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Rrrum…

Eine wohlmeinende Anregung für meinen geliebten Sohn John

Geliebter mein Johnjohn,

im Folgenden möchte ich dir eine Geschichte erzählen von einer Reise um die Welt. Und
erst einmal, wie es überhaupt dazu kam.

Die Idee entwickelte ich sicherlich schon Anfang/Mitte 2007. Ich bin durchaus
bemerkenswert gereist in meinem Leben, aber kenne viele Leute, die in Asien waren, in
Südamerika, in Südafrika, auf den Malediven und ich weiß nicht, wo überall noch. Ich war
an vielen dieser Orte nicht. Europa relativ gut beguckt, aber wenn es in die große Ferne
geht, dann war ich noch ein bisschen ein „Waisenknabe“. Immer wenn Du Dich mit
Reisen beschäftigst wirst Du feststellen, dass die klügsten Männer viel gereist sind, denn
Reisen bildet. Die klügsten Menschen basieren ihre Toleranz auf dem Kennen von
Kulturen, Menschen, kurz der Welt im Allgemeinen und Besonderen. Da also wollte ich
hin. Wenn Du wohl situiert in Hamburg sitzt, dann ist das alles schön und gut, aber
wirkliche Aufregung und Spannung findet draußen statt. Wir werden später sehen, ob ich
tatsächlich eine Reiseart gewählt in der nun Spannung und Aufregung in so besonderer
Form vorkommt. Jedenfalls Eindrücke, oh mamma mia, davon möchte ich Dir berichten.

Also, schon vor bald 2,5 Jahren entwickelte sich die Idee, eine Reise um die Welt zu
machen. Sobald sich diese Idee entwickelt, stellt sich die Folgefrage, mit wem. Wie Du
weißt, war ich zu diesem Zeitpunkt mit Nadja befreundet, die in bemerkenswert klarer
Form der Idee eine Absage erteilte und bestenfalls in Aussicht stellte, dann 14 Tage in
Thailand dazuzukommen, wo man dann gemeinsam Ferien machten könnte, oder
Ähnliches. Auch dies war sicherlich ein weiterer Grund, warum es gut war, dass wir zum
richtigen Zeitpunkt auseinander gingen. Die Idee blieb und verfestigte sich.
Dann kam hinzu, dass Du, mein Johnjohn, immer älter wurdest, und wir, Detlev und ich,
uns vorgenommen hatten, wenn Ihr 13 seid, machen wir miteinander eine Kanada-
Durchquerung. Warum, wenn Ihr 13 seid? Aus dem einfachen Grunde, weil wir
befürchten müssen, dass Ihr spätestens mit 14 oder 15 Eure eigenen Wege geht, und
wir, Eure Väter, als Eure Reisepartner nicht mehr attraktiv sind. Das, also eine so große
Reise zu machen, planten wir, maßgeblich, glaube ich, ich, schon sehr früh. Idee war, in
Euren Sommerferien drei Wochen lang von einem noch festzulegenden Orte in Kanada
bis nach Vancouver, oder genauer, Victoria – einmal quer die Trans-Canada-Highway zu
bereisen, mit einem Wohnmobil und wie man das halt so macht. Neben der Tatsache,
dass diese einigermaßen enge Gemeinsamkeit eine wundervoll verbindende Wirkung
miteinander haben könnte, freute ich mich wie ein kleiner Junge auf die endlosen
Naturerlebnisse und die Begegnung mit Braunbären und allem, was man da so haben
kann. Übergeordnet aber jedenfalls Natur, Natur, Natur.
In Victoria dann wollten wir Wale sehen: Whalewatching als krönender Abschluss unserer
gemeinsamen Reise.

Wie Du natürlich auch mitbekommen hast, lernte ich, mit steigender Aufregung und
Freude, im Sommer 2008 Katharina kennen. Wir freundeten uns an, und weil sie in
Düsseldorf wohnte, war ein wichtiger Kommunikationsweg das Skype.
Und so ergab sich eines schönen Abends im September/Oktober 2008, dass ich ihr
erzählte „Du übrigens, ich hab da einen Plane. Ich würde gerne eine Reise um die Welt
machen. Hast Du nicht vielleicht Lust mitzukommen?“ An sich eine Frage, die man
vielleicht etwas dramatischer hätte präsentieren können – ich fragte sie so, als wollte ich
wissen, was sie gerade trinkt. Und ähnlich antwortet sie dann mit einem kurzem „Ja,
klar! Gerne!“ Damit war der Grundstein gelegt, die Entscheidung gefällt: Es wird
stattfinden!

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Wie Du Deinen Vater kennst: Wenn er, ein Steinbock, sich etwas in den Kopf setzt, dann
zieht er das auch durch! Und so nahm eine Idee Gestalt an, die aber ja maßgeblich
meiner Arbeitgeber würde verkauft werden müssen, Herrn Hellmut Wempe und Kim.
Tja, eine schwierige Fragestellung… Wie kann man das erklären? Ich habe intensiv daran
herum gedacht, mich beraten mit Freunden wie Joachim Maas in Madrid. Wichtiger
Ratgeber war Tom Schlotfeldt und Jörg Willich, der Zauberer hat ebenfalls bedeutende
Beiträge geleistet.
Wie lange soll die Reise sein? Wie viel darf sie kosten? Welche Art der Reise wähle ich?
Wählen wir – denn jetzt waren wir ja zu zweit. Dinge konkretisierten sich. Und wenn Du
so eine Idee reifen fühlst, setzt es sich puzzlesteinartig zusammen, so dass schon im
Oktober 2008 das Papier zusammen geschrieben war „Mein Wunsch – mein Plan“.
Auf diesem Papier gingen wir noch davon aus, die Reise machen zu wollen im Sommer
2009. Es gab viele gute Gründe dafür. Es gab aber deutlich mehr Gründe dagegen.
Deshalb entschieden wir uns für eine Verschiebung – auch und maßgeblich, weil die
Klimazonen, die wir im Zuge unserer Reise besuchen wollten, in der Phase zwischen
Sommer und Weihnachten Regenzeiten haben, in denen Du nahezu nicht vor die Tür
gehen kannst. Wie ich später erzählen werde, haben wir so etwas in Mexiko erlebt –
unglaublich… ein Regen, so etwas habe ich noch nicht gesehen.

Der 11.11., 11.11 Uhr, der Geburtstag der zauberhaften Frau Bouras, die Du ja auch
kennst, sollte der Tag sein, an dem ich den Unternehmern meine Idee erkläre. Drei
Wochen vorher kündigte ich Ihnen an, dass ich um ein Gespräch in eigener Sache bitte
und was dann kam, war wirklich lustig. Die beiden schlichen um mich herum und Kim
fragte bei jeder passenden Gelegenheit, worum es denn wohl in diesem Gespräch gehen
würde, was ich natürlich nicht verriet. So kam ich in eine relativ gute Gesprächssituation
hinein, denn, so denke ich im nachhinein, sie haben geglaubt, ich würde kündigen. Dies
nicht zu tun erklärte ich ihnen nicht direkt, aber in unserem halbstündigen Gespräch
begann ich, offensichtlich die richtigen Klaviaturen zu spielen, indem ich Ihnen erzählte,
ob ihnen eigentlich klar sein, wie viel Freude mir meine Arbeit macht und wie aufregend
die letzten 20 Jahre waren und wie besonders ich das Privileg empfinde, eine Tätigkeit
ausüben zu dürfen, die so abwechslungsreich ist wie die meine. Das schilderte ich ihnen
drei bis vier Minuten lang, so dass sie noch weiter aus dem Staunen nicht heraus kamen,
bis ich dann „die Katze aus dem Sack ließ“, indem ich ihnen das Papier „Mein Wunsch,
mein Plan“ vorlegte und erläuterte.
Neun Minuten nur hat es gedauert, bis Hellmut Wempe sichtlich irritiert mit einer ganz
neuen Fragestellung konfrontiert, aufstand und sagte: „Also, naja klar, Uwe hast Du
unsere Genehmigung! Wir beide, wie Du vielleicht nicht weißt, sind begeistert Reisende.“
Beider Bürowände ziert eine Weltkarte voller Nadeln, Kim ist da noch deutlich weniger
ausgestattet als Hellmut Wempe. Dessen Weltkarte ist wirklich so nadelübersäht, dass
man glauben mag, er hat alles gesehen. Noch nicht gesehen hat er einen Mitarbeiter, der
dies auch machen will – mitten in der Arbeitszeit. Da war ich nun wohl der Erste. Bin ich
ja ganz gern. Dennoch war es ein schwieriges Gespräch, denn für dieses Jahr 2009
hatten wir ausgesucht anspruchsvolle Projekte, die sehr arbeitsintensiv waren und bei
der ursprünglichen Planung, im Sommer auf Reisen zu gehen, wäre dies bei der
Projektfülle nahezu nicht möglich gewesen. Ich sicherte den Unternehmern zu, dass
immer Top-Priorität meine Arbeit haben würde und erst, wenn ich diese gemacht habe,
ich selbst auf Reisen zu gehen moralisch mich in der Lage sehen würde.
Es kam dann ja durch die Reisezeitverschiebung etwas anders. Dies entspannte vieles
und optimierte meine Konzentration auf die Projekte, auch und in bedeutender Form
unterstützt von einer Kollegen, Frau Panten, die aktiv in die Bautätigkeiten mit hinein
organisierte, so dass wir viele anspruchsvolle Dinge bereits zu zweit machen konnten. Sie
vertritt mich ja dann auch in der Zeit, während ich auf Reisen bin.

Nach ungefähr 15 Minuten stand Hellmut Wempe ein weiteres Mal auf und sagte: „Also,
Uwe, das ist doch jetzt echt so’n echter Uwe!“ strahlend und irgendwie anerkennend –
ich glaube, er freute sich, dass er auch so ein bisschen schräge Mitarbeiter hat. Kurz und
grün, die Genehmigung war erteilt. Mit der erteilten Genehmigung sah ich mich dann

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berechtigt und in der Lage, denn, ich kann nicht verhehlen, abergläubisch zu sein, das
konkrete Planen und die Reisevorbereitungen beginnen.

Wenn Du, was ich mir sehr wünsche, einmal in diese Situation kommst, zu planen, wie
Dein Papa, sicher auf ganz anderem Weg, ganz andere Art, um die Welt zu reisen, wirst
Du feststellen, was für eine unglaubliche, faszinierende Welt sich Dir eröffnet –
maßgeblich im Internet, aber natürlich auch in Reiseführern und Büchern, Literatur
welcher Art auch immer.

Sehr schnell wirst Du feststellen, als Lesebegeisterter selbst wie Du heute bist, dass der
Informationsflut kaum Herr zu werden ist und Du ertappst Dich bei Ansätzen leichter
Überforderung.
Dieses mir ansonsten ziemlich fremde Merkmal sollte mich die Folgemonate begleiten
und begleitet uns immer und ständig und noch, auch jetzt hier auf unserer Reise. Doch
dazu später mehr.

Die Reisezeit verschob sich, bedingt durch Detlevs Terminplan und damit auch die Ziele.
Sichtlich peinlich war ihm, die Kanada-Zusage nicht einhalten zu können, so dass er
schätzenswert kreativ vorschlug, dass wir doch zu viert – Du, Lio, Detlev und ich – 14
Tage in den Herbstferien nach Südafrika reisen (Kapstadt, Gargonroute und eine
Gamelodge). Dieses Konzept war schnell gefunden und damit war der Grundstein zur
Reiseplanung gelegt – auch wenn Katharina ein bisschen „in die Röhre schaute“, da wir ja
nun zu viert nach Südafrika wollten.

Da Herr Naguib, unser Reisezauberer, gebürtiger Ägypter, und damit besonders


kompetent in diesen Bereichen ist, wusste er uns bei aktivem Erfragen über die
Reisemöglichkeiten zu berichten, dass ein Round-the-World-Ticket von Ägypten aus €
1.500,- günstiger ist als aus Deutschland, so dass flugs der Plan geschmiedet wurde, die
Reise in Kairo zu beginnen – wohin ich ja dann nach Südafrika auch geflogen bin.

In Kairo also sollte sie beginnen – die Reise um die Welt.

Unser Südafrika-Aufenthalt war eine wundervolle Form des Reise-Warmlaufens und des
Überprüfens, ob ich in meiner begeisterten Pack-Neurotik – der Perfektionist ist
tatsächlich etwas leicht schwierig Neurotisches, aber ich plane nun einmal gern, so
natürlich auch diese Reise bis in die tiefen Details – HIER FEHLT DAS SATZENDE

Auch auf dieser Reise würden wir natürlich Menschen begegnen. Vielen, unendlich vielen
Menschen, unendlich unterschiedlicher Rasse, Art, Freundlichkeit und Unfreundlichkeit.
Dazu möchte ich Dir eine Geschichte erzählen, die mich persönlich besonders beeindruckt
hat und die auf dieser Reise zu prüfen wir uns ebenfalls auf den Weg machen:

99 Prozent

Es ist einige Jahre her, da lernte ich auf Ios, Griechenland, einen netten Typen aus
Neuseeland kennen. William hieß er, glaube ich, aber um ehrlich zu sein, habe ich seinen
Namen vergessen. William war ein Weltenbummler der fröhlichsten Natur. Leicht
charismatischer Wesensart gewinnt er, ich hoffe noch heute, die Herzen im Sturm, so
dass auch wir (ich war dort mit Nadja) begeistert waren von diesem fröhlichen,
aufgeschlossenen Typen. Das führte dazu, als Nadja ihn später in Paris bei Thierry wieder
traf, ihn nach Hamburg einlud, wohin er auch kam. So war er einen herrlichen
Winterabend bei uns in Wohldorf vorm Kamin und erzählte viele interessante Anekdoten
und, was ich vorher nicht wusste, egal zu welcher Region auf dieser Erde sich das
Gespräch ergab, er hatte kräftig dazu zu erzählen, was mich zur Frage führte, woher er
all das wisse in seinem zarten Alter von bestenfalls 35 Jahren. Daraufhin erzählte er,
dass er seit sicherlich fast 20 Jahren, früh zu Hause weg gelaufen, in aller Welt
unterwegs ist, Dinge erlebt hat, die Abend füllend unglaublich aufregend und schön
waren, aber auch manche Dinge erlebt, von denen er offen ungern sprach. Irgendwann

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neigte sich der gemeinsame sehr nette Abend dem Ende zu und ich fragte ihn, ob er aus
seinen Erlebnissen ein Resumée ziehen könnte, woraufhin er sagte: „Ja, 99% der
Menschen sind gut, 1% schlecht.“ Das jedenfalls sei seine Beobachtung.

Diese seine Aussage hat mich damals sehr beeindruckt. Als, wie Du Deinen Vater kennst,
erheblich misstrauischer Mensch, und mit Revolverpistolen konfrontiert, wo immer du hin
hörst, habe ich nicht angenommen, dass tatsächlich so viele Menschen gute sein sollen,
aber William vertrat die Theorie. Wir wollen sie prüfen.
Auch deutlich wurde an diesem Abend aus seinen Schilderungen, wie sehr ihm etwas
ganz Bedeutsames fehlt: Heimat! Ein Ort, an dem man sich wohl fühlt und das über alle
Maßen.
So musste ich Widerwillens am Ende dieses Abends diesen Typen bedauern, anstatt ihn
zu beneiden, so wie der Abend begann, denn kein zu Hause zu haben, ist wohl etwas
besonders Schwieriges. Wir, Du und ich, sind da, glaube ich, aber auch ganz besonders
verwöhnt.

Dank

Wann immer ich ein Buch lese, an dem eine Danksagung am Anfang oder am Ende steht,
bin ich tendenziell genervt. Trotz allem kann ich mir nicht verkneifen, ein bisschen in die
Gegend zu danken, natürlich und besonders Herrn und Frau Wempe, dass sie die Idee
zugelassen und mich dann tatsächlich auch ziehen ließen. Aber ganz besonders auch Dir,
meinem Knuddel, denn zum Zeitpunkt der Planung sah es so aus, als würden wir
erstmalig in diesem Leben tatsächlich einander vier Monate lang nicht sehen oder wenn,
dann über etwas wie Skype. Diese Vorstellung, ich weiß nicht, ob Du es nachvollziehen
kannst, war mir ganz schrecklich. Sie führte glückvoll schnell zu der Idee, dass wir uns
über Weihnachten in Thailand treffen könnten und zum Zeitpunkt dieser Aufzeichnung
freue ich mich schon wie ein Schneekönig, meinen geliebten, leicht mauligen, immer
etwas gelangweilten Sohn wieder in die Arme schließen zu können – natürlich
widerspenstig, denn, dass ich Dich richtig herzlich umarmen darf, diese Zeiten scheinen
leider vorbei.
Aber nicht nur Dir möchte ich danken, sondern auch Katharina. Du wirst feststellen,
wenn Du so eine Reisevorbereitung beginnst, wie unendlich viel Arbeit das ist: die Visa,
die Klimazonen, alles dieses braucht Zeit und Stunden meistens vorm Computer. Dies ist
ja nun sowieso nicht meine Stärke. Deshalb ist es ganz großartig, und ich hätte sicher
nicht annähernd so gut die Dinge eintakten können, wenn sie nicht so wertvoll
vorbereitet hätte.
Und vollkommen unverhohlen besonders danken möchte ich mir. Denn wäre ich nicht
zielorientiert geblieben, hätte ich die Idee fahren lassen, hätte ich nicht Wagnis und
erheblichen Finanz auf mich genommen, würde mir sicherlich Einmaliges und
außergewöhnlich Schönes nicht widerfahren fahren – deshalb mir ein besonderer Dank.

Wofür

Danksagungen, große Worte für doch eigentlich nur eine Reise. Aber ja nicht irgendeine
Reise. Wenn Du Dich mit dem Thema einer derartig großen Reise beschäftigst, stellt sich
Dir die Frage, was eigentlich will ich da, was eigentlich will ich sehen?
Von Anfang an klar war Ankurvaz, die größte religiöse Anlage auf diesem Globus,
erstaunt, dass ich bei einigen Maya-Stätten in Mexiko ähnliche Superlativen las, wie auch
immer, große, größte Architektur! Das war von Anfang an klar! Daran würde ich nicht
vorbeireisen können noch wollen!
Aber ist es das allein? Was willst Du dann? Ich habe diese Antwort für uns, jedenfalls für
mich relativ bald gefunden – und die heißt: BIG ANIMAL, BIG TREE, BIG BUILDING!
Wir wollten an möglichst vielen Orten auf diesem Globus Wale in ihrem natürlichen Areal,
den Ozeanen, sehen und beobachten. Das war mir schon bei der Ursprungsidee, die
Reise abzuschließen, in Kanada klar. Dass und die „Big Five“ in Südafrika ergänzend
würden beeindrucken dürfen, wusste ich zum Zeitpunkt der Ideefindung noch nicht,
kommt dieser aber ja gut zu Pass.

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Die größten Bäume der Welt, die beeindruckendsten Bäume der Welt, sollten auf
unserem Weg liegen und ich kann Dir kaum sagen, wie beeindruckt wir sind, zwei
Superlativen haben wir bereits gesehen.
Billinng wird sich im Folgenden erklären, wie die weiteren Reiseausführungen Dir
erläutern.

Wenn Du eine große Reise planst, ist Dir natürlich nicht auf Anhieb klar, wohin Du
eigentlich überall willst. Es sei denn, Du weißt es erstaunlicherweise doch. Ich wusste es
nicht. Als begann ich mich, mit netten und klugen Leuten zu unterhalten, stellte fest,
dass es ein wundervolles Gesprächsthema allgemein ist, sich mit Menschen über Reisen
zu unterhalten und sie zu fragen, wie ich es dann eine kurze Zeit lang begeistert tat: „Wo
ist der schönste Ort auf dieser Erde, den Du kennst?“
Manchen stellte ich diese Frage, verwickelte sie in schwierige Überlegungen, manche
schossen wir aus der Pistole einen Namen, eine sogar Adresse. Die Reaktionen waren
sehr unterschiedlich. Mit allem habe ich gerechnet, nur mit einem nicht: Eines schönen
Abends in New York – ich genoss das Privileg der Gesellschaft von meinem geschätzten
Geschäftspartner und Freund, Gadi Benyaakov, der an diesem Abend seine Frau und
seine Tochter mitbrachte – gingen wir essen in ein grauenhaft lautes italienisches
Restaurant. Trotz allem, auch um die bei der Lautstärke schwierige Konversation in Gang
zu bringen, fragte ich die zauberhafte und zweifelsfrei kluge Frau von Gadi, wo der
schönste Ort auf dieser Erde sei, den sie kenne. Woraufhin sie mich anstrahlte und sagte:
„Home!“ Wie ich später hinterfragen konnte, war sie eine weit gereiste Frau, die Israel
und viele, viele Länder Europas auch mit ihrem Mann und ihrer Familie bereist hat und
dennoch, oder gerade deshalb, antwortete sie mir auf meine Frage mit dem kurzen Wort
„Home“. Nun kenne ich ihre Wohnung in einem wohlhabenden Teil von Manhattan nicht.
Ihre Idee dennoch habe ich verstanden. Das war der Tag, an dem ich das letzte Mal
irgend jemandem die Frage gestellt habe, denn sie hat mich mit ihrer Ausführung tief
beeindruckt. Nun wollen wir aber zu diesem Zeitpunkt ja nicht über zu Hause reden,
sondern über weg. Und dahin geht es in den jetzt folgenden Kapiteln, beginnend in
Südafrika.

Südafrika

Dir von etwas selbst Erlebtem zu schreiben, mein lieber Johnjohn, mag Dich etwas
eigentümlich anrühren, hat aber einen guten Grund. Du, fauler Sack, der Du bist, hast
natürlich kein Tagebuch geschrieben, auch wenn ich es Dir nahe gelegt habe. Also wird
dies, wenn auch eine ganz andere Perspektive als die Deine, die Hilfe gegen das
Vergessen. Denn auch wenn Dich manche Dinge, so wie mich, beeindruckt haben,
besteht doch die Gefahr, dass wir es vergessen. Nicht, dass wir dort waren, wohl aber die
Details. Wollen wir sehen, ob ich sie Dir auf meine Art darzulegen in der Lage bin und sie
sich mit dem decken, wie Du es dort gesehen hast.

Unendlich lang erscheint einem der Flug, und für Dich muss er die Hölle gewesen sein,
denn Deine an sich von Kindesbeinen an uns bekannte Reisekrankheit schüttelte Dich auf
diesen Flügen besonders. Oh mein Gott, war Dir schlecht. Und oh wie garstig, Dein
Daddy, an dessen Schulter Du Dich „hättest ausheulen“ können, saß auch noch aufgrund
mangelhafter Reiseorganisation weit weg. Später haben wir das dann verbessern können,
aber oh, war Dir schlecht. Und trotz allem bliebst Du fröhlich – auch dafür danke ich Dir,
denn ist keine besonders angenehme Situation.
Dennoch landeten wir irgendwann in der freundlichen Mittagszeit in Johannesburg, wo
wir als erstes, was für eine Freude, unseren Anschlussflug verpassten. Jetzt sollte sich
herausstellen, wie leistungsfähig das Reisebüro ist, denn der Zeitpunkt unseres
verpassten Fluges war ein Sonntagmittag – kein Zeitpunkt, zu dem Reisebüros geöffnet
haben. Aber es gab eine Emergency-Nummer und tatsächlich half uns die tüchtige Frau
Baum schnell zu neuen Tickets, denn die Airline sagte „jetzt müsst ihr neu bezahlen“.
Darauf hatten wir natürlich überhaupt keine Lust. Glücklicherweise ließ sich dies in einer

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aufregenden halben Stunde zufrieden stellend regeln, so dass wir (Dir immer noch übel)
weiterfliegen konnten nach Kapstadt, wo unsere eigentliche Reise beginnen sollte.

Dort angekommen funktionierte der Shuttleservice unseres Bed&Breakfast ganz


prachtvoll und schnell waren wir in einem wundervollen Haus am Bluegam Hill, von wo
aus wir auf die leuchtende Bucht und das prachtvolle Kapstadt hinab schauen konnten.
Am Horizont die schreckliche Insel, auf der Nelson Mandela viele Jahrzehnte in
Gefangenschaft saß und vor unserem Fenster in beeindruckender Architektur in der
Bauendphase befindliches gigantomanes Fußballstadion – denn 2010 ist Südafrika
Austräger der Fußball-Weltmeisterschaften. Das hatten wir dort drei Tage direkt vor der
Nase und waren begeistert. Bei prachtvollem Wetter, das besser nicht hätte sein können
– naja, etwas geschwindelt, aber zumindest als wir ankamen.
Als erstes musstet Ihr natürlich in den Pool, wo Ihr Euch trotz kalter Temperaturen sehr
wohl fühltet, derweil wir mit der Detailorganisation begannen und die Idee schnell
geboren und herbei gefragt war, am nächsten Tag mit Motorrollern die Stadt zu
erkunden. Dies spätestens seit unseren Ferien an der Costa Brava der absolute Reisehit,
besonders Lio liebte es, das Ding heimlich allein zu fahren – mit 13 Jahren genau das
Richtige, machte er es aber tatsächlich sehr souverän.
Die Straßen seien glatt wie Schmierseife, sagte uns der nette deutschstämmige Verleiher
der Motorroller, auf die wir uns so ganz besonders freuten. Und selbst er als passionierter
Motorradfahrer würde bei diesem Wetter nicht freiwillig fahren. Nicht die Straßen seien
gefährlich, sondern die weißen Markierungsstreifen, auf denen der Regen wie
Schmierseife wirken würde, so dass wir leicht eingeschüchtert erst einmal einen Kaffee
trinken gingen. Die Boys hatten natürlich aus dem Motorroller-Park bereits ihre Favoriten
heraus gesucht und Du, mein Knuddel, präferiertest den roten. Das deckte sich ganz mit
meiner Einschätzung. Aber erst einmal gingen wir also einen Kaffee trinken.
Gleich bei der Landung am liebsten wäre ich in einen Vodacom-Laden gerannt, das ist
der südafrikanische Partner oder die südafrikanische Antwort auf Vodafon Deutschland,
um mir dort einen Prepaid-Chip zu besorgen, denn schließlich wollte ich ja auch während
unserer Zeit da unten mit Katharina skypen können oder jedenfalls Mails und Bilder hin
und her schicken können. Glückliche Fügung wollte nun, dass dieser Vodacom-Laden
direkt neben unserem Café lag, so dass ich mich bei Euch kurz entschuldigte, in der
Illusion, dass ich das in zehn Minuten würde geregelt haben. Komm dann also in diesen
dusseligen Laden hinein, bekomme auch tatsächlich nach kurzer Zeit einen Prepaid-Chip
verkauft, der aber nicht freigeschaltet ist für Data. Also bemühte sich die grundsätzliche
nett engagierte Mitarbeiterin um eine Data-Freischaltung, sagte aber, dass diese 1-6
Stunden dauern könnte. Zu diesem Zeitpunkt noch optimistisch und hoffnungsfroh
verabschiede ich mich fröhlich von ihr und hoffte und glaubte, es dann relativ schnell
geregelt zu bekommen. Die Internet-Verbindung im BlueganHill war exzellent und
kostenneutral, so dass ich den Chip zu diesem Zeitpunkt noch nicht benötigte, aber wir
sollten uns wieder sehen, diese nette Vodacom-Mitarbeiterin und ich.
Der Kaffee war ausgetrunken und die Sonne wieder da. Beste Laune und exzellente
Vorbereitung zur Rückkehr zum Motorroller-Verleiher, denn auch die Straßen waren
getrocknet. Wir würden doch den Tafelberg umscootern können, so wie wir es uns
vorgenommen hatten. Dies wirkte sich auch deutlich auf die Laune unserer aller aus. So
saßen wir schon eine Viertelstunde später prachtvoll behelmt auf unseren heißen Öfen,
125 Kubik und locker 90kmh schnell.
Als erstes cruisten wir ein klein wenig durch Kapstadt, auch um eine sinnvolle
Orientierung zu bekommen und dann ging es alsbald um den Tafelberg. Kurioserweise
variiert das Wetter am Kap und um den Tafelberg sehr schnell, so dass wir, kaum auf der
Rückseite des Tafelberges eingetroffen, wieder im Regen auf unseren Motorrollern saßen
und das nicht zu knapp.
Übergeordnetes Ziel auf dieser Seite war World of Birds. Nicht recht durchsetzen konnte
ich mich mit den Exotic Botanical Gardens, die ich auch sehr gerne gesehen. Aber, wie
wir dann später feststellten, war auch die World of Birds eine ausgezeichnete
Entscheidung – wenn auch nicht von Petrus unterstützt.

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Auf doch relativ langem Weg von sicherlich 40 Kilometern fanden wir dann diese an
Exotik kaum zu überbietende Ansammlung unglaublicher Vögel, durch die wir sicherlich
zwei Stunden lang hindurch pilgerten.
Du, mein Sohn, machtest mich stolz und beeindrucktest nicht wenig durch erstaunliche
Detailkenntnisse und Namen von Vögeln, von denen Detlev und ich nicht einmal wussten,
dass es sie überhaupt gibt.
Besonders zu Eurer Freude gab es dort dann auch noch einige Affenkäfige, und einen
Bereich sogar, in dem sie frei liefen.
Da Detlev und ich uns mit den Großvögeln beschäftigen, war ich nicht dabei als ein
Totenkopfäffchen sogar auf Dir herum geklettert ist. Bedauerlicherweise schloss der Park
relativ bald, so dass Eure Affenbesuche nicht so lange währen konnten, wie Ihr das gerne
gehabt hättet. Aber wir haben derweil Bauklötze gestaunt über die endlose Anzahl und
den Artenreichtum an Eulen und Greifvögeln.
Beeindruckend hier war unter anderem zu lernen, dass Papageien und Vögel dieser Art
unendlich mehr leiden in der Gefangenschaft, als die Vögel, die, ob in Amerika oder
Afrika oder auch in sonstigen Teilen als Synonyme für die Vögel der Freiheit stehen,
nämlich Greifvögel und Adler. Letztere höchst genügsame Vögel in der Gefangenschaft
sind und mit diesem Umstand offenbar sehr zufrieden, so lange sie ausreichend Nahrung
bekommen. Papageien und Kanarienvögel hingegen leiden unter Hospitalismus und
werden gerne mal sehr neurotisch. So war dann auch der Kakadu, mit dem wir
wunderbare Zwiesprache hielten, aber mehr als „Hallo“ brachte er auch nicht aufs
Trapez. Trotzdem außerordentlich amüsant und attraktiv den Vogel einmal in Natura zu
sehen, den wir zu Hause im Kaminzimmer in Porzellan stehen haben.

Weiter führte uns der Weg um den Tafelberg herum in Richtung Camps Bay, ein
Muggleort von Capetown, wo wir einerseits in den heftigsten Regen hinein fuhren,
andererseits dieser aber auch den zauberhaftesten Regenbogen unterhalb der 12 Apostel
produzierte, den wir uns so vorstellen konnten – auch um heftig von uns fotografiert zu
werden. Die 12 Apostel sind, freundlich formuliert, „Zacken und Beulen“ auf der
Rückseite des Tafelberges in beeindruckender Gebirgsformation.
Wieder im strahlenden Sonnenschein erreichten wir Camps Bay, wo wir zur Vermeidung
der Küche bei einem freundlichen Inder einkehrte, wo wir die Bucht, den Strand und die
Küste genussvoll überblickend speisten. Ihr konntet hier später Muscheln suchen und mit
den Füßen die beeindruckend kalte Temperatur des Atlantischen Ozeans fühlen.
Wir wurden ja vorbereitet, dass der Atlantik kalt, der Indische Ozean angenehm werden
würde. Hier bereits fanden wir Ersteres bestätigt.

Motorroller, jedenfalls die, die wir da benutzten, haben kleine Tanks. Das mussten wir
dann feststellen, als wir in Greenpark zum Tanken fuhren, von dem Detlev leider nicht
wieder abfuhr. Sein Motorroller versagte den Dienst. Höchst unerfreulich, aber es nützte
nichts. Wir wechselten die Straßenseite zu einem Motorroller-Reparaturservice, der ihm
den Motorroller mit einer neuen Zündkerze wieder frisch machte.

Die Zwischenzeit nutzend sauste ich die Straße auf und ab auf der Suche nach einem
Vodafone-Geschäft. Das war bereits zu diesem Zeitpunkt ein Running Gag, denn die
Karte lief nicht, und es war keineswegs nachvollziehbar weshalb nicht. Motorroller
repariert kehrten wir glücklich nach einem Ausflug-reichen Tag zurück nach Hause in
Vorfreude auf den Folgetag – an dem wollten wir hinauf auf den Tafelberg.

Am nächsten Morgen, von der strahlender Sonne geküsst, schwangen wir uns auf die
Motorroller und brausten hinauf auf den Tafelberg - eine der meist besuchten
Sehenswürdigkeit Südafrikas, wo die Cablecar Millionen und abermillionen Touris bereits
hinauf gekarrt hat und heute sollten wir es sein. So jedenfalls war unser Plan. Als wir uns
dem Berg näherten, sahen wir bereits aus der Ferne eine nicht enden wollende
Autoschlange, die den Eindruck vermittelte, dass es schon den Berg hinauf einen
Chaotenstau geben würde. Wie wir bei Annäherung feststellten, war dies jedoch eine
Schlange parkender Autos, so dass wir mit unseren Motorrollern sowieso als Sieger der
Strecke an allen vorbei brausten zur Bahnstation des Cablecar. Wo wir dann jedoch

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schockiert eine anderthalbstündige Warteschlange an Leuten aus aller Welt gewahr
wurden, die uns so herrlich abschreckte, dass wir uns theoretisch gegebenenfalls den
Tafelberg für den Folgetag auf den Zettel nahmen, denn da 1,5 Stunden in der prallen,
doch intensiven Sonne herum zu stehen, kam natürlich für uns überhaupt nicht in Frage.

Also brausten wir die Hangstraße des Tafelberges entlang, auch um den unweit
gelegenen Devils Peak zu bestaunen. Dort jedoch ging es nicht weiter. Entsprechend
drehten wir um. Da Camps Bay uns so gut gefallen hatte, rollerten wir noch einmal
dorhin, um am Strand ein köstliches Picknick zu machen und wieder einmal die Füße im
Meer zu baden. Zu schön wäre gewesen, hätte ich meinen Hängestuhl dabei gehabt,
denn dort gab es ideale Hänge-Locations. Aber immer wenn man ihn braucht, ist er
natürlich nicht dabei. Glücklicherweise sollte ich ja später Gelegenheit bekommen, ihn in
exponierte Bäume zu hängen, so dass es auf dieses eine Mal nicht ankam.
Bald darauf kehrten wir in unser BluedownHill zurück, wo Ihr Euch wieder mal dem Pool
und zu unserem Verdruss dem iPod-Gedaddel im hauseigenen offenen WLan widmetet,
derweil wir genussvoll den vom Haus beigestellten Wein genossen und uns auf unsere
Abreise am Folgetag vorbereiteten – nicht ganz fröhlich, da uns dieses Bed&Breakfast so
ausnähmlich gut gefiel.

