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Semester: Verwandlung als Grundprinzip des Lebens


Sprachliche Aspekte
• sprachliche Eigenheiten:
▪ 3. Pl. Ind. Perf. Akt. -ēre statt -ērunt:
▪ Kurzformen im Perfekt durch Ausfall des -v-: mutāstis = mutavistis
▪ 2. Sg. Pass. -re statt -ris:
▪ Akk. Pl. der 3. Dekl. auf -īs statt -ēs:
▪ Gen. Pl. -um statt -orum:
▪ griech. Akkusativformen: z. B. Orphea, Eurydicen
▪ dichterischer Plural: z. B. ora statt os
▪ acc. Limitationis: z. B. tonsa capillos
▪ besondere Wortstellung: Hyperbaton, Chiasmus
▪ grundlegende Stilmittel und ihre Funktion:
• metrische Strukturen (Hexameter):
▪ Grundelemente der Prosodie (Lehre von der richtigen Aussprache und
Silbenquantität) und Metrik → siehe Extrablatt!
▪ Verseinschnitte/Zäsuren: → siehe Extrablatt
• Erzählstrukturen der Metamorphosen:
▪ auktoriale Erzählweise: Ovid schildert Jetztzeit (Rahmenhandlung) und die
Metamorphosen an sich, die zu unterschiedlichsten Zeiten geschahen.
▪ Ringkomposition einzelner Erzähleinheiten:
▪ Rahmenhandlung: bei den lykischen Bauern wird der Altar im See entdeckt,
die verschlungenen Bäume werden von einem Ortskundigen erklärt
(Philemon und Baucis)
▪ Innerhalb einzelner Metamorphosen: Eurydike stirbt an einem
Schlangenbiss, eine Schlange versucht den Kopf des Orpheus zu beißen
▪ Aufgriff des Proömiums im Epilog: „Nun habe ich ein Werk vollendet, das nicht
Jupiters Zorn, nicht Feuer, nicht Eisen, nicht das nagende Alter wird vernichten können.
Wann er will, mag jener Tag, der nur über meinen Leib Gewalt hat, meines Lebens
ungewisse Frist beenden. Doch mit meinem besseren Teil werde ich fortdauern und mich
hoch über die Sterne emporschwingen; mein Name wird unzerstörbar sein, und so weit sich
die römische Macht über den unterworfenen Erdkreis erstreckt, werde ich vom Mund des
Volkes gelesen werden und, sofern von den Vorahnungen der Dichter auch nur etwas
Wahres ist, durch alle Jahrhunderte im Ruhm fortleben.“
▪ Schilderung: Die Tötung der Kinder der Niobe wird nicht kritisiert, noch
unterstützt → dem Leser werden „Fakten“ geboten. ABER: Klare Wahnung vor
Hybris
▪ Dramatisierung: Der Tod der Kinder der Niobe wird (bei den Söhnen) in allen
Einzelheiten beschrieben und geschieht „etappenweise“: erst die Söhne, dann
sechs Töchter und trotz Flehen auch die letzte.

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Inhaltliche Aspekte:
• Politik und Literatur der augusteischen Zeit (44 v. Chr. bis 14 n. Chr.):
▪ Rückbesinnung auf althergebrachte Sitte und Moral: Augustus hat die cura
morum ( = Sittenaufsicht) inne, schafft die lex Iuliae → darin: Nennung der
Ehepflichten, Strafvorschriften bei Ehebruch => Normalität nach dem
Bürgerkrieg. A. lebt diese Vorschriften selber: Verbannung der Tochter und auch
Ovids.
▪ Literatur:
▪ proaugusteisch: Ehrung Augustus', da er Frieden geschaffen hat und Kultur
fördert: Stabon (meist ältere Schriftsteller, die die zeit vor Augustus kennen)
▪ contaaugusteisch: kritisch ggü. Augustus (Ovid schriebt trotz Aufforderung
keine Epos über Augustus) → weniger Bewusstsein für die durch Augustus
gebrachten errungenschaften, da sie keinen Kontast kennen.
▪ Merkmale der Literatur1:
▪ Epik in hohem Ansehen: historische und mythologische Epen
▪ Zuwendung zu den kleinen poetischen Gattungen: Lyrik, Elegie, Idylle
(Bukolik), Jambus (Horaz)
▪ selbständiger Umgang mit griechischen Formen; Übernahme der Form war
nicht mehr notwendigerweise Übernahme des Inhalts → Füllen der
griechischen Formen mit römischen Inhalten
▪ Literatur weit weniger an Institutionen, Anlässe oder gar soziale Schichten
gebunden

Leben und Werk Ovids in Grundzügen:


