Sie sind auf Seite 1von 4

Dramentheorie – Franziska Schößler

Im Drama fehlt damit die Erzählfunktion, und die Geschehnisse ergeben sich unmittelbar
aus den (sprachlichen) Interaktionen der Figuren.

Inneres und äußeres Kommunikationssystem

Zwei Bedeutungsebenen: Der Verzicht auf eine vermittelnde Instanz führt dazu, dass sich
die Geschehnisse auf der Bühne vom Publikum klar abgrenzen. Ein inneres
Kommunikationssystem (zwischen den Figuren) steht neben einem äußeren
Kommunikationssystem (zwischen Bühne und Publikum).

•Der Haupttext ist Ort des Verbalen, also der sprachlichen Zeichen.

•Der Nebentext ist Ort der non-verbalen Zeichen (Kostüme, Gestik, Raum etc.), die im
Dramentext allerdings versprachlicht werden.

Das Drama kann diese Grenzziehung jedoch überschreiten und auch im Haupttext, in der
Rede der Figuren, auf die non-verbale Zeichenebene aufmerksam machen.

Unter indirekter Regianweisung versteht man den Hinweis auf non-verbale Zeichen
innerhalb der Figurenrede. Das nicht-sprachliche Geschehen wird in den Dialog integriert
und die außersprachliche Situation auf diese Weise konkretisiert.

Die Rampe: Die oben gegebene Minimaldefinition legt darüber hinaus nahe, dass zwischen
der spielenden Person A/X und dem Zuschauer B ein Abstand besteht, denn ein Beobachter
befindet sich in einer räumlichen Distanz zu den Ereignissen. Dieser Abstand lässt sich als
Rampe bezeichnen, die das Bühnengeschehen vom Publikum abtrennt. Für die historischen
Theaterformen ist von hoher Aussagekraft, welche Funktion der Rampe zukommt.

•Sie kann unüberschreitbar sein und die Bühne vom Publikum abtrennen.

•Sie kann überspielt, also aufgehoben werden.

•Sie kann nicht existent sein wie bei Performances, in denen Zuschauer/ innen zu
teilnehmenden Akteur/innen werden.

Das Theatergeschehen ist grundsätzlich ein plurimediales Ereignis, denn es kombiniert


Informationen, die mithilfe von unterschiedlichen Wahrnehmungsorganen entziffert
werden, vor allem durch das Ohr und das Auge, zuweilen auch durch den Tast-,
Geschmacks- und Geruchssinn. Auf der Bühne sind meist akustische Signale hörbar
(Sprache, Musik) und visuelle Zeichen sichtbar (Kostüme, Licht, Bühne). In experimentellen
Stücken werden die Zuschauer/innen zuweilen mit Gegenständen beworfen, zuweilen
suchen die Schauspieler/innen den körperlichen Kontakt (Tastsinn). Auch der Geruchssinn
kann angesprochen werden.

Dabei wurden im Verlauf der Theatergeschichte verschiedene Gesellschaftsschichten und


soziale Gruppen adressiert: Das Theater der Antike galt als kultisch-religiöse Institution der
Bürger, das elisabethanische Theater als Volkstheater. Das Barocktheater hingegen war ein
höfisches Spektakel für die aristokratische Elite, während sich das Theater im 18. und 19.
Jahrhundert an die intellektuelle bürgerliche Schicht richtete.

Das antike Theater entwickelt sich aus dem Dionysos-Kult.

Kultische Ursprünge

Fallhöhe

Während die älteren Tragödien meist einen bewussten Helden ins Zentrum stellen, der den
Konflikt überblickt und reflektiert, entwerfen Stücke des 20. Jahrhunderts mit Vorliebe Anti-
Helden.