Bianca Bauer

Um für die Route mobil zu werden hatten wir bei Europcar ein Fahrzeug reserviert, am
liebsten ein Nissan Xtrail, so jedenfalls stand es auf der Bestätigung. Unweit unseres
Bluegamhill war die Stadt-Repräsentanz von Europcar und schon den Parkplatz absuchen
fanden wir neu hässliche Großautos, am garstigsten von allen ein großer weißer Riesen-
Isuzu, bei dem ich schon vom Anschauen die Krise bekam. Mit derartig auffällig
angeberischen Schleudern durch die Gegend zu fahren widerstrebte mir total, was ich
dann drinnen, bei der Vertragsvorbereitung, auch so liebevoll wie nachdrücklich äußerte.
Ihr ward eigentlich der Meinung, dass sich da hinten doch ganz prachtvoll spielen ließe,
denn tatsächlich hatte dieses Auto so etwas wie eine Spielwiese.
Längeres hin und her und das Bedürfnis der Vermieter unsere Zufriedenheit zu erreichen
führte dann doch zu einem langweilig weißen Mercedes, der wie wir später feststellen
sollten eine Fehlentscheidung war, oder auch nicht.

Kaum den Parkplatz von Europcar verlassend, noch nicht so recht im Verkehr orientiert,
kam es dann zur leicht unsanften Begegnung mit Bianca Bauer. Ein Auto vor mir wollte
unerwartet rechts abbiegen, so dass ich, ohne in den linken Spiegel zu schauen, nach
links zog. Da war aber dann Bianca und unsere Autos touchierten geräuschintensiv.
Ein bemerkenswerter Rekord – schließlich waren wir bereits 15 Minuten unterwegs. So
schnell kann das nicht jeder. Wir hielten, wir untersuchten, wir lachten und tauschten
Adressen aus. Wirklich viel geschehen dankenswerterweise war beim Mercedes nicht.
Der, ich weiß gar nicht mehr, was das für ein Auto war, Bianca Bauer hatte eine
beschädigte Kühlermaske, die an einigen Stellen gebrochen schien. Nicht ganz klar war,
ob das nicht möglicherweise sogar schon vorher war. Jedenfalls verabschiedeten wir uns
verwirrt entspannt, nach Austausch der Adressen, denn wirklich geschehen war meinem
Verständnis nach nichts. Dass ich an dieser Stelle zur Nachlässigkeit und zur
Gleichgültigkeit Material gegenüber tendiere, ist Dir ja bekannt. Ob ich dafür noch eine
Watschen erhalten werde, bleibt abzuwarten. Dieses Kapitel ist zu diesem Zeitpunkt
sicher noch nicht abgeschlossen, auch wenn ich von Bianca, die sehr nett und entspannt
im Gespräch reagierte, bis heute außer eine Kontaktaufnahme per E-Mail nichts gehört
habe. Aber vielleicht kommt hier ja noch der Kummer.

Nun also, ausgerüstet mit Auto, packten wir unsere Koffer und machten uns auf den Weg
Richtung Kap der guten Hoffnung.

„Daddy, sind wir bald da?“ war eine Frage, die Du nur ironischerweise stelltest, denn Dir
war klar, ab jetzt würden wir ein bisschen Auto fahren müssen. Ihr hattet Euch im Fond
des doch komfortablen Mercedes gut eingerichtet und Du, immer wieder Deinen Joker

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der Reisekrankheit mit Leidensmine ausspielend, konntest ja nach vorne, wann immer
die Umstände oder Deine Laune es erforderten. Denn da waren durchaus
Haarnadelkurven auf der Strecke, die wohl Deine Belastbarkeitsgrenze kitzelten.

Chapmans Peak ist eine unglaublich aufregende Küstenstraße entlang des Atlantischen
Ozeans, in 200-300 m Höhe oberhalb des Wasserspiegels. Ein Pass der mit offensichtlich
enormen Mühen von tausenden von Arbeitern in den Felsen gefräst wurde vor sicherlich
100 Jahren, und den entlang zu fahren Euch so sehr beeindruckte wie uns.
Geniale Landschaften – auch wenn nicht zu verhehlen ist, dass wir uns die ganze Zeit an
die Costa Brava erinnert fühlten. So sahen wir doch wunderschöne Landschaften und
einen nicht enden wollenden Atlantischen Ozean.

Am Chapmans Peak machten wir eine Pause und dies nicht ohne größere Aufregung,
denn ganz offensichtlich schwammen in der Bay unter uns bereits die ersten Wale, die
wir, weil so weit entfernt, nicht wirklich gut sehen konnten. Aber damit war der erste
Beweis erbracht: Wale! Hier gibt es Wale! Das war – ich glaube Euch relativ gleichgültige
– für mich ganz besonders aufregend und die Perspektive, bald mehr davon zu sehen
und diese näher, machte mich ganz euphorisch.

Weiter entlang an dem zu diesem Zeitpunkt wohl längsten und tollsten weißen
Sandstrand vorbei, den wir bis zu diesem Zeitpunkt überhaupt je gesehen haben, fahren
wir auf landschaftlich reizvoller Route hinunter zum Cap der guten Hoffnung. Dort, gar
nicht weit, nachdem wir in den Park eingefahren sind, der ein Eingangstor hat und auf
vielen Quadratkilometern abgezäunt ist, begrüßten uns dann die ersten uns völlig
MEHRENDEN WABOONS??? Schon dieses Wort ist so besonders nett, was eigentlich für
die Viecher jedoch so gar nicht gelten soll. Paviane gelten als gefährliche Affen, die, wenn
man sie füttert oder in sonstiger Form reizt, einem arge Probleme bereiten können.
Entsprechend warnen jede Menge Schilder an den Straßenrändern davor, sie nicht als
Haustiere zu betrachten und zu glauben, man könne sie streicheln. Das würde ein jeder,
in welcher Form auch immer, bitter bereuen – geraubte Brille, geklaute Handtasche,
oder, oder…

Bald dann, wenige 15 Kilometer weiter sah endlich, ohne es klar zuordnen zu können,
das Cap der guten Hoffnung. Euer Zuckerspiegel, obwohl wir um deren Stabilisierung
ständig bemüht waren, war soweit runter gefahren, dass zumindest Du nur maulig die
sicherlich halbstündige Wanderung anzutreten bereit warst, die durch herrliche Gestrüpp-
Landschaft in orkanartigen Winden führte, zu dem Landvorsprung, den der spanische
König, obwohl dort bereits zu dem Zeitpunkt viele, viele Schiffe gestrandet und gesunken
waren, trotzdem das Cap der guten Hoffnung nannte. Gute Hoffnung deshalb, weil das
einmal erfolgreich umrundet, dahinter viele Schätze für den Seefahrer warteten:
Gewürze, Seide und viele Dinge, die die arabische oder afrikanische Welt im
Handelstreiben von damals boten.

Über Holzplankenwege und Stock und Stein standen wir dann also für die
unvermeidlichen Foto-Termine am Cap der guten Hoffnung, auch um dort zu lernen, dass
das, entgegen unserer Annahme, gar nicht der südlichste Punkt Afrikas sei. Nicht nur,
das Cape Point südlicher lag, so auch die andere Seite der beeindruckend großen Falls
Bay, die am Cap einen großen Landeinschnitt darstellt, der Punkt auf der anderen Seite
dieser Bay liegt deutlich tiefer. Das beeindruckte uns wenig – freuten wir uns schöner
Landschaft und selten sah ich so zauberhaftes, dort offensichtlich Unkraut, in Lila und
Gelb, dass es eine Freude war.
Höchst dankenswerterweise ward Ihr belastbar, denn an diesem Tag mussten wir eine
ganze Menge Kilometer fahren – hinunter zum Cap, und dann von dort aus wieder hoch,
quer ins Natte Valley. Vorher aber, und das war ganz besonders lecker und nett, aßen wir
in der Pinguin-Kolonie, die Euch ganz besondere Freude bereiteten, in einem köstlichen
Ocean-Restaurant an der Falls Bay, mit endlosem Horizont und einer Bucht, von der sie
sagen, dass oft große Mengen an Southern Right Wales hinkommen, um ihre Kinder zu
bekommen und diese dann aufzuziehen. Doch davon später mehr.

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Erst einmal mussten wir im Dunkeln, und das machte keinen besonderen Spaß, entlang
an endlosen Homelands von Süd-Kapstadt, in Querverbindung rüber in die Weingebiete.
Stellingbosh, das große Ziele, unsere Gastgeber. Dort hatten wir ein zauberhaftes kleines
Cottage gemietet, mit zwei Betten hier und zwei Betten da. Auch wenn das Wetter uns
ein kleines bisschen hängen ließ und es an dem Tag sogar regnete, entsprechend ein
leicht klammes Gefühl sich nicht vermeiden ließ, so haben wir es dort doch im
Wesentlichen besonders gut gehabt, als dass unsere Gastgeber, die Millner, sehr
englische Südafrikaner, nicht nur im Wohnzimmer einen Carabaccio hängen hatten,
gegebenenfalls eine Kopie (selbst die Eigentümer waren sich nicht sicher). Für uns
kulinarisch aber deutlich wichtiger war, dass wir sogar eigene Weinversorgung hatten:
Der Sohn der Millners produziert eigenen Rotwein: einen Merlot, einen Shiraz und einen
Blend. Mit dem Merlot hat er mich nicht hinterm Ofen hervor locken können, aber der
Blend hat ganz besonders lecker geschmeckt, so dass wir davon sogar einen guten
Vorrat mitnahmen für die Folgeabende.

Von Natte Valley machten wir einen wunderbaren Ausflug in zwei Weingüter. In dem
einen, wo wir eine leckere Verkostung genossen, das Restaurant aber so überfüllt war,
dass wir wenig begeistert weiterzogen, und dann nach Backsberg zu fahren. Dieses
große, in Südafrika renommierte Weingut, führte ebenfalls ein vom Führer gut
beleumundes Restaurant, in dem wir zwar die Einzigen waren, aber trotzdem gut aßen.
Anschließend gingen wir ein paar lecker Weine kaufen und plünderten den Wein-
orientierten Souvenirs-Shop, wo ich den Weinkühlungs-Rücksack für die große Reise
erwarb (den ich auch die ganze Reise freudvoll mit Katharina und mir durch die Gegend
trug).

Und die Welt ist doch eine sehr kleine. So stellten wir am Folgetag fest, als wir einen
Ausflug in das durchaus touristische Fransheck machten. Dieser berühmte und in der
Szene gehypte Fisch-lastige Weinort in der wunderbaren Stellenbosh-Region mit vielen
prämierten Weinen, präsentierte sich, wie man sich einen historischen südafrikanischen
Ort der Weißen vorstellte: Im grellen Licht glänzend weiße Häuser, 200-300 Jahre alt, in
diesem ganz eigenen Stil mit den gewellten Giebeln. Prachtvoll anzuschauen und von
erfreulicher Bürgerlichkeit zeugend, mit klaren Ansätzen erweiterten Wohlstandes –
sicherlich auch über gute Weine, aber nicht nur. Hier war deutlich zu spüren, wie dieser
Teil von Südafrika über erfolgreichen Weinexport prosperiert. Süße kleine Boutiquen an
einer Durchgangsstraße mit dusseligen Souvenirs-Geschäften und bunten T-Shirts, aber
durchaus niveauvollen kunsthandwerklichen Arbeiten interessierten uns nicht gar zu sehr
und schon gar nicht mehr, als ich freudvoll strahlend Jacky und James sah! Ihr hattet die
Beiden nahezu vergessen, jedenfalls hättet Ihr sie nicht wieder erkannt: unsere beiden
Bed&Breakfast-Gastgeber der besonderen Art in Südengland vor zwei Jahren. Damals,
als wir ohne reservierte Bleibe bei Jacky anfragten, diese ablehnen musste, weil sie
belegt war, aber dann doch ihren in Italien befindlichen Sohn anfragte, ob sie wohl den
armen zwei Vätern mit den netten Burschen sein, Williams, Zimmer geben durfte, in dem
wir – Du wirst Dich sicherlich erinnern, dann höchst genussvoll ganze fünf Tage
verbrachten, weil es komfortabler kaum möglich war. Ob nun Eurer eigener Tisch-Billiard
in der Mitte des Raumes oder Highspeed-Internet für mich, alles im zauberhaften
Grapham, einem kleinen Ort in West Sussex.
Jacky und James, die ja Katherina und ich wenige Wochen vorher, im Juli, für zwei
Nächte besucht hatten, waren ebenfalls dort und wir alle miteinander freuten uns auf das
Fröhlichste. Das musste natürlich gefeiert werden, so dass wir uns in einem der sehr
schönen Straßencafés von Fransheck niederließen und erst einmal ausgiebig die
Ereignisse der letzten Monate austauschten und sie uns erzählten, dass ihre Tochter hier
in Südafrika zu einem Sport-Austausch mit ihrer Klasse war und ihre Eltern dies
begleiteten. Sogar William sollte kurzfristig nach geflogen kommen, den wir aber nicht
mehr trafen, da wir schließlich weiter mussten und wollten nach Hermanus, wo die
Beiden am Vortag waren und unsere Vorfreude noch weiter steigerten durch tolle
Erzählungen von den Southern Right Wales.

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Nicht sonderlich nervös, aber trotzdem angespannt überprüfte ich täglich, ob meine Art
des Gepäcks und des Kofferpackens die richtige ist, denn ein bisschen war ja Südafrika
die Probereise für die anschließende große. Deshalb ordnete ich gelegentlich mein
Gepäck hin und her und her und hin und überlegte, was ich verbessern könnte. In dieser
Angelegenheit, wie Du ja weißt, mein lieber John, ist Dein Vater ein gerne Neurotiker.
Also suchte ich hier und dort zu optimieren, packte aus und wieder ein und fand nicht,
was ich vermisste, aber dann doch im Koffer war: mein Feuerzeug. Natürlich hatte ich
sofort Dich, den ersten Raucherfeind der Nation in Verdacht, dass Du es mir vom Tisch
draußen weggeräubert hast, um es dann irgendwo zu verstecken, aber mit liebenswert
treudusseliger Miene versichertet sowohl Du als Lio mir, daran nicht beteiligt zu sein.
Naja, ganz glauben konnte ich es nicht. Glückliche Umstände wollten, dass es nicht sehr
lange dauerte, aber doch immerhin vier Tage, bis ich es dann doch verborgen in meinem
Zero Harliburton wiederfand.
Am Morgen unserer Abreise erfreute uns Mr Millner noch mit einer Detail-Tiefenführung
in die außerordentlich improvisierten Weinkellereien seines Sohnes, wo er uns anhand
zusammen geschnorrter und für kleines Geld bei großen Kellereien gekaufter Weinbau-
Materialien und der Eichenfässer-Aluminiumtanks und von Danone abgestaubter
Kunststoffbehälter uns liebevoll erläuterte, wie der Weinproduktions-Prozess bei ihnen so
abläuft, um dann zu dem sogar vom Hugh Johnsson von Südafrika gelobten und für
höchst empfehlenswert anerkannten Dissow Blend erklärte. Das schien wie immer Euch
nicht sonderlich zu interessieren. Umso mehr erfreute es Detlev und mich und schloss
eine kleine Bildungslücke in uns gerne Weintrinkern, aber noch nicht mit allen
Produktions-Prozessen vertraut.

Als unsere nächste Etappe hatten wir zwei Nächte in Hermanus vorgesehen, einem in
Insiderkreisen weltberühmten Ort, dem besten Ort für landbasiertes Whalewatching. Hier
in Hermanus kann man doch tatsächlich von den landschaftlich wundervollen Klippen aus
in nur 30 Metern Entfernung den Southern Right Whale sehen – eine prachtvolle,
mittelgroße Spezies der Wale, die in dieser Region, in dieser Bucht, jährlich wiederkehrt
in den Monaten September bis Februar, aus der Antarktis kommend, um ihre Jungen zur
Welt zu bringen und aufzuziehen und stark zu ernähren für die anschließende Rückreise
in die kalte Antarktis. Besonders an der Bucht von Hermanus ist, dass sie sehr schnell
enorme Tiefe erreicht, was dazu führt, dass der für die Wale wichtige Krill hier aus
großen Tiefen über besondere Strömungen herauf gespült wird und ihm damit einen
reichhaltigen Weidegrund bietet. Der Southern Right Wale, wie ich Dir schon vor Ort
erzählte, wird so genannt, weil er aufgrund seines Lebertrangehaltes und weiterer für die
Walfänger bedeutsamer Bestandteile als der „richtige Wal“ bezeichnet wurde. Es gab da
wohl „falsche“, aus denen wenig Ausbeute zu erreichen war. Der Souther Right Wale war
ein leichtes Opfer und voller Lebertran und diverser chemischen Substanzen, mittels
derer damals Lampen brannten und manche Dinge mehr.

Ihr ward, wie üblich, sympathisch gleichgültig, ich konnte es kaum erwarten und je
waren sie dann dort. Die Wale vor unserer Nase in gigantischer Größe und so viele Dinge,
die wir zu dem Zeitpunkt noch nicht von ihnen wussten, staunten wir darüber, dass sie
mit dem Bauch nach oben an der Wasseroberfläche mit ihren Flossen paddelten und sich
offensichtlich regelrecht vergnügten. Der Fototermin, die große Flosse kurz vor den
Eintauchen zu sehen, nahm einige Zeit und aufregende Momente in Anspruch, derweil ihr
bei dem besten Eisladen des Ortes geschlemmt habt.

Und so viele Freude die Wale machten und so beeindruckend, ja atemberaubend es war,
ihnen zuzuschauen, so war es nach zwei Tagen doch an der Zeit weiter zu fahren, denn
schließlich hatten wir uns fest vorgenommen, im Indischen Ozean zu baden. Dafür
ausgeguckter Ort von mir war Victoria Bay. Der Portfolio-Bed&Breakfast-Führer lobte
unsere Unterkunft vorab in höchsten Tönen und genau weiß ich noch, wie ich mich darauf
freute, hier den wilden Ozean mit hohen Wellen erleben zu können. Höchst
bedauerlicherweise begann dieser relativ lange Reisetag – wir mussten immerhin fast
400 Kilometer fahren, mit einem leicht verwirrenden Lapsus: Die vorbereitende Phase für
die Reise war gekennzeichnet von intensiver Arbeit an einem Projekt Stuttgart und auch

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ansonsten viel Vorbereitungs-Überlegungen, so dass ich alle Bed&Breakfast per E-Mail
noch einem nach-confirmte, nicht jedoch Victoria Bay. Der ausnehmend nette
Gentleman, den ich dann anrief, sagte, es täte ihm sehr leid, aber er sei ausgebucht,
dennoch sollten wir einfach mal vorbei kommen, es würde sich sicherlich eine Lösung
finden.
Die fand sich tatsächlich und natürlich sogar noch viel besser als wir ursprünglich
angenommen hatten. Ursprungsbuchung war eine Reservierung für zwei Doppelzimmer.
In diesem Fall bekamen wir dann sogar benachbart eine eigene Wohnung mit vier Betten
und dieser wunderbaren Holzveranda, auf der wir, glorreich tüchtige Selbstversorger sein
konnten – und das genussvoll angereichert mit köstlichem südafrikanischem Wein.

Als wichtigstes, fast wichtigstes Reise-Utensil, habe ich natürlich meinen Hängestuhl
dabei. Der hängte in Natte Valley nun tatsächlich zum ersten Mal – allerdings nur eine
halbe Stunde, denn dann begann es zu regnen. Deutlich mehr Glück hatte ich in Victoria
Bay, wo ein in den indischen Ozean hinaus gebauter Angelsteg mir eine prachtvolle
Befestigungsmöglichkeit bot. (ANMERKUNG VON FRAU BOURAS; DIE SICH ÜBER DAS
BERUHIGENDE BALINESISCHE HINTERGRUNDGEPLÄNKEL FREUT)
Wie kalt der Atlantische Ozen ist, haben wir ja gar nicht fest gestellt, aber dass der
Indische Ozean sehr viel angenehmer in der Temperatur ist, haben wir dann doch
miteinander in der Victoria Bay „heraus gebadet“. Auch wenn ich, als Ihr Drei schon
stundenlang im Wasser rum dümpeltet, noch nicht so recht mochte, bzw. das Schauspiel
glückvoll in meinem Hängestuhl genoss, so ähnlich freudvoll tauchte ich am nächsten
Morgen dann durch die Wellen. Und ganz besonders genussvoll, weil kein Mensch weit
und breit, zeitweilig ohne Badehose.

Wir alle dachten, wir hätten schon mal einen richtig langen Strand gesehen. Das war
eindeutig ein Irrtum, jedenfalls im Vergleich zu dem, was dann kam. Als erstes lag an
unserem Weg White Sand Beach – gigantisch und bis zum Horizont. Aber noch viel
aufregender, sicherlich auch aufgrund der Kitesurfer, war Wilderness. Schon der Name ist
Programm: Riesenwellen, na ich will nicht übertreiben, aber sicherlich 2 Meter hoch, in
dreifachter Dünung rollend und endlos bis zum Horizont. Eindeutig hatten dies auch die
Südafrikaner gemerkt, denn sie alle hatten sich zum Teil wunderschöne Villen oben auf
dem Dünenkamm gebaut, von wo aus man in die Endlosigkeit des Ozeans schauen
konnte mit einer immer rollenden und donnernden Dünung unten drunter. Trotzdem
großartig geeignet zum Baden, wenn das Wasser etwas wärmer gewesen wäre.
Jedenfalls aber das perfekte Terrain für die Kitesurfer, denen wir mit Staunen sicherlich
eine Stunde zusahen.

„Brot und Spiele“ ist ja unsere Devise, spätestens im Umgang mit Euch schon seit
langem. Also gab es lecker zu essen in einem wundervollen Restaurant, von dem man
aus prachtvoll auf den Ozean schauen konnte. Anschließend ging es in den Monkey Parc.
Großartige Erklärungen, die wir dort von einem sehr kompetenten Ranger erhielten,
rundeten den Aufenthalt ganz erheblich ab, aber die größte Freude bereiteten doch diese
frechen kleinen Affen, deren Namen ich natürlich wieder vergessen habe, die im
Restaurant-Bereich den speisenden Gästen die Pommes Frites vom Teller klauten in
endlos unglaublicher Geschwindigkeit. Hiervon abzuhalten waren drei Mitarbeitern mit
Wasserflaschen mit engstrahliger Tülle im Einsatz – die Affen, die offensichtlich sehr
wenig von Wasser begeistert waren, wegzustrahlen. Hier hatten wir jede Menge Spaß,
wie auch im Park mit aufregenden Lemuren und insgesamt sechs verschiedenen,
niedlichen wie auch gerne mal dusseligen Affen. Beste Unterhaltung auf unserer
sicherlich zweistündigen Wanderung. Sehr beeindruckend, mein Johnjohn, fand ich hier
Dein Detailwissen über Affen – möglicherweise hängt das mit Deiner engen
Verwandtschaft zu ihnen zusammen.

Nach dieser Reisestation ging es weiter nach Port Elisabeth. Dort, wo wir bereits im
Dunkeln ankommend, gerade eben noch Zeit hatten, in einem durchschnittlichen
südafrikanischen Steakhouse bei fieser Beleuchtung bestenfalls durchschnittlich
genießbare Speise zu essen, galt es sich, geistig darauf vorzubereiten, dass wir am

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nächsten Morgen früh den ja von mir liebevoll gecoachten Mercedes zurück geben
wollten, um anschließend über Johannesburg nach Hoedspruit zu fliegen.

Dieses Mal waren wir sehr viel besser vorbereitet und du bekamst Deine
Reiseschonungstablette frühzeitig eingeschoben, so dass wir optimistisch sein durften,
dass Dich die Reisekrankheit weniger packt als eine freundliche Müdigkeit. Der Übergang
in Johannesburg war gut akzeptabel mit zwei Stunden, so dass auch an der Stelle keine
unnötige Verwirrung entstand. Nicht ganz so viel Freude machte unser Aufstehen
morgens um 5.00 Uhr, da nicht ausgeschlossen werden konnte, dass die Rückgabe des
Leihwagens Komplikationen bereiten würde. Dem war erstaunlicher- wie
erfreulicherweise nicht so, auch wenn der Fuhrparkleiter den Glasschlag auf der
Windschutzscheibe bemerkte, auch ohne dass wir ihn darauf hin wiesen, was wir
natürlich getan hätten, und ich ein entsprechendes Versicherungsformular ausfüllte. Da
wir aber Vollkasko gebucht hatten, stellte sich dies nicht weiter als problematisch dar und
nach 15 Minuten waren wir vom Hof.

Nach Johannesburg im großen Jet, weiter nach Hoedspruit in einer zweimotorigen


Propellermaschine, landeten wir mit erheblichem Temperaturkontrast von 35°C im
Schatten in Hoedspruit unweit des Krügerparks in Südafrika.

Hier erwartete uns ein freundlicher Fahrer, der Tschugudu-Gamelodge, die wir in
einstündiger Fahrt in den Busch erreichen. Schon aus der Luft sahen wir endlose,
gigantische, unendlich schöne Areale, die kurioserweise von dünnen Sandwegen in
unlogischen Rastern durchzogen waren. Wie wir dann später erfuhren, handelt es sich
hierbei um diverse Gamelodges (manche privat), durch hohe (teilweise mit Starkstrom)
Zäune voneinander abgetrennt, da Übertritt des Wildes nicht gewünscht wurde, wie
später im Detail zu erläutern sein wird.

In der Gamelodge eintreffend wurden wir auf das Netteste begrüßt von einer
zauberhaften Holländerin, die uns in unseren sehr nett liegenden Bungalow begleitete,
wo wir zwei Doppelzimmer hatten und Ihr sicherlich das erste Mal in Eurem Leben unter
einem Moskitonetz schlieft. Diese Region des Krüger-Nationalparks ist noch nicht
Malariagebiet, aber dennoch ist es sinnvoll, an dieser Stelle die nötigen Vorbereitungen
zu treffen. Und hierzu gehört klugerweise das Moskitonetz.

Zugegebenermaßen habe ich es nie nach geguckt, deshalb hielt die Verwirrung auch
einen kleinen Moment an, bis ich es mir dann aber erklären ließ: Gamelodge hat nichts
mit Spielen zu tun, sondern „Game“ ist Großwild. Wenn wir also in einer Gamelodge sind,
so heißt das, wir sind in einer Großwild-Lodge. Das wusste ich natürlich vorher, aber dass
dies „Game“ bedeutet, war mir tatsächlich nicht klar. Euch natürlich sowieso nicht, denn
ich stellte Dich auf die Probe, wie manchmal ohne Erfolg. Aber das haben wir bei der
Gelegenheit gelernt.

Wir haben es mit einer Gamelodge Big Five zu tun, das heiß mit der indirekten
Zusicherung, dass es uns möglich sein wird, alle großen und bedeutenden Tiere des
Busch zu sehen, da sich diese in der Elektrozaun-Abschirmung eines riesengroßen Areals
von 50 Kilometern Länge und 30 Kilometern Breite befindet. So sollten wir sehen, so
wurde uns zugesagt, beginnend mit dem Rhinozeros, über den Buffaloe zum Wildebeast,
die Giraffen nicht zu vergessen und als Krönung natürlich die Leoparden und die Löwen.

Der Tag in einer Gamelodge, so und in der Form uns natürlich unbekannt, sieht vor, dass
wir um 8.00 Uhr zum Frühstück erscheinen, um dann um 9.00 Uhr unsere Jeeps zu
besteigen, gemeinsam mit unserem Teamführer Reece. Reece, ein furchtbar netter
Original-Südafrikaner und seines Zeichen Ranger seit anderthalb Jahren. Er erklärte uns
auf so gekonnte wie liebevolle Art die vielen Details über die aufregenden wilden Tiere,
aber auch seine Ausbildung, die Technik des großen Toyota-Landcruiser und viele Dinge
mehr, die wir ihn ausfragten, in den drei Tagen, in denen wir das Vergnügen hatten,
durch die Nationalpark benachbarte Savanne zu fahren.

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Um 9.00 Uhr ging es dann also los mit einer dreistündigen Ausfahrt hinaus in den Park.
Die Vegetation, zum besseren Verständnis, stellte sich vorfrühlinghaft dar, das heißt, es
gab einige wenige Bäume, die bereits frisches Grün trieben und damit ganz besonders
zauberhaft in der an sich doch dürren Landschaft wirkten. Trotz allem ist diese dürre
Landschaft von großem Vorteil für den Betrachter, denn wenige Wochen später, so
versichte man uns, nach dem großen Regen, der dringend erwartet wurde, schwelgt alles
im üppigen Grün, aber dann ist es ungleich viel schwieriger, die Tiere zu sehen, die sich
dann naturgemäß hinter jedem Busch verbergen können, was derzeit nicht möglich war.

Nach Rückkehr von der ersten Ausfahrt gab es einstündige Pause, zum Beispiel, um die
liebreizenden halbzahmen Leoparden und zu streicheln. Oder auch einfach, um einen
Aperitif zu nehmen, einen wohl temperierten, dem dann ein meist leckeres Mittagessen
folgte. Dann gab es eine einstündige Pause, der wiederum um 15.00 Uhr eine Ausfahrt
folgte, die dann drei Stunden lang bis zum Einbruch der Dunkelheit uns durch den Park
führte, auf immer unterschiedlichen Wegen. Nie hatte man das Gefühl, hier schon einmal
vorbei gekommen zu sein.

Nach drei Tagen relativierte sich dies ein bisschen. Dann begannen wir unsere Orte und
Positionen zu kennen. Besonders schön bei der nachmittäglichen Ausfahrt war der
Sonnenuntergang um 17.30 Uhr, wofür Reece, unser Ranger, uns extra auf eine
Freifläche fuhr, so dass wir den Sonnenuntergang in wundervollster Landschaft mit den
gigantischen großen, den Horizont charakterisierenden Drakensbergen als Silhoutte
genießen konnten. Hierzu ein wohl temperiertes südafrikanisches „Labber-Bier“, aber
natürlich noch nicht für Euch.

Besondere Helden, und einen Morgen gehörten wir dazu, stehen morgens um 6.00 Uhr
auf, um um 6.30 Uhr teilzunehmen an der Löwen-Führung. Die Gamelodge, die beteiligt
ist an einem Aufzucht- und Wieder-Auswilderungs-Programm von Löwen und Leoparden,
halten mehre junge Löwen, mit denen man morgens früh, in Begleitung von drei
Rangern, einer davon bewaffnet, in den Busch wandern kann. Dies scheint ein Ritual zu
sein, denn die Ranger nötigen die Löwen dann auf einen der umgefallenen Bäume, wo sie
es sich bequem machen, damit wir als Touristen uns davor, in allerdings Löwentatzen-
Entfernung aufstellen für den Fototermin. Das Fotos dieser Art von Euch, Detlev und mir,
gehört zum liebreizenden Standardprogramm.
Tatsächlich war es auch ein recht eigentümliches Gefühl, den König der Löwen streicheln
zu können und in seiner unmittelbaren Pranken-Entfernung zu stehen. Aber ganz
eindeutig, ergab detaillierte Beobachtung dieser prachtvollen Katzen, dass sie an Stress,
in welcher Form auch immer, überhaupt nicht interessiert sind. Schon gar nicht, zu dieser
Tageszeit – das gleiche galt übrigens für die Menschen… nämlich uns. Dennoch wurden
wir auf das genaueste vorbereitet und gebrieft von den Rangern, bloß nicht in die Hocke
zu gehen, nicht zu laufen, die Gruppe nicht zu verlassen, da all diese Phänomene von
den Löwen so interpretiert werden können, dass wir wild seien und spätestens, wenn wir
laufen würden, würde sein Instinkt durchbrechen und er würde uns nachjagen – mit
sicherlich besorgniserregendem gutem Erfolg. Besonders beeindruckend fanden wir die
Krallen und die Fangklaue des Löwen vorgeführt zu bekommen. Dies alles ließen die
beiden zauberhaften Spaziergeh-Löwen mit sich machen. Schwer beeindruckend, dieser
tödliche Kralle, mit der sich der Löwe „einlogged“ bei dem Objekt, das er fängt und auch
erst im komplett zur Ruhe gekommenen Zustand wieder herauslösen kann.

Wilde Tiere

Ganz besonders aufregend, erinnerst Du Dich bestimmt, mein lieber Sohn, ist es ,wenn
man einen Weißkopfadler in der Natur erleben kann. So wie uns das Glück bescherte auf
einer unserer Ausfahrten. Und außerordentlich originell uns dann Reece, unser Guide,
aufmerksam macht auf Tiere, die wir bestimmt übersehen hätten. Ganz besonders
seltene Weißsattelstörche. Diese Störche, die kurz vor dem Aussterben bedroht sind,
stolzierten fröhlich im Feuchtraum unterhalb der Weißkopfadler, so dass man gut den

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Eindruck gewinnen konnte, dass die beiden Adler ihre Bodyguards waren. In jedem Fall
konnte man gut zu dem Eindruck kommen, dass Schwarz und Weiß gut miteinander
gehen, denn sowohl der Weißkopfadler hat ein schwarzes Gefieder und einen weißen
Kopf, als auch der Weißsattelstorch weitestgehend schwarz ist, aber auf dem Rücken
weißes Gefieder hat. Ob und das Schwarz und Weiß zusammen gehen darf grundsätzlich
bezweifelt werden – spätestens, wenn man die Geschichten hört und ernst nimmt, die
uns zwei hoch interessante Ingenieure, mit denen wir mehrfach ausfuhren und dann auch
mittags und abends interessante Gespräche im Zuge der Mahlzeiten führten. Diese
prognostizierten Südafrika einen energietechnischen Zusammenbruch. Die ersten
Blackouts hat es bereits gegeben. Und sie erklärten diese Theorie damit, dass seit der
Einführung der Demokratie, seit der Abschaffung der Apartheid, mehrheitlich die
Positionen mit Schwarzen besetzt werden, diese jedoch historisch bedingt gar nicht die
Möglichkeit haben, so gut ausgebildet zu sein, wie die Weißen. Sie entsprechend
Positionen bekleiden, die sie mit Kompetenz nicht auszufüllen in der Lage sind, so dass
sie entweder nicht entscheiden können oder falsch entscheiden und primär die eigenen
Geldbörsen füllen.
Düstere Szenarien, wie diese beiden Gentlemen skizzierten, und offensichtlich in
beeindruckend guter Detailkenntnis der südafrikanischen Szene, in der sie vierzig Jahre
lang, heute beide pensioniert, intensiv gearbeitet haben.

