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Feynman Vorlesungen Über Physik Band 3 Elektromagnetismus 6th Edition Richard P Feynman Robert B Leighton Matthew Sands Perseus Books LLC
Feynman Vorlesungen Über Physik Band 3 Elektromagnetismus 6th Edition Richard P Feynman Robert B Leighton Matthew Sands Perseus Books LLC
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Feynman Vorlesungen über Physik Band 6 Tipps zur Physik
Eine Ergänzung 2nd Edition Richard P Feynman Michael A
Gottlieb Ralph Leighton Perseus Books Llc
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Richard P. Feynman, Robert B. Leighton, Matthew Sands
Feynman-Vorlesungen über Physik 3
Richard P. Feynman, Robert B. Leighton,
Matthew Sands
Feynman-Vorlesungen
über Physik 3
Elektromagnetismus
New Millennium-Edition
DE GRUYTER
Autoren
Richard P. Feynman
Robert B. Leighton
Matthew Sands
Deutsche Übersetzung:
Dr. Henner Wessel, Dr. Karen Lippert
ISBN 978-3-11-036771-3
e-ISBN (PDF) 978-3-11-036772-0
e-ISBN (EPUB) 978-3-11-039675-1
www.degruyter.com
Über Richard Feynman
Richard P. Feynman wurde 1918 in Brooklyn geboren und erlangte 1942 an der Princeton Uni-
versity, New Jersey, USA seinen Ph.D. Trotz seiner Jugend spielte er während des Zweiten
Weltkriegs eine wichtige Rolle im Manhattan-Projekt des Los Alamos Laboratory. Anschlie-
ßend lehrte er an der Cornell University, Ithaca, New York sowie am Caltech, dem California
Institute of Technology in Pasadena, USA. 1965 erhielt er zusammen mit Shinichirō Tomonaga
und Julian Schwinger den Physik-Nobelpreis für seine Arbeiten zur Quantenelektrodynamik.
Feynman erhielt den Nobelpreis für die erfolgreiche Lösung von Problemen im Zusammenhang
mit der Theorie der Quantenelektrodynamik. Er entwickelte auch eine mathematische Theorie,
die die Phänomene der Suprafluidität bei flüssigem Helium erklärte. Außerdem leistete er, zu-
sammen mit Murray Gell-Mann, grundlegende Arbeiten zur schwachen Wechselwirkung und
zum Beta-Zerfall. In späteren Jahren spielte Feynman eine Schlüsselrolle bei der Entwicklung
der Quark-Theorie, indem er ein Partonen-Modell hochenergetischer Streuprozesse vorlegte.
Zusätzlich zu diesen Leistungen führte Feynman grundlegende neue Berechnungstechniken und
Darstellungsformen in die Physik ein, unter anderem die allgegenwärtigen Feynman-Diagram-
me, die – vielleicht mehr als irgendein anderer Formalismus in der jüngeren Wissenschaftsge-
schichte – die Art und Weise veränderten, in der elementare physikalische Prozesse beschrieben
und berechnet werden.
Feynman war ein außerordentlich erfolgreicher Lehrer. Von all seinen zahlreichen Auszeich-
nungen war er auf die „Oersted Medal for Teaching“, die er 1972 erhielt, besonders stolz.
Die „Feynman-Vorlesungen über Physik“, erstmals 1963 veröffentlicht, wurden von einem Re-
zensenten im „Scientific American“ wie folgt beschrieben: „Schwierig, aber nahrhaft und sehr
appetitlich. Auch noch nach 25 Jahren sind sie der Leitfaden für Dozenten und besonders gu-
te Physikstudenten.“ Mit dem Ziel, das physikalische Verständnis von Laien zu verbessern,
schrieb Feynman die beiden Bücher „Vom Wesen physikalischer Gesetze“ und „QED. Die selt-
same Theorie des Lichts und der Materie“. Er ist außerdem Autor vieler anspruchsvoller Ver-
öffentlichungen, die zu klassischen Referenzen und Lehrbüchern für Forscher und Studenten
wurden.
Richard Feynman war eine geschätzte Persönlichkeit des öffentlichen Lebens. Seine Arbeit in
der Untersuchungskommission zur Challenger-Katastrophe ist weithin bekannt, insbesondere
seine berühmte Demonstration der Anfälligkeit der O-Ringe für Kälte – ein elegantes Expe-
riment, das nichts weiter als ein Glas Eiswasser erfordert. Weit weniger bekannt sind seine
Verdienste im „California State Curriculum Committee“, in dem er in den 1960ern gegen die
Mittelmäßigkeit von Lehrbüchern polemisierte.
Die bloße Aufzählung der unzähligen wissenschaftlichen und pädagogischen Leistungen Ri-
chard Feynmans kann das Wesen dieses Mannes nicht angemessen beleuchten. Wie jeder Le-
ser – selbst eines seiner Fachartikel – bemerkt, strahlt Feynmans heitere und vielseitige Per-
sönlichkeit durch sein gesamtes Werk hindurch. Neben seiner Profession als Physiker betätigte
VI Über Richard Feynman
sich Feynman im Laufe seines Lebens als Panzerschrankknacker, Künstler, Tänzer und Bongo-
Spieler, verdiente Geld mit dem Reparieren von Radios und wirkte sogar an der Entzifferung
der Maya-Schrift mit. Immer neugierig auf die Welt, war er ein mustergültiger Empiriker.
Richard Feynman starb am 15. Februar 1988 in Los Angeles.
Vorwort zur New Millennium Edition1
Mehr als 50 Jahre sind vergangen, seit Richard Feynman seine einführenden Physikvorlesungen
hielt, aus denen die drei2 Bände der „Feynman-Vorlesungen über Physik“ entstanden sind. In
diesen 50 Jahren hat sich unser physikalisches Verständnis grundlegend gewandelt, aber die
„Feynman-Vorlesungen über Physik“ haben weiterhin Bestand. Sie sind heute noch genauso
wertvoll wie damals, als sie erstmals veröffentlicht wurden – dank Feynmans einzigartigen
Einsichten in die Physik und seines außergewöhnlichen pädagogischen Talents. Die Feynman-
Vorlesungen wurden weltweit studiert, von Anfängern ebenso wie von ausgebildeten Physikern;
allein in englischer Sprache wurden über anderthalb Millionen Exemplare verkauft, außerdem
wurde das Werk in mindestens ein Dutzend Sprachen übersetzt. Vermutlich hat kein anderes
mehrbändiges Physikbuch so lange so großen Einfluss ausgeübt.
Mit der vorliegenden New Millennium Edition beginnt ein neues Zeitalter für die Feynman-
Vorlesungen über Physik: das 21. Jahrhundert und damit das Zeitalter des elektronischen Publi-
zierens. Das Manuskript wurde mit dem Satzsystem LATEX gesetzt, und sämtliche Abbildungen
wurden mit moderner Software neu gezeichnet.3
Für die Printversion dieser Edition sind die Konsequenzen nicht besonders aufsehenerregend:
Sie sieht fast genau so aus wie das Original, jene roten Bücher, die Physikstudenten seit Jahr-
zehnten kennen und lieben. Die beiden Hauptunterschiede sind zum einen der deutlich erwei-
terte und verbesserte Index und zum anderen die Korrektur von 885 Errata4 , die von Lesern in
den fünf Jahren seit dem Erstdruck der vorherigen Ausgabe gefunden wurden. Auch wird es
nun leichter möglich sein, Errata zu korrigieren, die von künftigen Lesern gefunden werden.
Darauf werde ich später noch zurückkommen.
Die E-Book-Version5 dieser Ausgabe sowie die Enhanced Electronic Version sind echte Inno-
vationen. Im Gegensatz zu den meisten früheren E-Book-Versionen von Fachbüchern, in denen
die Formeln und Abbildungen – und manchmal sogar der Text – verpixelt aussahen, wenn man
versuchte, sie zu vergrößern, können alle Inhalte des E-Books der New Millennium Edition (au-
ßer den Fotos) dank der zugrunde liegenden LATEX-Kodierung ohne Qualitätsverluste beliebig
vergrößert werden. Und die Enhanced Electronic Version mit ihren Audios und Tafelbildern
aus Feynmans Originalvorlesungen sowie den Links zu weiteren Ressourcen ist eine Innovati-
on, die Feynman sicher großes Vergnügen bereitet hätte.
1 Anmerkung des Verlags: Das Vorwort bezieht sich auf die amerikanische Originalauflage. Auf Abweichungen
und Besonderheiten der deutschen Ausgabe wir in den folgenden Fußnoten hingewiesen.
2 Die deutsche Übersetzung erscheint in fünf Bänden, da die ersten beiden Bände aufgrund ihres hohen Seitenum-
fangs geteilt wurden.
3 Bereits die deutschen Vorauflagen wurden mit LATEX gesetzt und mit neu gezeichneten Abbildungen versehen.
4
Der Großteil der Errata war für die Übersetzung irrelevant, da es sich um (englische) typografische Fehler han-
delte oder falsche Querverweise/fehlende Klammern etc. betraf, die in den meisten Fällen erkannt und korrigiert
wurden. Alle auf www.feynmanlectures.info gelisteten Errata wurden berücksichtigt.
5 Im Deutschen erscheint erstmalig die E-Book Version der „New Millennium Edition“.
VIII Vorwort zur New Millennium Edition
Gottlieb, Pfeiffer und Ralph Leighton waren sehr unglücklich mit dieser Situation, und deshalb
formulierten sie einen Plan, der darauf abzielte, alle Errata zu korrigieren und gleichzeitig ein
E-Book und die Enhanced Electronic Version der Feynman Lectures herzustellen. Diesen Plan
trugen sie im Jahr 2007 an mich als Vertreter des Caltech heran. Ich war vorsichtig begeistert.
Nachdem ich die Details gesehen hatte, darunter ein Probekapitel der Enhanced Electronic
Version, empfahl ich dem Caltech, Gottlieb, Pfeiffer und Leighton bei der Ausführung ihres
Plans zu unterstützen. Der Plan wurde von drei aufeinanderfolgenden Leitern der Abteilung
für Physik, Mathematik und Astronomie – Tom Tombrello, Andrew Lange und Tom Soifer
– genehmigt. Die komplizierten vertragsrechtlichen Details wurden von Adam Cochran, dem
Berater des Caltech in Fragen des Urheberrechts, ausgearbeitet. Mit der Veröffentlichung der
vorliegenden New Millennium Edition wurde der Plan trotz seiner Komplexität erfolgreich in
die Tat umgesetzt.