• 20. März 43 v. Chr. in Sulmo (Ovids eigene Auskunft in der Tristia)
• Mitglied des Ritterstandes → politische Laufbahn vorbestimmt. Nach Abbruch der
Ausbildung Zuwendung der Dichtung. Mäzen: Messalla Corvinus.
• Drei Ehen, die ersten beiden werden schnell geschieden. Erst mit seiner dritten
Frau blieb er bis zu seinem Lebensende verheiratet (eine Tochter)
• Herbst 8 n. Chr. → Verbannung nach Tomis. O. durfte sein Vermögen und sein
Bürgerrecht behalten. Ursache: carmen et error ( = ein Gedicht (ars amatoria) und
ein Irrtum (evtl. Mitwisser von Ehebrüchen der Kaisertochter Julia)).
Keine Gnade durch Augustus und Tiberius.
• Über Ovids Tod ist nicht viel bekannt; da man in seinen Dichtungen aber keine
Anspielungen auf Ereignisse nach dem Jahr 17 n. Chr. mehr findet, nimmt man an,
dass er kurz darauf verstorben ist.

typische Merkmale von Ovids Metamorphosen:


• die Metamorphosen als epische Sonderform: carmen perpetuum mit Episoden aus
den Bereichen Mythos und Geschichte
• Meist eingeleitet von Rahmenhandlungen
• Metamorphose als Wesensenthüllung und/oder als Aition
• Darstellung seelischer Vorgänge
• Darstellung von Göttern (insbesondere anthropomorphe Züge, Polytheismus);
Verhältnis von Menschen und Göttern
• Unterweltsvorstellungen

1 Quelle: http://www.lateinservice.de/referate/inhalt/epochenref.htm

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Ovid und der Staat:
• Schilderung der Apotheose Caesars um die Abstammung Augustus' von einem Gott
zu belegen → Lob des Augustus → s. „Literatur der augusteischen Zeit“
• Gerät selbst mit Augustus in Konflikt → Verbannung (s. oben)
• Die Vision der Apotheose Augustus' und die Schilderung seiner Heldentaten kann
auch als Kritik gelesen werden: A. stellt das Leben unter seiner Herrschaft selbst
als „goldenes Zeitalter“ dar (das auch in den Metamorphosen geschildert wird),
macht dieses aber durch die Herrschaft unmöglich, da das goldenen Zeitalter aber
nullo vindice „ohne jeden Beschützer“ war. → Herrschaft Augustus als vindex
libertatis macht Wiederauferstehung des goldenen Zeitalters unmöglich

exemplarische Rezeptionsdokumente zu den Metamorphosen, z. B. aus dem Bereich der


bildenden Kunst, Musik oder Literatur

→ Verarbeitung vieler Metamorphose in allen Zeiten


→ dienten als Vorlage verschiedener Werke:
- „Pyramus und Thisbe“ → Handwerkerschauspiel
in „Absurda Comica oder Herr Peter Squenz“ von
Andreas Gryphius (etwa 1658)
- Carl Ditters von Dittersdorf (1739 – 1799): sechs
Symphonien nach Ovids Metamorphosen.
- Benjamin Britten „Sechs Metamorphosen nach
Ovid“ für Oboe-Solo (1951)

• I 1–4: Prooemium (Programm des Dichters)

• In nova fert animus mutatas dicere formas


corpora; di, coeptis (nam vos mutastis et illas)
adspirate meis primaque ab origine mundi
ad mea perpetuum deducite tempora carmen!

• „Von in neue Körper verwandelten Gestalten zu künden, treibt mich mein Sinn: Ihr
Götter, inspiriert mein Vorhaben (denn ihr habt sie ja auch verwandelt), und führt
vom Uranfang der Welt bis zu meiner eigenen Zeit ein zusammenhängendes
Gedicht herab.“
→ carmen perpetuum: Schilderung einzelner Episoden von Anbeginn der Welt bis
in die eigene Gegenwart des Verfassers in einem zusammenhängenden Gedicht
→ Bitte um Inspiration (Tradition schon seit Homer)

• VI 146–315: Niobe (Verhältnis Mensch–Gott, Metamorphose als


Wesensenthüllung, Aition)
• Königin von Theben
• Hat mehr (14) Kinder als Latona → will an ihrer Statt verehrt werden, verbietet
Verehrung Latonas → Hybris
• Latona wird wütend → beauftragt ihre Söhne (u.a. Apollo), Niobes Kinder zu töten
• Die Götter zeigen keine Gnade, sondern führen den Plan vollendet aus.
• Niobes Mann begeht Selbstmord aus Trauer über den Verlust der Kinder
• durch ihren Schmerz verwandelt sie sich in Stein (Äußeres gleicht sich ihrem