Ganz grundsätzlich muss ich mit Bedauern sagen, dass wir in unseren täglichen
Gesprächen nicht übertrieben vielen Schwarzafrikanern begegnet sind. Diese, die wir
sahen, und mit denen wir uns unterhielten, waren außerordentlich nett, aber zu keinem
Zeitpunkt wollte das Gefühl aufkommen, besonders willkommen zu sein. Immer stellte
sich das Gefühl ein „Euer Geld nehmen wir gerne, aber ansonsten könnt Ihr Euch zum
Teufel scheren“. Nun haben sie auch nicht zwangsläufig die besten Erfahrungen mit den
Weißen gemacht, und dies sicherlich von Generation zu Generation weiter gegeben, so
dass ich schon bei Blickkontakten das Gefühl hatte, dass mir nicht in die Augen zurück
geschaut wurde in der Form, wie ich es mir gewünscht hätte und wie ich es später auf
der Reise an anderen Orten in beglückendster und erfreulichster Form würde erleben
dürfen.

Doch zurück in die wundervolle Vegetation, Flora und Fauna. In jedem Falle wach halten
in Dir möchte ich die Erinnerung an diese außerordentlich beeindruckenden Bilder, die wir
sahen, als wir dann ein weiteres Mal mit dem hoch gelände-gängigen Jeep durch ein
ausgetrocknetes Flussbett fuhren. Immer wieder hatte ich bei Reese den Eindruck, dass
er ganz genau weiß, wo er die Tiere findet und teilweise sogar eine Suche-Dramatik
einbaute, so dass wir eine Stunde vor Rückkehr dann doch die sehr gesuchten Tiere
fanden. So auch in diesem Flussbett die vier dem Resort zugehörigen Elefanten.
Schon vorher wurde uns erklärt, dass ein riesengroßes Areal wie diese Lodge – ich
erwähnte die Größe vorher – maximal in der Lage ist, vier Elefanten zu beherbergen.
Dies war mir auf Anhieb einerseits aberwitzig, andererseits unklar. Dachte ich doch,
schließlich halten wir uns in der Wildnis auf, da sind doch die Tiere wie sie wollen und
nicht in der Anzahl reglementiert. Dies ist jedoch keineswegs so. Auch und maßgeblich
deshalb, weil Elefanten gigantische Schäden anrichten.

So wurden wir verwirrt schockierte Zeugen – und wenn ich mir vorstelle, Idefix wäre
dabei gewesen, er würde sofort in heulendes Jaulen ausgebrochen sein – sahen wir doch
die Elefanten große, sicherlich 30-50 Jahre alte Bäume mit dem Rüssel und unglaublicher
Gewalt umstürzen und große Äste brechen, nur aus dem einzigen Grunde, um kurz und
dies auch noch gelangweilt, an bestimmten Versorgungswurzeln des Baumes zu saugen
und deren Rinde abzulutschen – ein Vorgang, der maximal fünf Minuten dauert. Dann ist
der Elefant mit dem Baum durch und der Elefant zieht seiner Wege; wenn es schrecklich
läuft zu dem nächsten Baum, um mit ihm das Gleiche zu veranstalten.

Der Baum, dann entwurzelt auf dem Boden liegend, lebt nur wenn es sehr gut läuft, in
Teilen weiter, jedenfalls aber umgestürzt. Mehrheitlich gehen diese Bäume jedoch
komplett zugrunde. Elefanten tun dies jedenfalls in der Trockenphase, die wir dort noch

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erlebten, vor dem zu erwartenden großen Regen, kommend aus den höchst
beeindruckend und leicht bedrohlich wirkenden Drakensbergen, die wir auf all unseren
Ausfahren beeindruckt am Horizont sehen konnten. Erst wenn dieser gekommen ist,
beenden die eigentlich liebenswürdig wirkenden Dickhäuter ihre gewalttätige Arbeit und
beziehen ihre Flüssigkeit, Feuchtigkeit und die Proteine wieder auf anderem Wege.

Das von all den gesehenen Big Five die Buffaloes am dusseligsten drein schauen, waren
wir uns sofort einig. Ergänzend dazu erfuhren wir, dass sie dann auch noch von
schlechtem Charakter sind, d.h. unberechenbar und tendenziell niederträchtig. Somit fiel
unsere Auswahl auf das am wenigsten geschätzte Tier relativ leicht. Gleich anschließend
gefolgt vom Wildebeast, mit dem wir allerdings relativ wenig Begegnungen erleben
durften. Ganz weit vorne in der Beurteilung waren die Spitzmaul-Nashörner, die uns ein
ausgesucht liebreizendes Schlammbad präsentierten. Ständig, für uns nicht ganz
verständlich, mit der Schnauze im tiefsten Dreck, staunten wir dann aber auch noch über
die wundervollen Natur-Synergien. So gibt es einen Vogel, auch wenn ich
bedauerlicherweise dessen Namen nicht weiß, dessen Primäraufgabe es ist, die Ohren
des Nashorns sauber zu halten, in denen dieser niedliche kleine graue Vogel mit Vorliebe
verschwindet und gerne mal 30 Sekunden nicht wiederkehrt, offensichtlich da drinnen für
Ordnung sorgend gegen Parasiten, die das Rhinozeros beeinträchtigen könnten.

Ob es mir schon auf dieser Reise, meine geliebte Knalltüte, gelungen ist, Dich für die
Schönheit von Bäumen zu sensibilisieren, kann ich mir nicht recht vorstellen; spätestens
wenn ich daran denke, wie Du mich mit meiner Begeisterung für die Schirm-Akazie
necktest. Immer wenn wir an einer vorbei kamen, was nicht selten war, sagtest Du, mich
breit angrienend: „Oh, wie schön!“, womit Du zweifelsfrei Recht hattest, aber ich nicht
wirklich den Eindruck hatte, dass Du diese Ansicht teilst.

Hoffnungsfroh bleibe ich trotzdem, dass der Funke übergesprungen ist – auch und
besonders für die außergewöhnlich schönen Proportionen. Nicht im Wesentlichen geht es
bei einem Baum darum, ob er grün oder blattlos, halbtot oder vor Kraft strotzend ist; im
Wesentlichen geht es darum, die Proportionsharmonie zu erfassen, die die Natur vielfach
in diese Großkunstwerke hinein gezaubert hat in Form satt kraftvoller Baumstämme,
üppig verankerter Wurzeln oder von Kronen in Größen und Wohlgeformtheiten, dass ich
immer wieder über alle Maßen begeistert war. Und vielleicht, so ketzerisch meine Bilanz
zur Tschugudu-Gamelodge sein könnte: Selten habe ich eine derartig schöne
Ansammlung wohl proportionierter Bäume, dann auch noch in zauberhaft frischem
Frühlingsgrün auf einem Haufen gesehen wie dort!
Zugegeben, hingefahren sind wir wegen der beeindruckenden, wilden Tiere, und dennoch
rührt der Baum in seiner Schönheit und seiner Kraft doch eindeutig mehr.

Auch anrührend ist, dass alle Ferien ein Ende haben, so dass wir nach drei Tagen
genötigt waren, die Koffer, ich sogar den Weltreisekoffer, ein weiteres Mal bestmöglich zu
packen, da unser sehr netter Fahrer uns schon am nächsten Tag wieder nach Hoedspruit
bringen sollte, von wo aus wir den wunderschönen, bei klarstem Himmel, 45minütigen
Flug nach Johannesburg antraten. Eine glückliche Unverschämtheit und Internet-
Vorbereitung führten dazu, dass Du wenig schlafend an meiner Schulter den Flug ohne
Übelkeit durchstandest, derweil ich mit wachsender Begeisterung bei klarer Sicht die
Drakensberge mit ihren abenteuerlichen Canyons und diese Region Südafrikas
verabschiedend noch einmal aus der Luft sehen durfte.

In Johannesburg gelandet, hatten wir die vermeintlich frustrane Übergangszeit von sechs
Stunden. Wie Du weißt, schätze ich Flughafen-Effizienz über alle Maßen, durfte mich
jedoch über mich selbst wundern, dass diese Zeit mir gar nichts ausmachte und
gleichzeitig wie im Fluge verging. Ein weiteres Mal aßen wir Indisch – im Zweifel immer
und überall eine gute Idee, selbst als Fastfood immer noch besser als manch anderer
Junk großer amerikanischer Ketten oder fiese Sandwiches. Dann ein bisschen
Internetcafé für Euch, ein bisschen Reise-Vorab-Organisation mittels Computer für mich.

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Schließlich hatten wir immer noch auf der gerne belachten Vodafone-Simkarte freie MB.
Und schon war es früher Abend. Deine Reisetablette in gutem Zeitabstand bereits wohl
verdaut, so dass Du auch den kommenden 10stündigen Flug nach Frankfurt mit guter
Gelassenheit entgegen sehen konntest – auch wenn die Buchung dieses Mal nicht ganz
so glücklich lief, und Ihr drei auseinander gerissen sitzen solltet. Höchst erfreulich dann
für mich die Kurzmitteilung von Detlev, dass es doch gelang, Euch an Bord zusammen zu
setzen. Und noch viel fröhlicher stimmte mich die Nachricht, die ich dann bereits aus
Frankfurt bekam, dass Du den Flug gut durchgestanden hast.

Mein Abflug nach Kairo ging planmäßig eine Stunde nach dem Euren und, auch wenn ich
es nicht hätte tun sollen, so gab es doch so viele aufregende Dinge zu denken,
vorzubereiten, Reiseführer zu lesen, dass ich einen Großteil dieses Fluges, der an sich
komfortabel von abends 22.00 Uhr bis morgens 5.00 Uhr ging, nicht wirklich schlafend
verbrachte, sondern damit, Bilder herunter zu laden von dem Digitalkamera-Chip und
mich der glückvollen Erinnerungen zu erfreuen unserer gemeinsamen Reise durch
Südafrika.

hier kommen: CAIRO -MEXICO-KALIFORNIEN-HAWAII

MAUI HAWAII

Grundsätzlich und in jedem Fall lässt sich zusammenfassen, ich hoffe, ich wiederhole
mich nicht, dass zumindest Maui etwas hinter den Erwartungen zurück blieb. Aus mir
unerfindlichen Gründen glaubte ich, dass alles über und über Blumen-gesäumt und –
dekoriert ist, ein bisschen vielleicht kitschig, dass die gesamte Insel eine große
Orchideen-Kolonie ist. Wir stellten allerdings nicht nennenswert enttäuscht fest, dass dies
so und in der Form nicht der Fall ist. Endlose riesige Flächen Ödland und Buschwerk
hinauf bis zu den Kratern. Die, nebenbei bemerkt, haben wir uns erspart, denn wie Du
vielleicht weißt, aber vielleicht auch nicht, ist das Vater so gar kein Krater-Fan – da
stundenlang hinauf und dann in ein großes Loch zu gucken, in dem Wasser ist oder
meistens, schlimmer noch, kein Wasser, reizt mich nicht so wahnsinnig. Auf Maui sind
zwei riesige Vulkane, auf die man natürlich auch hinauf fahren kann. Dem Himmel sei
Dank, blieb mir das erspart. Aber das hatte ich ja auch ein bisschen selbst in der
Steuerung. Auch Clarissa hat uns nicht unnötig dahin gehend genötigt. Also kein Krater.
Da hinauf trübes Ödland, die Krater gerne mal in den Wolken verhangen, so dass, wie
gesagt, im Grundsatz nur die höchst abenteuerliche Straße nach HANAAA, die exotische
Vegetation hat, die man mit Hawaii assoziiert.

Vier Tage waren sicherlich kurz. Immer hätte man mehr machen und sehen können. Aber
das führt, wie wir sehr schnell, um genau zu sein bereits in Mexico, erkannten, unser
wahrscheinlich fortwährendes Problem werden: dass wir immer zu wenig Zeit haben
werden.

Die Zeit-Fee könnte da helfen und wie wir spätestens im nächsten Reiseabschnitt sehen
werden, gibt es sie wirklich und sie hilft.

Auf nach Neuseeland

Von Caholoui nach Honolulu mit zweistündigem Umsteige in die Air New Zealand, die uns
im ruhigen neunstündigen Flug morgens um 6.00 Uhr pünktlich in Auckland landete,
sollten wir dort als erstes eine besonders wichtige Freude feststellen: Und das war der
Blick ins Internet über Sonnenauf- und Sonnenuntergang. Tatsächlich hatte die Zeitfee
uns für Neuseeland zwei Stunden länger Tageslicht beschert, was eine große Freude in

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mir auslöste, denn von sechs bis sechs in der Wahrnehmung reglementiert zu sein, ist
zwar einerseits schön, weil man sich dann besinnen kann und die erlebten und
gesehenen Eindrücke verarbeiten kann. Auf der anderen Seite kann man zwei Stunden
lang weniger sehend staunen.

Sonnenuntergang in Neuseeland 20.26 Uhr – oh welch besondere Freude!

Erst einmal jedoch fuhren wir ins Zentrum von Auckland, einer Stadt, die mich nicht
wenig staunen ließ. Aber maßgeblich darüber, wie wenig Konzept, wie architektonisch
willenlos, wie grenzenlos durcheinander eine Stadt sich darstellen kann. Durchaus mit
schönen Jahrhundertwende-Gebäuden, die zwischen Qualitäts- und Gesichts-lose
Medium-Wolkenkratzer geklemmt sind. Eine Hafenabfahrt in feinster Jahrhundertwende-
Architektur, gesäumt von zeitgleichen Kandelabern die ganze Straße hinab, abgelöst von
schlecht gemachter Pseudo-Architektur und willenlosen Glasfassaden.

Sehr erstaunlich dies, und wenn man in einer Stadt wie Auckland – der Stadt der Winde
und Segel – eine Stadt, in der sich im gleichen Hafen zwei Ozeane begegnen, nämlich
sowohl die Tasmanische See, als auch der Pazifische Ozean, dann sollte man hier
meinen, dass das besondere, natur-geküsste Flair von den Architekten und Stadtplanern
aufgenommen würde. Betrüblicherweise ist dies so gar nicht der Fall.

Trotzdem will kein Unwohlsein aufkommen – man kann es sich dort gut gehen lassen, in
Auckland, wo exzellente Seafood-Küche zu finden ist noch und nöcher, bei einer so
atemberaubenden Internationalität und Vielvölkerschaft, dass wir aus dem Staunen nicht
heraus kamen.

Gelandet wie gesagt morgens um 6.00 Uhr an einem Sonntag ist die Stadt komplett
ausgestorben, und das bei der Anlage zwischen 4-6-spurig. Eine etwas eigenartige
Atmosphäre. Dennoch reizvoll für den noch nicht gewohnten Linksfahrer. Aber den
Leihwagen sollten wir erst anderthalb Tage später übernehmen.

Wie Du weißt mein Sohn, bin ich begeisterter Besucher von Flohmärkten, besonders gern
in Deiner Gesellschaft, auch wenn wir nicht die gleiche Geschwindigkeit haben. So, an
einem Sonntag, morgens um 6.00 Uhr in Auckland gelandet, konnte ich mich höchst
glückvoll mit Katharina auf Anhieb darauf einigen, dass ein Flohmarkt unser
gemeinsames Ziel sein könnte. Flugs übers Netz den Evensdale Fleamarket heraus
gefunden, machten wir uns von unserem schicken Boutique-Hotel, The Quadrant, dorthin
mit Bus auf den Weg.

Eine unglaubliche Ansammlung von höchst exotischen Menschen, viele davon sicherlich in
Erstbegegnung mit den Einheimischen Maori staunten wir nicht schlecht über die
Vielvölkerzahl, die sich offensichtlich hier in Neuseeland, jedenfalls aber in Auckland, zu
unserer Begrüßung versammelt hat. Etwas weniger Mühe gegeben haben sie sich mit
dem Flohmarkt-Sortiment, denn tatsächlich waren wir auf einem Flohmarkt gelandet, wie
ich sie, wenn ich es kann, gezielt vermeide: viel billiger Neuplunder, wenig originales
Altes. Trotz allem war es ein aufregender Besuch – zu sehen, wie die hier so aussehen
und wie die so drauf sind.

Grundsätzlich stellten wir sehr schnell eine besondere und besonders sympathische
Entspanntheit in Auckland fest. Ob es beim anschließenden Mittagessen in der Kingsroad
war oder am Abend im Viaduct Harbour – höchste lässige Leute, extrem freundlich und
durch und durch sympathisch. So gern mein geliebter Sohn, und ich hoffe an der Stelle
wirst Du ein besserer, so gern ich mich Gottes Tierreich erfreue, so sehr ich darüber
staune, wie unterschiedlich Menschen sein können, wenn es darum geht, sie in ihrem
ursprünglichen, schlimmer noch primitiven Formen kennen lernen und studieren zu
müssen, hört es bedauerlicherweise mit meinem Interesse auf. Deshalb komme ich auch
nicht nach Neuseeland bereits als Maori-Experte, geschweige denn, dass ich es hier
lernen will.

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Neuseeland hat nicht übertrieben viel zu bieten. Eine bestenfalls 150 Jahre lange Weißen-
Kultur, eine sicherlich viele tausend Jahre zurück gehende Indianer-Kultur der Maori.
Wenn man nun aber nicht übertrieben interessiert ist an Indianerkultur, dann bleibt nicht
so wahnsinnig viel übrig, jedenfalls nicht an Kultur.

Deshalb haben wir uns auch das Auckland Museum verkniffen und uns auf das gefreut,
was in Neuseeland einzigartig und ganz unzweifelhaft unschlagbar ist: Natur!! Natur in
grenzenloser Vielfältigkeit, im Regenwald (ein bisschen Goy, ein bisschen Schwarzwald,
ein bisschen Sylt, ein bisschen von allem Etwas, aber davon sehr, sehr üppig.

Nicht sehr verwöhnt wurden wir die ersten Tage vom regnerischen Wetter, was jedoch
als Hamburger unserer Laune naturgemäß nicht den mindesten Abbruch tat. Aber wie wir
sehr bald feststellten, auch wenn wir das vorher wussten, sieht es alles noch hundertmal
zauberhafter aus von der Sonne beleuchtet.

Da wir in Reisedruck gelegentlich eine kleine Auszeit benötigten, hatten wir in Auckland
einen zweiten und programmfreien Tag geplant. Dieser brachte uns mit der
viertelstündigen Fähre auf die gegenüber gelegene Peninsula, in einen süßen, durchaus
wohlhabenden Ort namens Devenport, den ich allen Interessierten nur sehr empfehlen
kann. Dort – körperliche Betätigung fehlte uns ein bisschen – wollte das Glück, dass wir
Fahrräder mieten konnten und uns lustiger- und freudvollerweise für ein Tandem
entschieden. Katharina und ich, so dass wir dort fast drei Stunden lang durch das
Victorianische, sehr englisch anmutende Devenport radeln konnten, mit Höhepunkten,
auf die wir so gar ins Schwitzen gerieten, von wo aus wir prachtvolle Aussichten auf
Auckland City genießen konnten.

Furchtbar gern hätten wir, jedenfalls ich, dort eine Woche Ferien gemacht, am liebsten in
der Cheltenham Bay, wo wir durch Gespräche mit freundlichen Leuten über den Zaun
eine an Zauberhaftigkeit kaum überbietbare Minilodge fanden, die wohl durchaus auch
mietbar gewesen wäre. Aber unser Zeitplan auch für Neuseeland wieder viel zu eng,
führte uns weiter. Glückliche Umstände wollen, dass Neuseeland - anders als Californien
- nicht derartig gigantische Distanzen hat, die man zurücklegen kann oder muss. Viele
Dinge sind ein- oder zweihundert Kilometern Entfernung erreichbar.

So führte uns die erste Etappe nach Baylys Beach, wo wir die Tasmanische See in
ungleich beeindruckender Form erlebten. So ganz anders rauschend, als wir es von
Hawaii aus bereits kannten. Baylys Beach liegt in der Mitte eines mehrere hundert
Kilometer langen, endlosen, unbewohnten, rauen Strandes, der sich einen erheblichen
Teil der Westküste Nord-Neuseelands entlang zieht. Hier, hätte das Wetter mitgespielt,
kann man unzweifelhaft außergewöhnlich schöne Sonnenuntergänge sehen, nicht jedoch,
wenn es regnet, wie wir es dort erlebten.
Trotz allem: Wellen, die in Vierer- und Fünferreihe kontinuierlich brechen führen zu
einem bis dahin ungekannten, nicht unterbrochenem Lärmpegel sehr schöner und
zweifelsfrei beruhigender Art; aber doch so ganz anders, als die Art, die wir bisher Wellen
Rauschen in Etappen kannten.
In unserem Campingplatz-Bungalow, den wir uns aus Budgetschonungsgründen noch
einmal dazwischen gegönnt haben, hört man trotz nennenswerter Entfernung zum Strand
dieses permanent beeindruckende Tosen, dass uns die ganze Nacht verwöhnte.

Big Tree, eines der Mottos unserer Reise und eine ganz besondere Vorfreude führte uns
nun in den Waipoua Forest, zu den größten und ältesten Kauris der Welt. Der Kauri-
Baum ist ein Laubbaum leicht eigentümliches Wuchses, sehr gerade und sehr kraftvoll bis
hinauf in die Baumspitze. Die Rinde ähnlich der Platane platzen bis zu tellergroße
Rindenstücke in regelmäßigen Abständen ab, wenn der Baum wächst, was zu einem
besonders exotischen Baumkorpus führt, wohingegen das Astwerk und die Krone eher
amateurhaft in den Proportionen und in der Ästhetik sich darstellt. Hier wünschte ich

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mich regelmäßig nach Tabasco zurück. Dennoch haben diese Bäume ein Ausmaß, einen
Umfang und eine Kraft in der Aura, das uns die Sprache weg bleibt.

Bevor wir diese Giganten besichtigten, führte uns ein Ausflug in das jedenfalls für Jungs
ganz enorm besuchenswerte Kauri-Museum in Marpoti. Dort, so erschien es mir, setzen
sich englische Siedler ein Denkmal der etwas eigentümlichen Art. Während meiner
ganzen Museumsbesichtigung wurde ich das Gefühl nicht los, dass sie sich lieber
entschuldigen würden, als das Museum zu öffnen. Ich komme zu diesem Eindruck, weil,
wie wir heute wissen, eben diese Siedler 90% der Kauri-Bestände abgeforstet haben für
sicherlich sinnvolle Dinge und wichtiges Bauen. Dennoch wurde mit den Kauri-Bäumen
ein Raubbau betrieben, der heute peinlich erscheint. Glücklicherweise werden die
Verbliebenen in diversen Nationalparks geschützt. So empfiehlt sich der Besuch des
Kauri-Parks, den wir, dem Regen trotzend mit großer Freude und großem Genuss
durchwanderten. In vierzig Minuten ist man sehr tief in Dschungel und Urwald
eingetaucht und fühlt sich den Baumgiganten so nahe, dass es einem in besonderer Form
das Herz berührt.

Das Highlight auf dieser Küstenstrecke ist jedoch der Waipoua-Kauri-Forest – ein
Dschungel der sympathischen Art. Aus mir nicht ganz erfindlichen Gründen fühlt man
sich dort nicht bedroht von Schlangen, wilden Tieren, wie noch in Mexiko. Auch wenn es
gegebenenfalls täuschen kann. In diesem Urwald, der von den Maoris verwaltet, gehegt
und gepflegt wird, stehen der dickste lebendige Kauri und der größte lebendige Kauri. Te
Matoa Ngeher ist der Lord of the Forest, wohingegen der Tane Mahtua der Gott des
Waldes ist – so zumindest in der Sprache und Interpretation der Maori, die wohl
üblicherweise Beschwörungsformeln sprechen, wenn sie dieser unglaublich
eindrucksvollen Bäume angesichtig werden.

Glückliche Umstände wollten, dass sich die Batterien unserer beider Digitalkameras zu
verabschieden ankündigten, denn sonst hätten wir auch an dieser Stelle, wie so oft und
so gerne, herrlich viele unnötige und überzählige Fotos aufgenommen. So haben wir uns
auf das Wesentliche beschränkt.

Kommst Du nach Neuseeland, mein Sohn, wirst Du schon auf den ersten Prospekten
lesen, was Du unbedingt gesehen haben musst. Hierzu gehört die Bay of Islands.
Deshalb durfte sie auch auf unserer Agenda nicht fehlen, auch wenn die begrenzte Zeit
sicherlich manche Dinge nicht zulassen wird – die Bay of Island bedeutet Wasser und
viele, viele Inseln, 143 berichtet der Reiseführer, in eine wundervolle Landschaft
eingestreut, wohin wir 80 Kilometer von Kauri-Forests wieder am Wasser sein sollten und
glücklicherweise wieder in besserem Wetter. Der Regen, der uns durch die Wälder, auch
bedingt durch deren Höhenlage, begleitet hatte, verpustete sich auf der anderen Seite
der Nordinsel, wo wir unter Pazifischem Einfluss waren, bei auch gemäß
Wettervorhersage wundervollem Sonnenschein mit Schleswig-Holstein-Bewölkung.

Gutes Wetter lässt dann auch das Wasser, in dem endlos viele Yachten entspannt
dümpeln, herrlich türkis leuchten und das in einer durchaus angenehmen Bade-Qualität
mit reger Fisch-Intensität.

Viel schon hatten wir gehört von außergewöhnlichen Schönheit der Bay of Islands. Viel
haben wir gelesen, dass dies eines der Highlights der Nordinsel sein sollte, mit insgesamt
42 liebreizenden kleinen bewohnten und unbewohnten Inseln, die fast ausnahmslos nur
per Boot erreicht werden können und deren heimliche Hauptstadt das malerisch
zauberhafte Russell ist. Dort ist es auch, wo alles begann, so lernten wir dann. Dort
wurde der Vertrag zwischen den Engländern und der Maoris geschlossen, der den Maoris
später bis heute wirkend weitgehende Autonomie und Landrechte sowie kulturelle
Eigenständigkeit zusichert. Ein bedeutendes Dokument für die Neuseeländer und noch
bedeutender für die Maoris. Mit Wirksamkeit bis in den heutigen Tag, wie wir später in
Wellington, im Te Papa- Museum, noch genauer würden lesen und lernen dürfen. Nach
Russell selbst ganz schafften wir es nicht, denn hierfür hätte man eine Autofähre nehmen

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müssen, was wir zeitlich nicht mehr einzurichten gewusst hätten, da wir uns für den
Nachmittag bei Stoltenbergs angekündigt hatten. Als Deutsche - zumindest bei
Deutschen zu Besuch - ist Pünktlichkeit ja nun geboten. Dennoch wollte ich mit unter
keinen Umständen nehmen lassen, noch eine paradiesische Hängestuhl-Position zu
suchen und zu finden in einer der zahllosen liebreizenden kleinen Buchten, häufig von
großen Bäumen umschattet. Also machten wir uns mit unserem hässlichen weißen
japanischen Leihwagen auf die Suche nach so einer Bucht, die wir mit Hilfe einer
Einheimischen, die uns in sehr netter Form den Weg wies, fanden. Diese war sogar
nahezu perfekt durch lauschig herrliche Hängeposition für meinen Hängestuhl, als auch
als Kür einer Montageposition für Katharinas Hängematte, in der auch sie sich dort
genussvoll entspannen konnte.

Ob der Name wohl Inspiration für die Bionicle-Kreateure von Lego ist: Onua heißt die
große schicke neue HighTech-Marina an der Bay of Islands, in der unzählige attraktive
und weniger attraktive große und weniger große Yachten liegen. Dorthin verschlug es uns
auf der Suche nach einem Restaurant für ein geplant genussvolles Mittagessen, was
jedoch so gar nicht gelingen sollte. Das Café der Marina hatte nicht nur schlechtes Essen,
sondern auch schlechten Kaffee. All dies konnte uns nicht davon abhalten, die herrlich
entspannte Atmosphäre bei bestem Wetter zu genießen. Ein Ort, an den wir später
zurückkehren sollten, wie wir zu diesem Zeitpunkt jedoch noch nicht wussten, da auch
diese Marina einen Liegeplatz von Stoltenbergs Catamaran ist.

Wünscht man sich auf Reisen wie diesen gar zu sehr, terminlich ungebunden zu sein, und
nicht auf Pünktlichkeit verhaftet, sind wir dies doch bei allen Starts und Landungen schon
ausreichend, so fühlten wir uns doch verpflichtet, bei Stoltenbergs zum vereinbarten
Zeitpunkt, nachmittags zum Tee, aufzulaufen. So kam es dann auch, dass wir rechtzeitig
zur 5 o’clock teatime dort eintrafen. Heidi Stoltenberg, Tochter unseres benachbarten
Zahnarztes, Dr. Schütz, die später Dieter Stoltenberg, einen ebenso tüchtigen wie
erfolgreichen Optiker und Optiker-Unternehmer heiratete, begrüßte uns auf das Netteste
und Herzlichste und anstelle des Tees gab es ein wohl temperiertes Glas Weißwein. Auch
Dieter Stoltenberg, 70 Jahre alt, bärtig, lebenslustig und agil wie kaum ein zweiter in
seinem Alter, hat wohl jede Menge richtig gemacht in seinem Leben – ob das
Auswandern aus dem Hamburger Schleusenredder, wo sie lange Zeit Gartenzaun an
Gartenzaun mit uns lebten und wo ihre drei Söhne das Licht der Welt erblickten und
anteilig auch aufwuchsen, oder es der Verkauf seiner drei Optiker-Geschäfte an Optiker-
Bode zum richtigen Zeitpunkt war, jedenfalls, wie wir die nächsten vier Tage beobachten,
hören und feststellen durften, hat er nicht so übertrieben viele Fehler gemacht,
zumindest was den wirtschaftlichen Teil deren wohl angenehmlicher Existenz dort betrifft.
Wohnhaft in einer großen Farmanlage mit mehreren großen Grundstücken, jedoch lose
gestreut, ohne lästige gar zu große Nachbarschaftsnähe – ich denke, jedes Grundstück
dürfte dort mehrere tausend Quadratmeter haben – genossen sie dort unverbaubare
Sicht auf quasi ihre Privat-Bay. Wir waren hierhin von der Bay of Islands eine gute
Stunde Auto gefahren, um den an sich wohl relativ belanglosen Ort Whangerai zu
passieren, noch manche Kilometer weiter in die Halbinsel hinein zu fahren, wo wir dann
mit dem richtigen Code ein sich elektrisch öffnendes großes Gartentor durchfahren
mussten, um auf wohl asphaltierter Straße noch weiter 1,5 Kilometer zu fahren, bevor
wir dann endlich vor Hausnummer 59 standen, dem Anwesen von Heidi und Dieter. Dies
lernten wir dann sei ihr zweites Haus. Eingezogen waren sie vor 20 Jahren in das
benachbarte Haus, in dem irgendwann jedoch der Platz zu eng wurde, was Dieter ständig
voller Tatendrang und Arbeitslust dazu bewog, dass die beiden zur Entscheidung kamen,
noch einmal bauen zu wollen. Dann genau so, wie sie es sich vorstellten, mit dem Platz,
den sie brauchten, in fast Besorgnis erregender Großzügigkeit.

Nach wohl temperiertem neuseeländischem Wein wurde uns also unser außerordentlich
behagliches Doppelbett-Gästezimmer zugewiesen mit eigener Dusche und allen
Annehmlichkeiten, die wir so benötigten. Dieter eröffnete uns im Detail den Plan, den er
uns per E-Mail bereits vorangekündigt hatte. Eine außerordentlich lustige Situation
entstand insofern, als dass er sich bei uns bedankte, dass wir die Bereitschaft an den Tag

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legten, mit ihm auf seinem 12m langen, in allen Details vom Feinsten ausgestatteten,
Katamaran eine dreitägige Segeltour zu machen. Jeder, und so auch wir, würde sich die
Finger danach lecken, dies tun zu dürfen, zumal in Begleitung eines so unterhaltsam
anregenden, netten Typen wie Dieter Stoltenberg. Lustig genug, er bedankte sich bei uns
dafür, das wir mit ihm segelten. Hintergrund war, dass er wohl nicht so wahnsinnig viele
Leute kennt und seine Söhne, in alle Himmelsrichtungen zerstreut, ihm nicht zur Seite
stehen konnten; er dieses beeindruckend große Boot jedoch nicht allein aus der Bucht
vor seiner Haustür, wo die frisch restaurierte Yacht zu dem Zeitpunkt lag,
herausmanövrieren konnte. Er brauchte hiefür Unterstützung, sowohl bei Start- und
Landemanöver, als auch bei gewissen Zwischendurch-Arbeitsschritten. Und wir waren
nun diese hoch motiviert begeisterte Hilfe, derer er bedurfte.

Erst einmal jedoch sollten wir ein lecker deutsches Abendessen mit Schinken und Salami
auf mühevoll imitiertem Schwarzbrot genießen. Wir tauschten Reiseerlebnisse aus und
erzählten, wie es in Deutschland so läuft und was immer die Beiden interessierte.
Wohingegen sie uns anregend und intensiv über ihre Erlebnisse auf der neuseeländischen
Nord- wie auch Südinsel informierten und Dieter spannend anregende Geschichten zu
erzählen hatte, in welcher Form sie zur Entscheidung kamen, wo denn in Neuseeland sie
tatsächlich würden wohnen wollen, nachdem der unendlich ermüdende Einwanderungs-
Beantragungs-Prozess dann doch endlich mal positiv beschieden wurde.

