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Tragödie und Komödie im

18. Jahrhundert
Teil 2: Die (bürgerliche) Komödie während der Zeit der Aufklärung und
des Sturm-und-Drang
Die Komödie als szenische Form des
Komischen
• Das Komische äußert sich sowohl szenisch als auch
als Verhaltensweise: „Man muss sich darüber einig
sein, dass es unmöglich ist in der Welt zu leben
ohne ab und an Komödie zu spielen.“ (Chamfort)
• Das Spielerische der Komödie ist aus den frühesten
Zeiten erkennbar: eg. Dionysische Feste, darin die
Komödie eine Übergangsform zwischen Tragödie
und Alltagserfahrung darstellt ( Marian Popa,
Comicologia, S.412ff)
• Die Komödie ist ein Spiel der Leidenschaften mit Interesse
an der sozialen Wirklichkeit, sie ist eine Literarisierung des
Spiels, die sich in der Theaterinszenierung verkörpert.
• Ursprünglich ist die Komödie an die Festspiele am Ende der
Weinlese geknüpft: der Comos
• Die frühe altgriechische Komödie versteht sich als kritisch-
satirisches Instrument. Sie greift authentische Tatsachen
und Personen auf und greift diese auch an.
• Sozial-politischer Charakter.
• Schauplatz: die Öffentlichkeit (Straße).
• Die Komödie übt Zensur in Bezug auf das Fehlverhalten der
Gesellschaft.
• Die Komödie verbindet allgemeine Themen des Alltags mit
mythischen Themen.
• Später verlagert sich die Komödie in das Private, sie beruht auf
Invention (Nachahmung) und betont die Lösung von nicht so
dramatischen Konflikten.
Die Komödie bei Aristoteles
• Komödie bei Aristoteles ist „Nachahmung von Gemeinerem, aber
nicht in bezug auf jede Art von Schlechtigkeit, sondern nur des
Lächerlichen, das ein Teil des Häßlichen ist. Das Lächerliche ist
nämlich ein Fehler und eine Schande, aber eine solche, die nicht
schmerzt und nicht verletzt, so wie etwa eine lächerliche Maske
häßlich ist und verzerrt, aber ohne Schmerz.“ (Aristoteles, Poetik, S.
29)
• Annäherung der Komödie an den Bereich des
Niederen im Sinne von Alltäglichem, Vulgärem oder
Privatem
• Das komödiantische Spiel der Griechen beruht auf
Mimik, Tanz, Rezitativ und Musik und nutzt
Kostüme mit viel Schminke
• 4 stereotype Figuren: Maccus (der Gauner), Bucco
(der Lebemann), Pappus (der alte Geizkragen) und
Dossenus (der bucklige Bösewicht). Später kommt
der Sannio (der Clown) dazu.
Anfänge der deutschen Komödie
• das komische Spiel ist schon aus dem 14. Jh. bekannt, und zwar
als Interludiem in geistlichen Spielen:
• Vor allem in den Osterspielen entwickelten sich Szenen wie der
Wettlauf zum Grab und der Salbenkauf zu selbstständigen
komischen Stücken.
• Wegen ihres weltlichen Charakters wurden sie aus der Kirche
verbannt.
• Ihre Komik bezog sich primär auf Bereiche des Körpers und des
Materiellen: Missgestalt oder anatomische Abnormität, das
Fressen und Saufen, Vorgänge der
Verdauung und der Sexualität, sowie Geldgier waren beliebte
Motive.
• Das Fastnachtsspiel: Aus einer Reihe loser Szenen
entwickelte Hans Sachs (1494-1576) ein
Handlungsspiel (Der fahrende Schüler im Paradeis)
und legte damit das Modell vor, das für die
