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WORT UND WISSEN

„Gott als Designer?“


Buchvorstellung und Kommentare von Reinhard Junker

Jürgen Audretsch & Klaus Nagorni (Hg.) „Gott als


Designer?“ Theologie und Naturwissenschaft im
Gespräch. Herrenalber Forum Band 58. Evangelische
Akademie Baden, Bad Herrenalb, 2009. 146 S., 11,–
Euro.

Unter dem Thema „Gott als Designer? Theologie


und Naturwissenschaft im Gespräch“ fand vom 6.-8.
Juni 2008 an der Evangelischen Akademie Baden in
Bad Herrenalb (Nordschwarzwald) eine Tagung über
Schöpfung und Evolution statt. Die Beiträge der
sechs Referenten sind nun in einem relativ preisgün-
stigen gleichnamigen Sammelband in der Reihe
„Herrenalber Forum“ veröffentlicht worden. Das
Thema „Gott als Designer?“ wird aus biologischer,
wissenschaftstheoretischer, theologischer und
religionspädagogischer Sicht beleuchtet. Besonders
bemerkenswert ist, dass in diesem Buch auch eine
evolutionskritische Position ausführlich zur Sprache
kommt, und zwar sowohl in theologischer als auch in
naturwissenschaftlicher Hinsicht. Die sechs Beiträ-
ge, die abschließend noch mit der Predigt von
Tagungsleiter Klaus Nagorni über Jona ergänzt
wurden, sollen kurz vorgestellt und kommentiert
werden.