Man sollte denken, es sei vergnüglich entspannt, und in gewisser Weise ist es das auch,
aber irgendwie machen auch die vielen aufregenden und ja permanent neuen Eindrücke
es erforderlich, dass wir gar nicht intensiver, aber doch mehr schlafen, als wir es zu
Hause tun würden. Dort, wie Du ja weißt, schlafe ich sehr gerne nur 6-7 Stunden in der
permanenten Mildneurose, irgend etwas zu verpassen und außerdem bin ich ja nicht zum
Schlafen auf der Welt. Jetzt auf Reisen, die geliebte Katharina im Arm, geschieht es uns
durchaus, dass wir um 9.00 Uhr gerne noch im Bett liegen wollen. Das deckte sich nicht
ganz mit Dieters Plänen für den Folgetag, der dann bereits an Bord sein wollte.
Vermessen wäre zu sagen, der Klügere gibt nach. Jedenfalls aber haben wir
nachgegeben, und uns natürlich auf den Rhythmus unserer Gastgeber eingestellt. Das,
mein lieber John, kann durchaus anstrengend sein, jedenfalls aber anstrengender, als
wenn du Gestalter deiner eigenen Zeit und Ideen bist. Als Gast spielt jemand anders die
Melodie und du tanzt danach. Deshalb ist es manchmal überlegenswert, ob man
eigentlich Lust hat, das zu sein.
In diesem Falle fuhren wir morgens früh um Neun mit dem Schlauchboot-Beiboot aus
dem Vordergarten des Hauses sozusagen hinaus zu einem schon aus der Ferne
imposanten Groß-Katamaran; einem beeindruckenden und großartigen Schiff, wie ich es
bisher noch nirgendwo selbst mit besegelt habe. Dieses Schiff, dass Dieter vor 15 Jahren
in intensiver Zusammenarbeit mit dem Architekten nach seinen eigenen Vorstellung in
Abstimmung auf das neuseeländische Segelrevier hat bauen lassen, war in die Jahre
gekommen, was dazu führte, dass er sich entschied, eine Total-Restaurierung
vorzunehmen. Dafür, so erzählte er uns, war das Schiff im Dock und jede einzelne
Schraube auseinander. Alles überarbeitet, das gesamte Schiff vom feinsten neu gespritzt
und dann in liebevoller Handarbeit, er allen voran, jede einzelne Schraube wieder
zusammengeschraubt. Diesem Schiff nun motorbooteten wir immer näher, um dann an
Bord zu gehen auf einen hochkomfortablen, todschicken, für alle Bedürfnisse
ausgestatteten HighTech-Katamaran, in dem, wie wir mit Spannung beguckten,
tatsächlich auch alles wieder funktionierte, mit Ausnahme der Abwasserpumpe…

Mit routinierte Könnerschaft wies Dieter uns in die anregend interessanten Details seines
Bootes ein, lehrte mich das Steuern und die Kurskorretur, gerne mittels des integrierten
Computers. Ohne auf diesem Gebiet übertriebenen Erfahrungen, geschweige denn
Informationen zu haben, war ich beeindruckt von der Hightech-Ausstattung des Bootes,
die inklusive eines Labtop-Computers mit GPS-Steuerung alle Schnickschnacks und
Facilities hat, die ein Boot braucht oder auch nicht. Hier hatte ich dann noch Glück und
Gelegenheit – ja, wie Du weißt, ist Dein Vater Computer-Experte – mich in das
Erinnerungsbuch der Stoltenbergs einzuschreiben dergestalt, dass ich das GPS-Programm

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auf dem neu erworbenen Labtop installierte und mittels meins mitgebrachten UMTS-
Modems tatsächlich zum Laufen und zu voller Funktion brachte. Wie Du Dir wirst denken
können, staunten die Stoltenbergs nicht schlecht. Wie Du Dir vielleicht auch denken
kannst, staunte auch ich selbst am meisten über meine bemerkenswerte Computer-
Kompetenz. Bevor ich natürlich das GPS-System erfolgreich installierte, hemmungslos in
dem Programm herum klickend, markierte ich in Vancouver auf dem Festland – also
völlig schwachsinnig und unendlich weit entfernt – eine Mann-über-Bord-Situation, die
Dieter an den Rand des Nervenzusammenbruchs brachte, weil sich das erst einmal nicht
löschen ließ und die Bordposition auf das kurioseste durcheinander brachte, jedenfalls auf
seinen Whangerei-Seekarten.
Ich machte gute Miene, vor allem aber kompetente Miene, zu mir gar nicht klarem Spiel,
und trial-und-errorte weiter vor mich hin, bis zum sich ja doch immer irgendwann
einstellendem Erfolg – und war der Held. Jetzt kann ich also auch GPS-Programme auf
Computern installieren und Bootspositionen darin hervorragend definieren. Tatsächlich
beeindruckend ist, wie man dann von einem Labtop aus die Bootsroute nahezu
metergenau vorprogrammieren kann und der Autopilot dann die Befehle empfängt und
schlicht ausführt. Ich konnte nicht umhin, hier auch beeindruckt zu sein, was Dieter gar
zu selbstverständlich empfand und sehr routiniert einsetzte.

Aus der Bucht und gegen den Wind erst einmal motorten wir hinaus in den Pazifischen
Ozean, wo wir dann Segel setzten, um, wie es für Katamarane üblich ist, teilweise
beeindruckend schnelle Fahrt zu machen in herrlich wundervollem Rauschen des großen
endlos weiten Ozeans. Gerne hätten wir uns gewünscht, links und rechts des Bootes noch
hüpfende, gut gelaunte Delphine zu sehen oder zu wiederholen, was Dieter uns
schilderte, nämlich den Besuch eines riesengroßen Wales, der, seiner Meinung nach
angelockt durch die Musik, längsseitig „an Bord“ des Schiffes ging und mit dem Boot
sogar seine gewissen Spielchen trieb. Dieses Areal ist wohl Durchzugsgebiet der
Humpbackwhales, so dass rein theoretisch auch wir die Chance hätten haben können, die
uns bedauerlicherweise in den nächsten zwei Tagen versagt blieb.

Als guter Kenner der gesamten Segelroute, die er wohl auch schon sehr häufig gesegelt
war, konnte Dieter uns alle tückischen Windbereiche zeigen und erklären und hatte zu
jeder Bucht und jedem Felsen eine Geschichte parat. So segelten wir auch vorbei an The
Dead Knights Island – der Tote Ritter - wie man in amüsanter Form der Insel-Silhouette
nach erkennen und nachvollziehen konnte. Ganz genau wusste er, wo er hin wollte, da
man gut glauben kann, dass er jeden Quadratzentimeter der Strecke kannte. So fuhren
wir in eine Bucht von derartiger Schönheit und Unberührtheit - außer einem Haus war
tatsächlich in 360° nur unberührte Natur zu sehen. Im dünn besiedelten Neuseeland ist
dies keine außergewöhnliche Situation, das aber gepaart mit herrlicher Landschaft,
türkisblauem Meer, dass du locker 3m tief schauen kannst, ist ein so erfreuliches
Erlebnis, dass Katharina sich bemüßigt sah, alle 360°-Perspektiven zu fotografieren.
Dort, nachdem sich der Wind gelegt hatte, suchten wir uns einen besonders geeigneten
Ankerplatz, von dem aus wir mittels des Beibootes an einen endlos langen herrlichen
Strand fuhren, den wir genussvoll barfuss entlang spazierten und uns die herrlichsten
Muscheln aus dem überreichen Angebot heraus suchten. Und ach welch Freude, am Ende
dieses langen Strandes, unterhalb eines besonders formschönen Baumes wuchs eine
farbliche Variante meiner Morning Glory, von der ich nun mittlerweile auf fast jedem Land
unserer Reise eine Spezies fotografieren konnte.

Nach ausgedehntem Frühstück im Freien am nächsten Morgen ging es weiter die Küste
hinauf in Richtung Bay of Islands. Die außerordentlich behagliche Yacht verfügte
insgesamt über vier höchst komfortabel Schlafplätze und zwei Weitere , wenn die
Umstände es wünschenswert machen. So bezogen Katharina und ich ein kojenartiges
Doppelbett, in dem dann doch tatsächlich in der Schwüle in der Nacht sich leichte
Beklemmungen bei mir breit machten. An sich glaubte ich mich bisher frei von
Klaustrophobie, musste jedoch hier feststellen, dass sich dies wohl mit fortschreitendem
Alter verändern kann. So wie ich auch darüber staune, früher vollkommen
höhenangstfrei gewesen zu sein, habe ich heute ab gewisser Höhe tatsächlich ein

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schummriges Gefühl. Ich hoffe, dass Dir dies erspart bleibt und Du von
Beeinträchtigungen diese Art verschont bleibst in Deinem Leben, denn das kann
durchaus lästig sein, wenn Du aus großer Höhe nicht recht entspannt hinab schauen
kannst.
Wieder hinaus aus dem Schutz der so schönen Bucht auf den Pazifischen Ozean kreuzten
wir in siegreicher Wettfahrt parallel zu einem weiteren Großsegelboot, hinauf in Richtung
Bay of Islands. Und erstaunlich ist dann, die Schweißperlen auf der Stirn eines
Segelroutiniers zu sehen, wenn wir durch eine Wind-intensive, seiner Aussage nach
geradezu gefährliche, Region der Küste segeln. Und bei steigendem Wind mit
unberechenbaren Böen – zum Glück hatten wir die Segel bereits gerafft und der Motor
sonorte uns in zuverlässiger Geschwindigkeit, wenn auch das Boot hart gegen die
Wellend schlagend voran kroch. Dies war es ein weiteres Mal, da mir Wasser besonders
in seiner Grenzenlosigkeit einerseits herrlich, andererseits schrecklich unheimlich ist, und
wenn ich mir dann vorstellen sollte, dem ausgeliefert in Havarie, so kann es einem ohne
Not mit Grauen überziehen. Keine der Situationen war im Ansatz gefährlich und dennoch
hatte es etwas Unheimliches, denn wenn eine geübter Segler ins Schwitzen gerät, weißt
Du, dass irgend etwas anders ist, als Du es Dir als Laie wünschst.

Wie Du weißt, ist es ja egal was man tut; immer sind irgendwelche Fehler dabei.
Eindeutig zu den Fehlern unserer Reiseplanung gehörte, dass wir nicht ein Jahr oder
vielleicht sogar zwei Zeit haben würden für die Erfreulichkeiten, die diese Welt so
bereithält. Deshalb hatten wir auch für den Stoltenberg-Besuch nur vier Tage geplant,
was zu der aberwitzigen Situation führte, dass Dieter und Heidi geradezu traurig bis fast
genervt waren, mit uns ein Programm, für das sie eine deutlich längere Zeit gerne
veranschlagt hätten, absolvieren zu müssen, als wir geplant haben. So konnten wir nicht
im Ansatz das von der Bay of Island sehen, was Dieter uns gerne gezeigt hatte, inklusive
umfangreicher Spaziergänge auf den bewohnten oder unbewohnten Inseln, die sie dem
Vernehmen nach, alle häufig und mit Freude besucht hatten. Eigentlich war es uns schon
klar, dass wir als „Blitzlicht-Fotografen“ durch die Welt reisen und uns mehr als
Kurzaufnahmen für diesen Gang auf dieser Reise nicht würde möglich sein.

Und da war es wieder, Onua, wo wir drei Tage vorher schlecht zu Mittag gegessen
hatten, stellte sich als die Marina heraus, in der auch Dieter ganzjährig seinen Katamaran
liegen hat, und wir nun liebevoll und vorgetäuscht kompetent nach herrlichen Segeltagen
miteinander das Anlegemanöver auf den Weg bringen sollten. Sicherlich vorteilhaft und
glücklicherweise wartete Heidi, die nicht mit uns gesegelt war, gut gelaunt am Bootssteg,
auch um das erste, entscheidende Tau hinüber zu werfen. Bald waren wir nach
Einrüstung des Schiffes mit allen Vor- und Nacharbeiten wohlbehalten wieder gelandet
und brausten im komfortablen Luxus-Lexus der Stoltenbergs zurück in Richtung
Whanerai, wo uns ein köstliches, von Heidi liebevoll zubereitetes Abendbrot erwartete.
Lange haben wir geratscht und gerne haben wir köstlichen Wein getrunken, der dann, oh
Schreck, zu einem entgleitenden Rotweinglas auf Katharinas Hose und Stuhl führte. Der
dann, Schreck lass nach, aussah, als wäre er ruiniert. Glücklicherweise war dies nicht
Ergebnis unserer Ungeschicklichkeit, sondern Dieter war eine Bewegung entglitten. Wie
Du weißt, ist Dein heldenhafter Vater ausgestattet mit grenzenloser kluger Volksweisheit
und so wusste ich zu berichten, dass Rotweinflecke am besten mit Weißwein entfernt
werden könnten. Dies versucht führte zu so beeindruckendem Erfolg, dass wir in
intensiver Arbeit am Stuhl noch eine weitere Flasche Wein tranken aus Freude darüber,
dass der Stuhl offensichtlich diese Kleinkatastrophe würde überleben können.

Auf unserem engen Neuseeland-Countdown war es höchste Zeit zur Weiterfahrt. Schon
im schwierigen Selektionsprozess, welche der teilweise beeindruckenden
Natursehenswürdigkeiten wir würden sehen wollen, entschieden wir uns, wie wir meinen
richtigerweise, für Lake Taupo. Dieser, in der Mitte der Nordinsel gelegene wundervolle,
große See, umstanden von mindestens zwei schneebedeckten Riesenbergen, sollte
unsere nächste Station werden und so verabschiedeten wir uns in Freude und guter
Laune von Heidi und Dieter – nicht ohne, dass Katharina in liebreizender
Unverschämtheit, dort noch einen ganz außergewöhnlich leckeren Stollen geschnorrt hat.

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Nimm Dir Zeit, mein John, nimm Dir Zeit. Und je mehr davon, desto besser, denn wenn
Du dann, wie wir an diesem Tag wieder fünf Stunden mit dem Auto durch die Gegend
braust, und sicherlich manche sehenswerte oder sogar faszinierende Naturschauspiele
oder Landschaften links liegen lassen musst, dann kannst Du nicht gesichert sagen, alles
richtig gemacht zu haben. Aber immer irgendwie wird die Zeit gegen einen sein. Ein
bisschen war sie das auch gegen uns, so dass wir am späten Nachmittag, immerhin aber
noch im Hellen in Lake Taupo eintrafen, wo wir die Küstenstraße entlang suchten, bis wir
fanden: höchst erfreulich, eine Mini-Lakefront-Cottage, von der aus am nächsten Morgen
ein besonders genussvolles Frühstück möglich war, sonnenbeschienen in der ewigen
Weite des außerordentlich schönen Lake Taupo.

Sicherlich eine dusselig altkluge Empfehlung, die Du gar nicht brauchst, meine geliebte
Pappnase, aber auch Du kannst gerne mal schauen, ohne zu sehen, lesen ohne zu
verstehen, das hat dann Konsequenzen. Wie wir am Folgetag feststellen sollten auf der
Fußwanderung zu den Wuka Falls. Lake Taupo hat einen Ausgang in Form eines Flusses
und dieser fällt in die Wuka Falls um sicherlich 8-10 m in die Tiefe, was zu genial
beeindruckend, tosend lauten Wasserfällen führte, die wir am Anreise-Vortag aus luftiger
Höhe von einem Aussichtspunkt ansatzweise bereits hatten beguckten können. Am
nächsten Tag wollten wir sie einmal genau sehen und dies mittels einer, wie wir
glaubten, kleinen Wanderung. Entsprechend sahen wir das Schild, lasen jedoch nicht
darauf, dass der Weg dahin locker vier Kilometer sein würde und, logische Konsequenz,
zurück acht. In sympathischer Dämlichkeit wanderten wir los. Erst auf der Hälfte des
Weges mittels einer Beschilderung feststellend, dass wir nicht - wie erwartet 30 Minuten
würden wandern müssen, sondern gerne mal – allerdings durch außergewöhnlich schöne
neuseeländische subtropische Landschaft – vier Kilometer würden zurücklegen müssen,
bevor wir zum ohrenbetäubenden Tosen der Wuka Falls gelangten. Durch leuchtend
gelbe Ginsterlandschaften und durch herrliche Tannen- und Fichtenhaine marschierten
Katharina und ich Hand in Hand in beste Laune, zumindest so lange wir noch nicht
wussten, wie lang der Weg sein würde, in freundlichen 29°C durch die Wälder, von denen
wir gerne nur die halbe Strecke gelaufen wären. Aber so ist eben, wenn man ob der
Beschilderung am Wegesanfang nicht liest, sondern nur schaut.

Napier, weltberühmt für seine Artdéco-Bauten sollte unser nächstes Ziel sein, am liebsten
noch bei Tageslicht. Das wollte uns nicht so recht gelingen. Dennoch brausten wir in
guter Laune mit unserem hässlichen mittelgroßen charakterfreien Japaner-Auto die 180
Kilometer über wohl koordinierte neuseeländische Nationalstraßen. Dort stiegen wir das
erste Mal in einem Motel ab. Ja, wir parkten unser hässliches Auto direkt vor der Tür.
Dies war keineswegs unkomfortabel und ausnahmsweise so und in der Form sogar
notwendig, denn dieses Motel hatte Waschmaschinen, was einer der wichtigen Reise-
Orga-Aspekte regelmäßig ist, dass du Wege findest, deine Schmutzwäsche wieder in
Saubere zu verwandeln. In diesem Motel gab es nicht nur Waschmaschine, sondern auch
einen Trockner, so dass wir wenig später bereits alles wieder frisch hatten.

Napier selbst, in einem Erdbeben um 1930 dem Erdboden gleichgemacht und vollständig
wieder neu aufgebaut ist ein sympathisch verschlafenes Nest mit schöner Spielfilmkulisse
– auf diese Idee jedenfalls kommt man, wenn man abends durch die wohl beleuchteten
Straßen wandert. Wirklich aufregend ist dieser Ort nicht, wenn er jedoch am Wegesrand
liegt, ist es auch Dir zu empfehlen, dort einmal vorbei zu fahren, denn die Architektur des
Art Déco ist wohl selten in geschlossener Form so gut und durchaus mit Stolz präsentiert
wie dort.

Erstens kommt es immer anders, zweitens als man denkt. Dieses Murphische Gesetz, so
banal es auch ist, so jedes Mal wieder und immer aufs Neue zutreffend ist es. In
großzügiger Zeitkalkulation glaubten wir von Napier nach Wellington, in die Hauptstadt
Neuseelands zu gelangen. Und wieder stellten wir fest, dass der Weg länger, die Straßen
weniger schnell befahrbar sind, als ursprünglich kalkuliert und wir entsprechend später
würden ankommen müssen. Nichtsdestotrotz lieferten wir dort unseren Leihwagen in

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Nhgauranga bei der zuständigen Leihwagenstation ab und wurden außerordentlich nett
von dem sympathischen Mitarbeiter zu unserem Backpacker-Hostel gefahren, wo wir
einmal neu kennen lernen sollten, wie eng in ein vermeintliches Queensize-Bed so sein
kann.

Bald nachdem wir dort eingecheckt waren, freuten wir uns, Frank zu treffen. Als der
mittlere Sohn der Stoltenbergs arbeitet und lebt Frank unter behaglichen Bedingungen
als Eventmanager in der schönen, überschaubaren und dennoch sympathisch
temperamentvollen Hauptstadt Neuseelands, in Wellington. In der Hoffnung, uns bei ihm
ein kleines bisschen bedanken zu können für die nette Gastfreundschaft seiner Eltern,
luden wir ihn zu einem Essen in sein Lieblingsrestaurant. Auch wenn sich hier nicht recht
ein starker Entscheidungswille erkennen ließ, landeten wir im kulinarisch hoch
erfreulichen ChaCha, wo uns ein Vorgeschmack auf die asiatische Küche beglückte, in
Kombination mit dem mittlerweile sehr geschätzten neuseeländischen Weißwein, dem
Frank als erklärter Anti-Alkoholiker so gar nicht zusprechen wollte. Zu unserer Schande
müssen wir gestehen, Wellington als Übersetz-Hafen für uns persönlich definiert zu
haben, ohne reisetechnische Bedeutung im Allgemeinen oder Besonderen. Aus
nachvollziehbaren Gründen der Höflichkeit sagten wir dies Frank natürlich nicht, der sich
nun liebevoll und könnerhaft gemüßigt fühlte, uns so viel wie möglich von Wellington mit
auf den Weg zu geben, was jedoch in ein Dreitage-Programm ausgeartet wäre;
Wohingegen wir am nächsten Vormittag die Fähre zu besteigen planten. Dennoch ließen
wir uns gerne überreden, am Folgetag etwas früher aufzustehen und das bedeutendste
Nationalmuseum der Weißen wie auch Maoris in Wellington zu besuchen. Wenn auch uns
bestenfalls ein Hindurchsause blieb, so sahen wir doch höchst beeindruckende Dinge wie
den Nachbau eines Maoris-Stammeshauses, den größten je gefangenen Squid-Tintenfisch
sowie den wertvollsten und berühmtesten Stein der Maoris, ein Jade-ähnlicher, großer
grüner Stein, der bei den Einheimischen Heiligenstatus inne hat.
Dort auch war es dann, wo wir das 1784 im oben erwähnten Russell unterzeichnete
Dokument in Großform abgebildet sahen, das den Vertragsschluss zwischen den
Engländern und den Maoris darstellte – die Begründung des Friedens zwischen den
manchmal Menschenfressern und durchaus Kopfjägerischen Wilden, die die Maoris vor
150 Jahren noch waren.

Bald jedoch wurde es Zeit, da die Fähre gnadenlos, trotz Vorbuchung durch uns, auch
ohne uns abfahren würde. Wir wurden sehr nett von Frank hingefahren, und wir uns auf
eine sehr schöne, wenn auch windig stürmische Überfahrt freuten. Drei Stunden lang
erfreuten wir uns eine weiters Mal des weiten Meeres. Hier begegnet die Tasmanische
See dem Pazifischen Ozean und das Glück wollte sogar, dass ich eine, wenn auch tosend
windige, Hängestuhlposition ausmachte und mich dort auch eine gute Stunde vergnügte.

Herrlich wellige See, aber das in einer Farbe, das einem der Atem stockte- welch ein
kraftvolles Blau. So fahren wir mit diesem großen, eher rustikal ausgestattet lieblosen,
sehr Dampfer-ähnlichem, in außergewöhnlich schöne Fjorde, die einen intensiv an
Norwegen erinnern, auch wenn dort die Felsen und Berge sicherlich deutlich viel höher
sind als in Neuseeland. Ein breiter menschenleerer, landschaftlich wundervoller Fjord
begrüßt uns und geleitet uns ins geschützte Landesinnere, wo uns eine große Marina
voller prachtvoller nobelgroßer Segelboote erwartet und der Fährhafen: der eigentliche
Zugang zur Südinsel.
Sicherlich eine Dreiviertelstunde lang durchfahren wir diesen Fjord, bis wir unser Ziel
erreicht haben, vorbei an endlos einsam gelegenen Einzelhäusern, die da irgendwo auf
einem Berg stehen. Teilweise Villen, die aufwendig gebaut und sogar mit Swimmingpool
ausgestattet, einzeln in der Landschaft stehen, dass man sich fragt, wie mag der Erbauer
gedacht haben, als er in diese Einsamkeit sich wandte. Die einzig in der Nähe befindliche
Zivilisation ist Picton, unser Südinsel-Eingangshafen und Verbindung zur Nordinsel.

Zivilisation… so sollte man meinen. Und so hofften auch wir, weshalb wir ohne
Reservierung annahmen, auch dort einen Leihwagen „stehenden Fußes“ übernehmen zu
können, was sich als nervenkitzeliger Irrtum heraus stellte. So verwirrten mich die ersten

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Autovermietungen damit, dass sie Minimalmietzeiten verlangten, und diese dann auch
noch zu schockierenden Preisen.
Aber was noch verwirrender war; mehrheitlich sagten die sicherlich sieben
Autovermietungen am Platz, sie hätten gar keine Autos, weil diese ausschließlich auf
Vorreservierung nach Picton verbracht werden würden. Ganz besondere Freude kam auf
bei Katharina und mir und nur die Tatsache, dass wir gerade gut funktionierender Brav-
Kunde bei Omega auf der Nordinsel gewesen waren, führte dazu, dass mein Anruf, auch
noch fünf Minuten vor Feierabend, dass der leicht maulige Omega-Niederlassungsleiter
uns nahezu widerwillig ein Auto für fünf Tage vermietete, wobei wir nur drei benötigten.
Mit viel Glück, Engelszungen und einem gestreckten Lauf zur 1,5 Kilometer entfernten
Omega-Verleih-Station konnte ich uns einen kleinen schwabbeligen Mazda III leihen, mit
dem wir dann wenig später uns auf den Weg machten - in Richtung Kaikoura.

Glückliche Umstände wollten, dass hierhin nur noch 150 Kilometer zurückzulegen sein
würden, denn zu diesem Zeitpunkt ging uns die ewige Autofahrerei schon gelegentlich
ziemlich auf den Geist. Du tust Dir also einen großen Gefallen, wenn Du reservierst und
vororganisiert, denn Spontanaktionen - auch noch in der Nebensaison - mal eben ein
Auto zu leihen, kann unerfreuliche Überraschungen zur Folge haben.

Ganz anders dann in dem lang gestreckten Kaikoura, wo wir für drei Nächte bleiben
sollten und wollten. Dort hatten wir nichts reserviert oder vorbereitet, und die relativ
entspannte Buchungssituation ermöglichte ein furchtbar nettes Panorama-Hotelchen
direkt an der Bucht mit wunderbarem Blick nicht nur auf den Ozean, sondern auch auf
herrliche schneebedeckte Berge. Hier war es dann auch, wo wir gleich am ersten Abend
von einem Abendrot erfreut und begeistert wurden, das es uns das Herz erweichte.
Herrlich leuchtend rote und orange Farben begeisterten uns eine halbe Stunde lang zum
wohl temperierten Glas Weißwein in einer sehr netten Fischerkneipe.

Vermeldet dann der Kapitän für die neugierig aufgeregten Passagiere einen Wal-Kontakt
- der einem übrigens höchst kurios - garantiert wird. Findet der nicht statt, werden einem
80% des Fahrpreises erstattet – so kann man das Schiff rückseitig verlassen aufs
Oberdeck, von wo aus man eine wunderbar schaukelige Aussicht hat auf den, wenn es
gut läuft, nicht weniger als 100 m entfernten „Manu“. Ja, er hat einen Namen dieser
Sperm-Whale, der wohl einer der zuverlässigsten Kumpel der Whalewatching-Society
Kaikoura ist. Er führt ein - aus meiner Sicht - relativ einfältiges Leben, denn, man glaube
es nicht und staune doch, er taucht auf, atmet 17x tief und bläst prachtvolle Fontänen in
die Luft, um sich dann auf einen zwischen 30-38 minutenlangen Tauchgang zu begeben,
der ihn speziell an dieser Stelle, speziell in dieser Region in einen höchst
beeindruckenden 1,5 tausend Meter tiefen Canyon hinab führt, wo er wohl gute
Ernährungsbedingungen vorfindet; um dann, nach genannter Zeit atemlos wieder
aufzutauchen, sich 5-7 Minuten an der Oberfläche befindet, ungefähr 17x kräftig atmet,
um dann sein Ernährungsspiel von vorne zu beginnen.

Ganz besonders erfreulich an diesen Lebensrythmen Manus ist die Tatsache, dass er in
hoch zuverlässiger Form beim Abtauchen seine Flosse in nicht zu überbietender Eleganz
aus dem Wasser hegt, und die sehr routinierten Bootskapitäne klug und erfolgreich das
Boot so gedreht haben, dass die geneigten und fotogeilen Betrachter genau ihre Flosse
von hinten fotografieren können. Einmal ging es sogar soweit, dass sie sagten „Get
ready! Be prepared! Photo to be taken in a few seconds!“ So genau haben sie Manus
Verhalten schon zu studieren Zeit und Gelegenheit gehabt in ich weiß nicht wie viel
zurückliegenden Jahren. Und ganz offensichtlich ist es immer und besonders gerne Manu,
der ihnen ein offensichtlich hochprofitables Leben beschert, ihnen diesen Whalewatcher-
Organisatoren, denn sie arbeiten mit hochqualitativem, neuem Hightech-Equipment,
einer nigelnagelneu gebauten Marina, wo dann vier dieser Sonderbauschiffe liegen.

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Manu, wie aber auch jeder andere Wal, lässt sich für den Kenner sehr einfach
identifizieren über die Form seiner Schwanzflosse. Die Zacken und Riffeln darin gleichen
einem Fingerabdruck des Menschen. Der etwas elaborierte Kenner, von denen diverse an
Bord waren, kann mittels eines Unterwassermikrophons die Geräusche, um genau zu sein
den Gesang, der Wale dem Individuum zuordnen.

Wenn dann also so ein Manu gute dreißig Minuten abtaucht, dann entsteht natürlich eine
Wartezeit, die anderweitig sinnvoll gefüllt werden will. Schließlich haben wir uns auf eine
unterhaltsame Fahrt zusammen getan. Dafür gibt es eine viertelstündige Fahrt entfernt
wunderbar zuverlässige Regionen für die Spinner-Dolphins, Lebewesen, die, so könnte
der Betrachter meinen, vor Lebensfreude überschäumen. So jedenfalls sahen wir sie
springen und dabei in der Luft wirbeln. Das dies durchaus einen technischen, um genau
zu sein jagdtechnischen, Hintergrund hat, und sie durch das Aufschlagen auf dem Wasser
eine Druckwelle entstehen lassen, die unter Wasser befindliche Fische verschrecken und
die Delphine sie dadurch in eine von ihnen geplante Richtung treiben, um dann dort
genussvoll über sie herzufallen, erstaunt in dem Zusammenhang ein bisschen. Denn,
wenn man sie so hüpfen und wirbeln sieht, denkt man, dass es rein aus Lust an der
Freude ist. Daran intensiv vergnügt, kehrten wir nach dreißig Minuten an den Ort von
Manus voraussichtlichem Wiederauftauchen zurück und, ach der erfreuliche Kumpel,
genau wie gewünscht und erhofft, tauchte er auf, um herrliche Fontänen zu blasen, bevor
er, wie voran beschrieben, wieder in die endlos dunkle Tiefe zum Futtern abtauchte.
Glücklich dann, wer auf dem schwer schaukelnden Bootsoberdeck das Schwanzflossen-
Abtauch-Foto ergattern konnte. Jaja, auch Katharina und ich hatten Glück und bekamen
ihn zu fassen, bevor er dann ein weiteres Mal in die Tiefe verschwand und unsere Zeit
des Ausflugs sich dem Ende näherte.

Immer damit verbunden sind sicherlich halbstündige Ein- und Ausfahrten in den Hafen.
Für diese hatten sie einen wundervoll leidenschaftlichen Filmvortrag, der auch in
verfeinerten Details das Leben der Sperm-Whales beschrieb, wie auch die Bedrohung
dieser und anderer Wal-Arten, so dass wir rundherum begeistert nach fast drei Stunden
gut informiert in den Hafen zurück kehrten. Wir waren weit und lange gefahren bis zu
diesem Ort, aber restlos begeistert und übervoll der Eindrücke durch die Begegnung mit
diesem Giganten.

Das wohl gesteuerte Glück hat ja uns, mein geliebter John, schon nach Hermanus in
Südafrika geführt, wo ich nicht genau weiß, ob die Faszination für die Wale dort schon
auf Dich übergesprungen ist. Jedenfalls, solltest Du Dir Neuseeland irgendwann als
Reiseziel wählen, gönn Dir das beeindruckende Abenteuer des Whalewatching in
Kaikoura.

Gar nicht so wahnsinnig beeindruckend ist dann, wenn Du ein Stückchen an der Küste
entlang fährst und wie völlig selbstverständlich dort im Zoo hoch bestaunte, gigantisch
große Seelöwen einfach so in der Landschaft herumliegen und Du Dich denen sogar
meiner Kenntnis nach gefahrfrei bis auf wenige 50 cm nähern kannst, und sie dich
einfach nur interessiert anschauen. Zugegebenermaßen bist du ja nicht der erste Tourist,
dem sie begegnen; deshalb scheint es da schon eine Art Gewohnheit zu geben.

Dass sich an Küsten im Allgemeinen und in Kaikoura im Besonderen auf das köstlichste
Seafood essen lässt versteht sich eigentlich von selbst. Dennoch erwähne ich es noch
einmal. Nicht zuletzt, weil wir uns an diesem besonderen Verwöhntag mit einem Lobster
belohnt haben, in guter Gesellschaft einer wohl temperierten Flasche köstlichen
neuseeländischen Weißweins ist dies eine Freude der ganz besonderen Art – die du dir
auch tunlichst nicht versagen solltest, selbst, wenn du auf „schmalem Portemonnaie“
durch die Gegend reisen solltest.

Schon nötigte unser selbst gesteckter, und wie immer zu kurzer, Countdown uns zur
automobilen Weiterreise, in diesem Fall nach Christchurch zum Flughafen, wo Air New
Zealand am frühen Nachmittag auf uns mit dem Weiterflug wartete - gen Sydney in

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Australien. Höchst erfreulich die Perspektive. Lange gerne schon wollte ich einmal speziell
diese Stadt kennen lernen. Weniger das Land dahinter, für das man sicherlich sechs
Wochen gebraucht hätte.

Sydney

Unser Zeitplan sah vor, fünf Tage, die wir uns darauf freuten, Tricia Bill kennen zu lernen
und zu besuchen – ein Kontakt, den uns Clarissa auf Hawaii vermittelte, die mit Tricia
gemeinsam einen Massagekurs belegt hatte. Und die auf Clarissas Mail, dass zwei
Freunde von ihr nach Sydney kommen würden, hoch begeistert reagierte und schrieb
„Oh wie wundervoll. Ich habe noch nie internationale Gäste gehabt. Dann sollen die doch
bitte tunlichst zu mir zu Besuch kommen.“ Und die uns sogar vom Flughafen abholen
wollte, was wir liebevoll gerade eben verhindern konnten, dafür ersatzweise eine geniale
Bahn und Hafenboot-Anreise nach Manly selbst organisierten und durchführten. Nachdem
wir einen sympathisch herrlichen Flug durchlebten mit der besonderen Freude, dass
bedingt durch die Zeitverschiebung, wir zwei Stunden geschenkt bekamen.

Da waren sie nun also gleich zur Begrüßung: die altehrwürdige und statisch durchaus
beeindruckende Harbour Bridge gleich auf der linken Seite und rechts, so als wollte
Sydney gleich sein volles Programm abfeuern, die tatsächlich sehr beeindruckende Oper
von Sydney. Immer wieder komme ich nicht umhin, bei Betrachtung ihrer an den Helm
eines spanischen Conquestadores zu denken, der, wenn auch nicht in Australien, ja doch
in anderen Teilen der Welt wild erobert hat und gerne Blutflecken trägt. Hier vielleicht
nur ein wirre Assoziation, aber jedenfalls ein außerordentlich beeindruckendes Bauwerk,
an dem wir mit unserer alle halbe Stunde verkehrenden Verbindungsfähre zwischen
….key und Manly Pier, unserem Zwischenziel. Manly, so erzählte man uns bereits auf
dem Wege mit Raunen, sei ganz besonders cool. Ein Vorort, allerdings auch intensiv
Backpacker-touristisiert aufgrund außergewöhnlich schöner Strände, maßgeblich des
Manly-Beaches, an dem es dann aber auch aussah, als wäre ganz Australien zusammen
gelaufen. So eng bepackt war dieser wunderschöne Strand, vor dem sich, je nach
Tageszeit, unterschiedliche, beeindruckend hohe Wellen brachen. Das führt dazu, das
Manly Beach ein Kultplace ist für Surfer, jedenfalls die, die es noch nicht so übertrieben
gut können, denn die echten Cracks sind ein kleines Stück weiter außerhalb, wie später
zu berichten sein wird.

