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:antifaschistische Nr.

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nachrichten g 3336 5.12.2002 18. jahrg./issn 0945-3946 1,30 ¤

„Da steh’ ich nun ich


armer Thor ...
und bin so dumm als wie zuvor.“
Dresden. Es sieht ganz danach aus,
dass die Neonazi-Spelunke „Thor“ in
Dresden (siehe auch AN 25-2002) ein
erfreulich schnelles Ende gefunden
hat. Der Vermieter des Neonaziklubs
übersandte seinen Mietern am 10.12.
eine Kündigung zum 31.12.2002. Laut
der Sächsischen Zeitung vom 11.12.02
hat Herr Hähne wohl genug Stress mit
dem Neonazi-Treff gehabt in letzter

www.arbeiterfotografie.com
Zeit. So hat er sich nun, doch sehr
spontan, entschlossen, den Neonazis
im Klub „Thor“ zu kündigen.
Diese erfreuliche Tatsache ist nicht
zuletzt dem Engagement vieler antifa-

Info:
schistischer Gruppen, linker Organisa-
tionen, Einzelpersonen und anderer
gesellschaftlicher Kräfte zu verdan-
ken. Die Kampagne „Thor muss weg“
wird aber fortgesetzt bis zu dem Tag,
an dem die Neonazis endgültig das Mit einer mutigen Aktion wurde am 10.12. das Anlegen eines Schiffes verhin-
„Thor“ verlassen. dert, auf dem in Zukunft neu ankommende Flüchtlinge in Köln untergebracht
Die geplante Kundgebung am Mitt- werden sollen. Bericht Seite 11 Foto: arbeiterfotografie
woch, dem 18. Dezember 2002 findet
nach wie vor statt, wird jedoch in die
Dresdner Neustadt verlegt. Stattfinden Vor der Ausarbeitung neuer „Verteidigungspolitischer Richtlinien“
wird sie um 15 Uhr im Alaunpark am
Bischofsweg. Auch die inhaltliche
Ausrichtung der Kundgebung wird auf
Nazi-Veteranen
die neue Situation eingehen.
Mit Schließung des „Klub Thor“
und Reservisten
sind die Probleme mit Neonazis nicht
vom Tisch. Zwar haben organisierte wollen ein Wort mitreden
Neonazis dann einen ihrer wichtigsten von Ulrich Sander
Treffpunkte verloren, der nächste grö-
ßere Neonaziaufmarsch in Dresden Bundeswehrminister Peter So berichtet in diesen Tagen das Blatt
steht aber bereits am 13. Februar 2003 Struck hat fürs Frühjahr neue „Die Gebirgstruppe“ Nr. 5/02 über eine
bevor. Im letzten Jahr beteiligten sich Verteidigungspolitische Richtli- „richtungsweisende“ sicherheitspoliti-
an diesem Aufmarsch ca. 1.000 Neo- nien angekündigt. Sie sollen den sche Tagung des Deutschen Reservisten-
nazis. „neuen Entwicklungen der Sicher- verbandes und des „Kameradenkreises“
Tina Sommer - heitslage und den neuen Herausfor- der Gebirgstruppe – und damit sind die
Kampagne „Thor muss weg“ derungen an die Bundeswehr ange- Veteranen aus der Wehrmacht und die
http://www.thormussweg.de passt seien“, erfuhren wir Ende No- Reservisten wie Aktiven aus der
mail to info@thormussweg.de ■ vember. Wenn die neuen Verteidi- Bundeswehr gemeint. Sie forderten un-
gungspolitischen Richtlinien so ähn- missverständlich: „Mehr Geld für die In-
lich auf den Weg gebracht werden, nere und Äußere Sicherheit“.
wie jene unter Minister Volker Rühe So ähnlich klingt es auch, wenn sich
Aus dem Inhalt: im Herbst 1992, dann dürften die höchste Industriellenkreise treffen. Der
Waffeninspektionen laufen - höchsten Militärs und ihre Zirkel, wie Bundesverband der Deutschen Industrie
Bush unbeeindruckt . . . . . . . . . . 6 etwa die Clausewitz-Gesellschaft un- (BDI) machte vor der Wahl Druck und
Rechtsextrem-regionalistische ter Generalinspekteur a.D. Klaus forderte „eine Erhöhung der Rüstungs-
Bewegung im Elsass . . . . . . . . . . 8 Naumann, wieder ein maßgebliches ausgaben um drei Mrd. Euro pro Jahr
Wort mitreden. zur Modernisierung der Bundeswehr“.