Der Biologe Thomas Junker präsentiert in seinem


Beitrag „Die Darwinsche Revolution und die moder-
ne Biologie“ zunächst die Evolution der Lebewesen
als Tatsache „so wie es eine Tatsache ist, dass sich
die Erde um die Sonne dreht“ (10), auch die Theorie
der natürlichen Auslese sei in ihrer modernisierten Reinhard Junker, Mitarbeiter von Wort und Wissen,
Form konkurrenzlos. Darwin habe mit dieser Theo- erläutert unter der Überschrift „Evolution und Schöp-
rie eine Antwort auf das alte Rätsel der Zweckmäßig- fung“ die grundlegenden theologischen Motive für
keit der Organismen gegeben (12). Damit habe sich ein kritisches Hinterfragen der Evolutionslehre und
der Naturalismus in der Biologie durchgesetzt. Tho- fasst in kurzen Überblicken naturwissenschaftliche
mas Junker hält nicht nur den biblischen Schöpfungs- Aspekte der Evolutionskritik und biblisch orientier-
glauben, sondern auch eine theistische (von Gott ter Alternativen zusammen. Theologisch ist Evolu-
gelenkte) Evolution für unvereinbar mit dem Wissen tion fragwürdig, weil die Bibel Gottes Schöpfungs-
der Biologie (14-16). Er setzt damit auf Konfrontati- handeln als machtvolles Wirken durch Gottes Wort
on einer fälschlicherweise als Naturwissenschaft beschreibt, das regelhafte Vorgänge sprengt. Das ist
charakterisierten Evolutionsanschauung mit theolo- besonders auch am Wirken Jesu zu erkennen. Jesus
gischen Aussagen über Gott als Schöpfer. selber hat zudem die Schöpfungstexte der Genesis
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als historisch wahr genommen. Der Fall des ersten auf einen Schöpfer gebe es nicht. Es sei nur umge-
Menschen und das Kommen und Leiden Jesu stehen kehrt möglich, dass man von einem Schöpfer aus-
in einem inneren Zusammenhang, der in einer evo- geht und dadurch die Vorgänge einen Sinn bekom-
lutionären Ursprungssicht gesprengt wird. Im natur- men (finale Deutung). In der Kosmologie habe sich
wissenschaftlichen Teil des Beitrags von Reinhard aber gezeigt, dass Begründungslücken durch neue,
Junker geht es um die sogenannten Evolutions- umfassendere Theorien immer wieder geschlossen
beweise, um Evolutionsmechanismen, die Grund- werden konnten; allerdings hätten sich dadurch auch
typenbiologie, die biblisch-urgeschichtliche Geolo- wieder neue Lücken aufgetan und es habe eine
gie und um „Intelligent Design“. Dieser Beitrag Problemverschiebung gegeben. Der Physiker könne
bietet eine kompakte Zusammenfassung theologi- aus den Daten keinen Schluss auf das Geschehen in
scher und naturwissenschaftlicher Aspekte der Kon- der Vergangenheit ziehen. Kausalität erlaube nur
troverse um Evolution und Schöpfung. Vorausschau, aber keine Rückschau. Daher sei Kos-
mologie nicht Teil der Physik, sondern verwende
Im dritten Beitrag befasst sich der Weltanschauungs- nur die Physik (74). Geschichte könne nur theorie-
beauftragte Hansjörg Hemminger kritisch mit „Intel- abhängig konstruiert werden. Audretsch zieht unter
ligent Design“ (ID) und Kreationismus, allerdings anderem den Schluss, dass finale Deutung (ziel-
weniger inhaltlich, sondern vor allem anhand einiger orientierte Handlung) keine Lücken in der Abfolge
historischer Linien. Er stellt heraus, dass der Ansatz kausaler Erklärungen liefern könnten. Er erläutert
des „Intelligent Design“ bestenfalls eine „Unvoll- dies anschaulich am Beispiel eines Topfes auf dem
ständigkeit der bisherigen Naturwissenschaft“ be- Herd, in dem Wasser kocht. Doch gerade dieses
weisen könnte. Religiöse Inhalte würden dadurch Beispiel zeigt, dass die Frage „Warum kocht das
nicht plausibler. Hemminger ist allerdings der Auf- Wasser in diesem Topf?“ nur dann vollständig beant-
fassung, dass der ID-Ansatz nicht einmal Grenzen wortet werden kann, wenn man einen Akteur an-
der Naturwissenschaft aufzeigen könne. Die Entste- nimmt, der den Topf auf den Herd gestellt hat. Das
hung des Erbguts eines Bakteriums vergleicht er mit Beispiel des kochenden Wassers scheint also gerade
der allmählichen Entstehung eines Abflusskanals gegen Schluss von Audretsch zu sprechen.
durch einen heftigen Regenguss. Wenn man sich die
Sache freilich so einfach macht, hat mal leichtes Der Alttestamentler Manfred Oeming wirft die Frage
Spiel. Er suggeriert Lösungen des Konflikts zwi- auf: „‚Am Anfang schuf Gott …’ – was bedeutet das?“
schen Evolution und Schöpfung (den er zu Unrecht Er legt zunächst einige Schöpfungstexte aus, ange-
als Konflikt mit der Naturwissenschaft darstellt), fangen von Gen 1 bis zum Buch der Offenbarung.
ohne solche Lösungen konkret zu entfalten und zu Während einige seiner Auslegungen dem Text streng
erläutern. So lehnt er den ID-Ansatz ab, schreibt folgen, erscheinen andere spekulativ, wenn etwa