In Manly gelandet hätte alles so einfach sein können. Ich hätte einfach nur nachgeben
müssen und Katharina in aller Ruhe nach einem passenden Bus fragen lassen, war aber
der Überzeugung, dass wir das auch mal eben mittels unseres ja relativ gut rollenden
Gepäckes erwandern könnten, die lockeren zwei Kilometer bis zur Wandanarra-Road, wo
Tricia wohnt. Eindeutig habe ich dabei nicht die Rechnung mit dem Wirt gemacht, denn
neben der Tatsache, dass das Gelände außerordentlich hügelig und am liebsten steil
bergauf ging, hatten wir keine Straßenkarte, so dass es uns auch dann noch in ganz
prachtvoller Form hätte gelingen können, uns zu verlaufen; obwohl ich wie üblich
glaubte, alles voll unter Kontrolle zu haben. Doch einigermaßen schweres Gepäck bei
29°C Berge rauf und runter zu zerren in die sich absenkende Dunkelheit hinein gehört zu
den weniger guten Ideen deines Vaters, wofür ich dann auch liebevoll von Katharina
gerügt wurde. Glückliche Umstände wollten, dass Tricia rechtzeitig nach Hause kam und
sich dann auf den Weg machte, uns abzuholen mit ihrem knuddeligen kleinen Toyota, in
den aber gerade eben alles Gepäck hinein passte nebst uns, so dass wir dann, in
unserem Schweiße stehend, fröhlich endlich die trafen, die für die nächsten fünf Tage
unsere Gastgeberin sein sollte: Tricia! Zuhause würde ich sicher sagen, sie sei eine
Müslitante mit schwer exotisch astrologisch okkultischer Tendenz. Jetzt als Gast sah ich
das zwar genauso, fand sie jedoch zauberhaft.
Wenn du irgendwo zu Gast bist, gerade wenn du deine Gastgeber vorher nicht kennst, ist
es besonders wichtig und hilfreich, wenn man den gleichen Humor hat. Denn sonst

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werden ironische Bemerkungen, die in einer anderen Sprache in unserem Falle natürlich
Englisch, ja schon immer eine zweifelhafte Geschichte sind. Ob es dir tatsächlich gelingt,
dich sprachlich pointiert auszudrücken oder ob du von Fettnäpfchen zu Fettnäpfchen
hüpfst. So zweifelsfrei humorvoll Tricia dann eindeutig doch ist, so war ihr und mein
Humor doch zweifelsfrei nicht wirklich der selbe. Höchst glücklich in diesem Fall, dass
Katharina mit ihrer liebreizenden Gabe, zu gewinnen und zu verbinden, hier wichtiges
Teil des Kleeblattes war, denn Tricia hatte sich tatsächlich vorgenommen, möglichst viel
von uns zu erfahren und möglichst viel mit uns zu machen. Toll natürlich, wenn dir
Gastgeber beschert sind mit Sendungsbewusstsein. Dies in jedem Fall hatte auch Tricia
und so das Bedürfnis, uns dieses, jenes und noch ganz anderes zu zeigen und gleichzeitig
mit Tipps zu überhäufen.

Das war auch in diesem Falle besonders hilfreich, denn wieder einmal – das ist
bedauerlicherweise charakteristisch geworden für unsere Reise – waren wir in der
Lektüre des Reiseführers leicht hinterher, so dass wir zwar manche besondere Highlights
von Sydney bereits ansatzweise erlesen hatten, aber eben auch nur ansatzweise. Tricia
hingegen versorgte uns mit bestmöglichen Empfehlungen zu Insider-Stränden, einem
köstlichen indischen Restaurant, in dem wir genussvoll miteinander speisten, von dem
aus man in der Nacht sowohl auf den natürlich dusseligen Vergnügungspark, als auch auf
die Harbourbridge schauen konnte, was jedenfalls ein spektakuläres Lichtermeer bot.

Ich weiß, dass dies leicht zwanghaft ist, doch manchmal finde ich es störend, dass man
alle Augenblick Hunger hat und wieder essen muss. Besonders wenn man sich auf
Exkursionen touristischer oder untouristischer Art befindet. So nahm dann auch von
unserem großen Ausflug in die Innenstadt von Sydney das zwar leckere gemeinsame
Essen und Trinken in schon touristisch grenzwertiger Nähe zur Sydney-Oper einen
erheblichen Zeitteil unseres Stadtaufenthaltes ein, aber so haben wir immerhin die
Harbour Bridge so intensiv betrachten können, dass man hätte meinen können, wir
zählten die Stahlstreben. Dabei war es durchaus begrenzt erbaulich, dass ich mich eine
Stunde lang in den allerdings wunderschönen botanischen Garten zurückziehen musste,
um Arbeit via eines längeren Diktates zu Frau Panten zu verrichten. Hierbei in höchst
amüsanter Gesellschaft eines – ja, du liest richtig – eines Kakadus. Denn diese unsäglich
laut und hässlich schreienden Vogelschönheiten fliegen dort herum, wie bei uns die
Spatzen. Der gesellte sich zu mir unter den großen Baum, in dem ich einen luftigen
Schattenplatz genoss, und lehrte systematisch Pinienzapfen, die er genussvoll aufhebelte
und daraus offensichtlich die Pinienkerne sich schmatzend einverleibte.

Für Tricia völlig abwegig, für mich das Größte: Der Tag war gekommen, dass Katharina
und ich uns einen wunderbaren kleinen Motorroller leihen wollten, um damit einen
erweiterten Radius und den übrigen Teil des Stadtgebiets von Sydney zu errollern.
Ursprünglich sollte dies nur einen Tag stattfinden, aber die Gunst der Stunde nutzend
mietete ich gleich zwei. Gar nicht so weit von Tricias Haus, nur einige Busstationen, 15
Minuten, liehen wir uns mit zwei Guten Helmen einen fröhlichen Brauseroller, der mit
seinen 150 Kubik durchaus und locker sein 90 kmh auf die Straße bringt. Dies, mein
Sohn, sei auch die dir anempfohlene Größe, da du sie, vielleicht ist das heute anders,
jedenfalls mit deinem alten Führerschein der Klasse III leihen darfst, ohne
Einschränkungen. Kaum des Rollers habhaft, brausten wir auch bereits in nördliche
Richtung, Tricias Empfehlung folgend hinauf zu den tatsächlich unendlich genialen
Stränden der direkten Umgebung von Sydney-Stadt. Wohl klingende Namen wie Palm
Beach oder Bewhy seien hier zu nennen, wo wir coole Surfer oder mindestens so coole
Wakeboarder in Action bewunderten. Kitesurfer, die bis zu 3 m in die Höhe sprangen,
wohl versorgt mit kräftigen Winden und aufregenden Wellen dazu. Nun darf bezweifelt
werden, dass Strände die kulturellen Highlights einer Stadt wie Sydney sind. Uns ging es
jedoch im Wesentlichen darum – nahezu drogengleich – immer möglichst intensiv in der
Nähe des Wassers zu sein, das ein so inspirierend erfrischend geniales Element darstellt.
Aber damit sag ich dir ja nichts Neues.

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Ob der zweite Tag so eine gute Idee war, darf bezweifelt werden, denn ein gar nicht so
kurzer Wolkenbruch duschte uns derartig gründlich und durch und durch, dass wir gerade
während wir illegal und ohne Tallgebühr über die Harbourbridge brausten derartig
durchnässt wurden, dass ich gerne schlimme Worte gerufen hätte. Nun hätte man ja
denken können ‚Dann stellt euch doch irgendwo unter’. Glaub es oder nicht: die einzige
Brücke, die wir fanden weit und breit war eine Eisenbahnbrücke, und die war
transparent, d.h. löchrig und es regnete durch auf uns hinab. Irgendwann erreichten wir
aber dann doch regensichere Zonen der Innenstadt und dem Himmel sei Dank, dass die
Außentemperatur von gut 22°C doch so angenehm war, denn sonst hätten wir uns mit
Sicherheit eine garstige Erkältung eingefangen.

Die Innenstadt war durchnässt, aber dann, aus Gründen weiteren Regens, wir z
durchwandernd kamen wir zu Queen Victoria Passage, die auch dir zur Betrachtung
anempfohlen ist, das sie eine wunderschöne Kombination aus alter Architektur modern
aufbereitet ist. Kaum die Jeans wieder trocken war es an der Zeit, den Roller unserem
Verleiher zurückzuführen. Mit außerordentlich schwerem Herzen, denn diese freundvoll
dynamisch brausende Kiste machte auch hier ein weiteres Mal enorm Spaß.

Auch wenn die betrüblichen Regenattacken des Folgetages uns den Besuch der
Kultstrände Beyondi-Beach und anderer im Südteil der Stadt verwehren sollten, so haben
wir doch in beeindruckender Zahl bei sehr unterschiedlicher Charakteristik tolle Strände
in einem 20 km Radius der größten Stadt von Australien gesehen und genossen.

Zusammenfassend, mein geliebter Sohn, sei gesagt, dass Australien bestimmt, Sydney
jedoch ganz sicher eine dringende Empfehlung deines Vater ist. Das Lebensgefühl in
dieser Stadt, die entspannten Beaches, die alles durchdringende Ozeanigkeit in dieser
Stadt, denn wo immer wir uns hin bewegt haben, war es kaum möglich, weiter als einen
Kilometer vom Wasser entfernt zu sein, da Sydney um eine endlose Vielzahl an Buchten
drumherum gebaut ist, die sich häufig in Schönheit übertreffen. Alle und jeder picknicken
und dann ganzjährlich am Strand, wo man vorher oder nachher noch mal eben im
angenehm temperierten Wasser kurz baden war. Eine außerordentlich angenehme Aura,
die uns fünf Tage lang wachsend erfreute und immer mehr begeisterte – jedenfalls ich
werde gerne dorthin zurückkehren.

Eigentlich ist jede jedenfalls vorab festgelegte Länge des Aufenthaltes zu kurz – zu dieser
Zwischenanalyse jedenfalls lässt sich mit Fug und Recht kommen. Auch die fünf Tage bei
Tricia - als Gäste waren sie nicht zu kurz, in der Stadt Sydney jedoch eindeutig; denn
wenn deine Intimsphäre beeinträchtigt ist, und du ergänzend das Gefühl hast, die
Intimsphäre einer anderen Person zu beeinträchtigen, dann scheint doch das alte
deutsche Sprichwort fortgesetzt Berechtigung zu haben: „Gäste sind wie Fisch: nach drei
Tagen beginnen sie zu stinken.“

Nachdem wir uns sehr liebevoll mit einem wundervollen Rosenstrauß in Vorbereitung auf
den Folgetags-Geburtstag von Tricia von ihr bedankt und verabschiedet hatten, freuten
wir uns auf einen sechsstündigen Weiterflug ins Exotische. Denn ab jetzt verlassen wir
die westlich vermeintlich zivilisierte Welt für das asiatisch Abenteuerliche, beginnend in
Dempazar auf Bali.

Bali

Wenn du mein lieber Sohn in die totale Exotik reist, tu dir den Gefallen: Lande bei
Tageslicht. Unser Eintreffen auf Bali nach angenehmem Flug aus Sydney über
Gesamtaustralien hinweg landete um 21.00 h Ortszeit und alles um uns herum war
pechschwarz. Nicht, dass nicht der Flughafen von Dempazar oder Kuta hell und
freundlich beleuchtet wäre, auch nicht, dass die Scheinwerfer des Fahrers, der uns
erwarte nicht funkionierten, alle Lichter gingen und dennoch entstand bei Katharina und
mir der Eindruck, dass die Insel pechschwarz sei. Dies liegt sicherlich darin begründet,

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dass, sobald die Ortschaften, die alle nicht übertrieben groß sind, hinter uns lagen.
Jedwede Straßenbeleuchtung nicht funktionierte und die eigenartigerweise ihrer Wirkung
nach funzeligen Autoscheinwerfer, dir sehr wenig mitteilen darüber, wo du dich gerade
befindest. Für uns bedeutete dies eine sehr gut einstündige Fahrt frei von Orientierung,
die ergänzend verwirrt wurde durch die radebrechenden Ausführungen des Fahrers, der
uns sagte, dass unser Ziel nicht wie angenommen in Ubut liegen würde, sondern eine
Stunde von dem zentral-balinesischen Ort Ubut entfernt. So waren wir ergänzend
komplett desorientiert und ein Fragen, wo denn das nun sei mittels unserer erstaunlich
exzellenten Karte, hätte nicht so sonderlich viel gebracht, da der arme Mann ja fahren
musste und am liebsten schnell. Ganz besonders beeindruckend auch dieses für uns erste
balinesische Straßenerlebnis. Gerne mal stockte uns der Atem, in welcher
Geschwindigkeit, gleichzeitig jedoch Geschmeidigkeit Autos und gefühlte 1,3 Milliarden
Autoroller nahtlos und reißverschlussartig sich um- und ineinander fügten in höchster
Eleganz und Geschmeidigkeit. So fuhr er uns also an den Ort, an dem wir die ersten drei
Tage auf Bali verbringen sollten: Puritamansari. Irgendwann in immer noch
fortgeschritten tiefer Nacht trafen wir dort ein und wurden durch einen abenteuerlich
anmutenden Hof mit bizarren Schnitzereien und Steinarbeiten geführt. Wohl hatten wir
unsere Hausaufgaben einigermaßen gemacht und hatten in unserem Reiseführer zu Bali
und Lombok gelesen und auch Bilder geschaut. Doch wenn du diese Dinge dann in natura
siehst, so in wundervoll rätselhaft verwirrender Form noch einmal viel besser wirken die
Grundstücks-einfassenden kleinen Schreine und die Tempel, die ein jedes – ja,
tatsächlich ein jedes – Grundstück zieren. Man hatte uns dort erwartet und es war Licht
vorbereitet und ein Insektenvertreibungskeul lag vor der Tür unseres eigenen kleinen
Hauses. Tief in altertümlich balinesischer Art gebaut war uns an dem Abend des
Eintreffens noch nicht wirklich erkennbar, vermittelte jedenfalls ein außerordentlich gutes
Gefühl besonderer Energie um uns herum, so dass das einzige, was uns hätte stören
können, ein riesengroßer Samsung-Fernseher nicht weiter ins Gewicht fiel und sehr gut
ignoriert werden konnte. Umso irritierender und verwirrender die Düfte und Gerüche,
wobei noch so viel mehr verwirrend und fremd die Geräusche. Wo die Düfte Exotik
versprachen, waren die Geräusche umso nerviger, teilweise penetrant. Nicht, dass wir
vorher gewusst hätten, welche Geräusche die Geckos in raumfüllend kraftvoller Form so
von sich geben. Das Geschrei von Hähnen allerdings kannten wir gut, da es sich nicht
nennenswert von dem unserer europäischen Hähne unterscheidet. Wie wir jedoch später
feststellen sollten, war das benachbarte Grundstück des Dorfes, in dem wir uns
befanden, ein Zucht und gleichzeitig Kampftraining-Anlage für Hahnenkämpfe. Ja,
tatsächlich, auf Bali und das sehr traditionell seit vielen Jahrhunderten lassen die
Balinesen ihre Hähne aufeinander los, die dann tatsächlich auch enormes Gehacke und
Gemetzel veranstalten. Dabei wird gewettet, gerne einmal hoch und jedenfalls mit
wachsender Begeisterung.

Das in diesen Chor der Geräusche insbesondere mitten in der Nacht sich noch Hunde,
Katzen, kuriose Vögel, Mücken und anderes Viehzeug gesellte, beeinträchtigte unsere
Laune nicht nennenswert, aber verbesserte die Qualität des Schlafens auch nur bedingt.
Purtamansani, wie wir später lernen sollten, ist eine der Anlagen, die dem balinesischen
Königshaus gehört und als ehemaliger Lustgarten in einem kleinen Dorf in der Mitte des
Landes dann von einem Mitglied der Königsfamilie in ein Resort gewandelt wurde in
Beibehaltung der traditionellen Architektur. Im unteren Bereich des Grundstücks in
Ergänzung durch die diverse Bungalows, die alle in klassisch balinesischem Stil gebaut
und gefühlvoll in die Landschaft integriert wurden. In Ergänzung eines herrlich
Badewannen-warmen Swimmingpools, der auch uns den einen oder anderen Tag
erfreute.

Kannst du dir wohl vorstellen, wie aufregend es war, am nächsten Morgen dann die Tür
unseres zauberhaften kleinen Stroh-gedeckten Häuschens zu öffnen, und zu schauen, wo
wir waren. Sehr neugierig untersuchten wir das ganze großzügige Anwesen und stellten
sehr zufrieden fest, dass wir eine ausnehmend gute Wahl getroffen hatten, wenn auch
der Genosse Zufall eine bedeutende Rolle mitgespielt hatte – nahmen wir doch an, ganz
woanders zu sein. Drei Tage also in wundervoll ländlicher Einsamkeit, was jedoch

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keineswegs bedeutete, dass sich nicht kulturelle Möglichkeiten, sogar in unmittelbarer
Nachbarschaft befanden, die wir auch in jedem Falle besuchen wollten.

Zum Frühstück im Restaurant der Anlage stellten wir dann sogar fest, nicht die einzigen
Gäste zu sein, sondern eine hochattraktive blonde Frau und ihre asiatische Begleiterin
frühstückten am Nachbartisch. Wie wir später erfahren sollten, war sie „der blonde
Engel“ eine Meisterin der Meditation und zu Gast des Anlageneigentümers. So gab sie
uns zahlreiche wertvolle Anregungen und Empfehlungen für das direkte Umfeld.
Besonders lustig war dann später: wir beobachteten unser Umfeld und sahen einen
Mann, der Erscheinung nach unaufdringlich, uncharismatisch sich zu den beiden Damen
gesellend und von ihnen über dieses oder jenes, so auch die Funktion mitgebrachten
Müslis zu informieren, so dass wir diesen kurzerhand für deren Fahrer wähnten. Nach
abgeschlossenem Frühstück jedoch verabschiedeten sich die beiden Damen und der
„Fahrer“ begann ein freundliches Gespräch mit uns, im Laufe dessen wir feststellen, dass
er nicht nur der Eigentümer von Puritamansari ist, sondern auch der Eigentümer der
Folgeanlage, Tamansari, im Norden von Bali.

Wie sich aus diesen und diversen Folgegesprächen folgern ließ, oder wir direkt erfuhren,
war er das Mitglied der königlichen Familie, das diese Anlagen besaß und in ihrer Form
ins Leben gerufen hat. So war er der Visionär, der schon vor zwanzig Jahren in
Tamansari ein einsames, entfernt gelegenes großes Stück Land kaufte und darauf eine
außergewöhnlich schöne Ferienanlage bauen ließ. Der Erfolg und das Glück bescherten
ihm darüber hinaus einflussreiche bedeutende Positionen in der balinesischen Tourismus-
Industrie. Wie wir jedoch später nicht ohne Schrecken hörten, wurde bei ihm Krebs
entdeckt, so dass er sich entschied, sich von allen aktiven Tätigkeiten in die Mönchsrolle
zurückzuziehen. Das Amt eines Priesters, der Meditation gewidmet, zu bekleiden und alle
Ämter und weltlichen Besitztümer, seinem Sohn und Nachfolger zu übertragen. Er war es
auch, der mit anderen die Bali-Konferenz in Bewegung und Organisation gebracht hatte,
wovon ich später von Nauman und Edward, dem kalifornischen Rechtsanwalt erfahren
soll.

Puritamansarin, oder auch der Königliche Blumengarten, liegt 20 Kilometer nördlich von
der Insel Maximalschrecklichkeit, Kuta, entfernt. Mitten im Binnenland und fast
verwirrend wenig touristisch. Als wir dort die Anlage verließen, um uns im Dorf
umzuschauen, einerseits strahlend begrüßte, aber auch verwirrt begaffte man uns, als
eindeutig eher seltene Ausführung an Gästen. Diese unsere erste intensivere Begegnung
mit einem offensichtlich altertümlichen, und malerischem Örtchen, in dem
Hausgrunstücke hinter kunstvoll Gemauertem verborgen sind, die jedoch überall im
rechten nördlichen Grundstückseck von einer Tempelanlage mit mindestens drei
Schreinen dekoriert und geziert werden. Üppigste Vegetation in gut gepflegten Gärten,
wohl duftende franji pennies, die über die Mauern rankten und Siebenjährige, die auf
knatternden Mopeds offensichtlich ihre Teilnahme im späteren Wildwestverkehr der Insel
vorbereiteten, führten zu lustig amüsanten Bildern und Eindrücken, die unsere
Begeisterung ohnehin schon intensiv noch verstärkten. So viel mystisch, sympathisch
lächelnd freundlicher Hinduismus um uns herum machte uns dann auch schnellstens
neugierig auf eine der, für die Insel charakteristisch, faszinierende Tempelanlagen. Diese
idealerweise, ohne jedoch eigene Verkehrsmittel zu besitzen, auf eigene Faust zu
besichtigen, war Wunsch und Plan. Erfreulicherweise ließ sich der Anlagendirektor
überzeugen, keine Fahrradführung durchführen zu müssen, sondern uns auf eigene Faust
zwei Mountainbikes zu leihen, mit denen wir auf lächerlich kurzer Strecke von vielleicht
drei Kilometern dann sehr beeindruckt vor Pura Taman Ayun standen. In dieser stillen,
touristisch unaufdringlich gestalteten und wenig frequentierten Tempelanlage, die
wiederum einem allerdings danieder gegangenen Königshaus gehört und sowohl die
Beerdigung der Königsmitglieder für die Verrichtung der Glaubenstätigkeit, als auch im
daran angrenzenden Park zur Entspannung und zu genussvollem Müßiggang genutzt
wurde. Anlagen dieser Art darf man nur betreten, oder sich diesen nur nähern, in
niveauvoller Kleidung – auf Bali sind das bedeckte Oberarme und jedenfalls ein Sarong,
also die kleidartige Umwicklung der Beine. Da wir damit, zwei Tage nach Ankunft auf Bali

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noch nicht ausgestattet sind, liehen wir es uns bei der gegenüber liegenden Cola-
Verkäuferin, die es uns für den beeindruckenden Mietpreis von 20 Cent für die zwei
Stunden unserer Tempelanlagen-Besichtigung gerne strahlend überließ und uns
ergänzend auch noch erklärte, wie man einen Sarong wickelte.

Die Anlage des Pura Taman Ayun war umgeben von einem Wassergraben voller kraftvoll
sattgrüner Lotusblätter nebst weiß und rosa strahlend schöner Lotusblüten, was das
gesamte Ensemble in stiller Heiligkeit außerordentlich anrührend machte. Höchst
erfreulich dann auch, dass nach Besichtigung der Anlagen, die vor der Pforte
abgestellten, geliehenen Mountainbikes unverändert und in bestem Zustand dort
standen; hatten wir sie doch nicht anschließen. Bei Leihen antwortete der Hotelmanager
auf unsere Frage, ob wir ein Schloss mitnehmen könnten, Schlösser gäbe es auf Bali
nicht. Dich wird nicht überraschen, dass uns dies leicht verwirrte, denn den Aufenthalt
mit zwei gestohlenen Fahrrädern zu beginnen, fanden wir relativ ungeeignet. Aber
tatsächlich, und wie wir später mehrfach beobachten konnte, schließen auch die
Motorrollerfahrer ihre Roller nicht an und allgemein ist ein Misstrauen dieser Art, wie wir
eben ganz selbstverständlich haben, auf Bali erfreulich deplaziert.

Auch die Cola-Verkäuferin erfreute sich, dass wir widerstandsfrei ihren Sarong wieder
hergaben, um dann unseren ersten einheimischen Marktbesuch vorzunehmen, nur einen
Kilometer vom Tempel entfernt. Auf dem Weg hierhin wurden wir verwirrt vom Ruf des
Muezzins. Bali, von 88% Hindus bewohnt, leben in fröhlich entspannter Nachbarschaft
mit 12% Moslems, zu denen auch zu den üblichen Zeiten, der Muezzin ruft. Hier, neben
einer balinesischen Tempelanlage erschien es uns besonders aberwitzig und an sich eher
unangenehm, da unserer oberflächlich, vorurteilsbehafteter Urteilung nach die Moslems
ja sowohl in der Beurteilung ihrer Mitmenschen als auch im Täglichen sehr viel stärkere
Reglementierungen sich und anderen auferlegen. Der Hinduismus, wie wir ihn auf Bali
erstmalig etwas besser kennen lernen sollten, zeichnet sich durch kreative und sehr
weitgehende Liberalität aus, die jeden sein lässt, wie der andere will. Dass man in einer
hinduistischen Tempelanlage ebenso anständig bekleidet zu sein hat, wie in einer
Moschee versteht sich dabei trotzdem von selbst. Wenn aber der Muezzin ruft, ist kein
Markt; wie wir dann leicht betrübt feststellen mussten, so dass unsere üppigen
Shoppingpläne auf den Erwerb von frischem Gillette-Rasierschaum beschränkt waren.

Radelst du in untouristischen Regionen auf einem Mountainbike als Langnase durch die
Gegend, so sind dir die fröhlichsten Begrüßungen von allen Altersgruppen, jedenfalls
jedoch von Kindern, sicher. Herrlich strahlendes „Hallo“. Aus jedem Grundstück lachten
sie uns entgegen auf unserem Weg zurück in die Hotelanlage. Besondere Freude machte
uns hier, dem Rat des Hotelmanager entgegen, uns für ein außerordentlich sauber und
ordentlich eingerichtetes Straßenrestaurant, auf Bali auch Wahum genannt, zu
entscheiden. Sicher waren wir nicht, welches Risiko wir hierbei für unsere Darmflora
eingingen. Klar war uns keinesfalls, ob und wenn was alles schief gehen konnte, aber
seien es die Wohlgerüche oder aber die Lobpreisungen des Reiseführers, die uns so
neugierig werden ließen auf balinesische Köstlichkeiten, dass wir nicht widerstehen
konnten. Wir richteten uns natürlich danach, Eiswürfel und Wasser zu vermeiden,
gegebenenfalls mit regional gewaschenem Wasser als Gemüse oder Salat war ebenso
verboten wie Wasser aus dem Hahn. Wie wir später feststellten, gestaltete sich dieses
kulinarisch köstliche Abenteuer als ungefährlich. Hierbei aus der offenen Veranda mit
angenehmem luftigen Durchzug bei natürlich tropischen Temperaturen, begegneten wir
dann auch dem ersten großen beeindruckenden Banyan-Tree. Auf Bali üblicherweise
einem heiligen Baum, in dessen unmittelbarer Nähe sich auch grundsätzlich ein Tempel
befindet, da man von der besonderen Seele des Baumes ausgeht. Lustige balinesische
Gepflogenheit hierbei ist, den Baum mit schwarz-weiß-kariertem Stoff auf Wurzelhöhe zu
umwickeln, zur Verdeutlichung, dass wo das Gute ist, auch das Böse zwangsläufig sein
muss – auch hier Gut = Weiß und Böse = Schwarz.

Glücklich und erfolgreich nach Hause geradelt, galt es bald auch schon wieder die Koffer
zu packen für die klimatisierte Limousinen-Überführung nach Tamansari. Dieses Resort

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im Norden der Insel lag vier Autostunden Echtzeit von unserem ersten Aufenthaltsort
entfernt. Eine Fahrt durch nahezu die gesamte Insel sollte hierfür erforderlich werden
und am Ende, wie üblich, doch noch etwas mehr Zeit in Anspruch nehmen als vom Fahrer
veranschlagt. Der Chef fuhr nicht selbst, sondern ließ seinen Adlatus fahren. Ein junger
Mann von außerordentlicher verkehrstechnischer Geschicklichkeit, der uns nicht selten
und nicht übel staunen ließ. wie präzise man in engen Straßen aneinander vorbei
schießen kann, ob am Motorrad, oder Motorroller oder dem entgegen kommenden Auto.
Als fahrerseitiger Außenspiegel hätte ich permanente Todesangst, würde ich auf der Insel
als solcher leben müssen. Und dennoch sahen wir keinen Hinweis auf mögliche Unfälle,
zudem wurde uns gesagt, dass tatsächlich sehr wenig passieren würde.

Klimaanlagen sind ja nicht üblicherweise tödlich, können aber doch eine Menge
Unbequemlichkeit bereiten und so fühlten auch wir uns potenziell gefährdet von der
kraftvoll blasenden Klimaanlage unseres japanischen Kleinbus-Chauffeurs, der uns dann,
nach langer Fahrt und gelegentlichen Stops, so auch in der im Binnenland gelegenen
zentralen Reisbauregion, wo eine wunderschöne Terrassenlandschaft die Reisversorgung
der Insel, wie wir erfuhren, in Autarkie sicherstellt. Ob man dies nun hätte gesehen
haben müssen als touristische Attraktion darf bezweifelt werden. Ob hierfür dann auch
noch Eintritt genommen werden darf, finde ich ebenso zweifelhaft, aber der regionale
Tourismus besorgt sich Geld, wo immer sich dieses erhalten lässt. Dennoch
zugegebenermaßen nicht unangenehm oder aufdringlich. Überhaupt waren alle Balinesen
fast ausnahmslos angenehme, nicht unbedingt von der Schönheit gedrückte, doch aber
sehr freundlich lachende, lächelnde Menschen, stolz ohne arrogant zu wirken auf ihre
Kultur und in ihrer Körpersprache. Besonders gute Körperhaltung zeichnet die Frauen
aus, die vielfach sogar schwere Lasten auf ihren Köpfen tragen bei großartiger Grazilität.

Ob du es glaubst oder nicht, ob du es vielleicht schon weißt oder nicht, Reisen kann sehr
anstrengend sein. Deshalb war in unserer Konzeption der Aufenthalt auf Bali als erster
Ferienabschnitt gedacht und, auch und im Wesentlichen, für mich als eine Zeit, im
Hängestuhl auch und intensiv an diesem deinem Büchlein zu arbeiten. Es sollte
tatsächlich klappen, schon am zweiten Tag, nachdem wir in der herrlich tropischen, vieles
in wundervoller Form vereinenden Anlage eintrafen, die Königsposition für den
Hängestuhl zu finden. Hier konnte ich dann kurioserweise stark hinter der eigenen
Reiseabwicklung hinterher Gedankenreisen zurück machen nach Südafrika wie auch nach
Neuseeland. Darüber hinaus genossen wir es, mal nicht morgens früh Koffer packen zu
müssen und das Bett zu wechseln, wieder auf Reisen zu gehen, sondern ausschlafen zu
können. Unser einziger morgendlicher Gegner war die Frühstückslimitierung auf 10.00
Uhr. So gab es bei köstlichen balinesischen Speisen und, man höre und staune, leckeren
balinesischem Weißwein und Rosé, einige entspannte Tage des Hängestuhl- und
Seelebaumelns. Dies jedoch nicht ohne die üblichen notwendigen weiteren
Reisevorbereitungen, da Singapur und Malaysia am Horizont näher rückten und in dieser
oder jener Form zumindest gedanklich organisiert sein wollten.

Manches am Tamansari-Resort ist so besonders, dass es einen Besuch wert, wie wir
feststellten, als wir dort waren. Zum einen, und das in ganz besonderer Form: die Lage!
Im nordwestlichen oberen Eck der Insel von Bali ist es landrückseitig von
beeindruckenden, immerhin 1,5 tausend Meter hohen Bergen umfasst, so dass die vorher
in Puritamansari getroffene Master of Meditation uns sogar sagte, dass dieser Ort eine
besondere Energie habe durch den Berg und das Wasser an einem Ort. Es ist ja
keineswegs selbstverständlich, dass sich die beiden, gerade auch auf einer Insel,
begegnen. Hier nun ist es der Fall, was zu besonderem landschaftlichem Reiz führt. Wenn
man an einem eher durchschnittlichen Strand grauen Sandes steht, wohl aber hinter sich
die üppig bewachsenen Berge bestaunen kann.

Ähnlich bemerkenswert ist allerdings eine menschliche Initiative auf Tamansari. Wie ein
schneller Blick unter Wasser verstehen lässt, haben mehrere unglückliche Faktoren die
Unterwasserwelt der Region ruiniert, zumindest jedoch sehr stark beeinträchtigt. Zum
einen war das der Mensch: Einheimische, die in dusseliger Weise mit Dynamit zu fischen

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pflegten, wo sie dies nicht hatten, wurde tatsächlich und gnadenlos Zyanid für das leichte
Fischen benutzt. Unter diesen Umständen haben die unter Wasser befindlichen Korallen
so stark gelitten, dass große Regionen komplett abgestorben sind. Ein weiteres hierzu tat
dann auch noch der Wirbelsturm El Niño, der zu einer nennenswerten Wassertemperatur-
Erhöhung führte, die wiederum ein Korallensterben zur Konsequenz hatte. All dieses
wissen und darüber unglücklich haben geschäftig innovative in der Federführung unseres
Königshaus-Mitgliedes, Arum, eine Initiative ins Leben gerufen namens Biorock. Dies
bedeutet genau genommen, dass fantasievolle Herstellen von Stahlgestellen, die dann
mit einer Niedervoltspannung über große Transformatoren versehen werden. Diese regen
an und oder fördern in höchst beeindruckender Form das Wachstum von Korallen. Wo
Korallen wachsen, kommen auch die Fische zurück – und so ist heute, ein Jahrzehnt nach
Installation der Initiative, strandnah dem Tamansari-Resort eine auf künstlicher Basis
gründender Korallenwelt in beeindruckender Art entstanden.

Naturgemäß ist auch dieses Projekt in permanenter Geldnot, was die Kreateure ein
Spendenkonzept erfinden ließ – aus Stahldraht wurde Dein Name gebogen, der dann
unter Wasser an die Stahlkonstruktion mit Edelstahldrähten befestigt wird, und du
bekommst alle halbe Jahr zwei Jahre lang ein Foto per E-Mail gesandt, das zeigt, wie der
Korallenbewuchs auf Deinem Namensschriftzug zunimmt und voraussichtlich über die
Zeit deinen Namen einwächst, bzw. vereinnahmt. Wie du ja weißt, schenkte ich dir mit
Freude diese Geste zur Wiedergutmachung an der Natur, neben anderem in diesem Jahr
zu Weihnachten. Auch Katharina und ich gönnten uns ein Herz mit einem K und einem U.
Die ersten Fotos der Installation an der kugelförmigen Stahlkonstruktion haben wir
bezeichnenderweise Heilig Nachmittag per E-Mail erhalten.

Sicherlich ist der Zeitpunkt, am liebsten der richtige Zeitpunkt, nach Bali zu reisen,
wichtig für das richtige Wetter, den richtigen Sonnenschein in die richtige Temperatur.
Denn in Zeiten des Monsuns, so schilderte man uns, sei es auch dort weniger bequem. In
diesem Falle gut vorbereitet erfreute uns bestes Wetter alle Tage unseres Aufenthaltes.
Brütende Sonne führte traf jedoch auf dem südlichen Meer auf kraftvolle Wolkenbildung,
die sich dann in den von mir oben genannten Bergen fest hängten und uns dort eines
schönen Abends in unmittelbarer Nähe – die Wolken gelangten nicht über den Berg zu
uns – ein Wärmegewitter-Spektakel bescherten, das ich in der Form noch nie erlebte und
mit Sicherheit auch nie vergessen werde. Keine Sekunde, da nicht große kraftvolle,
deutlich identifizierbare Blitze an mehreren Stellen gleichzeitig über den Himmel zuckten
und ein gigantisches Lichtszenario auf die Bergkuppen zauberten. Und das alles – höchst
befremdlich – ohne jedweden Dollar! Wie gebannt standen wir eine halbe Stunde lang in
der Mitte der Resort-Freifläche, um mit begeistertem Staunen diesem Naturwunder-
Spektakel zuzuschauen.

An sich hatte ich mir vorgenommen, die Zeit dort ausschließlich diesem deinem Büchlein
zu widmen, aber die Schilderungen von Mitgästen bezüglich der benachbarten
Schnorchelgründe waren doch so verführerisch, dass auch ich mich zur Initiative
überreden ließ, und wir fuhren einen Tag zum Schnorcheln. Nach 45-minütiger
Schnellbootfahrt gelangten wir an die Insel Melangan, von der glaubwürdige Stimmen
und kompetente Mitfahrer behaupteten, dass es die besten Schnorchel- und Tauchplätze
Balis sein sollten und sehr bald wussten wir, wie recht sie mit dieser Behauptung haben
sollten.

