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Herstellung von Titanimplantaten aus

Titanwerkstoffen durch Laserformen


1st Edition Tobias Peter Wirtz
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Herstellung von Knochenimplantaten aus
Titanwerkstoffen durch Laserformen

Von der Fakultät für Maschinenwesen


der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen zur Erlangung des
akademischen Grades eines Doktors der Ingenieurwissenschaften
genehmigte Dissertation

vorgelegt von

Dipl.-Ing.
Tobias Peter Wirtz

aus Aachen

Berichter: Universitätsprofessor Dr.rer.nat. Reinhart Poprawe M.A.


Universitätsprofessor Dr.-Ing. Fritz Klocke

Tag der mündlichen Prüfung: 19. Dezember 2005

Diese Dissertation ist auf den Internetseiten der Hochschulbibliothek online verfügbar.
Danksagung
Die vorliegende Arbeit entstand neben meiner Tätigkeit als wissenschaftlicher
Mitarbeiter am Fraunhofer Institut für Lasertechnik in Aachen. An dieser Stelle
möchte ich mich bei allen bedanken, die zum Gelingen der Arbeit beigetragen
haben.

Herrn Prof. Dr.rer.nat. R.Poprawe M.A. danke ich für die Betreuung der Arbeit.
Herrn Prof. Dr.-Ing. F.Klocke danke ich für die Übernahme des Korreferates
sowie Frau Prof. Dr.-Ing. K.Bobzin für die Übernahme des Prüfungsvorsitzes.

Mein besonderer Dank gilt Herrn Dr. Konrad Wissenbach, der mich als
Abteilungsleiter während der Zeit am Institut in jeder Hinsicht – sowohl fachlich
als auch durch seine persönliche und kollegiale Art – jederzeit mit
herausragendem Einsatz geführt and geprägt hat.

Ebenfalls bedanken möchte ich mich bei meinen Kollegen der Abteilung
Oberflächentechnik, die für die allzeit freundliche und faire Atmosphäre
gesorgt haben. Einschliessen in meine Danksagung möchte ich auch meine
Hiwis und Studien- bzw. Diplomarbeiter Stefan Jansen, Sven Pawlikcek, Rui
Santos Batista, Johannes Hölzer und Sörn Ocylok, die mich zuverlässig und
engagiert bei der Bearbeitung des Themas unterstützt haben.

Zuletzt danke ich meiner Familie, Katrin und Mori, auf die ich mich immer
verlassen kann und die mir stets vor Augen halten, welche Ziele es lohnt zu
verfolgen.
Inhalt

Inhalt

1 Einleitung und Zielsetzung 4


1.1 Einleitung 4
1.2 Zielsetzung 6

2 Stand der Technik 9


2.1 Titanlegierungen als Implantatwerkstoff für
Knochenersatz 9
2.2 Spanende Verfahren 12
2.3 Umformende Verfahren 14
2.4 Giessen von Titan 16
2.5 Generative Verfahren 19
2.5.1 Verfahren mit lokaler Werkstoffzufuhr 20
2.5.2 Pulverbettbasierte Verfahren 21
2.5.3 Direktes Laserformen 22
2.6 Zusammenfassung 23

3 Werkstoffe und Anlagentechnik 27


3.1 Werkstoffe 27
3.1.1 Reintitan 28
3.1.2 TiAl6V4 29
3.2 Anlagentechnik 30
3.2.1 Mechanischer Aufbau 30
3.2.2 Maschinensteuerung 32
3.2.3 Optischer Aufbau 33
3.2.3.1 Anforderung an das optische System 34
3.2.3.2 Optische Komponenten und Strahlengang 35
3.2.3.3 Berechnung des optischen Strahlengangs 36
3.2.3.4 Kaustik des Laserstrahls 38

4 Aufbau von Mikrostrukturen 41


4.1 Motivation 41
4.2 Aufbau von Volumen 43
4.3 Aufbau von 2D-Geometrieelementen 47
4.3.1 Einzelspuren 47
4.3.2 Delaysteuerung 56
4.3.2.1 Laser-On / Laser-Off Delay 57
4.3.2.2 Mark und Jump Delay 59
4.3.2.3 Poly-Delay 60
4.3.3 Form- und Massgenauigkeit im 2D 62

Herstellung von Knochenimplantaten aus


Titanwerkstoffen durch Laserformen 1
Inhalt

4.3.3.1 Relative laterale Massgenauigkeit 62


4.3.3.2 Massgenauigkeit der Struktur 64
4.3.3.3 Verzerrungen/minimale Auflösung 65
4.3.3.4 Polydelay-Aufdickung 68
4.3.4 Grenzen und Einschränkung 70
4.3.5 Zusammenfassung 70
4.3.6 Aufbau von 3D-Geometrieelementen 71
4.3.6.1 Säulen und Balken 72
4.3.6.2 Bohrungen 74
4.3.6.3 Gitter- und Hohlstrukturen 76
4.4 Überrtragbarkeit der Ergebnisse zwischen TiGrII und
TiAl6V4 77

5 Erzeugung poröser Oberflächen 79


5.1 CAD-Konstruktion der Poren 81
5.2 Datenaufbereitung 82
5.3 Herstellung mit DLF 85
5.4 Nachbehandlung 90
5.4.1 Partikelstrahlen 91
5.4.2 Chemisches Beizen 95
5.5 Zelltests: Medizinisch-Biologische Eigenschaften 97

6 Mechanische Eigenschaften 101


6.1 Anforderungen 101
6.2 Eigenschaften nicht wärmenachbehandelter
Bauteile 102
6.2.1 Gefüge TiAl6V4 102
6.2.2 Zugversuch 105
6.3 Wärmebehandlung 110
6.4 Eigenschaften von wärmebehandeltem TiAl6V4 112
6.4.1 Gefüge TiAl6V4 112
6.4.2 Zugversuch 112
6.4.3 Dauerschwingversuch 117
6.4.4 Zusammenfassung 122

7 Herstellung von Implantaten 124


7.1 Individualimplantate 124
1.2 Mechanisch adaptierte Implantate 126
1.3 Gradierte Implantate 127
1.4 Mikro-Implantate 129

8 Zusammenfassung 131

9 Literaturverzeichnis 133

Herstellung von Knochenimplantaten aus


Titanwerkstoffen durch Laserformen 2
Inhalt

10 Formelzeichen und Abkürzungen 141

11 Anhang 142
11.1 EIGA-Verdüsungsverfahren 142
11.2 Erzeugung von Stegen 143

Herstellung von Knochenimplantaten aus


Titanwerkstoffen durch Laserformen 3
1 Einleitung und Zielsetzung

1.1 Einleitung

Der Absatz an metallischen Implantaten als Knochenersatz nimmt weltweit zu.


In westlichen Ländern wird diese Entwicklung maßgeblich durch eine alternde
Gesellschaft mit höherer Lebenserwartung und folglich einem größeren Bedarf
nach künstlichem Gelenkersatz getragen. Insgesamt wächst die Anwendung
von Implantaten aber vor allem aufgrund eines verbesserten Zugangs zu
medizinischer Versorgung.

Aus medizinischer Sicht hat sich vor allem in Bereichen, in denen Implantate
mechanische Lasten übertragen, Titan als Werkstoff durchgesetzt. Trotz der
(aus technischer Sicht) guten mechanischen Eigenschaften und
Biokompatibilität weisen heutige Implantate Defizite auf:

• Gelenkersatzimplantate wie z.B. Hüftgelenke werden nach durchschnittlich


12-15 Jahren ersetzt, da sich das Implantat lockert. Grund dafür ist die
langfristig unzureichende Verankerung zwischen Knochen und Implantat.

• Am Markt erhältliche Standardimplantate decken nicht die Versorung von


individuellen Knochendefekten ab, wie sie z.B. bei
Knochentumorresektionen oder Traumata auftreten. In diesen Fällen
werden zeitnah geometrisch meist sehr komplexe Individualimplantate
gebraucht, deren Herstellung auf konventionelle Weise sehr aufwendig und
teuer ist.

Vor diesem Hintergrund eröffnet sich durch eine generative Herstellung von
Implantaten die Möglichkeit, die genannten Defizite zu beseitigen. Generative
oder auch „Rapid“ Fertigungsverfahren erlauben eine flexible und schnelle
Fertigung von Prototypen, Einzel- und Kleinserienbauteilen und haben
aufgrund dessen eine respektable Marktdurchdringung erreicht. Die
Voraussetzung für die Entwicklung von neuartigen Implantaten auf Basis einer
generativen Fertigungstechnologie ist die Nutzung des Serienwerkstoffes Titan.

Das Ziel dieser Arbeit stellt die Entwicklung des Direkten Laserformens (DLF)
zur Herstellung von Knochenersatzimplantaten aus Titanwerkstoffen dar.
Zunächst wird vor diesem Hintergrund die Anlagentechnik weiterentwickelt,
um die Herstellung von Implantaten aus Titanpulver in der durch den
Gesetzgeber vorgegebenen Reinheit zu ermöglichen. Aus Sicht der
Prozesstechnik steht erstmalig die Herstellbarkeit von Hohl- und Gitter-
strukturen mit Strukturgrößen < 1 mm im Vordergrund. Diese Strukturen
Einleitung und Zielsetzung

dienen als Grundlage für die Entwicklung von neuartigen Implantaten mit
mechanisch adaptierbaren Eigenschaften, wie z.B. einer angepaßten Steifigkeit
mit dem Ziel der Verminderung einer langfristigen Implantatlockerung.

Neben den Entwicklungsschwerpunkten, die sich auf Hohl- und Gitter-


strukturen im Innern eines Implantates konzentrieren, wird zur Verbesserung
der Schnittstelle Implantat-Knochen die Auslegung und Erzeugung von
Oberflächen mit definierter periodischer Porosität für verbessertes
Knochenanwachsverhalten dargestellt. Für eine erstmalige Nutzung des DLF-
Verfahrens zur Herstellung von Implantaten wird darüberhinaus vom
Gesetzgeber vorausgesetzt, dass mechanische Mindestanforderungen des
Werkstoffes erreicht werden. Die Bestimmung und Verbesserung der
erreichbaren mechanischen Eigenschaften ist daher essentieller Bestandteil
dieser Arbeit.

Abschließend werden die erreichten Ergebnisse auf verschiedene Applikations-


bereiche übertragen und anhand von Demonstrationsimplantaten mit neuar-
tigen Eigenschaften aufgezeigt.

Zusammengefaßt beschreibt die vorliegende Arbeit - in Relation zum Stand der


Technik - eine Weiterentwicklung hinsichtlich der durch den DLF Prozess
herstellbaren minimalen Strukturgröße (dEZ = Größe einer Elementarzelle)
einerseits und hinsichtlich der erzielbaren mechanischen Werkstoffkennwerte
(stellvertretend: Bruchdehnung e) und gezielt einstellbaren Oberflächen-
porosität andererseits, Bild 1-1.

Bild 1-1:
Graphische
Darstellung der
3,0 Detailauflösung 1/dEZ [mm-1]
Größen zur 2,5
quantitativen
2,0
Beschreibung der
1,5 Stand der Technik
Weiterentwicklung
gegenüber dem 1,0
Stand der Technik
0,5

0,2 vorliegende Arbeit

0,1
Bruchdehnung ![%]
0
2 4 6 8 10 12 14 16
15
30 he
sc
di
45 r io
pe %]
60 e rte "[
i t
fin sitä
De ro
Po

Herstellung von Knochenimplantaten aus


Titanwerkstoffen durch Laserformen
5
Einleitung und Zielsetzung

1.2 Zielsetzung

Ziel dieser Arbeit ist es, Implantate mit neuen und verbesserten Funktionalitäten
zu entwickeln. Grundlage dafür ist die Adaption und spezielle Weiterent-
wicklung des DLF-Verfahrens für die Herstellung von Knochenimplantaten aus
Titanwerkstoffen. Die Entwicklung umfaßt, siehe auch Bild 1-2 :

1. Bereitstellung einer Anlagentechnik, die sowohl eine geeignete


Schutzgasatmosphäre als auch die erforderlichen Genauigkeiten für die
Herstellung der Implantate und funktionalen Strukturen gewährleistet

Stand der Technik: Vorliegende Arbeit: Kap. 3

O-Gehalt: O-Gehalt:
XO » 200 ppm XO < 30 ppm

2. Entwicklung einer Prozeßführung zur Herstellung von Geometrieele-


menten, mit denen steifigkeitsangepasste Implantate realisiert werden
können. Die geforderte Strukturgröße der Mikrostrukturen liegt im
Bereich 100µm
Stand der Technik: Vorliegende Arbeit: Kap.4
Min. Schmelzbreite: Min. Schmelzbreite:
bS » 300 µm bS » 150 µm

3. Entwicklung einer Prozeßführung zur Herstellung von porösen


Oberflächen für verbesserte Osseointegration (Knochenein- und
anwachsverhalten)
Stand der Technik: Vorliegende Arbeit: Kap.5
Nicht dokumentiert Porengröße (gradiert):
dP » 100 –1000 µm

4. Ermittlung und Verbesserung von materialspezifischen Kennwerten


(mechanische Eigenschaften)
Stand der Technik: Vorliegende Arbeit: Kap.6
TiAl6V4: TiAl6V4:
e = 3 -6 % e = 9 -13 %

Herstellung von Knochenimplantaten aus


Titanwerkstoffen durch Laserformen
6
Einleitung und Zielsetzung

5. Implantat- und fertigungsspezifische (DLF) Auslegung und


Konstruktion
Vorliegende Arbeit: Kap.4 &
Stand der Technik:
Kap. 7
Einfache Bauteile, Komplexe, wiederkehrende
Implantate Gitter- und Hohlstrukturen

Zunächst wird der Stand der Technik dargestellt (vgl. Bild 1-2) und daraus die
vorliegende Problemstellung und das Ziel der Arbeit abgeleitet. Daraus
resultieren Vorgaben hinsichtlich der Anlagentechnik, die in Kap. 3 beschrieben
werden. Mit Hilfe der weiterentwickelten Anlagentechnik wird in Kap. 4 die
Prozessführung zum Aufbau von Mikrostrukturen dargestellt. Darin werden
zunächst die Motivation und Grundlagen für die Herstellung von einfachen
Steggeometrien untersucht und anschließend auf die Herstellung von 3D-
Geometrieelementen übertragen. Die Erzeugung von gradiert porösen
Oberflächen durch Modifikation des CAD-Ausgangsmodells mit dem Ziel der
Verbesserung des Knochenwachstums zwischen Implantat und Knochen wird
in Kap. 5 beschrieben. Darin werden ebenfalls Methoden zur Nachbehandlung
von DLF-Oberflächen aufgezeigt.