Pfeiffer und Gottlieb haben alle drei Bände in LATEX konvertiert, ebenso mehr als 1000 Übungs-
aufgaben aus Feynmans Kurs, die in den Ergänzungsband Feynman’s Tips on Physics einge-
flossen sind. Die Abbildungen waren zuvor für die deutsche Ausgabe unter Anleitung des deut-
schen Bearbeiters, Henning Heinze, in Indien in einem modernen elektronischen Format neu
gezeichnet worden. Gottlieb und Pfeiffer haben diese neuen Bilder im Austausch gegen ihre
neu gesetzten LATEX-Formeln erhalten. Sie haben den LATEX-Text, die Formeln und die Abbil-
dungen sorgfältig geprüft und dort, wo es notwendig schien, Korrekturen vorgenommen. Nate
Bode und ich haben den Text, die Formeln und die Abbildungen im Auftrag des Caltech stich-
probenartig geprüft und erfreulicherweise keine Fehler gefunden. Pfeiffer und Gottlieb sind
offenbar unglaublich sorgfältig und genau. Außerdem organisierten sie die Digitalisierung der
Fotos von Feynmans Tafelbildern (dies besorgte John Sullivan von der Huntington Library)
und der Tonbandaufnahmen (Tonstudio George Blood) – mit finanzieller Unterstützung und
Ermutigung durch Professor Carver Mead vom Caltech, logistischer Unterstützung durch die
Caltech-Archivarin Shelley Erwin und Unterstützung in Rechtsfragen durch Adam Cochran.
Die zu klärenden Rechtsfragen waren nicht unerheblich: In den 1960er-Jahren hatte das Cal-
tech das Veröffentlichungsrecht für die Printausgabe an Addison Wesley übertragen, in den
1990er-Jahren wurden auch die Rechte zur Veröffentlichung der Audios sowie einer Variante
einer elektronischen Ausgabe erteilt. In den 2000er-Jahren waren in der Folge mehrerer Über-
nahmen die Printrechte an die Mediengruppe Pearson übergegangen, während die Rechte an
der Audioversion und der elektronischen Version mittlerweile bei der Verlagsgruppe Perseus
lagen. Cochran gelang es zusammen mit Ike Williams, einem auf Verlagsrecht spezialisierten
Anwalt, alle Einzelrechte bei Perseus (Basic Books) zu vereinigen, wodurch die vorliegende
New Millennium Edition möglich wurde.
Danksagungen
Im Namen des Caltech danke ich den vielen Menschen, die die New Millennium Edition mög-
lich gemacht haben. Besonders habe ich den Personen zu danken, deren Mitwirkung bereits er-
wähnt wurde: Ralph Leighton, Tom Tombrello, Michael Hartl, Rudolf Pfeiffer, Henning Hein-
ze, Adam Cochran, Carl Mead, Nate Bode, Shelley Erwin, Andrew Lange, Tom Soifer, Ike
Williams und den 50 Personen, die Errata gemeldet haben (sie sind namentlich genannt un-
ter www.feynmanlectures.info/flp_errata.html). Und ich danke außerdem Michelle
Feynman (der Tochter Richard Feynmans) für ihre fortwährende Unterstützung und Beratung,
XII Vorwort zur New Millennium Edition
Alan Rice für sein hilfreiches Wirken hinter den Kulissen und Auskünfte am Caltech, Stephan
Puchegger und Calvin Jackson für die Hilfestellung, die sie Pfeiffer bei der Konvertierung der
Manuskripe in LATEX gaben, Michael Figl, Manfred Smolik und Andreas Stangl für die Diskus-
sionen über die Korrektur von Errata sowie den Mitarbeitern von Perseus/Basic Books und (für
frühere Ausgaben) den Mitarbeitern von Addison Wesley.
Kip S. Thorne
Inhaber der Feynman-Professur für Theoretische Physik
California Institute of Technology Oktober 2010
Feynmans Vorwort
Dies sind die Vorlesungen über Physik, die ich im letzten und vorletzten Jahr für Anfänger und
Fortgeschrittene am Caltech gehalten habe. Die Vorlesungen werden natürlich nicht wortwört-
lich wiedergegeben – sie sind mehr oder weniger umfassend redigiert worden. Die Vorlesungen
bilden nur einen Teil des vollständigen Kurses. Die Gruppe von 180 Studenten versammelte
sich zweimal wöchentlich in einem großen Hörsaal, um diese Vorlesungen zu hören. Dann teil-
te sie sich auf in kleine Übungsgruppen von 15 bis 20 Studenten unter der Leitung jeweils eines
Assistenten. Zusätzlich wurde einmal in der Woche ein Praktikum durchgeführt.
Das Ziel, das wir mit diesen Vorlesungen verfolgten, war es, das Interesse der begeisterten
und gescheiten Studenten aufrechtzuerhalten, die von den höheren Schulen ans Caltech kamen.
Sie hatten viel davon gehört, wie aufregend und interessant die Physik ist – die Relativitäts-
theorie, die Quantenmechanik und andere moderne Ideen. Am Ende unseres vorhergehenden
zweijährigen Kurses waren viele doch sehr entmutigt, weil ihnen nur sehr wenige große, neue
und moderne Ideen geboten wurden. Man hatte sie schiefe Ebenen, Elektroakustik usw. studie-
ren lassen, und im Laufe von zwei Jahren wurde das recht langweilig. Die Frage war, ob wir
einen Kurs durchführen könnten, der den fortgeschritteneren und begeisterten Studenten ihren
Enthusiasmus erhielte.
Diese Vorlesungen sind nicht nur als eine Übersicht gedacht, sondern sind sehr ernst gemeint.
Ich gedachte, sie an die Intelligentesten der Gruppe zu richten, und wollte, wenn möglich, errei-
XIV Feynmans Vorwort
chen, dass auch der intelligenteste Student nicht alles Dargebotene vollständig erfassen kann.
Deshalb wies ich auch auf Anwendungen der Ideen und Konzepte in verschiedenen Bereichen
außerhalb der Hauptstoßrichtung hin. Aus diesem Grund habe ich mich auch sehr bemüht, alle
Konzepte so genau wie möglich zu erklären und in jedem Fall aufzuzeigen, wie sich die Glei-
chungen und Ideen in den Aufbau der Physik einordnen und wie sich die Dinge beim weiteren
Hinzulernen ändern würden. Ich dachte auch, dass es für solche Studenten wichtig sei, gezeigt
zu bekommen, was sie sich aus dem bereits Gelernten herleiten können, wenn sie klug genug
sind, und was als etwas Neues eingeführt wird. Wenn neue Gedanken aufkamen, wollte ich
entweder versuchen, sie nach Möglichkeit herzuleiten oder klarzumachen, dass es eine neue
Idee war, die nicht auf schon gelernten Dingen basierte, die nicht beweisbar sein sollte, sondern
einfach hinzugefügt wurde.
Zu Beginn dieser Vorlesungen habe ich vorausgesetzt, dass die Studenten nach dem Verlassen
der Schule Gebiete wie die geometrische Optik, einfache chemische Begriffe usw. kannten. Ich
sah auch nicht ein, dass die Vorlesungen unbedingt in einer bestimmten Reihenfolge gehalten
werden mussten und dass ich etwas so lange nicht erwähnen durfte, bis es im Einzelnen be-
handelt wurde. Vielfach wurden Dinge ohne umfassende Diskussion erwähnt. Die umfassende
Diskussion würde später, nach eingehenderer Vorbereitung, kommen. Beispiele dafür sind die
Induktivität und die Energieniveaus, die anfangs nur in einer eher qualitativen Art erwähnt und
erst später ausführlicher entwickelt wurden.
Gleichzeitig mit dem aktiveren Studenten wollte ich auch denjenigen ansprechen, der das Ex-
trafeuerwerk und die Nebenanwendungen nur beunruhigend findet und von dem man nicht
erwarten kann, dass er den größten Teil des Vorlesungsstoffes überhaupt begreift. Für diesen
Studenten wollte ich zumindest ein Kernstück des Stoffes herausarbeiten, das er erfassen konn-
te. Selbst wenn er eine Vorlesung nicht völlig verstand, hoffte ich doch, er würde nicht ner-
vös werden. Ich erwartete gar nicht, dass er alles verstand, aber doch wenigstens, dass er die
Hauptlinien nachvollziehen konnte. Natürlich braucht er eine gewisse Intelligenz, um zu unter-
scheiden, welches die zentralen Sätze und Grundgedanken und welches die weiterentwickelten
Nebenergebnisse und Anwendungen sind, die er erst in späteren Jahren verstehen kann.
Bei diesen Vorlesungen trat eine ernsthafte Schwierigkeit auf: Bei der Art, wie der Kurs abge-
halten wurde, gab es keinen Kontakt zwischen Studenten und Dozenten, der angezeigt hätte, wie
gut die Vorlesungen angenommen wurden. Das ist in der Tat eine sehr ernsthafte Schwierigkeit,
und ich weiß nicht, wie gut die Vorlesungen wirklich sind. Das Ganze war im Wesentlichen ein
Experiment. Und wenn ich es noch einmal machen würde, dann nicht auf die gleiche Art – ich
hoffe, ich muss es nicht noch einmal machen! Dennoch glaube ich, dass sich die Dinge – soweit
es die Physik anbelangt – im ersten Jahr ganz zufriedenstellend entwickelt haben.
Im zweiten Jahr war ich nicht so zufrieden. Im ersten Teil der Vorlesungsreihe, die sich mit
Elektrizität und Magnetismus befasste, fiel mir keine wirklich überragende oder andersartige
Methode ein, jedenfalls keine, die erheblich fesselnder wäre als die übliche Darstellungsweise.