DEN NACHFOLGEND KURSIV GESCHRIEBENEN TEIL HABE ICH SCHON EINMAL VOR
LÄNGERER ZEIT GESCHRIEBEN – SIE MÜSSEN ES DOPPELT DIKTIERT HABEN; DENN
DER WORTLAUT IST ANDERS. ES KAM MIR BEKANNT VOR; DAHER VERGLICH ICH; ABER
DER WORTLAUT IST ANDERS. ALSO SCHRIEB ICH BRAV AUCH DEN NEUEN WORTLAUT –
SIE KÖNNEN DANN AUS BEIDEN ZUSAMMENWÜRFELN :-)

Es mag ein wenig eigenwillig klingen, mein geliebter John, denn man sollte denken, auf
eine Reise zu gehen, würde Entspannung darstellen. Ich kann Dir versichern: Es ist eine

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ebenso aufregende wie in jedem Fall aber auch anstrengende und vor allen Dingen in
permanenter Form Druck und Aktivitäten ausgesetzte Form, Zeit zu genießen. Und meine
ausdrückliche Bitte an Dich ist, dass Du d, wenn Du auf eine große Reise gehen solltest –
was ich Dir sehr wünsche und wovon Du sicher schon heute weißt, dass ich sie mit aller
zur Verfügung stehenden Möglichkeit unterstützen werde – Zeit nimmst. Zeit ist ganz
eindeutig unser ärgster Feind, oder schlimmer noch der Mangel dessen. Ständig sind wir
organisatorisch bzw. mit der Informationsaufnahme über unsere Ziele zwei, drei, fünf
Tage zurück, in der Hoffnung, dass dies auf Bali anders und in jedem Fall besser werden
würde.

Mit freudvollem Bedauern, genussvoll in meinem Hängestuhl pendelnd, muss ich Dir
mitteilen, dass auch dies wieder ein Irrtum unsererseits war. Denn irgendwie immer
kommt es anders, als Du ursprünglich planst, immer fordern Dich mehr Eindrücke heraus
als Du ursprünglich Dir vorgenommen hast und so auch auf Bali, wo wir der
Gesamtplanung nach Ferien machen wollten. Unter Ferien in diesem Fall verstand ich,
eine ideale Position für meinen Hängestuhl, nicht zu weit weg von der Bar, von der ich
unregelmäßigen Abständen mir ein Glas Weißwein würde holen können, und Zeit.

Wieder einmal kam es anders. In Sydney zur richtigen Zeit am richtigen Flughafen, sogar
mit etwas Reserve, da wir nicht mit einem Star Alliance Partner, sondern mit einem
Billig-Carrier nach Bali, genauer Dempazar, fliegen wollten. Da bei Airlines dieser Art
gerne mal Gepäck-Beschränkungen und Komplikationen welcher Art auch immer zu
erwarten sind, trafen wir rechtzeitig am Flughafen ein, wo sich ein weiteres Mal
„Frechheit siegt“ bewahrheitete. Anstatt in die endlose Touristclass-Schlange reihten wir
uns in der Business-Class ein – ich mit einem vorgeschützt naivem Gesicht, den Mann
am Counter fragend, ob er uns denn in seinem Computer finden würde, da wir uns in den
virtuellen Buchungen unseres Weltreisetickets ohne Booking-Reference fanden und
unseren Reisebüro-Wizzard morgens um 3.00 Uhr anzurufen nur für eine Booking-
Reference fand ich dann doch unverhältnismäßig – obwohl dies, believe it or not, zu
anderen Zeiten schon mehrfach nötig war (Du erinnerst Dich in Südafrika, als wir den
Anschlussflug verpassten und der Reisebüro-Zauberer es dann für uns richtete). Eine
ähnliche Situation musste ich befürchten beim CheckIn in unseren Billig-Carrier.
Erstaunlicher- und vor allem erfreulicherweise war dem jedoch keineswegs so. Er fand
uns, checkte uns ein und half uns sogar noch beim Gepäck-Umpacken, da wir für
Billigflieger tatsächlich immer wieder Übergepäck hatten.

Sechs Stunden und 45 Minuten Flug immerhin sind es von Sydney nach Dempasar, oder,
wenn man es genau nimmt, nach Kuta, einem schrecklich verrufenen Ferienort auf Bali -
nach dem, was wir hörten, dem El Arenal auf Mallorca für die Australier: Saufgelage
exzessiver Natur, tolle Strände und betrübliche Weltberühmtheit durch Attentate, zuletzt
im Juli diesen Sommer durch militante Moslems in einem Hotelkomplex. Das ist die
Berühmtheit von Kuta, von der uns alle, die wir fragten, einen Besuch ausdrücklich
abrieten. Entsprechend aber immer etwas hinter unserem Organisations-Eigenanspruch
entschieden wir schon in Sydney, dass wir uns auf Bali woanders aufhalten wollten und
deshalb durch eine Empfehlung von Tricia fiel unsere Wahl auf Puri Tamansai. Das
bedeutet Der künstliche Blumengarten und klingt ja damit gar nicht schlecht. Wir
glaubten, sympatisch naiv, dass dies in der Nähe von Ubut (eine zentrale Stadt auf Bali
mit erheblichem strategischem Vorteil in alle Richtungen) gelegen sei, mussten jedoch
abends, um 21.00 Uhr eintreffend, von dem vorreservierten Fahrer lernen, dass wir uns
an dieser Stelle geirrt haben. Denn unser kleines Innenland-Paradies lag eine ganze Ecke
weit entfernt.

Sehr verwirrend ist, wenn Du des Nachts, jedenfalls im Dunkeln, auf Bali eintriffst und
Horden von Motorrollerfahrern in alle Richtungen Dich umbrausen, du aber nicht weiter
sehen kannst, als bis zur nächsten Hausfront und drumherum alles für dich schwarze
Nacht ist. Mehrfach haben wir festgestellt, dass Tageslicht-Ankunft auf das Freundschaft-
Schließen mit dem Ort, an den wir reisen, erleichtert. So trafen wir im 33°C heißen Bali
im Dunkeln ein und fuhren mit unserem Fahrer über eine Stunde auch durch aufregend

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exotische Vegetation in die endlose Dunkelheit ländlicher Einsamkeit in eben unseren
königlichen Blumengarten.

Die Galax Suite, in die wir dort einzogen, vollklimatisiert zuzüglich hilfreichem Propeller
an der Decke, war so aufregend und voller fremder Geräusche in der ersten Nacht, dass
wir durchaus die Augen schließen konnten, aber immer wieder wach wurden. Und
allerspätestens als morgens um 3.00 Uhr eine Heerschaar an amelodisch krächzenden
Hähnen den folgenden Tag begrüßten. Wie wir später erfahren sollten, war unserem
Anwesen mit vielen Bungalows benachbart eine Farm für Kampfhähne - eine uralte
balinesische Tradition, Hähne kämpfen zu sehen und darauf glücksspielartig zu setzen.
Dies hatte zur Folge, dass die zwei Folgemorgende regelmäßig weit früher begannen, als
jedenfalls mir lieb war, durch einen Hahnenkrächz-Lärmpegel, dass sich einem die
Fußnägel wellen konnten. In diese Melodien einstimmten geistig verwirrt rumlaufende
Geckos, dusselig gurrende Tauben und, wenn es ganz blöd lief, auch noch eine viel zu
früh gestartete Motorsäge in dem benachbarten, ganz besonders zauberhaftem
Dörfchen.
Ganz so gut schlafen ließ sich unter diesen Gegebenheiten nicht, aber zum Schlafen sind
wir ja auch nicht auf die Reise gegangen. Gelegentlich ist dies natürlich nötig. Und wenn
du nun glaubst, wir hätten die Möglichkeit gefunden, dies nachmittags nachzuholen oder
womöglich am Swimmingpool, so bedauerlicherweise weit gefehlt. Tatsächlich fanden wir
bis jetzt noch kein einziges Mal die Zeit zu dieser liebreizenden Form des Müßiggangs,
der an sich ja Teil einer solchen Reise sein sollte und von dem ich mir dringend wünsche,
dass du dich, wenn du auf diese gehst, besser organisierst.

Oh wie aufregend ist es, aus der Ahnungslosigkeit des Umfeldes dann aufzuwachen am
nächsten Morgen und zu sehen, wo wir im wahrsten Sinne des Wortes gelandet sind.
Einem Resort in der Mitte des balinesisch üppigen, wundervollen Dschungels, eingebettet
in ein offensichtlich historisches Örtchen mit langer balinesischer Tradition, die sich in für
uns noch nie gesehener Form darstellte. Eindeutig religiös und stark hinduistisch
geprägt, hat tatsächlich jedes einzelne Haus, jedes einzelne Grundstück einen
abgetrennten Tempelbereich, in dem in den vier Ecken des abgetrennten Areals
eigenständige Tempel für die diversen hinduistischen Gottheiten stehen. Diese
handwerklich auf das kunstvollste in Stein oder Holz gearbeitet, so dass es deinen Vater
in seiner Begeisterung für Handwerklichkeit, auf das Äußerste erfreute und staunen ließ.
Solche kunstvollen Details, Verzierungen und kleine Tempel, wie wir in den Folgetagen
auf Bali lernen sollten, sind hier überall und in jeder erdenklichen Ecke zu finden und zu
bestaunen.

In Puri Kamansani, frisch in der doch sehr fremden, aber außerordentlich sympatischen
östlichen Kultur, immer noch leicht verunsichert, freuten wir uns, beim Frühstück eine
außerordentlich sympatische und eindeutig erleuchtete weiße Frau, gekleidet wiederum
ganz in weiß, kennen zu lernen, der wir en passant ein paar Fragen stellen konnten, da
wir parallel zum Bali-Führer auch den Malaysia-Führer gelesen hatten und nun also
glaubten, dass alles, was für Malaysia auch für Bali gelten müsse – diverse
Verhaltensmaßnahmen, die ich dir hier erspare, in der Hoffnung und Zuversicht, dass du
sie lernen wirst, bevor Du diese Länder bereist. In jedem Falle gehört hierzu das
Vermeiden jedweden Austausches von Zärtlichkeit in der Öffentlichkeit. Auch darfst Du
nicht mit in die Hüften gestützten Händen mit Leuten sprechen oder jemanden am Kopf
berühren. Nun wirst du sagen, dass du das ohnehin nicht gar zu oft tust, aber du wirst
dich wundern, wenn du eine geliebte Partnerin an deiner Seite hast, kann dies leichter
passieren, als du es dir wünschst. Glückliche Umstände wollten, dass all diese
Maßregelungen für die islamische Welt, in die wir in wenigen Tagen aufbrechen werden,
durchaus gilt, nicht jedoch für das hinduistisch liberale Bali. Hier, wo diverse Kulturen
nebeneinander existieren, diverse Religionen toleranten Umgang miteinander pflegen
und die 12 Prozent Moslems eine wohl und freundlich integrierte Minorität darstellen,
sind Dinge, die uns in den folgenden Wochen intensiv reglementieren werden, noch
glücklicherweise kein Thema.

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Oh wie aufregend ist es dann, das erste Reisfeld meines Lebens zu sehen, dass gleich an
das Areal unseres Bungalow-Areal angrenzte mit Basthüten bedeckten Reisbauern, so
wie ich sie bisher bestenfalls aus Reiseführern kannte. Drum herum ständig
Wohlgerüche, von denen du nicht sagen kannst, ob sie vom benachbarten
Sangipennybaum stammen oder von einem Gewürz oder einem Busch, dem du
fälschlicherweise keine Beachtung geschenkt hast. Umgeben von Geräuschen, ob von
krächzenden Vögeln oder lieblich zwitschernden Kolibris, eine unerhörte Exotik umgab
und schloss schnell Freundschaft mit uns, so wie mit den herzlich lächelnden und
strahlenden Menschen, die uns halfen oder bei Frühstück oder Abendbrot bedienten.

Wenn du dich auf Bali fortbewegst und mit ein klitzebisschen Geld ausgestattet bist, so
suchst du dir einen Fahrer mit einem sinnvollerweise klimatisierten Fahrzeug und der
bringt dich dann mit aller Zeit und einer Engelsgeduld, die du dir nur vorstellen kannst,
an die Orte, an die du möchtest. Eben so ein Fahrer brachte uns am Vorabend in diese
Lodge und da wir nun also beim Frühstück saßen und das aufregende Treiben um uns
herum beobachten, obwohl in Wirklichkeit gar nicht viel geschah, fiel unser Augenmerk
auf einen Herrn, der der Meisterin der Meditation Gesellschaft leistete und in unserem
Nichtwissen um die Umstände tauften Katharina und ich ihn den Fahrer, so wie nach
einer sehr netten, höflichen Begrüßung wir den Mann, der offensichtlich das Ressort
leitete, Bürgermeister taufen, da er eine derartige Aura an den Tag zu legen jedenfalls
versuchte. Während die anderen Gäste sich an den Nachbartischen erhoben, blieb der
Fahrer sitzen und löffelte weiter in seinem, für ihn offensichtlich exotischen Müsli, zu dem
ihn die Meisterin der Meditation überredet hatte und wir kamen ins Gespräch.
Interessante Dinge wusste er zu berichten, manche auch für uns höchst erstaunlich.
So teilte er uns auch sehr zügig mit, wie hilfreich die Meditation als Schüler der Meisterin
der Meditation sei und wie gut, dass seinem Harndrang täte, der jetzt wieder sehr viel
besser funktioniert im Gegensatz zur langen Periode vorher, in der es nur so tröpfelte…
Gesprächsthemen, die ja in unserer westlichen Welt nicht gar so üblich sind, verwirrten
und erheiterten uns natürlich über alle Maßen, ohne dass wir dies verdeutlichen konnten.
Weiters unterhielten wir uns, bzw. befragten unseren Gesprächspartner, nicht schlecht
staunend, in der Feststellung, dass es sich in ihm Agun Praner um den Eigentümer
sowohl dieses Ressorts, als auch der Folgeanlage, in die wir zwei Tage später reisen
würden, handelt: dem Repräsentanten der höchsten Touristik-Organisation Balis und
eines engen Verwandten des balinesischen Königshauses.

Der königliche Blumengarten war, wie wir in fröhlich aufgeschlossenen Gesprächen


erfuhren, ein Erbe seiner Ahnen, dass er zum Erhalt und zu Vermittlung balinesischer
Kultur in authentischstem, ländlichem Umfeld zu einem Ressort entwickelt hatte und
offensichtlich erfolgreich führte.
Agum gab uns dann auch interessante Empfehlungen und Anregungen zu den
Sehenswürdigkeiten und besonderen Tempeln des Umfeldes in Nachbarschaft und
weiterer Ferne und ermutigte unseren Plan für den Folgetag uns mit den hauseigenen
Mountainbikes radlerisch in der Gegend umzusehen und die höchst beeindruckende
königliche Tempelanlage zu besuchen namens Puri Ayon.

Wie Du weißt, mein Sohn, bin ich traumatisiert durch die Erlebnisse in Mauretanien, wo
ich vor vielen 23 Jahren aus dem Kühlschrank des Gästehauses der Deutschen Botschaft
eine Perrier-Flasche leer trank in Wüstenhitze, durstig und ausgedorrt, die mir mit an
Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die dann anschließend nahezu tödliche
Amöbenruhr beschert hat. Erlebnisse dieser Art prägen, wie dich nicht wundern wird,
erheblich, so dass du, wenn du im Reiseführer liest „nie und zu keinen Zeiten
balinesisches Wasser trinken“, du auf Alarmstufe Rot schaltet. Kein balinesisches Wasser
zu trinken bedeutet: keine Eiswürfel in den Drinks, unter gar keinen Umständen Salat
(nämlich gewaschen mit balinesischem Wasser) und auch bei anderen Speisen, von
denen du nicht ganz sicher sagen kannst, dass sie gekocht, gegart oder gebraten sind,
ist höchste Vorsicht geboten! So fuhren wir auf unsere Radeltour und entgegen der
Beratungen konnten wir uns nicht verkneifen, in einem unglaublich sauber und ordentlich
aufgemachten Landstraßen-Restaurant einzukehren und leckere Dinge zu Mittag zu

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essen. Betrüblicherweise waren Teile dieser an sich leckeren Speisen, wofür Bali mit
seiner einfallsreichen und wohlgewürzten Küche weltberühmt ist, kalt oder mit Salat
garniert, so dass wir der Vernunft gehorchend hiervon Abstand nehmen mussten, aber
dennoch konnten wir das authentische Gefühl genießen, in einem Restaurant der
normalen Bürger und freundlich strahlenden Drumherum-Balinesen gesessen und
gegessen haben. Nicht nur gegessen, sondern auch getrunken haben wir dort die
schrecklichsten lokalen Limonaden auf Tee-Basis, die man sich nur so vorstellen kann, so
dass ich an dieser Stelle jedenfalls mich als kuriert betrachte, auch wenn die Neugier bei
nächster Gelegenheit überwiegen wird und wir andere schreckliche Drinks probieren
werden – so lange sie ohne Eis serviert werden.

Mountainbiking im balinesischen Binnenland mit derart weißer Haut und blonden Haaren,
wie wir sie zu bieten hatten, führte zu derartiger Freude und Fröhlichkeit – maßgeblich
und im Besonderen bei Kindern am Wegesrand, dass es ein ständiges Hallo in
strahlender Fröhlichkeit gab, wo immer wir unseres Weges entlang radelten. Ziel des
Ausfluges: der oben genannte Tempel Puri Ayon. Der Respekt vor der fremden Kultur
gebietet, dass Du Dich nicht nackten Schultern oder miniberockt in die Tempelanlage
begibst. Also wurde uns empfohlen, um einen Sarong nachzusuchen bei den
benachbarten fliegenden Händlern, den diese dir gerne zur Verfügung stellen. Höchst
originell war hier, wie schnell und gut begreiflich meine Zeichensprache funktionierte in
Kombination mit einem Mineralwasser und einer Dose Coca Cola – in den Tropen
übrigens beste Medizin für Magenreinigung. Verstand die sympathische Verkäuferin
sofort meinen Wunsch und band ihren Sarong ab, glücklicherweise darunter mit Leggins
gekleidet, um uns diesen für den Tempelbesuch fachgerecht umzubinden.
Dann in eine vier Jahrhunderte alte Tempelanlage der königlichen Familie einzutreten in
seiner Gepflegtheit, Stille und seinem spirituellen Anmut, war sowohl für Katharina als
auch für mich außerordentlich beeindruckend. Die eigentlichen Tempelflächen zu
betreten war fortgesetzt der königlichen Familie, es gab jedoch einen wundervollen
Wassergraben drumherum voller Lotusblumen, jenseits deren wir uns bewegen durften
wie auch im gesamten großen Garten; und von wo aus wir guten Einblick in die
ästhetisch hoch beeindruckend vielstöckigen Tempelanlagen hatten.

Angrenzend an diese mystische Tempelanlage mit üppigen, bis zu 25m hohen Bambus-
Hainen links und rechts von uns mit wohl gepflegten Wegen und in den Park
eingesträuten Vegetations-Tempelanlagen vermittelt Dir ein besonderes Gefühl der Ruhe,
selbst wenn Du eigentlich weiterlesen müsstest in Deinem Reiseführer und eigentlich
genauer verstehen wolltest und müsstest, worum es hier eigentlich im Detail geht.
Die Kraft und Energie von Orten hier auf Bali gepaart mit dem freundlichen Strahlen der
Menschen um uns herum gewinnt uns unweigerlich und unwiderstehlich.

Nicht wirklich erfolgreich war unser anschließend geplanter Besuch eines lokalen
Marktes, da dieser in brütender Mittagshitze offensichtlich in sinnvollen Mittagsschlaf
verfallen war. Und doch gelang es uns für die beeindruckende Summe von einem Euro
eine von Dir so verhasste Schachtel Zigaretten zu kaufen und den notwendigerweise zu
bevorratenden Rasierschaum.

So viel Freude es macht, mit dem Mountainbike durch die vielfach moderaten
Landschaften mit zumutbaren Steigungen zu radeln, so ungleich viel mehr Freude wird
es machen, uns auf einen Motorroller zu schwingen und wie Millionen der Einheimischen
via Motorroller durch die Gegend zu sausen. Dies, unser erklärter Plan für die folgenden
fünf Tage im jedenfalls unserem Eigentümer gehörenden Resort Tamansari. In diesem
Falle nur schöner Blumengarten. Dieser auch von der balinesischen Welt fern gelegene
Ort im Nordwesten der Insel sollte uns Tage der Konzentration, Ruhe, Einsamkeit, des
Hängestuhl-Baumelns, des Badens, des Schnorchelns und der Entspannung bringen – so
der ursprüngliche Plan.

Nach beeindruckenden 4,5 Stunden Autofahrt mit dem von unserem Hotel organisierten
Fahrer brausten wir auf viel zu schmalen balinesischen Straßen permanent auf der

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falschen Straßenseite – ja, denn auch hier ist Linksverkehr – durch die aufregendsten
Dschungel und auf die erstaunlichen, riesigen Reisfeld-Areale, hindurch durch Seviniak
und Lovinia in unser großzügiges Beachresort, wo wir einen Oceanview-Deluxe-Pavillon
gemietet hatten mit einer Erfreulichkeit der besonderen Art: einer Außendusche unter
freiem Himmel! Wie viel Genuss dies bei üblicherweise 30°C bereitet, ist schwerlich
übermittelbar. Umso dringlicher wünsche ich mir, dass Du ganz bald die eigene
Erfahrung machst.

Hier, in einer wunderschönen, blumenreichen Anlage an einem grauschwarzen Strand


plätschert der Ozean

Glaub es oder nicht: Dein Vater wird bald 50 Jahre ohne je bisher das Schnorcheln
jemals versucht zu haben. Grund hierfür war immer die begründete Ausrede, dass ich
ohne meine Brille schon in gut einem Meter Entfernung nicht recht mehr etwas erkennen
kann. Nun bieten weder Nord- noch Ostsee Möglichkeit oder interessantes Areal für
Aktivitäten dieser Art und auch unsere Freuden an der Costa Brava lassen sich anders
gestalten als dadurch. Hier nun vom Reiseführer gebrieft, sich den besten Tauch- und
Schnorchelplätzen der Welt zu entziehen wäre frevelhaft gewesen und so gaben wir uns
einen Ruck und fuhren von unserem wundervollen Strandresort 45 Minuten mittels eines
Schnellbootes zu einer großen benachbarten Insel.

Dorthin mit sechs weiteren Tauchern oder Schnorchlern brausten wir über die gemütliche
Seite faszinierend offene See in den Horizont von Java hinein, der großen indonesichen
Nachbarinsel, dessen gigantischer Vulkan mit riesenbergenhaften Ausmaßen unseren
Horizont dominierte. Nach nicht weniger als 40 Minuten dort eingetroffen wurden wir alle
mit Equipment ausgestattet und ich, dies nicht für möglich haltend, erfreute mich über
eine Taucherbrille mit eingeschliffenen Werten. Groß war die Freude, wenn sie auch nicht
lange hielt, da diese Brille, durch die ich zwar prachtvoll sehen konnte, die aber
Undichtigkeiten hatte, so dass ich alle wenige Minuten die Nase voller Salzwasser hatte,
was ein jähes Auftauchen notwendig machte. Trotzdem war die Freude und die
Begeisterung spätestens als ich einen Rettungsring umlegte zur Entspannung, da das
permanente Auftauchen und Nase reinigen schon einen erheblichen Stressfaktor
darstellte, mit umgelegtem Rettungsring dann war das, was dort in den anteilig El Nino
nominierten Korallen zu sehen und zu bestaunen war, unglaublich.

Unsere erfahrenen Schnorchelpartner aus Tasmanien hatten offensichtlich fantastische


Augen und schärfste Wahrnehmung, so dass ihnen beeindruckende Dinge nicht
entgingen, wie Moränen, Seegurken und andererlei faszinierendes Getier neben den
Regenbogen-bunten Kleinfischen überall uns umschwirrend. Spätestens jedoch verschlug
es mir den Atem als ich eine Meeresschildkröte auf dem 2m unter uns befindlichen Grund
entdeckte. Diese durch unsere Anwesenheit zur Bewegung angeregt begann in meine
unmittelbare Nähe zu schwimmen, so dass ich trotz salzwässriger Nase und leichter
Atemnot letzterer ins Stocken kam ob der grenzenlosen Schönheit des Panzermusters
und der Flossen, mit denen sich dieses eigentlich nicht übertrieben schöne Tier mit zarter
Eleganz vorwärts bewegte, an die Wasseroberfläche und dann in den dunklen Tiefen des
Ozeans verschwand. Ein atemberaubendes Erlebnis, dass alle Beteiligten, selbst die hart
gesottenen Schnorchler, begeisterte und staunen ließ.
Noch Minuten danach geisterte mir die Schönheit der Zeichnung auf dem Rückenpanzer
durch den Kopf, so dass ich mein Umfeld leicht in Trance wahrnahm.

Entlang an üppig bewachsenen Küstenstreifen dieser wohl doch relativ unbewohnten


Insel tuckerte unser schnelles Boot vorbei an einer großen mystischen Tempelanlage, die
ganz allein auf einer Inselspitze trohnte und majestätisch in den Ozean hinaus schaute,
sausten wir müde, und Katharina sonnenverbrannt, zurück in unseren Tamansari-
Bungalow.

Nun gehst ja auch Du mein Sohn gerade in dieser Deiner Phase des Jüngling-werdens
unter die Brillen- bzw. Kontaktlinsen-Träger. Sei jedenfalls auf diesem Wege ermutigt,

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auf der Suche nach einer Taucherbrille mit eingeschliffenen Werten und dem
baldestmöglichen, am liebsten gemeinsamen Abtauchen in die faszinierende
Unterwasserwelt, die, wenn das Glück Dir Erlebnisse wie diese Schildkröte beschert,
einzigartig und unvergesslich sind.

Wie Du weißt ist Dein Vater kein übertrieben politischer Mensch und dennoch hatte ich
hier das Bedürfnis zu verstehen, wie die Religionen miteinander funktionieren und wie
Bali, eingebettet in den indonesischen Staat mit seiner Andersartigkeit, funktioniert.
Indonesien, lehrt uns nicht nur Wikipedia, ist der größte islamische Staat der Welt, mit
religiösen Ausnahmen in seinem 700 Inseln-Reich. So gibt es in Ostimore eine
Inselgruppe, die tatsächlich durch und durch katholisch sein soll. Und, allem voran, und
immer wieder Bali mit seinen 88% Hindus bei verbleibenden 12% Moslems.

Über all diese Fragen angeregt nachdenkend, auch durch einen umfangreichen Artikel im
National Geographics-Magazin, kam ich auf unserem Scuba-Boot ins Gespräch mit zwei
außerordentlich netten Amerikanern, Nauman und Edward. Wie sich im Gespräch ergab,
waren Nauman und Edward Mitglied einer Organisation, die sich auf Bali von Balinesen
dem Ziel verschrieben haben, Wege zu finden für den Erhalt der balinesischen Kultur auf
Bali in partnerschaftlichem Nebeneinander mit den Religionen und einem sinnvoll
vertretbarem Deko-Tourismus. Diese Organisation von interessiert engagierten aus aller
Welt begeistert, ja fasziniert von der Kultur der Vielfältigkeit der religiösen und
allgemeinen Toleranz der Balinesen auf Bali trifft sich in 1,5 jährlichen Abständen und
tauscht Erkenntnisse und Ideen aus darüber, wie touristische Fehler – auch auf Bali
bereits begangen in Kuta und Nachbarorten – in Zukunft vermieden werden können und
wie Erkenntnisse und Ideen aus diesen Konferenzen Bali helfen können, fortgesetzt eine
touristische Attraktion zu sein, eine touristische Faszination auszuströmen, ohne dabei
Kultur und Identität zu verlieren, was ökonomische Verluste zur Folge hätte und
politische Konsequenzen nach sich ziehen könnte, da derzeit, so wurde mir aus mehreren
Quellen mitgeteilt, Bali die TESCHKAU???? Indonesiens ist und 70% der Einnahmen an
die Zentralregierung nach Jakarta wandern, derweil nur 30% des Einkommens von Bali
auf der Insel verbleibt und für dortige Infrastruktur und Bildung der Balinesen etc.
ausgegeben wird. Die Bali-Konferenz, ein Zusammenschluss an internationalen Experten
und Balinesen, die sich zum Ziel gemacht haben, im Zuge der Bali-Konferenz eine
Verbesserung der touristischen Qualität herzustellen und zu vermeiden, dass die Kultur
auf Bali danieder geht, in vielen Städten à la Kuta und auch bei dem unendlich schönen
Tanalot bereits dramatisch erkennbar. Diesen höchst mystischen Ort übrigens besuchten
auch wir noch während unseres Aufenthaltes in Puritamansari. Tanalot ist wohl einer der
bedeutendsten touristischen Highlights von Bali, der Sonnenuntergang-Tempel
schlechthin. Dieser Umstand ist jedoch so intensiv touristisch verbraten, dass die
Priestertempler den 1 kilometerlangen Weg dahin derartig dicht säumen, dass man sehr
schnell die Lust verlieren und umdrehen möchte. Der Tempel selbst, auf einen großen
Sandsteinfelsen knapp vor die Küste gebaut, jedoch ist ein außergewöhnlich mystischer
Ort, der noch weiter an Reiz und Faszination gewinnt, sobald sich die Sonne dem
Untergang senkt. Rotgold verfließender Horizont und davor diese anregend schöne
Tempel-Architektur lassen einem einen wohlig warmen Schauer über den Rücken laufen.

War es die beeindruckend schöne Atmosphäre? War es die Begeisterungswürdigkeit für


diese liberale große Idee? War es die höchst sympathisch anregende Persönlichkeit von
Nauman, einem aus Washington DC stammenden Management Consultant, der davon
aber deutlich die Faxen dicke hatte? Oder war es das analytisch, klar, sympathisch
humorvolle Wesen von Edward, dem Rechtsanwalt aus Sausalito, Californien, unweit der
San Francisco Bay, die uns für die Idee, auch diese Bali-Konferenz zu unterstützen und
durch ein Anteilnehmen und Unterstützen der Ideen mit nordeuropäischer Kraft zu
versehen? Genau kann ich es nicht sagen und die Zeit wird zeigen, ob der Strudel der
Weiterreise oder die folgende Alltäglichkeit uns von der hier sehr schnell gefassten Idee
abbringen, im Dezember 2010, an dieser Bali-Konferenz aktiv unterstützend
teilzunehmen.

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Wenn Du zu Zweit reist, mein Sohn, womöglich mit Deiner heißgeliebten Partnerin, bleibt
wenig Raum für Social Activity, geschweige denn großes Sprechen mit fremden Leuten.
So jedenfalls ertappen wir uns, Katharina und ich. Dies kam in höchst anregender Form
dann doch einmal anders, denn mit dem Verlassen unseres Bootes regte Nauman an, ob
wir gemeinsam miteinander zu Abend essen wollten. Dieses stundenlange, höchst
anregende gemeinsame Abendessen mit viel leckerem balinesischem Wein, lehrte
Katharina und mich viele aufregende neue Ideen. So lernten wir bei dieser Gelegenheit
die von Nauman aktiv frequentierten Couch-Surfers (www.couchsurfers.org) kennen –
eine weltweite Community an Menschen, die gerne anderen reisenden Menschen hilft mit
Tipps, Tricks und am liebsten jedoch Unterkunft, so dass auf die Weise Reisende an allen
erdenklichen Orten der Erde kostenfrei und mit persönlichen Kontakten verbundene
Unterkünfte erhalten mit anregenden Gesprächen, viel tieferem Einblick in die lokalen
Gegebenheiten und gegebenenfalls Freundschaften, möglicherweise sogar fürs Leben.
Eine unglaublich erfolgreiche Plattform, auf der sich ein jeder Reisender, aber auch jeder,
der ein Bett zur Verfügung stellen möchte, eintragen kann, wo Reisende sich dann
bewerben via Internet, um dann kostenfrei in der Fremde zu Gast zu sein und auf die
Weise eine aufregende Nähe erleben zu können und unter guten Voraussetzungen sogar
Freunde zu gewinnen, wie uns Nauman in beeindruckender Form schilderte, der auf
diesem Wege seit Wochen unterwegs war und uns dann entsprechend für Malaca in
Malaysia so einen Kontakt herstellte, der höchst befremdlich, jedoch auf meine
außerordentlich nette E-Mail nie antwortete. Naja, immer kann es nicht gut und wir sind
ja auch keine Couch-Surfer und wollen es in aktiv nutzendem Sinne auch nicht werden,
aber möglicherweise könnte das ja für dich eine Form des Reisens werden, denn in jedem
Fall vorteilhaft an dieser Reiseform ist, dass du Nähe und Einblicke in Kulturen
bekommst, die gesichert den ordinären Touristen verwehrt bleiben. Traveller oder Tourist
war dann auch eine der anregenden Gesprächsfragen, die Nauman, Edward, Katharina
und ich intensiv diskutierten. Wo endet der Tourist, wo beginnt der Traveller? Sicher ist,
dass wir für uns den Wunsch klar definiert haben, nicht dusselig als Touristen durch die
Länder zu reisen, auch wenn dies manchmal schwierig ist, bedingt durch die immer
wieder lästige zeitliche Reglementierung.

Viel erzählte Nauman von seinen Erlebnissen und seinen Reisen der letzten sechs Monate
in weiten Teilen des asiatischen Raumes. Auch wenn er eigentlich aussah, wie ein
Buchhaltungs-Azubi, lehrten diese höchst anregenden Gespräche ein weiteres Mal, dass
Du gut beraten bist, nicht vom Äußeren zu urteilen, da häufig hinter der noch so
harmlosen Schale höchst beeindruckende Charaktere stecken können.

Lange schon fasziniert mich Bambus. Bambus, kein Holz, wie landläufig gemeint wird,
sondern ein Gras, hat außergewöhnlich faszinierende physikalische und auch statische
Eigenschaften. In Asien bauen sie Gerüste um Hochhäuser aus diesen super soliden
Grashalmen, und so wurden meine Ohren besonders spitz, als Edward im Zuge der Bali-
Konferenz Auszüge davon erzählte, dass ein sehr wohlhabender balinesischer Juwelier ein
Bambus-Projekt entwickelt hat, mittels dessen oder im Zentrum dessen die Green School
steht. Dies ist eine internationale Schule, die ihren Unterricht und alle drumherum
erforderlichen administrativen Vorrichtungen in Gebäuden hält, die ausschließlich aus
Bambus gebaut sind. Dies, in balinesischer Architektur und Bautradition und das mit
einer faszinierenden Aura, wie ich leider nur flüchtig feststellen durfte, dass eine
nochmalige Reise dahin geradezu Pflicht wird.