Im Sinne einer umfassenden Darstellung der Herstellung von Implantaten mit


DLF aus Titanwerkstoffen wird in Kap. 6 die Bestimmung und Verbesserung der
mechanischen Eigenschaften vor dem Hintergrund der Anforderungen des
Medizinproduktegesetzes dargestellt.

Die erarbeiteten Verfahrensgrundlagen werden anschließend auf komplexe


Implantate übertragen, um das Potential des Verfahrens als generatives
Verfahren zu demonstrieren.

Herstellung von Knochenimplantaten aus


Titanwerkstoffen durch Laserformen
7
Einleitung und Zielsetzung

Bild 1-2:
Schematische Stand der Technik
Darstellung der
Vorgehensweise für
die vorliegende Problemstellung
Arbeit

1. Anlagentechnik für
die Verarbeitung von Titanwerkstoffen

DLF- Verfahrenstechnik

2. Mikrostrukturen 3. Oberflächen zur Herstellung von Proben:


Osseointegration
• Zugproben
• Prozessgrundlagen für Erzeugung von • Dauerschwingproben
einfache Stegstrukturen • Porositäten durch • Biegeproben
Modifikationen des
• Präzision und CAD-Modells
Detailauflösung von • gradierte Porositäten
2D-Strukturen
Nachbehandlung, z.B.
Strahlen, Ätzen 4. Mechanische
Herstellung von 3D- Eigenschaften
Geometrieelementen: • Statischer Zugversuch
• Zylinder Zelltests
• Wärmebehandlung
• Balken auf verschiedenen
• Dauerschwingversuch
• Bohrungen Materialien und
• Schadensanalyse
Oberflächen

Reale Implantate
• Hüfte
• IBS
• Schädelplatten
• Micro-Implantate

Herstellung von Knochenimplantaten aus


Titanwerkstoffen durch Laserformen
8
Stand der Technik

2 Stand der Technik

2.1 Titanlegierungen als Implantatwerkstoff für Knochenersatz

Die Entwicklung und Erprobung von metallischen Implantaten, die über einen
Zeitraum von Tagen bis hin zu mehreren Wochen und Monaten im Körper
verbleiben, beginnt im 17. Jahrhundert mit der Verwendung von Eisen-, Gold-
und Bronzedrähten für die Wundnaht [2] . Die erste Knochenplatte mit
Nickelüberzug wird 1886 von H.Hansmann beschrieben. Erste Modelle von
Hüftgelenkendoprothesen werden 1938 von P.Wiles aus unlegierten
Eisenwerkstoffen hergestellt [3] . Klinisch eignen sich diese Werkstoffe nicht, da
sie wesentlichen Anforderungen, die nach heutigen Erkenntnissen von
Implantaten zu erfüllen sind, nicht genügen. Die wesentlichen grundsätzlichen
Anforderungen an Biomaterialien als Knochenersatzwerkstoff sind [1] :

• Korrosionsbeständigkeit

• Biokompatibilität

• Bioadhäsion

• Geeignete mechanische Eigenschaften, wie ausreichende Festigkeit


entsprechend dem Anwendungsfall oder eine dem Knochen ähnliche
Steifigkeit

Zur Zeit werden medizinische Implantate als Knochenersatz vorwiegend aus


metallischen Werkstoffen hergestellt. Bislang kommen folgende
Werkstoffgruppen als Biomaterialien zum Einsatz:

• Rostbeständige Stähle, wie z.B. X2CrNiMo1812

• CoCrMo-Legierungen, vorwiegend im gegossenen Zustand; CoNiCr-


Legierungen im geschmiedeten Zustand

• Niob und Tantal technischer Reinheit

• Titanwerkstoffe, wie etwa technisch reines Titan und Titanlegierungen, wie


TiAl6V4 oder TiAl6Nb7

Im Hinblick auf die Korrosionsbeständigkeit zeigen Titan technischer Reinheit


und Titanlegierungen gegenüber den CoCr-Legierungen und Niob und Tantal
bessere Eigenschaften. Der Grund dafür ist einerseits ein deutlich größeres

Herstellung von Knochenimplantaten aus


Titanwerkstoffen durch Laserformen
9
Stand der Technik

Durchbruchspotential (TiGrII: U=2,4V; CoCr-Guß: U=0,42V) [5] . Dieser Wert


beschreibt die Potentialbarriere der Passivschicht einer metallischen Oberfläche
bevor ein Ionenaustausch in Körperflüssigkeit (pH=7,4) entsteht. Auf der
anderen Seite zeichnet sich Titan und seine Legierungen dadurch aus, dass es
nach einer Beschädigung der Oberfläche seine chemisch stabile Passivschicht
sehr schnell wieder aufbaut und damit in Körperumgebung eine
elektrochemische Reaktion zwischen Implantat und Körperflüssigkeit zeitlich
sehr begrenzt ist. Das Oxidwachstum von Titan gegenüber dem von
geschmiedetem CoNiCr beispielsweise ist ca. 150x schneller [6] .

Als Biokompatibilität wird die Eigenschaft eines Materials bezeichnet, in der


Umgebung von Körperflüssigkeit bzw. in der Umgebung von Gewebe keine
toxischen, allergischen oder entzündlichen Reaktionen hervorzurufen. Diese
Antwort des Körpers auf einen Fremdkörper kann verschiedene Ursachen
haben:

• Das metallische Implantat korrodiert und erzeugt dadurch einen Fluss


von Elektronen. Das dabei entstehende elektrische Potential führt auch
zu einem elektrischen Strom in Form von Ionenleitung, der das
Nervensystem stört.

• Aufgrund chemischer Reaktionen des Implantates mit Körperflüssigkeit


entstehen Metallionen, die sich in Organen anreichern und eine
kritische Menge (Toxizitätsgrenze) überschreiten.

• Eine direkte organische Reaktion des Gewebes mit dem metallischen


Implantat oder einem Korrosionsprodukt des Implantates kann zu
allergischen oder Entzündungsreaktionen führen.

Im Falle von Titan bzw. seinen Legierungen treten diese Effekte nicht bzw. nur
zeitlich und räumlich sehr begrenzt auf. Der Grund dafür ist die geringe
elektrische Leitfähigkeit seines primären Korrosionsproduktes TiO2. Es überzieht
die Oberfläche des Implantates und schützt das umliegende Gewebe vor einer
elektrochemischen Reaktion mit dem Titan. TiO2 (Rutil) besitzt eine
Dielektrizitätskonstante und damit eine elektrische Isolationswirkung von 110,
die sogar größer ist als die von Wasser (78).

Ein weiteres Kriterium zur Beurteilung der Biokompatibilität ist die Löslichkeit
eines primären Korrosionsproduktes in Körperflüssigkeit. Der PK-Wert ist dabei
der negative Logarithmus des Löslichkeitsproduktes. Der PK-Wert von Titanoxid
liegt bei +18, der von Nickeloxid bei –12,2. Daher ist bei Titan nahezu keine
Löslichkeit zu erwarten, während Nickel-, Eisen- und Cobaltoxide sehr stark zu
einer Aufspaltung (Hydrolyse) und damit Lösung in Körperflüssigkeit neigen [1]
.

Herstellung von Knochenimplantaten aus


Titanwerkstoffen durch Laserformen
10
Stand der Technik

Hinsichtlich der Bioadhäsion, also dem Vermögen des Ein- bzw. Anwachsens
von Knochengewebe, weist Titan im Vergleich mit anderen gebräuchlichen
Metallen der Implantatherstellung einen dauerhaft guten mechanischen
Verbund auf. Diese Verbindung entwickelt sich erst einige Wochen nach der
Implantation und erreicht erst nach mehreren Monaten seine maximale
Festigkeit. Der Vergleich der Scherzugfestigkeit zweier TiAl6V4-Implantate nach
einer Verweildauer im Kiefer von 168 Tagen zeigte eine mehr als verdoppelte
Scherzugfestigkeit als nach 84 Tagen [7] .

Darüber hinaus spielt die Rauheit einer Titanoberfläche eine wichtige Rolle für
die Festigkeit der Implantat-Knochen-Verbindung. Je größer die Rauheit desto
größer auch die Kraft, die zum Ablösen des Implantates vom Knochen
erforderlich ist (Bild 2-1).

Bild 2-1:
2,0
Vergleich der
Zugfestigkeiten
1,8 TiAl5Fe2,5 (168d)
eines Knochen-
Implantatverbundes 1,6 TiAL6V4 (168d)
in Abhängigkeit von
der 1,4
Oberflächenrauheit
Zugfestigkeit Rm [MPa]

des Implantates für 1,2


verschiedene TiAl5Fe2,5 (84d)
Werkstoffe und 1,0
Einwachszeiten
(Liegezeiten) [1] bioglas (84d)
0,8

0,6 TiAl6V4 (84d)

0,4
( ) Liegezeit
0,2

0,0
0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55

Oberflächenrauhigkeit Rz des Implantates [µm]

Bild 2-1 zeigt den mechanischen Charakter der Verbindung Titan-Implantat-


Knochen. Die Rauheit vergrößert die effektive Oberfläche und bewirkt somit
eine stärkere Verbindung. In Tierversuchen konnte gezeigt werden [8] , dass
eine mit Bohrungen versehene Implantatoberfläche eine (nochmals) gesteigerte
Zugkraft zum Ablösen des Implantates erforderte. Unter Berücksichtigung der
durch die Bohrungen vergrößerten Angriffsfläche ergab sich eine konstante
Festigkeit der Verbindung. Der Vergleich der Festigkeiten von Titanlegierungen
mit Bioglas (Bild 2-1) zeigt die gute Eignung von Titan als Implantatwerkstoff
hinsichtlich des Einwachsverhaltens von Knochengewebe. Die stark von der
Topographie der Implantatoberfläche geprägte Bioadhäsion eröffnet zudem die
Möglichkeit der Optimierung der Oberflächengestaltung durch den

Herstellung von Knochenimplantaten aus


Titanwerkstoffen durch Laserformen
11
Stand der Technik

Fertigungsprozess oder die konstruktive Auslegung der Implantatoberfläche.


Darauf basierend werden diese beiden Ansätze in Kap. 5 beschrieben.

Neben den zuvor dargestellten Eigenschaften als Implantatmaterial eignen sich


auch die mechanischen Eigenschaften von Titanwerkstoffen hervorragend zur
Herstellung von Implantaten, insbesondere als Knochenersatz. Grundsätzlich
muss sich der Implantatwerkstoff durch eine große Dauerfestigkeit und
Bruchdehnung auszeichnen, um den im Skelett auftretenden mechanischen
Lasten dauerhaft Stand halten zu können und bei Überlast einen
Implantatbruch zu vermeiden. Zusätzlich ist aus biomechanischer Sicht eine
Steifigkeit (E-Modul) des Implantates gewünscht, die der des natürlichen
Knochens (EKnochen = 10.000-20.000MPa) ähnlich ist. Titan (ETiAl6V4=105.000MPa)
eignet sich in dieser Hinsicht im Vergleich mit allen anderen metallischen
Biowerkstoffen am besten (vgl.Tabelle 2-1).

E*103 [N/mm2] RP0,2[N/mm2] σbw [N/mm2] e [%]


FeCrNiMo (316L) 210 450 250 40
CoCr (Guß) 200 500 300 8
CoNiCr 220 850 500 20
(geschmiedet)
TiAl6V4 105 900 550 13
TiGrII 100 300 200 30
TiAl5Fe2,5 105 900 550 15
Knochen 10-20 100-170 k.A k.A
(Kortikalis)
Tabelle 2-1: Mechanische Eigenschaften verschiedener metallischer Biomaterialien im Vergleich zu Knochen [1] [4]

Neben den genannten Eigenschaften, die Titan als Implantatwerkstoff


interessant machen, können Titanwerkstoffe mit allen gängigen
Verarbeitungsverfahren bearbeitet werden. In den folgenden 3 Kapiteln
werden die zur Zeit zur Implantatherstellung angewandten wesentlichen
formgebenden Fertigungstechniken von Titanwerkstoffen dargestellt.

2.2 Spanende Verfahren

Spanende Verfahren werden gegenwärtig am häufigsten zur Herstellung von


medizinischen, metallischen Implantaten eingesetzt. Dabei handelt es sich um
konventionelle Verfahren wie Drehen, Fräsen, Bohren, Schleifen und Sägen.
Der Hauptgrund für die breite Verwendung dieser Standardverfahren liegt in
der Flexibilität der Nutzung, den niedrigen Investitionskosten für Maschinen,
der vertretbaren Stückkosten und der guten technischen Spezifikation, d.h.

Herstellung von Knochenimplantaten aus


Titanwerkstoffen durch Laserformen
12
Stand der Technik

hohe Genauigkeiten und gute mechanische Eigenschaften der Endprodukte.