Das nächste Heft wird wegen Der BDI-Präsident Michael Rogowski
der Feiertage erst am 3.1.2003 Reaktionärste Vertreter der Militärkaste mischte sich persönlich ein: „Es muss
verschickt werden. stimmen sich derzeit ab, um ihre Forde- deutlich mehr investiert werden“.
rungen zu formulieren und anzumelden. Fortsetzung Seite 3
: meldungen, aktionen
Die Rechte
Baring, Weißmann und Co.
Berlin. Auf ein volles Haus hofft das
und schreibt auch für
das revanchistische
in Europa
rechte „Institut für Staatspolitik“ um die Wochenblatt „Der
„Junge Freiheit“-Autoren Götz Kubit- Schlesier“. Artikel
schek und Karlheinz Weißmann am 14. aus der Zeitung „Der
Dezember in Berlin. Unter dem Motto Schlesier“, in der
„Der Bürger - Herrschaft und Gestalt“ man auch Anzeigen
findet das 5. „Berliner Kolleg“ von 10 der NPD, der sog.
bis 17 Uhr im AVZ, Emser Str. 11/12 in „Republikaner“ und
Berlin-Wilmersdorf statt. Höhepunkt der anderer Rechtspar-
Veranstaltung wird eine Diskussion zwi- teien findet, sind in
schen Karlheinz Weißmann und Arnulf großer Zahl auch im Die Journalisten Bernhard
Baring zum Thema „Bürgerlich – was Weihnachtsrundbrief
sonst ?“ sein. Der Publizist Baring hatte der VGG von 1997 Schmid und Gerhard Feldbauer
unlängst Aufsehen erregt, als er in einem abgedruckt. berichten aus Frankreich,
Beitrag für die großbürgerliche „FAZ“ Dazu gehören ne- Italien, sowie über die
einem Bürgeraufstand gegen das „er- ben Beiträgen von
starrte Parteiensystem“ das Wort geredet Paul Latussek, ehe- Situation in Europa insgesamt
hatte. Zum Thema referieren ferner mals Vizepräsident
Eberhard Straub („Götterdämmerung des des BDV und zeit-
Bürgertums“) und Manfred Lauermann weise auch kommis-
(„Doppelten Abschied vom Bürger- sarischer Bundesvor-
tum“). Das „Institut für Staatspolitik“ hat sitzender des „Bund
sich, „mit ausdrücklich positivem Bezug Freier Bürger“
zur eigenen Nation“, der Förderung des (BFB), auch Texte
akademischen Nachwuchses verschrie- des ehemaligen Waf-
ben..... JF 49/02 - hma ■ fen-SSlers Hans 18. Januar 2003, 14.00 Uhr
Werner Woltersdorf, Köln, Bürgerzentrum Alte Feuerwache, Melchiorstr. 3
BDV und VGG des Autors der Kleines Forum
geschichtsrevisionis- Veranstalter: Herausgabekreis der Antifaschistischen Nachrichten
Münster. Eine ominöse „Vereinigung tischen Zeitschrift Infos: Tel. 0221-21 16 58

der durch den Grenzvertrag (Gebietsab- „Deutschland in Ge-


tretungsvertrag) vom 14. Nov. 1990 Ge- schichte und Gegen-
schädigten“ (VGG) führt am 28. Dezem- wart“ aus dem Grabert-Verlag, Dr. Gert des BDV Münster in die öffentliche Kri-
ber ihre Mitgliederversammlung in Mün- Meier, der ehemaligen Bundesfunktionä- tik geraten. hma ■
ster durch. Mitunterzeichnerin „für den rin der sog. „Repbulikaner“, Johanna
Vorstand“ in der Einladung der VGG ist Grund und von Dieter Ludewig. Letzte- Erinnerungslücken
auch Roswitha Möller aus Münster. Möl- rer bedauert dort u.a., das die „Multikul-
ler ist Kreisvorsitzende des „Bund der ti-Ausländerpolitik der Bonner Volkstäu- Österreich/Wien. Otto von Habsburg
Vertriebenen“ (BDV) und stellvertreten- scher zur biologischen Vermischung des (CSU) von der „Paneuropa-Union“ hat
de Landesvorsitzende des BDV in NRW. deutschen Volkes (Germany must pe- im Österreichischen Rundfunk Teile sei-
Mitgründer und 1.Vorsitzender der VGG rish)“ jährlich „nahezu 300 Mrd. DM“ ner Aussagen in einem Interview mit
war der 1994 verstorbene frühere Senats- koste („Der Schlesier“ 6.6.1997). dem österreichischen „Junge Freiheit“-
präsident am Oberverwaltungsgericht Bei der VGG referiert haben auch Ableger, der „Zur Zeit“, dementiert.