Auf unserer Reise in den Süden der Insel nach Sanua bat ich unsere Chauffeure, die
Route zu ändern und an dieser Green School vorbei zu fahren. Höchst betrüblicherweise
war das Areal hoch eingezäunt und ein Zugangstor wurde von einem Sicherheitsmann
bewacht, der mir, zwar sehr freundlich, aber ebenso verbindlich sagte, dass eine
Besichtigung nur mit vorheriger Vereinbarung möglich sei, die ich betrüblicherweise
natürlich nicht organisiert hatte. Doch auch der Blick über den Zaun und die sichtbaren
Konstruktionen allein der Werkshalle verdeutlichten schon, in welche Richtung hier
gearbeitet wurde – und dies war jedenfalls für mich höchst beeindruckend.

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Nach ausgedehntem gemeinsamen Frühstück, so schwer die Trennung fiel, reisten
Nauman und Edward ab ins südliche Bali und einen Tag später taten dies auch wir. Ziel
war, auch den südlichen Teil der Insel noch einmal kennen zu lernen, am liebsten per
Motorroller. Entsprechend buchten wir uns in ein Strandresort – ein weiterer
Glückstreffer, in dem wir ein Seaview-Reihenhaus bewohnten. Gleich bei Einzug lernten
wir Lola kennen lernten, der sich als Guide präsentierte und uns gerne am nächsten Tag
auszuführen interessiert war.
Abweichend von seiner üblichen Profession, Gäste per klimatisierten Bus durch die
Gegend zu fahren, erklärten wir ihm, dass wir uns über seine Führer-Dienste freuen
würden, vereinbarten ein Tageshonorar, verdeutlichten ihm jedoch, dass er uns doch
netterweise zu einem hochqualitativen Motorroller mit zwei Helmen verhelfen sollte und
idealerweise sich auch selbst einen besorgen sollte, da wir Südbali ermotorrollern
wollten. So geschah es dann auch mit einem spaßvoll bissigen Honda-125 Kubik. Auf
unser Bitten hin besuchten wir als erstes am südlichen Zipfel der Insel Ulumwat, eine
besonders schöne, weit über tausend Jahre alte Tempelanlage, in der wir sehr zu unserer
Freude vom heiligen Affen unterhalten wurden. Diese dort in großer Zahl eigentlich im
Busch lebend, werden von den Mönchen gefüttert und gepflegt, sogar einen
Swimmingpool gibt es für diese fröhlichen kleinen Wiedergeborenen – das nämlich ist der
Grund, warum sie von den Balinesen als heilig angesehen werden. Sie gehen davon aus,
dass sie gegebenenfalls als Affen wiedergeboren werden. Markeraffen sind
außerordentlich fröhliche, mittelgroße Schimpansen-ähnliche Affen, wohl auch von
besonderer Intelligenz, und, schlimmer noch, besonderer Schnelligkeit, so dass der
geneigte Betrachter gut beraten war, seine Brillen, Hüte und alles sonstige Hab und Gut
zu sichern, da es sonst von einem vorbei hüpfenden Affen auf nimmer Wiedersehen
verschwindet.

Wie viel Gaudi es bereitet, auf Bali Motorroller zu fahren, wird sich schwerlich in Worte
fassen lassen, denn es ist einerseits diese doch herrliche Zugluft, in der doch immer
wieder beeindruckenden Hitze, die das Motorrollerfahren so spaßig sein lässt, aber auch
die Tatsache, dass du überall hin kommst ohne Parkplatzprobleme, und selbst hier oder
dort ins Gelände. Sogar an den Strand – dahin brachte Lola uns als nächstes. Einen
Strand, den Touristen üblicherweise, wenn überhaupt, nur per Boot erreichen oder mit
erheblichem Aufwand, gegebenenfalls auch per Auto. Insgesamt waren fünf Leute an
diesem gigantisch schönen, Palmen-bestückten Strand, der auch unter dem Paradies-
Aspekt keinen Wunsch offen ließ.

Anschließend brachte auch er uns, allerdings auf unser Bitten, zu einer Schildkrötenfarm
– immer noch waren wir innerlich so aufgerührt von der Begegnung mit der
Wasserschildkröte, dass eine Besichtigung weiterer Schildkröten Katharina besonders
aufregend erschien. Was wir dann sahen, war ein wenig liebevoll gemachter Pool, in dem
zahlreiche, teilweise Riesen-Schildkröten, offensichtlich primär eine Zuchtaufgabe hatten.
In einem weiteren Becken waren viele, viele kleine Schildkröten zu sehen, von denen uns
glaubwürdig versichert wurde, dass diese im Meer ausgesetzt würden, auch zur
Sicherstellung und zum Erhalt der Populationen.

Auch wenn alle diese Abenteuer grundsätzlich und immer mit Geld verbunden, auf Bali,
um der Wahrheit die Ehre zu geben, geht es in den seltensten Fällen um wirklich viel
Geld, so widmete der Führer uns seinen Tag mit Moped für insgesamt 10 Dollar – und
diesen Preis akzeptierten wir unverhandelt, weil wie ihn schon so unverschämt niedrig
fanden. Sicher hätte sich hier noch etwas reduzieren lassen. Beträge wie diese machen
das gute Funktionieren der Kreditkarte nicht ganz so wichtig wie in teuren westlichen
Ländern. Dennoch ist es extrem irritierend, wenn du plötzlich vom Geldfluss
abgeschnitten bist, da deine Kreditkarten blockiert werden. So geschah es uns aufgrund
von Kreditkarten-Datenmissbräuchen in Spanien, wo auch ich in diesem Frühjahr
geschäftlich und damit per Kreditkarte aktiv war. Entsprechend sah sich unsere
Reisebank veranlasst, die Kreditkarten zu erneuern, worüber sie uns auch in voller
wohlgeordneter Form vorinformierte. Ich ging jedoch davon aus, dass dies nicht
zwangsläufig zum Abschalten der alten Karten führen würde, was dann eines schönen

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Tages jedoch der Fall war, so dass plötzlich all unsere Karten kein Geld mehr hergaben
und schlimmer noch, in Singapur bei unserer Landung, dort immer noch in der Hoffnung,
dass die Karten reanimierbar waren, von einem Geldautomaten komplett einbehalten
wurden. Glückliche Zufälle wollten, dass wenigstens Katharina auch die EC-Karte nebst
PIN mit ins Reisegepäck genommen hatte, als Geldbesorgungsmittel nicht annähernd so
sexy wie die Kreditkarte, da mit hohen Gebühren zu rechnen ist. Die Kreditkarte
hingegen gebührenfrei zu Bargeld verhilft, wenn du die richtige Karte in den richtigen
Automaten schiebst. Dafür gibt es einen von uns häufig verwandten im Internet
findbaren Visa-ATN-Locator, mittels dessen wir rund um die Welt gebührenfrei Bargeld
abheben können, was naturgemäß die Reisesicherheit erhöht und in angenehmer Form
entkompliziert. Da mehrheitlich unser Reisegeld auf den Kreditkartenkonten lag, die
Kreditkarten aber nicht funktionierten, hatten wir also Zugriff auf das Kreditkarten-
vorgeschaltete Internet-Konto, auf dem jedoch wiederum nur noch relativ wenig Geld
war, so dass wir fast zehn Hangelbangeltage, sogar in Angriff unserer Barreserven
verbringen mussten. Wo immer sich eine Kauflust zeigte, mussten wir diese im Keim
ersticken, da wir nicht hinreichend Bargeld bekommen würden, bis zum wunderbaren
Tage unseres Zusammentreffens, denn glücklicherweise sollten wir ja dich und Lio in
Bangkok treffen und abholen. Und ihr ward, wie du dich sicher erinnerst, die
höchstgeschätzten Boten nicht nur der köstlichen Kekse von Frau Bouras, des
Früchtebrotes von Almut, sondern auch und allem voran die sehnlichst erwarteten
Überbringer unserer neuen Kreditkarten, so dass wir glückliche finanzielle Beweglichkeit
zurückkehrten.

Doch diesen Vorgriff bitte ich dich zu entschuldigen, denn noch, zwar in Geldnot, aber
noch waren wir auf Bali, wo jedoch ein weiteres Mal unser 12-Tage-Countdown zu ticken
begann. Singapur, unser nächstes Ziel, höchst angenehm erreichbar mit Thai Airways,
die uns in einem 2,5-stündigen Flug komfortabel und sicher, erstaunlicherweise mit
einem Riesenjumbo, hinüber beförderten. Leicht weinenden Auges verließen wir Bali,
diese außerordentlich schöne Insel, auf die ich denke, wir möglichst bald vielleicht sogar
gemeinsam zurückkehren sollten. Dort jedenfalls entwickelte ich die Idee, solltest du dir
eines Tages zum Geburtstag einen Motorroller wünschen, ich ihn dir schenke, mit der
Maßgabe, dass du als reizvolle organisatorische Herausforderung, diesen auf Bali kaufen
und nach Deutschland importieren musst. Schauen wir mal, was du von dieser Idee
hältst, wenn es dann soweit sein sollte.
Wenn wir das nächste Mal und möglichst bald nach Bali fliegen, mieten wir uns von
Anfang an einen Motorroller, denn das ist einfach die probate Form, sich auf der Insel zu
bewegen. Möglicherweise allerdings auf ein Art, dass ich nicht den Schreiberling des
Reiseführers die Fußnägel biegen, denn tatsächlich mieteten Katharina und ich für 7
Dollar am Tag unseren Motorroller – jedoch in Unterschrift eines der vollen Übernahme
der Verantwortung und ohne jedwede Versicherung durch andere. Aber da das Glück
bekanntlich mit den Doofen ist, sollte auch uns nichts geschehen, so dass das
vermeintliche Risiko sich am Ende als gar keines herausstellte. Auch wenn, dieser
Nachsatz sei mir erlaubt, es ein außerordentlich eigenartiges Gefühl ist, wenn du dem
entgegen kommenden Auto so nahe kommst, dass du den Luftzug druckhaft fühlst, so
leisten alle dort Zentimeterarbeit, auch die Entgegenkommenden, hui, da schlug
gelegentlich dann schon mal mein Puls erheblich schneller.

Singapur

Bestimmt hast auch du schon mal gehört, wie wohl geordnet es in Singapur zugeht. Alle
Straßen sauber, alles funktioniert, Hightech-Installationen wo du hinschaust – ja, das ist
Singapur. Glücklicherweise hat es sich ein bisschen des asiatischen Chaos in der Form
bewahrt, dass es auch dort ein Chinatown gibt, in dem die kuriosesten Dinge zu
betrachten, die exotischsten Speisen zu kosten und die aufregendsten Gerüche
wahrzunehmen sind. Wären wir in einen der „klinischen“ Bereiche Singapurs abgestiegen,
so hätte möglicherweise der Aufenthalt eine Enttäuschung werden können. Das dem doch
nicht so war, war Katharinas kluger Wahl eines süßen Boutique-Hotels „1929“ zu
verdanken; ebenso wie die strategisch günstige Lage und die von Katharina vorbereitete

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Begegnung mit einem guten alten Bekannten von ihr namens Gernot. Dieser empfing uns
freundlich und fröhlich und zeigte uns sogar seine Wohnanlage und schilderte uns in
anregender Form die Behaglichkeit des Lebens in Singapur, diesem außerordentlich
günstig gelegenen Drehkreuz für die Erkundung Gesamt-Asiens. Er war es dann auch,
der uns mitnahm in die erste Shopping-Mall. Er war es, von dem wir lernten, dass die
erste Bürgerpflicht der Bürger von Singapur Konsum, Konsum und noch mal Konsum ist;
deren besondere Freude, am liebsten täglich dass, aus meiner Sicht, hirnlose Shoppen
ist, mit Decken von Bedürfnissen, die gar nicht existieren. Natürlich lässt sich nicht
verhehlen, dass bei einem derartigen Angebot - eine Shopping-Mall reiht sich an die
nächste und eine ist besser sortiert als die nächste und oft die Preise aus deutschem
Blickwinkel sehr attraktiv – so lässt sich nicht verhindern, dass auch wir uns dem
Konsumrausch nicht haben entziehen können. Glücklicherweise jedoch waren wir stark
reglementiert durch die blockierten Kreditkarten. Auch hatte unser Koffervolumen hatte
bereits deutlich zugenommen, und sei es nur ob der acht oder neun T-Shirts - aus jeder
Station eines, damit du die ganze Welt als T-Shirt tragen kannst. Auch dieses führte zu
einem „darauf beschränken wir uns dann aber auch“.

Immer wenn du reist, gibt es umfangreiche Orga-Aufgaben. Hier mussten wir im


Reisebüro für den übernächsten Tag das Busticket reservieren und bezahlen, denn
mittels komfortablen Reisebusses wollten wir an die Straße von Malaca in die Stadt mit
Weltkulturerbe, nach Malaca.

Vielleicht habe ich dir mal von dem ursprünglichen Plan erzählt, vielleicht aber auch bleib
es ein Bonmot von Katharina und mir: Ursprünglich wollte ich die Straße von Malaca
gerne mittels eines Handelsschiffes gefahren sein. Dies auch und besonders, weil diese
Meerenge die stärkst frequentiert Seestraße der Welt ist und

Kuala Lumpur

Seit Jahren schauen sie mich an, glänzend, bemerkenswerter im eigenen Kaminzimmer:
die Petronas TwinTowers. Seit Jahren schon habe ich wachsende Lust, mir diese an
Schönheit außergewöhnlichen Wolkenkratzer einmal in natura anzuschauen und da schon
aus dem Busfenster sehe ich sie wachsend in der Anfahrt auf Kuala Lumpur.

In den 90er Jahren für vier Jahre die höchsten Türme der Welt, bestechen sie nun, da wir
näher kommen, mehr noch als auf den Abbildungen, durch ihre Eleganz und die
könnerschaftliche Definition der Proportionen. Inspiriert durch asiatische Architektur hat
ein europäisches Architekturbüro diese Türme für wohl eine der reichsten Familien
Malaysias, den Petronas, Ölmultis ihres Zeichens, kreiert und dann werden lassen.
Aufregende Geschichten ranken sich um den Bau der Türme, von denen jeder einzelne
von einem Projektsteuerer baukoordiniert wurde, die um die Spannung und die
Baugeschwindigkeit zu erhöhen, den Auftrag erhielten, um die Wette zu bauen, diese
dann in, auch für Malaysia, atemberaubender Geschwindigkeit wachsen ließen. Als es
darum ging, die Entscheidung davon zu tragen, entschied sich einer der Construction
Manager, die in China und Taiwan gefertigte Edelstahl-Spitze heimlich und über Nacht im
Inneren des Gebäudes zusammen zu bauen und sie dann eines für alle überraschenden
Tages von Innen heraus zu schieben, so dass er um eine Woche Abstand den klaren Sieg
davon trug. Diese Edelstahl-Giganten sind verbunden durch eine Brücke, die erst nach
Stehen der Türme von außen, unten komplett vorgefertigt, hinauf gehievt wurde. Dieses
höchst abenteuerliche Bau- und Gewichts-Unterfangen wurde dreimal unterbrochen
durch schwere Gewitter, deren Blitze Blackouts in Kuala Lumpur zur Folge hatten – eine
außerordentlich abenteuerliche Entstehungsgeschichte dieser beiden Zwillings-
Schönheiten, vor denen wir nun also in wenigen Stunden sein sollten. Erst einmal galt es,
zu unserem Hotel zu kommen. Die Frage, wie das gehen könnte, nahm uns der
„baggernde“ Taxifahrer ab, der uns gekonnt liebevoll mit einer für malaiische
Verhältnisse schwindelerregenden Höhe von 8,- Euro nennenswert betrügen sollte. Aber

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gewisse Summen Geldes sind immer als Schwund kalkuliert und so erhielt er jedenfalls
kein Trinkgeld. Beliebt ist in asiatischen Ländern mit offiziellem Taxi vorzufahren, sich
dann nach eingeladenem Gepäck zu weigern, das Taximeter anzuschalten. Nun hätten
wir aussteigen können und das Gepäck wieder ausladen können, aber hierzu waren wir
zugegebenermaßen zu faul. Diese Faulheit hat dann regelmäßig ihren Preis.

Wohlbehalten trafen wir im Central Station Heritage Hotel ein, einem außergewöhnlich
schönen, ursprünglichen Hauptbahnhof von Kuala Lumpur. Diesem vor der
Jahrhundertwende gebauten Hauptbahnhof …iert von einem englischen Architekt,
mehrheitlich aus Holz gebaut und ausschließlich aus Baumaterialien entstanden, die
gänzlich aus England importiert wurden, hatten wir bei dieser Wahl eine besonders
charmante Atmosphäre, weniger aber Qualität und Sauberkeit gebucht. Dennoch waren
wir der Überzeugung, dass auch dies zwischendurch mal eine gute Idee ist, um
fortwährend Bodenhaftung sicherzustellen. War uns doch noch kein einziges Mal bisher
eine Kakerlake begegnet, geschweige denn anderes, eventuell sogar noch exotischeres
Ungeziefer. Diesbezüglich enttäuschte auch dieses Hotelzimmer, das zwar schmuddelig
wirkte, aber ausreichend sauber war, als das wir keine ungeziefrigen Erlebnisse haben
sollten.

Glaub es oder nicht, über die Reise hinweg haben wir uns auch und permanent aus
organisatorischen Gründen zu Internet-Junkies entwickelt. Dafür besonders hilfreich ist
freier Internet-Zugang, den dieses Hotel erfreulicherweise lieferte. So konnten wir nun
endlich, wie lange angestrebt, den Bilder-Blog zunehmend vervollständigen; auch um
daheim Gebliebenen rechtzeitig zu Weihnachten wenigstens mit Bildern eine Freude zu
machen.Darüber hinaus aber waren aber noch manche Dinge, inklusive der
Flugverbindungen nach Süd-Thailand mit Dir und Lio, auch dort nicht geklärt, so dass –
schließlich stand die Weihnachtszeit bevor – wir langsam in nicht unerhebliche
Bedrängnis gerieten.

Nun galt es aber erst einmal mit der relativ chaotisch strukturierten Nahverkehrs-Szene
Kuala Lumpurs Freundschaft zu schließen und die Station zu finden, mittels derer uns die
hiesige gut funktionierende U-Bahn in den Tiefkeller der Petronas bringen sollte. Die
unteren fünf Stockwerke der Towers sind wie gerne und überall ein Luxus-Shopping-
Center vom allerfeinsten. Kein Markenartikel fehlt, ob Gucci, Hermés oder Louis Vuitton –
alle lächeln den Kaufinteressierten Wand an Wand in der gleichen Etage an, derweil
etwas drunter Delikatessenläden, dann weiter drüber Zara, Massimo Dutti und solche
sich ein Stelldichein geben für die fortgesetzt und ständig kaufberauschten Malaiien und
natürlich andere asiatische Touristen.

Zur Westseite der Towers erstreckt sich ein üppiger, kunstvoll angelegter Park mit
originell kreierten, niveauvollen Wasserspielen, die kaum, dass wir hinaus ins Freie
traten, dann nicht minder kraftvoll Gegenspiel vom Himmel bekamen – unser erster
echter und herrlich anzuschauender Monsunsturm mit faszinierendem Gewitter. Dies
jedoch führte dazu, dass wir unter dem Vordach hervorzutreten nicht in der Lage waren,
so dass wir die Towers selbst erst nach dem dann genussvoll auf der Terrasse
eingenommenen Essen und nach Beendigung des Regens anschauen, bestaunen,
fotografieren und bewundern konnten. Noch größer als ich sie erwartet habe, noch
schöner, noch grazil-eleganter als ich sie von Bildern kannte, standen sie da vor uns, die
Zwillingsgiganten Malaysias.

Obwohl diese Türme im himmelstürmenden Wahnsinn schon dreimal übertroffen wurden


– in Chicago, anschließend in Taipeh und aktuell in Dubai – suchen sie doch immer noch
in Schönheit und gelungener Proportion ihresgleichen, so dass ich Dir sehr empfehlen
möchte, sollte Dich Dein Weg hier vorbeiführen, sind sie in jedem Fall ein Stop-Over
wert. Wir hatten sogar drei Nächte für Kuala Lumpur vorgesehen, eine Stadt, die
ansonsten durch besondere Schönheit sich keinen Ruf verdient hat. Wenngleich hier eine
der größten Moscheen Asiens steht, die zum Freitagsgebet über 15.000 Gläubigen Platz
bietet, und sich die malaiische Regierung bemüht, durch aufwendige und beeindruckende

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muslimisch inspirierte Museumsbauten die Kunst Asiens zu repräsentieren und
auszustellen. Weil fast alles immer länger dauert, als ursprünglich angenommen, wollte
uns ein Besuch in den örtlichen Zoo, von dem uns Fabelhaftes berichtet wurde,
bedauerlicherweise nicht gelingen. Immerhin untersuchten und genossen wir einen
Schmetterlings-Palmen-Garten, in dem wir neben hochexotischen Schmetterlingen von
Handtellergröße und größer auch Kleintierzeug wie Frösche, Schlangen, Schildkröten und
anderes exotisches Getier kennen lernten, von dessen Existenz ich bisher nicht einmal
ahnte. So begegnete mir dort der malaiische Dschungelfrosch, höchst glücklicherweise
hinter Glas, der durch seine Lebendgröße mindestens einer Kokosnuss entsprechend
beeindruckte und schockierte.

Tourist oder Traveller, die uns immer wieder bewegende Frage, stiegen wir ein weiteres
Mal in die Metro in Richtung Petronas. Dieses Mal um eine Station vorher auszusteigen,
damit wir ausreichend Abstand zu den Türmen erhalten konnten für Katharina und Alex’s
Lieblingsmotiv: Finger auf Turmspitze. Hierbei kamen wir in eine so vollkommen
authentisch malaiische Region, in die sich dem Anschein nach noch nie ein Tourist verirrt
hatte. Dort, allen Mut zusammen nehmend, gingen wir in ein zauberhaft und liebevoll
gestaltetes Warun, um dort sehr lecker original malaiische Küche zu genießen – immer
wieder betrüblich in islamisch inspirierten Ländern die Abwesenheit von Alkohol, ja sogar
von Bier, denn leckeres Essen, wie Du ja weißt, begleitet Dein Vater gar zu gern mit
einem Glas Weißwein, in mittlerer Not sogar mit einem Bier.

Dieses Warun mit einfachsten Mitteln, aber einer guten Nähmaschine und gekonntem
Händchen mit Hussen und Vorhängen ausgestattet, gänzlich Openair, begeisterte mich
dann ergänzend mit pfiffigen Beleuchtungsideen in Form von abgesägten
Bambusabschnitten mit 10 cm Durchmesser, da hinein oben ein Loch gebohrt und eine
Fassung nebst Energiesparleuchte hinein gehängt macht ein außerordentlich schönes
Licht bei einem Kostenaufwand von nahezu gar nichts. Dann auch noch authentisch in die
Landschaft passend, könnte dies fast eine Beleuchtungsidee sein zum Beispiel in Bambus
in seiner Form und in richtiger Proportion aus Porzellan herstellend und damit
durchscheinend ergibt mit Sicherheit eine außergewöhnlich schöne Lampe, die die
Bambus-Variante vormachte. Kreativität ist überall auf der Welt zu finden – oft
beeindruckend und ganz besonders die sehr einfachen Lösungen sind die
beeindruckendsten. Ich hoffe auch dies zu sehen und Dich dessen zu erfreuen wird Dir
als Gabe mitgegeben sein, wenn Du möglichst oft und möglichst intensiv in diese
wundervolle Welt hinaus reist.

Und wieder galt es Koffer zu packen. Die U-Bahn bringt Dich komfortabel und für kleines
Geld, echte 50 Minuten Fahrt, hinaus kunstvoll angelegte Retorten-Städte, hier genannt
Cyber City, zum Kuala Lumpur Flughafen. Noch keiner von den beeindruckenden tollen
neuen, aber ausreichend funktionell. Hier mit gutem Vorlauf, ohne jedoch zu viel Zeit,
checkten wir auf prachtvolle, bequeme Plätze in der Business Class von Thai Airways, die
uns in zwei Stunden Flug nach Bangkok brachte.

Thailand

In Bangkok, das ließ sich nicht vermeiden, und zugegebenermaßen war auch ich
durchaus ganz bequem, erwartete uns bereits ein Fahrer, der uns die 45 Minuten vom
Airport in unser kleines Seitenstraßen-Hotel, Sanil, brachte. Alle stellen sich im Internet
sehr nett und von der besten Seite dar – beim Einbiegen in die Seitenstraße stockte mir
der Atem und beim Einbiegen in die Seitenstraße der Seitenstraße dachte ich dann
endgültig ‚Hier hört’s auf’. So war es jedoch überhaupt gar nicht. Dieses nette kleine
Hotel, frisch fertig gestellt vor kurzer Zeit, hatte uns schon Wochen vorher mit
promotion-rates geködert, stellte sich niegelnagelneu und frisch mit hochkomfortablen,
möglicherweise etwas zu kleinen, Zimmern, aber guten und auch mal ausreichend
großen Betten dar. Der bequeme Tuktuk-Service zur nächstgelegenen BTS, der Hoch-
Ubahn-Station, ergänzte noch den freundlich fröhlichen Service für das hier auf sechs
Tage abgestiegen zu sein sich nicht auf Anhieb als Fehler erwies.

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Dies sollte ja nun auch das Hotel sein, in dem wir Dich und Lio erwarteten. Ihr beide mit
uns zwei Tage die Kuriositäten Bangkoks erforschen werdet und nachdem wir alle
Räumlichkeiten und am Folgemorgen auch das Frühstück getestet hatten, waren wir
davon überzeugt, ja sogar sicher, eine gute Wahl getroffen zu haben.

Weintrinker sind sie leider nicht die Thailänder. Erfreulicherweise wissen sie, dass es
Wein gibt, so dass man ihn kaufen kann, aber für thailändische Verhältnisse zu
beeindruckenden Tarifen. Wenn man bedenkt, dass auf Bali, wo sie ja immerhin eigenen
Wein anbauen, die Flasche für 3,- Euro gekauft werden konnte, so kostete sie in Thailand
doch immerhin 8-10,- Euro. Und erst später durften wir feststellen, dass auch Thailand
eigenen Wein anbaut, der uns die Abende auf Ko Min Gai ein bisschen ergänzend
versüßte. Und willst Du Dir dann auch noch einen kühlen Schluck Weißwein des Abends
im Hotel gönnen, so darfst Du gern das Doppelte bezahlen. Erfreulicherweise hatte unser
Hotelzimmer den erforderlichen Hochleistungskühlschrank und der Korkenzieher als
obligatorischer Reisebegleiter half, dass wir in Vorfreude auf Dich und Lio abends unser
Gläschen Wein auf dem Zimmer-eigenen Balkon genießen konnten.

Was für eine herrlich pulsierende, quirlige, farbenfrohe, aufregend und


sinnesberauschende Stadt, dieses Bangkok. Noch am gleichen Abend wanderten wir nur
noch um unseren Häuserblock, der schon jede Menge Aufregendes, Köstliches und
Wohlriechendes zu bieten hatte. Gleich in der dritten Straßenküche lockten uns
köstlichste Springrolls mit pikanter Chilisoße und wenig weiter lockten uns leckere
Satéspieße. Herrlich, die Gerüche, das bunt lustig chaotische Straßenbild voller bunter
Eindrücke mit dieser immer wieder besonders aufregenden Sprache, besonders in
gedruckter Form extra-exotisch. Viele Dinge galt es nun zu lernen. Wie fährt man mit der
DTS-Hochbahn am schnellsten zu den aufregendsten Plätzen? Wie vermeidet man
unnötigen Tuktuk-Fahrer-Betrug? Wie überredet man den Taxifahrer zum Anschalten des
Taxameters, ohne dass er einen bei einem Schneider abliefert, der einem Dinge
verkaufen will, die man gar nicht braucht? Wie widersteht man den ziemlich opulent
gestalteten Giga-Kaufhäusern und Einkaufszentren ohne unnötigen Frust?
Glücklicherweise für Katharina war ihre Kreditkarte wieder belastbar, so dass eine
handvoll schicker Blusen bei Massimo Dutti ihren Weg in unseren Koffer fand. Viele
Verlockungen und Versuchungen, gefälschte Krokodil-Polohemden, Ralph Lauren T-Shirts
und von welch immer Markenherstellern man sich denken mag säumen die
Straßenränder, im besonderen der aufregenden Sukunvid. Hierhin zog es dann auch
zügig mich, der ich mir von Gernot in Singapur einen von ihm geprüft und für gut
befundenen Schneider empfahl, bei dem ich mich entschieden hatte, drei Hemden
kopieren und komponieren zu lassen. Natürlich nach meinen Vorstellungen in den
Details. Besser als die Brooksbrothers New York würden sie schwerlich werden, deshalb
der Einfachheit halber ließ ich diesen Schnitt dort nachnähen. Und das dann fertig zu
meiner höchsten Zufriedenheit zum beeindruckenden Preis von 20,- Euro.

Einen großzügigen Vormittag noch hatten wir für uns. Dann brachte uns das
vorreservierte Großtaxi zum Flughafen, wo ich mich sehr darauf freute, endlich Dich,
meinen geliebten Muffel, wieder einmal in die Arme nehmen zu können. Diesen Vormittag
entschieden wir uns für eine fröhliche 5-Stationen U-Bahn-Fahrt für immerhin 20 Cent,
die uns zur Siam-Station brachte. Dort, wo wir uns am Vortag die Nase gestoßen hatten
– aufgrund des thailändischen Feiertages – an diesem war das Haus von Jim Thomson
geschlossen. Es wird sicherlich noch da sein, wenn Du kommst, und es wird sicherlich
nichts an seiner Faszination und Schönheit eingebüßt haben, denn geldreiche Sponsoren
stehen hinter dem Erhalt der Häuser von Jim Thomson, die dir ein historisches Thailand
zeigen von ganz besonderer Schönheit. Versäume bitte tunlichst nicht, dies mit sehenden
Augen und von allen Ecken untersucht und studiert zu haben. Nicht häufig sieht man so
schöne balancierte ästhetische Architektur.

Der Amerikaner, Jim Thomson, erlebte Thailand erstmalig nach dem Zweiten Weltkrieg,
verliebte sich in das Land und seine Sitten., das Volk und das Land des Lächelns, so dass

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er sich bald entschied, in Berater-Funktion nach Thailand zurückzukehren. Auch dieses
Mal für eine amerikanische Spionage-Organisation. Nach Austritt aus den Diensten ließ er
sich in Bangkok nieder, und als qualifizierter Architekt begeisterte er sich so für die
altertümliche thailändische Architektur, dass er historische Häuser im ganzen Land
zusammen kaufte, demontieren und aus seinem völlig zentralem und doch wohlbehütet
gelegenen Grundstück in einer von ihm entworfenen Anordnung neu aufbauen und
zusammen bauen ließ. Hieraus entstand ein Ensemble an Gebäuden mit Proportionen,
Raumschnitten und sinnvollen Nutzungs-Arrangements, dass es Dir schwerlich möglich
sein wird, nicht beeindruckt zu sein von der Behaglichkeit und der Ästhetik der
Proportionen. Gelegen an einem der kleinen und dennoch brausigst befahrenen
Wasserarme Bangkoks und gleichzeitig zur Straße hin angeordnet, erlaubte die Gebäude-
Anordnung eine großzügige offene Terrasse mit Wohnbereich – alles aus schönem Holz in
gelungener Anordnung der Details, ohne Verwendung von Metall, ausschließlich mit
Holzdübeln verbunden. All dies in tropischer Vegetation mit wundervollen Palmen,
überschattet von einem großen …… (???), strömte die Anlage, heute das Museum der Jim
Thomson Stiftung, die in reger gut informierter Folge Führungen durchführt, von
zauberhaften Thailändern konsequent vorgetragen die Geschichte und die Motivationen
Jim Thomsons. Dieser Wieder-Entdecker der danieder gehenden thailändischen Seiden-
Silber-Kultur, interessierte sich für Kultur, die von Thailändern kreiierte besondere
Schönheit dieses Stoffes, ließ die Techniken weiterentwickeln und verfeinern und machte
thailändische Seide in den Salons des Nachkriegs-New Yorks, im glamourösen Paris und
in Berlin berühmt und hoch geachtet. Der daraus resultierende Wohlstand auch war es,
der ihn ein höchst angenehmes Leben in seinem wunderschönen Heim in Bangkok
ermöglichte.

Aufregend dann zu hören, dass dieser Mann bei einer Reise nach Malaysia nachmittags
bei einem Spaziergang im malaiischen Dschungel verschwand und nie wieder gesehen
wurde, ohne jeden Hinweis, was ihm widerfahren sein könnte. Spekulationen glauben ihn
als Opfer eines malaiischen Tigers oder einer Entführung und Ermordung durch
Kopfgeldjäger-Stämme – jedenfalls wurde nie wieder etwas von ihm gehört. Was bleibt
ist sein beeindruckend schönes Vermächtnis, dass ich Dir, mein Sohn, wärmstens ans
Herz legen möchte. Obwohl wir ja wenige Stunden später Euch beide abholen sollten,
schafften wir es in den verbleibenden 2,5 Tagen nicht noch einmal in dieses Haus,
obwohl wir es hätten tun sollen.

Da nun endlich ward ihr. Bang war meine Hoffnung, dass Dir, der Du ja fortgesetzt von
der Reisekrankheit geschüttelt wirst, der Flug nicht so unangenehm gewesen sein mag.
Jedenfalls ward ihr nach zehnstündigem Flug und einigen Turbulenzen sowohl in der Luft,
als auch nach verspätetem Abflug in Hamburg in Frankfurt nur durch herbei gefragte
Mithilfe des Flughafenpersonals noch rechtzeitig in eurem Bangkok-Bomber,
wohlbehalten und hungrig gelandet. So freuten wir uns nicht nur übereinander, sondern
auch darauf, gleich gemeinsam herrlich thailändisch Essen zu gehen. Ihr, leicht Jetlack
geschüttelt, aber freudig gut gelandet.