Der für medizinische Implantate charakteristische Variantenreichtum des
Produktportfolios (meist müssen verschiedene Größenabstufungen
bereitgehalten werden) bei gleichzeitig kleinen bis mittleren Stückzahlen
erfordert die Verwendung von konventionellen spanenden Fertigungsverfahren
sowohl aus wirtschaftlicher als auch aus technischer Sicht. Die bei Implantaten
häufig auftretenden komplexen Geometrien in Verbindung mit hohen
Genauigkeiten können nur durch spanende Präzisionsverfahren erzeugt
werden. So muss, unabhängig vom formgebenden Fertigungsverfahren für das
Schaftvolumen, der Konus eines Hüftschaftes spanend (meist in einem
Drehprozess) zur Aufnahme der Gelenkkugel endbearbeitet werden, um den
geforderten Winkel mit einer Toleranz von ± 2`30`` [74] einzuhalten.

Trotz der großen Geometriefreiheit, die moderne CNC-gesteuerte Dreh- und


Fräsmaschinen dem Anwender zur Verfügung stellen, existieren auch für die
spanende Bearbeitung geometrische Grenzen der Fertigung. Hinterschnitte und
begrenzt zugängliche Hohlräume sowie komplexe technische Strukturen (z.B.
Gitter- oder Fachwerkstrukturen) sind durch die begrenzte Zugänglichkeit des
Spanwerkzeuges meist nicht herstellbar. Bislang werden diese
Geometrieelemente aufgrund mangelnder Präzisionsfertigungsmöglichkeiten
nicht bei der Konstruktion von Implantaten aus metallischen Werkstoffen
eingesetzt.

Aus prozesstechnischer Sicht unterscheidet sich das spanende Bearbeiten von


Titanlegierungen von Stählen durch folgende Kriterien:

• Titan und seine Legierungen haben eine geringe Wärmeleitfähigkeit. Die


bei spanender Bearbeitung auftretende Wärme wird durch das Werkstück
nur zu einem geringen Teil abgeführt. An der Schneide entsteht ein
Wärmestau, die die Standzeit des Werkzeugs einschränkt.

• Mit steigenden Temperaturen nimmt die chemische Reaktivität von Titan


zu. Aufgrund der zuletzt genannten schlechten Wärmeleitfähigkeit
entstehen daher an der Werkzeugschneide lokal Schmelz- bzw.
Schweisseffekte. Es besteht die Gefahr des Auflegierens, einer
Kontamination des Titanwerkstoffes durch chemische Reaktionen mit der
umgebenden Atmosphäre, der Schneide und des Kühlschmierstoffes. Die
Folge sind starker, fressender Verschleiss der Schneide, Schmiereffekte und
ungewollte Fragmentierung der zerspanten Oberfläche.

• Titan und seine Legierungen weisen einen E-Modul im Bereich von 110GPa
auf (Vergleich: Stähle: ≈210GPa). Die Folge dieser größeren Federwirkung
für den Zerspanprozess sind größere elastische Verformungen des
Werkstückes und geringere Maßhaltigkeit. Als Gegenmaßnahme muss die
Aufspannung und die Maschine möglichst steif sein. Die Werkzeug-

Herstellung von Knochenimplantaten aus


Titanwerkstoffen durch Laserformen
13
Stand der Technik

schneide muss definiert gestaltet und scharf sein, um die mechanischen


Lasten und resultierenden Deformationen möglichst gering zu halten.

• Insbesondere für dynamisch belastete Bauteile zeigen Titanwerkstoffe eine


große Sensitivität gegenüber Oberflächenbeschädigungen, die als
Risskeimzelle zum Bauteilversagen führen können. Die zuvor genannten
Aspekte, die eine Zerspanung von Titan erschweren und die Qualität der
zerspanten Oberfläche reduzieren, wirken sich verstärkt auf die
Lebensdauer der Bauteile aus. Vor allem bei spanender Bearbeitung muss
daher Sorge getragen werden, dass das Schneidwerkzeug scharf und
formtreu und die Zerspanparameter wie Zustellung und
Schnittgeschwindigkeit dem Werkstoff bestmöglich angepasst sind, um die
Gefahr von Oberflächenbeschädigungen zu minimieren.

Eine spanende Bearbeitung von Titan als Implantatmaterial erfolgt meist als
Endbearbeitungsverfahren, d.h. das durch beispielsweise Schmiedeprozesse
erzeugte (Near) Net-Shape-Rohteil wird spanend auf das gewünschte Endmass
gefertigt. Die mechanischen Eigenschaften der fertig bearbeiteten Implantate
hängen von der chemischen Zusammensetzung des Werkstoffs, der
Gefügestruktur und damit vom Herstellungsprozess ab, der das
Werkstoffvolumen bestimmt. Eine spanende Bearbeitung wirkt sich jedoch nur
auf jeweils oberflächennahe Bereiche aus und beeinflusst aus
werkstoffspezifischer Sicht die mechanischen Eigenschaften nicht.
Voraussetzung dafür sind jedoch der (Titan-)Legierung angepasste
Prozessparameter, die die oben genannten Effekte bestmöglich berücksichtigen
und verhindern.

2.3 Umformende Verfahren

Umformende Weiter- bzw. Endbearbeitungsverfahren für die Herstellung von


metallischen Implantaten nehmen in der Industrie den zweiten Rang
hinsichtlich seiner Verbreitung nach den spanenden Verfahren ein [18] . Der
Hauptgrund dafür sind die hervorragenden mechanischen Eigenschaften, die
sich bei der umformenden Bearbeitung von Titanwerkstoffen einstellen.
Grundsätzlich lassen sich zwei große Verfahrensvarianten unterscheiden:
Formprozesse, wie Tiefziehen, Stanzen, Nibbeln, die auf der Verarbeitung von
Blechen und Plattenmaterialien basieren und Schmiedeprozesse, wie
Gesenkschmieden oder Rotationsschmieden, die auf der Verarbeitung von
Stangen und Blockhalbzeugen basieren. Die Auswahl des geeigneten
Umformverfahrens richtet sich daher nach der Geometrie des herzustellenden
Produktes und den gewünschten Mikrostrukturen und damit verbundenen
mechanischen Eigenschaften. Auf Umformverfahren für Stangen- und
Blechmaterial wird im weiteren nicht näher eingegangen, da sie lediglich für
geometrisch wenig komplexe Implantate (häufig Fixationsimplantate wie
Drähte, Stifte, Platten etc) eingesetzt werden und sich nicht zur Herstellung von

Herstellung von Knochenimplantaten aus


Titanwerkstoffen durch Laserformen
14
Stand der Technik

Knochenersatz(-volumen)implantaten eignen, die in dieser Arbeit behandelt


werden.

Das Gesenkschmieden ist ein sogenanntes gebundenes Umformen, bei dem


das Werkstück in ein entsprechend geformtes Werkzeug - das Gesenk -
gepreßt oder gestaucht wird. Aufgrund der geringen Abmessungen von
Implantaten im Bereich von Zentimetern wird ausschliesslich das Schmieden im
geschlossenen Gesenk angwandt, d.h. das Gesenk umgibt das Werkstück
vollkommen. Wichtige Verfahrensunterschiede ergeben sich in der
Temperaturführung beim Schmieden.

Im folgenden werden zunächst zwei einschlägige Gesenkschmiedevarianten zur


Herstellung von metallischen Implantaten vorgestellt:

Beim konventionellen Schmiedeprozess im „kalten“ Gesenk wird der Werkstoff


auf eine Temperatur zwischen 900° und 950°C in einem Ofen aufgeheizt. α-β-
Legierungen bleiben bei diesen Temperaturen unterhalb der β-Transus, so dass
während des Prozesses immer ein Mischanteil aus α- und β-Phase vorliegt. Die
daraus resultierende Gefügeausbildung charakterisiert den Schmiedeprozess
und bestimmt die mechanischen Eigenschaften des Werkstoffes
massgeblich.Das Gesenk wird auf etwa 150° vorgewärmt. Für den
anschliessenden Schmiedeprozess wird der Werkstückrohling unter hohem
Druck an Luft in das Gesenk gepresst. Der große Temperaturunterschied
zwischen Gesenk und Rohling und die bei Titanwerkstoffen typische Zähigkeit
erschweren die Kontrollierbarkeit des Prozesses und erfordern große Kräfte der
Presse. Komplexe Geometrien, die große Umformgrade erfordern, können nur
durch sequentielle Schmiedeprozesse und jeweils anschliessende
Rekristallisation erzielt werden. Mehre Schmiedegesenke sind erforderlich.

Als alternative Variante zum konventionellen Schmieden ist das isothermische


Heissgesenkschmieden entwickelt worden. Es unterscheidet sich durch das
auf etwa 950° vorgewärmte geschlossene Schmiedegesenk. Der
Schmiedeprozess wird damit auf konstanter Temperatur gehalten. Dies
verbessert die Kontrollierbarkeit des Prozesses, ermöglicht die Herstellung
dünnwandiger Konturen und erspart das mehrmalige Aufheizen und Abkühlen
des Rohlings zwischen den einzelnen Schmiedeprozessen. Zudem sind die
Prozesskräfte aufgrund der größeren Temperaturen geringer [9] . Die Nachteile
des Verfahrens bestehen darin, dass die Gesenke anstatt aus Werkzeugstählen
für dieses Verfahren aus hochtemperaturbeständigen Ni-Basis-Legierungen
hergestellt werden müssen. Zudem ist aufgrund der hohen Temperaturen und
der großen Affinität von Titanlegierungen zu Sauerstoff eine inerte
Prozessgasatmosphäre erforderlich. Die genannten Charakteristika führen zu
einer breiten Anwendung des isothermischen Heissgesenkschmiedens für
metallische Implantate (Bild 2-2). Die Kosten dafür sind jedoch hoch [20] .

Herstellung von Knochenimplantaten aus


Titanwerkstoffen durch Laserformen
15
Stand der Technik

Bild 2-2
Beispiel: Durch
Gesenkschmieden
hergestellter
Hüftschaft [48]

2cm

Die durch Gesenkschmieden erzielbare geometrische Komplexität wird


maßgeblich durch das Fließvermögen des Materials bestimmt. Da bei beiden
dargestellten Gesenkschmiedevarianten das Material als Festkörper vorliegt, ist
die Umformbarkeit des Werkstoffes limitiert. Dies führt dazu, dass starke
Hinterschnitte und komplexe geometrische Strukturen (z.B. Gitter, Balken,
Bohrungen etc) nur eingeschränkt, d.h. durch mehrere aufeinander folgende
Umformschritte in unterschiedlichen Gesenken, oder gar nicht hergestellt
werden können [35] [36] .

Die durch Gesenkschmieden erzielbaren Strukturgrößen liegen minimal bei


etwa 1,5 mm (am Beispiel einer Rippe), Genauigkeiten liegen im Bereich von
±0,3 mm [37] . Dieser Wert ist für die Bereiche und Oberflächen eines
Implantates ausreichend, die mit Knochenmaterial in direktem Kontakt stehen
und osteointegrative (An-/Einwachsen des Knochens) Funktionen haben. Für
Oberflächen mit rein technischer Funktion (z.B. als Reibfläche im
Gelenkverbund) ist die Genauigkeit nicht ausreichend und muss spanend
nachbearbeitet werden (vgl. Tabelle 2-2).

2.4 Giessen von Titan

Seit mehr als 2 Dekaden werden industriell große (d.h. mehrere kg schwere)
Titanbauteile gegossen. Zunächst wurde das Verfahren für
Luftfahrtanwendungen aus Titanwerkstoffen angewandt, um komplexe
Geometrien „near-net-shape“, also endkonturnah herzustellen. Die
Luftfahrtindustrie hatte großen Bedarf an Titanbauteilen aufgrund der guten
mechanischen Eigenschaften und dem im Vergleich zu Stahlwerkstoffen
niedrigen spezifischen Gewicht. Seit Anfang der 90er Jahre hat sich die
Nutzung von gegossenem Titan auf weitere Bereiche wie Sport- und
Konsumgüterindustrie, Chemieanlagenbau, Marineapplikationen und

Herstellung von Knochenimplantaten aus


Titanwerkstoffen durch Laserformen
16
Stand der Technik

medizintechnische Anwendungen ausgedehnt [25] . Die wesentlichen Vorteile


von Gießverfahren gegenüber anderen auf der Verarbeitung von Halbzeugen
basierenden Verfahren sind [9] :

• Niedrige Kosten

• Potential zur Herstellung von geometrisch komplexen Strukturen


(Hinterschnitte, Hohlräume innerhalb von Bauteilen etc.)

• Anwendung im Bereich von mittleren Serien (n=100-2000)

• Kurze Herstellzeit gegenüber spanenden Verfahren bei mittleren Serien


(n=100-2000)

Für das Gießen von medizinischen Implantaten wird überwiegend das


Feingießen im Wachsausschmelzverfahren angewandt. Dabei wird ein
Wachsmodell beispielsweise mittels eines Rapid-Prototyping-Verfahrens
hergestellt und anschließend mit einem keramischen Schlicker beschichtet und
getrocknet. Der keramische Grünling wird dann im Autoklaven entwachst und
in einem nachfolgenden Ofenprozess ausgebrannt, wobei das keramische
Negativ versintert und seine mechanische Festigkeit erhält. Aufgrund der hohen
Reaktivität muss der Giessvorgang in inerter Atmosphäre stattfinden. Das
Stangenmaterial wird als selbstverzehrende Elektrode in einem Vakuum-
Lichbogenofen unter Schutzgas aufgeschmolzen und tropft in einen Tiegel aus
Kupfer. Sobald genug Material schmelzflüssig vorliegt, wird die keramische,
vorgeheizte Form ebenfalls unter Schutzgas im Schleudergussverfahren gefüllt
[10] . Der Kontakt des flüssigen Titans mit der keramischen Gussform
verursacht die Bildung einer Reaktionsschicht, s.g. alpha case, die sowohl aus
mechanischer Sicht als auch aus Biokompatibilitätsgründen vor einer weiteren
Bearbeitung des gegossenen Teils entfernt werden muss. Der alpha-case
erreicht je nach Bauteildicke eine Tiefe von wenigen µm bis zu 1,5mm. In den
meisten Fällen wird ein chemisches Beizen zum Entfernen der Reaktionsschicht
angewandt.

