichen und
verbalen Äußerungen hat Jakobs sich jedenfalls hinsichtlich dieser Frage zu oft
selbst in Widerspruch gesetzt, als dass daraus noch eine verlässliche Antwort
entnommen werden könnte.

3. Feindstrafrecht als systemimmanente


Kritik an der vorherrschenden Rechtsgutslehre

Darüber hinaus hat das Konzept des Feindstrafrechts für Jakobs einen willkom-
menen Nebeneffekt, denn seine Ausführungen sind nicht nur geeignet, Tendenzen
der gegenwärtigen Strafgesetzgebung und Kriminalpolitik aufzuzeigen, um Feind-
strafrecht, wie Jakobs sagt, zu identifizieren und kritisch zu würdigen. Vielmehr
erscheint die Unterscheidung von Bürger- und Feindstrafrecht als latente Diffamie-
rung der herrschenden Auffassung 331, Strafe und damit (Bürger-)Strafrecht habe
vornehmlich den Rechtsgüterschutz zur Aufgabe und sei somit personfunktional 332
ausgerichtet. Denn im Gegensatz dazu ist das Bürgerstrafrecht bei Jakobs grund-
sätzlich in einem gesamtgesellschaftlichen Bezugrahmen zu sehen. Die Strafe dient
danach stets der Erhaltung des gesellschaftlichen Systems, nämlich der Einübung
von Normanerkennung, so dass das Strafrecht bei Jakobs systemfunktional ist. 333
Hält man sich nunmehr vor Augen, welche Aufteilung Jakobs im Rahmen von
Bürger- und Feindstrafrecht vollzieht, zeigt sich bekanntermaßen, dass Bürger-
strafrecht – wiederum auf die Gesellschaft bezogen – bürgerliche Freiheitssphären
reguliert. Dagegen wird die nach überwiegender Ansicht dem herkömmlichen
Strafrecht obliegende Funktion des Rechtsgüterschutzes nach Jakobs dem Feind-
strafrecht zugeschrieben. 334 Das „Feind“-Strafrecht ist jedoch grundsätzlich nega-
tiv besetzt, wie sich bereits aus der Ablehnung hervorrufenden Wortwahl ergibt.
Gerade diese fehlende Neutralität wird dem Feindstrafrecht als deskriptivem Be-
griff schließlich vorgeworfen. 335 Auch wenn man Jakobs keine gezielte, sondern
allenfalls eine strafrechtssystematisch immanente Kritik an der Rechtsgutsleh-

331
Vgl. bereits Fn. 138.
332
Das Strafrecht orientiert sich danach an der Person und dem Ausmaß ihrer Verant-
wortlichkeit für die begangene Tat, siehe Schneider, H.: Kann die Einübung in Normaner-
kennung die Strafrechtsdogmatik leiten? 2004, z. B. S. 14; vgl. auch ders. / Morguet, G. in:
Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 335 ff., 339. Vgl. auch Fn. 150.
333
Siehe bereits Fn. 150. Ausführlich Differenzierungen zum Funktionalismusbegriff:
Schneider, H.: Kann die Einübung in Normanerkennung die Strafrechtsdogmatik leiten?
2004.
334
Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 751 ff., 756. Kritisch Schünemann, B.: Nehm-FS 2006,
S. 219 ff., 224 f.
335
Vgl. Greco, L.: GA 2006, 96 ff., 107 ff.; Roxin, C.: Strafrecht AT 2006, § 2 Rn. 128;
vgl. auch Neumann, U. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 299 ff., 301;
C. Die Abspaltung feindstrafrechtlicher Regelungen vom Bürgerstrafrecht 73

re unterstellen kann, so führt die Überspitzung des Rechtsgüterschutzes durch


das wörtlich und inhaltlich negativ besetze Feindstrafrecht im Ergebnis freilich
dazu, dass die Verfechter einer eigentlich am Rechtsgüterschutz ausgerichteten
Strafrechtslehre ihre eigene Strafrechtsinterpretation unbemerkt in Zweifel ziehen.
Denn gerade im grundsätzlich befürworteten Rechtsgüterschutz liegt doch das
Ziel des Feindstrafrechts. Jakobs pervertiert damit quasi den Rechtsgüterschutz
durch das Feindstrafrecht 336 und rückt zugleich die eigene Ausgangsposition des
systemfunktionalen Strafrechtsansatzes in ein besseres Licht. Entsprechend ist
bei Jakobs bereits 1985 zu lesen: Das Prinzip des Rechtsgüterschutzes „verführt
zur Gläubigkeit an die Legitimation all dessen, was mit dem Rechtsgutsbegriff
in einen positiven Zusammenhang gebracht werden kann.“ Gerade bei strikter
Weiterentwicklung des rechtsgutsbezogenen Ansatzes könne doch etwa auf Täter-
interna zur Begründung von Strafbarkeit abgestellt werden, denn ein möglichst
frühzeitiges Eingreifen diene unzweifelhaft dem Rechtsgüterschutz. 337
Die kaum zu verhehlende Zweideutigkeit in Jakobs Ausführungen mag da-
her auch darauf abzielen, Kritik seitens der Anhänger des personfunktionalen
Ansatzes heraufzubeschwören, obwohl er doch „nur“ ihre eigene Lehre zuspitzt.

4. Fazit

Unbestritten beschreibt Jakobs die feindstrafrechtliche Ausprägung des Straf-


rechts de lege lata, indem er Normen benennt, die nach der eigenen Begriffsbe-
stimmung Feindstrafrecht darstellen. Der Terminus Feindstrafrecht wird dabei
zunächst benutzt, um aktuelle Tendenzen in der Gesetzgebung aufzuzeigen 338,
wobei Jakobs jene durchaus kritisch bewertet. Die Benennung von Vorfeldkrimi-
nalisierung, unproportionaler Strafzumessungsreduktion, Bekämpfungsgesetzge-
bung sowie Einschränkung prozessualer Rechte und Garantien als Merkmale des
Feindstrafrechts findet danach auf einer deskriptiven Ebene statt.

Prittwitz, C.: Kriminologie. Akteurin und Kritikerin gesellschaftlicher Entwicklung 2005,


S. 215 ff., 226 f.
336
Vgl. insofern auch Haffke, B.: Arthur Kaufmann-FS 1993, S. 449 ff., 455: „Ironischer
Weise liefere gerade das als strafrechtseinschränkende Prinzip des Rechtsgüterschutzes
die beste Legitimation für die Vorverlagerung der Kriminalisierung: Wird der Täter näm-
lich dadurch definiert, daß er dem Rechtsgut potentiell gefährlich werden kann, wird er
als Rechtsgutsfeind definiert, so gibt es auf der Grundlage der Logik dieser Argumen-
tation keine Selbstbegrenzung strafrechtlicher Sozialkontrolle; strafrechtseinschränkende
Argumente müssen extern beschafft werden ...“
337
Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 751 ff., 752 f.
338
Ebenso stellt Dencker unter Berufung auf die Wortprägungen Jakobs eine tenden-
zielle Entwicklung von einem „Bürgerstrafrecht“ hin zu einem „Feind“- oder „Gefährlich-
keitsstrafrecht“ in der Strafrechtspflege fest (Dencker, F.: StV 1988, 262 ff., 264).
74 Kap. 1: Das Feindstrafrecht

Zudem mögen etliche Aspekte nahe legen, dass Jakobs in einem zweiten Schritt
die nach seinen Ausführungen ohnehin bereits bestehenden feindstrafrechtlichen
Tendenzen befürwortet und die eigenständige Ausarbeitung dieser Regelungen
de lege ferenda fordert. Allerdings lassen die widersprüchlichen Äußerungen von
Jakobs lediglich Mutmaßungen zu; die tatsächliche Verwendungsabsicht wird
wohl auch weiterhin im Unklaren bleiben.
Ferner sind Jakobs Ausführungen zum Feindstrafrecht als Kritik an der vorherr-
schenden Rechtsgutslehre zu verstehen. Durch die Pervertierung der Rechtsguts-
lehre im Rahmen des Feindstrafrechts wird schließlich die eigene Position Jakobs
gestärkt, das (Bürger-)Strafrecht diene der gesamtgesellschaftlichen Erhaltung,
mithin der Einübung in Normanerkennung.

II. Ebenen des Feindstrafrechts bei Lesch und Pawlik

Im Folgenden soll untersucht werden, welchen Standpunkt Jakobs Schüler – wo-


bei hier nur auf Heiko Hartmut Lesch und Michael Pawlik eingegangen werden
soll – im Hinblick auf Bürger- und Feindstrafrecht vertreten.

1. Das Feindstrafrecht bei Lesch

Bei Lesch ist von einem Feindstrafrecht nie explizit die Rede. Dennoch ist
die Anlehnung an Jakobs gesellschaftstheoretische Herleitung schwer zu überse-
hen, vergleicht man den bei Lesch verfolgten Strafzweck 339 und die Wahl seiner
Begrifflichkeiten (Person, Subjekt, Individuum, tiergleich-kreatürliche Existenz,
Bürger 340) mit derer Jakobs. Lesch stimmt auch insoweit mit Jakobs überein, dass
das geltende Recht Normen beinhaltet, die vornehmlich der Gefahrenabwehr die-
nen und damit einen feindstrafrechtlichen Charakter (im Sinne Jakobs) aufweisen.
So sei etwa der rein präventiv geprägte § 112a StPO bedenklich. 341
Allerdings ist bei Lesch auffällig, dass er einige Normen, die Jakobs als feind-
strafrechtliche Regelungen bezeichnet, dem Bürgerstrafrecht zuordnet. Wie bereits
dargestellt 342, unterliegt zum Beispiel die Untersuchungshaft bei Lesch in Bezug
auf die klassische Ausprägung der Haftgründe Flucht beziehungsweise Flucht-
gefahr sowie Verdunklungsgefahr keinerlei Bedenken 343, während Jakobs derlei

339
Vgl. Lesch, H. H.: JA 1994, 590 ff., 599.
340
Lesch, H. H.: ZStW 111 (1999), 624 ff., 637 f.; ders.: GA 2000, 355 ff., 362, 365;
ders.: Strafprozessrecht 2001, S. 103, 118, 190; vgl. auch (unter Bezugnahme auf Jakobs)
ders.: JA 2002, 602 ff., 605.
341
Lesch, H. H.: Strafprozessrecht 2001, S. 167 f.
342
Siehe hierzu Kapitel 1 C.I.4.
343
Lesch, H. H.: Strafprozessrecht 2001, S. 167 f.
C. Die Abspaltung feindstrafrechtlicher Regelungen vom Bürgerstrafrecht 75

Zwangsmittel grundsätzlich nicht im Bürgerstrafrecht platziert. 344 Darüber hinaus


plädiert er im Gegensatz zu Jakobs teilweise sogar für eine Schärfung prozessualer
Eingriffsmöglichkeiten. Insbesondere sei der nemo tenetur-Grundsatz zu reduzie-
ren; ein absolutes Recht auf Selbstbezichtigungsfreiheit bestehe nicht. Niemand
habe das Recht, sich durch Leugnen von einer Straftat zu distanzieren, wolle er
als Person ernst genommen werden. 345 Dem Bürger obliegt danach vielmehr eine
Mitwirkungspflicht im Strafprozess. Beispielsweise sind nach Lesch Zwangsmittel
wie Blutproben oder Brechmittelverabreichung als körperliche Untersuchung nach
§ 81a StPO zulässig. 346 Auch läge kein unzulässiger Zwang im Sinne des § 136a
StPO vor, wenn der Beschuldigte sich einer Privatperson offenbart, die – dem
Staat zurechenbar – unzulässige Methoden im Sinne des § 136a StPO anwendet,
da die Aussage „der alleinigen Regie des Beschuldigten unterworfen“ bliebe. 347
Entsprechend schränkt Lesch die Rechte des Beschuldigten im Bürgerstrafrecht
verstärkt ein; auch wenn der Staat bei der Strafverfolgung an die rechtlichen,
insbesondere grundrechtlichen Garantien der Person gebunden bliebe. 348
In Bezug auf die praktische Anwendung feindstrafrechtlicher Regelungen über-
trifft Lesch damit seinen akademischen Lehrer Jakobs. Denn während um den
affirmativen Gehalt der Ausführungen von Jakobs zum Feindstrafrecht aufgrund
ihrer Zweideutigkeit heftige Debatten geführt werden 349, tritt Lesch offen für ein
feindstrafrechtlich orientiertes Strafrechtskonstrukt ein. 350 Schließlich beschneidet
Lesch – obwohl er dem Täter nach den obigen Ausführungen grundsätzlich den
Status als Rechtsperson belässt – die Verfahrensrechte des Beschuldigten radi-
kal. 351 Damit setzt er letztlich das dem Feindstrafrecht zugrunde liegende Konzept
um, wenn gleich er – im Gegensatz zu Jakobs – die Trennung von Bürger- und
Feindstrafrecht nicht einfordert.

344
Vgl. Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 94 wie auch Kapitel 1 C.I.4.
345
Vgl. Lesch, H. H.: ZStW 111 (1999), 624 ff., 638.
346
Vgl. Lesch, H. H.: Strafprozessrecht 2001, S. 189 ff. Dahingegen hat der Europäische
Gerichtshof für Menschenrechte im Fall Jalloh den Zwangseinsatz von Brechmitteln bei
polizeilichen Ermittlungen als unverhältnismäßig und damit als einen Verstoß gegen Art. 3
und 6 EMRK gewertet, vgl. das Urteil des EGMR v. 11. 7. 2006 in: NJW 2006, 3117 ff.;
vgl. auch Besprechung bei Heintschel-Heinegg, B.: JA 2006, 904 ff. sowie oben Fn. 204.
347
Lesch, H. H.: GA 2000, 355 ff., 359, 370; vgl. auch Kapitel 1 C.II.4.
348
Lesch, H. H.: Strafprozessrecht 2001, S. 118.
349
Siehe diesbezüglich Kapitel 1 D.I.
350
So auch Schulz, L. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 315 ff.,
323.
351
Vgl. hierzu auch Schneider, H.: ZStW 113 (2001), 499 ff., 505.
76 Kap. 1: Das Feindstrafrecht

2. Das Feindstrafrecht bei Pawlik

Wie zuvor bei Lesch ist auch bei Pawlik die Orientierung an der Terminolo-
gie Jakobs offensichtlich. 352 Darüber hinaus stimmt Pawlik insofern mit Jakobs
deskriptiver Ebene überein, dass sich das Feindstrafrecht im Strafrecht de lege
lata ausweitet. 353 Das gegenwärtige Strafverfahren weise die Tendenz auf, den
Beschuldigten als Individuum zu behandeln. 354
Zwar sei Feindstrafrecht „mit dem die bisherige Rechtspraxis beherrschenden
Legitimiationsparadigma nicht mehr plausibel vermittelbar“ 355, damit sagt Pawlik
jedoch nicht aus, dass die Legitimität eines Feindstrafrechts grundsätzlich außer
Frage steht. Vielmehr erweckt diese Aussage den Eindruck nach einer Forderung,
die Rechtswissenschaft solle sich um ein neues Begründungsprofil der staatli-
chen Strafgewalt bemühen. 356 Allerdings schloss Pawlik ebenfalls (wie Lesch)
die Behandlung eines Täters als bloßes Individuum ohne Rechte als normativ
legitimierbar zunächst prinzipiell aus. 357 Andererseits weisen die Ausführungen
Pawliks zu den internen und externen Störungen der Rechtsordnung 358 offen-
sichtliche Parallelen zum Jakobsschen Feindstrafrecht auf. So führt Pawlik zur
Behandlung externer in Abgrenzung zur Bestrafung interner Täter aus: Nur ein
Gesellschaftsmitglied, dem die Rechtsordnung reale Freiheit eröffnet, sei Adressat
der gesellschaftlichen Mitwirkungspflicht. Dagegen trifft denjenigen, der außer-
halb der Gesellschaft steht, keine Mitwirkungspflicht. Daher kann der Externe die
Rechtsordnung nicht als Bürger angreifen und kein Unrecht des Bürgers verwirk-
lichen. Der Staat könne den Außenstehenden folglich auch nicht den bürgerlichen
Regeln der Bestrafung unterwerfen. Zum Zwecke des Rechtsgüterschutzes müs-
se jedoch zumindest insofern (strafrechtlicher) Zwang angewendet werden, dass
künftige Gütersicherheit garantiert wird. Gegen den Außenstehenden dürfe daher
Gefahrenabwehr betrieben werden. 359
Ferner ist von Pawlik zu lesen: „Angesichts der Bedrohungen, die der interna-
tionale Terrorismus möglicherweise noch für uns bereithält, sollten wir zwar nicht
vorschnell behaupten, so weit (d. h. zur Folter, Anm. d. Verf.) dürfe es niemals
kommen [...]. Gegenüber Bürgern muß Folter verboten bleiben.“ 360 Damit ist

352
Z. B. Pawlik, M.: Person, Subjekt, Bürger 2004, S. 75 ff.
353
Pawlik, M.: Das unerlaubte Verhalten beim Betrug 1999, S. 63.
354
Pawlik, M.: GA 1997, 378 ff., 379.
355
Pawlik, M.: Das unerlaubte Verhalten beim Betrug 1999, S. 63 f.
356
Dahingehend vgl. schließlich auch die Darstellung der Straflegitimation in Pawlik,
M.: Person, Subjekt, Bürger 2004.
357
Pawlik, M.: GA 1998, 378 ff., 380.
358
Vgl. bereits Fn. 61.
359
Pawlik, M.: F.-C. Schroeder-FS 2006, S. 357 ff., 373 (mit Verweis in Fn. 84 auf
Jakobs, G. in: Kodalle, K.-M. (Hrsg.): Strafe muss sein 1998, S. 29 ff., 37), 379 f.
C. Die Abspaltung feindstrafrechtlicher Regelungen vom Bürgerstrafrecht 77

zwar das Folterverbot gegenüber Bürgern absolut – ob dies aber auch in Bezug
auf Feinde gilt, wird an dieser Stelle wohl bewusst offen gelassen. Völlig abwe-
gig scheint die Entrechtlichung des Feindes für Pawlik jedenfalls nicht zu sein,
wenn er kommentiert, dass der Frankfurter Kindesentführungsfall noch „unterhalb
der Schwelle, auf der jenes äußerste Mittel der Suspendierung des Bürgerstatus
einzelner Individuen in Erwägung gezogen werden dürfte“, gelegen habe. 361

III. Feindstrafrecht als Strafrecht


im Begründungsmodell von Jakobs

Während Lesch das Feindstrafrecht in Form einer verstärkten (jedoch nicht voll-
ständigen! 362) Entrechtlichung des Individuums gedanklich bereits umgesetzt hat,
ohne dies allerdings ausdrücklich zuzugeben und ohne auf eine sonderrechtliche
Trennung hinzuarbeiten, sind bei Jakobs und Pawlik durchaus Legitimations-
zweifel vorhanden. Entsprechend prognostiziert Jakobs das Feindstrafrecht zwar
als staatliche Kampfansage gegen gefährliche Täter für die Zukunft, weiß aber
um das verfassungsrechtliche Rechtfertigungsdilemma eines Notstands- und Son-
derstrafrechts für bestimmte Täter („es sei noch nicht ausgemacht, dass sich
jenes als Recht erweise“ 363 etc.). In der gegenwärtigen Diskussion wird Jakobs
daher auch immer wieder vorgeworfen, es handele sich beim Feindstrafrecht
weder um Straf recht, noch überhaupt um Recht. Insofern sei seine Bezeich-
nung „Feindstrafrecht“ – selbst bei Unterstellung eines rein deskriptiven Cha-
rakters – falsch gewählt. 364 Nachfolgend sollen daher Argumentationslinien bei
Jakobs nachgezogen werden, aus denen sich die Qualität des Feindstrafrechts als
Strafrecht ergibt oder zumindest ergeben kann.

1. Die Bezeichnung „Feindstrafrecht“

Nach Jakobs gelten (bürger-)strafrechtliche Grundsätze wie etwa das Tatprinzip,


der Bestimmtheitsgrundsatz aus Art. 103 Abs. 2 GG oder auch die Unschuldsver-
mutung im Feindstrafrecht nicht. Daher drängt sich die Frage auf, ob und inwiefern
Feindstrafrecht überhaupt Straf recht ist und warum Jakobs die Bekämpfungsmaß-

360
Pawlik, M.: FAZ Nr. 51 v. 1. 3. 2003, S. 35.
361
Pawlik, M.: FAZ Nr. 51 v. 1. 3. 2003, S. 35 (zum Fall Jakob von Metzler / Daschner).
362
Eine vollständige Entrechtlichung wäre auch nach Lesch nicht legitimierbar (Lesch,
H. H.: Strafprozessrecht 2001, S. 118).
363
Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausend-
wende 2000, S. 47 ff., 51.
364
Ambos, K.: ZStrR 2006, 1 ff., 26; Cancio Meliá, M.: ZStW 117 (2005), 267 ff., 268,
276, 284; Frommel, M. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 59 ff., 76;
Prittwitz, C.: ZStW 113 (2001), 774 ff., 795; Sauer, D.: NJW 2005, 1703 ff., 1704.
78 Kap. 1: Das Feindstrafrecht

nahmen gegen „Feinde“ eben als Feindstraf recht bezeichnen musste. Geht man
davon aus, dass Straf recht sich gerade durch die rechtsstaatlich, liberal gewährleis-
teten Mindestanforderungen bestimmt, welche das Feindstrafrecht unzweifelhaft
nicht aufweist, dann läge sicherlich schon gar kein Straf recht vor. 365 Die Gemein-
samkeit von Strafrecht und Feindstrafrecht beliefe sich vielmehr einzig auf den
Namen. 366
Dass Feindstrafrecht dennoch Straf recht ist, lässt sich nach Darstellung Jakobs
allerdings aus folgender Überlegung herleiten: Der Gesetzgeber hat bereits ent-
scheiden, dass die anfangs aufgeführten Tendenzen dem Straf recht zuzuordnen
sind, indem er sie in das Strafgesetzbuch beziehungsweise die Strafprozessord-
nung aufgenommen hat. 367 Damit hat die Legislative offensichtlich entschieden,
dass die Sicherung von gefährlichen, wenn auch gegebenenfalls bloß potenti-
ellen Tätern einer straf rechtlichen Regelung bedarf. 368 Insofern wäre lediglich
wie folgt zu subsumieren: Im StGB wie in der StPO (und auch dem EGGVG,
vgl. §§ 31 ff.) gibt es gegenwärtig Normen, die bestimmte, wenig rechtsstaatlich
geprägte Merkmale aufweisen. Durch die Aufnahme in strafrechtliche Regelwerke
sind diese Normen aber grundsätzlich dem Straf recht zugehörig. Löst man diese
aus dem bestehenden Strafrechtsregelwerk, wie von Jakobs gefordert, ändert sich
die generelle Zuordnung nicht. Der Täter, vor dem die Allgemeinheit beschützt
werden muss, wird entsprechend von der staatlichen Strafgewalt mit einer Art
Sicherungs-„Strafe“ 369 belegt. Dass es nach diesem Verständnis von Straf recht
keinesfalls auf bestimmte, traditionelle straf- und strafverfahrensrechtliche Grund-
sätze ankommt, auf denen das ordentliche Strafrecht begründet ist, ist folglich
irrelevant. Die Zuordnung zum Strafrechtssystem wurde an anderer Stelle durch
den Gesetzgeber entschieden. Eine gegenteilige Zuweisung, etwa zum Gefahren-
abwehrrecht oder als eigenständiges „Sicherungsrecht“, kann danach gleichsam
nur durch den Gesetzgeber selbst erfolgen.
Überdies kann gegen die Ansicht 370, nach der Feindstrafrecht aufgrund der
fehlenden Orientierung am Tatstrafrecht schon begrifflich kein Strafrecht ist, ein-

365
So Prittwitz, C.: ZStW 113 (2001), 774 ff., 795; vgl. auch Cancio Meliá, M.: ZStW
117 (2005), 267 ff., 268, 276, 284; Sauer, D.: NJW 2005, 1703 ff., 1704. Kritisch Muñoz
Conde, F.: Über das „Feindstrafrecht“ 2007, S. 45 f.
366
Cancio Meliá, M.: ZStW 117 (2005), 267 ff., 268; Sauer, D.: NJW 2005, 1703 ff.,
1704.
367
Jakobs, G.: ZStW 117 (2005), 839 ff., 839; ders.: HRRS 8 –9/2006, 289 ff., 294.
368
In diese Richtung geht etwa auch die Argumentation des BVerfG anlässlich der
Entscheidung zu den Straftäterunterbringungsgesetzen einiger Bundesländer, vgl. BVerfG
NJW 2004, 750 ff., 751 f.: Zwischen Strafe und präventiver Sanktion eines Straftäters beste-
he ein Sachzusammenhang, nämlich die Anlasstat. Insofern dürfe der Bundesgesetzgeber
auch die nachträgliche Sicherungsverwahrung im Rahmen des Strafrechts regeln.
369
Jakobs, G.: Staatliche Strafe 2004, S. 44.
370
Cancio Meliá, M.: ZStW 117 (2005), 267 ff., 284, 286 f.
C. Die Abspaltung feindstrafrechtlicher Regelungen vom Bürgerstrafrecht 79

gewendet werden, dass sie nicht berücksichtigt, dass es bereits ein Sonderstrafrecht
gibt, welches Täterstrafrecht darstellt: Das Jugendstrafrecht ist separat geregelt
und eben kein Tatstrafrecht. Dennoch wird wohl nicht angezweifelt werden, dass
das Jugendstrafrecht straf rechtliche Regelungen enthält. Offensichtlich sind also
durchaus Ausnahmen zur straf rechtlichen Grundkonzeption zulässig. Damit ist es
aber für die strafrechtliche Zuordnung ebenfalls unbedeutend, ob ein vom ordentli-
chen Strafrecht abweichender Strafzweck verfolgt wird. Ist dieser im ordentlichen
Strafrecht nach Jakobs die Bestätigung der gesellschaftlichen Identität und Ein-
übung von Normanerkennung im Sinne der positiven Generalprävention, stellt sich
im Jugendstrafrecht die Erziehung eines jugendlichen Täters und im Feindstraf-
recht die Sicherung vor dem Täter als primäres Ziel dar. Gleichwohl sind jeweils
straf rechtliche Regelungen gegeben, weil der Täter eben bestraft wird – unabhän-
gig davon, ob die Strafe aufgrund seiner Tat oder seiner Persönlichkeit erfolgt.
Damit mag Feindstrafrecht zwar nicht an die Grundsätze des herkömmlichen
Strafrechts anknüpfen; sein Charakter als eben strafendes Recht kann ihm hier-
durch jedoch nicht abgesprochen werden. Im Gegenteil: Nur das Strafrecht kann
jemanden zum Täter stilisieren und diesen „dann durch Untersuchungshaft und
Strafhaft für lange Zeit [...] kaltstellen“. 371

2. Feindstrafrecht als Recht im Begründungsmodell Jakobs

Von der Frage, ob Feindstrafrecht Straf recht ist, ist die Frage zu unterscheiden,
ob Feindstrafrecht Recht ist, also überhaupt legitimationsfähig ist. An dieser Stelle
soll lediglich auf das Begründungsmodell Jakobs abgestellt werden. Dagegen
erfolgt (noch) keine Überprüfung der Rechtmäßigkeit und Legitimationsfähigkeit
des Konzepts nach dem geltenden deutschen Recht.
Jakobs selbst betont zwar, dass die Rechtmäßigkeit des Feindstrafrechts noch
nicht feststehe. 372 Andererseits stellt er bekanntermaßen fest, dass „die Bezeich-
nung „Feindstrafrecht“ nicht prinzipiell pejorativ gemeint ist. [...] Feindstrafrecht
steht immerhin mindestens für ein regelgeleitetes und deshalb nicht spontan-
affektives Verhalten.“ 373 Der Staat hebt in rechtlich geordneter Weise Rechte
auf. 374 Damit ist auch im Rahmen des Feindstrafrechts reine Willkür verboten. Es
darf nicht jedes Mittel zur Bekämpfung des Feindes angewendet werden. 375 Viel-

371
Jakobs, G.: ZStW 117 (2005), 839 ff., 840.
372
Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwen-
de 2000, S. 47 ff., 51; ablehnend wohl Pawlik, der die Sichtweise eines Beschuldigten als
Individuum für rechtlich nicht legitimierbar erachtet (Pawlik, M.: GA 1998, 378 ff., 380).
373
Jakobs, G.: HRRS 3/2004, S. 88 ff., 88.
374
Jakobs auf der Trierer Tagung „Feindstrafrecht – Vereinbar mit dem Rechtsstaat“
vom 23. –25. 11. 2005 im Rahmen seines noch unveröffentlichten Vortrages „Das Problem
des Feindstrafrechts“ vom 24. 11. 2005; ders.: HRRS 8 – 9/2006, 289 ff., 296.
80 Kap. 1: Das Feindstrafrecht

mehr soll selbst dem Feind eine gewisse potentielle Persönlichkeit 376 zugestanden
werden, so dass auch bei seiner Sanktionierung ein bestimmtes Maß an Erfor-
derlichkeit gewahrt werden muss. 377 Dieser Aspekt verbietet es jedenfalls nach
Jakobs, die fehlende Rechtmäßigkeit des Feindstrafrechts schlechthin zu unterstel-
len. Zwar ist das Feindstrafrecht gegenüber dem Feind selbst kein Recht 378, aber es
bindet doch den Staat, seine Organe und Funktionäre an bestimmte Regelungen,
zum Beispiel des Feindstrafrechts als ultimo ratio. Es ist also wenigstens Recht
zwischen den Bürgern. 379 Zudem müsse auch ein Rechtsstaat in der konkreten
Wirklichkeit Abstriche machen, wolle er als solcher generell bestehen bleiben.
Vielmehr geht es auch im Rechtsstaat um das praktisch Optimale und das sei
eben – immerhin im Rahmen der Erforderlichkeit – die Ausgrenzung von Feinden
und die Entziehung der Rechte, die sie für ihre Taten benötigen, namentlich das
Recht auf Verhaltensfreiheit. 380 „Ein alles umfassender Rechtsstaat könnte diesen
Krieg [gegen den Terror] nicht führen; denn er müsste seine Feinde als Personen
behandeln und dürfte sie demgemäß nicht als Gefahrenquellen behandeln. Beim
praktisch optimalen Rechtsstaat verhält es sich anders, und das bringt ihm die
Chance, nicht an den Attacken seiner Feinde zu zerbrechen.“ 381
Die herkömmliche Strafe verliert bei Feinden ihren Sinn, da sich diese nicht
in Normtreue einüben können. Nach dem generalpräventiven Ansatz von Jakobs
verbleibt danach gar keine andere Möglichkeit, als den Feind aus dem „Bürger-
strafrecht“ auszunehmen. Theoretisch ist nach dem Begründungsansatz Jakobs

375
Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausend-
wende 2000, S. 47 ff., 51.
376
Vgl. hierzu auch Jakobs, G.: Staatliche Strafe 2004, S. 43: Abstrakt, dem Begriff nach,
mag der Täter noch als Rechtsperson verharren, aber der wirklich Umgang mit ihm wird
zum Umgang mit einem Feind. Die Entpersonalisierung erfolgt aber lediglich punktuell,
denn auch der zu sichernde Verbrecher behält sein Recht auf körperliche Unversehrtheit
etc.
377
Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausend-
wende 2000, S. 47 ff., 51.
378
Vgl. hierzu auch Jakobs, G.: Das Schuldprinzip 1993, S. 27: „... nach einer Rechts-
ordnung kann nicht gegen einen Täter wie gegen einen Hund vorgegangen werden. Daran
ändern auch Metaphern nichts wie etwa die verbreitete Rede, der Täter habe sich durch
die Tat selbst außerhalb der Ordnung gestellt; hätte er das, wäre die Reaktion gegen ihn als
rechtliche überhaupt nicht mehr möglich“ (Hervorhebungen durch den Verf.).
379
Während etwa Agamben Notstandstrafrecht – als welches das Feindstrafrecht bei
Jakobs charakterisiert wird (vgl. Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 385 ff., 784) – als „Raum ohne
Recht“, also als gänzlich rechtslosen Zustand bezeichnet (Agamben, G.: Ausnahmezustand
2004, S. 62), differenziert Jakobs zwischen der Rechtlosigkeit im Verhältnis zum Feind und
dem Recht, das zumindest zwischen den Bürgern bestehe, so Jakobs auf der Trierer Tagung
„Feindstrafrecht – Vereinbar mit dem Rechtsstaat“ vom 23. –25. 11. 2005 im Rahmen seines
noch unveröffentlichten Vortrages „Das Problem des Feindstrafrechts“ vom 24. 11. 2005;
vgl. auch ders.: ZStW 117 (2005), 839 ff. Fn. 13; ders.: HRRS 8 –9/2006, 289 ff., 294.
380
Sinngemäß Jakobs, G.: ZStW 117 (2005), 839 ff., 847, dort auch Fn. 17.
381
Jakobs, G.: ZStW 117 (2005), 839 ff., 851.
D. Die Rezeption des Feindstrafrechts durch die Rechtswissenschaft 81

die Legitimität eines Feindstrafrechts möglich, was natürlich vor allem daran
liegt, dass die Menschenwürde danach keine grundlegend zu berücksichtigende
Legitimationsanforderung 382 darstellt. 383

D. Die Rezeption des Feindstrafrechts


durch die Rechtswissenschaft

Jakobs Ausführungen zum Feindstrafrecht haben inzwischen einen Sturm der


Entrüstung entfacht und entsprechend setzt sich die Rechtswissenschaft – in unzäh-
ligen Aufsätzen – überwiegend kritisch mit dem Thema auseinander. Nachfolgend
sollen die wichtigsten Etappen der Diskussion und die wesentlichen Argumente,
die gegen das Konzept und die Institutionalisierung des Feindstrafrechts vorge-
bracht werden, wiedergegeben werden. Dabei beschränkt sich die hier erfolgende
Darstellung auf direkte Kritik am Feindstrafrecht. Auf die indirekte Kritik, die ge-
genüber teilweise mit den Merkmalen des Feindstrafrechts zusammenhängenden
oder überschneidenden Diskussionsbereichen und ähnlichen Phänomenen (Stich-
wörter wären etwa Risiko-, Gefährdungsstrafrecht, Verpolizeilichung, Präventions-
oder auch Sicherheitsstrafrecht) geäußert wird, wird an dieser Stelle nicht einge-
gangen.

I. Erste Reaktionen auf das Feindstrafrecht nach Jakobs

Eine vertiefte Diskussion des Feindstrafrechts seitens der Rechtswissenschaft


erfolgte nach der Einführung des Begriffs durch Jakobs 1985 384, als er mit jenem
die Problematik von Vorfeldkriminalisierungen umschrieb, nicht. Dies lag zum
einen daran, dass Jakobs den Begriff lediglich als plakatives Schlagwort für die
sich abzeichnende Tendenzen in der deutschen Strafrechtspflege zu verwenden
schien und ansonsten auf die inhaltliche Konkretisierung weitgehend verzichtete.
Zum anderen rührte die Folgenlosigkeit seiner Wortschöpfung freilich daher, dass
Jakobs den aufgeführten Tendenzen im Kern kritisch gegenüber stand:
„Die Bindungen [des ordentlichen Strafrechts] sind für den freiheitlichen Staat konstitu-
tiv; wer sie löst, gibt ihn preis. Das Vorhandensein von Feindstrafrecht ist also nicht ein
Zeichen der Stärke des freiheitlichen Staates, sondern ein Zeichen dafür, daß er insoweit
überhaupt nicht vorhanden ist.“ 385

382
Vgl. hierzu auch das Vorwort bei Jakobs, G.: Norm, Person, Gesellschaft 1999.
383
Siehe hierzu unten Kapitel 3 C.
384
Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 751 ff.
385
Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 751 ff., 783.
82 Kap. 1: Das Feindstrafrecht

Auch die Reaktion der Rechtswissenschaft auf den von Jakobs auf der Ta-
gung „Die Deutsche Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende“ im Jahr
1999 gehaltenen Vortrag, in welchem jener die Institutionalisierung eines ei-
genständigen Feindstrafrechts erstmalig als unabdingbar darstellte, war zunächst
verhaltend. 386 Doch die anfängliche Verschüchterung schlug alsbald in Empörung
um. Diese Anfangsphase der Diskussion war vor allem dadurch gekennzeich-
net, dass sehr emotional reagiert und argumentiert wurde. Insbesondere der Be-
griff des Feindes wie auch Jakobs drastische, totalitär anmutenden Ausführungen
(„Krieg“ gegen „Unpersonen“ 387, welche als „störende Umwelt beharren“ 388, „kalt-
stellen“ 389) mögen im Nachhinein nicht unwesentlich dazu beigetragen haben, die
Stimmung aufzuheizen. Jakobs wird entsprechend vorgeworfen, er bediene sich
althergebrachter Klischees vom „Feind als moralisch Bösen“ und spitze diese in
seiner Unterscheidung in „Feind- vs. Bürgerstrafrecht“ provozierend zu, so dass im
Auditorium letztlich das Begriffspaar des Guten und Bösen in den Köpfen hängen
bliebe. 390 Offensichtlich reflektiert das Modell des Feindstrafrechts bestimmte
alltagsweltliche Vorstellungen von Freund- und Feinddenken und greift damit
Begrifflichkeiten auf, die auf subjektiven Beziehungen von Individuen untereinan-
der aufbauen, also emotionale Termini darstellen. Auch aufgrund der erheblichen
Suggestivkraft des von Jakobs verwendeten Begriffs war jedenfalls zu erwarten,
dass die Diskussion zunächst leidenschaftlich, wenn auch relativ konturenlos und
unsachlich geführt worden ist. Vor allem wurde pauschal darauf verwiesen, dass
die Gegenüberstellung von Bürger und Feind eine Ähnlichkeit mit der Dichotomie
von Freund und Feind und der rechtlichen Handhabung im nationalsozialisti-
schen Unrechtsstaat aufweise. 391 Eser machten Jakobs Ausführungen insofern

386
Vgl. die unmittelbare Reaktion von Burgstaller (S. 105), Streng (S. 298 f.) und
Fuchs (S. 301) auf der Tagung „Die deutsche Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausend-
wende“ zitiert bei Ambos, K. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der
Jahrtausendwende 2000, 103 ff., 105 sowie bei Tellenbach, S. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.):
Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende 2000, S. 295 ff., 298 f., 301. Vgl. ferner
etwa auch den Tagungsbericht von Nutzinger, T. / Sauer, D.: JZ 2000, 407 ff., 407.
Vgl. aber Schneider, H.: ZStW 113 (2001), 499 ff., 504 ff., der als einer der ersten die
„bellizistische“ Grundhaltung Jakobs im Kampf gegen „den Feind im Inneren“ beschrieben
hat.
387
Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausend-
wende 2000, S. 47 ff., 53.
388
Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausend-
wende 2000, S. 47 ff., 53.
389
Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausend-
wende 2000, S. 47 ff., 53.
390
Prittwitz, C.: ZStW 113 (2001), 774 ff., 794 ff. Vgl. ferner auch Düx, H.: ZRP 2003,
189; Funk, A.: KrimJ 2002, 132 ff., 137; Günther, K.: KJ 1994, 135 ff.; 139; Jahn, M.: Das
Strafrecht des Staatsnotstandes 2004, S. 234; Paeffgen, H.-U.: GA 2003, 647 ff., 656 f.
391
Schulz, L.: ZStW 112 (2000), 653 ff., 659; Eser, A. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Straf-
rechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende 2000, S. 437 ff., 445. Mit Verweis auf Eser
D. Die Rezeption des Feindstrafrechts durch die Rechtswissenschaft 83

„buchstäblich angst“. 392 Darüber hinaus fielen bereits auf der oben benannten
Tagung selbst wertende Umschreibungen des Feindstrafrechts als „moralisch kor-
rumpierend“, da die Strafrechtspolitik durch das Verhalten von Verbrechern nicht
beeinflusst werden dürfe – selbst wenn sie eine Behandlung als Feind verdient
hätten. 393 Ingeborg Puppe bezeichnete das Postulat nach einem Feindstrafrecht
in der Konsequenz als eine Schlechterstellung des Feindes gegenüber dem Bür-
ger und schloss diese Feststellung mit dem wenig greifbaren Argument: „Das
sei ein gefährlicher Gedanke, davor müsse man warnen.“ 394 Ähnlich mahnt der
Frankfurter Strafrechtslehrer Lüderssen, die Gleichheit des Bürgerrespekts nicht
aufzugeben. Die Praxis möge der Versuchung des Feindstrafrechts – betitelt als
„diese gefährliche Theorie“ – widerstehen. 395

II. Vertiefung der kritischen Diskussion


durch die Rechtswissenschaft

Doch wohl nicht zuletzt infolge des Vergleiches mit der NS-Diktatur wurde die
Kritik seitens der deutschen Strafrechtswissenschaftler zunehmend vehementer
und insbesondere nach einigem zeitlichem Abstand hat der Tagungsbeitrag Ja-
kobs zu Recht eine lebhafte, überwiegend kritische 396 Diskussion entfacht, die bis
heute andauert – neuerdings wird der Begriff des Feindstrafrecht sogar als Reiz-
vokabel 397 bezeichnet. In dieser zweiten Diskussionsphase wurde die Kritik am
Feindstrafrecht punktueller und war weniger und jedenfalls nicht mehr ausschließ-

auch Düx kritisch gegenüber Jakobs Modell des Feindstrafrechts: Düx, H.: ZRP 2003,
189 ff., 194 f.
392
Eser, A. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende
2000, S. 437 ff., 444. Vgl. aber auch Düx, H.: ZRP 2003, 189 ff., 189, bei dem die „kalte
Aufteilung in Menschen und Nicht-Menschen Angst erzeugt“.
393
Jareborg, N. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausend-
wende 2000), S. 411 ff., 414.
394
Puppe zitiert von Cornils, K. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor
der Jahrtausendwende 2000, S. 427 ff., 430 f.
395
Lüderssen, K.: StV 2001, 718 ff., 720.
396
Vgl. aber Depenheuer, O.: Selbstbehauptung des Rechtsstaates 2007, der angesichts
der gegenwärtigen Terrorgefahr ein strafrechtliches Feindrecht befürwortet. Der Feind
habe keinen Anspruch, nach Maßgabe der Rechtsordnung behandelt zu werden, weil
er gerade diese bekämpft. Indem das Strafrecht de lege lata dem Terroristen aber noch
immer eine Subjektsstellung einräume, sei es überkommen und genüge den Anforderungen
an eine wirksame Terrorismusbekämpfung nicht (Depenheuer, O.: Selbstbehauptung des
Rechtsstaates 2007, S. 62, 68 ff.).
397
So Fritz Sack auf seinem Berliner Vortrag anlässlich der Verleihung des Werner-Holt-
fort-Preises 2005 an die Redaktion Bürgerrechte & Polizei / CILIP „Feindstrafrecht – Auf
dem Wege zu einer anderen Kriminalpolitik?“ vom 27. 5. 2005, weitgehend identische
Fassung im Internet abrufbar unter: http://www.cilip.de/presse/2005/sack.htm; ders.: vor-
gänge 178/2007, 5 ff., 5. Ähnlich auch Prittwitz, C. in: Institut für Kriminalwissenschaften
84 Kap. 1: Das Feindstrafrecht

lich von Emotionen getragen. Ferner kann sogar ein drittes Diskussionsstadium
ausgemacht werden, das sich durch eine deutliche Radikalisierung der Positionen
auszeichnet. 398 Diese Entwicklung mag nicht zuletzt ihre Ursache darin haben,
dass das Jakobssche Feindstrafrecht durch die allgemeine – medial und politisch
geschürte 399 – Massenhysterie nach den Terroranschlägen des 11. Septembers in
New York und „exakt 911 Tage“ 400 später in Madrid 2004, die Anschläge auf die
Londoner Verkehrssysteme im Juli 2005 sowie die fehlgeschlagenen Terrorakte
mittels Autobomben in London und Glasgow im Juli 2007 einen gewissen Reiz
auf Politik und die verunsicherte Gesellschaft ausübt, rechtstaatliche Schranken
als lästigen Ballast einer effektiven Gefahrenabwehr abzuschütteln.
Hier sollen nunmehr einige wesentliche Kritikpunkte, die im Rahmen der beiden
letztgenannten Diskussionsphasen gegen das Feindstrafrecht vorgebracht wurden,
herausgegriffen werden. Dabei soll an dieser Stelle die Kritik an Normen oder
Maßnahmen außer Acht gelassen werden, die nach Ansicht Jakobs feindstraf-
rechtlich geprägt sind (etwa die Folterung von Terroristen). Vielmehr beschränkt
sich die folgende Darstellung auf grundlegende Beanstandungen gegenüber dem
gesamten Konzept des Feindstrafrechts, wie es von Günther Jakobs vorgestellt
und für die Zukunft prognostiziert wurde.

1. Die (straf-)rechtliche Qualität des Feindstrafrechts

In einem 2001 erschienen Aufsatz von Schünemann musste Jakobs Konzept


des Feindstrafrechts sich herber Kritik aussetzen. Ebenso wie der Münchner
Strafrechtsprofessor bereits 1995 die normativistisch-funktionalistische Methode
Jakobs als Zirkelschluss und in der Konsequenz als folgenlose Dogmatik dekla-
riert hatte 401, bezeichnete er nunmehr das Feindstrafrecht als irreführende (aber
prägnante, wenn nicht gar provokante) Metapher; ein Musterbeispiel für folgenlose
beziehungsweise zirkuläre Argumentation 402:

und Rechtsphilosophie Frankfurt a. M. (Hrsg.): Jenseits des rechtsstaatlichen Strafrechts


2007, S. 225 ff., 227, dort insbesondere Fn. 9: „... auch wenn mit diesem Begriff [gemeint
ist das Feindstrafrecht, Anm. der Verfasserin] derzeit überwiegend noch provoziert und
skandalisiert wird.“ Vgl. auch Hassemer im Geleitwort zu Muñoz Conde, F.: Über das
„Feindstrafrecht“ 2007, S. 1: „Der Topos ‚Feindstrafrecht‘ elektrisiert derzeit geradezu,
innerhalb und außerhalb Deutschlands, innerhalb und mittlerweile auch außerhalb der
Rechtswissenschaft.“
398
Vgl. Aponte, A. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 131 ff., 151.
399
Vgl. hierzu auch Prittwitz, C. in: Institut für Kriminalwissenschaften und Rechtsphi-
losophie Frankfurt a. M. (Hrsg.): Jenseits des rechtsstaatlichen Strafrechts 2007, S. 225 ff.,
234.
400
Der Terroranschlag von New York war nach amerikanischer Schreibweise am 9/11.
401
Schünemann, B.: GA 1995, 201 ff., 221.
D. Die Rezeption des Feindstrafrechts durch die Rechtswissenschaft 85

„Durch die Prägung eines Schlagwortes im strengen Sinne wird eine außerordentliche
diffizile Regelungsproblematik buchstäblich erschlagen, indem eine neue Kategorie wie
ein deus ex machina plötzlich auftaucht (typisch bei Jakobs auf S. 51 403), und dann
anschließend (scheinbar!) einfach subsumiert wird, so daß echte Begründung durch
Inversionsschlüsse ersetzt werden. Schärfer ausgedrückt, sollen durch ein Aperçu, um
das es sich bei dem Ausdruck ‚Feindstrafrecht‘ bestenfalls handelt, radikale Neuent-
wicklungen im Strafrecht und Strafprozeßrecht, deren Legitimation einen komplizierten
Abwägungsprozeß und mit Sicherheit die Etablierung neuartiger und wirksamer Kaute-
len voraussetzt, von der Legitimationsnotwendigkeit freigestellt werden, weil es zu einem
‚Feindstrafrecht‘ keine ersichtliche Alternative gebe und weil Totalität des darin liegen-
den Krieges davon abhänge, was von einem ‚Feind‘ (wer hat die Definitionsmacht?)
alles befürchtet werde (sic!).“ 404
Die Pauschalität des Begriffs Feindstrafrecht könne nicht umschreiben, welchen
Wandlungen (Modernisierung etc.) das Strafrecht ausgesetzt ist und wie es auf
selbige reagieren muss. Zugleich widerspreche die Qualifikation als „Unperson“
den strafrechtlichen Zurechnungsregelungen, nach denen die Person im Strafrecht
definiert wird. 405 Auch wird Jakobs vorgeworfen, er bilde durch die Exklusion des
Feindes als Adressat des herkömmlichen Strafrechts eine eigene Gruppe unver-
nünftig Handelnder außerhalb des § 20 StGB, ohne dafür Kriterien zu benennen.
Dabei fehle es dem von Jakobs als Feind bezeichneten Täter regelmäßig gerade
nicht an der Fähigkeit zu kommunizieren, so dass nicht ersichtlich sei, warum
der Feind, selbst wenn er die Rechtsordnung ablehnt, aus der Rechtsordnung
auszuschließen sei. 406
Cancio Meliá schließt die Qualität des Feindstrafrechts als Straf recht bereits
begrifflich aus, da es sich hierbei nicht um Tatstrafrecht handele. 407 Partiell wird
darüber hinaus die Ausgestaltung des Feindstrafrechts als Recht, also als legiti-
mierbare Maßnahme, kategorisch ausgeschlossen. So ist bei Prittwitz zu lesen,
dass Feindstrafrecht ohnehin kein Recht sei. Es bringe nur kurzfristige Vorteile,

402
Schünemann, B.: GA 2001, 201 ff., 205, 212. Vgl. darüber hinaus auch zur Be-
zeichnung des Feindstrafrechts als gefährliche „dogmatische Überhöhung“ der in den USA
im Zuge des war on terrorists erfolgten Vermischung von Straf- und Kriegsrecht dens.:
GA 2003, 299 ff., 313. Vgl. zudem auch Kunz, K.-L.: Eser-FS 2005, S. 1375 ff., 1391 zur
argumentativen Tautologie bei Jakobs unter Berufung auf Schünemann.
403
Betrifft Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtau-
sendwende 2000, S. 47 – 56.
404
Schünemann, B.: GA 2001, 201 ff., 205, 212.
405
Schünemann, B.: GA 2001, 201 ff., 205, 212. Vgl. auch Sacher, M.: ZStW 118
(2006), 574 ff., 607, die das Feindstrafrecht als „eine viel zu kurz greifende Vereinfachung
bei der Suche nach einer Lösung moderner Probleme der Kriminalität“ umschreibt.
406
Sinn, A.: ZIS 2006, 107 ff., 114. Vgl. auch Bung, J.: HRRS 8 – 9/2006, 317 ff.,321.
Zur grundlegenden Kritik am Personenverständnis bei Jakobs vgl. zudem Gössel, K. H.:
F.-C. Schroeder-FS 2006, S. 33 ff., 39 ff., 48.
407
Cancio Meliá, M.: ZStW 117 (2005), 267 ff., 268, 276, 284; vgl. auch Kapitel 1
D.III.1.
86 Kap. 1: Das Feindstrafrecht

gäbe aber den Anspruch, als Rechtswissenschaft auftreten zu können, auf und
beraube sich langfristig der Existenzberechtigung. 408 Weiterhin bestünden erhebli-
che Zweifel, ob eine Marginalisierung der Strafrechtspflege ohne die Legitimation
eines Feindstrafrechts tatsächlich zu erwarten ist. 409
Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt auch Sauer: Das Feindstrafrecht „träte
neben das hergebrachte Straf- und Strafprozessrecht („Bürgerstrafrecht“) mit all
seinen Prinzipien wie etwa dem Übermaßverbot oder der Unschuldsvermutung,
hätte mit ihm im Grunde aber nichts mehr gemein außer der Bezeichnung Straf-
recht.“ 410 Weiterhin: Feindstrafrecht ist „überhaupt kein Recht. Es handelt sich
vielmehr schlicht um den Vorschlag, das Recht zugunsten eines vermeintlichen
Gewinns an Sicherheit zu suspendieren.“ 411
Auch Albrecht spricht in diesem Zusammenhang von einem Missbrauch des
Begriffs „Recht“. 412 Gleichfalls sei die Herleitung des Feindstrafrechts nach Kant
bei Jakobs verfehlt, da die Unterscheidung von Bürger und Feind bei Kant lediglich
im Naturzustand zu treffen sei, nicht aber für den rechtlichen Zustand gelte. In
letzterem gelte ausschließlich ein Bürgerstrafrecht. 413
Paeffgen entrüstet sich überdies, dass der Hinweis auf die schrecklichen Ter-
roranschläge vom 11. September offenbar jegliche Begründungsanforderungen
ersetze. 414 Entziehe man dem Angeklagten Rechte, ginge damit ein Verlust des
gesellschaftlichen Selbstverständnisses einher. Denn mit der Wahl feindlicher
Mittel im Rahmen eines Feindstrafrechtes, stelle man sich mit den „Terroristen“
auf eine Stufe und werde sich selbst untreu. 415
Weiterhin wird vorgetragen, dass Feindstrafrecht sich der Mittel eines totali-
tären Staatssystems bediene: Recht bedeute in beiden Fällen dasjenige Mittel
anzuwenden, welches dem Staat von Nutzen ist. 416 Das Strafrecht dürfe nicht als
Waffe gegen alles und jeden funktionalisiert werden; die Forderung nach Waffen-
gleichheit mit dem „Feind“ ginge ins Endlose, dabei sollte in einem Rechtsstaat
das Streben nicht darauf gerichtet sein, die Waffen derer zu erhalten, die sich

408
Prittwitz, C.: ZStW 113 (2001), 774 ff., 795.
409
Prittwitz, C.: ZStW 113 (2001), 774 ff., 795; Schulz, L.: ZStW 112 (2000), 653 ff.,
661.
410
Sauer, D.: NJW 2005, 1703 ff., 1703.
411
Sauer, D.: NJW 2005, 1703 ff., 1704.
412
Albrecht, P.-A.: ZStW 117 (2005), 852 ff., 858. Ähnlich auch Frommel, M. in: Uwer,
T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 59 ff., 76.
413
Albrecht, P.-A.: ZStW 117 (2005), 852 ff., 858.
414
Paeffgen, H.-U.: GA 2003, 647 ff., 655.
415
Paeffgen, H.-U.: GA 2003, 647 ff., 656 f.; vgl. auch Jung, H.: GA 2006, S. 724 ff.,
726.
416
Prantl, H.: SZ v. 28. 4. 2004, S. 4.
D. Die Rezeption des Feindstrafrechts durch die Rechtswissenschaft 87

unrechtmäßig verhalten. 417 Mit einem Feindstrafrecht werde letztlich auf die Be-
drohungsszenarien reagiert, die medial oder durch die Politik erst entstanden
beziehungsweise aufgebauscht wurden. 418 Dabei dränge sich der Eindruck auf,
der Staat vergelte Unrecht mit noch mehr Unrecht. 419

2. Strafverfahrensrecht

Auf verfahrensrechtlicher Ebene wurde zunächst grundsätzlich kritisiert, dass


Jakobs Ausführungen zum Strafprozessrecht karg ausfielen und einer näheren Aus-
gestaltung bedürften; auf viele verfahrensrechtliche Maßnahmen und Normen, die
nach der Begriffsbestimmung Jakobs feindstrafrechtlich geprägt seien, werde gar
nicht eingegangen. 420 Jedenfalls läge aber in der Aberkennung der Personalität des
Einzelnen zumindest offensichtlich ein Verstoß gegen die Unschuldsvermutung. 421
Zudem werde im Feindstrafrecht der nemo tenetur-Grundsatz verletzt 422, da der
Feind gezwungen werde, an seiner eigenen Überführung mitzuwirken. Zugleich
bedürfe es im Feindstrafrecht nicht einmal mehr eines Anfangsverdachts 423, also
tatsächlicher, konkreter Anhaltspunkte in Bezug auf eine verfolgbare Tat, um Er-
mittlungen aufzunehmen. Stattdessen genüge ein Generalverdacht in dem Sinne,
dass der Betroffene aufgrund allgemeiner Merkmale dem Raster eines bestimmten
Tätertypus unterfällt. Ohne einen konkreten Anfangsverdacht werden die Gren-
zen von repressiver Strafverfolgung und präventivem Polizeirecht verwischt 424
und damit das Legalitätsprinzip beeinträchtigt. Weiterhin sei bei Anwendung von
Feindstrafrecht auch das Prinzip der Waffengleichheit (Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK)
verletzt 425, wonach Staatsanwaltschaft und Beschuldigter sich ebenbürtig sind und
dem Beschuldigten Mittel zur Verfügung stehen, sich gegen die Gewaltmittel
der Anklage zu verteidigen. Werden jedoch die Verteidigungsrechte des Feindes

417
Hefendehl, R.: StV 2005, 156 ff., 158, 161.
418
Hefendehl, R.: StV 2005, 156 ff., 159.
419
P.-A. Albrecht auf der internationalen Strafrechtstagung 2005, vgl. http://presse.euv
-frankfurt-o.de/Uni_on/Uni_on_46.pdf, S. 2; vgl. auch ders.: ZStW 117 (2005), 852 ff.,
854.
420
Hamm, R. in: Rode, I. u. a. (Hrsg.): Neue Lust aufs Strafen 2005, S. 105 ff., 111 f.;
Schulz, L.: ZStW 112 (2000), 653 ff., 660.
421
Lehnert, M.: ForumRecht 2005, 96 ff., 100; Sacher, M.: Sonderwissen 2006, S. 97 f.;
Schünemann, B.: GA 2001, 201 ff., 205, 211; ders.: Nehm-FS 2006, S. 219 ff., 226; Schulz,
L.: ZStW 112 (2000), 653 ff., 660. Ebenso Bielefeldt, H.: Policy Paper Nr. 4/2004, S. 10.
Vgl. auch Abhandlung bei Gonzáles Cussac, J. L.: Feindstrafrecht 2007, S. 30 ff.
422
Dencker, F.: StV 1988, 262 ff., 264; Lüderssen, K.: StV 2001, 718 ff., 720; vgl. auch
Schneider, H.: ZStW 113 (2001), 499 ff., 505.
423
Umkehrschluss zu Dencker, F.: StV 1988, 262 ff., 263; vgl. auch Lüderssen, K.: StV
2001, 718 ff., 720.
424
Vgl. Lüderssen, K.: StV 2001, 718 ff., 720.
425
Vgl. Dencker, F.: StV 1988, 262 ff., 264.
88 Kap. 1: Das Feindstrafrecht

verkürzt und Beweise nicht offen gelegt 426, stehen ihm als Prozessbeteiligtem
keine gleichwertigen „Waffen“ zur Verfügung; er kann sich nicht angemessen
verteidigen.

3. Materielles Strafrecht

In materieller Hinsicht wird dem Feindstrafrechtsmodell insbesondere vorge-


worfen, dass der Begriff des „Feindes“ kein hinreichend abgrenzbares Entschei-
dungskriterium beinhalte. Weder biete die Definition des Feindes selbst ausrei-
chend exakte Vorgaben, aus denen sich objektiv die Zuordnung „Feind“ oder
„Bürger“ treffen ließe. Noch habe Jakobs hinreichend berücksichtigt, dass die
Einordnung als Feind in der Praxis von einer politischen Entscheidung abhinge,
so dass im Ergebnis der aktuelle Inhaber der Definitionsmacht maßgeblich sei. 427
Der Bürger muss aber erkennen können, welche Rechtsfolgen ein bestimmtes
Verhalten nach sich zieht 428, andernfalls wäre der Bürger der staatlichen Willkür
ausgeliefert. Insofern werde im Zuge eines Feindstrafrechts allem voran gegen
den Bestimmtheitsgrundsatz aus Art. 103 Abs. 2 GG verstoßen. 429
Kritisiert wird des Weiteren, dass Feindstrafrecht Täterstrafrecht sei, da gleich
einem Gesinnungsstrafrecht lediglich die Täterpersönlichkeit bestraft werde, ohne
dass es auf eine konkrete Tat ankomme. 430 Das Tatstrafrecht sei jedoch Errungen-
schaft eines souveränen Rechtsstaates. Dies begründe sich aus der Unsicherheit
personenbezogener Prognosen, wodurch einem Täterstrafrecht eine hohe Fehler-
wahrscheinlichkeit in Bezug auf Verurteilungen inne wohne. Zugleich enthalte
ein reines Täterstrafrecht kein geregeltes Maßprinzip für den Strafausspruch. Im
Übrigen verböten es bereits prinzipielle Gründe, einen Menschen für seine Person
statt für seine Tat haftbar zu machen. 431 Mit dem Täterstrafrecht einhergehend

426
Dencker, F.: StV 1988, 262 ff., 264.
427
Ambos, K.: ZStrR 2006, 1 ff., 15 ff.; Aponte, A. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren
Sie Ruhe 2006, S. 131 ff., 145 ff.; Bielefeldt, H.: Policy Paper Nr. 4/2004, S. 10; Dencker,
F.: StV 1988, 262 ff., 263; Eser, A. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor
der Jahrtausendwende 2000, S. 437 ff., 445; Gonzáles Cussac, J. L.: Feindstrafrecht 2007,
S. 36 f.; Hefendehl, R.: StV 2005, 156 ff., 158; Hörnle, T.: GA 2006, 80 ff., 89 ff., 95;
Lehnert, M.: ForumRecht 2005, 96 ff., 100; Schneider, H.: ZStW 113 (2001), 499 ff., 513;
Schünemann, B.: GA 2001, 205 ff., 212.
428
Wessels, J. / Beulke, W.: Strafrecht AT 2006, Rn. 47.
429
Hefendehl, R.: StV 2005, 156 ff., 160. So wohl auch Bung, J.: HRRS 8 –9/2006,
317 ff., 319; Sacher, M.: Sonderwissen 2006, S. 97 f.; dies.: ZStW 118 (2006), 574 ff., 608;
Fischer, T.: StGB 2008, Einl. Rn. 12a. Zur Problematik der Bekämpfung von „Feinden“ im
Hinblick auf deren Bestimmtheit vgl. ferner Frommel, M.: KritV 1990, 279 ff., 282.
430
Vgl. Ambos, K.: ZStrR 2006, 1 ff., 16; Dencker, F.: StV 1988, 262 ff., 264; vgl. auch
Gonzáles Cussac, J. L.: Feindstrafrecht 2007, S. 41. sowie Muñoz Conde, F.: Über das
„Feindstrafrecht“ 2007, S. 22 f.
431
Hefendehl, R.: StV 2005, 156 ff., 159 ff.
D. Die Rezeption des Feindstrafrechts durch die Rechtswissenschaft 89

werde der im Strafrecht vorherrschende Schuldgrundsatz, nach dem die Strafe


zugleich ein sittliches Unwerturteil über die Tat – nicht den Täter – enthält, nicht
gewahrt. 432

4. Verfassungsrecht

Da die strafrechtlichen Rahmenbedingungen oftmals aus verfassungsrechtlichen


Geboten abgeleitet werden, wie zum Beispiel dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20
Abs. 3 GG), dem Übermaßverbot und der Menschenwürde aus Art. 1 Abs. 1 GG,
überschneidet sich die Kritik am Feindstrafrecht auf strafrechtlicher und verfas-
sungsrechtlicher Ebene partiell. Entsprechend wurde an früherer Stelle bereits
auf die Nichtbeachtung der aus dem Rechtsstaatsprinzip hergeleiteten Unschulds-
vermutung und den Schuldgrundsatz (Herleitung aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1
GG und dem Rechtsstaatsprinzip, Art. 20 Abs. 3 GG 433) hingewiesen. Auch die
frühe Kritik, das Feindstrafrecht verstieße gegen den Gleichheitsgrundsatz aus
Art. 3 Abs. 1 GG 434, soll hier nochmals Erwähnung finden. Im Übrigen soll aller-
dings nur noch auf sonstige – bisher noch nicht genannte – verfassungsrechtliche
Kritikpunkte eingegangen werden.
Beispielsweise werden generelle, verfassungsrechtliche Bedenken hinsichtlich
der Gleichsetzung von Krieg und Feindstrafrecht angemeldet 435, da Strafrecht
nicht zugleich Kriegsrecht sein dürfe. Des Weiteren erhebt Jahn insbesondere
im Hinblick auf Art. 18 GG (Verwirkung von Grundrechten) verfassungsrecht-
liche Einwände gegen das Konzept des Feindstrafrechts. Selbst bei nachhaltig
gesetzeswidrigen Verhalten könne es eine ungeschriebene Missbrauchsklausel
mit Rücksicht auf Art. 18 GG nicht geben 436, da Art. 18 S. 1 keine Verwirkung
von Art. 1 Abs. 1 S. 1 GG und von Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG vorsieht. Eine Grund-
rechtseinschränkung aus einem ungeschriebenen Missbrauchsvorbehalt oder zum

432
Vgl. Lehnert, M.: ForumRecht 2005, 96 ff., 99. Ähnlich auch Gonzáles Cussac, J. L.:
Feindstrafrecht 2007, S. 43.
433
Siehe etwa BVerfGE 50, 205 ff., 214 m.w. N.; 80, 244 ff., 255; 90, 145 ff., 173.
434
Lüderssen, K.: StV 2001, 718 ff., 720; Puppe zitiert von Cornils, K. in: Eser, A. u. a.
(Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende 2000, S. 427 ff., 430 f.; vgl. auch
die zeitlich nachfolgende Kritik bei Landau, H.: NStZ 2007, 121 ff., 122; Schneider, H. /
Morguet, G. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 335 ff., 343 ff.; vgl.
ferner Ausführungen bei Gonzáles Cussac, J. L.: Feindstrafrecht 2007, S. 34 ff.
435
Schulz, L.: ZStW 112 (2000), 653 ff., 662.
436
Jahn, M.: Das Strafrecht des Staatsnotstandes 2004, S. 235 f.; zudem kritisch zur
Weite des Feindstrafrechtsbegriffes bei Jakobs in Hinblick auf Art. 18 GG Dannecker: „Man
könne allenfalls dann von einem Feindstrafrecht sprechen, wenn in materieller Hinsicht
die Voraussetzungen für eine Verwirkung von Grundrechten vorliegen. Das deutsche
Verfassungsrecht erlaube eine solche Aberkennung jedoch nur in sehr viel engeren Grenzen,
als Jakobs dies annehme. Deshalb müsste der Begriff des Feindstrafrechts viel enger gefasst
werden.“ (Dannecker zitiert bei Heger, M.: ZStW 117 (2005), 865 ff., 885).
90 Kap. 1: Das Feindstrafrecht

Gemeinwohl käme daher nicht in Betracht. 437 Zudem werde der Verstoß gegen die
Objektformel des Grundgesetzes geradezu zum Programm erhoben. 438 Die Ob-
jektformel besagt nach der Prägung Dürigs, dass „die Menschenwürde getroffen
ist, wenn der konkrete Mensch zum Objekt, zu einem bloßen Mittel, zur ver-
tretbaren Größe herabgewürdigt wird“. 439 Durch den Verlust von Prozessrechten
sowie die Erosion von Grundrechten 440 zum Zwecke reiner Effektivität werde der
Beschuldigte im Feindstrafrecht jedoch entrechtlicht und ihm werde der Status als
(Rechts-)Subjekt aberkannt. Damit werde er zum bloßen Objekt im staatlichen
Strafverfolgungsszenarium. Im Feindstrafrecht läge daher bereits deshalb „ein
fragwürdiger Ansatz“, weil ein an dem Menschenwürde-Prinzip (Art. 1 Abs. 1
GG) orientiertes Recht niemanden „extra legem“ stellen dürfe. 441 Eine derartige
Teilung der Menschenwürde dürfe es nicht geben. 442 Zudem sei die Menschen-
würde nach Art. 1 GG unveräußerlich; sie stehe dem Menschen prinzipiell zu
und werde nicht erst vom Staat verliehen. 443 Insofern sei es auch nicht zuläs-
sig, den Personenstatus an die Voraussetzung der Normtreue zu knüpfen. 444 Mit

437
Jahn, M.: Das Strafrecht des Staatsnotstandes 2004, S. 526. Kritisch hierzu Jakobs,
auch wenn er Jahn insoweit zustimmt, dass ein Rechtsbruch im rechtsstaatlichen Ideal auch
nur mit rechtsstaatlichen Mitteln verfolgt werden dürfe. Gerade das Gebilde des idealen
Rechtsstaates bei Jahn verkenne jedoch „die Spannung zwischen Begriff und Wirklich-
keit“. Der Rechtsstaat könne auch dadurch zerstört werden, dass er sich nicht mit den
erforderlichen Mitteln zur Wehr setzen darf. Dann verbleibe nämlich schlimmstenfalls
nur noch ein abstrakter Begriff, jedoch kein wirklicher Rechtsstaat: „Soll die Wirklichkeit
nicht leiden, muss sich das Maß der Perfektion des Rechtsstaats nach der jeweiligen Lage
richten [...]. Es gilt also, eine Balance von Perfektion und Wirklichkeit herzustellen, und
die Frage, ob das gelungen ist, lässt sich nicht durch einen Verweis auf die bestehende
Notstandsverfassung beantworten, sondern nur im Blick auf das, was der konkrete Kon-
flikt erforderlich macht. Bei dieser Lage hat der Rechtsstaat, einschließlich der in ihm
enthaltenen Notstandsverfassung, seine andauernde Wirklichkeit zur selbstverständlichen
Geschäftsgrundlage. Entfällt diese, dann ist staatliche Wirklichkeit – nicht in der schieren
Barbarei, aber doch – eine Etage tiefer zu suchen.“ (Jakobs, G.: ZStW 117 (2005), 418 ff.,
425).
438
Jahn, M.: Das Strafrecht des Staatsnotstandes 2004, S. 236; so auch Hefendehl, R.:
StV 2005, 156 ff., 160; Schneider, H. / Morguet, G. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie
Ruhe 2006, S. 335 ff., 342 ff.
439
Hierzu Dürig, G.: AöR 81 (1956), 117 ff.
440
Zur Erosion von Grundrechten siehe Düx, H.: ZRP 2003, 189 ff., 194 f.
441
NK-StGB-Paeffgen vor §§ 32 – 35, Rn. 223.
442
Vgl. Albrecht, P.-A.: ZStW 117 (2005), 852 ff., 852; Ambos, K.: ZStrR 2006, 1 ff.,
26; Demetrio Crespo, E.: ZIS 2006, 413 ff., 419.
443
Lehnert, M.: ForumRecht 2005, 96 ff., 100; vgl. auch Albrecht, P.-A.: ZStW 117
(2005), 852 ff., 854; Köhler zitiert bei Heger, M.: ZStW 117 (2005), 865 ff., 882.
444
Brunkhorst, H. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 103 ff.,
110; Gössel, K. H.: F.-C. Schroeder-FS 2006, S. 33 ff., 42 f.; Kunz, K.-L.: Eser-FS 2005,
S. 1375 ff., 1391; Neumann, U. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006,
S. 299 ff., 312 f.
D. Die Rezeption des Feindstrafrechts durch die Rechtswissenschaft 91

der Missachtung der Menschenwürde aus Art. 1 Abs. 1 GG widerspreche das


Feindstrafrecht zwangsläufig auch dem Menschenbild des Grundgesetzes. 445
Ferner werde das Interesse des Täters an beziehungsweise sein Grundrecht
auf Resozialisierung – abgeleitet aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1
Abs. 1 GG 446 – im Rahmen des Feindstrafrechts nicht berücksichtigt. 447 Zudem
seien Art. 101 GG (Unzulässigkeit von Ausnahmegerichten; keine Entziehung
des gesetzlichen Richters), Art. 19 Abs. 4 GG (Rechtsweggarantie) sowie Art. 104
GG (Freiheitsentziehungsvoraussetzungen und Verbot der körperlichen Misshand-
lung) durch ein Feindstrafrecht nach der Konzeption Jakobs nicht ausreichend
gewahrt. 448 Es sei letztlich verfassungsrechtlich geboten, dem Konzept des Feind-
strafrechts, das gesetzliches Unrecht legitimieren wolle, eine klare Absage zu
erteilen. 449

445
Näher hierzu Schneider, H. / Morguet, G. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie
Ruhe 2006, S. 335 ff., 343.
446
Ständ. Rsp. seit dem „Lebach-Urteil“ v. 5. 6. 1973 (BVerfGE 35, 202 ff., 235 f.).
447
Lehnert, M.: ForumRecht 2005, 96 ff., 99.
448
Lehnert, M.: ForumRecht 2005, 96 ff., 100.
449
Albrecht, P.-A.: ZStW 117 (2005), 852 ff., 856.
Kapitel 2

Überprüfung der deskriptiven Ebene bei Jakobs

A. Einführung
Wie im ersten Teil aufgezeigt wurde 450, stellt Jakobs die These auf, dass die
deutsche Strafgesetzgebung seit einigen Jahren tendenziell auf ein Feindstrafrecht
zusteuert und dass bereits feindstrafrechtliche Normen im geltenden Recht ver-
ankert sind. Im vorliegenden Kapitel wird die These Jakobs auf ihre deskriptive
Richtigkeit hin überprüft, indem die Beschaffenheitsmerkmale eines tendenziellen
Feindstrafrechts, so wie Jakobs sie darstellt, mit den strafgesetzlichen Reformen
und generellen Entwicklungslinien der deutschen Strafgesetzgebung seit den
siebziger Jahren verglichen werden. Der Untersuchungszeitraum von annähernd
vierzig Jahren wurde deshalb ausgewählt, da in diesem temporären Rahmen ausge-
schlossen werden kann, dass es sich bei den aufgezeigten Rechtsetzungsverläufen
lediglich um kurzlebige Modeerscheinungen handelt. Darüber hinaus bieten sich
die Siebziger Jahre zur Grenzziehung an, weil ab diesem Zeitpunkt ein eingehender
Wandel in der Strafgesetzgebung stattgefunden hat. Insofern wird nämlich mehr-
heitlich vorgetragen, dass die weitgehenden Entkriminalisierungstendenzen der
Reformtätigkeit des Gesetzgebers ab den Siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts
von dem primären Streben des Reformgebers nach Ausweitung des strafrechtlich
relevanten Bereichs abweichenden Verhaltens abgelöst wurden. 451 Insbesondere
ist seitdem auch eine Veränderung des sprachlichen Umgangs mit dem Täter oder
jedenfalls mit bestimmten Tätern durch den Gesetzgeber zu verzeichnen, die sich
zum Beispiel anhand der so genannten Bekämpfungsgesetze 452 nachvollziehen
lässt: Bereits nach der legislativen Wortwahl ist der Täter nicht mehr zu behandeln
und zu resozialisieren, sondern er muss in bestimmten Bereichen eben „bekämpft“
werden. 453

450
Kapitel 1, vor allem Punkt D.
451
Vgl. zum Beispiel Dencker, F.: StV 1988, 262 ff., 264; Eser, A.: Maihofer-FS 1988,
S. 109 ff., 124 ff., 130 ff.; Göppinger-Schneider: Kriminologie 2008, § 30 Rn. 2; Hassemer,
W.: StraFo 2005, 312 ff., 312 f.; Hirsch, H. J.: H. Kaufmann-GS 1986, S. 133 ff., 150 f., 160;
Roxin, C.: JA 1980, 545 ff., 547; Scheffler, U.: GA 1995, 449 ff., 450; ders.: Schwind-FS
2006, S. 123 ff., 125; Wolter, J.: GA 1999, 158 ff., 158 f.
452
Vgl. hierzu noch Kapitel 1 C.II.4. und Kapitel 2 B.III.
453
Vgl. auch Göppinger-Schneider: Kriminologie 2008, § 30 Rn. 2.
B. Überprüfung der deskriptiven Ebene 93

Allerdings muss an dieser Stelle bereits darauf hingewiesen werden, dass dieser
Wandel die deutsche Strafgesetzgebung nach dem Nationalsozialismus betrifft.
Auch werden die ostdeutschen Bundesländer bis zur Wiedervereinigung an die-
ser Stelle nicht in die Untersuchung einbezogen. Schließlich war das aufgrund
historischer Fehltritte errungene, liberal-rechtstaatliche Strafrecht bis 1990 im
geteilten Deutschland nur dem Westen zu Eigen. Anhand der Entwicklung eben
dieses Strafrechts ist zu untersuchen, ob überhaupt beziehungsweise inwiefern
ein Feindstrafrecht im Sinne Jakobs existiert. Dazu müssten zum einen die bei
Jakobs beschriebenen Normmerkmale des Feindstrafrechts (Interna berücksich-
tigende Vorverlagerungen, zu Vorverlagerung und Tatschuld unproportionaler
Strafrahmen, Bekämpfungsgesetzgebung und Einschränkung prozessualer Garan-
tien) die Strafrechtsentwicklung (mit-)prägen. Zum anderen das gegenwärtige
Strafrecht bestimmte Täter als Feinde im Sinne Jakobs behandeln und damit den
gesellschaftlichen Kommunikationsprozess maßgeblich mitgestalten. Denn soll-
ten zwar die nach Jakobs feindstrafrechtlichen Beschaffenheitsmerkmale mit der
aktuellen Entwicklung im Strafrecht kongruent sein, die Merkmale jedoch de lege
lata in allen Deliktsbereichen anzufinden und damit auch Beschuldigte betroffen
sein, die unmöglich als generell vom Recht abgewandte Feinde im Sinne Jakobs
betrachtet werden können, stellt sich die Frage, ob das Jakobssche Konzept des
Feindstrafrechts bereits aufgrund der fehlenden Adressatenkorrektheit versagt.
Darüber hinaus soll ein Blick auf die Entwicklung in Rechtsprechung und
Kriminalpolitik geworfen werden, um diese auf Parallelen beziehungsweise Un-
terschiede im Vergleich zu den getroffenen Feststellungen zur Gesetzgebung zu
prüfen. Ferner wird ein kurzer Ausblick auf die zukünftige Entwicklung in Bezug
auf ein mögliches Feindstrafrecht gewagt.

B. Überprüfung der deskriptiven Ebene –


Übereinstimmungen des Feindstrafrechts
mit der Entwicklung der Strafgesetzgebung

Jakobs benennt zunächst materielle Vorverlagerungen, die den Internbereich


eines Täters zur Begründung von Strafbarkeit heranziehen oder bloße Vorbe-
reitungshandlungen sanktionieren 454 beziehungsweise sich auf kommende Taten
konzentrieren, als Indiz für ein bestehendes Feindstrafrecht. Ferner werden fehlen-
de Proportionalität der Strafzumessung zur Tatschuld, der Erlass von „Bekämp-
fungsgesetzen“ sowie die Einschränkung prozessualer Garantien von Jakobs als
Beschaffenheitsmerkmale des Feindstrafrechts 455 benannt, die die Strafgesetzge-
bung de lege lata bereits aufweise.

454
Vgl. zur tendenziell feindstrafrechtlichen Vorfeldkriminalisierung Jakobs, G.: ZStW
97 (1985), 751 ff. sowie oben Kapitel 1 C.II.1.
94 Kap. 2: Überprüfung der deskriptiven Ebene bei Jakobs

I. Feindstrafrechtliche Vorverlagerungen im materiellen Recht

Jakobs bezeichnet unter anderem Normen wie § 30 456 (Verbrechensverabre-


dung), §§ 129 bis 129b 457 (Strafbarkeit krimineller bzw. terroristischer Vereini-
gungen), 267 Abs. 1 Alt. 1 und 2 458 (Herstellen einer unechten und Verfälschen
einer echten Urkunde), § 146 Abs. 1 Nr. 1 und 2 (Geldfälschung), § 310 StGB 459
(Vorbereitung eines Explosions- oder Strahlenverbrechens) sowie §§ 30 Abs. 1
Nr. 3, 31 Abs. 1 Nr. 1 BtMG a.F. 460 als in der Tendenz feindstrafrechtliche Ge-
setzgebung 461, da die aufgeführten Normen den inneren Planungszusammenhang
des Täters, also Interna berücksichtigen, oder / und der Verhinderung zukünftiger
Taten dienen. Ferner seien einige Vorverlagerungen im Rahmen von „Klimaschutz-
delikten“ feindstrafrechtlicher Natur, nämlich die Strafbarkeitskonstellationen, in
denen der Täter sich gar keine fremde Organisation anmaßt oder wiederum kom-
mende Taten den Bestrafungsgegenstand bilden, so etwa bei §§ 130, 140 StGB. 462
Neben diesen von Jakobs bereits angesprochenen Straftatbeständen lassen sich
weitere Vorfeldverlagerungen anführen, die im Laufe der letzten Jahrzehnte er-
lassen wurden und die nach der Begriffsbestimmung Jakobs in der Tendenz
feindstrafrechtlich ausgerichtet sind.

1. Vorverlagerungen im Rahmen der Wirtschaftsdelikte

Durch das „Zweite Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität“ 463 wur-
den 1986 die wirtschaftlichen Missbrauchstatbestände unter anderem um § 152a
StGB erweitert. 464 § 152a StGB erklärte das Herstellen, Verschaffen, Feilhalten
oder Überlassen falscher Vordrucke zu Euroschecks und Euroscheckkarten in
Gebrauchsabsicht zum Verbrechen. Damit wurde ähnlich Jakobs Darlegungen
zu den Alternativen des Herstellens und Verschaffens im Rahmen der Urkunds-

455
Zu den typischen Kennzeichen des Feindstrafrechts im Allgemeinen vgl. Jakobs,
G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende 2000,
S. 47 ff., 51 f.
456
Jakobs, G.: Staatliche Strafe 2004, S. 45 f.; ders.: HRRS 3/2004, 88 ff, 93 f.
457
Jakobs, G.: ZStW 117 (2005), 839 ff., 839 f.
458
Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 751 ff., 757; a. A. Voß, M.: Symbolische Gesetzgebung
1989, S. 145.
459
Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 751 ff., 772 f., wobei Jakobs sich auf § 311b StGB
a.F. bezieht.
460
Nunmehr § 30a BtMG n.F.
461
Vgl. generell zur Vorverlagerung Kapitel 1 C.II.1.
462
Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 751 ff., 779 f.; vgl. zu § 130 StGB auch Hörnle, T.: GA
2006, 80 ff., 83.
463
WiKG 2 vom 15. 5. 1986 (BGBl. I, S. 721).
464
Eser, A.: Maihofer-FS 1988, S. 109 ff., 131 f.
B. Überprüfung der deskriptiven Ebene 95

delikte (§ 267 Abs. 1 Alt. 1 und 2 StGB) und der Geldfälschung (§ 146 Abs. 1
Nr. 1 und 2 StGB) 465 auf den inneren Planungszusammenhang abgestellt, um
Strafbarkeit im Vorfeldstadium zu begründen. Gleiches gilt nunmehr für die Neu-
fassung des § 152a StGB (Fälschung von Zahlungskarten, Schecks und Wechseln
zur Täuschung im Rechtverkehr) durch das „Fünfunddreißigste Strafrechtsände-
rungsgesetz zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses des Rates der Europäischen
Union“ vom 28. 5. 2001 466 zur Bekämpfung von Betrug und Fälschung im Zu-
sammenhang mit unbaren Zahlungsmitteln. Darüber hinaus wurden infolge der
Verweisung des § 152a Abs. 5 StGB auf § 149 StGB weitere Vorbereitungshand-
lungen zur Fälschung der benannten Objekte unter Strafe gestellt. Überdies wurden
durch besagtes Gesetz bestimmte Vorbereitungshandlungen des Computerbetrugs
in § 263a Abs. 3 StGB erfasst 467, die ebenfalls Interna des Täters („deren Zweck
die Begehung einer solchen Tat [§ 263a Abs. 1 StGB Anm. d. Verf.] ist“) zur
Begründung von Strafbarkeit berücksichtigt.

2. Vorverlagerungen im Betäubungsmittelstrafrecht

Der unter Strafe stehende Handlungskatalog im Bereich der Betäubungsmit-


telkriminalität hat permanente Ergänzung und Ausweitung erfahren (Prinzip der
Totalprohibition 468 bzw. Umfeldkriminalisierung 469). 1972 wurde beispielsweise
der Besitz von Betäubungsmitteln (§ 29 Abs. 1 Nr. 3 BtMG) und die Mitteilung
über die Möglichkeiten zum unbefugten Umgang (§ 29 Abs. 1 Nr. 10 BtMG) unter
Strafe gestellt. 470 Der bloße Besitz von Betäubungsmitteln stellt ebenso wenig eine
direkte Rechtsgutsgefährdung dar wie die Mitteilung über die Möglichkeiten zum
Erwerb. Gleiches gilt für den bloßen Anbau, die Herstellung oder die Einführung
nach §§ 29 Abs. 1 Nr. 1, 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG (bzw. über den Verweis auf § 29
BtMG auch §§ 30, 30a BtMG). Insofern wird bereits unterstellt, der Täter wer-
de die Betäubungsmittel entweder an andere Personen weiterreichen oder selbst
zu sich nehmen. Demzufolge wird ein Planungszusammenhang hinsichtlich der
späteren Verwendung – nämlich der körperlichen Einnahme – stillschweigend
vorausgesetzt, der für die Strafbarkeit nach dem Betäubungsmittelgesetz entschei-
dend ist, denn Zweck des Gesetzes ist gerade die Abwehr von Gesundheitsgefahren
(Schutz der „Volksgesundheit“ 471). Fraglich ist dabei freilich, warum eine eigenver-
antwortliche Verletzung des eigenen Körpers plötzlich strafbar sein sollte. 472 Auch

465
Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 751 ff., 756 f.; a. A. Voß, M.: Symbolische Gesetzge-
bung 1989, S. 145.
466
BGBl. I, S. 2838.
467
Vgl. Rompe, M.: JA 2004, 424.
468
Vgl. Köhler, M.: ZStW 104 (1992), 3 ff., 8. Zur Tendenz umfassender Pönalisierung
vgl. aber auch Hassemer, W.: JuS 1987, 257 ff, 259.
469
Vgl. zur Begrifflichkeit Stegmann, A.: Organisierte Kriminalität 2004, S. 77 f.
470
BR-Drucks. 665/70 (neu), S. 13 ff.
96 Kap. 2: Überprüfung der deskriptiven Ebene bei Jakobs

die 1982 erfolgte Kriminalisierung der Verherrlichung des unbefugten Umgangs


mit Betäubungsmitteln (§ 29 Abs. 1 Nr. 12 BtMG) 473 stellt – jedenfalls mindestens
wenn sie auf zukünftige Taten anderer Personen bezogen ist – keine Anmaßung
eines fremden Organisationskreises dar. Insofern können Jakobs Ausführungen
zu § 130 StGB (Volksverhetzung) analog herangezogen werden. 474

3. Vorverlagerungen zur Bekämpfung


der Organisierten Kriminalität 475

Durch das „Verbrechensbekämpfungsgesetz“ von 1994 476 wurden im Rahmen


des „Kampfes gegen die Organisierte Kriminalität“ 477 §§ 275 ff. StGB neu erlas-
sen. Danach wurde der Umgang mit falschen Ausweispapieren sanktioniert, um
organisierte Schleusertätigkeiten und internationale Kraftfahrzeugverschiebun-
gen zu unterbinden. 478 § 275 StGB bedroht bereits die bloße Vorbereitung der
Fälschung von amtlichen Ausweisen, also reines Verhalten im Internbereich mit
Strafe. § 276 Abs. 1 Nr. 2 StGB bestraft das Beschaffen, Verwahren oder einem
anderen Überlassen von falschen amtlichen Ausweisen in der Absicht, dessen Ge-
brauch zur Täuschung im Rechtsverkehr zu ermöglichen. Hier wird wiederum auf
den Planungszusammenhang des Täters abgestellt, um vorgelagerte Strafbarkeit
zu begründen. Mit dem 6. Strafrechtsreformgesetz 479 wurde der Versicherungs-
missbrauch in § 265 StGB aufgenommen, durch den nach der gesetzgeberischen
Intention auch international organisierte Kfz-Verschiebungen entgegentreten wer-

471
Vgl. die Begründung des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung zur Neuordnung
des deutschen Betäubungsmittelrechts vom 9. 11. 1979 aus: „Der ständige Anstieg der
Rauschgiftdelikte zwingt, zum Schutze der Volksgesundheit und der sozialen Interessen
der Gesellschaft als äußerste Maßnahem auch verschärfte strafrechtliche Vorschriften gegen
diese Kriminalität zu erlassen.“ (BR-Drucks. 546/79, S. 35).
472
Im Strafgesetzbuch muss jedenfalls ein „anderer“ Mensch am Körper verletzt wer-
den, §§ 223 ff. StGB. Gleichfalls scheiden Teilnahmehandlungen bei eigenverantwortlicher
Selbstgefährdung aus.
473
BR-Drucks. 546/79, S. 35 f. Zu den Erweiterungsmaßnahmen im Betäubungsmittel-
recht vgl. auch Wohlers, W.: Deliktstypen des Präventionsstrafrechts 2000, S. 180 ff.
474
Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 751 ff., 779 f.; vgl. auch Hörnle, T.: GA 2006, 80 ff.,
83 sowie oben Kapitel 1 C.II.1.
475
Zur – insbesondere im Hinblick auf 103 Abs. 2 GG – problematischen Begriffsbe-
stimmung der Organisierten Kriminalität vgl. etwa Albrecht, P.-A.: KritV 1997, 229 ff.,
230 ff.; Göppinger-Schneider: Kriminologie 2008, § 26 Rn. 14 ff.; Hefendehl, R.: StV 2005,
156 ff., 156 ff.; Hettinger, M.: Entwicklungen im Strafrecht und Strafverfahrensrecht 1997,
S. 55 ff.; Schneider, H.: ZStW 113 (2001), 499 ff., 499 ff.; Schwind, H.-D.: Kriminologie
2006, § 29 Rn. 3 ff. Vgl. ferner auch Soiné, M.: Kriminalistik 2005, 409 ff., 410 ff.
476
Vom 28. 10. 1994 (BGBl. I, S. 3186).
477
Vgl. BT-Drucks. 12/6853, S. 1, 18.
478
Dahs, H.: NJW 1995, 553 ff., 555.
479
„Sechstes Gesetz zur Reform des Strafrechts“ vom 26. 1. 1998 (BGBl. I, S. 164, 704).
B. Überprüfung der deskriptiven Ebene 97

den sollte. 480 Dazu wurde die Strafbarkeit ins Vorfeld von Betrugshandlungen
ausgedehnt. 481 Voraussetzung für die Strafbarkeit nach § 265 ist die Absicht, sich
oder einem Dritten Leistungen aus der Versicherung zu verschaffen. Das in § 265
StGB als strafbar beschriebene Verhalten muss sich nicht störend nach Außen
hin auswirken 482, sondern kann bereits aufgrund der bloßen Absicht, später einen
Betrug zu verwirklichen, bestraft werden. Eine Schadensmeldung bei der Versi-
cherung als störende Handlung im Externbereich ist nicht notwendig. Darüber
hinaus wurde die ohnehin vorgelagerte Missbrauchsnorm noch erweitert, indem
Handlungen versicherungsfremder Dritter unter Strafe gestellt wie auch das Über-
lassen einer versicherten Sache an einen anderen erfasst wurden. 483 Entsprechend
macht sich bereits derjenige strafbar, der eine an sich wertneutrale Handlung
vornimmt, etwa sein versichertes Kraftfahrzeug an einen anderen verkauft, wenn
dies in der Absicht geschieht, das Fahrzeug anschließend als gestohlen zu melden.
Sanktioniert wird der subjektive Kontext, so dass die Regelung feindstrafrechtlich
ausgeprägt ist.

4. Vorverlagerungen im Rahmen von Sexualdelinquenz

Mit dem „Siebenundzwanzigsten Strafrechtsänderungsgesetz“ vom 23. 7.


1993 484 wurde die Strafbarkeit im Bereich des § 184 StGB auf Besitz und vorge-
lagerte Besitzverschaffungshandlungen von Kinderpornographie erweitert 485, so
dass im Ergebnis ein reines Internverhalten des Täters unter Strafe gestellt wur-
de. Durch das „6. Gesetz zur Reform des Strafrechts“ vom 26. 1. 1998 486 wurde
der sexuelle Missbrauch von Kindern in §§ 176 bis 176b StGB umfassend neu
geregelt. 487 Dabei wurde unter anderem in § 176a Abs. 1 Nr. 4 StGB der Grund-
tatbestand durch das Kriterium der Wiederholungsgefahr qualifiziert. 488 Damit
wurde auf die bloße Möglichkeit einer erneuten Gefahr – also noch nicht einmal
auf das Erfordernis eine konkreten Planungszusammenhangs – abgestellt. Eine
Bestrafung nach § 176a Abs. 1 Nr. 4 StGB erfolgte daher vor allem im Hinblick
auf zukünftige Taten. 489 Mit dem „Gesetz zur Änderung der Vorschriften über die

480
BT-Drucks. 13/8587 S. 65; vgl. auch Hörnle, T.: Jura 1998, 169 ff., 176; Perron in
Schönke, A. / Schroeder, H. (Hrsg.): StGB 2006, § 265 Rn. 1; Zopfs, J.: VersR 1999, 265 ff.,
265.
481
Fischer, T.: StGB 2008, § 265 Rn. 1. Vgl. auch Zopfs, J.: VersR 1999, 265 ff., 265.
482
Kritisch auch Zopfs, J.: VersR 1999, 265 ff., 273.
483
Fischer, T.: StGB 2008, § 265 Rn. 1.
484
BGBl. I, S. 1346.
485
Albrecht, H.-J.: ZStW 111 (1999), 863 ff., 866.
486
BGBl. I, S. 164, 704.
487
Vgl. Laubenthal, K.: Sexualstraftaten 2000, S. 13 Rn. 40.
488
Laubenthal, K.: Sexualstraftaten 2000, S. 14 Rn. 42.
489
Die Vorschrift ist inzwischen nicht mehr existent.
98 Kap. 2: Überprüfung der deskriptiven Ebene bei Jakobs

Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung und zur Änderung anderer Vor-
schriften“ (SelbstbG) vom 27. 12. 2003 490 wurde die Vorverlagerung nach § 176
Abs. 4 Nr. 3 StGB eingeführt. Danach ist bereits strafbar, wer auf ein Kind durch
Schriften einwirkt mit der Absicht, es zu sexuellen Handlungen zu motivieren.
Erfasst werden insofern auch Datenspeicher (§ 11 Abs. 3 StGB), also insbesondere
die Kommunikation über Internet. 491 Gleichfalls wurde die Verabredung des sexu-
ellen Missbrauchs von Kindern in § 176 Abs. 5 Alt. 2 StGB unter Strafe gestellt, die
als Vergehen nicht von § 30 Abs. 2 StGB erfasst wird. 492 In beiden Fällen folgt die
Strafbarkeit im Vorbereitungsstadium aus der Hinzuziehung der Interna, nämlich
der Intention des Täters sowie mit Blick auf zukünftige Rechtsgutsverletzungen.

5. Vorverlagerungen zur Bekämpfung des Terrorismus

Das Staatsgefährdungsdelikt der Anleitung zu Straftaten nach § 130a StGB


wurde 1976 durch das „Vierzehnte Strafrechtsänderungsgesetz“ 493 (neben der Be-
fürwortung von Straftaten und der Anleitung, § 88a StGB) eingeführt. 494 Danach
wurde wegen vollendeter Anleitung (als bloße Vorbereitungshandlung zur spä-
teren Tat) bestraft, auch wenn die eigentliche Straftat (zu der angeleitet wurde)
noch nicht begangen wurde. Damit sollte politisch motivierte Gewaltkriminalität
unterbunden werden. 495 Nach zwischenzeitiger Aufhebung wurde § 130a StGB
(Anleitung zu schweren Straftaten) durch das „Gesetz zur Bekämpfung des Terro-
rismus“ von 1986 496 in einer erweiterten Fassung wieder aufgenommen, wonach
nunmehr in § 130a Abs. 2 Nr. 1 bereits die Eignung als Anleitung genügt. Die
tatsächliche Wirkung der Schrift (§ 11 Abs. 3 StGB) auf andere ist damit für
die Strafbarkeit ohne Belang (abstraktes Gefährdungsdelikt). Die Schrift muss
nach Abs. 2 entgegen Abs. 1 nicht ihrem Inhalt nach zur Anleitung bestimmt sein,
sondern es genügt die Absicht, die Bereitschaft anderer zur Begehung bestimmter
Taten zu fördern oder zu wecken. 497 Dies wird wiederum ermittelt, indem auf den
Kontext der Schrift und vor allem das geistige Umfeld des Verfassers der Schrift

490
BGBl. I, S. 3007.
491
Kritisch Hörnle, T.: GA 2006, 80ff., 82 f.: Die Übergabe eines Comic-Heftes, um
sich mit einem Kind anzufreunden und es später zu missbrauchen wäre danach strafbar,
die Übergabe einer Tafel Schokolade zu diesem Zweck nicht. Ebenfalls kritisch zur Vorver-
lagerung des § 176 Abs. 4 Nr. 3 StGB Amelung, D. / Funcke-Auffermann, N.: StraFo 2004,
265 ff., 267.
492
Vgl. Amelung, D. / Funcke-Auffermann, N.: StraFo 2004, 114 ff., 122; dies.: StraFo
2004, 265 ff., 267.
493
Vom 22. 4. 1976 (BGBl. I, S. 1056).
494
Klughardt, W.: Die Gesetzgebung zur Bekämpfung des Terrorismus 1984, S. 104 ff.
495
Tröndle, H. / Fischer, T.: StGB 2004, § 130a Rn. 1.
496
TerrorBG vom 19. 12. 1986 (BGBl. I, S. 2566).
497
Kritisch Dencker, F.: StV 1987, 117 ff., 121.
B. Überprüfung der deskriptiven Ebene 99

abgestellt wird. Durch Berücksichtigung vermeintlicher Absichten des Verfassers


wird die Strafbarkeit durch subjektive Verdachtsmomente begründet. Geht man
überdies im Grundsatz davon aus, dass die Anleitung mit der Anstiftung nach
§ 26 StGB zu vergleichen ist, wäre der Täter eines § 130a StGB benachteiligt, da
die Strafbarkeit nach § 26 StGB voraussetzt, dass die Haupttat zumindest ins Ver-
suchsstadium (§ 22 StGB) gelangt ist. Dieses Erfordernis entfällt bei § 130a StGB.
Allerdings ist zu berücksichtigen, dass § 130a StGB sich auf den Straftatenkatalog
nach § 126 StGB bezieht (Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung
von Straftaten), der wiederum nur Verbrechen im Sinne des § 12 Abs. 1 StGB als
Anknüpfungspunkt der Strafbarkeit bestimmt. Damit ist die Norm mit § 30 Abs. 1
StGB vergleichbar, der jedoch nach Jakobs ausdrücklich 498 eine feindstrafrechtli-
che Vorverlagerung darstellt. Gleiches muss dann aber erst recht für § 130a StGB
gelten, der bereits die bloße Eignung zur Anleitung genügen lässt.
Des Weiteren sind §§ 129a und b StGB, obgleich Jakobs jene bereits als materi-
elle Vorverlagerungen benannt hat, aufgrund ihrer offensichtlich herausragenden
Bedeutung im Rahmen der Terrorismusbekämpfung zur Sprache zu bringen. Die
Bildung terroristischer Vereinigungen im Inland nach § 129a StGB 499 bedroht
unter anderem die bloße Gründung oder Mitgliedschaft in der Vereinigung mit
Strafe. Eigentlicher Strafgrund dieser Vorfeldkriminalisierung 500 ist dabei der
Zweck, auf den die Vereinigung abzielt (vgl. zunächst die in § 129a Abs. 1 StGB
genannten Katalogtaten). Die Zweckausrichtung wurde durch das „Gesetz zur
Umsetzung des Rahmenbeschlusses des Rates vom 13. Juni 2002 zur Terroris-
musbekämpfung und zur Änderung anderer Gesetze“ 501 durch Einführung von
Abs. 2 und 3 noch erweitert. Nach Abs. 3 begründet nunmehr das bloße Androhen
einer Straftat im Sinne des Abs. 1 oder 2 die Strafbarkeit. Durch die Ausrichtung
der Sanktionsnorm an dem Vereinigungszweck wird jedenfalls vornehmlich auf
ein bloßes Internum abgestellt; der Täter wird aufgrund zukünftiger Taten als
Feind der Rechtsordnung bestraft. Für die materiell-rechtliche Vorverlagerung in
§ 129b StGB (Bildung terroristischer Vereinigungen im Ausland), die durch das
34. Strafrechtsänderungsgesetz 502 2002 eingefügt wurde, gilt dasselbe. 503

498
Jakobs, G.: Staatliche Strafe 2004, S. 45 f.; ders.: HRRS 3/2004, 88 ff, 93 f.
499
Eingeführt durch „Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches, der Strafprozeßord-
nung, des Gerichtsverfassungsgesetzes, der Bundesrechtsanwaltsordnung und des Straf-
vollzugsgesetzes“ vom 18. 8. 1976 (BGBl. I, S. 2181).
500
Vgl. zur Charakterisierung des § 129a StGB als Vorfelddelikt – unter dem Hinweis,
dass über § 30 StGB sogar eine „doppelte“ Vorverlagerung möglich ist – auch Weißer, B.:
JZ 2008, 388 ff., 390 f.
501
TerrorismusBekG vom 22. 12. 2003 (BGBl. I, S. 2836).
502
Vom 22. 8. 2002 (BGBl. I, S. 3390).
503
Vgl. auch Hörnle, T.: GA 2006, 80 ff., 83; Stock, J.: Schwind-FS 2006, S. 741 ff.,
746.
100 Kap. 2: Überprüfung der deskriptiven Ebene bei Jakobs

II. Fehlende Proportionalität von Strafe und Tatschuld

Als weiteres feindstrafrechtrechtliches Kennzeichen benennt Jakobs die man-


gelnde Strafbarkeitsreduktion in Proportionalität zur Vorverlagerung von straf-
baren Verhaltensweisen. 504 Beispielhaft wird von Jakobs die Strafbarkeit des
Rädelsführers beziehungsweise Hintermanns einer terroristischen Vereinigung
nach § 129a StGB mit der Strafbarkeit wegen versuchten Mordes verglichen 505:
Der Rädelsführer oder Hintermann wird nach § 129a Abs. 4 StGB in den Fällen
der Absätze 1 und 2 (wenn z. B. die terroristische Vereinigung mit dem Ziele eines
Mordes gegründet wird, § 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB) mit nicht unter drei Jahren
Freiheitsstrafe sanktioniert. Der Täter, der einen Mord nach § 211 StGB versucht
hat, wird – zumindest wenn von der fakultativen Versuchsmilderung nach §§ 23
Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB Gebrauch gemacht wird, was meistens der Fall sein dürf-
te – gleichfalls mit einer Freiheitsstrafe von nicht unter drei Jahren belegt (§ 49
Abs. 1 Nr. 1 StGB). Dabei befindet sich der Täter eines versuchten Mordes im
Zuge seines unmittelbaren Ansetzens zur Tat gemäß § 22 StGB in einem Stadium,
das wesentlich näher am eigentlichen Verletzungserfolg (der Tötung) liegt, als
der Rädelsführer (oder Hintermann) bei § 129a Abs. 4 in Verbindung mit Abs. 1
Nr. 1 StGB. Ähnlich verhalte es sich mit der Strafandrohung des § 30 StGB 506,
die sich an der Strafbarkeit des Verbrechensversuchs orientiere – wenn auch mit
obligatorischer Strafmilderung (§§ 30 Abs. 1 S. 2, 49 Abs. 1 StGB).
Nachfolgend werden ähnliche feindstrafrechtliche Strafschärfungen, die entwe-
der unverhältnismäßig im Verhältnis zur Tatschuld erscheinen und die aufgrund
ihres Präventionscharakters überhaupt nicht an der Tatschuld orientiert sind, aufge-
führt. Außerdem sollen noch einige andere gesetzgeberische Absurditäten Erwäh-
nung finden, die sich kaum mit der bisherigen Ausgestaltung der Strafzumessung
vertragen.

1. Unverhältnismäßige Strafschärfungen
im Wirtschaftsstrafrecht

So erscheint der Mindeststrafrahmen des § 152b Abs. 2 StGB, der durch das
„Fünfunddreißigste Strafrechtsänderungsgesetz zur Umsetzung des Rahmenbe-
schlusses des Rates der Europäischen Union“ vom 28. 5. 2001 507 zur Bekämpfung

504
Vgl. Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausend-
wende 2000, S. 47 ff., 51.
505
Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausend-
wende 2000, S. 47 ff., 51; ders.: Staatliche Strafe 2004, S. 46; ders. HRRS 3/2004, 88 ff.,
93. Vgl. auch oben Kapitel 1 C.II.2.
506
Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 95.
507
BGBl. I, S. 2838.
B. Überprüfung der deskriptiven Ebene 101

von Betrug und Fälschung im Zusammenhang mit unbaren Zahlungsmitteln ein-


gefügt wurde, relativ hoch. Vorgesehen ist für die gewerbs- oder bandenmäßige
Begehung einer Fälschung nach § 152b StGB eine Freiheitsstrafe nicht unter zwei
Jahren (bereits das Grunddelikt nach Abs. 1 ist als Verbrechen gemäß § 12 Abs. 1
StGB ausgestaltet), wobei über den Verweis in § 152b Abs. 5 StGB auf § 152a
StGB auch Vorbereitungshandlungen mit Strafe bedroht sind. Dagegen ist der
vollendete Bandendiebstahl nach § 244 Abs. 1 Nr. 1 StGB ein Vergehen (§ 12
Abs. 2 StGB), ebenso wie der vollendete Betrug (§ 263 StGB). Der Betrug als Mit-
glied einer Bande nach § 263 Abs. 5 StGB ist zwar als Qualifikation aufgrund der
Strafandrohung ein Verbrechen nach § 12 Abs. 1 StGB, aber auch hier ist lediglich
den Mindeststrafrahmen von einem Jahr, nicht aber von zwei Jahren Freiheitsstrafe
vorgesehen (ebenso verhält es sich beim schweren Bandendiebstahl nach § 244a
StGB).
Ferner kann eine Strafvorschrift in Bezug auf die Ausgestaltung des Strafrah-
mens unverhältnismäßig erscheinen, wenn die erlassene Vorschrift selbst eine
Vorverlagerung enthält, jedoch – trotz des frühen Vollendungszeitpunktes – nicht
die Möglichkeit der tätigen Reue eingeführt wird. 508 Dies war der Fall, als im
Zuge des „Zweiten Gesetzes zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität“ 509
die Strafnormen des UWG um progressive Kundenwerbung (§ 6c UWG) und
Wirtschaftsspionage (§ 17 UWG) erweitert wurden, ohne dass eine Vorschrift
der tätigen Reue eingefügt wurde. 510 Kurios ist auch der im Zuge des „Ersten
Gesetzes zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität“ vom 29. 7. 1976 511 erlas-
sene § 264 Abs. 3 StGB. Entgegen des sonstigen Charakters des strafrechtlichen
Vermögensschutzes kann danach auch die leichtfertige Begehung bestraft werden
(fahrlässiges abstraktes Gefährdungsdelikt). 512 Die Regelung existiert heute noch
in Form des § 264 Abs. 4 StGB, der eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder
Geldstrafe für ein leichtfertig begangenes Vermögensdelikt vorsieht 513 und ist ver-
gleichbar mit § 261 Abs. 5 StGB, wonach derjenige, der leichtfertig nicht erkennt,
dass der Gegenstand aus einer in Absatz 1 oder 2 genannten rechtswidrigen Tat
herrührt, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft wird.

508
Bei Delikten mit frühem Vollendungszeitpunkt ist eine Vorschrift der tätigen Reue
regelmäßig eingefügt, vgl. etwa §§ 129 Abs. 6, 142 Abs. 4, 158, 261 Abs. 9, 306e, 330b
StGB.
509
WiKG 2 vom 15. 5. 1986 (BGBl. I, S. 721).
510
Achenbach, H.: NJW 1986, 1835 ff., 1835 f., 1840.
511
BGBl. I, S. 2034.
512
Hirsch, H. J.: H. Kaufmann-GS, S. 133 ff., 151.
513
Kritisch etwa auch Albrecht, P.-A.: KritV 1993, 163 ff., 168; Hirsch, H. J.:
H. Kaufmann-GS, S. 133 ff., 151 (jeweils entsprechend zu § 264 Abs. 3 StGB a.F.).
102 Kap. 2: Überprüfung der deskriptiven Ebene bei Jakobs

2. Feindstrafrechtliche Strafschärfungen in Form


der Vermögensstrafe und des erweiterten Verfalls

Mit dem „Gesetz zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer
Erscheinungsformen der Organisierten Kriminalität“ vom 15. 7. 1992 514 wurden
die Vermögensstrafe nach § 43a StGB 515 und der erweiterte Verfall nach § 73d
StGB zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erschei-
nungsformen der Organisierten Kriminalität eingeführt: Mittel, die für Aufbau,
Erhaltung oder Intensivierung einer auf kriminellen Erwerb gerichteten Orga-
nisation bestimmt sind, sollten entzogen werden. 516 Dabei war vorgesehen, die
Vermögensstrafe oder den erweiterter Verfall als Sanktion zusätzlich zur ohnehin
verhängten Strafe anzuordnen, wobei beide Maßnahmen unabhängig von einem
Tatnachweis (bezogen darauf, ob das einzuziehende Vermögen aus einer Straf-
tat stammt) ausgestaltet waren. 517 Die Verhängung einer solchen Sanktion ohne
konkreten Tatnachweis und zur Verhinderung zukünftiger Straftaten, stellt sich
als präventive Gefahrenabwehr dar. Es fehlt an einer Orientierung des Strafaus-
spruchs an der Tatschuld (einer begangenen Tat!) 518, so dass Vermögensstrafe und
erweiterter Verfall feindstrafrechtlich geprägt sind. 519 Durch das „Verbrechens-
bekämpfungsgesetz“ von 1994 520 wurde im Rahmen des „Kampfes gegen die
Organisierte Kriminalität“ 521 der Anwendungsbereich der Einziehung und des
erweiterten Verfalls gemäß § 73d StGB ausgeweitet, insbesondere in Bezug auf
Straftaten nach dem Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen, dem Waffenge-
setz und dem Außenwirtschaftsgesetz (AWG 522). Ferner wurden §§ 43a, 73d StGB

514
BGBl. I, 1302.
515
Die Vermögensstrafe nach § 43a StGB ist zwischenzeitlich vom Bundesverfassungs-
gericht wegen Unvereinbarkeit mit dem Bestimmtheitsgebot nach Art. 103 GG für nichtig
erklärt worden, vgl. BVerfG StV 2002, 247 ff. (zugleich BGH NJW 2002, 1779 ff.).
516
Hettinger, M.: Entwicklungen im Strafrecht und Strafverfahrensrecht 1997, S. 15 f.
Vgl. auch Park, T.: Vermögensstrafe 1997, S. 29 f. unter Berufung auf BT-Drucks.12/989,
S. 1.
517
Weßlau, E.: KritV 1997, 238 ff., 239. Zur Vermögensstrafe vgl. auch Park, T.:
Vermögensstrafe 1997, S. 19, 157.
518
Des Weiteren ist die Vermögensstrafe auch nicht mit dem Schuldprinzip vereinbar,
da sich die Höhe Vermögensstrafe nach der der Höhe des tätereigenen Vermögens und
nicht nach dem Unrechtsgehalt der Tat richtet (Park, T.: Vermögensstrafe 1997, S. 45).
519
Zu den feindstrafrechtlichen Elementen der Vermögensstrafe vgl. auch Park, T.:
Vermögensstrafe 1997, S. 157 f.
520
Vom 28. 10. 1994 (BGBl. I, S. 3186).
521
Vgl. BT-Drucks. 12/6853, S. 1, 18.
522
Zur Neufassung des am 08. 04. 2006 in Kraft getretenen § 34 Außenwirtsschafts-
gesetz durch das „12. Gesetz zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetz und der Außen-
wirtschaftsverordnung“ vgl. etwa Schulz, L. in: Institut für Kriminalwissenschaften und
Rechtsphilosophie Frankfurt a. M. (Hrsg.): Jenseits des rechtsstaatlichen Strafrechts 2007,
S. 619 ff.
B. Überprüfung der deskriptiven Ebene 103

in § 256 StGB für die bandenmäßige begangene räuberische Erpressung (§§ 253,
255 StGB) eingeführt. 523 Gleichfalls war § 43a StGB nach § 30c BtMG auf die
Fälle der §§ 29a, 30, 30a, 30b BtMG anwendbar. Auch bei einer Strafbarkeit we-
gen Geldwäsche wurde gemäß § 261 Abs. 7 StGB in bestimmten Fällen (Banden-
und gewerbsmäßige Aktivität) die Möglichkeit eingeräumt, von §§ 43a, 73d StGB
Gebrauch zu machen.

3. Sonstige zur Tatschuld unproportionale Strafschärfungen

Das „Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches, der Strafprozeßordnung und


des Versammlungsgesetzes und zur Einführung einer Kronzeugenregelung bei ter-
roristischen Straftaten“ vom 6. 9. 1989 524 führte zu einer Erweiterung der §§ 239a
und b StGB, indem die herkömmliche Dreiecksstruktur als Strafbarkeitsvoraus-
setzung aufgegeben und der Anwendungsbereich zur sachgemäßen Bekämpfung
„typischer Erscheinungsformen terroristischer Gewaltkriminalität“ 525 auch auf das
Zwei-Personen-Verhältnis ausgedehnt wurde. 526 Diese Ausweitung führte freilich
dazu, dass der Strafrahmen in einigen Fällen des sich Bemächtigens im Zwei-
Personen-Verhältnis mit einer zu erwartenden Freiheitsstrafe von nicht unter fünf
Jahren unnatürlich hoch wurde. Schließlich war die dem neuen Wortlaut nach
erfasste Situation in §§ 239a und b StGB oftmals bereits in anderen Vorschrif-
ten mit (wesentlich geringerer Mindest-)Strafe bedroht, wie etwa in § 177 StGB
(sexuelle Nötigung – nicht unter einem Jahr), §§ 253, 255 StGB (räuberische
Erpressung – nicht unter einem Jahr, vgl. § 249 StGB) oder § 240 StGB bei ent-
sprechender Gewaltanwendung (Nötigung – bis zu drei Jahren). Insofern hat es
sich hierbei nicht bloß um eine in Bezug auf den Strafrahmen zur Tatschuld partiell
unproportionale, sondern vor allem um eine unüberlegte Strafbarkeitsausweitung
gehandelt. 527
Ferner wird der Anbau von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, wenn
der Täter als Mitglied einer Bande handelt, nach § 30a Abs. 1 BtMG mit einer Frei-
heitsstrafe von nicht unter fünf Jahren bestraft. Diese hohe Freiheitsstrafe erscheint
gerade im Fall des Anbaus als qualitative Vorfeldkriminalisierung selbst unter

523
Dahs, H.: NJW 1995, 553 ff., 557.
524
BGBl. I, S. 1059.
525
BT-Drucks. 11/4359, S. 13.
526
Hettinger, M.: Entwicklungen im Strafrecht und Strafverfahrensrecht 1997, S. 22 f.;
Fischer, T.: StGB 2008, § 239a Rn. 6.
527
Die nötige Korrektur dieses gesetzgeberischen Fauxpas wurde bekanntlich durch
die Rechtsprechung geführt. Zur gerichtlichen Auslegungsentwicklung der §§ 239a und
b StGB im Zwei-Personen-Verhältnis vgl. beispielsweise Zöller, M. A.: JA 2000, 476 ff.,
479 ff. Zum nunmehrigen Erfordernis einer stabilen Bemächtigungslage siehe BGHSt 40,
350 ff., 355, 359; BGH NStZ 1999, 509 f., 509; 2006, 448 f.; BGH NStZ-RR 2004, 333 ff.,
334 und jüngst BGH NStZ 2007, 32 f.
104 Kap. 2: Überprüfung der deskriptiven Ebene bei Jakobs

Berücksichtigung einer Bandenaktivität als eher unproportional zur Tatschuld.


Überhaupt sind die Mindest- und Höchststrafen bei den Betäubungsmittelstrafta-
ten nach §§ 29 ff. BtMG dafür, dass das strafbare Verhalten vielfach in das sonst
straflose Vorbereitungsstadium ausgedehnt wird, vergleichsweise hoch. 528 Inso-
fern bestehen Ähnlichkeiten zu Ausführungen Jakobs zu den Klimaschutzdelikten
der §§ 130, 140 StGB. Richtet sich die Strafbarkeit eigentlich gegen zukünftiges
Verhalten – im Falle der Klimaschutzdelikte zum Beispiel das Aufstacheln zu
weitergehenden Straftaten – schlägt Jakobs eine Angleichung an den Strafrahmen
des § 323c StGB vor. 529
Auch die Strafschärfungen im Rahmen der Sexualdelikte haben partiell zu
unproportionalen Strafrahmen geführt. 530 Die §§ 176 –179 StGB sehen nunmehr
eine Freiheitsstrafe zwingend vor – ein Geldstrafe kommt nicht in Betracht, selbst
wenn es sich um einen bagatellartigen Fall ohne Körperkontakt handelt, zum
Beispiel einem Kind ein pornographisches Bild gezeigt wird (§ 176 Abs. 4 Nr. 4
StGB). 531 Gleichfalls benachteiligen die Fälle, in denen typische Beihilfehandlun-
gen zu täterschaftlichen Delikten aufgewertet werden, den Täter im Rahmen der
Strafzumessung evident und sind wenig schuldorientiert. Seit dem Strafrechtsän-
derungsgesetz vom 11. 2. 2005 532 bildet etwa § 233a StGB einen verselbständigten
Beihilfetatbestand (einem Menschenhandel nach §§ 232, 233 StGB Vorschub leis-
ten durch Anwerben, Befördern, Beherbergen etc.), bei dem auch der Versuch
strafbar ist. 533 Der bloße Versuch einer Beihilfe ist vom Grundsatz her (§ 27 StGB)
jedoch nicht unter Strafe gestellt. Auch die die Unterstützung einer terroristischen
Vereinigung nach § 129a Abs. 5 StGB ist als zur Täterschaft verselbständigte Bei-
hilfe ausgeformt. 534 Die Tat ist im Falle der Unterstützung einer Vereinigung zu
den in Abs. 1 und 2 bezeichneten Zwecken mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten
bis zu zehn (!) Jahren bedroht. Damit findet hier keine Milderung der Höchststrafe
im Vergleich zu § 129a Abs. 1 und 2 StGB statt. Dagegen wäre bei einer Beihilfe-
handlung nach §§ 27 Abs. 2, 49 Abs. 1 Nr. 2 StGB auf maximal drei Viertel des
angedrohten Höchstmaßes zu erkennen (obligatorische Strafmilderung).