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Inneren an) und weint bis heute auf einem Berg in ihrer Heimat)
◦ Um die höheren Ziele zu erreichen (Strafen Niobes), nehmen die Götter alles in
Kauf (Töten der frommen, unschuldigen Kinder) → Die Hybris muss scheitern,
damit das Gleichgewicht/die Ordnung im Verhältnis Gott – Mensch gewahrt
bleibt.
◦ Aition: „weinende“ Felsformation aus Marmor in Maeonien
◦ Durch die Verwandlung in einen Stein werden ihre Charaktereigenschaften (kalt,
hybrid, gefühlsarm) sichtbar gemacht.
• VI 313–381: Lykische Bauern (Metamorphose als Wesensenthüllung,
anthropomorphe Züge einer Gottheit, Aition)
• Göttin Latona mit Zwillingen hat Durst
• Lykische Bauern verbieten ihr, aus dem See zu trinken
• Latona: Wasser sei Allgemeingut, jeder habe ein Recht auf den Genuss von
Wasser → schleimt & bettelt um Wasser (sehr menschlich)
• Bauern beschimpfen sie, verschmutzen das Wasser
• Latona wird wütend; als Göttin verwandelt sie die Bauern in Frösche
◦ Bauern schimpfen zur Zeit ihres menschlichen Lebens → quaken als Frösche:
„[...] quamvis sint sub aqua, sub aqua maledicere temptant.“ („Vertonung“ des
Quakens der Bauern) → äußere Gestalt nähert sich der inneren Haltung an
◦ Latona wirkt menschlich: ist auf die Hilfe der Menschen angewiesen und in
gewisserweise hilflos → ABER: kann sich immer noch rächen
◦ Erklärung eines Altars zu Erinnerung an die Begebenheit an ungewöhnlicher
Stelle.

• VIII 617–724: Philemon und Baucis (Verhältnis Mensch–Gott)


• Rahmenerzählung eines Ich-Erzählers, der es auf Reisen erfahren hat
• Juppiter und Atlas (Hermes) kommen in Menschengestalt in ein Dorf
• niemand gewährt ihnen das Gastrecht
• Philemon und Baucis sind arm, aber sie nehmen die beiden in ihrer Hütte auf
• sie sind sehr gastfreundlich, machen Feuer etc., unterhalten die Götter, geben
ihnen das Beste, das sie aufbringen könne, zu essen und sind zuvorkommend und
zugewandt
• die Weinkrüge füllen sich von alleine wieder
• Philemon und Baucis beten wegen dieser unglaublichen Tatsache und wollen für
ihre Gäste ihre einzige Gans schlachten
• die Gans läuft vor ihnen weg, sie können sie nicht einfangen
• die Götter offenbaren sich als solche, sie wollen Ph/Bau belohnen, die anderen
bestrafen
• die 4 gehen auf einen Berg. Von dort sehen sie, wie alle anderen Häuser zerstört
werden. Philemons und Baucis' Haus wird ein Tempel
• Götter wollen einen Wunsch erfüllen: Ph/Bau wollen Göttern als Priester dienen und
gleichzeitig sterben, damit niemand von ihnen um den anderen trauern muss
• der Wunsch wurde erfüllt
• Als sie lange genug gelebt hatten, verwandelten sie sich beide gleichzeitig in
Bäume und wuchsen ineinander
• Abschluss Rahmenhandlung
◦ Wer den Göttern dient, bekommt es hundertfach zurück; Götter sind dankbar,
testen die Menschen aber bewusst darauf

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◦ diejenigen, die sich den Traditionen nicht beugen (Aufnahme von Wanderern)
werden konsequent bestraft (Zerstörung der Häuser)

• X 1–77; XI 1–66: Orpheus und Eurydike und Orpheus’ Ende


(Unterweltsvorstellung, Darstellung seelischer Vorgänge)
• Auf der Hochzeit der beiden gibt Hymenaeus ein bösen Vorzeichen
• kurz darauf wird Eurydike von einer Schlange gebissen und stirbt
• Orpheus trauert um sie und steigt widernatürlicher Weise in die Unterwelt hinab
• er spielt so schön Harfe und singt von Liebe, dass Eurydike mit ihm in die Oberwelt
kommen darf, wenn er nicht den Blick wendet, bis sie oben sind
• Orpheus geht mit ihr nach oben. Er will wissen, ob sie eine Pause braucht, dreht
sich um, sodass die Bedingung nicht erfüllt ist und Eurydike verschwindet.
• Orpheus darf die Unterwelt nicht noch einmal betreten und trauert umso stärker,
wartet sieben Tage ohne Nahrung auf den Fährmann, darf die Unterwelt aber nicht
noch einmal betreten.
• Während er trauert, kommen hysterische Frauen (Baccantinnen)
• sie bewerfen ihn mit Steinen, Pfeilen etc. Sie schreien so laut, dass sein Leierspiel,
dass sonst allen Schaden von ihm abhält, übertönt wird
• Sie ermorden ihn
• in der Unterwelt ist Orpheus nun mit seiner Eurydike vereint ohne Gefahr einer
erneuten Trennung
◦ Darstellung seelischer Vorgänge: Trauer und Sehnsucht des Orpheus werden
detailliert beschrieben → O. überzeugt sogar Hades (mit seinem Leierspiel)
=> Kraft der Liebe (O. bietet auch den eigenen Tod an, bekäme er Eurydike
nicht zurück.)

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