Charakteristisch für den Gießprozess von Titan ist die Gefahr von Porosität und
Lunkerbildung aufgrund der Materialschrumpfung und schlechten Füllung der
keramischen Gussform. Um diese Gefahr auszuschließen, werden gegossene
Titanimplantate und Bauteile für andere Applikationen mit großer
mechanischer Belastung heissisostatisch gepresst (HIP).

Als Standard-Verfahren hat sich ein Glühen über 2h in Argon-Atmosphäre bei


einem isostatischen Gasdruck von 105 MPa etabliert. Dadurch werden im
Volumen und oberflächennah Mikroporen geheilt, die anderenfalls sowohl bei
einer späteren Nachbearbeitung (z.B. Polieren) in Erscheinung treten oder unter
Wechselbelastung eine Rissbildung initialisieren können. Darüber hinaus

Herstellung von Knochenimplantaten aus


Titanwerkstoffen durch Laserformen
17
Stand der Technik

reduziert das Hip-Verfahren die für Gießteile charakteristische Rauheit der


Oberfläche. Nachteilig sind die hohen Kosten des Verfahrens.

Im Hinblick auf die durch Gießverfahren erzielbaren mechanischen


Dauerfestigkeitseigenschaften von Titanlegierungen wird deutlich, dass
gegossene Teile ohne Nachbehandlung sowohl dem Guss nach der HIP-
Behandlung und insbesondere dem ausgelagerten gewalzten Material als
Referenz unterlegen sind. Biegewechselfestigkeiten von maximal σbw=320MPa
werden erzielt. Nach einer HIP-Behandlung können bis zu σbw= 450MPa
erreicht werden. Die rein statischen Kennwerte der genannten
Materialzustände zeigen, dass nur geringe Unterschiede bei Zugfestigkeit (RM)
und Dehngrenze (RP0,2) vorliegen. Die gegossenen Teile erreichen höhere Werte
als die zugesicherten Mindestspezifikationen für ausgelagerte, gewalzte
Referenzteile [9] .

Bild 2-3:
Festigkeiten von
gegossenen 1200
Dauerschwing-
proben
Werkstoff: TiAl6V4 1000
[9]
Maximalspannung [MPa]

800

Stangenmaterial
600
ausgelagert

Guß+HIP
Stangenmaterial
400
ausgelagert
Guß

200

0 2 3 4 5 6 7 8
10 10 10 10 10 10 10

Zyklen

Der Anwendungsbereich von gegossenen Titanbauteilen für orthopädische


Implantate konzentriert sich auf die Endoprothetik, d.h. den künstlichen
Gelenkersatz. Die beiden gebräuchlichsten Gelenkimplantate sind das Hüft-
und das Kniegelenk. Für den Einsatz von gegossenen Titanbauteilen als Basis
für Endoprothesen der Hüfte oder des Knies ist zunächst die chemische
Nachbehandlung zur Beseitigung des spröden alpha-case und die
Wärmenachbehandlung durch HIPPEN erforderlich, um einerseits die
bestmöglichen mechanischen Eigenschaften sicher zu stellen und andererseits
die bestmögliche Oberflächenqualität hinsichtlich Biokompatibilität und

Herstellung von Knochenimplantaten aus


Titanwerkstoffen durch Laserformen
18
Stand der Technik

Reinheit zu gewährleisten [43] Aufgrund der Verfahrensprinzipien beim Gießen,


die einen großen Investitionsaufwand darstellen, der erzielbaren Genauigkeiten
[47] (Beispiel: Lineare Toleranz bei Längen-massen 6-30 mm: ca.0,4mm) und
den erforderlichen Nachbehandlungen ist die Herstellung von gegossenen
Titanrohlingen erst ab mittleren Stückzahlen (n>50) wirtschaftlich. In diesem
Marktsegment von Endoprothesen mittlerer Stückzahl und einem, speziell in
Europa und den USA geforderten hohen Qualitätsniveau tritt der Titanguss in
Wettbewerb mit dem Umformen bzw. Schmieden im Schmiedegesenk (vgl.
Kap.2.3). Vor allem bei der Herstellung geometrisch wenig komplexer Bauteile
(wie z.B. Hüftschafte) dominiert aufgrund der besseren mechanischen
Charakteristika in der industriellen Anwendung das Schmieden.

Bild 2-4:
Beispiel
verschiedener
gegossener Titan-
Rohteile für
endoprothetische
Implantate [25]

4cm

Zusammenfassend hat sich in den vergangenen 10 Jahren das Schmieden als


Fertigungsverfahren von Titanimplantaten durchgesetzt. Gründe sind sowohl
die hervorragenden mechanischen Eigenschaften geschmiedeter Titanteile, die
geringe erforderliche Nacharbeit und die bei mittleren bis großen Stückzahlen
geringen Kosten.

2.5 Generative Verfahren

Als generativ werden Verfahren bezeichnet, die auf Basis von CAD-Modellen
einen schichtweisen Aufbau des Bauteils sicherstellen. Grundsätzlich werden
generative Verfahren unterschieden in Prozesse mit lokaler Werkstoffzufuhr
und pulverbettbasierte Verfahren. Der Fokus der Darstellung des Standes der
Technik liegt auf der Herstellung von metallischen Implantaten, insbesondere
aus Titanwerkstoffen. Daher werden innerhalb der Vielzahl der Verfahren, die
in der Lage sind, metallische Werkstoffe zu verarbeiten, lediglich solche
Verfahren dargestellt, die bereits für die Herstellung von medizinischen,
metallischen Implantaten genutzt werden oder die nach dem Stand der Technik
prinzipiell geeignet sind und sich in der Anpassung an die Anforderungen für

Herstellung von Knochenimplantaten aus


Titanwerkstoffen durch Laserformen
19
Stand der Technik

die Implantatherstellung bezüglich Massgenauigkeit, Oberflächenqualität und


mechanischer Eigenschaften befinden. Dies setzt voraus, dass Titanwerkstoffe
in geforderter chemischer Zusammensetzung verarbeitet werden und dass beim
Herstellungsprozess keine Zusatzstoffe eingebracht werden.

2.5.1 Verfahren mit lokaler Werkstoffzufuhr

Generative Verfahren mittels lokaler Werkstoffzufuhr sind aus


Oberflächenbeschichtungsverfahren entstanden. Der Werkstoff wird bei lokaler
Zufuhr entweder in Pulverform durch eine Pulverzuführdüse unter Schutzgas
oder in Drahtform über Fördermechanismen direkt an die Stelle gefördert, an
der der Werkstoffaufbau erfolgt. Mittels Laserstrahlung (z.B. Laserauftrag-
schweissen, Laserstrahlgenerieren, Direct Metal Deposition DMD) wird der
Werkstoff lokal aufgeschmolzen. Die Wechselwirkungszone im Schmelzbad
erstreckt sich auch auf darunterliegende Bauteilschichten. Dadurch werden ein
schmelzmetallurgischer Verbund der einzelnen Schichten untereinander und
Bauteildichten von ca.100% erzielt [14] .

Bild 2-5: Laser


links:
Schema
Laserstrahlauftrags-
schweissen Pulverdüse Verbindungszone
zone
rechts: Prozessbild Schmelzbad
Schicht
WEZ / HAZ

vv
10mm

Ursprünglich wurde dieses Verfahrensprinzip für das Beschichten von


Bauteiloberflächen mit verschleiß- oder korrosionsbeständigen Schichten
entwickelt. Durch Aufbringen mehrerer übereinander liegender Schichten
lassen sich 3D-Geometrien erzeugen. Zahlreiche kommerzielle Anbieter nutzen
das Verfahrensprinzip zur Verarbeitung von Titan, vorwiegend in der Luftfahrt,
für Sportartikel, im Motorsport [47] und für militärische Anwendungen.

Mechanische Kennwerte von TiAl6V4, die beispielsweise mit dem LENS-


Verfahren der Firma Optomec erzielt werden, weisen Dauerfestigkeiten von
σbw= 480 MPa und im statischen Fall je nach Wärmebehandlung
Zugfestigkeiten zwischen 961 MPa und 1068 MPa bei Bruchdehnungen
zwischen 11% und 15% auf [21] [22] . Das Verfahren wird in einer Kammer
durchgeführt, die mit Schutzgas gefüllt ist.

Herstellung von Knochenimplantaten aus


Titanwerkstoffen durch Laserformen
20
Stand der Technik

Für eine Herstellung von medizinischen Implantaten aus Titanwerkstoffen


eignen sich Laserauftragschweissverfahren im Hinblick auf ihre erzielbare
Werkstoffqualität (chemische Reinheit, mechanische Eigenschaften). Bislang
werden Generierverfahren noch nicht industriell zur Herstellung von
Titanimplantaten genutzt [27] . Die Einordnung der erreichbaren Eigenschaften
im Vergleich zu konventionellen Verfahren wird in Tabelle 2-2 vorgenommen.

2.5.2 Pulverbettbasierte Verfahren

Im Vergleich zu Verfahren mit lokaler Werkstoffzufuhr weisen


pulverbettbasierte Verfahren einen dreistufigen Verfahrensablauf auf. In einem
ersten Schritt wird der pulverförmige Werkstoff auf einem ebenen Substrat
mittels eines Auftragsmechanismus in einer Schicht konstanter Dicke
aufgetragen. Im zweiten Prozessschritt wird diese Schicht selektiv an den
Stellen durch Laser- oder Elektronenstrahlung aufgeschmolzen, an denen das
zu erstellende Bauteil Volumen aufweist. Die Steuerung des Laserstrahls erfolgt
mittels NC-gesteuerter Scanner oder bei Verwendung eines Elektronenstrahls
durch elektromagnetische Ablenkung. Durch die Wärmeleitung in darunter
liegende Schichten und das Substrat erstarrt der Werkstoff und bildet ein
metallisches Gefüge, das in Abhängigkeit von den Verfahrensparametern bis zu
100% Dichte aufweist. Im dritten Schritt wird die Bauplattform, auf der das
Substrat befestigt ist, um eine Schichtdicke abgesenkt und eine neue
Pulverschicht wird aufgetragen. Diese drei Schritte werden solange
durchlaufen, bis das Bauteil vollständig aufgebaut ist. Der Vorteil der
pulverbettbasierten Verfahren liegt in der nahezu uneingeschränkten
Geometriefreiheit. Sowohl kleinste Geometrieelemente, wie Stege und Balken
mit Dimensionen in der Größenordnung des Strahldurchmessers, wie auch
großvolumigere Bereiche können gleichzeitig aufgebaut werden.
Überhängende Flächen und Hinterschnitte sind herstellbar, müssen jedoch je
nach Verfahren mit geeigneten Stützstrukturen verstärkt werden[13] .

Kommerziell sind mehrere Anlagenkonzepte erhältlich, die das beschriebene


Verfahrensprinzip unter verschiedenen Bezeichnungen anbieten.

Die Firma Arcam vertreibt und entwickelt die z.Z. einzige pulverbettbasierte
Anlagentechnik, die einen Elektronenstrahl zur Übertragung der
Geometrieinformationen in die Pulverschicht nutzt. Der Prozess läuft in einer
evakuierten Prozesskammer ab. Daher erfährt das Pulver keine Kontamination
durch eine Atmosphäre. Die elektromagnetische Ablenkung des
Elektronenstrahls erfolgt trägheitsfrei. Dadurch werden Verfahr-
geschwindigkeiten von bis zu 1000 mm/s und Aufbauraten von bis zu 60 cm3/h
möglich.

In [30] [44] [50] wird über das SLS (Selektive Laser Sintern) von
Titanwerkstoffen berichtet. Im Vergleich zu den bisher dargestellten Verfahren

Herstellung von Knochenimplantaten aus


Titanwerkstoffen durch Laserformen
21
Stand der Technik

wird beim SLS der Werkstoff nicht durch die Laserstrahlung aufgeschmolzen,
sondern lediglich schichtweise versintert. Unter dem Sintern wird die Bildung
von Brücken zwischen einzelnen Pulverpartikeln verstanden, die dann eine
geringe mechanische Festigkeit aufweisen. Um eine „vollständige“ Material-
dichte zu erreichen, muss das Bauteil nach dem schichtweisen Aufbau im Ofen
bzw. unter Anwendung von HIP nachbehandelt werden. Nach dem HIPPEN
können damit bis zu 1120 MPa Zugfestigkeit bei einer Bruchdehnung von 5%
erzielt werden.

Die Universität von Osaka, Japan beschäftigt sich seit einigen Jahren mit dem
Selective Laser Melting (SLM) von metallischen Werkstoffen. Verwendet
wird ein Nd:YAG-Laser im gepulsten Betrieb mit Pulsspitzenleistungen von
1kW. Die Verwendung von Reintitan (TiGrI) für medizintechnische
Applikationen führt zu Werkstoffdichten von < 95 % und mechanischen
Dauerfestigkeiten im Bereich von 20 MPa [23] .

Auch das von der Firma Fockele&Schwarze unter dem Namen SLM vertriebene
Verfahren verarbeitet Metallpulver schichtweise, jedoch ausschliesslich durch
Laserstrahlung im cw-Betrieb. Zur Zeit wird die Verarbeitung von Reintitan
(TiGrII) und TiAl6Nb7 für Applikationen als Knochenersatzimplantat untersucht
[41] [42] .

