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Fakultät für Humanwissenschaften

Institut für Sonderpädagogik


Lehrstuhl für Sonderpädagogik II / Körperbehindertenpädagogik
Aspekte der Erwachsenenbildung und des Alters (06-I-SoErw-1-S1)
Tanja Pesamosca

Aspekte der Erwachsenenbildung


und des Alters
(06-I-SoErw-1-S1)

Auf der Suche nach einem veränderten


Bildungsbegriff

Seminar im SS 2020
Montags 16:00 – 18:00 Uhr
Webinar
Bildung für alle
Ist das möglich?
Bildung für alle

(Abb. 1)

Wie ist das möglich?


Was ist Bildung?
Was ist Bildung?
nach einem
veränderten Bildungsbegriff
Mit Ursula Stinkes
Bildung für alle
Auch für Menschen mit schwerer mehrfacher Behinderung

Jeder Mensch hat ein Recht auf Bildung!


Menschenbild des Neuhumanismus
„Das Aufwachsen des Menschen wird als Zunahme von Wissen,
Kenntnissen, Fähigkeiten aufgefaßt.“
(Stinkes 1999, 75)

„Der Lebenssinn des einzelnen Menschen ergibt sich aus seinem


angehäuften Wissen.“
(Stinkes 1999, 75)

Ursula Stinkes

„Eine ‚Bildung für alle‘ ohne Ausschluß erfordert einen Bildungsbegriff,


der ein menschenmögliches Bildungsideal präferiert.“
(Stinkes 1999, 74)
Die Diskussion um „Bildung“
Nach dem 2. WK versuchten Mühl, Vetter, Bernart, Bergmann uvm. eine
kritische Auseinandersetzung mit der Irrlehre der Bildungsunfähigkeit
 den Text dazu haben Sie in der letzten Sitzung erhalten.

F r g e
Stinkes ist der Meinung: Sie musstenascheitern!: ???
i b t d i e ch sei n
E s b le
„Da sie die Legitimation der Bildungsfähigkeit
m ö g l i
aus dem Theoriegebäude
der Regelpädagogik zogen […].“
g f ü le“ 1999, 76)
ür al(Stinkes
„Bi l d un
k an n
ie „Statt von Bildung ist nun von Lernen, Kommunikation usw. die
Realitische W
Wende:
(1962) Rede. Die Diskussion um die Bildung von Menschen mit (schwerer)
geistiger Behinderung versiegte und Erziehung, Förderung bzw.
Kommunikation wurden thematisiert.“ (Stinkes 1999, 77)
Einbezug der Leiblichkeit
Mit Blick auf das Thema der Erwachsenenbildung fragt Ursula
Stinkes (2008, 82) sich:
„Wie ist sie denn nun zu verstehen, die Bildung für erwachsene
Menschen mit komplexer Behinderung?“

Nach Stinkes (2008, 82) nimmt die sehr heterogene Personengruppen


von Menschen mit Behinderungen einen „seltsamen Zwischenraum“
in der Diskussion um Bildung ein:
Entweder als „Vergessene“ der Bildung
Oder „besonders Bedachte“ der Bildung

 Lesen Sie sich dazu die beiden Lebensskizzen von


Herr M. & Frau B. durch!
Einbezug der Leiblichkeit

„Der Mensch steht nicht nur der Welt gegenüber, er ist Teil der
Welt, die ihn umgibt, er ist mit der Welt verwoben, verstrickt
und ihr auch unterlegen.“
(Stinkes 1999, 76)
Einbezug der Leiblichkeit
„Frau L. trägt Anne […] behutsam in die teilweise mit Wasser gefüllte Badewanne. Sie
begleitet ihr Tun sprachlich, sie hält Anne fest in den Armen, beide Körper berühren
B sich, ihre Blicke treffen sich bis Frau L. Anne in die Badewanne gleiten läßt. Anne lacht.
Frau L. summt leise, platscht ein wenig mit den Händen im Wasser und läßt
Wassertropfen auf Annes Körper fallen. „Heute baden wir wieder und rieche einmal an
E
dem Shampoo, magst du es?“ fragt sie, während sie Anne das Shampoo vorsichtig
unter die Nase hält. Anne lacht, Frau L. berührt ihren Kopf und wäscht ihr Haar sehr
I sanft und langsam. „Jetzt hast du einen Schaumhut“ sagt sie lachend. Annes Hände
S wäscht sie vorsichtig mit einem Waschlappen, ihre Arme, ihren Bauch und ihre Beine.
Anne entspannt sich zunehmend, ihr Spasmus läßt nach und sich versucht, gezielt den
Waschlappen oder Schwamm zu ergreifen. Ein kleines Spiel zwischen Frau L. und
P
Anne entsteht, wobei Anne ihre kleinen Hände bis zum Kopf führt. Frau L. ist begeistert
von diesem Tun und steckt Anne mit ihrer Begeisterung geradezu an, so daß diese
I auch ihre Beine und Füße zu bewegen beginnt. Als Frau L. Anne sanft den Schwamm
in die Hand drückt, hält diese inne, denn ohne Handführung hat sie selbst noch keine
E Aktivitäten mit dem Schwamm gezeigt. Sie hält den Schwamm einige Zeit und man
sieht förmlich ihre Verwunderung ob dieses Gefühls. Nach kurzer Zeit läßt Anne den
Schwamm wieder los. Frau L. gibt ihn ihr wieder, Anne läßt los – ein ‚Spiel‘ entsteht,
L das seine Fortsetzung sucht. Fast ausgelassen ergreift Frau L. den Schwamm und sagt
zu Anne „jetzt platscht er auf deinen Kopf, er platscht auf deinen Kopf, paß auf….“ und
Anne lacht, schließt die Augen und indem Frau L. laut „jetzt“ sagt, platscht der
Schwamm auf Annes Kopf.“
(Stinkes 1999, 78)
Einbezug der Leiblichkeit
„Pädagogisches Handeln steht in der widersprüchlichen
Situation, etwas initiieren zu müssen, das unmöglich zu
initiieren ist und erst in der gemeinsam geteilten Situation als
‚Drittes‘ im Sinne der Bildung entsteht.“
(Stinkes 1999, 79)