Komödie der Folgezeit konstitutiv wurde.
• Das Schuldrama der Reformation vernachlässigt das
Komische zugunsten der Satire.
• Entscheidende Impulse bekommt die deutsche
Komödie ab der zweiten Hälfte des 16. Jh. von der
Commedia dell'Arte und dem englischen
Wandertheater.
• Improvisation: Beruht auf dem kreativen und
performativen Einsatz des ganzen Körpers und aller
Ausdrucksmöglichkeiten des Schauspielers, wenn er
die unterschiedlichsten Situationen auf der Bühne
darstellt.
• Improvisation beruht auf der Fähigkeit des Spielers
auf Situaationen und auf andere Spieler zu
reagieren.
Bühne der Commedia dell’arte
mit dem Harlekin
• Die Commedia dell’Arte entstand vermutlich in
Norditalien, wo im Rahmen von Akrobaten-, Tanz-
und Gesangsvorstellungen Farcen zur Aufführung
kamen.
• Das Ensemble der Commedia dell’arte bestand für
gewöhnlich aus sechs bis zwölf Schauspielern.
• Ihr Figurenrepertoire war streng festgelegt.
• In der Commedia dell'arte war alles andere pure
Freiheit. Ohne den lebendigen, wendigen
Schauspielertypus ist sie undenkbar.
• Diese Schauspieler „sind boshaft durch und durch und geistreich bis in
die Fingerspitzen. Sie sind gleichzeitig Mimen, Akrobaten, Tänzer,
Musiker und Komödianten. Und sie sind Dichter. Denn man muss es
heraussagen: Sie sind es, die das Stück verfassen, sie erfinden es selbst
nach Maßgabe ihrer Einbildungskraft, sie improvisieren es in aller Eile
und auf der Stelle, wie ihnen die Eingebung kommt. Sie sind keine
schülerhaften Nachbeter, die eine mit ihrem Lehrer gelernte Lektion
herstottern. Sie sind kein Echo, das nie aus sich herausspricht, ohne dass
ein anderer vor ihm gesprochen hat. Sie sind keine Marionetten, die sich
vor der Rampe reihenweise aufstellen und nur auf ihr Stichwort warten,
um ihr Sprüchlein herzusagen. Sie sind voll Ungeduld, voll
Einbildungskraft, kurz, sie haben den Teufel im Leib. Sie sind die
wunderbaren Künstler des Lachens. Sie sind die Spender der goldenen,
göttlichen Heiterkeit. Sie sind die Diener der Improvisation. (Philipp
Monnier: „Venedig im 18. Jahrhundert” (1928)
Arlecchino: „Wenn Sie meine Eingeweide zu
Blutwurst machen wollen, so warten Sie bitte, bis ich
etwas fetter geworden bin.“
• Clownartige Schminke
• Musik und Gesang (Buffo - Opern und Singspiele;
Vaudeville)
• Im 19. und 20. Jahrhundert nahmen u. a. Franz
Grillparzer, Hugo von Hofmannsthal und Luigi
Pirandello auf das italienische Stegreiftheater
Bezug.
• Auch die Slapstickfilme Charlie Chaplins wurden,
ebenso wie das absurde Theater (Beckett, Ionesco),
von der Commedia dell’arte beeinflusst.
Die deutsche Komödie
in der Lessingzeit
• Die Komödie findet ihren Ausgangspunkt in der
natürlichen Schlechtigkeit des Menschen, da
menschliche Fehler/Schwächen keine Furcht
erregen, sondern belächelt werden.
• Lachkomödie, weinerliche oder ernste Komödie. In
der Abhandlung von dem weinerlichen oder
rührenden Lustspiele (1754) verteidigt Lessing eine
neue Gattung der dramatischen Dichtkunst seiner
Zeit gegenüber der klassizistischen Comédie
larmoyante.
Die comédie larmoyante