aber, „Mutationen können ebenso Gottes Willen Gott in Genesis 2 als Experimentator gesehen wird,
dienen wie alle übrigen natürlichen Abläufe“ (62). dem auch einmal etwas missglücke, so beim Ver-
Was aber durch Gottes Willen bewirkt wird, das such, unter den Tieren einen Partner für den Men-
nicht auch ohne diesen Willen geschieht, sagt er schen zu finden. Das steht so nicht im Text, und ob
nicht. „Die Probleme, die naturwissenschaftliche die Menschen, selbst wenn man historisch-kritisch
Evolutionstheorien dem christlichen Glauben bie- und evolutionär denkt, so naiv waren, auf eine
ten, lassen sich geistig bewältigen“ (63) – aber wie derartig abstruse Idee zu kommen, ist doch sehr
das geht, beschreibt Hemminger nicht. fraglich. Weiter muss man kritisch fragen: Wenn die
Schöpfungstexte nicht das tatsächlich konkrete Han-
Der Physiker Jürgen Audretsch thematisiert Reich- deln Gottes beschreiben, sondern Ergebnisse theo-
weite und Grenzen naturwissenschaftlicher Aussa- logischen Nachdenkens sind, wie kann dann den
gen. Der „Nachweis von Begründungslücken bei exegetisch begründeten Aussagen ein Realitätsgehalt
naturwissenschaftlichen Phänomenen“ sei etwas zukommen? Was kann z. B. die Rede vom ursprüng-
Verdienstvolles. So gesehen habe der ID-Ansatz lichen Tierfrieden überhaupt bedeuten, wenn es
seine Berechtigung, aber einen zwingenden Schluss diesen in Wirklichkeit nie gab? Oder: Was soll es
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bedeuten, dass der Mensch – zum Bilde Gottes Aspekte des Themenfelds „Glaube und Naturwis-
geschaffen – Gottes „Standbild“ (Stellvertreter) auf senschaft“. Sie betonte die Wichtigkeit einer
der Erde ist, wenn der Mensch in Wirklichkeit evolu- Verhältnisbestimmung von Theologie und Natur-
tionär bedingt ein höchst unvollkommenes Wesen wissenschaft in der Pädagogik, wobei altersgemäß
ist, das einer solchen Aufgabe niemals gewachsen unterschiedlich vorgegangen werden müsse. Gelin-
sein kann? Wenn diese Texte also gar keinen (oder ge hier nicht frühzeitig eine Synthese, drohe später
nur einen unbedeutenden) historischen Realitäts- ein Abbrechen der religiösen Weltsicht oder eine
gehalt haben, verlieren sie auch ihren tieferen und Ablehnung der Naturwissenschaft. Die SG Wort und
existentiellen Sinn. Hier liegt das Hauptproblem Wissen teilt dieses Grundanliegen und möchte eben-
neuzeitlicher Hermeneutik: Was das Alte und Neue falls gerade diesen Abbruch sowohl zu Glaubens-
Testament als wirkliches Handeln und Reden Gottes inhalten als auch zur Naturwissenschaft verhindern,
bezeugt (beginnend mit der Schöpfung), und was in doch die Vorstellungen zur konkreten Umsetzung
der Kirche so geglaubt wurde, sieht man heute dieses Anliegens gehen freilich in eine deutlich ande-
lediglich als subjektive Vorstellung früherer Theolo- re Richtung. Die historisch-kritische Ausdünnung
gen bzw. religiöser Gruppen. Oeming schließt mit der historischen und naturkundlichen Bezüge der
10 Gedanken, die eine gute Grundlage für eine Glaubensinhalte und des biblischen Zeugnisses (vgl.
kritische Diskussion bieten können. Oemings Beitrag) halten wir für eine schlechte Basis
einer In-Bezug-Setzung von Glaube und Naturwis-
Religionspädagogische Aspekte bringt die Religions- senschaft. Dass viele Jugendliche sich vom christli-
pädagogin Astrid Dinter in ihrem Beitrag „Evoluti- chen Glauben abwenden, könnte auch einer gefühl-
onstheorie gegen Schöpfungstheologie? Eine Aus- ten Belanglosigkeit geschuldet sein, wenn die Bezü-
einandersetzung mit dem Buch ‚Gotteswahn’ von ge zur realen Welt weitgehend gekappt worden sind.
Richard Dawkins“ ein. In Dawkins’ Buch diagnosti-
ziert sie ein monistisches, einliniges naturwissen- Das Buch bietet die Möglichkeit, eine gewisse
schaftliches Denken, das alles erklären wolle. Wie Meinungsvielfalt und Argumente authentisch von
einige andere Autoren dieses Bandes macht auch sie Befürwortern unterschiedlicher Sichtweisen zum
einige kritische Bemerkungen zu ID und diagnosti- Spannungsfeld Evolution und Schöpfung kennenzu-
ziert wie bei Dawkins eine monistische Weltsicht. lernen – und das zu einem vergleichsweise günsti-
Ich halte das für ein Missverständnis, zu dem man- gen Preis. Daher sei es bei aller inhaltlichen Kritik
che ID-Anhänger allerdings wohl etwas beitragen. empfohlen. Wer sich genauer mit diesem Thema
Leider gibt es in keinem der Beiträge eine zusam- befassen möchte, sollte die wichtigsten Positionen
menhängende Erklärung des ID-Ansatzes. Im zwei- und Begründungen von Vertretern verschiedener
ten Teil thematisiert Dinter religionspädagogische Positionen kennen.

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