Das bürgerliche Trauerspiel im engen Sinne ist auf das 18. Jahrhundert beschränkt mit
einzelnen Nachzüglern im 19. Jahrhundert. Es lässt sich jedoch eine Gattungslinie bis in das
20. Jahrhundert hinein verfolgen, rückt man das >soziale Anliegen< der Stücke in den Fokus,
also den Versuch, niedere Stände tragikfähig bzw. tragödientauglich zu machen. Aus dieser
Perspektive transformiert sich das bürgerliche Trauerspiel mit Büchners Woyzeck (ED: 1879,
UA: 1913) zum sozialen Drama (Schößler 2010, S. 64f.), später dann zum kritischen
Volksstück, das ebenfalls gesellschaftlich Ausgeschlossene zum >Tragödienpersonal<
macht. Dem bürgerlichen Trauerspiel, dem sozialen Drama und dem kritischen Volksstück
ist gemeinsam, dass unterprivilegierte Figuren, die nicht oder nur beschränkt am
symbolischen und ökonomischen Kapital einer Gesellschaft partizipieren, zu
Protagonist/innen tragischer Ausdrucksformen werden, wobei sich mit dieser
Verschiebung auch das traditionelle Konzept des Tragischen verändert.

>>Die Armut steht im Woyzeck logisch an dem Ort, an dem in der attischen Tragödie das
>Schicksal< steht: sie ist die Prämisse des tragischen Syllogismus.«

Das bürgerliche Trauerspiel und das soziale Drama teilen sich zudem ein Sujet: das der
Familie, die in der Frühaufklärung und Empfindsamkeit als Inbegriff bürgerlicher Werte gilt.
Dieses Thema bleibt bis in die Gegenwart hinein virulent und vermag über Jahrhunderte
hinweg tragische Stoffe zu liefern.

Ähnlich wie die Tragödie entsteht die Komödie in dem kultischen, dann agonalpolitischen
Kontext der antiken Gesellschaft.
Die Komödie gilt aufgrunddieses Ursprungs als >dionysisch-ekstatische< Gattung, die das
Kreatürliche, Körperliche und Triebhafte des Menschen zum Gegenstand macht. Ihr liegt an
der Manifestation des Körpers (Greiner 2006, S. 4), wie sich an den antiken
Dickbauchtänzern, den komischen Helden mit ihren künstlichen Phalloi und den Tiermasken
zeigen ließe. Mit diesem Interesse am Körperlichen scheint das Genre stärker als die
Tragödie auf die Aufführung bezogen zu sein, also einen stärkeren Bezug zum theatralen
Spiel als zur Literatur aufzuweisen (Klotz 1987). Die Distanz zum literarischen Text kann am
Beispiel der nur in geringem Maße schriftlich fixierten Commedia dell'arte
verdeutlicht werden (Hinck 1965), die lediglich Figurentypen und dramatische Situationen
festlegt, nicht aber die Dialoge der Figuren. Innerhalb dieses Rahmens wird auf der Bühne
extemporiert, das heißt aus dem Stegreif gesprochen.
lm 17. Jahrhundert werden die theatralen Praktiken und Plots der Commedia dell'arte durch
Wanderlruppen in den deutschsprachigen Ländern bekannt, die insbesondere an silddeutschen Höfen
während der aristokratischen Festlichkeiten komische Zwischenspiele auffUhren. ln der Commedia
dell'arte treten erstmals Frauen in weiblichen Rollen auf, so dass der Beruf der
Schauspielerinen entsteht.

Die Komödie ist entsprechend kein Genre der Identifikation, sondern ein Medium
theatraler Reflexion, das heißt das Theater präsentiert sich als Theater, als theatrales Spiel.

Im 18. Jahrhundert entstehen dann neue Komödienvarianten, die das Lachen durch andere
Affekte ersetzen. Denis Diderot zum Beispiel konzipiert die comedie larmoyante, die
rührende Komödie, die bürgerliche Tugenden propagiert und sentimentale Tränen
provozieren will.
Das Rührstück: Im deutschsprachigen Theater etabliert sich im Anschluss an das französische Vorbild das
sogenannte Rührstück, das seinen Entstehungsort auf den Bühnen der Aufklärung hat und eng mit der von
Gottsched geforderten Verlach-Komödie (bzw. sächsischen Typenkomödie) sowie mit dem weinerlichen
Lustspiel verwandt ist.

Die Genrebezeichnung >Rührstück< betont seine Wirkung, denn neben die heitere Unterhaltung tritt die
durch Rührung vermittelte Belehrung, die die bürgerlichen Werte und Tugenden zu festigen versucht.
Diese auf Pathos und einen versöhnlichen Ausgang angelegte Dramaturgie, die das Rührstück in die Nähe
des Trivialen rückt, ist beim Publikum überaus beliebt.