Münster, Erwin Schütz. Schütz war Trä- schon der frühere Europaparlamentsab- „Das habe ich überhaupt nie gesagt“, so
ger des Ritterkreuzes und gehörte nicht geordnete der sog. „Republikaner“, Prof. der 90jährige Sohn des letzten österrei-
nur der „Ordensgemeinschaft der Ritter- Emil Schlee, der schon bei der neofa- chischen Kaisers.
kreuzträger“ (OdR), sondern auch der schistischen „Gesellschaft für freie Pu- Gemeint waren Habsburgs Äußerun-
„Deutschen Volksunion“ (DVU) des blizistik“ aufgetreten war und Richard gen im Zusammenhang mit der Nahost-
„National-Zeitungs“-Herausgebers Ger- Sperber aus Garbsen. Sperber gehörte und Irak-Krise, nach denen das US-Ver-
hard Frey an, den der Jurist auch beriet. einst dem FDP-Landesvorstand an und teidigungsministerium „mit Juden be-
Ebenfalls Mitgründer der VGG und war Anfang der 90er Jahre Landesvorsit- setzt“ sei, die nur das Interesse Israels im
Nachfolger von Schütz im Amt des zender der neofaschistischen „Deutschen Auge hätten. RP 23.11.02 - hma ■
VGG-Vorsitzenden war Helmut Metzner. Liga für Volk und Heimat“. 1998 war er
Auf der 4. Mitgliederversammlung der Leiter einer deutschen Delegation, die an Grundbesitzer enteignen
VGG im Oktober 1997 konnte Metzner der „Captive Nations Week“ der deut-
auch den Vorsitzenden des „Grundei- schen „Vertriebenen“ in New York teil- Namibia. Ausländische Grundbesitzer
gentümerverbandes der Vertriebenen“, nahm, einer Veranstaltung, der auch die sich unwillig zeigen, bei der geplan-
Otto Callies aus Hamburg, begrüßen. schon die BDV-Landesfunktionärin Ros- ten Landreform mit der namibischen Re-
Callies wurde 1994 zum stellvertre- witha Möller beiwohnte. Möller, die gierung zu kooperieren, sollen nach dem
tenden Landesvorsitzenden der sog. „Re- 1996 den Vorsitzenden der revanchisti- Willen des namibischen Präsidenten Sam
publikaner“ in Hamburg gewählt. Callies schen Kleinpartei „Bund für Gesamt- Nujoma enteignet werden. „Jede Ecke
traf 1999 den CDU-Europaparlaments- deutschland“, Horst Zaborowski, auf der der Republik Namibias ist das Eigentum
abgeordneten Dr. Georg Jadzembowski Jahreshauptversammlung des BDV in des namibischen Volkes. Es wurde von
zu einem Gespräch, nahm im folgenden Münster als Gast begrüßte, war zuletzt deutschen Kolonialisten von 1884 bis
Jahr an einem Infostand auf dem Treffen mit der Einladung von Klaus-Rainer 1915 überfallen, sie haben unser Land
der „Landsmannschaft Ostpreußen“ teil Röhl anlässlich des „Tages der Heimat“ unter sich aufgeteilt, sie haben niemals

2 : antifaschistische nachrichten 26-2002


Zwei Mrd. Euro sollten durch Um- landseinsätze der Truppe und auch Ein- formulierten Verteidigungspolitischen
schichtungen im Verteidigungshaushalt sätze im Innern. Und das kostet. Richtlinien von 1992 – Rohstoffquellen
des Bundes zusammenkommen. Eine „Die Bundeswehr und die Herausfor- und Handelswege sollte die Bundeswehr
Milliarde Euro müsse „zusätzlich oben derungen beim Kampf gegen den inter- militärisch freikämpfen – noch offen
drauf gepackt werden“, verlangt Ro- nationalen Terrorismus“ war das Thema blieb: Warum man denn die Bundeswehr
gowski. Er forderte bei Auftragsvergaben der prominent besetzten Podiumsdiskus- nicht zu Hause einsetze. Schließlich sei