Daher glaube ich nicht, dass ich in den Vorlesungen über Elektrizität und Magnetismus viel
erreicht habe. Ursprünglich hatte ich vorgehabt, am Ende des zweiten Jahres nach Elektrizität
und Magnetismus mit einigen Vorlesungen über die Eigenschaften der Materie fortzufahren,
aber hauptsächlich wollte ich Themen wie Grundschwingungen, Lösungen der Diffusionsglei-
chung, Schwingungssysteme, Orthogonalfunktionen . . . aufgreifen, um die ersten Stufen der
so genannten „mathematischen Methoden der Physik“ zu entwickeln. Rückblickend denke ich,
dass ich auf diese ursprüngliche Idee zurückgreifen würde, wenn ich die Vorlesungen noch ein-
Feynmans Vorwort XV
mal halten würde. Aber da eine Wiederholung der Vorlesungen nicht vorgesehen war, hielt man
es für eine gute Idee zu versuchen, eine Einführung in die Quantenmechanik zu geben – Sie
finden sie in Band III.
Es ist ganz klar, dass Studenten, die Physik als Hauptfach gewählt haben, mit der Quantenme-
chanik bis zum dritten Jahr warten können. Andererseits wurde der Einwand erhoben, dass viele
unserer Hörer Physik nur als Nebenfach bzw. Hintergrund zu ihrem Hauptinteresse auf anderen
Gebieten studieren. Und die übliche Art, die Quantenmechanik zu behandeln, macht sie für die
meisten Studenten nahezu unzugänglich, weil sie dafür zu viel Zeit brauchen. In ihren tatsäch-
lichen Anwendungen jedoch – besonders den komplexeren wie in der Elektrotechnik und in der
Chemie – ist der ganze Apparat der Differentialgleichungen gar nicht unbedingt erforderlich.
Deshalb habe ich versucht, die Grundlagen der Quantenmechanik auf eine Weise zu beschrei-
ben, die ohne die Kenntnis der Mathematik der partiellen Differentialgleichungen auskommt.
Selbst für einen Physiker ist es, glaube ich, aus mehreren Gründen, die sich aus den Vorle-
sungen ergeben, ein interessanter Versuch, Quantenmechanik einmal auf diesem umgekehrten
Wege darzustellen. Ich glaube jedoch, dass dieses Experiment mit der Quantenmechanik nicht
ganz erfolgreich war – vor allem, weil ich am Schluss nicht genügend Zeit hatte. (Ich hätte z. B.
drei oder vier Vorlesungen mehr benötigt, um Themen wie Energiebänder und die räumliche
Abhängigkeit der Amplituden gründlicher zu behandeln.) Auch hatte ich dieses Thema so noch
nie dargestellt, so dass der fehlende Kontakt mit den Studenten besonders problematisch war.
Heute glaube ich, dass die Quantenmechanik zu einem späteren Zeitpunkt gelehrt werden soll-
te. Vielleicht habe ich eines Tages die Möglichkeit, es noch einmal zu versuchen. Dann werde
ich es richtig machen.
Vorlesungen über das Lösen von Aufgaben fehlen, weil es ja die Übungsgruppen gab. Obwohl
ich im ersten Jahr drei Vorlesungen zu Übungsaufgaben und deren Lösungen hielt, sind sie
in diesen Bänden nicht enthalten. Es gab auch eine Vorlesung über Trägheitsnavigation, die
sich eigentlich an die Vorlesung über rotierende Systeme anschließen müsste, die aber leider
weggelassen wurde. Die fünfte und die sechste Vorlesung sind in Wirklichkeit Matthew Sands
zuzuschreiben, da ich verreist war.
Es bleibt natürlich die Frage, wie gut dieses Experiment geglückt ist. Meine eigene Mein-
ung – die allerdings von den meisten Leuten, die mit den Studenten arbeiten, anscheinend nicht
geteilt wird – ist eher pessimistisch. Ich glaube nicht, dass ich mit den Studenten sehr gut
zurechtgekommen bin. Wenn ich mir anschaue, wie die Mehrzahl der Studenten die Prüfungs-
aufgaben behandelt hat, glaube ich, dass das Experiment fehlgeschlagen ist. Zwar höre ich von
befreundeten Kollegen, dass ein oder zwei Dutzend Studenten überraschenderweise in sämtli-
chen Vorlesungen fast alles verstanden haben, dass sie sehr gut mit dem Stoff umgehen konnten
und sich über viele Fragen eifrig und interessiert Gedanken machten. Ich glaube, dass diese
Leute jetzt ein erstklassiges Fundament in Physik haben – und sie waren es ja schließlich, die
ich ansprechen wollte. Aber: „Die Kraft der Lehre ist selten von großer Wirksamkeit, außer
unter jenen glücklichen Umständen, wo sie eigentlich überflüssig ist“ (Gibbon).
Ich wollte jedoch keinen Studenten vollständig auf der Strecke lassen, wie ich es vielleicht
getan habe. Ich glaube, es wäre eine Möglichkeit, den Studenten besser zu helfen, wenn wir uns
intensiver damit beschäftigen würden, eine Aufgabenserie zu entwickeln, die einige Themen
der Vorlesungen deutlich machen würde. Aufgaben bieten eine gute Gelegenheit, den Stoff der
Vorlesungen abzurunden und die Konzepte, die vorgetragen wurden, realistischer, vollständiger
und einprägsamer darzulegen.
XVI Feynmans Vorwort
Ich glaube jedoch, dass die einzige Lösung für dieses Bildungsproblem die Erkenntnis ist, dass
der beste Lehrerfolg dann erzielt wird, wenn eine direkte, persönliche Beziehung zwischen
dem Studenten und einem guten Lehrer besteht – ein Zustand, bei dem der Student die Konzep-
te diskutiert, über die Dinge nachdenkt und darüber spricht. Es ist unmöglich, viel zu lernen,
wenn man nur in einer Vorlesung sitzt oder selbst dann, wenn man nur die gestellten Aufgaben
löst. Aber in unserer modernen Zeit haben wir so viele Studenten zu unterrichten, dass wir ver-
suchen müssen, einen Ersatz für dieses Ideal zu finden. Vielleicht können meine Vorlesungen
etwas dazu beitragen. Vielleicht können an einer kleinen Ausbildungsstätte, wo Lehrer und Stu-
denten noch in persönlichem Kontakt stehen, diese aus meinen Vorlesungen Anregungen und
Ideen beziehen. Vielleicht haben sie Spaß daran, sie zu durchdenken oder einige der Gedanken
weiterzuentwickeln.
dazu nur geringfügige Abänderungen des ursprünglichen Wortlauts erforderlich. Bei anderen
musste der Stoff neu bearbeitet und neu angeordnet werden. An manchen Stellen erschien es
uns notwendig, neues Material hinzuzufügen, um die Klarheit oder auch die Ausgeglichenheit
der Darstellung zu verbessern. Bei unserer Arbeit ist uns Professor Feynman fortwährend mit
seiner Hilfe und seinem Rat zur Seite gestanden.
Mehr als 1 000 000 gesprochener Worte unter zeitlichem Druck in einen zusammenhängenden
Text zu bringen, ist eine enorme Aufgabe, insbesondere, wenn viele andere zeitraubende Ver-
pflichtungen anstehen; zu diesen gehörten die Einführung eines neuen Kurses, die Vorbereitung
von Tutorenstunden, ferner die Diskussionen mit Studenten, Übungen und Examensfragen, die
ausgearbeitet werden mussten, usw. Viele Hände – und Köpfe – waren an der Arbeit. In einigen
Fällen ist es uns, wie wir hoffen, gelungen, ein getreues – oder nur wenig retuschiertes – Bild
Feynmans wiederzugeben. An manchen Stellen haben wir aber unser Ideal bei weitem nicht
erreicht. Unsere Erfolge verdanken wir allen Beteiligten. Wo wir versagt haben, bedauern wir
das sehr.
Wie im Vorwort zu Band I ausführlich erklärt wird, waren diese Vorlesungen nur ein Aspekt
eines Programms, das von dem „Physics Course Revision Committee“ (R. B. Leighton, Vorsit-
zender, H. V. Neher und M. Sands) am California Institute of Technology in die Wege geleitet
und beaufsichtigt wurde. Finanziert wurde es von der Ford Foundation. An der Vorbereitung
des Textes für diesen zweiten Band haben in der einen oder anderen Form mitgewirkt: T. K.
Caughey, M. L. Clayton, J. B. Curcio, J. B. Hartle, T. W. H. Harvey, M. H. Israel, W. J. Karzas,
R. W. Kavanagh, R. B. Leighton, J. Mathews, M. S. Plesset, F. L. Warren, W. Whaling, C. H.
Wilts und B. Zimmermann. Andere waren indirekt durch ihre Mitarbeit am Kurs beteiligt: J.
Blue, G. F. Chapline, M. J. Clauser, R. Dolen, H. H. Hill und A. M. Title. Unsere Aufgabe wurde
in jeder Hinsicht von Professor Gerry Neugebauer unterstützt, dessen Eifer und Hingabe weit
über die Gebote der Pflicht hinausgingen.
Die hier aufgezeichnete Geschichte der Physik gäbe es jedoch nicht ohne die außerordentlichen
Fähigkeiten und die Arbeit von Richard P. Feynman.