III. Der Erlass von Bekämpfungsgesetzen

Im Rahmen des Feindstrafrechts sind gefährliche Individuen als potentielle


Gefahrenquellen frühzeitig zu eliminieren. Erstrebt wird präventiver Rechtsgü-

528
Vgl. hierzu auch Köhler, M.: ZStW 104 (1992), 3 ff., 9.
529
Vgl. Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 751 ff., 782.
530
Siehe auch Hettinger, M.: Küper-FS 2007, S. 95 ff., 106 f., 110.
531
Hörnle, T.: GA 2006, 80 ff., 85.
532
BGBl. I, S. 239.
533
Michel, S.: JA 2005, 560.
534
Kritisch Dahs, H.: NJW 1976, 2145 ff., 2148.
B. Überprüfung der deskriptiven Ebene 105

terschutz. In der Folge werden Gesetze zur Bekämpfung drohender Gefahren


erlassen, so genannte „Bekämpfungsgesetze“. Von Jakobs werden als Bekämp-
fungsgesetze aufgezählt 535: Das „Erste Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschafts-
kriminalität“ vom 29. 7. 1976 536, das „Zweite Gesetz zur Bekämpfung der Wirt-
schaftskriminalität“ vom 15. 5. 1986 537, Art. 1 des „Gesetzes zur Bekämpfung
des Terrorismus“ vom 19. 12. 1986 538, das „Gesetz zur Bekämpfung des illegalen
Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der Organisierten Krimina-
lität“ vom 15. 7. 1992 539, das „Gesetz zur Bekämpfung von Sexualdelikten und
anderen gefährlichen Straftaten“ vom 26. 1. 1998 540 wie auch das „Verbrechensbe-
kämpfungsgesetz“ vom 28. 10. 1994. 541

1. Gesetzgeberisches Bekämpfungsvokabular

Das „Bekämpfungsgesetz“ 542 hat sich offensichtlich fest in der deutschen Ge-
setzgebung etabliert. Neben den bereits von Jakobs genannten Gesetzen sind in
den letzten dreißig Jahren unter anderem noch das „Gesetz zur Bekämpfung der
Umweltkriminalität“ vom 28. 3. 1980 543, das „Zweite Gesetz zur Bekämpfung
der Umweltkriminalität“ vom 27. 6. 1994 544, das „Gesetz zur Bekämpfung der
Korruption“ vom 13. 8. 1997 545, das „Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung
der Organisierten Kriminalität“ vom 4. 5. 1998 546, das „Gesetz zur Bekämpfung
gefährlicher Hunde“ vom 12. 4. 2001 547, das „Fünfunddreißigste Strafrechtsände-
rungsgesetz zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses des Rates der Europäischen
Union vom 28. Mai 2001 zur Bekämpfung von Betrug und Fälschung im Zusam-
menhang mit unbaren Zahlungsmitteln“ 548, das „Terrorismusbekämpfungsgesetz“

535
Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausend-
wende 2000, S. 47 ff., 51 f.; ders.: Staatliche Strafe 2004, S. 41 f.
536
BGBl. I, S. 2034.
537
BGBl. I, S. 721.
538
BGBl. I, S. 2566.
539
BGBl. I, S. 1302.
540
BGBl. I, S. 160.
541
BGBl. I, S. 3186.
542
Kritisch zur Bezeichnung als „Bekämpfungsgesetzgebung“ Hettinger, M.: NJW
1996, 2263 ff., 2264. Vgl. zudem Kritik bei Hassemer, W.: ZIS 2006, 266 ff., 269.
543
„Achtzehntes Strafrechtsänderungsgesetz – Gesetz zur Bekämpfung der Umweltkri-
minalität“ (BGBl. I, 373).
544
„Einunddreißigstes Strafrechtsänderungsgesetz – Zweites Gesetz zur Bekämpfung
der Umweltkriminalität (BGBl. I, S. 1440).
545
BGBl. I, S. 2038.
546
BGBl. I, S. 845.
547
BGBl. I, S. 539.
548
BGBl. I, S. 2838.
106 Kap. 2: Überprüfung der deskriptiven Ebene bei Jakobs

vom 9. 1. 2002 549, das „Gesetz zur Erleichterung der Bekämpfung von illegaler
Beschäftigung und Schwarzarbeit“ vom 23. 7. 2002 550, das „Gesetz zur Umsetzung
des Rahmenbeschlusses des Rates vom 13. Juni 2002 zur Terrorismusbekämpfung
und zur Änderung anderer Gesetze“ vom 22. 12. 2003 551 und das „Gesetz zur In-
tensivierung der Bekämpfung der Schwarzarbeit und damit zusammenhängender
Steuerhinterziehung“ vom 23. 7. 2004 552 – an dieser Stelle wird auf Vollständigkeit
verzichtet.

2. Gesetzesgeberische Bekämpfungsbegründungen

Die Bekämpfungsgesetze weisen neben der oftmals ausdrücklichen Bezeich-


nung als eben solche eine weitere Besonderheit auf: Zu ihrer Legitimierung
beruft sich der Gesetzgeber regelmäßig und in erhöhtem Maße auf die allgemeine
Sicherheit, die aus aktuellem Anlass gefährdet sei (sog. Anlass- oder Krisenge-
setzgebung 553). Die Gesetzesbegründung zur Novellierung des bundesdeutschen
Opiumsgesetzes (von 1929) im Jahre 1970 lautete beispielsweise: „Der Miss-
brauch von Rauschgiften, die im Opiumsgesetz als Betäubungsmittel bezeichnet
werden, droht ein gefährliches Ausmaß zu erreichen. Dieses Phänomen lässt sich
nicht mehr als eine vorübergehende Mode deuten oder abtun. Einer Seuche gleich
breitet es sich mehr und mehr auch in der Bundesrepublik Deutschland aus. Immer
weitere Kreise der Bevölkerung werden von dieser Welle erfaßt. In besonderem
Maße droht der Jugend Gefahr, oft schon während der Pubertät.“ 554 Im Rahmen
dieser „Anti-Haschisch-Kampagne“ beschrieb Scheerer schon damals den poli-
tisch-publizistischen Verstärkerkreislauf 555: Politiker und Medien griffen beliebige
Prognosen über die Gefahr des Drogenkonsums (z. B. jugendliches Frührentner-
tum 556) auf und wiederholten sie gegenseitig als Argumentation zur Begründung
der gegenwärtigen Bekämpfungspolitik. Dadurch gewann das jeweilige Argument
in der öffentlichen Meinung erst recht an Überzeugungskraft und rechtfertigte
schließlich die Durchsetzung der politischen Maßnahmen.
Mit ähnlichen Begründungsmechanismen wartetet auch der Gesetzesentwurf
der Bundesregierung zur Neuordnung des deutschen Betäubungsmittelrechts vom
9. November 1979 auf: „Der ständige Anstieg der Rauschgiftdelikte zwingt, zum

549
BGBl. I, S. 361.
550
BGBl. I, S. 2787.
551
BGBl. I, S. 2836.
552
BGBl. I, S. 1842.
553
Vgl. Voß, M: Symbolische Gesetzgebung 1989, S. 31 f.; sinngemäß etwa auch Hörnle,
T.: GA 2006, 80 ff., 85.
554
BR-Drucks. 665/70 (neu), S. 5.
555
Scheerer, S.: KrimJ 1978, 223 ff., 225.
556
Vgl. Scheerer, S.: KrimJ 1978, 223 ff., 225.
B. Überprüfung der deskriptiven Ebene 107

Schutze der Volksgesundheit und der sozialen Interessen der Gesellschaft als
äußerste Maßnahmen auch verschärfte strafrechtliche Vorschriften gegen diese
Kriminalität zu erlassen.“ 557 Vergleichbare Argumentationsstränge wurden Mitte
der neunziger Jahre im Rahmen der Schärfung der Sexualdelikte 558 vorgetragen 559,
nachdem die Öffentlichkeit mit einigen schweren Sexualstraftaten 560 konfrontiert
wurde: „Die in letzter Zeit bekannt gewordenen schweren Straftaten, insbeson-
dere an Kindern begangene Sexualdelikte, haben gezeigt, dass der Schutz der
Bevölkerung vor Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftätern verbessert
werden muss“. 561 Gleichfalls berief sich der Bundesrat im Gesetzesantrag zur
nachträglichen Sicherungsverwahrung 562 auf die akut gefährdete allgemeine Si-
cherheit: „Furchtbare Verbrechen aus jüngster Zeit, die zum Teil von einschlägig
vorbestraften Personen begangen worden sind, haben deutlich gemacht, dass der
Schutz der Allgemeinheit vor schweren Straftaten der Verbesserung bedarf. Er
muss wieder den hohen Rahmen einnehmen, der ihm gebührt.“ 563
Als derartige Anlassgesetzgebung ist vor allem auch die Gesetzgebung zur
Bekämpfung des Terrorismus zu bezeichnen. Bereits in den 70er Jahren zu Zeiten
der Roten Armee Fraktion (RAF) wurde auf terroristische Anschläge, insbe-
sondere Geiselnahmen und Flugzeugentführungen, mit der Verabschiedung von
„Anti-Terror-Gesetzen“ durch die Regierenden reagiert. 564 Durch das 11. und
12. Strafrechtsänderungsgesetz (StÄG) vom 16. 12. 1971 565 wurden Angriffe auf

557
BR-Drucks. 546/79, S. 35.
558
„Gesetz zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Strafta-
ten“ v. 26. 1. 1998 (BGBl. I, S. 160) und „Sechstes Gesetz zur Reform des Strafrechts“
v. 26. 1. 1998 (BGBl. I, S. 164, 704), das unter anderem die Ergänzung und Neugestaltung
der Sexualstraftaten beinhaltete (Haffke, B. in: Rode, I. u. a. (Hrsg.): Neue Lust aufs Strafen
2005, S. 35 ff., 46).
559
Vgl. zu diesen gesetzgeberischen Vorgängen auch die demnächst erscheinende Dis-
sertation von Stockhausen, H.-C.: Metamorphose der Strafrestaussetzung 2007; siehe ferner
auch Göppinger-Schneider: Kriminologie 2008, § 30 Rn. 5.
560
Der Sexualmord an der 7-jährigen Natalie A. aus Epfach 1996; Januar 1997 ver-
schwand die 10-jährige Kim K. im niedersächsischen Varel. Auch sie wurde erst sexuell
missbraucht und später getötet (vgl. hierzu auch Albrecht, H.-J.: Schwind-FS 2006, S. 191 ff.,
198; Schmidt-Jortzig, E.: NStZ 1998, 441 ff., 441; Ullenbruch, T.: NStZ 1998, 326 ff., 326
m.w. N.); ferner machte der belgische Fall „Dutroux“ Schlagzeilen (vgl. hierzu aus krimi-
nologischer Sicht Haas, H.: NZZ Nr. 202 v. 31.8. / 1. 9. 1996, S. 17). Dutroux hatte 1995/96
mehrere Mädchen im Alter zwischen acht und neunzehn Jahren entführt, sexuell miss-
braucht und teilweise auch getötet, nachdem er bereits 1989 zu zwölf Jahren Haft wegen
Entführung und Missbrauch an fünf Kindern verurteilt worden war.
561
BR-Drucks. 163/97; zugleich BT-Drucks. 13/8586.
562
Gesetz zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung vom 23. 7. 2004,
BGBl. 2004 I, S. 1838.
563
BR-Drucks. 177/04 (ähnlich, allerdings abgeschwächt in BT-Drucks15/899).
564
Kutscha, M.: Innere Sicherheit als Gefahr? 2002, S. 32 ff., 32.
565
BGBl. I, S. 1977, 1979.
108 Kap. 2: Überprüfung der deskriptiven Ebene bei Jakobs

den Luftverkehr (§ 316c StGB), erpresserischer Menschenraub (§ 239a StGB)


und Geiselnahme (§ 239b StGB) in das Strafgesetzbuch aufgenommen. 566 Ins-
besondere nach den Anschlägen auf das World Trade Center 2001 wurde mit
umfangreichen Bekämpfungsgesetzen reagiert, etwa dem „Gesetz zur Umsetzung
des Rahmenbeschlusses des Rates vom 13. Juni 2002 zur Terrorismusbekämpfung
und zur Änderung anderer Gesetze“ 567 oder dem Luftsicherheitsgesetz 568, dessen
(mit Urteil vom 15. 2. 2006 für verfassungswidrig erklärter 569) § 14 Abs. 3 eine
unverkennbar situative Ähnlichkeit mit den Flugzeuganschlägen in New York auf-
wies. Danach durfte vor der eigentlichen (weiteren 570) Rechtsgutsverletzung (z. B.
Zerstörung von Eigentum, Tod von Menschen durch den Aufprall) der Angriff aus
der Luft abgewehrt werden, ohne dass dabei Rücksicht auf das Leben etwaiger
unbeteiligter Passagiere genommen werden musste. § 14 LuftSiG diente dement-
sprechend der präventiven Bekämpfung von Terrorakten, wobei zu diesem Zweck
auch Kollateralschäden in Kauf genommen wurden. 571 Darüber hinaus beinhaltet
das Luftsicherheitsgesetz aber auch die Befugnis zur Kontrolle von Personen und
Fracht (§ 5 LuftSiG) und sieht Zuverlässigkeitsüberprüfungen des Flughafenperso-
nals oder Bediensteter von Flugplätzen und Fluggesellschaften vor (§ 7 LuftSiG),
wobei auch Flugpraktikanten, Flugschüler und Mitglieder von Flugsportverei-
nen der Überprüfung unterfallen. Weiterhin wurden zur Terrorismusbekämpfung
durch § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG und § 47 Abs. 2 AuslG 572 Legitimationsgrundlagen
geschaffen, unter Sympathieverdacht mit Terroristen stehende Ausländer an der
Einreise zu hindern oder außer Landes zu weisen. 573

566
Eser, A.: Maihofer-FS 1988, S. 109 ff., 130 f; Voß, M.: Symbolische Gesetzgebung
1989, S. 198 f.
567
TerrorismusBekG vom 22. 12. 2003 (BGBl. I, S. 2836).
568
LuftSiG vom 11. 1. 2005 (BGBl. I, S. 78) als Artikel 1 des Gesetzes zur Neuregelung
von Luftsicherheitsaufgaben. Das LuftSiG beruht auf der EU-Verordnung 2320/2002 des
Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. 12. 2002 zur Festlegung gemeinsamer
Vorschriften für die Sicherheit in der Zivilluftfahrt (ABIEG Nr. L 355 v. 30. 12. 2002).
569
BVerfG NJW 2006, 751 ff.
570
„Weiteren“ Rechtsgutsverletzung insofern, dass durch die Entführung der Maschine
ohnehin bereits Güter, welche beispielsweise durch §§ 223 ff., 234, 239, 239a, 239b, 240
StGB geschützt sind, beeinträchtigt worden sein können. Zudem wird bei beabsichtigten
Crashs, wie bei den Terroranschlägen des 11. Septembers, unvermeidlich auch auf das
Rechtsgut Leben der Insassen eingewirkt.
571
Vgl. zum feindstrafrechtlichen und „System sprengenden“ Charakter des LuftSiG
Jakobs, G.: ZStW 117 (2005), 839 ff., 848.
572
In der Fassung vom 9. 1. 2002 (Art. 11 des Terrorismusbekämpfungsgesetzes,
BGBl. 2002 I, S. 368, 369 f.).
573
Albrecht, P.-A.: Die vergessene Freiheit 2003, S. 17. Zu § 8 AuslG vgl. auch Fehn,
B. J.: Kriminalistik 2004, 709 ff., 709 f.
B. Überprüfung der deskriptiven Ebene 109

3. Gesetzgeberische Bekämpfungsrechtsentwicklung
am Beispiel der Sicherungsverwahrung

Auch die bereits erwähnte Sicherungsverwahrung nach §§ 66 ff. StGB ist prä-
ventive Legislativmaßnahme zur Verhinderung weiterer Straftaten durch ein ge-
fährliches Individuum (ohne an der Tatschuld orientiert zu sein 574) und damit
Bekämpfungsgesetz gegen den Feind. 575 Nachfolgend werden einige Etappen auf
dem Weg zur heutigen Ausfertigung der Sicherungsverwahrung aufgezeigt.
Durch das Sexualdeliktsbekämpfungsgesetz vom 26. 1. 1998 576 wurde zunächst
die Voraussetzungsschwelle für die Anordnung der Sicherungsverwahrung ge-
senkt (§ 66 Abs. 3 StGB). 577 Die Begrenzung der ersten Unterbringung auf zehn
Jahre wurde aufgehoben (§ 67d Abs. 1 StGB). Zugleich wurde die Neuregelung
auf nahezu alle „Altfälle“ erstreckt 578, ohne dass eine Übergangsvorschrift oder
Ausnahmeregelung für Härtefälle getroffen wurde. 579 2001 wurden in einigen
Ländern Straftäterunterbringungsgesetze erlassen (Baden-Württemberg, Bayern,
Sachsen-Anhalt, Thüringen und Niedersachsen) 580, die jedoch wegen fehlender
Gesetzgebungskompetenz der Länder durch das Bundesverfassungsgericht für ver-
fassungswidrig erklärt wurden – wenngleich sie bis 30. 9. 2004 in Kraft blieben. 581
Seit 2002 ist das Gericht nicht mehr verpflichtet, bereits in der Hauptverhand-
lung zu entscheiden, ob der betreffende Täter gefährlich ist, sondern kann sich
die Entscheidung über die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten
(vorbehaltene Sicherungsverwahrung nach § 66a StGB 582). Zugleich wurde die
Beschränkung der Maßregelverhängung nach § 66 StGB auf eine zeitige Freiheits-

574
Vgl. etwa Leipold, K.: NJW 2006, 135 f., 136; Stoiber, E. in: F.-C. Schroeder-FS
2006, S. 3 ff., 3.
575
Siehe bereits Kapitel 1 C.II.3.
576
BGBl. I, S. 160.
577
Zur vertieften Auflistung vgl. Albrecht, H.-J.: ZStW 111 (1999), 863 ff., 866 f.;
Hammerschlag, H. / Schwarz, O.: NStZ 1998, 321 ff., 321; Laubenthal, K.: Sexualstraftaten
2000, S. 12 Rn. 35; ders.: ZStW 116 (2004), 703 ff., 706, 717 ff.; Schmidt-Jortzig, E.: NStZ
1998, 441 ff., 442; Schneider, H. J.: JZ 1998, 436 ff., 444.
578
Ohne dass hierin ein Verstoß gegen Art. 1 Abs. 1 GG oder das Rückwirkungsverbot
zu sehen sei, vgl. BVerfG NJW 2004, 739 ff.; kritisch etwa: Sánchez Lázaro, F. G.: ZIS
2008, 195 ff., 197 ff.
579
Vgl. Hammerschlag, H. / Schwarz, O.: NStZ 1998, 321 ff., 322; Kreuzer, A.: ZIS
2006, 145 ff., 146 f.; Laubenthal, K.: ZStW 116 (2004), 703 ff., 706, 717 ff.; Ullenbruch,
T.: NStZ 1998, 326 ff., 326 f.
580
Albrecht, H.-J.: Schwind-FS 2006, S. 191 ff., 203; Haffke, B. in: Rode, I. u. a.
(Hrsg.):Neue Lust aufs Strafen 2005, S. 35 ff., 47; Streng, F. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bit-
te bewahren Sie Ruhe 2006, S. 227 ff., 227.
581
BVerfGE 109, 190 ff.
582
„Gesetz zur Einführung der vorbehaltenen Sicherheitsverwahrung“ vom 21. 8. 2002
(BGBl. I, S. 3344).
110 Kap. 2: Überprüfung der deskriptiven Ebene bei Jakobs

strafe aufgehoben, so dass Sicherungsverwahrung auch neben einer Freiheitsstrafe


zulässig ist. 583 Weitergehend wurde 2004 die nachträgliche Sicherungsverwahrung
ins Strafgesetzbuch aufgenommen (§ 66b StGB), die nunmehr auch für heranwach-
sende Täter 584 ausgesprochen werden kann (§ 106 Abs. 3, 4 JGG 585, § 106 Abs. 5,
6 JGG 586). 587 Nach § 66b Abs. 2 StGB kann die Sicherungsverwahrung durch das
Gericht auch bei einem Ersttäter nachträglich angeordnet werden, wenn zumin-
dest eine Anlasstat des Katalogs und mindestens eine fünfjährige Freiheitsstrafe
vorliegen. 588

IV. Einschränkung prozessualer Garantien

Als feindstrafrechtlichen Zwang 589, der den Beschuldigten die Prozesssubjekt-


squalität abspricht, macht Jakobs unter anderem die Vorschriften über die Un-
tersuchungshaft (§§ 112, 112a StPO), die Blutentnahme (§ 81a StPO) sowie die
Überwachung ohne Wissen des Beschuldigten wie etwa §§ 100a, 110a und c StPO
aus. Besonders die Kontaktsperre nach §§ 31 ff. EGGVG sei in diesem Sinne
feindstrafrechtlicher Natur. 590

583
Laubenthal, K.: ZStW 116 (2004), 703 ff., 707.
584
Heranwachsender ist, wer zur Zeit der Tat achtzehn, aber noch nicht einundzwanzig
Jahre alt ist, § 1 Abs. 2 JGG.
585
Eingeführt durch „Gesetz zur Änderung der Vorschriften über die Straftaten gegen
die sexuelle Selbstbestimmung und zur Änderung anderer Vorschriften“ vom 27. 12. 2003
(BGBl. I, S. 160).
586
Eingeführt durch „Gesetz zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung“
vom 23. 7. 2004 (BGBl. I, S. 1838).
587
Vgl. zur nachträglichen Sicherungsverwahrung bei Heranwachsenden auch Hörnle,
T.: GA 2006, 80 ff., 88; Kreuzer, A.: ZIS 2006, 145 ff., 146.
588
Kritisch Kreuzer, A.: ZIS 2006, 145 ff., 146, 149 f.
589
Zur Untauglichkeit des physischen Zwangs als alleiniges Differenzierungskriterium
für feindstrafrechtliches Prozessrecht vgl. unten Kapitel 2 B.V.3.a). Insofern beziehen sich
die nachfolgenden Ausführungen zum tendenziell Feindstrafprozessrecht vorgreifend auf
Merkmale, die besser geeignet zur Deskription der prozessualen Ebene des Feindstrafrechts
scheinen wie etwa präventive Verbrechensverhütung, vorgelagerte Ermittlungstätigkeit
(auch in den Internbereich) und die fehlende Beteiligung des Betroffenen als Person am
Prozess.
590
Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 94. Vgl. auch ders.: ZStW 117 (2005), 839 ff.,
846.
B. Überprüfung der deskriptiven Ebene 111

1. Prozessuale Einschränkungen mit Bezug zur


Betäubungsmittel- und Organisierten Kriminalität

Insbesondere die Reformen von strafprozessualen Vorschriften mit Bezug zur


Betäubungsmittel- und Organisierten Kriminalität überschneiden sich oftmals, so
dass sich eine klare Grenzziehung bisweilen schwer gestaltet (vgl. auch die Zu-
sammenlegung im Rahmen des „Gesetzes zur Bekämpfung des illegalen Rausch-
gifthandels und anderer Erscheinungsformen der Organisierten Kriminalität“ 591).
Dies mag vor allem daran liegen, dass Rauschgifthandel und -schmuggel einen
Großteil der Organisierten Kriminalität ausmachen (in den Jahren 2002 –2004
zwischen 32 und 37 Prozent 592). Daher werden die durch Reformen ergangenen
Verkürzungen strafprozessualer Garantien im Bereich von Betäubungsmittel- und
Organisierter Kriminalität zusammen dargestellt. 593
Mit Änderung durch das „Gesetz zur Bekämpfung des illegalen Rauschgift-
handels und anderer Erscheinungsformen der Organisierten Kriminalität“ vom
15. 7. 1992 594 fanden Vorfeldmaßnahmen Einzug in das repressive Strafrecht, die
von Jakobs zwar teilweise bereits als feindstrafrechtlich benannt wurden, hier
jedoch aufgrund der Vollständigkeit und Übersichtlichkeit der Maßnahmenerwei-
terung nochmals erwähnt werden sollen. Geregelt wurden der Einsatz verdeckter
Ermittler nach §§ 110a ff. StPO, die Schleppnetzfahndung nach § 163d Abs. 2
S. 1 StPO oder auch der Einsatz technischer Mittel gemäß § 100c Abs. 1 Nr. 2,
100d Abs. 1 S. 1 StPO. 595 Auch Maßnahmen nach § 98a, b und c StPO (Ras-
terfahndung 596, Datenabgleich), die Überwachung der Telekommunikation nach
§ 100a und b StPO sowie das Abhören und Aufzeichnen des nichtöffentlich gespro-
chenen Wortes innerhalb und außerhalb von Wohnungen nach §§ 100c ff. StPO
wurden eingeführt oder erweitert. 597 Die Rasterfahndung nach § 98a StPO wurde
dabei nicht an den Verdacht der Verwirklichung eines bestimmten Straftatbestan-

591
Vom 15. 7. 1992 (BGBl. I, S. 1302).
592
Vgl. Lagebericht des BKA zur Organisierten Kriminalität 2004, abrufbar unter:
http://www.bka.de/lageberichte/ok/2004kf/lagebild_ok_2004_kurzlage.pdf.
593
Partiell lassen sich zudem Überschneidungen zur Terrorismusbekämpfung nicht
vermeiden.
594
BGBl. I, S. 1302.
595
Albrecht, P.-A.: Innere Sicherheit als Gefahr 2002, S. 49 ff., 54; vgl. auch Hettinger,
M.: Entwicklungen im Strafrecht und Strafverfahrensrecht 1997, S. 46 f., 53, 85 ff.
596
Rasterfahndung meint im Strafprozessrecht den Abgleich personenbezogener Daten
nach bestimmten Prüfungsmerkmalen unter Einsatz der Datenverarbeitung zum Zweck
der Strafverfolgung, um Nichtverdächtige auszuschließen oder Personen festzustellen, die
ermittlungsbedeutende Prüfungsmerkmale erfüllen (§ 98a ff. StPO). Rasterfahndung im
Polizeirecht – geregelt durch landesrechtliche Vorschriften – ist zulässig, um (zukünftige)
Straftaten von erheblicher Bedeutung zu verhindern (Creifelds, C. / Weber, K. (Hrsg.):
Creifelds 2004, S. 1048 „Rasterfahndung“).
597
Schneider, H.: ZStW 113 (2001), 499 ff., 501 f.
112 Kap. 2: Überprüfung der deskriptiven Ebene bei Jakobs

des gebunden, sondern es wurden allgemeine Deliktsbereiche (verkatalogisierte


Generalklauseln) als Anknüpfungspunkte benannt. 598 Im Rahmen des Verbre-
chensbekämpfungsgesetzes 599 (im Zusammenhang mit dem G 10) soll die Raster-
fahndung insbesondere zur Verhinderung terroristischer Anschläge beitragen. Mit
dem „Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität“
vom 4. 5. 1998 600 wurden weitere strafprozessuale Einführungen, Anpassungen,
Neuregelungen im Bereich der § 100a bis § 111p StPO vorgenommen. Die hier
aufgezählten strafprozessualen Ermittlungsmöglichkeiten dürften sich allesamt
als feindstrafrechtlicher Zwang gemäß den Ausführungen Jakobs darstellen, da
die Ermittlungen den Privatbereich des Betroffenen tangieren, teilweise ohne kon-
kreten Verdacht zulässig sind und auch mit Zukunftsbezug angewendet werden
dürfen, wie etwa bei der Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation
nach § 100a S. 1 StPO, wonach die Anordnung auch ergehen darf, wenn der Be-
troffene eine der benannten Straftaten der Nr. 1 bis 5 zu begehen versucht (sofern
der Versuch strafbewährt ist). § 110a Abs. 1 S. 2 StPO sieht den Einsatz verdeckter
Ermittlung zur Aufklärung einer Straftat bei Wiederholungsgefahr vor, ist also
ebenfalls (zumindest auch) präventiv ausgestaltet. Damit wird die bürgerstrafrecht-
liche Unschuldsvermutung verletzt; es handelt sich um präventive Vorfeldtätigkeit
der Ermittlungsbehörden und somit um Feindstrafrecht im Sinne Jakobs.

2. „Feindstrafrechtlicher Zwang“
im Rahmen der Sexualdelinquenz

Im Zuge der Reformen der Bekämpfung der Sexualdelinquenz wurden nicht


nur strafprozessuale Rechte der Beschuldigten eingeschränkt, sondern die Sub-
jektsqualität der Betroffenen wurde darüber hinaus auch auf strafvollzuglicher
Ebene gemindert. Das heißt, dass über den gesetzlichen Abbau von Rechten
im Ermittlungs- und Hauptverfahren hinaus auch der verurteilte Sexualstraftäter
durch Gesetz an Subjektsqualität verloren hat. Dies lässt sich einmal anhand
der bereits aufgezeigten Rechtssetzungstendenz bei der Sicherungsverwahrung 601
nachvollziehen. Denn obgleich die Sicherungsverwahrung nicht ausschließlich
gegen Sexualstraftäter verhängt wird, lässt sich ein Zusammenhang gerade zwi-
schen der Sexualdelinquenz und der Entwicklung der Sicherungsverwahrung
kaum leugnen. 602

598
Vgl. Hettinger, M.: Entwicklungen im Strafrecht und Strafverfahrensrecht 1997,
S. 68.
599
Verbrechensbekämpfungsgesetz vom 28. 10. 1994, BGBl I, S. 3186.
600
BGBl. I, S. 845.
601
Vgl. oben Kapitel 2 B.III.3.
602
Die Maßregel der Sicherungsverwahrung wird bei Sexual- und Gewaltdelikten bei
weniger Vortaten und häufiger angeordnet als dies im Rahmen anderer Delikte der Fall ist,
vgl. Dessecker, A.: NStZ 1998, 1 ff., 6; Kinzig, J.: ZRP 1997, 99 ff., 100 f., 104.
B. Überprüfung der deskriptiven Ebene 113

Zum anderen sind Rechte des Verurteilten weggefallen, wie etwa bestimmte
Zustimmungserfordernisse. Durch das „Gesetz zur Bekämpfung von Sexualde-
likten und anderen gefährlichen Straftaten“ (SexualdelBekämpfG) 603 wurde zum
Beispiel im Rahmen der §§ 56c, 57 Abs. 3 S. 1, 59a Abs. 2 S. 3, 68b Abs. 2 S. 2,
70a Abs. 3 S. 1 StGB die Anordnung einer Heilbehandlung (insbesondere auch
psychotherapeutische Behandlung) ohne Zustimmung des Verurteilten ermög-
licht. 604 Ebenso wenig bedarf es einer Zustimmung des wegen einer Sexualstraf-
tat Verurteilten zur Verlegung in eine sozialtherapeutische Anstalt, wenn eine
Freiheitsstrafe von über zwei Jahren ausgesprochen wurde, § 9 Abs. 1 StVollzG
(Sollvorschrift bis 31. 12. 2002; ab 1. 1. 2003 obligatorisch). 605 Ferner wurde der
Straftatenkatalog des § 181b StGB erweitert (Führungsaufsicht) und die unbe-
fristete Führungsaufsicht bei Therapieverweigerung zugelassen. Überdies wurde
die Privilegierung bei Bagatellverurteilungen (§ 32 BZRG) abgeschafft und die
Verlängerung der Registerfristen bei Sexualstraftätern (§§ 34, 41, 46 BZRG) be-
schlossen. 606
Mit dem „Gesetz zum Schutz von Zeugen bei Vernehmungen im Strafverfahren
und zur Verbesserung des Opferschutzes“ vom 30. 4. 1998 607 wurden die §§ 58a,
161a, 168e StPO und damit die Möglichkeit der Videovernehmung bei beson-
ders schutzwürdigen Zeugen eingeführt. § 255a StPO ermöglichte zugleich die
Verwendung einer früheren richterlichen Videovernehmung anstelle der Zeugen-
aussage selbst. Die gesetzgeberische Begründung führte vornehmlich den Schutz
von Kindern als Opfer oder Zeugen von Sexualdelikten im Verfahren an, auch
wenn die Videovernehmungsvorschrift nunmehr allgemein ausgestaltet wurde. 608
Die Umgehung von Unmittelbarkeitsgrundsatz und Mündlichkeitsprinzip ging
dabei zulasten des Beschuldigten. Durch das „Vierte Gesetz zur Änderung des
Strafvollzugsgesetzes“ vom 26. 8. 1998 609 wurde zudem eine Offenbarungspflicht
für therapeutisch tätige Berufsgruppen unter bestimmten Voraussetzungen insti-
tutionalisiert. 610 Dem Sexualstraftäter wurden insofern etliche bislang gewährte
strafprozessuale wie auch nachprozessuale Rechte abgesprochen.

603
Vom 26. 1. 1998 (BGBl. I, S. 160).
604
Hammerschlag, H. / Schwarz, O.: NStZ 1998, 321 ff., 325; Laubenthal, K.: Sexual-
straftaten 2000, S. 12 Rn. 32; Schöch, H.: NJW 1998, 1257 ff., 1259.
605
Laubenthal, K.: Sexualstraftaten 2000, S. 12 Rn. 34; Schmidt-Jortzig, E.: NStZ 1998,
441 ff., 442; Schöch, H.: NJW 1998, 1257 ff., 1260 f.
606
Hammerschlag, H. / Schwarz, O.: NStZ 1998, 321 ff., 325; Laubenthal, K.: Sexual-
straftaten 2000, S. 12 Rn. 33, 36; Schneider, H. J.: JZ 1998, 436 ff., 444 f.; vgl. auch Albrecht,
H.-J.: ZStW 111 (1999), 863 ff., 867 f.
607
BGBl. I, S. 820.
608
Albrecht, H.-J.: ZStW 111 (1999), 863 ff., 868.
609
BGBl. I, S. 2461.
610
Albrecht, H.-J.: ZStW 111 (1999), 863 ff., 869; Haffke, B. in: Rode, I. u. a. (Hrsg.):
Neue Lust aufs Strafen 2005, S. 35 ff., 47; Rosenau, H.: StV 1999, 388 ff., 397.
114 Kap. 2: Überprüfung der deskriptiven Ebene bei Jakobs

3. Prozessuale Einschränkungen mit


Bezug zur Terrorismusbekämpfung

1974 wurde durch das „Gesetz zur Ergänzung des Ersten Gesetzes zur Reform
des Strafverfahrensrechts“ 611 („Lex Baader-Meinhof“) zum Zwecke der Verhin-
derung einer möglichen Konspiration zwischen Verteidiger und beschuldigtem
Terrorist die Möglichkeit der Mehrfachverteidigung abgeschafft (§ 146 StPO a.F.:
„Die Verteidigung mehrerer Beschuldigter durch einen gemeinschaftlichen Ver-
teidiger ist unzulässig.“ 612) sowie die Anzahl der Verteidiger pro Angeklagten
auf drei begrenzt (§ 137 Abs. 1 S. 2 StPO). 613 In § 138d Abs. 2 StPO wurde der
Verteidigerausschluss wegen des Verdachts des Verkehrsmissbrauchs zur Bege-
hung von Straftaten und zur Gefährdung der Anstaltssicherheit geregelt. 614 Aus
Anlass von Hungerstreiks der RAF-Häftlinge wurden §§ 231a und b sowie § 265
StPO eingeführt (Schuldhaftes Sich-Versetzen in einen die Verhandlungsfähigkeit
ausschließenden Zustand und dadurch wissentliche Verhinderung der ordnungs-
mäßigen Durchführung oder Fortsetzung der Hauptverhandlung; Verhandlung
in Abwesenheit), um Prozessverschleppungen durch vorsätzlich herbeigeführte
Verhandlungsunfähigkeit gesetzlich zu unterbinden. Darüber hinaus wurden die
Antrags- und Erklärungsrechte der Verteidigung beschränkt (§ 257 StPO) 615 und
die Möglichkeit der Verkündung des Beschlusses über den Ausschluss der Öffent-
lichkeit in nicht öffentlicher Sitzung (§ 174 GVG) eingeräumt. 616
Mit dem „Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches, der Strafprozeßordnung,
des Gerichtsverfassungsgesetzes, der Bundesrechtsanwaltsordnung und des Straf-
vollzugsgesetzes“ vom 18. 8. 1976 617 wurde der Verteidigerausschluss auf andere
Verfahren erweitert (138a Abs. 4, 5, 138c Abs. 5 StPO) und nach §§ 148, 148a
StPO durfte der schriftliche Verkehr mit dem Verteidiger in Verfahren nach § 129a

Näheres zu den Offenbarungsbefugnissen und -pflichten gemäß § 182 Abs. 2 StVollzG


bei Hildebrandt, J.: Schweigepflicht im Behandlungsvollzug 2004.
611
Vom 20. 12. 1974 (BGBl. I, S. 3393).
612
Vgl. Laufhütte in Karlsruher Kommentar – StPO 2003, § 146 Rn. 1. Im Rahmen
des Strafverfahrensänderungsgesetzes vom 30. 1. 1987 (BGBl. I, S. 475) wurde § 146 StPO
dahingehend geändert, dass die Fälle verbotener gemeinschaftlicher Verteidigung auf die
gleichzeitige Verteidigung mehrerer Beschuldigter wegen derselben Tat (im Sinne des § 264
StPO) oder wegen verschiedener Taten in einem Verfahren reduziert wurden. Insbesondere
ist das Verbot der sukzessiven Verteidigung damit weggefallen (Laufhütte in Karlsruher
Kommentar – StPO 2003, § 146 Rn. 1; Meyer-Goßner, L.: NJW 1987, 1161 ff., 1163).
613
Vgl. Hassemer, W.: KritV 1988, 336 ff., 340; Voß, M.: Symbolische Gesetzgebung
1989, S. 198 m.w. N.
614
Vogel, H.-J.: NJW 1978, 1217 ff., 1220.
615
Vogel, H.-J.: NJW 1978, 1217 ff., 1220; Voß, M.: Symbolische Gesetzgebung 1989,
S. 198.
616
Vogel, H.-J.: NJW 1978, 1217 ff., 1220.
617
BGBl. I, S. 2181.
B. Überprüfung der deskriptiven Ebene 115

StGB überwacht werden. 618 Ferner wurden die Durchsuchungs- und Identitäts-
feststellungsbefugnisse (§§ 103 Abs. 1 S. 1, 163b, c StPO) sowie die Haftgründe
für die Untersuchungshaft in § 112 Abs. 3 StPO erweitert. 619 Danach konnte die
Untersuchungshaft in Bezug auf terroristische Straftaten ohne Vorliegen eines her-
kömmlichen Haftgrundes (§ 112 Abs. 2 StPO) angeordnet werden. 620 Durch das
„Europäische Übereinkommen zur Bekämpfung des Terrorismus“ vom 27. 1. 1977
(Straßburg) wurden die Möglichkeiten der europäischen Länder eingeschränkt,
die Auslieferung mutmaßlicher Terroristen mit dem Hinweis auf politisch moti-
vierte Täter zu verweigern. Weiterhin trat 1977 als Reaktion auf die Entführung
des Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer durch die RAF das „Kontakt-
sperregesetz“ 621 in Kraft. Danach durfte bei ernsthaften Gefahrenlagen, die von
einer terroristischen Vereinigung ausgehen, jedwede Verbindung von Gefangenen
untereinander wie auch mit der Außenwelt einschließlich des schriftlichen und
mündlichen Verkehrs unterbrochen werden (§ 31 ff. EGGVG). 622 Die Kontaktsper-
re ist nach Jakobs eine der „krassesten“ feindstrafprozessualen Regelungen de
lege lata. 623
Das „Gesetz zur Änderung der Strafprozessordnung“ vom 14. 4. 1978 624 sah
überdies eine Erweiterung der Durchsuchungsbefugnisse (§§ 103, 105, 108 StPO),
eine Herabsetzung der Verdachtsschwelle für den Verteidigerausschluss im Ver-
fahren wegen Straftaten nach § 129a StGB (§ 138a, c StPO), die Isolationshaft
(§ 119 StPO) sowie den obligatorischen Einsatz von Trennscheiben für den münd-
lichen Verkehr mit dem Verteidiger vor (§ 148 Abs. 2 StPO). Zudem wurde die
Zulässigkeit von Kontrollstellen und Identitätsfeststellungen gesetzlich geregelt
(§§ 111, 127, 163b, c StPO). 625 1986 war durch das „Gesetz zur Bekämpfung
des Terrorismus“ 626 die Errichtung von Straßensperren (§ 111 StPO) und die
Wohnblockdurchsuchung (§ 103 Abs. 1 S. 2 StPO) zur Ergreifung eines Beschul-
digten möglich geworden. 627 Das „Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches,
der Strafprozeßordnung und des Versammlungsgesetzes und zur Einführung ei-

618
Dahs, H.: NJW 1976, 2145 ff., 2146; Vogel, H.-J.: NJW 1978, 1217 ff., 1220.
619
Vogel, H.-J.: NJW 1978, 1217 ff., 1220; Voß, M.: Symbolische Gesetzgebung 1989,
S. 198.
620
Düx, H.: ZRP 2003, 189 ff., 189; Klughardt, W.: Die Gesetzgebung zur Bekämpfung
des Terrorismus 1984, S. 190.
621
Vom 30. 9. 1977 (BGBl. I, S. 1877).
622
Vogel, H.-J.: NJW 1978, 1217 ff., 1220.
623
Vgl. Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 94; Verweis auf die Kontaktsperre aber auch
bei Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende
2000, S. 47 ff., 52. Im Übrigen vgl. oben Kapitel 1 C.II.4.
624
BGBl. I, S. 497.
625
Vogel, H.-J.: NJW 1978, 1217 ff., 1221.
626
TerrorBG vom 19. 12. 1986 (BGBl. I, S. 2566).
627
Dencker, F.: StV 1987, 117 ff., 119.
116 Kap. 2: Überprüfung der deskriptiven Ebene bei Jakobs

ner Kronzeugenregelung bei terroristischen Straftaten“ vom 9. 6. 1989 628 sollte


die Bekämpfung des Terrorismus von innen heraus bewerkstelligen. Zu diesem
Zweck wurde eine Kronzeugenregelung eingeführt. 629 Zudem führte das Gesetz
zu Einschränkungen des Versammlungsrechts in §§ 17a, 27 Abs. 2; 29 Abs. 2
Nr. 1a VersammlungsG, indem passive Bewaffnung (so genannte Schutzwaffen
wie Helme, Gasmasken, Arm- und Beinschoner) und Vermummung 630 verboten
wurden, obgleich derartige Ausrüstung objektiv nicht zwingend auf Gewaltbe-
reitschaft schließen lässt. 631 Der präventive und damit in Jakobs Terminologie
feindstrafrechtliche Haftgrund der Wiederholungsgefahr (§ 112a StPO) wurde auf
§ 125 StGB (Landfriedensbruch) erweitert. 632
Das Terrorismusbekämpfungsgesetz vom 9. 1. 2002 633 regelte die Übermittlung
von Daten, die Bundesnachrichtendienst (BND) und Verfassungsschutz erho-
ben haben, an Polizei und Staatsanwaltschaft beziehungsweise vice versa (§ 7
Abs. 4 G 10; vgl. im Übrigen §§ 10, 24 BKAG; §§ 19 ff. BVerfSchG; § 9 Abs. 3
BNDG). 634 Gleichfalls zur Bekämpfung des Terrorismus wurden „gläserne Kon-
ten“ (welche abwertend und in kritischer Anlehnung an die Rasterfahndung auch
als „Zasterfahndung“ bezeichnet werden) eingeführt. Der freie Zugriff auf sämt-
liche Bankdaten und Kontoinformationen durch die Konten-Evidenz-Zentrale
bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht 635 soll organisierte Geld-
wäsche und Finanzsysteme von Terror-Netzwerken aufdecken; erlaubt ist nach
§ 24c Abs. 1 Kreditwesengesetz (KWG) auch eine Erstellung von Kontenprofi-
len (sog. Konten-Screening). 636 Die Auskunft des Verfassungsschutzes gegenüber

628
BGBl. I, S. 1059.
629
Zunächst befristet bis Ende 1993, sodann bis zum 31. 12. 1995 und anschließend
wiederum bis zum 31. 12. 1999 verlängert (kritisch Hettinger, M.: Entwicklungen im
Strafrecht und Strafverfahrensrecht 1997, S. 49). 1999 wurde die Kronzeugenregelung zwar
nicht verlängert; eine Regelung im Bereich terroristischer Straftaten ist jedoch nunmehr in
§§ 129 Abs. 6, 129a Abs. 7 StGB enthalten. Ferner sehen § 31 BtMG und § 261 Abs. 9, 10
StGB eine sog. „kleine Kronzeugenregelung“ vor. Darüber hinaus wurde die Neukonzeption
der Kronzeugenregelung bereits bei der Nichtverlängerung grds. in Betracht gezogen
(vgl. BR-Drucks. 15/2771); die Bundesregierung hat 2007 einen Entwurf zur Neuauflage
der Kronzeugenregelung für mittelschwere und schwere Straftaten (wohl Delikte im Bereich
des § 100a StPO) beschlossen.
630
Zur Vermummung als „in der Tat“ die Wende zum „Feindstrafrecht“ oder Gefähr-
lichkeitsstrafrecht“ repräsentierend Albrecht, P.-A.: KritV 1988, 182 ff., 202.
631
Vgl. auch Kritik bei Dencker, F.: StV 1988, 262 ff., 264 f.; Krauß, D.: StV 1989,
315 ff., 321.
632
Zur Erweiterung vgl. Meyer-Goßner, L.: StPO 2007, § 112a Rn 7.
633
BGBl. I, S. 361.
634
Paeffgen, H.-U.: GA 2003, 646 ff., 652 f. Vgl. auch Griesbaum, R.: Nehm-FS 2006,
S. 125 ff., 133; Stock, J.: Schwind-FS 2006, S. 741 ff., 747.
635
§ 24c Kreditwesengesetz (KWG) in der Fassung vom 21. 6. 2002 (Art. 6 des Vierten
Finanzmarktförderungsgesetzes, BGBl. 2002 I, S. 2053 f.); vgl. auch FAZ vom 4. 4. 2002,
S. 11.
B. Überprüfung der deskriptiven Ebene 117

Banken in Bezug auf Konten und Kontenbewegungen des Bankkunden unterliegen


ferner keiner richterlichen Kontrolle. 637 Ebenfalls der Justizkontrolle entzogen, ist
die Einleitung der Strafverfolgung nach Ermessen des Bundesnachrichtendienstes
nach Art. 1 § 1 bis § 3 Gesetz zu Art. 10 GG (G 10). Danach darf der internatio-
nale Fernmelde- und Briefverkehr ohne konkreten Anfangsverdacht auf Gefahren
allgemeiner Straftaten geheim überwacht werden. 638 Durch § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG
und § 47 Abs. 2 AuslG 639 wurden Legitimationsgrundlagen geschaffen, unter Sym-
pathieverdacht mit Terroristen stehende Ausländer an der Einreise zu hindern oder
außer Landes zu weisen. 640
Alles in allem erfolgte im Rahmen der Terrorismusbekämpfung offensichtlich
eine weitreichende Einschränkung von Rechten im Vorfeld von und während der
Ermittlungstätigkeit wie auch im Hauptverfahren. Potentielle Terroristen werden
im Zuge der Rechtsetzungsentwicklung tendenziell weniger als Person behandelt
als andere Verdächtigte, da im Rahmen der Terrorismusbekämpfung massiv ein-
schränkende Gesetze angewendet werden können, nämlich feindstrafrechtliche
Normen im Sinne Jakobs.

4. Weitere prozessuale Einschränkungen

Im Rahmen des „Verbrechensbekämpfungsgesetz“ 641 wurden Verteidigungs-


rechte verkürzt, indem der Anwendungsbereich des Selbstleseverfahrens durch
Streichung der §§ 251, 256 StPO aus der bisherigen Fassung des § 249 Abs. 2
StPO erweitert wurde. Die Verteidigung wurde dadurch in ihrem Äußerungsrecht
nach § 257 StPO geschwächt. 642 Zum Zwecke der strafferen Durchführung des

636
Bereits durch das „Gesetz über das Aufspüren von Gewinnen aus schweren Straf-
taten“ vom 25. 10. 1993 (Geldwäschegesetz, BGBl. I, S. 1770) waren Versicherungen und
Kreditinstitute verpflichtet worden, eine Verdachtsanzeige (gegen ihre eigenen Kunden) bei
Verdacht auf Geldwäsche zu stellen (kritisch etwa Spies, T.: StraFo 2005, 324 ff., 324 f.),
vgl. hierzu etwa auch Saliger, F. in: Institut für Kriminalwissenschaften und Rechtsphilo-
sophie Frankfurt a. M. (Hrsg.): Jenseits des rechtsstaatlichen Strafrechts 2007, S. 447 ff.,
460 f.
637
§ 8 Abs. 5 Bundesverfassungsschutzgesetz in der Fassung vom 9. 1. 2002 (Art. 11
des Terrorismusbekämpfungsgesetzes, BGBl. 2002 I, S. 361).
638
Vgl. Albrecht, P.-A.: Innere Sicherheit als Gefahr? 2003, S. 49 ff., 55.
639
In der Fassung vom 9. 1. 2002 (Art. 11 des Terrorismusbekämpfungsgesetzes,
BGBl. 2002 I, S. 368, 369 f.).
640
Albrecht, P.-A.: Die vergessene Freiheit 2003, S. 17. Ferner ist im Bundesinnenmi-
nisterium eine Verschärfung des Ausländerrechts geplant, um eine verstärkte Kontrolle
ausländischer Studenten zu gewährleisten. Dazu sollen künftig auch die Bürgen des Betrof-
fenen vor der Visumserteilung überprüft werden und die Aufenthaltserlaubnis soll zwecks
Intensivierung der Meldepflicht bei den Behörden auf „mindestens ein Jahr“ halbiert
werden (Der SPIEGEL Nr. 43 v. 23. 10. 2006; S. 17).
641
Vom 28. 10. 1994 (BGBl. I, S. 3186).
118 Kap. 2: Überprüfung der deskriptiven Ebene bei Jakobs

Verfahrens 643 darf das Gericht dem Verteidiger nunmehr aufgeben, Anträge und
Begründungen nur noch schriftlich vorzutragen (§ 257a StPO). 644 Der Katalog des
§ 112 Abs. 3 StPO a.F. (Untersuchungshaft ohne herkömmlichen Haftgrund nach
§ 112 Abs. 2 StPO) wurde um die besonders schwere Brandstiftung nach § 307
StGB a.F. und die besonders schwere Körperverletzung nach § 225 StGB a.F. (in
Abs. 2 war eine Fahrlässigkeitsvariante enthalten!) erweitert. 645
Außerdem wurde die Strafprozessordnung unter Berücksichtigung technischer
Innovationen um etliche Vorschriften ergänzt. Das „Passgesetz und Gesetz zur Än-
derung der Strafprozessordnung“ vom 19. 4. 1986 646 führte beispielsweise § 163d
StPO (Schleppnetz- und Reusenfahndung) als Legitimationsgrundlage für die
nunmehr technisch möglich gewordene, moderne Methode der Verbrechensbe-
kämpfung zum Abgleich von Daten ein. 647 Mit „Gesetz zur Änderung der Straf-
prozessordnung“ vom 14. 8. 2002 648 wurden die §§ 100 ff. StPO um den Einsatz
von IMSI 649-Catchern vervollständigt (§ 100i StPO). Zwar mag – auch nach
dem Jakobsschen Verständnis – nicht jede Anpassung der Ermittlungsmethoden
an technischen Fortschritt feindstrafrechtlicher Natur sein. Viele dieser Anglei-
chungen sind jedoch dadurch gekennzeichnet, dass sie (auch) ohne Wissen des
Betroffenen zulässig sind, also heimliche Ermittlungsmethoden (neben besagtem
§ 100i StPO auch §§100c, f, 110a StPO 650 – Abhörmaßnahmen und Einsatz tech-
nischer Mittel ohne Wissen des Betroffenen, Verdeckte Ermittler) bilden. Zudem
stellen etliche dieser Bestimmungen Vorfeldmaßnahmen (§§ 98a, 163d StPO) dar.
Heimliche Ermittlungen und Vorfeldmaßnahmen tragen jedoch unter Zugrunde-
und Auslegung der Begriffsbestimmung Jakobs feindstrafrechtrechtliche Züge. 651
Ferner wurde mit dem „Gesetz zur Novellierung der forensischen DNA-Analy-
se“ vom 12. 8. 2005 652 der Richtervorbehalt für molekulargenetische Untersuchun-

642
Dahs, H.: NJW 1995, 553 ff., 555 f.
643
BT-Drucks 12/6853, S. 34.
644
Dahs, H.: NJW 1995, 553 ff., 556.
645
Dahs, H.: NJW 1995, 553 ff., 555.
646
BGBl. I, S. 537.
647
Hettinger, M.: Entwicklungen im Strafrecht und Strafverfahrensrecht der Gegenwart
1997, S. 46 f.; vgl. zu § 163d StPO auch Kühl, K.: NJW 1987, 737 ff., 738 ff.
648
BGBl. I, S. 3018.
649
International Mobile Subscribe Identity. Mit dem IMSI-Catcher ist es möglich,
die einem Mobiltelefon zugeordnete Rufnummer zu ermitteln und den Standort eines
eingeschalteten Handys zu lokalisieren.
650
Eingeführt durch „Gesetz zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und
anderer Erscheinungsformen der Organisierten Kriminalität“ vom 15. 7. 1992 (BGBl. I,
S. 1302).
651
Auch wenn Jakobs derlei Ermittlungsmaßnahmen in die Kategorie des physischen
Zwangs einordnet und sie aus diesem Grund als feindstrafrechtliche Regelungen benennt
(Jakobs, G.: HRRS 3/2004, S. 88 ff., 94). Zur Kritik am Merkmal des physischen Zwangs
als alleiniges Kriterium für prozessuales Feindstrafrecht vgl. oben Kapitel 2 B.V.3.a).
B. Überprüfung der deskriptiven Ebene 119

gen von Spuren gestrichen, indem § 81f Abs. 1 StPO nur noch auf § 81e Abs. 1
StPO verweist. Für § 81e Abs. 2 StPO gelten daher §§ 161, 163 StPO (Anordnung
durch Staatsanwaltschaft oder die Beamte des Polizeidienstes). 653 Gleichfalls wur-
de die Zulässigkeit einer DNA-Analyse nach § 81g Abs. 1 S. 2 StPO zu Zwecken
künftiger Strafverfolgung erweitert. Es genügt nunmehr, dass der Beschuldigte
wiederholt Straftaten – ohne dass diese von erheblicher Bedeutung sein müs-
sen 654 – begangen hat oder diese voraussichtlich begehen wird. Die wiederholte
Begehung sonstiger Straftaten wurde dem Unrechtsgehalt einer Straftat von erheb-
licher Bedeutung gleichgestellt. 655 Berücksichtigt werden wiederum präventive
Gesichtspunkte der Verbrechensbekämpfung; der Strafprozess verliert seinen
Charakter als bloß repressive Verbrechensverfolgung und weist damit – nach der
Begriffsbestimmung von Jakobs – partiell einen feindstrafrechtlichen Charakter
auf.

5. Prozessuale Vorverlagerungen aufgrund


materieller Vorfeldkriminalisierung

Mit der bereits beschriebenen Vorverlagerung im materiellen Recht 656 wird


zwangsläufig auch der Zeitpunkt der einsetzenden Ermittlungstätigkeit im Straf-
prozess vorverlagert. 657 Insofern sind prozessuale Vorverlagerungen, die sich
infolge feindstrafrechtlich ausgestalteter materieller Vorverlagerungen ergeben,
ebenfalls tendenzielles Feindstrafrecht im Sinne Jakobs. So verhält es sich bei-
spielsweise bei den bereits benannten materiellen Vorverlagerungen der §§ 129a
und b StGB. Indem die Strafbarkeit materiell früher einsetzt, müssen auch die
Ermittlungsbehörden ihre Arbeit früher aufnehmen. Im Regelfall geht dies mit
einer präventiven Abwehr im Strafprozess einher. An verschiedenen Stellen wurde
bereits auf Raster-, Schleppnetzfahndung, gläserne Konten und ähnliche Maßnah-
men 658 als derartige Vorfeldmaßnahmen eingegangen. Auch der zur Aufnahme der
Ermittlungstätigkeit erforderliche Tatverdacht setzt in einer solchen Vorfeldsituati-
on früher ein. Insofern garantieren die materiellen Vorverlagerungen zugleich auch
den Einsatz strafprozessualer Erkenntnismittel zum frühesten Zeitpunkt. Ähnli-
ches ergibt sich für die materiellen Vorverlagerungen nach §§ 30, 130a StGB. Hier
wurde ebenso eine für das Bürgerstrafrecht nach Jakobs untypische Strafbarkeit

652
BGBl. I, S. 2360.
653
Michel, S.: JA 2006, S. 239 f., 239.
654
Vgl. auch Jasch, M. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 267 ff.,
270; ders. in: Institut für Kriminalwissenschaften und Rechtsphilosophie Frankfurt a. M.
(Hrsg.): Jenseits des rechtsstaatlichen Strafrechts 2007, S. 571 ff., 572 f.
655
Michel, S.: JA 2006, S. 239 f., 239.
656
Vgl. Kapitel 1 C.II.1.
657
Vgl. Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 751 ff., 752. Siehe auch oben Kapitel 1 C.II.4.
658
Vgl. z. B. Kapitel 2 B.IV.1.
120 Kap. 2: Überprüfung der deskriptiven Ebene bei Jakobs

konzipiert, die bezüglich der eigentlichen Rechtsgutsverletzung noch vor dem


unmittelbaren Ansetzen im Sinne des § 22 StGB verfolgbar ist. Der Beschuldigte
ist damit einer verfrüht einsetzenden Maschinerie von Ermittlungstätigkeit im
Strafprozess ausgesetzt. Dabei ist besonders zu beachten, dass die Ermittlungser-
gebnisse, die im Rahmen frühzeitig einsetzenden Verfolgungstätigkeit wie etwa
der Telekommunikationsüberwachung gemäß § 100a S. 1 Nr. 1c) StPO aufgrund
des Verdachts einer Tat nach § 129 ff. StGB gewonnen werden, auch wenn sich der
Verdacht bezüglich der §§ 129 ff. StGB nicht erhärtet, in Bezug auf die Taten, zu
denen sich die Vereinigung zusammengeschlossen hat, verwertbar sind. 659 Eine
Anklageerhebung durch die Staatsanwaltschaft wegen §§ 129 ff. StGB ist dazu
nicht erforderlich. 660
Materielle und damit einhergehende prozessuale Vorverlagerungen entstehen
darüber hinaus aber auch durch die verstärkte Bezugnahme auf Generalklauseln,
dehnbare Begrifflichkeiten und universelle Rechtsgüter zur Umschreibung von
Strafbarkeit. 661 Das heißt, die durch das Strafrecht geschützten Rechtsgüter werden
teilweise derart weit und offen formuliert, dass eine Verletzung des Rechtsguts sehr
schnell gegeben ist. Insofern kann die Vorverlagerung der Strafbarkeit im Feind-
strafrecht materiell wie auch prozessual noch verdoppelt werden, indem neben
der Berücksichtigung von Interna zugleich weite Rechtsbegriffe und Schutzgüter
für die Strafbarkeit umschreibenden Normen gewählt werden. Dergestalt verhält
es sich etwa im Betäubungsmittelstrafrecht, welches die „Volksgesundheit“ 662
schützt. Das Rechtsgut ist bereits beim Auskundschaften von Bezugsquellen 663
gefährdet. 664 Durch die Unbestimmtheit der Schutzgüter können Verhaltenswei-
sen als strafbar definiert werden, die vormals als bloße Vorbereitung nicht von
Strafbarkeitsbestimmungen erfasst wurden. Ein vergleichbarer Behelf materieller
und verfahrensrechtlicher Vorverlagerung gegenüber Feinden ist die Umschrei-
bung eines Phänomens, das bekämpft werden soll, mit (zumeist) prägnanten,
aber offenen Begrifflichkeiten, die dann ins Strafrecht importiert werden. Die
Konturenlosigkeit der Termini ermöglicht eine beliebig Erweiterung der unterfal-
lenden Personen und Eigenschaften. Als Beispiele lassen sich insbesondere der
Terrorismusbegriff 665, der nahezu das gesamte Umfeld eines auch nur irgendwie

659
Vgl. zu § 100a StPO auch Schuster, F. P.: Verwertbarkeit im Ausland gewonnener
Beweise 2006, S. 241 m.w. N.
660
BGH NJW 1979, 990 ff.; BGH NJW 1979, 2524 f.
661
Hassemer, W.: ZRP 1992, 378 ff., 381; Seelmann, K.: KritV 1992, 452 ff., 454;
vgl. auch Albrecht, H.-J.: Nehm-FS 2006, S. 17 ff., 19; ders.: KritV 1993, 163 ff., 164;
Klawitter, E.: KritV 1997, 248 ff., 249; Neubacher, F.: ZStW 118 (2006), 855 ff., 861 f.;
Stratenwerth, G.: ZStW 105 (1993), 679 ff., 682 ff. m.w. N.
662
Vgl. die Begründung zur Novellierung des Betäubungsmittelrechts vom 9. Novem-
ber 1979 in BR-Drucks. 546/79, S. 35.
663
BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 20.
664
Seelmann, K.: KritV 1992, 452 ff., 454.
B. Überprüfung der deskriptiven Ebene 121

terroristisch gearteten Verhaltens erfasst 666, oder das Schlagwort der „Organisier-
ten Kriminalität“ anführen. Auch die Begriffe der „Korruption“, der „Bande“
in § 30a BtMG 667 und der „Gewerbsmäßigkeit“ lassen grundsätzlich Spielräume
offen, die eine Ausweitung ins Vorfeld einer Rechtsgutsverletzung ermöglichen.
Unabhängig von der genauen Art der materiellen Vorverlagerung setzt jedenfalls
die Ermittlungstätigkeit früher ein.

V. Tatsächliche Kommunikation von


Feindbildern als Merkmal des Feindstrafrechts

Bisher konnte aufgezeigt werden, dass etliche Normen die von Jakobs als
feindstrafrechtlich beschriebenen Beschaffenheitsmerkmale (materielle Vorver-
lagerungen, zur Vorverlagerung unproportionaler Strafrahmen, Bekämpfungsge-
setzgebung und Einschränkung von Verfahrensgarantien) aufweisen. Damit ist
der Deskription der Strafrechtsentwicklung seitens Jakobs – zumindest was die
Existenz der Merkmale selbst betrifft – grundsätzlich beizupflichten. Dement-
sprechend stößt der deskriptive Inhalt des Feindstrafrechts in der Rechtswissen-
schaft mehrheitlich auf Zustimmung 668, wenn auch partiell die emotionale und

665
Vgl. Hirsch, J.: Der Sicherheitsstaat 1980, S. 95 f.; vgl. zudem Weigend, T.: Nehm-
FS 2006, S. 151 ff., 163.
666
Dencker, F.: StV 1987, 117 ff., 117.
667
Klawitter, E.: KritV 1997, 248 ff., 249.
668
Vgl. etwa Albrecht, H.-J.: Nehm-FS 2006, S. 17 ff., 24 f.; Arnold, J.: HRRS 8 –9/
2006, 303 ff., 304; Haffke, B.: ZStW 107 (1995), 761 ff., 785 ff.; Hörnle, T.: GA 2006,
80 ff., 89; Kalek, W. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 281 ff.,
294 f.; Neumann, U. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 299 ff., 301;
Prittwitz, C.: Kriminologie. Akteurin und Kritikerin gesellschaftlicher Entwicklung 2005,
S. 215 ff., 226 f.; Schneider, H. / Morguet, G. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie
Ruhe 2006, S. 335 ff., 351; Streng, F. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006,
S. 227 ff., 231; vgl. auch Sinn, A.: ZIS 2006, 107 ff., 108 f., 117, wobei Sinn allerdings
den Abbau prozessualer Garantien über §§ 33 ff. EGGVG hinaus angezweifelt (Sinn, A.:
ZIS 2006, 107 ff., 109); a. A. Gössel, K. H.: F.-C. Schroeder-FS 2006, S. 33 ff., 48, der
bereits die materiell-rechtlichen Vorverlagerungen als feindstrafrecht de lege lata ablehnt
(S. 45). Ferner negiert Gössel bestehendes prozessuales Feindstrafrecht, da die von Jakobs
genannten Vorschriften vor allem der Sicherung des Strafverfahrens und jedenfalls nichts
ausschließlich der Gefahrenabwehr dienen. Dies könne allenfalls bei §§ 112a StPO, 33 ff.
EGGVG angedacht werden, jedoch stellen hier die §§ 115 StPO, 34 EGGVG klar, dass der
Täter eben nicht als rechtsloses Individuum behandelt wird (Gössel, K. H.: F.-C.: Schroeder-
FS 2006, S. 33 ff., 47 f.). Allerdings muss Gössel an dieser Stelle entgegengehalten werden,
dass bereits der Abbau – also nicht lediglich die totale Aberkennung – prozessualer
Garantien bei Jakobs als feindstrafrechtlich beschrieben wird (vgl. etwa Jakobs, G. in:
Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende 2000, S. 47 ff.,
52), zumal auch beim Feind nicht über das Erforderliche hinausgegangen werden dürfe, so
dass zumindest eine potentielle Persönlichkeit erhalten bleibe (Jakobs, G. in: Eser, A. u. a.
122 Kap. 2: Überprüfung der deskriptiven Ebene bei Jakobs

schlagwortartige Bezeichnung der Entwicklung als Feindstrafrecht auf Widerstand


trifft. 669
Allerdings könnte die Schlussfolgerung, dass der These vom Feindstrafrecht
deskriptiv zuzustimmen ist, trotz des Vorhandenseins der von Jakobs benannten
Merkmale im gegenwärtigen Strafrecht übereilt getroffen worden sein. Schließlich
bilden nicht nur die aufgeführten und bereits überprüften Kennzeichen, sondern
auch der Feind als Adressat den Inhalt des Feindstrafrechts. Gesetze müssten
also nicht nur feindstrafrechtliche Merkmale beinhalten, sondern sich auch gegen
Feinde im Sinne der Definition Jakobs richten, um der Bezeichnung als Feindstraf-
recht gerecht zu werden. Es müssten folglich Feindbilder kommuniziert werden;
der Norminhalt müsste gerade ein „feindliches“ Verhalten charakterisieren und
bekämpfen. Damit könnte das Feindstrafrecht jedoch – obwohl die von Jakobs
beschriebenen Merkmale im gegenwärtigen Strafrecht vorhanden sind – auf de-
skriptiver Ebene scheitern, wenn etwa die Tätergruppen (z. B. Terroristen, Mafiosi,
Mitglieder der Organisierten, Wirtschafts- und Betäubungsmittelkriminalität, Se-
xualdelinquenten), die nach Jakobs regelmäßig dem Feindbegriff unterfallen, gar
nicht von der Gesellschaft als „Feinde“ kommuniziert werden. Ist dies zumindest
teilweise der Fall, könnte die Darstellung Jakobs ferner auch aus dem Grund
deskriptiv untauglich sein, dass nicht ausschließlich der Feind von den feind-
strafrechtlichen Merkmalen betroffen wird oder nach dem gesetzgeberischen Ziel
betroffen werden soll, sondern auch der bürgerliche Täter.

1. Überprüfung der gesellschaftlichen Kommunikation über


den „Feind“ in den von Jakobs benannten Täterbereichen

Der Feind ist nach Jakobs ein Individuum, das sich vermutlich dauerhaft vom
Recht abgewandt hat. Dies kann in seinem gesamten Lebensstil, aber auch nur

(Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende 2000, S. 47 ff., 51). Auch bleibt
bei Gössel unberücksichtigt, dass es sich beim Feindstrafrecht um einen Idealtypus handelt
[vgl. oben Kapitel 1 A.II.2)] und es daher auch Zwischenformen der feindstrafrechtlichen
Ausprägungen gibt, wonach eine vollkommene Einschränkung prozessualer Garantien eben
nicht erforderlich ist.
Ferner lehnt auch Kindhäuser die Eignung des Feindstrafrechts ab, das Strafrecht de
lege lata sachgerecht wiedergeben zu können (Kindhäuser, U.: F.-C. Schroeder-FS 2006,
S. 81 ff., 96 ff.). Zur Kritik an der zugrunde liegenden Argumentation, soweit die materielle
Rechtslage betroffen ist, vgl. bereits Fn. 214.
669
Siehe etwa Greco, L.: G 2006, 96 ff., 107 ff.; Roxin, C.: Strafrecht AT 2006, § 2
Rn. 128; vgl. auch Cancio Meliá, M.: Jakobs-FS 2007, S. 27 ff., 30 Fn. 12, der unter
Bezugnahme auf die beiden vorgenannten Autoren eine diagnostische Eignung des Begriffs
„Feindstrafrecht“ zur Tatbestandsanalyse im Besonderen Teil allenfalls im Bereich der
Terrorismusstraftaten für möglich erachtet, jedoch dem „Feindstrafrecht“ eine gewisse
Nützlichkeit zur Umschreibung der Gesamtentwicklung zugesteht: „... es handelt sich aber
[bei dem Feindstrafrecht, Anm. der Verfasserin] um ein Weitwinkelobjektiv, das zwar nicht
für Nahaufnahmen, wohl aber für Panoramabilder taugt.“
B. Überprüfung der deskriptiven Ebene 123

in einzelnen Lebensbereichen, etwa dem Erwerbsleben, zum Ausdruck kommen.


Aufgrund der fehlenden Orientierung des Feindes am geltenden Recht können
sich die Gesellschaftsmitglieder nicht auf Normbefolgung seinerseits verlassen.
Der Feind bietet damit nicht die kognitive Mindestgarantie, sich wie ein Bürger
zu verhalten. Durch seinen Zustand bedroht er permanent Rechtsgüter und ist
somit Gefahrenquelle. 670 Dies gilt nach Jakobs insbesondere für Mitglieder kri-
mineller und terroristischer Vereinigungen sowie für Beteiligte der Organisierten
und Wirtschaftskriminalität, außerdem für Sexualstraftäter, für Delinquenten der
Betäubungsmittelkriminalität, für Hochverräter und Menschenrechtsverletzer. 671
Damit sich die Prognose von Jakobs hinsichtlich eines tendenziellen Feindstraf-
rechts im deutschen Recht überhaupt als deskriptiv korrekt erweisen kann, müssten
die benannten Tätergruppen in der Gesellschaft und – im Rahmen der Prüfung der
deskriptiven Richtigkeit in der Rechtsetzung – vor allem auch vom Gesetzgeber
als Feinde im Sinne der Definition Jakobs kommuniziert werden. Dies kann wohl
insbesondere dann angenommen werden, wenn die Täter vom Gesetzgeber als
grundsätzlich „gefährlich“, „dauerhaft“ oder „hochgradig kriminell“, „schwere
Verbrecher“ und „in hohem Maße rechtsgütergefährdend“ eingestuft werden.
In einer Vielzahl der von Jakobs aufgezählten Beispiele kann man kaum umhin-
kommen, dies zu bejahen. Insofern ist die im Zusammenspiel von Medien, Politik
und Gesetzesbegründung verwendete Sprache deutlich: Bestimmte Täter sind
danach besonders gefährlich und müssen daher auch mit besonderen Mitteln be-
kämpft werden. Die Gesetzesbegründungen der ergangenen Strafschärfungen im
Rahmen der Delikte gegen die sexuelle Selbstbestimmung 672 nahm Bezug auf die
„schweren Straftaten“ der jüngsten Vergangenheit 673, aufgrund derer der Schutz
vor Sexualdelikten und „anderen gefährlichen Straftätern“ verbessert werden
muss. 674 Auch bei der Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung 675
berief sich der Gesetzgeber auf „furchtbare Verbrechen“, die von „einschlägig
vorbestraften Personen“ begangen worden sind und die Anlass zur Verbesserung
des Schutzes vor „schweren Straftaten“ geben. 676 Die strafrechtlichen Sondermaß-

670
Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausend-
wende 2000, S. 47 ff., 52. Vgl. zudem oben Kapitel 1 A.I.1.c).
671
Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwen-
de 2000, S. 47 ff., 51, 52; ders.: Staatliche Strafe 2004, S. 47; ders.: HRRS 3/2004, 88 ff.,
90.
672
„Gesetz zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Strafta-
ten“ v. 26. 1. 1998 (BGBl. I, S. 160) und „Sechstes Gesetz zur Reform des Strafrechts“
v. 26. 1. 1998 (BGBl. I, S. 164, 704.
673
Vgl. dazu bereits Fn. 560.
674
BR-Drucks. 163/97; zugleich BT-Drucks. 13/8586.
675
„Gesetz zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung“ v. 23. 7. 2004,
BGBl. 2004 I, S. 1838.
676
BR-Drucks. 177/04 (ähnlich, allerdings abgeschwächt in BT-Drucks15/899).
124 Kap. 2: Überprüfung der deskriptiven Ebene bei Jakobs

nahmen werden insofern vornehmlich mit der Eigenschaft des Sexualdelinquenten


als gefährlicher Täter gerechtfertigt. 677 Dem entspricht auch die – insbesondere
mediale – Etikettierung als „Monster, Bestien, Perverse und Abartige“, der vor
allem Sexualstraftäter ausgesetzt sind. 678
Eine ähnliche, wenn nicht noch intensivere Feindkommunikation wird seit dem
11. September 2001 in Bezug auf Terroristen beziehungsweise Selbstmordattentä-
ter geübt. 679 Die Anschläge auf das World Trade Center wie auch die nachfolgenden
Anschläge in Europa gaben weltweit 680 Anlass, verschärfte Ermittlungsmaßnah-
men und Sanktionen zu erlassen. Der mutmaßliche Drahtzieher Osama bin Laden
wurde – insbesondere vorgelebt durch die USA – alsbald als die Personifizierung
des Bösen sowie als Symbol des Terrors schlechthin verstanden 681 und es wurden
global Feindzuweisungen gegenüber (vor allem islamistischen) Terroristen als
besonders gefährlich und radikal von Medien 682 und Politikern vermittelt.
Auch im Bereich der Betäubungs- 683 und Organisierten Kriminalität 684 wie bei-
spielsweise der Mafia sowie gegenüber Menschenrechtsverletzern und Kriegsver-

677
Vgl. zum Prozess der Übertragung von Rachegelüsten der Bevölkerung auf die Justiz
und zu den daraus resultierende Strafschärfungen auch Rückert, S.: DIE ZEIT v. 24. 5. 2006,
im Internet abrufbar unter: http://www.zeit.de/2006/22/Strafe_xml?page=all.
Kritik zur deskriptiven Zuordnung des Sexualstraftäters zum Feindbegriff nach Jakobs,
da diese nur durch das medial aufgeheizte Vorurteil der Allgemeinheit, nicht aber durch
den Gesetzgeber getroffen werde, bei Krauß, D. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren
Sie Ruhe 2006, S. 79 ff., 90 ff. Diese Schlussfolgerung wirkt allerdings inkonsequent, da
Krauß selbst zugibt, dass der Gesetzgeber dem öffentlichen Druck nachgegeben und härtere
Maßnahmen bzw. Bekämpfungsgesetze gegen Sexualstraftäter erlassen hat (Krauß, D. in:
Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 79 ff., 91). Insofern behandelt der
Gesetzgeber den Sexualstraftäter schließlich doch als Feind im Sinne Jakobs.
678
Tondorf, G. in: Rode, I. u. a. (Hrsg.): Neue Lust aufs Strafen 2005, S. 5 f., 5.
679
In diesem Sinne auch Denkowski, C. v.: Kriminalistik 2006, 11 ff., 21 f.; Kunz, T.:
Der Sicherheitsdiskurs 2005, S. 18.
680
Vgl. dazu in Bezug auf die deutsche Anti-Terror-Gesetzgebung oben Kapitel 2 B.I.5.;
zu den Auswirkungen auf die US-amerikanische Terrorismusbekämpfung und die Anti-
Terrorpolitik Großbritanniens vgl. unten Kapitel 2 D. und Kapitel 2 D.II.1.
681
So z. B. der Medienwissenschaftler Dr. Christian Schicha (Philipps-Universität Mar-
burg) in seinem Vortrag „Der 11. September 2001 – Symbolische Politikvermittlung in
den Medien“ auf der Tagung „Medien und Terrorismus“ am 15. 7. 2006 an der Johannes
Gutenberg-Universität Mainz. Vgl. ferner Hetzer, W.: Kriminalistik 2006, 428 ff., 430.
682
Vgl. etwa auch die bei Prittwitz, C.: StV 2006, 610 f. benannten Zeitungsartikel in
Bezug auf die Benutzung des Feindbegriffs gegenüber Dschihadisten u. a. bei Sofsky (SZ
v. 24. 8. 2006, S. 11). Darüber hinaus siehe Herzog, F.: KritV 2006, 343 ff.
683
Zur Diminuierung des Subjekts bzw. Verlust des Bürgerstatus des Drogenkonsumen-
ten im Betäubungsmittelstrafrecht Haffke, B.: ZStW 107 (1995), 761 ff., 785 ff.
684
Vgl. etwa die Darstellung der politischen Diskussion um den Kampf und die polizei-
liche Aufrüstung gegen das organised crime als „enemy within“ bei Volk, K.: The Principles
of Criminal Procedure, S. 1.
B. Überprüfung der deskriptiven Ebene 125

brechern wie etwa dem ehemaligen Präsidenten der Bundesrepublik Jugoslawiens,


Slobodan Milošević, werden erfahrungsgemäß Feindzuweisungen kommuniziert,
so dass Jakobs hinsichtlich der als dem Feindbegriff zugehörigen Tätergruppen in
der gegenwärtigen strafrechtlichen Verständigung im Großen und Ganzen Recht
zu geben ist. Denn auch wenn der Versuch im Hinblick auf eine allgemeine Defi-
nition des Feindes bei Jakobs wenig griffig ist und kaum eine klare Abgrenzung
ermöglicht 685, so sind jedenfalls die bei Jakobs dem Feindbegriff unterfallenden
Tätergruppen auch überwiegend vom Gesetzgeber sowie von der Gesellschaft
als besonders gefährlich angesehen, auch wenn die seitens Jakobs vorgegebene
Sortierung nicht in jedem Einzelfall überzeugen mag. Etwa wird die Tätergruppe
der Wirtschaftsdelinquenten in der gesellschaftlichen Wirklichkeit kaum oder
jedenfalls weniger einheitlich als die vorangegangen Beispiele dem Feindbegriff
unterfallen, sondern vielfach (noch) als „Weiße Kragen-Kriminalität“ verstanden
und ist daher als Kategorie des Feindstrafrechts abzulehnen. 686
Damit können die Darstellungen Jakobs im Hinblick auf die Tendenz zur
feindstrafrechtlichen Rechtsetzung in der aktuellen Strafrechtsentwicklung in
Hinsicht auf die von Jakobs beschriebenen Normmerkmale und die benannten
Tätergruppen auf deskriptiver Ebene grundsätzlich bejaht werden.

2. Überprüfung der deskriptiven


Adressatenkorrektheit feindstrafrechtlicher Regelungen

Allerdings müsste das Ziel der oben beschriebenen Rechtsetzung, die die von
Jakobs als feindstrafrechtlich bezeichneten Beschaffenheitsmerkmale aufweist,
gerade in der Verfolgung und Sicherung der als Feinde bezeichneten und kom-
munizierten Tätertypen liegen. Andernfalls bestünden Bedenken hinsichtlich der
deskriptiven Richtigkeit der Behauptung Jakobs, das deutsche Strafrecht sei von
Normen durchzogen, mit denen Feinde als Adressaten der entsprechenden Rege-
lungen bekämpft werden sollen.
Bei Normen wie etwa §§ 129, 129a und b StGB, dem verfassungswidrigen
Luftsicherheitsgesetz, der Sicherungsverwahrung nach §§ 66 ff. StGB, der Kon-
taktsperre nach §§ 33 ff. EGGVG ist unschwer zu erkennen, dass sie der Sicherung
und Abwehr von (kommunizierten) Feinden im Sinne Jakobs dienen. Terroristen,
Mitglieder krimineller Vereinigungen und etwa triebhafte Sexualstraftäter richten
sich nicht nach geltenden Gesetzen (bzw. sind nicht in der Lage, sich nicht danach
richten). Neben diesen offensichtlich an Feinde gerichteten Rechtsetzungsakten

685
Vgl. dazu bereits Kapitel 1 E.II.3. sowie unten Kapitel 3 C.I.2.
686
Beispielweise wird der sich in Zahlungsschwierigkeit befindlichen Arbeitgeber, der
durch Vorenthaltung der Arbeitnehmerbeiträge versucht, die Firma zu retten und sich
wegen § 266a StGB (Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt) strafbar macht, in
der gesellschaftlichen Vorstellung kaum unter den Feindbegriff subsumiert werden.
126 Kap. 2: Überprüfung der deskriptiven Ebene bei Jakobs

gibt es jedoch auch Normierungen feindstrafrechtlicher Prägung, die gar nicht


oder zumindest nicht nur den Feind betreffen und die nach den obigen Ausfüh-
rungen die deskriptive Richtigkeit des Feindstrafrechts in Zweifel ziehen könnten.
Beispielsweise wurde aufgezeigt, dass der Versicherungsmissbrauch gemäß § 265
StGB als Vorfeldkriminalisierung unter Berücksichtigung des Planungszusam-
menhangs feindstrafrechtliche Züge aufweist. 687 Erklärte Zielsetzung der Norm
war bekanntermaßen auch die Bekämpfung international organisierte Kfz-Ver-
schiebungen. 688 Nach der gesetzgeberischen Intention sollten also durchaus Täter
bestraft werden, die sich in ihrem Erwerbsleben dauerhaft und wesentlich vom
geltenden Recht abgewandt haben und mithin Feinde sind. Doch die Norm trifft
daneben natürlich auch jedwede Form des geplanten „normalen“ Versicherungs-
betruges weit im Vorfeld des unmittelbaren Ansetzens nach § 22 StGB. Danach
sind etwa auch die in universitären Strafrechtsklausuren beliebten Konstellationen
des „warmen Abrisses“ durch Dritte oder den Hauseigentümer selbst erfasst. Der
Knecht, der vom veramten Gutsherrn beauftragt wurde, den Gutshof in Brand zu
setzen, damit die Versicherungssumme ausgezahlt wird, ist wahrlich kein Feind
im Sinne der Formel Jakobs (wenn er nicht gerade seinen Lebensunterhalt mit sol-
cherlei Unternehmungen verdient). Ebenso wenig ist einem Urlauber, der bereits
eine Tathandlung im Sinne des § 265 StGB begeht, indem er etwa eine mangels
erwünschter Leistungsfähigkeit für ihn unbrauchbare Kamera verschenkt, um
später eine Diebstahlsanzeige aufzugeben und Erstattungsansprüche gegen die
Reisegepäcksversicherung geltend zu machen 689, ein generell rechtsfeindlicher
Wille zu unterstellen – insbesondere, wenn derselbe Urlauber anschließend von
seinem ursprünglich gefassten Beschluss Abstand nimmt und die Schadensmel-
dung unterlässt. 690 Auch §§ 152a (Fälschung von Zahlungskarten etc.), 263a Abs. 3
(Computerbetrug), 267 Abs. 1 Alt. 1 und 2 StGB (Urkundenfälschung) sind trotz
ihrer feindstrafrechtlichen Tendenz (Interna berücksichtigende Vorverlagerungen)
kaum geeignet, nur Feinde im Sinne Jakobs als Normadressaten zu erfassen.
Hamm führt die Untauglichkeit weiterer Vorverlagerungen, allein den Feind als
Adressaten zu betreffen, weiterhin anhand des unerlaubten Waffenbesitzes und
des Besitzes pornographischer Schriften vor Augen:
„Dass bereits der Besitz von Waffen oder Munition auch den mit Strafe bedroht, der eine
Pistole geerbt oder gefunden hat und sie geradezu angewidert, weil er Waffen hasst, auf
dem Kleiderschrank oder im Wandsafe im Schlafzimmer versteckte, damit die Kinder
sie nicht finden, ohne eine Waffenbesitzkarte zu beantragen, macht ihn mit Sicherheit
noch nicht zum ‚Individuum, das sich auf Dauer vom Recht abgewendet hat und dies
durch sein Verhalten demonstriert‘. [...] Der Besitz pornographischer Schriften und

687
Vgl. oben Kapitel 2 B.I.1.
688
BT-Drucks. 13/8587 S. 65.
689
Beispiel für die „beispielslose Pönalisierung von vergleichsweise harmlosen Vorbe-
reitungshandlungen“ entnommen bei Hörnle, T.: Jura 1998, 169 ff., 176.
690
Gleichwohl beinhaltet § 265 StGB keine Vorschrift über die tätige Reue.
B. Überprüfung der deskriptiven Ebene 127

Darstellungen mag in der Vorstellung unter Strafe gestellt worden sein, dass dies in
manchen Fällen der erste Schritt zur Begehung von Sexualdelikten ist. Aber bevor ein
solcher ‚Vorfeldtäter‘ die Anforderungen an den Jakobs’schen Feindbegriff erfüllt, muss
er schon mehr tun als sich selbst an Schmuddelbildchen zu verlustieren.“ 691

Die Strafnormen des Betäubungsmittelrechts bergen ähnliche Probleme bei


der Feindzuweisung. Zwar sind Hersteller von Drogen oder auch Drogenhändler
sicherlich unter den Feindbegriff nach Jakobs zu subsumieren. Problematisch ist
aber der Fall, in dem der Täter wegen seiner Drogensucht eine Straftat im Sinne
der §§ 29 ff. BtMG begeht, zum Beispiel sich Besitz verschafft (§ 29 Abs. 1 Nr. 3
BtMG). Inwiefern der süchtige Drogenkonsument Feind ist, und nicht etwa eine
kranke und heilbedürftige wie im Übrigen auch resozialisierungsfähige 692 Person,
ist dann gegebenenfalls eine Frage der Schuldfähigkeit, aber auf jeden Fall eine
Frage der Definitionsmacht. 693
Auch die populäre Bekämpfungsgesetzgebung als Merkmal feindstrafrechtli-
cher Gesetze ist nicht immer gegen Feinde gerichtet, wie sich anhand des „Geset-
zes zur Bekämpfung der Umweltkriminalität“ 694 und des „Zweiten Gesetzes zur
Bekämpfung der Umweltkriminalität“ 695 unschwer erkennen lässt. 696 Zum einen
wurde die Einführung der Umweltdelikte im Strafgesetzbuch damit begründet,
dass dadurch die Normen „verstärkt ins Bewußtsein der Bevölkerung“ treten soll-
ten. 697 Das heißt, Adressat der Bekämpfungsgesetzgebung ist gerade der Bürger, in
dessen Bewusstsein die Normen aufgenommen werden sollen, und nicht der Feind.
Zum anderen wird beispielsweise bei § 324 StGB jeder bestraft, der ein Gewässer
verschmutzt, und nicht ausschließlich der großindustrielle Dauerverschmutzer,

691
Hamm, R. in: Rode, I. u. a. (Hrsg.): Neue Lust aufs Strafen 2005, S. 105 ff., 117.
Vgl. auch weiteres Beispiel zu § 184b Abs. 4 S. 2 StGB (Vater zieht die beim 13-jährigen
Sohn gefundenen, pornographischen Schriften aus dem Verkehr, indem er sie zu dessen
Schutz im Safe wegschließt) bei Hamm, R. in: Institut für Kriminalwissenschaften und
Rechtsphilosophie Frankfurt a. M. (Hrsg.): Jenseits des rechtsstaatlichen Strafrechts 2007,
S. 521 ff., 530 f.
692
Wobei sich hier die spannende Frage stellt, ob eigentlich der Feind nach Jakobs
resozialisierungsfähig ist. Wie muss dann mit dem Feind in der Sicherungsverwahrung
verfahren werden, der sich spontan entschließt, nicht mehr Feind sein zu wollen? Oder
verbleibt es bei dem Grundsatz: Einmal Feind, immer Feind? Eindeutige Antworten sind
bei Jakobs nicht zu finden.
693
Zur generellen Frage der Definitionsmacht und damit zusammenhängend der – ent-
gegen der von Jakobs behaupteten Selbstexklusion – Exklusionswirkung von (Feind-)
Strafrecht vgl. unten Kapitel 3 C.I.1.a).
694
„Achtzehntes Strafrechtsänderungsgesetz – Gesetz zur Bekämpfung der Umweltkri-
minalität“ vom 28. 3. 1980 (BGBl. I, 373).
695
„Einunddreißigstes Strafrechtsänderungsgesetz – Zweites Gesetz zur Bekämpfung
der Umweltkriminalität vom 27. 6. 1994 (BGBl. I, S. 1440).
696
Vgl. etwa auch Ausführungen bei Saliger, F.: JZ 2006, 756 ff., 760.
697
BT-Drucks. 8/2382, S. 10.
128 Kap. 2: Überprüfung der deskriptiven Ebene bei Jakobs

der regelmäßig Schadstoffe ins Meer abführt oder ähnliches. Davon abgesehen, ist
es wiederum eine Frage der Definitionsmacht, ob der Großindustrielle, der für die
permanente Schadstoffentsorgung in die Umwelt verantwortlich ist, überhaupt als
Feind angesehen werden kann und wird. Vernachlässigt man jedoch die speziellen
Bekämpfungsgesetze und stellt auf das Bekämpfungsrecht per se ab, zielen die
entsprechenden Gesetze jedenfalls durchaus auf den Feind als Adressaten ab. Dies
ergibt sich bereits aus der Wortwahl des Gesetzgebers, denn nach dem allgemeinen
Sprachverständnis werden weniger Straftäter – jene sind zu verfolgen –, sondern
vielmehr Feinde „bekämpft“. 698
Vor allem strafprozessual versagt das Jakobssche Konzept vom Feindstraf-
recht jedenfalls dahingehend, tatsächlich auch nur an – wiederum im Sinne Ja-
kobs – „Feinde“ adressiert zu sein. Nach Jakobs zeichnen sich feindstrafrechtliche
Prozessregelungen durch physischen Zwang aus, der angewendet werden müsse,
da der Feind keine Folgenverantwortung übernimmt, sondern sich der Strafe zu
entziehen versucht. Daher stelle etwa die Untersuchungshaft, die den Betroffenen
durch die Inhaftierung zur Teilnahme am Prozess zwingt, grundsätzlich (also un-
abhängig davon, ob § 112 StPO Abs. 1 oder Abs. 3 oder § 112a StPO einschlägig
ist) ein feindstrafrechtliches Zwangsmittel dar. 699 Die Feststellung, dass von dieser
Maßnahme nicht nur Feinde betroffen sind, erübrigt sich beinahe. Natürlich sind
Feinde im Sinne Jakobs betroffen, zum Beispiel, wenn es in § 112 Abs. 3 StPO
heißt, dass Untersuchungshaft gegen den Beschuldigten einer Straftat nach §§ 129a
oder b StGB bereits ohne einen Haftgrund nach § 112 Abs. 2 StPO angeordnet
werden darf. Gleichfalls mag dem Haftgrund der Wiederholungsgefahr gemäß
§ 112a StGB aufgrund seines temporären Moments die Ausrichtung gegen dau-
erhaft vom Recht Abgewandte immanent sein. Das verhindert jedoch nicht, dass
daneben auch gegen Bürger im Sinne der Definition Jakobs die Untersuchungshaft
angeordnet werden kann, etwa gegen einen einmaligen Totschläger aus Affekt oh-
ne Familienanbindung, aber mit Fremdsprachenkenntnissen und Zweitwohnsitz
im Ausland. Auch das von Jakobs als feindstrafrechtlich bezeichnete Zwangs-
mittel der Blutprobenentnahme gemäß § 81a StPO 700, deren Hauptanwendung in

698
Vgl. auch Frankenberg, G.: KJ 2005, 370 ff., 382; Göppinger-Schneider: Krimino-
logie 2008, § 30 Rn. 9; Hettinger, M.: NJW 1996, 2263 ff., 2264; Krauß, D. in: Uwer, T.
(Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 79 ff., 82; Kühl, K.: NJW 1987, 737 ff., 737;
Prantl, H.: Der Terrorist als Gesetzgeber 2008, S. 143 f.; Scheffler, U.: Schwind-FS 2006,
S. 123 ff., 126; Schroeder, F.-C.: Jakobs-FS 2007, S. 627 ff., 631, insbesondere Fn. 24; a. A.
Kindhäuser, U.: F.-C. Schroeder-FS 2006, S. 81 ff., 95, wonach die Wortwahl der „Bekämp-
fung“ nicht speziellen Personen (Feinden), sondern vielmehr bestimmten Phänomenen
gelte. Schließlich sei die „Bekämpfungsgesetzgebung“ auf eine tradierte legislatorische
Terminologie zurückzuführen, die keineswegs strafrechtsspezifisch sei. Nach Schulz, L. in:
Institut für Kriminalwissenschaften und Rechtsphilosophie Frankfurt a. M. (Hrsg.): Jenseits
des rechtsstaatlichen Strafrechts 2007, S. 619 ff., 622 f. gilt die Bekämpfung sprachlich
„nur dem Gegner, noch nicht dem Feind“.
699
Jakobs, G.: HRRS 3/2004, S. 88 ff., 94.
B. Überprüfung der deskriptiven Ebene 129

der Bemessung des Blutalkoholgehalts liegt 701 und die etwa beim alkoholisierten
Führer eines Kraftfahrzeugs vorgenommen wird, richtet sich kaum gegen einen
generellen Feind der Rechtsordnung. Die Überwachung der Telekommunikation
nach § 100a StPO – nach Jakobs ebenfalls rein physischer Zwang gegen Feinde 702
– trifft gemäß dem Katalog in Abs. 2 zum Beispiel auch Verdächtige einer Tat nach
§§ 211, 212, 249 bis 251, 253, 255, 306 ff. StGB. Dass in diesen Verdachtsfällen
eine Person überwacht werden darf, die nicht zwangsläufig dauerhaft vom Recht
abgewandt ist, liegt auf der Hand.
Damit steht im Ergebnis fest, dass die Regelungen, die die von Jakobs als feind-
strafrechtlich bezeichneten Merkmale aufweisen, sich jedenfalls nicht in jedem
Fall an Feinde der Rechtsordnung richten, sondern partiell auch Eingriffsgrundla-
gen gegen Bürger und deren Freiheiten bieten.

3. Konsequenz: Deskriptive
Untauglichkeit des Feindstrafrechts?

Fraglich bleibt damit, ob die oben aufgezeigte Mangelhaftigkeit in Bezug auf


die Adressatenkorrektheit dazu führt, dass das Feindstrafrecht bereits auf deskrip-
tiver Ebene untauglich ist. Zu diesem Schluss gelangt Hamm in Bezug auf die
materiell-rechtlichen Vorverlagerungen: „Ich hoffe bisher gezeigt zu haben, dass
Jakobs Unrecht hat, wenn er die Vorverlagerung des materiellen Strafrechts als
Folge des Kriegszustandes mit den Feinden des Rechts bezeichnet.“ 703 Dabei über-
sieht Hamm aber zum einen, dass Jakobs nicht den generellen Trend zu Vorver-
lagerungen im materiellen Strafrecht als feindstrafrechtlich bezeichnet, sondern
nur Interna berücksichtigende Vorfeldkriminalisierungen. 704 Zum anderen hat Ja-
kobs in seinem dualistischen Strafrechtskonzept von Bürger- und Feindstrafrecht
bereits den grundsätzlichen Lösungsweg aus dem Dilemma der Adressateninkor-
rektheit aufgezeigt: Normen, die die von ihm dargestellten Kennzeichen eines
typischen Feindstrafrechts aufweisen, sich jedoch nicht primär an Feinde rich-
ten, sondern vielmehr regelmäßig auch den Bürger betreffen, sind „überflüssiges“
Feindstrafrecht wie etwa die Verbrechensverabredung nach § 30 StGB. 705 Auch
§ 267 Abs. 1, 1. und 2. Alt. StGB (Urkundenfälschung) und § 140 StGB (Beloh-

700
Jakobs, G.: HRRS 3/2004, S. 88 ff., 94.
701
Mitbedingt dadurch, dass den Beschuldigten keine Pflicht zur aktiven Mitwirkung
trifft (beispielsweise Blasen in einen Alkoholtest, Gehen auf gerader Linie etc.), vgl. da-
zu im Allgemeinen etwa Beulke, W.: Strafprozessrecht 2006, Rn. 241; a. A. Lesch, H.:
Strafprozessrecht 2001, S. 189 ff. (siehe hierzu auch schon Kapitel 1 C.I.4. und D.II.1.).
702
Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 94.
703
Hamm, R. in: Rode, I. u. a. (Hrsg.): Neue Lust aufs Strafen 2005, S. 105 ff., 120.
704
Vgl. bereits Fn. 214.
705
Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff, 94.
130 Kap. 2: Überprüfung der deskriptiven Ebene bei Jakobs

nung und Billigung von Straftaten) sind danach nicht legitimierbar, da sie an den
Bürger adressiert sind. Sie sind nach Jakobs „schlicht zu streichen“. 706 Insofern
erkennt und moniert Jakobs gerade, dass in etlichen Normen der Strafrechtsord-
nung der Bürger wie ein Feind behandelt wird. 707 Dies ändert jedoch nichts an der
deskriptiven Richtigkeit in Bezug auf die Tendenz des Gesetzgebers, die von Ja-
kobs als feindstrafrechtlich bezeichneten Merkmale als Gesetze ins Strafrecht ein-
zubringen, um damit eben „Feinde“, also im Jakobsschen Sinne gesellschaftliche
„Dauer-Fehlgänger“ zu bekämpfen. Die teilweise unbefriedigende Trefferquote,
nämlich dass Bürger ebenfalls betroffen werden, ist schließlich nicht zuletzt dar-
auf zurückzuführen, dass das deutsche Strafrecht kein idealtypisch ausgeprägtes
Feindstrafrecht ist, sondern eben nur eine Mischform. Es darf daher nicht verwun-
dern, dass die Adressaten Feind und Bürger in einigen Normbereichen gleichfalls
durchmischt werden. 708 Im Ergebnis kann daher auch die Argumentation, wie sie
etwa auch von Saliger vorgebracht wird 709, das Feindstrafrecht sei aufgrund der
fehlenden Feindspezifität etlicher Regelungen bereits auf deskriptiver Ebene ab-
zulehnen, nicht überzeugen.
Auffällig ist allerdings die dargelegte Treffunsicherheit der Adressaten im feind-
strafrechtlichen Prozessrecht. Entweder ist die Durchmischung der Adressaten im
prozessualen Feindstrafrecht besonders stark ausgeprägt, weil das deutsche Feind-
strafrecht eben nur eine tendenzielle, sehr partielle Annäherung an den Idealtypus
bildet. Allerdings ist nicht ersichtlich, warum sich die bloß tendenziell feind-
strafrechtliche Ausgestaltung gerade im Prozessrecht abweichend niederschlagen
sollte. Oder aber – und diese Vermutung liegt wesentlich näher – die Ausführun-
gen Jakobs zum feindstrafrechtlichen Prozessrecht sind generell wenig geeignet,
den Feind vom Bürger zu differenzieren und müssen daher konkretisiert werden.

a) Tauglichkeit des Kriteriums des physischen Zwangs


zur Adressatendifferenzierung im Prozessrecht

Bekanntermaßen benennt Jakobs vor allem den reinen physischen Zwang als
Kriterium für den feindstrafrechtlichen Charakter einer strafprozessualen Norm. 710

706
Jakobs, G.: ZStW 107 (1995), 843 ff., 858.
707
Freilich ergibt sich diese – nach Jakobs kaum zu legitimierende – Durchmischung
bürgerstrafrechtlich adressierter Normen feindstrafrechtlichen Inhalts vor allem gerade
aufgrund des bei Jakobs zur Grundlage erklärten Dualismus von Normeinübung und
Rechtsgüterschutz und damit der strikten Absonderung des Feindstrafrechts vom Bürger-
strafrecht [vgl. dazu unten Kapitel 3 B.III.2.a)].
708
Dies liegt vor allem aus dem Grund nahe, dass neben dem Feindstrafrecht auch der
Feindbegriff selbst einen idealtypischen Charakter aufweist [hierzu noch näher Kapitel 3
B.III.2.b)].
709
Saliger, F.: JZ 2006, 756 ff., 760 f.
710
Jakobs, G.: HRRS 3/2004, S. 88 ff., 94.
B. Überprüfung der deskriptiven Ebene 131

Dieses feindstrafrechtliche Merkmal des physischen Zwangs im Prozessrecht fol-


gert er aus der Überlegung, dass der Feind im Gegensatz zum Bürger keine Fol-
genverantwortung übernimmt, sondern sich der Strafe zu entziehen versucht. 711
Er müsse daher zur Teilnahme am Prozess gezwungen werden. Dagegen nehme
der Bürger aus Einsicht am Verfahren teil. Seine Anwesenheit müsse demgemäß
nicht erzwungen werden. 712 Diese Ausführungen mögen, theoretisch betrachtet, in
sich logisch und durchdacht erscheinen, aber in der Praxis verhält es sich nicht ent-
sprechend, dass nur der Feind flieht oder Beweise beiseite schafft. Bisweilen neigt
vielmehr auch der Bürger dazu – sei es aus Scham, aus Angst oder ähnlichem – den
Versuch zu unternehmen, sich der Strafverfolgung zu entziehen. Die Person, die
einmalig etwas verbrochen hat und nachfolgend versucht, die Tat zu vertuschen,
vielleicht sogar weitgehend rückgängig zu machen, weil sie sie inzwischen bereut
(zum Beispiel veruntreutes Geld wieder in die Kassenbestände überführen), der ist
kein dauerhaft vom Recht abgewandter Feind im Sinne Jakobs und dennoch möch-
te er nicht der Tat überführt werden. Es ist doch gerade menschlich nachvollziehbar,
wenn auch alles andere als tugendhaft, dass der grundsätzlich rechtstreue Bürger,
der weiß, dass er einen Fehler begangen hat, der Bestrafung entgehen möchte – be-
reits ein Kind verhält sich dementsprechend. Es erscheint daher wenig sinnvoll,
die Differenzierung von bürger- und feindstrafrechtlichen Prozessvorschriften an
die Neigung des Beschuldigten zu knüpfen, sich der Strafverfolgung zu entziehen.
Dieses Merkmal ist nicht feindspezifisch, was sich im Übrigen auch umgekehrt
daraus ergibt, dass zum Beispiel terroristische Attentäter, die den vorgenommenen
Anschlag überlebt haben, in etlichen Fällen bereitwillig Auskunft über die Tat
und deren Hintergründe gaben. Ramzi-Binalshib etwa, einer der Hauptplaner des
11. Septembers, ließ sich noch vor seiner Verhaftung öffentlich und ausgiebig
interviewen. 713 Terroristen sind unzweifelhaft Feinde nach der Definition Jakobs
und dennoch neigen sie als solche demzufolge nicht zwangsläufig dazu, die Tat
zu verdunkeln oder sich durch Flucht der Strafverfolgung zu entziehen. In ihren
Augen stellt die Straftat schließlich vielmehr eine Heldentat dar, derer man sich
nicht schämen muss, sondern deren Konsequenzen man sogar demonstrativ und
mit Stolz trägt. Das belegen zahlreiche Bekennerschreiben radikaler Gruppen
nach Terroranschlägen oder aktuell auch das Geständnis des Angeklagten im
amerikanischen Quaida-Prozess, Zacharias Moussaoui, er sei in die Anschläge
des 11. Septembers eingeplant gewesen und habe einen Jet ins weiße Haus steuern
sollen. Moussaoui gibt offen zu, er sei der Feind und er betrachte alle Amerikaner
als Feinde; Gott solle Bin Laden schützen. 714 Auch der Al Quaida-Chef Scheich
Mohammed brüstete sich damit, dass er für die Anschläge vom 11. September
„von A bis Z“ verantwortlich gewesen sei. Er übernehme ferner die Verantwortung

711
Jakobs, G.: HRRS 3/2004, S. 88 ff., 94.
712
Jakobs, G.: HRRS 3/2004, S. 88 ff., 93.
713
Vgl. Reuter, C.: Stern Nr. 31 v. 28. 7. 2005, S. 22 ff., 25 mit weiteren Beispielen.
714
Vgl. Meldung in SPIEGEL ONLINE v. 28. 3. 2006.
132 Kap. 2: Überprüfung der deskriptiven Ebene bei Jakobs

für Bali und den Versuch, schon 1993 die Türme des World Trade Centers zum
Einsturz zu bringen. Auch seine Mitwirkung bei der Planung der Angriffe auf den
Panamakanal, den Londoner Big Ben, die Börse in New York, die Nato in Brüssel
sowie der Mordanschläge gegen Henry Kissinger und die US-Präsidenten Clinton
und Carter wie auch auf Papst Johannes Paul II. gestand Scheich Mohammed
freimütig, wenn nicht gar prahlerisch. 715 Gerade bei Terroristen – die nach Ja-
kobs unzweifelhaft Feinde sind – kann daher nicht davon gesprochen werden, der
Feind versuche, seiner Folgenverantwortung zu entfliehen. Damit versagt bereits
die Herleitung des feindstrafrechtlichen prozessualen Zwangs als entscheidendes
Differenzierungskriterium zu bürgerstrafrechtlichen Prozessmaßnahmen.
Das heißt natürlich nicht, dass gar kein physischer Zwang im feindstrafrechtli-
chen Prozessrecht enthalten ist. Feindstrafrecht ist physischer Zwang 716 gegen den
Feind zur Sicherung der Allgemeinheit. Es liegt daher auch nahe, dass prozessua-
le Maßnahmen des Feindstrafrechts gleichfalls eine physische Zwangswirkung
aufweisen. Schließlich kann eine effektive und frühzeitige Sicherung des Feindes
nur erfolgen, wenn das Prozessrecht weitreichende Handlungsfreiheiten und da-
mit einhergehend Zwangsmaßnahmen zur Überführung des Feindes erlaubt. Aber
diese Zwangswirkung kann eben nicht das entscheidende Merkmal zur Abgren-
zung zwischen bürger- und feindstrafrechtlichen Prozessvorschriften darstellen.
Vielmehr ist hier eine Parallele zu Jakobs Ausführungen zur Zwangswirkung der
Strafe selbst zu ziehen. Die Zwangswirkung der Strafe kommt nicht nur im Feind-
strafrecht vor, sondern ist natürlich auch im Bürgerstrafrecht mit der Wegnahme
von Interaktionsmitteln 717 verbunden. Übertragen bedeutet das: Nicht allein im
Feindstrafprozessrecht darf physischer Zwang angewendet werden, sondern im
Bürgerstrafrecht geht gleichfalls eine Zwangswirkung mit strafprozessualen Maß-
nahmen einher – auch wenn die Zwangswirkung hier nicht im Vordergrund steht,
sondern in erster Linie der Tataufklärung dient (während sie im Feindstrafrecht
auch Sicherungscharakter aufweist). Beispielhaft soll dies am vereinfachten Ver-
fahren des Strafbefehls (§§ 407 ff. StPO) veranschaulicht werden: Der Strafbefehl
richtet sich gegen Beschuldigte eines Vergehens (§ 407 Abs. 1 StPO) und ergeht in
einfach gelagerten Fällen, in denen ohne Hauptverhandlung nach der Aktenlage
entschieden werden kann, insbesondere bei Verkehrsstraftaten. 718 Trotz Durch-
brechung des Grundsatzes des richterlichen Gehörs stellt der Strafbefehl unzwei-
felhaft eine bürgerstrafrechtliche Maßnahme dar: Zunächst ermöglichen lediglich
solche Straftaten den Erlass, die wohl unstreitig dem Spektrum bürgerstrafrecht-
licher Delinquenz zufallen. Adressat des Strafbefehls ist insofern ein Bürger im

715
Der Spiegel Nr. 12 v. 19. 3. 2007, S. 124 ff., 125.
716
Vgl. Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtau-
sendwende 2000, S. 47 ff., 55; ders.: HRRS 3/2004, 88 ff., 89.
717
Vgl. oben Kapitel 1 A.I.2.c)bb).
718
Vgl. etwa Engländer, A.: Strafprozessrecht 2006, Rn. 288.
B. Überprüfung der deskriptiven Ebene 133

Sinne Jakobs. Ferner kann der Bürger ohne die Durchführung einer – gegebe-
nenfalls stigmatisierenden – Hauptverhandlung zu seiner Folgenverantwortung
stehen, indem er den Strafbefehl akzeptiert. Die Übernahme der Folgenverant-
wortung wäre nach Jakobs schließlich geradezu prägnant für den Bürgerstatus.
Gegen den Strafbefehl kann der Bürger Einspruch einlegen. Unterlässt er dies,
wird der Strafbefehl rechtskräftig (§ 410 Abs. 3 StPO). Das bedeutet jedoch, dass
dem Bürger in diesem Fall eine Pflicht zur Antwort auferlegt wird und seinem
Schweigen den durch den Strafbefehl bis dato lediglich geäußerten Verdacht (!)
bekräftigt. Insofern wohnt dem Strafbefehlsverfahren, obwohl es grundsätzlich
eine beschleunigende und vereinfachende Regelung darstellt, eine Zwangswir-
kung inne, ohne dass diese den vornehmlichen Zweck der §§ 407 ff. StPO bildet.
Zwang gibt es demzufolge (sinnvoller Weise) auch im prozessualen Bürgerstraf-
recht. Für sich alleine genommen kann die physische Zwangswirkung daher kein
maßgebliches Abgrenzungskriterium für feindstrafrechtliche Prozesshandlungen
bieten. Vielmehr sind Jakobs Ausführungen zu konkretisieren.

b) Erforderliche Konkretisierung des prozessualen


Feindstrafrechts im Theorienmodell von Jakobs

Es ist ganz sicher nicht Aufgabe der vorliegenden Arbeit, eine wie auch immer
geartete Konkretisierung des Feindstrafprozessrechts vorzustellen. Diese Aufgabe
obliegt Jakobs als dem Begründer des Feindstrafrechts selbst. Allerdings bietet das
Jakobssche Strafrechtskonstrukt einige Anhaltspunkte, anhand derer das Feind-
strafrecht in der Lesart Jakobs in prozessualer Hinsicht dahingehend modifiziert
werden könnte, dass eine gesteigerte Adressatenkorrektheit erreicht wird. Dies ist
vor allem aus dem Grund von Interesse, um aufzuzeigen, dass nicht alle von Ja-
kobs genannten, strafprozessualen Regelungen, die physischen Zwang vermitteln,
deskriptiv eine – nach Jakobs – feindstrafrechtliche Maßnahme darstellen.
Bei der Frage, nach welchen Merkmalen sich feindstrafrechtliches Prozessrecht
im Sinne Jakobs konkret bemessen müsste, ist insbesondere den materiellen
Abweichungen des Feindstrafrechts vom Bürgerstrafrecht, wie sie nach Jakobs
bestehen, Rechnung zu tragen. Denn die materiellen Regelungen bestimmen
insofern den Inhalt des Strafanspruchs, der durch das Prozessrecht nachgewiesen
und durchgesetzt werden soll. Das feindstrafrechtliche Prozessrecht müsste daher
in der Konzeption von Jakobs geeignet sein, die materiellen Besonderheiten
eines „Feindstrafrechts“ hinreichend zu berücksichtigen, um den nach Jakobs
rechtsabgewandten „Feind“ überführen zu können. Dies gilt umso mehr, da gerade
im „Feindstrafrecht“ die Effektivität der Strafrechtspflege von Jakobs immer
wieder als oberstes Gebot hervorgehoben wird.
Wie bereits erläutert 719, lässt sich materielles Feindstrafrecht nach Jakobs vor
allem bei Vorfeldkriminalisierungen nachvollziehen, die den Internbereich des
Täters für die Strafbarkeit berücksichtigen. Daraus ergäbe sich für das feindstraf-
134 Kap. 2: Überprüfung der deskriptiven Ebene bei Jakobs

rechtliche Prozessrecht in der Lesart Jakobs zunächst zweierlei. Einerseits beträfen


prozessuale Maßnahmen im Feindstrafrecht auch den Internbereich des Täters,
da dieser auf andere Art und Weise kaum Erfolg versprechend erforscht werden
kann. Andererseits folgt aus der Eigenart der von Jakobs als feindstrafrechtlich be-
schriebenen Vorbereitungsstraftaten, dass der Anfangsverdacht zu einem früheren
Zeitpunkt einsetzt und damit die Möglichkeit, Ermittlungsmaßnahmen anzuord-
nen, entsprechend vorgelagert werden müsste. Darüber hinaus soll der „Feind“
nach Jakobs auf materieller Ebene präventiv bekämpft werden, also auch schon
für ein zukünftiges Verhalten zur Verantwortung gezogen werden können. Dar-
aus lässt sich in Bezug auf die prozessuale Ebene im Rahmen des Jakobsschen
Feindstrafrechts schließen, dass Ermittlungsmaßnahmen nicht nur repressiv zur
Verfolgung einer bereits begangenen Tat, sondern auch präventiv zur „Verfolgung“
beziehungsweise Vermeidung einer zukünftigen Tat angeordnet werden dürften.
Des Weiteren ist der „Feind“ nach Jakobs keine Person; demzufolge müsse er
auch im Prozessrecht nicht wie eine solche behandelt werden. Vielmehr sei seine
generelle Gefährlichkeit zu unterstellen, so dass Verfahrensgarantien zugunsten
des Bürgers für ihn nicht oder zumindest nur eingeschränkt gelten. 720 Insbesondere
müsse danach der Staat den „Feind“ im Gegensatz zum „Bürger“ nicht darüber
aufklären, dass er Gegenstand von Strafbarkeitsermittlungen ist. Denn der „Feind“
ist nach Jakobs – unabhängig vom jeweiligen Verfahrensstadium – kein gleichbe-
rechtigter Beteiligter, dem der Staat offen gegenüber treten muss. Daher dürfen
nach Jakobs (nur) im Feindstrafrecht prozessuale Maßnahmen ohne Wissen des
Betroffenen ergriffen werden.
Die prozessuale Ausgestaltung des Feindstrafrechts wäre also in konsequenter
Anwendung des Jakobsschen Strafrechtsmodells vor allem durch eine frühzeitig
einsetzende beziehungsweise vorgelagerte Ermittlungstätigkeit gekennzeichnet,
die sich auch auf den normativen Internbereich erstrecken und zudem zur prä-
ventiven Verhütung von Straftaten angeordnet werden dürfte. Überdies ist unter
Bezugnahme auf Jakobs der Abbau von Prozessgarantien im Feindstrafrecht be-
zeichnend, insbesondere auch die weitgehende Rechtslosstellung des Feindes als
„Unperson“, die sich etwa aufgrund heimlicher Ermittlungstätigkeit nicht gegen
Maßnahmen wehren kann, der der Staat nicht offen gegenüber tritt und die quasi
wie Nichtbeteiligter am Verfahren behandelt wird.
Daraus ergibt sich für die von Jakobs benannten Beispiele prozessualen Feind-
strafrechts Folgendes: In Bezug auf die heimliche Überwachung des Beschuldig-
ten (etwa §§ 100a und c, 110a StPO) wie auch die Kontaktsperre nach §§ 31 ff.
EGGVG ist Jakobs recht zu geben. Diese Vorschriften behandeln den Betroffe-

719
Vgl. etwa Kapitel 1 C.II.1.
720
Diese Konkretisierung umschreibt Jakobs selbst als den „Abbau von Verfahrensga-
rantien“ im Feindstrafrecht (Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft
vor der Jahrtausendwende 2000, S. 47 ff., 52).
B. Überprüfung der deskriptiven Ebene 135

nen kaum als am Strafverfahren beteiligte Person: Er wird vom Staat nicht in
Kenntnis gesetzt, dass er Beschuldigter ist; sein „bürgerliche“ Recht auf einen
Verteidiger wird durch das Verbot der Kontaktaufnahme in seinem Kernbereich
eingeschränkt. Die aufgeführten Maßnahmen werden regelmäßig gegen Feinde im
Sinne Jakobs angeordnet (gegen Terroristen, Beteiligte an Betäubungsmittel- und
Organisierter Kriminalität). Dagegen ergibt sich hinsichtlich der Ausführungen
Jakobs zur Untersuchungshaft ein differenziertes Bild. Die Untersuchungshaft
nach § 112 Abs. 1 StPO ist mit Blick auf die Haftgründe nach Abs. 2 entgegen der
Auffassung Jakobs nicht „feindstrafrechtlich“. Zwar stellt sie einen physischen
Zwang dar. Dieser allein genügt jedoch nach den obigen Ausführungen nicht
zur Kennzeichnung des Feindstrafrechts im Jakobsschen Sinne. Vielmehr berück-
sichtigen die herkömmlichen Haftgründe der Flucht (Abs. 2 Nr. 1), Fluchtgefahr
(Abs. 2 Nr. 2) oder Verdunklungsgefahr (Abs. 2 Nr. 3), dass der beschuldigte Bür-
ger sich nicht in jedem Fall der Folgenverantwortung stellt oder dass er sich als
Unschuldiger durch etwaiges Positionieren günstiger Indizien oder ähnlichem eine
bessere Ausgangslage verschaffen möchte. Die Anordnung der Untersuchungshaft
setzt dabei einen dringenden Tatverdacht voraus, sie ist repressiv ausgerichtet und
dient der Verfahrens- und Beweissicherung. Sie hat nicht den Zweck einer vor-
weggenommenen Strafe und dient nicht der Sicherung der Allgemeinheit vor dem
Täter. Abweichend fällt dahingegen die Zwecksetzung der Untersuchungshaft nach
§ 112a StPO aus. Der Haftgrund der Wiederholungsgefahr birgt ein präventives
Moment und weist damit den – wie von Jakobs behaupteten – feindstrafrechtli-
chen Charakter auf. § 112a StPO trifft dementsprechend auch regelmäßig oder
jedenfalls eher Feinde in der Definition Jakobs (vgl. auch den enthaltenen Straf-
tatenkatalog in Abs. 1 Nr. 1 und 2) als dies bei § 112 Abs. 1 und 2 StPO der Fall
ist. § 112 Abs. 3 StPO ist gleichfalls – unter Zugrundelegung der Jakobsschen
Begrifflichkeiten – feindstrafrechtlicher Prägung, da es danach keines Haftgrun-
des nach Abs. 2 für die Anordnung der Untersuchungshaft bedarf. Der Betroffene
wird vorsorglich in Gewahrsam genommen. Dabei stellt sich § 112 Abs. 3 StPO al-
lerdings als durchmischtes Prozessrecht gegen „Bürger“ und „Feind“ dar, da nicht
zwangsläufig allen Straftaten, die das Vorliegen eines Haftgrundes nach Abs. 2 als
Voraussetzung entfallen lassen, ein feindstrafrechtlicher Charakter inne wohnt. 721
Insofern weist die benannte Regelung teilweise „überflüssiges Feindstrafrecht“
auf. 722 Die Blutprobenentnahme gemäß § 81a StPO ist wiederum entgegen der An-
sicht Jakobs kein feindstrafprozessuales Zwangsmittel, sondern wird zum Zwecke
der Beweissicherung gegen den Bürger angeordnet, der sich konkret verdächtig
gemacht hat. Sie ist nicht auf präventive Strafverfolgung ausgerichtet, sie ergeht
offen gegenüber dem Beschuldigten, sie muss von einem Arzt vorgenommen

721
Anordnungen im Falle der §§ 129a und b StGB treffen sicherlich Feinde, wohingegen
es sich bei §§ 211, 212, 226, 306b und c StGB nicht unbedingt dergestalt verhält, dass der
Betroffene sich (vermutlich) dauerhaft vom Recht abgewendet hat.
722
Vgl. dazu oben Kapitel 2 B.V.3.
136 Kap. 2: Überprüfung der deskriptiven Ebene bei Jakobs

werden und darf nicht ausgeführt werden, wenn ein gesundheitlicher Nachteil
zu befürchten ist. Eine „feindstrafrechtliche“ Ausrichtung ist demzufolge nicht
zu erkennen. Insofern wird jedenfalls deutlich, dass Jakobs selbst auf deskrip-
tiver Ebene das „Feindstrafrecht“ konkretisieren muss, um den Adressaten der
Maßnahme, in seiner Terminologie „Bürger“ und „Feinde“, gerecht zu werden.