vorrangig deutsche Unternehmen zu be- sion im Rahmen der Tagung, deren Re- es doch die zentrale Aufgabe der KFOR
rücksichtigen. Die deutsche wehrtechni- sultate in der „Gebirgstruppe“ breit ge- und anderer internationaler Eingreiftrup-
sche Industrie sei „unverzichtbarer Be- streut werden. Neben dem bayerischen pen gewesen, für „innere Sicherheit“ zu
standteil der europäischen Industrie und Innenminister Günter Beckstein und sorgen. „ Die Berufung auf die Ge-
Rüstungsbasis.“ Ohne eine starke Rüs- Kurt Rossmanith, Obmann für Sicher- schichte ist nicht mehr zeitgemäß“, sagte
tungsindustrie werde es „Deutschland heits- und Verteidigungspolitik der Günther Beckstein, CSU-Innenminister,
schwer haben, seine Stimme zu erhe- CDU/CSU-Bundestagsfraktion, fand dem General zustimmend, zum Einsatz
ben“, wenn es um internationale Ent- sich auch General a.D. Dr. Klaus Rein- der Bundeswehr im Inneren und attes-
scheidungen gehe“, monierte der BDI- hardt ein. Es gelte, sich von den „Zwän- tierte denjenigen „ideologische Scheu-
Präsident. gen der Sparpolitik“ zu befreien, wurde klappen“, die nicht über das Thema re-
Und sein Wille ist der Regie- den wollten. „Es wäre un-
rung Gesetz. Ungeachtet Haus- erträglich, wenn wir unter
haltsdefizit und Sparpaket: Beim den zivilisierten Ländern
Kriegsgerät wird nicht gespart. beim Kampf gegen den
Allen verwirrenden Medienüber- Terror abseits stehen wür-
schriften wie „Die Bundeswehr den.“ Wenn ein entführtes
muss drastisch sparen“ (Westfäli- Flugzeug im Anflug auf
sche Rundschau, 2.12.02) zum das Münchner Oktoberfest
Trotz: Es wird nicht etwa aus dem sei, brauche man da nicht
Militärhaushalt in den Sozialhaus- die Bundeswehr, fragte
halt umgeschichtet, sondern allen- Beckstein und verschwieg,
falls einige Rüstungsprogramme dass Bundeswehrflugzeu-
werden gestreckt. Die Expertin ge für solche Fälle sich
Anne Rieger hat in „Ossietzky“ ständig in der Luft befin-
kürzlich vorgerechnet: Dem Rüs- den. Kurz nach dem 11.
tungsetat 2003 stehen wie geplant September 2001 waren
24,4 Mrd. Euro zur Verfügung. CSU-Sprecher noch deut-
Das ist ein Zuwachs von 767 Mio licher: Bei den Millionen-
Euro im Einzelplan gegenüber der massen von Muslimen in
bisherigen Finanzplanung. Darü- Deutschland brauche man
ber hinaus können für Investitio- vermutlich Militär zu ihrer
nen in die Modernisierung der Bundes- verlangt. Die Herren beriefen sich auf Disziplinierung.
wehr Mehreinnahmen bis zu einer Höhe General Harald Kujau, höchster deut- Beim sich anbahnenden US-Krieg ge-
von 614 Mio. Euro jährlich aus der Ver- scher Vertreter bei der NATO und ehe- gen den Irak sollen Deutschland und Eu-
äußerung überschüssigen Materials so- maliger Generalinspekteur, der gewarnt ropa ebenfalls auf jeden Fall ein Wort
wie aus Grundstücksverkäufen, Vermie- hatte, dass die eingeleitete Bundeswehr- mitreden, so Beckstein aus dem CSU-
tung und Verpachtung eingesetzt werden. reform ohne deutliche Mittelaufstockung Kompetenzteam. Und weiter: „Die Frei-
Das sind über 25 Mrd. Euro. „Mit diesen nicht mehr machbar sei. Sein Chef, heit wurde dadurch gesichert, nicht ein-
Mitteln sowie Ausgabeersparnissen aus NATO-Boss und US-General George geschränkt,“ so lobt Beckstein seine und
der Umstrukturierung und Effizienzstei- Robertson, hatte Druck gemacht: Statt Schilys „Sicherheitspakete“.