1 Elektromagnetismus 1
1.1 Elektrische Kräfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
1.2 Elektrische und magnetische Felder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5
1.3 Charakteristische Merkmale von Vektorfeldern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6
1.4 Die Gesetze des Elektromagnetismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8
1.5 Was sind Felder wirklich? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
1.6 Elektromagnetismus in Wissenschaft und Technik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
2 Vektoranalysis 17
2.1 Die Physik verstehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
2.2 Skalarfelder und Vektorfelder – T und h . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18
2.3 Ableitungen von Feldern – der Gradient . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
2.4 Der Operator ∇ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24
2.5 Operationen mit ∇ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26
2.6 Die Differentialgleichung des Wärmestroms . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
2.7 Zweite Ableitungen der Vektorfelder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
2.8 Irrtümer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32
4 Elektrostatik 55
4.1 Elektrostatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55
4.2 Coulombsches Gesetz; Superposition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56
4.3 Elektrisches Potential . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59
4.4 E = −∇φ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62
4.5 Der Fluss von E . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64
4.6 Gaußsches Gesetz; die Divergenz von E . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68
4.7 Feld einer geladenen Kugel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70
4.8 Feldlinien; Äquipotentialflächen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71
XX Inhaltsverzeichnis
10 Dielektrika 171
10.1 Die Dielektrizitätskonstante . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171
10.2 Der Polarisationsvektor P . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173
10.3 Polarisationsladungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175
10.4 Die Gleichungen der Elektrostatik in Anwesenheit von Dielektrika . . . . . . . . . . . . 178
10.5 Felder und Kräfte in Anwesenheit von Dielektrika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180
13 Magnetostatik 223
13.1 Das magnetische Feld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223
13.2 Der elektrische Strom; die Erhaltung der Ladung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224
13.3 Die auf einen Strom ausgeübte magnetische Kraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226
13.4 Das Magnetfeld stationärer Ströme; das ampèresche Gesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227
13.5 Das Magnetfeld eines geraden Drahtes und einer Spule; atomare Ströme . . . . . . . 229
13.6 Die Relativität magnetischer und elektrischer Felder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232
13.7 Die Transformation von Strömen und Ladungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239
13.8 Superposition; die Rechte-Hand-Regel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240
22 Wechselstromschaltungen 395
22.1 Impedanzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 395
22.2 Generatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 401
22.3 Netzwerke von idealen Schaltelementen; die kirchhoffschen Gesetze. . . . . . . . . . . 405
22.4 Ersatzschaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 411
22.5 Energie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 413
22.6 Eine leiterförmige Schaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 415
22.7 Filter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 417
22.8 Andere Schaltelemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 422
23 Hohlraumresonatoren 425
23.1 Reale Schaltelemente. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 425
23.2 Ein Kondensator bei hohen Frequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 427
23.3 Ein Hohlraumresonator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 433
23.4 Eigenschwingungen eines Hohlraums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 438
23.5 Hohlräume und Resonanzkreise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 441
24 Wellenleiter 443
24.1 Die Übertragungsleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 443
24.2 Das rechteckige Hohlrohr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 447
24.3 Die Grenzfrequenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 450
24.4 Die Geschwindigkeit der geleiteten Wellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 452
24.5 Der Nachweis geleiteter Wellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 454
24.6 Hohlleiter-Klempnerei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 455
24.7 Eigenschwingungen von Hohlleitern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 458
24.8 Eine andere Betrachtungsweise geleiteter Wellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 459
Gesamtindex 559
Personenverzeichnis 575
1 Elektromagnetismus
Siehe auch: Band I, Kapitel 12, Eigenschaften der Kraft
enthalten sind, können große elektrische Kräfte resultieren, denn die Kräfte zwischen einzel-
nen Ladungen verändern sich umgekehrt proportional zum Quadrat der Entfernung. Eine Kraft
kann übrigbleiben, wenn eine negative Ladung des einen Volumens näher an den positiven als
an den negativen Ladungen des anderen Volumens liegt. Die anziehenden Kräfte können dann
stärker als die abstoßenden sein, und es kann zu einer Anziehung zwischen zwei kleinen Vo-
lumina ohne überschüssige Ladungen kommen. Die Kraft, die Atome zusammenhält, und die
chemischen Kräfte, die Moleküle zusammenhalten, sind in Wirklichkeit elektrische Kräfte, die
in Bereichen wirken, in denen das Gleichgewicht der Ladungen nicht vollkommen ist oder die
Entfernungen sehr klein sind.
Sie wissen natürlich, dass ein Atom aus positiven Protonen im Kern und negativen Elektronen
in der Hülle besteht. Sie könnten auch fragen: „Wenn diese elektrische Kraft so ungeheuer
stark ist, warum befinden sich dann Protonen und Elektronen nicht einfach aufeinander? Wenn
sie schon eine enge Mischung bilden wollen, warum ist diese dann nicht noch enger?“ Die
Antwort hat mit Quanteneffekten zu tun. Wenn wir die Elektronen auf ein Gebiet nahe bei den
Protonen einzuschränken versuchen, so müssen sie nach der Unschärferelation einen Impuls
haben, dessen Betrag im Mittel umso größer ist, je mehr wir versuchen, sie einzuschränken. Es
ist diese durch die Gesetze der Quantenmechanik bedingte Bewegung, die die elektrostatische
Anziehung daran hindert, die Ladungen noch näher aneinanderzurücken.
Eine weitere Frage lautet: „Was hält den Kern zusammen?“ In einem Kern gibt es im Allgemei-
nen mehrere Protonen, die alle positiv sind. Warum stoßen sie einander nicht ab? Es zeigt sich,
dass in den Kernen neben den elektrostatischen auch nichtelektrostatische Kräfte auftreten, die
Kernkräfte genannt werden; sie sind stärker als die elektrostatischen Kräfte und vermögen die
Protonen trotz der elektrostatischen Abstoßung zusammenzuhalten. Die Kernkräfte haben aber
nur eine kurze Reichweite – sie fallen sehr viel schneller ab als 1/r2 . Das hat eine wichtige
Konsequenz: Wenn ein Kern zu viele Protonen enthält, wird er zu groß und hält nicht mehr zu-
sammen. Ein Beispiel dafür ist das Uran mit 92 Protonen. Die Kernkräfte wirken hauptsächlich
zwischen einem Proton (oder Neutron) und seinem nächsten Nachbarn, während die elektro-
statischen Kräfte über größere Entfernungen wirken, wobei sie zwischen jedem Proton und den
anderen Protonen im Kern eine Abstoßung verursachen. Je mehr Protonen sich in einem Kern
befinden, desto stärker ist die elektrostatische Abstoßung, bis, wie im Fall von Uran, das Gleich-
gewicht so empfindlich geworden ist, dass der Kern aufgrund der abstoßenden elektrostatischen
Kraft auseinanderzufliegen droht. Wenn ein solcher Kern auch nur leicht „verletzt“ wird (was
mittels eines eingeschossenen langsamen Neutrons geschehen kann), zerfällt er in zwei positiv
geladene Teile, die durch elektrostatische Abstoßung auseinanderfliegen. Die Energie, die dabei
freigesetzt wird, ist die der Atombombe. Man nennt sie zwar gewöhnlich die „Kern“-Energie,
eigentlich ist es aber „elektrostatische“ Energie, die frei wird, wenn elektrostatische Kräfte die
Anziehungskräfte des Kerns überwinden.
Schließlich können wir uns fragen, was ein Elektron zusammenhält (da in ihm keine Kernkräfte
wirken). Wenn sich ein Elektron aus nur einer Sorte einer Substanz zusammensetzt, müsste
doch jeder Teil die anderen Teile abstoßen. Warum fliegt es also nicht auseinander? Hat ein
Elektron überhaupt „Teile“? Vielleicht sollten wir sagen, dass das Elektron einfach ein Punkt
ist und dass elektrostatische Kräfte nur zwischen verschiedenen Punktladungen wirken, sodass
das Elektron folglich nicht auf sich selbst einwirkt. Vielleicht. Wir können nur feststellen, dass
die Frage nach dem Zusammenhalt des Elektrons viele Probleme hervorgebracht hat, als man
versuchte, eine vollständige Theorie des Elektromagnetismus aufzustellen. Die Frage ist bisher
nicht beantwortet worden. Wir werden auf dieses Thema in späteren Kapiteln zurückkommen.
1.1 Elektrische Kräfte 3
α Alpha ν Nü
β Beta ξ Ξ Xi
γ Γ Gamma o Omikron
δ Δ Delta π Π Pi
� Epsilon ρ Rho
ζ Zeta σ Σ Sigma
η Eta τ Tau
θ Θ Theta υ Υ Ypsilon
ι Jota φ Φ Phi
κ Kappa χ Chi
λ Λ Lambda ψ Ψ Psi
μ Mü ω Ω Omega
Wie wir gesehen haben, ist damit zu rechnen, dass eine Kombination aus elektrostatischen Kräf-
ten und quantenmechanischen Wirkungen die exakte Struktur der Materie und infolgedessen
auch deren Eigenschaften bestimmt. Manche Materie ist hart, andere weich. Die eine ist elek-
trisch „leitfähig“ – weil ihre Elektronen sich frei bewegen können, die andere ist „isolierend“
– weil ihre Elektronen fest an einzelne Atome gekettet sind. Wir werden später untersuchen,
wie einige dieser Eigenschaften zustande kommen; das ist jedoch ein sehr kompliziertes The-
ma, und wir wollen deshalb zunächst nur elektrostatische Kräfte unter einfachen Bedingungen
betrachten. Zu Anfang behandeln wir nur die Gesetze der Elektrizität – einschließlich des Ma-
gnetismus, der eigentlich ein Teilgebiet dieses Themas ist.
Wir haben gesagt, dass die elektrostatische Kraft wie die Gravitationskraft umgekehrt propor-
tional zum Quadrat der Entfernung zwischen den Ladungen abnimmt. Diese Beziehung nennt
man das coulombsche Gesetz. Das ist jedoch nicht ganz zutreffend, wenn die Ladungen sich be-
wegen – die elektrostatischen Kräfte hängen auch auf komplizierte Weise von den Bewegungen
der Ladungen ab. Einen Teil der Kraft zwischen bewegten Ladungen nennen wir die magne-
tische Kraft. Sie ist im Grunde genommen ein Aspekt eines elektrischen Effekts. Deswegen
sprechen wir von „Elektromagnetismus“.
Es gibt ein wichtiges allgemeines Prinzip, das es ermöglicht, die elektromagnetischen Kräfte in
relativ einfacher Weise zu behandeln. Experimentell stellen wir fest, dass die Kraft, die auf eine
Ladung wirkt – unabhängig davon, wie viele andere Ladungen vorhanden sind und wie sie sich
bewegen – nur von der Position dieser Ladung, ihrer Geschwindigkeit und ihrer Ladungsmenge
abhängt. Wir können die Kraft F auf eine Ladung q, die sich mit einer Geschwindigkeit u
bewegt, schreiben als
F = q( E + u × B). (1.1)
Wir nennen E die elektrische Feldstärke und B die magnetische Feldstärke an der Position, an
der sich die Ladung befindet. Wichtig ist, dass sich die von allen anderen Ladungen im Uni-
versum ausgeübten elektromagnetischen Kräfte allein durch diese beiden Vektoren ausdrücken
lassen. Ihre Werte hängen vom Ort der Ladung ab und können sich mit der Zeit ändern. Wenn
wir ferner die betrachtete Ladung durch eine andere ersetzen, so wird die Kraft auf die neue La-
4 1 Elektromagnetismus
dung immer proportional zu ihrer Ladungsmenge sein, vorausgesetzt, dass alle übrigen Ladun-
gen in der Welt ihre Positionen und Bewegungen nicht ändern. (Im konkreten Fall übt natürlich
jede Ladung Kräfte auf alle anderen Ladungen in der Nachbarschaft aus und kann diese ande-
ren Ladungen veranlassen, sich zu bewegen; folglich können sich die Feldstärken manchmal
verändern, wenn wir unsere betrachtete Ladung durch eine andere ersetzen.)