VI. Ergebnis der Überprüfung der deskriptiven Ebene

Insgesamt ergibt sich für die deskriptive Überprüfung des Feindstrafrechts auf
Rechtssetzungsebene, dass Jakobs grundsätzlich zuzustimmen ist. 723 Es wurde dar-
gelegt, dass die von Jakobs als feindstrafrechtlich umschriebenen Merkmale (ma-
terielle Vorverlagerungen im Internbereich, zur Vorverlagerung unproportionale
Strafrahmen, Bekämpfungsgesetzgebung und Einschränkung von Verfahrensga-
rantien) in der Gesetzgebung zunehmend berücksichtigt und eingebracht worden
sind. Zweck solcher Regelungen ist tendenziell die Bekämpfung von als dauerhaft
vom Recht abgewandt geltenden Personen, nämlich in der Regel gesellschaftlich
kommunizierten Feinden wie etwa Sexualstraftäter, Terroristen und Beteiligte der
Betäubungsmittel- und Organisierten Kriminalität. Teilweise findet sich jedoch
auch – nach der Grundkonzeption Jakobs – überflüssiges Feindstrafrecht in den
strafrechtlichen Regelungen de lege lata, das zwar präventiven Rechtsgüterschutz
anstrebt, aber wenig geeignet ist, den Feind als Adressaten herauszufiltern. Dieses
ist nach Jakobs nicht in einem gesonderten Strafrecht unterzubringen, sondern
grundsätzlich aus dem Gesetz zu streichen. Insofern ist das von Jakobs skizzierte
Feindstrafrecht auf deskriptiver Ebene durchaus tauglich, eine Tendenz in der
gegenwärtigen Rechtsetzung zu beschreiben. Ob darüber hinaus das Jakobssche
Strafrechtsmodell hinsichtlich der straftheoretischen Grundlagen ohne Weiteres
auf das praktizierte Strafrecht übertragen werden kann oder ob sich daraus wei-
tere Einschränkungen in Bezug auf als Feindstrafrecht verstandene Strafnormen
ergeben, soll an dieser Stelle noch offen bleiben. 724
Abstriche hinsichtlich der deskriptiven Korrektheit der These vom Feindstraf-
recht sind jedoch im Rahmen der von Jakobs als feindstrafrechtlich benannten

723
So im Ergebnis auch Hörnle, T.: GA 2006, 80 ff., 89; Krauß, D. in: Uwer, T. (Hrsg.):
Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 79 ff., 81; Neumann, U. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte
bewahren Sie Ruhe 2006, S. 299 ff., 301; Schneider, H. / Morguet, G. in: Uwer, T. (Hrsg.):
Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 335 ff., 351; Sieber, U.: ZStW 2007, 1 ff., 27 ff., 31; Sinn,
A.: ZIS 2006, 107 ff., 108 f., 117. Vgl. auch Sack, F.: vorgänge 178/2007, 5 ff., 9 in Bezug auf
die gesetzgeberische Bekämpfungsrhetorik. Zur deskriptiven Ebene des Feindstrafrechts im
EU-Strafrecht siehe ferner Kühne, H.-H.: Schwind-FS 2006, S. 103 ff., 127 ff. Vgl. zudem
die deskriptive Auflistung feindstrafrechtlicher Tendenzen auf internationaler Ebene bei
Muñoz Conde, F.: Über das „Feindstrafrecht“ 2007, S. 22 ff., 33; vgl. ferner ders.: JoJZG
1/2008, 12 ff., 14.
724
Siehe hierzu aber unten Kapitel 3 C.III.
C. Übereinstimmungen des Feindstrafrechts 137

strafprozessualen Regelungen zu machen, da sich der physische Zwang im Pro-


zessrecht unmöglich nur gegen den Feind, sondern auch gegen den Bürger richtet.
Damit ist das Merkmal des physischen Zwangs allein als hinreichendes Abgren-
zungskriterium von Bürger- und Feindstrafrecht wenig dienlich; vielmehr ist es
erforderlich, das strafprozessuale Feindstrafrecht zu konkretisieren, indem zum
Beispiel auf präventive Verbrechensverhütung, vorgelagerte Ermittlungstätigkeit
in den Internbereich und die fehlende Beteiligung des Betroffenen als Person
am Prozess abgestellt wird. Bei Konkretisierung der prozessualen Ausführungen
hat sich das Konzept des Feindstrafrechts damit als im Ergebnis grundsätzlich
taugliche Deskription der Tendenzen in der Rechtsetzung erwiesen.

C. Übereinstimmungen des Feindstrafrechts mit der


Entwicklung in Kriminalpolitik und Rechtsprechung

Nachdem die deskriptive Ebene des Feindstrafrechts hinsichtlich der Rechtsset-


zung bestätigt wurde, stellt sich die Frage, ob und inwiefern sich Jakobs Beschrei-
bung des Feindstrafrechts als Entwicklungstendenz des deutschen Strafrechts auch
auf die Entwicklung in Kriminalpolitik und Rechtsprechung übertragen lässt.

I. Feindstrafrechtliche Tendenzen in der Kriminalpolitik

Dass die Kriminalpolitik den Trend zu einem tendenziellen Feindstrafrecht


unterstützt beziehungsweise mitbestimmt, ergibt sich bereits daraus, dass den vor-
hergehend angeführten Gesetzen feindstrafrechtlichen Inhalts 725 allesamt zunächst
ein jeweiliger Gesetzesentwurf zugrunde lag, der beim Bundestag von einem nach
Art. 76 Abs. 1 GG Initiativberechtigten eingebracht wurde. Die Strafgesetzgebung
ist danach stets ein Produkt der aktuellen Kriminalpolitik, wie sie von verschie-
denen Parteien, Ministerien und Bundesorganen betrieben wird. Daraus folgt,
dass die herrschende Kriminalpolitik den Trend zum Feindstrafrecht befürwor-
tet, da andernfalls die Gesetzesentwürfe für die spätere als feindstrafrechtlich
benannte Regelungsmaterie kaum eingebracht und beschlossen worden wären.
Doch auch darüber hinaus kursieren politische Vorschläge und Forderungen, de-
ren Befolgung die gegenwärtigen feindstrafrechtlichen Regelungen erweitern und
ausbauen, wenn nicht gar übertreffen würden. Letzteres ist beispielsweise der
Forderung Ronald Schills, ehemaliger Richter und Gründer der Hamburger Schill-
Partei, zu entnehmen, nicht therapierbare Sexualstraftäter vor ihrer Freilassung
zu kastrieren. 726 Eine derartige präventive Zwangsmaßnahme gegen gefährliche

725
Vgl. oben Kapitel 2 B.
726
Schill im Interview mit dem Focus v. 3. 9. 2001, S. 69.
138 Kap. 2: Überprüfung der deskriptiven Ebene bei Jakobs

Verbrecher dürfte an die idealtypische Ausformung des Feindstrafrechts nach


Jakobs heranreichen. Überdies wurden und werden weitere politische Forderun-
gen erhoben, die Feinde nach der Definition Jakobs bekämpfen sollen. Sinniert
wird insofern etwa über den Verzicht auf die Hinzuziehung eines Verteidigers
(in England bereits der Fall 727), über die Erweiterung des Einsatzes verdeck-
ter Ermittlungsmethoden und der Speicherung von Telefon- und Internetdaten,
über DNA-Fingerprinting (bereits bei Ladendieben!) sowie die Verwendung bio-
metrischer Daten im Personalausweis 728, über die generelle Videoüberwachung
öffentlicher Plätze und in Bahnhöfen 729, über die Zulässigkeit von Folter oder de-
ren Androhung jedenfalls zur Gefahrenabwehr 730 sowie über das präventive 731 und
dauerhafte Wegsperren von Feinden zugunsten der „Wehrhaftigkeit“ des Staates.
Anhand dieser beziehungsweise vergleichbarer politischer Empfehlungen sollen
nachfolgend feindstrafrechtliche Entwicklungstendenzen in der Kriminalpolitik
aufgezeigt werden, wobei auch öffentlich ausgetragene Debatten als Spiegel des
gesellschaftlichen und politischen Klimas berücksichtigt werden.

1. Präventivhaft, Filterprogramme gegen


Bombenbauanleitungen und weitere
Vorschläge zur Bekämpfung des Terrorismus

Aufsehen erregten zunächst die Äußerungen des ehemaligen deutschen Innen-


ministers Otto Schily (SPD), der einem Spiegel-Interview den Terroristen im
Rahmen der Verhandlungen gegen den mutmaßlich an den Anschlägen in New
York beteiligten Attentäter Mzoudi antwortete: „Wenn ihr den Tod so liebt, dann
könnt ihr ihn haben.“ 732 Zwar plädierte Schily nicht explizit für die grundsätzliche
Liquidierung 733 oder aber die Institutionalisierung eines zweiten Guantánamo

727
Zwar haben verhaftete oder festgehaltene Personen in England grundsätzlich das
Recht, kostenlosen Rechtsbeistand zu konsultieren (vgl. section 58 (1) PACE in Verbindung
mit dem Code of Practice C). Ausnahmsweise ist jedoch die sofortige Vernehmung und
damit das Hinausschieben der Verteidigerkonsultation zulässig, wenn zum Beispiel ein
mindestens im Rang eines superintendent stehender Polizeibeamter der Ansicht ist, dass
die Verzögerung der Vernehmung zu einem Beweisverlust führen könnte (vgl. dazu para
6.6 (b)(i) Code C in der seit dem 31. 12. 2005 gültigen Fassung und auch para 11.1 (a).
Allerdings darf der Beschuldigte von seinem Schweigerecht Gebrauch machen, ohne dass
daraus negative Schlüsse gezogen werden könnten.), vgl. Schuster, F. P.: Verwertbarkeit im
Ausland gewonnener Beweise 2006, S. 152 f. sowie in dieser Arbeit unten Kapitel 2 D.II.
728
Vgl. Kapitel 2 C.I.2.
729
Vgl. etwa die Forderungen von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) und
CDU-Sicherheitsexperte Clemens Binninger nach den misslungenen Bombenanschlägen
vom 31. 7. 2006 auf zwei Regionalzüge, wiedergegeben in: Der Spiegel Nr. 34 v. 21. 8. 2006,
S. 36 f.; vgl. auch Der Spiegel Nr. 28 v. 9. 7. 2007, S. 18 ff., 23.
730
Siehe dazu Kapitel 2 C.I.3.
731
Zur Präventivhaft gegen Terroristen vgl. etwa Schily in: Der Spiegel Nr. 18
v. 26. 4. 2004, S. 44 ff. sowie in dieser Arbeit unten Kapitel 2 C.I.1.
C. Übereinstimmungen des Feindstrafrechts 139

für Attentäter, dennoch näherten sich einige Ausführungen an ein tendenzielles


Feindstrafrecht im Sinne Jakobs. Schily forderte die Verkürzung von Rechten
und vorzeitiges Eingreifen gegenüber Terrorverdächtigen. Er sprach in diesem
Zusammenhang über die Einrichtung einer „Art Sicherheitshaft, die den Inhaftier-
ten bestimmte Rechte zubilligt, wie etwa anwaltlichen Beistand und gerichtliche
Überprüfung“. 734 In Zeiten des Terrorismus sei es als letztes Mittel zur Gefah-
renabwehr erforderlich, dass eine vorübergehende Freiheitsbeschränkung – auch
ohne konkreten Tatverdacht – rechtlich zulässig sei. 735 Danach würde der poten-
tielle (Atten-)Täter noch vor der eigentlichen Rechtsgutsverletzung überwacht
und schließlich verhaftet. Die bloße Persönlichkeit des Verdächtigen, insbeson-
dere seine Herkunft und Religion, böte folglich Veranlassung, ihn kategorisch
als gefährlich einzustufen und ihn damit als Feind zu behandeln. Er dürfte im
Vorfeld einer möglichen Rechtsgutsverletzung zur präventiven Abwehr mit prozes-
sualen Maßnahmen und ohne Vorliegen eines konkreten Tatverdachts konfrontiert
werden, so dass sich die vorgeschlagene Präventivhaft sowie die vorangegange-
ne Überwachung als feindstrafrechtliche Regelung darstellen. Grundsätzlichen
Zuspruch fanden Schilys Ausführungen zur Sicherungshaft im Übrigen bei dem
bayerischen Innenminister Günther Beckstein (CSU), der den Kampf gegen den
Terrorismus mit den Kategorien des finalen Rettungsschusses verglich. 736
Zur wirksamen Bekämpfung und Verhinderung terroristischer Anschläge schlug
Beckstein zudem vor, Filterprogramme gegen Bombenbauanleitungen im Internet
entwickeln lassen. 737 Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) ergänzt die

732
Bundesinnenminister Schily in einem Interview mit dem SPIEGEL, wiedergegeben
in: Der Spiegel Nr. 18 v. 26. 4. 2004, S. 44 ff.; vgl. auch FAZ Nr. 201 v. 30. 8. 2005, S. 4; Die
Zeit Nr. 20 v. 6. 5. 2004, S. 1.
733
Politische Attentate wie etwa die Liquidierung mutmaßlicher Al Quaida-Repräsen-
tanten entsprächen nicht unserem Rechtsverständnis. Bei der Bekämpfung des Terrorismus
verschwömmen jedoch die Grenzen zwischen Straf-, Polizei- und Kriegsrecht. Im Krieg
wiederum nehme man sich das Recht, zu töten. Dies führe jedenfalls zu der Frage nach
einem Notwehrrecht gegenüber Terroristen, die Massenmorde planen. Auch die geziel-
te Tötung eines Attentäters im äußersten Fall könne unter Umständen als Notwehr zu
rechtfertigen sein (Schily in: Der Spiegel Nr. 18 v. 26. 4. 2004, S. 44 ff., 47).
734
Schily in: Der Spiegel Nr. 18 v. 26. 4. 2004, S. 44 ff. Hierzu und zu vergleichbaren
Forderungen vgl. auch Darstellung bei Denkowski, C. v.: Kriminalistik 2006, 11 ff. Zur
Unvereinbarkeit einer Präventivhaft gegen „Gefährder“ mit der EMRK vgl. Walther, S. C.:
ZIS 2007, 464 ff., 470 ff.
735
Schily wiedergegeben in SPIEGEL ONLINE v. 03. 8. 2005.
736
So Beckstein im ZDF Nachtduell vom 03.08.05 im Diskurs mit dem Fraktionsvize
der Grünen Hans Christian Ströbele.
737
Beckstein wiedergegeben in SPIEGEL ONLINE v. 16. 9. 2005. Zum Problemfeld
des Cyberterrorismus lesenswert: Hoffman, B. / Weimann, G.: Terror on the Internet 2006.
Danach hat sich das Internet zum globalen Konfliktfeld entwickelt und dient modernen
terroristischen Organisationen zur Propaganda, Rekrutierung von Anhängern und Planung
von Terroranschlägen. Auf terroristischen Websites werden Unterlagen und Videobänder
140 Kap. 2: Überprüfung der deskriptiven Ebene bei Jakobs

Empfehlungen der Politik zur effektiven Terrorismusabwehr, indem er die Teil-


nahme an Ausbildungslagern in Afghanistan und Co. sowie die Sammlung von
Geldern für terroristische Anschläge unter Strafe stellen möchte. 738 Dazu sollen
die §§ 129 ff. StGB erweitert werden, wobei dann auch die Strafbarkeit von Ein-
zeltätern – nicht wie bisher nur von Gruppen ab drei Personen – vorgesehen ist. 739
Gleichsam wollen die Koalitions-Parteien CDU, CSU und SPD die Erforderlich-
keit von Änderungen des Strafrechts im Hinblick auf die Sympathiewerbung für
terroristische Vereinigungen oder Aktivitäten prüfen. 740 Den aktuellen Vorschlä-
gen entsprechend wurde nun jüngst von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries
ein neuer § 89a StGB zur Ergänzung des Staatsschutzrechtes vorgestellt. Danach
soll die Vorbereitung der in § 129a Abs. 1 StGB genannten Straftaten, die bestimmt
und geeignet sind, den Bestand oder die Sicherheit eines Staates zu beeinträchtigen
oder die Verfassungsgrundsätze der Bundesrepublik Deutschland zu untergraben,
mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft werden. Die
Regelung soll abschließend die nach bisherigem Recht problematischen Fälle, also
insbesondere Einzeltäter, die terroristische Ausbildung beziehungsweise das Sich-
Ausbilden-Lassen, die Finanzierung von Anschlägen sowie das Sich-Verschaffen
und die Verwahrung von entsprechenden Waffen, Stoffen und Vorrichtungen erfas-
sen. Überdies soll in § 91 StGB n.F. die Anleitung zu Gewalttaten, insbesondere
im Internet, unter Strafe gestellt werden, wobei bereits die objektive Eignung 741
genügen soll, die Bereitschaft anderer zu fördern oder zu wecken, eine Gewalttat
mit einer staatsschutzrelevanten Zielsetzung zu begehen. 742
Den Vorschlägen 743 lassen sich die üblichen (materiellen wie auch prozessualen)
Vorverlagerungen zur Bekämpfung des Terrorismus entnehmen. Der Terrorist ist
„Feind“; jegliches Verhalten, das nur annähernd geeignet ist, terroristische Aktivi-
tät zu entfalten, ist umfassend zu bekämpfen. Insofern werden zur Fortschreibung

zum Download bereitgestellt, die als Anleitung zur Anfertigung von explosiven Westen,
Autobomben oder chemikalischen Waffen dienen (vgl. etwa auch Der Spiegel Nr. 33
v. 14. 8. 2006, S. 104, 106 f.; Der Spiegel Nr. 42 v. 16. 10. 2006, S. 32 f.).
738
Vgl. Schäuble in Schäuble, W. / Prantl, H.: ZRP 2006, 71; Der Spiegel Nr. 29
v. 16. 7. 2007, S. 24 ff., 25.
739
Vgl. hierzu: Der Spiegel Nr. 29 v. 16. 7. 2007, S. 24 ff., 25.
740
Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD „Gemeinsam für Deutschland. Mit
Mut und Menschlichkeit.“ vom 11. 11. 2005, S. 116, abrufbar unter: http://www.spiegel.de
/media/0,4906,12178,00.pdf. Denn nach dem BGH fällt das Werben für die Ideologie oder
die Ziele einer terroristischen Vereinigung insbesondere nicht unter § 129a Abs. 5 StGB in
der Fassung des 34. Strafrechtsänderungsgesetzes vom 22. 8. 2002 (vgl. BGH NJW 2007,
2782 ff., vor allem S. 2783; Besprechung bei Mansdörfer, M.: HRRS 10/2007, 366 ff.).
741
Im Gegensatz zu den §§ 111, 130a StGB, nach denen die Anleitung dazu „bestimmt“
sein muss, einen bestimmten Schaden eintreten zu lassen.
742
So eine Pressemitteilung des Bundesministeriums der Justiz v. 18. 9. 2007.
743
Zu den genannten und weiteren geplanten Neuregelungen vgl. auch Weißer, B.: JZ
2008, 388 ff., 393.
C. Übereinstimmungen des Feindstrafrechts 141

des „Anti-Terror-Kampfes“ auf politischer Ebene alle Register gezogen und ent-
sprechende Maßnahmen zügig umgesetzt. Erst mit Beschluss des Bundestags vom
1. 12. 2006 wurden das Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetz (TBEG) 744 und
das Gemeinsame-Dateien-Gesetz (ATDG) 745 verabschiedet. Letzteres ermöglicht
unter anderem eine Zusammenarbeit von Bundesnachrichtendienst, Bundeskrimi-
nalamt, Landeskriminalämtern, Zollkriminalamt, Militärischem Abschirmdienst,
Bundesamt für Verfassungsschutz und Landesverfassungsschutzbehörden, die die
traditionelle Trennung von Polizei und Geheimdiensten aufweicht. 746 Dabei wer-
den in einer „Anti-Terror-Datei“ verdächtige Personen (§ 2 S. 1 Nr. 1, 2 ATDG)
und deren Kontaktpersonen (§ 2 S. 1 Nr. 3 ATDG) erfasst wie auch Vereinigun-
gen, Stiftungen und Unternehmen mit möglichen Verbindungen ins terroristische
Milieu gemäß § 2 S. 1 Nr. 4a) ATDG verzeichnet. Neben persönlichen Daten
ist auch die Speicherung von Informationen über Bank-, Telefon- und Internet-
Verbindungen möglich, § 2 S. 1 Nr. 4b) ATDG.

2. Erweiterung der Aufzeichnung und


Übermittlung biometrischer Daten

Des Weiteren als präventive Regelungsmaterie zur Bekämpfung gefährlicher


Straftäter im Gespräch ist die Verwendung genetischer Fingerabdrücke und die ge-
nerelle Nutzung biometrischer Daten. 747 Etliche Politiker plädieren diesbezüglich
für eine Ausweitung der Speicherung von DNA-Analysen und damit einhergehend
für die Lockerung der gesetzlichen Beschränkungen für Gen-Dateien. Nach einem
Gesetzesentwurf der damaligen Bundesregierung soll der genetische Fingerab-
druck nicht mehr bloß bei schwerwiegenden Straftaten wie etwa Tötungsdelikten,
Sexualverbrechen oder schwererem Diebstahl 748 Anwendung finden, sondern ei-
ne Registrierung der entsprechenden genetischen Informationen soll zukünftig
bereits möglich sein, wenn der Verdächtige wiederholt einfache Straftaten be-
gangen hat und weitere Delikte dieser Art zu erwarten sind. 749 Der ehemalige
Bundesinnenminister Schily (SPD) wie auch der parlamentarische Geschäftsfüh-
rer der CDU/CSU-Fraktion Norbert Röttgen gehen mit ihren Forderungen noch

744
BGBl. 2007 I, S. 2.
745
BGBl. 2006 I, S. 3409.
746
Roggan, F. / Bergemann, N.: NJW 2007, 876 ff., 877. Kritisch auch Sieber, U.: ZStW
2007, 1 ff., 33; Gusy, C. / Pohlmann, K.: vorgänge 178/2007, 53 ff., 59 ff. Anderer Ansicht
Nehm, K.: NJW 2004, 3289 ff.
747
Biometrische Daten sind neben dem Fingerabdruck (Fingerlinienbild) zum Beispiel
Iris- und Retina-Merkmale, Gesichtserkennung, Venenerkennung, Handschrift oder auch
das Stimmprofil.
748
Zur DNA-Identitätsfeststellung und deren Voraussetzungen vgl. § 81g StPO.
749
Auskunft der Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) gegenüber dem Stern,
Artikel v. 11. 5. 2005, abrufbar unter: http://www.stern.de/politik/deutschland/?id=540240.
142 Kap. 2: Überprüfung der deskriptiven Ebene bei Jakobs

über diesen Gesetzesentwurf hinaus. Sie verlangen eine Gleichstellung mit dem
normalen Fingerabdruck. Nach der Union solle zudem gänzlich auf den nach dem
Entwurf vorgesehenen Richtervorbehalt verzichtet werden. 750
Ferner stellte Schily im Sommer 2005 einen neuen Reisepass mit biometrischen
Merkmalen vor. Andere Reisepässe werden in Deutschland seit dem 1. Novem-
ber 2005 nicht mehr ausgegeben. Der elektronisch ausgestattete Pass ist mit
Ausstellungsdatum ab dem 26. Oktober 2006 vor allem Voraussetzung für ei-
ne visa-freie Einreise von EU-Bürgern in die USA. Dort wird bereits seit dem
1. Oktober 2003 die Abgabe und Speicherung von Fingerabdrücken und Fotos
als Bedingung für die Einreise deutscher Staatsbürger verlangt. 751 Die Überwa-
chung des Reisewesens und die Einschränkungen des Rechts auf informationelle
Selbstbestimmung als Ausfluss des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nach Art. 2
Abs. 1 i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG 752 sind wesentliche Elemente der Forderungen
nach einem Mehr an Sicherheit.

3. Folter und deren Androhung

Während in den USA auch auf oberster Regierungsebene 753 Stimmen zu verneh-
men sind, Folter 754 fortan – gerade gegen Terroristen – als erforderliche Verhörme-
thode zu legitimieren, findet die Folter in Deutschland wenig (offene) Befürworter.
Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) äußerte sich gegenüber der ZEIT,
dass – unter Berufung auf die UN-Folterkonvention – jede erniedrigende Handlung
verboten sei. 755 Bundesinnenminister Schäuble lehnt eine Folterung Gefangener
durch deutsche Sicherheitsbehörden ebenfalls kategorisch ab, relativiert das Ver-
bot jedoch dahingehend, dass im Anti-Terror-Kampf Informationen auch genutzt

750
Stern v. 11. 5. 2005, abrufbar unter: http://www.stern.de/politik/deutschland/?id
=540240.
751
SPIEGEL ONLINE v. 1. 6. 2005.
752
Vgl. zum Recht auf informationelle Selbstbestimmung BVerfGE 65, 1 ff., 41 ff.
(Volkszählungsurteil).
753
Vgl. zum Beispiel die Forderungen des US-Vizepräsidenten Richard Cheney nach
einer gesetzlichen Grundlage für Misshandlungen von Gefangenen durch die CIA, die beim
US-Senat bislang auf heftigen Widerstand stößt (FOCUS ONLINE v. 26. 10. 2005).
754
Folter ist nach dem BGH die „vorsätzliche schwere körperliche oder physische
Misshandlung einer Person durch staatliche Organe oder durch mit staatlicher Billigung
tätig werdende Personen“, ohne dass der Zweck der Misshandlung noch zwingend (im
Gegensatz zum noch engeren rechtshistorischen Folterbegriff) in der Erlangung von In-
formationen oder in der Erzwingung eines Geständnisses liegen muss (BGHSt 46, 292 ff.,
303). Zum Begriff der „Folter“ vgl. etwa Eisele, J.: JA 2005, 901 ff., 902 f.; Hilgendorf,
E.: JZ 2004, 331 ff., 334 f.; Norouzi, A. B.: JA 2005, 306 ff., 307; Reemtsma, J. P.: Folter
im Rechtsstaat? 2005, S. 51 f.
755
DIE ZEIT Nr. 5 v. 26. 1. 2006, Interview abrufbar unter: http://www.zeit.de/2006/05
/Zypries.
C. Übereinstimmungen des Feindstrafrechts 143

werden dürfen, wenn sie durch Folter erlangt wurden. 756 Dennoch gehen auch
Vertreter der Gegenposition an die Öffentlichkeit, wie etwa Michael Wolffsohn,
Professor für Geschichte an der Bundeswehrhochschule in München. Jener erklär-
te, Folter beziehungsweise deren Androhung müsse im Kontext mit terroristischen
Anschlägen rechtlich zulässig sein, und rief mit seiner Äußerung Empörung bei
SPD, CDU und Grünen hervor. 757 Von rechtstheoretischer Seite erhält seine An-
sicht Unterstützung seitens des Heidelberger Rechtsprofessors Winfried Brugger.
In bestimmten Fällen 758 dürfe die Polizei nicht nur foltern, sie sei aus verfassungs-
rechtlichen Gründen sogar dazu verpflichtet, wenn kein anderes Erfolg verspre-
chendes Mittel zur Verfügung stünde (Ermessensreduzierung auf Null), zumal
den Staat eine besondere Gewährleistungspflicht zum Lebensschutz 759 obliege. 760
Einen Höhepunkt fand die öffentliche Debatte im Zuge der Rechtsbewertung
der Folterandrohungen des Frankfurter Vize-Polizeipräsidenten Wolfgang Dasch-
ner. 761 Das Entführungsdrama um Jakob von Metzler ließ Etliche an der generellen
Illegitimität der Folter oder deren Androhung für den Fall zweifeln, dass hierdurch
noch eine Rettung des Opfers möglich schien. Gerade, wenn im Vordergrund nicht
die Aussageerzwingung, sondern die Rettung von Menschenleben (sog. Rettungs-,
Gefahrenabwendungs- oder Präventivfolter) steht und insbesondere bei schwerer
Kriminalität wie beispielsweise Terrorismus, Menschenhandel oder Mord, fällt es
leicht, in dem mutmaßlichen Täter den Feind zu sehen, gegen den Folter als präven-
tive, feindstrafrechtliche Maßnahme erlaubt ist. Ein solcher gemeingefährlicher

756
SPIEGEL ONLINE v. 16. 12. 2005. Insofern übereinstimmend Beckstein (CSU),
vgl. FOCUS ONLINE v. 15. 1. 2006. Dagegen kritisch etwa Prantl, H.: Der Terrorist als
Gesetzgeber 2008, S. 32 f.
757
Vgl. Jäger, F.: FAZ Nr. 139 v. 18. 6. 2004, S. 35; SPIEGEL ONLINE v. 11. 5. 2004.
758
Brugger bildete hierzu den (fiktiven) Beispielsfall – angelehnt an den sog. „ticking
bomb case“ (vgl. Fn. 775): Die Stadt S „wird durch einen Terroristen bedroht, der eine
tödliche chemische Bombe versteckt hat. Bei der Geldübergabe wird der Terrorist von
der Polizei gefaßt und in Gewahrsam genommen. Der Erpresser schildert den Beamten
glaubhaft, daß er vor der Übergabe den Zünder der Bombe aktiviert hat. Die Bombe werde
in fünf Stunden explodieren und alle Bewohner der Stadt sowie der Umgebung töten [...].
Trotz Aufforderung gibt der Erpresser das Versteck der Bombe nicht preis. Androhungen
aller zulässigen Zwangsmittel helfen nichts ...“ (Brugger, W.: JZ 2000, 165 ff., 165).
759
Parallelen in der Argumentation zu Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 94. Danach
steht der einzelnen Person ein Recht auf Sicherheit zu, welches der Staat zu gewährleisten
hat.
760
Brugger, W.: JZ 2000, 165 ff., 171.
761
Daschner hatte 2002 im Fall des entführten Bankierssohn Jakob von Metzler an
einen Untergebenen die Anweisung erteilt, den Tatverdächtigen Magnus Gäfgen den Auf-
enthaltsort des entführten Kindes durch Androhung bzw. notfalls durch Durchführung von
Folter (man werde Gäfgen „unter ärztlicher Aufsicht Schmerzen, jedoch ohne Verletzun-
gen, zufügen, um ...“, vgl. LG Frankfurt a. M. NJW 2005, 692 ff., 693) zu entlocken. Zur
Folterung selbst kam es nicht mehr, da der Verdächtige den Ort schon unter der Andro-
hung selbiger preisgab. Wie die Untersuchungen später ergaben, war der Junge zu diesem
Zeitpunkt jedoch bereits tot.
144 Kap. 2: Überprüfung der deskriptiven Ebene bei Jakobs

Täter sei „Nicht-Mensch“ und könne sich per se nicht auf die Garantie aus Art. 104
Abs. 1 S. 2 GG und Art. 1 Abs. 1 GG oder auf das Recht aus Art. 3 EMRK 762 beru-
fen. 763 Vor diesem Hintergrund ist eine breit gefächerte, öffentliche Kontroverse
um die Rechtmäßigkeit von Folter(androhung) zur Erlangung von Informationen
entstanden 764, welche die Aktualität und Brisanz dieses Themas widerspiegelt und
lokal über die Grenzen der Bundesrepublik hinausgeht.

a) Exkurs: Die Folterdebatte in den USA

Aufgrund des thematischen Zusammenhangs mit der deutschen Folterdebatte


soll kurz die Situation und Diskussion um Foltermaßnahmen in den USA 765 wie-
dergegeben werden. Wie eingangs bereits erwähnt, äußern einige US-Politiker
ihren Wunsch nach der Institutionalisierung der Folter als rechtmäßiges prozessua-
les Institut zur Erlangung von Informationen sehr offen. US-Vizepräsident Richard
Cheney hat in Form der Vorlage eines neuen Anti-Folter-Gesetzes an den US-
Senat eine Art Sonderlizenz für die CIA befürwortet, nach der die CIA von dem
generellen Folterverbot ausgenommen werden soll. Cheney beruft sich insofern

762
Die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten
(EMRK) hat als völkerrechtlicher Vertrag i. S. d. Art. 59 Abs. 2 GG den Rang eines einfa-
chen Bundesgesetzes (vgl. BVerfG NJW 2004, 3407 ff.; BVerfGE 74, 358 ff., 370) und ist
bei der Auslegung des deutschen Rechtes zu berücksichtigen.
763
So etwa lauteten die teilweise heftig kritisierten Ausführungen des Berliner Richters
Andreas Ohlsen zum Fall Gäfgen in seinem Leserbrief im Tagesspiegel v. 19. 12. 2004.
764
Jedoch ist nicht jeder, die Folter im Einzelfall befürwortenden Ansicht, eine Tendenz
zum Feindstrafrecht zu entnehmen. Oftmals wird in bestimmten Situationen wie dem
Daschner-Fall lediglich versucht, den Vernehmenden aufgrund der extremen Konfliktlage
individuell zu rechtfertigen oder zumindest zu entschuldigen, ohne dass der Folterung
Tatverdächtiger eine generelle Zustimmung oder gar staatliche Legitimierung erteilt wird,
indem der Vernommene als Feind beurteilt wird. Zum Diskussionsstand vgl. etwa Braum,
S.: KritV 2005, 283 ff.; Brugger, W.: JZ 2000, 165 ff.; ders.: FAZ Nr. 58 v. 10. 3. 2003, S. 8;
Brunkhorst, H. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 103 ff.; Christensen,
R. in: Blaschke, U. u. a. (Hrsg.): Sicherheit statt Freiheit? 2005, S. 133 ff.; Erb, V.: Jura 2005,
24 ff.; ders.: NStZ 2005, 593 ff.; ders.: Stellungnahme zum „Fall Daschner“ 2004; Heuser,
S.: Menschenwürde 2004, S. 116 f.; Hilgendorf, E.: JZ 2004, 331 ff.; Jerouschek, G.: JuS
2005, 296 ff.; Kudlich, H.: JuS 2004, 376 ff.; Krasmann, S. / Wehrheim, J.: MschrKrim
2006, 265 ff.; Merkel, R.: Jakobs-FS 2007, S. 375 ff. 376 ff.; Norouzi, A. B.: JA 2005,
306 ff.; Prantl, H.: SZ v. 19. 11. 2004, S. 13, ders.: Der Terrorist als Gesetzgeber 2008,
S. 43 ff.; Reemtsma, J. P.: Folter im Rechtsstaat? 2005; Roxin, C.: Eser-FS 2005, S. 461 ff.;
ders.: Nehm-FS 2006, S. 205 ff.; Stübinger, S. in: Institut für Kriminalwissenschaften
und Rechtsphilosophie Frankfurt a. M. (Hrsg.): Jenseits des rechtsstaatlichen Strafrechts,
S. 277 ff.; Wagenländer, G.: Zur strafrechtlichen Beurteilung der Rettungsfolter 2006;
Wittreck, F. in: Blaschke, U. u. a. (Hrsg.): Sicherheit statt Freiheit? 2005, S. 161 ff. sowie
Beiträge in: Beestermöller, G. / Brunkhorst, H. (Hrsg.): Rückkehr der Folter 2006. Vgl. auch
Stellungnahme und weitere Nachweise bei Fischer, T.: StGB 2008, § 32 Rn. 13 ff.
765
Vgl. zur Folterdebatte in den USA die Beiträge in: Greenberg, K. J. (Hrsg.): The
Torture Debate in America 2006 sowie in: Levinson, S. (Hrsg.): Torture 2005.
C. Übereinstimmungen des Feindstrafrechts 145

auf die Notwendigkeit von Folter seitens des US-Geheimdienstes in Bezug auf die
nationale Sicherheit der USA und den von Präsident George W. Bush ausgerufenen
Anti-Terror-Krieg. 766 Der republikanische Senator McCain setzte dagegen bei der
Verabschiedung des Militärhaushalts 2006 durch, dass als Gesetzeszusatz jede
„entwürdigende, grausame und unmenschliche Behandlung“ in amerikanischen
Gewahrsam verboten wird. Das Gesetz wurde von einer überwältigenden Mehrheit
der Republikaner und Demokraten angenommen. Bislang bemühen sich Cheney,
aber auch Bush, das Inkrafttreten des Gesetzes zu verhindern. Bush hat mit der
Einlegung eines Vetos gegen das Gesetz gedroht. 767
Bislang ist die Folter in den USA gesetzlich jedenfalls nicht legitimiert. Aller-
dings liegen Informationen vor, dass sie in der Praxis (insbesondere zur Gewinnung
von Informationen über bevorstehende Terroranschläge) angewendet wird. 768 Die
Folterexzesse in dem irakischen US-Gefängnis Abu Ghraib 769 dürften noch jedem
im Gedächtnis haften. Dabei ist nach wie vor unklar, ob und inwiefern die generelle
Verschärfung der Befragungen von Gefangenen durch Vorgesetzte oder gar vom
Präsidenten persönlich angeordnet wurde. 770 Das US-Regime foltere heimlich,
auch wenn solche Aktivitäten öffentlich geleugnet werden, oder verlagere die
„Folterstätten“ in ausländische Staaten wie Jordanien, Ägypten oder auf die Phil-
ippinen (sog. „Outsourcing“), wo in der USA verbotene Vernehmungsmethoden
ungehindert praktiziert werden können. 771 Zudem werde das Folterverbot nicht
selten umgangen, indem der Inhaftierte statt direkter Folter, indirekten Folterme-
thoden in Form von „Stress und Zwang“ ausgesetzt wird. 772 Darunter fallen zum
Beispiel das Tragen von Augenbinden, stundenlanges Verharrenmüssen in unbe-
quemer Position, drastische Temperaturwechsel, Schlafentzug, Dauerlärm oder
auch die permanente Bestrahlung mit grellem Licht. 773 Diese Methoden lassen
sich nach einer engen Wortlautauslegung nicht unter den Begriff der „Folter“ sub-
sumieren und wurden dementsprechend vom US-Justizminister Alberto Gonzales
für Verhöre Terrorverdächtiger in Guantánamo explizit erlaubt. 774

766
FOCUS ONLINE v. 26. 10. 2005.
767
Siehe etwa FAZ.NET v. 3. 11. 2005.
768
Vgl. auch Dershowitz, A. M.: Why Terrorism Works 2002, S. 138.
769
Vgl. hierzu etwa Artikel in SPIEGEL ONLINE v. 15. 3. 2006; FAZ.NET v. 17. 2.
2006; FAZ Nr. 40 v. 16. 2. 2006, S. 44; ZEIT ONLINE v. 15. 2. 2006.
770
Vgl. etwa Meldung in DIE ZEIT Nr. 25 v. 9. 6. 2004.
771
Dershowitz, A. M.: Why Terrorism Works 2002, S. 138, 151; vgl. auch Fischer Weltal-
manach 2007, S. 510; Marx, R.: KJ 2006, 151 ff., 151; Der Spiegel Nr. 12 v. 19. 3. 2007,
S. 124 ff., 126.
772
Zur Problematik des Folterbegriffs auch in Bezug auf psychologische Folter vgl. auch
Dershowitz, A. M.: Why Terrorism Works 2002, S. 124 f.
773
Vgl. auch Dershowitz, A. M.: Why Terrorism Works 2002, S. 139; Marx, R.: KJ
2006, 151 ff., 156.
146 Kap. 2: Überprüfung der deskriptiven Ebene bei Jakobs

Die gegenwärtige Folterpraxis ohne gesetzliche Grundlage lehnt insbesondere


der in Harvard lehrende Strafrechtler Alan Dershowitz ab. Unter Zugrundelegung
des „ticking bomb case“ 775 plädiert er für eine gesetzliche Einführung der Folter
für Extremfälle, in denen faktisch Folter angewendet werde. Folter dürfe danach
ausschließlich in dem Fall praktiziert werden, in dem sie der Verhütung besonders
schwerer Straftaten dient wie etwa die Bedrohung einer ganzen Stadt. 776 Dagegen
genüge die Bedrohung einer einzelnen Person regelmäßig nicht: „Das Argument
für so ein außergewöhnliches Mittel wie die Folter ist nicht besonders stark, wenn
es nur um eine Person geht.“ 777 Auch könne Folter nur durch besondere, richter-
liche Anordnung (torture warrant) legitimiert werden und die Transparenz des
Prozederes müsse sichergestellt werden. Weiterhin dürfe die Anwendung von Fol-
ter keine tödlichen Folgen erwarten lassen. 778 Zur Begründung seiner Forderung
führt Dershowitz an, dass die Legitimation der Folter innerhalb des Rechtssystems
zumindest demokratischer sei als die gegenwärtige Handhabung, bei der im Ver-
borgenen gefoltert werde und niemand Rechenschaft ablegen müsse. 779 Treffe die
USA keine konkrete Regelung – unabhängig davon, ob die Folter generell verbo-

774
DIE ZEIT Nr. 5 v. 26. 1. 2006, abrufbar unter: http://www.zeit.de/2006/05/Zypries.
Vgl. ferner auch Marx, R.: KJ 2006, 151 ff., 153 ff. zur Auslegung und Entwicklung des
Folterbegriffs durch die Bush-Administration.
775
Das viel diskutierte „Szenario der tickenden Bombe“ beschreibt die (fiktive) Notsi-
tuation, in der ein Terrorist inhaftiert ist, der sich weigert, Informationen über eine Bombe
preiszugeben, welche in Kürze explodieren wird, vgl. Dershowitz, A. M.: Why Terrorism
Works 2002, S. 140 m.w. N. Aufgegriffen wurde die Thematik etwa bei Luhmann, N.: Gibt
es in unserer Gesellschaft noch unverzichtbare Normen? 1993, S. 1 (vgl. auch Variante
bei Brugger in Fn. 758). Dershowitz stellte bei einem Vortrag abschließend die Frage, wie
viele der Zuhörer im ticking bomb case (ohne tödliche Folgen erwarten zu müssen) foltern
würden, woraufhin sich beinahe alle Anwesenden meldeten. Interessanter Weise erhoben
die verbleibenden Zweifler ihre Hand bei der Abwandlung der Frage, ob sie der Ansicht
sind, dass in einem solchen Fall gefoltert werde, vgl. Dershowitz, A. M.: Why Terrorism
Works 2002, S. 150.
776
Dershowitz bedient sich im Übrigen bei der Frage der Abschussermächtigung von
entführten und als Bomben dienenden Passagierflugzeugen des gleichen Argumentations-
stranges: Absolute Moralität gebe es nicht, in „der Demokratie führt das dazu, extrem
schwierige Abwägungen zwischen zwei Übeln treffen zu müssen. Ein Beispiel: Ein entführ-
tes Flugzeug mit 300 Passagieren fliegt auf einen Wolkenkratzer zu. Es muss entschieden
werden, ob das Flugzeug abgeschossen wird. Wenn nur zehn Leute im Wolkenkratzer sind,
schießt man das Flugzeug nicht ab. Denn es gibt die Möglichkeit, dass die 300 Leute
die Entführer überwältigen. Aber wenn 1000 Leute im Gebäude sind, schießt man es ab.
Die Zahlen entscheiden über die moralische Abwägung.“(Dershowitz im Interview mit
der ZEIT: Die ZEIT Nr. 51 v. 15. 12. 2005, abrufbar unter: http://zeus.zeit.de/text/2005/51
/Amerika_2fFolter.).
777
Dershowitz im Interview mit der ZEIT in: Die ZEIT Nr. 51 v. 15. 12. 2005, abrufbar
unter: http://zeus.zeit.de/text/2005/51/Amerika_2fFolter.
778
Zu den Voraussetzungen der Folter vgl. Dershowitz, A. M.: Why Terrorism Works
2002, S. 142, 151, 158 f.; ders.: San Francisco Chronicle v. 22. 1. 2002, p. A-19.
779
Dershowitz, A. M.: Why Terrorism Works 2002, S. 153.
C. Übereinstimmungen des Feindstrafrechts 147

ten, grundsätzlich oder nur mit richterlicher Anordnung erlaubt werde – komme
es unwillkürlich zu Geheimdienstwillkür und zu Exzessen wie in Abu Ghraib. 780

b) Die Folterlegitimierung nach Dershowitz


in Parallele zum Feindstrafrecht nach Jakobs

Folter ist eine – zumindest auch – präventive Maßnahme, die dem Betroffenen
jegliche Subjektsqualität abspricht. Sie wird angewendet gegenüber Menschen,
die vermutlich eine massive Bedrohung rechtlich geschützter Güter darstellen
und ist damit idealtypisches Feindstrafrecht im Sinne Jakobs. Dershowitz fordert
demnach die gesetzliche Institutionalisierung einer feindstrafrechtlichen Verhal-
tensalternative 781, so dass man zu der Auffassung gelangen könnte, Dershowitz
befürworte ein feindstrafrechtliches Rechtsmodell. Allerdings wird dabei über-
sehen, dass Dershowitz zunächst einmal Kritik übt und einen gegenwärtigen
rechtlichen Missstand anprangert 782, nämlich dass Folter trotz fehlender gesetz-
licher Grundlage praktiziert wird. Dies erinnert wiederum an die Ausführungen
Jakobs zum Feindstrafrecht. 783 Denn das Feindstrafrecht dient Jakobs in erster Li-
nie zur kritischen Beschreibung einer akuten Misere im Strafrecht. Erst im zweiten
Schritt schlagen Jakobs wie auch Dershowitz vor, den aufgezeigten Missstand zu-
mindest insofern zu beheben, dass eine legitime Basis für die ohnehin praktizierte
Regelung errichtet wird. Nach Dershowitz ist es danach demokratischer, die Folter
unter engen Voraussetzungen einzuführen und ihren Einsatz damit auf einige
wenige und extreme Ausnahmefälle zu reduzieren 784, statt sie ohne festgelegte Be-
grenzungen anzuwenden. Nach Jakobs muss ohnehin bestehendes Feindstrafrecht
offen gelegt und ausgesondert werden, damit wenigstens gegen Bürger weiterhin

780
Vgl. Dershowitz, A. M.: Why Terrorism Works 2002, S. 163; vgl. auch ders. in:
Die ZEIT Nr. 51 v. 15. 12. 2005, abrufbar unter: http://zeus.zeit.de/text/2005/51/Amerika
_2fFolter.
781
Dershowitz, A. M.: Why Terrorism Works 2002, S. 153.
782
Die prinzipiell eher ablehnende Haltung Dershowitz’ zur Folter lässt sich darüber hin-
aus aus dem Umstand folgern, dass er „Torturing Suspects“ als Überschrift des 3. Kapitels
seines Buches „Why Terrorism Works“ (2002) gewählt hat. Chapter 3 (p. 105 –130) be-
schreibt nämlich „How an Amoral Society Could Fight Terrorism“, d. h. Dershowitz verortet
die Folter grds. in der Kategorie nicht-demokratischer, sondern vielmehr tyrannischer und
totalitärer Bekämpfungsmaßnahmen – wie etwa auch die kollektive Bestrafung (etwa der
Familienangehörigen eines Terroristen), die Totalüberwachung der Privatsphäre ohne Tat-
verdacht oder der präventive Assassination von Personen mit Bedrohungspotential. Damit
kommt zum Ausdruck, dass derartige feindstrafrechtliche Maßnahmen von vornherein
negativ besetzt und jedenfalls auf demokratischer Grundlage in Reinform nicht möglich
sind, wobei Dershowitz hier bereits andeutet, dass teilweise eine abgeschwächte Form
der Maßnahmen ggf. auch in Demokratien zur Terrorismusbekämpfung eingesetzt werden
kann.
783
Vgl. zur Deutung Jakobs oben Kapitel 1 D.I.
784
Dershowitz, A. M.: Why Terrorism Works 2002, S. 141, 153.
148 Kap. 2: Überprüfung der deskriptiven Ebene bei Jakobs

rechtsstaatlich vorgegangen werden kann. Sieht man diese Parallelen in den Aus-
führungen von Jakobs und Dershowitz, muss man bei Dershowitz zu dem Schluss
kommen, dass er kein Befürworter des Feindstrafrechts gegen Terroristen und
ähnliche Täter ist, also trotz anklingender Forderung nach Folter, nicht affirmativ
zu der Maßnahme steht. Entsprechend lehnt er die Folter in einem Interview
mit einer deutschen Zeitung auch ausdrücklich ab: „Ich habe mich niemals für
den Gebrauch der Folter ausgesprochen, nicht mal in Fällen von Terror gegen
Menschenmassen“; „ich bin gar nicht für Folter“. 785 Auch die vehemente Ableh-
nung der eigens in die Diskussion gebrachten Maßnahme erinnert insofern an
die Haltung Jakobs zum Feindstrafrecht. Und gleichsam sieht Dershowitz wie Ja-
kobs in Bezug auf das Feindstrafrecht keine derzeitig gangbare Alternative. Beide
prognostizieren, dass eine bereits praktizierte feindstrafrechtliche Regelung auch
für die Zukunft Bestand haben wird, und verlangen daher wenigstens eine (ver-
besserte) gesetzliche Grundlage: Legitimierung der Folter in engen Grenzen statt
praktisch unbegrenzter Folterung bei Dershowitz beziehungsweise ein separates
Feindstrafrecht gegen gefährliche Täter statt ein feindstrafrechtlich durchmischtes
Strafrecht gegen Bürger bei Jakobs.

4. Der Abschuss „fliegender Bomben“

Eine der Folterdebatte vergleichbare Diskussion wurde durch die Einführung


des Luftsicherheitsgesetzes (LuftSiG) 786 losgetreten. Das LuftSiG wurde am
11. 1. 2005 787 als Artikel 1 des Gesetzes zur Neuregelung von Luftsicherheits-
aufgaben erlassen. 788 Es trat am 15. Januar 2005 in Kraft und enthielt in § 14
folgende Bestimmung:
(1) Zur Verhinderung des Eintritts eines besonders schweren Unglücksfalles dürfen die
Streitkräfte im Luftraum Luftfahrzeuge abdrängen, zur Landung zwingen, den Einsatz
von Waffengewalt androhen oder Warnschüsse abgeben.
(2) Von mehreren möglichen Maßnahmen ist diejenige auszuwählen, die den Einzelnen
und die Allgemeinheit voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigt. Die Maßnahme darf
nur so lange und so weit durchgeführt werden, wie ihr Zweck es erfordert. Sie darf nicht
zu einem Nachteil führen, der zu dem erstrebten Erfolg erkennbar außer Verhältnis steht.
(3) Die unmittelbare Einwirkung mit Waffengewalt ist nur zulässig, wenn nach den
Umständen davon auszugehen ist, dass das Luftfahrzeug gegen das Leben von Menschen

785
Dershowitz im Interview mit der ZEIT in: Die ZEIT Nr. 51 v. 15. 12. 2005, abrufbar
unter: http://zeus.zeit.de/text/2005/51/Amerika_2fFolter.
786
Zum feindstrafrechtlichen Charakter des LuftSiG vgl. bereits Kapitel 2 B.III.2.
787
BGBl I, S. 78.
788
Das LuftSiG beruht auf der EU-Verordnung 2320/2002 des Europäischen Parlaments
und des Rates vom 16. 12. 2002 zur Festlegung gemeinsamer Vorschriften für die Sicherheit
in der Zivilluftfahrt (ABIEG Nr. L 355 v. 30. 12. 2002).
C. Übereinstimmungen des Feindstrafrechts 149

eingesetzt werden soll und sie das einzige Mittel zur Abwehr dieser gegenwärtigen Gefahr
ist.
(4) Die Maßnahme nach Absatz 3 kann nur der Bundesminister der Verteidigung oder
im Vertretungsfall das zu seiner Vertretung berechtigte Mitglied der Bundesregierung
anordnen. Im Übrigen kann der Bundesminister der Verteidigung den Inspekteur der
Luftwaffe generell ermächtigen, Maßnahmen nach Absatz 1 anzuordnen.

§ 14 Abs. 3 LuftSiG bildete danach die gesetzliche Grundlage für den Abschuss
entführter Luftfahrzeuge, die – ähnlich den Terroranschlägen vom 11. Septem-
ber 2001 – als „fliegende Bomben“ missbraucht werden. Bereits während des
Gesetzgebungsverfahrens war das Gesetz auf Widerstand gestoßen. Zunächst
wurde angezweifelt, dass dem Bund die Regelungskompetenz für den Einsatz
der Streitkräfte zur Abwehr von Gefahren aus der Luft zukommt. 789 Darüber
hinaus wurde der unbestimmte Wortlaut moniert und die staatlich angeordnete
Tötung von Menschenleben. Eine Abwägung „Leben gegen Leben“ sei mit Art. 1
GG (Menschenwürde) und Art. 2 GG (Lebensschutz) unvereinbar. 790 Dennoch
wurde das Gesetz von der Mehrheit des Bundestages – gegen die Stimmen der
FDP – beschlossen und spiegelte insoweit das herrschende politische Klima wie-
der, effektive Gefahrenabwehr gegen Terroristen betreiben und zu diesem Zweck
auch Kollateralschäden in Kauf nehmen zu wollen. Nach der Kosten-Nutzen-
Analyse des Gesetzgebers war die Sicherheit der Allgemeinheit in einem solchen
Extremfall höherrangig einzustufen als das Leben der Entführer und vor allem
auch der zivilen Besatzung und Passagiere, welche jedoch spätestens durch den
Aufprall ohnehin zu Tode kommen würden.
Bundespräsident Horst Köhler unterzeichnete das Gesetz zwar, empfahl jedoch
zugleich dessen rechtliche Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht. 791
Weiterhin wurde auch die Einleitung eines Normenkontrollverfahrens angekün-
digt und Verfassungsbeschwerden von mehreren Privatpersonen gegen § 14 Abs. 3
GG eingelegt. Mit Urteil vom 15. 2. 2006 erklärte das Bundesverfassungsgericht
die Verfassungsbeschwerde für erfolgreich und § 14 Abs. 3 für nichtig. 792 Neben

789
Ablehnend die CDU / CSU-Fraktion (BT-Drucks. 15/2649) und die Redebeiträge der
der Abgeordneten Binninger (BT-Prot. 15/89, S. 7890 f., 115/89, S. 10538) und Bosbach
(BT-Prot. 15/89, S. 7884 f.).
790
Vgl. zum Streitstand etwa Hilgendorf, E. in: Blaschke, U. u. a. (Hrsg.): Sicherheit statt
Freiheit? 2005, S. 107 ff., 124 ff., 130 ff.; Hirsch, B.: KritV 2006, 3 ff.; Isensee, J.: Jakobs-
FS 2007, S. 205 ff., 214 ff.; Lüderssen, K.: StV 2005, 106 ff.; Otto, H.: Jura 2005, 470 ff.,
477 ff.; Pawlik, M.: JZ 2004, 1045 ff. und ders.: FAZ Nr. 165 v. 19. 7. 2004, S. 29; Sinn,
A.: NStZ 2004, 585 ff.; Tröndle, H. / Fischer, T.: StGB 2007, § 34 Rn. 16a bzw. die leicht
abgewandelte und ergänzende Nachfolgerauflage: Fischer, T.: StGB 2008, § 34 Rn. 11a.
Zusammenfassung der Stellungnahmen von Parteien, Experten und Rechtswissenschaft
bei Dreist, P. in: Blaschke, U. u. a. (Hrsg.): Sicherheit statt Freiheit? 2005, S. 77 ff., 88 ff.
791
Hecker, W.: KJ 2006, 179 ff., 179.
792
BVerfG NJW 2006, 751 ff.
150 Kap. 2: Überprüfung der deskriptiven Ebene bei Jakobs

der fehlenden Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes ergebe sich die Verfas-


sungswidrigkeit des § 14 Abs. 3 GG aus der Unvereinbarkeit mit dem Grundrecht
auf Leben (Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG) in Verbindung mit der Menschenwürdegarantie
(Art. 1 Abs. 1 GG) des Grundgesetzes, soweit tatunbeteiligte Menschen an Bord
des Luftfahrzeugs dem Einsatz der Waffengewalt ausgesetzt werden. 793 Vor allem
aus den Reihen der CDU, aber wohl mit Zustimmung der SPD, wird nunmehr eine
Verfassungsänderung in Bezug auf Art. 35 GG vorgeschlagen, die eine künftige
Amtshilfe für die Polizei durch die Bundeswehr zur Abwehr terroristischer Gefah-
ren mit militärischen Mitteln vorsieht. Danach wäre etwa auch der Abschuss von
Terrorfliegern möglich, solange dabei keine Unschuldigen zu Schaden kommen.
Die CDU erwägt ferner eine Neufassung des Art. 87 GG, nach der die Bundeswehr
auch im Inland zum „Schutz ziviler Objekte“ eingesetzt werden darf, um beispiels-
weise Stadien und Flughäfen zu bewachen. 794 Nach einem Gesetzesvorschlag des
Bundesinnenministers Schäuble soll zur Ermöglichung des Abschusses entführter
Flugmaschinen Art. 87a Abs. 2 GG neu gefasst werden, so dass die Streitkräfte
für einen „Quasi-Verteidigungsfall“ eingesetzt werden könnten. 795

5. Fazit

Es dürfte deutlich geworden sein, dass die Politik sich vielfach nicht mit den
bereits bestehenden „feindstrafrechtlichen“ Regelungen zufrieden gibt, sondern
gerade im Bereich der Terrorismusbekämpfung 796, der Verfolgung und Präven-
tion von Sexualdelikten 797, aber auch der allgemeinen Verbrechensbekämpfung

793
Dagegen wurde in Russland im Rahmen der Anti-Terror-Gesetzgebung unlängst eine
ähnliche Vorschrift erlassen, die die Streitkräfte im Notfall ermächtigt, sowohl gekaperte
Flugzeuge wie auch Schiffe anzugreifen, vgl. Meldung in SPIEGEL ONLINE v. 22. 2. 2006.
Über die Notwendigkeit eines deutschen Seesicherheitsgesetzes zur Abwehr von Angriffen
zu Wasser vgl. ferner Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) in einem Interview
mit dem SPIEGEL (Der Spiegel Nr. 33 v. 14. 8. 2006, S. 17).
794
Der Spiegel Nr. 43 v. 23. 10. 2006, S. 17.
795
Hierzu Sieber, U.: ZStW 2007, S. 1 ff., 35 f. m.w. N. Vgl. auch: Der Spiegel Nr. 28
v. 9. 7. 2007, S. 18 ff., 28.
796
Siehe hierzu auch die jüngsten Vorschläge in Bezug auf weitere Sicherheitsgesetze,
insbesondere von Innenminister Schäuble (CDU), wie z. B. die heimliche Online-Durchsu-
chung (hierzu lesenwert: Die Zeit Nr. 38 v. 13. 9. 2007, S. 1), die umfassende Speicherung
von Fingerabdrücken bei den Meldeämtern, den „großen Spähangriff“ (gemeint ist – in Er-
gänzung zum „großen Lauschangriff“ – die videotechnische Überwachung von Wohnungen
oder auch Internetlokalen; vgl. etwa SPIEGEL ONLINE v. 8. 12. 2007) und die Benutzung
der Mautdaten zur Verfolgung schwerer Straftaten (Der Spiegel Nr. 15 v. 7. 4. 2007, S. 18;
Der Spiegel Nr. 16 v. 16. 4. 2007, S. 24 ff., 24 f.; Der Spiegel Nr. 29 v. 16. 7. 2007, S. 24 ff.,
25. Vgl. ferner zu diesem und weiteren Beispielen auch den Leitartikel in: Der Spiegel
Nr. 28 v. 9. 7. 2007, S. 18 ff., 19, 22 f. sowie das Interview mit dem Innenminister auf
S. 31 ff.). Nach Schäuble soll vor allem auch die Unschuldsvermutung im Rahmen der
Gefahrenabwehr – gerade in Bezug auf die Bekämpfung terroristischer Straftaten – nicht
gelten. Zu Recht wird daher etwa von Prantl der Vergleich mit dem Jakobsschen Feind-
C. Übereinstimmungen des Feindstrafrechts 151

durchweg materielle und prozessuale Verschärfungen fordert. Die betroffenen


Tätertypen werden als dauerhaft gefährlich eingestuft, sind Feinde der Gesell-
schaft und bedrohen diese permanent. Mit den allgegenwärtigen Forderungen
nach mehr Sicherheit durch Strafrecht geht die Politik den Weg des geringsten
Widerstandes, so dass sich im Ergebnis die These Jakobs vom deutschen Trend
zum Feindstrafrecht auch auf die gegenwärtige Kriminalpolitik übertragen lässt.

II. Feindstrafrechtliche Tendenzen


in der deutschen Rechtsprechung

Eine abschließende Untersuchung, ob und inwiefern die Rechtsprechung Ge-


setze feindstrafrechtlich im Sinne Jakobs auslegt oder tendenziell feindstrafrecht-
lichte Maßnahmen durch die staatlichen Strafverfolgungsorgane zulässt, würde
den Rahmen dieser Arbeit sprengen und muss daher unterbleiben. 798 Dennoch
soll dieser Frage anhand einiger ausgewählter Beispiele nachgegangen werden.
Dabei ist zunächst festzuhalten, dass die bloße Anwendung von Gesetzen, die
nach Jakobs feindstrafrechtlich ausgeprägt sind, noch keine Kategorisierung der
Rechtsprechung ermöglicht. Schließlich ist die Judikative an die Rechtsordnung
gebunden und muss nach deren Inhalt entscheiden, also grundsätzlich auch in dem
Fall, dessen Beurteilung sich nach einer tendenziell feindstrafrechtlichen Norm
richtet. Die Rechtsprechung wendet insofern lediglich die durch den Gesetzgeber
vorgegebenen – gegebenenfalls feindstrafrechtlichen – Normen an, wenn gleich
letztinstanzlich das Bundesverfassungsgericht selbstverständlich die Verfassungs-
widrigkeit einer Regelung feststellen und damit feindstrafrechtliche Vorschriften

strafrecht gezogen (siehe Online-Interview der Süddeutschen Zeitung mit Heribert Prantl
v. 18. 4. 2007).
797
Vgl. beispielsweise auch die Forderung des innenpolitischen Sprechers der Union,
Wolfgang Bosbach, eine Rechtsgrundlage für die Erteilung einer Auflage bezüglich eines
Autoverbots für Sexualstraftäter zu schaffen, um Folgeverbrechen zu verhindern. Die meis-
ten Sexualstraftaten würden nämlich mithilfe eines Fahrzeugs vorbereitet und begangen, so
dass Sexualstraftäter nach Verbüßung der Haftstrafe weder ein Auto besitzen noch fahren
dürfen sollen (SPIEGEL ONLINE v. 17. 10. 2006).
798
Vgl. allerdings Rath, J.: Gesinnungsstrafrecht 2002. Rath untersucht die „Versubjekti-
vierung von Merkmalen des objektiven Tatbestandes“ anhand dreier BGH-Entscheidungen
(Provokation von Auffahrunfällen durch „verkehrsgerechte“ Fahrweise; Täuschungshand-
lung i. S. d. § 263 StGB durch die Behauptung wahrer Tatsachen; Rechtsbeugung bei der
Behandlung einer Rechtssache in „angemessener“ Zeit, sog. „Schill-Urteil). Dabei kommt
er zu dem Ergebnis, dass in den genannten Entscheidungen jeweils das Merkmal der
„bösen Absicht“ in den objektiven Tatbestand hineininterpretiert wurde, um letztlich eine
Strafbarkeit zu begründen (Rath, J.: Gesinnungsstrafrecht 2002, S. 14 ff.). Die alleinige
Bezugnahme auf subjektive, also täterinterne Elemente im objektiven Tatbestand, die zur
Überwindung der Tatsache dient, dass keine objektiv erkennbare Störung nach außen
gedrungen ist, entspricht aber nach Jakobs weniger bürger-, sondern vielmehr tendenziell
feindstrafrechtlichen Erwägungen (siehe dazu bereits Kapitel 1 C.II.1.).
152 Kap. 2: Überprüfung der deskriptiven Ebene bei Jakobs

für nichtig erklären kann. Allerdings ist insofern zu berücksichtigen, dass die
Rechtsprechung dem Gesetzgeber in Bezug auf die Schaffung und den Inhalt
von Straftatbeständen eine Einschätzungsprärogative und damit einen weiten
Ermessens- und Prognose-Spielraum einräumt. 799 Die Tendenz der Rechtspre-
chung für oder wider Feindstrafrecht kann sich jedoch entweder daraus ergeben,
dass ein feindstrafrechtliches Gesetz explizit für wirksam oder für nichtig erklärt
wird, wobei die Entscheidung gerade auf dem feindstrafrechtlichen Charakter
der Norm beruhen muss. Oder eine entsprechende Tendenz könnte sich daraus
ergeben, dass eine neutrale Norm feindstrafrechtlich interpretiert beziehungsweise
eine feindstrafrechtliche Norm restriktiv angewendet wird.

1. Zum Feindstrafrecht divergierende beziehungsweise


legislatives Feindstrafrecht abschwächende Rechtsprechung

Zunächst gibt es etliche Beispiele aus der Rechtsprechung, in denen die Ge-
richte Gesetze und Maßnahmen eng an der Verfassung auslegen, ohne bestimmte
Täter, deren Taten besonders verachtenswert erscheinen und die nach Jakobs der
Kategorie „Feind“ zuzuordnen sind, nach anderen Maßstäben zu beurteilen als
„bürgerliche“ Delinquenten. Diese Entscheidungen, von denen einige hier stell-
vertretend aufgeführt werden, sind zunächst dadurch gekennzeichnet, dass selbst
der Täter, der dem Feindbegriff von Jakobs unterfällt, nicht als Feind behandelt
wird, sondern als Rechtssubjekt, das mit den gleichen Rechten ausgestattet ist, wie
jeder andere Straftäter auch. In Bezug auf die Auslegung tendenziell feindstraf-
rechtlich geprägter Normen zeigen die nachfolgenden Entscheidungen auf, dass
die Rechtsprechung um eine verfassungsrechtliche und restriktive Interpretation
der in Frage stehenden Vorschriften bemüht ist, mit der Folge, dass die legislative
Ausrichtung am Feindstrafrecht wenigstens abgeschwächt wird. Die tendenzielle
Annäherung an den Idealtypus wird durch diese Rechtsprechung vollständig oder
zumindest teilweise rückgängig gemacht.

a) Der Fall Motassadeq

Mounir al Motassadeq stand in regem Kontakt mit den bei den Anschlägen
vom 11. September 2001 ums Leben gekommenen Attentätern Atta, Alshehhi und
Jarrah sowie dem mutmaßlich an der Vorbereitung der Anschläge beteiligten
Binalshib. Er teilte deren islamistische Einstellung und Antipathie gegen die Po-
litik der USA und Israels. Zu dem Zeitpunkt, zu dem Alshehhi vermutlich mit
den Vorbereitungen für die Terroranschläge beschäftigt war, nahm Motassadeq

799
Vgl. zum Beispiel BVerfGE 77, 170 ff., 214 f.; 88, 203 ff., 262; 90, 145 ff., 173;
BVerfG NJW 1983, 1751 ff., 1756; 2001, 1952 ff., 1954; 2004, 2073 ff., 2079; BVerfG
NVwZ 2004, 597 ff., 599.
C. Übereinstimmungen des Feindstrafrechts 153

weitgehend dessen Angelegenheiten wahr, wie etwa die Abwicklung des Miet-
vertrages und die Überweisung des fälligen Semesterbeitrags. Zudem hatte er im
Sommer 2000 an Schießübungen in einem Lager der Al Quaida in Afghanistan
partizipiert. 800 Im eingeleiteten Strafverfahren vor dem Hamburger Oberlandesge-
richt wurde Motassadeq entsprechend vorgeworfen, er habe durch die Übernahme
von Alltagsgeschäften den wahren Aufenthaltsort der Attentäter und deren terro-
ristische Vorbereitungen verschleiert und sich damit an den Anschlägen beteiligt.
Motassadeq bestritt dagegen, von den Plänen gewusst zu haben. Der seit 2002 in
US-Gewahrsam befindliche und ebenfalls der Attentatsvorbereitung verdächtige
Binalshib konnte hierzu im Strafverfahren gegen Motassadeq nicht vernommen
werden, da die US-Regierung die erforderliche Mitwirkung versagte. Auch konnte
nach den Feststellungen des OLG nicht geklärt werden, ob Binalshib Angaben zur
Tatbeteilung des Angeklagten gemacht hat. Ein zu den Ermittlungen in den USA
vernommener FBI-Beamter konnte nicht als Zeuge gehört werden, da er zu dieser
Frage keine Aussagegenehmigung erhielt. Ferner hatten das Bundeskanzleramt
und das Bundesministerium des Inneren Auskünfte zum Inhalt von Protokollen
verweigert (Sperrerklärung nach § 96 StPO), die durch US-Stellen übermittelt
worden waren und Aufschluss über geheimdienstliche Vernehmungen Binalshibs
hätten geben können. 801 Dass der Zeuge Binalshib damit unerreichbar war, gab
nach Auffassung des Gerichts nicht dazu Anlass, das Verfahren auszusetzen und
führte auch nicht zu einem Verstoß gegen das Recht auf ein faires Verfahren. Der
Grundsatz des „fair trail“ dürfe nicht Vorschriften der StPO ersetzen. Die Erreich-
barkeit eines Zeugen sei jedoch in § 244 Abs. 3 StPO geregelt und vorliegend
konkret erörtert worden. Zugleich kommen hier der Grundsatz der Durchsetzung
des staatlichen Strafanspruchs sowie der Beschleunigungsgrundsatz zum Tragen.
Im Übrigen stehe etwaigen Bedenken im Rahmen des § 244 Abs. 3 StPO das
potentielle Korrektiv des Wiederaufnahmeverfahrens gegenüber. 802 In der Folge
wurde Motassadeq vom Hamburger Oberlandesgericht wegen Beihilfe zum Mord
in 3066 Fällen sowie zum versuchten Mord und zur gefährlichen Körperverletzung
in fünf Fällen in Tateinheit mit Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung
zu einer Freiheitsstrafe von 15 Jahren verurteilt.
Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 4. 3. 2004 die Entscheidung des
HansOLG Hamburg aufgehoben. 803 Danach habe das OLG sich nicht mit der Fest-
stellung begnügen dürfen, dass der Tatbeteiligte Binalshib für eine Vernehmung
nicht zur Verfügung stand und auch nicht geklärt werden konnte, inwiefern er im

800
Zu diesen und weiteren Feststellungen vgl. im Einzelnen BGHSt 49, 112 ff. (ent-
spricht StV 2004, 192 ff.); Strate, G.: HRRS 7/2004, 239 ff., 243.
801
Vgl. BGHSt 49, 112 ff., 117.
802
Vgl. Wiedergabe des OLG bei Strate, G.: HRRS 7/2004, 239 ff., 244.
803
BGHSt 49, 112 ff. (zugleich StV 2004, 192 ff.); Anmerkungen von Gaede, K.: StraFo
2004, 195 ff.; Gössel, K . H.: Jura 2004, 696 ff.; Müller, H. E.: JZ 2004, 926 ff.; Norouzi,
A. B.: JA 2005, 169 ff.; Strate, G.: HRRS 7/2004, 239 ff., 243 ff.
154 Kap. 2: Überprüfung der deskriptiven Ebene bei Jakobs

Rahmen seiner Vernehmung durch US-amerikanische Stellen Angaben über die


Einbindung des Angeklagten in Planung und Vorbereitung der Terrorakte vom
11. September 2001 machte. 804 Der BGH führt hierzu aus:
„Kann ein zentrales Beweismittel wegen einer Sperrerklärung oder einer verweigerten
Aussagegenehmigung nicht in die Hauptverhandlung eingeführt werden, obwohl ohne
die Sperrerklärung oder verweigerte Aussagegenehmigung die Erhebung des Beweises
ein Gebot der Aufklärungspflicht gewesen wäre (§ 244 Abs. 2 StPO) beziehungsweise
ein Beweisantrag des Angeklagten auf Erhebung des Beweises aus keinem der in § 244
Abs. 3 – 5 StPO genannten Ablehnungsgründe hätte zurückgewiesen werden können,
muss der Tatrichter die hierdurch bedingte Einschränkung seiner Erkenntnismöglich-
keiten sowie die Beschneidung der Verteidigungsrechte des Angeklagten bei seiner
Überzeugungsbildung berücksichtigen und in den Urteilsgründen im Rahmen der Be-
weiswürdigung erörtern. Andernfalls ist seine Beweiswürdigung lückenhaft und der
Anspruch des Angeklagten auf ein faires, rechtsstaatliches Verfahren (Art. 20 Abs. 3
i.V. m. Art. 2 Abs. 1 GG; Art. 6 Abs. 1 EMRK) verletzt.“ 805
Zwar habe die Unerreichbarkeit eines Beweismittels grundsätzlich bei der
Würdigung der erhobenen Beweise außer Betracht zu bleiben. Habe allerdings
der ausländische Staat ein erhebliches Eigeninteresse am Ausgang des Verfahrens,
dürfe es nicht unberücksichtigt bleiben, wenn er andere, für die Tataufklärung
zentrale Beweismittel, die potentiell zur Entlastung des Angeklagten geeignet
sein könnten, dem deutschen Strafgericht vorenthält. Andernfalls sei die Gefahr
nicht auszuschließen, dass der ausländische Staat durch die selektive Gewährung
von Rechtshilfe den Ausgang des in Deutschland geführten Verfahrens in seinem
Sinne steuert. Dies könne im Hinblick auf das Recht des Angeklagten auf eine
faire Verfahrensgestaltung nicht geduldet werden. 806
Das Urteil des Bundesgerichtshofs zeigt, dass selbst ein Beschuldigter wie
Motassadeq, der aufgrund seiner ideologischen Prägung der Feindkategorie nach
Jakobs zuzuordnen ist, von den deutschen Strafgerichten nicht als Feind ohne
Rechte behandelt wurde. Obgleich sich der Verdacht aufgrund seines kulturellen,
sozialen und religiösen Umfelds kaum ausräumen lässt, Motassadeq habe doch
von den Anschlägen Kenntnis gehabt und diese mitverwirklicht, wurden letztlich
weder allgemeine Verfahrensrechte verletzt, sondern diese umgekehrt sogar aus-
drücklich angewendet, was zu einem milderen Urteil geführt hat (sieben Jahre
Freiheitsstrafe wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung), noch
durften die Anforderungen an den zu erbringenden Schuldnachweis wegen der
Ungeheuerlichkeit des Tatvorwurfs abgeschwächt werden. Die Schuld des Ange-
klagten musste einem Bürger gleich bewiesen werden; eine präventive Sicherung
durch lebenslange Freiheitsstrafe gegen den Feind wurde abgelehnt. 807 Insofern

804
BGHSt 49, 112 ff., 124.
805
BGHSt 39, 112 ff., 118.
806
BGHSt 39, 112 ff., 124 f.
C. Übereinstimmungen des Feindstrafrechts 155

liefert die Entscheidung des Bundesgerichtshofs im Fall Motassadeq geradezu ein


Paradebeispiel „antifeindstrafrechtlicher“ Rechtsprechung.

b) Der „Große Lauschangriff“

Unter einem „Lauschangriff“ wird das heimliche Abhören und Aufzeichnen von
Gesprächen innerhalb einer Wohnung verstanden. Werden die Gespräche des Be-
troffenen dabei von außen und insbesondere durch technische Mittel wie Wanzen
oder Richtmikrophone überwacht, spricht man von einem „Großen Lauschan-
griff“. 808 Der Lauschangriff wurde mit Wirkung zum 1. 4. 1998 in Gestalt des
Art. 13 Abs. 3 GG durch verfassungsänderndes Gesetz in das Grundgesetz einge-
fügt. 809 Danach dürfen zur Verfolgung der Tat auf Grund richterlicher Anordnung
technische Mittel zur akustischen Überwachung von Wohnungen, in denen der Be-
schuldigte sich vermutlich aufhält, eingesetzt werden, wenn bestimmte Tatsachen
den Verdacht begründen, dass jemand eine besonders schwere Straftat begangen
hat, und wenn die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise unverhältnis-
mäßig erschwert oder aussichtslos wäre. Die einfachgesetzliche Umsetzung des
Art. 13 Abs. 3 GG erfolgte durch das „Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung
der Organisierten Kriminalität“ vom 4. 5. 1998 durch Ergänzung der §§ 100c ff.
StPO. 810 Der Lauschangriff ist entsprechend der Begriffsbestimmung Jakobs
feindstrafrechtlicher Natur, da es sich um eine geheime Maßnahme handelt 811, der
Betroffene somit nicht als Bürger offen mit der Ermittlung konfrontiert, sondern
quasi rechtslos gestellt wird. Zudem ist die Wohnung normativer Interbereich
des Täters und dürfte somit im Bürgerstrafrecht nicht durch den Staat überwacht
werden. 812 Dies gilt erst recht, wenn der Betroffene innerhalb der Wohnung schutz-
würdige Interna seiner privaten Lebensführung äußert. Darüber hinaus wurde die
Maßnahme erlassen, um die Organisierte Kriminalität zu bekämpfen; sie stellt
folglich Bekämpfungsgesetzgebung gegen Feinde im Sinne Jakobs dar.
Mit Urteil vom 3. 3. 2004 entschied das Bundesverfassungsgericht 813, dass zwar
Art. 13 Abs. 3 GG mit der Verfassung in Einklang steht 814; die einfachgesetzliche

807
Im Übrigen kann auch der Entscheidung des BVerfG, das über den Widerruf der
Aufhebung der Untersuchungshaft zuungunsten von Motassadeq zu urteilen hatte, keine
Tendenz zur präventiven Sicherung von Terroristen entnommen werden, vgl. BVerfG StV
2006, 139 ff.
808
Dagegen findet ein „kleiner Lauschangriff“ statt, wenn ein verdeckter Ermittler
als Kommunikationspartner des Betroffenen zur Informationserlangung eingesetzt wird,
vgl. Valerius, B.: JA 2006, 15 ff., 15 m.w. N.
809
„Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes“ (Artikel 13) vom 26. 3. 1998, vgl. BGBl. I,
S. 610.
810
BGBl. 1998 I, S. 845.
811
Vgl. Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 94. Vgl. auch ders.: ZStW 117 (2005), 839 ff.,
846.
812
Vgl. hierzu auch Kapitel 1 C.I.1.
156 Kap. 2: Überprüfung der deskriptiven Ebene bei Jakobs

Umsetzung habe dagegen den Vorgaben des Art. 13 Abs. 3 GG nicht hinreichend
Rechnung getragen. Zur Begründung führte der Senat an, dass eine Änderung von
Gesetzen grundsätzlich möglich ist, sofern der verfassungsändernde Gesetzgeber
Art. 79 Abs. 3 GG (sog. Ewigkeitsklausel) beachtet. Die Grundgesetzänderung
darf somit nicht die in Art. 1 und 20 GG festgelegten Grundsätze tangieren. „Dabei
führt ein heimliches Vorgehen des Staates an sich noch nicht zu einer Verletzung
des absolut geschützten Achtungsanspruchs“ nach Art. 1 GG. 815 Art. 13 Abs. 3 GG
war insofern jedoch an dem Menschenwürdegehalt des in Art. 13 GG geschützten
Grundrechts zu messen: „Die Unverletzlichkeit der Wohnung hat einen engen
Bezug zur Menschenwürde und steht zugleich im nahen Zusammenhang mit dem
verfassungsrechtlichen Gebot unbedingter Achtung einer Sphäre des Bürgers für
eine ausschließlich private – eine höchstpersönliche – Entfaltung. Dem Einzel-
nen soll das Recht, in Ruhe gelassen zu werden, gerade in seinen Wohnräumen
gesichert sein.“ 816 Dies führe schließlich dazu, dass Art. 13 Abs. 3 GG dahinge-
hend zu verstehen sei, „dass seine gesetzliche Ausgestaltung die Erhebung von
Informationen durch die akustische Wohnraumüberwachung dort ausschließen
muss, wo die Ermittlungsmaßnahme in den durch Art. 13 I i. V. mit Art. 1 I und
Art. 2 I GG geschützten unantastbaren Bereich der privaten Lebensgestaltung vor-
dringen würde.“ 817 Diesen Anforderungen genügen die §§ 100c ff. StPO nicht.
§ 100d Abs. 3 StPO verbiete zwar die Überwachung von Berufsgeheimnisträgern;
ein Überwachungsverbot für Gespräche mit engsten Vertrauten sei dagegen einzig
in dem Fall vorgesehen, in dem sämtliche Erkenntnisse einem Verwertungsverbot
unterliegen. Die zentrale Überwachungsgrundlage, § 100c Abs. 1 Nr. 3 StPO, sei
ebenfalls verfassungswidrig, da sich seine Anwendbarkeit nicht auf „besonders
schwere Straftaten“ (wie in Art. 13 Abs. 3 GG vorgesehen) beschränke. 818 In der
Folge wurde der Gesetzgeber verpflichtet, einen verfassungsgemäßen Zustand
herzustellen.
Am 1. 7. 2005 ist das Gesetz zur Umsetzung des Urteils des Bundesverfas-
sungsgerichts vom 3. 3. 2004 betreffend die akustische Wohnraumüberwachung
in Kraft getreten. 819 Danach darf die akustische Wohnraumüberwachung gemäß

813
BVerfGE 109, 279 ff.; zugleich BVerfG NJW 2004, 999 ff.; Anmerkungen von Krey,
V.: Schwind-FS 2006, S. 725 ff., 732 ff.; Löffelmann, M.: NJW 2005, 2033 ff.; Roggan,
F. in: Blaschke, U. u. a. (Hrsg.): Sicherheit statt Freiheit? 2005, S. 51 ff.; Ruthig, J.: GA
2004, 587 ff.; Sauer, H.: JA 2005, 16 ff; vgl. ferner auch Krehl, C. / Eidam, L. in: Institut
für Kriminalwissenschaften und Rechtsphilosophie Frankfurt a. M. (Hrsg.): Jenseits des
rechtsstaatlichen Strafrechts 2007, S. 138 ff.
814
Abweichend das Minderheitenvotum der Richterinnen Jaeger und Hohmann-Denn-
hardt, wonach Art. 13 Abs. 3 GG insgesamt als verfassungswidrig anzusehen ist, vgl. NJW
2006, 999 ff., 1020 ff.
815
BVerfG NJW 2004, 999 ff., 1002.
816
BVerfG NJW 2004, 999 ff., 1002.
817
BVerfG NJW 2004, 999 ff., 1003.
818
BVerfG NJW 2004, 999 ff., 1004 ff.; vgl. zudem Sauer, H.: JA 2006, 16 ff., 17.
C. Übereinstimmungen des Feindstrafrechts 157

§ 100c Abs. 4 StPO nur angeordnet werden, soweit aufgrund tatsächlicher An-
haltspunkte anzunehmen ist, dass durch die Überwachung Äußerungen, die dem
Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen sind, nicht erfasst werden.
Werden derartige Äußerungen erfasst, die den Kernbereich betreffen, ist die Über-
wachung nach § 100c Abs. 5 StPO zu unterbrechen und die Erkenntnisse sind
unverzüglich löschen. Sie unterliegen einem Verwertungsverbot. 820 Das vorbe-
zeichnete Urteil hat somit dazu geführt, dass eine vormals feindstrafrechtliche
Norm zumindest abgeschwächt wird. Das heißt nicht, dass der Lauschangriff nun-
mehr als qualitativ bürgerstrafrechtliche Ermittlungsmethode anzusehen ist – dies
ist nach der Definition Jakobs unzweifelhaft nicht der Fall, da die akustische
Wohnraumüberwachung auch in der Neufassung heimlich in einen Internbereich
(Wohnung) eindringt, die der staatlichen Kontrolle üblicherweise entzogen ist. 821
Zudem ist kritisch anzumerken 822, dass selbst bei unverzüglichem Löschen von
Äußerungen, die den Kernbereich privater Lebensführung betreffen, eine Ver-
letzung von Interna und damit der Menschenwürde bereits stattgefunden hat.
Bürgerstrafrechtlich sind die Vorschriften durch die Neufassung demzufolge zwar
nicht geworden, sie sind aber zumindest weniger feindstrafrechtlich ausgeprägt,
als dies von der Gesetzgebung zunächst vorgesehen war.

c) Die Vermögensstrafe

Die aufgrund ihrer fehlenden Orientierung am Schuldgrundsatz sowie ihrer prä-


ventiven Ausrichtung feindstrafrechtlich geprägte 823 Vermögensstrafe nach § 43a
StGB a.F. 824 wurde dagegen vom Gericht nicht lediglich in ihrer Anwendbarkeit

819
Vom 24. 6. 2005 (BGBl. I, S. 1841). Kritisch zur Umsetzung Krehl, C. / Eidam, L. in:
Institut für Kriminalwissenschaften und Rechtsphilosophie Frankfurt a. M. (Hrsg.): Jenseits
des rechtsstaatlichen Strafrechts 2007, S. 138 ff., 148 ff.; Krey, V.: Schwind-FS 2006,
S. 725 ff., 736 ff.
820
Vgl. zu den Grenzen des „Großen Lauschangriffs“ etwa auch die Entscheidung in
BGH NJW 2005, 3295 ff. (Anmerkungen von Lindemann, M. / Reichling, T.: StV 2005,
650 ff.; Valerius, B.: JA 2006, 15 f.; vgl. ferner auch Kolz, A. in: Institut für Kriminalwis-
senschaften und Rechtsphilosophie Frankfurt a. M. (Hrsg.): Jenseits des rechtsstaatlichen
Strafrechts 2007, S. 585 ff.). Danach unterliegt das mittels akustischer Raumüberwachung
gewonnene Selbstgespräch des Beschuldigten einem Verwertungsverbot. Ein Selbstge-
spräch stelle kein „Gespräch“ i. S. d. § 100c Abs. 4 S. 3 StPO dar, da hierdurch keine
Äußerung erfolgt, die dazu bestimmt ist, von anderen zur Kenntnis genommen zu wer-
den. Vielmehr habe das Selbstgespräch höchstpersönlichen Charakter und sei daher zum
Kernbereich der privaten Lebensführung zu zählen.
821
Beachtenswert ist insofern jedoch das „bürgerstrafrechtlich“ orientierte Minderhei-
tenvotum der Richterinnen Jaeger und Hohmann-Dennhardt, die von einer generellen
Verfassungswidrigkeit des Art. 13 Abs. 3 GG ausgehen. Art. 13 Abs. 3 GG überschreite die
materielle Grenze, die Art. 79 Abs. 3 GG Eingriffen in die Unverletzlichkeit der Wohnung
nach Art. 13 Abs. 1 GG setzt (NJW 2006, 999 ff., 1020).
822
Vgl. etwa Minderheitenvotum der Richterinnen Jaeger und Hohmann-Dennhardt:
NJW 2006, 999 ff., 1020; Sauer, H.: JA 2005, 16 ff., 17.
158 Kap. 2: Überprüfung der deskriptiven Ebene bei Jakobs

eingeschränkt. Vielmehr verkündete der BGH mit Urteil vom 20. 3. 2002 825, dass
die Vermögensstrafe mit dem Grundgesetz unvereinbar 826 und damit nichtig ist.
Die Vermögensstrafe ist eine Strafe, kein Instrument der Gewinnabschöpfung.
Als solche muss die gesetzliche Ausgestaltung der Vermögensstrafe es von ihr
dem Betroffenen ermöglichen, Art und Ausmaß der staatlichen Sanktion vorher-
zusehen. Dieser Verpflichtung aus Art. 103 Abs. 2 GG ist der Gesetzgeber nicht
nachgekommen. Zwar steht das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG im
Spannungsverhältnis mit dem Schuldprinzip, wonach dem Richter zur Vermei-
dung unverhältnismäßiger und ungerechter Strafen tendenziell ein Strafrahmen
vorgegeben sein muss, aus dem er die im Einzelfall angemessene Strafe zu ent-
nehmen hat. 827 Im Rahmen der Vermögensstrafe ergibt sich aus dem Wortlaut
der Vorschrift jedoch weder, in welchen Fällen des Verweises eines Tatbestands
auf § 43a StGB a.F. neben dem Freiheitsentzug die Vermögensstrafe angeordnet
werden soll. Noch wird dem Richter ein konkreter Strafrahmen vorgegeben, denn
Gegenstand der Vermögensstrafe ist das gesamte Vermögen des Betroffenen, des-
sen Wert der Richter notfalls schätzen muss. 828 Der gesetzliche Strafrahmen soll
jedoch auch den Unwertgehalt ausdrücken, den der Gesetzgeber dem strafbaren
Verhalten beimisst. Er dient dem Richter zur Orientierung für die Einordnung des
von ihm zu entscheidenden Einzelfalls. Diese Funktion kann ein Strafrahmen ohne
bestimmte oder zumindest bestimmbare Obergrenze jedoch nicht erfüllen. Der
Richter muss somit selbst einen Strafrahmen festlegen und erfüllt demzufolge eine
Aufgabe, die der Rechtsetzung obliegt. 829 Durch das Zusammentreffen mehrerer
Strafen lässt sich zudem die Schuldangemessenheit der Strafe schwerer bestim-
men, als dies bei der Festsetzung einer einzigen Strafe, die in ihren Wirkungen
auf den Täter besser abschätzbar ist, der Fall ist. Insofern besteht auch die Gefahr
einer Kollision mit dem Schuldprinzip. 830

2. Tendenz offen gelassen

Ferner hat sich die Rechtsprechung in einigen Fällen offen gehalten, ob feind-
strafrechtliche Erwägungen – gerade unter dem zunehmenden Druck der gegen-

823
Vgl. hierzu Kapitel 2 B.II.2.
824
Eingeführt durch Art. 1 des „Gesetzes zur Bekämpfung des illegalen Rauschgift-
handels und anderer Erscheinungsformen der Organisierten Kriminalität“ vom 15. 7. 1992
(BGBl. I, S. 1302).
825
BGH NJW 2002, 1779 ff.
826
Zur abweichenden Auffassung der Richter Jentsch, Di Fabio und Mellinghoff
vgl. BGH NJW 2002, 1778 ff., 1785.
827
BGH NJW 2002, 1779 ff., 1780.
828
BGH NJW 2002, 1779 ff., 1781 ff.
829
BGH NJW 2002, 1779 ff., 1783 ff.
830
BGH NJW 2002, 1779 ff., 1783.
C. Übereinstimmungen des Feindstrafrechts 159

wärtigen Sicherheitspolitik – in der Zukunft eine Rolle spielen können beziehungs-


weise werden.

a) Das Urteil im Fall Daschner

Das Landgericht Frankfurt am Main 831 entschied im bereits skizzierten Ent-


führungsfall, dass die polizeiliche Androhung von Schmerzen zur Rettung eines
Menschenlebens auf Anordnung des Vize-Polizeipräsidenten Daschner unzuläs-
sig war. Da die beiden Angeklagten keine Revision eingelegt haben, bleibt das
Urteil vorerst das letzte Wort der Rechtsprechung zur Folter beziehungsweise
zu parallel gelagerten ticking bomb-Fällen. Daschner wurde wegen Verleitung
eines Untergebenen zur Nötigung im Amt gemäß § 357 Abs. 1 i.V. m. § 240 Abs. 1
StGB verurteilt. Die zwangsweise Durchsetzung einer Aussage, insbesondere die
Drohung mit Schmerzzufügung, sei – auch zur Gefahrenabwehr – nach den polizei-
rechtlichen Vorschriften (§ 12 Abs. 4 HessSOG i.V. m. § 136a StPO; § 52 Abs. 2
HessSOG) verboten. Auch die Rechtfertigungsgründe der §§ 32, 34 StGB griffen
vorliegend nicht – selbst wenn davon ausgegangen werde, dass jene überhaupt auf
hoheitliches Handeln anwendbar sind. Unabhängig davon, dass im Ausgangsfall
das entführte Kind bereits tot war und damit keine objektive Notwehr- oder Not-
standslage mehr vorlag und zudem die Erforderlichkeit des Mittels zu verneinen
sei 832, sei die Androhung der Schmerzzufügung jedenfalls weder geboten im Sinne
des § 32 StGB noch angemessen im Sinne des § 34 StGB, da die Handlung gegen
Art. 1 Abs. 1 S. 1 GG verstoßen habe. 833
„Dieser fundamentale Satz der Verfassung findet sich auch in Art. 104 I 2 GG wieder,
wonach festgehaltene Personen weder seelisch noch körperlich misshandelt werden
dürfen. Nach Art. 1 I 1 GG ist die Menschenwürde unantastbar. Keine Person darf durch
die Staatliche Gewalt zum Objekt, zu einem Ausbund von Angst und Schmerzen gemacht
werden.“ 834

Dieser Grundsatz wird im Folgenden noch konkretisiert. So beruft sich das


Gericht weitergehend auf Art. 3 EMRK 835, betont die systematische Stellung des
Art. 1 Abs. 1 S. 1 GG an der Spitze der deutschen Verfassung und verweist auf
die historisch gewachsene Bedeutung der Achtung der Menschenwürde nach den
„Gräueltaten des nationalsozialistischen Regimes“, deren Gehalt durch die Ewig-

831
Vgl. LG Frankfurt a. M. NJW 2005, 692 ff.
832
Insofern bestand als milderes Mittel beispielsweise die Möglichkeit, den Beschul-
digten vorrangig mit den Angehörigen des Opfers zu konfrontieren, vgl. LG Frankfurt a. M.
NJW 2005, 692 ff., 693.
833
LG Frankfurt a. M. NJW 2005, 692 ff., 693.
834
LG Frankfurt a. M. NJW 2005, 692 ff., 693.
835
Zum Verstoß der Folter gegen Art. 3 EMRK vgl. auch Eisele, J.: JA 2005, 901 ff.,
903.
160 Kap. 2: Überprüfung der deskriptiven Ebene bei Jakobs

keitsklausel des Art. 79 Abs. 3 GG besonders geschützt und die Voraussetzung


eines Rechtsstaates schlechthin sei. 836 Abschließend äußert das Gericht die Hoff-
nung, dass „durch die umfangreiche Resonanz in der Öffentlichkeit [...] sich der
Blick auch für die Gefahren weitet, die ein Abweichen von der Absolutheit des
Art. 1 I 1 GG mit sich bringt.“ 837
Die an Art. 1 Abs. 1 GG ausgerichtete Begründung des Gerichts mutet zunächst
konsequent anti-feindstrafrechtlich an. Auch der Verbrecher, dessen Tat sich als
absolut verachtenswert darstellt, ist nicht rechtlos zu stellen und als Subjekt zu
behandeln; er ist sogar vor jeder anderweitigen Behandlung aktiv zu schützen.
Dabei ist allerdings anzumerken, dass auch ein Freispruch – unter der Prämisse,
dass die Handlung der Individuen zwar strafrechtlich durch § 32 StGB gedeckt,
öffentlich-rechtlich aber verboten ist 838 – nicht unbedingt als feindstrafrechtlich
bezeichnet werden könnte. 839 Die Norm des § 32 StGB bildet vielmehr eine per-
sönliche Rechtfertigung des Individuums für den Einzelfall, die ausnahmsweise
die Rechtswidrigkeit und damit auch die Strafbarkeit entfallen lassen kann. Sie hat
kein generell staatlich gewährtes Feindstrafrecht zum Inhalt. Als tendenziell feind-
strafrechtlich kann dagegen die Annahme einer öffentlich-rechtlichen Zulässigkeit
der Folter zur Gefahrenabwehr 840 bezeichnet werden, die jedoch mehrheitlich 841
abgelehnt wird. Die gerichtliche Entscheidung im Fall Daschner ging in ihren
tragenden Gründen freilich den ambitioniertesten Weg gegen solche Tendenzen:
Dem Staat sei nicht nur die Androhung von Folter im konkreten Fall verboten; der
Staat dürfe die Androhung durch Individuen nicht einmal vor dem Hintergrund
der Nothilfe dulden. Damit wurde das feindstrafrechtliche Instrumentarium der
Folterdrohung im konkreten Fall gänzlich – und damit auch zulasten des Schutzes
des eigentlichen Opfers von Metzler – abgelehnt. Nicht ganz zu dieser Konse-
quenz der Begründung passen allerdings die außerordentlich milden Strafen für
die Angeklagten. Weitere Einschränkungen machte das Gericht auch in einem
obiter dictum: So führte es weiter aus, dass die Frage der Legitimität von Folter
und deren Androhung hier nur für den Einzelfall zu entscheiden war. Dagegen sei
die „abstrakte Diskussion verfassungsrechtlicher Grundsätze“ 842 nicht die Aufga-
be des Gerichts. Die Jurisprudenz stoße bei tatsächlichem Eintreten der bislang

836
LG Frankfurt a. M. NJW 2005, 692 ff., 693 f.
837
LG Frankfurt a. M. NJW 2005, 692 ff., 697.
838
So etwa Erb, V.: Jura 2005, S. 24 ff., 30; ders.: NStZ 2005, 593 ff.
839
Siehe hierzu auch Fn. 764.
840
Vgl. z. B. Brugger, W.: JZ 2000, 165 ff.
841
Vgl. etwa Christensen, R. in: Blaschke, U. u. a. (Hrsg.): Sicherheit statt Freiheit?
2005, S. 133 ff., 160; Hilgendorf, E.: JZ 2004, 331 ff., 338; Jerouschek, G.: JuS 2005,
296 ff., 300 f.; Kudlich, H.: JuS 2004, 376 ff., 377; Prantl, H.: SZ v. 19. 11. 2004, S. 13;
Reemtsma, J. P.: Folter im Rechtsstaat? 2005, S. 128 f.; Roxin, C.: Eser-FS 2005, S. 461 ff.,
466.
842
LG Frankfurt a. M. NJW 2005, 692 ff., 696.
C. Übereinstimmungen des Feindstrafrechts 161

theoretisch diskutierten Ausnahmesituationen (ticking bomb-Fälle) in Bezug auf


die Anwendbarkeit von Foltermaßnahmen in eine juristische Grauzone und an
ihre Grenzen. 843 Insofern und aufgrund der Tatsache, dass es sich hier nur um die
Auffassung einer Strafkammer eines Landgerichts handelt, bleibt es letztlich offen,
ob die Rechtsprechung in besagten Ausnahmekonstellationen Folter zugunsten
einer effektiven Gefahrenabwehr nicht doch als legitimierbar erachtet. 844 Daraus
lässt sich jedoch auch keine abschließende Stellungnahme hinsichtlich einer feind-
strafrechtlichen oder anti-feindstrafrechtlichen Position der Rechtsprechung im
Folterdiskurs entnehmen.

b) Die Nichtigkeitsbegründung des § 14 Abs. 3 LuftSiG

§ 14 Abs. 3 LuftSiG 845 ermächtigte bekanntermaßen die Streitkräfte zum Ab-


schuss von Luftfahrzeugen, die als Tatwaffe gegen das Leben von Menschen
missbraucht werden sollen, und wurde durch den Ersten Senat des Bundesverfas-
sungsgerichts mit Urteil vom 15. 2. 2006 für mit dem Grundgesetz unvereinbar
und nichtig erklärt. 846 Der Entscheidung liegt zunächst zugrunde, dass dem Bund
die Gesetzgebungskompetenz nach Art. 35 GG zum Erlass der Regelung fehlt.
Art. 35 GG ist nach Auffassung des Bundesverfassungsgericht deshalb einschlägig,
weil der Bund nicht von seiner Kompetenz nach Art. 73 Nr. 1 GG (Verteidigung
einschließlich des Schutzes der Zivilbevölkerung) Gebrauch gemacht hat. Dies
ergibt sich aus Abschnitt 3 des Gesetzes (§§ 13 – 15 LuftSiG), der mit „Unterstüt-
zungen und Amtshilfe durch die Streitkräfte“ überschrieben ist. Danach handelt
es sich bei dem Einsatz nicht primär um die Wahrnehmung einer eigenständigen
Aufgabe des Bundes, sondern „im Rahmen der Gefahrenabwehr“ und der „Unter-
stützung der Polizeikräfte der Länder“ (§ 13 Abs. 1 LuftSiG) um die Hilfe bei der
Bewältigung einer den Ländern obliegende Aufgabe. 847 Art. 35 Abs. 2 S. 2 und
Abs. 3 S. 1 GG erlaubt es dem Bund nicht, die Streitkräfte bei der Bekämpfung

843
LG Frankfurt a. M. NJW 2005, 692 ff., 696.
844
Vgl. aber auch BVerfG NJW 2005, 656 f. Zwar wurde die Verfassungsbeschwerde
von Magnus Gäfgen, der die durch die Polizei erfahrene Behandlung als Folter monierte
und hieraus ein Verfahrenshindernis sowie die Fernwirkung des Beweisverwertungsverbots
ableitete, bereits mangels schlüssiger Darlegung einer entsprechenden Rechtsverletzung
nicht zur Entscheidung angenommen. Gleichwohl stellte das Gericht abstrakt fest, dass
die Anwendung von Folter „die Vernehmungsperson zum bloßen Objekt der Verbrechens-
bekämpfung unter Verletzung ihres verfassungsrechtlich geschützten sozialen Wert- und
Achtungsanspruchs“ mache und „grundlegende Voraussetzungen der individuellen und
sozialen Existenz des Menschen“ zerstöre (vgl. BVerfG NJW 2005, 656 f., 657).
845
Erlassen im Rahmen des LuftSiG vom 11. 1. 2005 (BGBl. I, S. 78).
846
BVerfG NJW 2006, 751 ff.; Anmerkungen beispielsweise von Burkiczak, C. M.: JA
2006, 500 f.; Hecker, W.: KJ 2006, 179 ff.; Merkel, R.: JZ 2007, 373 ff. Kritisch: Hillgruber,
C.: JZ 2006, 209 ff., 214 ff.
847
BVerfG NJW 2006, 751 ff., 754.
162 Kap. 2: Überprüfung der deskriptiven Ebene bei Jakobs

von Naturkatastrophen und besonders schweren Unglücksfällen mit spezifisch


militärischen Waffen einzusetzen. Dies folgt notwendig aus der Aufgabenaus-
richtung im Zuständigkeitsbereich der Gefahrenabwehrbehörden, wonach die Art
der eingesetzten Hilfsmittel entsprechend an der sonst üblichen Qualität der zur
polizeilichen Aufgabenbewältigung herangezogenen Mittel orientiert sein muss.
Dies ist aber beispielsweise bei Bordwaffen eines Kampfflugzeuges, wie sie zu
Maßnahmen des § 14 Abs. 3 LuftSiG verwandt werden dürfen, nicht der Fall. 848
Entsprechendes gilt für Art. 35 Abs. 3 GG, wobei § 14 Abs. 3 LuftSiG darüber
hinaus mit dem Satz 1 dieser Vorschrift unvereinbar ist, weil danach die Bun-
desregierung und nicht – wie im LuftSiG vorgesehen – ein Einzelminister die
Entscheidung über den Einsatz trifft. 849
Der durch das Bundesverfassungsgericht zunächst festgestellte Verstoß gegen
Art. 35 GG und die daraus folgende Nichtigkeit aus formellen Gründen lassen
für sich genommen noch keinen Aufschluss über das „Ob“ einer feindstrafrecht-
lichen Orientierung des Gerichts zu. Zur Klärung dieser Frage, ist vielmehr die
weitere Begründung der Nichtigkeit des § 14 Abs. 3 LuftSiG heranzuziehen. Da-
nach ist die streitige Norm zudem aus materiellen Gründen verfassungswidrig.
Sie ist mit dem Recht auf Leben (Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG) in Verbindung mit der
Menschenwürdegarantie (Art. 1 Abs. 1 GG) nicht vereinbar – jedenfalls soweit
tatunbeteiligte Menschen an Bord des Luftfahrzeuges vom Einsatz der Waffen-
gewalt betroffen werden. 850 Die einem solchen Einsatz ausgesetzten Passagiere
und Besatzungsmitglieder „befinden sich in einer für sie auswegslosen Lage. Sie
können ihre Lebensumstände nicht mehr unabhängig von anderen selbstbestimmt
beeinflussen. Dies macht sie zum Objekt nicht nur der Täter. Auch der Staat, der
in einer solchen Situation zur Abwehrmaßnahme des § 14 Abs. 3 LuftSiG greift,
behandelt sie als bloße Objekte einer Rettungsaktion zum Schutze anderer.“ 851
Denn „eine solche Behandlung missachtet die Betroffenen als Subjekte mit Würde
und unveräußerlichen Rechten. Sie werden dadurch, dass ihre Tötung als Mittel
zur Rettung anderer benutzt wird, verdinglicht und zugleich entrechtlicht; indem
über ihr Leben von Staats wegen einseitig verfügt wird, wird den als Opfern selbst
schutzbedürftigen Flugzeuginsassen der Wert abgesprochen, der dem Menschen
um seiner selbst willen zukommt.“ 852 Danach ist es für das Bundesverfassungsge-
richt „unter der Geltung des Art. 1 Abs. 1 GG schlechterdings unvorstellbar, auf
der Grundlage einer gesetzlichen Ermächtigung unschuldige Menschen, die sich

848
BVerfG NJW 2006, 751 ff., 755. Die Frage, ob die Qualität der Maßnahme mit den
„Waffen“ übereinstimmt, die von den Vollzugsbehörden der Länder nach deren Recht über
die Anwendung unmittelbaren Zwangs eingesetzt werden dürfen, wurde allerdings vom
BVerfG nicht aufgeworfen.
849
BVerfG NJW 2006, 751 ff., 756 f.
850
BVerfG NJW 2006, 751 ff., 757 f.
851
BVerfG NJW 2006, 751 ff., 758.
852
BVerfG NJW 2006, 751 ff., 758.
C. Übereinstimmungen des Feindstrafrechts 163

wie die Besatzung und die Passagiere eines entführten Luftfahrzeuges in einer für
sie hoffnungslosen Lage befinden, [...] vorsätzlich zu töten.“ 853
Dagegen ist § 14 Abs. 3 LuftSiG materiell-verfassungsrechtlich unbedenklich,
soweit sich die Einsatzmaßnahme gegen ein unbemanntes Luftfahrzeug oder ge-
gen den- oder diejenigen richtet, denen ein solcher Angriff zuzurechnen ist. 854 Im
letzteren Fall widerspricht der Abschuss trotz der mit an Sicherheit angrenzender
Tötung des Aggressors nicht der Menschenwürdegarantie. Vielmehr wird gerade
auf die Subjektsstellung des Angreifers Bezug genommen, wenn ihm sein Ver-
halten zugerechnet wird und er insofern die Folgenverantwortung trägt. 855 Diese
Argumentation des Bundesverfassungsgerichts dürfte im Übrigen deckungsgleich
mit dem Begründungsmodell der Vorschriften über den finalen Rettungsschuss 856
sein, da sich auch in diesem Fall die tödliche Maßnahme gegen den Angreifer
selbst richtet.
Damit bleibt festzuhalten, dass das Bundesverfassungsgericht zwar die Hinnah-
me von Kollateralschäden gemäß § 14 Abs. 3 GG im Rahmen der Unterstützung
und Amtshilfe durch die Streitkräfte – so das gesetzgeberische Anliegen im Ab-
schnitt 3 des LuftSiG nach Auslegung des Bundesverfassungsgerichts – nicht
dulden wollte. Stattdessen sind die Menschenwürde und das Recht auf Leben
der tatunbeteiligten Insassen als gleichwertig mit der staatlichen Verpflichtung
zum Lebensschutz der potentiellen Opfer zu erachten, die gegebenenfalls durch
den von den Entführern des Luftfahrzeuges beabsichtigten Absturz betroffen wer-
den. Insofern scheint der Entscheidung wenig feindstrafrechtliches Gedankengut
innezuwohnen. Allerdings hat sich das Gericht – vergleichbar dem Urteil des
Landgerichts Frankfurt im Fall Daschner – durch die Bezugnahme auf das gesetz-

853
BVerfG NJW 2006, 751 ff., 758. Nach Depenheuer kommt diese Argumentation
einer Einladung an Terroristen gleich, ihre Terrorakte zukünftig in Deutschland mittels
unschuldiger Geiseln zu verüben. Die Menschenwürde avanciere zum absoluten Hand-
lungsstopp staatlicher Selbstbehauptung. Dadurch werde die ohnehin aufgrund der Lücken-
haftigkeit der Sicherheitsverfassung minimierte Abwehrbereitschaft des Staates gegenüber
dem Terrorismus zusätzlich geschwächt und die Asymmetrie im Kampf gegen den Terror
noch verschärft. Die Entscheidung verdeutliche insofern die verfassungsrechtliche Flucht
aus der Verantwortung für das politische Gemeinwesen. Der Ausnahmezustand werde
verdrängt und stattdessen werde in einen wirklichkeitsblinden und letztlich verantwortungs-
losen Verfassungsautomatismus abgeglitten (vgl. Depenheuer, O.: Selbstbehauptung des
Rechtsstaates 2007, S. 20, 25 ff., 28 f., 80 f.); vgl. ferner auch die Kritik bei Isensee, J.:
Jakobs-FS 2007, S. 205 ff., 228 ff.
854
BVerfG NJW 2006, 751 ff., 757, 760.
855
Die Ausführungen des BVerfG erinnern insofern an die Argumentation Jakobs, der
bürgerliche Täter werde gerade durch die Strafe, die sich als Kommunikationsakt darstellt,
als Person ernst genommen (vgl. Jakobs, G.: Das Schuldprinzip 1993, S. 27), wenn gleich
der Abschuss natürlich weniger repressive Strafe als vielmehr präventive Abwehr darstellt.
856
Vgl. Regelungen in den Polizeigesetzen der Länder wie etwa § 63 Abs. 2 S. 2
RhPfPOG, § 60 Abs. 2 S. 2 HSOG, Art. 66 Abs. 2 S. 2 BayPAG, § 54 Abs. 2 BadWürttPolG,
§ 64 Abs. 2 ThürPAG, § 65 Abs. 2 S. 2 SachsAnhSOG, § 34 Abs. 2 SächsPolG.
164 Kap. 2: Überprüfung der deskriptiven Ebene bei Jakobs

geberische Anliegen, die streitige Norm betreffe die Unterstützung und Amtshilfe
durch die Streitkräfte und die Regelungskompetenz leite sich entsprechend aus
Art. 35 GG ab, einer eindeutigen Stellungnahme entzogen. 857 Hierdurch musste
das Gericht nämlich nicht entscheiden, ob der Einsatz der Bundeswehr in ver-
gleichbaren Extremfällen gegebenenfalls aus Gründen der Landesverteidigung
beziehungsweise zum Schutze der Zivilbevölkerung geboten ist – insofern käme
dem Bund die Gesetzgebungskompetenz nach Art. 73 Nr. 1 GG zu. Es bleibt also
offen, ob eine Tötung unschuldiger Personen durch den Staat stets und ausnahms-
los verfassungsrechtlich – auch durch eine Verfassungsänderung – ausgeschlossen
ist. 858

3. Tendenziell feindstrafrechtliche Rechtsprechung

Darüber hinaus spielt im Rahmen der Urteilsbegründung der Grundgedanke


einer effektiven Strafverfolgung und Verbrechensbekämpfung sowie einer wirksa-
men Aufklärung gerade schwerer Verbrechen zunehmend eine tragende Rolle. 859
Dies hat partiell zur Folge, dass gerade die Rechte bestimmter Beschuldigter
besonders eingeschränkt werden. Insofern geht das feindstrafrechtliche Potential
der Rechtsprechung über die bloße Gesetzesanwendung hinaus. Vielmehr kann
sie durch Auslegung eigenes, feindstrafrechtlich geprägtes Recht entwickeln, wie
nachfolgend an einigen Beispielen aufgezeigt werden soll.

a) Die Auslegung des Begriffs „Handeltreiben“ im


Betäubungsmittel-, Kriegswaffenkontroll- und Waffengesetz

Der Begriff des Handeltreibens ist neben §§ 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 29a Abs. 1
Nr. 2, 30 Abs. 1 Nr. 1; 30a Abs. 1 und 2 Nr. 1, 2 Betäubungsmittelgesetz (BtMG)
auch in §§ 17 Abs. 1 Nr. 1, 18 Nr. 1, 19 Abs. 1 Nr. 1, 20 Abs. 1 Nr. 1 Kriegswaffen-
kontrollgesetz (KWKG) und §§ 51 Abs. 1, 52 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 lit. c, Abs. 3
Nr. 1 Waffengesetz (WaffG) enthalten. Diesen Vorschriften ist zunächst gemein-
sam, dass der Gesetzgeber in der Form des Handeltreibens – sowie im Übrigen
durch zahlreiche andere Handlungsalternativen wie zum Beispiel dem Einführen,
der Inbesitznahme oder dem Erwerben im BtMG, KWKG und WaffG – Strafbar-

857
Vgl. auch Fazit bei Merkel, R.: JZ 2007, 373 ff., 385.
858
Schenke, W.-R.: NJW 2006, 736 ff., 738; vgl. auch Arnold, J.: HRRS 8 –9/2006,
303 ff., 313.
859
Vgl. u. a. BVerfGE 34, 238 ff., 248; 44, 353 ff., 374; 46, 214 ff., 222; 77, 65 ff., 76;
80, 367 ff., 375; 106, 28 ff., 49; BGHSt 44, 13 ff., 15; 46, 266 ff., 273; 47, 172, 179. Kritisch
Hassemer, W.: StV 1982, 275 ff.; ders.: StV 90, 328 ff.
Zum weitergehenden Begründungsmodell der „Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspfle-
ge“ in der Rechtsprechung des BVerfG und zu dessen Herleitung vgl. etwa Landau, H.:
NStZ 2007, 121 ff.
C. Übereinstimmungen des Feindstrafrechts 165

keitsvorverlagerungen 860 geschaffen hat, da Verhaltensweisen sanktioniert werden,


die weit vor der eigentlichen Rechtsgutsverletzung liegen. Zweck dieser Vorverla-
gerungen ist frühzeitige Prävention. Es soll verhindert werden, dass Objekte und
Substanzen, deren Umgang allgemein als riskant einzustufen ist, unkontrolliert
in den Verkehr gelangen können. Zudem richten sich die Vorschriften an Täter,
die aufgrund der Art der Deliktsbegehung als gefährlich und damit als Feinde der
Gesellschaft gelten, wie beispielsweise Straftäter im Bereich der Drogenkrimina-
lität. 861 Entsprechend handelt es sich bei den genannten Normen um durch den
Gesetzgeber geschaffenes (tendenzielles) Feindstrafrecht nach dem Jakobsschen
Modell.
Anhand des Begriffs des Handeltreibens in den obigen Gesetzesvorschriften
soll weiterhin aber auch aufgezeigt werden, dass sich auch die Rechtsprechung
den – nach Jakobs – feindstrafrechtlichen Tendenzen nicht verschließt. Insofern
wird nämlich die Vorgabe durch den Gesetzgeber nicht restriktiv ausgelegt, son-
dern es wird infolge eines weiten Gesetzesverständnisses die Strafbarkeit so weit
vorverlagert, wie es der Wortlaut der entsprechenden Norm gerade noch zulässt.
Anknüpfungspunkt bildet hierbei die Rechtsprechung zum Begriff des „Handel-
treibens“ nach § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BtMG, die erst kürzlich Gegenstand eine Vor-
lagebeschlusses des Großen Senats 862 war. Nach dem weiten Gesetzesverständnis
der Rechtsprechung reicht es für die Annahme vollendeten Handeltreibens bereits
aus, wenn der Täter bei einem beabsichtigten Ankauf von zum gewinnbringen-
den Weiterverkauf bestimmten Betäubungsmitteln in ernsthafte Verhandlungen
eintritt, aber keine Einigung mit dem Lieferanten erzielt. 863 Handeltreiben ist
kein Erfolgsdelikt 864, so dass weder der Abschluss eines Vertrags noch dessen
Erfüllung oder die Anbahnung bestimmter Geschäfte vorausgesetzt wird. 865 Auch

860
Zur Vorfeldkriminalisierung und entsprechenden Normierungen vgl. Ausführungen
bei Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 751 ff. (bzw. Kapitel 1 C.II.1. dieser Arbeit).
861
Vgl. Ausführungen zum Feindbegriff in Bezug auf Drogenkriminalität bei Jakobs,
G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende 2000,
S. 47 ff., 51, 52, wobei fraglich bleibt, ob beispielsweise der Drogendealer nicht viel-
mehr von der Gesellschaft profitiert bzw. sogar auf deren Mitglieder als potentielle Käufer
angewiesen ist und sich insofern gerade nicht außerhalb des Gesellschaftssystems bewegen,
sondern parasitär auf Kosten der Gesellschaft leben will.
862
Vgl. BGH, Beschluss vom 26. 10. 2005 – GSSt 1/05 in NJW 2005, 3790 ff.; zum
Vorlagebeschluss vgl. BGH StV 2005, 334 ff.; zum Anfragebeschluss vgl. BGH StV 2003,
501 ff.; Anmerkungen von Weber, K.: JR 2006, 139 ff.
863
Ständige Rechtsprechung, vgl. BGHSt 29, 239 ff., 239 f.; 30, 359 ff., 361; BGH
NStZ 2000, 207 f., 207. Bestätigt durch den vom 3. Strafsenat angerufenen großen Senat
für Strafsachen, BGH NJW 2005, 3790 ff. (Vorlagebeschluss BGH StV 2005, 334 ff.).
Dagegen liegt nur ein versuchtes Handeltreiben vor, wenn der Angeklagte, in der festen
Absicht, Betäubungsmittel zu erwerben, mit „Dealern“ in Kontakt tritt, die nicht bereit
sind, Ware an ihn abzugeben. In diesem Fall fehlt es an dem Merkmal der „ernsthaften
Verkaufsverhandlungen“ zur Annahme einer vollendeten Tat, vgl. StV 2006, 136.
864
BVerfG NJW 2007, 1193 f., 1193.
166 Kap. 2: Überprüfung der deskriptiven Ebene bei Jakobs

hindert es die Vollendung nicht, wenn die Verhandlungen mit einem verdeckten
Ermittler geführt werden 866 oder die angebotene Ware nicht im Besitz des Anbie-
ters oder gar nicht existent ist beziehungsweise nicht beschafft werden kann 867,
also ein tatsächlicher Absatz von Anfang an unmöglich ist. 868 Insofern wird die
durch den Gesetzgeber ohnehin bereits getroffene Vorverlagerung der Strafbarkeit
nicht restriktiv durch die richterliche Auslegung beschränkt, sondern im Gegenteil
noch erweitert: Die Vollendung erstreckt sich danach auch auf Fallkonstellationen,
die typischer Weise dem Versuch zugerechnet werden. Damit bekräftigt und opti-
miert die Rechtsprechung das gesetzgeberische Mittel der Vorfeldkriminalisierung
zur Verfolgung des kriminalpolitischen Ziels einer effektiven Bekämpfung jegli-
cher Betäubungsmitteldelinquenz zulasten des Bestimmtheitsgebots nach Art. 103
Abs. 2 GG 869. 870 Die Auslegung ist von nicht zu gering schätzender Bedeutung,
da dem unerlaubten Handeltreiben ein großer Stellenwert in der strafrechtlichen
Praxis zukommt. 871
Die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zum „Handel treiben“
im Betäubungsmittelstrafrecht sind entsprechend auf die Parallelvorschriften im
Kriegswaffenkontrollgesetz (§ 17 Abs. 1 Nr. 1, § 18 Nr. 1, § 19 Abs. 1 Nr. 1, § 20
Abs. 1 Nr. 1 KWKG) und im Waffengesetz (§§ 51 Abs. 1, 52 Abs. 1 Nr. 1 und
Nr. 2 lit. c, Abs. 3 Nr. 1 WaffG) zu übertragen. Hinsichtlich der Handlungsalter-
native des Handeltreibens im KWKG, das durch das Gesetz zur Verbesserung
der Überwachung des Außenwirtschaftsverkehrs und zum Verbot von Atomwaf-
fen, biologischen und chemischen Waffen vom 5. November 1990 872 als neues
Tatbestandsmerkmal eingefügt worden ist, hat der Gesetzesentwurf der Bun-
desregierung 873 explizit auf den Begriff des Handeltreibens im Sinne des § 29

865
BGHSt 29, 239 ff., 240; 30, 359 ff., 361.
866
BGH StV 1981, 276 f., 276; BGHSt 30, 277 ff., 278; BGH NStZ 2000, 207 ff., 208.
867
BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 31; BGHSt 25, 290 ff., 291; BGH
MDR 1980, 683 ff., 684; BGH NStZ 1986, 557 ff; BGH NStZ 2000, 207 ff., 208.
868
Dies wirkt sich besonders krass in den Fällen des sog. „agent provocateur“ aus
[vgl. hierzu den nachfolgenden Unterpunkt, Kapitel 2 C.II.3.b)]. Der zur Tat Provozierte
wird im Vorstadium wegen Vollendung (!) bestraft, obwohl er durch den Lockspitzel zur ver-
meintlichen Tat „angestiftet“ wurde und ohne dass eine tatsächliche Rechtsgutsverletzung
hätte eintreten können.
869
Zur Wortsinngrenze des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln im Rahmen des
Art. 103 Abs. 2 GG vgl. jüngst auch BVerfG NJW 2007, 1193 f.
870
Zur Kritik an dem weiten Gesetzesverständnis der Rechtsprechung wird u. a. ange-
führt, dass die Grenzen zwischen Vorbereitung, Versuch und Vollendung verschwömmen
und keine klare Abgrenzung zwischen Täterschaft und Teilnahme möglich sei, vgl. Roxin,
C.: StV 1992, 517 ff., 518; ders.: StV 2003, 619 ff., 620; Endriß, R. / Kinzig, J.: NJW 2001,
2317 ff., 2319 m.w. N.
871
Vgl. Weber, K.: JR 2006, 139 ff., 139 f.
872
BGBl. 1990 I, S. 2429.
873
BT-Drucks. 11/4609, S. 9.
C. Übereinstimmungen des Feindstrafrechts 167

Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG Bezug genommen. 874 Im Waffengesetz befindet sich
sogar eine Legaldefinition des Waffenhandels in Anlage 1 Abschnitt 2 Nr. 9 zum
Waffengesetz vom 11. 10. 2002 875, nach der der fehlende Umsatz ein vollende-
tes Handeltreiben gleichfalls nicht ausschließt, da auch Handlungsalternativen
wie das bloße „Feilhalten“ oder „Bestellungen aufsuchen oder entgegennehmen“
erfasst sind. Ferner spricht für ein einheitliches Gesetzesverständnis neben der
Einheit der Rechtsordnung und Art. 103 Abs. 2 GG, dass sich auch sonstige Tatbe-
stände des Nebenstrafrechts, die um die Alternative des Handeltreibens bereichert
wurden, sich am Betäubungsmittelrecht orientieren. Das im Arzneimittelrecht
enthaltene Tatbestandsmerkmal Handeltreiben (§ 95 Abs. 1 Nr. 4 AMG) ist als
deckungsgleich mit dem entsprechenden Begriff des Betäubungsmittelrechts zu
verstehen. 876 Des Weiteren wird auch in der Gesetzesbegründung zum Transplan-
tationsgesetz (§§ 17 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, 18 Abs. 1 TPG) in Parallele zu § 29 Abs. 1
Nr. 1 BtMG angeführt: „Verhandlungen vor Vertragsschluss, Verkaufsangebote,
selbst ernsthafte, wenngleich misslungene Ankaufsbemühungen in Weiterveräu-
ßerungsabsicht sind auf Umsatz gerichtet und stellen vollendetes Handeltreiben
dar.“ 877

b) Die Rechtsprechung zum „agent provocateur“

Von dem Schlagwort des „agent provocateurs“ werden die Fälle erfasst, in
denen der allenfalls Tatgeneigte durch einen polizeilichen Lockspitzel erst zu
einer bestimmten Tat verleitet wird. Das heißt, es wird auf Veranlassung oder mit
Einwilligung einer staatlichen Stelle auf eine Zielperson eingewirkt, um deren
Verhalten so zu steuern, dass sie einer Straftat überführt werden kann. 878 Derartige
Tatprovokationen werden überwiegend im Bereich der Betäubungsmittelkrimi-
nalität veranlasst 879 und damit in einem Delinquenzbereich, dessen Akteure der
Feindkategorie nach Jakobs zuzuordnen sind. Dabei bleibt der „agent provocateur“
mangels Vollendungswillen in Bezug auf die Haupttat regelmäßig straflos, wäh-
rend der Angestiftete trotz Fehlens einer realen Rechtsgutsbeeinträchtigung aus
Vollendung bestraft wird. Der allenfalls Tatgeneigte wird also in eine Straftat ge-
trieben, aus der er dann bestraft werden kann. Anknüpfungspunkt ist nicht einmal
eine Vorverlagerungsnorm wie § 30 StGB, sondern die generelle Gefährlichkeit
eines bestimmten Tätertypus, der zwecks Überführung und insofern auch zwecks
Sicherung direkt in die vermeintliche Rechtsgutsverletzung – die schließlich seine

874
Vgl. BGH NJW 2005, 3790 ff., 3791 f.; vgl. auch Weber, K: NJW 2004, 66 ff., 66.
875
BGBl. 2002 I, S. 3970.
876
BGH NJW 2005, 3790 ff., 3792; BGH NStZ 2004, 457 ff., 458.
877
BT-Drucks. 13/4355, S. 30.
878
Weber, K.: BtmG 2003, Vor §§ 29 ff. Rn. 775.
879
Weber, K.: BtmG 2003, Vor §§ 29 ff. Rn. 774.
168 Kap. 2: Überprüfung der deskriptiven Ebene bei Jakobs

Gefährlichkeit bestätigt – getrieben wird. Abgestellt wird insofern eigentlich auf


die bloße Bereitschaft des Betroffenen, eine Tat zu begehen (abstrakte Gefähr-
dung), so dass im Ergebnis vielmehr die Täterpersönlichkeit als die konkrete Tat
bestraft wird, denn gerade zu dieser wäre es ohne das tatprovozierende Verhalten
gar nicht gekommen. 880 Hierdurch zeigt sich wiederum der präventive Charakter
der Lockspitzel-Praxis, denn letztlich soll einer unbestimmten Tat, von der zulas-
ten des Tatgeneigten unterstellt wird, er werde sie noch begehen, voraus gegriffen
werden. Indem der Betroffene nämlich auf eine vermeintliche bestimmte Tat ange-
setzt wird, ist die Allgemeinheit vor der unbestimmten zukünftigen Tat geschützt.
Die Zulässigkeit des „agent provocateurs“ folgt dabei aus dem Erfordernis einer
effektiven Kriminalitätsbekämpfung 881 und schließt insofern anstandslos an den
Trend zur Bekämpfungsgesetzgebung an – auch wenn ein Gesetz in diesem Fall
gerade noch fehlt. Die Rechtsprechung bildet somit ein eigenes ungeschriebenes
Bekämpfungsgesetz.
Über die generelle Zulässigkeit des „agent provocateurs“ als gesinnungsstraf-
rechtliche und präventive Bekämpfungsmaßnahme hinaus, weist auch die für diese
Fälle von der Rechtsprechung entwickelte „Strafzumessungslösung“ 882 eine feind-
strafrechtliche Orientierung auf. Danach wirkt sich selbst der unzulässige Einsatz
des Lockspitzels – wenn etwa kein Anfangsverdacht im Sinne des § 160 Abs. 1
StPO bestand – nur als Strafmilderungsgrund auf Strafzumessungsebene aus. 883
Die Unzulässigkeit führt also nicht zur Straflosigkeit des zur Tat Provozierten und
dürfte insofern als eine Art Garantie zu sehen sein, als gefährliche geltende Täter
wegzusperren.