gerung, die in voller Höhe dem Verteidi- 1,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes Prof. Dr. Steinkamm, Jurist von der
gungshaushalt verbleiben, können die müssten 2 Prozent für die „Verteidigung“ Bundeswehrhochschule und Oberst der
notwendigen Reformen, insbesondere ausgegeben werden; das sind weit über Reserve, wünscht sich wie auch Beck-
die Stärkung der Strukturinvestitionen ... 30 Milliarden Euro allein in Deutsch- stein weitere Gesetze, so ein „Bundes-
bewältigt werden“, so die Bundesregie- land. wehraufgabengesetz“, ja sogar eine
rung in einer Pressemitteilung vom General a.D. Klaus Reinhardt erklär- Grundgesetzänderung: Dringend erfor-
20.11.2002. Weiter: „Für Operationen te: Es würden „weitreichende Transport- derlich sei diese, um es beispielsweise
zur Terrorbekämpfung sowie für sonstige mittel, um entfernt liegende Einsatzorte der Bundeswehr zu ermöglichen, die Po-
Auslandseinsätze sind in den Jahren überhaupt erst erreichen zu können,“ be- lizei beim Schutz auch ziviler Objekte
2003 bis 2006 jeweils insgesamt 1.153 nötigt. Mit Blick auf die neuen Aufgaben „auch im Heimatland“ einzusetzen, „eine
Mio. Euro veranschlagt, die bei Bedarf – die in neuen Verteidigungspolitischen Aufgabe, welche die deutschen Soldaten
über Haushaltsvermerke verstärkt wer- Richtlinien zu formulieren wären – stell- derzeit im Ausland mit anerkanntem Er-
den können. Damit ist in genügender te Reinhardt die rhetorische Frage, „ob folg wahrnehmen.“
Weise Vorsorge für internationale Einsät- unsere Bundeswehr, die traditionell auf Junge und alte Ultrarechte können
ze der Bundeswehr getroffen“. Den For- Bündnis- und Landesverteidigung ange- derartiges alle zwei Monate im Blatt
derungen des Herrn Rogowski kommt legt war, mit ihrer weitgehend überhol- „Gebirgstruppe“ lesen. Es ermahnt seine
die Regierung also sehr nahe. ten technischen Ausrüstung von gestern Leser, nicht „vorbehaltlos einem verord-
Die Militaristen und ihre Verbände le- überhaupt noch in der Lage ist, den Ge- neten und von einer Gedankenpolizei
gen noch nach. Auch künftig wollen sie, fahren von heute und morgen angemes- ideologisch gelenkten und kontrollierten
so der Reservistenverband und der Ka- sen zu begegnen.“ Meinungsklischee zu folgen.“ Erwünscht
meradenkreis auf ihrer Tagung in Weil- Der ehemalige KFOR-Oberbefehlsha- ist offenbar die Übernahme auch dieser
heim, nicht abseits stehen, wenn es um ber und prominente Gebirgsjäger Rein- Gedankenpolizei durch die Bundeswehr
das Wohl und Wehe deutscher Soldaten hardt wies noch auf eine weitere Frage – im Inneren wie im Äußeren.
geht. Gefordert werden immer neue Aus- hin, die in den ebenfalls sehr aggressiv Ulrich Sander ■

: antifaschistische nachrichten 26-2002 3


den Grund und Boden erworben“, so Nu- Deutschen Anwaltvereins (DAV) auf ho- und WiderstandskämpferInnen gemein-
joma. Es sei nun das Vorrecht der nami- hem Niveau eingependelt. Von einem sam anreisen.
bischen Bevölkerung „zu entscheiden, Rückgang könne keinesfalls gesprochen Stellen wir uns also vor, das die Schü-
wem das Land gehört“. Geplant ist u.a. werden, sagte der Vorsitzende des Kura- lerInnen aus Elberfeld, Vohwinkel und
der Zwangsverkauf von 192 Ländereien toriums der „DAV Stiftung contra Cronenberg zusammen mit den Studen-
von Besitzern, die nicht in Namibia le- Rechtsextremismus und Gewalt“, Micha tInnen und den aktiven Gewerkschaftle-
ben. „Es ist die Entscheidung meiner Re- Guttmann, am 11.12. vor Journalisten in rInnen von Kugelfischer und Bayer
gierung und des namibischen Volkes, Berlin. Die Gefahr, Opfer eines rechtsex- pünktlich den Bahnsteig 2 besetzen ( An-
solches Land zu enteignen, so Nujoma. tremistischen Übergriffes zu werden, sei kunft Regionalbahn. Den Bahnsteig 1
KSA 03.12.02 - hma ■ wesentlich höher als das Risiko, Opfer hingegen haben schon die Antifaschis-
eines terroristischen Anschlags zu wer- tInnen aus Hagen und Schwelm zusam-
„Thor“ ruft den, ergänzte DAV-Präsident Michael men mit den SchülerInnen aus Barmen,
Streck. Die DAV-Stiftung, die bedürfti- Ronsdorf und Langerfeld besetzt. Ange-
Brühl. Eine „Deutsche Jugendorganisa- gen Opfern politisch motivierter Gewalt- fragt sind auch diesmal die Abgeordne-
tion THOR“ sucht in der aktuellen Aus- taten hilft, hat seit ihrer Gründung vor ten aus dem Landtag und dem Wupperta-
gabe der neofaschistischen Zeitschrift etwa einem Jahr 62 Anträge auf Unter- ler Stadtparlament mit uns per Zug anzu-
„Nation und Europa“ den „Erfahrungs- stützung entgegengenommen. Das sei reisen.