Aus Band I wissen wir, wie wir die Bewegung eines Teilchens bestimmen können, wenn wir
die Kraft kennen, die auf das Teilchen einwirkt. Gleichung (1.1) lässt sich mit der Bewegungs-
gleichung zusammenfassen zu:
d mu
= F = q( E + u × B). (1.2)
dt (1 − v2 /c2 )1/2
Wenn also E und B gegeben sind, können wir die Bewegung bestimmen. Nun müssen wir aber
erfahren, wie die E’s und B’s erzeugt werden.
Eines der wichtigsten Prinzipien, das einen vereinfachenden Aspekt für die Bestimmung von
Feldern abgibt, ist das folgende: Angenommen, eine Anordnung von Ladungen, die sich in be-
liebiger Weise bewegen, möge ein Feld E1 hervorrufen, eine andere Anordnung von Ladungen
bewirke ein E2 . Wenn beide Anordnungen gleichzeitig anwesend sind (wobei sie die gleichen
Positionen und Bewegungen haben sollen wie einzeln für sich), dann ist das erzeugte Feld ge-
nau die Summe
E = E1 + E2 . (1.3)
Diesen Sachverhalt nennt man das Superpositionsprinzip der Felder. Es gilt auch für magneti-
sche Felder.
Dieses Prinzip impliziert, dass wir alle Gesetze der Elektrodynamik vollständig verstehen, so-
bald wir das Gesetz kennen, nach dem elektrische und magnetische Felder von einer einzelnen,
in beliebiger Weise bewegten Ladung erzeugt werden. Wenn wir die auf Ladung A wirkende
Kraft erfahren wollen, müssen wir nur die Feldstärken E und B berechnen, die von jeder der
Ladungen B, C, D usw. erzeugt werden, dann die E’s und B’s aller Ladungen addieren, um
so die Felder und daraus dann die auf Ladung A einwirkenden Kräfte zu ermitteln. Wenn sich
nun herausstellen würde, dass das von einer einzelnen Ladung erzeugte Feld einfach zu be-
schreiben ist, so wäre das der beste Weg, die Gesetze der Elektrodynamik zu beschreiben. Ein
solches Gesetz haben wir bereits (in Kapitel 3, Band II) beschrieben; leider ist es doch ziemlich
kompliziert.
Es hat sich gezeigt, dass die Form, in der die Gesetze der Elektrodynamik am einfachsten darzu-
stellen sind, nicht diejenige ist, die man zunächst erwarten würde. Es ist nicht am einfachsten,
eine Formel für die Kraft aufzustellen, die eine Ladung auf eine andere ausübt. Es ist zwar
wahr, dass das coulombsche Kraftgesetz für ruhende Ladungen einfach ist; wenn die Ladun-
gen sich aber bewegen, so gestalten sich die Relationen aufgrund von zeitlichen Verzögerungen
und Beschleunigungseffekten, um nur einige Faktoren zu nennen, sehr viel komplizierter. In-
folgedessen beabsichtigen wir nicht, die Elektrodynamik ausschließlich mithilfe von Gesetzen
für Kräfte zwischen Ladungen darzustellen. Es erscheint uns besser, einen anderen Aspekt zu
wählen, mit dem sich die Gesetze der Elektrodynamik am leichtesten beschreiben lassen.
1.2 Elektrische und magnetische Felder 5
Abb. 1.1: Ein Vektorfeld kann dargestellt werden, indem ein Sys-
tem von Pfeilen gezeichnet wird, die jeweils durch ihre Länge und
Richtung den Wert des Vektorfeldes im Ausgangspunkt des Pfeils
anzeigen.
6 1 Elektromagnetismus
abstrakteste: wir betrachten die Feldstärken einfach als mathematische Funktionen des Ortes
und der Zeit. Wir können das Bild eines Feldes aber auch erhalten, indem wir an vielen Punk-
ten im Raum Vektoren zeichnen, von denen jeder die Stärke und Richtung des Feldes an dem
betreffenden Punkt angibt. Eine solche Darstellung ist in Abbildung 1.1 gezeigt. Wir können
aber noch weiter gehen und Linien zeichnen, deren Tangenten in jedem Punkt die Vektoren
sind – Linien, die sozusagen den Pfeilen folgen und die Richtung des Feldes angeben. Wenn
wir das tun, verlieren wir jedoch die Längen der Vektoren aus den Augen; wir können aber die
Stärke des Feldes angeben, indem wir die Linien mit großem Abstand zeichnen, wenn das Feld
schwach ist, und sie nahe beieinander zeichnen, wenn das Feld stark ist. Wir übernehmen die
Konvention, nach der die Zahl der Linien pro Einheit der rechtwinklig zu den Linien stehen-
den Fläche proportional zur Feldstärke ist. Dies ist natürlich auch nur eine Näherung, und es ist
dann erforderlich, dass zuweilen neue Linien entspringen, damit ihre Anzahl weiterhin der Stär-
ke des Feldes entspricht. Das Feld aus Abbildung 1.1 wird durch Feldlinien in Abbildung 1.2
dargestellt.
Vektor
Komponente senkrecht
zur Fläche
Fläche Abb. 1.3: Der Fluss eines Vektorfeldes durch eine
Fläche wird als der mittlere Wert der Normalkom-
ponente des Vektors mal dem Flächeninhalt defi-
niert.
Substanz ist, denn das elektrische Feld entspricht nicht der Geschwindigkeit von irgendetwas.
Es zeigt sich jedoch, dass die mathematische Größe, die die mittlere Normalkomponente des
Feldes darstellt, auch hier einen nützlichen Sinn hat. Wir sprechen dann von dem elektrischen
Fluss – der ebenfalls durch (1.4) definiert ist. Schließlich ist es auch sinnvoll, unter Fluss nicht
nur den Fluss durch eine vollständig geschlossene Fläche zu verstehen, sondern auch einen
Fluss durch jede begrenzte Fläche. Wie zuvor wird der Fluss durch eine solche Fläche als die
mittlere Normalkomponente eines Vektors mal dem Flächeninhalt definiert. Diese Begriffe ver-
anschaulicht Abbildung 1.3.
(a) (c)
fest
flüssig
(b)
Röhre
Abb. 1.4: (a) Das Geschwindigkeitsfeld in einer Flüssigkeit. Stellen wir uns eine Röhre mit einem kon-
stanten Querschnitt vor, die wie in (b) in einer beliebigen geschlossenen Kurve verläuft. Würde die Flüs-
sigkeit plötzlich überall, außer in der Röhre, einfrieren, so würde die Flüssigkeit in der Röhre wie in (c)
zirkulieren.
8 1 Elektromagnetismus
Es gibt eine zweite Eigenschaft eines Vektorfeldes, die sich auf eine Linie anstatt auf eine
Fläche bezieht. Nehmen wir wiederum an, wir betrachten ein Geschwindigkeitsfeld, das das
Strömen einer Flüssigkeit beschreibt. Wir könnten dann die folgende interessante Frage stel-
len: Zirkuliert die Flüssigkeit? Gemeint ist: Gibt es insgesamt eine Rotationsbewegung entlang
einer Schleife? Angenommen, wir frieren eine Flüssigkeit augenblicklich überall außerhalb ei-
ner Röhre ein, die einen einheitlichen Querschnitt hat und in einer Schleife verläuft, die wie in
Abbildung 1.4 geschlossen ist. Die Flüssigkeit außerhalb der Röhre erstarrt, aber innerhalb der
Röhre kann sie aufgrund ihres Impulses weiterfließen – d. h. wenn der Impuls in der einen Rich-
tung der Röhre stärker als in der entgegengesetzten Richtung ist. Wir definieren eine Größe, die
Zirkulation genannt wird, als die mittlere resultierende Geschwindigkeit der Flüssigkeit in der
Röhre mal deren Umfang. Wir können auch hier den Begriff erweitern und die „Zirkulation“
für alle Vektorfelder definieren1 (selbst wenn sich nichts bewegt). Für alle Vektorfelder wird
die Zirkulation entlang einer geschlossenen Kurve als die mittlere Tangentialkomponente des
Vektors mal dem Umfang der Schleife definiert (Abbildung 1.5).
Sie werden sehen, dass diese Definition tatsächlich zu einer Zahl führt, die proportional ist zur
mittleren Zirkulationsgeschwindigkeit in der Röhre, wenn die Flüssigkeit außerhalb der Röhre
plötzlich einfriert, so wie es oben beschrieben wurde.
+ Richtung
+
+
+
−
beliebige Abb. 1.5: Die Zirkulation eines Vektorfeldes ist die mitt-
geschlossene − − lere Tangentialkomponente des Vektors mal dem Umfang
Kurve der Schleife.
Mit diesen beiden Begriffen allein – Fluss und Zirkulation – können wir alle Gesetze der Elek-
trizität und des Magnetismus beschreiben. Vielleicht werden Sie den Sinn der Gesetze nicht
sofort verstehen, aber Sie werden eine Vorstellung von der Art bekommen, in der die Physik
des Elektromagnetismus beschrieben wird.
wobei �0 eine geeignete Konstante ist. (Die Konstante wird gewöhnlich als „Epsilon-Null“ ge-
lesen.) Wenn innerhalb der geschlossenen Fläche keine Ladungen vorhanden sind, obwohl es
Ladungen in der Nähe außerhalb der Fläche gibt, so beträgt die mittlere Normalkomponente
von E null, und folglich gibt es keinen Gesamtfluss durch die Fläche. Um die Reichweite die-
ser Art von Aussage deutlich zu machen, können wir zeigen, dass (1.6) gleichbedeutend mit
dem coulombschen Gesetz ist, wobei wir nur die Aussage hinzufügen müssen, dass das von
einer einzelnen Ladung erzeugte Feld kugelsymmetrisch ist. Für eine Punktladung zeichnen
wir eine Kugelschale um die Ladung. Die mittlere Normalkomponente ist dann gleich dem Be-
trag von E an jedem Punkt, da das Feld radial gerichtet und an allen Punkten der Kugelschale
gleich stark sein muss. Unsere Regel besagt nun, dass das Produkt aus der Feldstärke an der
Kugelschale und deren Flächeninhalt – d. h. der austretende Fluss – proportional zur Ladung
im Innern ist. Wenn wir den Radius der Kugelschale vergrößern, nimmt ihr Flächeninhalt mit
dem Quadrat des Radius zu. Die mittlere Normalkomponente der elektrischen Feldstärke mal
diesem Flächeninhalt muss immer noch gleich derselben Ladung im Innern sein; folglich muss
die Feldstärke mit dem Quadrat der Entfernung abnehmen – wir erhalten ein „reziprok quadra-
tisches“ Feld.