Veränderter Bildungsbegriff:
Bildungsbegriff
Am Beginn der Bildung steht die Intersubjektivität „als ein gemeinsam
geteilter Lebenszusammenhang“.
(Stinkes 1999, 79)
Einbezug der Leiblichkeit
„Bildung als Selbstgestaltung kann nicht länger einen Akt der
Selbstreflexion meinen, sondern versteht darunter einen
gemeinsam-geteilten, inter-subjektiven
Lebenszusammenhang.“
(Stinkes 1999, 73)

„Bildung heißt […] ‚Antworten‘.“


(Stinkes 2008, 101)
nach einem
veränderten Bildungsbegriff
Ursula Stinkes:
„Ein zukunftsfähiges Bildungskonzept begnügt sich damit, Menschen aller
Altersstufen, aller Begabungen und unterschiedlichster kultureller und
sozialer Prägungen Möglichkeiten zu bieten, dass sie sich zu sich und den
Verhältnissen, in denen sie leben, kritisch verhalten können.“ (Stinkes 2008, 102)
Pädagogischer Auftrag
 Dinge zu finden, die die Menschen mit Behinderung
erreichen, provozieren und auffordern sich zu verhalten:
„Das heißt, der Mensch wird genötigt, sich zu sich selbst im Kontext
einer Welt der Anforderungen zu verhalten […].“ (Stinkes 2008, 100)
Bildung als die Antwort auf die Not & Nötigung sein Leben zu führen.

 Vorsicht: Pädagog*innen haben Macht inne


 Gefahr des Machtmissbrauchs! (vgl. Stinkes 2008, 99)
Pädagoge hat Verantwortung die „Verletzbarkeit“ des
Gegenübers in besonderer Weise zu achten!

Pädagog*innen hätten sich daher zu fragen, ob die Art ihres Verhaltens & Handelns, die spezielle
pädagogische Situation als Bedingung des Verhaltens und Handelns des Menschen mit komplexer
Behinderung gelten kann und ob sie dies in einer vergleichbaren Situation für sich akzeptieren würden.
„Erwachsene Frauen und Männer mit Behinderungen
benötigen keinen ‚eigenen‘ Bildungsbegriff!“
Sie benötigen „bildende Verhältnisse, die ihnen Bedingungen
zur Bildung als Selbstgestaltung […] garantieren.“
(Stinkes 2008, 104)
Diskussion

 Was halten Sie von den veränderten „neuen Bildungsbegriff“ nach


Stinkes?
 Ist so Bildung für alle möglich?
 Was bedeutet dieser Bildungsbegriff für Menschen ohne Behinderung?
Dann können Sie diese gerne im
RocketChat stellen 
Quellenverzeichnis
Literaturquellen
• Stinkes, Ursula (1999): Auf der Suche nach einem veränderten Bildungsbegriff. In:
Behinderte in Familie, Schule und Gesellschaft. Nr. 3/99. S. 73-81. Graz.
• Stinkes, Ursula (2008): Bildung als Antwort auf die Not und Nötigung, sein Leben zu führen.
In: Fornefeld, Barbara (Hrsg.): Menschen mit komplexer Behinderung. Selbstverständnis und
Aufgaben der Behindertenpädagogik. S. 82-107. München.

Internetquellen
• Youtube (2020): Was ist Bildung? Online veröffentlicht unter:
https://www.youtube.com/watch?v=kAzOMrlpYCQ. Zuletzt aufgerufen am 11.05.2020
um 08:14 Uhr.
Abbildungsverzeichnis
• Abb.1: DasErste.de (2019): ARD-Themenwoche 2019: Zukunft Bildung. Online
veröffentlicht unter: https://www.daserste.de/specials/ueber-uns/themenwoche-2019-
bildung-100.html. Zuletzt aufgerufen am 10.05.2020 um 08:49 Uhr.

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