Bangkok, was für eine aufregende Stadt. Und selbst mit unserer begrenzten, Reiseführer-
gestützten Kenntnis wuchsen uns die Tage zu und wie üblich konnten wir nur die Hälfte
von alledem sehen, was aufregend und spannend wäre. Wie Du Deinen Vater kennst,
konnte er sich nicht verkneifen, die Herstellung von drei Maßhemden auf den Weg zu
bringen. Viele Tempel wollten besichtigt werden, immer wieder galt es, köstliche
Restaurants zu besuchen und zu genießen und immer wieder zwischendurch eine
aufregend rasante Fahrt in dem Chao Paoh. Und im nachhinein hätte ich mir gewünscht,
wir zwei hätten mehr Zeit gemeinsam in Bangkok – Ihr ward ja nur zwei Tage dort; wir
insgesamt sechs. Denn, ob es nun die Besichtigung des Seerocco-Restaurants im 64.
Stock des State-Towers mit den mehreren aufregenden Seitenwarft, alles unter freiem
Himmel, die wir uns gemeinsam hätten anschauen können, oder die Besichtigung des
Hauses von Jim Thomson ist, in jedem Fall hätte ich auch die Erlebnisse, die wir vorher
anregend genossen, gerne mit Dir und Lio geteilt. Besonders schön, doch das erlebten
wir in Wiederholung zusammen, die Schnellboot-Fahrt auf dem Chao Paoh für sage und

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schreibe 25 BAT fuhren wir schier 15 Stationen diesen herrlich chaotischen noblen Fluss
hinauf. Am Anfang das Mandarin Oriental und das Peninsula, aber auch andere
Nobelhotels reihen sich aneinander in dem Bedürfnis, schöner zu sein als das nächste.
Später verwirren den Betrachter abgewrackte Blechbuden auf Stelzen, gar nicht weit des
beeindruckenden Luxus. Und wie viel Freude macht es, in Thebet auszusteigen, der
Station der heiligen Fische. Höchst unbegreiflich füttern hier alle, die es können, für 20
BAT eine riesengroße Tüte voll Toastbrotrand erwerbend, die zu tausenden und
abertausenden, unterhalb des Bootstegs schwimmenden, heiligen Fische, die, kaum das
eine weitere Tüte mit Brotkrusten zu ihnen ins Wasser geworfen wird, ein Spektakel und
Geplantsche veranstalten, das der belustigte Betrachter nass gespritzt wird, ob der Gier
und des Appetits der glitschigen Fische.

Gleich hier entdeckten wir unsere Lieblingskneipe, in der es köstlich gekühltes Bier und
fröhliche thailändische Speisen zu genießen gab, derweil wir die Ankunft und Abfahrt der
Boote, aber auch die spritzenden Fische beobachten konnten und uns fühlen durften, als
gehörten wir dazu. Hier sind Touristen weit und breit nicht zu sehen, da dieser Bereich
schon angenehm außerhalb liegt, und doch so einfach und angenehm zu erreichen ist mit
einer Art Wasser-Ubahn in Schnellboot-Form.

Hierhin lockten wir auch Euch und gleich am ersten Tag musste ich zusehen, wie der
Jetlack Euch auf die Rückenlehne der Vorderlehne danieder streckte – beide habt Ihr
herrliche eine Viertelstunde Kraft getankt und geschlafen, bevor Ihr Euch dann, wie wir,
an den bunt wirrenden Fischen erfreutet.
An sich ist einer der Pläne der Reise, mich von Materialismus zu lösen, zumindest einen
sinnvoll größeren Abstand hierzu zu bekommen. Nicht, dass ich grundsätzlich etwas
ändern wollte, aber es ist schon doof, wenn Du Dich intensiv darüber ärgerst, dass Deine
Schwägerin mittels auslaufender Batterien einen nie wieder zu beseitigenden Fleck auf
Deiner kostbaren hundert Jahre alten Eichen-Schreibtischplatte macht. So etwas sollte
man locker zu ignorieren in der Lage sein. Wie ach so erstaunlich, dass wir nach
Weiterfahrt zum Palast über den Amulett-Markt zu schlendern kamen. Dieser im
Reiseführer als relativ teuer dargestellte Spezialmarkt für Amulette, die in Thailand von
einem Jeden und einer Jeden getragen werden, sind dort in intensiver Ballung und
millionenfachen Ausführungen zu kaufen. Manche echt, wenige alte, auch nicht gar zu
viele schön. Doch wie sehr freute ich mich, als ich dort Gelegenheit bekam, meinen schon
am ersten Abend, bezeichnender Weise im kleinen Supermarkt „Seven Up“, gefassten
Plan zu verwirklichen. Dort, oberhalb der Kasse sah ich eine kleine Skulptur, die mich wie
magisch anzog und ob der filigranen bildhauerischen Arbeit intensiv begeisterte.
Natürlich traute ich mich nicht zu fragen, denn es war mittels kleiner Opfergaben drum
herum deutlich zu erkennen, dass diese Skulptur, wie sie jeder Haushalt in Thailand hat,
eine besondere religiöse Bedeutung für diesen Laden haben musste. Am liebsten hätte
ich natürlich gefragt, ob ich sie wohl kaufen könnte. Immerhin rang ich mich am
nächsten Tag durch, zu fragen nach der Bedeutung und ob und wo man wohl solche
Skulpturen erwerben könnte. Tatsächlich erhielt ich die Empfehlung, auf dem Amulett-
Markt zu schauen.

Dort dann, unter hunderten von schlecht gemachten Imitaten, fand ich mit Flohmarkt-
trainiertem Selektions-Röntgenblick eine Skulptur, die es werden sollte, ja werden
musste. Da stand sie unter vielen hunderten anderen, vollgestaubter und
zugeschmutzter als andere, aber kraftvoll leuchtend und mit dem eindeutigen Signal
„Hier, Uwe, warte ich schon lange auf Dich!“. Diese Skulptur eines in Thailand seit
langem schon berühmten alten Mönches, dargestellt in der Meditationspose, in erhabener
Position, zu erwerben, kitzelte mich derartig, dass ich den milden Charme des Jägers
verspürte und doch mich noch eine halbe Stunde beherrschte. Denn zugleich auf diesen
Markt kommend sah ich diese Figur – noch hatte ich keine Vergleiche, noch wusste ich
nicht, würden bessere mir den Weg säumen. Doch sehr schnell stellte ich fest, dass es
mir gelingen sollte, die beste und für den Sammler und Betrachter mit Kennerschaft wohl
einzig wirklich gute Skulptur dort vor Ort zu erwerben. So wanderten wir also mehrere
Nachbarschaft ab. Ihr, wie üblich, bereits leicht genervt, besonders aber von der

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Vorstellung, zum Ausgangspunkt noch einmal zurückkehren zu müssen, denn dort
wartete immer noch, unverändert schmutzig und verstaubt, mein zauberhaft Kleinod.
An dieser Stelle war die Verabschiedung von unnötigem Materialismus noch nicht so weit
gediehen, aber so lange waren wir ja auch noch nicht in Asien, dem Ort, wo sich dies
sicherlich besonders gut würde üben lassen.

Seitdem als Bestandteil Deines Reisegepäcks, denn uns hier in Bangkok etwas zu
entlasten und Eure Koffer bis an den Rand der Belastbarkeit zu füllen, war von Anbeginn
der Plan. Und doch sollte ich mich jeden Tag, den wir gemeinsam auf Kon Gai
verbrachten und jeden Tag, den ich diesen wundervoll Ruhe ausströmenden Mönch
anstrahlen konnte, des Kaufes freuen, der zudem auch noch mit für thailändische
Verhältnisse beeindruckenden 16 Euro relativ hochpreisig war. Bezüglich der Freude, die
das Kunstwerk mir macht und noch machen wird, an effektvoller Stelle bald in Hamburg
präsentiert und dekoriert, eine Lächerlichkeit an Kaufeinsatz.

Trotz Eures sechs Stunden Jetlacks Euch glücklich strahlen zu sehen gehört natürlich und
allem voran zu den größten Freuden eines Reisevaters. Und dabei war es vergleichsweise
sehr leicht herzustellen: Wir mieteten einfach ein Tuktuk. Diese dreirädrigen
Brausemotorräder immer wieder besonders zügig und durchsetzungsstark im chaotischen
Verkehr Bangkoks sind die bestmögliche Form, eine Kohlenmonoxid-Überdosis in
kürzester Zeit aufzunehmen. Aber trotz allem macht das Fahren mit ihnen solch eine
Freude, dass wir trotz deren üblicher Betrugsversuche immer wieder uns aufs neue für
ein lustiges Tuktuk entschieden.

Nach dem Amulettmarkt stießen wir uns die Nase am Eingang des Königspalastes, da
dieser nur noch eine Stunde geöffnet hatte, Tickets jedoch keine mehr verkaufte.
Hierüber frustriert kamen wir ins Gespräch mit einem sympathischen Thailänder, der ein
T-Shirt mit der Aufschrift „Tourist Police“ trug. In dem offensichtlichen und ehrlichen
Bedürfnis, uns zu helfen und uns bestmöglichen Rat zu geben, erfragte er unsere
Wünsche, Ziele, und alle die Dinge, die wir schon kennen und wissen. Er lehrte uns
weitere anregende Worte Thailändisch und empfahl uns den Besuch des Lächelnden
Goldenen Buddhas. Manche Tempel, nicht nur Bangkoks, sondern überall in Thailand,
sind nur einmal im Monat öffentlich zu besichtigen, an dem jeweiligen Feiertag, der für
diesen Tempel zuständig ist. Ein glücklicher Zufall wollte, dass wir an diesem Tag den
Feiertag hatten, der einen Tempel unweit von Tibet öffnete, in dem die größte goldenen
Buddha-Figur beherbergt ist, die in Bangkok zu besichtigen ist. Das als krönende
Ergänzung dieser Buddha, was keineswegs selbstverständlich ist, in Meditationspose
auch noch lächelt, gilt als schöne Besonderheit, so dass wir gerne bereitwillig der
Empfehlung der Tourist-Polizisten folgten. Sogar noch weiter ging er, indem er einen
Tuktuk-Fahrer heran rief, ihn mit strengem Blick ermahnte, mit uns keine Spielchen zu
treiben und uns für 50 BAT zu diesem Tempel zu fahren und anschließend auch noch zu
einem besonderen Regierungs-Kaufhaus, wo wir an diesem Tag besonders rabattiert
würden hochklassigen Stoffe einkaufen können. Daran waren wir nicht sonderlich
interessiert, wohl aber am Besuch der goldenen lächelnden Buddha-Statue, die gesehen
zu haben sich auch tatsächlich zu einem der Highlights Bangkoks entpuppte. Mit
strahlenden Jungs brausten wir durch die bemerkenswert lang gezogenen, teilweise
großzügigen Alleen mit Kanälen à la Amsterdam links- und rechtsseitig der gerne
sechsspurigen Straßen in zunehmend einsamere Stadtgebiete, in denen wir dann, nach
sicherlich halbstündigen Fahrt zu einer zauberhaft still einsamen Tempelanlage kamen, in
der wir mehrere Buddha-Statuen besuchen durften. Hier besondere „Gag“ des Tempels:
Entgegen meinem Unglauben, Eure besondere Freude, saß zwischen den beiden
Eingangstüren ein lebensgroßer meditierender Mönch, dem naturgemäß zu nähern ich
mich nicht traute, aus Respekt vor seiner Religiosität und seiner Meditation. Schnell
frotzelten ihr, dass es sich doch unzweifelhaft um eine Wachsfigur handele. Die
Darstellung dieses Mönches, der allerdings tatsächlich nicht sichtbar atmete, geschweige
denn die Wimpern bewegte, stellte eine derartig geniale Kopie eines Menschen dar, dass
ich bis heute versucht bin zu glauben, dass er gleich aufsteht und geht. So tatsächlich

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kam es zumindest während unseres Aufenthaltes nicht, aber allein die Behaarung des
Kinns dieses Mönches war schon die ganz besondere Kunst der Nachbildung.
Krönung unter diesen Tempeln war der mit dem sicherlich locker 10 m hohen
meditierenden goldenen Buddha, der ergänzend erhaben auf Dich als Wurm hinab
schaute. Doch nein, nicht als Wurm, auch wenn man sich der Größe nach so fühlen mag,
dieses Gefühl vermittelt der Buddha einem nicht. Mehr göttlich königliche Milde, mit der
er uns betrachtete, aber zweifelsfrei wohl gesonnen.

Überhaupt ein schönes Gefühl sich im Umfeld des liberal, mild, friedlich, freundlichen
Buddhismus zu bewegen. Auch hier gibt es viele sinnvolle Verhaltensregeln, die du als
respektvoller Reisender gut beraten bist, zu beherzigen. Ob es das Ausziehen der Schuhe
vor der Tür eines Fremden ist, ob es die wundervoll anmutig warmherzige Begrüßung der
gefalteten Hände vor deiner Brust ist bei Begrüßung und Verabschiedung, oder der
gelingende oder erfolglose Versuch ist, das zauberhafte Lächeln der Thais annähernd
ähnlich zauberhaft zu beantworten. Zu keinem Zeitpunkt hättest du das Gefühl, es
könnte dir etwas Negatives geschehen, würdest diese Verhaltensregeln unbeachtet
lassen. Sehr viel reglementierter dagegen immer fühlte ich mich in islamischen Ländern,
wenn die Menschen dort auch ganz genau so fröhlich und freundlich uns anlächelten.
Erweitert könnte man sagen: Wer keinen Alkohol trinkt, weder Bier noch Wein zu
genießen religiös genehmigt bekommt, muss zwangsläufig etwas weniger angenehm und
fröhlich sein.

Wie erfreulich, erstmalig in unserer gemeinsamen Geschichte mit Euch, in eine Stätte
höchster Kultur zu gehen, ohne in Eure langen Gesichter zu schauen. Tatsächlich schient
ihr anregend genussvoll interessiert bei unserem Besuch in dem Royal Palace. Gut
getroffen, ich mache es nicht wieder, die Anmietung eines Führers, der, ohne dabei eine
erweiterte Ahnung zu haben, von Tempel zu Tempel rannte, in dusselig kaum
verständlichem Englisch ein paar Phrasen herunter drosch. Gut, gut, habe ich gelernt, in
Zukunft leihen wir uns einen kompetenten und besser strapazierbaren MP3-Player mit
Kopfhörern. Der wäre mit uns auch durch diesen so besonderen Ort nicht einfach
hindurch gebraust und hätte sicherlich auch kompetenter erzählt. Der Königpalast, eine
Ansammlung vieler Häuser in traditionell thailändischem Stil mit Bisaza-Mosaiken besetzt
– ja, tatsächlich, die Italiener mussten helfen, da die Thailänder diese Technik nicht
kannten. Das Herrscherhaus zwischen 17. und 18. Jahrhundert hatte diese üppige Anlage
anlegen lassen und jeder Folgeherrscher ergänzte seinen eigenen Tempel in die Anlage
mit den zu diesem Zeitpunkt eigenen Mosaiken oder Westimporten. So sind fast alle
Paläste gebaut, bzw. dekoriert mit Materialien aus fremden Ländern, die allerdings dort
beauftragt ein höchst individuell thailändisches Kunstwerk ergeben. Ein Palast über und
über mit chinesischen Porzellanblüten dekoriert lockt dann auch des Betrachters Auge
ähnlich Stark wie die Pagode über und über mit goldenen kleinen Bisaza-Kacheln besetzt,
die schon bei geringem Abstand zu einer Gesamtfläche verfließen, in besonderer
Schönheit strahlend und herzerhellend im warmen Sonnenschein. Kunstvolle über und
über detail-intensive Malereien zeigen ein altes indisches Märchen langer Wandelhallen
Gänge entlang, so dass man Tage über Tage verbringen könnte, sich der exotischen
Kunst zu erfreuen. Und all diese Zeit, kaum zu glaube, und doch wachsend erfreulich,
ward Ihr angeregt fröhlich und interessiert. Fast ist der Rückschluss erlaubt, dass man ab
jetzt mit Euch gut reisen gehen kann – jedenfalls an kulturelle Orte.

Immer muss es natürlich auch die Mischung sein aus Brot und Spiele, so dass wir
anschließend mal wieder in eine Shopping-Mall schlenderten, die farbenfrohe Buntheit
des thailändischen Konsumterrors zu bestaunen und auch ein Besuch beim Schneider
höchst spannend für mich, bei dem ich drei Hemden genau so, wie ich sie gerne haben
wollte, beauftragte und, höchst erstaunlich, zwei Tage später auch tatsächlich bekam.

Gut nachvollziehbar, dass Katharina gespannt war wie ein Flitzbogen. Schließlich kannte
sie ihn so gar nicht, ihren Cousin, den stellvertretenden Manager des Mandarin Oriental.
Dorthin waren wir nach Besuch des Maßschneide-Ateliers verabredet. Der sympathische
Chauffeur, der uns bei Lektüre des Stadtplanes freundlich unverbindlich ansprach, bot

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sehr bald seine kostenattraktiven Dienste, eine 25minütige Fahrt für 100 BAT (2,- Euro)
sind wahrlich nicht zu viel. Einzige Einschränkung, die er sich hierbei wünschte, war ein
Stop bei einem anderen Maß-Atelier. Grund, mich hier kurz abladen zu wollen und am
liebsten zu einem Einkauf zu überreden war, dass all die Taxis oder Chauffeure, die
dorthin Kunden brachten, vor der Tür diskret unauffällig, aber doch von Katharina gut
beobachtet, einen Bakschisch in Form eines Benzingutscheins bekamen, so dass sie, ob
der Kunde etwas kaufte oder nicht, im Vorfeld einen positiven Rabatt erhielten.

Naturgemäß war ich an dieser Stelle höchst genervt. Da unser Fahrer jedoch die
Freundlichkeit besaß, uns im Vorfelde über diese Praktik zu informieren, wenn auch in so
radebrechendem Englisch, dass er nahezu nicht verständlich war, machte ich das Spiel
also mit und besichtigte Brioni of Bangkok. Absolut gängig dort ist, Namen zu kopieren,
so offensichtlich auch, völlig ohne Genehmigung des Hauses Brioni, benutzte ein
allerdings wohl aufgestellter Schneider hier den Namen Brioni aus Bangkok. Über die
Qualität der Arbeit lässt sich nichts sagen, aber tatsächlich kam ich in Versuchung, denn
die verführerische Information, dass dort Maßschuhe in genau der Art, wie ich sie mir
vorstelle, auch wenn hier sicherlich gewisse Entwicklungsarbeit erforderlich gewesen
wäre, für 170,- Euro zu erwerben sind, kitzelten mich nicht unerheblich. Da Du im Auto
bereits schliefst, Lio mit den Füßen scharrte und Katharina und auch ich die Verabredung
im Mandarin Oriental hatten, fiel es mir leicht, den Verkäufer anzulächeln und nach
Visitenkarten-Übernahme meine Rückkehr anzukündigen – und schon durften wir weiter.
Weiter in das ehemals luxuriöseste Hotel der Welt. Viele Jahrzehnte galt das Mandarin
Oriental in Bangkok als das tollste unter den Luxus-Hotels. Dies nun in höchst dekorierter
Begleitung in allen Details zu besichtigen, stellte naturgemäß eine erhebliche Freude dar.
Dass Katharinas Cousin, Alexander von Reden, einer von diesen Hoteliers ist, mit dem
Stock im Hintern und der sympathisch belanglosen Befähigung, ausschließlich
Verbindlichkeiten daher zu sagen, störte hierbei wenig. Fast entwickelte sich nach dem
dreiviertelstündigen Gespräch der Verdacht, dass auch er, ein jedoch nicht
unsympathischer Karrierist, das Herz am rechten Fleck haben könnte. Ihn aus der
Reserve zu locken, gelang mir jedoch nicht. Eine Führung durch heiligen Hallen, den
Besuch im genialen französischen Gourtmet-Restaurant Normandie im zwölften Stock,
mit Blick über den höchst turbulenten und wild befahrenen Chao Paoh, war jedoch
unzweifelhaft ein atmosphärisches Highlight, bei dem auch deutlich erkennbar war, dass
auch Lio und Du es genossen. Dies wurde unter anderem deutlich durch Eure
Bemerkung, dass Ihr bereit wäret, dort auch einmal länger Ferien zu machen. Wobei Ihr
sichtlich unbeeindruckt ward von Zimmerraten und auch sonstigen Kosten – da Ihr diese
ja schließlich nicht verdienen müsst. Dass auf der zauberhaft dekorierten und von
herrlicher Vegetation umgebenen Fluss-Terrasse des Mandarin Oriental sich
ausgezeichnet ein Milkshake, bzw. ein Cocktail genießen lässt, zu dem uns Katharinas
Cousin einlud, überzeugte dann auch Euch abschließend davon, dass in solchen Hotels
Milkshakes etwas besser schmecken müssen.

Immer sind die Tipps von Einheimischen hochschätzenswert und oft von genialer
Qualität. So die Empfehlung von Steven, ein Geschäftspartner und Freund von Doris
Petersen, der uns sein Lieblings-Gartenrestaurant, erfreulicherweise in unserer
Nachbarstraße befindlich, empfahl. Nicht ganz so lustig, wenn dieses Restaurant dann
einen Ruhetag macht. Doch auch das benachbarte Restaurant, wenn auch deutlich
gehoben im Preis, sorgte für jede Menge Unterhaltung und Augenfreude. Hier spielte eine
nord-thailändische Band junger Leute auf ihren traditionellen Instrumenten und hierzu
tanzten drei besonders hübsche junge Thailänderinnen ihre traditionellen Tänze. Wie Du
weißt, ist Dein Vater nicht übertrieben scharf auf folkloristische Darstellungen, aber dies
und im besonderen die Freude gesehen zu haben, in der die umfangreiche Zahl an
Gitaristen, Trommlern, Trompetern offensichtlich begeistert ihrem Hobby frönten, machte
in ganz erheblicher Art auch mir Spaß. Dass ergänzend dazu auch das Essen köstlich
schmeckte und der freundliche Thai-Service uns charmant umsorgte, rundete das
Erlebnis positiv ab.

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Auch wenn die Hemden in der noch mal besuchten Schneiderei nicht fertig waren, so
lagen sie doch vor, als wir abends im Hotel eintrafen. Sie waren handwerklich exzellent
gearbeitet, stilistisch genau so, wie vorgegeben und qualitativ von mir erhofft, so dass
dieses nette kleine Abenteuer sehr erfolgreich abgeschlossen werden konnte und wir
bedauerlicherweise wieder zum mittlerweile routiniert beherrschten Kofferpacken
übergehen mussten, um uns am nächsten Morgen sehr früh und durchaus müde auf den
1,5stündigen Flug nach Kram in Südthailand machten, von wo aus uns ein Kombibus eine
Stunde lang durch thailändische Landschaften brausen sollte in den Hafen, von dem aus
unser Longtailboat uns nach Koh Ngai verschiffen sollte.

Wie Du ja weißt, liebt Dein Vater kurze Übergänge. Und so war ich dann auch erfreut,
dass am Anleger unser Longtailboat nach Koh Ngai bereit lag und nur noch darauf
wartete, dass zwei weitere Gäste, nämlich Frank und Maja, sich zu uns gesellten, damit
die Fahrt bemerkenswert zügig, mit diesem eleganten thailändischen
Wasserfortbewegungsmittel losgehen konnte. Nach nur 45 Minuten durch herrliche
hutförmige Sandstein-Inseln dieser auch in Phuket und Koh Samui von so vielen
Reisenden gerne bestaunten Landschaft, näherten wir uns dem Eiland, auf dem wir die
nächsten zehn Tage auf das erfreulichste würden ausspannen, Kräfte sammeln und in
natürlich, wie permanent, intensiver Form die Weiterreise planen können. Da es dann, ab
dem 02. Januar 2010 galt, Vietnam, Laos, Kambodscha und einen klitzekleinen Teil
Chinas in sinnvoller Form zu durchdenken und unter anderem Geburtstagsfeier-gerecht
zu organisieren.

Der Eingangsplan war, von Bangkok aus nach Hong Kong zu fliegen, wo wir Josefa, Brian
und Christian besuchen wollten, 3-4 Tage am liebsten, vor Weiterreise zu Yvonne Paniero
nach Zohai in China, um von dort aus weiter zu fliegen nach Ko Mingh, wo sich in Yunan
die Teeplantage meines Lieblingstees befindet, die Dank der Vermittlung von Pia
Schlotfeldt für uns besuchbar sein sollte. Anschließend sollte es weiter gehen über Laos,
den Mekong hinab nach Siamrib in Kambodscha, wo ich dann am 16. Januar 2010
meinen 50. Geburtstag würde feiern wollen. Da jedoch Josefa mit ihrer Familie zum
geplanten Zeitpunkt in Hamburg weilt, haben wir kurzerhand die Reiseorganisation
umgedreht und wollen nun in Hanoi, Vietnam, beginnen. Doch dazu später mehr.

Erst einmal nähern wir uns mit unendlich laut knatterndem Motor des souverän die
Wellen brechenden Longtailboats unserem kleinen Ferienparadies, dem Cocoresort. Und
wirklich, schon bei der Landung, es war beinahe Ebbe, hüpften wir aus dem Boot ins
knietiefe Wasser und Dein Vater, der gerne kultiviert europäisch nicht in einem
Stringtanga durch die Gegend reist, sondern auch bei dieser Gelegenheit eine lange Hose
trug, machte erst einmal eine komische Figur. Und dennoch hatte dieses etwas durch
und durch herrlich Ferienhaftes. Mit Freude bezogen wir unsere zwei Doppelhaushälften,
die mit einer verschließbaren Flügeltür verbunden werden konnten, so dass wir abends
liebevoll sicher stellen konnten, dass Euer Moskitonetz, ob wir es brauchen würden oder
nicht, Euch sicher und wohl geschlossen umgab. Auch war dies eine gute Möglichkeit,
Euer grenzenloses Chaos, bei dem ihr meisterlich für Unordnung zu sorgen in der Lage
seid, halbwegs überschaubar zu halten. War es Glück oder Katharinas Tüchtigkeit in der
Recherche, oder das sinnvolle Gespür auf der richtigen Website: Coco erwies sich als ein
höchst erfreulicher Glücksgriff, in wunderschöner Landschaft zu beeindruckend
moderaten Tarifen. Die Anlage, bestehend aus 22 lose eingestreuten Einzel-Bungalows in
gut gepflegtem Kokospalmenhain, mit noch einigen Doppelhäusern am Rand, deckte
sicherlich eine Fläche von 3-4 Hektar wohl gepflegter Landschaft ab. Parallel zum
herrlichen Sandstrand, der jedoch ein Schwindelpaket darstellte, war ein künstlicher
Teich in die Landschaft geformt, voller lustiger Fische, die immer wieder von gefräßigen
Kleinreihern Besuch kamen. Über die leicht ungelenk rustikale hölzerne Brücke hinüber
erreichten die Bungalows den Strand. Wenn sich die Gäste nicht entschieden, durch das
offen großzügig freundliche Restaurant zu gehen, wo Frühstück, Mittag und Abendbrot
eingenommen wurden. Hier, besonders beim Frühstück, hätte sich die Qualität
verbessern lassen, nicht jedoch bei all den delikaten thailändischen Speisen, über die wir
uns mittags, gern aber auch abends freuten.

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So kam es dann auch, dass wir uns gleich nach Ankunft erst einmal mit köstlichem Speis
und Trank verwöhnten, sicherlich auch besonders hilfreich, Euch, die Ihr noch ein kleines
bisschen Jetlack-gebeutelt müde aus der Wäsche schautet. 24 Stunden später stand
Weihnachten ins Haus, so dass es umfangreiche atmosphärische und Geschenke
verpackende Vorbereitungen zu treffen galt. Mir kam die Aufgabe zu, einen
Weihnachtsbaum-Ersatz zu kreieren. Was lag da näher als eine der zahlreichen, frisch
von den uns umgebenden Kokospalmen hinab gefallene Kokosnuss mit meinem
Leatherman liebevoll anzubohren, um in diese Löcher dann die original Oldendorfer Mini-
Tannenzweige zu stecken, so dass wir im Ergebnis einen herrlichen kleinen Kokosnuss-
Minitannenbaum hatten, in der Spitze dekoriert mit frisch vom Baum gepflückten
Frangipanis, unserer Reise-Lieblingsblume bereits seit Südafrika.

Natürlich und allem voran galt es den Strand mit seinen Reizen vorn am Riff für
Schnorchel-Fans intensiv zu untersuchen, und bei der Gelegenheit, mittlerweile hatten
wir hohe Flut, entdeckten wir dann auch die Mogelpackung des sich als goldener
Sandstrand präsentierenden Strandes. Unmittelbar unter der Oberfläche, und das bis
hinaus zum Riff in sicherlich 250 Entfernung war der Boden voller Korallen, großer Steine
und allem, woran man sich prachtvoll die Füße stoßen und wenn es blöd läuft auch
verletzen konnte, so dass wir es sehr bedauerten, nicht von Anfang an auf Badeschuhe
gesetzt zu haben. Doch hatte man erst dieses Geröllfeld voller Fußverletzungschancen
überwunden, so gelangte man zu einem vorgelagerten Riff mit einer dazugehörigen
Badeinsel, auf der sich herrlich schaukelig entspannen ließ oder in anregendem
Schnorchelgang das äußerst bunte Fisch- und Wasserwunderreiche Riff untersuchen.
Genug zu tun für entspannte Ferien bei einer Wassertemperatur, die Badewannengleich
sich irgendwo um die 30°C bewegen mag.

Auch wenn wir sicherlich eine beeindruckende Summe Geldes für die Internetnutzung
bezahlen durften, waren wir doch in jedem Falle froh, einen gar nicht mal langsamen
Internetzugang drahtlos vorzufinden, so dass damit auch den Weihnachts-Emails an die
Mamas, viele Freunde und Bekannte wie auch sonstige Post nichts im Wege standen.
Auch ist es ja, wie Du mitbekamst, in den ständigen Recherche-Notwendigkeiten
bezüglich der Weiterreisen hilfreich und notwendig, ein gutes Netz zur Verfügung zu
haben, da ohne aktuelle Informationen nichts wirklich gut geht. Wohl bieten zwar die
Reiseführer viele Anregungen und regionale Beschreibungen. Sie sagen jedoch nicht,
dass die Bahnstrecke zwischen Hanoi und Ko Ming einem Unwetter zum Opfer gefallen
ist, und aus dem Grunde in der ursprünglich angenommenen Form nicht mehr
funktioniert.

Der Rest der Erlebnisse auf Koh Ngai ist recht schnell erzählt. Besonders erfreulich war
für mich insgesamt drei prachtvolle Hängestuhl-Positionen gefunden zu haben zwischen
denen ich, abhängig vom Sonnenstand, variieren konnte. So war mein eigenes
Weihnachtsgeschenk an mich, das effektvoll und außerordentlich anregende Hängestuhl-
Schaukeln und damit den Fortschritt in diesem Deinem Reisebuch sicherzustellen. Zügig
dann rückte der Weihnachtsnachmittag heran und so cool Ihr Euch präsentiertet, so
neugierig war ich doch, ob die aus Singapur mitgebrachten Hightech-Lautsprecher für
Eure iPods die gewünschte Freude in Eure Gesichter würde zaubern können. Sehr erfreut
dann waren wir, dass die Geschenke wie auch die T-Shirts Euch ebenso erfreuten, wie
der entspannte Weihnachtstee mit wundervollen Keksen aus Oldendorf und allem voran
von Frau Bouras.

Seit vielen, vielen Wochen hatte ich es vorbereitet. Nicht klar war mir, wann der
geeignete Zeitpunkt sein würde. So legte ich erst einmal in der Grobplanung fest, dass
der 16. Januar und Ankovat ein geeignetes Umfeld darstellen könnte. Je länger Katharina
und ich jedoch begeistert, glücklich, fröhlich und in für Deinen Vater beeindruckender
Harmonie – schließlich bin ich ja häufig auch ein Grätzkerl – bereits seit acht Wochen
durch die Lande reisten, so entschied ich mich den ursprünglichen Plan vorzuziehen.
Weihnachtsnachmittag sollte der Zeitpunkt sein. Der Ring war, nach einer schon im

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August gefassten Idee, vom wunderbaren Goldschmied Milik lange bereits kunstvoll
gefertigt als Drehring eines Champagnerkorkens hochvergrößert in wunderschönes 750er
Gelbgold. In unserem Lasuite an der Außenalster saßen wir irgendwann im August und
Katharina beklagte sich bei mir darüber, dass sie nicht wisse, wie sie mich ihren
Freundinnen gegenüber darstellen sollte – Freund sei komisch, Kerl auch, Liebhaber oder
so erst recht; und ob ich denn wohl eine Idee hätte, was sie sagen sollte.
Während mir Katharina dies erzählte, spielte ich mit dem Korken der köstlich wohl
temperierten „Brauseflasche“, die wir gerade genossen. Und so war die Idee geboren.
dass diese meine holde Katharina die richtige sein würde, spürte ich schon länger. Also
galt es, liebevoll Entscheidungen vorzubereiten. Man mag es bedingt geschmackvoll
finden, aber in Anbetracht der Tatsache, dass wir ja 24 Stunden zusammen waren und
eigentlich nonstop Hand in Hand daher schlenderten, ließ sich nahezu keine andere
Möglichkeit finden, als bei Katharinas Eltern, auch um der Form zu genügen, per SMS
anzufragen, ob sie denn zustimmen würden, wenn ich ihrer Tochter am Nachmittag des
Heilig Abend einen Heiratsantrag stellen wollte. Sechs Stunden später, aber der
Zeitverschiebung nach Bangkok geschuldet, rechtzeitig vom deutschen Frühstückstisch
kam die warmherzig positive Unterstützung meines Ansinnens, so dass bereits Tage
vorher freie Bahn gegeben war.

Ebenso wichtig war mir natürlich, Dich nicht mit dieser Information zu überraschen,
geschweige denn zu überfallen. So dass ich also am frühen Nachmittag Dich, in einer
anderen Welt versunken auf Deinem Bett störend, fragte, ob es wohl möglich sei, dass
Du Dein Buch mal einen Moment zur Seite legst, ich würde gerne etwas mit Dir
entsprechend. Woraufhin ich ein freundlich muffeliges „Wenn’s unbedingt sein muss, na
dann aber nur ganz kurz, das Buch sei gerade ganz spannend“ zurück erhielt. Zehn
Minuten später dann kamst Du doch in unseren Pavillon und ich druckste ein bisschen
herum und fragte Dich „Sag mal, ist es denn wohl okay, ich würde gerne heute
Nachmittag Katharina einen Heiratsantrag machen?“ Liebreizend freundlich und
gleichzeitig sehr kurz angebunden sagtest Du mir: „Das darfst Du Daddy. Und jetzt
würde ich gerne weiter lesen.“ So unterschiedlich können die Prioritäten sein, meine
geliebte Knalltüte. Immerhin freue ich mich und das fortgesetzt und täglich, in welch
liebreizender Form Lio und Du Katharina neckt, achtet, gern habt und ebenso sehr sie
Euch.

Nachmittags um halb Drei dann sah ich Katharina etwas entfernt am Strand, mir
zuwinkend, ich möge doch einmal zu ihr kommen. So geschehen erfreute sie mich mit
einem zauberhaften Herzen aus vielen, mit Liebe gesammelten Muscheln und einer
Hauptmuschel, in der immer wieder zu meiner Freude ein leckeres Haribo-Weingummi-
Herz lag, mit denen sie mich schon die ganze Reise über immer wieder gelegentlich
erfreut und aufbaut. Da staunte sie nicht schlecht, als ich in die Tasche griff und ihr einen
roten Wempe-Samteutel übergab, in dem sich der Ring, den ich erst am Vormittag in den
halbierten Sektkorken liebevoll eingegniddelt hatte. „Hier, pack dies doch einmal aus!“
strahlte ich sie an. Und wenn dies auch nicht ganz einfach war, so gelang es ihr doch,
und die Augen wurden immer größer und sie juchzte und freute sich über alle Maßen und
welch Wunder, beantwortete meine Frage, ob sie denn wohl meine Frau werden wollte
mit JA!

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