Wenn wir eine beliebige geschlossene Kurve im Raum betrachten und die Zirkulation der elek-
trischen Feldstärke entlang der Kurve ermitteln, werden wir feststellen, dass sie im Allgemeinen
nicht null ist (obwohl das für das Coulomb-Feld der Fall ist). Vielmehr gibt es für das elektri-
sche Feld ein zweites Gesetz, das besagt: Für jede (nicht geschlossene) Fläche S , deren Rand
die geschlossene Kurve C bildet, ist die
d
Zirkulation von E entlang C = − (Fluss von B durch S ). (1.7)
dt
Wir können die Gesetze des Elektromagnetismus vervollständigen, indem wir zwei entspre-
chende Gleichungen für das magnetische Feld B anschreiben.
Für eine Fläche S , die durch die Kurve C begrenzt ist, gilt
d
c2 (Zirkulation von B entlang C) = (Fluss von E durch S )
dt
Fluss des elektrischen Stroms durch S
+ . (1.9)
�0
Die Konstante c2 , die in (1.9) auftritt, ist das Quadrat der Lichtgeschwindigkeit. Sie tritt hier
auf, weil der Magnetismus in Wirklichkeit ein relativistischer Effekt der Elektrizität ist. Die
Konstante �0 wurde eingefügt, damit man eine bequeme Einheit für den elektrischen Strom
erhält.
Alle Gesetze der Elektrodynamik sind durch die Gleichungen (1.6) bis (1.9) sowie durch (1.1)
gegeben2. Wie Sie sich erinnern werden, waren die Gesetze von Newton sehr leicht aufzu-
schreiben, aber ihre vielen Konsequenzen sind sehr kompliziert und wir brauchten lange, um
2 Wir müssen nur noch eine Bemerkung hinzufügen, die einige Konventionen für das Vorzeichen der Zirkulation
betrifft.
10 1 Elektromagnetismus
B
(des Magneten)
zum
ra im
+ Anschluss
D om
ht
F
r
St
(auf den Draht)
zum N
− Anschluss
S Stabmagnet
sie alle kennenzulernen. Die Gesetze, mit denen wir uns nun beschäftigen, sind bei weitem
nicht so einfach aufzuschreiben; das bedeutet, dass die Konsequenzen noch vielfältiger sind.
Wir werden sehr lange brauchen, um sie alle auszuarbeiten.
Einige der elektrodynamischen Gesetze können wir durch einfache Experimente veranschauli-
chen, die auf qualitative Weise die Beziehungen zwischen elektrischen und magnetischen Fel-
dern zeigen. Sie haben den ersten Term der durch (1.1) definierten Kraft beim Haarekämmen
erfahren, also werden wir diesen nicht vorführen. Der zweite Term von (1.1) kann vorgeführt
werden, indem man einen Strom durch einen Draht fließen lässt, der über einem Stabmagneten
hängt – dieses Experiment zeigt Abbildung 1.6. Der Draht bewegt sich, wenn ein Strom ein-
geschaltet wird, weil dann die Kraft F = qu × B wirkt. Wenn ein Strom fließt, bewegen sich
die Ladungen innerhalb des Drahtes mit einer Geschwindigkeit u und das durch den Magneten
verursachte magnetische Feld übt eine Kraft auf sie aus, die zu einer Seitwärtsbewegung des
Drahtes führt.
Wenn sich der Draht nach links bewegt, können wir erwarten, dass der Magnet einen Impuls
nach rechts erfährt. (Anderenfalls könnten wir das Ganze auf einen Wagen laden und diesen
antreiben, ohne Impuls zu verbrauchen!) Zwar ist die Kraft zu klein, um zu einer Bewegung
des Stabmagneten zu führen, doch ein empfindlicherer Magnet wie die Nadel eines Kompasses
würde die Bewegung zeigen.
Wodurch bewegt der Draht den Magneten? Der Strom im Draht erzeugt selbst ein magnetisches
Feld, das Kräfte auf den Magneten ausübt. Gemäß dem letzten Term in (1.9) muss ein Strom
eine Zirkulation von B bewirken – in diesem Fall sind die Feldlinien von B Schleifen um den
Draht, wie es Abbildung 1.7 zeigt. Dieses B-Feld ist verantwortlich für die auf den Magneten
wirkende Kraft.
Gleichung (1.9) sagt uns, dass bei einem vorgegebenen Strom im Draht die Zirkulation von B
für alle Kurven, die den Draht umgeben, die gleiche ist. Bei Kurven – sagen wir Kreisen –, die
weiter vom Draht entfernt sind, ist der Umfang größer, also muss die Tangentialkomponente
von B abnehmen. Sie sehen, dass wir tatsächlich erwarten müssen, dass B mit der Entfernung
von einem langen geraden Draht linear abnimmt.
1.4 Die Gesetze des Elektromagnetismus 11
B-Linien des
Drahtes zum
ra im
+Anschluss
D om
ht
r
St
N
zum
−Anschluss F (auf den Magneten)
S Stabmagnet
Nun, wir haben gesagt, dass ein Strom in einem Draht ein magnetisches Feld erzeugt und dass
in einem vorhandenen magnetischen Feld eine Kraft auf einen stromführenden Draht wirkt.
Wenn wir also durch einen Strom in einem Draht ein Magnetfeld erzeugen, dann können wir
erwarten, dass dieses Magnetfeld eine Kraft auf einen anderen stromführenden Draht ausübt.
Das kann an zwei hängenden Drähten wie in Abbildung 1.8 gezeigt werden. Wenn die Ströme
in der gleichen Richtung fließen, ziehen die Drähte einander an, wenn die Ströme in entgegen-
gesetzten Richtungen fließen, stoßen sie einander ab.
+
+
m
S tro
F
F
2
1
−
−
Abb. 1.8: Zwei Drähte, die Strom füh-
ren, üben Kräfte aufeinander aus.
Kurz gesagt: Elektrische Ströme erzeugen ebenso wie Magnete magnetische Felder. Aber, was
ist überhaupt ein Magnet? Wenn magnetische Felder von bewegten Ladungen erzeugt werden,
ist es dann nicht möglich, dass das von einem Stück Eisen hervorgerufene magnetische Feld in
Wirklichkeit das Resultat von Strömen ist? Offenbar ist das der Fall. Wir können bei unserem
Experiment den Stabmagneten durch eine Drahtspule ersetzen, wie es in Abbildung 1.9 gezeigt
wird. Wenn ein Strom durch die Spule und ein anderer Strom durch den über ihr hängenden
geraden Draht gesandt wird, stellen wir genau dieselbe Bewegung des Drahtes fest wie zuvor,
als wir anstelle der Spule einen Magneten hatten. Mit anderen Worten: Der Strom in der Spule
12 1 Elektromagnetismus
imitiert einen Magneten. Es scheint dann, dass sich ein Stück Eisen so verhält, als ob es einen
ständig fließenden Strom enthielte. Wir können tatsächlich Magnete mithilfe von ständigen
Strömen in den Atomen des Eisens verstehen. Die Kraft, die auf den Magneten in Abbildung 1.7
wirkt, geht auf den zweiten Term der durch (1.1) definierten Kraft zurück.
B
(aus der Spule) zum
m
+Anschluss
ro
F
St
(auf den Draht)
zum
−Anschluss Drahtspule
Woher kommen die Ströme? Eine mögliche Antwort wäre: aus der Bewegung der Elektronen
in den atomaren Umlaufbahnen. Das ist zwar nicht gerade für Eisen der Fall, aber für einige
andere Substanzen. Das Elektron bewegt sich aber nicht nur um einen Atomkern, sondern dreht
sich auch um seine eigene Achse – ähnlich wie die Erde sich um ihre Achse dreht – und der
Strom, den diese Drehung erzeugt, verursacht das magnetische Feld im Eisen. (Wir sagen „ähn-
lich wie die Erde“, denn es handelt sich um ein derart subtiles Problem der Quantenmechanik,
das die klassischen Vorstellungen die Situation wirklich nicht allzu gut wiedergeben.) In den
meisten Substanzen drehen sich einige Elektronen in der einen Richtung, die anderen in der
entgegengesetzten Richtung, so dass sich der Magnetismus aufhebt – aber aus einem mysteri-
ösen Grund, den wir später diskutieren werden, drehen sich im Eisen viele Elektronen um ihre
eigenen Achsen, die parallel ausgerichtet sind, und dies ist der Ursprung des Magnetismus.
Da die Felder von Magneten auf Ströme zurückgehen, brauchen wir keinen weiteren Term
zu (1.8) oder (1.9) hinzuzufügen, um Magnete zu beschreiben. Wir nehmen einfach alle Ströme,
einschließlich der Zirkulationsströme der sich drehenden Elektronen, und damit ist das Gesetz
richtig. Es ist auch zu betonen, dass es laut (1.8) keine magnetischen „Ladungen“ gibt, die den
elektrischen Ladungen auf der rechten Seite von Gleichung (1.6) entsprächen. Es sind keine
magnetischen Ladungen gefunden worden.