austausch mit anderen nationaldenken- eine erschreckend hohe Zahl, sagte Es erwarten euch Redebeiträge von
den, deutschen Jugendlichen“, die „Lie- Streck. WiderstandskämpferInnen und Gewerk-
be zur Heimat und Natur“ suchen, von Er beklagte weiter, dass die Opfer schafterInnen, SchülerInnen und ausge-
„Zelt- und Ferienlagern mit Lagerfeuer- rechter Gewalt, in der Regel Ausländer, wählten Bürgermeistern. Wir sind ge-
atmosphäre“ träumen und die „Zukunft zu wenig mit dem deutschen Rechtssys- spannt, wer diesmal kommt!
der deutschen Jugend“ und „Heimat ak- tem vertraut seien. Das führe dazu, dass Wenn die Nazis nicht marschieren
tiv mitgestalten“ wollen. Als Kontakt- sie ihre Rechte nicht wahrnähmen. Poli- können, werden wir in einem Demon-
adresse ist u.a. eine Faxnummer aus zei und Gerichte berücksichtigten dies in strationszug zur neuen Synagoge ziehen.
Brühl angegeben. hma ■ ihrer Behandlung der Opfer häufig nicht. Alle auf die Straße! Wuppertal stellt
Der Anwaltverein hatte die Stiftung sich quer!
mit einem Grundstock von 51 000 Und hier unsere Zugempfehlung: (Ach-
Euro ausgestattet. Durch Spenden und tung Fahrplanänderung!)
gerichtliche Geldauflagen habe sich RE aus Köln: Köln Hbf 9:21, Wuppertal
die Summe mittlerweile auf 140 000 Hbf 9:53 umsteigen, weiter 10:02, Wup-
Euro erhöht, berichtete Guttmann. pertal Barmen 10:05
Etwa 12 000 Euro seien bislang als RE aus Aachen/Düsseldorf: Aachen Hbf
Rechtsanwaltskosten ausgeschüttet 9:14, Wuppertal Barmen 10:05
worden. RE aus Hagen: Dortmund Hbf 9:08,
Quelle: FR 12.12.2002 ■ Wuppertal Barmen 9:52. Die S-Bahn ist
auch sehr schön....
Zum Zug kommen! Infos: www.wuppertal-dichtmachen.de ■
Kein Naziaufmarsch
Unterstützt die Aktion
am 11. Januar 2003 in
„Stimmen für Mumia“
Wuppertal
Amnesty International hat schon vor Jah-
Bahnsteig 1 und 2 pünktlich 10.00 ren in einer umfangreichen Dokumenta-
Uhr Barmen Bahnhof! tion festgestellt: „Zahlreiche Aspekte des
Wuppertal. Am 11. Januar versu- Falles von Mumia Abu-Jamal haben ein-
chen die Nazis nun zum 5. Mal in deutig gegen die internationalen Min-
Wuppertal zu marschieren. Diesmal deststandards für eine faire Prozessfüh-
unterstützt von Christian Worch, dem rung verstoßen. Der Gerechtigkeit wäre
bundeweit tätigen Nazifunktionär. am besten mit einem neuen Verfahren
Unter dem Motto „Gegen das Zu- gedient.“ Zwar hat der zuständige
sammenwirken von linker Gewalt und Bundesrichter Yohn aus Philadelphia im
Für den 18. Dezember, dem Tag der behördlicher Repression!“ wollen die Dezember 2001 das Todesurteil gegen
Hauptversammlung der I.G. Farben i.A., Nazis um Maik Hilgert und Sascha Gu- Mumia Abu-Jamal vorläufig aufgeho-
kündigen überlebende Zwangsarbeiter, derian durch Wuppertal marschieren. Da ben. ABER: gleichzeitig hat er den An-
Kritische Aktionäre und zahlreiche anti- sie es alleine bisher in vier Versuchen trag auf Wiederaufnahme des Verfahrens
faschistische Organisationen eine De- nicht geschafft haben, muss jetzt Christi- und die Anhörung aller neuen Beweise
monstration vor der I.G. Farben Haupt- an Worch für die Anmeldung herhalten. für Jamals Unschuld abgelehnt. Selbst-
versammlung an, die in der Stadthalle Dieser Aufmarsch wird also von den Na- verständlich hat die Staatsanwaltschaft
Bergen-Enkheims abgehalten wird. Ziel zis spätestens vor dem Verfassungsge- sofort die erneute Verhängung der Todes-
der Proteste ist die sofortige Auflösung richt durchgesetzt. Lasst uns ihnen vor- strafe beantragt. Und Mumia, der in die-