880
Eine einprägsame Metapher für die Fälle der Tatbegehung unter staatlicher Aufsicht
(neben dem Geschäft mit dem angedachten Drogendealer etwa auch das Anheuern eines
vermeintlichen Auftragskillers, der sich als sich als Polizist entpuppt) bildet insofern
Dershowitz: It is like „building a trap for a wolf that is eating the farmer’s sheep and
baiting it with a dead animal“ (Dershowitz, A. M.: Why Terrorism Works 2002, S. 17,
wonach derartige Prävention mit der Situation vergleichbar ist, dass der Bauer dem für
seine Schafherde gefährlichen Wolf ein totes Tier als Köder vorwirft, damit die Falle erst
zuschnappt). Interessant ist die Metapher vor allem auch in der Hinsicht, dass Dershowitz
den in die Falle gelockten Täter als Wolf darstellt. Dies erinnert unweigerlich an die
Ausführungen zur tiergleich-kreatürlichen Existenz des gefährlichen Individuums und
seiner Bekämpfung als vergleichsweise Jagd auf ein wildes Tier bei Jakobs, G.: Staatliche
Strafe 2004, S. 41; Lesch, H. H.: GA 2000, 355 ff., 363; Pawlik, M.: GA 1998, 378 ff., 379 f.
Der grundsätzlich gefährliche Täter wird jeweils als (wildes) Tier gesehen, das nicht zum
selbständigen Denken befähigt, sondern überwiegend Instinkt geleitet ist. Sein Verhalten
muss daher (staatlich) gelenkt, in den Worten Jakobs „fremd verwaltet“ werden.
881
Vgl. etwa BVerfG NJW 1995, 651 f., 652; BGHSt 47, 44 ff., 50.
882
Grundlegend BGHSt 32, 345 ff., 355.
883
BGHSt 32, 345 ff., 355; 45, 321 ff., 325 f., 335 f.; 47, 44 ff., 47.
C. Übereinstimmungen des Feindstrafrechts 169

c) Die Vernehmung von V-Leuten insbesondere


in Fällen der Organisierten Kriminalität

Ein weiteres Beispiel tendenziell feindstrafrechtlicher Rechtsbildung stellt die


Rechtsprechung zur Vernehmung von V-Leuten dar. V-Leute sind externe Ver-
trauenspersonen im oder mit Kontakten zum kriminellen Milieu, die die Straf-
verfolgungsbehörde bei der Aufklärung von Straftaten unterstützen. 884 Insofern
besteht seitens der V-Leute selbst wie auch seitens der Behörden ein reges Inter-
esse an der Wahrung seiner Anonymität. Denn andernfalls drohen den V-Leuten
Racheakte aus der kriminellen Szene und der Staat wäre zudem der milieuinternen
Informationsquelle beraubt. Das beschriebene Interesse an der Geheimhaltung der
Person des V-Mannes kollidiert jedoch im Strafprozess mit dem Grundsatz der
Unmittelbarkeit. Danach ist grundsätzlich jeder Zeuge in der Hauptverhandlung
persönlich zu vernehmen, § 250 StPO. Der Unmittelbarkeitsgrundsatz dient der
Wahrheitsfindung, er sichert jedoch auch das Konfrontations- und Fragerecht des
Angeklagten aus Art. 6 Abs. 3 lit. b EMRK, da die Verteidigung durch die unmit-
telbare Anwesenheit des Zeugen in die Lage versetzt wird, selbst Fragen an jenen
zu richten. Wird der V-Mann nunmehr in der Hauptverhandlung unmittelbar als
Zeuge vernommen, birgt dies die Gefahr, dass seine Identität enthüllt wird – selbst
wenn von den Möglichkeiten der §§ 68 Abs. 2 und Abs. 3 (Verschweigen des
Wohnorts, Verzicht auf Angaben zur Person), 247 S. 1 (Ausschluss des Angeklag-
ten), 247a StPO (Videosimultanübertragung 885), § 172 Nr. 1a GVG (Ausschluss
der Öffentlichkeit) zum Schutze des V-Mannes Gebrauch gemacht wird. Dieser
Gefahr kann nach dem zuvor Gesagten grundsätzlich dadurch begegnet werden,
dass die Zeugenvernehmung in der Hauptverhandlung durch die Verlesung eines
Vernehmungsprotokolls ersetzt wird. Dies setzt jedoch eine Ausnahmesituation
nach § 251 StPO voraus. § 251 StPO beinhaltet jedoch keine Regelung, dass eine
Verlesung ausnahmsweise in Betracht kommt, wenn die persönliche Vernehmung
Rechtsgutsbeeinträchtigungen des Zeugen erwarten lässt. Um dennoch zu einer
Ausnahmekonstellation zu gelangen, in der § 251 StPO einschlägig und damit eine
Verlesung statt der persönlichen Vernehmung zulässig ist, behilft sich die Praxis
mit folgender Konstruktion: Die obere Dienstbehörde erlässt eine Sperrerklärung
gemäß § 96 StPO analog 886, nach der der V-Mann nicht benannt werden darf.
Gleichfalls kann der Richter die Kontaktdaten des V-Mannes nicht beim polizei-
lichen Vernehmungsbeamten in Erfahrung bringen, da dieser wegen § 54 Abs. 1
StPO zu Verschwiegenheit verpflichtet ist. Das Gericht kann zwar eine Überprü-

884
Vgl. im Detail BGHSt 32, 115 ff., 121.
885
Zur Videosimultanübertragung von V-Leuten unter optischer und akustischer Ab-
schirmung vgl. BGH StV 2002, 639 ff.; BGH StV 2006, 682 f.; kritisch dazu Schuster, F. P.:
StV 2007, 507 ff.
886
BGHSt 32, 115 ff., 123 m.w. N. Bei verdeckten Ermittlern im Sinne der §§ 110a ff.
StPO besteht dagegen in § 110b Abs. 3 StPO eine direkte Grundlage für die Sperrerklärung.
170 Kap. 2: Überprüfung der deskriptiven Ebene bei Jakobs

fung der Sperrerklärung verlangen, führt diese jedoch zu keinem anderen Ergebnis,
bleibt es beim Status quo. 887 Der Zeuge ist in absehbarer Zeit unerreichbar im
Sinne von § 244 Abs. 3 StPO; seinem Erscheinen in der Hauptverhandlung stehen
„andere nicht zu beseitigende Hindernisse“ entgegen (§ 223 Abs. 1 StPO). Danach
kann der Zeuge durch einen Richter vernommen werden und schließlich doch
das Vernehmungsprotokoll gemäß § 251 Abs. 1 StPO in der Hauptverhandlung
verlesen werden. 888 Überdies kann – da § 251 StPO lediglich ein Verlesungsverbot
enthält – der Vernehmungsbeamte des V-Mannes als Zeuge vom Hörensagen ver-
nommen werden, der V-Mann selbst wird hierdurch aber wohl kaum ersetzt. Dass
dies keinesfalls selbstverständlich ist, zeigt das österreichische Recht. Hier kann
das Verlesungsverbot weder durch die Vernehmung des Zeugen vom Hörensa-
gen umgangen werden (unzulässige Umgehung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes
nach § 252 Abs. 4 ÖstStPO) noch bildet die Unerreichbarkeit eines Zeugen einen
Verlesungsgrund gemäß § 252 Abs. 1 Nr. 1 ÖstStPO. 889
Die feindstrafrechtliche Ausrichtung der Rechtsprechung zeigt sich hier zu-
nächst an der generellen Zulässigkeit des Einsatzes von V-Leuten. Bedient sich
der Staat einer solchen Ermittlungsmethode, nutzt er die interne Vertrauensposi-
tion des V-Mannes aus und leitet die Informationsgewinnung ohne Wissen des
Betroffenen und oftmals im weit vorgelagerten Stadium eines konkreten Delikts
ein. Damit handelt es sich beim Einsatz von V-Leuten um prozessuales Feind-
strafrecht 890, das – anders als der Einsatz verdeckter Ermittler nach §§ 110a ff.
StPO – keine Regelungsgrundlage in der Strafprozessordnung findet. Dennoch
erachtet die Rechtsprechung den Einsatz von V-Personen zur Bekämpfung be-
sonders gefährlicher und schwer aufklärbarer Kriminalität, zu der insbesondere
auch der Rauschgifthandel gehört, als notwendig und zulässig. 891 Folglich geht
es primär um die Sicherung einer Gefahrenquelle, so dass es sich hierbei – wie
schon im Rahmen der Behandlung des „agent provocateurs“ – um ungeschriebe-
nes Bekämpfungsrecht gegen bestimmte Tätertypen handelt. Vertieft wird diese
feindstrafrechtliche Prozessmaßnahme im Hauptverfahren, indem der V-Mann bei
Vorliegen einer Sperrerklärung nicht persönlich vernommen, sondern vielmehr
eine Verlesungsausnahme wegen Unerreichbarkeit nach § 251 Abs. 1 Nr. 2 StPO
konstruiert wird. Der Staat schafft schließlich die Unerreichbarkeit durch die
Sperrung des V-Mannes selbst. 892 Die Rechtsprechung lässt die staatliche Fiktion

887
Erzwingen kann das Gericht die Änderung der Behördenentscheidung jedenfalls
nicht (BGHSt 32, 115 ff., 126). Die komplette Sperrung eines Zeugen muss allerdings auf
Ausnahmefälle beschränkt bleiben, vgl. BGH NStZ 2005, 43 f., 43; Anmerkungen von
Ellbogen, K.: JA 2005, 334 ff.
888
BGHSt 32, 225 ff., 126 f.
889
ÖstOGH NStZ 2005, 346 ff.; Anmerkungen von Rosbaud, C.: HRRS 4/2005, 131 ff.
890
Vgl. schon Jakobs zitiert bei Heger, M.: ZStW 117 (2005), 865 ff., 886: Einem
Bürger schicke man keinen V-Mann ins Haus.
891
BVerfGE 57, 250 ff., 284; BGHSt 32, 115 ff., 121 f. m.w. N.
C. Übereinstimmungen des Feindstrafrechts 171

ausdrücklich zu und trägt damit dazu bei, dass zulasten des bespitzelten Betroffe-
nen der Unmittelbarkeitsgrundsatz (§ 250 StPO) umgangen und zugleich dessen
Frage- und Konfrontationsrecht (Art. 6 Abs. 3 lit. b EMRK) beschnitten wird.

d) Der Vernehmungsrichter als Zeuge vom Hörensagen insbesondere


in Fällen von Sexualdelinquenz und Organisierter Kriminalität

§ 252 StPO bestimmt ausdrücklich ein Verlesungsverbot für den Fall, dass der
zur Zeugnisverweigerung berechtigte Zeuge erst in der Hauptverhandlung von
seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch macht. Die Rechtsprechung legt
den Anwendungsbereich des § 252 StPO jedoch grundsätzlich über den Wort-
laut hinaus aus. Danach enthält die Vorschrift neben dem ausdrücklichen Ver-
lesungsverbot auch ein Verwertungsverbot 893, so dass die frühere Aussage des
nunmehr Zeugnis verweigernden Zeugen im Ermittlungsverfahren nicht durch
andere Beweise, zum Beispiel der Vernehmung der Verhörperson als Zeuge vom
Hörensagen, eingeführt werden kann. Eine konsequente Handhabung würde aller-
dings zu erheblichen Beweisschwierigkeiten und gegebenenfalls zum Freispruch
führen, wenn der betreffende Zeuge die einzige Person, die Angaben zum Tat-
geschehen machen kann, oder jedenfalls Hauptbelastungszeuge ist. Eine solche
Fallkonstellation ergibt sich regelmäßig bei Opfern häuslicher Gewalt oder sexu-
ellen Übergriffen durch Angehörige. Nicht untypisch ist in der Praxis auch die
plötzliche Verlobung der (Zwangs-)Prostituierten mit ihrem Zuhälter. Während
die Betroffenen in der Regel im Ermittlungsverfahren noch aussagen, verweigern
sie in der Hauptverhandlung infolge der familiären Belastung, psychischem oder
physischem Druck (zumeist) ihre Aussage gemäß § 52 StPO. 894 Eine Ersetzung der
Aussage des Zeugen durch Verlesung der Vernehmung im Ermittlungsverfahren
kommt sodann mangels Einschlägigkeit einer Ausnahmesituation des § 251 StPO
nicht in Betracht, zumal § 252 StPO dem ebenfalls explizit entgegensteht. Selbst
die Vorführung einer eventuell im Ermittlungsverfahren durchgeführten Bild-Ton-

892
Vgl. Schuster, F. P.: StV 2007, 507 ff., 509.
893
Andernfalls wäre die Vorschrift überflüssig, vgl. BGHSt 2, 99 ff., 102; 42, 391 ff.,
397; 45, 203 ff., 205.
894
In England / Wales wurde das Problem anderweitig, im Ergebnis aber ähnlich, gelöst.
Dort besteht schon gar kein Zeugnisverweigerungsrecht für Angehörige wie etwa die Kin-
der oder die Eltern des Beschuldigten. Selbst der Ehegatte hat nur ein sehr eingeschränktes
Zeugnisverweigerungsrecht. Nach section 80 PACE ist seine Aussage zwar grundsätzlich
von der Anklage nicht erzwingbar, bei Aufruf durch die Verteidigung steht ihm jedoch kein
Zeugnisverweigerungsrecht zu. Wird dem Angeklagten allerdings eine Körperverletzung
gegenüber dem aussagenden Ehegatten selbst, eine Körperverletzung oder eine Sexualstraf-
tat gegenüber einer unter sechzehn Jahre alten Person bzw. ein diesbezüglicher Versuch
oder Beihilfe vorgeworfen, besteht selbst bei Aufruf durch die Anklage kein Zeugnisver-
weigerungsrecht des Ehegatten (Janicki, K.: Beweisverbote im deutschen und englischen
Strafprozeß 2002, S. 192; Schuster, F. P.: Verwertbarkeit im Ausland gewonnener Beweise
im deutschen Strafprozess 2006, S. 149; vgl. auch Kapitel 2 D.II. der vorliegenden Arbeit).
172 Kap. 2: Überprüfung der deskriptiven Ebene bei Jakobs

Aufzeichnung nach § 255a Abs. 1 und 2 StPO ist dann nicht mehr möglich. 895
Nach der grundsätzlichen Auslegung des § 252 StPO als Verwertungsverbot wä-
re es darüber hinaus eigentlich auch unzulässig, die Verhörperson als Zeuge
vom Hörensagen zu vernehmen. Um dennoch den Schuldnachweis gegen einen
solchen Täter, der sich oftmals – wenn auch nicht ausschließlich – im Bereich
der Sexualdelinquenz (familiäre Übergriffe) und der Organisierten Kriminalität
(Zwangsprostitution) bewegt und damit einen Feind nach der Begriffsbestimmung
Jakobs darstellt, führen zu können, umgeht die Rechtsprechung ihre eigens aufge-
stellte Interpretation des § 252 StPO 896: Das Verwertungsverbot des § 252 StPO
beziehe sich nur auf nichtrichterliche Vernehmungen, bei richterlichen Verneh-
mungen im Ermittlungsstadium dürfe hingegen der Richter im Hauptverfahren als
Zeuge vom Hörensagen vernommen werden. Dies wird damit begründet, dass das
Gesetz einer richterlichen Vernehmung zwar nicht ausdrücklich in § 252 StPO,
dafür aber in anderen Vorschriften – namentlich den §§ 251, 254 StPO – ein
höheres Vertrauen entgegenbringe. 897 Die Bezugnahme auf die §§ 251, 254 StPO
erscheint jedoch sachfremd: Bei den genannten Vorschriften ist die Privilegierung
der richterlichen Vernehmung aufgrund ihrer höheren Beweiskraft im Interesse
des Schutzes der Wahrheitsfindung durchaus berechtigt. Bei richterlichen Ver-
nehmungen kann eher eine Ausnahme vom Unmittelbarkeitsgrundsatz gemacht
werden, da neben der richterlichen Unabhängigkeit auch der Tatsache eine gewisse
Bedeutung zukommt, dass dem Beschuldigten beziehungsweise seinem Vertei-
diger dort auch zumindest theoretisch stärkere Beteiligungsrechte gemäß § 168c
StPO zustehen (vgl. allerdings § 168c Abs. 3 und Abs. 5 StPO). Gleiches gilt
für die erweiterte Durchbrechung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes durch § 255a
Abs. 2 StPO. § 252 StPO hat hingegen mit der Beweisqualität nichts zu tun, wie
es sich gerade daraus ergibt, dass die Norm grundsätzlich als Verwertungs- und
eben nicht bloß als Verlesungs- beziehungsweise Vorführungsverbot angesehen
wird. 898 Diese Vorschrift bezweckt vielmehr die Gewährleistung eines umfas-
senden Schutzes des Persönlichkeitsrechtes eines Angehörigen, der die Folgen
einer unüberlegten, aber richtigen Aussage so – ohne zu lügen – wieder rück-
gängig machen kann (vgl. auch § 77d StGB zur Rücknahme des Strafantrages).

895
Vgl. Diemer in Pfeiffer, G. (Hrsg.): Karlsruher Kommentar zur StPO, § 255a StPO,
Rn. 11 m.w. N.
896
So war bezeichnender Weise auch das erste Urteil vom 15. 1. 1952 (BGH NJW
1952, 356 ff.), in dem der BGH darüber entschied, ob und gegebenenfalls unter welchen
Voraussetzungen eine Verhörsperson über die frühere Aussage eines Zeugen vernommen
werden darf, der erst in der Hauptverhandlung von seinem Zeugnisverweigerungsrecht
Gebrauch macht, ein Fall der Sexualdelinquenz.
897
BGHSt 2, 99 ff., 106; 21, 218 f., 219.
898
Beweisverwertungsverbote dienen in Deutschland dem Individualrechtsschutz. An-
ders als im angloamerikanischen Rechtskreis hat sich der Schutz der Wahrheitsfindung
nicht als weiteres Grundmotiv durchsetzen können. Vgl. Schuster, F. P.: Verwertbarkeit im
Ausland gewonnener Beweise im deutschen Strafprozess 2006, S. 68 f. m.w. N.
C. Übereinstimmungen des Feindstrafrechts 173

Statt um die vorgeschobene Beweisqualität wird es der Rechtsprechung bei der


Privilegierung der richterlichen Vernehmung im Rahmen von § 252 StPO wohl
vielmehr darum gehen, den Staatsanwaltschaften insbesondere für den Bereich
der Sexualdelinquenz ein (in der Praxis regelmäßig genutztes) Mittel zur Hand
zu geben, bereits im Ermittlungsverfahren effektiv Beweis sichernde (d. h. ge-
richtsverwertbare) Zeugenvernehmungen durchzuführen, um gerade in diesem
Bereich die Strafverfolgung zu effektivieren. Schließlich werden wesentliche Tei-
le der Beweiserhebung in das Ermittlungsverfahren, in dem Verteidigungsrechte
im Vergleich zur Hauptverhandlung nur eingeschränkt bestehen, verlagert. Auch
wenn das Grundurteil 899 dieser Rechtsprechung bis vor die Zeit der gegenwärtigen
Bekämpfungsstrategien zurückreicht, so hat sich das Verfahren im Rahmen der
effektiven Bekämpfung von familieninternen Sexualstraftätern und in den Fällen
der vorgeschobenen Verlobung bei Zwangsprostitution jedenfalls etabliert. Es ist
davon auszugehen, dass in den genannten Fallkonstellationen kaum mehr ein Ver-
fahren ohne richterliche Vernehmung durchgeführt wird. 900 Insofern unterstützt
die Auslegung des § 252 StPO durch die Gerichte die aktuelle Hinentwicklung
zum Feindstrafrecht.
Flankiert wird diese tendenziell feindstrafrechtliche Interpretation des § 252
StPO durch die eher zaghafte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zu Verstö-
ßen gegen Art 6 Abs. 3 lit. b EMRK. So muss dem Beschuldigten bei richterlicher
Vernehmung des Zeugen im Ermittlungsverfahren zwar frühzeitig ein Pflichtver-
teidiger bestellt werden, damit die Beteilungsrechte von diesem auch tatsächlich
ausgeübt werden können. Das Ermessen nach § 141 Abs. 3 StPO ist also zur
Wahrung des Frage- und Konfrontationsrechtes auf Null reduziert. Ein Konventi-
onsverstoß führt jedoch nicht zur Unverwertbarkeit der Erkenntnisse, sondern ist
lediglich in der Beweiswürdigung zu berücksichtigen (sog. Beweiswürdigungs-
lösung). 901 Zusätzlich stellt sich die Frage, inwieweit damit eine Umgehung des
doch recht eng gefassten § 255a Abs. 2 StPO einhergeht.

4. Fazit

Im Allgemeinen hält sich die Rechtsprechung im Vergleich zum deutschen Ge-


setzgeber in ihrer Tendenz zum Feindstrafrecht eher zurück, indem sie legislatives
Feindstrafrecht abmildert und Täter, die dem Feindbegriff Jakobs zuzuordnen

899
Urteil des BGH vom 15. 1. 1952 (BGH NJW 1952, 356 ff.).
900
Vgl. auch Nr. 248 (1) RiStBV, wonach empfohlen wird, „nach der ersten Aussage
einer Prostituierten unverzüglich, möglichst im Anschluss an die polizeiliche Vernehmung,
eine richterliche Vernehmung herbeizuführen, da Prostituierte erfahrungsgemäß nicht selten
ihre Aussage gegen den Zuhälter in der Hauptverhandlung nicht aufrechterhalten oder zu
diesem Zeitpunkt nicht mehr erreichbar sind“.
901
Insofern systemkonforme Auslegung in Bezug auf die Strafzumessungslösung bei
Tatprovokationen, vgl. BGHSt 46, 93 ff., 105.
174 Kap. 2: Überprüfung der deskriptiven Ebene bei Jakobs

sind, im Strafprozess gleich einem „Bürger“ behandelt. Neben den oben aufge-
führten Beispielen (Fall Motassadeq, Großer Lauschangriff, Vermögensstrafe)
zeigt sich dies etwa auch anhand der Versuche der Rechtsprechung 902, die An-
wendung der nachträglichen Sicherungsverwahrung gemäß § 66b StGB durch
einschränkende Auslegung des Begriffs der „neuen Tatsache“ enge Grenzen zu
setzen 903, oder auch den eher restriktiv gehaltenen Verurteilungen nach §§ 129 ff.
StGB. 904 Im Rahmen der vorgenannten Organisationsdelikte ist die Zurückhaltung
insbesondere auf den Umstand zurückzuführen, dass die Rechtsprechung keine
ungleichen Ansprüche an den Schuldnachweis gegen Bürger oder Feinde im Sinne
Jakobs stellt. Vielmehr gilt auch in letzterem Fall, dass sämtliche Tatbestandsvor-
aussetzungen zu beweisen sind. Bei §§ 129 ff. StGB muss danach der Nachweis
erbracht werden, dass eine Vereinigung zum Zwecke der Begehung von Straftaten
beziehungsweise Taten im Sinne des § 129a Abs. 1 oder 2 StGB besteht. Gera-
de der schwer erbringbare Nachweis der mit der Bildung bezweckten Straftaten
dürfte etwa im Mainzer Hell’s Angels-Prozess mitursächlich dafür gewesen sein,
dass die Anklage wegen der Bildung und der Mitgliedschaft in einer kriminellen
Vereinigung von der Staatsanwaltschaft fallen gelassen wurde. Es genügte eben
nicht, dass entsprechende Straftaten tatsächlich begangen worden waren, sondern
deren Bezweckung mit der Vereinigung war nachzuweisen. Eine vereinfachte Be-
weisführung wird insofern auch gegen Personen, die der Feinddefinition Jakobs
entsprechen, abgelehnt. Darüber hinaus hat der Bundesgerichtshof 905 im Rahmen
der §§ 129 ff. StGB nunmehr Zurückhaltung bei der Auslegung des Merkmals der
Unterstützungshandlung angedeutet, wenn etwa eine die Vereinigung unterstützen-
de Handlung zugesagt wurde, das Vorhaben jedoch später fehlschlägt. 906 Auch die
neuere Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, eine präventive polizeiliche
Rasterfahndung sei zumindest nur bei einer konkreten Gefahr für hochrangige
Rechtsgüter zulässig, schränkt praktiziertes Feindstrafrecht ein. Demnach hat die
allgemeine Bedrohungslage nach den Terroranschlägen in den Vereinigten Staaten
nicht den Anforderungen genügt, die an die präventive Rasterfahndung zu stel-
len sind. 907 Der Beschluss des Bundesgerichtshofs 908, nach dem eine wegen des

902
Vgl. etwa BVerfG NJW 2006, 3483 ff., BGH NJW 2007, 1148 ff., BGH NStZ 2005,
561 ff.
903
Vgl. auch Göppinger-Schneider: Kriminologie 2008, § 30 Rn. 15.
904
Vgl. auch Zopfs, J. in: Friedrich-Spee-Gesellschaft (Hrsg.): Spee-Jahrbuch 2006,
S. 31 ff., 42.
905
Vgl. BGH 2 BJs 10/05 – 8 StB 3/05 v. 19. 05. 2005.
906
Besprechung und Kritik bei Bader, M.: NStZ 2007, 618 ff.
907
Vgl. BVerfG NJW 2006, 1939 ff. (kritisch Hillgruber, C.: JZ 2006, 209 ff., 212 ff.).
Die Entscheidung als „vehemente richterliche Kritik auch an den Tendenzen in der Straf-
rechtswissenschaft und der Politik, ein Feindstrafrecht zu etablieren“ deutend: Prantl, H.:
SZ v. 24. 5. 2006, S. 4.
908
BGH, Beschluss v. 31. 1. 2007 – StB 18/06 in NJW 2007, 930 ff. mit Anm. von
Hamm, R.: NJW 2007, 932 ff.; vgl. auch Kutscha, M.: NJW 2007, 1169 ff.
D. Exkurs: Feindstrafrecht in ausländischen Strafrechtsordnungen 175

Verdachts der Gründung einer terroristischen Vereinigung angeordnete, verdeckte


Online-Durchsuchung 909 insbesondere nicht auf § 102 StPO gestützt werden kann
und damit mangels Ermächtigungsgrundlage unzulässig ist, zeigt ebenfalls die
Zurückhaltung deutscher Gerichte, strafprozessuale Regelungen feindstrafrecht-
lich – im Sinne Jakobs – zu interpretieren.
Trotz der insgesamt wohl überwiegenden Ablehnung der Gerichte, Gesetze
und Maßnahmen nach feindstrafrechtlichen Deutungsmustern auszulegen, kann
sich auch die Judikative feindstrafrechtlichen Einflüssen nicht gänzlich verwehren.
Selbst wenn im konkret vom Gericht zu beurteilenden Einzelfall die Notwendigkeit
feindstrafrechtlicher Einwirkungen verneint wird, behält sich die Rechtsprechung
teilweise eine eindeutige Stellungnahme hinsichtlich der generellen Legitimierbar-
keit einer feindstrafrechtlichen Maßnahme für den Extremfall vor (Daschner-Fall,
Luftsicherheitsgesetz). Darüber hinaus bildet sie zur effektiven Bekämpfung be-
stimmter Kriminalitätslagen teilweise sogar eigenes Feindstrafrecht (Handeltrei-
ben, V-Leute, richterliche Vernehmung). 910 Auch wurden zwar beispielsweise die
Landes-Straftäterunterbringungsgesetze vom Bundesverfassungsgericht mangels
Gesetzgebungskompetenz der Länder als unzulässig erachtet. 911 Doch trotz der für
verfassungswidrig erklärten und damit fehlenden gesetzlichen Grundlage sah die
Entscheidung die weitere Sicherungsverwahrung der Betroffenen vor, da deren
Freiheitsinteresse hinter dem überragenden Allgemeininteresse des Schutzes vor
schweren Straftaten zurücktrete. Mittels „Hochgefährlichkeits-Terminologie“ wur-
den bestimmte Straftäter zu Nicht-Bürgern degradiert und damit Feindstrafrecht
umgesetzt. 912 Jakobs Beobachtungen werden daher auf deskriptiver Ebene auch
hinsichtlich der Tendenzen in der Rechtsprechung nicht widerlegt.

D. Exkurs: Feindstrafrecht in
ausländischen Strafrechtsordnungen

Jakobs selbst bezieht sich in seinen Ausführungen zum Feindstrafrecht nicht


allein auf die deutsche Rechtsordnung, sondern verortet auch im ausländischen
Recht feindstrafrechtliche Tendenzen. Dabei zieht Jakobs überwiegend Parallelen
zur Terrorismusbekämpfung der USA 913, die terroristischen Attentätern den Krieg

909
Gemeint ist die bei bestehender Internetverbindung heimlich durchgeführte Instal-
lation einer Überwachungssoftware auf einem Zielcomputer, um den Zugriff auf die dort
angelegten Dateien von außen zu ermöglichen. Zum technischen Hintergrund der Online-
Untersuchung siehe auch Buermeyer, U.: HRRS 4/2007, 154 ff.
910
Zu „feindstrafrechtlichen“ Rechtsprechungspraktiken in Spanien siehe Muñoz Con-
de, F.: Über das „Feindstrafrecht“ 2007, S. 25.
911
BVerfGE 109, 190 ff.
912
Streng, F. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 227 ff., 227 f.
176 Kap. 2: Überprüfung der deskriptiven Ebene bei Jakobs

erklärt hat und mit ihnen als Feinde (enemy combatants 914) verfährt. 915 Der nach
dem 11. September 2001 erlassene, nunmehr unbefristet gültige 916 USA PATRIOT
Act 917 etwa sieht unter anderem höhere Strafen für die Unterstützung und Finan-
zierung terroristischer Organisationen vor, senkt die Anforderungen an strafpro-
zessuale Eingriffsbefugnisse im Rahmen der Terrorismusbekämpfung, verschärft
insbesondere die Grenzkontrollen und Einreisebedingungen und beschneidet die
Rechte von Ausländern mit Aufenthalts- beziehungsweise Arbeitserlaubnis (alien
residents). Danach ist es dem Attorney General (Generalstaatsanwalt) zum Bei-
spiel gestattet, eine ausländische Person in Haft zu nehmen, bei der „Gründe zu
der Annahme“ bestehen, dass sie die nationale Sicherheit gefährdet. 918 Während
der USA Patriot Act allerdings noch eine Anklage oder Ausweisung innerhalb von
sieben Tagen vorsieht, erlaubt die nachfolgende military order des Präsidenten der
Vereinigten Staaten vom 13. 11. 2001 die Inhaftierung auf unbegrenzte Zeit und
bestimmt einen Prozess vor besonderen Militärtribunalen. Die Gefangenen verlie-
ren insofern ihren rechtlichen Status, werden zu enemy combatants erklärt, denen
keine Rechte der Genfer Konvention und dem amerikanischen Strafprozessrecht
zustehen, und sind damit einer rein faktischen Herrschaft unterworfen. 919 Zwar
hat der Oberste Gerichtshof der USA am 28. 6. 2006 den Einsatz von Sondertri-
bunalen für Gefangene von Guantánamo für rechtswidrig erklärt. 920 Doch bereits
im September 2006 hat der US-Kongress ein reformiertes Anti-Terrorgesetz ge-
billigt. 921 Das neue Gesetz erlaubt der US-Regierung, mutmaßliche Terroristen
vor so genannte Militärausschüsse, die nach dem Vorbild der verbotenen Son-
dertribunale fungieren, statt vor zivile Gerichte zu stellen. Allerdings können die
Terrorverdächtigen nunmehr vor dem Militärrichter von einem Anwalt verteidigt
werden. Auch verbietet das Gesetz eine „grausame, unmenschliche oder herabwür-

913
Vgl. Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 94; ders.: Staatliche Strafe 2004, S. 44.
914
Zur Unvereinbarkeit der mit dem personellen Status als „unrechtmäßige Kombattan-
ten“ einhergehenden Umgehung von kriegsrechtlichen Normen vor dem Hintergrund des
humanitären Völkerrechts siehe Wieczorek, J: Unrechtmäßige Kombattanten 2005.
915
Vgl. auch Herzog, F.: KritV 2006, 343 ff., 345 f.; Schünemann, B.: Nehm-FS 2006,
S. 219 ff., 221; Sieber, U.: ZStW 2007, 1 ff., 37 ff.; Sinn, A.: ZIS 2006, 107 ff., 109. Zur
Behandlung als Nichtbürger in den USA siehe zudem Cole, D. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte
bewahren Sie Ruhe 2006, S. 165 ff.
916
Vgl. Fischer Weltalmanach 2007, S. 509.
917
Abkürzung für „Uniting and Strengthening America by Providing Appropriate Tools
Required to Intercept and Obstruct Terrorism“; in Kraft getreten am 26. 10. 2001.
918
Vgl. hierzu und zu weiteren Terrorismusbekämpfungsmaßnahmen durch den USA
PATRIOT Act Funk, A.: Cilip 70 Nr. 3/2001, 63 ff., 69 f.; ders.: Cilip 80 Nr. 1 1/2005,
51 ff., 53; Sinn, A.: ZIS 2006, 107 ff., 110; Walther, S. C.: ZIS 2007, 464 ff., 464 ff.
919
Agamben, G.: Ausnahmezustand 2004, S. 9 f.
920
EuGRZ 2004, 791 ff. mit Anm. Maierhöfer, C.: EuGRZ 2004, 797 ff. Vgl. auch
Der Spiegel Nr. 36 v. 4. 9. 2006, S. 74 ff., 82; Düx, H.: ZRP 2003, 189 ff., 191; Fischer
Weltalmanach 2007, S. 510; Maierhöfer, C.: EuGRZ 2005, 460 ff., 460.
921
Vgl. auch Sieber, U.: ZStW 2007, 1 ff., 39.
D. Exkurs: Feindstrafrecht in ausländischen Strafrechtsordnungen 177

digende“ Behandlung der Verdächtigen, ohne jedoch festzulegen, was darunter


zu verstehen ist, so dass „alternative Verhörmethoden“ durchaus in Betracht kom-
men. Zudem kann kein Rechtsmittel gegen die Haftbedingungen eingelegt werden.
Bush rechtfertigte das Anti-Terrorgesetz im Senat mit den Worten: „Man darf
nicht vergessen, dass es immer noch einen Feind gibt, der den USA Schlechtes
will.“ 922
Die seit den Anschlägen auf das World Trade Center vorherrschende US-
amerikanische Politik der „zero tolerance“ 923 ist gleichfalls in diesem Zusammen-
hang zu sehen und stellt insofern einen Wesenszug des Feindstrafrechts dar. Jakobs
nimmt überdies Bezug auf die three-strikes-Gesetze („three strikes and you are
out“) einiger US-Bundesstaaten, die vor allem an der Sicherung und Prävention
von Wiederholungstätern orientiert sind. 924 Feindstrafrecht lässt sich des Weiteren
auch in der Behandlung von Sexualstraftätern in einigen US-Bundesstaaten nach-
weisen. Die Gesetze gegen Sexualstraftäter (sexually violent predators) werden
als „Raubtiergesetze“ bezeichnet und sehen unter anderem vor, dass Triebtäter
öffentlich bekannt gemacht werden dürfen. 925 Hierdurch kommt zum Ausdruck,
dass der Sexualdelinquent als besonders gefährlich eingestuft wird, mit der krimi-
nalpolitischen Konsequenz, dass er abweichend zu behandeln und insbesondere
die Öffentlichkeit hinreichend vor dem individuellen Täter zu warnen ist.
Der angedeutete supranationale Trend zum Feindstrafrecht wird ferner in eini-
gen wissenschaftlichen Veröffentlichungen aufgegriffen. So liegt beispielsweise
eine Untersuchung über die feindstrafrechtliche Tendenz der Rechtsetzung zur
Bekämpfung organisierter Kriminalität in der Schweiz vor. 926 Darin zeigt die
Verfasserin auf, dass die nach Jakobs feindstrafrechtstypischen Merkmale auch in
Vorschriften des schweizerischen Strafrechts ihren Niederschlag gefunden haben.
Normen wie zum Beispiel Art. 260ter (Kriminelle Organisation 927), Art. 305bis
(Geldwäscherei 928) und Art. 305ter SchweizStGB (Mangelnde Sorgfalt bei Fi-

922
http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,439918,00.html.
923
Vgl. hierzu etwa auch Kühne, H.-H.: DRiZ 2002, 18 ff., 20.
924
Jakobs, G.: Staatliche Strafe 2004, S. 38. Vgl. zudem Albrecht, H.-J.: Nehm-FS 2006,
S. 17 ff., 26; Cancio Meliá, M.: ZStW 117 (2005), 267 ff., 275; Schneider, H. / Morguet,
G. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 335 ff., 345 f. m.w. N.
925
Vgl. Albrecht, H.-J.: Nehm-FS 2006, S. 17 ff., 26; Garland, D.: The Culture of
Control 2001, S. 9, 133; ders.: KZfSS Sonderheft 43/2003, S. 36 ff., 40; vgl. auch Haff-
ke, B. in: Rode, I. u. a. (Hrsg.): Neue Lust aufs Strafen 2005, S. 35 ff., 39. Die öffent-
liche Kenntlichmachung von Sittlichkeitsverbrechern kann etwa über Internet erfolgen,
vgl. z. B. http://www.isp.state.˜id.us/identification/sex_offender/predators_list.html. Nach
dem – wenn auch milderen – britischen Äquivalent existiert ein Pädophilen-Register und
Sexualstraftäter müssen z. B. erniedrigende Gemeinschaftsarbeit ableisten (vgl. Garland,
D.: The Culture of Control 2001, S. 9 m.w. N.).
926
Stegmann, A.: Organisierte Kriminalität 2004.
927
Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 18. 3. 1994, in Kraft seit 1. 8. 1994 (AS 1994,
S. 1614, 1618; SchweizBGBl. 1993 III, S. 277).
178 Kap. 2: Überprüfung der deskriptiven Ebene bei Jakobs

nanzgeschäften und Melderecht 929) seien dadurch gekennzeichnet, dass objektiv


neutrale, also sozialadäquate Handlungen bereits die Strafbarkeit, die zur Be-
kämpfung der Organisierten Kriminalität in das Vor- beziehungsweise Umfeld
traditioneller Deliktsbegehung ausgedehnt werde, begründen können. Der Schwer-
punkt der Strafverfolgung im Rahmen Organisierter Kriminalität verlagere sich
damit auf die Prävention. 930 Auch werde im Schweizer Strafverfahrensrecht zwecks
Effektivität auf feindstrafrechtliche Methoden wie verdeckte Ermittlungen oder
Telefonabhörungen zurückgegriffen, wobei die Ermittlungstätigkeit weitgehend
ins Vorfeld der eigentlichen Deliktsbegehung vorgelagert werde. Insbesondere der
Zugriff auf das umfassende Informationsspeichersystem JANUS 931, der nicht an
das ursprüngliche Verfahren gekoppelt ist, für das die Informationen ursprüng-
lich beschafft wurden, ermögliche in der Praxis eine allgemeine Vorfeld- und
Verdachtsforschung. 932
Vom spanischen Rechtswissenschaftler Cancio Meliá erfährt der Leser, dass
das Feindstrafrecht auch in der spanischen Strafgesetzgebung Einzug gefunden
hat. 933 Seit Mitte der neunziger Jahre werde das spanische Strafrecht zunehmend
repressiver, indem permanent neue Straftatbestände geschaffen sowie harte Stra-
fen eingeführt werden. Beispielhaft werde die Weitergabe einer Dosis Kokain als
Vorfeldkriminalisierung mit einem Strafrahmen von drei bis neun Jahren Freiheits-
strafe belegt. 934 Dem Delikt wird damit ein höherer Unrechtgehalt zugeschrieben
als etwa der fahrlässigen Tötung (ein bis vier Jahre), obgleich bei ersterem noch
kein tatsächlicher Erfolg im Sinne einer individuellen Rechtsgutsverletzung ein-
getreten ist, sondern lediglich auf eine Gesundheitsbeschädigung oder allenfalls
die siechende Tötung des Drogenkonsumenten hingearbeitet wird. Ein ähnlicher
Trend zeichne sich etwa in der Bekämpfung des Sexualstrafrechts und des Terro-
rismus ab. 935 So zeichne sich die spanische Anti-Terror-Politik durch präventive

928
Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 23. 3. 1990, in Kraft seit 1. 8. 1990 (AS 1990,
S. 1077, 1078; SchweizBGBl. 1989 II, S. 1061).
929
Fassung gemäß Ziff. I des BG vom 18. 3. 1994, in Kraft getreten am 1. 8. 1994 (AS
1994, S. 1614, 1618; SchweizBGBl. 1993 III, S. 277).
930
Stegmann, A.: Organisierte Kriminalität 2004, S. 78 ff., 99 ff., 213.
931
JANUS ist die Datenbank der kriminalpolizeilichen Zentralstellen des Schweizer
Bundes gemäß Art. 11 Abs. 1 ZentG und dient unter anderem als Ermittlungsinstrument
im Strafverfahren. Vgl. hierzu Stegmann, A.: Organisierte Kriminalität 2004, S. 167 ff.
932
Stegmann, A.: Organisierte Kriminalität 2004, S. 183, 213.
933
Wenngleich Cancio Meliá auch davon ausgeht, dass Feindstrafrecht bereits dem
Begriff nach kein „Strafrecht“ darstellt (Cancio Meliá, M.: ZStW 117 (2005), 267 ff.,
282 ff.; vgl. auch oben S. ?? ff.), bestreitet er jedenfalls nicht dessen faktische Existenz,
siehe Cancio Meliá, M.: ZStW 117 (2005), 267 ff., 282.
934
Cancio Meliá, M.: ZStW 117 (2005), 267 ff., 272 m.w. N.
935
Cancio Meliá, M.: ZStW 117 (2005), 267 ff., 273, 280 jeweils m.w. N. Weitere
Beispiele für spanisches Feindstrafrecht im Bereich von Sexualdelinquenz und Terroris-
musabwehr bei Muñoz Conde, F.: Über das „Feindstrafrecht“ 2007, S. 23 ff. Zum als im
D. Exkurs: Feindstrafrecht in ausländischen Strafrechtsordnungen 179

Gesetzgebung in Form von Strafbarkeitsvorverlagerungen, Umfeldkriminalisie-


rungen und frühzeitig einsetzender Intervention aus. 936 Ferner wurde bereits im
islamischen Recht 937 Feindstrafrecht gesucht und gefunden sowie im Rahmen der
argentinischen Strafrechtsentwicklung auf das „Strafrecht des Feindes“ 938 Bezug
genommen. Offensichtlich macht sich das Feindstrafrecht also auch in anderen
Rechtsordnungen breit.
Vorliegend soll ausländisches Feindstrafrecht anhand zweier Staaten, nämlich
Kolumbien und Großbritannien, nachgezeichnet werden. Auf Kolumbien fiel die
Wahl zum einen aufgrund der hervorstechenden Untersuchung von Aponte, die sich
mit einem wohl annähernd idealtypisch ausgeprägten Feindstrafrecht, namentlich
der „Justiz ohne Gesicht“, auseinander setzt. Zum anderen kann anhand dessen
Bezug auf einen außereuropäischen Rechts- und Kulturkreis genommen werden.
Großbritannien dagegen bietet sich aufgrund seiner europäischen Zugehörigkeit
und seiner zugleich angelsächsischen Rechtsausrichtung für eine feindstrafrecht-
liche Analyse an. Ferner hat sich der britisch-gebürtige Gesellschaftsanalytiker
David Garland, der gegenwärtig einen Lehrstuhl für Jura und Soziologie an der
New York University innehat, in seiner Monografie „The Culture of Control. Crime
and Social Order in Contemporary Societiy“ 939 mit den wesentlichen Veränderun-
gen in der Strafrechtspflege und der gesellschaftlichen Kriminalitätsregulation in
Großbritannien (und den – hier zu vernachlässigenden – USA) beschäftigt. Gar-
land nimmt zwar in seiner Untersuchung nicht explizit zum Feindstrafrecht nach
Jakobs Stellung – was aufgrund des abweichenden Kulturkreises auch zu erwarten
war. Die deskriptive Strafrechts- und Gesellschaftsbetrachtung des angloamerika-
nischen Soziologen stellt aber in Form des Strukturtypus der „criminology of the
other“ eine Parallele oder jedenfalls ergänzende kriminalpolitische Strategie zum
Feindstrafrecht bei Jakobs vor 940, die gerade wegen der Unwahrscheinlichkeit des
wissenschaftlichen Austauschs beider Autoren den Vergleich herausfordert.

spanischen Schrifttum überwiegend als feindstrafrechtlich interpretierten Código Penal


von 2003 siehe ferner die Nachweise bei Gonzáles Cussac, J. L.: Feindstrafrecht 2007,
S. 10 Rn. 13.
936
Aierbe, P. M.: Cilip 80 Nr. 1/2005, 37 ff., 37.
937
Thiée, P. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 195 ff.
938
Elbert, C. A.: ZStW 118 (2006), 953 ff., 956.
939
Garland, D.: The Culture of Control 2001.
940
Vgl. hierzu auch Fritz Sack auf seinem Berliner Vortrag anlässlich der Verleihung
des Werner-Holtfort-Preises 2005 an die Redaktion Bürgerrechte & Polizei / CILIP „Feind-
strafrecht – Auf dem Wege zu einer anderen Kriminalpolitik?“ vom 27. 5. 2005, weitgehend
identische Fassung im Internet abrufbar unter: http://www.cilip.de/presse/2005/sack.htm;
ders.: vorgänge 178/2007, 5 ff., 18 ff. Wiederum, unter Berufung auf Sack, von einer
Parallele von Jakobs „Feindstrafrecht“ zu Garlands „criminology of the self and the other“
ausgehend: Sinn, A.: ZIS 2006, 107 ff., 110 Rn. 33.
180 Kap. 2: Überprüfung der deskriptiven Ebene bei Jakobs

I. Feindstrafrecht in Kolumbien nach Aponte

Während Jakobs als Schöpfer des Feindstrafrechts durch Beispiele selbigen


Terminus allenfalls stichwortartig umschreibt und eher generelle Tendenzen auf-
zeigt, gelingt es Aponte in seiner Dissertation „Krieg und Feindstrafrecht“ 941 dem
Begriff des Feindstrafrechts eine konkrete Gestalt zu verleihen und ihn inhaltlich
auszufüllen. 942
Aponte beschreibt die Situation der Strafrechtspflege in Kolumbien: Parallel
zum ordentlichen kolumbianischen Strafrecht existiert eine eigenständige Strafge-
setzgebung, deren Zielsetzung in der effektiven Verfolgung und Bestrafung von
solchen Tätern besteht, die für bestimmte Problem- und Gefährdungslagen des
kolumbianischen Staates (mit-)verantwortlich gemacht werden. Diese Notstands-
gesetzgebung weicht dabei vor allem auf strafprozessualer Ebene vehement von
einem durch Verfahrensrechte geprägten bürgerstrafrechtlichen Idealtypus ab. 943
Ihren feindstrafrechtlichen Höhepunkt erreichte die Notstandsgesetzgebung in der
annähernd idealtypisch ausgeformten „Justiz ohne Gesicht“, wie noch aufgezeigt
wird.

1. Staatliche Problemlage als Nährboden des Feindstrafrechts

Feindstrafrecht als „effektives“ Strafrecht entsteht nach Jakobs vor allem in


Krisensituationen, die den Staat und seine Ordnung akut gefährden. Nur der poli-
tisch und gesellschaftlich instabile Staat versuche, durch harte Strafen kurzfristige
Effektivität zu erreichen, also Strafe quasi als Kampfmittel einzusetzen. Der Staat
ohne unmittelbare Existenzprobleme werde hingegen kurzfristige Ineffektivität in
Kauf nehmen und seine Sanktionierung in Hinblick auf die langfristige Sicherung
des inneren Friedens ausrichten. 944 Entsprechend verwundert es nicht, dass gerade
in einem Staat wie Kolumbien, dessen Geschichte von langwierigen Bürgerkriegen
beziehungsweise bürgerkriegsähnlichen Zuständen durchzogen ist, das Feindstraf-
recht Fuß fassen konnte. In Kolumbien herrscht ein „interner Kriegszustand“ 945,
der die staatliche Macht gegenüber bewaffneten Gewaltakteuren wie Guerillagrup-

941
Aponte, A.: Krieg und Feindstrafrecht 2004.
942
Vgl. auch Schneider, H.: HRRS 5/2005, 177 ff., 177.
943
Eine ähnliche Strafrechtssituation herrscht nach Wolf Paul in Brasilien; allerdings
hat sich hier ein informelles, also nicht gesetzlich geregeltes Parallelstrafrecht herausge-
bildet, das vor allem in der polizeilichen Verfolgungs- und Ermittlungstätigkeit rechts-
staatliche und grundrechtliche Standards vermissen lässt (siehe hierzu Paul, W. in: Institut
für Kriminalwissenschaften und Rechtsphilosophie Frankfurt a. M. (Hrsg.): Jenseits des
rechtsstaatlichen Strafrechts 2007, S. 203 ff.).
944
Jakobs, G.: Strafrecht AT 1993, 1/1. Vgl. zur wechselseitigen Abhängigkeit von
Gesellschaft und Strafrecht aber auch ders.: ZStW 107 (1995), 843 ff., 846.
945
Aponte, A.: Krieg und Feindstrafrecht 2004, S. 31.
D. Exkurs: Feindstrafrecht in ausländischen Strafrechtsordnungen 181

pen, Paramilitärs oder Drogenhändlern 946 kontinuierlich schwächt. Zur Bekämp-


fung der zunehmenden Dezentralisierung und Entmachtung des kolumbianischen
Staates wurde von der Regierung wiederholt der Ausnahmezustand ausgerufen. 947
Neben einer Reform des Strafgesetzes 1980 folgten diverse Notstandsgesetze 948,
wie etwa zur Bekämpfung des Drogenhandels (1986), Antiterrorgesetze (1988)
sowie das „Statut zur Verteidigung der Justiz“ (1990), die in Co-Existenz neben
dem ordentlichen Strafrecht angewendet wurden.
Vorliegend soll vornehmlich auf das „Statut zur Verteidigung der Justiz“ von
1990 eingegangen werden, da dieses besonders eindrucksvoll die annähernd ideal-
typische Ausformung von Feindstrafrecht vor Augen führt. Anlass zum Erlass des
benannten Gesetzes bildete die von Drogenterroristen bewirkte Tötung von über
hundert Beamten der Justizverwaltung sowie zahlreichen Mitgliedern der Staats-
polizei in den Jahren 1989 und 1990. Darüber hinaus wurden die Angehörigen
des Justizapparats, die nicht getötet worden waren, regelmäßig korrumpiert oder
Opfer massiver Einschüchterungen, so dass die Justiz quasi lahm gelegt war. 949

2. Das Statut zur Verteidigung der Justiz


als kolumbianisches Feindstrafrecht

Die inhaltliche Ausgestaltung des „Statutes zur Verteidigung der Justiz“ bezog
sich also zum einen auf eine effektive Bekämpfung der Korruption und zum
anderen auf den Schutz der von staatlicher Seite am Strafprozess Beteiligten.
Beides sollte gewährleistet werden, indem der Prozess der absoluten Geheimhal-
tung unterlag und zudem rechtsstaatliche Garantien weitestgehend eingeschränkt
wurden: Der Beschuldigte durfte weder wissen, wer ihn verurteilt, noch wel-
cher Staatsanwalt ihn angeklagt hatte. 950 Aufgrund der bezeichneten Anonymität
des Justizapparates wird dieses Sonderstrafrecht auch als „Richter ohne Gesicht“
beziehungsweise „Justiz ohne Gesicht“ bezeichnet. 951 Die Geheimhaltung der
Person des Richters, des Staatsanwalts, der Zeugen und Gutachter wirkte sich
auf den gesamten Strafprozess aus. Beschlüsse wurden nicht unterschrieben und
auch sonst konnten alle erforderlichen Maßnahmen zur Wahrung der Anonymität

946
Daneben zählt Aponte auch Selbstverteidigungsgruppen, Organisierte Kriminalität
und Terroristen zu den antistaatlichen Gewaltinhabern, vgl. Aponte, A.: Krieg und Feind-
strafrecht 2004, S. 23; siehe auch ders. in Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006,
S. 131 ff., 162.
947
Vgl. hierzu Aponte, A.: Krieg und Feindstrafrecht 2004, S. 62 ff., der insofern von
einer „Kultur des Ausnahmezustands“ und einer „Strafrechtsordnung im permanenten
Ausnahmezustand“ spricht.
948
Aufzählung aus Aponte, A.: Krieg und Feindstrafrecht 2004, S. 64 ff.
949
Aponte, A.: Krieg und Feindstrafrecht 2004, S. 19, 66.
950
Aponte, A.: Krieg und Feindstrafrecht 2004, S. 19.
951
Aponte, A.: Krieg und Feindstrafrecht 2004, S. 19.
182 Kap. 2: Überprüfung der deskriptiven Ebene bei Jakobs

ergriffen werden. 952 Damit konnten sogar bestimmte Beweismittel beziehungs-


weise Beweisergebnisse zur Sicherung der Anonymität vorenthalten werden. 953
Generell konnte Beweismaterial nur im Hauptverfahren diskutiert werden, so dass
die Verteidigung des Beschuldigten drastisch reduziert wurde. An der Öffent-
lichkeit (und damit Transparenz) der Verhandlung fehlte es ebenfalls. 954 Durch
die absolute Geheimhaltung aller für den Prozess relevanter Personen und Daten
sollte sichergestellt werden, dass weder ein Freikauf des Beschuldigten erfolgen
noch Prozessbeteiligte bedroht werden konnten. Hierdurch sollte wiederum die
Justiz gestärkt werden und insbesondere dem Drogenterrorismus Einhalt geboten
werden.
Zudem wurde die Untersuchungshaft temporär über Gebühr ausgedehnt, so
dass sie faktisch zur eigentlichen Strafe mutierte. 955 Vielfach war die zu erwar-
tende Freiheitsstrafe an Dauer geringer als die Inhaftierung in Untersuchungshaft
selbst ausfiel. Des Weiteren sah das Statut eine vehemente Befugniserweiterung
zugunsten der Kriminalpolizei vor, indem für deren Ermittlungstätigkeit die Vor-
aussetzung eines richterlichen Beschlusses aufgegeben wurde. 956 Auch wurden
Funktionen der Kriminalpolizei auf das Militär übertragen mit dem Argument,
dass die Behörden in bestimmten Gebieten nicht präsent seien. 957 Die Leitung
der Staatsanwaltschaft über die Ermittlungstätigkeit war daher nur noch formaler
Natur. 958 Neben diesen radikalen Einschränkungen der Rechte von Beschuldigten
wurde sich vor allem darauf verständigt, dass ein auf Strafe lautendes Urteil für ein
effizientes Strafrecht unabkömmlich war. Effizienz wurde also mit der Verhängung
von Strafurteilen gleichgesetzt; Verfahrensgarantien des Beschuldigten dagegen
wurden als Hindernis für den Ablauf einer effizienten Kriminaljustiz angesehen. 959
Unterstützung auf materiell-rechtlicher Ebene erfuhr die nach Außen suggerierte,
abstrafende Härte der Justiz durch die starke Tendenz der Notstandsgesetze zur
Vorfeldkriminalisierung 960, so dass nach dem Prinzip der Totalprohibition die
Verurteilung gesichert ist.
Diese Merkmale der „Justiz ohne Gesicht“ von 1990 – die im Jahr 2000 vom
Verfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt wurde 961 – verdeutlichen das
Wesen eines beinahe idealen Feindstrafrechts: Es existiert neben dem ordentli-

952
Aponte, A.: Krieg und Feindstrafrecht 2004, S. 67.
953
Vgl. Schneider, H.: HRRS 5/2005, 177 ff., 178.
954
Aponte, A.: Krieg und Feindstrafrecht 2004, S. 284.
955
Vgl. Aponte, A.: Krieg und Feindstrafrecht 2004, S. 204.
956
Aponte, A.: Krieg und Feindstrafrecht 2004, S. 68.
957
Aponte, A.: Krieg und Feindstrafrecht 2004, S. 266.
958
Vgl. Schneider, H.: HRRS 5/2005, 177 ff., 178.
959
Aponte, A.: Krieg und Feindstrafrecht 2004, S. 20, 68 f., 233.
960
Aponte, A.: Krieg und Feindstrafrecht 2004, S. 126.
961
Aponte, A.: Krieg und Feindstrafrecht 2004, S. 74.
D. Exkurs: Feindstrafrecht in ausländischen Strafrechtsordnungen 183

chen Strafrecht als Sonderstrafrecht für spezielle Täter (Feinde), insbesondere


für politische und Drogenterroristen sowie sonstige Mitglieder der Organisierten
Kriminalität. Die „Justiz ohne Gesicht“ ist präventive Bekämpfungsgesetzgebung,
nämlich primär zum Schutz der körperlichen Unversehrtheit der Verfahrensbetei-
ligten und der Leistungsfähigkeit des Staatsapparates erlassen. In der Tendenz
wird die Strafbarkeit vorverlagert, so dass der Täter einen Teil seiner Interna
zugunsten des Rechtsgüterschutzes abtritt. Verfahrensgarantien werden radikal
beschränkt: Die Kriminalpolizei unterliegt in ihrer Ermittlungstätigkeit keinem
Richtervorbehalt. Das Recht auf Verteidigung wird im Ermittlungsverfahren mi-
nimiert; der Grundsatz „in dubio pro reo“ außer Kraft gesetzt. Prinzipien wie
die Transparenz, Öffentlichkeit, Unmittelbarkeit und Mündlichkeit des Strafver-
fahrens sind infolge der anonymisierten Justiz hinfällig. Ein fairer Prozess kann
demgemäß nicht mehr garantiert werden. Einziger Zweck des Sonderstrafrechts
ist die Gewährleistung von Effizienz; Ziel ist das auf Strafe lautende Urteil, damit
dem Feind das Zweckmäßige widerfährt. Zugleich soll der Staat intern gestärkt
werden.

II. Feindstrafrecht in Großbritannien

In Großbritannien 962 geht trotz der historischen Vorbildeigenschaft für das li-
berale Strafrecht Europas zunehmend der Geist des repressiven Strafrechts um.
Dieser manifestiert sich in Regelungen, die in der Bundesrepublik Deutschland
bisher undenkbar sind, wie etwa den Einschränkungen des Schweigerechts des Be-
schuldigten nach ss. 34 –39 des „Criminal Justice and Public Order Act 1994“ 963
(CJPOA). Nach section 35 CJPOA ist das Schweigen vor Gericht grundsätzlich
als Schuldindiz verwertbar. Dies gilt auch in einem bestimmten Umfang für das
Schweigen des Beschuldigten im Ermittlungsverfahren (ss. 36, 37). 964 Auch die
Bestimmungen über den Verzicht auf die Hinzuziehung eines Verteidigers spiegeln
den repressiven Trend wieder: Verhaftete oder festgehaltene Personen haben nach
section 58 (1) des „Police and Criminal Evidence Act 1984“ 965 (PACE) in Verbin-
dung mit dem Code of Practice C 966 zwar grundsätzlich das Recht, jederzeit einen

962
Großbritannien ist hier untechnisch gemeint. Verwiesen wird vorliegend auf die Straf-
gesetzgebung in England / Wales, auch wenn die Regelungen in Schottland und Nordirland
weitgehend vergleichbar ausgestaltet sind.
963
Abrufbar unter: http://www.opsi.gov.uk/acts/acts1994/Ukpga_19940033_en_1.htm.
964
Dahingegen war das Schweigen des Beschuldigten nach dem Common Law generell
nicht verwertbar. Zu weiteren Einzelheiten vgl. Schuster, F. P.: Verwertbarkeit im Ausland
gewonnener Beweise 2006, S. 150 ff. und dort insb. auch Fn. 572 (S. 151). Schuster hält
deshalb in Großbritannien unter mittelbaren Zwang zur Selbstbezichtigung erlangte Ge-
ständnisse im deutschen Strafprozess für unverwertbar (Schuster, F. P.: Verwertbarkeit im
Ausland gewonnener Beweise 2006, S. 201 ff.).
965
Abrufbar unter: http://www.opsi.gov.uk/si/si1988/Uksi_19881200_en_1.
184 Kap. 2: Überprüfung der deskriptiven Ebene bei Jakobs

Anwalt (solicitor) zu verlangen. Über dieses Recht muss der Beschuldigte auch
belehrt werden. Allerdings ist das Hinausschieben der Verteidigerkonsultation
und damit die Vernehmung in Abwesenheit eines angeforderten Anwalts nunmehr
in bestimmten Ausnahmefällen zulässig, beispielsweise wenn ein mindestens im
Rang eines superintendent stehender Polizeibeamter der Ansicht ist, dass die Ver-
zögerung der Vernehmung zu einem Beweisverlust führen könnte (vgl. dazu para
6.6 (b) (i) und auch para 11.1 (a) Code C in der seit dem 31. 12. 2005 gültigen
Fassung). 967 Immerhin dürfen die beiden Bestimmungen über das Hinausschie-
ben der Verteidigerkonsultation und die Einschränkung des Schweigerechts (ss.
36, 37 CJPOA) seit der Entscheidung John Murray vs. UK des Europäischen
Gerichtshofs für Menschenrechte 968 nicht kombiniert werden. Der Beschuldigte
darf – solange er keinen Zugang zum Verteidiger hat – schweigen, ohne dass
daraus negative Schlüsse gezogen werden dürfen. 969
Die oben beschriebenen Beispiele mögen zwar nicht ausschließlich den Feind
als Regelungsadressaten ansprechen; an sich betreffen die Vorschriften alle Ver-
dächtigen gleichermaßen. Dennoch wird faktisch wohl gerade von der Befugnis,
dem Beschuldigten die unverzügliche Hinzuziehung eines Anwalts zu verweigern,
Gebrauch gemacht, wenn die Befragung bestimmte, nämlich als gefährlich einge-
schätzte Täter betrifft. Überdies überrascht es nicht, dass auch die Einschränkun-
gen der Selbstbelastungsfreiheit mit der Begründung einhergingen, insbesondere
professionelle Kriminelle und Terroristen 970 würden – entgegen den sonst ver-
nommenen Personen – über Gebühr von ihrem Recht zu Schweigen Gebrauch
machen und somit das Rechtssystem ausnutzen. Während man bei diesen Regelun-
gen jedoch die Gesetzesbegründungen zur Hilfe nehmen und sich einigermaßen
anstrengen müsste, um die feindstrafrechtliche Komponente herauszuarbeiten,
gelingt dies bei anderen Normen ohne viel Mühe. Zu nennen ist hierfür die be-
reits angesprochene Ausnahme vom Zeugnisverweigerungsrecht des Ehegatten
in bestimmten Fällen. 971 Wird dem Beschuldigten zum Beispiel ein Sexualdelikt
gegenüber einer unter sechzehn Jahre alten Person (bzw. Versuch oder Beihilfe
hieran) vorgeworfen, steht dem aussagenden Ehegatten entgegen der Grundnorm
nach section 80 PACE kein Zeugnisverweigerungsrecht zu. Anderen Angehörigen,
wie etwa den Kindern des Beschuldigten, gebührt ein solches Recht ohnehin
nicht. 972 Die Schlechterstellung des Beschuldigten wegen des Tatvorwurfs, spe-

966
Code C ist abrufbar unter: http://www.opsi.gov.uk/si/si2005/20053503.htm.
967
Schuster, F. P.: Verwertbarkeit im Ausland gewonnener Beweise 2006, S. 152 f.
m.w. N.
968
EGMR v. 8. 2. 1996 – 41/1994/488/570 – John Murray gegen Vereinigtes König-
reich, EuGRZ 1996, 587 ff.
969
Schuster, F. P.: Verwertbarkeit im Ausland gewonnener Beweise 2006, S. 152 Fn. 582.
970
So etwa die Begründung der Association of Chief Police Officers (ACPO), vgl. Bucke,
T. / Street, R. / Brown, D.: The right of silence 2000, S. 2.
971
Vgl. bereits Fn. 894.
D. Exkurs: Feindstrafrecht in ausländischen Strafrechtsordnungen 185

zielle Delikte (etwa Sexualstraftaten) begangen zu haben oder noch zu begehen


und besonders gefährlich 973 zu sein, deckt sich insofern mit der inhaltlich getroffe-
nen Aussage über das Feindstrafrecht bei Jakobs. Konsequent lässt sich britisches
Feindstrafrecht jedoch vor allem an der Anti-Terror-Gesetzgebung nachvollziehen.

1. Die britischen Anti-Terror-Gesetze

Nach dem Erlass etlicher befristeter Notstandsgesetze bildete der „Terrorism Act
2000“ 974 das erste unbefristete Anti-Terrorismus-Gesetz Großbritanniens. Dieser
regelte unter anderem die Erweiterung der polizeilichen Eingriffsbefugnisse in
Bezug auf verdachtsunabhängige Kontrollen und Durchsuchungen von Personen
und Fahrzeugen (ss. 43, 44). Ferner erhielt die Polizei neben dem Zugang zu
Bank- und Finanzdaten die Erlaubnis, ohne richterliche Anordnung Wohnungen
zu durchsuchen (section 42). Nach section 41 konnte eine wegen Terrorismus
verdächtigte Person sieben Tage und bis zu achtundvierzig Stunden ohne rich-
terliche Genehmigung in Polizeigewahrsam genommen und befragt werden. Der
„Criminal Justice Act 2003“ 975 erweiterte in section 306 die Frist, in der der
Verdächtige ohne Beschuldigung festgehalten werden konnte, auf vierzehn Ta-
ge. 976 Nach den Anschlägen in New York wurden die Anti-Terror-Maßnahmen
noch verschärft. Im „Anti-terrorism, Crime and Security Act 2001“ 977 (ATCSA)
wurden Befugnisse legitimiert, die unter dem „Terrorism Act 2000“ noch abge-
lehnt worden waren. Insbesondere Part 4 ATCSA ist hier zu nennen. Danach
durfte der Home Secretary (Innenminister) gegen Ausländer ohne gerichtliches
Urteil präventiv die Haft anordnen, wenn der begründete Verdacht besteht, die
Person ist Terrorist und stellt eine Gefahr für die Innere Sicherheit dar (ss. 23
i.V. m. 21 978). 979 Am 16. 12. 2004 wurde Part 4 ATCSA jedoch von den Law Lords
(Lordrichter) als unvereinbar mit der Europäischen Menschenrechtskonvention
(Art. 5 und 14 der EMRK) erklärt. 980 Die Festnahmebefugnisse seien Ausländer

972
Janicki, K.: Beweisverbote im deutschen und englischen Strafprozeß 2002, S. 192;
Schuster, F. P.: Verwertbarkeit im Ausland gewonnener Beweise im deutschen Strafprozess
2006, S. 149.
973
Zur britischen Diskussion über ein spezielle Unterbringungsanordnung für gefährli-
che Gewalttäter (Personen mit einer „Dangerous Severe Personality Disorder“) siehe Lau,
S.: MschrKrim 2004, 451 ff.
974
Abrufbar unter: http://www.opsi.gov.uk/ACTS/acts2000/20000011.htm.
975
Abrufbar unter: http://www.opsi.gov.uk/acts/acts2003/20030044.htm.
976
Vgl. Hayes, B.: Cilip 80 Nr. 1/2005, 45 ff., 46.
977
ATCSA abrufbar unter: http://www.opsi.gov.uk/acts/acts2001/20010024.htm.
978
Insofern ähnlich der US-Regelung im USA PATRIOT ACT, vgl. Kapitel 2 D.
979
Zur Legitimitätsbegründung der Inhaftierung terrorverdächtiger Ausländer vor dem
Hintergrund eines Ausweisungsverbots bei Staaten, in denen eine nicht menschenrechts-
konforme Behandlung droht, vgl. Bois-Pedain, A. d.: HRRS 6/2006, 209 ff., 209 f.; Sinn,
A.: ZIS 2006, 107 ff., 110.
186 Kap. 2: Überprüfung der deskriptiven Ebene bei Jakobs

diskriminierend 981 und es fehle an jeglicher gerichtlichen Kontrolle. Part 4 ATCSA


wurde daher im März 2005 durch den „Prevention Terrorism Act 2005“ 982 (PTA)
ersetzt. Anstelle der Verhaftung ist dem Secretary of State seitdem die Anordnung
von Auflagen (control orders) gegen verdächtige Personen gestattet, wobei nun-
mehr nicht nur Ausländer, sondern auch Briten Betroffene der Maßnahmen sein
können. 983 Nur bei schwereren Rechtseinschränkungen muss das Gericht nach
section 1 (2)(b) die Anordnung treffen. Die control orders dienen der Prävention
sowie der Begrenzung der Ausübungsmöglichkeiten terroristischer Aktivitäten.
Die Weisungen können sich insofern gemäß section 1 (4) auf die Nutzung be-
stimmter Gegenstände oder Dienstleistungen beziehen (Mobiltelefon, Internet).
Sie können Fortbewegungs-, Berufs oder Kontaktbeschränkungen beinhalten, wie
etwa Hausarrest oder elektronische Fußfesseln. Dem Verdächtigen kann auferlegt
werden, den Pass der Behörde auszuhändigen, Fotografien anfertigen zu lassen
und vorab Informationen über den jeweiligen Aufenthaltsort und mögliche Kom-
munikationspersonen weiterzugeben. Kontrollanordnungen können für ein Jahr
verhängt werden, wobei die Verlängerung jährlich möglich ist. Der Verstoß gegen
control orders kann zu einer Inhaftierung bis zu fünf Jahren führen. 984
Der am 30. 5. 2006 in Kraft getretene „Terrorism Act 2006“ 985 schafft weitere
Eingriffsbefugnisse sowie neue Straftatbestände und baut bestehende Regelun-
gen zur Terrorismusbekämpfung aus. In Part 1 des Gesetzes wird nunmehr etwa
auch die Anregung, Unterstützung und Glorifizierung von Terrorakten unter Stra-
fe gestellt, wobei die Höchststrafe bei sieben Jahren Freiheitsentzug liegt (Clause
1). Auch die Verbreitung entsprechender Schriften bei identischem Strafrahmen
(Clause 2) und die Vorbereitung von Terrorakten als Täter oder Teilnehmer wer-
den mit bis zu lebenslanger Freiheitsstrafe (Clause 5) bestraft. Die terroristische
Ausbildung und Anleitung zu terroristischen Straftaten wird mit bis zu zehn Jah-
ren Freiheitsstrafe sanktioniert (Clause 6), ebenso wie das örtliche Beiwohnen
eines solchen Trainings (Clause 8). Part 2 des Gesetzes erweitert die Befugnisse
des Home Secretary, terroristische Gruppen zu verbieten. Die ss. 23 und 24 erlau-
ben es den police officers im Rang eines superintendent eine Haftverlängerung
zu autorisieren.
Dass das eben beschriebene Anti-Terror-Recht unzweifelhaft feindstrafrechtli-
che Züge aufweist, dürfte nach den bisherigen Ausführungen zum Feindstrafrecht

980
Vgl. auch Albrecht, P.-A.: ZStW 117 (2005), 852 ff., 859; Bois-Pedain. A. d.: HRRS
6/2006, 209 ff., 212; Hayes, B.: Cilip 80 Nr. 1/2005, 45 ff., 48; Maierhöfer, C.: EuGRZ
2005, 460 ff.
981
Vgl. Bois-Pedain. A. d.: HRRS 6/2006, 209 ff., 213.
982
Abrufbar unter: http://www.opsi.gov.uk/ACTS/acts2005/20050002.htm.
983
Bois-Pedain. A. d.: HRRS 6/2006, 209 ff., 212; Fischer Weltalmanach 2006, S. 200;
Hayes, B.: Cilip 80 Nr. 1/2005, 45 ff., 49.
984
Hayes, B.: Cilip 80 Nr. 1/2005, 45 ff., 49.
985
Abrufbar unter: http://www.opsi.gov.uk/acts/acts2006/20060011.htm.
D. Exkurs: Feindstrafrecht in ausländischen Strafrechtsordnungen 187

nicht weiter verwundern und soll daher hier nur noch kurz zusammengefasst
werden. Die britische Anti-Terror-Gesetzgebung drückt namentlich (Terrorism
Act 2000, Anti-terrorism, Crime and Security Act 2001, Prevention Terrorism
Act 2005, Terrorism Act 2006) bereits aus, welchen Straftaten energisch entgegen
getreten werden soll. Terroristische Taten und Täter sollen bekämpft, Sicherheit
effektiviert werden, so dass es sich bei den genannten Gesetzen um den britischen
Ableger der Bekämpfungsgesetzgebung handelt. Materiell-rechtlich werden Vor-
feldnormen erlassen (Part 1 des Terrorism Act 2006), denen mit vergleichsweise
harten Strafen begegnet wird. Besonders ausgeprägt sind die prozessualen Ein-
schränkungen durch Maßnahmen, die auch im Vorfeld einer Rechtsgutsverletzung
und partiell verdachtsunabhängig zulässig sind (z. B. ss. 42 –44 des Terrorism
Act 2000), massiv Freiheitsrechte des Betroffenen beschränken und dessen In-
timsphäre kaum berücksichtigen (z. B. Haft, control orders) sowie teilweise ohne
richterliche Überprüfung angeordnet werden dürfen. Die Maßnahmen, gerade
die control orders nach section 1 (4) des Prevention Terrorism Act 2005, dienen
überwiegend der Prävention, sind also zukunftsorientiert. Die Wesensmerkmale
des Feindstrafrechts, wie sie von Jakobs formuliert wurden, liegen damit allesamt
vor.

2. Jakobs Feindstrafrecht und Garlands Culture of Control

Einem dem Feindstrafrecht bei Jakobs in einigen wesentlichen Punkten ent-


sprechendes Strukturmodell, die „criminology of the other“, ist in der Untersu-
chung der Entwicklung der Strafjustiz und der gesellschaftlichen Begegnung mit
Kriminalität in Großbritannien von Garland vorzufinden. Bereits der Titel der
Arbeit „The Culture of Control“ gibt Aufschluss über einen bestimmten Trend
im britischen Strafrecht: Die Bestrafung als Gegenstand der Strafverfolgung tritt
zunehmend hinter dem Aspekt der sozialen Kontrolle zurück. Bedingt ist dies
durch das allgemeine Bedürfnis nach Sicherheit, das mit Prävention befriedigt
wird. 986 Vorbeugende Verbrechensbekämpfung verlagert wiederum die Kontrolle
abweichenden Verhaltens vor, indem materiell die Strafbarkeit beziehungsweise
prozessual die Strafverfolgung früher einsetzt. Hier klingt bereits eine Entspre-
chung zur von Jakobs beobachteten Vorverlagerung 987 im deutschen Recht an.
Feindstrafrechtliche Parallelaspekte deutscher und britischer Entwicklung werden
jedoch vor allem bei den Ausführungen Garlands zu den aktuell vorherrschenden
kriminologischen Strömungen deutlich. Nach Garland stehen sich die „crimi-
nology of every day life“ und die „criminology of the other“ gegenüber. Die

986
Garland, D.: The Culture of Control 2001, S. 12, 16 f.
987
Unter Verweis auf die Ausführungen zum feindstrafrechtlichen Prozessrecht in Ka-
pitel 1 C.II.4. und Kapitel 2 B.IV. ist vorliegend – obgleich Jakobs den Schwerpunkt auf
die materielle Vorverlagerung legt – auch die automatisch mit der materiellen Vorfeldkri-
minalisierung einhergehende prozessuale Vorverlagerung erfasst.
188 Kap. 2: Überprüfung der deskriptiven Ebene bei Jakobs

„criminology of every day life“ fasst verschiedene kriminologische Theorien


(„crime as opportunity“, „situational crime prevention, diverse rational choice-
Ansätze etc.) zusammen, deren Ausgangspunkt die Normalität von Kriminalität
im alltäglichen und modernen Leben ist. 988 Dieses Kriminalitätsverständnis wird
auch als „criminology of the self” bezeichnet, was soviel bedeutet wie: Der Tä-
ter ist „einer von uns“. Der Straftäter ist hiernach normaler Rechtsbrecher, der
rational Erfolgsaussichten gegen Entdeckungsrisiko und Strafhöhe abwägt. Diese
Sichtweise entspricht auf deskriptiver Ebene weitgehend dem Strafrecht, das von
Jakobs als Bürgerstrafrecht bezeichnet wird. Der Täter ist der Strafe zugänglich,
das heißt nach Jakobs kommunikationsfähig. Er wird als grundsätzlich „gut“ an-
gesehen, so dass er trotz Straftat dem gesamtgesellschaftlichen Gefüge zugehörig
bleibt. 989
Die „criminology of the other“ sieht den Straftäter dagegen als den „Ande-
ren“ (alien other), der sich nicht dem Gesellschaftssystem anpasst. Der Andere
ist amoralische Gefahrenquelle (amoral behaviour of dangerous offenders) und
hochgradig asozial (profoundly anti-social); er gehört nicht zu „uns“. Die Rede
ist vor allem von sexual predators, drug-addicts and career criminals. 990 Die
Darstellung deckt sich deskriptiv mit dem Feindstrafrecht als Gegenstück des
Bürgerstrafrechts bei Jakobs – auch insofern, dass dem Täter die kognitive und
moralische Kommunikationsfähigkeit abgesprochen wird. 991 Während der delin-
quente Bürger (the self ) den herkömmlichen Mitteln des Strafrechts zugänglich ist,
muss der Feind (the other) weggesperrt und unschädlich gemacht werden: „The
only practical and rational response to such types, as soon as they offend if not
before, is to have the ‚taken out of circulation‘ for the protection of the public.” 992
Wie im Feindstrafrecht nach Jakobs kann die Verbrechens-„verfolgung“ in der
angloamerikanischen Variante also vor der eigentlichen Rechtsgutsverletzung ein-
setzen. Das Feindstrafrecht bei Jakobs wie auch der bei Garland beschriebene,
gegenwärtig im Strafrecht Anwendung findende Strukturtypus der „criminology
of the other“ dienen kriminalpolitisch umgesetzten Effektivitätserwägungen, was

988
Garland, D.: The Culture of Control 2001, S. 16, 127 f.
989
So auch Fritz Sack auf seinem Berliner Vortrag anlässlich der Verleihung des
Werner-Holtfort-Preises 2005 an die Redaktion Bürgerrechte & Polizei / CILIP „Feindstraf-
recht – Auf dem Wege zu einer anderen Kriminalpolitik?“ vom 27. 5. 2005, weitgehend
identische Fassung im Internet abrufbar unter: http://www.cilip.de/presse/2005/sack.htm.
990
Garland, D.: The Culture of Control 2001, S. 135.
991
Vgl. auch Fritz Sack auf seinem Berliner Vortrag anlässlich der Verleihung des
Werner-Holtfort-Preises 2005 an die Redaktion Bürgerrechte & Polizei / CILIP „Feindstraf-
recht – Auf dem Wege zu einer anderen Kriminalpolitik?“ vom 27. 5. 2005, weitgehend
identische Fassung im Internet abrufbar unter: http://www.cilip.de/presse/2005/sack.htm.
992
Garland, D.: The Culture of Control 2001, S. 136: Es ist der einzig praktikable
und vernünftige Weg, auf solche Tätertypen zu reagieren, indem man sie zum Schutz der
allgemeinen Sicherheit aus dem Verkehr zieht, sobald sie straffällig geworden sind – wenn
nicht schon vorher.
E. Ausblick 189

sich wiederum auf die Sprache auswirkt. Der feindstrafrechtlichen Bekämpfungs-


sprache entsprechen Phrasen wie „we should condemn more and understand less“,
„truth in sentencing“, „zero tolerance“, „prison works“ und die Forderung nach
„austere“ (strengen) Gefängniskonditionen. 993

III. Fazit

Die auffallende Ähnlichkeit der Strafrechtskonzeption von Jakobs mit dem bei
Garland deskriptiv festgehaltenen Strukturtypus der „criminology of the other“,
die schwerlich auf dem wissenschaftlichen Austausch beider Autoren beruht, ist
bereits als starkes Indiz, wenn nicht gar als Beweis dafür zu sehen, dass Feindstraf-
recht beziehungsweise die damit umschriebenen Merkmale als kriminalpolitische
Strategie nicht auf die nationale Ebene beschränkt sind. Vielmehr zieht das Feind-
strafrecht supranationale Bannkreise, die vielleicht mal mehr, mal weniger zu einer
idealtypischen Ausprägung führen. Dies belegen auch zahlreiche Publikationen,
die sich mit dem Feindstrafrecht in ausländischen Rechtsordnungen beschäftigen,
und von denen einige oben benannt wurden. Gleichfalls kann der Trend auch nicht
nur auf Europa beschränkt werden, wie die Ausführungen zu feindstrafrechtlicher
Rechtsetzung in Kolumbien und den USA ergeben haben. Daher ist der These
Jakobs, tendenziell nähere sich das Strafrecht einem Feindstrafrecht an, soweit sie
sich auf die deskriptive Ebene des Feindstrafrechts beschränkt, selbst im Hinblick
auf außernationale beziehungsweise sogar außereuropäische Rechtsordnungen
zuzustimmen.

E. Ausblick: Zukünftiges Feindstrafrecht –


Die prognostische Ebene bei Jakobs

Bekanntermaßen sagt Jakobs über das eigens entwickelte Feindstrafrecht, dass


jenes auch zukünftig bestehen werde. 994 Eine strafrechtsklimatische Trendwende
und damit die Abkehr vom Feindstrafrecht seien derzeit nicht einmal im Ansatz
erkennbar. Zurückzuführen sei diese Entwicklung zunächst auf die gegenwärti-
ge Sicherheitspolitik, die vor allem auf kurzfristige Effektivität des Strafrechts
abziele. 995 Ferner seien gesellschaftliche Bindungen wie Religion, Familie und
Nationalität in Auflösung begriffen. Soziale wie auch kulturelle Umbrüche 996

993
Garland, D.: The Culture of Control 2001, S. 9, 13; vgl. auch ders.: KZfSS Sonder-
heft 43/2003, S. 36 ff., 40.
994
Vgl. bereits Kapitel 1 D.I.2.
995
Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.).: Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausend-
wende 2000, S. 47 ff., 49.
190 Kap. 2: Überprüfung der deskriptiven Ebene bei Jakobs

führten infolge von Globalisierung und Multikulturalität vermehrt dazu, dass ge-
sellschaftliche und damit auch rechtliche Verpflichtungen von Individuen nicht
verbindlich angenommen werden. Stattdessen bilden diese Individuen ihre Iden-
tität außerhalb des sozialen wie rechtlichen Gefüges. Entsprechend wird nach
Jakobs Einschätzung „die Zahl der Feinde nicht so bald abnehmen, vielmehr eher
noch zunehmen“. 997
Da eine Prognose auf Wahrscheinlichkeiten beruht und auf zukünftige Zu-
stände ausgerichtet ist, ist die prognostische Ebene bei Jakobs zwar gegenwärtig
keiner vollumfänglichen Überprüfung zugänglich – die These kann allenfalls
im Nachhinein auf ihre Korrektheit hin analysiert werden. Wohl aber sprechen
die tatsächlichen Umstände, auf denen die Prognose Jakobs beruht, für eine ho-
he Wahrscheinlichkeit, dass Feindstrafrecht auch zukünftig, wenn nicht sogar
noch stärker am Idealtypus angelehnt, ins deutsche Strafrecht Eingang finden
wird. Zunächst konnte aufgezeigt werden, dass sich bereits zahlreiche Normen
im deutschen Strafrecht befinden, die einen (tendenziell) feindstrafrechtlichen
Charakter tragen. Darüber hinaus werden besonders aus Richtung der Politik
permanent Forderungen nach mehr Sicherheit durch Bekämpfungsrecht gegen
bestimmte Straftäter laut, deren kriminelle Umtriebe eine besondere Allgemein-
gefährdung zugeschrieben wird. Unter anderem wird darauf hingewiesen, dass
die wirtschaftliche Globalisierung grenzüberschreitende, kriminelle Betätigungs-
felder etwa im Bereich von Wirtschafts- und Organisierter Kriminalität – von
Terrorismus 998 ganz abgesehen 999 – eröffne. Solche und andere Kriminalitätsberei-
che sowie deren Akteure werden politisch wie auch medial als akute Bedrohung
der Inneren Sicherheit verhandelt, mit der Konsequenz, dass Feindzuweisungen
kommuniziert werden. 1000 Die Vermittlung eines derartigen Bedrohungsszenari-
ums führt unweigerlich zu einem Strafrecht mit Präventivcharakter und beifolgend
zu feindstrafrechtlichen Regelungsinstrumentarien. 1001 Entsprechend werden in
der Debatte um die „Innere Sicherheit“ 1002, das „Sicherheitsstrafrecht“ 1003 und den
„Sicherheitsstaat“ 1004 dem Feindstrafrecht vergleichbare Argumentationsstränge

996
Insofern wohl Bezug nehmend auf Huntingtons These vom „Clash of Civilzations“,
künftige Konflikte seien solche zwischen den großen Kulturkreisen (Huntington, S. P.:
Kampf der Kulturen 2006, vgl. bereits das Vorwort auf S. 11 ff.).
997
Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.).: Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausend-
wende 2000, S. 47 ff., 52 f.
998
Vgl. etwa Windolph, J.: Kriminalistik 2006, 356 ff., 359.
999
Vgl. auch die Neufassung des Art. 73 GG, der in Abs. 1 Nr. 9a nunmehr ausdrück-
lich die Gesetzgebungskompetenz über die Abwehr von Gefahren des internationalen
Terrorismus regelt. Dadurch kommt konkludent zum Ausdruck, dass der Gesetzgeber der
Bedrohungslage durch den internationalen Terrorismus einen hohen Stellenwert einräumt.
1000
Kunz, T.: Der Sicherheitsdiskurs 2005, S. 9 f.
1001
Vgl. Silva Sánchez, J.-M.: Die Expansion des Strafrechts 2003, S. 35, 43 ff.
1002
Vgl. etwa Ausführungen zur Diskussion in Kunz, T.: Der Sicherheitsdiskurs 2005;
ders.: KrimJ 2006, 82 ff. Im Sinne eines Grundrechts auf Schutz vor Kriminellen und damit
E. Ausblick 191

angeführt. Die feindstrafrechtliche Bekämpfungsgesetzgebung dient grundsätz-


lich dem Schutz der allgemeinen Sicherheit vor besonderen Gefahren wie etwa
Betäubungsmittelkriminalität, Terrorismus oder Sexualstraftaten. 1005 Das gegen-
wärtig viel zitierte und der Sicherheitsgesetzgebung als Begründung dienende
„Grundrecht auf Sicherheit“ 1006 findet sich gleichsam im Feindstrafrechtsmodell
von Jakobs: Der Feind ist „Gefahrenherd“ und stellt ein permanentes „Sicherheits-
problem“ dar. 1007 Deshalb darf der Staat ihn gerade nicht als Person zu behandeln,
da er andernfalls zugleich das Recht auf Sicherheit der anderen Personen verlet-
ze. 1008 Überdies offenbart sich die Parallelität von Feind- und Sicherheitsstrafrecht
im Effektivitätsgedanken: Innere Sicherheit soll durch „effektives“ Strafrecht ga-
rantiert werden – Effektivität durch Strafurteile ist nach Aponte bekanntermaßen
typisches Wesensmerkmal praktizierten Feindstrafrechts. 1009 Eine effektive Krimi-
nalitätsbekämpfung im Namen der Sicherheit wird in erster Linie als Aufgabe der
Polizei wahrgenommen 1010 – gerade die zunehmende Verpolizeilichung 1011 kenn-
zeichnet jedoch auch das Feindstrafrecht. 1012 Die Grenzen von Sicherheitsstaat,

für die Ergänzung des Strafrechts um Sicherungsmaßnahmen oder sogar die Ablösung durch
ein Kriminal-Sicherheitsrecht vgl. Tipke, K.: Innere Sicherheit 1998.
1003
Z. B. Albrecht, P.-A.: Betrifft JUSTIZ 2006, 289 ff.; Frehsee, D. in: Frehsee,
D. u. a. (Hrsg.): Konstruktion der Wirklichkeit durch Strafe 1997, S. 14 ff., 23; Göppinger-
Schneider: Kriminologie 2008, § 30 Rn. 2; Stratenwerth, G.: ZStW 105 (1993), 679 ff.;
Krauß, D.: StV 1989, 315 ff.
1004
Grundlegend Hirsch, J.: Der Sicherheitsstaat 1980; vgl. auch Braum, S.: KritV 2005,
283 ff., 284; Haffke, B. in: Rode, I. u. a. (Hrsg.): Neue Lust aufs Strafen 2005, S. 35 ff.;
Krauß, D.: StV 1989, 315 ff. Zur ähnlichen Bezeichnung als „Präventionsstaat/-strafrecht“
bzw. „Sicherheitsrecht“ siehe Denninger, E.: KritJ 1988, 1 ff.; ders.: Aus Politik und
Zeitgeschichte B10 –11/2002, 22 ff.; Frehsee, D.: StV 1996, 222 ff., 225 f.; Saliger, F. in:
Institut für Kriminalwissenschaften und Rechtsphilosophie Frankfurt a. M. (Hrsg.): Jenseits
des rechtsstaatlichen Strafrechts 2007, S. 447 ff.; Schieler, A.: KritV 2005, 265 ff.; Sieber,
U.: ZStW 2007, 1 ff., 26; Fischer, T.: StGB 2008, Einl. Rn. 12; Wohlers, W.: Deliktstypen
des Präventionsstrafrechts 2000.
1005
Vgl. zu den Gesetzesbegründungen der Bekämpfungsgesetze Kapitel 2 B.III.2.
1006
Grundlegend Isensee, J.: Das Grundrecht auf Sicherheit 1983. Das Grundrecht auf
Sicherheit ist danach die einklagbare Gesamtheit aller staatlichen Schutzpflichten (Isensee,
J.: Das Grundrecht auf Sicherheit 1983, S. 33).
1007
Jakobs, G.: ZStW 117 (2005), 839 ff., 842.
1008
Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 94. Vgl. auch Kapitel 1 A.I.2.a)aa)(1).
1009
Vgl. Ausführungen zum kolumbianischen Feindstrafrecht nach Aponte, Kapitel 2
D.I.
1010
Kunz, T.: Der Sicherheitsdiskurs 2005, S. 15.
1011
Zum erstarkenden Einfluss des Polizeirechts auf das materielle und prozessuale
Strafrecht, insbesondere im Rahmen zunehmender Sicherheitsinteressen, vgl. etwa Fest-
stellungen bei Frankenberg, G. in: Beestermöller, G. / Brunkhorst, H. (Hrsg.): Rückkehr
der Folter 2006, S. 55 ff., 57, 60 f.; Fischer, T.: StGB 2008, Einl. Rn. 12a; Hassemer, W.:
StV 1988, 267 f., 267; Hefendehl, R.: F.-C. Schroeder-FS 2006, S. 453 ff., 475; Kindhäuser,
U.: F.-C. Schroeder-FS 2006, S. 81 ff., 93 f.; Weißer, B.: JZ 2008, 388 ff., 393 f. Zur Po-
lizeiorientierung im Sonderrechtssystem der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität
192 Kap. 2: Überprüfung der deskriptiven Ebene bei Jakobs

Risikostrafrecht und Feindstrafrecht sind augenscheinlich fließend; das eine Phä-


nomen stellt sich als ein Indiz für das andere dar. 1013 Entsprechend untermauert die
Schwerpunktverlagerung zur Gefahrenabwehr den Trend zum Feindstrafrecht 1014
und bestätigt die Korrektheit der Prognosebasis bei Jakobs. Eine Abkehr vom
feindstrafrechtlichen und zugleich sicherheitsorientierten Strafrechtssystem, wie
es derzeit etwa durch materielle beziehungsweise prozessuale Vorverlagerungen
zum Ausdruck kommt, ist ferner nicht zu erwarten, solange Gefährdungslagen wie
zum Beispiel der Nahost-Konflikt 1015 oder das iranische Atomprogramm Anlass
geben, über bestmögliche Sicherheit – insbesondere auch gegen terroristische
Anschläge 1016, deren Ausmaß international drastische Eskalations- und Gefähr-
dungsstufen erreicht hat 1017 – nachzudenken. Es ist insofern zu erwarten, dass

vgl. Frommel, M.: KritV 1990, 279 ff., 280 f.; Klawitter, E.: KritV 1997, 248 ff., 248; Krauß,
D.: KritV 1993, 183 ff., 187; Sieber, U.: ZStW 2007, 1 ff., 2, 34, 36. Vgl. ferner auch Jahn,
M. in: Institut für Kriminalwissenschaften und Rechtsphilosophie Frankfurt a. M. (Hrsg.):
Jenseits des rechtsstaatlichen Strafrechts 2007, S. 545 ff., 554 f., 558. Danach findet eine Ge-
wichtsverlagerung zwischen staatsanwaltschaftlicher Ermittlungstätigkeit und polizeilicher
Initiativermittlung (z. B. Kontrollstellen gemäß § 111 StPO; Raster- und Schleppnetzfahn-
dung) statt. Letztere wird vermehrt der förmlichen Einleitung des Ermittlungsverfahrens
durch die Staatsanwaltschaft vorgeschaltet, um den Sachverhalt hinsichtlich der Vorausset-
zungen eines Anfangsverdachts zu erforschen, wobei unklar ist, ob es überhaupt jemals zu
einem Anfangsverdacht kommen wird.
1012
Zur Parallelität von Feindstrafrecht und Verpolizeilichung vgl. Jakobs, G.: ZStW
117 (2005), 839 ff., 848; ders.: HRRS 8 – 9/2006, 289 ff., 296.
1013
Zum Zusammenhang zwischen Risikostrafrecht und Feindstrafrecht vgl. insofern
auch Prittwitz, C.: Kriminologie. Akteurin und Kritikerin gesellschaftlicher Entwicklung
2005, S. 215 ff., 218, 221, 225, 227. Danach sei das Feindstrafrecht die „fatale und unbe-
dingt abzulehnende Konsequenz eines Risikostrafrechts“. Ebenfalls einen Zusammenhang
von „Sicherheits-„, „Risiko-„ oder „Interventionsstrafrecht“ und der Bekämpfung von
Feinden sehend: Arnold, J.: HRRS 8 – 9/2006, 303 ff., 309. Vgl. auch Frankenberg, G. in:
Beestermöller, G. / Brunkhorst, H. (Hrsg.): Rückkehr der Folter 2006, S. 55 ff.; Kalek, W. in:
Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 281 ff., 294 f.; Streng, F. in: Uwer, T.
(Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 227 ff., 247.
1014
Vgl. auch den Untertitel „Sicherheitsstrafrecht als Entwicklung vom Bürgerstraf-
recht zum Feindstrafrecht“ bei Albrecht, P.-A.: Betrifft JUSTIZ 2006, 289 ff., 289 (Unterti-
tel), 290 (Wiederaufgriff des Themas im Unterpunkt B).
1015
Vgl. auch Prognose bei Schlarmann, H. / Spiegel, J.-P.: NJW 2007, 870 ff., 870.
1016
Zur fortdauernden Bedrohung durch die al-Quaida vgl. etwa Hoffman, B.: Terroris-
mus 2006, S. 425 ff.
1017
Das massive Bedrohungslage der westlichen Welt durch den internationalen Ter-
rorismus zeigt sich insbesondere an den Flugzeuganschlägen vom 11. September 2001
(nach eher zurückhaltenden Schätzungen über 3000 Tote, davon allein 2750 in New York),
die im März 2004 in Madrid verübten Bombenanschläge auf den Bahnverkehr (über 190
Tote, mindestens 1400 Verletzte) und die Anschläge auf die Londoner Verkehrssysteme
im Juli 2005 (über 50 Tote), vgl. etwa Der Spiegel Nr. 36 v. 4. 9. 2006, S. 94 ff., 94 f.;
vgl. auch Schaubild in: Der Spiegel Nr. 28 v. 9. 7. 2007, S. 18 ff., 21. Die jüngst (August
2006) vereitelten Anschläge Londoner Dschihadisten, bei denen mittels an den Kontrollen
vorbeigeschmuggelten Flüssigsprengstoffs mindestens drei Passagiermaschinen mit Ziel
E. Ausblick 193

der, nicht zuletzt durch Globalisierung 1018 und technischen Fortschritt beding-
ten, komplexen Bedrohungsqualität von potentiellen Gefahren in der modernen
(Welt-)Risikogesellschaft 1019 auch zukünftig Rechnung getragen wird. Entspre-
chend führt der für seine klassisch-liberale Strafrechtsauffassung bekannte Vize-
präsident des Bundesverfassungsgerichts Winfried Hassemer – unter Beibehaltung
seiner generellen Kritik am modernen Präventionsstrafrecht 1020 – im Eröffnungs-
vortrag 1021 des 30. Strafverteidigertages in Frankfurt am Main aus: Der Trend

USA in die Luft gesprengt werden sollten (vgl. hierzu im Einzelnen etwa Der Spiegel
Nr. 33 v. 14. 8. 2006, S. 90 ff.), reihen sich mühelos in die Eskalationsserie ein und hät-
ten bei ungehindertem Ablauf des planmäßigen Geschehens wohl einen neuen, traurigen
Höhepunkt in der Geschichte des Terrorismus gesetzt. Gleiches gilt für die drei fehlgeschla-
genen Anschläge mittels Autobomben in London und Glasgow im Juli 2007 [siehe hierzu
etwa: Der Spiegel Nr. 28 v. 9. 7. 2007, S. 118 ff.). Zwar betreffen die aufgezählten Terror-
akte andere westliche Staaten, dennoch ist auch Deutschland der Gefahr ausgesetzt, nicht
nur – wie im Fall des Attentäters Mohammed Atta (siehe auch Kapitel 2 B.II.1.a)aa)] – als
Finanzierungs-, Logistik- und Rekrutierungsraum ausländischer krimineller Vereinigun-
gen genutzt (siehe hierzu Griesbaum, R.: Nehm-FS 2006, S. 125 ff., 125), sondern auch
Ziel terroristischer Anschläge zu werden. So belegen der misslungene Anschlag vom
31. 7. 2006, zu dessen Zweck in zwei verschiedenen Regionalzügen Kofferbomben depo-
niert worden waren, die jedoch aufgrund von Fehlzündungen nicht explodierten (vgl. Der
Spiegel Nr. 34 v. 21. 8. 2006, S. 36 f.; Der Spiegel Nr. 15 v. 7. 4. 2007, S. 32 ff., 34 f.), und
der i. R. d. „Operation Alberich“ im September 2007 verhinderte Terroranschlag auf den
US-amerikanischen Luftwaffenstützpunkt Ramstein sowie amerikanische und usbekische
Konsulate in Deutschland (vgl. Der Spiegel Nr. 37 v. 10. 9. 2007, S. 20 ff.), dass Deutschland
sich mit dem globalen Terrorismus auseinander setzen muss.
1018
Zu den Gefahren der Globalisierung wie etwa Terrorismus, Internet-, Umwelt- und
Organisierter Kriminalität wie auch Steuer- und Subventionskriminalität, vgl. beispielswei-
se Schünemann, B.: GA 2003, 299 ff.; Sieber, U.: ZStW 2007, 1 ff., 4 ff.
1019
Zur Risikogesellschaft vgl. grundlegend Beck, U.: Risikogesellschaft 2003 (erstmals
erschienen 1986). Zur Fortführung als Weltrisikogesellschaft vgl. Beck, U.: Das Schweigen
der Wörter 2002, S. 13 ff.; ders.: Weltrisikogesellschaft 2007. Vgl. darüber hinaus Prittwitz,
C.: Strafrecht und Risiko 1993, S. 49 ff., ders. in: Frehsee, D. u. a. (Hrsg.): Konstruktion der
Wirklichkeit durch Strafe 1997, S. 47 ff., 51 ff; ders.: Kriminologie. Akteurin und Kritikerin
gesellschaftlicher Entwicklung 2005, S. 215 ff., 221 ff.; ders. in: Institut für Kriminalwis-
senschaften und Rechtsphilosophie Frankfurt a. M. (Hrsg.): Jenseits des rechtsstaatlichen
Strafrechts 2007, S. 225 ff., 235; Sieber, U.: ZStW 2007, 1 ff., 3, 16 ff.
1020
Nach Hassemer wird das Strafrecht zunehmend für kriminalpolitische Ziele funktio-
nalisiert, ohne dass tatsächliche Effektivität hinreichend sicher zu erwarten ist (Hassemer,
W.: JuS 1987, 257 ff., 264 ff.; vgl. auch ders.: ZRP 1992, 378 ff., 380, 382; ders.: StV 1994,
333 ff., 333, 336 f.). Verpolizeilichung und Prävention stellen sich danach als Fremdkörper
unserer Rechtskultur dar (Hassemer, W.: StV 1988, 267 f., 267. Vgl. auch weitere Kritik bei
ders.: Maihofer-FS 1988, S. 183 ff., 197 ff.; ders.: KritV 1990, 260 ff., 265 ff.; ders.: StV
1994, 333 ff., 333). Im Rahmen seiner Kritik am Präventionsstrafrecht lehnt Hassemer auch
das Feindstrafrecht vehement ab: „Sorgen machen mir auch aktuelle Entwicklungen, die auf
den ersten Blick ganz disparat sind, auf den zweiten aber darin übereinkommen, dass sie zu
früh die rechtsstaatliche Geduld verlieren, dass sie auf sofortiger, notfalls rücksichtsloser
Problemlösung bestehen. Als Beispiele unter vielen greife ich die sog. Folter-Debatte und
die aufkommende Unterscheidung von „Bürgerstrafrecht“ und „Feindstrafrecht“ heraus.
Beide sind Kinder einer radikalen Option für Prävention“ (Hassemer, W.: StraFo 2005,
194 Kap. 2: Überprüfung der deskriptiven Ebene bei Jakobs

zum Gefahrenabwehrrecht ist stabil; „er antwortet auf normative Desorientierung,


Verbrechensfurcht und Kontrollbedürfnisse einer Risikogesellschaft“. Es kommt
nunmehr darauf an, „diesen Trend ernst zu nehmen und über ein rechtsstaatliches
Sicherheitsstrafrecht nachzudenken“. 1022
Auch die oben beispielhaft dargestellte 1023 feindstrafrechtliche Parallelentwick-
lung in anderen Staaten 1024 spricht im Zuge von Europäisierung, Globalisierung
und Internationalisierung für den zukünftigen Ausbau feindstrafrechtlicher Nor-
men als Sonderstrafrecht und stützt somit die Zukunftsthese von Jakobs. Auf
europäischer Ebene 1025 ist in diesem Kontext etwa die Betonung des „Grundrechts
auf Sicherheit“ im (vorerst wohl gescheiterten) Entwurf der neuen EU-Verfassung
kennzeichnend. Artikel II-66 (Recht auf Freiheit und Sicherheit) etwa ist zu
entnehmen: „Jeder Mensch hat das Recht auf Freiheit und Sicherheit.“ Der in
Kapitel IV (Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts) befindliche Artikel
III-257 Abs. 1 beginnt: „Die Union bildet einen Raum der Freiheit, der Sicher-
heit und des Rechts ...“. Abs. 3 besagt darüber hinaus: „Die Union wirkt darauf
hin, durch Maßnahmen zur Verhütung und Bekämpfung von Kriminalität sowie
von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, zur Koordinierung und Zusammen-
arbeit von Polizeibehörden und Organen der Strafrechtspflege und den anderen
zuständigen Behörden sowie durch die gegenseitige Anerkennung strafrechtlicher
Entscheidungen und erforderlichenfalls durch die Angleichung der strafrechtlichen
Bestimmungen ein hohes Maß an Sicherheit zu gewährleisten.“ Im bislang ausge-
arbeiteten Verfassungsentwurf scheint die Sicherheit einen wichtigen – wenn nicht
gar den wichtigsten – Stellenwert in der Zweckverfolgung der EU-Rechtsetzung
eingenommen zu haben. Mit dieser Prioritätenverteilung geht zugleich die Ver-
lagerung von einer repressiven zu einer präventiven Verbrechensbekämpfung
einher. Präventive Verbrechensbekämpfung wiederum bietet sich gerade für den
Fall an, dass (vermeintlich oder realiter) besonders gefahrträchtige Situationen
überwunden werden müssen. Entsprechend wird auf den einzelnen Täter, der zu
einer bestimmten Gefahrenlage beiträgt, präventiv mit Strafe eingewirkt, indem
zur Vermeidung der eigentlichen Rechtsgutsverletzung früher (Vorfeldkrimina-
lisierungen) und zur Vermeidung von Wiederholungen härter (temporär längere
Sicherung) bestraft wird. Der EU-Verfassungsentwurf spiegelt insofern das poli-

312 ff., 315; vgl. darüber hinaus zum „gefährlichen Weg zum Feindstrafrecht“ Hassemer,
W.: FR v. 27. 3. 2006, S. 7).
1021
Abgedruckt in StV 2006, 321 ff.
1022
Hassemer, W.: StV 2006, 321 ff., 332. Siehe ergänzend auch Hassemer, W.: ZIS
2006, 266 ff., 269 f., 273.
1023
Siehe Kapitel 2 D.
1024
Vgl. hierzu auch Göppinger-Schneider: Kriminologie 2008, § 30 Rn. 10, 16.
1025
Vgl. etwa auch Lüderssen, K.: GA 2003, 71 ff., 79, der eine europarechtliche
Hinentwicklung zum Feindstrafrecht im Rahmen des Umgangs mit der Organisierten
Kriminalität für die Zukunft jedenfalls nicht als vollkommen abwegig prognostiziert.
E. Ausblick 195

tische und gesellschaftliche Klima wider und setzt damit den nationalen Trend
zur Ausrichtung des Rechts am Sicherheitsgedanken auf europarechtlicher Ebene
konsequent fort. 1026 Wie oben dargestellt, bedeutet die Rechtsorientierung an der
allgemeinen Sicherheit zugleich eine Übernahme feindstrafrechtlicher Interpreta-
tionsmuster. Im Rahmen der Diskussion über die gemeinsamen Mindeststandards
für Strafverfahren in der Europäischen Union 1027, die später wohl auch als Rechtfer-
tigung oder „Feigenblatt“ 1028 für die Einführung eines Prinzips der gegenseitigen
Anerkennung dienen sollen, hat der deutsche Vorsitz etwa vorgeschlagen, beson-
dere Maßnahmen zur „Bekämpfung von Kriminalität, die auf die Zerstörung der
Grundlagen des Rechtsstaates abzielt“ zuzulassen. Die Verfolgung dieser schwe-
ren und komplexen Formen der Kriminalität, insbesondere des Terrorismus, könne
unter Beachtung der Verhältnismäßigkeit und Erforderlichkeit Einschränkungen
der Verfahrensrechte rechtfertigen. 1029
Eine Abkehr vom Feindstrafrecht oder zumindest die Reduzierung feindstraf-
rechtlicher Regelungsmaterie im deutschen Strafrecht scheint daher auch aus
dem europäischen Blickwinkel kaum wahrscheinlich, sondern stärkt vielmehr
die These Jakobs, es werde zukünftig eher mehr als weniger Feinde und damit
Feindstrafrecht geben.

1026
Zur Betonung des Sicherheitsgedankens in der Partnerschaft von Deutschland
und Europa vgl. auch den Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD „Gemeinsam für
Deutschland. Mit Mut und Menschlichkeit.“ vom 11. 11. 2005, S. 126 (abrufbar unter:
http://www.spiegel.de/media/0,4906,12178,00.pdf). Bereits im ersten Satz in Punkt „IX.
Deutschland als verantwortungsbewusster Partner in Europa und der Welt“ unter „1. Europa“
lässt sich lesen: „Die Europäische Union ist Garant für politische Stabilität, Sicherheit und
Wohlstand in Deutschland und Europa.“
1027
Vgl. dazu Schuster, F. P.: Verwertbarkeit im Ausland gewonnener Beweise 2006,
S. 261 ff., 272 ff.
1028
Schuster, F. P.: Verwertbarkeit im Ausland gewonnener Beweise 2006, S. 274.
1029
Aktueller Vorschlag mit Fundstellen wiedergegeben bei Vogel, J. / Matt, H.: StV
2007, 206 ff., 207.
Kapitel 3

Zweck- und Verhältnismäßigkeit des Feindstrafrechts

A. Einführung
Wie im zweiten Teil dieser Arbeit nachgewiesen wurde, hat das Feindstraf-
recht auf Rechtsetzungsebene Fuß gefasst. Die Prognosebasis bei Jakobs ist
insoweit – sieht man einmal vom Korrekturbedürfnis hinsichtlich des bei Jakobs
zu weit formulierten feindstrafrechtlichen Prozessrechts ab 1030 – bezüglich der de-
skriptiv enthaltenen Elemente des Feindstrafrechts korrekt. Vor dem Hintergrund,
dass neben dem bereits bestehenden Feindstrafrecht sogar eine Ausweitung feind-
strafrechtlicher Regelungsmaterie sowie gegebenenfalls eine Annäherung an den
Idealtypus für die Zukunft zu erwarten ist, erscheinen zwei Fragestellungen beson-
ders untersuchungsrelevant: Zunächst muss geklärt werden, ob und inwiefern das
bereits bestehende oder auch das konkret für die Zukunft geforderte Feindstrafrecht
beziehungsweise die theoretische Grundkonzeption des Feindstrafrechts – losge-
löst von rechtsstaatlichen Überlegungen – überhaupt zweckmäßig sein kann. 1031
Die Untersuchungen zur Zweckmäßigkeit umfassen dabei zunächst die potentielle
Geeignetheit des Feindstrafrechts. Ist es nämlich dem Feindstrafrecht gar nicht
möglich, die von ihm verfolgten Ziele zu erreichen, die über das herkömmliche
Bürgerstrafrecht hinausgehen, besteht schon kein Bedürfnis, Feindstrafrecht im
deutschen Recht umzusetzen. Weitergehend ist auch die Erforderlichkeit in die
Analyse miteingebunden, da es an der Zweckmäßigkeit des Feindstrafrechts auch
fehlt, wenn sich – entgegen der Ansicht Jakobs 1032 – eine gleich geeignete, aber
mildere Alternative bietet.
Für den Fall, dass die generelle Zweckmäßigkeit des Feindstrafrechts zu bejahen
ist, schließt sich dann die Frage nach der (bis dahin ausgeblendeten) Rechtmäßig-
keit des Feindstrafrechts nach dem geltenden deutschen Verfassungsrecht an. Denn
selbst, wenn das Feindstrafrecht die mit ihm bezweckten Erfolge erzielt und gleich-

1030
Vgl. oben Kapitel 2 B.V.3.a) und b).
1031
Diese Frage stellt sich vor allem auch, weil Jakobs selbst angibt, mit dem Feind
sei „das zur Verhinderung von Wiederholungen Zweckmäßige und sonst nichts“ zu tun
(vgl. Fn. 118) beziehungsweise müsse die Behandlung des Feinds nach reinen Zweckmä-
ßigkeitsüberlegungen erfolgen (vgl. Jakobs, G.: Norm, Person, Gesellschaft 1999, S. 109).
1032
Nach Jakobs besteht derzeit gerade keine Alternative zum Feindstrafrecht, vgl. be-
reits Fn. 303.
B. Die Zweckmäßigkeit des Feindstrafrechts 197

sam als mildestes Mittel erscheint, darf sich der deutsche Rechtsstaat dennoch
nicht jedes Mittels bedienen. Vielmehr muss eine hinreichende Berücksichtigung
staats- und verfassungsrechtlicher Grundprinzipien gewährleistet werden, denen
das Feindstrafrecht nach Ansicht seiner Kritiker 1033 gerade nicht Rechnung trägt.