Der erste Term auf der rechten Seite von Gleichung (1.9) wurde von Maxwell durch theo-
retische Überlegungen entdeckt und ist von großer Wichtigkeit. Er besagt, dass wechselnde
elektrische Felder magnetische Effekte erzeugen. Ohne diesen Term würde die Gleichung tat-
sächlich keinen Sinn ergeben, denn dann könnten keine Ströme in Schaltkreisen fließen, die
nicht geschlossen sind. Solche Ströme existieren aber, wie wir am folgenden Beispiel sehen
können. Stellen wir uns einen Kondensator vor, der aus zwei flachen Platten besteht. Er wird
durch einen Strom geladen, der von der einen Platte weg und zur anderen Platte hinfließt, wie
es Abbildung 1.10 zeigt. Um einen der Drähte zeichnen wir eine Kurve C, die wir zu einer
Fläche ergänzen, die den Draht schneidet; das ist die Fläche S 1 in der Abbildung. Laut (1.9) ist
1.4 Die Gesetze des Elektromagnetismus 13
B B
Strom E Strom
die Zirkulation von B um C (multipliziert mit c2 ) gegeben durch den Strom im Draht (dividiert
durch �0 ). Aber was geschieht, wenn wir anstelle von S 1 eine andere Fläche S 2 betrachten,
die ebenfalls durch die Kurve C begrenzt wird und die Form einer Schüssel hat und zwischen
den Kondensatorplatten hindurchgeht, ohne dabei den Draht zu berühren? Ganz gewiss fließt
kein Strom durch diese Fläche. Doch wird man ein reales magnetisches Feld nicht dadurch än-
dern können, dass man eine gedachte Fläche verändert! Die Zirkulation von B muss dieselbe
bleiben wie zuvor. Wird der erste Term auf der rechten Seite von (1.9) mit dem zweiten Term
zusammengefasst, so erhalten wir tatsächlich für beide Flächen S 1 und S 2 dasselbe Ergebnis.
Für S 2 ist die Zirkulation von B durch die Rate gegeben, mit der sich der Fluss von E zwi-
schen den Kondensatorplatten ändert. Und es stellt sich heraus, dass das sich ändernde Feld E
genau so mit dem Strom verknüpft ist, dass Gleichung (1.9) richtig ist. Maxwell sah, dass diese
Beziehung notwendig war und schrieb als Erster die vollständige Gleichung an.
Anhand der in Abbildung 1.6 gezeigten Anordnung können wir ein weiteres Gesetz des Elek-
tromagnetismus demonstrieren. Wir nehmen die Enden des hängenden Drahtes aus der Batterie
und schließen sie an ein Galvanometer an, das ausschlägt, wenn ein Strom durch den Draht
fließt. Wenn wir den Draht in dem magnetischen Feld des Magneten zur Seite bewegen, stellen
wir einen Strom fest. Dieser Effekt ist wiederum nur eine Folge aus (1.1) – die Elektronen in
dem Draht spüren die Kraft F = qu × B. Die Elektronen haben eine seitwärts gerichtete Ge-
schwindigkeit, da sie sich mit dem Draht bewegen. Dieses u mit einem vertikalen B aus dem
Magneten übt entlang des Drahtes eine Kraft auf die Elektronen aus, die diese veranlasst, sich
zum Galvanometer hin zu bewegen.
Nehmen wir jedoch an, dass wir den Draht in Ruhe lassen und stattdessen den Magneten bewe-
gen. Aufgrund der Relativität vermuten wir, dass das nichts ändern wird, und tatsächlich stellen
wir einen Strom im Galvanometer fest. Wieso übt das magnetische Feld Kräfte auf ruhende
Ladungen aus? Laut (1.1) muss es ein elektrisches Feld geben. Ein sich bewegender Magnet
muss ein elektrisches Feld erzeugen. Wie dies geschieht, drückt Gleichung (1.7) quantitativ
aus. Diese Gleichung beschreibt viele Phänomene, die von praktischem Interesse sind, u. a.
auch solche, die in elektrotechnischen Generatoren und Transformatoren auftreten.
Die bemerkenswerteste Konsequenz unserer Gleichungen ist die, dass eine Kombination
von (1.7) und (1.9) eine Erklärung für die Ausstrahlung elektromagnetischer Wirkungen über
große Entfernungen bietet. Der Grund dafür ist grob gesprochen etwa der folgende: Nehmen
wir an, wir haben irgendwo ein magnetisches Feld, das anwächst, weil plötzlich ein Strom in
einem Draht eingeschaltet wird. Laut (1.7) muss es dann eine Zirkulation eines elektrischen
Feldes geben. Während sich das elektrische Feld aufbaut und dabei seine Zirkulation ausbildet,
14 1 Elektromagnetismus
entsteht laut (1.9) auch eine magnetische Zirkulation. Aber der Aufbau dieses magnetischen
Feldes bewirkt eine neue Zirkulation des elektrischen Feldes usw. Auf diese Weise breiten sich
Felder durch den Raum aus, ohne dass dazu Ladungen oder Ströme anderswo als an der Quel-
le nötig sind. Und auf diese Weise sehen wir einander! Alles folgt aus den Gleichungen der
elektromagnetischen Felder.
könnten, und da Licht ein Schwingungsvorgang ist und also in etwas schwingen muss, können
wir nicht an diese Sache mit den abstrakten Gleichungen glauben.“ Hätten diese Menschen
nicht so eng gedacht, wären die richtigen Gleichungen für das Verhalten von Licht sehr viel
früher entdeckt worden, als es tatsächlich geschehen ist.
Bezüglich des magnetischen Feldes können wir Folgendes anführen: Angenommen, es ist uns
endlich gelungen, uns mithilfe von gewissen Linien oder von im Raum laufenden Getrieben ein
Bild von dem magnetischen Feld zu machen. Nun sollen wir erklären, was mit zwei Ladungen
geschieht, die sich mit gleicher Geschwindigkeit und parallel zueinander im Raum bewegen.
Da sie sich bewegen, verhalten sie sich wie zwei Ströme und haben ein magnetisches Feld um
sich (wie die Ströme in den Drähten von Abbildung 1.8). Ein Beobachter aber, der mit den
beiden Ladungen mitläuft, würde beide Ladungen als ruhend empfinden und behaupten, dass
es dort kein magnetisches Feld gibt. Die „Getriebe“ oder „Linien“ verschwinden also, wenn
man sich mit dem Objekt mitbewegt! Damit sind wir nur auf ein neues Problem gestoßen. Wie
können Getriebe verschwinden? Wer Feldlinien zeichnet, ist in einer ähnlichen Schwierigkeit.
Es ist nicht nur unmöglich zu sagen, ob sich die Feldlinien mit den Ladungen bewegen oder
nicht – in manchen Bezugssystemen können sie sogar ganz verschwinden.
Wir stellen also fest, dass der Magnetismus in Wirklichkeit ein relativistischer Effekt ist. In dem
soeben betrachteten Fall, in dem zwei Ladungen sich parallel zueinander bewegen, müssen wir
mit relativistischen Korrekturen an der Bewegung in der Größenordnung von v2 /c2 rechnen.
Diese Korrekturen müssen der magnetischen Kraft entsprechen. Aber was ist zu der Kraft zu
sagen, die bei unserem Experiment (Abbildung 1.8) zwischen den beiden Drähten wirkt? Da
ist die magnetische Kraft die einzige Kraft. Es sah nicht nach einer „relativistischen Korrek-
tur“ aus. Wenn wir außerdem die Geschwindigkeiten der Elektronen im Draht schätzen (Sie
können das selbst tun), stellen wir fest, dass ihre Durchschnittsgeschwindigkeit entlang des
Drahtes ungefähr 0,01 Zentimeter pro Sekunde beträgt. v2 /c2 beträgt also ungefähr 10−25 . Ge-
wiss eine unbedeutende „Korrektur“. Aber nein! Obwohl die magnetische Kraft in diesem Fall
das 10−25 -Fache der „gewöhnlichen“ elektrostatischen Kraft zwischen den bewegten Elektro-
nen ist, müssen wir bedenken, dass die „gewöhnlichen“ elektrostatischen Kräfte aufgrund des
nahezu vollkommenen Gleichgewichts verschwunden sind – weil die Drähte dieselbe Anzahl
von Protonen wie Elektronen besitzen. Das Gleichgewicht ist sehr viel genauer als 1/1025 , und
der kleine relativistische Faktor, den wir die magnetische Kraft nennen, ist der einzige, der
übrigbleibt. Und damit wird er zum wichtigsten Beitrag.
Da die elektrostatischen Effekte sich in so idealer Weise aufheben, war es möglich, relativis-
tische Auswirkungen (nämlich den Magnetismus) zu untersuchen und die richtigen Gleichun-
gen – bis zur Größenordnung v2 /c2 – aufzustellen, obwohl die Physiker nicht wussten, dass
genau das geschah. Und aus diesem Grund mussten auch, als die Relativität entdeckt wurde,
die elektromagnetischen Gesetze nicht abgeändert werden. Im Gegensatz zu den Gesetzen der
Mechanik waren sie schon bis zu v2 /c2 genau.
ein Gestein, das Eisen anzog. Es ist erstaunlich, wenn man sich vorstellt, dass von den vie-
len Erscheinungen, bei denen sich Wirkungen der Elektrizität oder des Magnetismus zeigen,
den Griechen nur diese beiden bekannt waren. Dass es nur diese beiden waren, erklärt sich
in erster Linie dadurch, dass das bereits früher erwähnte Gleichgewicht zwischen den Ladun-
gen unglaublich genau ist. Nach den Griechen haben Wissenschaftler eine Reihe von neuen
Phänomenen entdeckt, die in Wirklichkeit nur andere Aspekte dieser Bernstein- und/oder Ma-
gnetwirkung sind. Wir verstehen nun, dass chemische Wechselwirkungen und letztlich auch
unser Leben mithilfe des Elektromagnetismus zu verstehen sind.
In dem Maß, in dem man den Elektromagnetismus verstehen lernte, eröffneten sich auch tech-
nische Möglichkeiten, die für frühere Generationen undenkbar waren: Man konnte sich tele-
graphisch über weite Entfernungen verständigen, konnte ohne Vermittlung mit jemandem, der
weit entfernt war, sprechen, man konnte Kraftwerke betreiben – eine große hydraulische Turbi-
ne, die durch Drähte über Hunderte von Kilometern mit einem Motor verbunden ist, der sich mit
der Turbine dreht – viele Tausende von Verbindungsdrähten – zehntausend Motoren an zehn-
tausend verschiedenen Plätzen, die die Maschinen in der Industrie und im Haushalt antreiben –
alle drehen sich, weil man die Gesetze des Elektromagnetismus versteht.