des Unternehmens und die Auszahlung her und am Tag selber den Spaß gründ- sem Juni seit genau 20 Jahren in der To-
seines gesamten Restvermögens an die lich verderben: deszelle sitzt, ist immer noch dort. Selbst
Zwangsarbeiter. Weil es beim letzten Mal so gut ge- wenn das Todesurteil in lebenslänglich
klappt hat, werden wir den Bahnhof wie- umgewandelt wird – es ist Unrecht! Mu-
Anwaltverein beklagt ho- der per Eisenbahn von allen Richtungen mia hat immer auf seiner Unschuld be-
erreichen. Um polizeiliche Maßnahmen standen. Er kämpft für die Anhörung des
hes Ausmaß rechter Gewalt unnötig zu machen, werden wir mit Pres- Zeugen Arnold Beverly, der den Mord
Berlin. Die Zahl rechtsextremer Ge- se und prominenteren ZeitgenossInnen gestanden hat, für den Mumia zum Tode
walttaten hat sich nach Einschätzung des verurteilt wurde. Er kämpft für die Anhö-
: antifaschistische nachrichten 26-2002
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Antifaschistisches und antiras-
sistisches Mahnfeuer geplant
Die Bürgerintiative „Kein daran gehindert werden, eine größere
Nazi-Zentrum in Gränitz und Sonnenwendfeier auf dem Deckert-
auch nicht anderswo“ ruft Grundstück abzufeiern. Insbesondere die
zum antifaschistischen und antiras- BdVG ist für derartige Spektakel in Sach-
sistischen Mahnfeuer am 21. Dezem- sen bekannt.
ber ab 19.00 Uhr gegenüber dem Wie mdr-online berichtete, kaufen sich
Nazi-Zentrum von Günther Deckert Nazis in Thüringen offenbar verstärkt
(NPD) auf. Häuser und nutzen diese als Versamm-
lungsräume und „Jugendzentren“. Das
Das Nazi-Zentrum in Gränitz gibt es im- teilte Innenminister Trautvetter (CDU)
mer noch und entgegen aller polizei- im Landtag mit. Die Treffen seien nicht-
lichen Verlautbarungen finden dort auch öffentliche Veranstaltungen, deshalb
schon regelmäßige Treffen kleiner Grup- gebe es von staatlicher Seite dagegen
pen von Neo-Nazis statt, heißt es im Auf- keine Handhabe. Auch gegen den Immo-
ruf. Am 24. November musste Polizei bilienkauf ließe sich nichts machen.
wieder einmal nach Gränitz ausrücken, Trautvetter: „Der Erwerb von Objekten
um eine Versammlung zu kontrollieren steht jeder Privatperson frei“. Bekannt
rung aller weiteren vorliegenden Be- und auf den Erhalt der
weise – für seine Unschuld. Er kämpft Amtssiegel zu achten.
für seine Freiheit. Die Zeit drängt. Wir Seit dem Frühjahr dürfen
dürfen nicht zulassen, dass dieser Mann Hausbesitzer Günter De-
hingerichtet oder im Hochsicherheit- ckert (Ex-NPD-Vorsitzen-
strakt eingemauert wird. Schon in den der) und seine Putzkolon-
Jahren 1995 und ‘99 konnte seine Hin- ne um Sandro Kempe aus
richtung durch eine große internationale Freiberg keine baulichen
Öffentlichkeit verhindert werden. Veränderungen mehr vor-
Nebenstehendes Plakat wird bundesweit nehmen. Deckert scheint
erscheinen, eventuell auch als Zeitungs- nicht in der Lage zu sein,
anzeige. Darüber hinaus wird es eine ei- einen ordnungsgemäßen
gene Website haben – www.Stimmen- Bauantrag zu stellen, wie
fuerMumia.de geben (schon geschaltet) es von jedem normalen
– auf der alle UnterzeichnerInnen die be- Bürger erwartet wird.
reits gesammelten Namen nachlesen Stattdessen lamentiert er
können. Wir bitten Sie, diese Aktion in der NPD-Partei-Presse Deckert-Anwesen in Gränitz
nach Möglichkeit auch finanziell zu über angebliche Schika-
unterstützen. Das überschüssige Geld nen durch die Freiberger Kreisverwaltung sind Jena, Eichsfeld und Wartburgkreis.