B. Die Zweckmäßigkeit des Feindstrafrechts


Im Rahmen der Zweckmäßigkeitsüberlegungen ist zu klären, welche grundsätz-
lich anerkennenswerten Zwecke das Feindstrafrecht verfolgt und ob beziehungs-
weise inwiefern diese Ziele durch die Institutionalisierung eines (nicht unbedingt
idealtypisch ausgeprägten) Feindstrafrechts auch erreicht werden oder jedenfalls
werden können. Wird die Geeignetheit bejaht, ist ferner zu überlegen, ob das
Feindstrafrecht die einzige und mildeste Möglichkeit bietet, die besagten Ziele zu
erreichen.

I. Ziele des Feindstrafrechts

Die Vielschichtigkeit rechtspolitischer und gesellschaftlicher Zusammenhänge


im Rahmen von Legislativinstrumentarien lässt erwarten, dass der feindstrafrecht-
lichen Rechtsetzung mehrere, gegebenenfalls sich überschneidende Intentionen
zugrunde liegen. In Anlehnung an Jakobs Ausführungen und dem im vorangehen-
den Kapitel Gesagtem soll das Feindstrafrecht vor allem bestimmten Sicherheitsin-
teressen nachkommen. 1034 Die Sicherheitsbelange können sich allerdings auf den
Bürger als individuelle Person oder den Staat als gesellschaftliches, politisches
und rechtliches System beziehen. Entsprechend ist im Rahmen der Zweckbestim-
mung des Feindstrafrechts zwischen dem Ziel der persönlichen Sicherheit und
dem Ziel der staatlichen Sicherheit durch Feindbekämpfung zu differenzieren.

1. Persönliche Gütersicherheit durch Feindbekämpfung

Persönliche Sicherheit wird bewirkt, indem die Rechtsgüter des Bürgers vor
Beeinträchtigungen geschützt werden. Im Hinblick auf den Bürger stellt sich daher
der Rechtsgüterschutz 1035 als Aufgabe des Feindstrafrechts dar. Dabei verfolgen
feindstrafrechtliche Normen selbstverständlich auch die Ahndung bestimmter
Täter, so dass der Zweck des Feindstrafrechts insofern zumindest auch in der

1033
Vgl. oben Kapitel 1 E.II.4.
1034
Vgl. insbesondere Kapitel 2 E. Siehe auch Jakobs, G.: HRRS 8 – 9/2006, 289 ff.,
296.
1035
Vgl. v. a. Kapitel 1 A.I.2.c) und II.1. dieser Arbeit.
198 Kap. 3: Zweck- und Verhältnismäßigkeit des Feindstrafrechts

repressiven Strafverfolgung liegt. Rechtsgüterschutz kann insofern durch weniger


Rechte im Strafverfahren und lange Haftstrafen oder Sicherungsverwahrung be-
wirkt werden. In Abgrenzung zum Bürgerstrafrecht, das – unabhängig, ob man
sich der herrschenden Meinung anschließt und Rechtsgüterschutz als Aufgabe
des herkömmlichen Strafrechts ansieht oder ob man Jakobs Auffassung folgt
und den Rechtsgüterschutz im Bürgerstrafrecht ablehnt – gleichfalls die repressi-
ve Strafverfolgung zum Gegenstand hat, sind allerdings zwei Komponenten des
Feindstrafrechts von besonderer Bedeutung, die sich gleichfalls auf dessen Zweck-
bestimmung auswirken, nämlich eine temporäre und eine personelle Komponente.
Temporär ist das Feindstrafrecht weiter gefasst als das Bürgerstrafrecht und dient
nicht bloß der Strafverfolgung, sondern ist zukunftsorientiert und bezweckt da-
mit vor allem die präventive Sicherung. Der Rechtsgüterschutz ist auf künftige
Gütersicherheit, mithin auf Verbrechensverhütung 1036 angelegt.
In personeller Hinsicht ist Feindstrafrecht die Gegenwehr eines Staates gegen
rechtslose oder zumindest punktuell rechtsignorante Individuen zum Schutze
seiner Bürger. Demzufolge bezweckt das Feindstrafrecht bezogen auf den Bürger
dessen persönliche Gütersicherung durch die Bekämpfung von Feinden. Dieser
Zweck ist am Gemeinwohl orientiert und daher grundsätzlich anerkennenswert. 1037

2. Staatliche Stabilisierung

Neben dem individuellen 1038 Gesichtspunkt des Rechtsgüterschutzes ist bei


Jakobs auch eine staatliche Stabilisierungsfunktion des Feindstrafrechts auszu-
machen. 1039 Das Feindstrafrecht dient damit nicht nur dem Schutz des Bürgers
und seiner Rechtsgüter, sondern kann auch zum Schutz des Staates eingesetzt
werden. Insofern soll Feindstrafrecht als „hartes“ Strafrecht die Effektivität der
Strafrechtspflege 1040 erhalten, dadurch zumindest kurzfristige Stabilität schaffen

1036
Vgl. Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtau-
sendwende 2000, S. 47 ff., 49 f.; ders.: Staatliche Strafe 2004, S. 41.
1037
Zur Pflicht des Staates, die Sicherheit seiner Bürger zu schützen, vgl. etwa auch
BVerfGE 49, 24 ff., 54. Von einer solchen Verpflichtung geht auch Jakobs aus (vgl. Jakobs,
G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 94). Eine Stellungsnahme, ob und inwieweit darüber hinaus
ein staatlicher Schutzauftrag bzw. ein „Grundrecht auf Sicherheit“ des Bürgers (Isensee,
J.: Das Grundrecht auf Sicherheit 1983; vgl. bereits Fn. 1006) besteht, ist insofern nicht
erforderlich.
1038
„Individuell“ ist hier nicht in Anlehnung an das „Individuum“ (= Feind) bei Jakobs
zu verstehen, sondern meint – bezogen auf Rechtsgüter – vielmehr „der Person (= Bürger)
zustehende“, also „persönliche“ Rechtsgüter.
1039
Jakobs, G.: Strafrecht AT 1993, 1/1; vgl. ferner ders.: ZStW 97 (1985), 751 ff.,
783 f.; ders.: ZStW 107 (1995), 843 ff., 846 sowie Ausführungen in der vorliegenden Arbeit
in Kapitel 2 D.I.1.
1040
Vgl. Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtau-
sendwende 2000, S. 47 ff., 49.
B. Die Zweckmäßigkeit des Feindstrafrechts 199

und somit die durch rechtslose Individuen bedrohte Existenz des Staates sichern.
Als derartiges Notstandsstrafrecht liegt der Zweck des Feindstrafrechts in der staat-
lichen Stabilisation und Bestandssicherung, wobei die bezweckte Stabilisierung
zunächst natürlich durch tatsächliche Feindbekämpfung bewirkt werden soll. Dar-
über hinaus kommt neben der Systemstabilisierung durch tatsächliche Effizienz
eine – zumindest mittelbar beabsichtigte oder jedenfalls in Kauf genommene 1041
– Stabilisierung durch die dem Feindstrafrecht immanente Symbolwirkung in
Betracht.

a) Stabilisierung durch tatsächliche


Effektivität feindstrafrechtlicher Maßnahmen

Das Feindstrafrecht verfolgt den Zweck, Feinde zu bekämpfen und damit Pro-
blemlagen zu beseitigen, die durch Feinde und deren kriminelle Aktivitäten
entstehen. Durch die tatsächliche Überwindung von derartigen Krisensituationen,
die den Staat und seine Rechtsordnung existenziell belasten, wird folglich eine
faktisch reale Stabilisierung des Staatsapparates angestrebt.

b) Stabilisierung durch Symbolwirkung


feindstrafrechtlicher Maßnahmen

Auch wenn Jakobs auf den Zweck der Stabilisierung des Staates durch feindstraf-
rechtliche Symbolik nicht ausdrücklich eingeht, kann der symbolische Gehalt des
Feindstrafrechts aus der Übertragung des Gedankens abgeleitet werden, dass – in
Abgrenzung zum Polizeirecht – nur das Strafrecht Personen zu Tätern stilisieren
könne. 1042 Danach ist nämlich auch nur das Feindstrafrecht in der Lage, Individu-
en eine Täterschaft in feindlicher Absicht zuzuschreiben. Ausgehend von dieser
Grundidee, dass durch das Feindstrafrecht bestimmte Täter als Feinde kenntlich
gemacht werden, kommt als gesetzgeberischer Zweck des Feindstrafrechts auch
eine symbolische Funktion in Betracht.
Grundsätzlich liegt die symbolische Funktion bei Rechtssetzungsakten darin,
die Außenwelt zu beeinflussen. Zugleich dienen Symbole der Zusammenfassung
beziehungsweise Vereinfachung von Sachverhalten wie auch der Abgrenzung. 1043
Übertragen auf das Feindstrafrecht könnte die symbolische Funktion zunächst
dem Zweck dienen, den Feind kenntlich zu machen (Abgrenzungsfunktion) und
die durch ihn verursachten Problemlagen für die Öffentlichkeit verständlich darzu-
stellen (Vereinfachungsfunktion). Zugleich könnte hierdurch die öffentliche Auf-

1041
Zum Verhältnis der Symbolwirkung des Feindstrafrechts zu den auf tatsächliche
Bekämpfungserfolge angelegten Zwecksetzungen siehe unten Kapitel 3 B.II.2.b)dd).
1042
Jakobs, G.: ZStW 117 (2005), 839 ff., 840.
1043
Noll, P.: ZfSchwR 1981, 347 ff., 347 f.
200 Kap. 3: Zweck- und Verhältnismäßigkeit des Feindstrafrechts

merksamkeit auf spezifische Kriminalitätsfelder gelenkt und die Allgemeinheit


für derartige Gefährdungssituationen sensibilisiert werden (Publizitätsfunktion).
Weiterhin könnte das Feindstrafrecht durch die Abgrenzung des Bürgers vom
deklarierten Feind die Steigerung des Kollektivbewusstseins und als Ausdruck
strafgesetzgeberischer Agilität die Stärkung des Sicherheitsgefühls (Sicherheits-
fiktionsfunktion) in der Gesellschaft bezwecken.
Dementsprechend könnte der Staat über eine mögliche Stabilisierung durch
tatsächliche Feindbekämpfung hinaus auch durch die bloße Symbolwirkung des
Feindstrafrechts stabilisiert werden.

II. Potentielle Geeignetheit des Feindstrafrechts

Das Feindstrafrecht müsste nunmehr geeignet sein, die zuvor dargelegten Zwe-
cke (individueller Rechtsgüterschutz und staatliche Stabilisierung) weitgehend 1044
zu erfüllen beziehungsweise den erstrebten Erfolg jedenfalls zu fördern. 1045 Das
Bundesverfassungsgericht räumt dem Gesetzgeber in seiner Entscheidung über
die Geeignetheit einen weiten Prognose- und Gestaltungsspielraum ein. 1046 Dem
ist grundsätzlich zuzustimmen, wenn der Einschätzung über die Geeignetheit
strafrechtlicher Maßnahmen eine komplexe Gefährdungslage zugrunde liegt, über
die noch keine verlässlichen wissenschaftlichen Erkenntnisse vorliegen. Dem Ge-
setzgeber muss es in einem solchen Fall erlaubt sein, quasi experimentell eine
Strafnorm zu erlassen und anhand dieser praktische Erfahrungen zu sammeln.
Andernfalls besteht die Gefahr, dass nicht schnell genug auf eine Bedrohungs-
situation reagiert wird und sie die Krise in der Folge noch verschärft. Dagegen
scheidet ein Prognosespielraum aus, wenn Unsicherheiten der Prognose durch
gesicherte empirische Daten und verlässliche Erfahrungssätze ausgeräumt werden
können. 1047 Besteht jedoch eine Einschätzungsprärogative zugunsten des Gesetz-
gebers, ist ein Strafgesetz nur dann als ungeeignet zu beurteilen, wenn es von
Vorneherein keine Effizienz erwarten lässt. Die Maßnahme darf sich also nicht
als vollkommen wirkungslos beziehungsweise völlig unzulänglich darstellen. 1048

1044
Die sog. Teiltauglichkeit führt nicht zur generellen Untauglichkeit, vgl. BVerfGE
71, 206 ff., 217 f.; Lagodny, O.: Strafrecht vor den Schranken der Grundrechte 1996,
S. 174 f. m.w. N.
1045
BVerfGE 63, 88 ff., 115; 67, 157 ff., 173; 90, 145 ff., 172.
1046
Vgl. etwa BVerfGE 77, 170 ff., 214 f.; 88, 203 ff., 262; 90, 145 ff., 173; BVerfG
NJW 1983, 1751 ff., 1756; 2001, 1952 ff., 1954; 2004, 2073 ff., 2079; BVerfG NVwZ 2004,
597 ff., 599.
1047
BVerfGE 106, 62 ff., 151.
1048
Vgl. BVerfGE 77, 170 ff., 215 sowie Ausführungen bei Appel, I.: Verfassung und
Strafe 1998, S. 175; Lagodny, O.: Strafrecht vor den Schranken der Grundrechte 1996,
S. 173 f.; Stächelin, G.: Strafgesetzgebung im Verfassungsstaat 1998, S. 123 f.
B. Die Zweckmäßigkeit des Feindstrafrechts 201

Jakobs geht auf die Frage nach der tatsächlichen Eignung des Feindstrafrechts
nicht explizit ein. Vielmehr wird die grundsätzliche Geeignetheit des Feindstraf-
rechts von Jakobs stillschweigend vorausgesetzt, wie sich der bereits zitierten
Aussage von Jakobs, zu einem Feindstrafrecht bestehe keine Alternative, wolle
die Strafrechtswissenschaft nicht mangels Effektivität marginalisiert werden 1049,
entnehmen lässt. Doch während Jakobs die Geeignetheit des Feindstrafrechts als
unumstößliches Faktum einführt, wird andernorts die tatsächliche Effektivität des
Feindstrafrechts – sowohl abstrakt 1050 wie auch bezogen auf spezielle 1051, nach
Jakobs als feindstrafrechtlich einzuordnende Maßnahmen – durchaus angezwei-
felt. Sollten sich diese Zweifel in der Bekämpfungsrealität durchsetzen, wäre eine
empirische erwiesene Grundlage für die Ineffizienz des Feindstrafrechts gegeben
und die Zweckmäßigkeit des Feindstrafrechts würde bereits an der Geeignetheit
scheitern.

1. Geeignetheit in Hinsicht auf die persönliche


Gütersicherheit durch Feindbekämpfung

Die Geeignetheit des Feindstrafrechts, durch die effektive Bekämpfung der


von Jakobs ausgemachten Feinde individuelle Rechtsgüter vor Verletzungen zu
schützen, ist anhand der jeweiligen Eignung der einzelnen feindstrafrechtlichen
Merkmale (materielle Vorverlagerungen, unproportionale Strafschärfungen, Be-
kämpfungsgesetzgebung und prozessuale Einschränkungen) zu bestimmen. Dabei
soll zunächst zugunsten einer übersichtlichen Darstellung die Zwecktauglichkeit
der benannten Merkmale in Hinsicht auf die persönliche Gütersicherung über-
prüft werden, um dann im Anschluss die Zwecktauglichkeit in Bezug auf die
Feindbekämpfung zu hinterfragen.

1049
Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausend-
wende 2000, S. 47 ff., 53 f.
1050
Zu nennen ist hier vor allem die Kritik von Aponte, wonach das Feindstrafrecht
faktisch nicht in der Lage sei, tatsächliche Problemlagen zu beheben. Vielmehr werde der
„kleine Mann“ für die gesellschaftlichen Missstände zur Rechenschaft gezogen (vgl. etwa
Aponte, A.: Krieg und Feindstrafrecht 2004, S. 69; vgl. auch Rezension bei Schneider, H.:
HRRS 5/2005; 178 ff., 179). Zur Ineffizienz des Feindstrafrechts aufgrund mangelnder
Prognosemöglichkeiten, die „Zielgruppe“ des Feindstrafrechts zuverlässig und frühzeitig
zu bestimmen, vgl. Schneider, H. / Morguet, G. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe
2006, S. 335 ff., 345 f. Zur allgemeinen Kritik an der vermeintlichen Alternativenlosigkeit
der Strafrechtspflege gegenüber dem Feindstrafrecht vgl. Prittwitz, C.: ZStW 113 (2001),
774 ff., 795; Schulz, L.: ZStW 112 (2000), 653 ff., 661.
1051
Vgl. hierzu die nachfolgenden Ausführungen zur Eignungskritik an feindstrafrecht-
lichen Maßnahmen in Kapitel 3 B.II.1.a), b), c) und d).
202 Kap. 3: Zweck- und Verhältnismäßigkeit des Feindstrafrechts

a) Geeignetheit materieller Vorverlagerungen zur Gütersicherheit

Die materiellen Vorverlagerungen 1052 dienen der Gütersicherung, indem sie die
Strafbarkeit von Feinden möglichst frühzeitig vor der drohenden, irreparablen
Rechtsgutsverletzung, die bei feindlichen Straftaten naturgemäß schwer wiegt,
begründen. So bieten etwa die Verbrechensverabredung nach § 30 StGB wie
auch die §§ 129, 129a und b StGB oder die Vorbereitung eines Explosions- oder
Strahlungsverbrechens gemäß § 310 StGB die Möglichkeit, bereits im Vorfeld
der Rechtsgutsverletzung einzugreifen, so dass es erst gar nicht zum eigentlich
schädigenden Ereignis kommt. Ebenso verhält es sich mit den Interna berücksichti-
genden Vorverlagerungen im Betäubungsmittelstrafrecht wie etwa die Strafbarkeit
des Besitzes von Betäubungsmitteln (§ 29 Abs. 1 Nr. 3 BtMG), die Mitteilung über
die Möglichkeiten zum unbefugten Umgang (§ 29 Abs. 1 Nr. 20 BtMG) oder auch
die Verherrlichung des unbefugten Umgangs mit Betäubungsmitteln (§ 29 Abs. 1
Nr. 12 BtMG), bei den Wirtschaftsdelikten (beispielsweise §§ 146 Abs. 1 Nr. 1
und 2, 152a, 263a Abs. 3 StGB), den Vorverlagerungen zur Bekämpfung der
Organisierten Kriminalität (§§ 265, 275, 276 Abs. 1 Nr. 2 StGB) oder der Sexual-
delinquenz (§§ 176 Abs. 1 Nr. 3, 176a Abs. 1 Nr. 4 und Abs. 5, 184 StGB). 1053
Allerdings könnten die materiellen Vorverlagerungen gerade aufgrund ihrer
Berücksichtigung von Interna ungeeignet sein, Feinde zu überführen. Da sich
Interna eben nicht nach Außen manifestieren, dürfte ein entsprechender Nachweis
einige Schwierigkeiten mit sich bringen. Beispielhaft soll vorliegend auf den
Fall des so genannten Schläfers eingegangen werden, um zu verdeutlichen, dass
bestimmte Feinde trotz der durch die materiellen Vorverlagerungen ermöglichten
rechtzeitigen Eingriffs- und Strafbefugnis nicht in jedem Fall zur Verantwortung
gezogen werden können.

aa) Kritik an der Effizienz materieller


Vorverlagerungen am Beispiel des „Schläfers“

Unter einem „Schläfer“ ist eine Person aus dem islamischen Kulturkreis zu
verstehen, die zum Beispiel in afghanischen Trainingscamps ausgebildet wur-
de 1054, um sich dann in den Staaten der westlichen Welt ein unauffälliges Leben
„aufzubauen“ und dort auszuharren, bis der Befehl zum terroristischen Angriff 1055

1052
Vgl. hierzu oben Kapitel 2 B.I.
1053
Zu den benannten Vorverlagerungen siehe auch die jeweiligen Unterpunkte in
Kapitel 2 B.I. dieser Arbeit.
1054
Allerdings wird die Teilnahme an terroristischen Trainingscamps immer weniger
zur Voraussetzung für die Durchführung von Terroranschlägen. Die im August 2006 in
London festgenommenen Dschihadisten, die mehrere Transatlantikflüge sprengen wollten
(vgl. hierzu auch Fn. 1017), hatten mehrheitlich kein Trainingslager durchlaufen und waren
britischer Staatsbürgerschaft. Ähnlich verhält es sich in anderen bekannt gewordenen Fällen,
B. Die Zweckmäßigkeit des Feindstrafrechts 203

erfolgt, der für den Ausführenden zumeist den sicheren Tod bedeutet (so genannte
„lebende Bomben“). 1056 Dabei versteht sich der religiös beziehungsweise ideolo-
gisch motivierte Schläfer regelmäßig als Erlöser der Menschheit; seiner Ideologie
liegt in der Regel ein rettendes Prinzip mit hohem ethisch-moralischen Anspruch
zugrunde. 1057 Insofern stellt Gewalt in erster Linie einen sakramentalen Akt bezie-
hungsweise eine von Gott auferlegte Pflicht dar, welche in direkter Reaktion auf
eine theologische Anforderung oder ein Gebot erfüllt wird. 1058 Dagegen achtet der
fanatische Täter das Menschenleben anderer gering. Der Lebensschutz untersteht
der ideologischen Zielsetzung und selbst der Wert des eigenen Lebens steht hin-
tenan 1059, denn die Tat ist aus seiner Sicht moralisch gerechtfertigt und im Namen
Gottes sogar geboten. 1060 Der Tod ist für diese Täter insofern eine wünschenswer-
te Angelegenheit 1061, ein erstrebenswertes Heilziel, vor dem man sich nicht zu
fürchten braucht. Insbesondere der aus Ägypten stammende Mohammed Atta hat

so dass inzwischen weniger eingeschleuste Fanatiker, sondern vielmehr abgedriftete Ein-


wanderer als größtes Risiko gelten. Jedenfalls müsse gemutmaßt werden, dass zunehmend
Einzeltäter, die sich zu einer Mini-Zelle zusammenschließen, ohne in engerer Beziehung
zu einer Terrororganisation zu stehen, Anschläge begehen werden, um „im Dienst einer
großen Sache zu handeln – und irgendwie zur al-Quaida zu gehören“. „Die Stunde der
Amateure“ sei angebrochen (Der Spiegel Nr. 33 v. 14. 8. 2006, S. 90 ff., 95 f.; Der Spiegel
Nr. 35 v. 28. 8. 2006, S. 20 ff., 21 f.).
1055
Zum Begriff und Bedeutungswandel des Terrorismus vgl. Hoffman, B.: Terrorismus
2006, Kapitel 1 (S. 21 –70); Weigend, T.: Nehm-FS 2006, S. 151 ff., 155 ff. Zur Proble-
matik des Terrorismusbegriffs vgl. weiter auch Albrecht, H.-J.: Nehm-FS 2006, S. 17 ff.;
Dershowitz, A. M.: Why Terrorism works 2002, S. 4 („One man’s terrorist is another man’s
freedom fighter“); Pfahl-Traughber, A.: Kriminalistik 2004, 364 ff., 366 f.; Scheerer, S.:
Die Zukunft des Terrorismus 2002, S. 17 ff.; Soiné, M.: Kriminalistik 2005, 409 ff., 412 ff.
1056
Vgl. etwa die Definition des Schläfers bei Schwind, H.-D.: Kriminologie 2006, § 30
Rn. 41 f. oder Nehm, K.: NJW 2002, 2665 ff., 2671. Zu einem weiteren Begriffsverständnis
siehe beispielsweise Enzenberger, H. M.: Schreckens Männer 2006, S. 9 ff.
1057
Vgl. Göppinger, H: Kriminologie 1997, S. 566.
1058
Hoffman, B.: Terrorismus 2006, S. 148.
1059
Dies belegen zahlreiche Taten, bei denen das Leben als Waffe eingesetzt wird,
eindrucksvoll. Auch von den Entführern der Flugzeuge, welche am 11. September 2001
am Welthandelszentrum explodierten, wurde der Verlust des eigenen Lebens planmäßig
in Kauf genommen. Ebenso stellt der Verlust des eigenen Lebens keinen Hindernisgrund
für palästinensische Selbstmordattentäter in Israel dar, die sich Sprengstoff am Körper
befestigen und diesen am Zielobjekt zünden. Mit der Versprechung durch den Kampf
mit den Ungläubigen sei ihnen ein paradiesisches Leben ihm Jenseits beschert, schulten
ab 2000 afghanische und saudi-arabische Spezialisten auch junge Frauen, so genannte
„schwarze Witwen“, zu perfekten Selbstmordattentäterinnen, welche insbesondere während
des Geiseldramas im Moskauer Nord-Ost-Theater im Oktober 2002 weltweite Beachtung
fanden (vgl. auch Thamm, B. G.: ZGdP Nr. 9, 52. Jg. 2003, 6 ff., 12 f.).
1060
Siehe auch Kühne, H.-H.: Schwind-FS 2006, S. 103 ff., 104.
1061
Zumal Mitglieder radikal-islamischer Gruppen wie Hisbollah, Hamas oder Isla-
mischer Dschihad nicht selten mit der verhängnisvollen Überzeugung ausgestattet sind
bzw. werden, als Märtyrer mit dem augenblicklichen Einzug in das Himmelreich und dem
204 Kap. 3: Zweck- und Verhältnismäßigkeit des Feindstrafrechts

sich in der westlichen Welt einen Namen als Schläfer gemacht, indem er lange
Zeit in Hamburg in einer bürgerlichen Scheinlegalität gelebt hat, bis er auf Abruf
eines der Passagierflugzeuge entführte, die am 11. September 2001 in die New
Yorker Twin Towers flogen. 1062

(1) Kriminalität bei sonstiger sozialer Unauffälligkeit


Bei dem Phänomen des Schläfers handelt es sich um eine Form der Kriminalität
bei sonstiger sozialer Unauffälligkeit 1063: Die äußerlich deutlich sichtbaren Ver-
haltensweisen des Täters unterscheiden sich gar nicht oder zumindest nur wenig
von denen der Durchschnittspopulation. 1064 In der Betrachtung des Lebenslängs-
schnitts lassen sich daher bei diesem Tätertypus über alle Lebensbereiche hinweg
keine erheblichen sozialen Auffälligkeiten, die sonst auf zukünftige Kriminalität
hinweisen, feststellen. 1065 Allerdings weichen die nach außen nicht deutlich sicht-
baren Relevanzbezüge des Täters, also dessen bestimmende Grundintentionen
und besonders ausgeprägte Interessen 1066, oftmals von denen der Durchschnitts-
population ab. Soziale Unauffälligkeit kann daher gerade auch als Fassade eines
bürgerlichen Lebensstils inszeniert werden, um eine quasi subkulturelle Wertori-
entierung zu verbergen. 1067
Die Relevanzbezüge des Täters sind dabei in der Regel äußerst einseitig. Er
orientiert sich ausschließlich an bestimmten Prinzipien, die für ihn als alles über-
ragende Werte empfundenen werden. Zwar sind diese im Allgemeinen von der
Durchschnittspopulation durchaus anerkannt, der Täter betont diese Werte jedoch
über die Maßen, idealisiert sie und richtet seine gesamte Lebensführung danach
aus. Andere verbindliche soziale Wertmaßstäbe fehlen ihm dahingegen. 1068 Bei-
spielsweise werden Werte wie Anerkennung und Reichtum oder auch immaterielle
Motive wie religiöses und ideologisches Streben grundsätzlich gebilligt. Den Le-
bensinhalt jedoch allein an einem dieser Prinzipien zu messen und dafür alle
anderen Grundmaximen aufzuopfern, hat regelmäßig zur Folge, dass Werte der
Durchschnittspopulation missachtet werden und gegen Rechte anderer verstoßen

Empfang von 72 Jungfrauen für die Aufrechterhaltung des Islam gegen die verwerfliche
Lebensführung Ungläubiger belohnt zu werden.
1062
Vgl. Schwind, H.-D.: Kriminologie 2006, § 30 Rn. 41; vgl. allgemeiner Klimke,
D. in: KrimJ 2002, 89 ff., 91; ferner auch Der Spiegel Nr. 36 v. 4. 9. 2006, S. 94 ff., 94.
1063
Vgl. auch Göppiner-Schneider: Kriminologie 2008, § 30 Rn. 15.
1064
Bock, M.: Kriminologie 2007, Rn. 526; Göppinger-Bock.: Kriminologie 2008, § 18
Rn. 46.
1065
Göppinger-Bock.: Kriminologie 2008, § 18 Rn. 47; vgl. auch Bock, M.: Kriminolo-
gie 2007, Rn. 527.
1066
Vgl. Bock, M.: Kriminologie 2007, Rn. 532.
1067
Schneider, H.: NStZ 2007, 555 ff., 558.
1068
Göppinger-Bock.: Kriminologie 2008, § 18 Rn. 52.
B. Die Zweckmäßigkeit des Feindstrafrechts 205

wird. Dabei wird die Gefahr einer Rechtsgutsverletzung noch gesteigert, wenn
der Täter sich besonders intensiv einer seinem Leitbild entsprechenden Subkultur
hin- und von nicht in die Subkultur involvierten Personen abwendet. Denn dies
kann zum Verlust der Realitätskontrolle führen. Der Täter nimmt dann die Sub-
kultur nicht mehr als besondere Welt wahr, die sich maßgeblich von der Umwelt
unterscheidet. 1069

(2) Übertragung der Überlegungen zur Kriminalität bei sonstiger


sozialer Unauffälligkeit auf den Schläfer
Übertragen auf den in der Regel religiös beziehungsweise ideologisch motivier-
ten Schläfer bedeutet dies: Der Täter richtet sich grundsätzlich nach den Vorgaben
seiner Ideologie (bzw. nach den Werten, die er als solche von Leitfiguren vermittelt
bekommt 1070); er lebt für sie, ohne dies jedoch im westlichen Staat – zumindest
nicht in vollem Umfang – nach Außen zur Kenntnis zu bringen. 1071 Eine Kompen-
sation durch andere Werte, insbesondere durch jene des westlichen „Gastlandes“
erfolgt nicht, da der Täter einseitig an seinen Grundprinzipien festhält, so dass
andere Wertmaßstäbe und soziale Ordnungen nicht an ihn heranreichen. Die
vom Täter als überragend empfundene eigene Wertsetzung wird uneingeschränkt
verfolgt – ohne Rücksicht auf Verluste.
Da der Schläfer außerhalb der Gesellschaft steht, werden auch schwerwiegende
Gesetzesüberschreitungen für das „hehre“ Ziel in Kauf genommen, getreu dem
Motto „der Zweck heiligt die Mittel“. Doch da diese Verstöße sich hinter dem für
die Außenwelt gelebten Schleier der Legalität vollziehen, bleibt die Öffentlichkeit
über die den geltenden Gesetzen zuwiderlaufenden Interna oder vielleicht sogar
die Externa des Täters im Unklaren.

(3) Effizienzprobleme mangels Kenntnis der Täterinterna


Der Schläfer, aber auch andere Täter im Rahmen der Kriminalität bei sonstiger
sozialer Unauffälligkeit wie etwa auch etliche Mitglieder der Organisierten Krimi-
nalität oder manche Sexualstraftäter, verhalten sich äußerlich sozial unauffällig.
Insofern gestaltet es sich schwierig, solchen Tätern überhaupt auf die Schliche zu

1069
Schneider, H.: NStZ 2007, 555 ff., 561.
1070
Dabei wird die Religion regelmäßig nur als Vehikel benutzt. Der Dschihad in Gottes
Auftrag ist nicht tatsächlich der Grund des Terrorismus, sondern lediglich eine zusätzliche
Legitimation, vgl. Reuter, C.: Mein Leben ist eine Waffe 2002, S. 31.
1071
Dies geht einher mit der Popitz beschriebenen Generalisierung: „Wer soziale Ge-
wohnheiten einhält, erweckt auch Vertrauen in seine Normkonformität, wer vom Üblichen
abweicht, gerät in Verdacht, auch eher andere Normen zu verletzen“ (Popitz, H.: Normative
Konstruktion von Gesellschaft 1980, S. 27). Insofern ist die (vermeintliche) Angepasstheit
oder gar Überkonformität des Schläfers lediglich Strategie zur Vermeidung eines solchen
„Generalmisstrauens“.
206 Kap. 3: Zweck- und Verhältnismäßigkeit des Feindstrafrechts

kommen. 1072 Materielle Vorverlagerungen wie §§ 129a und b StGB nützen wenig,
wenn das wahre Gesicht des Schläfers doch erst mit dem terroristischen Attentat
zu Tage tritt. 1073 Trotz materieller Vorverlagerung ist dann faktisch der Rechtsgü-
terschutz unterblieben, weil die Interna eben – wie vom Täter beabsichtigt – bis
zur eigentlichen Tat, die gerade durch die Vorverlagerung frühzeitig verhindert
werden sollte, nicht bekannt wurden. Handelt es sich noch dazu um die Tat eines
Selbstmordattentäters, kann weder aus der vorgelagerten noch aus der vollende-
ten Tat bestraft werden. Aus diesem Blickwinkel stellt sich die Vorverlagerung
eher als überflüssig und wenig geeignet dar, wirkliche Rechtsgütersicherheit zu
gewährleisten und Feinde im Vorfeld von der Güterverletzung zu bekämpfen. Die
strafrechtliche, aber auch die informelle Sozialkontrolle können damit bei einem
Täter, der zu keiner Zeit als realer Mensch in Erscheinung tritt 1074, schwer Fuß
fassen. In der Folge unterbleibt ein Eingriff trotz der materiell-rechtlichen Mög-
lichkeit lange Zeit und auf allen Ebenen. Die nicht-reale Existenz des Schläfers
wirft daher die Frage auf, wie man dem kriminellen Akt eines solchen Täters
überhaupt zuvorkommen kann. 1075

bb) Effizienzüberprüfung

Allerdings bedeutet die Geeignetheit des Mittels im Sinne der Möglichkeit, den
angestrebten Zweck zu fördern, nicht, dass der Erfolg in jedem Einzelfall auch
tatsächlich erreicht werden oder erreichbar sein muss. Die abstrakte Möglichkeit
der Zweckerreichung genügt. 1076
Danach ist eine Interna berücksichtigende Vorverlagerung von Strafbarkeit
durchaus geeignet, Rechtsgüterschutz zu gewährleisten. Denn auch wenn einige
Schläfer oder andere, sich sozial unauffällig verhaltende Kriminelle zu spät als
solche erkannt werden, so reicht es doch für die Geeignetheit aus, dass durch
die Vorfeldkriminalisierung zumindest die erkannten Kriminellen bei sonstiger
sozialer Unauffälligkeit zur Rechenschaft gezogen werden können. Auch Schläfer
können Fehler begehen und als vom Recht abgewandte Individuen identifiziert wer-
den. In diesem Fall sind materielle Vorverlagerungen wie §§ 129a und b, 310 StGB

1072
Vgl. hierzu auch Sieber, U.: ZStW 2007, 1 ff., 22.
1073
Vergleichbar stellen sich auch die prozessualen Vorverlagerungsmaßnahmen wie
etwa Terrordateien, nachrichtendienstliche Vorfeldermittlungen, Rasterfahndung, Überwa-
chung und der Einsatz von V-Leuten zur Unterwanderung gerade bei Einzeltätern, die an
keinem terroristischen Trainingscamp teilgenommen haben, als nutzlos dar (vgl. hierzu
auch Der Spiegel Nr. 35 v. 28. 8. 2006, S. 20 ff., 22).
1074
Zur generellen „Unsichtbarkeit“ terroristischer Attentäter vgl. im Übrigen auch
Walter, M. / Neubacher, F.: KrimJ 2000, 98 ff., 98.
1075
So auch Klimke, D.: KrimJ 2002, 89 ff., 93 f. Vgl. ferner Göppinger-Schneider:
Kriminologie 2008, § 30 Rn. 15.
1076
BVerfGE 67, 157 ff., 175.
B. Die Zweckmäßigkeit des Feindstrafrechts 207

sicherlich von Nutzen, um den Täter aufgrund des der eigentlichen Rechtsgüter-
verletzung vorhergehenden Verhaltens oder gar der bloßen Absicht diesbezüglich
vorab zu sichern. 1077 Darüber hinaus können Täter auch bei Straftaten unerkannt
bleiben, deren Strafbarkeit herkömmlich, also ohne der Rechtsgutsverletzung vor-
gelagert zu sein, begründet wird. Dies kann aber nicht dazu führen, der generellen
Strafbarkeit der Rechtsgutsverletzung die Eignung abzusprechen.
Auch die übrigen benannten Vorfeldkriminalisierungen ermöglichen grund-
sätzlich die frühzeitige Sicherung des Feindes, indem sie eine dem eigentlich
schädigenden Ereignis vorgelagerte Strafbarkeit begründen. Gefährliche Täter
wie etwa Sexualstraftäter, Terroristen und Mitglieder der Organisierten Krimi-
nalität können hierdurch aus dem Verkehr gezogen werden, bevor sie einen be-
ziehungsweise einen allzu großen Schaden angerichtet haben. Wegen sexuellen
Missbrauchs von Kindern wird der Sexualstraftäter etwa bereits zu dem Zeitpunkt
der Strafverfolgung ausgesetzt, in dem er mit dem anvisierten Opfer durch Email
oder Bildträger etc. in der Absicht Kontakt aufnimmt, es zu sexuellen Handlungen
zu bewegen (§ 176 Abs. 4 Nr. 3 i.V. m. § 11 Abs. 3 StGB). Derartige materielle
Strafbarkeitsvorverlagerungen, wie beispielsweise auch die durch bloße Vereini-
gung begründete Strafbarkeit gemäß §§ 129 ff. StGB, bilden die Grundlage eines
frühzeitigen Zugriffs auf den Feind im Sinne der Definition Jakobs und sind damit
geeignet, derartige Feinde effektiv von der Begehung von Rechtsgutsverletzun-
gen abzuhalten. Eine identische Argumentation liegt der politischen Forderung
zugrunde, nach der bereits die Teilnahme an terroristischen Ausbildungslagern
und Sympathiewerbungen für terroristische Vereinigungen 1078 eine Strafbarkeit
begründen sollen. Den bereits bestehenden beziehungsweise konkret geforderten
materiellen Vorfeldkriminalisierungen ist daher, ebenso wie dem feindstrafrechtli-
chen Merkmal der Interna berücksichtigenden Strafbarkeitsvorverlagerung per se,
durchaus die abstrakte Eignung zum effektiven Rechtsgüterschutz zuzuerkennen.
Die generelle Geeignetheit ist den materiellen Vorverlagerungen damit trotz
der teilweisen Ineffektivität im Bereich der Kriminalität bei sonstiger sozialer
Unauffälligkeit nicht abzusprechen, zumal auch die übrigen Strafnormen kei-
ne effektivere Alternative zur Erfassung der Kriminalität bei sonstiger sozialer
Unauffälligkeit – sei es im Rahmen von Feind- oder von Bürgerstrafrecht – bieten.

b) Geeignetheit von zur Tatschuld


unproportionaler Strafrahmen zur Gütersicherheit

Die zur Tatschuld unproportionalen Strafrahmen feindstrafrechtlicher Normen


dienen dem Rechtsgüterschutz durch die Sicherung des Täters, der infolge der

1077
Dieselben Überlegungen gelten insofern zur generellen Geeignetheit prozessualer
Vorverlagerungen im Feindstrafrecht. Vgl. hierzu auch Kapitel 3 B.II.1.c)bb) und cc).
1078
Vgl. hierzu Kapitel 2 C.I.1.
208 Kap. 3: Zweck- und Verhältnismäßigkeit des Feindstrafrechts

staatlichen Aufsicht nicht in der Lage ist, Individualinteressen zu verletzen. Der


sichernde Freiheitsentzug ist dabei umso wirkungsvoller, je länger er andauert.
Einen klassischen Fall der Sicherung von Feinden stellt etwa die partiell geforderte
Präventivhaft 1079 von Terroristen dar, indem vor einem möglichen Attentat – also
ohne entsprechende Tatschuld – unter Terrorismusverdacht stehende Personen in
Gewahrsam genommen werden.
Allerdings kann die Präventivhaft in dem Fall, dass mehrere terroristisch mo-
tivierte Personen in der Haft zueinander finden, dazu führen, dass Beziehungen
zwischen Terroristen geknüpft und neue Pläne für einen Terroranschlag ausgear-
beitet werden. Darüber hinaus können Personen, die bis dato bloße Sympathisanten
einer Ideologie waren, sich bei Zusammenführung mit ideologischen Fanatikern
selbst zu Fanatikern entwickeln. 1080 Insofern ist etwa ein Lager wie Guantánamo
ein Sammelpool ideologischer Helden, die die Sympathisanten gegebenenfalls
erst zum Terrorismus anregen und damit das Märtyrertum noch schüren. Durch die
Sicherung des Feindes könnten damit dessen kriminelle Bestrebungen Zuspruch
erfahren und noch intensiviert werden, so dass eben kein präventiver Rechtsgü-
terschutz gewährleistet würde und die Sicherung als ineffektiv angesehen werden
müsste.
Dagegen spricht jedoch, dass die oben beschriebenen Nachteile einer Zusam-
menführung von Straftätern im Rahmen des Vollzugs der Freiheitsstrafe bereits aus
dem Bürgerstrafrecht bekannt sind. 1081 Insofern kann diesen Nachteilen begegnet
werden, indem etwa Personen getrennt untergebracht werden und ausschließlich
unter Aufsicht kommunizieren dürfen oder indem gar ein Kontaktverbot ausge-
sprochen wird. Zudem geht von dem Inhaftierten zumindest zum Zeitpunkt der
Haft keine Bedrohung für das ursprünglich gefährdete Rechtsgut aus oder jeden-
falls wird die ursprüngliche Gefahr reduziert, da der präventiv Verwahrte nicht
uneingeschränkt mit der Außenwelt kommunizieren und seinen ursprünglichen
Plänen nachkommen kann. Die Sicherungshaft ist danach jedenfalls grundsätzlich
geeignet, einer Rechtsgutsverletzung vorzubeugen und damit effektiv Sicherheit
zu gewährleisten.
Auch die im Vergleich zur bürgerstrafrechtlichen Sanktionserwartung hohen
Freiheitsstrafen im Rahmen der § 129a Abs. 4 StGB 1082 und § 30 StGB 1083, der

1079
Vgl. hierzu auch Kapitel 2 C.I.1.
1080
So auch die kritische Anmerkung zu Guantánamo von Advocat général André Van-
doren (Brüssel) auf der Trierer Tagung „Feindstrafrecht – Vereinbar mit dem Rechtsstaat?“
vom 23.11. bis 25. 11. 2005 in seinem Vortrag vom 24. 11. 2005 sowie Herzog, F.: KritV
2006, 343 ff., 346.
1081
Vgl. etwa zusammenfassend z. B. Eisenberg, U.: Kriminologie 2005, § 37 Rn. 1 ff.;
Kaiser, G. / Schöch, H.: Strafvollzug 2002, § 13 Rn. 14 ff.
1082
Siehe hierzu Fn. 505.
1083
Siehe hierzu Fn. 506.
B. Die Zweckmäßigkeit des Feindstrafrechts 209

bandenmäßigen Begehung einer Fälschung gemäß § 152b StGB 1084 oder der Be-
täubungsmittelkriminalität und Sexualdelinquenz 1085 ermöglichen eine längerfris-
tige Ingewahrsamnahme des Feindes und damit dessen Sicherung. Gleichfalls
ermöglicht die Sicherungsverwahrung gemäß §§ 66 ff. StGB eine langfristige,
gegebenenfalls sogar lebenslange Sicherung gefährlicher (Wiederholungs-)Täter
über deren Tatschuld hinaus. Hierdurch können zukünftige, regelmäßig schwere
Straftaten verhindert werden 1086, so dass die Geeignetheit gleichfalls zu bejahen
ist. 1087
Ferner gestattet das feindstrafrechtliche Sanktionsinstrumentarium des erwei-
terten Verfalls 1088 den Zugriff auf feindliches Vermögen mit der Folge, dass die
kriminelle Organisation mit diesen Finanzmitteln nicht mehr unterhalten oder
gar ausgebaut werden kann. Eine Eignung, effektiv und damit vor allem für eine
längere Dauer Freiheitsmittel zu entziehen und hierdurch Rechtsgüterschutz zu
gewährleisten, ist damit zu bejahen.

c) Geeignetheit prozessualer Einschränkungen zur Gütersicherheit

Wie sich aus den obigen Grundsatzüberlegungen 1089 zur Konkretisierung des
prozessualen Feindstrafrechts ergeben hat, sind feindstrafrechtliche Verfahrens-
vorschriften unter anderem durch die Vorverlagerung des Anfangsverdachts und
damit durch frühen Einsatz der Ermittlungstätigkeit, die auch den Internbereich
des Verdächtigten nicht ausspart, geprägt (z. B. Rasterfahndung und Datenab-
gleich gemäß §§ 98a ff. StPO, großer Lauschangriff). Über die bloße repressive
Strafverfolgung hinausgehend, dienen die Regelungen zudem der zukünftigen
Verhütung von Straftaten (etwa der Haftgrund der Wiederholungsgefahr gemäß
§ 112a StPO). Dem Feind kann im Strafprozess ferner die Subjektsstellung ganz
abgesprochen oder jedenfalls herabgesetzt werden, indem ihm etwa bestimmte
Rechte vorenthalten werden (vgl. etwa die Kontaktsperre nach §§ 31 ff. EGGVG)
und er über die ihn belastenden Ermittlungsmaßnahmen nicht in Kenntnis gesetzt
werden muss (z. B. der Einsatz verdeckter Ermittler, § 110a StPO).

1084
Vgl. hierzu Kapitel 2 B.II.1.
1085
Zur Betäubungsmittel- und Sexualdelinquenz siehe oben Kapitel 2 B.II.3.
1086
Natürlich kann der Sicherungsverwahrte auch in der Sicherungsverwahrung Strafta-
ten begehen, jedoch ist das Risiko insofern herabgesetzt, dass der Inhaftierte die Straftaten
jedenfalls nicht in Freiheit begehen kann und er während der Verwahrung unter besonderer
staatlicher Aufsicht steht.
1087
Zur Zweckmäßigkeit der Sicherungsverwahrung vgl. auch die Beispiele bei Stoiber,
E.: F.-C. Schroeder-FS 2006, S. 3 ff., 7 f.
1088
Oben Kapitel 2 B.II.2.
1089
Vgl. hierzu Kapitel 2 B.V.3.b).
210 Kap. 3: Zweck- und Verhältnismäßigkeit des Feindstrafrechts

aa) Ineffizienzüberlegungen am Beispiel


von Datenabgleich und -überwachung

Insbesondere der Bereich des oftmals als „Tatenschutz“ diffamierten Daten-


schutzes erfährt zunehmend feindstrafrechtliche Einschränkungen, die vor allem
das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG)
betreffen. Gerade diese Einschränkungen sind jedoch der verstärkten Kritik aus-
gesetzt, zur gezielten Verbrechensaufklärung und -verhinderung wenig beitragen
zu können beziehungsweise schlicht ungeeignet zu sein.
Gegen die Geeignetheit von Datenabgleich und -überwachung wird etwa teil-
weise geltend gemacht, der globale Datenaustausch sei schwer zu kontrollieren und
es erscheine beinahe unmöglich, die relevanten Daten überhaupt oder zumindest
zeitnah aus den Kommunikationsnetzwerken herauszufiltern. Zudem können die
derart erlangten Informationen aufgrund ihrer Vielzahl kaum verarbeitet und ana-
lysiert werden. 1090 Dies verdeutliche vor allem das Versagen der amerikanischen
Geheimdienste: Trotz Datenüberwachung, die die amerikanischen Geheimdienste
frühzeitig in Kenntnis über geplante Terrorakten setzte, konnten die Anschläge
auf die US-Botschaften in Kenia und Tansania 1998 nicht verhindert werden,
da die exakten Angaben über Ort und Zeit nicht aus der Datenmasse separiert
werden konnten. 1091 Ein ähnlicher Vorwurf wird den Geheimdiensten im Zusam-
menhang mit den Anschlägen vom 11. September gemacht: Zwei der Entführer
standen auf der Liste der Terrorismusverdächtigen 1092 des FBI beziehungsweise
tauchten in den Abhörprotokollen des Verfassungsschutzes auf – dennoch durften
sie an Bord der Flugzeuge, die sie dann entführten. 1093 In diesem Sinne trügen die
Überwachungsmaßnahmen faktisch nicht zur Rechtsgütersicherheit bei; die Maß-
nahmen könnten allenfalls die Strafverfolgung erleichtern – die Verhinderung von
Straftaten könnten sie dagegen nicht bewirken, wie am Beispiel der deutschen Kof-
ferbomber vom 31. 7. 2006 zu erkennen sei. 1094 Die Täter, die die Kofferbomben in
zwei verschiedenen Regionalzügen deponierten, wurden von den Bahnhofkameras
aufgezeichnet, so dass eine spätere Identifizierung möglich war. Die Explosion
und die dadurch verursachten Rechtsgutsverletzungen hätten – ebenso wie im von

1090
Beispielweise waren die 32.000 erfassten Datensätze im Rahmen der Rasterfahn-
dung des BKA nach dem 11. 9. 2001 nicht handhabbar und mussten durch aufwendige
Abgleiche weiter eingeschränkt werden, vgl. Kant, M.: Cilip 80 Nr. 1/2005, 13 ff., 15. Zur
massiven Zunahme terroristischer Websites im Internet vgl. etwa Hoffman, B. / Weimann,
G.: Terror on the Internet 2006. Vgl. ferner auch Der Spiegel Nr. 33 v. 14. 8. 2006, S. 90 ff.,
94, 96, 104, 106 f.; Der Spiegel Nr. 42 v. 16. 10. 2006, S. 32 f.
1091
Ulfkotte, U.: Propheten des Terrors 2001, S. 133.
1092
Kritisch in Bezug auf die UN- und EU-Terrorlisten und deren Auswirkungen im
deutschen Recht Meyer, F. / Macke, J.: HRRS 12/2007, 445 ff.
1093
Vgl. Strossen, N.: Innere Sicherheit als Gefahr 2003, S. 65 ff., 73.
1094
Vgl. Der Spiegel Nr. 34 v. 21. 8. 2006, S. 36 f. wie auch bereits Fn. 1017.
B. Die Zweckmäßigkeit des Feindstrafrechts 211

Kameras übersäten London 1095 – durch die Überwachungskameras jedoch kaum


verhindert werden können. 1096 Darüber hinaus wird in Bezug auf die Datenüber-
wachung zu bedenken gegeben, dass keine Auswertung von Daten möglich sei,
wenn die Täter gar nicht oder jedenfalls nicht elektronisch kommunizieren. 1097
In der Literatur wird auch der Rasterfahndung (§ 98a StPO i.V. m. der Durch-
führungsvorschrift § 98b StPO) eine eher geringe Eignung zum effektiven Rechts-
güterschutz nachgesagt. 1098 So habe beispielsweise die groß angelegte Rasterfahn-
dung nach dem 11. September 2001, in deren Rahmen die Landesämter Daten
an Universitäten, bei Einwohnermeldeämtern und beim Ausländerzentralregister
erhoben hatten, nicht den erwünschten Erfolg gebracht und trotz allumfassender,
offener Kriterien (männlich, 18 –40 Jahre, Student oder ehemaliger Student, isla-
mische Religionszugehörigkeit, Geburtsland) keine Schläfer zutage gefördert. 1099
Gleichwohl wäre ein Attentäter wie Atta 1100 zwar als männlicher Student, der – er-
laubter Weise – die Moschee besucht, unter das Raster gefallen. Gerade jener
hatte jedoch seine Identität gar nicht verschleiert. Die religiöse Grundeinstellung
von Atta war bekannt, so dass die Rasterfahndung – ebenso wenig wie etwa ein
biometrischer Fingerabdruck im Reisepass oder Personalausweis – hier kaum
neue Erkenntnisse bringe, geschweige denn Terroranschläge verhindere. 1101
Auch die Geeignetheit der Telekommunikationsüberwachung (§§ 100a ff. StPO)
wird partiell in Zweifel gezogen: Gegen die prozessualen Abhörmaßnahmen könn-
ten technische Aufspürgeräte oder elektronische Störsender eingesetzt werden. 1102
Beide Varianten ließen die Datenüberwachung leerlaufen. Zudem könnte einge-
wendet werden, dass die Überwachung der Telekommunikation in den Fällen kei-
nen (rechtzeitigen) Nutzen bringt, in denen sich die Kommunikationspartner einer
fremden Sprache oder gar einer Codierung bedienen, so dass der Gesprächsinhalt

1095
Der Spiegel Nr. 35 v. 28. 8. 2006, S. 20 ff., 21.
1096
Im Rahmen eines bundesdeutschen Programms für zivile Sicherheitsforschung wird
nunmehr an der Entwicklung neuer Techniken zur Verhinderung von Terroranschlägen
gearbeitet wie zum Beispiel Sensortechnik, Roboterpatrouillen und Röntgenanlagen, um
Attentäter früh zu identifizieren und damit den Schutz von Bahnhöfen, Flug- und Seehäfen
zu optimieren (Der Spiegel Nr. 38 v. 18. 9. 2006, S. 54 f.). Zudem soll im Berliner Anti-
Terror-Zentrum eine „Internet Monitoring und Analysestelle“ (IMAS) eingerichtet werden,
um vor allem islam-extremistischen Online-Aktivitäten nachzugehen (Der Spiegel Nr. 39
v. 25. 9. 2006, S. 19).
1097
Vgl. auch Strossen, N.: Innere Sicherheit als Gefahr 2003, S. 65 ff., 75.
1098
Vgl. etwa Frankenberg, G.: KJ 2005, 370 ff., 386; Hilbrans, S.: Innere Sicherheit
als Gefahr 2003, S. 268 ff., 276 f.; Kett-Straub, G.: ZIS 2006, 447 ff., 451 m.w. N.
1099
Vgl. etwa Kant, M.: Cilip 80 Nr. 1/2005, 13 ff., 13 f.
1100
Vgl. hierzu oben Kapitel 3 B.II.1.a)aa).
1101
Müller-Heidelberg, T.: Innere Sicherheit als Gefahr 2003, S. 82 ff., 92; vgl. auch
Düx, H.: ZRP 2003, 189 ff., 191 f.
1102
Glauben, P. J.: DRiZ 1993, 41 f., 42.
212 Kap. 3: Zweck- und Verhältnismäßigkeit des Feindstrafrechts

trotz akustischer Kenntnisnahme nur erschwert oder überhaupt nicht entschlüsselt


werden kann.

bb) Gegenüberlegungen

Trotz der Bedenken, die bezüglich der Effizienz einiger feindstrafrechtlich aus-
gestalteter Prozessnormen im Rahmen der Datenüberwachung bestehen können,
muss die Geeignetheit bejaht werden. Denn selbst wenn das Feindstrafprozess-
recht bestimmte Fehlschläge verbuchen muss, muss auch das Erfolgspotential
der Regelungen bedacht werden. Die modernen Strafermittlungsmethoden wie
etwa der Einsatz von verdeckten Ermittlern oder von V-Leuten, die Raster- und
Schleierfahndung oder die Überwachung der Telekommunikation nach § 100c
StPO dienen dem Zweck, bestimmte Täter aufzuspüren und zu überwachen, die
mit herkömmlichen Mitteln aufgrund der heutzutage bestehenden Möglichkeiten
kaum zu verfolgen sind. Mobilität, Internationalität und Anonymität der moder-
nen Gesellschaften erleichtern gerade gut organisierten Verbrechergruppierungen
grenzüberschreitend Spuren zu verwischen, indem zum Beispiel Geld im Aus-
land gewaschen, das Aussehen des Täters verändert wird und die Mitglieder des
Netzwerkes arbeitsteilig handeln, ohne sich untereinander zu kennen. 1103 Dank
Maßnahmen wie Datenabgleich, Raster- und Schleppnetzfahndung können be-
stimmte Geldwäsche-, Handlungs- oder Aufenthaltsmuster festgestellt werden,
durch die wiederum Kontakte bekannt und Täter überführt werden können. Dabei
ist herauszustellen, dass sich die Geeignetheit nicht auf eine potentielle Leis-
tungssteigerung der Strafverfolgung beschränkt. Die Datenüberwachung ist bei-
spielsweise trotz ihrer Schwächen durchaus in der Lage, Anschläge wirksam zu
vereiteln. In Deutschland sind seit dem 11. September 2001 sechs Terroranschläge
mittels Daten-, insbesondere Telekommunikationsüberwachung vereitelt worden,
so zum Beispiel ein Anschlag auf die Love Parade in Berlin vor ca. zwei Jah-
ren. Dies findet allerdings in den Medien kaum oder gar keine Erwähnung. 1104
Bekannt geworden ist dagegen der Erfolg der Schleppnetzfahndung im Rahmen
der Schleyer-Entführung 1105 durch die RAF 1977: Nachdem die Erpresserbriefe
nicht mehr in Deutschland, sondern am Pariser Bahnhof Gare du Nord aufgege-
benen wurden, untersuchte das BKA jene auf Speichelspuren. Dabei stellte man
fest, dass die zwar nicht die Briefumschläge, jedoch die Briefmarken nur von

1103
Vgl. Rogall, K.: GA 1985, 1 ff., 2.
1104
Auskunft von Dr. David Th. Schiller (Politikwissenschaften), der unter anderem im
Forschungsbereich Terrorismus bei der amerikanischen Rand Corporation (Santa Monica)
sowie bei Control Risk Ltd. London tätig war, im Anschluss an seinen Vortrag „‚When it
bleeds, it leads the headlines ...‘ – Zur eindimensionalen Medien-Perzeption des Terroris-
mus“ auf der Tagung „Medien und Terrorismus“ am 15. 7. 2006 an der Johannes Gutenberg-
Universität Mainz.
1105
Vgl. hierzu bereits Kapitel 2 B.IV.3.
B. Die Zweckmäßigkeit des Feindstrafrechts 213

einer Person angefeuchtet worden waren. Daraufhin wurden die Personendaten


der 25- bis 35-jährigen Reisenden des Nachtexpresszuges von Deutschland nach
Frankreich, der kurz vor dem Aufgabedatum in Paris angekommen war, über-
prüft. Aus dem circa 3000 Namen umfassenden Bestand konnte schließlich der
Terrorist Lotze ermittelt werden. 1106 Auch führte etwa eine Ende der 1970er Jahre
durchgeführte Rasterfahndung zum Zwecke der Aufdeckung von unter falscher
Identität angemietetem Wohnraum dazu, dass eine konspirativ genutzte Wohnung
der RAF ausfindig gemacht wurde. 1107 Ferner konnte im Rahmen der „Operation
Alberich“ im September 2007 ein Terroranschlag einer Gruppe von in Pakistan
ausgebildeter Islamisten, die im Oktober 2006 aufgrund verdächtiger E-Mails
zwischen Deutschland und Pakistan dem Abhördienst NSA (National Security
Agency) aufgefallen war, verhindert werden. 1108 Im Ergebnis erhöhen die feindstraf-
prozessualen Maßnahmen somit jedenfalls die Chance, Rechtsgüter zu schützen,
selbst wenn sie im Einzelfall versagen können.
Im Übrigen wird teilweise außer Acht gelassen, dass die Effizienz der Maßnah-
me wesentlich von der Qualität der Durchführung abhängt. So ist beispielsweise
die Telekommunikationsüberwachung eines Gespräches in einer fremden oder
codierten Sprache nicht von vorneherein ungeeignet, wenn Fachmänner wie Dol-
metscher und Verschlüsselungsexperten zu Rate gezogen werden. Zudem kann
auf amerikanische Vergleichsuntersuchungen zur Datenüberwachung hingewie-
sen werden, nach denen die Betroffenen sich zum Zeitpunkt des Abhörens re-
gelmäßig sicher fühlten und daher auch keinerlei schützende Gegenmaßnahmen
ergriffen. 1109 Schließlich spricht auch der häufige Einsatz der Telekommunikati-
onsüberwachung im Ermittlungsverfahren und die prozentual höheren Anklage-
und Verurteilungsquoten für deren praktische Eignung. 1110

cc) Ergebnis zur Geeignetheit feindstrafprozessualer Maßnahmen

Grundsätzlich kann davon ausgegangen werden, dass die durch die Vorverla-
gerung des Anfangsverdachts früher einsetzende Ermittlungstätigkeit geeignet
ist, sich vor der beabsichtigten Rechtsgutsverletzung des Feindes zu bemäch-
tigen und damit Gütersicherheit zu gewährleisten. Dies folgt bereits aus den

1106
Wittig, P.: Jus 1997, 961 ff., 962 unter Zitierung eines Interviews des SPIEGELS
mit dem ehemaligen Präsidenten des BKA Herold.
1107
Vgl. Kett-Straub, G.: ZIS 2006, 447 ff., 447 f. m.w. N.
1108
Vgl. Der Spiegel Nr. 37 v. 10. 9. 2007, S. 20 ff.
1109
Böttger, A. / Pfeiffer, C.: ZRP 1994, 7 ff., 14.
1110
Vgl. hierzu die Untersuchung des Max-Planck-Instituts für ausländisches und inter-
nationales Strafrecht in Freiburg zur „Rechtswirklichkeit und Effizienz der Überwachung
der Telekommunikation nach den §§ 100a, 100b StPO und anderer verdeckter Ermittlungs-
maßnahmen“, im Internet abrufbar unter: http://www.mpg.de/bilderBerichteDokumente
/dokumentation/jahrbuch/2005/strafrecht/forschungsSchwerpunkt/pdf.pdf.
214 Kap. 3: Zweck- und Verhältnismäßigkeit des Feindstrafrechts

Ausführungen zur materiellen Vorverlagerung der Strafbarkeit 1111, denn insofern


bedingt die materielle Vorfeldkriminalisierung gerade den früheren Einsatz des
staatlichen Strafverfolgungsapparates. 1112 Die Aufhebung der Beschränkung des
Tätigwerdens der Strafverfolgungsorgane auf rein repressives Handeln und der
damit einhergehenden Ausweitung in das Feld der (polizeilichen) Gefahrenvor-
sorge kann dementsprechend durch die Möglichkeit des vorzeitigen Eingriffs
gleichfalls zu einer Intensivierung des Rechtsgüterschutzes führen, etwa indem
der Beschuldigte bei bestehender Wiederholungsgefahr aufgrund noch nicht be-
gangener, erheblicher Straftaten in Untersuchungshaft genommen wird (§ 112a
StPO). Die Untersuchungshaft begründenden, potentiellen Taten können wäh-
rend der Haftzeit kaum ins Verwirklichungsstadium gelangen, so dass in diesem
temporären Rahmen eine effektive Verbrechensbekämpfung und Gütersicherung
stattgefunden hat. Gleiches gilt für den Einsatz verdeckter Ermittler im Falle des
§ 110a Abs. 1 S. 2 StPO, der die Zulässigkeit des Einsatzes zur Aufklärung einer
Straftat bei Wiederholungsgefahr bestimmt: Die – zumindest auch – präventive
Ausgestaltung der Maßnahme ermöglicht den Zugriff auf den Täter, bevor die-
ser im Hinblick auf die die Wiederholungsgefahr begründenden Taten auch nur
unmittelbar zur Rechtsgutsverletzung angesetzt hat. Die generelle Eignung der
feindstrafprozessualen Vorfeld- und Präventivmaßnahmen zur Effektivierung von
Rechtsgüterschutz ist somit zu bejahen.
Der Abbau von prozessualen Rechten im Feindstrafrecht führt schließlich zu
keiner abweichenden Bewertung in Hinsicht auf die generelle Geeignetheit des
Feindstrafrechts. Das Feindstrafrecht entledigt sich der bürgerstrafrechtlichen
Verfahrensgrundsätze, indem es etwa die Unschuldsvermutung, das Recht auf
Verteidigerkonsultation, den Unmittelbarkeitsgrundsatz oder auch das Öffentlich-
keitsprinzip außer Acht lässt oder zumindest deren Reichweite verringert. 1113 Die
hier bereits mehrfach Erwähnung gefundene Kontaktsperre (§ 31 ff. EGGVG)
oder auch der Einsatz von Trennscheiben (§ 148 Abs. 2 StPO) schränken etwa das
Recht des Beschuldigten auf den Kontakt und den Austausch mit dem Verteidiger
ein. In der Folge wird ein konspiratives Zusammenwirken von Beschuldigten und
Verteidiger erschwert und die Fluchtgefahr verringert. Auch Maßnahmen wie der
Einsatz verdeckter Ermittler (§§ 110a ff. StPO) beziehungsweise von V-Leuten,
die Beobachtung eines Verdächtigen (§ 163 StPO) oder die Telekommunikations-
überwachung in Wohnräumen gemäß § 100c StPO, über die der Verdächtigte nicht
in Kenntnis zu setzen ist, können durch die erlangten Informationen (Bewegungs-
bilder, soziale Kontakte, Insiderwissen etc.) kriminelle Strukturen und Absichten
aufdecken. Insofern sind derartige Einschränkungen durchaus geeignet, dem Miss-

1111
Vgl. oben Kapitel 1 C.II.1.
1112
Vgl. hierzu auch Kapitel 2 B.IV.5.
1113
Zu den einzelnen Normen, die einen solchen Rechtsabbau beinhalten, siehe Unter-
punkte in Kapitel 2 B.IV.
B. Die Zweckmäßigkeit des Feindstrafrechts 215

brauch der im Bürgerstrafrecht prozessual zugestandenen Rechte vorzubeugen und


die Strafverfolgung wie auch Verbrechensverhütung zu effektivieren.

d) Geeignetheit der Bekämpfungsgesetzgebung zur Gütersicherheit

Laut Gesetzesbegründungen dienen die Bekämpfungsgesetze 1114 regelmäßig


dem Schutz eines als bedroht vermittelten Rechtsgutes wie etwa der Volksgesund-
heit 1115 im Rahmen der Betäubungsmittelkriminalität, der sexuellen Selbstbestim-
mung 1116 oder auch der allgemeinen Sicherheit. 1117 Die grundsätzliche Eignung
erklärt sich dadurch jedoch nicht von selbst.

aa) Statistik als Eignungskriterium

Das „Gesetz zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer


Erscheinungsformen der Organisierten Kriminalität“ vom 15. 7. 1992 bewirkte
laut Lagebericht des Bundeskriminalamtes nicht etwa den Rückgang der Rausch-
giftdelikte für die Zukunft, vielmehr verdoppelte sich die Zahl der begangenen
Delikte von 1993 bis 2001 annähernd (von 122.240 auf 246.518). 1118 Die erfassten
Rauschgiftdelikte sind bis 2005 sogar kontinuierlich weiter auf 276.740 Fälle
gestiegen. 1119 Auch die Anzahl der Ermittlungsverfahren im Delinquenzbereich
der Organisierten Kriminalität nahm danach trotz des „Gesetzes zur Verbesserung
der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität“ vom 4. 5. 1998 1120 erst im Jahr
2002 deutlich ab, dies lasse jedoch nicht auf einen Rückgang der Organisierten
Kriminalität schließen. Die Lageerkenntnisse seien vielmehr vom Ressourcenein-
satz und vom Ausmaß der Intensität der Strafverfolgung abhängig. 1121 Das „Gesetz
zur Bekämpfung der Korruption“ vom 13. 8. 1997 1122 konnte gleichfalls den gene-

1114
Aufzählung der Bekämpfungsgesetze siehe oben Kapitel 2 B.III.
1115
Vgl. etwa BR-Drucks. 546/79, S. 35.
1116
Begründungen des „Gesetzes zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen
gefährlichen Straftaten“ v. 26. 1. 1998 (BGBl. I, S. 160) und des „Sechsten Gesetzes zur Re-
form des Strafrechts“ v. 26. 1. 1998 (BGBl. I, S. 164, 704) in BR-Drucks. 163/97; zugleich
BT-Drucks. 13/8586.
1117
Vgl. Begründung zum „Gesetz zur Einführung der nachträglichen Sicherungsver-
wahrung“ v. 23. 7. 2004 (BGBl. 2004 I, S. 1838) in BR-Drucks. 177/04.
1118
Siehe Rauschgiftjahresbericht 2001 des BKA im Rahmen der aktuellen Tendenzen,
S. 5 ff., abrufbar unter: http://www.bka.de/lageberichte/rg/2001/b_aktuelle_tendenzen.pdf.
1119
Zu den Zeitreihen der Rauschgiftdelikte vom Jahr 1987 bis 2005 siehe
PKS 2005 – Gesamtausgabe, S. 222 ff., abrufbar unter: http://www.bka.de/pks/pks2005
/download/pks-jb_2005_bka.pdf.
1120
BGBl. I, S. 845.
1121
Kurzfassung des Lagebildes Organisierte Kriminalität 2003 Bundesrepublik
Deutschland des BKA, S. 14, abrufbar unter: http://www.bka.de/lageberichte/ok/2003kf
/lagebild_ok_2003_kurzlage.pdf.
216 Kap. 3: Zweck- und Verhältnismäßigkeit des Feindstrafrechts

rellen Anstieg der Verfahrenszahl der Korruptionsstraftaten in der polizeilichen


Kriminalstatistik (PKS) nicht verhindern. 1123
In den Jahren 1997 bis 2003 wurden laut PKS konstant zwischen 50.000 und
55.000, 2004 und 2005 sogar über 55.000 Delikte gegen die sexuelle Selbstbe-
stimmung Fälle erfasst. 1124 Das „Gesetz zur Bekämpfung von Sexualdelikten und
anderen gefährlichen Straftaten“ vom 26. 1. 1998 1125 schien insofern wenig „be-
kämpfenden“ Einfluss auf die Sexualstraftaten zu nehmen. Auch die Ausweitung
der Sicherungsverwahrung 2004 1126 mit besonderem Augenmerk auf die Sexual-
delinquenz spricht dafür, dass die 1998 erlassenen Bekämpfungsgesetze gegen
sexuell motivierte Straftaten 1127 wohl nicht den erhofften durchschlagenden Erfolg
erzielten.
Andererseits darf nicht darüber hinweggesehen werden, dass gerade die Aus-
sagekraft von Kriminalstatistiken über den wirklichen Umfang von Kriminalität
und die gegenwärtige Sicherheitslage eher gering zu schätzen ist. Dunkelfeld,
Anzeigeverhalten und Ermittlungsaufwand sind nur einige unbekannte Variablen,
die die PKS zur Heranziehung einer verlässlichen Analyse über die Krimina-
litätsbelastung als unbrauchbar erscheinen lassen. 1128 Die Ungeeignetheit der
Bekämpfungsgesetzgebung folgt also nicht bereits daraus, dass die PKS oder ähn-
liche Statistiken keinen Rückgang der Kriminalität nach dem Erlass von gerade
diese Kriminalität bekämpfenden Gesetzen ausweist. Vielmehr kann die Bekämp-
fungsgesetzgebung auch gerade zu einer Steigerung des Anzeigeverhaltens der
Bürger geführt haben, da durch die Kampfgesetze das Vertrauen des Bürgers in
die Effektivität der Strafverfolgung gesteigert wurde. Aus geringen oder jedenfalls
kaum wahrnehmbaren Verfolgungs- oder Verurteilungszahlen kann nicht auf die
generelle Ungeeignetheit geschlossen werden. 1129

1122
BGBl. I, S. 2038.
1123
Vgl. Bundeslagebild Korruption 2004 des BKA, S. 12, abrufbar unter: http://www
.bka.de/lageberichte|::|ko|::|blkorruption2004.pdf.
1124
Vgl. PKS aus den Jahren 1998 bis 2005 (Abschnitt: Straftaten gegen die sexuelle
Selbstbestimmung), im Internet abrufbar unter: http://www.bka.de/.
1125
BGBl. I, S. 160.
1126
„Gesetz zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung“ v. 3. 7. 2004,
BGBl. 2004 I, S. 1838.
1127
„Gesetz zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Strafta-
ten“ v. 26. 1. 1998 (BGBl. I, S. 160) und „Sechstes Gesetz zur Reform des Strafrechts“
v. 26. 1. 1998 (BGBl. I, S. 164, 704).
1128
Zu den Unsicherheiten der PKS im Hinblick auf ihre Aussagekraft über wachsende
Kriminalitätsbelastungen und die gegenwärtige Sicherheitslage vgl. etwa Bock, M.: Kri-
minologie 2007, Rn. 791; Göppinger-Münster.: Kriminologie 2008, § 23 Rn. 30 ff.; Lehne,
W.: Innere Sicherheit als Gefahr 2003, S. 110 ff.; Prittwitz, C.: Strafrecht und Risiko 1993,
S. 186 ff.
1129
Appel, I.: Verfassung und Strafe 1998, S. 176.
B. Die Zweckmäßigkeit des Feindstrafrechts 217

bb) Optimalität als Eignungskriterium

Etliche Nachbesserungen der Bekämpfungsgesetze durch erneute Bekämp-


fungsgesetze mögen deren Effektivität zunächst eher dürftig erscheinen lassen.
So folgte etwa dem „Ersten Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität“
vom 29. 7. 1976 1130 zehn Jahre später das „Zweite Gesetz zur Bekämpfung der
Wirtschaftskriminalität“ vom 15. 5. 1986 1131; das „Gesetz zur Bekämpfung des
illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der Organisierten
Kriminalität“ vom 15. 7. 1992 1132 wurde ausdrücklich nachgebessert durch das
„Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität“ vom
4. 5. 1998 1133 und auch das „Gesetz zur Erleichterung der Bekämpfung von illegaler
Beschäftigung und Schwarzarbeit“ vom 23. 7. 2002 1134 scheint seinen Zweck nicht
vollständig gerecht geworden zu sein, da nach zwei Jahren bereits das „Gesetz zur
Intensivierung der Bekämpfung der Schwarzarbeit und damit zusammenhängen-
der Steuerhinterziehung“ vom 23. 7. 2004 1135 folgte. Die mutmaßlichen Defizite
der 1998 erlassenen Bekämpfungsgesetze gegen sexuell motivierte Straftaten 1136,
die wohl durch die Ausweitung der Sicherungsverwahrung 2004 1137 aufgearbeitet
werden sollten, haben bereits Erwähnung gefunden. 1138
Allerdings müssen Gesetze, deren Effektivität aufgrund gesetzgeberischer Un-
vollkommenheit von Anfang an oder infolge situativer Veränderungen nachträglich
zumindest teilweise reduziert ist, nicht von vornherein absolut ineffektiv und damit
ungeeignet im Rahmen der Zwecktauglichkeit sein. Straftäter passen sich natur-
gemäß neuen Regelungen an, ergreifen entsprechende Abwehrmaßnahmen und
nutzen Strafbarkeits- sowie Strafverfolgungslücken aus. Der Gesetzgeber ist dann
folgerichtig dazu gezwungen, hierauf zu reagieren. Die bloße Nachbesserung von
Gesetzen darf bereits aus diesem Grund nicht auf die generelle Ungeeignetheit
derselben schließen lassen. Gleichfalls schließt eine verminderte Geeignetheit
die Zwecktauglichkeit nicht grundsätzlich aus, solange der erstrebte Erfolg noch
irgendwie gefördert wird. 1139 Dem entspricht es auch, dass dem Gesetzgeber bei
komplexen Sachverhalten zugestanden wird, die Entwicklung zu beobachten und

1130
BGBl. I, S. 2034.
1131
BGBl. I, S. 721.
1132
BGBl. I, S. 1302.
1133
BGBl. I, S. 845.
1134
BGBl. I, S. 2787.
1135
BGBl. I, S. 1842.
1136
„Gesetz zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Strafta-
ten“ v. 26. 1. 1998 (BGBl. I, S. 160) und „Sechstes Gesetz zur Reform des Strafrechts“
v. 26. 1. 1998 (BGBl. I, S. 164, 704).
1137
Gesetz zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung vom 23. 7. 2004,
BGBl. 2004 I, S. 1838.
1138
Siehe Kapitel 3 B.II.1.d)aa) bis cc).
218 Kap. 3: Zweck- und Verhältnismäßigkeit des Feindstrafrechts

Erfahrungen zu sammeln. Erweist sich eine Regelung später als mängelbehaftet,


ist der Gesetzgeber entsprechend zu einer Änderung angehalten. 1140 Fehlende
Optimalität der Bekämpfungsgesetze und entsprechende Nachbesserungen stehen
der Geeignetheit daher nicht im Wege. Vielmehr können Legislativakte in Er-
mangelung einer abschließenden, unveränderlichen Bewertungsgrundlage keine
absolute Perfektion erreichen und unterliegen daher naturgemäß einem permanen-
ten Anpassungsprozess in Bezug auf gesellschaftliche, technische, politische und
andere Entwicklungen.

cc) Maßnahmenbündelung als Eignungskriterium

Vorangehend wurde die Geeignetheit im Hinblick auf effektiven Rechtsgü-


terschutz vor allem anhand des Bekämpfungsgesetzes als einheitliches Ganzes
überdacht. Die Bekämpfungsgesetze bilden jedoch eine Art Maßnahmenpaket des
Gesetzgebers, in dem auf materieller wie auch prozessualer Ebene Maßnahmen
gebündelt werden, mit deren Hilfe bestimmte Kriminalitätsphänomene zurück-
gedrängt und bekämpft werden sollen. Betrachtet man die einzelnen Normen
innerhalb der Bekämpfungsgesetzgebung differenziert, stößt man zwangsläufig
auch auf die feindstrafrechtlichen Komponenten der Vorfeldkriminalisierungen,
der zur Tatschuld unproportionalen Strafrahmen und der prozessualen Einschrän-
kungen, deren Geeignetheit zum Rechtsgüterschutz bereits bejaht wurde. Dabei
gilt auch hier, dass nicht jede Ungeeignetheit der Maßnahme in der konkreten
Situation zur generellen Ungeeignetheit führt. 1141 Etwa lässt die Überlegung die
Geeignetheit des Luftsicherheitsgesetzes 1142 nicht entfallen, dass der zur Bekämp-
fung des Terrorismus aus der Luft ursprünglich erlassene § 14 LuftSiG insofern
Effizienzzweifeln unterliegt, dass die Flugzeugentführung mit großer Wahrschein-
lichkeit entweder gar nicht vor der Kollision mit dem Zielobjekt oder zumindest
nicht so früh bekannt wird, dass ein Abschuss über unbewohntem Gebiet möglich
ist. Sollte nämlich die entsprechende Kenntniserlangung realiter wider Erwarten
doch rechtzeitig erfolgen, ist die Verhinderung eines noch größeren Unglücks
jedenfalls durch den planmäßigen Abschuss der Maschine möglich. Ebenso wenig
darf die Zwecktauglichkeit des § 14 LuftSiG mit der Begründung verneint werden,
Terroristen könnten sich die Regelung zu Nutzen machen und den Abschuss gezielt

1139
BVerfGE 90, 145 ff., 172. Ähnlich auch jüngst die Argumentation des BVerfG (Be-
schluss v. 26. 2. 2008 – 2 BvR 392/07) im Rahmen seiner Entscheidung zur Verfassungsmä-
ßigkeit des § 173 Abs. 2 S. 2 StGB (Geschwisterinzest), wonach die Lückenhaftigkeit des
strafrechtlichen Schutzes in Bezug auf den von der Strafnorm erfassten Zweck jedenfalls
nicht die generelle Eignung des Straftatbestandes in Frage stellt.
1140
BVerfGE 33, 171 ff., 189 f.; 37, 104 ff., 118; 43, 291 ff., 321.
1141
Vgl. auch Fn. 1076.
1142
Zum Luftsicherheitsgesetz als Bekämpfungsgesetz und im Allgemeinen vgl. oben
Kapitel 2 B.III.3. und C.I.4.
B. Die Zweckmäßigkeit des Feindstrafrechts 219

herbeiführen. Ein derartiger Einzelfall kann nach dem oben Gesagten gleichfalls
nicht die mögliche Geeignetheit in anders gelagerten Fällen untergraben.
Danach ist die Eignung der Bekämpfungsgesetzgebung zum Rechtsgüterschutz
insofern zu bejahen, dass die einzelnen Maßnahmen, die in einem Bekämpfungs-
gesetz zusammengefasst werden, eben diese Eignung aufweisen. Inwiefern der
Betitelung als Bekämpfungsgesetz darüber hinaus noch ein anderer, nämlich
symbolischer Zweck anhaftet, wird an anderer Stelle noch aufzuzeigen sein. 1143

e) Geeignetheit der Maßnahmen zur Feindbekämpfung

Nachdem festgestellt wurde, dass die feindstrafrechtlichen Maßnahmen grund-


sätzlich geeignet sind, Rechtsgüterschutz zu gewährleisten, ist nunmehr von Inter-
esse, ob sie auch der personalen Komponente der Gütersicherheit gerecht werden.
Dazu müsste das Feindstrafrecht geeignet sein, die Rechtsgüter vor Feinden zu
schützen, indem nicht bloß Kriminalität an sich, sondern speziell Feinde bekämpft
werden. Folglich müsste das Feindstrafrecht sich an den Feind als Adressaten rich-
ten und diesen betreffen. Fehlt es dagegen gänzlich oder zumindest teilweise an
einer solchen Adressatenkorrektheit, ist fraglich, welche Konsequenzen hieraus
bezüglich der Geeignetheit erwachsen. Da sich die nachfolgenden Überlegungen
zu den Auswirkungen von möglichen Adressatenmängeln auf die Geeignetheit
zum Rechtsgüterschutz vor Feinden mit denjenigen auf die Geeignetheit zur Straf-
verfolgung von Feinden decken, soll hier beide Zweckbestimmungen Erwähnung
finden.

aa) Adressatenmängel

Dass die bislang erfolgte gesetzliche Umsetzung von Feindstrafrecht wie auch
die Forderungen nach weitergehendem Feindstrafrecht durchaus Feinde im Sinne
der Definition Jakobs betreffen können, wurde im Rahmen der Überprüfung der
Adressatenkorrektheit auf deskriptiver Ebene bereits ausgeführt. 1144 Es wurde
jedoch gleichfalls festgestellt, dass feindstrafrechtliche Normen sich nicht aus-
schließlich auf den Feind auswirken, sondern mitunter auch den Bürger in seiner
Lebensführung und -gestaltung betreffen. Der Bürger kann entweder fälschlich
verdächtigt werden, Feind zu sein, so dass Feindstrafrecht unmittelbar auf ihn
angewendet wird (direkte Betroffenheit). 1145 Er kann aber auch schlichtweg in den

1143
Vgl. Kapitel 3 B.II.2.
1144
Vgl. Kapitel 2 B.V.2.
1145
Die direkte Betroffenheit von Bürgern durch feindstrafrechtliche Normen hat vor
allem im kolumbianischen Notstandsrecht verheerende Ausmaße angenommen, vgl. Aponte,
A.: Krieg und Feindstrafrecht 2002, S. 69. Siehe ferner auch Kapitel 3 B.II.2.a)aa) in dieser
Arbeit.
220 Kap. 3: Zweck- und Verhältnismäßigkeit des Feindstrafrechts

Wirkbereich feindstrafrechtlicher Maßnahmen geraten (indirekte Betroffenheit).


Derartige Adressatenmängel sind auf materieller Ebene insbesondere bei dem
nach seiner Zielsetzung 1146 und aufgrund der Berücksichtigung von Interna feind-
strafrechtlich ausgestalteten Versicherungsmissbrauch gemäß § 265 StGB, dem
unerlaubten Waffenbesitz, dem Besitz pornographischer Schriften, dem Versuch
der Beteiligung an einem Verbrechen nach § 30 StGB wie auch den Strafvorschrif-
ten des Betäubungsmittelrechts zu verzeichnen. Von diesen Regelungen werden
partiell jedenfalls auch Bürger erfasst. Gleichfalls erweist sich die zur Bekämp-
fung des Organisierten Verbrechens eingeführte Geldwäsche (§ 261 StGB) 1147
dem Wortlaut nach als wenig adressatenfest. 1148 Vielmehr bestand bis zum Urteil
des Bundesverfassungsgerichts vom 30. 3. 2004 1149 die erhöhte Gefahr, dass selbst
Strafverteidiger dem Anwendungsbereich der Norm zu unterfallen.
Prozessual verbleiben nach den hier aufgestellten Kriterien, wonach der phy-
sische Zwang nicht ausschlaggebendes Merkmale des Feindstrafprozessrechts
sein kann 1150, beispielsweise noch die Überwachung der Telekommunikation nach
§ 100a StPO. Hier wird jede Person, die den Anschluss benutzt, abgehört, wie
beispielsweise der Anrufer, andere Familienmitglieder, Gäste etc. 1151 Nicht anders
verhält es sich bei den übrigen Überwachungsmaßnahmen, wobei die Raster-
fahndung ein nahezu klassisches Beispiel bildet. 1152 Die Sicherungsverwahrung
kann gegen einen Täter ergehen, dessen Gefährlichkeitsprognose fälschlich zu
seinen Lasten erging. Die Kronzeugenregelung kann dazu führen, dass ein Straf-
täter die eigene Verantwortung auf andere abwälzt und zum Zwecke der eigenen
Strafreduzierung wahrheitswidrig Dritte belastet. 1153 Die Folterung von Verdächti-
gen – wäre sie denn rechtlich zulässig – birgt die Gefahr, dass der Gefolterte unter
der psychischen und physischen Belastung schließlich auch Verbrechen gesteht,
die er nicht begangen hat, nur um den Qualen zu entgehen. 1154 Die Möglichkeit,

1146
Vgl. hierzu bereits Kapitel 2 B.V.2. sowie Fn. 686.
1147
BGBl. 1992, S. 1302 ff.
1148
Vgl. auch Kritik bei Fischer, T.: StGB 2008, § 261 Rn. 4d. Danach ist die Geldwäsche
als Gefährdungs-Tatbestand so gefasst, dass ihn fast jeder verwirklicht.
1149
Nach BVerfGE 110, 226 ff. sind Strafverteidiger zumindest nur noch in dem Fall
mit Strafe nach § 261 StGB bedroht, wenn sie im Zeitpunkt der Annahme ihres Honorars
sichere Kenntnis von dessen Herkunft hatten.
1150
Siehe dazu Kapitel 2 B.V.3.a).
1151
Pütter, N.: Innere Sicherheit als Gefahr 2003, S. 204 ff., 209 f.; vgl. auch Böttger,
A. / Pfeiffer, C.: ZRP 1994, 7 ff., 15; Deckers, R. / Gercke, B.: StraFo 2004, 84 ff., 88.
1152
Albrecht, P.-A.: Innere Sicherheit als Gefahr? 2002, S. 49 ff., 59; ders.: Die ver-
gessene Freiheit 2003, S. 137; Wolter, J.: ZStW 107 (1995), 793 ff., 804 ff. Vgl. ähnliche
Kritik zur Anti-Terror-Datei bei Zopfs, J. in: Juristische Zeitgeschichte, Jahrbuch Bd. 8
(2006/2007), 395 ff., 405 f.
1153
Vgl. Hassemer, W.: StV 1986, 550 ff., 551; Hoyer, A.: JZ 1994, 233 ff., 234.
1154
Die historisch verankerte Kritik an der Folter ist etwa nachzulesen bei Hilgendorf,
E.: JZ 2004, 331 ff., 332; Jerouschek, G.: JuS 2005, 296 ff., 297 f.
B. Die Zweckmäßigkeit des Feindstrafrechts 221

dass Personen, von denen eben keine Dauergefahr ausgeht, als direkt oder indirekt
Betroffene in den Anwendungsbereich feindstrafrechtlicher Regelungen fallen, ist
somit grundsätzlich gegeben.

bb) Konsequenz in Bezug auf die Eignung zur Feindbekämpfung

Bezüglich der Auswirkungen von Adressatenmängeln auf die Geeignetheit des


Feindstrafrechts zur Feindbekämpfung ist nunmehr danach zu differenzieren, wer
dem Gesetzeszweck nach Adressat der feindstrafrechtlich ausgestalteten Maßnah-
me ist und wer tatsächlich von der feindstrafrechtliche Merkmale aufweisenden
Maßnahme betroffen wird: Manche Vorschriften richten sich trotz ihrer feindstraf-
rechtlichen Ausgestaltung nach ihrer unmittelbaren Zweckbestimmung überhaupt
nicht an den Feind als Adressaten und ihre tatsächliche Anwendung beschränkt
sich einzig auf den Bürger. In dieser Konstellation ist schon fraglich, ob die Ge-
eignetheit zur Feindbekämpfung überhaupt festgestellt werden kann, denn eben
dieser Zweck soll im Bürgerstrafrecht gar nicht verfolgt werden. Geht man aller-
dings mit Jakobs davon aus, dass es de lege lata bereits zu einer Vermischung
von feindstrafrechtlichem und bürgerstrafrechtlichem Regelungsgehalt gekommen
ist, dann ist konsequenter, wenn auch gesetzgeberisch misslungener Weise der
Zweck der Feindbekämpfung in den bürgerstrafrechtlichen Normen feindstraf-
rechtlicher Prägung mit enthalten. Durch den Rückgriff auf feindstrafrechtliche
Instrumentarien innerhalb einer bürgerstrafrechtlichen Regelung wird der Zweck
der Feindbekämpfung in die bürgerstrafrechtliche Norm transferiert. Allerdings
ist die Geeignetheit zur Feindbekämpfung und damit die Eignung zum Rechtsgü-
terschutz vor Feinden in dem benannten Fall, dass die Strafvorschrift unmittelbar
auf den Bürger abzielt und faktisch auch ausschließlich auf Bürger angewendet
wird, evident zu verneinen. Der Zweck der Feindbekämpfung kann hier offensicht-
lich nicht erreicht werden, da Feinde überhaupt nicht mit dem Regelungsgehalt
in Berührung kommen. In diesem Sinne als vollkommen wirkungslos und dem-
zufolge ungeeignet 1155, Rechtsgüter vor Feinden nach der Definition Jakobs zu
schützen, dürften sich etwa die Gesetze zur Bekämpfung der Umweltkriminali-
tät, die nach Jakobs als Bekämpfungsgesetzgebung feindstrafrechtlich ausgeprägt
sind – darstellen.
Normen mit typisch feindstrafrechtlichem Inhalt, die zwar auch Feinde treffen
können, sich jedoch nach ihrer primären Zweckbestimmung an den Bürger richten
(wie etwa § 30 StGB) sind zwar nach Jakobs überflüssig und daher zu streichen. 1156
Fraglich ist jedoch, ob ihnen auch die generelle Eignung zur Feindbekämpfung
abzusprechen ist. Die Geeignetheit erfordert bekanntlich nur, dass die Vorschriften

1155
Vgl. bereits Fn. 1048.
1156
Jakobs, G.: ZStW 107 (1995), 843 ff., 858; ders.: HRRS 3/2004, 88 ff, 94. Vgl. hier-
zu bereits Kapitel 2 B.V.3.
222 Kap. 3: Zweck- und Verhältnismäßigkeit des Feindstrafrechts

den ihnen obliegenden Zweck fördern. 1157 Davon ausgehend, dass der Zweck
der Feindbekämpfung aufgrund der feindstrafrechtlichen Ausprägung der Norm
jedenfalls mit enthalten ist, muss die Geeignetheit unter dem Gesichtspunkt bejaht
werden, dass die Regelungen partiell zumindest auch Feinde betreffen können,
so dass schließlich faktisch Rechtsgüterschutz vor Feinden bewirkt wird – selbst
wenn dies nicht primär bezweckt ist.
Regelungen, die feindstrafrechtliche Maßnahmen aufweisen, sich in ihrer Ziel-
richtung gegen den Feind richten und diesen auch überwiegend betreffen, wenn-
gleich ihr Wirkkreis auch auf den Bürger ausstrahlt, wie beispielsweise die Überwa-
chung der Telekommunikation oder die Rasterfahndung, sind gleichfalls generell
geeignet, Feinde zu bekämpfen. Für die Geeignetheit genügt es schließlich, dass
der angestrebte Zweck weitgehend erfüllt wird. 1158 Dies ist bereits der Fall, wenn
neben Feinden auch Bürger von einer feindstrafrechtlichen Maßnahme betroffen
sind. So besteht zwar beispielsweise ein gewisses Risiko, durch (präventiv oder
repressiv angewendete) Folter falsche Geständnisse beziehungsweise Aussagen
zu erhalten und dadurch einen Bürger als Feind zu behandeln oder ihn sogar als
solchen zu bestrafen. Dennoch ist die Geeignetheit nicht vollkommen zu negieren,
da zugleich die Möglichkeit besteht, dass derjenige, der der Maßnahme unterwor-
fen wird, tatsächlich Feind ist, dieser in Folge der Folterung gesteht und hierdurch
die eigene Straftat oder etwa Straftaten von feindlichen Komplizen aufgedeckt
oder verhindert werden. Insofern kann die grundsätzliche Eignung zur Feindbe-
kämpfung selbst bei schwerwiegenden feindstrafrechtlichen Eingriffen – ohne an
dieser Stelle Rechtmäßigkeitsüberlegungen einfließen zu lassen – nicht verneint
werden.
Maßnahmen feindstrafrechtlichen Inhalts, deren Zwecksetzung auf die Feind-
bekämpfung abzielt und die ausschließlich Feinde betreffen, dürften faktisch nicht
vorzufinden sein. Ähnlich wie im Bürgerstrafrecht zum Beispiel ein Verdächtiger
zu Unrecht verurteilt werden kann, kann im Feindstrafrecht ein Bürger fälschlich
für einen Feind gehalten werden, mit der Folge, dass Feindstrafrecht auf ihn ange-
wendet wird. Der völlige Ausschluss von Adressatenmängeln kann danach nicht
gewährleistet werden. Gleichwohl widerspricht dieser Umstand nicht der gene-
rellen Geeignetheit, denn andernfalls müsste man auch dem Bürgerstrafrecht die
Eignung zur Strafverfolgung absprechen, da auch hier falsche Verdächtigungen
und Fehlurteile vorkommen können.

1157
Vgl. bereits Fn. 1045.
1158
Siehe Fn. 1044.
B. Die Zweckmäßigkeit des Feindstrafrechts 223

f) Ergebnis zur Geeignetheit in Hinsicht auf die


individuelle Gütersicherheit durch Feindbekämpfung

Nach den oben getroffenen Feststellungen ist das Feindstrafrecht damit grund-
sätzlich geeignet, Rechtsgüter der Bürger zu schützen und in temporärer Hinsicht
insbesondere zukünftige Gütersicherheit herzustellen. Überdies sind die Maßnah-
men, die feindstrafrechtliche Merkmale beinhalten, überwiegend geeignet, auch
die personelle Komponente des individuellen Rechtsgüterschutzes zu erfüllen,
indem sie die Bekämpfung von Feinden ermöglichen. Einzig Normen, die trotz
feindstrafrechtlicher Prägung bürgerstrafrechtliche Zielsetzungen verfolgen und
die ausschließlich den Bürger betreffen, stellen sich als absolut ungeeignet dar. Ei-
ne solche Teiluntauglichkeit führt jedoch – wie bereits angemerkt wurde 1159 – nicht
dazu, von einer generellen Zweckuntauglichkeit auszugehen, so dass die Geeig-
netheit in Hinsicht auf die persönliche Gütersicherheit durch Feindbekämpfung
insgesamt zu bejahen ist.

2. Geeignetheit zur staatlichen Stabilisierung

Fraglich ist weiterhin die Geeignetheit des Feindstrafrechts, den Zweck der
staatlichen Stabilisierung zu fördern. In Betracht kommen nach dem oben Ge-
sagten sowohl eine Stabilisierung durch tatsächliche Effektivität wie auch durch
symbolische Einwirkung feindstrafrechtlicher Maßnahmen.

a) Stabilisierung durch tatsächliche


Effektivität feindstrafrechtlicher Maßnahmen

Das Feindstrafrecht ist geeignet, den Staat zu stabilisieren, wenn durch die
feindstrafrechtlichen Regelungen diejenigen Problemlagen und Krisensituationen,
die den Staat beziehungsweise die staatliche Rechtsordnung existenziell bedrohen,
beseitigt oder wenigstens entschärft werden können. Als kriminelle Problemlagen,
die den Staat in seinem Bestand angreifen, sind vor allem Terrorismus, mafiöse
Strukturen beziehungsweise als Oberbegriff Organisierte Kriminalität (oftmals
im Zusammenhang mit Rauschgiftdelinquenz) oder politische Radikalisierungs-
prozesse wie Rechts- beziehungsweise Linksextremismus zu nennen. Die Täter
in diesen Delinquenzbereichen sind Feinde im Sinne der Jakobsschen Formel,
da sie den Geltungsanspruch der staatlichen Rechtsordnung nicht anerkennen
und somit außerhalb des rechtstreuen Bürgertums stehen. Durch die fehlende
Gesetzesakzeptanz stellen derartige Feinde oder Feindgruppierungen eine Art
Dauergefahr für den gesetzmäßigen Bestand des Staates dar. Das Feindstrafrecht
bezweckt die Schmälerung dieses Gefahrenzustandes, indem durch die Effektivie-

1159
Vgl. schon Fn. 1044.
224 Kap. 3: Zweck- und Verhältnismäßigkeit des Feindstrafrechts

rung der Strafrechtspflege Feinde bekämpft werden, dadurch die Delinquenz in


den feindstrafrechtlichen Bereichen abnimmt und in der Folge die Geltungskraft
der staatlichen Rechtsordnung gewährleistet wird. Insofern müsste die Entstehung
bestimmter Kriminalitätsphänomene unterbunden beziehungsweise jedenfalls die
Fortführung bestehender krimineller Strukturen erschwert oder gar unmöglich ge-
macht werden. Dazu müssten wiederum Feinde vom Regelungsgehalt der entspre-
chenden Norm de lege lata beziehungsweise – soweit politische Forderungen 1160
für die Zukunft ins Auge gefasst werden – von einem entsprechendem Gesetz de
lege ferenda betroffen und hierdurch an (weiteren) Straftaten gehindert werden.
Dass das bereits bestehende Feindstrafrecht insbesondere in Form der Be-
kämpfungsgesetze nach statistischen Quellen keinen vollständigen Rückgang von
Problemlagen wie Organisierter oder Rauschgiftkriminalität bewirkt hat, wurde
bereits dargestellt. Doch zum einen greift hier gleichfalls der Vorwurf des unzurei-
chenden Aussagewerts von Statistiken. 1161 Zum anderen genügt auch im Rahmen
der Überprüfung der Geeignetheit zur staatlichen Stabilisierung die generelle
Eignung, die Bekämpfung von Feinden zumindest zu fördern. Ein vollständiger
Rückgang ist danach nicht erforderlich. Die Geeignetheit ist vielmehr nur zu
verneinen, wenn der Zweck überhaupt nicht erreicht werden kann beziehungs-
weise empirisch gesichert feststeht, dass die legislative Maßnahme vollkommen
wirkungslos ist. 1162 Die empirische Feststellung, dass das Feindstrafrecht staatli-
che wie gesellschaftliche Problemlagen nicht in den Griff bekommt und daher
auch nicht zur staatlichen Stabilisierung beitragen kann, könnte allerdings aus
der Untersuchung Apontes zum kolumbianischen Feindstrafrecht 1163 abgeleitet
werden.

aa) Ineffizienz des kolumbianischen Feindstrafrechts

Das kolumbianische Notstandsstrafrecht und insbesondere das „Statut zur Ver-


teidigung der Justiz“ von 1990, das bis 2000 rechtsgültig war 1164, stellt annähernd
idealtypisches Feindstrafrecht dar: Ordentliches Strafrecht und Notstandsgesetz-
gebung verlaufen zweispurig. Im Notstandsrecht wird materiell die Strafbarkeit
vorverlagert. Prozessual werden die Verfahrensgarantien radikal beschränkt. Ins-
besondere wird der gesamte Strafprozess anonymisiert. Zudem findet eine Auswei-

1160
Zu den konkret geäußerten Vorschlägen vgl. oben die Unterpunkte in Kapitel 2 C.I.
1161
Oben Kapitel 3 B.II.1.d)aa).
1162
Vgl. Fn. 1048.
1163
Zur Ausgestaltung des kolumbianischen Feindstrafrechts nach Aponte siehe bereits
Kapitel 2 D.I.
1164
Das „Statut zur Verteidigung der Justiz“ wurde aufgrund seiner geheimen Struktur
im Jahr 2000 vom kolumbianischen Verfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt,
vgl. Aponte, A.: Krieg und Feindstrafrecht 2002, S. 74., 346 f.
B. Die Zweckmäßigkeit des Feindstrafrechts 225

tung der kriminalpolizeilichen Befugnisse statt. Adressaten der Notstandsgesetze


sind spezielle Täter, die den Bestand des Staates und die Funktionstüchtigkeit
seiner Einrichtungen 1165 bedrohen und die daher bekämpft werden sollen.
Nach Aponte hat das kolumbianische Feindstrafrecht jedoch weder die gesell-
schaftlichen, politischen und rechtlichen Problemlagen behoben, nämlich Korrup-
tion, politischen und Drogenterrorismus beziehungsweise sonstige Formen der
Organisierten Kriminalität, noch die Leistungsfähigkeit des Staatsapparates gestei-
gert. 1166 Statt eine rechtliche Grundlage für die Beseitigung krimineller Strukturen
zu schaffen, verstärkte das Feindstrafrecht die rechtliche Verunsicherung, denn
aufgrund der Massengesetzgebung und zahlreicher Spezialvorschriften war die
Rechtslage unübersichtlich und chaotisch. 1167 Die Einordnung bestimmter Straf-
taten war oftmals zufallsabhängig. Beispielsweise wurde der Strafrahmen der
Körperverletzung erhöht, wenn die Tat terroristischen Zielen diente oder der Täter
einer gesetzlich nicht autorisierten bewaffneten Gruppe angehörte. 1168 Damit wur-
den gesetzgeberisch völlig offene Rechtsbegriffe gewählt, deren Bejahung oder
Verneinung vom Gutdünken der Richter abhing.
Im Ergebnis verkümmerte das Notstandsstrafrecht zum politischen Instru-
ment. 1169 Statt einer realen Bekämpfung von Drogenterrorismus und anderer
Formen Organisierter Kriminalität wurden Sündenböcke konstruiert 1170 und de
facto die Schwachen bestraft – diejenigen, für die die besondere Strafgesetzgebung
an und für sich nicht konzipiert worden war und die keine Schuld an den gesell-
schaftlichen Missständen trugen. 1171 So wurde der Anschein vermittelt, durch die
strafrechtliche Sanktionierung könne eine Stabilisierung des Systems, vor allem
der Justiz bewirkt werden. Realiter fand eine solche Stabilisierung jedoch nicht
statt. Die bürgerkriegsähnlichen Zustände in Kolumbien dauerten fort. Die Anfor-
derungen an das Feindstrafrecht, „Effizienz“ zu gewährleisten, konnten daher – so
Aponte – in Kolumbien gerade nicht erfüllt werden 1172:

1165
In Kolumbien ist aufgrund der hohen Korruptionsrate und der massenhaften Tötun-
gen von Verfahrensbeteiligten, die den Staat vertreten, insbesondere die Leistungsfähigkeit
der Justiz bedroht, vgl. dazu bereits oben Kapitel 2 D.I.2.
1166
Vgl. auch Rezension Schneider, H.: HRRS 5/2005; 178 ff., 179.
1167
Vgl. Aponte, A.: Krieg und Feindstrafrecht 2004, S. 199, 203.
1168
Aponte, A.: Krieg und Feindstrafrecht 2004, S. 118.
1169
Aponte, A.: Krieg und Feindstrafrecht 2004, S. 301, 304.
1170
Aponte, A.: Krieg und Feindstrafrecht 2004, S. 218, 256; vgl. auch ders.: HRRS
8 –9/2006, 288 ff., 303.
1171
Aponte, A.: Krieg und Feindstrafrecht 2004, S. 69, 327, vgl. auch S. 329: Die Be-
schuldigten sind weit davon entfernt, „gefährliche Mitglieder krimineller Vereinigungen zu
sein. In den meisten Fällen gehören diese Menschen, seien sie nun an den vorgeworfenen
Straftaten beteiligt oder nicht, zu den ärmeren Schichten, haben keine Ausbildung und
leben in ungesicherten sozialen und wirtschaftlichen Verhältnissen. [...] Die Notstandsge-
setzgebung wurde eingeführt, um Terroristen zu bekämpfen, und in Wirklichkeit wurden
diejenigen bestraft, die keine Terroristen sind.“
226 Kap. 3: Zweck- und Verhältnismäßigkeit des Feindstrafrechts

„Nicht ein einziges ernsthaftes Problem, das Kolumbien hat, ist durch die Anwendung
des Feindstrafrechts gelöst oder auch nur verbessert worden. Weder dem Drogenhandel,
noch den Entführungen, die in Kolumbien ein wirklich großes Problem sind, weder
dem Terrorismus, noch der organisierten Kriminalität konnte von diesem autoritären
Strafrechtsmodell irgend etwas entgegengesetzt werden. Man kann im Gegenteil ganz
klar aufgrund der tatsächlichen Erfahrungen sagen, dass die durch diese Verbrechen
aufgeworfenen Probleme durch das Feindstrafrecht noch verschärft worden sind.“ 1173

bb) Übertragbarkeit auf die generelle Geeignetheit zur Stabilisierung

Fraglich ist, ob die empirische Untersuchung Apontes über die Ineffizienz der
kolumbianischen Notstandsgesetze, die sich überwiegend an besagten „Statut zur
Verteidigung der Justiz“ orientiert, sich allgemein auf das Feindstrafrecht übertra-
gen lässt. Wäre dies der Fall, bestünde eine empirisch gesicherte Aussage über
die Wirkweise des Feindstrafrechts. Das Untersuchungsergebnis Apontes, dass
sich die kolumbianische, feindstrafrechtliche Notstandsgesetzgebung in der Praxis
nicht bewährt hat und staatliche Problemlagen durch die Sondergesetzgebung nicht
behoben werden konnten, wäre allgemein verbindlich. Entsprechend muss dann
das Gesamtkonstrukt des Feindstrafrechts mit Fug und Recht als vollkommen wir-
kungslos und damit ungeeignet bezeichnet werden, den Staat durch tatsächliche
Konfliktlösung zu stabilisieren.
Für die Allgemeingültigkeit der Ineffzienzfeststellungen Apontes in Bezug auf
staatliche Stabilisation spricht etwa, dass teilweise parallele Argumentationsmus-
ter gegen feindstrafrechtliche Instrumentarien vorgebracht werden. Beispielsweise
wird eingeworfen 1174, dass die deutschen Gesetze zur Bekämpfung der Organisier-
ten Kriminalität nicht geeignet sind, das Phänomen der Organisierten Krimina-
lität zu bewältigen. Danach erfassen die Bekämpfungsgesetze lediglich einzelne
Tatverdächtige, die im Hintergrund agierenden Drahtzieher entgingen dagegen
regelmäßig der Bestrafung. Ferner könne mit polizeilich-justiziellen Mitteln nicht
die Nachfrage nach illegalen Gütern wie Drogen oder Waffen beseitigt werden, so
dass die Gefährdungslage trotz der Bekämpfungsgesetzgebung bestehen bliebe.
Dennoch bestehen Zweifel an der Allgemeingültigkeit des bei Aponte gefun-
denen Ergebnisses zur Ineffizienz des kolumbianischen Feindstrafrechts in Form
der „geheimen Justiz“. Aponte führt die Ineffizienz auch auf den Umstand zu-
rück, dass das kolumbianische Feindstrafrecht gar nicht Feinde, sondern Bürger
treffe. 1175 Bereits diese Feststellung kann etwa für das deutsche Strafrecht, soweit

1172
Vgl. auch Rezension Schneider, H.: HRRS 5/2005; 178 ff., 179.
1173
Aponte, A.: HRRS 8 –9/2006, 297 ff., 298. ähnlich auch ders. in: Uwer, T. (Hrsg.):
Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 131 ff., 161.
1174
Weßlau, E.: KritV 1997238 ff., 247.
1175
Vgl. Aponte, A.: Krieg und Feindstrafrecht 2004, S. 69, 327, 329.
B. Die Zweckmäßigkeit des Feindstrafrechts 227

es eine feindstrafrechtliche Ausgestaltung erfahren hat oder noch weiter erfahren


könnte, nicht uneingeschränkt übernommen werden. Zwar wurde bereits mehr-
fach darauf hingewiesen, dass auch Bürger in den Anwendungs- und Wirkbereich
feindstrafrechtlicher Regelungsmaterie fallen (können) 1176, dennoch stellt sich die
Situation in Deutschland – wie vermutlich auch in anderen Staaten, die über ten-
denziell feindstrafrechtliche Rechtsetzung verfügen 1177 – nicht so dar, dass faktisch
überhaupt keine Feinde im Sinne Jakobs betroffen werden. Bereits die Tatsche,
dass das kolumbianische Feindstrafrecht offensichtlich eine enorme Adressaten-
treffunsicherheit aufweist, die anhand anderer feindstrafrechtlich durchzogenen
Rechtsordnungen so nicht nachvollzogen werden kann, spricht dagegen, die Inef-
fizienz des Feindstrafrechts zur staatlichen Stabilisierung zum allgemeingültigen
Dogma zu erklären.
Weiterhin – und dies mag die hohe Treffunsicherheit der Adressaten mitbe-
dingen – ist die Ausgangssituation des kolumbianischen Staates hinreichend zu
berücksichtigen. In Kolumbien herrschen bürgerkriegsähnliche Zustände, Korrup-
tion und Armut, die den eigenen Staat bedrohen. Teile des Landes wurden und
werden von verschiedenen politisch und kriminell motivierten Rebellengruppen
kontrolliert. Die kriminellen Strukturen sind stark ausgebildet, der Zerfall des
staatlichen Systems – trotz Besserungen in jüngster Zeit – weit fortgeschritten. Ist
aber die Unterwanderung der Gerichtsbarkeit bereits so massiv ausgeprägt, ist es
von vorneherein unwahrscheinlich, dass eine „geheime Justiz“ sich als tragfähig
erweist. Vielmehr dürften Manipulationen und Korruption an der Tagesordnung
gestanden haben. 1178 Justiz, Militär, Politik und Volk erscheinen in der kolumbia-
nischen Konfliktsituation als Beteiligte auf allen Seiten. Dadurch ist es möglich,
Feinde zu relativieren; einen absoluten Feind gibt es dann nicht, der zielsicher
bekämpft werden kann. Dagegen dürfte etwa Ausgangspunkt eines europäischen
Feindstrafrechts, soweit es vorhanden ist, in einem breiten Konsens über bestimm-
te Wert und Systemvorstellungen liegen, so dass derjenige, der sich von diesem
Konsens entfernt, als absoluter Feind behandelt werden kann. 1179 Zudem folgt eine
kolumbianische Notstandsverordnung der anderen; die Rechtslage ist kaum zu
überblicken. Insofern ist – so Aponte – nicht die Todesstrafe, die Verhängung von
langen Haftstrafen oder die Schaffung prozessrechtlicher oder materieller Not-
standsstrafrechtsfiguren das größte Problem, „sondern die richtige Anwendung
der bereits vorhandenen Normen“. 1180 Kann die Ineffizienz jedoch auf konkrete
Umstände zurückgeführt werden, die dem Feindstrafrecht nicht direkt anhaften,

1176
Siehe hierzu Kapitel 2 B.V.2. und Kapitel 3 B.II.1.e)aa).
1177
Siehe oben Kapitel 2 D.
1178
Vgl. dazu auch Aponte, A.: Krieg und Feindstrafrecht 2002, S. 283; ders.: HRRS
8 –9/2006, 288 ff., 302.
1179
Zu dieser Sichtweise und zu absoluten und relativen Feinden vgl. Aponte, A.: HRRS
8 –9/2006, 288 ff., 298, 300, insbesondere Fn. 2.
1180
Aponte, A.: Krieg und Feindstrafrecht 2002, S. 330.
228 Kap. 3: Zweck- und Verhältnismäßigkeit des Feindstrafrechts

wie eben inkonsequente Bestrafung, fehlerhafte Umsetzung und Anwendung des


Feindstrafrechts, dann kann das Untersuchungsergebnis keine Allgemeingültigkeit
beanspruchen. Ist die Geeignetheit nämlich von beeinfluss- und veränderbaren
Variablen abhängig, kann nicht von einer gesicherten empirischen Erkenntnis die
Rede sein.
Die Unübertragbarkeit der Ineffizienz der „Justiz ohne Gesicht“ legt auch der
Umstand nahe, dass andere tendenziell feindstrafrechtliche Notstandsgesetze in
Kolumbien durchaus Erfolge im Kampf gegen Dogenkriminalität, Paramilitär
und Guerilla erzielen, wie etwa die 2003 erlassenen Anti-Terror-Gesetze 1181, die
Polizeibefugnisse auf das Militär übertragen und Festnahmen und Hausdurchsu-
chungen ohne richterlichen Beschluss, die Überwachung der Telekommunikation
oder Bruch des Postgeheimnisses erlauben. 1182 Insofern lassen sich die Worte des
Kriminologen Sebastian Scheerer zur amerikanischen (feindstrafrechtlich ausge-
prägten 1183) Terrorismusbekämpfung wohl auf das kolumbianische Feindstrafrecht
übertragen:
„... aus der Tatsache, dass der Kampf bislang wenig kompetent oder jedenfalls un-
glücklich und im Ergebnis auf jeden Fall erfolglos geführt worden war (um es milde
auszudrücken), schließt man allerdings etwas voreilig, dass nie klappen könne, was so
lange nicht funktioniert habe. Das ist aber nicht zwingend so.“ 1184
Das Feindstrafrecht ist damit nicht bewiesenermaßen ungeeignet, den Staat zu
stabilisieren, so dass es bei dem weiten Ermessensspielraum des Gesetzgebers hin-
sichtlich der Eignung von Maßnahmen bleibt und es ausreicht, dass hypothetisch
Kausalität 1185 zwischen der Maßnahme und dem mit ihr verfolgten Ziel besteht.

cc) Historischer Nachweis der potentiellen


Geeignetheit zur Stabilisierung

Ebenso wie die Geeignetheit bei empirisch gesicherter Wirkungslosigkeit wi-


derlegt werden kann, kann durch den Rückgriff auf reale Erfahrungswerte auch
der empirische Nachweis erbracht werden, dass der für die Geeignetheit erforder-
liche Wirkungszusammenhang besteht. Der Versuch eines solchen Nachweises
könnte etwa am Beispiel des Dritten Reichs (1933 –1945) im deutschen Natio-
nalsozialismus unternommen werden. Dies hätte allerdings den Nachteil, dass
der andauernde Kriegs- oder zumindest kriegsvorbereitende Zustand des Drit-

1181
Allerdings wurden die Anti-Terror-Gesetze bereits im August 2005 vom Obersten
Gerichtshof wegen eines Verfahrensfehlers für verfassungswidrig erklärt (Fischer Weltal-
manach 2006, S. 272).
1182
Vgl. Fischer Weltalmanach 2005, S. 255 f.; Fischer Weltalmanach 2006, S. 271 f.
1183
Siehe hierzu Kapitel 2 D.
1184
Scheerer, S.: Die Zukunft des Terrorismus 2002, S. 83.
1185
Vgl. etwa Lagodny, O.: Strafrecht vor den Schranken der Grundrechte 1996, S. 172.
B. Die Zweckmäßigkeit des Feindstrafrechts 229

ten Reiches zu berücksichtigen wäre. Insofern werden die Untersuchungen zu


den feindstrafrechtlichen Methoden im Nationalsozialismus für später vorbehal-
ten 1186 und stattdessen wird nachfolgend auf das SED-Regime der Deutschen
Demokratischen Republik Bezug genommen, das sich in der Vergangenheit feind-
strafrechtlicher Regelungen zum Zwecke des Staatsschutzes im weitesten Sinne
bedient hat und mit deren Hilfe das staatliche System auch tatsächlich – sogar
an zeitlicher Dauer das Dritte Reich weit übertreffend – gefestigt wurde. Um die
Untersuchung nicht unnötig in die Länge zu ziehen, wird allerdings vorliegend
nur ein kleiner Ausschnitt der SED-Strafpolitik behandelt, wobei das Hauptau-
genmerk auf dem DDR-Strafrecht nach dem Mauerbau (1961) liegt. Dabei soll
erneut ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass an dieser Stelle noch keine
rechtsstaatliche 1187 beziehungsweise verfassungsrechtliche Würdigung erfolgt.