• Comedie larmoyante (französisch: weinerliche


Komödie), ursprünglich spöttisch gemeinte
Bezeichnung für eine sentimentale Variante der
Tragikomödie zur Zeit des französischen
Klassizismus in der ersten Hälfte des
18. Jahrhunderts.
• Die comédie larmoyante verfolgt mit der Lösung
aller Intrigen und dem Sieg der Tugenden am Ende
ein pädagogisches Ziel.
Entwicklung unter französischem Einfluss
• In Deutschland war die comédie larmoyante direktes
Vorbild für das weinerliche Lustspiel (dies eine
Übersetzung Gotthold Ephraim Lessings), wie es
zuerst vor allem von Christian Fürchtegott Gellert
verfasst wurde.
• Die frühe deutsche Komödie verfasst von J. Chr.
Gottsched, die Gottschedin, Christlob Mylius, Joh. E.
Schlegel);
• In der Variante des Rührstückes (Chr. F. Gellert, G. E.
Lessing, J. E. Schlegel);
• G. E. Lessing spricht von dem rührenden Lustspiel
Lessing und die Komödie

• Lessing strebt eine deutliche Aufwertung der Komödie an: Er meint,


dass das Possenspiel zum Lachen bewegen will und das weinerliche
Lustspiel rühren, die echte Komödie muss beides tun.
• „Die wahre Komödie allein ist für das Volk und allein fähig, einen
allgemeinen Beifall zu erlangen und folglich auch einen allgemeinen
Nutzen zu stiften.“ (Lessing)
• Lessing distanziert sich von Gottscheds Auffassung von der
Komödie, der sie als „Nachahmung einer lasterhaften
Handlung, die durch ihr lächerliches Wesen den Zuschauer
belustigen, aber auch zugleich erbauen kann“ (Versuch einer
critischen Dichtkunst. Wissenschaftliche Buchgesellschaft,
Darmstadt, 1977. §13, S. 643) definiert hatte.
• Für Lessing will „die Komödie durch lachen verbessern, nicht
verlachen.[...] ihr [der Komödie] wahrer allgemeiner Nutzen
liegt in dem Lachen selbst; in der Übung unserer Fähigkeit,
das Lächerliche zu bemerken.“
• „[...] in der Komödie sind die Charaktere das Hauptwerk, die
Situationen aber nur die Mittel, jene sich äußern zu lassen
und ins Spiel zu setzen.“
Lessing über die Komödie: aus dem 29. Stück
der „Hamburgischen Dramaturgie“
„Wenn es also wahr ist, daß die ganze Kunst des tragischen
Dichtens auf die sichere Erregung und Dauer des einigen
Mitleidens geht, so sage ich nunmehr, die Fähigkeit der
Tragödie ist diese: sie soll unsere Fähigkeit, Mitleid zu
fühlen, erweitern. Sie soll uns nicht bloss lehren, gegen
diesen oder jenen Unglücklichen Mitleid zu fühlen, sondern
sie soll uns so weit fühlbar machen, daß uns der
Unglückliche zu allen Zeiten, und unter allen Gestalten,
rühren und für sich einnehmen muß. Und nun berufe ich
mich auf einen Satz, den Ihnen Herr Moses vorläufig
demonstriren mag, wenn Sie, Ihrem eignen Gefühl zum
Trotz, daran zweifeln wollen. Der mitleidigste Mensch ist der
beste Mensch, zu allen gesellschaftlichen Tugenden, zu allen
Arten der Großmuth der aufgelegteste.
Wer uns also mitleidig macht, macht uns besser und
tugendhafter, und das Trauerspiel, das jenes thut, thut auch
dieses, oder – es thut jenes, um dieses thun zu können.
Bitten Sie es dem Aristoteles ab, oder widerlegen Sie mich.
Auf gleiche Weise verfahre ich mit der Komödie. Sie soll
uns zur Fertigkeit verhelfen, alle Arten des Lächerlichen
leicht wahrzunehmen. Wer diese Fertigkeit besitzt, wird in
seinem Betragen alle Arten des Lächerlichen zu vermeiden
suchen, und eben dadurch der wohlerzogenste und
gesittetste Mensch werden. Und so ist auch die Nützlichkeit
der Komödie gerettet."
„Die Komödie will durch Lachen bessern; aber nicht eben
durch Verlachen; nicht gerade diejenigen Unarten, über die
sie zu lachen macht, noch weniger bloß und allein die, an
welchen sich diese lächerlichen Unarten finden. Ihr wahrer
allgemeiner Nutzen liegt in dem Lachen selbst; in der Übung
unserer Fähigkeit das Lächerliche zu bemerken; es unter
allen Bemäntelungen der Leidenschaft und der Mode, es in
allen Vermischungen mit noch schlimmern oder mit guten
Eigenschaften, sogar in den Runzeln des feierlichen Ernstes,
leicht und geschwindt zu bemerken. Zugegeben, dass der
„Geizige" des Molière nie einen Geizigen, der „Spieler" des
Regnard nie einen Spieler gebessert habe; eingeräumt, dass
das Lachen diese Toren gar nicht bessern könne: desto
schlimmer fur sie, aber nicht für die Komödie.
Ihr ist genug, wenn sie keine verzweifelten
Krankheiten heilen kann, die Gesunden in ihrer
Gesundheit zu befestigen. Auch dem Freigebigen ist
der Geizige lehrreich; auch dem, der gar nicht spielt,
ist der Spieler unterrichtend; die Torheiten, die sie
nicht haben, haben andere, mit welchen sie leben
müssen; es ist ersprießlich, diejenigen zu kennen,
mit welchen man in Kollision kommen kann;
ersprießlich, sich wider alle Eindrucke des Beispiels
zu verwahren. Ein Präservativ ist auch eine
schätzbare Arzenei; und die ganze Moral hat kein
kräftigers, wirksamers, als das Lächerliche.“
Das Konzept der Tragikomödie

• Verbindet das Komische mit dem Tragischen: das


Komische ist aus einer tragischen Perspektive
gesehen und ungekehrt.
• Das Prinzip der Tragikomödie beruht auf Identität
der Gegensätze und auf Relativität/Relativierung
• Früheste Beispiele dieser Mischform: Ferdinandus
servatus (1492) von Verardi; Tragicocomoedia de
Hierosolomitana Profectione (1501)
• bei Shakespeare: die dark comedy
• Dryden sieht diese Mischung als eine der
absurdesten im englischen Theater an: Die
Abwechslung von heiterer und trauriger Handlung,
von Duellen u.a. zeigt einem innerhalb von zwei
einhalb Stunden alle „Anfälle eines Irrenhauses“
• Die Sturm-und-Drang Zeit favorisiert diese
zweideutige Form auf Grund des gesellschaftlich
orientierten Interesses und der satirisch kritischen
Absicht der Autoren
Einige Beispiele

• G. E. Lessing: Minna von Barnhelm


• Jakob Michael Reinhold Lenz: Die Soldaten; Der Hofmeister;
Pandaemonium Germanicum
• Leopold Wagner: Die Kindesmörderin
• Goethe: Der Urfaust

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