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Wer eine Reise tut, der kann manchmal einiges erzählen – dazu gehören gute und schlechte
Erfahrungen. Folgende Reiseberichte dokumentieren Erfahrungen, die ein Passagier als Nötigung
empfinden mag, aber von Fluglinien und EU-Behörden als ganz normale Ereignisse im Bereich der
„höheren Gewalt“ eingestuft werden. Trotzdem gibt es Unterschiede.
In folgenden Beispielen ist die eine, spanische Airline unschuldig an der Panne und bemüht sich
trotzdem nach Kräften, die Schäden zu begrenzen. Die andere, britische Airline interessiert sich
nicht für ihren Passagiere und verschlimmert die Situation durch Abzug des Personals und
Unerreichbarkeit sämtlicher Umbuchungsoptionen.
Von den EU-Behörden ist keinerlei Hilfe zu erwarten. Sie können erfahrungsgemäß nicht einmal ein
Pamphlet entwerfen in dem das Wort „Haftungsausschluss durch höherer Gewalt“ überhaupt
erwähnt wird. Auch Schlichtungsorganisationen sind gegen die Anwaltsgruppen und Nötigung der
Airlines machtlos. An den großen Flughäfen herrscht schlichtweg die Anarchie.
1 Siehe Anlage 2
Leider wurde die Telefonnummer zur Umbuchung nie (auch nicht um Drei Uhr nachts) beantwortet
und stürzte die Internetseite beim Abschluss der Buchung grundsätzlich ab. Die Belegschaft dieser
Airline war für keinen Passagier ansprechbar und qualmte hinter verschlossenen Schaltergittern
eine Zigarette nach der Anderen. Offensichtlich bereiteten sie sich auf das Wochenende vor und
schlossen vielleicht Wetten ab, wie lange der Urlaub diesmal dauern würde... (die Engländer wetten
bekanntlich grundsätzlich auf jedes nur erdenklichen Ereignis).
Auf einem Pamflet mit dem vielversprechenden Namen "Air Passenger Rights 2" stehen ganz
eindeutige EU-Richtlinien, an denen sich eine Airline zu halten hat. Von höherer Gewalt ist in
diesem Pamphlet gar keine Rede. Offensichtlich hat die zuständige EU-Behörde keine Ahnung wie
Fluglinien arbeiten oder den Passus zum Thema "Höhere Gewalt" einfach vergessen.
Im Vertrauen, dass eine Airline uns auf jedem Fall einen Rückflug schuldet, beschlossen wir -
nachdem auf der Anzeigetafel alle BA-Flüge des nächsten Tages auch schon mit der Überschrift
"cancelled" beschriftet wurden - ein neues Lufthansa-Ticket für den nächstbesten Flug mit einer
kompetenten Airline zu beschaffen. Wir bezahlten dazu über 900 British Pfund und legten uns dann
auf dem kalten Boden des Lufthafens zu "Ruhe". Geschlafen haben wir allerdings nicht.
Selbstverständlich gab es an diesem Abend kein Essen. Dafür gab es Kaffee, Tee und Kekse von der
Air France und Alitalia – eine britische Airline ist für einen solchen Service nicht zu haben. Wir
aber hatten Glück im Pech, weil wir uns auf Isomatten hinlegen konnten. Weniger erfolgreiche
Passagiere haben auf dem nackten, kalten Boden oder in einer Alufolie gewickelt auf einer
metallenen "Couch" schlafen dürfen... Ich hatte mich natürlich auch um einem Hotelzimmer
beworben. Laut Flugzettel bezahlt die britische Airline 100 Pfund für ein Doppelzimmer, aber bei
einem Heathrow Hassle steigen die Hotelpreise in 50 Km Umkreis sofort auf 100 Pfund pro Person!
Dann bleibt man lieber gleich am Flughafen und hofft auf bessere Zeiten.
Am nächsten Morgen mussten wir mit einer Hundertschar Mitleidenden um 5:30 Uhr eilig in ein
anderes Terminalgebäude umziehen. Auch um dieser Uhrzeit war diese Abflughalle der Lufthansa
und einiger anderen Fluglinien bereits vollkommen überfüllt mit schwitzenden Passagieren.
Weinende Passagiere flehten um einen Stehplatz in der Warteschlange. Die Polizeistaffel nahm
schon die Gummiknüppel zur Hand um dieses Gebäude zu räumen als uns ein freundlicher und
kompetenter Lufthansa-Mitarbeiter bemerkte und zur Hilfe kam (und ich habe ihn für diese Wohltat
seitdem in meinen Abendgebeten inbrünstig eingeschlossen). Er zeigte uns die Schalter zum
automatischen Checkin, wovon die britische Airline noch nie gehört hatte, und schleuste uns mit
den Koffern zum Schnellschalter, wo wir das Gepäck innerhalb 5 Minuten loswerden konnten.