Heute verwenden wir weit subtilere Effekte. Die elektrostatischen Kräfte sind zwar riesig groß,
sie können aber auch sehr klein sein, und wir haben tausend Möglichkeiten, sie zu steuern
und nutzbar zu machen. Unsere Instrumente sind heute so genau, dass wir feststellen können,
was jemand tut, indem wir untersuchen, wie er auf die Elektronen in einem winzig kleinen,
kilometerweit entfernten Metallstab einwirkt. Wir müssen nichts weiter tun, als den Stab als
Antenne für einen Fernsehempfänger zu verwenden!
Wenn man die Entwicklung der Menschheit so betrachtet, wie man das vielleicht in zehntausend
Jahren tun wird, so besteht kein Zweifel, dass die Maxwellsche Entdeckung der elektromagne-
tischen Gesetze das Ereignis des 19. Jahrhunderts ist. Der amerikanische Bürgerkrieg erscheint
dagegen provinziell, wenn man ihn mit diesem wissenschaftlichen Ereignis derselben Dekade
vergleicht.
2 Vektoranalysis
Siehe auch: Band I, Kapitel 11, Vektoren
passieren sollte, ohne die Gleichungen wirklich zu lösen, so „verstehen“ wir die Gleichungen in
diesem Fall. Ein physikalisches Verständnis ist etwas völlig Unmathematisches und Ungenaues,
aber etwas absolut Notwendiges für einen Physiker.
Gewöhnlich hält man eine Vorlesung wie diese, indem man schrittweise die physikalischen Be-
griffe einführt – man beginnt mit einfachen Gegebenheiten und fährt dann mit immer schwie-
riger werdenden Fällen fort. Das erfordert, dass man ständig Dinge vergessen muss, die man
vorher gelernt hat – Dinge, die zwar unter bestimmten Umständen richtig sind, aber nicht im
Allgemeinen. Das „Gesetz“ beispielsweise, dass die elektrostatische Kraft vom Quadrat der
Entfernung abhängt, ist nicht immer richtig. Wir ziehen hier die entgegengesetzte Vorgehens-
weise vor. Wir betrachten zuerst die vollständigen Gesetze, und wenden diese dann auf einfache
Fälle an, wobei wir nebenher die physikalischen Begriffe einführen.
Unsere Methode ist völlig konträr zu der historischen Methode, bei der man das Thema mithilfe
jener Experimente entwickelt, aus denen man die Informationen erhalten hat. Die Physik ist
aber in den letzten zweihundert Jahren von einigen sehr klugen Leuten entwickelt worden,
und da die Zeit, in der wir uns unser Wissen aneignen wollen, begrenzt ist, können wir nicht
alle ihre Leistungen anführen. Leider wird also in diesen Vorlesungen eines zu kurz kommen,
und das ist die historische experimentelle Entwicklung. Es ist zu hoffen, dass Sie einige dieser
Lücken im Praktikum schließen können. Sie können auch das, was wir hier auslassen müssen,
in der Encyclopedia Britannica nachlesen; Sie finden dort ausgezeichnete historische Artikel
über Elektrizität und andere Gebiete der Physik. Weitere historische Informationen finden Sie
in vielen Lehrbüchern über Elektrizität und Magnetismus.
A · B = Skalar = A x B x + Ay By + Az Bz (2.1)
A × B = Vektor (2.2)
( A × B) x = Ay Bz − Az By
( A × B)y = Az B x − A x Bz
( A × B)z = A x By − Ay B x
A× A=0 (2.3)
A · ( A × B) = 0 (2.4)
A · ( B × C) = ( A × B) · C (2.5)
A × ( B × C) = B( A · C) − C( A · B) (2.6)
2.2 Skalarfelder und Vektorfelder – T und h 19
Außerdem werden wir die beiden folgenden Beziehungen aus der Analysis verwenden:
∂f ∂f ∂f
Δ f (x, y, z) = Δx + Δy + Δz, (2.7)
∂x ∂y ∂z
∂2 f ∂2 f
= . (2.8)
∂x ∂y ∂y ∂x
Die erste Gleichung (2.7) gilt natürlich nur im Grenzfall, in dem Δx, Δy und Δz gegen null
streben.
Das einfachste physikalische Feld ist ein skalares Feld. Wie Sie sich erinnern werden, verstehen
wir unter einem Feld eine Größe, die vom Ort im Raum abhängt. Unter einem skalaren Feld
verstehen wir die Zuordnung eines einzigen Wertes – eines Skalars – zu jedem Raumpunkt.
Natürlich kann sich dieser Wert im Lauf der Zeit ändern, aber deswegen müssen wir uns im
Augenblick keine Sorgen machen. Wir werden untersuchen, wie das Feld zu einem gegebenen
Zeitpunkt aussieht. Als Beispiel für ein skalares Feld betrachten wir einen festen Block eines
Materials, der an manchen Stellen erhitzt und an anderen abgekühlt worden ist, sodass sich die
Temperatur des Körpers in komplizierter Weise von Punkt zu Punkt ändert. Die Temperatur ist
dann eine Funktion von x, y und z, den Koordinaten des Ortes im Raum, wobei diese in einem
rechtwinkligen Koordinatensystem gemessen werden. Die Temperatur ist ein skalares Feld.
y
heiß
h T = 40◦
Abb. 2.1: Die Temperatur T ist ein Beispiel
T = 30◦ für ein skalares Feld. Jedem Punkt (x, y, z) im
T (x, y, z)
T = 20◦ Raum ist ein Wert T (x, y, z) zugeordnet. Al-
kalt le Punkte auf der mit T = 20◦ bezeichneten
T = 10◦ Fläche (dargestellt als Kurve bei z = 0) haben
kalt die gleiche Temperatur. Die Pfeile deuten den
0 x Wärmestromvektor h an.
Es ist möglich, sich ein skalares Feld als „Schichten“ vorzustellen, die aus gedachten Flächen
bestehen, die durch alle Punkte gezogen werden, an denen das Feld den gleichen Wert hat,
genauso wie die Höhenlinien auf einer Landkarte die Orte auf der gleichen Höhe miteinan-
der verbinden. Bei einem Temperaturfeld werden diese Schichten „isotherme Flächen“ oder
Isothermen genannt. Abbildung 2.1 veranschaulicht ein Temperaturfeld und zeigt die Abhän-
gigkeit von T von x und y, wenn z = 0 ist. Es sind mehrere Isothermen eingezeichnet.
Es gibt auch Vektorfelder. Der Begriff ist sehr einfach zu verstehen. Jedem Ort im Raum wird
ein Vektor zugeordnet. Der Vektor ändert sich von Punkt zu Punkt. Betrachten wir zum Beispiel
einen Körper, der sich dreht. In jedem Punkt ist die Geschwindigkeit des Materials, aus dem
der Körper besteht, ein Vektor, der eine Funktion des Ortes ist (Abbildung 2.2). Als ein zweites
Beispiel betrachten wir den Wärmestrom in einem Block von Material. Wenn die Temperatur
in dem Block an einem Ort hoch und an einem anderen niedrig ist, so findet ein Wärmefluss
von den heißeren zu den kälteren Orten statt.
20 2 Vektoranalysis
Rotation
Abb. 2.2: Die Geschwindigkeit der Atome in einem rotierenden
Körper ist ein Beispiel für ein Vektorfeld.
In den einzelnen Teilen des Blocks strömt die Wärme in unterschiedliche Richtungen. Der Wär-
mestrom ist eine gerichtete Größe, die wir mit h bezeichnen. Ihr Betrag ist ein Maß dafür, wie
viel Wärme strömt. Beispiele für den Wärmestromvektor finden Sie ebenfalls in Abbildung 2.1.
Geben wir eine genauere Definition von h: Der Betrag des Wärmestromvektors an einem Punkt
ist die Menge an thermischer Energie, die pro Zeit- und pro Flächeneinheit durch ein infinite-
simales Flächenelement strömt, das senkrecht zu der Richtung des Stroms liegt. Der Vektor
zeigt in Richtung des Stroms (siehe Abbildung 2.3). In Symbolen ausgedrückt: Wenn ΔJ die
thermische Energie ist, die pro Zeiteinheit durch das Flächenelement Δa strömt, dann ist
ΔJ
h= ef, (2.9)
Δa
wobei e f der Einheitsvektor in der Richtung des Stroms ist.
T2
Δa
T1 Abb. 2.3: Der Wärmestrom ist ein Vektor-
Wärmestrom feld. Der Vektor h zeigt in die Richtung
des Stroms. Sein Betrag ist die Energie,
die pro Zeiteinheit durch ein Element ei-
x ner senkrecht zum Strom gerichteten Flä-
che befördert wird, dividiert durch den
z Flächeninhalt des Elements.
Man kann den Vektor h auch auf eine andere Weise definieren – mithilfe seiner Komponenten.
Wir fragen, wie viel Wärme durch eine kleine Fläche fließt, die mit der Richtung des Stroms
irgendeinen Winkel bildet. In Abbildung 2.4 zeigen wir eine kleine Fläche Δa2 , die relativ zu
Δa1 geneigt ist, wobei Δa1 senkrecht zur Stromrichtung liegt. Der Einheitsvektor n ist normal
zur Fläche Δa2 . Der Winkel θ zwischen n und h ist derselbe wie der zwischen den Flächen
2.3 Ableitungen von Feldern – der Gradient 21
θ
h
Δa1
Δa2 Abb. 2.4: Der Wärmestrom durch Δa2 ist derselbe wie durch Δa1 .
(da h normal zu Δa1 ist). Welcher Wärmestrom fließt nun pro Flächeneinheit durch Δa2 ? Der
Strom durch Δa2 ist derselbe wie der durch Δa1 ; nur die Flächen sind verschieden. Es gilt
Δa1 = Δa2 cos θ. Der Wärmestrom durch Δa2 ist
ΔJ ΔJ
= cos θ = h · n. (2.10)
Δa2 Δa1
Interpretieren wir diese Gleichung: Der Wärmestrom (pro Zeit- und Flächeneinheit) durch ir-
gendein Element einer Fläche, deren Einheits-Normalenvektor n ist, ist durch h · n gegeben.
Wir könnten genauso gut sagen: die Komponente des Wärmestromes senkrecht zum Flächen-
element Δa2 ist h · n. Wenn wir so wollen, können wir diese Aussagen als Definition von h
betrachten. Wir werden diese Begriffe auch auf andere Vektorfelder anwenden.