2.5.3 Direktes Laserformen

Das am Fraunhofer Institut für Lasertechnik entwickelte Selective Laser Melting


Verfahren (SLM) ermöglicht ebenfalls den Aufbau von Bauteilen aus
einkomponentigen metallischen Werkstoffen. Aufgrund von
Namensschutzrechten wird das Verfahren heute als Direktes Laserformen (DLF)
bezeichnet. Zur Übertragung der Schichtinformationen in die Pulverschicht
dienen bislang lampen- und diodengepumpte Nd:YAG-Laserstrahlquellen.
Zunächst konzentriert sich die Entwicklung des Verfahrens auf die Herstellung
von Bauteildichten von ca. 100% für die Werkstoffe Nickel, Edelstahl 1.4332
und Edelstahl 1.4404 [11] . Die dazu entwickelten Prozessstrategien werden für
die prinzipielle Verarbeitung von TiAl6V4 genutzt und weiter entwickelt. Es
wird gezeigt, dass eine Bauteildichte von >99% erreichbar ist [12] . Aufgrund
des Verfahrensprinzips beim DLF mit starker thermischer Beeinflussung des
Werkstoffes durch schichtweises Aufschmelzen und sofortigem Abkühlen
erfolgt die weitere Entwicklung des Verfahrens hinsichtlich verbesserter
Bauteilqualität und mit dem Ziel minimalen thermischen Verzuges insbesondere
für die Werkstoffe TiAl6V4 und Werkzeugstahl 1.2343 für die Anwendung im
Werkzeug- und Formenbau [13] . Durch die Verwendung geeigneter
Stützkonstruktionen sowie angepasster Prozessstrategien kann ein stabiler
Prozess, Bauteil-dichten von ca.100% und Rissfreiheit der Bauteile sichergestellt
werden. Stabil bezieht sich dabei auf die Vermeidung einer Kollision zwischen
dem Schieber und dem Bauteil aufgrund von Unebenheiten oder Spritzern in

Herstellung von Knochenimplantaten aus


Titanwerkstoffen durch Laserformen
22
Stand der Technik

der Schicht. Darüber hinaus wird das DLF für die Verarbeitung von Al-Legierun-
gen AlMgSi0,5, AlSi25 und AlMg3 in [16] und Co-Cr-Legierungen für
Dentalrestaurationen beschrieben [17] .

Bisherige Entwicklungen im Bereich DLF konzentrieren sich hauptsächlich auf


die Verarbeitung von Werkstoffen und Werkstoffgruppen für die Herstellung
von Funktionsbauteilen für den Maschinen- und Werkzeugbau. Zudem nutzt
die Firma BEGO das DLF-Verfahren zur Herstellung von Dentalrestaurationen
aus Co-Cr- und Goldlegierungen. Die Herstellung von (Knochenersatz-)
Implantaten aus Titan und Titanlegierungen war bislang nicht Gegenstand der
Untersuchungen.

2.6 Zusammenfassung

Derzeit werden Knochenersatzimplantate meist in einer Abfolge aus


verschiedenen konventionellen Fertigungsverfahren hergestellt. Ein Großteil der
Titanimplantate entfällt auf die Endoprothetik (künstlicher Gelenkersatz).
Aufgrund der hohen Anforderungen an Genauigkeit und Oberflächenqualität
im Bereich der Funktions-und Reibflächen (Winkelgenauigkeiten des Konus
eines Hüftschaftes ca. ±2´30“ und Oberflächenrauheiten von RZ<5µm) wird
nahezu jedes endoprothetische Implantat spanabhebend endbearbeitet. Je
nach geometrischer Komplexität, Belastungszustand und Stückzahl folgt die
spanende Endbearbeitung in einem oder mehreren Fertigungsschritten, die eine
möglichst schnelle, kostengünstige und gleichzeitig den Anforderungen
entsprechende Fertigung und Qualität gewährleisten. Neben der Endoprothetik
werden Titanimplantate als Platzhalter für defekte oder nicht mehr vorhandene
Knochen meist unter mechanischer Belastung eingesetzt. Die Herstellung dieser
Implantatkategorie ist bislang ebenfalls überwiegend spanenden Verfahren
vorbehalten, da es sich meist um Individualimplantate handelt, die als
Einzelstück durch Zerspanen am kostengünstigsten hergestellt werden können.
Darüberhinaus werden Titanimplantate als Fixationsmaterialien in Form von
Schrauben, Platten, Drähten und Stiften verwendet. Die Anforderungen
hinsichtlich geometrischer Komplexität und Genauigkeit an Produkte dieser
Kategorie sind im allgemeinen niedrig. Zudem werden diese Implantate meist
nur temporär (einige Tage bis hin zu mehreren Monaten) im Körper verbleiben
und dienen lediglich der zeitlichen und lokalen Überbrückung eines
Knochendefektes. Ihre Herstellung ist in der folgenden Übersicht nicht
behandelt, da es keinen Aufgabenbereich für eine Fertigung mit DLF darstellt.

Die Übersicht enthält neben den konventionellen Verfahren auch solche


neuartigen generativen Verfahren, die ohne prinzipbedingte Qualitätseinbussen
eine Verarbeitung von Titan-Serienwerkstoffen ermöglichen.

Herstellung von Knochenimplantaten aus


Titanwerkstoffen durch Laserformen
23
Stand der Technik

Mechanisch-
Prozess technologische Anwendung Limitierung Quelle
Eigenschaften

• Endbearbeitungs-
verfahren ⇒
Werkstoffeigen-
Geometrische
schaften werden Endbearbeitung
Fräsen, Komplexität
nur oberflächen- für Implantate aus [9] [38]
Drehen durch Verfahren
nah beeinflusst Titanwerkstoffen
begrenzt
• Maßgenauigkeiten
bis 50µm

TiAl6V4:

• Dehngrenze:
Konven-tionelle Verfahren

RP0,2=830-1030 MPa
Endoprothetische, Geometrische
hochbelastete Komplexität
• Zugfestigkeit RM=
Implantate in durch Fliess- [34] [35]
Schmieden 900-1100 MPa
mittleren und fähigeit des [36] [45]
großen Serien Materials im
• Dauerfestigkeit:
(n>200) Prozess begrenzt
σbw ≤ 650 MPa

• Genauigkeiten bis
0,3 mm

TiAl6V4:

• Dehngrenze: Meist in
RP0,2=750-855MPa Endoprothetische Kombination mit
niedrig belastete HIP, Ober- [9] [25]
Giessen
• Zugfestigkeit RM= Implantate in flächen- [43] [47]
827-930MPa mittleren Serien nachbehandlung
erforderlich
• Dauerfestigkeit:
σbw=200-350MPa

Herstellung von Knochenimplantaten aus


Titanwerkstoffen durch Laserformen
24
Stand der Technik

TiAl6V4:

• Dehngrenze:
Verfahren mit lokaler Werkstoff-zufuhr

Überhänge von
RP0,2=841-944MPa Bislang: Industrielle
90° nur durch
LENS Anwendung bei [27] [31]
Auffüllen des
(Optomec) • Zugfestigkeit RM= Implantaten in [33]
Hohlraums und
961-1077MPa Vorbereitung
Versintern
• Dauerfestigkeit:
σbw= 480 MPa

TiAl6V4:
Detailauflösung
• Dehngrenze: Bislang: gering,
Aeromet
RP0,2=825-890 MPa Strukturbauteile für spanende [26] [28]
Lasform
den Flugzeugbau Nachbehand-
• Zugfestigkeit RM= lung erforderlich
890-1000 MPa

TiAl6V4:
Pulverbett-basierte Verfahren

• Dehngrenze:
RP0,2=910-960 MPa
Schlechte
Bislang keine Oberflächen-
• Zugfestigkeit: RM =
dokumentierte qualität
Arcam 970-1030 MPa [40]
Anwendung in der erfordert
Implantologie Nachbehand-
• Dehnung:
lung
ε= 12-16 %

• Dauerfestigkeit:
σbw=5-540 MPa

TiGrII:

• Dichte: ρ ≤ 95 %
Bislang: [23] [24]
SLM-Osaka • Dehngrenze: -
Laborverfahren [29]
RM = 300 MPa

• Dauerfestigkeit:
σbw=20 MPa

Herstellung von Knochenimplantaten aus


Titanwerkstoffen durch Laserformen
25
Stand der Technik

Bislang keine
Serien-Titan kann nicht dokumentierte Werkstoffaus- [30] [44]
SLS
verarbeitet werden Anwendung in der wahl [50]
Implantologie

TiAl6Nb7:

• Dichte: > 99 %
Bislang keine Werkstoff
SLM dokumentierte erreicht nicht [39] [41]
• Dehngrenze:
F&S Anwendung in der Mindestwerte [42]
RP0,2=1155 MPa
Implantologie nach Norm
• Zugfestigkeit: RM =
1271 MPa

Tabelle 2-2: Zusammenfassung Fertigungsverfahren für Titanimplantate

Sämtliche genannten konventionellen Verfahren werden zur Implantatherstel-


lung genutzt. Zusammenfassend sind diese jedoch insbesondere hinsichtlich
ihrer geometrischen Komplexität limitiert. Lediglich das Giessen kann prinzipiell
geometrisch nahezu beliebig komplexe Geometrien erzeugen. Aufwändige
Vor- und Nachbehandlung der Bauteile erlauben jedoch keine wirtschaftliche
Nutzung für hochbelastete Klein- und Kleinstserien (wie z.B.
Individualimplantate) aus Titan.

Generative Verfahren werden zur Zeit serienmässig zur Implantatherstellung


lediglich durch die Firma BEGO Medical genutzt. Gründe für die bislang geringe
Verbreitung sind, dass die Verfahren:

• Erst seit wenigen Jahren für Titan verfügbar sind oder sich noch im
Status „Laborverfahren“ befinden

• Bisher nicht oder nur unzureichend für medizintechnische Erfordernisse


entwickelt und qualifiziert wurden

• Eine wirtschaftliche Nutzung nur unter der Voraussetzung neuartiger,


mit konventionellen Mitteln nicht herstellbaren Implantaten denkbar ist

Herstellung von Knochenimplantaten aus


Titanwerkstoffen durch Laserformen
26
Werkstoffe und Anlagentechnik

3 Werkstoffe und Anlagentechnik

3.1 Werkstoffe

Titan tritt in zwei verschiedenen Gittermodifikationen auf. Bei tiefen


Temperaturen konstituieren sich die Atome in einer hexangonal dichtesten
Kugelpackung, dem sog. a-Titan. In der Hochtemperaturphase entsteht ein
kubisch raumzentriertes Gitter, das s.g. b-Titan mit einem Schmelzpunkt von
ca. 1670°C. Der Übergang zwischen diesen beiden Modifikationen findet durch
eine Umwandlung bei der s.g. b-Transustemperatur von 882° statt. Diese
beiden Modifikationen sind die Ursache für eine Vielzahl von Eigenschaften.
Insbesondere ihr Einfluss auf die plastische Verformbarkeit, die in der kubisch
raumzentrierten Packung größer ist als in der hexagonal dichtesten Packung,
wird in der Technik ausgenutzt. Durch ein Zulegieren metallischer Elemente
wird der Existenzbereich der a,b- Phase verändert, wodurch 3 Gruppen von
Legierungen entstehen, [10] [77] .

• Bei hexagonalen a-Legierungen erweitern a-stabilisierende Elemente wie


Aluminium, Kohlenstoff, Sauerstoff, Stickstoff den Existenzbereich des a-
Titans hin zu höheren Temperaturen. Diese Legierungen zeichnen sich
durch eine ausreichende Festigkeit bis 500°, Zähigkeit, Kriechbeständigkeit
und Schweißeignung aus.

• b-stabilisierende Elemente wie Vanadium, Chrom, Molybdän, Eisen,


Mangan und Wasserstoff verschieben den Existenzbereich des b-Titans hin
zu niedrigeren Temperaturen. Eigenschaften dieser Legierungen sind
gegenüber a-Legierungen verbesserte Kaltverformbarkeit bei geringerer
Warmfestigkeit [36] .

• a+b-Legierungen enthalten Elemente beider Gruppen. Sie weisen bei


Raumtemperatur ein zweiphasiges Gefüge auf. Wird der b-Anteil so weit
gesteigert, dass die b-Phase durch schnelles Abschrecken nicht mehr
martensitisch umgewandelt werden kann, so liegt eine metastabile b-
Legierung vor. Typische Eigenschaften der a+b-Legierungen sind
Festigkeiten zwischen 1000-1300 MPa, gute Warm- und Kriechfestigkeit,
sowie gute Schweißbarkeit bis zu einem b-Anteil von 20 %.

Die in der Medizintechnik am weitesten verbreiteten Titanlegierungen sind das


aus a-Titan bestehende Reintitan und die a+b-Legierung TiAl6V4.

Herstellung von Knochenimplantaten aus


Titanwerkstoffen durch Laserformen
27
Werkstoffe und Anlagentechnik

3.1.1 Reintitan

Titan technischer Reinheit wird vorwiegend in der chemischen Industrie und


Verfahrenstechnik eingesetzt, da es dort vorwiegend auf gute Korrosions-
beständigkeit und lediglich sekundär auf hohe Festigkeit ankommt. Die ver-
schiedenen Reintitansorten unterscheiden sich hauptsächlich durch den
Sauerstoffgehalt, der als interstetielles Legierungselement ebenso wie Stickstoff
versprödend wirkt und somit die Duktilität verringert. Bild 3-1 zeigt die
mechanischen Kenngrößen von Reintitan in Abhängigkeit von der N- und O-
Konzentration. Die Kenngrößen Rp0,2 und Rm wachsen mit steigenden O bzw. N
– Konzentrationen stark an, während die Bruchdehnung e abnimmt.

Bild 3-1:
Dehngrenze Rp0,2 [kp/mm2]

Mechanische
Zugfestigkeit Rm [kp/mm2]

Kenngrößen von
75 Rp0,2 Rm
Reintitan in
Abhängigkeit von Rp0,2 Rm
450
der N- und O- 60
Konzentration [79]
400
45

30 350
HV10
300
15

HV10
0 250
Härte HV10
40 N 200
O
Bruchdehnung ![%]

30 150
!
100
20

10 ! 50

0 0,1 0,2 0,3 0,4 0,5 0,6 0,7


O, N-Gehalt XO, XN [Gew.-%]
Entsprechend der Konzentration an Sauerstoff wird Reintitan in Reinheits-
klassen I-IV (Gr.I-Gr.IV) unterteilt. Das in dieser Arbeit verwendete Reintitan-
pulver gehört mit einem Sauerstoffgehalt von 0,175 Gew.-% zur
Reinheitsklasse II. Als Pulverkornverteilung wird der Bereich dP=25 – 45 µm
gewählt, Bild 3-2. Diese Verteilung gewährleistet einerseits noch ausreichend
gute Fließeigenschaften des Pulvers (große Körner # Pulverauftrag gut) und
verfügt andererseits über eine Schüttdichte von 53 % - 58 % (kleine Körner #
größere Bauteildichte).