(1) Feindstrafrecht in der Deutschen Demokratischen Republik


Die Präambel des Strafgesetzbuchs der Deutschen Demokratischen Republik
(DDR-StGB) vom 12. 1. 1968 1188 nennt als Zweck des systematischen Ausbaus
„des sozialistischen Rechts als Instrument der staatlichen Leitung der Gesell-
schaft“ unter anderem den Schutz „unserer Ordnung gegen die Anschläge ihrer
Feinde wie gegen jegliche kriminelle Handlungen“. Wie im Jakobsschen Modell
des Feindstrafrechts differenziert das Strafrecht der DDR folglich zwischen zwei
Kategorien krimineller Handlungen, nämlich Straftaten, die durch Feinde verübt
werden, und sonstigen Straftaten. Der Feind wird dabei zwar in direkten Gegen-
satz zum staatlichen System der DDR gesetzt, eine inhaltliche Konkretisierung
unterbleibt jedoch. Allerdings lässt bereits der nachfolgende Absatz der Präambel
Rückschlüsse auf eine Annäherung an den Feindbegriff zu:
„Das sozialistische Strafgesetzbuch [...] dient im besonderen dem entschiedenen Kampf
gegen die verbrecherischen Anschläge auf den Frieden und die Deutsche Demokratische
Republik, die vom westdeutschen Imperialismus und seinen Verbündeten ausgehen und
die Lebensgrundlagen unseres Volkes bedrohen. Es dient zugleich dem Kampf geben
Straftaten, die aus dem Fortwirken der Überreste der kapitalistischen Zeit erwachsen
und durch feindliche Einflüsse und moralische Verfallserscheinungen aus den impe-
rialistischen Staaten genährt werden. Damit gewährleistet das sozialistische Strafrecht
den wirksamen Schutz der sozialistischen Staats- und Gesellschaftsordnung und der
sozialistischen Gesetzlichkeit.“
Das DDR-Strafrecht bezweckt nicht nur Rechtsgüterschutz, sondern grundsätz-
lich auch die Aufrechterhaltung und ständige Weiterentwicklung der staatlichen
Ordnung. 1189 Gerade für diesen Fall, dass das sozialistische System durch delikti-

1186
Siehe hierzu Kapitel 3 C.I.1.a)aa).
1187
Zur Frage, ob und in welchem Sinne die DDR ein Rechtsstaat war, vgl. etwa Krauß,
D.: KritV 1993, 183 ff., 186.
1188
Abrufbar unter: www.verfassungen.de.
230 Kap. 3: Zweck- und Verhältnismäßigkeit des Feindstrafrechts

sches Verhalten bedroht wird, wird die legislative Sprache schärfer („Anschläge“,
„Kampf“). Der Feind („feindliche Einflüsse“) wird in Zusammenhang gebracht
mit Kapitalisten, moralischem Verfall und Imperialisten. Es liegt daher nahe, vor
allem politische Gegner beziehungsweise Staatsfeinde unter den Feindbegriff des
DDR-StGB zu subsumieren und entsprechend werden etwa die §§ 105 –107 DDR-
StGB als „Staatsfeindlicher Menschenhandel“ 1190, „Staatsfeindliche Hetze“ und
„Staatsfeindliche Gruppenbildung“ überschrieben. Der Feind weist insofern eine
besondere Gesellschaftsgefährlichkeit auf, ignoriert also die staatliche Ordnung
beziehungsweise wendet sich sogar aktiv gegen sie und muss daher bekämpft
werden.
Die Parallelen zu den Ausführungen Jakobs sind offensichtlich und es dürfte
daher nicht verwundern, dass die Feinde im DDR-StGB mit Mitteln bekämpft
werden, die Jakobs dem Feindstrafrecht zuordnet. Dies zeigt sich neben der
kriegerisch anmutenden Sprache, die im Zusammenhang mit politischen De-
likten zum Schutze des Staates gebraucht wird 1191 und die daher der heutigen
Bekämpfungsgesetzgebung nahe kommen dürfte, vor allem an den materiellen
Vorverlagerungen, insbesondere den so genannten Unternehmensverbrechen und
unter Strafe gestellten Vorbereitungsdelikten, die weit über das Maß unseres
heutigen Strafgesetzbuches (vgl. etwa §§ 81 ff. StGB) hinausgehen. Die Unter-
nehmensverbrechen belegen nicht ein konkretes Verhalten, sondern abstrakt das
„Unternehmen“ an sich mit Strafe. Unternehmen meint gemäß der Legaldefinition
in § 94 DDR-StGB „jede auf die Verwirklichung eines Verbrechens gerichtete
Tätigkeit“. Damit ist die Vollendung unabhängig vom jeweiligen Stadium, in dem
sich Tat befindet. 1192 Unternehmensverbrechen („wer es unternimmt“) sind etwa
die Vorbereitung und Durchführung von Aggressionsakten nach § 86 DDR-StGB,
der Hochverrat gemäß § 96 DDR-StGB oder die Terrordelikte nach §§ 101 ff. 1193
DDR-StGB. Begründet wird die Vor- und Umfeldkriminalisierung damit, dass
die Tatbestände schwere imperialistische Verbrechen gegen die Souveränität und
Existenz der DDR darstellen:
„Derartige Straftaten müssen zu einem frühstmöglichen Zeitpunkt aufgedeckt und die
Beteiligten nachdrücklich zur Verantwortung gezogen werden. Es ist ein typisches Merk-
mal von Aggressionsakten, deren Vorbereitung und Durchführung, daß mehrere Täter

1189
Speck, J.: Die Rechtsstellung des Beschuldigten im Strafverfahrensrecht der DDR
1990, S. 10 ff.
1190
Hierunter fällt etwa auch die Fluchthilfe.
1191
Vgl. bereits die Polemik im Einleitungssatz der Präambel des Gesetzes zum Schutze
des Friedens vom 15. 12. 1950: „Die aggressive Politik der imperialistischen Regierungen
der USA, Großbritanniens und Frankreichs, die auf ein neues Weltgemetzel hinzielt, droht
das deutsche Volk in einen mörderischen Bruderkrieg zu verstricken ...“ (vgl. auch Fricke,
K. W.: Politik und Justiz in der DDR 1979, S. 197).
1192
Lekschas, J. (Hrsg.): Strafrecht der DDR 1988, S. 187.
1193
Umfasst sind hiervon auch die bereits benannten §§ 105 –107 DDR-StGB.
B. Die Zweckmäßigkeit des Feindstrafrechts 231

oder gar ein verzweigtes Netz von Organisationen daran beteiligt sind und dass solche
Verbrechen ‚in Arbeitsteilung‘, Schritten und Etappen verwirklicht werden, so dass es
erforderlich wird, sie in einem weiten Tatbestand, eben dem Unternehmenstatbestand,
gesetzlich zu erfassen.“ 1194
Neben den Unternehmensverbrechen wird in bestimmten Fällen auch die Vorbe-
reitung, also das Schaffen von Voraussetzungen oder Bedingungen für die Ausfüh-
rung der geplanten Straftat, ohne mit der Ausführung zu beginnen (Legaldefinition
des § 21 Abs. 2 DDR-StGB), bestraft. Vorbereitungsstrafbarkeit besteht etwa bei
staatsfeindlicher Hetze nach § 106 DDR-StGB und ungesetzlichem Grenzüber-
tritt gemäß § 213 DDR-StGB. Beide Vorschriften oder beispielsweise auch die
Öffentliche Herabwürdigung gemäß § 220 DDR-StGB oder die Gefährdung der
öffentlichen Ordnung durch asoziales Verhalten nach § 249 DDR-StGB pönalisie-
ren ein aus heutiger Sicht größtenteils sozialadäquates, nämlich von Handlungs-,
Ausreise- und Meinungsfreiheit gedecktes Verhalten.
Die Gesellschaftsgefährlichkeit des Feindes wird weiterhin in der Deliktszu-
ordnung und damit auch im Strafmaß berücksichtigt. Gesellschaftsgefährliche
Straftaten sind nämlich nach der Unterteilung des § 1 Abs. 3 DDR-StGB Verbre-
chen 1195 – Vergehen sind dagegen nach Abs. 2 nur „gesellschaftswidrig“. Das
Strafmaß für (einfache) Vergehen beträgt bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe (§ 1
Abs. 2 DDR-StGB), während die Mindestfreiheitsstrafe für Verbrechen bei zwei
Jahren erst beginnt (§ 1 Abs. 3 DDR-StGB). Da Verbrechen wiederum mit der
Gesellschaftsgefährlichkeit gekoppelt sind, trifft den Feind regelmäßig die hö-
here Verbrechensstrafe. Insgesamt legt das DDR-StGB von 1968 – verglichen
mit den bis dahin geltenden Strafnormen – höhere, teilweise sogar doppelt so
hohe Mindeststrafen für politische Delikte vor. 1196 Darüber hinaus ist im Rahmen
einiger Staatsschutzdelikte in besonders schweren Fällen – trotz weiter Vorverlage-
rung – die Verhängung der Todesstrafe zulässig, wie etwa bei der Vorbereitung und
Durchführung von Aggressionsakten und dem Hochverrat gemäß §§ 86 Abs. 2, 96
Abs. 2 i.V. m. § 60 Abs. 1 DDR-StGB.
Gegenüber dem Feind darf danach – nach der Spruchart Jakobs – das zur
Verhinderung von Wiederholungen Zweckmäßige veranlasst werden – und sei
es dessen Tötung. Dies setzt sich auf prozessualer Ebene fort, etwa dass das
Verfahren gegen politische Straftäter beim Staatssicherheitsdienst geführt wur-

1194
Lekschas, J. (Hrsg.): Strafrecht der DDR 1988, S. 187.
1195
Verbrechen sind nach Abs. 3 „gesellschaftsgefährliche Angriffe gegen die Souve-
ränität der Deutschen Demokratischen Republik, den Frieden, die Menschlichkeit und die
Menschenrechte, Kriegsverbrechen, Straftaten gegen die Deutsche Demokratische Repu-
blik sowie vorsätzlich begangene Straftaten gegen das Leben. Verbrechen sind auch andere
vorsätzlich begangene gesellschaftsgefährliche Straftaten gegen die Rechte und Interessen
der Bürger, das sozialistische Eigentum oder andere Rechte und Interessen der Gesellschaft,
die eine schwerwiegende Mißachtung der sozialistischen Gesetzlichkeit darstellen“.
1196
Fricke, K. W.: Politik und Justiz in der DDR 1979, S. 555.
232 Kap. 3: Zweck- und Verhältnismäßigkeit des Feindstrafrechts

den, wo das Recht auf einen Verteidiger nach § 61 DDR-StPO nicht realisiert
wurde. Gleichfalls kam dem Beschuldigten keine Schutznorm gegen Geständnis-
erpressung zu gute. 1197 Dass darüber hinaus auch der der Staatssicherheitsdienst
aufgrund seiner allgegenwärtigen Überwachungs- und Kontrolltätigkeit 1198 ein
feindstrafrechtliches Instrumentarium darstellt, liegt auf der Hand.

(2) Bewirkte Stabilisierung


Die weiten Vorverlagerungen und Anwendungsmöglichkeiten (sog. Gummipa-
ragraphen, unter die vor allem auch das Rowdytum nach §§ 215 f. DDR-StGB
fällt) der Strafnormen führten dazu, faktisch jeden bestrafen zu können, der sich
einer oppositionellen oder regimefeindlichen Grundgesinnung verdächtig machte,
ohne dass es irgendeiner manifesten Außenwirkung bedurft hätte. Durch harte
Strafen bis hin zur Todesstrafe, die bis 1981 praktiziert und erst 1987 abgeschafft
wurde, Massenverurteilungen, geheime und Schauprozesse sowie eine mächtige
Geheimpolizei mit weitreichenden Befugnissen 1199 wurden politische Gegner so
effektiv aus dem Verkehr gezogen, dass die das SED-Regime auf große Straflager
und Säuberungen nach stalinistischem Vorbild weitgehend verzichten konnte 1200,
um die staatliche Macht aufrecht zu erhalten und zu intensivieren. 1201 An diesem
Ergebnis ändert auch die Tatsache nichts, dass nicht alle politisch Verfolgten
tatsächliche Staatsabtrünnige waren, die den Bestand des Staates oder seine Ein-
richtungen ernsthaft hätten gefährden können. Solche Opfer mögen im Sinne des
DDR-Regimes einen verschmerzbaren Kollateralschaden 1202 dargestellt haben, der
für den Staatserhalt in Kauf zu nehmen war. Dass die Deutsche Demokratische
Republik trotz des Diktaturcharakters ihres Regimes immerhin von ihrer Grün-
dung am 7. 10. 1949 bis hin zur Wiedervereinigung 1990 um die vierzig Jahre
Bestand hatte, ist insofern auch auf die politischen Verfolgungen im Rahmen der
Strafjustiz zurückzuführen.
Mithin ist anhand des Strafrechts der DDR nachgezeichnet worden, wie durch
die Bekämpfung von Außenseitern des Systems und damit von Feinden ein
bestimmter Kriminalitätsbereich, den der Staat als problematisch definiert hat (hier
die politische Delinquenz), eingedämmt wurde. Dies sicherte den Machterhalt der
SED und bewirkte in der Folge die langfristige Stabilisierung des Staates in seiner
entsprechenden Gestalt.

1197
Fricke, K. W.: Politik und Justiz in der DDR 1979, S. 556.
1198
Vgl. etwa auch Albrecht, P.-A.: Die vergessene Freiheit 2003, S. 38.
1199
Vgl. Fricke, K. W.: Politik und Justiz in der DDR 1979, S. 205.
1200
Rüthers, B. in: Anwalt ohne Recht 2004, S. 95 ff., 102.
1201
Vgl. auch Albrecht, P.-A.: Die vergessene Freiheit 2003, S. 38.
1202
Als solcher Kollateralschaden stellt sich etwa der Fall der vermeintlichen KZ-
Wächterin Erna Dorn dar, die 1953 zum Tode verurteilt wurde (siehe hierzu Werkentin, F.:
Recht und Justiz im SED-Staat 2000, S. 30 ff.).
B. Die Zweckmäßigkeit des Feindstrafrechts 233

dd) Ergebnis zur Geeignetheit des Feindstrafrechts zur


Stabilisierung des Staates durch tatsächliche Effektivität

Anhand des DDR-Strafrechts wurde aufgezeigt, dass ein Ursachenzusammen-


hang zwischen staatlich umgesetztem Feindstrafrecht und tatsächlich eintretender,
sogar langfristiger staatlicher Stabilisierung bestehen kann, der sich etwa auch
an Beispielen wie dem Stalinismus (Moskauer Prozesse, Stalinistische Säuberun-
gen) oder der kommunistischen Herrschaft Maos über China nachweisen ließe.
Der strafrechtlichen Bekämpfung von Feinden durch materielle Vorverlagerun-
gen, höhere Strafen, eingeschränkte Prozessrechte und Bekämpfungsgesetzgebung
wohnt demzufolge ein tatsächliches Stabilisierungspotenzial inne. Danach besteht
der für die Geeignetheit erforderliche (hypothetische) Zusammenhang zwischen
Feindstrafrecht und tatsächlicher, staatlicher Stabilisation.

b) Stabilisierung durch Symbolwirkung


feindstrafrechtlicher Maßnahmen

Über die Stabilisierung durch tatsächliche Bekämpfung staatlicher Problemla-


gen hinaus, könnte das Feindstrafrecht auch geeignet sein, den Staat auf andere
Weise, nämlich durch seine Symbolwirkung zu stabilisieren. Die Frage nach der
Geeignetheit zur Stabilisierung durch Symbolik ist dabei besonders in Bezug
auf die moderne Bekämpfungsgesetzgebung von Interesse, da bereits festgestellt
wurde, dass die Bekämpfungsgesetzgebung an sich nur ein Maßnahmenbündel
darstellt, aus der die generelle Eignung zur Herstellung von Gütersicherheit re-
sultiert. 1203 Dennoch hat Jakobs die Bekämpfungsgesetzgebung als eigenes feind-
strafrechtliches Merkmal interpretiert, so dass die Vermutung nahe liegt, die
Terminologie des Bekämpfungsrechts eigne sich noch zu einem anderen Zweck
als der tatsächlichen Feindbekämpfung, nämlich einem symbolisch Zweck. Dieser
Gedanke gewinnt vor dem Hintergrund noch an Substanz, dass die präventiven
Bekämpfungsgesetze vor allem in der Literatur 1204 zunehmend als so genannte
symbolische Gesetzgebung bezeichnet werden. Die symbolische Gesetzgebung
„gebiert“ nach Cancio Meliá – im Zusammenwirken mit punitivistischen Tenden-
zen – wiederum das Feindstrafrecht. 1205

1203
Siehe Kapitel 3 B.II.1.d)cc).
1204
Vgl. etwa Cancio Meliá, M.: ZStW 117 (2005), 267 ff., 270 f., 275 f.; Frankenberg,
G. in: Beestermöller, G. / Brunkhorst, H. (Hrsg.): Rückkehr der Folter 2006, S. 55 ff., 57;
Frehsee, D. in: Frehsee, D. u. a. (Hrsg.): Konstruktion der Wirklichkeit durch Strafe 1997,
S. 14 ff., 19 f.; Haffke, B.: KritV 1991, 165 ff.; Hassemer, W.: NStZ 1989, 553 ff.; Prittwitz,
C.: Strafrecht und Risiko 1993, S. 237 ff., 253 ff.; Sánchez Lázaro, F. G.: ZIS 2008, 195 ff.,
202 ff.; Scheerer, S.: KrimJ 1978, 223 ff., 223; Sieber, U.: ZStW 2007, 1 ff., 16 f.; Steinert,
H. in: Frehsee, D. u. a. (Hrsg.): Konstruktion der Wirklichkeit durch Strafe 1997, S. 101 ff.;
Voß, M.: Symbolische Gesetzgebung 1989.
234 Kap. 3: Zweck- und Verhältnismäßigkeit des Feindstrafrechts

Strafgesetze werden als symbolisch bezeichnet, wenn sie primär anders wirken
oder einen anderen Personenkreis ansprechen, als sie vorgeben, insbesondere
ihre Wirkungsoptimalität fraglich ist oder sie primär beruhigend auf die Allge-
meinheit wirken sollen. 1206 Die symbolischen Wirkweisen, deren Vorhandensein
jedenfalls nicht zwingend fehlende Wirkungsoptimalität bedingt 1207, sind jedoch
nicht abschließend. 1208 Daher kann hier ein nur ein kleiner Ausblick gewährt wer-
den, welche symbolischen Zwecke das Feindstrafrecht – und insofern vor allem
die entsprechende Bekämpfungsgesetzgebung – generell erfüllen kann. Deren
abstrakte Eignung zur staatlichen Stabilisation bestimmt sich wiederum danach,
ob ein hypothetischer Ursachenzusammenhang zwischen den Symbolfunktionen
(Abgrenzungs- 1209, Vereinfachungs-, Publizitäts- und Sicherheitsfiktionsfunkti-
on 1210) und der staatlichen Stabilisierung glaubhaft gemacht werden kann, wobei
bloße Mitursächlichkeit genügt.

aa) Staatliche Stabilisation infolge der


Abgrenzungsfunktion des Feindstrafrechts

Bereits dem „normalen“ Strafrecht – nach Jakobs Bürgerstrafrecht – kommt


eine Abgrenzungsfunktion zu, die sich daraus ergibt, dass das Strafrecht einen
gesellschaftlichen Kommunikationsakt über ein bestimmtes Werteverständnis dar-
stellt. 1211 Denn Verbotsnormen basieren auf gesellschaftlich anerkannten, grund-

1205
Cancio Meliá, M.: ZStW 117 (2005), 267 ff., 281. Vgl. auch Lautmann, R. / Klimke,
D.: KrimJ 2004, 8. Beiheft, 9 ff., 15. Zum Zusammenhang von symbolischer Gesetzgebung
und Feindstrafrecht siehe zudem Demetrio Crespo, E.: ZIS 2006, 413 ff., 421.
1206
Seelmann, K.: KritV 1992, 452 ff., 461. Vgl. auch Baratta, A. in: Arthur Kaufmann-
FS 1993, S. 393 ff., 413; Hassemer, W.: NStZ 1989, 553 ff., 556; ders.: KritV 1990, 260 ff.,
274; Roxin, C.: Strafrecht AT 2006, § 2 Rn. 37; Voß, M.: Symbolische Gesetzgebung 1989,
S. 39.
1207
Vgl. etwa Cancio Meliá, M.: ZStW 117 (2005), 267 ff., 275. Im Übrigen beruht
schließlich der allgemein anerkannte Strafzweck der positiven Generalprävention auf einer
symbolischen Wirkung, nämlich der Einwirkung auf das allgemeine Rechtsbewusstsein
(Roxin, C.: Strafrecht AT, § 2 Rn. 38; vgl. auch Baratta, A. in: Arthur Kaufmann-FS 1993,
S. 393 ff., 412). Es wäre daher schon aus diesem Grunde verfehlt, jeder Strafnorm mit
Symbolgehalt fehlende Wirkungsoptimalität zu unterstellen.
1208
Zu dem Versuch einer Differenzierung der Erscheinungsformen symbolischer Ge-
setzgebung vgl. etwa Voß, M.: Symbolische Gesetzgebung 1989, S. 25 ff.; vgl. ferner
Steinert, H. in: Frehsee, D. u. a. (Hrsg.): Konstruktion der Wirklichkeit durch Strafe 1997,
S. 101 ff., 104 ff.
1209
Ob dem Feindstrafrecht darüber hinaus eine Ausgrenzungsfunktion zu eigen ist, ist
dagegen an dieser Stelle noch nicht von Belang, da die bloße Kenntlichmachung bezie-
hungsweise Abgrenzung von Bürger und Feind zur Sensibilisierung und zur Stärkung des
Sicherheitsgefühls im obigen Sinne ausreicht. Die Exklusionswirkung des Feindstrafrechts
ist vielmehr erst im Rahmen der Untersuchungen zu Art. 1 GG von Interesse [vgl. Kapitel
3 C.I.1.a)].
1210
Vgl. bereits Kapitel 3 B.I.2.b).
B. Die Zweckmäßigkeit des Feindstrafrechts 235

legenden Verhaltensmustern und reflektieren insofern das Selbstverständnis von


Staat und Gesellschaft. Indem durch Strafrecht im Rahmen dieses Selbstverständ-
nisses gesetzlich festgelegt wird, wer Täter und wer Nicht-Täter ist, bildet das
Strafrecht zugleich die Grundlage für einen Definitionsprozess. Einem Bürger,
der dem in den Strafnormen zum Ausdruck kommenden Werteverständnis zuwi-
derhandelt, wird nämlich die Eigenschaft als Täter zugeordnet. Dadurch wird er
zugleich von den übrigen Gesellschaftsmitgliedern (= Nicht-Täter) abgegrenzt.
Dementsprechend wird das Strafrecht als Richtlinie für kollektive Identität durch
gesellschaftliche Abgrenzung verstanden: Der Nicht-Täter wird über das gesell-
schaftliche, in der entsprechenden Strafnorm reflektierte Werteverständnis als „So
bin ich nicht.“ vom Täter abgegrenzt. 1212
Ähnlich wie nun das Strafrecht Personen zu Tätern stilisiert 1213 und sie dadurch
von den übrigen Gesellschaftsmitgliedern, den Nicht-Tätern, abgrenzt, werden
durch das Feindstrafrecht bestimmte Tätertypen zu Feinden deklariert, die wieder-
um von den Bürgern (= Nicht-Täter und Täter) abgegrenzt werden. Mithin stellt
auch Feindstrafrecht eine Kriminalisierung als Mittel zur gesellschaftlichen Iden-
titätsstiftung dar. 1214 Der Strafgesetzgebungsprozess wirkt insofern nach außen,
dass der Gesellschaft eine bestimmte Einstellung zu spezifischen Kriminalitäts-
feldern und damit ein eigenes Selbstverständnis vermittelt wird. 1215 So ist etwa
„Terrorismus“ ein Negativ-Symbol 1216, dessen sich der Strafgesetzgeber in §§ 129a
und b StGB bedient, um härter eingreifen zu können. Durch die Schaffung der-
artiger Vorverlagerungsnormen unter hoher Strafandrohung wird zum Ausdruck
gebracht, dass der Terrorist ein besonders gefährlicher Täter ist, der entschie-
den bekämpft werden muss. Im gesetzgeberischen Kontext und gegenwärtigen
Sicherheitsdiskurs wird der Terrorist nicht mehr nur als Straftäter, sondern als
gemeingefährlicher Feind kommuniziert 1217, der sich nicht der gesellschaftlichen
Ordnung anpasst und dieser daher auch nicht angehört. Die Terrorismusgesetz-
gebung veranschaulicht – stellvertretend für das gesamte Feindstrafrecht – die
Entstehung gesellschaftlicher Identität durch gesetzgeberisch kommunizierte Ab-
grenzung. Dabei ist zu beachten, dass der Gesetzgeber regelmäßig solche Feind-
bilder gesetzlich umsetzt, die von der Gesellschaft mitgetragen werden. Doch da
hinter dem Gesetzgeber als abstraktem Begriff politische Akteure stehen, ist auch

1211
Hassemer, W.: NStZ 1989, 553 ff., 555; Prittwitz, C.: Strafrecht und Risiko 1993,
S. 255 f.
1212
Voß, M.: Symbolische Gesetzgebung 1989, S. 41, 79 ff., 84 f.; vgl. auch Cancio
Melià, M. C.: ZStW 117 (2005), 267 ff., 271, 276; Noll, P.: ZfSchwR 1981, 347 ff., 349;
Seelmann, K.: KritV 1992, 452 ff., 460.
1213
Vgl. Jakobs, G.: ZStW 117 (2005), 839 ff., 840.
1214
Cancio Melià, M. C.: ZStW 117 (2005), 267 ff., 281.
1215
Voß, M.: Symbolische Gesetzgebung 1989, S. 85.
1216
Siehe Voß, M.: Symbolische Gesetzgebung 1989, S. 41.
1217
Vgl. Kunz, T.: Der Sicherheitsdiskurs 2005, S. 18.
236 Kap. 3: Zweck- und Verhältnismäßigkeit des Feindstrafrechts

die Entscheidung, wer als Adressat einer Verbotsnorm betroffen werden soll, eine
politische und keine rein gesellschaftliche Entscheidung. Die Etikettierung eines
Täters zum Feind ist folglich abhängig von der politischen Definitionsmacht, so
dass der Feind im Recht immer ein konstruierter Feind ist. 1218 Das Feindstrafrecht
hat somit auch die gesetzgeberische Symbolfunktion, Feinde von straffälligen
Bürgern abzugrenzen, um gesellschaftliche Identität zu vermitteln.

(1) Der Feindbegriff als geeignetes Abgrenzungskriterium


Fraglich ist jedoch, ob das Feindstrafrecht diese Abgrenzungsfunktion hin-
reichend erfüllen kann und damit geeignet ist, der beschriebenen symbolischen
Zwecksetzung nachzukommen. Denn dem Feindbegriff, auf dem gerade das Feind-
strafrecht basiert, wird vorgeworfen, eine trennscharfe Abgrenzung in der Realität
nicht zu ermöglichen. Dieses Problem stellt sich unabhängig von der Frage, ob
man die Feinddefinition von Jakobs (Der Feind sei zumindest in einem Teilbereich
vermutlich dauerhaft vom Recht abgewandt. 1219) oder eine – nicht näher bestimmte,
sondern allenfalls fallgruppenartige (Terroristen, Organisierte Kriminalität und
Rauschmitteldelinquenz, Sexualstraftäter etc.) – gesetzgeberische Vorstellung des
zu bekämpfenden Feindes zugrundelegt: Sowohl Jakobs Feinddefinition wie auch
die gesetzgeberisch vermittelte Interpretation des Feindes geben in der Theorie
wie in der Praxis kaum Aufschluss, wo die exakte Grenze zwischen Feind und
Bürger verläuft. Formal scheint der subjektiv besetzte und daher emotional wir-
kende Feindbegriff eine objektive Abgrenzung unmöglich zu machen. Insofern
ist der Feindterminus besonders in der Wissenschaft dem Vorwurf ausgesetzt,
keine hinreichend konkrete Grundlage zu erfahren: Weder Jakobs 1220 noch dem
Gesetzgeber 1221 gelinge eine hinreichend präzise Ausgestaltung des Feindbegriffs,
die eine Abgrenzung zum Bürger möglich mache. In der Praxis fallen schließlich
zahlreiche bürgerliche Nicht-Täter wie auch bürgerliche Täter in den Anwendungs-
und Wirkbereich feindstrafrechtlicher Regelungen. 1222
Allerdings kann der in der Abgrenzungsfunktion liegende, gesetzgeberische
Zweck gegebenenfalls auch erreicht werden, wenn gar keine klare Abgrenzung
stattfindet, da eben „nur“ ein symbolischer Zweck erfüllt werden soll. Für die

1218
Aponte, A.: HRRS 8 – 9/2006, 297 ff., 299 f.
1219
Vgl. Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtau-
sendwende 2000, S. 47 ff., 52.
1220
Dazu etwa Ambos, K.: ZStrR 2006, 1 ff., 15 ff.; Aponte, A. in: Uwer, T. (Hrsg.):
Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 131 ff., 150; Eser, A. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Straf-
rechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende 2000, S. 437 ff., 445; Greco, L.: GA 2006,
96 ff., 107 ff.; Hefendehl, R.: StV 2005, 156 ff., 158 f.; Hörnle, T.: GA 2006, 80 ff., 89 ff.,
95; vgl. auch Roxin, C.: Strafrecht AT 2006, § 2 Rn. 127 f.
1221
Vgl. Ambos, K.: ZStrR 2006, 1 ff., 15 ff.; Bielefeldt, H.: Policy Paper Nr. 4/2004,
S. 10; Dencker, F.: StV 1988, 262 ff., 263; Schneider, H.: ZStW 113 (2001), 499 ff., 513.
1222
Siehe dazu Kapitel 2 B.V.2. und Kapitel 3 B.II.1.e)aa).
B. Die Zweckmäßigkeit des Feindstrafrechts 237

Geeignetheit ist daher nicht die tatsächliche Abgrenzung entscheidend, sondern


die symbolisch vermittelte Abgrenzung.
Symbolisch vermittelt der Gesetzgeber dem Bürger insbesondere durch die
zunehmenden Bekämpfungsgesetze, dass seine Sicherheit aufgrund bestimm-
ter Bedrohungsphänomene wie etwa Terrorismus, Sexualdelinquenz, Rauschgift-
und Organisierter Kriminalität akut in Gefahr ist. Diese fallgruppenartige Ver-
mittlung spezifischer Gefährdungselemente bleibt beim Bürger im Gedächtnis
haften und wird innerlich mit der Einschätzung verknüpft, dass diesen Bereichen
eine besondere, über das allgemeine Maß krimineller Gefährdung hinausgehende
Gefahr innewohnt. Folgerichtig sind dann auch die Täter besonderes gefährlich,
die sich in den entsprechenden Kriminalitätsfeldern betätigen. Diese müssen ent-
sprechend der Terminologie der Bekämpfungsgesetzgebung nicht nur repressiv
strafverfolgt, sondern vielmehr auch präventiv bekämpft werden. Die Adressaten
der Bekämpfungsgesetzgebung sind nach dem Willen des Gesetzgebers folglich
anders, nämlich härter zu behandeln als normale Straftäter – dem entspricht im
Regelfall auch der Wille der Allgemeinheit, da die entsprechenden Täter infolge
der politischen wie auch medialen Vermittlung als besonders gefährlich gelten.
Es entsteht ein politischer, rechtlicher und gesellschaftlicher Kreislauf, der die
Etikettierung bestimmter Täter als „anders“ 1223 und „gefährlich“ beinhaltet. Und
exakt das dürfte Jakobs meinen, wenn er den Feind als vom Recht abgewandt
(= anders) und als gefährliches Individuum beschreibt. Der Gesetzgeber differen-
ziert in diesem Sinne zwischen normalen und gefährlichen Straftätern; letztere
sind zu bekämpfen und werden – einmal mehr 1224, einmal weniger offen – zum
Feind deklariert oder jedenfalls wie einer behandelt, insbesondere indem sie als
moralisch böse diabolisiert 1225 werden. Insofern wird der Gesellschaft anhand der
gegenwärtigen Strafrechtspolitik durchaus symbolisch vermittelt, dass es zwei Ka-
tegorien an Straftätern gibt, nämlich innerhalb der Gesellschaft stehende Bürger
und außerhalb der Gesellschaft stehende Feinde. 1226 Dass faktisch auch Bürger
einer an Feinde adressierten Norm unterfallen können, wird der Gesellschaft
dagegen symbolisch nicht vermittelt, da sich der Bürger erst gar nicht unter die
Bedrohungsphänomene subsumieren wird. Der Bürger grenzt sich ja gerade ne-
gativ als „so bin ich nicht“ vom Feind ab. Entsprechend führt Hassemer zum
feindstrafrechtlichen Instrument 1227 des Großen Lauschangriffs aus:

1223
Vgl. auch Cancio Meliá, M.: ZStW 117 (2005), 267 ff., 276.
1224
Vgl. insbesondere die US-amerikanische Terrorismusbekämpfung, Kapitel 2 D.
Zur Feindetikettierung im Rahmen des Terrorismus-Problems vgl. auch Scheerer, S.: Die
Zukunft des Terrorismus 2002, S. 79.
1225
Vgl. auch Cancio Meliá, M.: ZStW 117 (2005), 267 ff., 284; Prittwitz, C.: Krimino-
logie. Akteurin und Kritikerin gesellschaftlicher Entwicklung 2005, S. 215 ff., 217 f., 228;
Zopfs, J. in: Friedrich-Spee-Gesellschaft (Hrsg.): Spee-Jahrbuch 2006, S. 31 ff., 37; ders.
in: Juristische Zeitgeschichte, Jahrbuch Bd. 8 (2006/2007), 395 ff., 403.
1226
Vgl. etwa zur innerstaatlichen Feinderklärung gegen die RAF Tolmein, O.: Feind-
strafrecht und Krieg 2002, S. 5 ff.
238 Kap. 3: Zweck- und Verhältnismäßigkeit des Feindstrafrechts

„So wird etwa die Einführung des ‚Großen Lauschangriffs‘ damit schmackhaft gemacht,
der richte sich ja nicht gegen Bürger wie Dich und mich, sondern gegen Gangster,
Mafiosi, Schwerverbrecher. [...] Er lenkt davon ab, daß wir im Ermittlungsverfahren
nicht wissen, ob wir es mit einem ‚Mafioso‘ zu tun haben, und nicht mehr zu ermitteln
bräuchten, wenn wir es wüßten. Er kann so den Graben zwischen ‚uns‘ und ‚denen‘ neu
vertiefen [...] und er kann dadurch den ‚Großen Lauschangriff‘ scheinbar im Gelände
der Feinde einschlagen lassen, weit weg von uns.“ 1228
Insofern mag der Feindbegriff bei Jakobs wenig konkret sein, in der Gesetz-
gebung funktioniert – insbesondere im Zusammenspiel mit den Medien, wenn
nicht gar unter deren Ausnutzung – die Etikettierung als gefährlicher Straftäter
beziehungsweise Gesellschaftsfeind und damit auch die symbolische Abgrenzung
von krimineller Andersartigkeit dagegen umso besser.

(2) Ergebnis zur symbolischen Abgrenzungsfunktion des Feindstrafrechts


Da es für die hier zu untersuchende Geeignetheit nicht auf die tatsächliche
Durchführbarkeit der Differenzierung von Bürger und Feind ankommt, sondern
nur auf die symbolisch vermittelte Abgrenzung, muss die Geeignetheit des Feind-
strafrechts in Hinsicht auf die Abgrenzungsfunktion bejaht werden. Denn die
Abgrenzungsfunktion des Feindstrafrechts kann bekanntlich bewirken, dass die
Gesellschaft sich als gesamtheitliches Kollektiv gegen die Feinde begreift („so
sind wir nicht“). Überträgt die Gesellschaft diese Negativ-Definition wiederum
auf den Staat („so sind wir nicht – so ist unser Staat nicht“), harmonieren Staat und
Gesellschaft in der Außenwirkung miteinander. Die Bürger sehen eine wesentliche
Identität von staatlichen und gesellschaftlichen Wertemustern und empfinden dies
als eine Art Kräftebündelung gegenüber dem Feind, denn das durch Abgrenzung
entstandene Kollektiv vermittelt zugleich Solidarität und Wehrhaftigkeit. Die hier-
durch empfundene Stärkung der Gesellschaft fällt auf den Staat zurück, der die
Abgrenzungskriterien letztlich vorgegeben hat. Die Gesellschaft steht hinter dem
Staat und trägt seine Entscheidungen mit.

bb) Staatliche Stabilisation infolge der Vereinfachungs-


und Publizitätsfunktion des Feindstrafrechts

Die öffentliche Klassifikation komplexer Kriminalitätsformen als Bedrohungs-


phänomen kann dadurch erleichtert werden, dass der Umfang der Problemlage
reduziert und nur eine begrenzte Auswahl an Informationen publiziert wird. Ins-
besondere werden kriminelle Gefährdungssituationen im Laufe eines Gesetzge-
bungsverfahrens, in der Tagespolitik und den medialen Kommunikationsträgern
mit einem einprägsamen Schlagwort belegt, zum Beispiel Umweltdelinquenz,

1227
Vgl. hierzu Kapitel 2 C.II.1.b).
1228
Hassemer, W.: StV 1995, 483 ff., 487 f.
B. Die Zweckmäßigkeit des Feindstrafrechts 239

Schwarzarbeit, Terrorismus, Organisierte Kriminalität oder Rechtsextremismus.


Das Schlagwort ist dabei regelmäßig negativ besetzt. Einmal in Umlauf gebracht,
werden diese Schlagworte fortlaufend und ohne nähere Erörterung aufgegriffen 1229
mit der Folge, dass der Begriff als vereinfachte Umschreibung des Problemfeldes
standarisiert wird.
Eine solche Vereinfachungsfunktion erfüllt auch das Feindstrafrecht, denn ge-
rade die Tätergruppen, die nach Jakobs dem Feindbegriff unterfallen, werden mit
entsprechenden Schlagworten (Wirtschaftskriminalität, Sexualstraftäter, Terroris-
mus, Drogen- und Organisierte Kriminalität) bezeichnet. Darüber hinaus findet
eine zusätzliche Vereinfachung statt, denn das Feindstrafrecht bildet als Oberbe-
griff der schlagwortartig benannten Phänomene ein neues Negativ-Symbol, das
von Begründungszwang befreit 1230: Wer als Feind tituliert wird, wird automatisch
als gefährlich empfunden, ohne dass es einer näheren Begründung dafür bedarf.
Mit der Vereinfachungsfunktion geht weiterhin eine öffentliche Prägung einher,
denn Schlagworte, wie sie das Feindstrafrecht verwendet (Feind, Feindstrafrecht,
Terrorismus, Organisierte Kriminalität etc.), bleiben verstärkt im Gedächtnis haf-
ten. Zugleich ist das Feindstrafrecht infolge der Verwendung des Feindbegriffs ein
subjektiver, moralische Wertungen vermittelnder Begriff. Derartige emotionale
Termini 1231 dürfen grundsätzlich als besonders geeignet angesehen werden, die
Gemüter zu erregen, eine Diskussion zu entfachen und damit bestimmte Gegeben-
heiten ins allgemeine Bewusstsein zu rücken. Man kann wohl sogar sagen, dass
das Jakobssche Feindstrafrecht gerade diesem Umstand die enorme (kritische wie
unkritische) Beachtung verdankt, die ihm im gegenwärtigen Sicherheitsdiskurs
eingeräumt wird.

(1) Stabilisation durch penal populism


Die zunehmende Tendenz, Strafe vor allem mit Gefühlen und Empfindungen, die
in der Bevölkerung oder jedenfalls in bestimmten Teilen der Bevölkerung vorherr-
schen, zu rechtfertigen und kaum mehr auf tatsächliche Daten und kriminologische
Erfahrungen Bezug zu nehmen, wird bei John Pratt 1232 als “penal populism“ be-
zeichnet. 1233 Die Öffentlichkeit nimmt insbesondere die Straftaten wahr, über die
aufgrund ihrer Ungewöhnlichkeit oder Grausamkeit (z. B. Sexualstraftaten, Mord)
in den so genannten popular media unproportional häufig – gemessen an der

1229
Vgl. z. B. zum Terrorismusbegriff Scheerer, S.: Die Zukunft des Terrorismus 2002,
S. 18.
1230
Vgl. hierzu auch Kunz, T.: Der Sicherheitsdiskurs 2005, S. 10.
1231
Vgl. hierzu bereits Kapitel 1 E.I.
1232
John Pratt ist Professor am Institute of Criminology an der neuseeländischen
Victoria University of Wellington.
1233
Pratt, J.: Penal Populism 2007, S. 12, 35.
240 Kap. 3: Zweck- und Verhältnismäßigkeit des Feindstrafrechts

tatsächlichen Anzahl der Begehung – berichtet wird. 1234 Die Medien vereinigen
insofern Information und Unterhaltung; sie vereinfachen den Umgang mit Krimi-
nalität und erzeugen zugleich bestimmte Emotionen in Hinsicht auf bestimmte
Kriminalitätsformen. Dabei wirken die Medien nicht bloß auf die Bevölkerung ein,
sondern auch auf die Politik 1235, die die kollektive Kriminalitätsfurcht aufgreift und
entsprechende Gesetze zur Maximierung der allgemeinen Sicherheit erlässt. 1236
Hierdurch wird wiederum der Glauben der Allgemeinheit an den Gesetzgeber und
damit an den Staat gestärkt. 1237

(2) Schlussfolgerungen für das Feindstrafrecht


Die Vereinfachung von Kriminalität durch deren Subjektivierung sowie die
medialen Publizierung von Delinquenz erfolgt auch im Rahmen des „Feindstraf-
rechts“. Dadurch wird dem Bürger (vermeintliches oder reales) Wissen vermittelt,
auf dessen Grundlage er Entscheidungen des Gesetzgebers, die dieser zur Lösung
eines Konflikts trifft, nachvollziehen kann oder gar unterstützt. Die Vermittlung
von Wissen kann – selbst, wenn (oder: erst recht, wenn) Auswahl und Umfang der
Informationen beschränkt oder sogar manipuliert sind – folglich ebenfalls eine
gewisse Kongruenz zwischen Staat und Bürger herstellen.

cc) Staatliche Stabilisation infolge der


Sicherheitsfiktionsfunktion des Feindstrafrechts

Weiterhin könnte das Feindstrafrecht geeignet sein, das Sicherheitsgefühl in der


Gesellschaft zu erhöhen und dadurch den Staat zu stabilisieren. In diesem Sinne
kann zunächst die Abgrenzung von Bürger und Feind zweierlei bewirken: Zum
einen kann der innere Zusammenhalt einer Gesellschaft erstarken, indem man
einen gemeinsamen Gegner definiert und sich von diesem abgrenzt. Entsprechend
kann durch die Differenzierung zwischen dem Bürger als Gesellschaftsmitglied
und dem außerhalb der Gesellschaft stehenden Feind durch das Feindstrafrecht
das gesellschaftliche Kollektivbewusstsein gesteigert werden. Derjenige, der dem
Kollektiv bewusst angehört, wird sich in der Regel sicherer fühlen, denn das
Kollektiv vermittelt Zusammenhalt, gemeinsame Stärke wie auch das Gefühl von
Überlegenheit gegenüber den benannten Außenseitern.
Zum anderen vermittelt die Abgrenzungsfunktion des Feindstrafrechts den
Eindruck, der Feind sei identifiziert im Sinne einer bestimmten oder jedenfalls

1234
Pratt, J.: Penal Populism 2007, S. 13, 68.
1235
Pratt, J.: Penal Populism 2007, S. 4 f.
1236
Pratt, J.: Penal Populism 2007, S. 33. Insofern vergleichbar mit den Überlegungen
zum „politisch-publizistischen Verstärkerkreislauf“ bei Scheerer, vgl. Kapitel 2 B.III.2.
1237
Vgl. hierzu vor allem auch den nachfolgenden Unterabschnitt zur Sicherheitsfunk-
tion des Feindstrafrechts [Kapitel 3 B.II. b)cc)].
B. Die Zweckmäßigkeit des Feindstrafrechts 241

bestimmbaren Größe. Dadurch erscheint es einfacher, sich der durch den Feind ver-
ursachten Gefährdungslagen zu erwehren und einen sicheren Zustand herzustellen:
„Gefahr erkannt, Gefahr gebannt.“
Darüber hinaus zeugen die zahlreichen feindstrafrechtlichen Bekämpfungsstra-
tegien und -gesetze von politischer Agilität und Entschlossenheit. 1238 Es entsteht
der Eindruck eines aufmerksamen und entschiedenen Gesetzgebers, der sich und
damit dem Staat zu helfen weiß. Hierdurch wird der Anschein erweckt, es bestehe
kein Grund zur Besorgnis oder jedenfalls tue der Staat das Menschenmögliche
und habe die Risiken unter Kontrolle. 1239 Dieser Aspekt wird im Diskurs um
die symbolische Gesetzgebung besonders hervorgehoben und als „Ersatz“- oder
„Alibireaktion“ 1240 des Gesetzgebers bezeichnet. Mit derartigen Krisengesetzen
wird nämlich die Bevölkerung beruhigt und ihn Sicherheit gewogen, während der
Gesetzgeber zugleich Handlungsmacht demonstriert. 1241 Eine solche Sicherheits-
fiktionsfunktion liegt auch insofern nahe, dass der Gesetzgeber augenscheinlich
gerade auf aktuelle Bedrohungsphänomene, die die Öffentlichkeit – vor allem
auch durch die mediale Ausschlachtung 1242 – verunsichern 1243 oder verunsichern
könnten, prompt mit entsprechenden Bekämpfungsgesetzen reagiert wie etwa

1238
Die Tatsache, dass Politiker teilweise die akuten Nöte und Ängste der Bevölkerung
gezielt aufgreifen und der Umsetzung von Maßnahmen, die dem allgemeine Verlangen
nach Sicherheit nachkommen, öffentlich Priorität einräumen, ist wiederum in Bezug auf
die Hinentwicklung zum penal populism [vgl. hierzu bereits Kapitel 3 B.II.2.b)bb)(1)] zu
sehen, vgl. Pratt, J.: Penal Populism 2007, S. 4, 14.
1239
Vgl. Beck, W.: Unrechtsbegründung und Vorfeldkriminalisierungen 1992, S. 130 f.;
Garland, D.: The Culture of Control 2001, S. 133 ff.; Cancio Meliá, M.: ZStW 117
(2005), 267 ff., 270; Prittwitz, C.: Kriminologie. Akteurin und Kritikerin gesellschaftlicher
Entwicklung 2005, S. 215 ff., 217 f., 224; Seelmann, K.: KritV 1992, 452 ff., 455.
1240
Vgl. Noll, P.: ZfSchwR 1981, 347 ff., 360 ff.; Voß, M.: Symbolische Gesetzgebung
1989, S. 31.
1241
Voß, M.: Symbolische Gesetzgebung 1989, S. 32; vgl. auch Cancio Meliá, M.:
ZStW 117 (2005), 267 ff., 270 ff.; Düx, H.: ZRP 2003, 189 ff., 192; Hassemer, W.: NStZ
1989, 553 ff., 554; Prittwitz, C.: Strafrecht und Risiko 1993, S. 257.
1242
Vgl. hierzu etwa auch die 1996 veröffentliche britische Studie über Urteile, deren
Wiedergabe in den Medien und die Auswirkungen auf die öffentliche Meinung („Senten-
cing and the climate of opinion“) von Ashworth und Hough zitiert bei Pratt, J.: Penal
Populism 2007, S. 74, wonach beispielsweise über Verurteilungen und Straftaten von
Sexualdelinquenten – gemessen an ihrer eher untergeordneten Rolle in der Kriminalstatis-
tik – unproportional häufig in den Medien berichtet wird.
1243
Eine derartige Verunsicherung zeigt sich etwa anhand einer Erhebung zur Einschät-
zung und Wahrnehmung der Häufigkeit von vollendeten Sexualmorden im Jahr 2003: In
der PKS von 2003 wurden 20 Sexualmorde verzeichnet. Im Vergleich zu 1993 bedeutet
dies einen Rückgang von 37,5%. Die Befragten schätzten dagegen die Zahl der verübten
Sexualmorde im Jahr 2003 auf durchschnittlich 115 und verschätzten sich im Mittel um
250%. Über 60% der Befragten vermuteten fälschlich eine Zunahme von Sexualmorden;
nur 5% gingen zutreffend von einem Rückgang der Sexualmorde aus (vgl. Tabellen bei
Pfeiffer, C. / Windzio, M. / Kleimann, M.: MSchrKrim 2004, 415 ff., 417 f.); vgl. hierzu
242 Kap. 3: Zweck- und Verhältnismäßigkeit des Feindstrafrechts

im Rahmen der Gesetzgebung zur Bekämpfung der Sexualdelikte oder der Anti-
Terror-Gesetzgebung. 1244 Die legislativen Bekämpfungsstrategien bringen dabei
konkludent zum Ausdruck, dass das jeweilige Kriminalitätsproblem vorrangig
behandelt wird 1245 und der Gesetzgeber somit umgehend auf gesellschaftliche
Bedürfnisse reagiert.

(1) Sicherheitsfiktion als Wahlsteuerung


Allerdings wird gerade dem Aktionismus des Gesetzgebers der Vorwurf ge-
macht, weniger die tatsächliche oder jedenfalls gefühlte Sicherheit der Allge-
meinheit im Auge zu haben, sondern vielmehr gesellschaftliche Ängste auszu-
nutzen oder gar zu produzieren, um Wahlstimmen zu gewinnen. 1246 Indem die
Politik – neben oder im Zusammenspiel mit den Medien 1247 – wesentlich zur
Vergegenwärtigung gesellschaftlicher Gefährdungslagen beitrage und diese mög-
licherweise über ein Maß anprangere, welches gar nicht dem tatsächlichen Risiko
entspricht 1248, werde eine Verunsicherung der Bürger erreicht, die an den Wahl-
urnen ihren Niederschlag findet 1249: Es werde die Partei gewählt, die dem selbst
(zumindest mit-) produzierten 1250 Wunsch nach Sicherheit entspricht. Gerade die
zunehmende Beeinflussung der Rechtsetzung durch tagespolitische Belange 1251

ferner die demnächst erscheinende Dissertation von Stockhausen, H.-C.: Metamorphose


der Strafrestaussetzung 2007.
Auch zu den Auswirkungen des internationalen Terrorismus auf die subjektive Sicher-
heit durchgeführte Erhebungen von 1999, 2002 und 2004 ergeben, dass die öffentliche
Beunruhigung ein relativ hohes Ausmaß angenommen hat. Gerade in der zu den Anschlä-
gen von New York 2001 zeitnahen Untersuchung war ein Viertel der Befragten „stark
beunruhigt“ (Sterbling, A. / Burgheim, J.: Kriminalistik 2006, 160 ff., 160 f.).
1244
Hierauf und auf die entsprechenden Gesetzesbegründungen wurde bereits einge-
gangen, vgl. Kapitel 2 B.III. mit Unterpunkten.
1245
Vgl. Scheerer, S.: Die Zukunft des Terrorismus 2002, S. 106.
1246
Vgl. etwa Albrecht, P.-A.: Die vergessene Freiheit 2003, S. 16; ders.: ZStW 117
(2005), 852 ff., 857; Hassemer, W.: StV 1990, 328 ff., 330; Günther, K.: Materialheft zur
30. Strafverteidigertagung 2006, 29 ff., 29; Hörnle, T.: GA 2006, 80 ff., 85; Roxin, C.: JA
1980, 545 ff., 547; Sack, F.: Innere Sicherheit als Gefahr 2003, S. 5 ff., 9 f.
1247
Zum geschlossenen Kreislauf der Furchtvermarktung zwischen Medien und Politik
vgl. etwa Diederichs, O.: Cilip 57 Nr. 2/1997, 18 ff., 20; ferner im Hinblick auf terroristische
Bedrohungsszenarien z. B. Herzog, F.: KritV 2006, 343 ff., 343, 346.
1248
Zur Dramatisierung von Gewalt und Bedrohung Hassemer, W.: StV 1990, 328 ff.
Zur Dramatisierung der Organisierten Kriminalität vgl. etwa Frehsee, D. in: Frehsee, D. u. a.
(Hrsg.): Konstruktion der Wirklichkeit durch Strafe 1997, S. 14 ff., 29 f. Siehe außerdem
zur Dramatisierung von Kriminalität in Medien und Politik Laubenthal, K.: ZStW 116
(2004), 703 ff., 703 f.; Pfeiffer, C. / Windzio, M. / Kleimann, M.: MSchrKrim 2004, 415 ff.;
Silva Sánchez, J.-M.: Die Expansion des Strafrechts 2003, S. 12 f.
1249
Vgl. Sack, F.: Innere Sicherheit als Gefahr 2003, S. 5 ff., 9 f.; Wohler, W.: Deliktsty-
pen des Präventionsstrafrechts 2000, S. 21.
1250
Vgl. Hirsch, J.: Der Sicherheitsstaat 1980, S. 129.
B. Die Zweckmäßigkeit des Feindstrafrechts 243

führe folglich dazu, dass infolge spektakulärer, im Blickpunkt der Öffentlichkeit


stehende Kriminalfälle die Gesetzgebungsaktivität rotiert. 1252

(2) Einfluss der Wahlsteuerung auf die Geeignetheit zur Sicherheitsfiktion


Der Gebrauch feindstrafrechtlicher Symbolik durch Ausnutzen von Krisensi-
tuationen und der hierdurch bewirkten Angstzustände in der Bevölkerung unter
Anprangerung von realen oder vermuteten Feinden durch Politiker zur Vermeh-
rung der Wählerstimmen vermag im Gegensatz zur Steigerung des Kollektivs-
bewusstseins oder der Demonstration eines wehrhaften Staates sicherlich keinen
anerkennenswerten symbolischen Zweck darzustellen. Gleichwohl greift der Vor-
wurf, mit Bekämpfungsgesetzen werde allenfalls der Wähler manipuliert, zu kurz
und kann keinesfalls als bewiesenes Faktum dafür gelten, dass das Feindstrafrecht
nicht geeignet ist, gesellschaftliche Sicherheit zu symbolisieren. Vielmehr trägt
auch hier der Grundsatz, dass eine mögliche Förderung des bezweckten Erfolgs
für die Bejahung der Geeignetheit ausreicht. 1253
Nach dem oben Gesagten kann das Feindstrafrecht durch die Abgrenzung von
Bürger und Feind zunächst die Stärkung des Kollektivsbewusstseins bewirken
sowie die grundsätzliche Identifizierbarkeit des Feindes vermitteln und dadurch
das Sicherheitsgefühl verbessern. Zudem kann das Feindstrafrecht von der Bevöl-
kerung als eine effektive Gegenwehr gegen Feinde und entsprechende kriminelle
Gefährdungslagen empfunden werden. Die daraus resultierende Beruhigung der
Allgemeinheit wirkt als Zufriedenheit in der Gesellschaft in dem Sinne fort, dass
auf das öffentliche Sicherheitsanliegen durch den Gesetzgeber reagiert und Indi-
vidualgüterschutz umgesetzt wird. Der Schutz der Gesellschaft wird dabei in der
öffentlichen Meinung regelmäßig auch als Stärkung des Staates empfunden.

dd) Verhältnis der Symbolik zu den


anderen Zwecken des Feindstrafrechts

Obgleich vor allem die Abgrenzungsfunktion als symbolischer Zweck des


Feindstrafrechts den Ausführungen Jakobs entnommen werden kann 1254 und sich
der Gesetzgeber dieser Symbolik gerade im Rahmen der Bekämpfungsgesetze
zunehmend bedient, wird jene nicht in den Gesetzesbegründungen aufgenommen.
Danach dienen die Bekämpfungsgesetze vielmehr dem realen Rechtsgüterschutz
und der tatsächlichen Beseitigung von Problemlagen. Gleichwohl kommt der

1251
Vgl. Albrecht, P.-A.: KritV 1997, 229 ff., 236; Appel, I.: Verfassung und Strafe 1998,
S. 35, 40; Sack, F.: Innere Sicherheit als Gefahr 2003, S. 5 ff., 9 f.
1252
Vgl. zum Korruptionsbekämpfungsgesetz Hettinger, M.: NJW 1996, 2263 ff., 2263.
1253
Vgl. bereits Fn. 1045.
1254
Vgl. bereits Kapitel 3 B.I.2.b).
244 Kap. 3: Zweck- und Verhältnismäßigkeit des Feindstrafrechts

Symbolcharakter zumindest latent in der Betitelung der Bekämpfungsgesetze


zum Ausdruck, so dass sich die Frage stellt, in welchem Verhältnis Symbolik und
die bezweckte tatsächliche Bekämpfung zueinander stehen.
Primärziel des Feindstrafrechts ist der individuelle Rechtsgüterschutz. Zugleich
ist Feindstrafrecht Notstandsrecht und soll den Staatsbestand sichern. Diese Zie-
le sind vorrangig, sie sind manifeste Zwecke 1255. Dagegen ist die Symbolik nur
ein latenter Zweck, das heißt sie ist automatisch im Feindstrafrecht mitenthalten,
ebenso wie dem Bürgerstrafrecht bestimmte Wertungsmuster symbolisch anhaf-
ten. 1256 Eine gewisse Symbolik im Rahmen strafrechtlicher Rechtsetzung darf
demnach durchaus verfolgt werden. Würde das Feindstrafrecht allerdings keine
Eignung zur tatsächlichen Konfliktbewältigung aufweisen und ausschließlich sym-
bolisch wirken, würde die latente Funktion die manifesten Funktionen freilich
überlagern. Gesetze, denen ausschließlich Symbolcharakter zukommt, sind jedoch
abzulehnen. 1257

3. Gesamtergebnis zur Geeignetheit

Nach den oben getroffenen Feststellungen ist das Feindstrafrecht zunächst nicht
schlechthin ungeeignet, individuellen Rechtsgüterschutz durch Feindbekämpfung
zu bewirken. Es zeigt sich sogar, dass annähernd jede Erweiterung von Straf-
barkeit abstrakt geeignet ist, den weit gefassten Zweck der individuellen Rechts-
gütersicherheit zu fördern. Auch in Hinsicht auf die tatsächliche Bekämpfung
von Problemlagen und dadurch bewirkte Stabilisierung des staatlichen Systems
wurde die potentielle Geeignetheit des Feindstrafrechts bejaht. Damit kann das
Feindstrafrecht die manifesten Zwecke durchaus erfüllen. Die ebenfalls dargelegte
Zwecktauglichkeit des Feindstrafrechts, symbolisch auf die Gesellschaft einzuwir-
ken und dadurch den Staat in seinem Bestand zu festigen, tritt als latenter Zweck
des Feindstrafrechts zusätzlich zu den manifesten Zwecken hinzu und ergänzt
diese.
Zwar mögen einige der hier erbrachten Begründungen zynisch anmuten, ins-
besondere der Vergleich mit dem DDR-Strafrecht. Doch dem Feindstrafrecht im
Rahmen der Geeignetheit eine klare Absage zu erteilen, hieße, den vermeintlich
einfachen, jedoch auch den voreingenommenen, unkritischen Weg zu beschreiten,
der verkennt, dass eben die bloße Möglichkeit, die gesetzgeberisch verfolgten
Ziele zu erreichen, für die Geeignetheit ausreicht. 1258 Mit der Bejahung der Geeig-

1255
Zur Differenzierung von manifesten und latenten Zwecken vgl. Hassemer, W.: NStZ
1989, 553 ff., 556.
1256
Vgl. zur Symbolik im Bürgerstrafrecht oben Kapitel 3 B.II.2.b).
1257
Noll, P.: ZfSchwR 1981, 347 ff., 364; Roxin, C.: Strafrecht AT, § 2 Rn. 39.
1258
Siehe bereits Kapitel 3 II.
B. Die Zweckmäßigkeit des Feindstrafrechts 245

netheit kommt danach gerade nicht zum Ausdruck, dass das Feindstrafrecht eine
rechtlich unbedenkliche Option darstellt, die zwangsläufig zum Erfolg führt. Nicht
ohne Grund wird die Prüfung der Geeignetheit in der rechtswissenschaftlichen
Literatur regelmäßig als „weitmaschiges Sieb“ verstanden, in dem nur in Ausnah-
mefällen eine Norm hängen bleibt. 1259 In diesem Sinne möchte ich zum Abschluss
der Geeignetheit erneut auf Scheerer Bezug nehmen, den ähnliche Gedanken zur
generellen Eignung des US-amerikanischen War Against Terror bewegt haben
mögen: Danach
„... lässt es sich plausibel begründen, dass der gegenwärtige War Against Terror kei-
neswegs ein völlig utopisches Ziel verfolgt (= Ausmerzung des Terrorismus), sondern
durchaus Chancen sieht, sein Ziel zu erreichen. Denn weder ist es a priori aussichtslos,
das Militär gegen diesen nach herkömmlichen Maßstäben doch recht unpassenden und
atypischen Gegner einzusetzen, noch sollte man allzu schnell der auf den ersten Blick
natürlich verführerischen Plausibilität des Arguments vertrauen, dass Länder wie Afgha-
nistan, an denen fremde Truppen schon früher regelmäßig gescheitert seien, auch künftig
und gleichsam von Natur aus alle Strategie, die man außerhalb ihrer Grenzen für sie
ersönne, scheitern lassen müssten. Der Krieg gegen den Terrorismus kann also durchaus
Erfolg haben. Diese Tatsache anzuerkennen ist nicht gleichbedeutend mit dem Glauben
an die Zwangsläufigkeit des Erfolges. Die Geschichte kennt keine Zwangsläufigkeiten.
Und so wie auch die beste Strategie nicht vollkommen gegen Fehlschläge gefeit ist, so
könnten auch die (zweifelsohne vorhandenen) Schwachstellen des War Against Terror
unter bestimmten Umständen das ganze Unternehmen in ein Fiasko führen.“ 1260

III. Die Erforderlichkeit des Feindstrafrechts

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind Legislativakte


dann erforderlich, wenn nicht ein anderes milderes, also weniger grundrecht-
seinschränkendes Mittel zur Verfügung steht, das eindeutig und in jeder Hin-
sicht 1261 ebenso tauglich ist wie das vom Gesetzgeber gewählte Mittel. 1262 Da
der Erforderlichkeit allerdings eine Prognoseentscheidung zugrunde liegt, wird
dem Gesetzgeber – wie schon im Rahmen der Geeignetheitsprüfung 1263 – ein
Beurteilungsspielraum eingeräumt, soweit keine gesicherten Erkenntnisse vorlie-
gen. 1264 Die Zubilligung einer Einschätzungsprärogative führt freilich zu einer

1259
Appel, I.: Verfassung und Strafe 1998, S. 175 ff.; Hirschberg, L.: Der Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit 1981, S. 54; Lagodny, O.: Strafrecht vor den Schranken der Grund-
rechte 1996, S. 178.
1260
Scheerer, S.: Die Zukunft des Terrorismus 2002, S. 77 f.
1261
BVerfGE 30, 292 ff., 319.
1262
BVerfGE 53, 135 ff., 145 f.; 63, 88 ff.,115; 67, 157 ff., 173, 176 f.; 68, 193 ff., 218 f.;
90, 145 ff., 172.
1263
Vgl. Kapitel 3 II.
1264
BVerfGE 39, 210 ff., 230 f.; 77, 84 ff., 106; 88, 203 ff., 262; 90, 145 ff., 173.
246 Kap. 3: Zweck- und Verhältnismäßigkeit des Feindstrafrechts

starken Stellung des Gesetzgebers, selbst wenn dieser das schärfste Mittel zur
Zweckerreichung wählt, und hat zur Folge, dass Gesetze in der Regel nicht an der
Erforderlichkeitsprüfung scheitern. 1265 Insofern ergeben sich kaum Unterschiede
zur Prüfung der abstrakten Geeignetheit, so dass bereits aus diesem Grund frag-
lich ist, ob es einer separaten Erforderlichkeitsprüfung überhaupt bedarf. Zudem
spricht nach Dechsling der historische Wandel im Verhältnis von Erforderlichkeits-
und Proportionalitätsgebot (Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne) gegen eine
eigenständige Bedeutung der Erforderlichkeitsprüfung. 1266
Danach liegt es nahe, dass die Erforderlichkeitsprüfung keine wesentlichen,
neuen Erkenntnisse bringt. Der Schwerpunkt ist entsprechend auf die Untersu-
chung zur Vereinbarkeit des Feindstrafrechts mit dem geltenden Verfassungsrecht
zu verlagern, wohingegen die Durchführung einer Erforderlichkeitsprüfung sich
eher als überflüssig darstellt. Gleichwohl wurde Jakobs, als er 1999 auf der Berli-
ner Tagung „Die deutsche Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende“ in
seinem Vortrag ohne nähere Begründung von der generellen Erforderlichkeit des
Feindstrafrechts ausging 1267, in der die Tagung kommentierenden Literatur wegen
dieser Unterstellung durchaus kritisiert: Es bestünden berechtigte Zweifel, dass
eine Marginalisierung der Strafrechtswissenschaft mangels Effektivität ohne Aner-
kennung der Notwendigkeit des Feindstrafrechts tatsächlich bevorstehe; jedenfalls
sei die Alternativenlosigkeit des Feindstrafrechts keinesfalls bewiesen. 1268
Um diese Zweifel an der Alternativenlosigkeit des Feindstrafrechts nicht voll-
kommen auszublenden, aber dennoch dem eher geringen Stellenwert der Erfor-
derlichkeit Rechnung zu tragen, wird nachfolgend nur eine verkürzte Erforderlich-
keitsprüfung durchgeführt. Dabei soll zum einen – wenn auch allenfalls abstrakt
und keineswegs erschöpfend – auf die von Jakobs benannten Merkmale des Feind-
strafrechts (Interna berücksichtigende Strafbarkeitsvorverlagerung, zur Tatschuld
unproportionale Strafrahmen, Ausweitung der prozessualen Eingriffsrechte, Be-
kämpfungsgesetzgebung) Bezug genommen und zum anderen die Besonderheiten
des abstrakten Konzepts des Feindstrafrechts (Absonderung des Feindstrafrechts
vom Bürgerstrafrecht, Idealtypus) berücksichtigt werden.

1265
Lagodny, O.: Strafrecht vor den Schranken der Grundrechte 1996, S. 180.
1266
Dechsling, R.: Das Verhältnismäßigkeitsgebot 1989, S. 74 f. Danach stand das Er-
forderlichkeitsgebot im 19. Jahrhundert noch völlig im Vordergrund: „In dem Ringen um
bürgerliche Freiheiten bedeutete es für den Monarchen ein geringere Zugeständnis, sich auf
ebenfalls geeignete Alternativen verweisen zu lassen (Erforderlichkeitsgebot) als die Ver-
hinderung seiner Ziele zu riskieren (Proportionalitätsgebot).“ Heute gewährleistet jedoch
das „voll entwickelte“ Proportionalitätsgebot „einen durchgehenden Grundrechtsschutz“,
so dass dem Erforderlichkeitsgrundsatz nur noch geringe Bedeutung zukommt.
1267
Jakobs bezog sich allerdings nur auf das abstrakte Konzept des Feindstrafrechts;
einzelne Normen können dagegen auch nach Jakobs am Erforderlichkeitsgebot scheitern
(vgl. dazu den nachfolgenden Unterpunkt).
1268
Prittwitz, C.: ZStW 113 (2001), 774 ff., 795; Schulz, L.: ZStW 112 (2000), 653 ff.,
661.
B. Die Zweckmäßigkeit des Feindstrafrechts 247

1. Erforderlichkeit der einzelnen


Merkmale des Feindstrafrechts

An der Erforderlichkeit des Feindstrafrechts fehlt es zunächst dann, wenn sich


das sonst zur Verfügung stehende strafrechtliche Normarsenal als (mindestens)
gleichwertig mit den Interna berücksichtigenden Strafbarkeitsvorverlagerungen,
den zur Tatschuld unproportionalen Strafrahmen, der Ausweitung prozessualer
Eingriffsrechte wie auch der Bekämpfungsgesetzgebung darstellt. So wirft et-
wa die Terrorismusbekämpfung die Frage auf, warum es neuer und schärferer
Regelungsinstrumentarien im Strafrecht bedürfen soll, wenn doch die Delikte,
die Terroristen typischerweise verwirklichen (z. B. Mord, Bombenattentate oder
Entführungen), ohnehin mit schwerer Strafe bedroht sind. 1269

a) Interna berücksichtigende Strafbarkeitsvorverlagerungen

Interna berücksichtigende Strafbarkeitsvorverlagerungen sind nicht erforder-


lich, wenn bereits die Vollendungs- oder Versuchsstrafbarkeit der herkömmlichen
Delikte wie etwa Mord gemäß § 211 StGB oder Totschlag gemäß § 212 StGB als
mildere Mittel gleich effektiv Rechtsgüterschutz gewährleisten können. Bezüglich
eines Vergleichs der Wirksamkeit von Vorverlagerungen und der Vollendungs-
strafbarkeit verhält es sich jedoch gerade im Hinblick auf terroristische Selbst-
mordanschläge dergestalt, dass der Attentäter nach der Tat eben nicht mehr aus
Vollendung bestraft werden kann. Die Effektivität der Vollendungsstrafbarkeit aus
§§ 211, 212 StGB ist somit nicht gleichwertig mit derjenigen der Interna berück-
sichtigenden Vorverlagerung. Auch für den Fall, dass der „Selbstmord“attentäter
den Anschlag überlebt, kann das Rechtsgut nicht mehr vorbeugend durch Strafe
geschützt werden, da bereits Vollendung eingetreten ist. Dagegen bieten Vorverla-
gerungen generell eine (präventive) Schutzmöglichkeit und sind somit effektiver
als die bloße Vollendungsstrafbarkeit.
Gegebenenfalls könnte sich aber die der Vollendung ebenfalls vorgelagerte
Versuchsstrafbarkeit als milderes Mittel bei gleicher Eignung erweisen. Der
Versuchsbeginn gemäß § 22 StGB liegt gewöhnlich dann vor, wenn der Täter
subjektiv die Schwelle zum „Jetzt geht es los“ überschritten hat und objektiv
keine wesentlichen Zwischenschritte mehr zwischen Ausführungshandlung und
der Tatbestandsverwirklichung liegen. Das gefährdete Rechtsgut muss dabei nach
Tätervorstellung in konkreter Gefahr sein. 1270 Demzufolge ist der Versuchsbeginn
der Tatbestandsvollendung unmittelbar vorgelagert, also in der Regel sehr zeitnah
zur Rechtsgutsverletzung. Dies gilt selbst für so genannte Distanzdelikte, bei de-
nen die Wirkungsweise längere Zeit beansprucht 1271, da hier die die Kausalkette in

1269
Vgl. z. B. Weigend, T.: Nehm-FS 2006, S. 151 ff., 151.
1270
Vgl. etwa Nachweise bei Wessels, J. / Beulke, W.: Strafrecht AT 2006, Rn. 601.
248 Kap. 3: Zweck- und Verhältnismäßigkeit des Feindstrafrechts

Gang setzende Handlung, selbst wenn sie bereits den Versuchsbeginn darstellt 1272,
dem Vollendungszeitpunkt nur so kurz vorgelagert ist, dass die Verhinderung
der Rechtsgutsverletzung faktisch nur noch schwer gelingt. Die strafrechtliche
Interaktionsphase in Bezug auf den (präventiven) Rechtsgüterschutz ist folglich
entsprechend knapp bemessen. Wird dagegen die Möglichkeit eröffnet, die Straf-
barkeit über den Versuchsbeginn hinaus vorzuverlagern, wird der strafrechtliche
Anwendungsradius und damit auch der generelle Rechtsgüterschutz erweitert.
Standardbeispiel ist insofern der dem Versuch vorgelagerte § 30 Abs. 2 StGB, der
bereits die bloße Verabredung zu einem Verbrechen mit Strafe bedroht. 1273 Auch
die Organisationsdelikte gemäß §§ 129 ff. StGB erhöhen die Rechtsgütersicher-
heit, indem bereits die Bildung von Vereinigungen aufgrund eines bestimmten
Planungszusammenhangs strafbar ist. Der zeitliche Abstand zur eigentlichen
Rechtsgutsverletzung ist im Fall der §§ 30, 129 ff. StGB größer als beim Versuch;
der Rechtsgüterschutz wird durch die frühere Zugriffsmöglichkeit im Strafrecht
intensiviert. Die Versuchsstrafbarkeit stellt sich unter diesem Aspekt zwar als zur
Interna berücksichtigenden Vorverlagerung milderes, nicht aber als gleich geeigne-
tes Mittel dar, Rechtsgüter zu schützen. Vielmehr gilt: Je umfangreicher die Menge
des verbotenen Verhaltens ist, desto effektiver ist auch der Rechtsgüterschutz. 1274
Aus diesem Grund bieten auch konkrete Gefährdungsverbote als Deliktstypus
keine gleich effektive Alternative zur Interna berücksichtigenden Vorverlagerung.
Sie können erst viel später bei einer konkreten Gefährdung Schutz liefern als
beispielsweise die §§ 129 ff. StGB.
Gleichfalls erweisen sich abstrakte Gefährdungsverbote nicht als milderes Mit-
tel gleicher Eignung im Vergleich zur Vorbereitungsstrafbarkeit, da abstrakte
Gefährdungsdelikte prognoseabhängig sind 1275, während Vorfeldkriminalisierun-
gen, die auf den inneren Planungszusammenhang abstellen, eines Nachweises
über die objektiven und subjektiven Tatbestandskomponenten bedürfen. Mithin

1271
Wessels, J. / Beulke, W.: Strafrecht AT 2006, Rn. 603.
1272
Zu den Kriterien des Unmittelbaren Ansetzens im Rahmen von Distanzdelikten
vgl. etwa BGHSt 43, 177 ff., 179 ff.; BGH NStZ 1998, 294 f., 295 ; 2001, 475 ff., 476;
Roxin, C.: JuS 1979, 1 ff., 9 f.
1273
Auch wenn § 30 StGB nach Jakobs „überflüssiges“ Feindstrafrecht darstellt und
der deshalb zu streichen sei (vgl. dazu schon oben Kapitel 2 B.V.3.). Jedenfalls sei dessen
Strafrahmen – so Jakobs jüngste Ausführungen – im Rahmen der Erforderlichkeit zumin-
dest herabzusetzen: Es geht „um das Erreichbare, um das praktisch Optimale, was heißt,
das Feindstrafrecht sei auf das Erforderliche zu beschränken, dies ganz unabhängig von
dem sowieso bestehenden Klugheitsgebot, physische Gewalt wegen ihrer korrumpierenden
Nebenwirkungen geringzuhalten. Der Gesetzgeber könnte bei dieser Beschränkung leicht,
sehr leicht, einen Anfang machen, etwa indem er bei der allgemeinen Verbrechensvorbe-
reitung zur alten Regelung einer Höchststrafe von 5 Jahren Freiheitsstrafe für die Störung
der öffentlichen Sicherheit zurückkehrte“ (Jakobs, G.: HRRS 8 –9/2006, 289 ff., 296 f.).
1274
Lagodny, O.: Strafrecht vor den Schranken der Grundrechte 1996, S. 198.
1275
Lagodny, O.: Strafrecht vor den Schranken der Grundrechte 1996, S. 210.
B. Die Zweckmäßigkeit des Feindstrafrechts 249

ist hinsichtlich des Merkmals der den Planungszusammenhang berücksichtigenden


Vorfeldkriminalisierung die Erforderlichkeit zu bejahen.

b) Zur Tatschuld unproportionale Strafrahmen

Zur Tatschuld unproportionale Strafrahmen, Sicherungsverwahrung (§§ 66 ff.


StGB) oder Präventivhaft sind sehr scharfe Mittel, um Rechtsgütersicherheit zu
gewährleisten. Sie sind aber auch gleichzeitig sehr effektiv: Solange ein Straftäter
inhaftiert ist, stellt er allenfalls noch in Ausnahmesituationen (z. B. Steuerung der
Aktivitäten aus der Haft) eine Bedrohung für strafrechtlich geschützte Rechtsgü-
ter dar. Grundsätzlich mag es zwar weniger einschneidende Alternativen geben
(z. B. Geldstrafe, zur Tatschuld proportionale Strafrahmen). Im Rahmen dieser
Strafmaßnahmen wird dem Täter jedoch auch ein größerer Umfang an Handlungs-
spielraum belassen als bei einem langfristigen, von der Tatschuld unabhängigen
Freiheitsentzug. Gerade die Zubilligung von Handlungsfreiheiten wird insbeson-
dere von Tätern, die fest im kriminellen Milieu verwurzelt sind beziehungsweise
sich der staatlichen Rechtsordnung nicht verpflichtet fühlen, zur Begehung neuer
Straftaten ausgenutzt, so dass im Ergebnis durch niedrigere, der Tatschuld ange-
messene Strafen kein gleichwertiger Rechtsgüterschutz zur nicht an der Tatschuld
orientierten Freiheitsstrafe bewirkt werden kann. Dem entsprechen die Ausfüh-
rungen Jakobs, dass ein Staat, der beispielsweise „keine Sicherungsverwahrung
kennt“ und „der die Bildung einer terroristischen Vereinigung nur als Tat gegen die
öffentliche Ordnung“ mit einer zur Tatschuld proportionalen Strafe bedroht, einen
„riesigen Standortvorteil“ bietet, der geradezu einlädt, „in seinem Geltungsbereich
zu verweilen, genauer: aktiv zu werden.“ 1276
Darüber hinaus obliegt es der Einschätzung des Gerichts, ob und inwiefern
der vorgegebene Strafrahmen auszuschöpfen ist und ob etwa die Sicherungsver-
wahrung gemäß §§ 66 ff. StGB oder überhaupt ein Strafmaß, das sich nicht an
der Tatschuld orientiert, im konkreten Einzelfall zur effektiven Wahrung des
Rechtsgüterschutzes erforderlich ist.

c) Ausweitung der prozessualen Eingriffsrechte

Die Ausweitung der prozessualen Eingriffsrechte und die Einschränkung von


Prozessgarantien (z. B. die Kontaktsperre nach §§ 30 ff. EGGVG, heimliche
Ermittlungs- bzw. Datenerhebungsmethoden wie etwa die Telekommunikations-
überwachung gemäß § 100c StPO, der Einsatz verdeckter Ermittler nach §§ 110a ff.
StPO oder von V-Männern usw. 1277) genügen dann nicht den Anforderungen an
das Erforderlichkeitsgebot, wenn mildere, aber dennoch gleich wirksame Mittel

1276
Jakobs, G.: HRRS 8 – 9/2006, 289 ff., 296 f.
1277
Vgl. zu diesen und weiteren Regelungen die Unterpunkte in Kapitel 2 B.IV.
250 Kap. 3: Zweck- und Verhältnismäßigkeit des Feindstrafrechts

zur Verfügung stehen. Beispielsweise stellen sich offene gegenüber heimlichen


Ermittlungsmethoden als weniger einschneidend dar, da dem Betroffenen ge-
gen verdeckte Informationseingriffe kaum effektiv nutzbare Rechtsbehelfe zur
Verfügung stehen. 1278 Allerdings eröffnen offene Ermittlungsmethoden nicht die
gleichen Möglichkeiten zur Informationsgewinnung. Gerade im Bereich der Or-
ganisierten und Drogen-Kriminalität oder auch des Terrorismus wird in der Regel
konspirativ vorgegangen. Unbekannten und Milieu-Externen werden keine Infor-
mationen anvertraut, so dass das Einschleusen eines Kontaktmannes, die heimliche
Datenüberwachung und Beobachtung oftmals die einzige Chance eröffnet, einen
Fahndungserfolg zu verbuchen oder gar eine Straftat zu verhindern.
Gleichfalls erfüllen Ermittlungsmaßnahmen wie etwa der Datenabgleich und
die Raster- oder Schleppnetzfahndung (§§ 98a, b, c; 163d Abs. 2 S. 1 StPO) das
Erforderlichkeitsgebot. Zwar betreffen sie üblicherweise eine große Anzahl an
Personen in ihren Grundrechten und sind daher als sehr eingriffsintensiv ein-
zustufen. Gleichwohl ermöglichen es derartige Maßnahmen, selbst in dem Fall
(potentielle) Täter zu überführen, dass keine näheren Anhaltspunkte auf die Täter-
persönlichkeit hindeuten und die Sozialkontakte unbekannt sind. Auch der Einsatz
verdeckter Ermittler, der zumindest auf eine konkret tatverdächtige Zielperson
gerichtet ist, ist in einem solchen Fall mangels tatsächlicher, an eine Person an-
knüpfender Anhaltspunkte weniger erfolgsversprechend. Besteht beispielsweise
der konkrete Verdacht, dass unbekannte Täter ein Bombenattentat planen, muss
ein anderer Anknüpfungspunkt als eine konkrete Person gefunden werden, um
effektiv Rechtsgüter zu schützen. Der zu überprüfende, potentielle Täterkreis wird
dann etwa im Rahmen der Rasterfahndung ausgedehnt und ermöglicht es oder
bietet zumindest die Chance, Verdächtige aus der breiten Masse herauszufiltern.
Die Rechtsprechung bejaht ferner auch das Erfordernis des „agent provocateurs“
zur effektiven Kriminalitätsbekämpfung. 1279 Zwar stellt sich das bloße Abwarten
der Ermittlungsbehörden auf die Tatbegehung des Täters als milderes Mittel zur
Tatprovokation dar. Wird dem Täter jedoch freie Hand gelassen, geht von ihm
eine größere Bedrohung aus, da er – anders als in den Lockspitzelfällen – nicht
oder jedenfalls nur in geringerem Umfang der staatlichen Kontrolle unterliegt.
Darüber hinaus kann der Lockspitzel als erforderlich angesehen werden, um das
Wesen des (potentiellen) Täters aufzuzeigen beziehungsweise um gefährliche
Täter auszusondern.
Die Beispiele dürften genügen, um zu verdeutlichen, dass die Erweiterung straf-
prozessualer Befugnisse in der Regel den Erforderlichkeitsgrundsatz erfüllen. Sie
stellen – ebenso wie die Einschränkung von Prozessrechten (z. B. Kontaktsperre,

1278
Vgl. auch Schuster, F. P.: Verwertbarkeit im Ausland gewonnener Beweise im
deutschen Strafprozess 2006, S. 108; Wolter, J.: GA 1988, 49 ff., 85 f. m.w. N.
1279
Siehe hierzu oben Kapitel 2 C.II.3.b).
B. Die Zweckmäßigkeit des Feindstrafrechts 251

Einschränkungen der Öffentlichkeit des Verfahrens etc.) eine zusätzliche Option


dar, derer sich in bestimmten Fällen bedient werden kann. Ob in der jeweiligen Si-
tuation die Maßnahme darüber hinaus tatsächlich angebracht, also erforderlich ist,
ist im Rahmen einer konkreten Erforderlichkeitsprüfung (im Rahmen der Verhält-
nismäßigkeit strafprozessualer Maßnahmen) erneut zu überprüfen und kann nur
von entsprechenden Kriminaltaktikern beantwortet werden. Dies ändert jedoch
nichts an der Tatsache, dass die benannten strafprozessualen Maßnahmen generell
den zur Verfügung stehenden Handlungsspielraum erweitern, dadurch effektiver-
en Rechtsgüterschutz ermöglichen und daher grundsätzlich den Anforderungen
an die Erforderlichkeit genügen.

d) Bekämpfungsgesetzgebung

Grundsätzlich übersteht das „Bekämpfungsgesetz“ als Betitelung solchen Nor-


men, die der Bekämpfung bestimmter Kriminalitätsformen dienen und entspre-
chende Schärfungen des materiellen sowie prozessualen Straf- und sonstigen
Rechts beinhalten. Die Schärfungen weisen dabei regelmäßig die oben genann-
ten, nach Jakobs feindstrafrechtlichen Normmerkmale (Vorverlagerungen, hohe
Strafrahmen, erweiterte prozessuale Eingriffsbefugnisse) auf, deren generelle
Erforderlichkeit zuvor schon bejaht wurde. In der Konsequenz stellt sich die
Bekämpfungsgesetzgebung ihrem Inhalt nach ebenfalls als erforderlich dar.
Da allerdings gerade der Bekämpfungsgesetzgebung über den Zweck der tat-
sächlichen Feindbekämpfung und den dadurch bewirkten Rechtsgüterschutz wie
auch der kausal bedingten staatlichen Stabilisierung hinaus noch symbolische In-
tentionen 1280 anhaften, stellt sich die Frage, ob die Betitelung eines Legislativaktes
als „Gesetz zur Bekämpfung von ...“ und entsprechend harte Gesetzesbegründun-
gen 1281 in Bezug auf die mögliche Symbolwirkung ebenfalls erforderlich sind. Die
kriegerisch anmutende Ausdrucksweise kann zu einer Stigmatisierung bestimm-
ter Täter(gruppen) führen, die durch den Gebrauch weniger militanter Termini
vermieden werden könnte. Danach ist etwa die Betitelung eines Gesetzes als
„Gesetz gegen ...“ statt „Gesetz zur Bekämpfung von ...“ milderes Mittel. Al-
lerdings kann ein eher neutral klingendes Gesetzesvorhaben gerade nicht gleich
wirksam die symbolischen Wirkungen erzielen, die die Bekämpfungsgesetzge-
bung zumindest konkludent miterzeugt (Abgrenzung, Publizität, Vereinfachung
und Sicherheitsfiktion).
Der Gesetzgeber könnte aber die Bevölkerung hinsichtlich bestimmter Bedro-
hungslagen und besonders gefährlicher Täter durch entsprechende Öffentlichkeits-
arbeit und Aufklärungskampagnen sensibilisieren statt auf die stigmatisierende

1280
Siehe hierzu oben Kapitel 3 B.I.2.b).
1281
Vgl. Kapitel 2 B.III.2.
252 Kap. 3: Zweck- und Verhältnismäßigkeit des Feindstrafrechts

Symbolfunktion der Bekämpfungsgesetzgebung zurückzugreifen. Freilich ist je-


doch weder gewiss, ob dieses Mittel milder ist, da auch öffentliche Informationsvor-
gänge eine Stigmatisierung bedingen können, so dass dem Gesetzgeber bezüglich
der Erforderlichkeit ohnehin ein Prognosespielraum zuzusprechen ist. 1282 Noch
steht sicher fest, ob diesem Mittel die gleiche Eignung zur Aufklärung und Werte-
verständigung zukommt. Vielmehr lässt sich eine Stigmatisierung normalerweise
nicht vermeiden, wenn dem Gesetz zugleich eine Abgrenzungsfunktion zukommt,
um der Gesellschaft über eine Negativ-Identifikation das eigene Gesellschaftsbild
zu vergegenwärtigen. Darüber hinaus ist im Rahmen der Erforderlichkeit auch der
ökonomische Mehraufwand zu berücksichtigen 1283, mit dem Öffentlichkeitsarbeit
verbunden ist.
Folglich ist ein Bekämpfungsgesetz hinsichtlich seiner Symbolwirkung allen-
falls dann nicht erforderlich, wenn gar keine, über das übliche Maß 1284 strafrecht-
licher Symbolik hinausgehende Symbolwirkung erreicht werden soll. Da jedoch
durch ein Bekämpfungsgesetz in der Regel besonders nachdrücklich auf spezielle
Gefährdungslagen hingewiesen oder das gesellschaftliche Werteverständnis und
die Gesellschaft als Kollektiv intensiviert werden soll, ist die Erforderlichkeit auch
in Hinsicht auf die Symbolwirkung grundsätzlich gegeben.

2. Erforderlichkeit eines dualistischen Strafrechtssystems

Die einzelnen Merkmale der aktuellen Strafgesetzgebung, die der Definition


des Feindstrafrechts bei Jakobs entsprechen, sind damit grundsätzlich erforderlich
zur Bekämpfung bestimmter Kriminalitätsphänomene. Fraglich ist allerdings,
ob auch das dualistische Strafrechtsmodell, das Jakobs durch die Absonderung
des Bürgerstrafrechts vom Feindstrafrecht konzipiert, ein erforderliches Mittel
für einen Staat darstellt, um sich bestimmter Täter zu erwehren und effektiv
Rechtsgüterschutz sowie staatliche Stabilität zu gewährleisten.

a) Theoretische Notwendigkeit des Dualismus


von Bürger- und Feindstrafrecht bei Jakobs

Nach der Konzeption von Jakobs dient das als Bürgerstrafrecht bezeichnete her-
kömmliche Strafrecht bekanntermaßen einzig der Einübung in Normanerkennung
als Ausformung der positiven Generalprävention. Weitere Strafzwecke verfolgt
das Strafrecht nach Jakobs nicht. Insbesondere stellt sich danach – entgegen
der herrschenden Auffassung 1285 – der Rechtsgüterschutz nicht als Aufgabe des

1282
Zum Ermessensspielraum des Gesetzgebers vgl. schon Kapitel 3 B.II. und III.,
insbesondere Fn. 1264.
1283
BVerfGE 30, 292 ff., 319.
1284
Vgl. hierzu oben Fn. 1207 sowie Kapitel 3 II.2.b).
B. Die Zweckmäßigkeit des Feindstrafrechts 253

(Bürger-)Strafrechts dar: Stelle man lediglich auf den Schutz von Rechtsgütern
ab, werde „der Täter [...] nur dadurch definiert, dass er dem Rechtsgut gefährlich
werden kann [...].“ Er „ist nur Gefahrenquelle, mit anderen Worten, Feind des
Rechtsgutes.“ 1286
Liegt die Zielsetzung einer Norm aber nun gerade im Schutz von Rechts-
gütern vor gefährlichen Tätern, sind die entsprechenden Vorschriften nach der
theoretischen Grundkonzeption von Jakobs nicht mit dem Strafzweck des Bürger-
strafrechts vereinbar. Folglich ist eine Norm, die Rechtsgüterschutz und eben nicht
die Einübung in Normanerkennung verfolgt, zwingend einer anderen Rechtska-
tegorie als dem Bürgerstrafrecht zuzuordnen. Die Notwendigkeit eines separaten
Sonderrechts – mag man es Feindstrafrecht, Gefährdungs-, Sicherheits- oder
auch Notstandsrecht nennen – ergibt sich danach von selbst: Die beiden Straf-
rechtsstufen des Bürger- und Feindstrafrechts können aufgrund der divergierenden
Zwecksetzung nicht ein- und demselben Recht angehören; die Zweiteilung von
Bürger- und Feindstrafrecht ist daher nach dem theoretischen Konzept Jakobs
erforderlich. 1287

b) Praktische Notwendigkeit eines


Dualismus von Bürger- und Feindstrafrecht

Der bei Jakobs konzeptionsbedingte Dualismus von Bürger- und Feindstraf-


recht führt freilich zu Problemen: Weder kann in jedem Fall exakt bestimmt
werden, ob ein Täter Feind oder Bürger ist, noch wird die Eigenart von Bürger-
und Feindstrafrecht als Idealtypus hinreichend berücksichtigt. Jakobs meint zwar
mit der Umschreibung des Feindstrafrechts als Idealtypus eher die Intensität des
Feindstrafrechts. Das Feindstrafrecht in seiner idealen Ausgestaltung bedeutet da-
nach die absolute Entrechtlichung des Feindes und ist damit de facto Kriegsrecht,
in dem alles erlaubt ist. Jakobs scheint im Rahmen seiner Zweiteilung jedoch zu
verkennen, dass nicht nur dem Feindstrafrecht, sondern auch dem Feindbegriff
Idealcharakter zukommt. Jakobs selbst sagt, dass der Feind nur in einigen Berei-
chen vollends vom Recht abgewandt ist. 1288 Idealerweise verhält sich ein Feind
aber eben in allen Lebensbereichen konträr zur Rechtsordnung. Daraus muss
geschlossen werden, dass gerade auch dem Feind ein idealtypischer Charakter
zufällt. Der Feind existiert damit nur in der Theorie – und vielleicht annähernd im
Kriegsrecht – als absolute Größe, nicht aber in der strafrechtlichen (!) Praxis, so

1285
Vgl. bereits Fn. 138.
1286
Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 751 ff., 752 f.
1287
Vgl. auch Demetrio Crespo, E.: ZIS 2006, 413 ff., 420; Feijoo Sánchez, B.: Jakobs-
FS 2007, S. 75 ff., 78 ff.; Neumann, U. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006,
S. 299 ff, 306 f.
1288
Vgl. bereits Kapitel 1 A.I.2.a)bb)(1).
254 Kap. 3: Zweck- und Verhältnismäßigkeit des Feindstrafrechts

dass es – ebenso wie beim Feindstrafrecht – Abstufungen und Mischformen im


Rahmen eines Feindcharakters geben kann. 1289 Danach ist der Übergang zwischen
Bürger und Feind – unabhängig von den Zuordnungs- und Prognoseschwierigkei-
ten, denen der Feindbegriff ohnehin unterliegt – fließend.
Für die Erforderlichkeit ergibt sich daher folgendes: Im Rahmen strafrecht-
licher Symbolik mag es nützen und auch erforderlich sein, den zweistufigen
Charakter beizubehalten. Gerade die Abgrenzungs- und die Vereinfachungsfunk-
tion des Feindstrafrechts machen sich das Schwarz-Weiß-Denken zunutze, um auf
bestimmte Bedrohungslagen aufmerksam zu machen und das gesellschaftliche
Werteverständnis zu prägen. Dagegen wäre es aufgrund der Komplexität unmög-
lich, auch alle Graustufen der Farbskala, also sämtliche Mischformen von Bürger
und Feind symbolisch darzustellen und diese der Gesellschaft zu vermitteln.
Nicht erforderlich ist der Dualismus von Feind- und Bürgerstrafrecht dahinge-
gen in Bezug auf den Rechtsgüterschutz und die staatliche Stabilisation durch den
tatsächlichen Abbau von Bedrohungslagen. Da der gefährliche Täter strafrechtlich
eben kein idealer Feind ist, sondern ein tendenzieller Feind, bedarf es keines
separierenden Sonderrechts, weil dem tendenziellen Feind wenigstens auch ein
Minimum bürgerlicher Eigenschaften anhaftet. Es entspricht daher vielmehr dem
mildesten Mittel bei gleicher Eignung, Bürger- und Feindstrafrecht als strafrecht-
liche Einheit zu behandeln und bei Bedarf auf das eine oder das andere zugreifen
zu können, um gerade auch den Mischformen gerecht zu werden, die sich zwi-
schen Bürger- und Feindstatus bewegen. Ein einheitliches Strafrecht mit bürger-
und feindstrafrechtlichen Normelementen wird derartigen Tätermischformen im
Einzelfall eher gerecht, weil es sich diesen tendenziell anpassen kann, indem je
nach Notwendigkeit Bürger- oder Feindstrafrecht angewendet werden kann, ohne
dass sich der jeweilige Rechtsanwender für eine bestimmte Strafrechtsform ent-
scheiden muss. Müsste der Täter dagegen zwingend kategorisiert werden, also
seine Strafe entweder nach der einen oder nach der anderen Strafrechtsstufe aus-
gerichtet werden, ergibt sich folgendes Bild: Ein Täter, der gerade schon Feind
ist und der deshalb auf die Feindstrafrechtskategorie fällt, ist besonders schlecht
gestellt im Vergleich zu demjenigen, der gerade noch Bürger ist und daher im
Bürgerstrafrecht platziert wird. Obwohl sich beide Täter annähernd gleichen, wird
einer grundsätzlich als entrechtlichtes Individuum und der andere als Person
mit Bürgerrechten behandelt. Dabei wäre es doch milderes Mittel bei gleicher,
wenn nicht gar besserer Eignung, beide aus einem Strafrecht zu bestrafen und
ihnen damit grundsätzlich denselben Status zuzuschreiben, diesen aber je nach
Anwendungsnorm zu variieren, wenn es im Einzelfall erforderlich ist.
Im Übrigen dürfte sich durch ein einheitliches Strafrecht das Problem des „über-
flüssigen“ Feindstrafrechts 1290 relativieren. Die Verbrechensverabredung gemäß

1289
Vgl. auch Jung, H.: GA 2006, S. 724 ff., 726, der die Möglichkeit einer Entmischung
von Feind- und Bürgerstrafrecht von Vorneherein für illusorisch hält.
B. Die Zweckmäßigkeit des Feindstrafrechts 255

§ 30 StGB ist danach – entgegen Jakobs – kein überflüssiges Feindstrafrecht,


sondern vielmehr eine geeignete und erforderliche strafrechtliche Mischform
zum frühzeitigen Schutz von Rechtsgütern vor Verbrechen im Sinn des § 12
StGB. Darüber hinaus erspart ein Bürgerstrafrecht mit fließenden Übergängen zu
feindstrafrechtlichen Normtypen eine vorschnelle Kategorisierung jeglichen Be-
kämpfungsrechts (etwa gegen Umwelt- oder Wirtschaftskriminalität) zum Feind-
strafrecht, so dass im Ergebnis eine strafrechtliche Mischform aus bürger- und
feindstrafrechtlichen Komponenten weniger Adressatenmängel aufweist als ein
separates Zwei-Stufen-Strafrecht aus Bürger- und Feindstrafrecht.
Da also ein zugleich auf Normerhalt und Rechtsgüterschutz angelegtes Straf-
recht mit fließendem Übergang zur präventiven Verbrechensbekämpfung den
unterschiedlichen Tätermischformen im Einzelfall eher gerecht wird, ist die die
Absonderung des Bürgerstrafrechts vom Feindstrafrecht nicht erforderlich.

3. Ergebnis zur generellen Erforderlichkeit des Feindstrafrechts

In Bezug auf die einzelnen Merkmale, die von Jakobs als feindstrafrechtlich in-
terpretiert werden, kommen bisweilen mildere Mittel in Betracht. Gleichwohl stel-
len sich Interna berücksichtigende Strafbarkeitsvorverlagerungen, zur Tatschuld
unproportionale Strafrahmen, erweiterte Prozessualbefugnisse und Bekämpfungs-
gesetzgebung in ihrer Gesamtwirkung als effektiver dar, Rechtsgüter zu schützen
und den Staat zu stabilisieren. Insbesondere bieten sich auch keine außerstraf-
rechtlichen Alternativen, deren gleiche Wirkung bei weniger Eingriffsintensität
gesichert feststünde. Abstrakt gesehen, stellen sich beispielsweise spezielle Notver-
ordnungen, die Einführung eines Notstandsparagraphen in die Verfassung oder die
Ausrufung des Kriegszustandes mit entsprechend geltendem Kriegsrecht wesent-
lich drastischere Maßnahmen dar, als der Versuch, bestimmte Problemlagen mit
strafrechtlichen Mitteln in den Griff zu bekommen. Gleichwohl sind mildere Mit-
tel, wie etwa Kulturdialoge, Kommunikations- und Integrationsförderung zur Vor-
beugung von Terrorismus und Extremismus selbstverständlich zu empfehlen 1291;
deren Wirkungen hängen jedoch wesentlich von der Verständigungsbereitschaft
der Gegenpartei ab. Dagegen werden strafrechtliche Maßnahmen und Sanktionen
einseitig durch den Staat ausgesprochen, so dass deren Effizienz nicht vom Mitwir-
kungswillen der Betroffenen abhängt. Die feindstrafrechtlichen Normmerkmale
entsprechen also grundsätzlich den Anforderungen an die Erforderlichkeit im Rah-
men der Verhältnismäßigkeitsprüfung. Darüber hinaus enthält diese Feststellung
aber natürlich keine Wertung über die rechtspolitische Notwendigkeit derartiger
Strafschärfungen de lege lata oder de lege ferenda.

1290
Vgl. oben Kapitel 2 B.V.3.
1291
Vgl. auch Kühne, H.-H.: Schwind-FS 2006, S. 103 ff., 104, 109.
256 Kap. 3: Zweck- und Verhältnismäßigkeit des Feindstrafrechts

Die Erforderlichkeit eines separaten Feindstrafrechts ist dagegen eher zu vernei-


nen. Zwar ermöglicht gerade die strikte Trennung von Bürger und Feind und damit
auch die Separierung von Bürger- und Feindstrafrecht symbolische Funktionen, die
anderweitig kaum erzielt werden können. Die strafrechtlichen Symbolwirkungen
sind jedoch grundsätzlich nachrangig zu den Zwecken des individuellen Rechtsgü-
terschutzes und der staatlichen Stabilisierung durch die effektive Bekämpfung von
Bedrohungslagen 1292, so dass es wenig überzeugend erscheint, allein hierauf die
Erforderlichkeit zu stützen. Im Hinblick auf den individuellen Rechtsgüterschutz
und die staatliche Stabilisierung durch die effektive Bekämpfung von Bedro-
hungslagen ist aber ein separates Sonderstrafrecht weniger anpassungsfähig als
ein Gesamtstrafrecht mit bürgerstrafrechtlich-repressiven und feindstrafrechtlich-
präventiven Elementen. Daher ist ein Strafrecht, dessen Normen einen Zugriff auf
beide Rechtsformen ermöglichen, aufgrund der geringeren Stigmatisierungswir-
kung und der besseren Anpassungsfähigkeit ein im konkreten Einzelfall milderes
Mittel bei (mindestens) gleicher Eignung im Vergleich zu einem abgesonderten
Feindstrafrecht.

C. Verfassungsmäßigkeit des Feindstrafrechts


Strafvorschriften müssen materiell im Einklang mit den Bestimmungen der
Verfassung stehen und den ungeschriebenen Verfassungsgrundsätzen sowie den
Grundentscheidungen des Grundgesetzes entsprechen. 1293 Zwar hat sich eine Ab-
spaltung des Feindstrafrechts vom Bürgerstrafrecht, wie sie die dualistische Kon-
zeption von Jakobs vorsieht, nach den obigen Darlegungen bereits als nicht
erforderlich erwiesen. In der Folge könnte sich eine Überprüfung der Verfas-
sungsmäßigkeit zumindest in Hinblick auf die Institutionalisierung eines vom
Bürgerstrafrecht unabhängigen Sonderstrafrechts gegen Feinde erübrigt haben, so
dass lediglich das einheitliche Strafrecht, das neben bürgerstrafrechtlichen auch
feindstrafrechtliche Regelungen zum Inhalt hat, an der deutsche Verfassung zu
messen wäre. Allerdings spricht nicht allein der Gesichtspunkt der Vollständigkeit
dafür, wenigstens hilfsgutachterlich auf die Verfassungsmäßigkeit eines separaten
Feindstrafrechts einzugehen. Vielmehr erscheint dies sogar vor dem Hintergrund
vorzugswürdig, dass anhand des wegen der Abspaltung vom Bürgerstrafrecht
eher idealtypisch ausgeprägten Feindstrafrechts die elementaren Abweichungen
von der geltenden Verfassung optimal aufgezeigt und dadurch auch die Gefahren,
denen der deutsche Rechtsstaat durch ein Feindstrafrecht ausgesetzt ist, besonders
eindringlich vor Augen geführt werden können.

1292
Vgl. oben Kapitel 3 B.II.2.b)dd).
1293
Ständ. Rsp. vgl. etwa BVerfGE 27, 18 ff., 30; 37, 201 ff., 212; 45, 272 ff., 289; 51,
60 ff., 74; 80, 244 ff., 255; 90, 145 ff., 173.
C. Verfassungsmäßigkeit des Feindstrafrechts 257

I. Wesentliche Verfassungsverstöße eines vom Bürgerstrafrecht


abgespalteten, idealtypischen Feindstrafrechts

Das zweistufige Modell des Bürger- und Feindstrafrechts von Jakobs ist nach
der Berliner Tagung „Die Deutsche Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausend-
wende“ (1999) bekanntermaßen in der Rechtswissenschaft anfangs zögerlich 1294,
dann jedoch zunehmend in die Kritik geraten, insbesondere auch in Bezug auf
geltendes Verfassungsrecht. Dabei werden Verstöße gegen die Menschenwürde ge-
mäß Art. 1 Abs. 1 GG 1295, den Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG 1296, das
Bestimmtheitsgebot nach Art. 103 Abs. 2 GG 1297, das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20
Abs. 3 GG) 1298, Art. 18 GG (Verwirkung von Grundrechten) 1299, das Grundrecht
auf Resozialisierung, Art. 101 GG (Unzulässigkeit von Ausnahmegerichten; keine
Entziehung des gesetzlichen Richters), Art. 19 Abs. 4 GG (Rechtsweggarantie)
sowie Art. 104 GG (Freiheitsentziehungsvoraussetzungen und Verbot der körper-
lichen Misshandlung) 1300 geltend gemacht. 1301
Allerdings wird von Jakobs gar nicht bestritten, dass sein Feindstrafrechtsmo-
dell nicht mit den geltenden Verfassungsprinzipien in Einklang steht. Vielmehr
begründete Jakobs schon auf der oben benannten Tagung das Erfordernis eines

1294
Vgl. hierzu oben Kapitel 1 E.I.
1295
Vgl. etwa Albrecht, P.-A.: ZStW 117 (2005), 852 ff., 852; Ambos, K.: ZStrR 2006,
1 ff., 26; Demetrio Crespo, E.: ZIS 2006, 413 ff., 419; Gössel, K. H.: F.-C. Schroeder-FS
2006, S. 33 ff., 42 f.; Hefendehl, R.: StV 2005, 156 ff., 160; Jahn, M.: Das Strafrecht des
Staatsnotstandes 2004, S. 236; Köhler zitiert bei Heger, M.: ZStW 117 (2005), 865 ff., 882;
Lehnert, M.: ForumRecht 2005, 96 ff., 100; NK-StGB-Paeffgen vor §§ 32 –35, Rn. 223; Neu-
mann, U. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 299 ff., 312 f.; Schneider,
H. / Morguet, G. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 335 ff., 342 ff.
1296
Siehe beispielsweise Lüderssen, K.: StV 2001, 718 ff., 720; Puppe zitiert von
Cornils, K. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende
2000, S. 427 ff., 430 f.; Schneider, H. / Morguet, G. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie
Ruhe 2006, S. 335 ff., 343 ff.
1297
Z. B. Ambos, K.: ZStrR 2006, 1 ff., 15 ff.; Aponte, A. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte
bewahren Sie Ruhe 2006, S. 131 ff., 145 ff.; Bielefeldt, H.: Policy Paper Nr. 4/2004, S. 10;
Dencker, F.: StV 1988, 262 ff., 263; Eser, A. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissen-
schaft vor der Jahrtausendwende 2000, S. 437 ff., 445; Frommel, M.: KritV 1990, 279 ff.,
282; Hefendehl, R.: StV 2005, 156 ff., 158, 160; Hörnle, T.: GA 2006, 80 ff., 89 ff., 95;
Lehnert, M.: ForumRecht 2005, 96 ff., 100; Schneider, H.: ZStW 113 (2001), 499 ff., 513;
Schünemann, B.: GA 2001, 205 ff., 212.
1298
Insbesondere werde gegen die aus dem Rechtsstaatsprinzip hergeleitete Unschulds-
vermutung verstoßen, vgl. Bielefeldt, H.: Policy Paper Nr. 4/2004, S. 10; Lehnert, M.:
ForumRecht 2005, 96 ff., 100; Schünemann, B.: GA 2001, 201 ff., 205, 211; ders.: Nehm-
FS 2006, S. 219 ff., 226; Schulz, L.: ZStW 112 (2000), 653 ff., 660.
1299
Hierzu Jahn, M.: Das Strafrecht des Staatsnotstandes 2004, S. 235 f., 526.
1300
Lehnert, M.: ForumRecht 2005, 96 ff., 99 f.
1301
Zu den geltend gemachten Verfassungsverstößen vgl. auch oben Kapitel 1 E.II.4.
258 Kap. 3: Zweck- und Verhältnismäßigkeit des Feindstrafrechts

separaten Feindstrafrechts damit, dass „Rechtlichkeit und Sicherheit [...] nun


einmal nicht dasselbe“ sind und daher eine „rechtsstaatlich bestimmte Strafe
bereichsweise zu wenig ist“. 1302 Auch seinen jüngst erschienen Aufsatz „Feind-
strafrecht? – Eine Untersuchung zu den Bedingungen von Rechtlichkeit“ leitete
Jakobs mit den Worten ein:
„Der political correctness entspricht das, was ich sagen werde, nicht. Politically correct
ist es, in jedem Menschen in jeder Hinsicht eine Person und in jeder Person einen
Rechtsgenossen sehen zu wollen, correct genauer: eine Rechtsgenossin oder einen
Rechtsgenossen, ausgestattet mit sogenannten Menschenrechten; aber in diesem Vortrag
geht es um die Bedingungen von Rechtlichkeit und damit – wenn die Bedingungen
fehlen – zugleich um die Grenzen von Rechtlichkeit. Die postulierte Welt des Korrekten
mag solche Grenzen nicht kennen; die wirkliche Welt kennt sie.“ 1303
Das (ideale) Feindstrafrecht bei Jakobs findet seinen Ausgangspunkt also gera-
de unabhängig von den Werten, die durch Rechtsstaat und Verfassung vorgegeben
sind, sondern erklärt sich vielmehr aus praktischen Effizienzüberlegungen, die
Jakobs rechtstheoretisch einzubetten versucht, wobei die Herleitung, wie oben
gezeigt, nicht immer überzeugt. 1304 Jedenfalls stellen sich danach verfassungsrecht-
liche Zusicherungen als Hemmnis einer effektiven Bekämpfung des Feindes dar,
so dass es nicht verwundert, dass Jakobs bereits in dem Vorwort seiner Abhand-
lung „Norm, Person, Gesellschaft“ hervorhob, es sei durchaus „als Programm“
zu verstehen, dass der Begriff „Menschenwürde“ in seinen rechtsphilosophischen
Ausführungen nicht vorkommen werde. 1305

1302
Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausend-
wende 2000, S. 47 ff., 49 f.
1303
Jakobs, G.: HRRS 8 – 9/2006, 289 ff., 289.
1304
Jakobs gelingt es zwar durchaus, bestimmte Tendenzen im gegenwärtigen Strafrecht
aufzuzeigen. Unabhängig von der Richtigkeit der theoretischen Herleitung durch Berufung
auf bestimmte Autoritäten wie Kant, Hobbes, Fichte etc. (Kritik etwa bei Albrecht, P.-
A.: ZStW 117 (2005), 852 ff., 858; Arnold, J.: HRRS 8 –9/2006, 303 ff., 305 ff.; Bung,
J. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 249 ff., 263 f.; Schünemann,
B.: Nehm-FS 2006, S. 219 ff., 222 ff.; dagegen Jakobs rechtsphiliosophisch unterstützend:
Pérez del Valle, C.: Jakobs-FS 2007, S. 515 ff.) sind aber jedenfalls die Ausführungen
Jakobs über das prozessuale Feindstrafrecht in Hinsicht auf den physischen Zwang unzu-
reichend [siehe hierzu Kapitel 1 B.V.3.a)]. Zudem berücksichtigt Jakobs in Bezug auf
die prognostizierte Alternativenlosigkeit des Feindstrafrechts nicht genügend, dass auch
der Feind ein Idealtypus ist, so dass eine Abspaltung aufgrund der Mischformen weder
eine optimale Bekämpfung bestimmter Bedrohungslagen im Einzelfall gewährleistet noch
im verfassungsrechtlichen Sinne erforderlich ist [vgl. oben Kapitel 3 B.III.2.b)]. Darüber
hinaus stoßen Jakobs Ausführungen zur Selbstexklusion des Feindes auf durchgreifende
Bedenken, wie noch zu zeigen sein wird [dazu unten Kapitel 3 C.I.1.a)].
1305
Jakobs, G.; Norm, Person, Gesellschaft 1999, Vorwort. Sein Schüler Lesch geht
sogar soweit und nennt die Menschenwürde eine bloße, „pathetische“ und „amorphe
Beschwörungsformel“, durch die nach dem „Zusammenbruch des Dritten Reiches die
früheren funktionalen Erklärungsformeln“ ersetzt wurden (Lesch, H. H.: ZStW 111 (1999),
624 ff., 644).
C. Verfassungsmäßigkeit des Feindstrafrechts 259

Da die Menschenwürdegarantie des Art. 1 Abs. 1 GG jedoch nicht zuletzt auf-


grund der durch die Ewigkeitsklausel des Art. 79 Abs. 3 GG gewährleisteten
Unabänderbarkeit einen besonderen Stellenwert in der Verfassung beziehungs-
weise sogar den obersten Wert der freiheitlichen Demokratie 1306 einnimmt, soll
nachfolgend der Verstoß gegen Art. 1 Abs. 1 GG durch das zweistufige Modell
eines Strafrechts gegen Bürger und Feinde nach Jakobs nachgezeichnet werden.
Dabei lohnt insbesondere auch die von Jakobs behauptete Selbstexklusion 1307 des
Feindes aus der Gesellschaft einer näheren Überprüfung. Des Weiteren soll die
Diskrepanz zwischen dem Jakobsschen Feindstrafrecht und dem Bestimmtheits-
grundsatz gemäß Art. 103 Abs. 2 GG aufgezeigt werden, um zu vergegenwärtigen,
auf welche praxisrelevanten Differenzierungsprobleme die theoretische Zweitei-
lung in ein Feind- und Bürgerstrafrecht stößt.