Danach flogen wir tatsächlich mit einem rettenden Kranich innerhalb einer Stunde nach Stuttgart.
Ich fühlte mich wie der letzte US-Amerikaner, der mit dem Hubschrauber aus Saigon ausgeflogen
wurde...
In diesem Flieger erfuhren wir von anderen gestrandeten BA-Passagieren, dass die auf den
Flugzetteln genannten Telefonnummern bei keinem Passagier zum Umbuchen funktioniert haben.
Damit war die britische Airline auf dem einzigen vorgeschriebenen Weg wohl für keinen
gestrandeten Passagier erreichbar. Stattdessen sollte man:
• ein Deutsches Handy mit vollgeladenem Batterie und unbegrenzten Guthabenkonten zur
Hand haben,
• eine Nummer einer Deutschen BA-Niederlassung wählen
• und dann dort eine Umbuchung veranlassen.
Nur so wäre es ihnen gelungen den Platz in der Lufthansa-Maschine zu ergattern...
2 Siehe Anlage 1
Der Kampf um Rückerstattung der Mehrkosten
Wir fühlten uns nun sicher, dass wir die Kosten von über 1500 Euro von der Airline zurückerstattet
bekommen würden. Diese Hoffnung hat sich jedoch nicht bewahrheitet. Obwohl wir die Unterlagen
sofort eingereicht hatten, antwortete die britische Airline zunächst einmal monatelang gar nicht.
Dann hieß es: der Flug wäre gar nicht storniert worden und hätte sogar mit nur geringer
Verzögerung abgehoben... Weil der Flug aber nicht storniert worden ist, gäbe es einfach auch keine
Entschädigung. Dabei wäre für eine Verweigerung der Boarding-Prozedur ja die gleiche
Entschädigung fällig.
Über die Fehlfunktion der Telefonanlage zum Umbuchen hat die britische Airline uns dann erst
nach anderthalb Jahren (d.h. nach mehreren Hundert Nachfragen) geantwortet, dass die
Telefonzellen bekanntlich zum Verantwortungsbereich des Flughafens Heathrow gehöre und
deshalb nicht zum Zuständigkeitsbereich der Fluglinie gehören.
Fazit
Genau genommen sind die gestrandete Passagiere sowohl in den beschriebenen Fällen in Madrid als
in Heathrow Opfer einer Nötigung gewesen. In beiden Fällen waren einige Hunderttausende
Passagiere betroffen und die Gesamtschäden sind vermutlich vergleichbar. Die spanische Airline
verdient jedoch im Gegensatz zur britischen Airline meine Hochachtung für ihren Einsatz bei der
Lösung der logistischen Probleme.
Die britische Fluglinie und ihr Heimatflughafen London-Heathrow sind dagegen nur für
Sadomasochisten empfehlenswert. Auf jedem Fall sind wir nicht mehr willig in irgendeine
britischen Maschine zu steigen oder überhaupt noch nach Heathrow zu fliegen, auch wenn man uns
einen Gratisflug anbieten würde...
An einigen europäischen Flughäfen werden mit Billigung der EU-Behörden gestrandete
Flugpassagiere bei „höherer Gewalt“ zu hohen Mehrkosten genötigt, weil die Fluggesellschaften
und deren Zuarbeitern unfähig oder unwillig sind ihre Hausaufgaben zu erledigen, wozu man auch
ein funktionsfähiges Konzept für den Zusammenbruch durch wilden Streiks, Wetterlage oder
Pannen rechnen sollte. Nicht einmal die klare Umschreibung der Sachlage bei höherer Gewalt hält
man bei den Fluglinien oder Behörden für nötig. Das wird der gestrandete Passagier dann schön
nach monatelanger Korrespondenz mit der Airline herausfinden...
Wer eine Urlaubsreise bucht, sollte überlegen ob man nicht besser eine Pauschalreise wählt, bei
dem der Reiseveranstalter auch für die Durchführung der Flügen haftet. Das ist immer noch
kostengünstiger als zum Beispiel bei einem Heathrow Hassle in die Fänge einer unfähigen Airline
zu geraten.
Abb.1: Einzige Info für BA-Passagiere ohne Erwähnung der höheren Gewalt aber mit
unbrauchbaren Telefonnummern
Abb. 2: Flugpassagierrechte ohne Ausschluss durch Höherer Gewalt - Stand: 12. August 2006