Herstellung von Knochenimplantaten aus


Titanwerkstoffen durch Laserformen
28
Werkstoffe und Anlagentechnik

Element Ti C N H O Fe sonstige
Gehalt [Gew.-%] 0,01 0,01 0,001 0,175 0,07 <0,2
Tabelle 3-1: Chemische Zusammensetzung des verwendeten TiGrII-Pulvers [80]

Sonstige interstetiell gelöste Elemente sind in Tabelle 3-1 aufgelistet. Die


Verarbeitung von Reintitan im DLF Prozess erfolgt ohne die Verwendung einer
Vorheizeinrichtung (vgl. [13] ). Die beim Prozess eingebrachten
Eigenspannungen werden durch die gute Duktilität des Werkstoffes
kompensiert.

3.1.2 TiAl6V4

Die Legierung TiAl6V4 ist die mit Abstand gebräuchlichste Titanlegierung


weltweit. Grund dafür ist einerseits die Ausgewogenheit ihrer Eigenschaften,
vgl. Kap. 6.4 und zum anderen die Tatsache, dass TiAl6V4 am meisten
erforscht ist. Die Luft- und Raumfahrtfahrtindustrie setzt diese Legierung seit
ca. 1950 erfolgreich ein. Auf Basis dieser Erfahrungen mit der Legierung
erfolgte die erste Anwendung als Implantatwerkstoff.

Element Ti C Al V O Fe sonstige
0,05 (Ingot)
Gehalt [Gew.-%] 89,5 0,02 6,4 3,8 0,108-0,16 0,09 <0,2
(Pulver)
Tabelle 3-2: Chemische Zusammensetzung des verwendeten TiAl6V4-Pulvers [80]

Das für diese Arbeit verwendete TiAl6V4 Pulver wird, wie auch das
Reintitanpulver, durch einen Verdüsungsprozess ( vgl. Anhang, Kap. 11.1),
hergestellt. Die für die mechanischen und biologischen Eigenschaften relevante
chemische Zusammensetzung ist in Tabelle 3-2 dargestellt.

Herstellung von Knochenimplantaten aus


Titanwerkstoffen durch Laserformen
29
Werkstoffe und Anlagentechnik

Bild 3-2: Häufigkeit (Werte mit Faktor 5 verstärkt dargestellt)


Korngrößenver- kumulierte Häufigkeit
teilung von TiGrII-
100
Pulver im Bereich
dP= 25-45 µm
90 mittlerer Korndurchmesser = 35µm
80
Q3 (kumulative Werte) [%]

70

60

50

40

30

20

10

0
1 10 100

Korndurchmesser [µm]

Auch das verwendete TiAl6V4-Pulver weist eine Pulverkornverteilung dP = 25 –


45 µm auf, Bild 3-2. Als Q3 wird in Bild 3-2 bezeichnet, wieviel Prozent aller
Partikel innerhalb des gewählten Korndurchmesserbereiches liegen.

3.2 Anlagentechnik

In der vorliegenden Arbeit werden verschiedene Anlagenvarianten zur


Durchführung der Versuche und Herstellung von Bauteilen verwendet. Es wird
im folgenden unterschieden zwischen den vier wesentlichen Komponenten der
Anlagentechnik: Mechanischer Aufbau, optischer Aufbau, Maschinen-
steuerung und Strahlquellen.

3.2.1 Mechanischer Aufbau

Der mechanische Aufbau der verwendeten Maschinen enthält folgende


Komponenten:

• Prozesskammer

• Scannereinheit mit Strahlformeinrichtung

• (Beheizbare) Bauplattform

• Pulverdosier- und bevorratung

Herstellung von Knochenimplantaten aus


Titanwerkstoffen durch Laserformen
30
Werkstoffe und Anlagentechnik

Bild 3-3 zeigt den mechanischen Aufbau der Prozesskammer einer


Versuchsanlage, die insbesondere für die Herstellung von Kleinbauteilen mit
Geometrieabmessungen im Bereich 1-15 mm ausgelegt ist (Mikroanlage). Die
Positioniergenauigkeit der Zylinder liegt bei 8 µm. Der zur Verfügung stehende
zylinderförmige Bauraum weist einen Durchmesser von 50 mm und eine
Bauhöhe von bis zu 80 mm auf.

Bild 3-3
Schnittansicht der
DLF-Anlage für
Schieber mit Auf- Einkoppelfenster
Kleinbauteile tragmechanismus
(Mikroanlage) Deckel

Gaseinlass
Bauzylinder
Pulverzylinder
50mm

Die Pulverzufuhr und Bevorratung wird bei dieser Prozesskammer über einen
zweiten Zylinder realisiert, der gegenläufig zum Bauzylinder frisches Pulver nach
oben fördert. Ein Pulverauftragsmechanismus, der in Kap.4 dargestellt wird,
transportiert das Pulver translatorisch vom Pulverzylinder zum Bauzylinder.

Bild 3-4
Isometrische (links)
und Schnittansicht
Pulvervorratsbehälter
der DLF-
Prozesskammer
(DLF-1) Deckel mit
Einkoppelfenster

Dosierwelle
Schieber

Beheizbare
Bauplattform 10 cm

Bislang existiert für diese Prozesskammer keine Heizeinrichtung, die das


Vorwärmen einer Substratplatte zulässt. Folglich können in dieser

Herstellung von Knochenimplantaten aus


Titanwerkstoffen durch Laserformen
31
Werkstoffe und Anlagentechnik

Prozesskammer keine Werkstoffe verarbeitet werden, die zu Rissbildung und


Verzug neigen (Bsp.: TiAl6V4).

3.2.2 Maschinensteuerung

Beim DLF werden die Geometrieinformationen aus einem 3D-Datensatz eines


CAD-Systems genutzt. Die Datenverarbeitung erfolgt über eine
Aufbereitungssoftware (Viscam). Darin werden CAD-Geometriedaten für die
Fertigung durch DLF aufbereitet und an die Maschinensteuerung übergeben.
Das folgende Bild 3-5 zeigt die für diese Arbeit relevanten Datenprozessschritte
und nennt die wesentlichen Funktionen der beteiligten Systeme.

Bild 3-5:
format
Software Daten-

Prozessdatenverar-
beitung beim DLF stl f&s; cli
(exemplarisch für
diese Arbeit)
CAD
CAD Datenaufbereitung
Datenaufbereitung Maschinensteuerung
Maschinensteuerung
CatiaV5
Catia V5 ViscamSLM
Viscam SLM Fusco //SLM-Control
Fusco SLM-Control

•Konstruktion •Positionierung des Modells •Eingabe der Verfahrensparameter


Funktion

in 3D •Erzeugung von Stützen wie vScan, PL


•Erzeugung von Schichten •Anordnung im Bauraum
•Erzeugung von Scanvektoren
(s.g.“Hatchen“)
•Erzeugung der Konturen

Die Versuche werden mit 2 verschiedenen DLF-Maschinen durchgeführt. Die


Steuerung der Anlagen erfolgt ebenfalls mit zwei verschiedenen Software-
Systemen. Die DLF-1 Anlage ist mit der Steuerungssoftware „Fusco“ der Firma
F&S Stereolithographietechnik in der Version von Januar 2003 ausgestattet. Die
Anlage für Kleinbauteile (Mikroanlage) nutzt die Steuerungssoftware SLM
Control von J.Ortmann. Beide Systeme basieren auf einer scriptbasierten
(Abfolge der Prozessschritte wird über ein Script=Befehlsliste vom Benutzer
festgelegt) Steuerung. Bei Fusco erstreckt sich das Script lediglich auf die
Abfolge von Befehlen, die zwischen den Belichtungsvorgängen der Schichten
ablaufen, wie z.B. das Verfahren des Schiebers oder der Bauplattform. Beim
SLM Control gestattet die Script-Steuerung darüberhinaus die Steuerung der
Belichtung, so dass eine bauteilbezogene Parametrisierung möglich ist.

Herstellung von Knochenimplantaten aus


Titanwerkstoffen durch Laserformen
32
Werkstoffe und Anlagentechnik

Bild 3-6:
links: Aufbaurichtung P1 P2 P3
schichtbezogene
Parametervariation P2
(Fusco-Steuerung) Probekörper
P4 P5 P6
P1
rechts:
bauteilbezogene
Bauplatte
Parametervariation
(SLM-Control)

Folglich erlaubt Fusco lediglich eine Variation von Verfahrensparametern (z.B.


Laserleistung, Scangeschwindigkeit) von Schicht zu Schicht, während SLM
Control zusätzlich ermöglicht, innerhalb einer Schicht jedem Bauteil eigene
Verfahrensparameter zuzuweisen.

3.2.3 Optischer Aufbau

Zur Durchführung der Versuche und Herstellung der Bauteile werden zwei
verschiedene Laserstrahlquellen verwendet. Zum einen handelt es sich um
einen diodengepumpten Nd:YAG Festkörperlaser. Dieser Laser wurde am ILT
2001 auf Basis eines Pumpmoduls der Firma Rofin aufgebaut und ist mit einer
Faser mit 100 µm Durchmesser ausgestattet. Der Rohstrahl wird durch die
beiden Scannerspiegel umgelenkt und durch eine F-Theta Linse auf die
Bearbeitungsebene fokussiert. Aufgrund des erforderlichen Arbeitsabstandes
von > 150 mm werden zwei verschiedene F-Theta Linsen mit Brennweiten von
254 mm und 163 mm ausgewählt. Daraus ergeben sich Strahldurchmesser dStr
= 200µm (für f=254 mm) und dStr = 140 µm (für f=163 mm), die bei
Verwendung des Nd:YAG-Lasers nutzbar sind.

Ein Schwerpunkt dieser Arbeit liegt in der Herstellung von Gitter-, Hohl- und
porösen Strukturen mit Strukturgrößen im Bereich 50-250 µm, die für
Implantatapplikationen von Bedeutung sind. Da die Strahlfoki der zur
Verfügung stehenden Nd:YAG-Laser die minimale Strukturgröße begrenzen
und diese bereits im oberen Bereich der geforderten Strukturgrößen liegen, ist
der vorhandene Nd:YAG-Laser zur Herstellung dieser Strukturen ungeeignet.

Um bei gleichem Arbeitsabstand, der durch die Abmessung der Prozesskammer


vorgegeben ist, und einem maximalen Eintrittsdurchmessers des Strahl in den
Scanner von 20 mm, der durch die Scannerapertur und Spiegel vorgegeben ist,
kleinere Foki als 140 µm zu erzielen, muss der Laser eine höhere Strahlqualität
aufweisen.

Herstellung von Knochenimplantaten aus


Titanwerkstoffen durch Laserformen
33
Werkstoffe und Anlagentechnik

Nd:YAG-Laser Faserlaser
Wellenlänge 1064 nm 1080 nm
Strahlqualität M2 12-15 1,5
Leistung PL 130 W 200 W
Rohstrahldurchmesser dR 20 mm 5,5 mm
Fokussierter Strahldurchmesser dStr bei F-
200 µm variabel
Theta-Optik mit f =254 mm
Fokussierter Strahldurchmesser dStr bei F-
140 µm variabel
Theta-Optik mit f =163 mm
Tabelle 3-3: Technische Daten der verwendeten Laserstrahlquellen

Unter diesen Voraussetzungen wird ein Faserlaser YLR-200 CW Ytterbium der


Firma IPG ausgewählt. Tabelle 3-3 fasst die relevanten technischen Daten der
beiden verwendeten Laserstrahlquellen zusammen. Aufgrund der deutlich
besseren Strahlqualität (Tabelle 3-3) ist die Laserstrahlung besser fokussierbar
und kann bei gleichem Arbeitsabstand zwischen Bearbeitungsebene und F-
Theta-Linse zur Erzeugung von Strahldurchmessern <140 µm eingesetzt
werden.

3.2.3.1 Anforderung an das optische System

Durch das optische System nach der Kollimation soll eine stufenlose Variation
des Fokusdurchmessers in der Bearbeitungsebene von 140 µm bis dStrmin
realisiert werden, um sowohl bisherige Ergebnisse mit einem Fokusdurchmesser
von 140 µm zu reproduzieren, als auch kleinere Strukturen mit kleinerem
Fokusradius herzustellen. Folgende Tabelle fasst die geometrisch, konstruktiven
Vorgaben bei der Auslegung des optischen Systems zusammen.

Vorgaben Wert

Rohstrahldurchmesser dr 5,5 mm

Scanner-Apertur dScanner 20 mm

Arbeitsabstand (F-Thetamin) 163 mm

Scannerspiegel-Durchmesser dSpiegel 20 mm

Max. Intensität der Scannerspiegel Imax 50 W/cm2


Tabelle 3-4: Konstruktive Vorgaben bei der Auslegung des optischen Systems

Herstellung von Knochenimplantaten aus


Titanwerkstoffen durch Laserformen
34
Werkstoffe und Anlagentechnik

Die Auslegung erfolgt für die Strahlaufweitung schrittweise auf Basis der
geometrischen Optik (Nf>>1) und nach Gauss für die Fokussierung auf die
Bearbeitungsebene. Ausgangspunkt ist der kollimierte Rohstrahl dr= 5,5 mm,
der durch den optischen Aufbau variabel aufgeweitet und nach Passieren des
Scanners durch die F-Theta-Optik auf die Bearbeitungsebene fokussiert wird
(Bild 3-7).