1. Der Verstoß gegen die


Menschenwürdegarantie des Art. 1 Abs. 1 GG

Nach Art. 1 Abs. 1 S. 1 GG ist die Würde des Menschen unantastbar. Dabei
umfasst die Menschenwürde den sozialen Wert- und Achtungsanspruch, der dem
Menschen wegen seines Menschseins zukommt. 1308 Ein Verstoß gegen dieses Ge-
bot liegt nach der Objektformel von Dürig, die in zahlreichen Entscheidungen des
Bundesverfassungsgerichts übernommen wurde 1309, dann vor, wenn der konkrete
Mensch zum Objekt, zu einem bloßen Mittel, zur vertretbaren Größe herabgewür-
digt wird. 1310 Ein Täter darf insofern keiner Behandlung ausgesetzt werden, die
seine Subjektqualität prinzipiell in Frage stellt oder die im konkreten Fall als eine
willkürliche Missachtung des Menschen erscheint. 1311
Danach stößt bereits das Bürgerstrafrecht in der theoretischen Konzeption von
Jakobs auf Bedenken. 1312 Indem Jakobs nämlich als alleinigen Strafzweck eine

1306
BVerfGE 5, 85 ff., 204; vgl. auch BVerfGE 24, 119 ff., 144; 27, 1 ff., 6; 35, 202 ff.,
221; 37, 57 ff., 65; BVerfG NJW 1969, 1707 f., 1707; vgl. etwa auch Enders in Berliner
Kommentar zum GG 2006, Art. 1 Rn. 1, 18, 53; Kopp, F.: Obermayer-FS 1986, S. 53 ff.,
60.
1307
Vgl. etwa Jakobs, G.: HRRS 8 – 9/2006, 289 ff., 293 f.
1308
BVerfGE 87, 209 ff., 228; vgl. auch BVerfGE 27, 1 ff., 6.
1309
Z. B. BVerfG NJW 1969, 1707 f., 1707 m.w. N.; BVerfGE 45, 187 ff., 228; 87,
209 ff., 228.
1310
Dürig, G.: AöR 81 (1956), 117 ff. Vgl. darüber hinaus auch Darstellung bei Enders,
C.: Die Menschenwürde in der Verfassungsordnung 1997, S. 132 f.
1311
BVerfGE 30, 1 ff., 26.
1312
Zur Problematik eines möglichen Verstoßes der Generalprävention gegen die Men-
schenwürde, vgl. Badura, P.: JZ 1964, 339 ff.; Neuß, F.: Der Strafzweck der Generalprä-
vention im Verhältnis zur Würde des Menschen 2001, S. 158 ff. Zur Vernachlässigung
der Subjektsqualität im Rahmen des als generalpräventive Zuschreibung ausgestalteten
260 Kap. 3: Zweck- und Verhältnismäßigkeit des Feindstrafrechts

Variante 1313 der positiven Generalprävention zulässt, zeugt das strafrechtliche Kon-
strukt von einer zunehmenden Abkehr von der Person des Straftäters zugunsten
abstrakter Bedürfnisse des „Systems“. In diesem System stellt die Straftat des
Bürgers einen Angriff auf die Normgeltung dar, mit der Folge, dass der Strafe
die Funktion zukommt, zu demonstrieren, dass die Norm als Orientierungsmuster
sozialer Beziehungen nach wie vor maßgeblich ist. Adressat der Einwirkung ist
damit nicht mehr der individuelle Straftäter, sondern ausschließlich 1314 die Ge-
sellschaft. Der einzelne Straftäter hat in diesem System lediglich die Funktion,
einen Prozess in Gang zu setzen, an dessen Ende die Einübung in Normanerken-
nung beziehungsweise die Bekräftigung der normativen Identität der Gesellschaft
steht. Er wird insofern zum bloßen Mittel degradiert und für die Zwecke des
Gemeinwohls instrumentalisiert. 1315
Diese bei Jakobs systembedingte Reduzierung des Täters auf ein Objekt, das
im Bürgerstrafrecht einem staatlichen Demonstrationszweck dient, wird im Feind-
strafrecht perfektioniert 1316, indem der Täter als „Unperson“ betrachtet wird, „die
sich vermutlich dauerhaft vom Recht abgewendet“ hat 1317 beziehungsweise sich
„wie der Satan“ 1318 aufführt. Der Feind ist nach der Grundkonzeption Jakobs
kein Gesellschaftsmitglied und hat daher keine bürgerliche Rechtsposition inne.
Mithin stehen ihm auch keine Prozess- oder Grundrechte zu, auf die er sich im
Strafverfahren berufen kann. Der Feind wird vielmehr als „Gefahrenherd“ und
„Sicherheitsproblem“ 1319 gesehen, der „auszuschalten“ beziehungsweise „kaltzu-
stellen“ 1320 ist. Seine Behandlung durch den Staat richtet sich dementsprechend
nach reinen Zweckmäßigkeitsüberlegungen. 1321 Bei der Sicherung des Feindes

Schuldbegriffs bei Jakobs vgl. ferner z. B. Roxin, C.: Strafrecht AT 2006, § 19 Rn. 33 ff.;
Schenck, M. v. in: Institut für Kriminalwissenschaften und Rechtsphilosophie Frankfurt
a. M. (Hrsg.): Jenseits des rechtsstaatlichen Strafrechts 2007, S. 471 ff., 489.
1313
Vgl. hierzu bereits Kapitel 1 A.I. c)aa): In neueren Publikationen (Jakobs, G.:
ZStW 107 (1995), 843 ff., 844 f.; ders.: GA 1997, 553 ff., 553; ders. in: Kodalle, K.-M.
(Hrsg.): Strafe muss sein 1998, S. 29 ff., 32 ff., 39 f.; ders.: Norm, Person, Gesellschaft
1999, S. 80 ff., 98 ff., 106 f.; vgl. hierzu auch Lesch, H. H.: JA 1994, 590 ff., 598; Pawlik,
M.: Person, Subjekt, Bürger 2004, S. 62 ff.) will Jakobs den Strafzweck der Einübung in
Normanerkennung nicht im empirischen Sinne als positive Generalprävention, sondern
symbolisch verstanden wissen (vgl. NK-StGB-Paeffgen vor §§ 32 –35, Rn. 217; Schnei-
der, H.: Kann die Einübung in Normanerkennung die Strafrechtsdogmatik leiten? 2004,
S. 79 ff.).
1314
So auch NK-StGB-Paeffgen vor §§ 32 – 35, Rn. 217.
1315
Schneider, H. / Morguet, G. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006,
S. 335 ff., 339 ff.
1316
Vgl. schon Schneider, H. / Morguet, G. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie
Ruhe 2006, S. 335 ff., 339.
1317
Jakobs, G. in: Eser / Hassemer / Burkhardt (Hrsg.): Die Strafrechtswissenschaft vor
der Jahrtausendwende 2000, S. 47 ff., 52 f.
1318
Jakobs, G.: Staatliche Strafe 2004, S. 41.
1319
Jakobs, G.: ZStW 117 (2005), 839 ff., 842.
C. Verfassungsmäßigkeit des Feindstrafrechts 261

geht es damit nicht mehr um den Umgang mit einer Person, sondern der (potenti-
elle) Täter wird quasi einem wilden Tier gleichgesetzt. 1322
Eine solche Betrachtungsweise verstößt offensichtlich gegen die Objektfor-
mel. 1323 Der Täter erscheint im Rahmen des Feindstrafrechts als bloßes Objekt
im staatlichen Strafverfolgungsszenarium, wobei insbesondere auch durch die
Gleichstellung des Täters mit einem Tier der Menschenwürdestatus bestritten 1324
wird. Diese Degradierung des Feindes rechtfertigt sich unter Zugrundelegung des
Art. 1 Abs. 1 GG auch nicht etwa dadurch, dass dieser besonders gefährlich ist.
Schließlich wurde dem Grundgesetz vor allem aufgrund der Erfahrungen mit dem
Nationalsozialismus 1325 bewusst ein Menschenbild zugrunde gelegt und in zahlrei-
chen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts 1326 näher konkretisiert, das
Bezug auf die christlichen Vorstellungen vom Menschen und dessen Gotteben-
bildlichkeit nimmt 1327 und eine Differenzierung nach Eigenschaften, sozialem
Status, Leistung, Rasse, Anschauung oder Überzeugung verbietet. Entsprechend
besteht im verfassungsrechtlichen Schrifttum wie in der Rechtsprechung Einig-
keit über die durch die Menschenwürde verbürgte 1328 „absolute“ 1329 Gleichheit
aller Menschen (vgl. hierzu auch das aus Art. 1 Abs. 1 GG abgeleitete Gleich-
heitsgebot nach Art. 3 Abs. 1 GG 1330) 1331 und das hieraus resultierende Verbot der
Ausgrenzung von „Asozialen“ 1332 oder „Verbrechern“ 1333 aus dem persönlichen

1320
Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausend-
wende 2000, S. 47 ff., 53.
1321
Jakobs, G.: Norm, Person, Gesellschaft 1999, S. 109.
1322
Jakobs, G.: Staatliche Strafe 2004, S. 41; Pawlik, M.: GA 1998, 378 ff., 380.
1323
Vgl. auch Hefendehl, R.: StV 2005, 156 ff., 160; Jahn, M.: Das Strafrecht des
Staatsnotstandes 2004, S. 236; Schneider, H. / Morguet, G. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte
bewahren Sie Ruhe 2006, S. 335 ff., 342 ff.
1324
Vgl. Brugger, W.: JA 2006, 687 ff., 689.
1325
Vgl. etwa Enders in Berliner Kommentar zum GG 2006, Art. 1 Rn. 23.
1326
Vgl. nur BVerfGE 4, 7 ff., 15 f.; 12, 45 ff., 51; 24, 119 ff., 144; 28, 175 ff., 189; 30,
173 ff., 193; 32, 98 ff., 107 f.; 35, 202 ff., 225; 45, 187 ff., 227 f.; 50, 290 ff., 353.
1327
Dürig, G.: JR 1952, 259 ff., 260; Häberle, P.: Das Menschenbild im Verfassungsstaat
2005, S. 18, 19 f., 38 f. Fn. 98; ferner Brieskorn, N. in: Kraetzer, J. (Hrsg.): Das Menschen-
bild des Grundgesetzes 1997, S. 27 ff., 33; Heuser, S.: Menschenwürde. Eine theologische
Erkundung 2004, S. 258 ff.; Welker, M. in: Baldermann, I. u. a. (Hrsg.): Menschenwürde
2000, S. 247 ff.
1328
Pieper, A. in: Herms, E. (Hrsg.): Menschenbild und Menschenwürde 2001, S. 19 ff.;
22.
1329
Z. B. Martini, P.: Art. 3 Abs. 1 GG als Prinzip absoluter Rechtsgleichheit 1997,
S. 297; Kopp, F.: Obermayer-FS 1986, S. 53 ff., 61.
1330
Siehe zur Ableitung des Art. 3 Abs. 1 GG etwa Hofmann in Schmidt-Bleibtreu,
B. / Klein, F. (Begr.): Kommentar zum GG 2004, Art. 1 Rn. 9; Martini, P.: Art. 3 Abs. 1 GG
als Prinzip absoluter Rechtsgleichheit 1997, S. 139.
1331
Die Jakobsche Konzeption könnte freilich zu interessanten Konstellationen im
Bereich von aberratio ictus, error in persona oder vielmehr error in objecto führen: Da der
262 Kap. 3: Zweck- und Verhältnismäßigkeit des Feindstrafrechts

Gewährleistungsbereich grundrechtlicher Garantien. 1334 „Wo menschliches Leben


existiert, kommt ihm Menschenwürde zu; es ist nicht entscheidend, ob der Träger
sich dieser Würde bewusst ist und sie selbst zu wahren weiß. Die von Anfang
an im menschlichen Sein angelegten potentiellen Fähigkeiten genügen, um die
Menschenwürde zu begründen.“ 1335 Die Menschenwürde ist somit dauerhaft 1336
und geht selbst durch „unwürdiges Verhalten“ nicht verloren. 1337 Insofern darf
selbst ein gefährlicher Täter nicht zum bloßen Objekt der Verbrechensbekämp-
fung gemacht werden. 1338 Eine Unterscheidung zwischen Menschen oder in der
Terminologie Jakobs zwischen Bürgern und Feinden ist daher mit Art. 1 Abs. 1
S. 1 GG prinzipiell unvereinbar. 1339 Die Konstitutionalisierung eines separaten
Feindstrafrechts widerspricht gleichfalls Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG, der den Staat zum
Schutz der Menschenwürde verpflichtet.

a) Die Exklusion des Feindes

Das separate Feindstrafrecht ist also nicht mit Art. 1 Abs. 1 GG zu vereinbaren,
denn gegen den Feind wird zweckmäßig, ohne Berücksichtigung der im Menschen
per se angelegten Würde vorgegangen. Entsprechend regelt das Feindstrafrecht
nach Jakobs eine Exklusion 1340, nämlich den Ausschluss des Feindes aus der
Selbstverwaltung des Bürgers und damit nicht nur aus dem Anwendungsbereich

Feind danach wohl kein dem Bürger rechtlich gleichwertiger Mensch ist, würde der Täter
bei einer Verwechslung der Angriffsobjekte Bürger und Feind allenfalls aus Versuch und
Fahrlässigkeit bestraft werden können. Gleiches würde wegen der Ungleichwertigkeit der
Objekte für die aberratio ictus gelten (vgl. zu error in persona vel objecto und aberratio
ictus etwa Roxin, C.: Strafrecht AT 2006, § 12 Rn. 193 ff., 160 ff.; Wessels, J. / Beulke, W.:
Strafrecht AT 2006, Rn. 247 ff., 250 ff.).
1332
Vgl. Hofmann in Schmidt-Bleibtreu, B. / Klein, F. (Begr.): Kommentar zum GG
2004, Art. 1 Rn. 7; Pieper, A. in: Herms, E. (Hrsg.): Menschenbild und Menschenwürde
2001, S. 19 ff.; 21; BVerfGE 87, 209 ff., 228; vgl. auch Heuser, S.: Menschenwürde. Eine
theologische Erkundung 2004, S. 117.
1333
BVerfGE 35, 202 ff., 220, 235; 45, 187 ff., 227 f.; 72, 105 ff., 115; BVerfG NJW
1993, 3190 f., 3190.
1334
Schneider, H. / Morguet, G. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006,
S. 335 ff., 342 ff.
1335
BVerfGE 39, 1 ff., 41.
1336
Vgl. etwa Brieskorn, N. in: Kraetzer, J. (Hrsg.): Das Menschenbild des Grundgeset-
zes 1997, S. 27 ff., 34; Lehnert, M.: ForumRecht 2005, 96 ff., 100.
1337
BVerfGE 87, 209 ff., 228; vgl. auch Pieper, A. in: Herms, E. (Hrsg.): Menschenbild
und Menschenwürde 2001, S. 19 ff.; 21.
1338
Vgl. auch Gössel, K. H.: F.-C. Schroeder-FS 2006, S. 33 ff., 42 f.; Lehnert, M.:
ForumRecht 2005, 96 ff., 100; Neumann, U. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe
2006, S. 299 ff., 312 f.
1339
Schneider, H. / Morguet, G. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006,
S. 335 ff., 343.
C. Verfassungsmäßigkeit des Feindstrafrechts 263

des Bürgerstrafrechts, sondern aus der generellen Sphäre gesellschaftlich zugesi-


cherter Rechte, wobei der Umfang der rechtlichen Exklusion je nach Annäherung
an den Idealtypus divergieren kann. Allerdings ist diese Exklusion nach Jakobs
eine Selbstexklusion des Feindes, denn nicht der Staat entlasse den Feind aus der
Gesellschaft. Vielmehr exkludiere sich der Feind selbst, indem er die gesellschaft-
lichen Wertmuster nicht anerkennt:
„Meist wird der Betreffende wohl nur partiell in der Position eines Feindes stehen,
genauer, er wird sich dort hinstellen; denn Exklusion in einer freiheitlichen Gesellschaft
ist immer Selbstexklusion: Durch eine Verhaltensänderung könnte der Feind wieder zum
Bürger werden. Es verhält sich also nicht so, als lasse die Gesellschaft den Feind nicht
‚herein‘; er selbst hindert sein ‚Hineinkommen‘, weil er seine Bringschuld nicht leistet,
also nicht dafür sorgt, daß bei ihm rechtstreues Verhalten vermutet werden kann.“ 1341
Nimmt man mit Jakobs eine Selbstexklusion des Feindes an, ist fraglich, wonach
sich diese bestimmt. Auf den unbedingten Willen des Feindes zur Selbstexklusion
kann es dabei nicht ankommen, da der Feind es regelmäßig vorziehen wird 1342,
im Geltungsbereich bürgerstrafrechtlicher Befugnisse zu inkludiert bleiben. Al-
lerdings ist wohl zumindest das Wissen des Betroffenen vorauszusetzen, dass er
durch sein Verhalten die gesellschaftliche Rechtsordnung in einem bestimmten
Bereich vollkommen negiert und in der Folge als Feind behandelt werden kann.
Danach ist es beispielsweise schlüssig, dass ein Selbstmordattentäter, der durch
den Anschlag gerade die Erschütterung eines gesellschaftlichen Systems anstrebt,
um alle erforderlichen Tatsachen seiner totalen Absonderung von der gesellschaft-
lichen Ordnung weiß und sich daher selbst aus dem System ausschließt. Bei den
weniger eindeutigen Fällen wie beispielsweise der Organisierten Kriminalität
oder der Wirtschaftskriminalität, deren strafrechtliche Regulierung nach Jakobs
ebenfalls feindstrafrechtlichen Einflüssen unterliegt, dürfte es allerdings schwerer
fallen, dem Täter ein grundsätzlich vorhandenes Wissen von den Umständen, die
die Selbstexklusion begründen, zu unterstellen und erst recht, diese Kenntnis nach-
zuweisen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die wenig trennschar-
fen Oberbegriffe (Organisierte Kriminalität, Wirtschaftskriminalität, Terrorismus
etc.) gesellschaftlichen, politischen und historischen Wandlungsprozessen unter-
liegen, die es für den Einzelnen vielfach unmöglich machen nachzuvollziehen,
ob sein Verhalten aktuell unter die Definition feindlichen Verhaltens fällt oder
nicht. 1343 Eine Selbstexklusion des Feindes anzunehmen, ohne jedoch die Orientie-
rung an einer sicheren Tatsachengrundlage zu gewährleisten, nach der zweifelsfrei
bestimmbar ist, was feindlich ist und was nicht, ist zumindest fragwürdig. Viel-

1340
Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausend-
wende 2000, S. 47 ff., 53. Vgl. hierzu auch Kunz, K.-L.: Eser-FS 2005, S. 1375 ff., 1386.
1341
Jakobs, G.: HRRS 8 – 9/2006, 289 ff., 293 f.
1342
Vgl. Jakobs, G.: HRRS 8 – 9/2006, 289 ff., 294.
1343
Darauf wird noch im Rahmen der Untersuchung zu Art. 103 Abs. 2 GG zurückzu-
kommen sein (vgl. Kapitel 3 C.I.2.).
264 Kap. 3: Zweck- und Verhältnismäßigkeit des Feindstrafrechts

mehr muss dem Umstand, dass der Feind einem politischen Definitionsprozess
unterliegt, größere Bedeutung beigemessen werden, als dies bei Jakobs geschieht.
Jakobs erkennt zwar, dass die Gesellschaft durchaus selbst bestimmt, wer dem
Feindbegriff unterfällt:
„Das könnte dahin mißverstanden werden, der Verbrecher habe es in der Hand, sich durch
Wandlung zum Feind aus der bürgerlichen Gesellschaft zu verabschieden. So verhält
es sich freilich nicht: Die Gesellschaft entscheidet selbst, wer in sie eingeschlossen
ist und wer nicht, und – beiläufig – der Feind würde es wohl in der Regel vorziehen,
eingeschlossen zu bleiben. Zudem entscheidet die Gesellschaft, inwieweit sie ein- oder
ausschließt, und sie entläßt auch den hartnäckigen Verbrecher nicht aus seiner Pflicht,
kein Verbrechen zu begehen. – Was die Exklusion von den Rechten und in diesem
Sinn die Entrechtlichung angeht, so kann die Gesellschaft freilich ihre Entscheidung
nicht abgehoben von dem alltäglich Praktizierten und in dem Sinne von ihrer eigenen
Wirklichkeit treffen, wenn das Ergebnis zur Orientierung in eben dieser alltäglichen
Praxis taugen soll. Salopp gesprochen, eine abstrakt gedachte Gesellschaft kann zur
Person im Recht erklären, ‚wen, genauer: was (!) sie will‘, aber gerade diese ‚Beliebigkeit‘
nimmt ihr die Orientierungskraft in der alltäglichen Praxis. Eine wirklich stattfindende
Gesellschaft kommt um eine mehr oder weniger umfassende Exklusion der hartnäckigen
Gegner nicht herum.“ 1344

Jakobs zieht jedoch aus dieser Erkenntnis nicht die nötige Konsequenz: Wenn
die Gesellschaft, der Staat oder sonstige politischen Machtinhaber doch zuerst
wenigstens eine grobe Definition darüber treffen muss, wer Bürger und wer Feind
ist, dann basiert doch die gesamte Differenzierung auf einer politischen Entschei-
dung 1345, auf die der Betroffene gar keinen Einfluss hat. Eine reine Selbstexklusion
scheidet unter diesem Gesichtspunkt aber aus, wie Aponte zutreffend aufzeigt:
„Die Entscheidung über den Ausnahmezustand (und damit das Notstandsstrafrecht als
konkreter Ausdruck des Feindstrafrechts, Anm. d. Verf.) ist vor allem eine politische
Entscheidung, und womöglich noch mehr die Entscheidung darüber, wer denn das Ziel
der Notstandsnormen ist. Zwei Entscheidungen liegen also dem Feindstrafrecht als
politischem Strafrecht zugrunde: die Entscheidung über den Ausnahmezustand und die
Entscheidung darüber, gegen welchen Feind sich die Normen richten sollen.“
Aufgrund dieser beiden Entscheidungen, und vor allem aufgrund der zweiten, kann
man folgende Schlussfolgerung ziehen: Der Feind ist immer ein konstruierter Feind.
Es gibt immer eine Entscheidung über die Feindschaft und über den Feind. Dies ist
natürlich nicht nur eine besondere Eigenschaft im kolumbianischen Fall, sondern eine
ganz allgemeine. Der Notstand ist nicht nur mit dem Ausnahmezustand verbunden,
sondern auch mit Sondersystemen, wie zum Beispiel den Sondernormen gegen die
organisierte Kriminalität oder gegen den Terrorismus, die Ausnahmen zu den normalen
Spielregeln herstellen. [...] Es ist darum naiv zu glauben, dass der Feind vor allem

1344
Jakobs, G.: HRRS 8 – 9/2006, 289 ff., 294.
1345
Vgl. auch Aponte, A. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 131 ff.,
146 f.
C. Verfassungsmäßigkeit des Feindstrafrechts 265

derjenige ist, der sich wie ein Feind benimmt. Sicherlich benehmen sich Terroristen,
Selbstmordattentäter oder Kriegsverbrecher ganz extrem wie Kriminelle. Aber in einem
so diffusen Bereich wie den Normen gegen die organisierte Kriminalität, gegen den
Drogenhandel, Geldwäsche oder den Terrorismus wird der wirkliche Gehalt dieser
Normen und vor allem ihr Ziel von einer Entscheidung definiert. Der Feind ist nicht
unbedingt derjenige, der sich so benimmt, sondern der als solcher definiert wird.
Die von der Kriminologie entwickelte Kategorie der „Definitionsmacht“ kann in diesem
Zusammenhang weiterhelfen. Und jedes Land und jede Gesellschaft muss für sich
selbst herausfinden, wo die Zentren der Definitionsmacht sitzen. In Kolumbien ist es
ganz klar, dass im Zusammenhang mit dem Drogenhandel es nicht die Regierung ist,
die darüber entscheidet, was den Drogenhandel ausmacht und wer dazu gehört. Diese
Entscheidungen werden in Machtzentren getroffen, die nicht einmal in unserem Land
liegen.“ 1346

Danach wird der Feind primär exkludiert, nämlich von denjenigen Inhabern
politischer Macht, die den Feind auch definieren. Eine reine Selbstexklusion
kommt daher nicht in Betracht, sondern kann allenfalls im Zusammenspiel mit
der gesellschaftlichen Exklusion 1347 angenommen werden, wenn der Betroffene
in Kenntnis aller Umstände absichtlich die eigene Exklusion anstrebt, wie etwa
im oben benannten Beispiel eines durch den Anschlag das System anprangern-
den Selbstmordattentäters. Denn selbst in diesem Fall ist die Selbstexklusion des
Feindes nicht unabhängig von dem vorhergehenden Definitionsprozess zu sehen,
sondern die Möglichkeit der Selbstexklusion wird erst durch die der politischen
Entscheidung innewohnenden Exklusionswirkung eröffnet. Dabei macht es auch
keinen Unterschied, ob die Definitionsmacht bei einem freiheitlich organisierten
oder bei einem totalitären Staatsapparat liegt, da der aufgezeigte Definitionspro-
zess in beiden Rechtsordnungen durchlaufen werden muss, so dass es bei der
grundsätzlichen Abhängigkeit der Exklusion des Feindes von einer politischen
Entscheidung bleibt. Allerdings zeigt sich in einer totalitären Regierung die auf
der Definitionsmacht gründende Ausgrenzung des Feindes in der Regel deutlicher,
wie nachfolgend am Beispiel des Nationalsozialismus belegt werden soll.

aa) Die Exklusion von Feinden im Nationalsozialismus

An dieser Stelle soll nun auf einen Bereich Bezug genommen werden, der
bis jetzt bewusst gemieden wurde. Zur Zeit der absoluten Perversion des Rechts
durch den Nationalsozialismus 1348 wurden bereits dem Namen nach durch Son-
dergesetze, insbesondere im Bereich des Strafrechts, bestimmte Personen, die

1346
Aponte, A.: HRRS 8 – 9/2006, 297 ff., 299 f.
1347
Zur gesellschaftlich bewirkten Exklusion auch Günther, K.: Materialheft zur
30. Strafverteidigertagung 2006, 29 ff., 37 f.; Jasch, M. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte be-
wahren Sie Ruhe 2006, S. 267 ff., 276 ff.
266 Kap. 3: Zweck- und Verhältnismäßigkeit des Feindstrafrechts

nach der nationalsozialistischen Rassenlehre „Fremdvölkische“ 1349 waren, aus


dem Anwendungsbereich des „normalen“ Rechts exkludiert.

(1) Sonderstrafrecht gegen Juden


Zunächst stellt das Sonderstrafrecht gegen Juden, dessen Regelungen aufgrund
ihrer Anzahl nicht vollständig wiedergegeben werden können, offensichtlich eine
völlig irrationale Exklusion dar, die gar nicht auf einer tatsächlich feindlichen
Gesinnung der Betroffenen gegenüber dem Deutschen Reich beruhte. 1350
Nachdem etwa mit dem „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufbeamten-
tums“ vom 7. 4. 1933 1351 erste Schritte zur Entrechtung der Juden 1352 eingeleitet
wurden, wurde die Exklusion vor allem mit strafrechtlichen Mitteln vorangetrie-
ben. Das zu den Nürnberger (Rasse-)Gesetzen 1353 zählende „Blutschutzgesetz“
vom 15. 9. 1935 1354 stellte beispielsweise Eheschließungen und außereheliche Be-
ziehungen von „Deutschen“, wobei nach damaligem Verständnis eben nur nicht-
jüdische, „arische“ Deutsche dem Terminus unterfielen, und Juden unter Strafe
(§ 1 f. des Blutschutzgesetzes). 1355 Ergänzt wurde das Blutschutzgesetz durch das
ebenfalls auf dem Nürnberger Reichsparteitag am 15. 9. 1935 erlassene „Reichs-
bürgergesetz“ 1356, das in § 2 Abs. 1 bestimmte, dass „nur der Staatsangehörige
deutschen oder artverwandten Blutes, der durch sein Verhalten beweist, daß er

1348
Vollständige Darstellung bei Werle, G.: Justiz-Strafrecht und polizeiliche Verbre-
chensbekämpfung im Dritten Reich 1989, S. 57 ff. Zur NS-Strafrechtsgesetzgebung siehe
auch Hirsch, M. / Majer, D. / Meinck, J. (Hrsg.): Recht, Verwaltung und Justiz im National-
sozialismus 1997, S. 423 ff.
1349
Hirsch, M. / Majer, D. / Meinck, J. (Hrsg.): Recht, Verwaltung und Justiz im Natio-
nalsozialismus 1997, S. 488; Majer, D.: „Fremdvölkische“ im Dritten Reich 1981.
1350
Allerdings war die Sondergesetzgebung gegen „Staatsfeinde“, die allenfalls Feinde
ungerechter Machtentfaltung waren, nicht neu. So bedrohten etwa bereits im Kaiserreich
die „gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie“ das politische System, wor-
aufhin der Staat prompt mit dem „Gesetz zur Bekämpfung der gemeingefährlichen Sozial-
demokratie“ (RGBl. 1878 I, S. 351) reagierte (Albrecht, P.-A.: ZStW 117 (2005), 852 ff.,
853).
1351
RGBl. 1933 I, S. 175 f.
1352
§ 3 des Gesetzes entzog den Juden das Recht zur Ausübung öffentlicher Ämter,
vgl. Hirsch, M. / Majer, D. / Meinck, J. (Hrsg.): Recht, Verwaltung und Justiz im National-
sozialismus 1997, S. 299, 339.
1353
Zu den Nürnberger Gesetzen vgl. z. B. Hirsch, M. / Majer, D. / Meinck, J. (Hrsg.):
Recht, Verwaltung und Justiz im Nationalsozialismus 1997, S. 338 ff.
1354
„Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre“, RGBl. 1935 I,
S. 295.
1355
Vgl. auch Hirsch, M. / Majer, D. / Meinck, J. (Hrsg.): Recht, Verwaltung und Justiz
im Nationalsozialismus 1997, S. 488 f.
1356
RGBl. 1935 I, S. 1146; Darstellung bei Hirsch, M. / Majer, D. / Meinck, J. (Hrsg.):
Recht, Verwaltung und Justiz im Nationalsozialismus 1997, S. 340.
C. Verfassungsmäßigkeit des Feindstrafrechts 267

gewillt und geeignet ist, in Treue dem Deutschen Volk und Reich zu dienen“,
Reichsbürger ist. Die nachfolgenden Verordnungen zum Reichsbürgergesetz bein-
halteten unter anderem Definitionen beziehungsweise Fallgruppen von „Juden“,
„Geltungsjuden“ und „jüdischen Mischlingen“. 1357
Durch die „Verordnung gegen die Unterstützung der Tarnung jüdischer Gewer-
bebetriebe“ vom 22. 4. 1938 1358 wurde die bewusste Verschleierung „des jüdischen
Charakters eines Gewerbebetriebes zur Irreführung der Bevölkerung oder der Be-
hörden“ (§ 1 der Verordnung) ebenso wie der Abschluss eines Rechtsgeschäfts
für einen Juden, ohne dies dem anderen Teil offenzulegen (§ 2 der Verordnung),
mit Strafe belegt. Die „Verordnung zur Ausschaltung der Juden aus dem deut-
schen Wirtschaftsleben“ vom 12. 11. 1938 1359, die „Polizeiverordnung über das
Auftreten der Juden in der Öffentlichkeit“ vom 28. 11. 1938 1360 und die „Polizei-
verordnung über die Kennzeichnung der Juden“ vom 1. 9. 1941 1361 erlegten den
Juden schrittweise weitere Beschränkungen auf, vor allem in Form von Berufs-,
Vereinigungs-, Aufenthalts- und Fortbewegungsverboten. Verstöße wurden mit
Geld oder Haftstrafe sanktioniert. Zum Beispiel war auch die Benutzung der
örtlichen Verkehrsmittel durch Juden ohne entsprechende polizeiliche Erlaubnis-
bescheinigung mit „Schutz“haft bedroht. 1362 Das nationalsozialistische Institut
der „Schutzhaft“ oder auch „Vorbeugehaft“ beschönigte letztlich aber unter dem
Missbrauch der ursprünglichen, juristischen Bedeutung den tatsächlichen Vorgang
der Deportation der Betroffenen in die Konzentrationslager. 1363
Die Zentralbestimmung des § 1 Abs. 1 der dreizehnten Verordnung zum be-
reits benannten Reichsbürgergesetz vom 1. 7. 1943 1364 legte fest, dass „strafbare
Handlungen von Juden“ „durch die Polizei geahndet“ werden. 1365 Insofern wurden
in massivem Umfang Kompetenzen der Justiz an das rechtslose Polizeisystem
abgegeben. Diese Umverteilung der Befugnisse endete für den Betroffenen in der
Regel mit dem Tod beziehungsweise der Vernichtung im Konzentrationslager. 1366

1357
Hirsch, M. / Majer, D. / Meinck, J. (Hrsg.): Recht, Verwaltung und Justiz im Natio-
nalsozialismus 1997, S. 340 ff.
1358
RGBl. 1938 I, S. 404.
1359
RGBl. 1938 I, S. 1580.
1360
Im Internet abrufbar unter: http://www.verfassungen.de/de/de33\kern 0.125em --
\kern 0.1em45|:|juden38\kern 0.125em --\kern 0.1em9.htm.
1361
RGBl. 1941 I, S. 547.
1362
Hirsch, M. / Majer, D. / Meinck, J. (Hrsg.): Recht, Verwaltung und Justiz im Natio-
nalsozialismus 1997, S. 264 f.
1363
Hirsch, M. / Majer, D. / Meinck, J. (Hrsg.): Recht, Verwaltung und Justiz im Natio-
nalsozialismus 1997, S. 520.
1364
RGBl. 1943 I, S. 372; Darstellung bei Hirsch, M. / Majer, D. / Meinck, J. (Hrsg.):
Recht, Verwaltung und Justiz im Nationalsozialismus 1997, S. 535 f.
1365
Werle, G.: Justiz-Strafrecht und polizeiliche Verbrechensbekämpfung im Dritten
Reich 1989, S. 449 ff.
268 Kap. 3: Zweck- und Verhältnismäßigkeit des Feindstrafrechts

(2) Ergänzendes Sonderstrafrecht gegen „Gewohnheitsverbrecher“,


„Volksschädlinge“ und „Gemeinschaftsfremde“
Neben dem aufgeführten Sonderstrafrecht gegen Juden gab es im Dritten Reich
zahlreiche ergänzende Strafrechtsbestimmungen, um die nationalsozialistische
Rassenlehre durchzusetzen. Dabei wurde vor allem auf unbestimmte Rechts-
begriffe 1367 und Generalklauseln zurückgegriffen sowie hohe Strafrahmen für
besonders schwere Fälle eingeführt. Wie bereits im Judenstrafrecht wurde im
sonstigen Fremdvolk- und Kriegsstrafrecht größtmögliche Unbestimmtheit zur
Gesetzesmaxime 1368, um alle von der Rassenvorstellung abweichende Lebensty-
pen und Existenzformen mit der Waffe des Strafrechts 1369 erfassen zu können. Die
angestrebte „Reinigung der Volksgemeinschaft“ führte in der Konsequenz dazu,
dass vor allem der Todesstrafe eine besondere Bedeutung zukam. 1370
Mit dem „Gesetz gegen gefährliche Gewohnheitsverbrecher und über Maßnah-
men der Sicherung und Besserung“ vom 24. 11. 1933 1371 wurden beispielsweise
Regelungen über die Staffelung des Strafrahmens nach der Anzahl der Taten bei
„gefährlichen Gewohnheitsverbrechern“ (§ 20a RStGB) sowie über die Zwangska-
stration und Sicherungsverwahrung (vgl. §§ 42a ff. RStGB 1372) ins Reichsstrafge-
setzbuch eingefügt 1373, wobei letztere im Falle des § 42e RStGB 1374 obligatorisch
war, wenn der nach § 20a RStGB verurteilte „gefährliche Gewohnheitsverbrecher“
die Maßregel zum Schutze der „öffentlichen Sicherheit“ erforderte. Nicht die
Tat, sondern vielmehr die Zugehörigkeit zum kriminologischen Tätertyp des Ge-
wohnheitsverbrechers bildete hier den Strafgrund. 1375 Das „Gesetz zur Änderung
des Reichsstrafgesetzbuches“ vom 4. 9. 1941 1376 sah ferner in § 1 vor, dass der
„gefährliche Gewohnheitsverbrecher“ nach § 20a RStGB und der „Sittlichkeits-
verbrecher“ (§§ 176 –178 RStGB) der Todesstrafe verfallen, wenn der Schutz der
Volksgemeinschaft oder das Bedürfnis nach gerechter Sühne es erfordern. 1377

1366
Hirsch, M. / Majer, D. / Meinck, J. (Hrsg.): Recht, Verwaltung und Justiz im Natio-
nalsozialismus 1997, S. 520 ff., 535.
1367
Vgl. hierzu auch Gribbohm, G.: NJW 1988, 2842 ff., 2843.
1368
Vogel, J.: ZStW 115 (2003), 638 ff., 652.
1369
Vgl. Werle, G.: JuS 1989, 952 ff.
1370
Werle, G.: JuS 1989, 952 ff., 954, 957. Vgl. auch Gribbohm, G.: NJW 1988, 2842 ff.,
2844.
1371
RGBl. 1933 I, S. 995.
1372
Zur Entstehung von den Entwürfen bis zur Einführung der Sicherheitsverwah-
rung durch den Nationalsozialismus vgl. Kinzig, J.: Die Sicherungsverwahrung auf dem
Prüfstand 1996, S. 7 ff.
1373
Vgl. Höpfel, F.: ZStW 115 (2003), 906 ff., 910; Laubenthal, K.: ZStW 116 (2004),
703 ff., 711; Vogel, J.: ZStW 115 (2003), 638 ff., 663.
1374
Vgl. dazu Vogel, J.: ZStW 115 (2003), 638 ff., 660.
1375
Roxin, C.: Strafrecht AT 2006, § 6 Rn. 8.
1376
RGBl. 1941 I, S. 549 f.
C. Verfassungsmäßigkeit des Feindstrafrechts 269

Gleichfalls dem Zweck, einen bestimmten „Lebenstyp“ zu bestrafen 1378, diente


die „Verordnung gegen Volksschädlinge“ 1379 vom 5. 9. 1939. Daher konnte auf der
Basis der „Täterwertung“ auch eine geringfügige Tat, die von einer „an sich“ „kri-
minellen“ Täterpersönlichkeit begangen wurde, zur Verurteilung als Volksschäd-
ling führen. 1380 Auch das Konzept eines „Gemeinschaftsfremden Strafrechts“, das
allerdings als „minder kriegswichtige Aufgabe“ 1381 nicht realisiert wurde und die
Trennung eines Strafrechts für die „gestrauchelten“, aber prinzipiell „ordentli-
chen Volksgenossen“ einerseits und die „gemeinschaftsfremden Schädlinge im
Volkskörper“ andererseits vorsah 1382, gehört in diese Rubrik. 1383 Zu den Gemein-
schaftsfremden zählten nach dem Entwurf von 1944 „Versager“, „Landstreicher“,
„Taugenichtse“, „Arbeitsscheue und Liederliche“ sowie gemeinschaftsfeindliche
Verbrecher und Neigungsverbrecher“, die besonderen „strafrechtlichen Maßnah-
men“ zur „Unschädlichmachung“ unterworfen werden sollten. 1384

(3) Sonderstrafrecht gegen Polen


Ebenfalls zu nennen ist in diesem Zusammenhang das Sonderstrafrecht der „Po-
lenstrafrechtsverordnung“ vom 4. 12. 1941 1385, das sich gegen Polen und zunächst
auch Juden 1386 in den „eingegliederten Ostgebieten“ des Deutschen Reiches rich-
tete. 1387 Zwar mag das Sonderstrafrecht gegen Polen weniger irrational anmuten
als das oben benannte „Judenstrafrecht“ im so genannten Altreich, da eine feind-
liche Einstellung der Polen gegenüber der deutschen Besatzungsmacht sicherlich

1377
Kinzig, J.: Die Sicherungsverwahrung auf dem Prüfstand 1996, S. 20.
1378
Hierzu Werle, G.: JuS 1989, 952 ff., 954, 956 f., 958.
1379
RGBl. 1939 I, S. 1679; Darstellung und Besprechung etwa bei Werle, G.: JuS 1989,
952 ff., 953 ff.
1380
Werle, G.: JuS 1989, 952 ff., 956 f.
1381
Zit. nach Werle, G.: Justiz-Strafrecht und polizeiliche Verbrechensbekämpfung im
Dritten Reich 1989, S. 677.
1382
Vgl. die Darstellung bei Werle, G.: Justiz-Strafrecht und polizeiliche Verbrechens-
bekämpfung im Dritten Reich 1989, S. 619 ff.
1383
Schneider, H. / Morguet, G. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006,
S. 335 ff., 344.
1384
Muñoz Conde, F.: JoJZG 1/2007, 9 ff., 10; Vogel, J.: ZStW 115 (2003), 638 ff., 660.
1385
„Verordnung über die Strafrechtspflege gegen Polen und Juden in den eingeglieder-
ten Ostgebieten“, RGBl. 1941 I, S. 759. Vgl. hierzu etwa die Ausführungen bei Majer, D.:
„Fremdvölkische“ im Dritten Reich 1981, S. 744.
1386
Durch § 1 Abs. 2 der Dreizehnten Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom
1. 7. 1943 (RGBl. 1943 I, S. 372) wurden die Juden dem Anwendungsbereich der Polen-
strafrechtsverordnung entzogen.
1387
Zum Sonderstrafrecht in den nicht eingegliederten mittel- und ostpolnischen Ge-
bieten im Generalgouvernement vgl. die Darstellung bei Hirsch, M. / Majer, D. / Meinck, J.
(Hrsg.): Recht, Verwaltung und Justiz im Nationalsozialismus 1997, S. 501 ff.; Majer, D.:
„Fremdvölkische“ im Dritten Reich 1981, S. 864 ff.
270 Kap. 3: Zweck- und Verhältnismäßigkeit des Feindstrafrechts

(berechtigter Weise) bestand und insofern ein besonderes Strafrecht (in der Logik
eines Eroberers) sich noch rechtfertigen ließe. Dennoch verwundert die rechtliche
Exklusion insoweit, dass die „Verordnung über die Strafrechtspflege gegen Polen
und Juden in den eingegliederten Ostgebieten“ eben von einer Eingliederung
spricht, nicht von einem Ausschluss.
Die Polenstrafrechtsordnung sah neben einem stark vereinfachten Strafverfah-
ren (Ziffer 2 der Verordnung) etwa eine allgemeine Gehorsamspflicht von Polen
und Juden gegenüber deutschen Direktiven nach Ziffer 1 Abs. 1 der Verordnung
vor:
Polen und Juden haben sich entsprechend den deutschen Gesetzen und den gegen sie
ergangenen Anordnungen der deutschen Behörden zu verhalten. Sie haben alles zu
unterlassen, was der Hoheit des Deutschen Reiches und dem Ansehen des deutschen
Volkes abträglich ist.

Des Weiteren wurden „Gewalttaten“ gegen Deutsche, „deutschfeindliche Äu-


ßerungen“ und „die hetzerische Betätigung einer deutschfeindlichen Gesinnung“
mit Strafe belegt 1388, wobei die strafbare Verhalten generalklauselartig umrissen
wurden, so dass annähernd jedes Verhalten darunter subsumiert werden konnte.
Der hierdurch eröffnete, weite Anwendungsbereich des Polenstrafrechts gewann
vor allem durch die Bestimmung der Ziff. 1 Abs. 3 der Verordnung Bedeutung,
denn danach war grundsätzlich die Todesstrafe vorgesehen. Die Polenstrafrechts-
verordnung wurde daher oftmals herangezogen, wenn die Ahndung von „Normal-
delikten“ von Polen oder polnischen Juden dem Zweck der Aussonderung diente
und daher von der üblichen Strafe abweichend ein Verhalten mit der Todesstrafe
sanktioniert werden sollte. 1389

bb) Ergebnis zur Exklusion im Nationalsozialismus

Die Sonderstrafgesetze und -verordnungen dienten der schrittweisen „Reinigung


der Volksgemeinschaft“ und hatten gerade das Ziel, bestimmte Personen aus dem
normalen Rechtsstatus zu entlassen beziehungsweise aus dem Geltungsbereich des
allgemeinen Strafrechts auszuschließen. 1390 So schrieb etwa der deutsche Strafrecht-
ler Edmund Mezger auf die Einladung des Ministerialrates Rietzsch, am Entwurf
des „Gesetzes über die Behandlung von Gemeinschaftsfremden“ mitzuwirken, in

1388
Hirsch, M. / Majer, D. / Meinck, J. (Hrsg.): Recht, Verwaltung und Justiz im Natio-
nalsozialismus 1997, S. 496.
1389
Vgl. Hirsch, M. / Majer, D. / Meinck, J. (Hrsg.): Recht, Verwaltung und Justiz im
Nationalsozialismus 1997, S. 496.
1390
Historisch gesehen führte wohl jede staatlich initiierte Teilung der Menschenwürde
automatisch zu politisch veranlasster Ausgrenzung missliebiger Personengruppen, die in
der jeweiligen Mehrheit als angebliche Bedrohungspotentiale galten (Albrecht, P.-A.: ZStW
117 (2005), 852 ff., 853).
C. Verfassungsmäßigkeit des Feindstrafrechts 271

einem Brief vom 13. Februar 1943 1391, dessen Inhalt Jakobs Ausführungen zum
Feindstrafrecht erschreckend ähnelt:
„Es gibt künftig nach dem Entwurf in Wahrheit zwei (oder: mehrere) ‚Strafrechte‘: ein
Strafrecht für die Allgemeinheit (für das im wesentlichen die bisherigen Grundsätze
gelten), und ein (ganz anderes!) Strafrecht für Sondergruppen bestimmter Persönlich-
keiten [...]. Das Entscheidende liegt in der Zuweisung zur Sondergruppe. [...] Ist
die Zuweisung einmal erfolgt, dann gilt uneingeschränktes ‚Sonderrecht‘ (d. h. also
unbestimmte Zuchthausstrafe). Alle sonst vorhandenen juristischen Schwierigkeiten der
Strafbemessung scheiden hier aus – die unbestimmte Zuchthausstrafe usw. ‚verschlingt‘
alle sonstigen Differenzierungen [...]“ – auch den „Vergleich mit Mitverurteilten, denn
sie sind ja ‚andere‘. Diese Trennung nach Personengruppen scheint mir das eigentlich
Wesentliche der Neuordnung zu sein; in ihr liegt ein ‚neuer Anfang‘.“ 1392
Die Anwendung des einen oder des anderen Strafrechts erfolgte auf die Zu-
weisung des Rechtsanwenders hin. Die Adressaten der Sonderregelungen hatten
keinen Einfluss auf ihre Einstufung als gemeinschaftsfremd und dass sie damit der
Feinddefinition des Dritten Reiches unterfielen: Unter Beibehaltung ihres bishe-
rigen (straflosen) Verhaltens waren die Betroffenen nunmehr gefährliche „Täter“
und als solche von der „normalen“ Rechtsanwendung ausgenommen sowie einer
erhöhten, staatlichen Überwachungs- und Vernichtungsmaschinerie ausgesetzt.
Es steht daher außer Frage, dass es sich bei der mit feindstrafrechtlichen Mit-
teln bewirkten Exklusion von Juden, Polen, körperlich oder geistig Behinderten,
Homosexuellen, Bettlern, Landstreichern, Sinti und Roma oder anderen „Gemein-
schaftsfremden“ 1393 im Nationalsozialismus nicht um eine Selbstexklusion der
von den Regelungen Betroffenen handelte, sondern um eine Exklusion durch
die Nationalsozialisten. Dabei möchte man sich nicht die Frage stellen, ob die
Exklusion in der Bevölkerung des Deutschen Reiches nicht sogar mehrheitsfähig
war. 1394

b) Konsequenz der Exklusionswirkung

In totalitären wie auch in freiheitlich organisierten Regimes kann nicht von einer
puren Selbstexklusion des Feindes ausgegangen werden, da in beiden Systemen

1391
Siehe hierzu Muñoz Conde, F.: JoJZG 1/2007, 9 ff., 10 bzw. ders.: Über das
„Feindstrafrecht“ 2007, S. 38.
1392
Zitiert nach Muñoz Conde, F.: JoJZG 1/2007, 9 ff., 10; ders.: Über das „Feindstraf-
recht“ 2007, S. 38.
1393
Vgl. etwa zur Verfolgung von Chinesen im Nationalsozialismus Yü-Dembski, D.:
Cilip 58 Nr. 3/1997, 70 ff.
1394
Etwa nahmen die Justizbehörden die willkürlichen Verschleppungen und Morde
durch die Polizei oftmals hin oder billigten sie sogar, da das politische Freund-Feind-Denken
auch in der Justiz wie in den anderen führenden Schichten (Militär, Wirtschaft, Verwaltung)
weit verbreitet war (Hirsch, M. / Majer, D. / Meinck, J. (Hrsg.): Recht, Verwaltung und Justiz
im Nationalsozialismus 1997, S. 520).
272 Kap. 3: Zweck- und Verhältnismäßigkeit des Feindstrafrechts

eine vorherige politische Entscheidung über die Definition des Feindes durch
die jeweiligen Machtinhaber getroffen werden muss, von der die Ausgrenzung
des Feindes maßgeblich abhängt. Danach ist derjenige Feind, der aus (jederzeit
änderbaren) Gründen der Interessen der Allgemeinheit oder bestimmter Dritter zu
einem solchen erklärt wird. 1395 Insofern kann die Exklusion allenfalls auch eine
Selbstexklusion sein, nicht aber ohne Bezug zur gesellschaftlichen, staatlichen
oder sonstig bewirkten Ausgrenzung gesehen werden. Die Annahme einer bloßen
Selbstexklusion des Feindes nach Jakobs ist daher abzulehnen.
Die Exklusion des Feindes in Form eines separaten Feindstrafrechts stellt einen
offensichtlichen Verstoß gegen die Menschenwürdegarantie des Art. 1 Abs. 1 GG
dar und ist daher mit dem geltenden Verfassungsrecht unvereinbar. Der Staat
muss die Menschenwürdegarantie nach Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG durchsetzen und
darf eben nicht durch ein separates Sonderstrafrecht bestimmte, gefährliche Täter
nach reinen Zweckmäßigkeitsüberlegungen tiergleich behandeln. Darüber hinaus
kann ergänzend festgestellt werden, dass die Annahme einer Selbstexklusion des
Feindes, wie sie von Jakobs vertreten wird, in Bezug auf die Vereinbarkeit mit
Art. 1 Abs. 1 GG zu keinem abweichenden Ergebnis führt: Die Selbstexklusion des
Feindes aus der Gesellschaft wäre ebenso wenig wie die Exklusion durch äußere
Einflüsse mit Art. 1 Abs. 1 GG zu vereinbaren, da der Feind sich nicht selbst der
Menschenwürde entledigen kann. Die Missbrauchsklausel des Art. 18 GG sieht
nur die Verwirkung spezieller Grundrechte vor, nicht aber die Möglichkeit, die
im Menschen von Natur aus angelegte Würde zu verlieren. 1396 Die Ausgrenzung
bestimmter Menschen (bei Jakobs sind es die Feinde der Gesellschaft) aus dem
Anwendungsbereich des allgemeinen (Straf-)Gesetzes stellt daher in jedem Fall
einen Angriff auf die Menschenwürde dar. 1397

2. Der Verstoß gegen den


Bestimmtheitsgrundsatz gemäß Art. 103 Abs. 2 GG

Der in Art. 103 Abs. 2 GG normierte, aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete


Bestimmtheitsgrundsatz verpflichtet den Gesetzgeber, die Voraussetzungen der
Strafbarkeit so konkret zu fassen, dass Anwendungsbereich und Tragweite der
Straftatbestände sich aus dem Wortlaut ergeben oder sich jedenfalls durch Ausle-
gung ermitteln lassen. 1398 Der Bürger muss erkennen können, welche Rechtsfolgen
ein bestimmtes Verhalten nach sich zieht 1399, insbesondere muss es möglich sein,

1395
Silva Sánchez, J.-M.: ZStW 118 (2006), 547 ff., 551.
1396
Vgl. auch Jahn, M.: Das Strafrecht des Staatsnotstandes 2004, S. 235 f.
1397
Schneider, H. / Morguet, G. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006,
S. 335 ff., 344.
1398
BVerfGE 25, 269 ff., 285; 73, 206 ff., 234.; 75, 329 ff., 340 ff.; 78, 374 ff., 381 f.;
80, 244 ff., 256 f.; 81, 298 ff., 309; 92, 1 ff., 12.
C. Verfassungsmäßigkeit des Feindstrafrechts 273

das Verbotene vom Erlaubten abzugrenzen. 1400 Allerdings schließt das Bestimmt-
heitsgebot die Verwendung von Begriffen nicht aus, die in besonderem Maße
der Deutung durch den Richter bedürfen. Denn auch im Strafrecht steht der Ge-
setzgeber vor der Notwendigkeit, der Vielgestaltigkeit des Lebens Rechnung zu
tragen. Wegen der Allgemeinheit und der Abstraktheit von Strafnormen ist es
unvermeidlich, dass in Grenzfällen zweifelhaft ist, ob ein Verhalten noch unter
den gesetzlichen Tatbestand fällt oder nicht. Der Normadressat muss dann aber
anhand der gesetzlichen Regelung, vor allem nach deren Wortlaut, voraussehen
können, ob ein Verhalten strafbar ist. In Grenzfällen muss daher für ihn wenigstens
das Risiko einer Bestrafung erkennbar sein. 1401 Das Bestimmtheitsgebot dient in-
sofern der Beschränkung staatlicher Willkür und der Gewährleistung umfassender
Rechtssicherheit. 1402

a) Unbestimmheit des Jakobsschen Feindbegriffs

Gerade diese Zielsetzung kann ein separates Feindstrafrecht unter Zugrundele-


gung des Feindbegriffs bei Jakobs jedoch nicht garantieren: Der Feind ist nach
Jakobs bekanntlich 1403 ein Individuum, dass sich in einem „nicht nur beiläufigen
Maß“ durch diverse Verhaltensweisen („seine Haltung“ oder „sein Erwerbsle-
ben“ oder auch „seine Einbindung in eine Organisation“) „jedenfalls vermutlich
dauerhaft“ 1404 oder „zumindest mit einigem Nachdruck“ 1405 „vom Recht abge-
wandt hat“ und sein „Defizit“ in Bezug auf die „kognitive Mindestsicherheit
personellen Verhaltens“ schließlich auch „durch sein Verhalten demonstriert“. 1406
Es liegt auf der Hand, dass der Versuch Jakobs, den Feind allein anhand dieser
Umschreibung zu definieren, als gescheitert angesehen werden muss, denn die
vermeintliche „Definition“ bietet keine ausreichend exakte Grundlage, aus der
sich eine objektive Kategorisierung in den „eventuell wohl dauerhaft und nicht
nur manchmal oder doch nur partiell, aber dafür in diesem Bereich umso mehr“
vom Recht abgewandten „Feind“ oder den grundsätzlich rechtstreuen „Bürger“
treffen lässt. 1407 Vielmehr strotzt sie vor Unsicherheiten und Wankelmütigkeiten,

1399
Wessels, J. / Beulke, W.: Strafrecht AT 2006, Rn. 47.
1400
BVerfGE 25, 269 ff., 285.
1401
BVerfGE 73, 206 ff., 235; 75, 329 ff., 341 f.; 92, 1 ff., 12.
1402
Vgl. auch BVerfGE 73, 206 ff., 234 f.; 75, 329 ff., 340 f.
1403
Vgl. bereits oben Kapitel 1 A.I.2.a)bb)(1).
1404
Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausend-
wende 2000, S. 47 ff., 52.
1405
Jakobs, G.: Staatliche Strafe 2004, S. 42.
1406
Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausend-
wende 2000, S. 47 ff., 52.
1407
Fraglich ist danach etwa auch, ob Minderjährige bzw. Jugendliche als Feinde im
Sinne Jakobs angesehen werden können – immerhin fallen diese besonders häufig in die
274 Kap. 3: Zweck- und Verhältnismäßigkeit des Feindstrafrechts

die eine willkürliche Subsumtion unter den Feindbegriff ermöglichen und damit
gerade einem Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot aus Art. 103 Abs. 2 GG
Vorschub leisten. Dem Rechtsanwender erschließen sich nämlich weder die Fälle,
in denen das „beiläufige“ Maß an kriminellem Verhalten überschritten ist, noch
ergeben sich aus dem Feindbegriff bei Jakobs exakte Vorgaben, wann eine dau-
erhafte Abwendung vom Recht vorliegt oder diese wenigstens zu „vermuten“ ist.
Durch die Benutzung offener, wenn nicht gar schwammiger Formulierungen wie
„vermutlich“, „mit einigem Nachdruck“ oder „nicht nur beiläufig“ erinnert der
Feindbegriff bei Jakobs allenfalls an eine vage Generalklausel, nicht aber an eine
konkrete Definition. Selbst der Staat könnte danach dem Feindbegriff unterfallen:
Indem der Gesetzgeber nämlich feindstrafrechtliche Regelungen erlässt, die die
verfassungsrechtlich gewährleisteten Garantien, insbesondere den Subjektsstatus
des Betroffenen in hohem Maße einschränken, missachtet er wohl bewusst und
nicht nur beiläufig die geltende Verfassung und verhält sich damit demonstrativ
als ein vom (eigentlich geltenden) Recht Abgewandter. Eine solche Annahme
wäre aber natürlich in der Hinsicht widersprüchlich, dass der Staat nach Jakobs
gerade durch die besondere Bekämpfung von Feinden den Rechtsstaat der Bürger
schützen soll. 1408
Auch die durch die beispielhafte Nennung der dem Feindbegriff unterfallen-
den Tätergruppen und Deliktsformen erfolgte Ergänzung seitens Jakobs, nach
der vor allem Terroristen, Mafiosi und sonstige Mitglieder der Organisierten
und Wirtschaftskriminalität, ferner Sexualstraftäter und Delinquenten der Betäu-
bungsmittelkriminalität dem Terminus „Feind“ unterfallen 1409, führt zu keinem
abweichenden Ergebnis. Die Beispiele geben allenfalls Auskunft darüber, welche
Tätertypen vor allem als Feinde kommuniziert werden. 1410 Aber weder können die
von Jakobs aufgeführten Beispiele als abschließend noch als in jedem Fall 1411 über-
zeugend angesehen werden. Zudem ist der Inhalt einer Strafnorm aus der Sicht des
Normadressaten zu bestimmen, da Art. 103 Abs. 2 GG auf dessen Rechtssicherheit

Kategorie des „Intensiv-„ oder „Vielfachtäters“ (vgl. Puschke, J.: vorgänge 178/2007, 63 ff.,
63 f.) – oder ob die bessere Erziehbarkeit eines Jugendlichen die Vermutung dauerhafter Ge-
fährlichkeit ausschließt oder aber der Erziehungsgedanke hinter dem Sicherungsgedanken
zurücksteht.
1408
Die Unbestimmtheit des Feindbegriffs wird ferner auch bei Silva Sánchez deutlich,
der den nicht erwünschten Embryo mühelos unter den Feindbegriff subsumiert, da dieser
(permanent) die elterlichen Rechtsgüter (Zeit, Geld, Wohlstand) bedroht und daher als Nicht-
Person aus der Verteilung gesellschaftlicher Güter ausgeschlossen wird (Silva Sánchez, J.-
M.: ZStW 118 (2006), 547 ff., 553). Ein solches – per definitionem erfasstes – Feindbild
dürfte Jakobs selbst kaum vor Augen gehabt haben.
1409
Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausend-
wende 2000, S. 47 ff., 51, 52.
1410
Vgl. auch Fischer, T.: StGB 2008, Einl. Rn. 12a.
1411
Vgl. die Kritik an der durch Jakobs getroffenen Zuordnung der Wirtschaftskrimi-
nalität zum Feindbegriff im Rahmen der tatsächlichen Feindkommunikation auf S. 125.
C. Verfassungsmäßigkeit des Feindstrafrechts 275

abzielt 1412, so dass die pauschale Zuordnung zu einer Gruppe ohne Berücksichti-
gung des konkreten Einzelfalls noch keine Feindschaft begründen darf und somit
auch kein hinreichend bestimmtes Kriterium für den „Feind“ darstellen kann.

b) Mangelnde Objektivierbarkeit des Feindbegriffs

Der Feindbegriff ist ferner auch durch Auslegung nicht objektiv erfassbar, da
der Feind ein emotionaler und überwiegend subjektiver Terminus ist. Während
im Rahmen des Tatstrafrechts die Strafe durch die Verknüpfung mit der Tat einen
objektiven Bezugsrahmen erhält, lässt sich eine objektivierte, allgemeingültige
Aussage über die Beschaffenheit einer einzelnen Person als Feind aufgrund der
Subjektivität des Feindstrafrechts durch den Anknüpfungspunkt des Tätertyps in
den seltensten Fällen treffen. Vielmehr werden in der Regel Feindbilder zugrunde
gelegt, die ganze Kollektive aufgrund ihrer Artgleichheit in bestimmten Bereichen
dem Feindbegriff unterwerfen, ohne jedoch den konkreten Einzelfall zu berück-
sichtigen. Dabei bestimmt sich der Feind nach der persönlichen Einschätzung des
Einzelnen und variiert damit je nach Tätereinstellung, politischer Lage und De-
finitionsmacht. Insbesondere die Abhängigkeit von der Definitionszuständigkeit
der Machtinhaber birgt aber die Gefahr staatlicher Willkür, deren Verhinderung
Art. 103 Abs. 2 GG gerade bezweckt, indem politisch „unbequeme“ oder sonstige,
unliebsame Personen durch das Strafrecht aus der Gesellschaft verstoßen bezie-
hungsweise Sündenböcke für akute Problemlagen konstruiert 1413 werden. 1414 Diese
Missbrauchsmöglichkeit potenziert sich noch unter dem Aspekt, dass das Wissen
und damit auch der gesellschaftliche Status sowie die Definitionsmacht in der
modernen Informations- und Wissensgesellschaft 1415 zunehmend ungleichmäßig
verteilt ist 1416, so dass führende Interessengruppen das System verstärkt zu lasten
von Außenseitern manipulieren können. 1417

1412
BVerfGE 92, 1 ff., 12.
1413
Vgl. hierzu insbesondere Aponte, A.: Krieg und Feindstrafrecht 2004, S. 218, 256.
1414
Vgl. zur Sündenbockprojektion etwa Allport, G. W. / Knudsen, K.: Treibjagd auf
Sündenböcke 1968; Haffke, B. in: Rode, I. u. a. (Hrsg.): Neue Lust aufs Strafen 2005,
S. 35 ff., 39; Schneider, H. in: Requate, J. (Hrsg.): Recht und Justiz im gesellschaftlichen
Aufbruch 2003, S. 275 ff., 283 ff.; Wagener, S.: Feindbilder 1999, S. 20 ff., 27, 34 f., spe-
zieller etwa auch zur Feindprojektion im Rahmen der Hexenprozesse a.a. O. S. 151 ff.;
diesbezüglich im weiteren Sinne auch Zopfs, J. in: Friedrich-Spee-Gesellschaft (Hrsg.):
Spee-Jahrbuch 2006, S. 31 ff., 46.
1415
Siehe etwa http://www.wissensgesellschaft.org/. Zur zunehmenden, existenziellen
Bedeutung des Zugriffs auf Wissen und Informationen – insbesondere im Rahmen der
neuen Kommunikationstechnologien – für eine erfolgreiche Teilnahme am gesellschaftli-
chen und wirtschaftlichen Leben vgl. z. B. Rifkin, J.: Access 2002.
1416
Über die Bedeutung von Risiken und entsprechendem „(wissenschaftlichen oder
antiwissenschaftlichen) Wissen“ auch Beck, U.: Risikogesellschaft 2003, S. 29 f.: Risiken
sind „in besonderem Maße offen für soziale Definitionsprozesse. Damit werden Medien
276 Kap. 3: Zweck- und Verhältnismäßigkeit des Feindstrafrechts

Dies gilt im Übrigen selbst dann, wenn man der von Jakobs als tendenzi-
elles „Feindstrafrecht“ bezeichneten Strafrechtsentwicklung nicht den Jakobs-
schen Feindbegriff zugrundelegt, sondern von dem gefährlichen Täter ausgeht,
der gesellschaftlich – ohne nähere Erläuterung – als Feind kommuniziert wird.
Auch in diesem Fall des abstrakten, von der Jakobsschen Definition losgelösten
Feindbegriffs behindert der subjektive Bezug die objektive Bestimmtheit oder
Bestimmbarkeit der Adressaten des Feindstrafrechts.

c) Fehlende Abgrenzungsinstrumentarien

Zudem suggeriert der Jakobssche Feindbegriff, Feind und Bürger ließen sich
anhand prognostischer Erkennungssysteme ohne große Mühen von einander ab-
grenzen. Zwar ist die Idee der Identifikation und „Vernichtung“ der wirklich
gefährlichen und sozialschädlichen Straftäter schon alt. Sie findet sich beispiels-
weise im Marburger Programm von Franz von Liszt in der Forderung wieder,
die „Unverbesserlichen“ beziehungsweise „sozial untauglichen Individuen“ durch
„Ausstoßen aus der Gesellschaft oder Internierung in derselben“ „dauerhaft oder
vorübergehend unschädlich zu machen“. 1418 Die entsprechenden kriminalpoliti-
schen Vorstellungen sind aber vor allem deshalb nicht realisierbar – insoweit sind
die Hoffnungen Franz von Liszts unerfüllt geblieben –, weil es der kriminologi-
schen Prognoseforschung 1419 bis heute nicht gelungen ist, Kriterien zu entwickeln,
die eine zuverlässige und frühzeitige Differenzierung zwischen den Graden der
kriminellen Gefährdung zulassen. 1420 Immerhin legt Jakobs selbst – wie oben
gesehen – seinem Feindbegriff auch zugrunde, dass das gefährliche Individuum
durch sein Verhalten demonstrieren muss, dass es die kognitive Mindestsicherheit
personellen Verhaltens nicht leistet. 1421 Die besagte Demonstration des kognitiven
Defizits unterbleibt jedoch gerade in den Bereichen weitgehend, die nach der
Terminologie Jakobs, aber auch nach der gesellschaftlichen Kommunikation dem
Feindbegriff zuzuordnen sind: Insbesondere bei den terroristischen Schläfern 1422
oder auch im Bereich besonders schwerer Sexualdelikte lebt der Täter unter der

und Positionen der Risikodefinition zu gesellschaftlich-politischen Schlüsselstellungen.“


Zur neuen Elite der Wissensarbeiter vgl. auch Rifkin, J.: Das Ende der Arbeit 2005, S. 158 ff.
1417
Vgl. auch Schneider, H. / Morguet, G. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe
2006, S. 335 ff., 346.
1418
Liszt, F. v.: ZStW 3 (1883), 1 ff., 33 ff., 45.
1419
Vgl. etwa zu den in den Verfahren über die Verhängung der nachträglichen Siche-
rungsverwahrung zum Einsatz kommenden Prognoseverfahren Schneider, H.: StV 2006,
99 ff.
1420
Schneider, H. / Morguet, G. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006,
S. 335 ff., 345 f.
1421
Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausend-
wende 2000, S. 47 ff., 52.
1422
Vgl. schon oben Kapitel 3 B.II.1.a)aa).
C. Verfassungsmäßigkeit des Feindstrafrechts 277

Fassade völliger sozialer Unauffälligkeit und verleiht seiner rechtlichen Andersar-


tigkeit damit eben bis zur Tat keinen Ausdruck. Aus kriminologisch-empirischen
Gründen ist es daher regelmäßig nicht möglich, die „Zielgruppe“ des Feindstraf-
rechts vor der eigentlichen Tat auszumachen. 1423 Darüber hinaus bestehen auch
keine hinreichend zuverlässigen Prognosemöglichkeiten nach der rechtskräftig
festgestellten Tat, die die sichere Feststellung einer dauerhaft feindlichen Ge-
sinnung des Täters zulassen. Im Falle des Selbstmordattentäters erübrigt sich
außerdem der repressive Einsatz feindstrafrechtlicher Maßnahmen ohnehin. 1424
Über die eigentliche Prognoseforschung hinaus könnten zwar weitere Verfahren
angewendet werden, die das Vorhandensein krimineller Energie testen, indem der
Täter beispielsweise durch staatlich engagierte Lockspitzel zu einer bestimmten
Tat verleitet wird. 1425 Doch selbst, wenn das Zielobjekt sich zur (vermeintlichen)
Tat verleiten lässt, spricht dies nicht zwangsläufig für eine grundsätzliche, „jeden-
falls vermutlich dauerhafte“ Abkehr vom Recht. Vielmehr wird dadurch lediglich
die Bereitschaft zur „ganz normalen Kriminalität“ nachgewiesen, zu der der Be-
troffene zudem noch durch den Staat „angestiftet“ wurde. Darüber hinaus erklärt
es sich von selbst, dass eine derartige Überprüfung der Tätergesinnung – bei Hun-
den spräche man entsprechend von einem „Wesenstest“ – bei Terroristen besser
zu unterbleiben hat, da der Staat im Rahmen von Terroranschlägen kaum eine
umfassende Kontrolle der Situation garantieren kann und die hierdurch entste-
hende Gefährdung als unverhältnismäßig betrachtet werden muss. Ebenso wenig
kann etwa ein Gesinnungstest, wie er in Baden-Württemberg im Rahmen der Ein-
bürgerung von Personen aus Nationen, die der Organisation Islamischer Staaten
angehören, seit 2006 vorgesehen ist – unabhängig davon, ob eine solche Über-
prüfung eine verfassungsrechtlich unzulässige Diskriminierung darstellt –, das
Vorliegen oder Nicht-Vorliegen einer feindlichen Gesinnung verlässlich bestäti-
gen: Der aus rund dreißig Fragen bestehende Fragebogen kann zum einen leicht
umgangen werden, indem die richtigen Antworten auswendig gelernt werden
und damit das Ergebnis manipuliert wird. Zum anderen muss nicht jeder, der
den Gesinnungstest nicht besteht, ein terroristischer Attentäter sein. Das Nicht-
Bestehen kann beispielsweise auch auf fehlende Sprachkenntnisse oder auf eine
zwar tief religiöse und mit westlichen Werten nicht übereinstimmende, nicht aber
fanatische Verwurzelung mit dem islamischen Brauchtum hindeuten. Es mag dann
aus diesen Gründen angebracht sein, dem Betroffenen die Einbürgerung zu ver-
weigern – eine rechtsfeindliche Gesinnung ist damit jedoch nicht belegt. Insofern
kann gerade der wesentliche Bestandteil des Jakobsschen Feindbegriffs, nämlich
die dauerhaft fehlende kognitive Mindestgarantie rechtstreuen Verhaltens, nicht

1423
Vgl. auch Göppinger-Schneider: Kriminologie 2008, § 30 Rn. 15.
1424
Schneider, H. / Morguet, G. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006,
S. 335 ff., 346.
1425
Zu der Figur des „agent provocateurs“ vgl. bereits oben Kapitel 2 C.II.3.b).
278 Kap. 3: Zweck- und Verhältnismäßigkeit des Feindstrafrechts

bestimmt werden. Ebenso wenig ist es möglich, danach einen am abstrakten, durch
Kommunikation erzeugten Feindbegriff zu messenden Täter sicher bestimmen zu
können. Daher ist der Feindbegriff – nicht nur in der Lesart von Jakobs, sondern
generell – wie auch das Konzept eines separaten, idealtypischen Feindstrafrechts
insgesamt untauglich, den Anforderungen an das Bestimmtheitsgebot aus Art. 103
Abs. 2 GG nachzukommen.

II. Verfassungsmäßigkeit eines in das Bürgerstrafrecht


integrierten, tendenziellen Feindstrafrechts

Es versteht sich nunmehr von selbst, dass auch ein einheitliches Strafrecht, das
neben dem bürgerstrafrechtlichen Grundbestand teilweise feindstrafrechtrechtli-
che Züge trägt, aus den oben genannten Gründen nicht verfassungskonform ist.
Dies ergibt sich bereits daraus, dass auch den nur tendenziell feindstrafrechtlich ge-
prägten Normen eben die Verständigung über den „Feind“ zugrunde liegt, die auf-
grund ihrer Exklusionswirkung gegen das Menschenwürdegebot des Art. 1 Abs. 1
GG und wegen der fehlenden, sicheren Erkenntnis- und Zuordnungsmöglichkeiten
sowie der Subjektivität des Feindbegriffs selbst und der daraus drohenden Gefahr
staatlicher Willkür gegen den Bestimmtheitsgrundsatz aus Art. 103 Abs. 2 GG
verstößt. Dabei macht es keinen Unterschied, ob man das theoretische Konstrukt
des Feindstrafrechts nach Jakobs zum Gegenstand der Betrachtungen macht oder
ob man schlichtweg die durch gesellschaftliche Kommunikation erfolgende Etiket-
tierung bestimmter Täter als Feinde, die mit strafrechtlichen Mitteln zu bekämpfen
sind, als „Feindstrafrecht“ bezeichnet, da nach beiden Auffassungen der Feind-
begriff in das Strafrecht eingeführt wird. Der Feind gehört jedoch allenfalls ins
Kriegsrecht 1426 und nicht in ein rechtsstaatlich ausgestaltetes Strafrecht, das sich an
der Verfassung und deren obersten Gebot der Menschenwürdegarantie zu orientie-
ren hat. Strafrecht darf danach also gerade nicht zum Notstands- oder Kriegsrecht
mutieren, um sich mal eben den verfassungsrechtlichen Vorgaben zu entledigen.
Insofern stellt die gesellschaftliche Feindzuweisung gegenüber Tätern, die durch
Regelungen im Strafrecht umgesetzt wird, einen Verstoß gegen die Verfassung
dar und in diesem Sinne ist ein „Feindstrafrecht“ – ob idealtypisch oder bloß
tendenziell, ob separat oder im Bürgerstrafrecht verankert – als Strafrechtsform
grundsätzlich abzulehnen.

1426
Den Feind als Begriff aus dem Kriegsvölkerrecht in Bezug auf Terroristen ableh-
nend und sich am Menschen als Straftäter orientierend etwa Hetzer, W.: Kriminalistik 2004,
508 ff., 515.
C. Verfassungsmäßigkeit des Feindstrafrechts 279

III. Verfassungsmäßigkeit der von Jakobs


benannten Normmerkmale

Fraglich ist allerdings, ob mit der Verfassungswidrigkeit des Feindstrafrechts –


in der Jakobsschen Konzeption oder verstanden als strafrechtlich regulierte Feind-
kommunikation – automatisch auch die Verfassungswidrigkeit der von Jakobs
als feindstrafrechtlich benannten Normmerkmale (Interna berücksichtigende Vor-
verlagerungen, zur Tatschuld unproportionale Strafrahmen, Abbau prozessualer
Rechte und Bekämpfungsgesetzgebung) einhergeht.
Folgt man dem theoretischen Strafrechtsmodell von Jakobs, der das Bürger-
strafrecht vor allem deshalb vom Feindstrafrecht trennt, weil allein die Einübung
in Normanerkennung als Ausformung der positiven Generalprävention den Straf-
zweck im Bürgerstrafrecht bildet und daher Rechtsgüterschutz nur durch ein sepa-
rates Strafrecht gewährt werden kann 1427, muss man die benannten Normmerkmale
zwangsläufig als verfassungswidrig ansehen, da sie im Konstrukt Jakobs den Bür-
ger wie einen Feind behandeln: Interna berücksichtigende Vorverlagerungen, zur
Tatschuld unproportionale Strafrahmen, der Abbau von prozessualen Rechten und
die Bekämpfungsgesetzgebung dienen primär dem (insbesondere präventiven)
Rechtsgüterschutz. Dieser Zweck ist jedoch nach Jakobs gerade nicht Gegenstand
des Bürgerstrafrechts, so dass folglich der Normadressat derartiger Regelungen
auch nicht als Bürger behandelt wird, sondern zum rechtslosen oder zumindest
teilweise rechtslosen Feind degradiert wird. Gerade diese rechtlich und damit
auch gesellschaftlich kommunizierte Ungleichbehandlung verstößt jedoch nach
dem oben Gesagten gegen die Menschenwürdegarantie des Grundgesetzes. Die
aufgeführten Normmerkmale, die sich nach Jakobs grundsätzlich an den Feind
richten, wären danach verfassungswidrig.
Allerdings vermag die theoretische Ausschließlichkeit des bei Jakobs als Bür-
gerstrafrecht benannten herkömmlichen Strafrechts und dem – zumindest partiell
auch präventiven – Rechtsgüterschutz nicht zu überzeugen. 1428 Gerade in der Ur-
sache, dass es Menschen gibt, die rechtliche Interessen des anderen in einer Weise
bedrohen und verletzen, die durch andere Rechtsinstitute wie etwa den zivilrecht-
lichen Schadensersatz oder die polizeiliche Gefahrenabwehr im Hinblick auf den
staatlichen Rechtsgeltungsanspruch und schließlich auch in Bezug auf die Interes-
sen des Opfers und der potentiell bedrohten Gesellschaft nicht zufrieden stellend
erfasst werden können, findet das Strafrecht seine Existenzberechtigung. 1429 Es

1427
Vgl. hierzu bereits oben Kapitel 3 B.III.2.a).
1428
Vgl. auch schon Kritik bei Hoerster, N.: ZRP 1999, 215 in seiner Rezension zu
„Norm, Person, Gesellschaft“ von Günther Jakobs: „Wer an den philosophischen Grundla-
gen gerade des modernen, dem Schutze individueller Grundrechte dienenden Verfassungs-
staates interessiert ist, kann auf Jakobs Vorüberlegungen zu einer Rechtsphilosophie nur
mit Befremden reagieren.“
280 Kap. 3: Zweck- und Verhältnismäßigkeit des Feindstrafrechts

erscheint daher nicht interessengerecht, den Strafzweck des so genannten Bür-


gerstrafrechts allein auf die Einübung von Normanerkennung einzuengen, wie
bei Jakobs geschehen. Vielmehr kommt das Strafrecht zur Anwendung um eine
Vielzahl von Zwecken zu erfüllen 1430, von denen jedenfalls einer, wenn nicht
sogar der dominierende der Rechtsgüterschutz 1431 ist. Dabei umfasst der Rechts-
güterschutz bereits dem Begriff nach nicht bloß die repressive, sondern auch
die präventive Wirkweise. Danach entfällt jedoch die zwingende Trennung von
Bürger- und Feindstrafrecht nach dem Kriterium des Rechtsgüterschutzes, so dass
folglich der Bürger auch nicht gleich als Feind behandelt wird, nur weil gegen
ihn primär rechtsgüterschützende Strafvorschriften angewendet werden. Ebenfalls
begründen die benannten Normmerkmale per se noch keine verfassungswidri-
ge Ungleichbehandlung, die dem Menschenwürdegebot nach Art. 1 Abs. 1 GG
zuwiderläuft.
Als Feindstrafrecht können vielmehr allein Normen beziehungsweise Norm-
merkmale gelten, denen eine derart stigmatisierende Ausgrenzungswirkung zu-
kommt, dass bestimmte Täter den strafrechtlichen Personenstatus verlieren und
stattdessen als niedere, ausschließlich gefährliche Individuen behandelt werden.
Entsprechend ist auch die Verfassungswidrigkeit der Normmerkmale, insbeson-
dere in Bezug auf Art. 1 Abs. 1 GG, zu bestimmen: Interna berücksichtigende
Vorverlagerungen, zur Tatschuld unproportionale Strafrahmen, die Einschränkung
von Prozessrechten und die Bekämpfungsgesetzgebung sind – in Bezug auf feind-
strafrechtliche Grundprinzipien – vor allem dann verfassungswidrig, wenn sie
inhaltlich von der Zwecksetzung getragen sind, bestimmte Täter oder Tätergrup-
pen aus dem Anwendungsbereich des „normalen“ Strafrechts beziehungsweise
überhaupt aus der üblich gewährten Rechtsstellung zu exkludieren oder die Merk-
male jedenfalls faktisch eine Ausgrenzung bewirken. Dies kann und muss im
Vorfeld des Normerlasses vom Gesetzgeber oder nachfolgend von den Gerichten
jeweils anhand der konkreten Norm und im Einzelfall, vor allem im Rahmen
von Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit überprüft werden, soll jedoch hier
ausgelassen werden, da eine solche Untersuchung aufgrund ihres Umfangs den
Rahmen dieser Dissertation sprengen würde. Im Allgemeinen kann aber gesagt
werden, dass vornehmlich zwei, miteinander zusammenhängende Komponenten
die besondere Gefahr bergen, in einem gegen die Menschenwürdegarantie des
Grundgesetzes verstoßenden Feindstrafrecht auszuarten: Zum einen kann die
beispielsweise zur Begründung einschränkender oder strafschärfender Normen
überwiegende Bezugnahme auf gefährliche Täter – statt Taten – zu einer recht-

1429
Vgl. auch Dencker, F.: StV 1988, 262 ff., 266.
1430
Zu den vertretenen Strafzwecken im Einzelnen und insbesondere zur vorherrschen-
den Vereinigungstheorie vgl. beispielsweise Darstellung bei Roxin, C.: Strafrecht AT 2006,
§ 3 Rn. 1 ff., 33 ff.
1431
Insofern der ständ. Rsp. sowie der überwiegenden Ansicht in der Literatur zustim-
mend, vgl. hierzu bereits Fn. 138.
C. Verfassungsmäßigkeit des Feindstrafrechts 281

lichen und damit schließlich geförderten gesellschaftlichen Ausgrenzung eben


dieser Tätertypen führen. Zum anderen sollten strafrechtliche „Kampfansagen“
(etwa im Rahmen der Bekämpfungsgesetzgebung) gegen bestimmte Delikte oder
die Dämonisierung bestimmter Delinquenten vermieden werden, also insbeson-
dere auf bellizistische Symbolik im Strafrecht verzichtet werden. Krieg und ein
rechtsstaatliches Strafrecht sind eben prinzipiell auseinanderzuhalten, andernfalls
mutiert der (strafrechtliche) Täter zum entrechteten Feind und der verfassungs-
rechtlich garantierte Rechtsstaat besteht allenfalls noch auf dem Papier, nicht aber
im praktizierten „Recht“. Insbesondere im Bereich der Sexualdelinquenz und des
Terrorismus droht diese Grenze beizeiten überschritten zu werden. 1432
Im Ergebnis können also die einzelnen Normmerkmale, die in der strafrecht-
lichen Konzeption von Jakobs „Feindstrafrecht“ darstellen, nach der hier vertre-
tenen Ansicht durchaus verfassungskonform der allgemeinen oder individuellen
Sicherheit – auch im Strafrecht – dienen, denn materielle Vorverlagerungen, zur
Tatschuld unproportionale Strafrahmen, die Einschränkung von Prozessrechten
und die Bekämpfungsgesetzgebung verstoßen nicht per se gegen die Verfassung,
sondern können im Einzelfall zum Zwecke des strafrechtlichen Rechtsgüterschut-
zes erforderlich und angemessen sein. Allerdings wird die zulässige Grenze des
Rechtsgüterschutzes jedenfalls dann überschritten, wenn ihnen eine stigmatisie-
rende Ausgrenzungswirkung zukommt, da dann die Menschenwürdegarantie aus
Art. 1 Abs. 1 GG in ihrem Kern betroffen ist. Ob dies der Fall ist, muss anhand
der konkreten Norm im Einzelfall bewertet werden. Kommt den Normmerkma-
len danach keine Ausgrenzungswirkung zu, sollte diesbezüglich auch nicht von
„Feindstrafrecht“ gesprochen werden, nur weil das Merkmal nach Jakobs tenden-
ziell dem Feindstrafrecht unterfällt. Denn – wie oben gesehen – basiert Jakobs
feindstrafrechtliches Konstrukt auf einer rechtlichen Andersbehandlung des Fein-
des gegenüber dem Bürger durch gesellschaftliche Kommunikation, die sich aus
dem jeweils verfolgten Strafzweck herleitet. Der Strafzweckgedanke bei Jakobs
weicht jedoch gerade von den Vorstellungen ab, die sich im herkömmlichen
Strafrecht verkörpern und die eben auch den Rechtsgüterschutz miteinschlie-
ßen – man gedenke etwa den Maßregeln 1433 zur Besserung und Sicherung. Schon
aus diesem Grund sollte die Jakobssche Konzeption abgelehnt werden. Vielmehr
stellen sich die von Jakobs benannten Normmerkmale dann als Kennzeichen ei-
nes Strafrechts dar, das aktuell mit Worten wie „Sicherheitsstrafrecht“ 1434 oder
„Risikostrafrecht“ 1435 umschrieben wird und das eben in seiner Ausgestaltung auf

1432
Vgl. hierzu auch Vogel, J.: ZStW 115 (2003), 638 ff., 661 bzw. zur Überschrei-
tung aufgrund politischer und gesellschaftlicher Feindbildzuweisung vgl. Kunz, T.: Der
Sicherheitsdiskurs 2005, S. 10, 18.
1433
Vgl. auch Polaino Navarrete, M.: Jakobs-FS 2007, S. 529 ff., 544 ff.
1434
Z. B. Albrecht, P.-A.: Betrifft JUSTIZ 2006, 289 ff.; Frehsee, D. in: Frehsee, D. u. a.
(Hrsg.): Konstruktion der Wirklichkeit durch Strafe 1997, S. 14 ff., 23; Stratenwerth, G.:
ZStW 105 (1993), 679 ff.; Krauß, D.: StV 1989, 315 ff.
282 Kap. 3: Zweck- und Verhältnismäßigkeit des Feindstrafrechts

besondere Gefahrsituationen in der modernen Risikogesellschaft 1436 Bezug nimmt


und diese strafrechtlich integriert. 1437

1435
Vgl. v. a. Prittwitz, C.: Strafrecht und Risiko 1993; ders. in: Frehsee, D. u. a. (Hrsg.):
Konstruktion der Wirklichkeit durch Strafe 1997, S. 47 ff.; Schulz, L. in: Institut für Krimi-
nalwissenschaften und Rechtsphilosophie Frankfurt a. M. (Hrsg.): Jenseits des rechtsstaat-
lichen Strafrechts 2007, S. 619 ff., 622; Seelmann, K.: KritV 1992, 452 ff.
1436
Vgl. bereits Fn. 1019.
1437
Freilich wirft ein solches, durch die Einschränkung bürgerlicher Freiheiten Sicher-
heit bezweckendes Strafrecht wiederum die Frage nach seiner Verfassungsmäßigkeit auf.
Dies ist jedoch trotz der bereits Erwähnung gefundenen Parallelen zum Feindstrafrecht
(vgl. oben Kapitel 2 E.) unabhängig von diesem zu bestimmen und daher hier nicht von
Belang (zur allgemeinen Diskussion vgl. etwa die Beiträge in Blaschke, U. u. a. (Hrsg.):
Sicherheit statt Freiheit? 2005 und dem Materialheft zur 30. Strafverteidigertagung „Wie-
viel Sicherheit braucht die Freiheit“ in Frankfurt am Main vom 24. –26. 3. 2006 sowie z. B.
Denninger, E.: Aus Politik und Zeitgeschichte B10 –11/2002, 22 ff.; Düx, H.: ZRP 2003,
189 ff.; Frankenberg, G. in: Beestermöller, G. / Brunkhorst, H. (Hrsg.): Rückkehr der Folter
2006, S. 55 ff., 58 ff.; Haffke, B. in: Rode, I. u. a. (Hrsg.): Neue Lust aufs Strafen 2005,
S. 35 ff.; Hetzer, W.: MschrKrim 2005, 111 ff.; Naucke, W.: KritV 1993, 135 ff.; Prantl, H.:
Der Terrorist als Gesetzgeber 2008; Prittwitz, C. in: Institut für Kriminalwissenschaften
und Rechtsphilosophie Frankfurt a. M. (Hrsg.): Jenseits des rechtsstaatlichen Strafrechts
2007, S. 225 ff.).
Schlussbetrachtung
Jakobs Konzeption des Feindstrafrechts ist insbesondere durch seine idealtypi-
sche Ausgestaltung grundsätzlich geeignet, bestimmte Tendenzen in der Strafge-
setzgebung und der Kriminalpolitik aufzuzeigen und Anlass für rechtsstaatliche
Bedenken zu geben. Insofern erreicht das Feindstrafrecht das von Jakobs statuierte
Ziel der Kenntlichmachung bestimmter eingetretener oder drohender Rechtsstaat-
lichkeitsverluste in der aktuellen Strafrechts- beziehungsweise der generellen
Rechtsentwicklung. Dies wurde etwa am Beispiel der Sicherungsverwahrung, des
Luftsicherheitsgesetzes, der Debatte um die Folterung zur Rettung von Menschen-
leben und der Rechtsprechung zum agent provocateur oder zur Vernehmung von
V-Leuten verdeutlicht. Vor allem die Tendenzen in den Kriminalitätsbereichen der
Betäubungsmittel- und Organisierten Kriminalität, des Sexualstrafrechts und – von
besonderer Aktualität – im Rahmen der Bekämpfung des (internationalen) Terro-
rismus legen nahe, dass Jakobs darüber hinaus auch in der Hinsicht Recht zu geben
ist, dass für die Zukunft noch eine weitere Zunahme feindstrafrechtlicher Einflüs-
se auf das Strafrecht zu erwarten ist. Dies gilt jedenfalls insoweit, als dass man
die Prognose aufgrund der bloßen äußerlichen Merkmalen des Feindstrafrechts
im Sinne Jakobs (Interna berücksichtigende Vorverlagerungen, unproportionale
Strafrahmen, Bekämpfungsgesetzgebung, Abbau prozessualer Garantien) über-
prüft, wobei allerdings das strafprozessuale Merkmal des physischen Zwangs
nicht zu einer hinreichenden Qualifizierung als Feindstrafrecht genügt. Auch die
Entwicklung des Strafrechts auf europäischer beziehungsweise internationaler
Ebene (z. B. die Terrorismusbekämpfung in Großbritannien und der USA, die Be-
kämpfung der Organisierten Kriminalität in der Schweiz und Kolumbien) deutet
darauf hin, dass zukünftig verstärkt auf ein Feindstrafrecht zur Bekämpfung von
wirklichen oder auch nur vermeintlichen Großgefahren zurückgegriffen werden
wird.
Dagegen sind die Ausführungen Jakobs dahingehend abzulehnen, eine Abspal-
tung feindstrafrechtlicher Regelungen vom Bürgerstrafrecht zu fordern. Schließ-
lich darf nicht verkannt werden, dass sich das separat zu institutionalisierende
Feindstrafrecht nach Jakobs dadurch definiert, dass der Strafzweck im Bürger-
strafrecht ausschließlich in der Einübung in Normanerkennung als Variante der
positiven Generalprävention besteht, so dass (präventiver) Rechtsgüterschutz von
Vorneherein nicht als Aufgabe des Bürgerstrafrechts in Betracht kommt. Eine
solche Sichtweise ist allerdings gewichtigen Einwänden ausgesetzt, da bereits
das Bürgerstrafrecht nach Jakobs den bürgerlichen Täter als bloßen Spielball im
staatlichen System benutzt, um einen gesellschaftlichen Prozess der Einübung in
284 Schlussbetrachtung

Normanerkennung ins Rollen zu bringen: Die Konzeption ist daher in Bezug auf
die Menschenwürdegarantie des Grundgesetzes bedenklich. Darüber hinaus deckt
sich diese Konstruktion nicht mit dem tatsächlich praktizierten Recht, denn weder
der Gesetzgeber noch die Rechtsprechung verfolgen durch das Strafrecht allein
den Zweck der positiven Generalprävention. Vielmehr stellt sich das Strafrecht
eben auch, wenn nicht gar überwiegend als Rechtsgüterschutz dar, so dass die
Jakobssche Konstruktion eben im Wesentlichen eine theoretische bleibt.
Unabhängig davon ist weder das Feindstrafrecht nach Jakobs noch ein weiter
verstandenes, auf bloßer Feindzuweisung basierendes Feindstrafrecht mit der Ver-
fassung in Einklang zu bringen und muss daher als strafrechtliches Modell in einem
Rechtsstaat abgelehnt werden. Zwar ist das Feindstrafrecht grundsätzlich geeignet,
Rechtsgüter zu schützen und einen Staat entweder durch tatsächliche Gefahrenbe-
kämpfung oder durch vermittelte Symbolik zu stabilisieren. Insbesondere letzteres
konnte am Beispiel der DDR aufgezeigt werden. Das Jakobssche Modell eines
separaten Feindstrafrechts ist aber im Rahmen realer Verbrechensbekämpfung be-
reits nicht erforderlich, da es den Idealcharakter, der dem Feindbegriff bei Jakobs
selbst zukommt, nicht hinreichend berücksichtigt. Ein separates Sonderstrafrecht
ist nämlich weniger flexibel und kann nicht den Tätermischformen gerecht werden,
die sich zwischen Bürger- und Feindstatus bewegen. Das dualistische System von
Jakobs ist daher im Einzelfall nicht ausreichend anpassungsfähig und neigt von
Vorneherein zu einer höheren Mangelhaftigkeit im Hinblick auf fehlerhaft ausge-
sonderte Adressaten, die unter nur ein Strafrecht fallen dürfen. Darüber hinaus ist
das Feindstrafrecht nach Jakobs ebenso wie ein weiter verstandenes Feindstraf-
recht, das im Wesentlichen auf eine gesellschaftliche Kommunikation über den
Feind abstellt, nicht verhältnismäßig im engeren Sinne. Neben der praktischen
Unmöglichkeit, vorab die Feinde der Rechtsordnung mit Hilfe der prognostischen
Erkenntnisverfahren aus dem Pool möglicher Normadressaten herauszufiltern,
wird gerade der oberste Verfassungswert, nämlich die Menschenwürdegarantie
gemäß Art. 1 Abs. 1 GG durch die Institutionalisierung feindstrafrechtlicher Nor-
men eklatant verletzt. Das Grundgesetz spricht jedem Menschen aufgrund seines
Menschs-Seins einen identischen und unantastbaren Würdegehalt zu, durch den
sich eine strafrechtliche Schlechterstellung aufgrund einer der Person innewoh-
nenden Gefährlichkeit prinzipiell verbietet. Dagegen stellt das Feindstrafrecht eine
gesellschaftliche Exklusion bestimmter Täter und Lebensformen dar, die bereits
im Nationalsozialismus zu verheerenden Zuständen geführt hat und die gerade
dazu veranlasst hat, die Menschenwürde als höchsten Verfassungsgrundsatz zu
konstituieren.
Jakobs hat die normativen Prämissen der geltenden Verfassung im Rahmen sei-
ner Ausführungen zur systemfunktionalen Dogmatik als auch zum Feindstrafrecht
weitgehend ignoriert und bedient sich damit eines rückschrittlichen, exkludie-
renden Strafrechtmodells. In der Abgrenzung zu den Lehren Jakobs beginnt
sich ressortübergreifend durch Beiträge von Praktikern des Strafrechts und Hoch-
Schlussbetrachtung 285

schullehrern eine personfunktionale Strafrechtsdogmatik und Kriminalpolitik zu


formieren, die nicht bereit ist, rechtsstaatliche Bindungen des Strafrechts vor-
dergründigen Effizienzbestrebungen zu opfern. Es bleibt zu hoffen, dass diese
Stimmen von der Judikatur und Gesetzgebung aufgegriffen werden und Jakobs
Ansatz für die Zweiteilung des Strafrechts in Bürger- und Feindstrafrecht keine
Zustimmung findet. 1438 Bereits im Jahr 1759 hat Benjamin Franklin jedenfalls
davor gewarnt, zugunsten kurzfristiger Sicherheit die Freiheit aufzugeben:
„Der Mensch, der bereit ist, seine Freiheit aufzugeben, um Sicherheit zu gewinnen,
wird beides verlieren.“
Benjamin Franklin (1706 –1790)

1438
So bereits Schneider, H. / Morguet, G. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe
2006, S. 335 ff., 351 f.
Literaturverzeichnis
Achenbach, Hans: Das Zweite Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität, in:
NJW 1986, S. 1835 – 1841 (zit.: Achenbach, H.: NJW 1986, 1835 ff.).
Agamben, Giorgio: Ausnahmezustand, 2004, Frankfurt am Main (zit.: Agamben, G.: Aus-
nahmezustand 2004).
Aierbe, Peio M.: Mit Rückenwind der EU. Die spanische Anti-Terror-Politik, in: Bürger-
rechte & Polizei / Cilip 80 Nr. 1/2005, S. 37 –44 (zit.: Aierbe, P. M.: Cilip 80 Nr. 1/2005,
37 ff.).
Albrecht, Hans-Jörg: Die Determinanten der Sexualstrafrechtsreform, in: ZStW 111 (1999),
S. 863 – 888 (zit.: Albrecht, H.-J.: ZStW 111 (1999), 863 ff.).
– Terrorismus und Strafrecht, in: Griesbaum, Rainer / Hannich, Rolf / Schnarr, Karl Heinz
(Hrsg.): Strafrecht und Justizgewährung. Festschrift für Kay Nehm zum 65. Geburtstag,
2006, Berlin, S. 17 – 26 (zit.: Albrecht, H.-J.: Nehm-FS 2006, S. 17 ff.).
– Antworten auf Gefährlichkeit. Sicherungsverwahrung und unbestimmter Freiheitsent-
zug, in: Feltes, Thomas / Pfeiffer, Christian / Steinhilper, Gernot (Hrsg.): Kriminalpoli-
tik und ihre wissenschaftlichen Grundlagen. Festschrift für Hans-Dieter Schwind zum
70. Geburtstag, 2006, Heidelberg, S. 191 –210 (zit.: Albrecht, H.-J.: Schwind-FS 2006,
S. 191 ff.).
Albrecht, Peter-Alexis: Das Strafrecht auf dem Weg vom liberalen Rechtsstaat zum sozia-
len Interventionsstaat, in: KritV 1988, S. 182 –209 (zit.: Albrecht, P.-A.: KritV 1988,
182 ff.).
– Erosionen des rechtsstaatlichen Strafrechts, in: KritV 1993, S. 163 – 182 (zit.: Albrecht,
P.-A.: KritV 1993, 163 ff.).
– Organisierte Kriminalität: Das Kriminaljustizsystem und seine konstruierten Realitäten,
in: KritV 1997, S. 229 – 237 (zit.: Albrecht, P.-A.: KritV 1997, 229 ff.).
– Vom Unheil der Reformbemühungen im Strafverfahren. Freiheit – zu Tode geschützt,
in: Humanistische Union (Hrsg.): Innere Sicherheit als Gefahr, Berlin 2003, S. 49 –63
(zit.: Albrecht, P.-A.: Innere Sicherheit als Gefahr 2003, S. 49 ff.).
– Die vergessene Freiheit. Strafrechtsprinzipien in der europäischen Sicherheitsdebatte,
2003, Berlin (zit.: Albrecht, P.-A.: Die vergessene Freiheit 2003).
– „Krieg gegen den Terror“ – Konsequenzen für ein rechtsstaatliches Strafrecht, in: ZStW
117 (2005), S. 852 – 864 (zit.: Albrecht, P.-A.: ZStW 117 (2005), 852 ff.).
Literaturverzeichnis 287

– Das nach-präventive Strafrecht: Abschied vom Recht. Sicherheitsstrafrecht als Entwick-


lung vom Bürgerstrafrecht zum Feindstrafrecht, in: Betrifft JUSTIZ 2006, S. 289 –298,
(zit.: Albrecht, P.-A.: Betrifft JUSTIZ 2006, 289 ff.).
Allport, Gordon W. / Knudsen, Knud: Treibjagd auf Sündenböcke, 4. Aufl. 1968, Bad Nau-
heim (zit.: Allport, G. W. / Knudsen, K.: Treibjagd auf Sündenböcke 1968).
Ambos, Kai: Bericht über die Diskussion zum Thema „Das Selbstverständnis der Strafrechts-
wissenschaft gegenüber den Herausforderungen ihrer Zeit“, in: Eser, Albin / Hassemer,
Winfried / Burkhardt, Björn (Hrsg.): Die deutsche Strafrechtswissenschaft vor der Jahr-
tausendwende, 2000, München, S. 103 –107 (zit.: Ambos, K.: Eser, A. u. a. (Hrsg.):
Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende 2000, S. 103 ff.).
– Feindstrafrecht, in: ZStrR 2006, S. 1 – 30 (zit.: Ambos, K.: ZStrR 2006, 1 ff.).
Amelung, Daniel / Funcke-Auffermann, Niklas: Die erneute Reform des Sexualstrafrechts –
Ein systematischer Überblick unter Berücksichtigung des „Gesetzes zur Änderung der
Vorschriften über die Straften gegen die sexuelle Selbstbestimmung und zur Ände-
rung anderer Vorschriften“, in: StraFo 2004, S. 114 –122 (zit.: Amelung, D. / Funcke-
Auffermann, N.: StraFo 2004, 114 ff.).
– Die erneute Reform des Sexualstrafrechts – 2. Teil – Ein systematischer Überblick unter
Berücksichtigung des „Gesetzes zur Änderung der Vorschriften über die Straften gegen
die sexuelle Selbstbestimmung und zur Änderung anderer Vorschriften“, in: StraFo
2004, S. 265 – 273 (zit.: Amelung, D. / Funcke-Auffermann, N.: StraFo 2004, 265 ff.).
Apel, Michaela: Inklusion und Exklusion im Strafvollzug – Sicherheit als Alternative
zur Resozialisierung? In: Institut für Kriminalwissenschaften und Rechtsphilosophie
Frankfurt a. M. (Hrsg.): Jenseits des rechtsstaatlichen Strafrechts, 2007, Frankfurt am
Main, S. 355 –362 (zit.: Apel, M. in: Institut für Kriminalwissenschaften und Rechts-
philosophie Frankfurt a. M. (Hrsg.): Jenseits des rechtsstaatlichen Strafrechts 2007,
S. 355 ff.).
Aponte, Alejandro: Krieg und Feindstrafrecht. Überlegungen zum „effizienten“ Feinstraf-
recht anhand der Situation in Kolumbien, 2004, Baden-Baden (zit.: Aponte, A.: Krieg
und Feindstrafrecht 2004).
– Feind oder Bürger? Günther Jakobs und das Dilemma eines feindlichen Strafrechts,
in: Uwer, Thomas (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe. Leben im Feindrechtsstaat, 2006,
Berlin, S. 131 –163 (zit.: Aponte, A. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006,
S. 131 ff.).
– Krieg und Politik – Das politische Feindstrafrecht im Alltag, in: HRRS 8 –9/2006,
S. 297 – 303, im Internet abrufbar unter: http://www.hrr-Strafrecht.de (zit.: Aponte, A.:
HRRS 8 – 9/2006, 297 ff.).
Appel, Ivo: Verfassung und Strafe. Zu den verfassungsrechtlichen Grenzen staatlichen
Strafens, 1998, Berlin (zit.: Appel, I.: Verfassung und Strafe 1998).
288 Literaturverzeichnis

Arnold, Jörg: Entwicklungslinien des Feindstrafrechts, in: HRRS 8 –9/2006, S. 303 –315,
im Internet abrufbar unter: http://www.hrr-Strafrecht.de (zit.: Arnold, J.: HRRS 8 –9/
2006, 303 ff.).
Bader, Markus: Der Straftatbestand der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im
Lichte aktueller Rechtsprechung des BGH, in: NStZ 2007, S. 618 –624 (zit.: Bader, M.:
NStZ 2007, 618 ff.).
Badura, Peter: Generalprävention und Würde des Menschen, in: JZ 1964, S. 339 –344 (zit.:
Badura, P.: JZ 1964, 339 ff.).
Baratta, Alessandro: Jenseits der Strafe – Rechtsgüterschutz in der Risikogesellschaft.
Zur Neubewertung der Funktionen des Strafrechts, in: Haft, Fritjof / Hassemer, Win-
fried / Neumann, Ulfried / Schild, Wolfgang / Schroth, Ulrich (Hrsg.): Strafgerechtigkeit.
Festschrift für Arthur Kaufmann zum 70. Geburtstag, 1993, Heidelberg, S. 393 –416
(zit.: Baratta, A. in: Arthur Kaufmann-FS 1993, S. 393 ff.).
Beck, Ulrich: Das Schweigen der Wörter. Über Terror und Krieg, 2002, Frankfurt am Main
(zit.: Beck, U.: Das Schweigen der Wörter 2002).
– Risikogesellschaft. Auf dem Weg in eine andere Moderne, 2003, Frankfurt am Main
(zit.: Beck, U.: Risikogesellschaft 2003).
– Weltrisikogesellschaft, 2007, Frankfurt am Main (zit.: Beck, U.: Weltrisikogesellschaft
2007).
Beck, Wolfgang: Unrechtsbegründung und Vorfeldkriminalisierungen. Zum Problem der
Unrechtsbegründung im Bereich vorgelegter Strafbarkeit, – erörtert unter besonderer
Berücksichtigung der Deliktstatbestände des politischen Strafrechts, 1992, Berlin (zit.:
Beck, W.: Unrechtsbegründung und Vorfeldkriminalisierungen 1992).
Beestermöller, Gerhard / Brunkhorst, Hauke (Hrsg.): Rückkehr der Folter. Der Rechtsstaat
im Zwielicht, 2006, München (zit.: Beestermöller, G. / Brunkhorst, H. (Hrsg.): Rückkehr
der Folter 2006).
Beulke, Werner: Strafprozessrecht, 9. Aufl. 2006, Heidelberg (zit.: Beulke, W.: Strafpro-
zessrecht 2006).
Bielefeldt, Heiner: Das Folterverbot im Rechtsstaat, in: Policy Paper Nr. 4 (2004), 11 Seiten,
im Internet abrufbar unter: www.institut-fuer-menschenrechte.de (zit.: Bielefeldt, H.:
Policy Paper Nr. 4 (2004)).
Blaschke, Ulrich / Förster, Achim / Lumpp, Stephanie / Schmidt, Judith (Hrsg.): Sicherheit
statt Freiheit? Staatliche Handlungsspielräume in extremen Gefährdungslagen, 2005,
Berlin (zit.: Blaschke, U. u. a. (Hrsg.): Sicherheit statt Freiheit? 2005).
Bock, Michael: Ideen und Schimären im Strafrecht. Rechtssoziologische Anmerkungen
zur Dogmatik der positiven Generalprävention, in: ZStW 103 (1991), S. 636 –656 (zit.:
Bock, M.: ZStW 103 (1991), 636 ff.).
– Kriminologie, 3. Aufl. 2007, München (zit.: Bock, M.: Kriminologie 2007).
Literaturverzeichnis 289

Bois-Pedain, Antje du: Das kleine Einmaleins des Rechtsstaats und die Fallstricke der
Terrorbekämpfung in England, in: HRRS 6/2006, S. 209 –217, im Internet abrufbar
unter: http://www.hrr-Strafrecht.de (zit.: Bois-Pedain, A. d.: HRRS 6/2006, 209 ff.).
Böttger, Andreas / Pfeiffer, Christian: Der Lauschangriff in den USA und in Deutschland,
in: ZRP 1994, S. 7 – 17 (zit.: Böttger, A. / Pfeiffer, C.: ZRP 1994, 7 ff.).
Braum, Stefan: Erosionen der Menschenwürde – Auf dem Weg zur Bundesfolterordnung
(BFO)? In: KritV 2005, S. 283 – 298 (zit.: Braum, S.: KritV 2005, 283 ff.).
Brieskorn, Norbert: Das Grundgesetz in seinem Verhältnis zur abendländischen Theolo-
gie, in Kraetzer, Jakob (Hrsg.): Das Menschenbild des Grundgesetzes, 2. Aufl. 1997,
S. 27 –47, Berlin (zit.: Brieskorn, N. in: Kraetzer, J. (Hrsg.): Das Menschenbild des
Grundgesetzes 1997, S. 27 ff.).
Brugger, Winfried: Vom unbedingten Verbot der Folter zum bedingten Recht auf Folter?
JZ 2000, S. 165 – 173 (zit.: Brugger, W.: JZ 2000, 165 ff.).
– Das andere Auge. Folter als zweitschlechteste Lösung, Frankfurter Allgemeine Zeitung
Nr. 58 vom 10. 03. 2003, S. 8 (zit.: Brugger, W.: FAZ Nr. 58 v. 10. 3. 2003, S. 8).
– Hassrede, Beleidigung, Volksverhetzung, in: JA 2006, S. 687 –692 (zit.: Brugger, W.:
JA 2006, 687 ff.).
Brunkhorst, Hauke: Folter, Würde und repressiver Liberalismus, in: Uwer, Thomas (Hrsg.):
Bitte bewahren Sie Ruhe. Leben im Feindrechtsstaat, 2006, Berlin, S. 103 –116 (zit.:
Brunkhorst, H. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 103 ff.).
Bucke, Tom / Street, Robert / Brown, David: The right of silence: the impact of the Criminal
Justice and Public Order Act 1994, 2000, London, im Internet abrufbar unter: http://www
.homeoffice.gov.uk/rds/pdfs/hors199.pdf, 110 Seiten (zit.: Bucke, T. / Street, R. / Brown,
D.: The right of silence 2000).
Buermeyer, Ulf: Die „Online-Durchsuchung“. Technischer Hintergrund des verdeckten
hoheitlichen Zugriffs auf Computersysteme, in: HRRS 4/2007, S. 154 –166, im Inter-
net abrufbar unter: http://www.hrr-Strafrecht.de (zit.: Buermeyer, U.: HRRS 4/2007,
154 ff.).
Bung, Jochen: Feindstrafrecht als Theorie der Normgeltung und der Person, in: Uwer,
Thomas (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe. Leben im Feindrechtsstaat, 2006, Berlin,
S. 249 –265 (zit.: Bung, J. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 249 ff.).
– Zurechnen-Können, Erwarten-Dürfen und Vorsorgen-Müssen – Eine Erwiderung auf
Günther Jakobs, in: HRRS 8 –9/2006, S. 317 –321, im Internet abrufbar unter: http:/
/www.hrr-Strafrecht.de (zit.: Bung, J.: HRRS 8 – 9/2006, 317 ff.).
Burkiczak, Christian M.: Anmerkung zu BVerfG vom 15. 2. 2006 – 1 BvR 357/05, in: JA
2006, S. 500 – 501 (zit.: Burkiczak, C. M.: JA 2006, 500 f.).
Cancio Meliá, Manuel: Feind„strafrecht“? In ZStW 117 (2005), S. 267 –289 (zit.: Cancio
Meliá, M.: ZStW 117 (2005), 267 ff.).
290 Literaturverzeichnis

– Zum Unrecht der kriminellen Vereinigung: Gefahr und Bedeutung, in: Pawlik, Mi-
chael / Zaczyk, Rainer (Hrsg.): Festschrift für Günther Jakobs zum 70. Geburtstag am
26. Juli 2007, 2007, Berlin / München, S. 27 –52 (zit.: Cancio Meliá, M.: Jakobs-FS
2007, S. 27 ff.).
Christensen, Ralph: Wahrheit, Recht und Folter – Eine methodische Betrachtung, in:
Blaschke, Ulrich / Förster, Achim / Lumpp, Stephanie / Schmidt, Judith: Sicherheit statt
Freiheit? Staatliche Handlungsspielräume in extremen Gefährdungslagen, 2005, Berlin,
S. 133 –160 (zit.: Christensen, R. in: Blaschke, U. u. a. (Hrsg.): Sicherheit statt Freiheit?
2005, S. 133 ff.).
Cole, David: Deren Freiheit, unsere Sicherheit. Bürger und Nichtbürger nach dem 11. Sep-
tember 2001, in: Uwer, Thomas (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe. Leben im Feind-
rechtsstaat, 2006, Berlin, S. 165 –193 (zit.: Cole, D. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren
Sie Ruhe 2006, S. 165 ff.).
Cornils, Katrin: Bericht über die Diskussion zum Thema „Die Strafrechtswissenschaft
vor den Aufgaben der Zukunft“, in: Eser, Albin / Hassemer, Winfried / Burkhardt, Björn
(Hrsg.): Die deutsche Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende, 2000, Mün-
chen, S. 427 –435 (zit.: Cornils, K. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor
der Jahrtausendwende 2000, S. 427 ff.).
Creifelds, Carl (Begr.) / Weber, Klaus (Hrsg.): Creifelds – Rechtswörterbuch, 18. Aufl. 2004,
München (zit.: Creifelds, C. / Weber, K. (Hrsg.): Creifelds 2004).
Dahs, Hans: Das „Anti-Terroristen-Gesetz“ – eine Niederlage des Rechtsstaats, in: NJW
1976, S. 2145 – 2151 (zit.: Dahs, H.: NJW 1976, 2145 ff.).
– Das Verbrechensbekämpfungsgesetz vom 28. 10. 1994 – ein Produkt des Superwahljah-
res, in: NJW 1995, S. 553 – 557 (zit.: Dahs, H.: NJW 1995, 553 ff.).
Dechsling, Rainer: Das Verhältnismäßigkeitsgebot, 1989, München (zit.: Dechsling, R.:
Das Verhältnismäßigkeitsgebot 1989).
Deckers, Rüdiger / Gercke, Björn: Strafverteidigung und Überwachung der Telekommuni-
kation, in: StraFo 2004, S. 84 – 90 (zit.: Deckers, R. / Gercke, B.: StraFo 2004, 84 ff.).
Demetrio Crespo, Eduardo: Das „Feindstrafrecht“ darf nicht sein! Zur Unzulässigkeit des
sogenannten „Feindstrafrechts“ und dem Gedanken der Sicherheit unter besonderer
Berücksichtigung der wissenschaftlichen Diskussion und Tendenzen in Spanien, in:
ZIS 2006, S. 413 –427, im Internet abrufbar unter: www.zis-online.com (zit.: Demetrio
Crespo, E.: ZIS 2006, 413 ff.).
Dencker, Friedrich : Das „Gesetz zur Bekämpfung des Terrorismus“, in: StV 1987, S. 117 –
122 (zit.: Dencker, F.: StV 1987, 117 ff.).
– Gefährlichkeitsvermutung statt Tatschuld? Tendenzen der neueren Strafrechtsentwick-
lung, in: StV 1988, S. 262 – 266 (zit.: Dencker, F.: StV 1988, 262 ff.).
Literaturverzeichnis 291

Denkowski, Charles von: Mehrmonatiger Sicherheitsgewahrsam: Staatsschutz im Geiste


des Grundgesetzes oder präventiver Schutz neuer Art durch Feindmaßnahmen? In:
Kriminalistik 2006, S. 11 – 22 (zit.: Denkowski, C. v.: Kriminalistik 2006, 11 ff.).
Denninger, Erhard: Der Präventions-Staat, in: KritJ 1988, S. 1 –15 (zit.: Denninger, E.:
KritJ 1988, 1 ff.).
– Freiheit durch Sicherheit? Anmerkungen zum Terrorismusbekämpfungsgesetz, in: Aus
Politik und Zeitgeschichte B10 –11/2002, 52. Jg., S. 22 –30 (zit.: Denninger, E.: Aus
Politik und Zeitgeschichte B10 – 11/2002, 22 ff.).
Depenheuer, Otto: Selbstbehauptung des Rechtsstaates, 2007, Paderborn, München, Wien,
Zürich (zit.: Depenheuer, O.: Selbstbehauptung des Rechtsstaates 2007).
Dershowitz, Alan M.: Want to torture? Get a warrant, in: San Francisco Chronicle vom
22. 1. 2002, p. A-19, im Internet abrufbar unter: http://www.sfgate.com/cgi-bin/article
.cgi?file=/chronicle/archive/2002/01/22/ED5329.DTL (zit.: Dershowitz, A. M.: San
Francisco Chronicle v. 22. 1. 2002, p. A-9).
– Why Terrorism works. Understanding the threat responding to the challenge, 2002, New
Haven (USA) (zit.: Dershowitz, A. M.: Why Terrorism works 2002).
Dessecker, Axel: Veränderungen im Sexualstrafrecht. Eine vorläufige Bewertung aktueller
Reformbemühungen, in: NStZ 1998, S. 1 – 6 (zit.: Dessecker, A.: NStZ 1998, 1 ff.).
Diederichs, Otto: Kriminalität und Kriminalitätsfurcht – Wo gehobelt wird, fallen Späne,
in: Bürgerrechte & Polizei / Cilip 57 Nr. 2/1997, S. 18 –23 (zit.: Diederichs, O.: Cilip
57 Nr. 2/1997, 18 ff.).
Dreist, Peter: Einsatz der Bundeswehr im Innern – Das Luftsicherheitsgesetz als Anlass
zum verfassungsrechtlichen Nachdenken, in: Blaschke, Ulrich / Förster, Achim / Lumpp,
Stephanie / Schmidt, Judith: Sicherheit statt Freiheit? Staatliche Handlungsspielräume
in extremen Gefährdungslagen, 2005, Berlin, S. 77 –105 (zit.: Dreist, P. in: Blaschke,
U. u. a. (Hrsg.): Sicherheit statt Freiheit? 2005, S. 77 ff.).
Dürig, Günter: Die Menschenauffassung des Grundgesetzes, in: JR 1952, S. 259 –263 (zit.:
Dürig, G.: JR 1952, 259 ff.).
– Der Grundrechtssatz der Menschenwürde. Entwurf eines praktikablen Wertsystems der
Grundrechte aus Art. 1 Abs. I in Verbindung mit Art. 19 Abs. II des Grundgesetzes, in:
AöR 81 (1956), S. 117 – 157 (zit.: Dürig, G.: AöR 81 (1956), 117 ff.).
Düx, Heinz: Globale Sicherheitsgesetze und weltweite Erosion von Grundrechten – Statt
„Feindstrafrecht“ globaler Ausbau demokratischer Rechte, in: ZRP 2003, S. 189 –195
(zit.: Düx, H.: ZRP 2003, 189 ff.).
Eisele, Jörg: Die einzelnen Beschuldigtenrechte der Europäischen Menschenrechtskonven-
tion, in: JA 2005, S. 901 – 908 (zit.: Eisele, J.: JA 2005, 901 ff.).
Eisenberg, Ulrich: Kriminologie, 6. Aufl. 2005, München (zit.: Eisenberg, U.: Kriminologie
2005).
292 Literaturverzeichnis

Elbert, Carlos Alberto: Auf der Suche nach einer neuen Kriminalpolitik – aber welcher?
In: ZStW 118 (2006), S. 953 – 967 (zit.: Elbert, C. A.: ZStW 118 (2006), 953 ff.).
Ellbogen, Klaus: Anmerkung zu BGH vom 17. 8. 2004 – 1 StR 315/04, in: JA 2005,
S. 334 – 336 (zit.: Ellbogen, K.: JA 2005, 334 ff.).
Enders, Christoph: Die Menschenwürde in der Verfassungsordnung, 1997, Tübingen (zit.:
Enders, C.: Die Menschenwürde in der Verfassungsordnung 1997).
Endriß, Rainer / Kinzig, Jörg: Neuralgische Punkte des Betäubungsmittelstrafrechts, in:
NJW 2001, S. 3217 – 3222 (zit.: Endriß, R. / Kinzig, J.: NJW 2001, 3217 ff.).
Engländer, Armin: Examens-Repetitorium Strafprozessrecht, 2. Aufl. 2006, Heidelberg
(zit.: Engländer, A.: Strafprozessrecht 2006).
Enzenberger, Hans Magnus: Schreckens Männer. Versuch über den radikalen Verlierer,
1. Aufl. 2006, Frankfurt am Main (zit.: Enzenberger, H. M.: Schreckens Männer 2006).
Erb, Volker: Nothilfe durch Folter, in: Jura 2005, S. 24 –30 (zit.: Erb, V.: Jura 2005, 24 ff.).
– Stellungnahme zum „Fall Daschner“ vom 9.12.2004, im Internet abrufbar unter: http://
www.jura.uni-mainz.de/fileadmin/Lehrstuehle/Erb/dokumente/material/Daschner-Stell
ungnahme.pdf, 6 Seiten (zit.: Erb, V.: Stellungnahme zum „Fall Daschner“ 2004).
– Notwehr als Menschenrecht – Zugleich eine Kritik der Entscheidung des LG Frankfurt
am Main im „Fall Daschner“, in: NStZ 2005, S. 593 –602 (zit.: Erb, V.: NStZ 2005,
593 ff.).
Eser, Albin: Hundert Jahre deutscher Strafgesetzgebung. Rückblick und Tendenzen, in:
Kaufmann, Arthur / Mestmäcker Ernst-Joachim / Zacher, Hans F. (Hrsg.): Rechtsstaat
und Menschenwürde. Festschrift für Werner Maihofer zum 70. Geburtstag, 1988, Frank-
furt am Main, S. 109 – 134 (zit.: Eser, A.: Maihofer-FS 1988, S. 109 ff.).
– Schlußbetrachtungen, in: Eser, Albin / Hassemer, Winfried / Burkhardt, Björn (Hrsg.):
Die deutsche Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende, 2000, München,
S. 437 –448 (zit.: Eser, A. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der
Jahrtausendwende 2000, S. 437 ff.).
Esser, Robert: Auf dem Weg zu einem europäischen Strafverfahrensrecht. Die Grundlagen
der im Spiegel der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrech-
te (EGMR) in Strassburg, 2002, Berlin (zit.: Esser, R.: Auf dem Weg zu einem
europäischen Strafverfahrensrecht 2002).
Fahl, Christian: Cicero und das „Feindstrafrecht“, in: StraFo 2006, S. 178 –180 (zit.: Fahl,
C.: StraFo 2006, 178 ff.).
Fehn, Bernd Josef: Ausländerrecht und Terrorismusbekämpfung, in: Kriminalistik 2004,
S. 709 – 711 (zit.: Fehn, B. J.: Kriminalistik 2004, 709 ff.).
Feijoo Sánchez, Bernando: Positive Generalprävention. Gedanken zur Straftheorie Günther
Jakobs’, in: Pawlik, Michael / Zaczyk, Rainer (Hrsg.): Festschrift für Günther Jakobs
Literaturverzeichnis 293

zum 70. Geburtstag am 26. Juli 2007, 2007, Berlin / München, S. 75 –95 (zit.: Feijoo
Sánchez, B.: Jakobs-FS 2007, S. 75 ff.).
Fieber, Ulrich: Die Verbrechensverabredung, § 30 Abs. 2, 3. Alt. StGB, 2001, Frankfurt am
Main (zit.: Fieber, U.: Die Verbrechensverabredung 2001).
Fischer Taschenbuchverlag (Hrsg.): Der Fischer Weltalmanach 2005, 2004, Frankfurt am
Main (zit.: Fischer Weltalmanach 2005).
– Der Fischer Weltalmanach 2006, 2005, Frankfurt am Main (zit.: Fischer Weltalmanach
2006).
– Der Fischer Weltalmanach 2007, 2006, Frankfurt am Main (zit.: Fischer Weltalmanach
2007).
Fischer, Thomas: Strafgesetzbuch und Nebengesetze, 55. Aufl. 2008, München (zit.: Fi-
scher, T.: StGB 2008).
Follath, Erich / Spörl, Gerhard: Das Recht auf Rache, in: Der Spiegel vom 23. 1. 2006,
S. 104 – 114 (zit.: Follath, E. / Spörl, G.: Der Spiegel v. 23.1.06, S. 104 ff.).
Frankenberg, Günter: Kritik des Bekämpfungsrechts, in: KJ 2005, S. 370 –386 (zit.: Fran-
kenberg, G.: KJ 2005, 370 ff.).
– Folter, Feindstrafrecht und Sonderpolizeirecht. Anmerkungen zu Phänomenen des
Bekämpfungsrechts, in: Beestermöller, Gerhard / Brunkhorst, Hauke (Hrsg.): Rückkehr
der Folter, 2006, München, S. 55 –68 (zit.: Frankenberg, G. in: Beestermöller, G. /
Brunkhorst, H. (Hrsg.): Rückkehr der Folter 2006, S. 55 ff.).
Frehsee , Detlev: Die Strafe auf dem Prüfstand. Verunsicherungen des Strafrechts angesichts
gesellschaftlicher Modernisierungsprozesse, in: StV 1996, S. 222 –230 (zit.: Frehsee,
D.: StV 1996, 222 ff.).
– Fehlfunktionen des Strafrechts und der Verfall rechtsstaatlichen Freiheitsschutzes, in:
Frehsee, Detlev / Löschper, Gabi / Smaus, Gerlinda (Hrsg.): Konstruktion der Wirklich-
keit durch Strafe, 1997, Baden-Baden, S. 14 –46 (zit.: Frehsee, D. in: Frehsee, D. u. a.
(Hrsg.): Konstruktion der Wirklichkeit durch Strafe 1997, S. 14 ff.).
Friauf , Karl Heinrich / Höfling, Wolfram (Hrsg.): Berliner Kommentar zum Grundgesetz,
Stand: 18. Ergänzungslieferung vom November 2006, Berlin (zit.: Bearbeiter in Berliner
Kommentar zum GG 2006).
Fricke, Karl Wilhelm: Politik und Justiz in der DDR. Zur Geschichte der politischen
Verfolgung 1945 –1968. Bericht und Dokumentation, 1979, Köln (zit.: Fricke, K. W.:
Politik und Justiz in der DDR 1979).
Frommel, Monika: Zum Abbau der Bürgerrechte in der Strafprozessreform der Bundes-
republik Deutschland, in: KritV 1990, S. 279 –286 (zit.: Frommel, M.: KritV 1990,
279 ff.).
– Rebellen, Räuber und Intriganten, in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe. Leben
im Feindrechtsstaat, 2006, Berlin, S. 59 –76 (Frommel, M. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte
bewahren Sie Ruhe 2006, S. 59 ff.).
294 Literaturverzeichnis

Fronza, Emanuela: Feindstrafrecht und Internationale Strafgerichtsbarkeit, in: Journal der