Der Begriff der Tragikomödie bezeichnet eine dramatische Mischform. die Elemente sowohl
der Tragödie als auch der Komödie enthält. Die hybride Anlage der Stücke kann sich auf der
Ebene des Personals (Mischung von hohem und niedrigem Personal). des Stils (Tragisches
wird mit Komischem durchkreuzt) oder der Dramaturgie (tragische Anlage der Handlung
mit Happy End) abzeichnen. Bis in das 18. Jahrhundert hinein gelten insbesondere diejenigen
Dramen als Tragikomödien, die von den regelpoetischen Vorgaben abweichen, das heißt die Ständeklausel
missachten oder tragische Elemente mit einem Happy End verbinden .
Zwei Formen des lachens: Die Theorien des Komischen, die für die Komödienanalyse hilfreich sind,
unterscheiden grundsätzlich zwei Arten des Lachens: das >Lachen mit< und das >Lachen über<, das in
der Verlach-Komödie dominiert.

Die >Verbürgerlichung< der Komödie im 18. Jahrhundert führt zu einer Rücknahme der
Typisierungen und zu einer Motivierung der Charaktere. Johann Christoph Gottsched hält in
seiner poetologischen Schrift Versuch einer Critischen Dichtkunst vor die Deutschen (1730)
fest, dass die Charaktere der Komödie genau beobachtet sein sollten und motivierte
Abweichungen vom Typus möglich seien. Gottsched fordert zudem einen natürlichen Stil, wobei
sich das Komische nicht aus den Worten, sondern aus den >Sachen< (den Intrigen etc.) ergeben solle.
Gottsched legt die Komödie hingegen auf die sittliche Verbesserung der Bürger/innen fest und vertreibt
eine Figur wie den Hanswurst, der nicht gebessert werden kann, gleichzeitig aber Sympathieträger ist, von
den bürgerlichen Bühnen (Catholy 1982, S. 13). Das bürgerliche Lachtheater setzt also auf Didaktik und
geißelt lasterhafte, materiell-körperliche Interessen wie Geiz, Lust und Geldgier.

Diese kann einerseits als aktionistischer Vorgang aufgefasst werden - die Figuren agieren
und produzieren auf diese Weise einen Ereigniszusammenhang -, andererseits als
Situationsveränderung (ebd., S. 15), das heißt, es wird auch dann gehandelt, wenn eine
Situation in eine andere übergeht, wenn also beispielsweise eine neue Figur auftritt. Damit
fände selbst in einem statischen >Drama des Wartens< wie in Becketts En attendant
Godot/Waiting forGodot (Warten aufGodot; ED: 1952, UA: 1953) Handlung statt.

Bei Shakespeare verbindet dieser Parallelismus meist weit auseinanderliegende Szenen,


während die unmittelbar aufeinanderfolgenden kontrastiv angelegt sind.

Grundsätzlich kann gelten: Je weniger die Stränge funktional aufeinander bezogen sind, je
stärker sie in einem Verhältnis der Spiegelung und Kontrastierung stehen, ohne in eine
gemeinsame Handlung integriert zu sein, desto >offener< ist die Form des Dramas - der
Gegenbegriff zum geschlossenen Drama.

Als Prototyp der analytisch-offenen Form, die der Vergangenheit einen zentralen
Stellenwert einräumt und damit gegen das Postulat der dramatischen Gegenwärtigkeil
verstößt, gilt Sophokles' Drama König Oedipus. In dieser antiken Tragödie ist der Herrscher,
der die Wirren seines Staatswesens zu ordnen versucht, selbst der Urheber der
katastrophalen Entwicklungen, wie er durch die sukzessive Rekapitulation seiner
Vorgeschichte erkennt. Ödipus hatte vor Jahren, bevor er König in Theben wurde, seinen
Vater - einem Orakel folgend - umgebracht und lebt mit seiner Mutter zusammen, also in
Blutschande, die die Götter ahnden. Auf der Suche nach dem Übeltäter erkennt er sich
selbst als Ursache der Plagen, mit denen die Götter die Stadt heimsuchen. Er ist mithin
Detektiv und Täter zugleich - eine ana lytische Struktur, wie sie, ins Komödiantische
verschoben, Heinrich von Kleist in seinem Lustspiel Der zerbrochne Krug umsetzt.

Das könnte Ihnen auch gefallen