3.2.3.2 Optische Komponenten und Strahlengang

Die optischen Komponenten zur Strahlformung bestehen aus einem Teleskop


und einem variablen Beamexpander, die in einem staubdichten Gehäuse
angeordnet werden (Bild 3-8). Daraus ergibt sich der in Bild 3-7 schematisch
dargestellte optische Strahlengang.

Bild 3-7
Strahlengang und
optische
Komponenten zur
Formung der Kollimation
Laserstrahlung

Komponenten: dr
-Kollimation Teleskop VT=0,67x
-Teleskop:
VT=0,67x
dT
–Beamexpander: Beamexpander
VBE=1x-8x
Scanner
–Umlenkspiegel
VBE
–Scanner

–F-Theta-Optik:
dL
f=163/254mm

Umlenkspiegel

F-Theta Optik

Strahlformung
Bearbeitungs- f
ebene

dStr

Herstellung von Knochenimplantaten aus


Titanwerkstoffen durch Laserformen
35
Werkstoffe und Anlagentechnik

Nach dem Austritt der Laserstrahlung aus der Kollimation wird der
Strahldurchmesser dr mit einem Teleskop (Vergrößerungsfaktor VT=0,67) auf
den Durchmesser dT verkleinert. Mit einem stufenlos verstellbaren
Beamexpander (1-8x) wird der Laserstrahl anschließend auf den Durchmesser dL
aufgeweitet und mittels Umlenkspiegel in die Apertur des Scanners gelenkt. Die
Fokussierung in die Bearbeitungsebene erfolgt mit einer F-Theta-Optik mit
Brennweiten von 163 mm bzw. 254 mm. Das vor den Beamexpander
geschaltete Teleskop mit festem Vergrößerungsfaktor wird benötigt, um den
gewünschten Bereich der Fokidurchmesser von dStr= dStr min-140 µm auf der
Bearbeitungsebene einstellen zu können. Diese rechnerische Auslegung wird im
folgenden Kapitel dargestellt.

3.2.3.3 Berechnung des optischen Strahlengangs

Wird ein paralleler Strahl mit Durchmesser dL durch eine F-Theta-Linse


fokussiert, berechnet sich der Strahldurchmesser im Fokus nach:

Gleichung 3-1
λ f M2
d Str =
π dL

dStr: Strahldurchmesser im Fokus des Strahls


λ: Wellenlänge des Lasers
f: Brennweite der F-Theta-Optik
dL: Durchmesser des parallelen Strahls
M2: Strahlqualität

Eine motorisch verfahrbare Strahlaufweitung (Zoom-Beamexpander der Firma


Sill Optics), die von 1 bis 8 facher Vergrößerung stufenlos verstellbar ist, wird
für die Variation des Strahldurchmessers dL vor der fokussierenden F-Theta-
Optik verwendet. Der Strahlengang ist in Bild 3-7 dargestellt.

Der größte Fokusradius wird erreicht, wenn der Radius der Laserstrahlung dL,
der auf die Fokussierlinse trifft, möglichst klein ist. Um einen größeren
Fokusradius realisieren zu können, wird dem Beamexpander ein Teleskop mit
0,67facher Vergrößerung vorgeschaltet. Dieses verkleinert den Durchmesser
der Laserstrahlung auf dT= 3,5 mm. Der somit größte realisierbare
Fokusdurchmesser in der Strahltaille beträgt ca. 150 µm und entspricht etwa
dem Radius des bisher verwendeten Strahldurchmessers, der mit der Nd:YAG-
Strahlquelle erzielt wird.

Herstellung von Knochenimplantaten aus


Titanwerkstoffen durch Laserformen
36
Werkstoffe und Anlagentechnik

Bild 3-8
Anordnung der
optischen
Kollimation
Komponenten:
Gehäuse
Teleskop

Scanner Beamexpander

Strahlengang

Umlenkspiegel

F-Theta Optik

Der minimal erreichbare Strahldurchmesser ist durch die Spiegelgröße des


Scanners beschränkt. Die Spiegel weisen einen Durchmesser von 20 mm auf.
Bei entsprechender Beamexpandereinstellung von 5,7facher Vergrößerung trifft
somit die Laserstrahlung mit einem Durchmesser von ca.20 mm auf die
Fokussierlinse mit einer Brennweite von f=163 mm.

Bei der Verwendung des „optischen Systems“ muss darüberhinaus auf die
höchstzulässige Intensität der optischen Komponenten, vor allem die
Scannerspiegel, geachtet werden. Der verwendete Silberspiegel-Scanner ist für
eine maximale Belastung von Imax=50 W/cm2 ausgelegt. Bei Überschreitung
dieser Intensität besteht die Gefahr des Abplatzens der Beschichtung und damit
der Zerstörung des Spiegels. Durch die Möglichkeit der Variation des
Strahldurchmessers wird die Intensität der Laserstrahlung, mit der die Spiegel
belastet werden, variiert. Bild 3-9 zeigt zusammenfassend den Verlauf des
errechneten Fokusradius in Abhängigkeit von beiden F-Theta-Linsen mit
Brennweiten von 163 mm und 254 mm und die maximale Laserleistung in
Abhängigkeit vom Vergrößerungsfaktor des Beamexpanders, der verwendet
werden kann, ohne die maximale Intensität von 50 W/cm2 zu überschreiten. So
darf beispielsweise bei einem Vergrößerungsfaktor von VBE = 3 eine
Laserleistung von PLmax=110 W nicht überschritten werden.

Herstellung von Knochenimplantaten aus


Titanwerkstoffen durch Laserformen
37
Werkstoffe und Anlagentechnik

Bild 3-9
Halblogarithmische 75
Darstellung der dStr / 2 max
durch die 70
Scannerspiegel 65

/ 2 [µm]
begrenzten
maximalen 60
Laserleistung PLmax 100 55

Str
und des PL max
50
Laserleistung P L [W]

berechneten

berechneter Fokusradius d
f=254mm + Teleskop
Fokusdurchmessers 45
f=254mm
in Abhängigkeit vom
f=163mm + Teleskop 40
Vergrößerungsfaktor
VBE des f=163mm 35
Beamexpanders 30
10
25
20
15
10 dStr / 2 min
nutzbarer Bereich 5
1
1 2 3 4 5 6

Vergrößerungsfaktor VBE [X]

Eine weitere Limitierung kommt durch den maximalen


Strahleintrittsdurchmesser in den Scanner zustande. Dieser Wert liegt bei 20
mm. Sollen kleine Foki erzeugt werden, wird das Teleskop nicht verwendet.
Basierend auf einem Eintrittsdurchmesser des Rohstrahls in den Beamexpander
von 5,5 mm ist der nutzbare Bereich (siehe Bild 3-9), limitiert auf VBE = 1 bis
3,64. Bei diesem Wert von 3,64 wird der Rohstrahl auf den maximalen
Eintrittdurchmesser von 20 mm aufgeweitet. Rechnerisch ergeben sich damit
minimale Fokidurchmesser. Im folgenden Kapitel werden diese berechneten
Werte experimentell überprüft.

3.2.3.4 Kaustik des Laserstrahls

In der Versuchsdurchführung wird vorwiegend mit Fokidurchmessern im


Bereich zwischen dStr1 und dStr2 gearbeitet. Das Teleskop wird nur dann
verwendet, wenn ein Fokusdurchmesser > dStr2 zu realisieren ist (siehe Bild 3-9).
Exemplarisch wird die reale Kaustik des Laserstrahls bei einem
Vergrößerungsfaktor von VBE=3 dargestellt. Die Laserstrahlung nach der
Kollimation (dr=5,5 mm) wird mit dem Beamexpander bei einem
Vergrößerungsgsfaktor von VBE =3 auf einen Durchmesser von dL=16,5 mm
aufgeweitet und durch eine F-Theta-Linse mit 163 mm Brennweite fokussiert.
Zur Kaustikmessung wird ein Kamera-basiertes Messsystem
„Microspotmonitor“ der Firma Primes verwendet.

Herstellung von Knochenimplantaten aus


Titanwerkstoffen durch Laserformen
38
Werkstoffe und Anlagentechnik

Der gemessene Fokusradius und die Leistungsdichteverteilung in Abhängigkeit


von der Laserleistung sind in Bild 3-10 dargestellt. Der Fokusradius steigt mit
zunehmender Leistung im angegebenen Bereich zwischen 10 W und 60 W
55% dStr1 auf 92% dStr1 an. Die Leistungsdichteverteilung im Fokus (Bild 3-10),
zeigt über den Leistungsbereich eine konzentrische, nahezu ideale Gauss´sche
Intensitätsverteilung. Der Strahlfokus ist nahezu rotationssymmetrisch, so dass
keine Richtungsabhängigkeit in der Prozeßführung berücksichtigt werden
muss.

Bild 3-10
Gemessene
Fokusdurchmesser dStr140
bei einem
38
Aufweitungsfaktor
X=3 in Abhängigkeit 36
von der
Laserleistung PL 34 30MW/cm2
beim Faserlaser
Fokusradius r F [µm]

32
25MW/cm2
30

28 18MW/cm2

26
12MW/cm2
24
6MW/cm2
22

dStr1/2
20 Qualitative Darstellung der 0MW/cm2
18 Intensitätsverteilung:
16

10 20 30 40 50 60

Laserleistung PL [W]

Der Vergleich der exemplarisch bei einem Aufweitungsfaktor X=3 gemessenen


Fokiradien zeigt eine Abweichung von 50% zu den errechneten Werten. Der
Grund für diese Abweichung sind Linsenfehler im Beamexpander und der F-
Theta-Linse. Kontrollmessungen der Strahlqualität des aufgeweiteten Strahls
zeigen Strahlqualitäten von M2=3 nach dem Beamexpander. Nach Gleichung
3-1 ergeben sich mit dieser verschlechterten Strahlqualität die gemessenen
Foki.

Herstellung von Knochenimplantaten aus


Titanwerkstoffen durch Laserformen
39
Werkstoffe und Anlagentechnik

Bild 3-11:
Leistungsdichte-
verteilung entlang
der z-Achse im Asymmetrische Intensitäts-
Bereich des Fokus verteilung oberhalb des Fokus

Strahlintensitäten als
Schnittbilder längs der z-Achse

Symmetrische Intensitäts-
verteilung im Fokus

Asymmetrische Intensitäts-
verteilung unterhalb des Fokus

Aufgrund der kleinen Rayleighlänge von ca. 0,5 mm muss die Justage der
Fokusposition auf die Bearbeitungsebene mit entsprechender Genauigkeit
erfolgen. In Bild 3-11 wird deutlich, dass außerhalb des Fokus schon im Bereich
eines Milimeters eine erhebliche Verzerrung des Intensitätsprofils auftritt. Im
Prozess führt eine Fehleinstellung des Arbeitsabstandes zu richtungsabhängigen
Prozessbedingungen, die im Hinblick auf hohe Präzision der aufzubauenden
Strukturen vermieden werden muss.

Anhand von Einbränden auf eloxierten Aluminiumblechen wird der Abstand


der Fokussierlinse zur Arbeitsebene eingestellt. Zunächst wird die durch das
Laserstrahlmessgerät ermittelte Fokuslage auf die Bearbeitungsebene
eingestellt. Dann werden Einbrände unter Variation der Bearbeitungsebene in
200 µm - Schritten bei einer Scangeschwindigkeit von 100 mm/s und einer
Leistung von 20 W durchgeführt. Die Breite der Einbrände wird mit einem
Lichtmikroskop festgestellt (Bild 3-12).

Bild 3-12
Aufsicht: Einbrand 48 µm
auf eloxiertem Blech
zum Auffinden der
Fokuslage

100µm

Der Einbrand mit der kleinsten Breite stellt die Position des kleinsten
Fokusdurchmessers dar.

Herstellung von Knochenimplantaten aus


Titanwerkstoffen durch Laserformen
40
Aufbau von Mikrostrukturen

4 Aufbau von Mikrostrukturen

4.1 Motivation

Als Mikrostrukturen werden in den folgenden Unterkapiteln Strukturen


bezeichnet, die sich durch wiederkehrende geometrische Elemente in Bereichen
dEZ < 1 mm auszeichnen. Im Allgemeinen werden die Elemente vielfach und
räumlich aneinander gereiht (Bild 4-1).

Bild 4-1:
Beispiel einer aus
Einzelelementen
zusammengesetzten
Hohlstruktur

dEZ

Elementarzelle Hohlstruktur

Die Motivation zur Herstellung von Mikrostrukturen mit dem DLF-Verfahren


resultiert aus dem Bedarf nach einer Anpassung der mechanischen
Eigenschaften von lasttragenden Implantaten an die des umgebenden
Knochens. Die Gestaltung der Struktur bzw. seiner Elementarzellen ermöglicht
ein gezieltes Einstellen der mechanischer Eigenschaften wie Steifigkeit (E-
Modul, Schubmodul, Kompressionsmodul) und Festigkeit (Zugfestigkeit,
Dehngrenze). Vorrangig soll dadurch der Kraftfluss und damit der langfristige
Verbund zwischen Knochen und Implantat verbessert werden. Darüberhinaus
ergeben sich Perspektiven zur Deposition von Medikamenten oder Wirkstoffen
(z.B Antibiotika) innerhalb des Hohlvolumens der Struktur.

Mit der Entwicklung einer Prozeßführung für die Herstellung von


Mikrostrukturen werden die Grundlagen geschaffen, eine im Bauteilvolumen
ansetzende geometrische Modifikation auf metallische Implantate zu
übertragen. Dieser Ansatz ermöglicht, auch unter Beibehaltung einer äußeren

Herstellung von Knochenimplantaten aus


Titanwerkstoffen durch Laserformen
41
Aufbau von Mikrostrukturen

Form eines Implantates konstruktiv mechanisch-technologische Eigenschaften


zu modifizieren.