Juristischen Zeitgeschichte 4/2007, S. 121 –128 (zit: Fronza, E.: JoJZG 4/2007, 121 ff.).
Funk, Albrecht: The War on Terrorism. US-Terrorismusbekämpfung und „Nationale Si-
cherheit“, in: Bürgerrechte & Polizei / Cilip 70 Nr. 3/2001, S. 63 –70 (zit.: Funk, A.:
Cilip 70 Nr. 3/2001, 63 ff.).
– Krieg als Terrorismusbekämpfung, in: KrimJ, 34. Jg., 2. Vj. 2002, S. 132 –142 (zit.:
Funk, A.: KrimJ 2002, 132 ff.).
– Der „war on terrorism“ der USA. Eine Zwischenbilanz im vierten Jahr, in: Bürgerrechte
& Polizei / Cilip 80 Nr. 1/2005, S. 51 – 60 (zit.: Funk, A.: Cilip 80 Nr. 1/2005, 51 ff.).
Gaede, Karsten: Die besonders vorsichtige Beweiswürdigung bei der exekutiven Sperrung
von Beweismaterial im Konflikt mit dem Offenlegungsanspruch des Art. 6 I 1 EMRK;
zugleich Bespr. von BGH, Urteil v. 4. 3. 2004 – 3 StR 218/03, in: StraFo 2004, S. 195 –
201 (zit.: Gaede, K.: StraFo 2004, 195 ff.).
Garland, David: The Culture of Control. Crime and Social Order in contemporary Society,
2001, Chicago (zit.: Garland, D.: Culture of Control 2001).
– Die Kultur der „High Crime Societies“. Voraussetzungen einer neuen Politik von
„Law and Order“, in: Oberwittler, Dietrich / Karstedt, Susanne (Hrsg.): Soziologie der
Kriminalität – KZfSS Sonderheft 43/2003, 2004, Wiesbaden, S. 36 – 68 (zit.: Garland,
D.: KZfSS Sonderheft 43/2003, S. 36 ff.).
Glauben, Paul J.: Kann der „Große Lauschangriff“ zulässig sein? In: DriZ 1993, S. 41 –42
(zit.: Glauben, P. J.: DriZ 1993, 41 f.).
Gonzáles Cussac, José Luis: „Feindstrafrecht“. Die Wiedergeburt des autoritären Denkens
im Schoße des Rechtsstaates, 2007, Berlin (zit.: Gonzáles Cussac, J. L.: Feindstrafrecht
2007).
Göppinger, Hans: Kriminologie, 5. Aufl. 1997, München (zit.: Göppinger, H.: Kriminologie
1997).
– Kriminologie, 6. Aufl. 2008, München (zit.: Göppinger-Bearbeiter: Kriminologie 2008).
Gössel, Karl Heinz: Besprechung des Urteils des BGH vom 4. März 2004 – 3 StR 218/03
(El Motassadeq), in: Jura 2004, S. 696 – 700 (zit.: Gössel, K. H.: Jura 2004, 696 ff.).
– Widerrede zum Feindstrafrecht. Über Menschen, Individuen und Rechtspersonen, in:
Hoyer, Andreas / Müller, Henning Ernst / Pawlik, Michael / Wolter, Jürgen (Hrsg.): Fest-
schrift für Friedrich-Christian Schroeder zum 70. Geburtstag, 2006, Heidelberg, S. 33 –
50 (zit.: Gössel, K. H.: F.-C. Schroeder-FS, S. 33 ff.).
Greco, Luìs: Über das so genannte Feindstrafrecht, in: GA 2006, S. 96 –113 (zit.: Greco,
L.: GA 2006, 96 ff.).
Greenberg, Karen J. (Hrsg.): The Torture Debate in America, 2006, Cambridge (USA)
(zit.: Greenberg, K. J. (Hrsg.): The Torture Debate in America 2006).
Literaturverzeichnis 295

Gribbohm, Günter: Nationalsozialismus und Strafrechtspraxis – Versuch einer Bilanz, in:


NJW 1988, S. 2842 – 2849 (zit.: Gribbohm, G.: NJW 1988, 2842 ff.).
Griesbaum, Rainer: Zum Verhältnis von Strafverfolgung und Gefahrenabwehr vor dem
Hintergrund der Bedrohung durch den internationalen islamistischen Terrorismus, in:
Griesbaum, Rainer / Hannich, Rolf / Schnarr, Karl Heinz (Hrsg.): Strafrecht und Justiz-
gewährung. Festschrift für Kay Nehm zum 65. Geburtstag, 2006, Berlin, S. 125 –137
(zit.: Griesbaum, R.: Nehm-FS 2006, S. 125 ff.).
Günther, Klaus: Kampf gegen das Böse? Zehn Thesen wider die ethische Aufrüstung der
Kriminalpolitik, in: KJ 1994, S. 135 – 157 (zit.: Günther, K.: KJ 1994, 135 ff.).
– Kritik der Strafe, in: Wieviel Sicherheit braucht die Freiheit. Materialheft zur 30. Straf-
verteidigertagung in Frankfurt am Main vom 24. – 26. 3. 2006, S. 29 –41 (zit.: Günther,
K.: Materialheft zur 30. Strafverteidigertagung 2006, 29 ff.).
Gusy, Christoph / Pohlmann, Kristine: Wächst zusammen, was nicht zusammengehört?
Die zunehmende Vernetzung zwischen Polizei und Verfassungsschutz weicht das Tren-
nungsgebot auf, in: vorgänge. Zeitschrift für Bürgerrechte und Gesellschaftspolitik 178,
2/2007 (Juni), S. 53 – 62 (zit.: Gusy, C. / Pohlmann, K.: vorgänge 178/2007, 53 ff.).
Haas, Henriette: Grenzen der Behandlung persönlichkeitsgestörter Gewalttäter, Neue Zür-
cher Zeitung Nr. 202 v. 31.8. / 1. 9. 1996, S. 17 (zit.: Haas, H.: NZZ Nr. 202 v. 31.8. /
1. 9. 1996).
Häberle, Peter: Das Menschenbild im Verfassungsstaat, 3. Aufl. 2005, Berlin (zit.: Häberle,
P.: Das Menschenbild im Verfassungsstaat 2005).
Haffke, Bernhard: Symbolische Gesetzgebung? Das Wirtschaftsstrafrecht in der Bundesre-
publik Deutschland, in: KritV 1991, S. 165 –176 (zit.: Haffke, B.: KritV 1991, 165 ff.).
– Kriegsrecht und Strafrecht, in: Haft, Fritjof / Hassemer, Winfried / Neumann, Ulfried /
Schild, Wolfgang / Schroth, Ulrich (Hrsg.): Strafgerechtigkeit. Festschrift für Arthur
Kaufmann zum 70. Geburtstag, 1993, Heidelberg, S. 449 –458 (zit.: Haffke, B.: Arthur
Kaufmann-FS 1993, S. 449 ff.).
– Drogenstrafrecht, in: ZStW 107 (1995), S. 761 –792 (zit.: Haffke, B.: ZStW 107 (1995),
761 ff.).
– Vom Rechtsstaat zum Sicherheitsstaat? In Rode, Irmgard / Kammeier, Heinz / Leipert,
Matthias (Hrsg.): Neue Lust aufs Strafen, 2005, Münster, S. 35 –66 (zit.: Haffke, B. in:
Rode, I. u. a. (Hrsg.): Neue Lust aufs Strafen 2005, S. 35 ff.).
Hamm, Rainer: Feindstrafrecht – Bürgerstrafrecht – Freundstrafrecht, in: Rode, Irmgard /
Kammeier, Heinz / Leipert, Matthias (Hrsg.): Neue Lust aufs Strafen, 2005, Münster,
S. 105 –132 (zit.: Hamm, R. in: Rode, I. u. a. (Hrsg.): Neue Lust aufs Strafen 2005,
S. 105 ff.).
– Ist die Entformalisierung des Strafrechts und des Strafprozessrechts unaufhaltsam?
in: Institut für Kriminalwissenschaften und Rechtsphilosophie Frankfurt a. M. (Hrsg.):
296 Literaturverzeichnis

Jenseits des rechtsstaatlichen Strafrechts, 2007, Frankfurt am Main, S. 521 –569 (zit.:
Hamm, R. in: Institut für Kriminalwissenschaften und Rechtsphilosophie Frankfurt
a. M. (Hrsg.): Jenseits des rechtsstaatlichen Strafrechts 2007, S. 521 ff.).
– Anmerkungen zu BGH, Beschluß v. 31. 1. 2007 – StB 18/06, in: NJW 2007, S. 932 –933
(zit.: Hamm, R.: NJW 2007, 932 ff.).
Hammerschlag, Helmut / Schwarz, Oliver: Das Gesetz zur Bekämpfung von Sexualstraf-
taten und anderen gefährlichen Straftaten, in: NStZ 1998, S. 321 –326 (zit.: Hammer-
schlag, H. / Schwarz, O.: NStZ 1998, 321 ff.).
Hassemer, Winfried: Die „Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege“ – ein neuer Rechts-
begriff? In: StV 1982, S. 275 – 280 (zit.: Hassemer, W.: StV 1982, 275 ff.).
– Kronzeugenregelung bei terroristischen Straftaten. Thesen zu Art. 3 des Entwurfs eines
Gesetzes zur Bekämpfung des Terrorismus, in: StV 1986, S. 550 –553 (zit.: Hassemer,
W.: StV 1986, 550 ff.).
– Prävention im Strafrecht, in: JuS 1987, S. 257 –266 (zit.: Hassemer, W.: JuS 1987,
257 ff.).
– Thesen zu informationeller Selbstbestimmung und Strafverfahren, in: StV 1988, S. 267 –
268 (zit.: Hassemer, W.: StV 1988, 267 f.).
– Unverfügbares im Strafprozeß, in Kaufmann, Arthur / Mestmäcker Ernst-Joachim / Za-
cher, Hans F. (Hrsg.): Rechtsstaat und Menschenwürde. Festschrift für Werner Maihofer
zum 70. Geburtstag, 1988, Frankfurt am Main, S. 183 –204 (zit.: Hassemer, W.: Maiho-
fer-FS 1988, S. 183 ff.).
– Symbolisches Strafrecht und Rechtsgüterschutz, in: NStZ 1989, S. 553 –559 (zit.: Has-
semer, W.: NStZ 1989, 553 ff.).
– Das Schicksal der Bürgerrechte im „effizienten“ Strafrecht, in: StV 1990, S. 328 –331
(zit.: Hassemer, W.: StV 1990, 328 ff.).
– Grundlinien eines rechtsstaatlichen Strafverfahrens, in: KritV 1990, S. 260 –278 (zit.:
Hassemer, W.: KritV 1990, 260 ff.).
– Kennzeichen und Krisen des modernen Strafrechts, in: ZRP 1992, S. 378 –383 (zit.:
Hassemer, W.: ZRP 1992, 378 ff.).
– Aktuelle Perspektiven der Kriminalpolitik, in: StV 1994, S. 333 –337 (zit.: Hassemer,
W.: StV 1994, 333 ff.).
– Perspektiven einer neuen Kriminalpolitik, in: StV 1995, S. 483 –490 (zit.: Hassemer,
W.: StV 1995, 483 ff.).
– Sicherheitsbedürfnis und Grundrechtsschutz: Umbau des Rechtsstaates? In: StraFo
2005, S. 312 – 318 (zit.: Hassemer, W.: StraFo 2005, 312 ff.).
– Der gefährliche Weg zum „Feindstrafrecht“. Das unüberlegte Bedürfnis der Gefahren-
abwehr gefährdet den Rechtsstaat, in: Frankfurter Rundschau vom 27. 3. 2006, S. 7 (zit.:
Hassemer, W.: FR v. 27. 3. 2006, S. 7).
Literaturverzeichnis 297

– Sicherheit durch Strafrecht, in: StV 2006, S. 321 –332 (zit.: Hassemer, W.: StV 2006,
321 ff.).
– Strafrecht, Prävention, Vergeltung, in: ZIS 2006, S. 266 –273, im Internet abrufbar unter:
www.zis-online.com (zit.: Hassemer, W.: ZIS 2006, 266 ff.).
Hayes, Ben: Britisches Anti-Terror-Recht. Von „Notstandsbefugnissen“ zu „Kontrollan-
ordnungen“, in: Bürgerrechte und Polizei / Cilip 80 Nr. 1/2005, S. 45 –50 (zit.: Hayes,
B.: Cilip 80 Nr. 1/2005, 45 ff.).
Hecker, Wolfgang: Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Luftsicherheits-
gesetz, in: KJ 2006, S. 179 – 194 (zit.: Hecker, W.: KJ 2006, 179 ff.).
Hefendehl, Roland: Organisierte Kriminalität als Begründung für ein Feind- oder Täter-
strafrecht? In: StV 3/2005, S. 156 – 161 (zit.: Hefendehl, R.: StV 2005, 156 ff.).
– Politisches Strafrecht zwischen dem Schutz von Staat und Verfassung und einem Kampf
gegen die Feinde, in: Hoyer, Andreas / Müller, Henning Ernst / Pawlik, Michael / Wolter,
Jürgen (Hrsg.): Festschrift für Friedrich-Christian Schroeder zum 70. Geburtstag, 2006,
Heidelberg, S. 453 – 475 (zit.: Hefendehl, R.: F.-C. Schroeder-FS 2006, S. 453 ff.).
Heger, Martin: Diskussionsbeiträge der Strafrechtslehrertagung 2005 in Frankfurt / Oder,
in: ZStW 117 (2005), S. 865 – 888 (zit.: Heger, M.: ZStW 117 (2005), 865 ff.).
Heintschel-Heinegg, Bernd: Einsatz von Brechmitteln, zugleich Bespr. von EGMR, Urteil
v. 11. 7. 2006 – Nr. 54810/00, in: JA 2006, S. 904 –906 (zit.: Heintschel-Heinegg, B.:
JA 2006, 904 ff.).
Herzog, Felix: „Terroristische Netzwerke“ und para-totalitäres Strafrechtsdenken, in: KritV
2006, S. 343 – 348 (zit: Herzog, F.: KritV 2006, 343 ff.).
Hettinger, Michael: Das Strafrecht als Büttel? – Fragmentarische Bemerkungen zum Ent-
wurf eines Korruptionsbekämpfungsgesetzes des Bundesrats vom 3. 11. 1995, in: NJW
1996, S. 2263 – 2273 (zit.: Hettinger, M.: NJW 1996, 2263 ff.).
– Entwicklungen im Strafrecht und Strafverfahrensrecht der Gegenwart, 1997, Heidelberg
(zit.: Hettinger, M.: Entwicklungen im Strafrecht und Strafverfahrensrecht 1997).
– Die Strafrahmen des StGB nach dem Sechsten Strafrechtsreformgesetz, in: Hettin-
ger, Michael / Zopfs, Jan / Hillenkamp, Thomas / Köhler, Michael / Rath, Jürgen / Streng,
Franz / Wolter, Jürgen (Hrsg.): Festschrift für Willfried Küper zum 70. Geburtstag, 2007,
Heidelberg, S. 95 –121 (zit.: Hettinger, M.: Küper-FS 2007, S. 95 ff.).
Hetzer, Wolfgang: Terrorbekämpfung – Strafverfolgung oder Kriegsführung, in: Krimina-
listik 2004, S. 508 – 517 (zit.: Hetzer, W.: Kriminalistik 2004, 508 ff.).
– Terrorismusbekämpfung zwischen Risikosteuerung und Rechtsgüterschutz, in: Mschr-
Krim 2005, S. 111 – 126 (zit.: Hetzer, W.: MschrKrim 2005, 111 ff.).
– Internationaler Terrorismus: Krieg oder Kriminalität? In: Kriminalistik 2006, S. 428 –
437 (zit.: Hetzer, W.: Kriminalistik 2006, 428 ff.).
298 Literaturverzeichnis

Heuser, Stefan: Menschenwürde. Eine theologische Erkundung, 2004, Münster (zit.: Heuser,
S.: Menschenwürde 2004).
Hilbrans, Sönke: Grundlagen und Problematik der Rasterfahndung, in: Humanistische
Union (Hrsg.): Innere Sicherheit als Gefahr, 2003, Berlin, S. 268 –285 (zit.: Hilbrans,
Sönke in: Innere Sicherheit als Gefahr 2003, S. 268 ff.).
Hildebrandt, Jan: Schweigepflicht im Behandlungsvollzug. Zur Neuregelung des § 182
Abs. 2 StVollzG, 2004, Frankfurt am Main (zit.: Hildebrandt, J.: Schweigepflicht im
Behandlungsvollzug 2004).
Hilgendorf, Eric: Folter im Rechtsstaat? In: JZ 2004, S. 331 – 339 (zit.: Hilgendorf, E.: JZ
2004, 331 ff.).
– Tragische Fälle. Extremsituationen und strafrechtlicher Notstand, in: Blaschke, Ulrich /
Förster, Achim / Lumpp, Stephanie / Schmidt, Judith: Sicherheit statt Freiheit? Staatliche
Handlungsspielräume in extremen Gefährdungslagen, 2005, Berlin, S. 107 –132 (zit.:
Hilgendorf, E. in: Blaschke, U. u. a. (Hrsg.): Sicherheit statt Freiheit? 2005, S. 107 ff.).
Hillgruber, Christian: Der Staat des Grundgesetzes – nur „bedingt abwehrbereit“? – Plä-
doyer für eine wehrhafte Verfassungsinterpretation, in: JZ 2006, S. 209 –218 (zit.:
Hillgruber, C.: JZ 2006, 209 ff.).
Hirsch, Burkhard: Verfassungsbeschwerde gegen das Gesetz zur Neuregelung von Luft-
sicherheitsaufgaben – Bemühungen zur Abwehr des finalen Rettungstotschlags – in:
KritV 2006, S. 3 – 20 (zit.: Hirsch, B.: KritV 2006, 3 ff.).
Hirsch, Hans Joachim: Bilanz der Strafrechtsreform, in Hirsch, Hans Joachim / Kaiser,
Günther / Marquardt, Helmut (Hrsg.): Gedächtnisschrift für Hilde Kaufmann, 1986,
Berlin / New York, S. 133 – 163 (zit.: Hirsch, H. J.: H. Kaufmann-GS, S. 133 ff.).
Hirsch, Joachim: Der Sicherheitsstaat. Das „Modell Deutschland“, seine Krise und die neu-
en sozialen Bewegungen, 1980, Frankfurt am Main (zit.: Hirsch, J.: Der Sicherheitsstaat
1980).
– Vom Sicherheitsstaat zum nationalen Wettbewerbsstaat, 1998, Berlin (zit.: Hirsch, J.:
Vom Sicherheitsstaat zum nationalen Wettbewerbsstaat 1998).
Hirsch, Martin / Majer, Diemut / Meinck, Jürgen (Hrsg.): Recht, Verwaltung und Justiz im
Nationalsozialismus, 2. Aufl. 1997, Baden-Baden (zit.: Hirsch, M. / Majer, D. / Meinck,
J. (Hrsg.): Recht, Verwaltung und Justiz im Nationalsozialismus 1997).
Hirschberg, Lothar: Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, 1981, Göttingen (zit.: Hirsch-
berg, L.: Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit 1981).
Hobbes, Thomas: Levithian, 1996, Frankfurt am Main (zit.: Hobbes, T.: Levithian 1996).
Hoerster, Norbert: Buchbesprechung zu Norm, Person, Gesellschaft. Vorüberlegungen zu
einer Rechtsphilopsophie. Von Günter Jakobs, in: ZRP 1999, S. 215 (zit.: Hoerster, N.:
ZRP 1999, 215).
Literaturverzeichnis 299

– Rezension von: Michael Pawlik, Person, Subjekt, Bürger. Zur Legitimation von Strafe,
in: GA 2006, S. 710 – 713 (zit.: Hoerster, N.: GA 2006, 710 ff.).
Hoffman, Bruce: Terrorismus – der unerklärte Krieg, 2006, Frankfurt am Main (zit.:
Hoffman, B.: Terrorismus 2006).
Hoffman, Bruce / Weimann, Gabriel: Terror on the Internet: The New Arena, the New
Challenges, 2006, Dulles / Virginia (USA) (zit.: Hoffman, B. / Weimann, G.: Terror on
the Internet 2006).
Höpfel, Frank: Der Einfluss des Nationalsozialismus auf das Strafrecht. Ergänzende Be-
merkungen aus österreichischer Sicht, in: ZStW 115 (2003), S. 906 –920 (zit.: Höpfel,
F.: ZStW 115 (2003), 906 ff.).
Hörnle, Tatjana: Die wichtigsten Änderungen des Besonderen Teils des StGB durch das
6. Gesetz zur Reform des Strafrechts, in: Jura 1998, S. 169 – 182 (zit.: Hörnle, T.: Jura
1998, 169 ff.).
– Deskriptive und normative Dimensionen des Begriffs „Feindstrafrecht“, in: GA 2006,
S. 80 – 95 (zit.: Hörnle, T.: GA 2006, 80 ff.).
Hoyer, Andreas: Die Figur des Kronzeugen, in: JZ 1994, S. 233 –240 (zit.: Hoyer, A.: JZ
1994, 233 ff.).
Huntington, Samuel P.: Kampf der Kulturen. Die Neugestaltung der Weltpolitik im 21. Jahr-
hundert, 2006/2007, Hamburg (zit.: Huntington, S. P.: Kamp der Kulturen 2006).
Isensee, Josef: Das Grundrecht auf Sicherheit. Zu den Schutzpflichten des Verfassungs-
staates, 1983, Berlin / New York (zit.: Isensee, J.: Das Grundrecht auf Sicherheit 1983).
– Leben gegen Leben. Das grundrechtliche Dilemma des Terrorangriffs mit gekapertem
Passagierflugzeug, in: Pawlik, Michael / Zaczyk, Rainer (Hrsg.): Festschrift für Günther
Jakobs zum 70. Geburtstag am 26. Juli 2007, 2007, Berlin / München, S. 205 –234 (zit.:
Isensee, J.: Jakobs-FS 2007, S. 205 ff.).
Jäger, Florian: Folter – Schlägerschatten, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 139 vom
18. 06. 2004, S. 35 (zit.: Jäger, F.: FAZ Nr. 139 v. 18. 6. 2004, S. 35).
Jahn, Matthias: Das Strafrecht des Staatsnotstandes. Die strafrechtlichen Rechtfertigungs-
gründe und ihr Verhältnis zu Eingriff und Intervention im Verfassungs- und Völkerrecht
der Gegenwart, 2004, Frankfurt am Main (zit.: Jahn, M.: Das Strafrecht des Staatsnot-
standes 2004).
– Der Verdachtsbegriff im präventiv orientierten Strafprozess – Initiativ-, Vor- und Struk-
turermittlungen der Staatsanwaltschaft und ihre rechtsstaatliche gerichtliche Kontrol-
le – in: Institut für Kriminalwissenschaften und Rechtsphilosophie Frankfurt a. M.
(Hrsg.): Jenseits des rechtsstaatlichen Strafrechts, 2007, Frankfurt am Main, S. 545 –
569 (zit.: Jahn, M. in: Institut für Kriminalwissenschaften und Rechtsphilosophie
Frankfurt a. M. (Hrsg.): Jenseits des rechtsstaatlichen Strafrechts 2007, S. 545 ff.).
300 Literaturverzeichnis

Jakobs, Günther: Schuld und Prävention, Recht und Staat in Geschichte und Gegenwart,
1976, Tübingen (zit.: Jakobs, G.: Schuld und Prävention 1976).
– Die subjektive Seite von Erfolgsdelikten bei Risikogewöhnung, in: Frisch, Wolfgang /
Schmid, Werner (Hrsg.): Festschrift für Hans-Jürgen Bruns zum 70. Geburtstag, 1978,
Köln, S. 31 – 42 (zit.: Jakobs, G.: Bruns-FS 1978, S. 31 ff.).
– Kriminalisierung im Vorfeld einer Rechtsgutsverletzung, in: ZStW 97 (1985), S. 751 –
785 (zit.: Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 751 ff.).
– Über die Behandlung von Wollensfehlern und von Wissensfehlern, in: ZStW 101 (1989),
S. 516 – 537 (zit.: Jakobs, G.: ZStW 101 (1989), 516 ff.).
– Der strafrechtliche Handlungsbegriff, 1992, München (zit.: Jakobs, G.: Der strafrecht-
liche Handlungsbegriff 1992).
– Strafrecht Allgemeiner Teil. Die Grundlagen und die Zurechnungslehre, 2. Aufl. 1993,
Berlin (zit.: Jakobs, G.: Strafrecht AT 1993).
– Das Schuldprinzip, 1993, Obladen (zit.: Jakobs, G.: Das Schuldprinzip 1993).
– Strafrecht zwischen Funktionalismus und Prinzipiendenken, in: ZStW 107 (1995),
S. 843 – 876 (zit.: Jakobs, G.: ZStW 107 (1995), 843 ff.).
– Objektive Zurechnung bei mittelbarer Täterschaft durch ein vorsatzloses Werkzeug, in:
GA 1997, S. 553 – 572 (zit.: Jakobs, G.: GA 1997, 553 ff.).
– Zur gegenwärtigen Straftheorie, in: Kodalle, Klaus.-M. (Hrsg.): Strafe muss sein! Muss
Strafe sein? 1998, Würzburg, S. 29 –40 (zit. Jakobs, G. in: Kodalle, K.-M. (Hrsg.):
Strafe muss sein 1998, S. 29 ff.).
– Norm, Person, Gesellschaft. Vorüberlegungen zu einer Rechtsphilosophie, 2. Aufl. 1999,
Berlin (zit.: Jakobs, G.: Norm, Person, Gesellschaft 1999).
– Das Selbstverständnis der Strafrechtswissenschaft vor den Herausforderungen der Ge-
genwart, in: Eser, Albin / Hassemer, Winfried / Burkhardt, Björn (Hrsg.): Die deutsche
Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende, 2000, München, S. 47 – 56 (zit.: Ja-
kobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende
2000, S. 47 ff.).
– Bürgerstrafrecht und Feindstrafrecht, in: HRRS 3/2004, S. 88 –95, im Internet abrufbar
unter: http://www.hrr-Strafrecht.de (zit.: Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff.).
– Staatliche Strafe: Bedeutung und Zweck, 2004, Paderborn (zit.: Jakobs, G.: Staatliche
Strafe 2004).
– Individuum und Person. Strafrechtliche Zurechnung und die Ergebnisse moderner
Hirnforschung, in: ZStW 117 (2005), S. 247 –266 (zit.: Jakobs, G.: ZStW 117 (2005),
247 ff.).
– Buchbesprechung zu Jahn, Matthias: Das Strafrecht des Staatsnotstandes. Die straf-
rechtlichen Rechtfertigungsgründe und ihr Verhältnis zu Eingriff und Intervention im
Literaturverzeichnis 301

Verfassungs- und Völkerrecht der Gegenwart. Frankfurt am Main: Vittorio Klostermann


2004, in: ZStW 117 (2005), S. 418 – 425 (zit.: Jakobs, G.: ZStW 117 (2005), 418 ff.).
– Terroristen als Personen im Recht? In: ZStW 117 (2005), S. 839 – 851 (zit.: Jakobs, G.:
ZStW 117 (2005), 839 ff.).
– Feindstrafrecht? – Eine Untersuchung zu den Bedingungen von Rechtlichkeit, in: HRRS
8 –9/2006, S. 289 –297, im Internet abrufbar unter: http://www.hrr-Strafrecht.de (zit.:
Jakobs, G.: HRRS 8 – 9/2006, 289 ff.).
– Die Schuld der Fremden, in: ZStW 118 (2006), S. 831 –854 (zit.: Jakobs, G.: ZStW 118
(2006), 831 ff.).
Janicki, Kathrin: Beweisverbote im deutschen und englischen Strafprozeß. Auswirkungen
auf die europäische Zusammenarbeit, 2002, Baden-Baden (zit.: Janicki, K.: Beweisver-
bote im deutschen und englischen Strafprozeß 2002).
Jareborg, Nils: Strafrecht und Ideologie (Kommentar), in: Eser, Albin / Hassemer, Win-
fried / Burkhardt, Björn (Hrsg.): Die deutsche Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtau-
sendwende, 2000, München, S. 411 –415 (zit.: Jareborg, N. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.):
Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende 2000, S. 411 ff.).
Jasch, Michael: Alltägliche Feinde. Die Expansion der Ausschließung mit den Mitteln des
Rechts, in: Uwer, Thomas (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe. Leben im Feindrechtsstaat,
2006, Berlin, S. 267 –278 (zit.: Jasch, M. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe
2006, S. 267 ff.).
– Staatlicher Zugriff auf die Gene: Die Ausweitung der DNA-Analyse für Zwecke künf-
tiger Strafverfahren, in: Institut für Kriminalwissenschaften und Rechtsphilosophie
Frankfurt a. M. (Hrsg.): Jenseits des rechtsstaatlichen Strafrechts, 2007, Frankfurt am
Main, S. 571 –584 (zit.: Jasch, M. in: Institut für Kriminalwissenschaften und Rechts-
philosophie Frankfurt a. M. (Hrsg.): Jenseits des rechtsstaatlichen Strafrechts 2007,
S. 571 ff.).
Jerouschek, Günter: Gefahrenabwendungsfolter – Rechtsstaatliches Tabu oder polizeirecht-
lich legitimierter Zwangseinsatz? In: JuS 2005, S. 296 –302 (zit.: Jerouschek, G.: JuS
2005, 296 ff.).
Jescheck, Hans H. / Weigend, Thomas: Lehrbuch des Strafrechts. Allgemeiner Teil, 5. Auf-
lage 1996, Berlin (zit.: Jescheck, H. H. / Weigend, T.: Lehrbuch des Strafrechts AT
1996).
Jung, Heike: Wider die neue „Straflust“! Heinz Müller-Dietz zum 75. Geburtstag, in: GA
2006, S. 724 – 736 (zit.: Jung, H.: GA 2006, S. 724 ff.).
Kaiser, Günther / Schöch, Heinz: Strafvollzug, 5. Aufl. 2002, Heidelberg (zit.: Kaiser, G. /
Schöch, H.: Strafvollzug 2002).
Kaleck, Wolfgang: Zu kurz gegriffen. Die Diskussion um das Feindstrafrecht, in: Uwer,
Thomas (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe. Leben im Feindrechtsstaat, 2006, Berlin,
302 Literaturverzeichnis

S. 281 –297 (zit.: Kalek, W. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006,
S. 281 ff.).
Kant, Immanuel: Die Metaphysik der Sitten, 2001, Stuttgart (zit.: Kant, I.: Die Metaphysik
der Sitten 2001).
Kant, Martina: Außer Spesen nichts gewesen? Eine Bilanz der Rasterfahndung nach dem
11. 9. 2001, in: Bürgerrechte & Polizei / Cilip 80 Nr. 1/2005, S. 13 –20 (zit.: Kant, M.:
Cilip 80 Nr. 1/2005, 13 ff.).
Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung und zum Gerichtsverfassungsgesetz mit
Einführungsgesetz, 5. Aufl. 2003, München (zit.: Bearbeiter in Karlsruher Kommen-
tar – StPO 2003).
Kett-Straub, Gabriele: Rasterfahndung fällt durch das Raster des Grundgesetzes, in: ZIS
2006, S. 447 –451, im Internet abrufbar unter: www.zis-online.com (zit.: Kett-Straub,
G.: ZIS 2006, 447 ff.).
Kindhäuser, Urs: Strafrecht Allgemeiner Teil, 2. Aufl. 2006, Baden-Baden (zit.: Kindhäuser,
U.: Strafrecht AT 2006).
– Schuld und Strafe. Zur Diskussion um ein „Feindstrafrecht“, in: Hoyer, Andreas / Mül-
ler, Henning Ernst / Pawlik, Michael / Wolter, Jürgen (Hrsg.): Festschrift für Friedrich-
Christian Schroeder zum 70. Geburtstag, 2006, Heidelberg, S. 81 –98 (zit.: Kindhäuser,
U.: F.-C. Schroeder-FS 2006, S. 81 ff.).
Kindhäuser, Urs / Neumann, Ulfried / Paeffgen, Hans-Ullrich (Hrsg.): Nomos Kommentar
Strafgesetzbuch Bd. 1, 2. Aufl. 2005, Baden-Baden (zit.: NK-StGB-Bearbeiter).
Kinzig, Jörg: Die Sicherungsverwahrung auf dem Prüfstand, 1996, Freiburg i. Br. (zit.:
Kinzig, J.: Die Sicherungsverwahrung auf dem Prüfstand 1996).
– Die Sicherungsverwahrung: bewährt oder obsolet? In: ZRP 1997, S. 99 –104 (zit.:
Kinzig, J.: ZRP 1997, 99 ff.).
Klawitter, Eckart: Die Reduktion der Verteidigungsrechte im Anti-OK-Sonderrechtssystem,
in: KritV 1997, S. 248 – 254 (zit.: Klawitter, E.: KritV 1997, 248 ff.).
Klimke, Daniela: Zeichen des Terrors, in: KrimJ 2002, S. 89 –97 (zit.: Klimke, D.: KrimJ
2002, 89 ff.).
Klughardt, Werner: Die Gesetzgebung zur Bekämpfung des Terrorismus aus strafrecht-
lich-soziologischer Sicht, 1984, München (zit.: Klughardt, W.: Die Gesetzgebung zur
Bekämpfung des Terrorismus 1984).
Köhler, Michael: Freiheitliches Rechtsprinzip und Betäubungsmittelstrafrecht, in: ZStW
104 (1992), S. 3 – 64 (zit.: Köhler, M.: ZStW 104 (1992), 3 ff.).
– Strafrecht Allgemeiner Teil, 1997, Berlin / Heidelberg / New York (zit.: Köhler, M.:
Strafrecht AT 1997).
Literaturverzeichnis 303

Kolz, Alexander: Die Gedankenfreiheit und der moderne Staat, in: Institut für Kriminal-
wissenschaften und Rechtsphilosophie Frankfurt a. M. (Hrsg.): Jenseits des rechtsstaat-
lichen Strafrechts, 2007, Frankfurt am Main, S. 585 –599 (zit.: Kolz, A. in: Institut für
Kriminalwissenschaften und Rechtsphilosophie Frankfurt a. M. (Hrsg.): Jenseits des
rechtsstaatlichen Strafrechts 2007, S. 585 ff.).
Kopp, Ferdinand: Das Menschenbild im Recht und in der Rechtswissenschaft, in Bartel-
sperger, Richard / Ehlers, Dirk / Hofmann, Werner / Pirson, Dietrich (Hrsg.): Festschrift
für Klaus Obermayer zum 70. Geburtstag, 1986, München, S. 53 –64 (zit.: Kopp, F.:
Obermayer-FS 1986, S. 53 ff.).
Krasmann, Susanne / Wehrheim, Jan: Folter und die Grenzen des Rechtsstaats, in: Mschr-
Krim 2006, S. 265 – 275 (zit.: Krasmann, S. / Wehrheim, J.: MschrKrim 2006, 265 ff.).
Krauß, Detlef: Sicherheitsstaat und Strafverteidigung, in: StV 1989, S. 315 –325 (zit.:
Krauß, D.: StV 1989, 315 ff.).
– Strafgesetzgebung im Rechtsstaat, in: KritV 1993, S. 183 –197 (zit.: Krauß, D.: KritV
1993, 183 ff.).
– Vom Bürgerstrafrecht zum Feindstrafrecht? In: Uwer, Thomas (Hrsg.): Bitte bewahren
Sie Ruhe. Leben im Feindrechtsstaat, 2006, Berlin, S. 79 –101 (zit.: Krauß, D. in: Uwer,
T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 79 ff.).
Krehl, Christph / Eidam, Lutz: Der Große Lauschangriff im Spannungsfeld von verfas-
sungsgerichtlicher Entscheidung und Umsetzung durch den Gesetzgeber, in: Institut
für Kriminalwissenschaften und Rechtsphilosophie Frankfurt a. M. (Hrsg.): Jenseits
des rechtsstaatlichen Strafrechts, 2007, Frankfurt am Main, S. 138 –175 (zit.: Krehl,
C. / Eidam, L. in: Institut für Kriminalwissenschaften und Rechtsphilosophie Frankfurt
a. M. (Hrsg.): Jenseits des rechtsstaatlichen Strafrechts 2007, S. 138 ff.).
Kreuzer, Arthur: Nachträgliche Sicherungsverwahrung – rote Karte für gefährliche Gefan-
gene oder für den rechtsstaatlichen Vertrauensschutz? In: ZIS 2006, S. 145 –151, im
Internet abrufbar unter: www.zis-online.com (zit.: Kreuzer, A.: ZIS 2006, 145 ff.).
– („Weltordnungs-“)Krieg und Kriminologie, in: Feltes, Thomas / Pfeiffer, Christian /
Steinhilper, Gernot (Hrsg.): Kriminalpolitik und ihre wissenschaftlichen Grundlagen.
Festschrift für Hans-Dieter Schwind zum 70. Geburtstag, 2006, Heidelberg, S. 995 –
1008 (zit.: Kreuzer, A.: Schwind-FS 2006, S. 995 ff.).
Krey, Volker: Der große Lauschangriff im Strafprozess- und Polizeirecht nach dem Urteil
des Bundesverfassungsgerichts vom 3. 3. 2004, in: Feltes, Thomas / Pfeiffer, Christian /
Steinhilper, Gernot (Hrsg.): Kriminalpolitik und ihre wissenschaftlichen Grundlagen.
Festschrift für Hans-Dieter Schwind zum 70. Geburtstag, 2006, Heidelberg, S. 725 –740
(zit.: Krey, V.: Schwind-FS 2006, S. 725 ff.).
Kudlich, Hans: Anmerkung zu LG Frankfurt am Main vom 20. 12. 2004 – 5/27 KLs 7570
Js 203814/03 (4/04): Strafbarkeit der Androhung von Rettungs-„Folter“ gegenüber
304 Literaturverzeichnis

dem Entführer eines Kindes – „Fall Daschner“, in: JuS 2005, S. 376 –379 (zit.: Kudlich,
H.: JuS 2005, 376 ff.).
Kühl, Kristian: Neue Gesetze gegen terroristische Straftaten, in: NJW 1987, S. 737 –747
(zit.: Kühl, K.: NJW 1987, 737 ff.).
Kühne, Hans-Heiner: Gegenstand und Reichweite von Präventionskonzepten, in: DRiZ
2002, S. 18 – 27 (zit.: Kühne, H.-H.: DRiZ 2002, 18 ff.).
– Unzeitgemäße Betrachtung zum Problem des Terrorismus, in: Feltes, Thomas / Pfeiffer,
Christian / Steinhilper, Gernot (Hrsg.): Kriminalpolitik und ihre wissenschaftlichen
Grundlagen. Festschrift für Hans-Dieter Schwind zum 70. Geburtstag, 2006, Heidelberg,
S. 103 – 110 (zit.: Kühne, H.-H.: Schwind-FS 2006, S. 103 ff.).
Kunz, Karl-Ludwig: „Gefährliche“ Rechtsbrecher und ihre Sanktionierung, in: Arnold,
Jörg / Burkhardt, Björn / Gropp, Walter / Heine, Günter / Koch, Hans-Georg / Lagodny,
Otto / Perron, Walter / Walther, Susanne (Hrsg.): Menschengerechtes Strafen. Festschrift
für Albin Eser zum 70. Geburtstag, 2005, München, S. 1375 –1392 (zit.: Kunz, K.-L.:
Eser-FS 2005, S. 1375 ff.).
Kunz, Thomas: Der Sicherheitsdiskurs. Die Innere Sicherheitspolitik und ihre Kritik, 2005,
Bielefeld (zit.: Kunz, T.: Der Sicherheitsdiskurs 2005).
Kutscha, Martin: Mehr Innere Sicherheit durch weniger Freiheit? In: Humanistische Union
(Hrsg.): Innere Sicherheit als Gefahr, 2003, Berlin, S. 32 – 45 (zit.: Kutscha, M.: Innere
Sicherheit als Gefahr 2003, S. 32 ff.).
– Verdeckte „Online-Durchsuchung“ und Unverletzlichkeit der Wohnung, in: NJW 2007,
S. 1169 – 1172 (Kutscha, M.: NJW 2007, 1169 ff.).
Lagodny, Otto: Strafrecht vor den Schranken der Grundrechte, 1996, Tübingen (zit.: La-
godny, O.: Strafrecht vor den Schranken der Grundrechte 1996).
Landau, Herbert: Die Pflicht des Staates zum Erhalt einer funktionstüchtigen Strafrechts-
pflege, in: NStZ 2007, S. 121 – 129 (zit.: Landau, H.: NStZ 2007, 121 ff.).
Lau, Steffen: Zum Umgang mit gefährlichen Menschen. Die britische Diskussion um die
„Dangerous Severe Personality Disorder“, in: MschrKrim 2004, S. 451 – 457 (zit.: Lau,
S.: MschrKrim 2004, 451 ff.).
Laubenthal, Klaus: Sexualstraftaten – Die Delikte gegen die sexuelle Selbstbestimmung,
2000, Berlin (zit.: Laubenthal, K.: Sexualstraftaten 2000).
– Zur Renaissance der Sicherungsverwahrung, in: ZStW 116 (2004), S. 703 –750 (zit.:
Laubenthal, K.: ZStW 116 (2004), 703 ff.).
Lautmann, Rüdiger / Klimke, Daniela: Punitivität als Schlüsselbegriff für eine Kritische
Kriminologie, in: KrimJ 2004, 8. Beiheft, S. 9 –29 (zit.: Lautmann, R. / Klimke, D.:
KrimJ 2004, 8. Beiheft, 9 ff.).
Lehnert, Matthias: „Wer den Tod liebt, der soll ihn haben“ – Das Feindstrafrecht und
seine Gefahr für Menschenrechte und Rechtsstaat, in: ForumRecht 2005, S. 96 –100,
Literaturverzeichnis 305

im Internet abrufbar unter: www.forum-recht-online.de (zit.: Lehnert, M: ForumRecht


2005, 96 ff.).
Leipold, Klaus: Nachträgliche Sicherungsverwahrung, in: NJW 2006, S. 135 –136 (zit.:
Leipold, K.: NJW 2006, 135 f.).
Lekschas, John (Hrsg.): Strafrecht der DDR, 1. Aufl. 1988, Berlin (zit.: Lekschas, J. (Hrsg.):
Strafrecht der DDR 1988).
Leopold, Nils: Videoüberwachung – Technologien der sozialen Kontrolle und Menschen-
rechte, in: Humanistische Union (Hrsg.): Innere Sicherheit als Gefahr, 2003, Berlin,
S. 185 – 194 (zit.: Leopold, N. in Innere Sicherheit als Gefahr 2003, S. 185 ff.).
Lesch, Heiko Hartmut: Zur Einführung in das Strafrecht: Über den Sinn und Zweck
staatlichen Strafens (2. Teil), in: JA 1994, S. 590 –599 (zit.: Lesch, H. H.: JA 1994,
590 ff.).
– Inquisition und rechtliches Gehör in der Beschuldigtenvernehmung, in: ZStW 111
(1999), S. 624 – 646 (zit.: Lesch, H. H.: ZStW 111 (1999), 624 ff.).
– „Hörfalle“ und kein Ende – Zur Verwertbarkeit von selbstbelastenden Angaben des
Beschuldigten in der Untersuchungshaft, in: GA 2000, S. 355 –371 (zit.: Lesch, H. H.:
GA 2000, 355 ff.).
– Strafprozessrecht, 2. Aufl 2001, Neuwied und Kriftel (zit.: Lesch, H. H.: Strafprozess-
recht 2001).
– Unrecht und Schuld im Strafrecht, in: JA 2002, S. 602 –610 (zit.: Lesch, H. H.: JA 2002,
602 ff.).
Levinson, Sanford (Hrsg.): Torture. A Collection, 2005, Oxford (USA) (zit.: Levinson, S.
(Hrsg.): Torture 2005).
Lindemann, Michael / Reichling, Tilman: Anmerkung zu BGH vom 10. 8. 2005 – 1 StR
140/05, in: StV 2005, S. 650 –652 (zit.: Lindemann, M. / Reichling, T.: StV 2005,
650 ff.).
Liszt, Franz von: Der Zweckgedanke im Strafrecht, in: ZStW 3 (1883), S. 1 –47 (zit.: Liszt,
F. v.: ZStW 3 (1883),1 ff.).
Löffelmann, Markus: Die Neuregelung der akustischen Wohnraumüberwachung, in: NJW
2005, S. 2033 – 2036 (zit.: Löffelmann, M.: NJW 2005, 2033 ff.).
Lüderssen, K.: Zur Zukunft des Strafverteidigers, in: StV 2001, S. 718 –720 (zit.: Lüderssen,
K.: StV 2001, 718 ff.).
– Europäisierung des Strafrechts und gubernative Rechtssetzung, in: GA 2003, S. 71 –84
(zit.: Lüderssen, K.: GA 2003, 71 ff.).
– Kriegsrecht in Deutschland? In StV 2005, S. 106 –107 (zit.: Lüderssen, K.: StV 2005,
106 f.).
306 Literaturverzeichnis

– Die ewige Versuchung des Täterstrafrechts – Das Verhalten im Strafvollzug als Voraus-
setzung für spätere oder nachträgliche Sicherungsverwahrung, in: Institut für Kriminal-
wissenschaften und Rechtsphilosophie Frankfurt a. M. (Hrsg.): Jenseits des rechtsstaat-
lichen Strafrechts, 2007, Frankfurt am Main, S. 405 –414 (zit.: Lüderssen, K. in: Institut
für Kriminalwissenschaften und Rechtsphilosophie Frankfurt a. M. (Hrsg.): Jenseits
des rechtsstaatlichen Strafrechts 2007, S. 405 ff.).
Luhmann, Niklas: Gibt es in unserer Gesellschaft noch unverzichtbare Normen? In: Hei-
delberger Universitätsreden, Bd. 4, 1993, Heidelberg, S. 1 –32 (zit.: Luhmann, N.: Gibt
es in unserer Gesellschaft noch unverzichtbare Normen? 1993, S. 1 ff.).
Maierhöfer, Christian: Rechtsfreie Räume im „war“ on terrorism – nur eine Frage nationalen
Gesetzesrechts? In: EuGRZ 2004, S. 797 –799 (zit.: Maierhöfer, C.: EuGRZ 2004,
797 ff.).
– „... dem man nichts beweisen kann“: Terrorismus, präventiver Freiheitsentzug und die
Rolle des Völkerrechts, in: EuGRZ 2005, S. 460 –463 (zit.: Maierhöfer, C.: EuGRZ
2005, 460 ff.).
Majer, Diemut: „Fremdvölkische“ im Dritten Reich. Ein Beitrag zur nationalsozialistischen
Rechtssetzung und Rechtspraxis in Verwaltung und Justiz unter besonderer Berücksich-
tigung der eingegliederten Ostgebiete und des Generalgouvernements, 1981, München
(zit.: Majer, D.: „Fremdvölkische“ im Dritten Reich 1981).
Malek, Klaus: Feindstrafrecht – Einige Anmerkungen zur Arbeitsgruppe „Feindstraf-
recht – Ein Gespenst geht um im Rechtsstaat“ auf dem 30. Strafverteidigertag 2006, in:
HRRS 8 –9/2006, S. 316 –317, im Internet abrufbar unter: http://www.hrr-Strafrecht.de
(zit.: Malek, K.: HRRS 8 – 9/2006, 316 f.).
Mansdörfer, Marco: Strafbarkeit der Werbung für Terrororganisationen, zugleich Bespre-
chung von BGH Beschluss v. 16. Mai 2007 – AK 6/07 u. StB 3/07, in: HRRS 10/2007,
S. 366 – 370, im Internet abrufbar unter: http://www.hrr-Strafrecht.de (zit.: Mansdörfer,
M.: HRRS 10/2007, 366 ff.).
Martini, Peter: Art. 3 Abs. 1 GG als Prinzip absoluter Rechtsgleichheit, 1997, Köln / Ber-
lin / Bonn / München (zit.: Martini, P.: Art. 3 Abs. 1 GG als Prinzip absoluter Rechts-
gleichheit 1997).
Marx, Reinhard: „Globaler Krieg gegen Terrorismus“ und territorial gebrochene Men-
schenrechte, in: KJ 2006, S. 151 – 178 (zit.: Marx, R.: KJ 2006, 151 ff.).
Maurach, Reinhart / Zipf, Heinz: Strafrecht Allgemeiner Teil Teilband 1. Grundlehren des
Strafrechts und Aufbau der Straftat, 8. Aufl. 1992, Heidelberg (zit.: Maurach, R. / Zipf,
H.: Strafrecht AT 1992).
Meier, Bernd-Dieter: Strafrechtliche Sanktionen, 2001, Berlin (zit.: Meier, B.-D.: Straf-
rechtliche Sanktionen 2001).
Merkel, Reinhard: § 14 Abs. 3 Luftsicherheitsgesetz: Wann und warum darf der Staat töten?
In: JZ 2007, S. 373 – 385 (zit.: Merkel, R.: JZ 2007, 373 ff.).
Literaturverzeichnis 307

– Folter und Notwehr, in: Pawlik, Michael / Zaczyk, Rainer (Hrsg.): Festschrift für Günther
Jakobs zum 70. Geburtstag am 26. Juli 2007, 2007, Berlin / München, S. 375 –403 (zit.:
Merkel, R.: Jakobs-FS 2007, S. 375 ff.).
Merton, Robert K.: Soziologische Theorie und soziale Struktur, 1995, Berlin / New York
(zit.: Merton, R. K.: Soziologische Theorie und soziale Struktur 1995).
Meyer, Frank / Macke, Julia: Rechtliche Auswirkungen der Terroristenlisten im deutschen
Recht, in: HRRS 12/2007, S. 445 –465, im Internet abrufbar unter: http://www.hrr-
Strafrecht.de (zit.: Meyer, F. / Macke, J.: HRRS 12/2007, 445 ff.).
Meyer-Goßner, Lutz (Hrsg.): Das Strafverfahrensänderungsgesetz 1987, in: NJW 1987,
S. 1161 – 1169 (zit.: Meyer-Goßner, L.: NJW 1987, 1161 ff.).
– StPO. Mit GVG und Nebengesetzen, 50. Aufl. 2007, München (zit.: Meyer-Goßner, L.:
StPO 2007).
Michel, Sandra: Neue Straftatbestände zum Menschenhandel, in: JA 2005, S. 560 (zit.:
Michel, S.: JA 2005, 560).
– Neues aus der Gesetzgebung, in: JA 2006, S. 239 –240 (zit.: Michel, S.: JA 2006, 239 f.).
Müller, Henning Ernst: Fairer Prozess und in dubio pro reo bei Zurückhaltung von Beweis-
material – Das El-Moutassadeq-Urteil des BGH, in: JZ 2004, S. 926 –928 (zit.: Müller,
H. E.: JZ 2004, 926 ff.).
Müller-Heidelberg, Till: Das Streben nach Sicherheit, in: Humanistische Union (Hrsg.):
Innere Sicherheit als Gefahr, 2003, Berlin, S. 82 –95 (zit.: Müller-Heidelberg, T.: Innere
Sicherheit als Gefahr 2003, S. 82 ff.).
Muñoz Conde, Francisco: Edmund Mezger und das Strafrecht seiner Zeit, in: Journal der
Juristischen Zeitgeschichte 1/2007, S. 9 –13 (zit: Muñoz Conde, F.: JoJZG 1/2007,
9 ff.).
– Über das „Feindstrafrecht“, 2007, Berlin (zit.: Muñoz Conde, F.: Über das „Feindstraf-
recht“ 2007).
– Politische Straftat und Feindstrafrecht, in: Journal der Juristischen Zeitgeschichte 1/
2008, S. 12 – 15 (zit: Muñoz Conde, F.: JoJZG 1/2008, 12 ff.).
Nack, Armin: Aufhebungspraxis der Strafsenate des BGH – 1992 bis 1995, in: NStZ 1997,
S. 153 – 159 (zit.: Nack, A.: NStZ 1997, 153 ff.).
Naucke, Wolfgang: Rezension von: José Luis Gonzáles Cussac: „Feindstrafrecht“. Die
Wiedergeburt des autoritären Denkens im Schoße des Rechtsstaates. Übersetzung
von Moritz Vorbaum und Thomas Vorbaum, Münster / Hamburg / Berlin u. a. 2007,
in: Journal der Juristischen Zeitgeschichte 1/2008, S. 32 –34 (zit: Naucke, W.: JoJZG
1/2008, 32 ff.).
Nehm, Kay: Ein Jahr danach – Gedanken zum 11. September 2001, in: NJW 2002, S. 2665 –
2671 (zit.: Nehm, K.: NJW 2002, 2665 ff.).
308 Literaturverzeichnis

– Das nachrichtendienstrechtliche Trennungsgebot und die neue Sicherheitsarchitektur,


in: NJW 2004, S. 3289 – 3295 (zit.: Nehm, K.: NJW 2004, 3289 ff.).
Neubacher, Frank: An den Grenzen des Strafrechts – Stalking, Graffiti, Weisungsverstöße,
in: ZStW 118 (2006), S. 855 – 877 (zit.: Neubacher, F.: ZStW 118 (2006), 855 ff.).
Neumann, Ulfried: Feindstrafrecht, in: Uwer, Thomas (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe.
Leben im Feindrechtsstaat, 2006, Berlin, S. 299 –314 (zit.: Neumann, U. in: Uwer, T.
(Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 299 ff.).
– Institution, Zweck und Funktion staatlicher Strafe, in: Pawlik, Michael / Zaczyk, Rainer
(Hrsg.): Festschrift für Günther Jakobs zum 70. Geburtstag am 26. Juli 2007, 2007,
Berlin / München, S. 435 – 450 (zit.: Neumann, U.: Jakobs-FS 2007, S. 435 ff.).
Neuß, Frank: Der Strafzweck der Generalprävention im Verhältnis zur Würde des Men-
schen. Ein unaufgelöster Konflikt, 2001, Aachen (zit.: Neuß, F.: Der Strafzweck der
Generalprävention im Verhältnis zur Würde des Menschen 2001).
Noll, Peter: Symbolische Gesetzgebung, in: ZfSchwR 1981, S. 347 –364 (zit.: Noll, P.:
ZfSchwR 1981, 347 ff.).
Norouzi, Ali B.: Strafprozessrecht. Exekutive Geheimhaltungsinteressen und judizielle
Beweiswürdigung – Fall „El Motassadeq“ (Anmerkung zu BGH vom 4. 3. 2004 – 3 StR
218/03), in: JA 2005, S. 169 – 171 (zit.: Norouzi, A. B.: JA 2005, 169 ff.).
– Folter in Nothilfe – geboten?! In: JA 2005, S. 306 –310 (zit.: Norouzi, A. B.: JA 2005,
306 ff.).
Nutzinger, Thomas / Sauer, Dirk: Tagungsbericht. Die deutsche Strafrechtswissenschaft vor
der Jahrtausendwende, in: JZ 2000, S. 407 –409 (zit.: Nutzinger, T. / Sauer, D.: JZ 2000,
407 ff.).
Otto, Harro: Grundkurs Strafrecht – Allgemeine Strafrechtslehre, 7. Aufl. 2004, Berlin (zit.:
Otto, H.: Grundkurs Strafrecht 2004).
– Die strafrechtliche Beurteilung der Kollision rechtlich gleichrangiger Interessen, in:
Jura 2005, S. 470 –480 (zit.: Otto, H.: Jura 2005, 470 ff.).
Paeffgen, Hans-Ullrich: Vernachrichtendienstlichung des Strafprozesses, in: GA 2003,
S. 647 – 671 (zit.: Paeffgen, H.-U.: GA 2003, 647 ff.).
Park, Tido: Vermögensstrafe und „modernes“ Strafrecht. Eine verfassungsrechtliche, straf-
rechtsdogmatische und kriminalpolitische Untersuchung zu § 43a StGB, 1997, Berlin
(zit.: Park, T.: Vermögensstrafe 1997).
Paul, Wolf: Strafrecht in Brasilien, in: Institut für Kriminalwissenschaften und Rechts-
philosophie Frankfurt a. M. (Hrsg.): Jenseits des rechtsstaatlichen Strafrechts, 2007,
Frankfurt am Main, S. 203 – 224 (zit.: Paul, W. in: Institut für Kriminalwissenschaften
und Rechtsphilosophie Frankfurt a. M. (Hrsg.): Jenseits des rechtsstaatlichen Strafrechts
2007, S. 203 ff.).
Literaturverzeichnis 309

Pawlik, Michael: Unterlassene Hilfeleistung: Zuständigkeitsbegründung und systematische


Struktur, in: GA 1995, S. 360 – 372 (zit.: Pawlik, M.: GA 1995, 360 ff.).
– Verdeckte Ermittlungen und Schweigerecht des Beschuldigten. Zu den Anwendungs-
grenzen der §§ 136 Abs. 1 S. 2 und § 136a StPO, in: GA 1998, S. 378 –389 (zit.: Pawlik,
M.: GA 1998, 378 ff.).
– Das unerlaubte Verhalten beim Betrug, 1999, Köln (zit.: Pawlik, M.: Das unerlaubte
Verhalten beim Betrug 1999).
– Deutschland, ein Schurkenstaat? In: Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 51 vom 1. 3.
2003, S. 35 (zit.: Pawlik, M.: FAZ Nr. 51 v. 1. 3. 2003, S. 35).
– Zum Abschuß frei, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 165 vom 19. 7. 2004, S. 29
(zit.: Pawlik, M.: FAZ Nr. 165 v. 19. 7. 2004, S. 29).
– § 14 Abs. 3 des Luftsicherheitsgesetzes – ein Tabubruch? In: JZ 2004, S. 1045 –1055
(zit.: Pawlik, M.: JZ 2004, 1045 ff.).
– Person, Subjekt, Bürger, 2004, Berlin (zit.: Pawlik, M.: Person, Subjekt, Bürger 2004).
– Strafe oder Gefahrenbekämpfung? Die Prinzipien des deutschen Internationalen Straf-
rechts vor dem Forum der Straftheorie, in: Hoyer, Andreas / Müller, Henning Ernst /
Pawlik, Michael / Wolter, Jürgen (Hrsg.): Festschrift für Friedrich-Christian Schroeder
zum 70. Geburtstag, 2006, Heidelberg, S. 357 –386 (zit.: Pawlik, M.: F.-C. Schroeder-
FS 2006, S. 357 ff.).
Pérez del Valle, Carlos: Zur rechtsphilosophischen Begründung des Feindstrafrechts, in:
Pawlik, Michael / Zaczyk, Rainer (Hrsg.): Festschrift für Günther Jakobs zum 70. Ge-
burtstag am 26. Juli 2007, 2007, Berlin / München, S. 515 –528 (zit.: Pérez del Valle, C.:
Jakobs-FS 2007, S. 515 ff.).
Pfahl-Traughber, Armin: Extremismus – Fundamentalismus – Terrorismus, in: Krimina-
listik 2004, S. 364 – 368 (zit.: Pfahl-Traughber, A.: Kriminalistik 2004, 364 ff.).
Pfeiffer, Christian / Windzio, Michael / Kleimann, Matthias: Die Medien, das Böse und wir.
Zu den Auswirkungen der Mediennutzung auf Kriminalitätswahrnehmung, Strafbedürf-
nisse und Kriminalpolitik, in: MSchrKrim 2004, S. 415 –435 (zit.: Pfeiffer, C. / Windzio,
M. / Kleimann, M.: MSchrKrim 2004, 415 ff.).
Pfeiffer, Gerd (Hrsg.): Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung und zum Gerichts-
verfassungsgesetz mit Einführungsgesetz, 5. Aufl. 2003, München (zit.: Bearbeiter in
Pfeiffer, G. (Hrsg.): Karlsruher Kommentar zur StPO).
Pieper, Annemarie: Menschenwürde. Ein abendländisches oder ein universelles Problem?
Zum Verhältnis von Genesis und Geltung im normativen Diskurs, in: Herms, Eilert
(Hrsg.): Menschenbild und Menschenwürde, 2001, Gütersloh, S. 19 –30 (zit.: Pieper,
A. in: Herms, E. (Hrsg.): Menschenbild und Menschenwürde 2001, S. 19 ff.).
Polaino Navarrete, Miguel: Die Funktion der Strafe beim Feindstrafrecht, in: Pawlik,
Michael / Zaczyk, Rainer (Hrsg.): Festschrift für Günther Jakobs zum 70. Geburtstag
310 Literaturverzeichnis

am 26. Juli 2007, 2007, Berlin / München, S. 529 –552 (zit.: Polaino Navarrete, M.:
Jakobs-FS 2007, S. 529 ff.).
Popitz, Heinrich: Die normative Konstruktion von Gesellschaft, 1980, Tübingen (zit.:
Popitz, H.: Normative Konstruktion von Gesellschaft 1980).
– Über die Präventivwirkung des Nichtwissens, 2003, Berlin (zit.: Popitz, H.: Präventiv-
wirkung des Nichtwissens 2003).
Prantl, Heribert: Bürger und Feinde. Strafrecht als Fortsetzung des Kriegs mit anderen Mit-
teln – der Beschuldigte als militärisches Ziel, in: Süddeutsche Zeitung vom 28. 4. 2004,
S. 4 (zit.: Prantl, H.: SZ v. 28. 4. 2004, S. 4).
– Rettungsfoltern. Die Bewährung des Rechtsstaates in der Stunde der Not, in: Süddeut-
sche Zeitung vom 19. 11. 2004, S. 13 (Prantl, H.: SZ v. 19. 11. 2004, S. 13.).
– Diabolische Potenz. Ein neues fatales Denken: Das Feindstrafrecht – ein Kulturbruch,
in: Süddeutsche Zeitung vom 5. 3. 2005, S. 17 (zit.: Prantl, H.: SZ v. 5. 3. 2005, S. 17).
– Die Raster der Hysterie, in: Süddeutsche Zeitung vom 24. 5. 2006, S. 4 (zit.: Prantl, H.:
SZ v. 24. 5. 2006, S. 4).
– Der Terrorist als Gesetzgeber. Wie man mit Angst Politik macht, 2008, München (zit.:
Prantl, H.: Der Terrorist als Gesetzgeber 2008).
Pratt, John: Penal Populism, 2007, London / New York (zit.: Pratt, J.: Penal Populism
2007).
Prittwitz, Cornelius: Strafrecht und Risiko, 1993, Frankfurt am Main (zit.: Prittwitz, C.:
Strafrecht und Risiko 1993).
– Risiken des Risikostrafrechts, in.: Frehsee, Detlev / Löschper, Gabi / Smaus, Gerlinda
(Hrsg.): Konstruktion der Wirklichkeit durch Strafe, 1997, Baden-Baden, S. 47 –65 (zit.:
Prittwitz, C. in: Frehsee, D. u. a. (Hrsg.): Konstruktion der Wirklichkeit durch Strafe
1997, S. 47 ff.).
– Nachgeholte Prolegomena zu einem künftigen Corpus Juris Criminalis für Europa, in:
ZStW 113 (2001), S. 774 – 799 (zit.: Prittwitz, C.: ZStW 113 (2001), 774 ff.).
– „Feindstrafrecht“. Zu einem (untauglichen) Versuch gemanagter Kriminalitätsbekämp-
fung durch Diabolisierung des Kriminellen – zugleich ein (hoffentlich tauglicher) Ver-
such, mit den Begriffen „Risikostrafrecht“ und „Feindstrafrecht“ aktuelle Tendenzen
in Strafrecht und Kriminalpolitik aufzuzeigen, in: Pilgram, Arno / Prittwitz, Cornelius
(Hrsg.): Jahrbuch für Rechts- und Kriminalsoziologie ’04: Kriminologie. Akteurin
und Kritikerin gesellschaftlicher Entwicklung. Über das schwierige Verhältnis der
Wissenschaft zu den Verwaltern der Sicherheit, 2005, Baden-Baden, S. 215 – 228 (zit.:
Prittwitz, C.: Kriminologie. Akteurin und Kritikerin gesellschaftlicher Entwicklung
2005, S. 215 ff.).
– Bürgersicherheit und Rechtsstaat in Zeiten des Terrors, in: StV 2006, S. 610 –611 (zit.:
Prittwitz, C.: StV 2006, 610 f.).
Literaturverzeichnis 311

– „Feinde ringsum“? Zur begrenzten Kompatibilität von Sicherheit und Freiheit, in:
Institut für Kriminalwissenschaften und Rechtsphilosophie Frankfurt a. M. (Hrsg.):
Jenseits des rechtsstaatlichen Strafrechts, 2007, Frankfurt am Main, S. 225 –252 (zit.:
Prittwitz, C. in: Institut für Kriminalwissenschaften und Rechtsphilosophie Frankfurt
a. M. (Hrsg.): Jenseits des rechtsstaatlichen Strafrechts 2007, S. 225 ff.).
Puschke, Jens: „Intensivtäter“. Neuartige Kontrolle mittels tradierter Zuschreibung, in:
vorgänge. Zeitschrift für Bürgerrechte und Gesellschaftspolitik 178, 2/2007 (Juni),
S. 63 – 72 (zit.: Puschke, J.: vorgänge 178/2007, 63 ff.).
Pütter, Norbert: Telefonüberwachung im Strafverfahren, in: Humanistische Union (Hrsg.):
Innere Sicherheit als Gefahr, 2003, Berlin S. 204 –218 (zit.: Pütter, N.: Innere Sicherheit
als Gefahr 2003, S. 204 ff.).
Rath, Jürgen: Gesinnungsstrafrecht. Zur Kritik der Destruktion des Kriminalunrechtsbe-
griffs in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, 2002, Hamburg (zit.: Rath, J.:
Gesinnungsstrafrecht 2002).
Reemtsma, Jan Philipp: Folter im Rechtsstaat? 1. Aufl. 2005, Hamburg (zit.: Reemtsma,
J. P.: Folter im Rechtsstaat? 2005).
Reuter, Christoph: Die neuen Kuriere des Todes, Stern Nr. 31 vom 28. 7. 2005, S. 22 –26
(zit.: Reuter, C.: Stern Nr. 31 v. 28. 7. 2005, 22 ff.).
– Mein Leben ist eine Waffe: Selbstmordattentäter – Psychogramm eines Phänomens,
2002, München (zit.: Reuter, C.: Mein Leben ist eine Waffe 2002).
Rifkin, Jeremy: Das Ende der Arbeit und ihre Zukunft, 2005, Frankfurt am Main (zit.:
Rifkin, J.: Das Ende der Arbeit 2005).
– Access. Das Verschwinden des Eigentums. Warum wir weniger besitzen und mehr
ausgeben werden, 2002, Frankfurt am Main (zit.: Rifkin, J.: Access 2002).
Rogall, Klaus: Moderne Fahndungsmethoden im Lichte gewandelten Grundrechtsverständ-
nisses, in GA 1985, S. 1 – 27 (zit.: Rogall, K.: GA 1985, 1 ff.).
Roggan, Frederik: Unerhörte Intimsphäre. Zum Erfordernis kernbereichsschützender Re-
gelungen im Sicherheitsrecht, in: Blaschke, Ulrich / Förster, Achim / Lumpp, Stepha-
nie / Schmidt, Judith (Hrsg.): Sicherheit statt Freiheit? Staatliche Handlungsspielräume
in extremen Gefährdungslagen, 2005, Berlin, S. 51 –76 (zit.: Roggan, F. in: Blaschke,
U. u. a. (Hrsg.): Sicherheit statt Freiheit? 2005, S. 51 ff.).
Roggan, Fredrik / Bergemann, Nils: Die „neue Sicherheitsarchitektur“ der Bundesrepublik
Deutschland – Anti-Terror-Datei, gemeinsame Projektdateien und Terrorismusbekämp-
fungsergänzungsgesetz, in: NJW 2007, S. 876 –881 (zit.: Roggan, F. / Bergemann, N.:
NJW 2007, 876 ff.).
Rompe, Monika: Betrug und Fälschung im bargeldlosen Zahlungsverkehr, in: JA 2004,
S. 424 (zit.: Rompe, M.: JA 2004, 424).
312 Literaturverzeichnis

Rosbaud, Christian: Aufgedeckt! Muss der verdeckte Ermittler in der Hauptverhandlung


aussagen? In: HRRS 4/2005, S. 131 –138, im Internet abrufbar unter: http://www.hrr-
Strafrecht.de (zit.: Rosbaud, C.: HRRS 4/2005, 131 ff.).
Rosenau, Henning: Tendenzen und Gründe der Reform des Sexualstrafrechts, in: StV 1999,
S. 388 – 398 (zit.: Rosenau, H.: StV 1999, 388 ff.).
Roxin, Claus: Tatentschluß und Anfang der Ausführung beim Versuch, in: JuS 1979,
S. 1 – 13 (zit.: Roxin, C.: JuS 1979, 1 ff.).
– Zur Entwicklung der Kriminalpolitik seit den Alternativ-Entwürfen, in: JA 1980, S. 545 –
552 (zit.: Roxin, C.: JA 1980, 545 ff.).
– Anmerkung zu BGH vom 15. 1. 1992 – 2 StR 267/91, in: StV 1992, S. 517 –520 (zit.:
Roxin, C.: StV 1992, 517 ff.).
– Anmerkung zu BGH vom 10. 7. 2003 – 3 StR 61/02 u. 243/02, in: StV 2003, S. 619 –622
(zit.: Roxin, C.: StV 2003, 619 ff.).
– Das strafrechtliche Unrecht im Spannungsfeld von Rechtsgüterschutz und individueller
Freiheit, in: ZStW 116 (2004), S. 929 – 944 (zit.: Roxin, C.: ZStW 116 (2004), 929 ff.).
– Kann staatliche Folter in Ausnahmefällen zulässig oder wenigstens straflos sein? In:
Arnold, Jörg / Burkhardt, Björn / Gropp, Walter / Heine, Günter / Koch, Hans-Georg /
Lagodny, Otto / Perron, Walter / Walther, Susanne (Hrsg.): Menschengerechtes Strafen.
Festschrift für Albin Eser zum 70. Geburtstag, 2005, München, S. 461 –471 (zit.: Roxin,
C.: Eser-FS 2005, S. 461 ff.).
– Strafrecht Allgemeiner Teil Band 1. Grundlagen Aufbau der Verbrechenslehre, 4. Auf-
lage 2006, München (zit.: Roxin, C.: Strafrecht AT 2006).
– Rettungsfolter? In: Griesbaum, Rainer / Hannich, Rolf / Schnarr, Karl Heinz (Hrsg.):
Strafrecht und Justizgewährung. Festschrift für Kay Nehm zum 65. Geburtstag, 2006,
Berlin, S. 205 – 217 (zit.: Roxin, C.: Nehm-FS 2006, S. 205 ff.).
Rückert, Sabine: Ab in den Knast. Die Zahl der Verbrechen sinkt, doch das Strafrecht
wird systematisch verschärft. Und immer mehr Menschen werden zu immer länge-
ren Gefängnisstrafen verurteilt, in: DIE ZEIT vom 24. 5. 2006, im Internet abrufbar
unter: http://www.zeit.de/2006/22/Strafe _xml?page=all (zit.: Rückert, S.: DIE ZEIT
v. 24. 5. 2006, im Internet abrufbar unter: http://www.zeit.de/2006/22/Strafe_xml?page
=all).
Rüthers, Bernd: Recht und Juristen unter dem Sog und Druck wechselnder politischer
Systeme, in: Rechtsanwaltskammer Frankfurt am Main, Oberlandesgericht Frankfurt am
Main (Hrsg.): 125 Jahre: Rechtsanwaltskammer Frankfurt am Main. Oberlandesgericht
Frankfurt am Main. Rechtspflege. Ausstellung: Anwalt ohne Recht, 2004, Frankfurt am
Main, S. 95 – 126 (zit.: Rüthers, B. in: Anwalt ohne Recht 2004, S. 95 ff.).
Ruthig, Josef: Verfassungsrechtliche Grenzen der heimlichen Datenerhebung aus Wohnun-
gen. Zugleich Besprechung von BVerfG, Urteil vom 3. 3. 2004, in: GA 2004, S. 587 –607
(zit.: Ruthig, J.: GA 2004, 587 ff.).
Literaturverzeichnis 313

Sacher, Mariana: Sonderwissen und Sonderfähigkeiten in der Lehre vom Straftatbestand,


2006, Berlin (zit.: Sacher, M.: Sonderwissen 2006).
– Systemtheorie und Strafrecht, in: ZStW 118 (2006), S. 574 –619 (zit.: Sacher, M.: ZStW
118 (2006), 574 ff.).
Sack, Fritz: Der moralische Verschleiß des Strafrechts, in: KritV 1990, S. 327 –343 (zit.:
Sack, F.: KritV 1990, 327 ff.).
– Vorwort, in: Humanistische Union (Hrsg.): Innere Sicherheit als Gefahr, 2003, Berlin,
S. 5 – 16 (zit.: Sack, F.: Innere Sicherheit als Gefahr 2003, S. 5 ff.).
– Strukturwandel, Kriminalität und Kriminalpolitik in: Rode, Irmgard / Kammeier, Heinz /
Leipert, Matthias (Hrsg.): Neue Lust aufs Strafen, 2005, Münster, S. 7 –34 (zit.: Sack,
F. in: Rode, I. u. a. (Hrsg.): Neue Lust aufs Strafen 2005, S. 7 ff.).
– Feindstrafrecht – Auf dem Weg zu einer anderen Kriminalpolitik? Vortrag anlässlich der
Verleihung des Werner-Holtfort-Preises 2005 an die Redaktion Bürgerrechte & Polizei /
Cilip, im Internet abrufbar unter: http://www.cilip.de/presse/2005/sack.htm (zit.: Fritz
Sack auf seinem Berliner Vortrag anlässlich der Verleihung des Werner-Holtfort-Preises
2005 an die Redaktion Bürgerrechte & Polizei / CILIP „Feindstrafrecht – Auf dem Wege
zu einer anderen Kriminalpolitik?“ vom 27. 5. 2005, weitgehend identische Fassung im
Internet abrufbar unter: http://www.cilip.de/presse/2005|:|sack.htm).
– Juristen im Feindrechtsstaat. Wer den Rechtsstaat verteidigen will, muss die Gründe
seines Niedergangs in den Blick nehmen, in: vorgänge. Zeitschrift für Bürgerrechte und
Gesellschaftspolitik 178, 2/2007 (Juni), S. 5 –26 (zit.: Sack, F.: vorgänge 178/2007,
5 ff.).
Saliger, Frank: Feindstrafrecht: Kritisches oder totalitäres Strafrechtskonzept, in: JZ 2006,
S. 756 – 762 (zit.: Saliger, F.: JZ 2006, 756 ff.).
– Geldwäsche als „crime in progress“: Der Fall Commerzbank, Strafbarkeitsrisiken für
Bankmitarbeiter und die Grenzen des Präventionsstrafrechts, in: Institut für Kriminal-
wissenschaften und Rechtsphilosophie Frankfurt a. M. (Hrsg.): Jenseits des rechtsstaat-
lichen Strafrechts, 2007, Frankfurt am Main, S. 447 –469 (zit.: Saliger, F. in: Institut für
Kriminalwissenschaften und Rechtsphilosophie Frankfurt a. M. (Hrsg.): Jenseits des
rechtsstaatlichen Strafrechts 2007, S. 447 ff.).
Sánchez Lázaro, Fernando Guanarteme: Öffentliche Meinung und Strafrecht, in: ZIS 2008,
S. 195 –205, im Internet abrufbar unter: www.zis-online.com (zit.: Sánchez Lázaro,
F. G.: ZIS 2008, 195 ff.).
Sander, Lisa Kathrin: Menschenwürde und „Exklusion“ – Zum Selbstverständnis eines
rechtsstaatlichen Strafrechts – in: Institut für Kriminalwissenschaften und Rechtsphilo-
sophie Frankfurt a. M. (Hrsg.): Jenseits des rechtsstaatlichen Strafrechts, 2007, Frankfurt
am Main, S. 253 –276 (zit.: Sander, L. K. in: Institut für Kriminalwissenschaften und
Rechtsphilosophie Frankfurt a. M. (Hrsg.): Jenseits des rechtsstaatlichen Strafrechts
2007, S. 253 ff.).
314 Literaturverzeichnis

Sauer, Dirk: Anmerkung zu BVerfG vom 3. 3. 2004 – 1 BvR 2378/98, in: JA 2005, S. 16 –18
(zit.: Sauer, D.: JA 2005, 16 ff.).
– Das Strafrecht und die Feinde der offenen Gesellschaft, in: NJW 2005, S. 1703 –1705
(zit.: Sauer, D.: NJW 2005, 1703 ff.).
Schäuble, Wolfgang / Prantl, Heribert: Strafbarkeit von Vorbereitungshandlungen bei terro-
ristischen Handlungen? Pro & Contra, in: ZRP 2006, S. 71 (zit.: Bearbeiter in Schäuble,
W. / Prantl, H.: ZRP 2006, 71).
Scheerer, Sebastian: Der politisch-publizistische Verstärkerkreislauf. Zur Beeinflussung
der Massenmedien im Prozeß strafrechtlicher Normgenese, in: KrimJ 1978, S. 223 –227
(zit.: Scheerer, S.: KrimJ 1978, 223 ff.).
– Die Zukunft des Terrorismus. Drei Szenarien, 1. Aufl. 2002, Lüneburg (zit.: Scheerer,
S.: Die Zukunft des Terrorismus 2002).
Scheffler, Uwe: Strafprozessrecht, quo vadis? In: GA 1995, S. 449 –467 (zit.: Scheffler, U.:
GA 1995, 449 ff.).
– Freund- und Feindstrafrecht, in: Feltes, Thomas / Pfeiffer, Christian / Steinhilper, Gernot
(Hrsg.): Kriminalpolitik und ihre wissenschaftlichen Grundlagen. Festschrift für Hans-
Dieter Schwind zum 70. Geburtstag, 2006, Heidelberg, S. 123 –146 (zit.: Scheffler, U.:
Schwind-FS 2006, S. 123 ff.).
Schenck, Moritz von: Möglichkeiten einer an den präventiven Strafzwecken orientier-
ten Straftatsystemdogmatik – insbesondere auf der Ebene der Schuld, in: Institut für
Kriminalwissenschaften und Rechtsphilosophie Frankfurt a. M. (Hrsg.): Jenseits des
rechtsstaatlichen Strafrechts, 2007, Frankfurt am Main, S. 471 –490 (zit.: Schenck,
M. v. in: Institut für Kriminalwissenschaften und Rechtsphilosophie Frankfurt a. M.
(Hrsg.): Jenseits des rechtsstaatlichen Strafrechts 2007, S. 471 ff.).
Schenke, Wolfgang-Rüdiger: Die Verfassungswidrigkeit des § 14 III LuftSiG, in: NJW
2006, S. 736 – 739 (zit.: Schenke, W.-R.: NJW 2006, 736 ff.).
Schieler, Alfons: Anmerkungen zur Konkurrenz von Präventionsstaat und Sozialstaat, in:
KritV 2005, S. 265 – 282 (zit.: Schieler, A.: KritV 2005, 265 ff.).
Schlarmann, Hans / Spiegel, Jan-Peter: Terror und kein Ende – Konsequenzen der EG-
Verordnungen zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus für in Deutschland
tätige Unternehmen, in: NJW 2007, S. 870 –875 (zit.: Schlarmann, H. / Spiegel, J.-P.:
NJW 2007, 870 ff.).
– Schmidt-Bleibtreu, Bruno / Klein, Franz (Begr.): Kommentar zum Grundgesetz, 10. Auf-
lage 2004, München (zit.: Bearbeiter in Schmidt-Bleibtreu, B. / Klein, F. (Begr.): Kom-
mentar zum GG 2004).
Schmidt-Jortzig, Edzard: Bekämpfung von Sexualdelikten in Deutschland und auf inter-
nationaler Ebene, in: NStZ 1998, S. 441 –443 (zit.: Schmidt-Jortzig, E.: NStZ 1998,
441 ff.).
Literaturverzeichnis 315

Schmitt, Carl: Der Begriff des Politischen, 7. Aufl. 2002, Berlin (zit.: Schmitt, C.: Der
Begriff des Politischen 2002).
Schneider, Hans Joachim: Die Verbesserung des Schutzes der Gesellschaft vor gefährlichen
Sexualstraftätern, in: JZ 1998, S. 436 – 445 (zit.: Schneider, H. J.: JZ 1998, 436 ff.).
Schneider, Hendrik: Bellum Justum gegen den Feind im Inneren, in: ZStW 113 (2001),
S. 499 – 515 (zit.: Schneider, H.: ZStW 113 (2001), 499 ff.).
– Vom bösen Täter zum kranken System. Perspektivenwechsel in der Kriminologie am
Beispiel von Psychoanalyse und Kriminalsoziologie, in: Requate, Jörg (Hrsg.): Recht
und Justiz im gesellschaftlichen Aufbruch (1960 – 1975), 2003, Baden-Baden, S. 275 –
293 (zit.: Schneider, H. in: Requate, J. (Hrsg.): Recht und Justiz im gesellschaftlichen
Aufbruch 2003, S. 275 ff.).
– Kann die Einübung in Normanerkennung die Strafrechtsdogmatik leiten? Eine Kritik des
strafrechtlichen Funktionalismus, 2004, Berlin (zit.: Schneider, H.: Kann die Einübung
in Normanerkennung die Strafrechtsdogmatik leiten? 2004).
– Anmerkung zu BGH vom 04. 12. 2003 – 5 StR 308/03, in: StV 2004, S. 535 –539 (zit.:
Schneider, H.: StV 2004, 535 ff.).
– Rezension von: Alejandro Aponte: Krieg und Feindstrafrecht. Überlegungen zum effi-
zienten Strafrecht anhand der Situation in Kolumbien; Baden-Baden, Nomos 2004, in:
HRRS 5/2005, S. 177 –179, im Internet abrufbar unter: http://www.hrr-Strafrecht.de
(zit.: Schneider, H.: HRRS 5/2005, 178 ff.).
– Die Kriminalprognose bei der nachträglichen Sicherungsverwahrung. An den Grenzen
der klinischen Kriminologie, in: StV 2006, S. 99 –104 (zit.: Schneider, H.: StV 2006,
99 ff.).
– Das Leipziger Verlaufsmodell wirtschaftskriminellen Handelns. Ein integrativer Ansatz
zur Erklärung von Kriminalität bei sonstiger sozialer Unauffälligkeit, in: NStZ 2007,
S. 555 – 562 (zit.: Schneider, H.: NStZ 2007, 555 ff.).
Schneider, Hendrik / Morguet, Geraldine: Gefährliches Strafrecht. Zu den Grenzen avant-
gardistischer Strafrechtsdogmatik, in: Uwer, Thomas (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe.
Leben im Feindrechtsstaat, 2006, Berlin, S. 335 –352 (zit.: Schneider, H. / Morguet,
G. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 335 ff.).
Schöch, Heinz: Das Gesetz zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen
Straftaten vom 26. 1. 1998, in: NJW 1998, S. 1257 – 1262 (zit.: Schöch, H.: NJW 1998,
1257 ff.).
Schönke, Adolf / Schröder, Horst (Hrsg.): Strafgesetzbuch. Kommentar, 27. Aufl. 2006,
München (zit.: Bearbeiter in Schönke, A. / Schröder, H. (Hrsg.): StGB 2006).
Schroeder, Friedrich-Christian: Missglückte Metaphern im Strafrecht, in: Pawlik, Micha-
el / Zaczyk, Rainer (Hrsg.): Festschrift für Günther Jakobs zum 70. Geburtstag am
26. Juli 2007, 2007, Berlin / München, S. 627 –633 (zit.: Schroeder, F.-C.: Jakobs-FS
2007, S. 627 ff.).
316 Literaturverzeichnis

Schulz, Lorenz: Tagungsbericht – Die deutsche Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtau-


sendwende: Bericht einer Tagung und Anmerkungen zum „Feindstrafrecht“, in: ZStW
112 (2000), S. 653 – 664 (zit.: Schulz, L.: ZStW 112 (2000), 653 ff.).
– Friktionen einer Fiktion. Jakobs Strafrecht für Feinde, in: Uwer, Thomas (Hrsg.): Bitte
bewahren Sie Ruhe. Leben im Feindrechtsstaat, 2006, Berlin, S. 315 –333 (zit.: Schulz,
L. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 315 ff.).
– Das neue Außenwirtschaftsstrafrecht (§ 34 AWG n.F. von 2006), in: Institut für Krimi-
nalwissenschaften und Rechtsphilosophie Frankfurt a. M. (Hrsg.): Jenseits des rechts-
staatlichen Strafrechts, 2007, Frankfurt am Main, S. 619 –648 (zit.: Schulz, L. in: Institut
für Kriminalwissenschaften und Rechtsphilosophie Frankfurt a. M. (Hrsg.): Jenseits
des rechtsstaatlichen Strafrechts 2007, S. 619 ff.).
Schünemann, Bernd: Moderne Tendenzen in der Dogmatik der Fahrlässigkeits- und Ge-
fährdungsdelikte, in: JA 1975, S. 203 – 214 (zit.: Schünemann, B.: JA 1975, 203 ff.).
– Kritische Anmerkungen zur geistigen Situation der deutschen Strafrechtswissenschaft,
in: GA 1995, S. 201 – 229 (zit.: Schünemann, B.: GA 1995, 201 ff.).
– Die deutsche Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende, in: GA 2001, S. 205 –
225 (zit.: Schünemann, B.: GA 2001, 205 ff.).
– Das Strafrecht im Zeichen der Globalisierung, in: GA 2003, S. 299 – 313 (zit.: Schüne-
mann, B.: GA 2003, 299 ff.).
– Feindstrafrecht ist kein Strafrecht! In: Griesbaum, Rainer / Hannich, Rolf / Schnarr, Karl
Heinz (Hrsg.): Strafrecht und Justizgewährung. Festschrift für Kay Nehm zum 65. Ge-
burtstag, 2006, Berlin, S. 219 – 227 (zit.: Schünemann, B.: Nehm-FS 2006, S. 219 ff.).
Schuster, Frank Peter: Verwertbarkeit im Ausland gewonnener Beweise im deutschen
Strafprozess, 2006, Berlin (zit.: Schuster, F. P.: Verwertbarkeit im Ausland gewonnener
Beweise 2006).
– Zum Ausschluss des Angeklagten während einer Videovernehmung gemäß § 247a StPO
unter optischer und akustischer Abschirmung einer gesperrten Auskunftsperson, in: StV
2007, S. 507 – 509 (zit.: Schuster, F. P.: StV 2007, 507 ff.).
Schwind, Hans-Dieter: Kriminologie – Eine praxisorientierte Einführung mit Beispielen,
16. Aufl. 2006, Heidelberg (zit.: Schwind, H.-D.: Kriminologie 2006).
Seelmann, Kurt: Risikostrafrecht – Die „Risikogesellschaft“ und ihre „symbolische Gesetz-
gebung“ im Umwelt- und Betäubungsmittelstrafrecht, in: KritV 1992, S. 452 –471 (zit.:
Seelmann, K.: KritV 1992, 452 ff.).
Sieber, Ulrich: Grenzen des Strafrechts – Grundlagen und Herausforderungen des neuen
strafrechtlichen Forschungsprogramms am Max-Planck-Institut für ausländisches und
internationales Strafrecht –, in: ZStW 2007, S. 1 –68 (zit.: Sieber, U.: ZStW 2007, 1 ff.).
Silva Sánchez, Jesús-María: Die Expansion des Strafrechts, 2003, Frankfurt am Main (zit.:
Silva Sánchez, J.-M.: Die Expansion des Strafrechts 2003).
Literaturverzeichnis 317

– Die Unerwünschten als Feinde: Die Exklusion von Menschen aus dem status personae,
in: ZStW 118 (2006), S. 547 –573 (zit.: Silva Sánchez, J.-M.: ZStW 118 (2006), 547 ff.).
Sinn, Arndt: Tötung Unschuldiger auf Grund § 14 III Luftsicherheitsgesetz – rechtmäßig?
In: NStZ 2004, S. 585 – 593 (zit.: Sinn, A.: NStZ 2004, 585 ff.).
– Moderne Verbrechensverfolgung – auf dem Weg zu einem Feindstrafrecht? In: ZIS
2006, S. 107 – 117, im Internet abrufbar unter: www.zis-online.com (zit.: Sinn, A.: ZIS
2006, 107 ff.).
Soiné, Michael: Organisierte Kriminalität und Terrorismus – von Kooperation in Richtung
Symbiose? Definitionen und aktuelle Erscheinungsformen, in: Kriminalistik 2005,
S. 409 – 418 (zit.: Soiné, M.: Kriminalistik 2005, 409 ff.).
Speck, Johannes: Die Rechtsstellung des Beschuldigten im Strafverfahrensrecht der DDR,
1990, Freiburg i. Br. (zit.: Speck, J.: Die Rechtsstellung des Beschuldigten im Strafver-
fahrensrecht der DDR 1990).
Stächelin, Gregor: Strafgesetzgebung im Verfassungsstaat, 1998, Berlin (zit.: Stächelin, G.:
Strafgesetzgebung im Verfassungsstaat 1998).
Stegmann, Andrea: Organisierte Kriminalität. Feindstrafrechtliche Tendenzen in der Recht-
setzung zur Bekämpfung organisierter Kriminalität, 2004, Bern (zit.: Stegmann, A.:
Organisierte Kriminalität. Feindstrafrechtliche Tendenzen 2004).
Steinert, Heinz: Über symbolisches und instrumentelles Strafrecht, in: Frehsee, Detlev /
Löschper, Gabi / Smaus, Gerlinda (Hrsg.): Konstruktion der Wirklichkeit durch Strafe,
1997, Baden-Baden, S. 101 –116 (zit.: Steinert, H. in: Frehsee, D. u. a. (Hrsg.): Kon-
struktion der Wirklichkeit durch Strafe 1997, S. 101 ff.).
Sterbling, Anton / Burgheim, Joachim: Internationaler Terrorismus und EU-Erweiterung:
Auswirkungen auf die subjektive Sicht. Teilergebnisse von Bürgerbefragungen, in:
Kriminalistik 2006, S. 160 –166 (zit.: Sterbling, A. / Burgheim, J.: Kriminalistik 2006,
160 ff.).
Stock, Jürgen: Die Bekämpfung des internationalen Terrorismus aus kriminologischer
Sicht, in: Feltes, Thomas / Pfeiffer, Christian / Steinhilper, Gernot (Hrsg.): Kriminal-
politik und ihre wissenschaftlichen Grundlagen. Festschrift für Hans-Dieter Schwind
zum 70. Geburtstag, 2006, Heidelberg, S. 741 –756 (zit.: Stock, J.: Schwind-FS 2006,
S. 741 ff.).
Stockhausen, Hanns-Christian von: Metamorphose der Strafrestaussetzung. Eine kriti-
sche Betrachtung der Auswirkungen des SexualdelBekämpfG vom 26. 1. 1998 auf § 57
Abs. 1 StGB unter besonderer Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allge-
meinheit, angekündigt für Berlin 2007, (zit.: Stockhausen, H.-C.: Metamorphose der
Strafrestaussetzung 2007).
Stoiber, Edmund: Zur Renaissance der Sicherungsverwahrung, in: Hoyer, Andreas / Mül-
ler, Henning Ernst / Pawlik, Michael / Wolter, Jürgen (Hrsg.): Festschrift für Friedrich-
318 Literaturverzeichnis

Christian Schroeder zum 70. Geburtstag, 2006, Heidelberg, S. 3 –8 (zit.: Stoiber, E. in:
F.-C. Schroeder-FS 2006, S. 3 ff.).
Strate, Gerhard: Justiz und Terrorismus – am Beispiel der Fälle Padilla, Hamdi, Moussaoui
und Motassadeq, in: HRRS 7/2004, S. 239 –246, im Internet abrufbar unter: http://www
.hrr-Strafrecht.de (zit.: Strate, G.: HRRS 7/2004, 239 ff.).
Stratenwerth, Günther: Zukunftssicherung mit den Mitteln des Strafrechts, in: ZStW 105
(1993), S. 679 – 696 (zit.: ZStW 105 (1993), 679 ff.).
Streng, Franz: Vom Zweckstrafrecht zum Feindstrafrecht? Überlegungen zu den Aus-
wirkungen des neueren Sicherheitsdenkens auf ein „demokratisches Strafrecht“, in:
Uwer, Thomas (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe. Leben im Feindrechtsstaat, 2006,
Berlin, S. 227 –248 (zit.: Streng, F. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006,
S. 227 ff.).
Strossen, Nadine: Der Schutz von nationaler Sicherheit und individueller Freiheit – eine
amerikanische Perspektive nach dem 11. September, in: Humanistische Union (Hrsg.):
Innere Sicherheit als Gefahr, 2003, Berlin, S. 65 –81 (zit.: Strossen, N. in: Innere
Sicherheit als Gefahr 2003, S. 65 ff.).
Stübinger, Stephan: Zur Diskussion um die Folter, in: Institut für Kriminalwissenschaften
und Rechtsphilosophie Frankfurt a. M. (Hrsg.): Jenseits des rechtsstaatlichen Strafrechts,
2007, Frankfurt am Main, S. 277 –314 (zit.: Stübinger, S. in: Institut für Kriminalwissen-
schaften und Rechtsphilosophie Frankfurt a. M. (Hrsg.): Jenseits des rechtsstaatlichen
Strafrechts, S. 277 ff.).
Stuckenberg, Carl-Friedrich: Untersuchungen zur Unschuldsvermutung, 1998, Berlin / New
York (zit.: Stuckenberg, C.-F.: Untersuchungen zur Unschuldsvermutung 1998).
Tellenbach, Silvia: Bericht über die Diskussion zum Thema „Die deutsche Strafrechts-
wissenschaft im Spiegel der Rechtsvergleichung“, in: Eser, Albin / Hassemer, Win-
fried / Burkhardt, Björn (Hrsg.): Die deutsche Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtau-
sendwende, 2000, München, S. 295 –304 (zit.: Tellenbach, S. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.):
Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende 2000, S. 295 ff.).
Thamm, Berndt Georg: Al Qa’ida – Hydra des islamistsichen Terrorismus, in: Deutsche
Polizei – Zeitschrift der Gewerkschaft der Polizei Nr. 9, 52. Jg. 2003, S. 6 –15 (zit.:
Thamm, B. G.: ZGdP Nr. 9, 52. Jg. 2003, 6 ff.).
Thiée, Philipp: Feindstrafrecht im Islam? Die Umma: Ausschluss, Ehre und die Sehnsucht
nach Harmonie, in: Uwer, Thomas (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe. Leben im Feind-
rechtsstaat, 2006, Berlin, S. 195 –224 (zit.: Thiée, P. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren
Sie Ruhe 2006, S. 195 ff.).
Tipke, Klaus: Innere Sicherheit und Gewaltkriminalität. Die Sicherheitsdefizite unseres
Rechtsstaates, 1998, München (zit.: Tipke, K.: Innere Sicherheit 1998).
Tolmein, Oliver: Feindstrafrecht und Krieg, 2002, im Internet abrufbar unter:
http://www.ra-tolmein.de/cms2/documents-upload/pdf/1153327940.PDF#search=%22
feindstrafrecht%22, 20 Seiten (zit.: Tolmein, O.: Feindstrafrecht und Krieg 2002).
Literaturverzeichnis 319

Tondorf, Günter: Einführung, in Rode, Irmgard / Kammeier, Heinz / Leipert, Matthias


(Hrsg.): Neue Lust aufs Strafen, 2005, Münster, S. 5 –6 (zit.: Tondorf, G. in: Rode,
I. u. a. (Hrsg.): Neue Lust aufs Strafen 2005, S. 5 f.).
Tröndle, Herbert / Fischer, Thomas: Strafgesetzbuch und Nebengesetze, 52. Aufl. 2004,
München (zit.: Tröndle, H. / Fischer, T.: StGB 2004).
– Strafgesetzbuch und Nebengesetze, 54. Aufl. 2007, München (zit.: Tröndle, H. / Fischer,
T.: StGB 2007).
Ulfkotte, Udo: Propheten des Terrors. Das geheime Netzwerk der Islamisten, 2001,
München (zit.: Ulfkotte, U.: Propheten des Terrors 2001).
Ullenbruch, Thomas: Verschärfung der Sicherungsverwahrung auch rückwirkend – populär,
aber verfassungswidrig? In: NStZ 1998, S. 326 –330 (zit.: Ullenbruch, T.: NStZ 1998,
326 ff.).
Uwer, Thomas: Der unsichtbare Dritte. Günther Jakobs, Carl Schmitt und der ganz normale
Ausnahmezustand, in: Uwer, Thomas (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe. Leben im
Feindrechtsstaat, 2006, Berlin, S. 37 –58 (zit.: Uwer, T. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte
bewahren Sie Ruhe 2006, S. 37 ff.).
Valerius, Brian: Anmerkung zu BGH vom 10. 8. 2005 – 1 StR 140/05, in: JA 2006, S. 15 –
16 (zit.: Valerius, B.: JA 2006, 15 f.).
Vogel, Hans-Jochen: Strafverfahrensrecht und Terrorismus – eine Bilanz, in: NJW 1978,
S. 1217 – 1228 (zit.: Vogel, H.-J.: NJW 1978, 1217 ff.).
Vogel, Joachim: Einflüsse des Nationalsozialismus auf das Strafrecht, in: ZStW 115 (2003),
S. 638 – 670 (zit.: Vogel, J.: ZStW 115 (2003), 638 ff.).
Vogel, Joachim / Matt, Holger: Gemeinsame Standards für Strafverfahren in der Europäi-
schen Union, in: StV 2007, S. 206 – 213 (zit.: Vogel, J. / Matt, H.: StV 2007, 206 ff.).
Volk, Klaus: The Principles of Criminal Procedure and Post-modern Society: Contradictions
and Persprectives, im Internet abrufbar unter: http://www.isrcl.org/Papers/Volk.pdf, 18
Seiten (zit.: Volk, K.: The Principles of Criminal Procedure).
Voß, Monika: Symbolische Gesetzgebung. Fragen zur Rationalität von Strafgesetzgebungs-
akten, 1989, Ebelsbach am Main (zit.: Voß, M.: Symbolische Gesetzgebung 1989).
Wagener, Sybil: Feindbilder. Wie kollektiver Hass entsteht, 1999, Berlin (zit.: Wagener, S.:
Feindbilder 1999).
Wagenmüller, Georg: Zur strafrechtlichen Beurteilung der Rettungsfolter, 2006, Berlin (zit.:
Wagenmüller, G.: Zur strafrechtlichen Beurteilung der Rettungsfolter 2006).
Walter, Michael / Neubacher, Frank: Die Suche nach strafrechtlichen Antworten auf den
internationalen Terrorismus, in: KrimJ 2/2002, S. 98 –108 (zit.: Walter, M. / Neubacher,
F.: KrimJ 2/2000, 98 ff.).
Walter, Tonio: Die Beweislast im Strafprozeß, in: JZ 2006, S. 340 –349 (zit.: Walter, T.: JZ
2006, 340 ff.).
320 Literaturverzeichnis

Walther, Susanne C.: Präventivhaft für terrorismusverdächtige „Gefährder“: eine Option


für Deutschland? In: ZIS 2007, S. 464 –475, im Internet abrufbar unter: www.zis-
online.com (zit.: Walther, S. C.: ZIS 2007, 464 ff.).
Weber, Klaus: BtMG. Betäubungsmittelgesetz, 2. Aufl. 2003, München (zit.: Weber, K.:
BtMG 2003).
– Was lässt der Beschluss des 3. Strafsenats des BGH vom 10. 7. 2003 vom Handeltreiben
übrig? In NJW 2004, S. 66 – 72 (zit.: Weber, K.: NJW 2004, 66 ff.).
– Nichts Neues vom Handeltreiben? In: JR 2006, S. 139 –146 (zit.: Weber, K.: JR 2006,
139 ff.).
Weigend, Thomas: Terrorismus als Rechtsproblem, in: Griesbaum, Rainer / Hannich, Rolf /
Schnarr, Karl Heinz (Hrsg.): Strafrecht und Justizgewährung. Festschrift für Kay Nehm
zum 65. Geburtstag, 2006, Berlin, S. 151 –167 (zit.: Weigend, T.: Nehm-FS 2006,
S. 151 ff.).
Weißer, Bettina: Der „Kampf gegen den Terrorismus“ – Prävention durch Strafrecht? In:
JZ 2008, S. 388 – 395 (zit.: Weißer, B.: JZ 2008, 388 ff.).
Welker, Michael in: Baldermann, Ingo / Dassmann, Ernst / Fuchs, Ottmar / Hamm, Berndt /
Hofius, Otfried / Janowksi, Bernd / Lohfink, Norbert / Merklein, Helmut / Schmidt, Wer-
ner H. / Stemberger, Günter / Stuhlmacher, Peter / Wacker, Marie-Theres / Welker, Micha-
el / Weth, Rudolf (Hrsg.): Menschenwürde, 2000, Neukirchen-Vluyn, S. 247 –262 (zit.:
Welker, M. in: Baldermann, I. u. a. (Hrsg.): Menschenwürde 2000, S. 247 ff.).
Werkentin, Falco: Recht und Justiz im SED-Staat, Bonn, 2. Aufl. 2000 (zit.: Werkentin, F.:
Recht und Justiz im SED-Staat 2000).
Werle, Gerhard: Justiz-Strafrecht und polizeiliche Verbrechensbekämpfung im Dritten
Reich, 1989, Berlin / New York (zit.: Werle, G.: Justiz-Strafrecht und polizeiliche Ver-
brechensbekämpfung im Dritten Reich 1989).
– Das Strafrecht als Waffe: Die Verordnung gegen Volksschädlinge vom 5. Septem-
ber 1939, in: JuS 1989, S. 952 – 958 (zit.: Werle, G.: JuS 1989, 952 ff.).
Wessels, Johannes / Beulke, Werner: Strafrecht Allgemeiner Teil. Die Straftat und ihr Auf-
bau, 36. Aufl. 2006, Heidelberg (zit.: Wessels, J. / Beulke, W.: Strafrecht AT 2006).
Weßlau, Edda: Waffengleichheit mit dem „Organisierten Verbrechen“? Zu den rechtsstaat-
lichen und bürgerrechtlichen Kosten eines Anti-OK-Sonderrechtssystems“, in: KritV
1997, S. 238 – 247 (zit.: Weßlau, E.: KritV 1997, 238 ff.).
Wieczorek, Judith: Unrechtmäßige Kombattanten und humanitäres Völkerrecht, 2005,
Berlin (zit.: Wieczorek, J.: Unrechtmäßige Kombattanten 2005).
Windolph, Jürgen: Die Wiedergeburt der Landsknechte. Glaubenskrieger und Söldner
als Akteure der asymmetrischen Kriege des 21. Jahrhunderts, in: Kriminalistik 2006,
S. 356 – 362 (zit.: Windolph, J.: Kriminalistik 2006, 356 ff.).
Literaturverzeichnis 321

Wittig, Petra: Schleppnetzfahndung, Rasterfahndung und Datenabgleich, in: JuS 1997,


S. 961 – 970 (zit.: Wittig, P.: JuS 1997, 961 ff.).
Wittreck, Fabian: Achtungs- gegen Schutzpflicht. Zur Diskussion um Menschenwürde und
Folterverbot, in: Blaschke, Ulrich / Förster, Achim / Lumpp, Stephanie / Schmidt, Judith:
Sicherheit statt Freiheit? Staatliche Handlungsspielräume in extremen Gefährdungsla-
gen, 2005, Berlin, S. 161 –190 (zit.: Wittreck, F. in: Blaschke, U. u. a. (Hrsg.): Sicherheit
statt Freiheit? 2005, S. 161 ff.).
Wohlers, Wolfgang: Deliktstypen des Präventionsstrafrechts – zur Dogmatik „moderner“
Gefährdungsdelikte, 2000, Berlin (zit.: Wohlers, W.: Deliktstypen des Präventionsstraf-
rechts 2000).
Wolter, Jürgen: Heimliche und automatisierte Informationseingriffe wider Datengrund-
rechtsschutz. Gesamtanpassung vor Gesamtreform von Strafprozeß- und Polizeirecht,
Teil 1, in: GA 1988, S. 49 – 90 (zit.: Wolter, J.: GA 1988, 49 ff.).
– Datenschutz und Strafprozeß, in: ZStW 107 (1995), S. 793 –842 (zit.: Wolter, J.: ZStW
107 (1995), 793 ff.).
– 35 Jahre Verfahrensrechtskultur und Strafprozessverfassungsrecht in Ansehung von
Freiheitsentziehung, (DNA-)Identifizierung und Überwachung. Hans Joachim Hirsch
zum 70. Geburtstag, in: GA 1999, S. 158 – 181 (zit.: Wolter, J.: GA 1999, 158 ff.).
Wunderlich, Kirstin / Benz, Silvia: Anmerkung zu BVerfG vom 12. 4. 2005 – 2 BvR 581/01,
in: JA 2006, S. 93 – 95 (zit.: Wunderlich, K. / Benz, S.: JA 2006, 93 ff.).
Yü-Dembski, Dagmar: Chinesenverfolgung im Nationalsozialismus – Ein weiteres Kapitel
verdrängter Geschichte, in: Bürgerrechte & Polizei / Cilip 58 Nr. 3/1997, S. 70 –76 (zit.:
Yü-Dembski, D.: Cilip 58 Nr. 3/1997, 70 ff.).
Zöller, Mark Alexander: Erpresserischer Menschenraub, Geiselnahme und das Zwei-Per-
sonen-Verhältnis in der Fallbearbeitung, in: JA 2000, S. 476 –481 (zit.: Zöller, M. A.:
JA 2000, 476 ff.).
Zopfs, Jan: Erfordert der Schutz des Versicherers den strafrechtlichen Tatbestand des
Versicherungsmißbrauchs (§ 265 StGB)? In: VersR 1999, S. 265 –273 (zit.: Zopfs, J.:
VersR 1999, 265 ff.).
– Rechtliches Bedenken wegen der „Anti-Terror-Maßnahmen“? In: Friedrich-Spee-Ge-
sellschaft (Hrsg.): Spee-Jahrbuch 2006. 2006, Trier, S. 31 –46 (zit.: Zopfs, J. in:
Friedrich-Spee-Gesellschaft (Hrsg.): Spee-Jahrbuch 2006, S. 31 ff.).
– „Unschuldig bis zum Beweis der Schuld“. Spees Rechtskritik an der Hexenverfolgung
und ihre Parallelen bei der Terrorbekämpfung, in: Vorbaum, Thomas (Hrsg.): Juristische
Zeitgeschichte, Jahrbuch Band 8 (2006/2007), Berlin, S. 395 –407 (zit.: Zopfs, J. in:
Juristische Zeitgeschichte, Jahrbuch Bd. 8 (2006/2007), 395 ff.).
Sachverzeichnis
agent provocateur 167, 170, 250, 283 – Beschaffenheitsmerkmale 41
Anlassgesetzgebung 106 – Grundlagen 20
Anti-Terror-Gesetze – Rechtsgüterschutz siehe Feindstrafrecht,
– Deutschland 107, 141 Rechtsgüterschutz 38
– Großbritannien 185 – Repressivität 45
– Spanien 179 – Strafe 26
– USA 176 – Strafmaß 43
– Strafzweck 23
Bekämpfungsgesetzgebung 55, 96, 102, – Verfahrensgarantien 45
104, 109, 112, 116 – 117, 127, 155, 183, – Verhältnis zum Feindstrafrecht siehe
187, 191, 221, 224, 233, 237, 241, 243, Feindstrafrecht, Verhältnis zum Bürger-
251, 255 strafrecht 37
– Begründung 106
– Erforderlichkeit 251 criminology of the other 188 –189
– Geeignetheit 215, 217 – 218, 224, 228 Culture of Control 187
– Maßnahmenbündelung 218
– Optimalität 217 DDR 18, 229, 232 –233, 244
– Statistik 215 Definitionsmacht 85, 88, 127, 236, 265,
– Vokabular 105 272, 275
Bestimmtheitsgrundsatz 78, 88, 158, 166, Drittes Reich siehe Nationalsozialismus
257, 259, 268, 272, 274 – 276, 278 271
Betäubungsmittelstrafrecht 17, 95, 103,
106, 111, 120, 124, 127, 164, 202, 237 Einübung in Normanerkennung 25, 28, 52,
72, 74, 79, 81, 252, 260, 279, 283
– in Kolumbien 180
Erforderlichkeit des Feindstrafrechts 245,
– in Spanien 178
255
biometrischer Reisepass 142
– Abspaltung vom Bürgerstrafrecht 252 –
Blutentnahme 48, 61, 75, 110, 128, 135 253
Brechmitteleinsatz 48, 75 – Bekämpfungsgesetzgebung 251
Bürger – duales System siehe Erforderlichkeit
– Begriff bei Lesch 48 des Feindstrafrechts, Abspaltung vom
– Begriff bei Pawlik 22 Bürgerstrafrecht 252
– Begriff nach Jakobs 21, 30 – Prozessrecht 249
– freiheitliche Selbstverwaltung 22 – Strafmaß 249
– Internbereich siehe Bürger, freiheitliche – Vorverlagerungen 247
Selbstverwaltung 23 Ermessensspielraum des Gesetzgebers sie-
– kognitive Mindestgarantie 21 he Gesetzgeberischer Gestaltungsspiel-
Bürgerstrafrecht raum 152
Sachverzeichnis 323

Erweiterter Verfall 102, 209 – Rechtsgüterschutz 36, 38, 40, 49,


Etikettierung des Feindes 124, 236 –237, 55 – 56, 72, 76, 105, 197, 200 –201, 214,
251, 278, 280 244, 248 –249, 253
Exklusion des Feindes 32, 85, 262, 271, – Rezeption siehe Rezeption des Feind-
278, 284 strafrechts 81
– im Nationalsozialismus 265, 270, 284 – Strafe 36
– Strafmaß 54, 100
Fall Daschner 143, 159, 163, 175 – Strafrechtscharakter 78, 84
Fall Motassadeq 152, 174 – Strafzweck 35
Feind – Tendenzen in der Rechtsprechung siehe
– Adressatenkorrektheit 125, 133, 219, Rechtsprechung 151
221 – Verhältnis zum Bürgerstrafrecht 37, 39
– Begriff bei Carl Schmitt 32 – Verwendungsebenen 64
– Begriff bei Lesch 29 – Zwangsmittel 36
– Begriff bei Pawlik 32, 34 Folter 62, 71, 77, 138, 142, 144, 147, 159,
– Begriff nach Jakobs 29 – 30, 33 220, 222, 283
– Entpersonalisierung 31 Folterlegitimierung nach Dershowitz 147
– Fallgruppen 34, 122 – 123, 274 funktionale Vergeltungstheorie 26
– Fremdverwaltung 35
– kognitive Mindestgarantie 29, 33 Geeignetheit des Feindstrafrechts 200,
– Unbestimmtheit des Begriffs 273, 275 244
Feindbilder 121 – Abgrenzungsfunktion 236, 238
Feindstrafrecht – Bekämpfungsgesetzgebung 215
– Abspaltung vom Bürgerstrafrecht 62, – Datenüberwachung 210
252 – 253, 256 – DDR 228
– Begriff bei Lesch 48, 74 – Feindbekämpfung 219, 221, 223
– Begriff bei Pawlik 32, 62, 76 – Prozessrecht 209, 212 –213
– Begriff nach Jakobs 20, 64, 66, 70, 73, – Publizitätsfunktion 238
77 – Rechtsgüterschutz 201, 206 –207, 209
– Bekämpfungsgesetzgebung 55, 92 – Sicherheitsfiktionsfunktion 240
– Beschaffenheitsmerkmale 49 – Staatliche Stabilisierung 223, 238
– de lege ferenda 137, 148, 189 – Stabilisierungsfunktion 226, 228, 233 –
– de lege lata 92 – 93, 136 234, 238, 240
– Grundlagen 28 – 29, 33 – Strafmaß 207
– im Ausland 175 – Symbolwirkung 233
– Kritik an der Rechtsgutslehre durch Ja- – Vereinfachungsfunktion 238
kobs 72 – Vorverlagerungen 202, 205 –206
– materielle Vorverlagerung 49, 94 Gefährdungsdelikte 51, 98, 101, 248
– physischer Zwang 37, 130, 137 Geldfälschung 51, 94 –95
– Prävention siehe Feindstrafrecht, Rechts- Generalprävention, positive 25, 44, 79, 81,
güterschutz 38 252, 260, 279, 283
– Prozessrecht 58, 110, 130, 133, 137 genetischer Fingerabdruck 141
– prozessuale Vorverlagerung 60, 119 Gesetzgeberischer Gestaltungsspielraum
– Rechtscharakter nach Jakobs 79 152, 200, 228, 245, 252
324 Sachverzeichnis

Gewohnheitsverbrecher 35, 268 Nürnberger Gesetze 266


gläserne Konten siehe Konten-Screening
119 Objektformel nach Dürig 90, 259
Gleichheitsgrundsatz 83, 89, 257 Online-Durchsuchung 150, 175
Großbritannien 179, 183, 185, 187, 283 Organisierte Kriminalität 17, 56, 96, 102,
Großer Lauschangriff 155, 174, 209, 237 111, 124, 155, 169, 171, 190, 223, 237,
239
Grundrecht auf Resozialisierung 91
– Bekämpfung in der Schweiz 178
Grundrecht auf Sicherheit 191, 194, 198
– Bekämpfung in Kolumbien 180
Handeltreiben 164, 175
penal populism 239
Hell’s Angels 174
Polenstrafrechtsverordnung 269
Polizeiliche Kriminalstatistik 216
Idealtypen 17, 39, 41, 130, 138, 152, 180,
Präventivhaft 138, 208
253, 256, 263, 278
Prognosespielraum des Gesetzgebers sie-
Judenverfolgung 266, 268 – 269, 271 he Gesetzgeberischer Gestaltungsspiel-
raum 152
Jugendstrafrecht 79
RAF 107, 114, 212
Klimaschutzdelikte 53, 94, 104
Rasterfahndung 111, 119, 174, 209,
Kolumbien 179 – 181, 189, 224, 226, 283 211 – 212, 220, 222, 250
Kontaktsperre 61, 110, 115, 125, 134, 209, Rechtsgüterschutz als Ziel des Feindstraf-
214, 249 rechts siehe auch Verhältnismäßigkeit
Konten-Screening 116, 119 des Feindstrafrechts, legitime Ziele so-
Korruption 105, 121, 215, 225, 227 wie Feindstrafrecht, Rechtsgüterschutz
– Bekämpfung in Kolumbien 181 197
Kriminalität bei sonstiger sozialer Unauf- Rechtsprechung 151, 173
fälligkeit 204 – 206 – antifeindstrafrechtliche Beispiele 152,
kriminelle Vereinigung 51, 54, 59, 71, 94, 155, 157
99 –100, 104, 114, 119, 125, 140, 174, – Beispiele mit offener Tendenz 158, 161
202, 206, 208, 235, 248 – tendenziell feindstrafrechtliche Beispiele
Krisengesetzgebung siehe Anlassgesetz- 164, 167, 169, 171
gebung 106 Rechtsstaatsprinzip 58, 89, 257, 272
Kronzeugenregelung 103, 116, 220 Rezeption des Feindstrafrechts 81, 83
– Erste Reaktionen 81
Luftsicherheitsgesetz 57, 108, 125, 148, – materielles Strafrecht 88
161, 175, 218, 283 – Prozessrecht 87
Lügendetektor 48 – Strafrechtliche Qualität 84
– Verfassungsrecht 89
Menschenwürde 81, 89 –90, 149, 156, 159, Risikogesellschaft 193 –194, 282
162, 257, 259, 272, 278 – 279, 284 Risikostrafrecht 192, 281
Missbrauchsklausel gemäß Art. 18 GG 89
Schläfer 202, 204 –206, 211, 276
Nationalsozialismus 83, 265, 268 – 270 Schleppnetzfahndung 111, 118 –119, 212,
nemo tenetur-Grundsatz 46, 58, 75, 87 250
Sachverzeichnis 325

Schleyer-Entführung 115, 212 Terrorismus 17, 56, 77, 98, 105, 107, 114,
Schweiz 177, 283 120, 138, 143, 150, 152, 175, 190, 208,
SED 229, 232 210, 218, 223, 228, 235, 237, 239, 247,
250, 255, 281, 283
Selbstexklusion des Feindes 35, 259, 263,
271 – Bekämpfung in den USA 61, 175
Selbstmordanschlag 28, 52, 124, 206, 247, – Bekämpfung in Deutschland 98, 103,
263, 277 105, 107, 114
Sexualstrafrecht 17, 56, 97, 104, 107, 109, – Bekämpfung in Großbritannien 185
112, 137, 150, 171, 237, 281 – Bekämpfung in Spanien 179
– in den USA 177 terroristische Vereinigung siehe kriminel-
– in Großbritannien 184 le Vereinigung 54
– in Spanien 178 three-strikes-Gesetze 177
Sicherungsverwahrung 48, 56, 107, 109, ticking bomb case 146, 159
112, 123, 174 – 175 Todesstrafe 55, 227, 231 –232, 268, 270
Spanien 178 Trennscheibe 115, 214
Stabilisierungsfunktion des Feindstraf-
rechts 198, 200, 223, 226, 228, 232 Umweltkriminalität 105, 127, 221
– Abgrenzungsfunktion 199, 234, 238, Unschuldsvermutung 46, 58, 78, 87, 89,
243, 252, 254 112, 214
– Effektivität feindstrafrechtlicher Maß- Untersuchungshaft 48, 61, 75, 79, 110,
nahmen 223 115, 118, 128, 135, 182, 214
– Kolumbien 224 Urkundsdelikte 51, 94 –95, 126, 129
– Publizitätsfunktion 200, 238, 240 USA 61, 124, 142, 144, 152, 175, 189, 283
– Sicherheitsfiktionsfunktion 200, 240
V-Leute 61, 169, 175, 212, 214, 249, 283
– Vereinfachungsfunktion 199, 238, 240,
Verbrechensverabredung 17, 49, 94, 98 –
254
100, 119, 129, 167, 202, 208, 220 –221,
Stigmatisierung des Feindes siehe Etiket- 248, 254
tierung des Feindes 124
Verdeckte Ermittler 61, 111, 118, 166, 170,
Strafe 209, 212, 214, 249
– als kommunikativer Vorgang 24, 26 Verfassungsmäßigkeit des Feindstrafrechts
– symbolische Wirkung 26 256 – 257, 278 –279
Symbolische Gesetzgebung 233, 243, 251 – Bestimmtheitsgebot siehe auch Be-
Symbolwirkung des Feindstrafrechts 199, stimmtheitsgrundsatz 272, 275
233, 243 – Exklusionswirkung 262, 271
Systemfunktionalismus 39, 72 – Menschenwürde siehe auch Menschen-
würde 259
Täterstrafrecht 79, 88 Verhältnismäßigkeit des Feindstrafrechts
Tatstrafrecht 41 – 42, 47, 79, 85, 88, 275 196
Telekommunikationsüberwachung 61, – Erforderlichkeit siehe Erforderlichkeit
111, 120, 129, 211 – 212, 214, 220, 222, des Feindstrafrechts 245
228, 249 – Geeignetheit siehe Geeignetheit des
Terroranschlag siehe Selbstmordanschlag Feindstrafrechts 200
52 – legitime Ziele 197 –198
326 Sachverzeichnis

– Verfassungsmäßigkeit siehe Verfas- Vorverlagerung, Interna berücksichtigende


sungsmäßigkeit des Feindstrafrechts 256 siehe auch Feindstrafrecht, materielle
Vermögensstrafe 102, 157, 174 Vorverlagerung 20, 49, 247
Versicherungsmissbrauch 96, 126, 202,
Waffengleichheit 47, 87
220
Wahlsteuerung 242 –243
Verstärkerkreislauf 106
Weiße Kragen-Kriminalität 125
Vorverlagerungen
Wirtschaftskriminalität 56, 94, 100, 125,
– Betäubungsmittelstrafrecht 95
190, 202, 217
– Organisierte Kriminalität 96
– Sexualdelinquenz 97 zero tolerance 177, 189
– Terrorismus 98 Zeugnisverweigerungsrecht 171, 184
– Wirtschaftsdelikte 94 Zweckmäßigkeit des Feindstrafrechts sie-
he Verhältnismäßigkeit des Feindstraf-
rechts 196

Das könnte Ihnen auch gefallen