Dieser Modifikationsansatz wird zur Zeit in der Forschung auf Basis einer
rechnerischen (FEM) Optimierung der Strukturen genutzt. Bislang existiert kein
(alternatives) Fertigungsverfahren, durch das diese Strukturen aus metallischen
Werkstoffen gefertigt werden können. Das DLF-Verfahren zeigt auf dem Stand
der Technik Defizite hinsichtlich der minimal herstellbaren Strukturgröße (Bild
4-2).

Bild 4-2:
Elementarzelle dEZ=4mm Elementarzelle dEZ=1mm

Vergleich der Verschmelzen benach-


Gitterstrukturen mit barter Elementarzellen
oben:
dEZ = 1 mm

Elementarzellen getrennt;
unten: aber Schmelzfahnen
dEZ = 4 mm

Um die entstehende Gitter- bzw. Hohlstruktur für ein Einwachsen menschlichen


Gewebes, z.B. Knochen attraktiv zu gestalten, sollten die Hohlräume
Durchmesser von ca. 100-500 µm aufweisen [64] [65] [66] . Entsprechend
ergeben sich Elementarzellen einer Größe von ca. 300 µm – 1000 µm. Bild 4-2
oben zeigt, dass diese Elementgröße nicht mit bisheriger Prozesstechnik
hergestellt wird. Im Vergleich mit der Elementarzelle mit dEZ= 4 mm ( Bild 4-2
unten) ist die Geometrie verschmolzen. Zwischen den Elementarzellen befindet
sich versintertes Pulver. Es existieren keine pulverfreien Zwischenräume. Auch
bei der in Bild 4-2 unten gezeigten Elementarzelle existieren Defizite in Form
von Schmelzfahnen. Auch dies stellt eine zu vermeidende Verzerrung der
Geometrie dar.

Herstellung von Knochenimplantaten aus


Titanwerkstoffen durch Laserformen
42
Aufbau von Mikrostrukturen

Ziel der nachfolgend beschriebenen Entwicklung ist daher, die Grundlagen zu


schaffen, um dem Konstrukteur Rahmenbedingungen für die
fertigungstechnische Umsetzung seiner Strukturen zu geben. Dies beinhaltet
die:

• Reduzierung und Bestimmung der minimalen Größe der herstellbaren


Strukturen

• Verbesserung und Bestimmung der Form- und Maßgenauigkeit für


exemplarische, einfache Strukturelemente wie Balken, Säulen, Bohrungen

Das Vorgehen konzentriert sich auf die nachfolgenden Zielkriterien und


entsprechende Zuordnungen, die als Teilaspekte bei der Entwicklung einer
Prozeßführung zur Herstellung von Mikrostrukturen berücksichtigt werden:

Ziel Zuordnung Bezug

Aufbau von Volumen mit einer Dichte r > Bauteilkernbereich (Hatches): Kap. 4.2
99,5% Auffinden eines
Parameterbereiches zur Herstellung
von dichtem Volumen (r > 99,5%)

Aufbau von Einzelspuren/Stegen/ Konturen mit Bauteilrandbereich, filigrane Kap.4.3.1


minimaler Schmelzbreite b < 100 µm Bauteilstrukturen, die keine
Hatches aufweisen

Verbesserung der Präzision von 2D-Strukturen Scanner- und Lasersteuerung Kap.4.3.3


durch Anpassung der Delay-Steuerung
Belichtung von beliebigen Kap.4.3.3
Bestimmung und Verbesserung der Form- und Geometrien innerhalb einer Schicht
Massgenauigkeit von 2D-Strukturen (2D)

Aufbau von 3D-Geometrieelementen: Räumliche Basiselemente wie Kap.4.3.6


Säulen, Bohrungen etc.
Bestimmung und Verbesserung der Form- und
Massgenauigkeit von 3D-Strukturen
Tabelle 4-1: Kriterien bei der Entwicklung einer Prozeßführung zur Herstellung von Mikrostrukturen

4.2 Aufbau von Volumen

Mit dem Ziel, Bauteile mit einer Dichte > 99,5 % zu erreichen, werden
Versuche zur Bestimmung der erforderlichen Laserleistung PL,
Scangeschwindigkeit vScan und Scanvektorlänge dSVL bei unterschiedlichen
Schichtdicken DS durchgeführt. Als Werkstoff wird Reintitan GrII mit
Pulverkornverteilungen von dP= 25-45 µm verwendet. Der Strahldurchmesser

Herstellung von Knochenimplantaten aus


Titanwerkstoffen durch Laserformen
43
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Ruhetal

Wann im letzten Abendstrahl


Goldne Wolkenberge steigen
Und wie Alpen sich erzeigen,
Frag ich oft mit Tränen:
»Liegt wohl zwischen jenen
Mein ersehntes Ruhetal?«

Ludwig Uhland
Der Abendfriede

Von Disteldolden tropft der Tau,


Die Wiese schwimmt in Nebelgrau,
Und zitternd über die Blumenflur
Wellt schrill der Schlag der Klosteruhr …

Schwül weht des Abends feuchter Hauch,


Schwer überm Moore liegts wie Hauch
So fahl und grau, – und her und hin
Glimmt’s wie ein Lämplein goldig drin …

Und über Moor und Wiesenrain


Zieht stumm ein Mann im Heiligenschein:
Ein Klostermännlein, grau und krumm,
Ein Heiliger geht im Felde herum …

Sein Lämplein schwingt er dann und wann,


Summt übers Korn den Friedensbann –
Dünn klingt und schrill die Klosteruhr …
Ein Leuchtwurm zieht die goldne Spur …

Hans Benzmann
Abend

Wir stehn und schaun und sprechen kein Wort –


Der Abend zerflattert auf dunklen Wiesen.
Strenge Schatten kommen vom Torf,
Steigen als stumme Riesen
Über die Schollen behutsam fort
Ins Dorf. –

Wilhelm von Scholz


Meeresabend

Sie hat den ganzen Tag getobt


Als wie in Zorn und Pein,
Nun bettet sich, nun glättet sich
Die See und schlummert ein.

Und drüber zittert der Abendwind,


Ein mildes, heiliges Wehn,
Das ist der Atem Gottes,
Der schwebet ob den Seen.

Es küßt der Herr aufs Lockenhaupt


Die schlummernde See gelind
Und spricht mit säuselndem Segen:
»Schlaf ruhig, liebes Kind!«

Moritz von Strachwitz


Ein Tageslauf

Sitz ich sinnend, Haupt in Hand gestützt;


Schöner Tag, hab ich dich recht genützt?

Einen Kuß auf meines Weibes Mund,


Liebesgruß in früher Morgenstund.

Sorg ums Brot in treuer Tätigkeit,


Offnes Wort in scharfem Männerstreit.

Einen guten Becher froh geleert,


Kräftig einem argen Wunsch gewehrt.

Leuchtend kommt aus ewigem Sternenraum


Noch zuletzt ein seliger Dichtertraum.

Sinnend sitz ich, Haupt in Hand gestützt:


Schöner Tag, ich hab dich ausgenützt.

Gustav Falke
Am Abend

Sinkt der Tag in Abendgluten,


Schwimmt das Tal in Nebelfluten.

Heimlich aus der Himmelsferne


Blinken schon die goldnen Sterne.

Flieg zu Nest und schwimm zum Hafen!


Gute Nacht! Die Welt will schlafen!

Heinrich Seidel
Abendlandschaft

Der Hirt bläst seine Weise,


Von fern ein Schuß noch fällt,
Die Wälder rauschen leise
Und Ströme tief im Feld.

Nur hinter jenem Hügel


Noch spielt der Abendschein –
O hätt ich, hätt ich Flügel,
Zu fliegen da hinein!

Joseph von Eichendorff


Abendstille

Abendstille, weich und warm,


Kaum ein Hauch zu spüren,
Stehn die Mädchen Arm in Arm
Plaudernd vor den Türen.

Fliegt das Mäulchen noch so spät


Sonder Rast und Maßen,
Horchen, wie der Wagen geht
Durch die stillen Straßen.

Kläfft der Spitz den Rädern zu,


Die gemach entschwinden,
Süße, sanfte Sommerruh
Sinkt ins Laub der Linden.
Nur ein ferner Burschensang
Tönt noch hin und wieder,
Alles lauscht dem Heimatklang
Der gewohnten Lieder.

Lauscht und sieht im Strahlenkleid


Erste Sterne glänzen,
Und die Seele wandert weit
Ohne Ziel und Grenzen.

Carl Busse
Abendlieder
I.

Die Sonne, die breite behäbige Frau,


Schon rüstet sie sich zur Nacht.
Die Goldsträhnen läßt durch den Himmel sie wehn,
Hat’s Purpurkleid aufgemacht.

Doch unten im Abend ein grauliches Tier,


Ein Drache rührt sich und ruckt.
Den zackigen Rücken drängt er empor –
Frau Sonne, o weh, ist verschluckt.

Der Lurch, was grummelt und grollt er denn?


Er krümmt sich, er bäumt sich, er klafft:
Frau Sonne durchstach ihn von innen her,
Strahlt wieder in glühender Kraft.

Hans Böhm

II.

Der Wächter tutet in sein Horn,


Und stille sind die Straßen;
Vor unserm Fenster nur der Born
Kann nicht vom Plaudern lassen.
Wir wollen schlafen gehn.

Die Lichter löschen langsam aus,


Schwarz hängt die Nacht hernieder;
Der Schlummer geht von Haus zu Haus
Und schließt die Augenlider.
Wir wollen schlafen gehn.

Die Uhr schlägt zehn, die Welt schlief ein.


Die Winde gehen müde.
Vom Himmel glänzt der Sterne Schein.
Kehr auch in unsre Herzen ein,
Du stiller Sternenfriede!
Wir wollen schlafen gehn.

Albert Sergel
III.

Augen, meine lieben Fensterlein,


Gebt mir schon so lange holden Schein,
Lasset freundlich Bild um Bild herein:
Einmal werdet ihr verdunkelt sein!

Fallen einst die müden Lider zu,


Löscht ihr aus, dann hat die Seele Ruh;
Tastend streift sie ab die Wanderschuh,
Legt sich auch in ihre finstre Truh.

Noch zwei Fünklein sieht sie glimmend stehn


Wie zwei Sternlein, innerlich zu sehn,
Bis sie schwanken und dann auch vergehn,
Wie von eines Falters Fügelwehn.

Doch noch wandl’ ich auf dem Abendfeld,


Nur dem sinkenden Gestirn gesellt;
Trinkt, o Augen, was die Wimper hält,
Von dem goldnen Überfluß der Welt!

Gottfried Keller
Abendlied

Die Nacht ist niedergegangen,


Die schwarzen Schleier hangen
Nun über Busch und Haus.
Leis rauscht es in den Buchen.
Die letzten Winde suchen
Die vollsten Wipfel sich zum Neste aus.

Noch einmal leis ein Wehen,


Dann bleibt der Atem stehen
Der müden, müden Welt.
Nur noch ein zages Beben
Fühl durch die Nacht ich schweben,
Auf die der Friede seine Hände hält.

Otto Julius Bierbaum


Ein geistlich Abendlied

Es ist so still geworden,


Verrauscht des Abends Wehn,
Nun hört man allerorten
Der Engel Füße gehn.
Rings in die Tale senket
Sich Finsternis mit Macht –
Wirf ab, Herz, was dich kränket
Und was dir bange macht.

Es ruht die Welt im Schweigen,


Ihr Tosen ist vorbei,
Stumm ihrer Freude Reigen
Und stumm ihr Schmerzensschrei.
Hat Rosen sie geschenket,
Hat Dornen sie gebracht –
Wirf ab, Herz, was dich kränket
Und was dir bange macht!

Und hast du heut gefehlet,


O schaue nicht zurück;
Empfinde dich beseelet
Von freier Gnade Glück.
Auch des Verirrten denket
Der Hirt auf hoher Wacht –
Wirf ab, Herz, was dich kränket
Und was dir bange macht!

Nun stehn im Himmelskreise


Die Stern’ in Majestät;
In gleichem festem Gleise
Der goldne Wagen geht.
Und gleich den Sternen lenket
Er deinen Weg zur Nacht –
Wirf ab, Herz, was dich kränket
Und was dir bange macht!

Gottfried Kinkel
Wanderers Nachtlied

Der du von dem Himmel bist,


Alles Leid und Schmerzen stillest,
Den, der doppelt elend ist,
Doppelt mit Erquickung füllest,
Ach, ich bin des Treibens müde!
Was soll all der Schmerz und Lust?
Süßer Friede,
Komm, ach komm in meine Brust!

Wolfgang von Goethe


Manche Nacht

Wenn die Felder sich verdunkeln,


Fühl ich, wird mein Auge heller;
Schon versucht ein Stern zu funkeln,
Und die Grillen klingen schneller.

Jeder Laut wird bilderreicher,


Das Gewohnte sonderbarer,
Hinterm Wald der Himmel bleicher,
Jeder Wipfel hebt sich klarer.

Und du merkst es nicht im Schreiten,


Wie das Licht verhundertfältigt
Sich entringt den Dunkelheiten,
Plötzlich stehst du überwältigt.

Richard Dehmel
Die tröstende Nacht

O Nacht – du treue Trösterin!


Wenn ich auf meinem Lager zage,
So schwebst du vor das Fenster hin
Und hörst geduldig meine Klage.
Und wenn ins Kissen ich mit Stöhnen
Mein tränend Angesicht verhülle,
Hör ich auf einmal eine Fülle
Von Wohllaut mir zu Herzen tönen:

»Getrost, getrost! Ich bin ja hier!


Will dich nach jedem Tage heilen
Und werde kommen einst zu dir,
Um immerdar bei dir zu weilen.
Dann ruhst du, selig vom Vergessen
Durchschauert, fern von Tagesrauschen
Und magst dem sanften Liede lauschen,
Das Winde harfen in Zypressen.«

Bruno Wille
Nachtgefühl

O stille Nacht, o Nacht der Stille,


Zur Ruh gebracht der ganze Wille –
Zum Schlaf bereit das Herz voll Sorgen;
O schöne Zeit bis an den Morgen!

Martin Greif

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