wird für Mumias Verteidigung überwie- oder der Stadtverwaltung von Brand-Er- Ministeriumssprecher Herbrand sagte
sen. bisdorf. Neben der „Kameradschaft Nor- mdr.de, in Jena Lobeda sei die ehemali-
Netzwerktreffen der Unterstützungsgrup- kus“ aus Freiberg engagiert sich die „Be- ge Gaststätte „Zum Löwen“ von einem
pen für Mumia-Abu-Jamal wegung deutsche Volksgemeinschaft“ bekannten Neonazi gekauft worden. Der-
Homepage: (BdVG), eine Abspaltung der „Jungen zeit würde das Haus renoviert. Offenbar
http://stimmenfuermumia.de ■ Nationaldemokraten“ für den Auf- und solle daraus ein „Jugendzentrum“ wer-
Ausbau des Nazi-Zentrums Gränitz, das den. Außerdem habe der Neonazi Thor-
Polizei ändert diskriminie- sie auf den Namen „Deutsches Haus Erz- sten Heise in Fretterode im Eichsfeld ein
gebirge“ getauft haben. ehemaliges Altenheim gekauft. Darin
rende Broschüre Für die Bürgerinitiative „Kein Nazi- würden inzwischen wöchentlich „Kame-
Düsseldorf. Der Protest gegen eine Zentrum in Gränitz und auch nicht an- radschaftsabende“ abgehalten. Auch der
Broschüre der Polizei „So schützen Sie derswo!“ ist es der vierte Versuch, eine Landgasthof „Frische Quelle“ in Mos-
sich im Alter“, in der Ausländer pauscha- breitere Öffentlichkeit gegen das Nazi- bach im Wartburgkreis befinde sich in
lierend als Haupttäter bei Taschendieben Zentrum in Gränitz zu mobilisieren. Mit „rechter“ Hand.
und Betrug genannt werden, hat gewirkt. der Mahnwache sollen die Neo-Nazis Quelle: indymedia.de ■
Einen Offenen Brief des Landesspre-
chers der VVN-BdA NRW, Josef Angen-
fort dazu druckten wir in der letzten AN
25-02, Seite 12 ab. Wie die FR vom
12.12. berichtete, wird die Broschüre aus
dem Programm „Polizeiliche Kriminal-
prävention der Länder und des Bundes“
(ProPK) jetzt überarbeitet. Der Leiter
von ProPK Reinhold Hepp gestand ein,
dass Taschendiebstahl und Betrug „nicht
von der Nationalität abhängig“ seien. Ein
kleiner Erfolg, der zeigt, dass es sich
lohnt, rassistische Diskriminierungen öf-
fentlich zu machen. u.b. ■

: antifaschistische nachrichten 26-2002 5


Anzeige gegen Irak-Krieg
Am 24. Dezember soll eine große
Waffeninspektionen
Anzeige in der Frankfurter Rund-
schau erscheinen, die folgenden,
laufen –
vom Friedensratschlag Kassel am
7./8. Dezember abgestimmten Text
enthält:
Bush unbeeindruckt
Ungeachtet der UN-Inspektio- satzung vor. Man rechne mit monatlich
Die US-Regierung hält unbeirrt an ih- nen, die bisher ohne nennens- 4 Mrd. $ Kosten für den Unterhalt der
rer Absicht fest, einen Krieg gegen Irak werte Zwischenfälle verliefen, Besatzungsarmee, die der Irak aus sei-
zu führen. In diesem Krieg geht es we- treiben die USA die Kriegsvorberei- nen Ölgeldern aufbringen müsse. Ange-
der um „Antiterror-Kampf“, noch um tungen voran. strebt wird demzufolge die Einsetzung
Massenvernichtungswaffen noch um Eskalationspotenzial einer Militärverwaltung ähnlich wie in
die Herstellung von Demokratie und Deutschland und Japan nach dem zwei-
Menschenrechten. Den USA geht es Bush machte am 2.12., in seiner ersten ten Weltkrieg. Womöglich werde außer-
vielmehr um die Durchsetzung geostra- größeren Erklärung seit Beginn der UN- dem eine irakische Regierung „be-
tegischer und wirtschaftlicher Interes- Waffeninspektionen, vor allem deutlich, stimmt, die dem Westen wohlgesinnt ist
sen in einer der energiereichsten (Öl-) dass es nicht in der Macht des Irak liege, (,irakischer Karzai’).“1
Regionen der Welt. egal wie sich seine Regierung verhalte, Dem entsprechen die jüngst bekannt
den Krieg abzuwenden. Während sich gewordenen militärischen Planungen.
Wir sagen Nein zu diesem Krieg die Waffeninspektoren nach den ersten Demnach soll Bush einem Aufmarsch-
Der irakischen Bevölkerung, die unter Inspektionen „zufrieden“ zeig-
dem Wirtschafts-Embargo bitterste Not ten, äußerte sich Bush „ent-
und Hunger leidet und durch das dikta- täuscht“. Die US-Administra-
torische Regime von Saddam Hussein tion kündigte an, nach dem 8.
unterdrückt wird, würde ein neuer Dezember, wenn der Irak wie
Golfkrieg noch mehr Elend bringen, verlangt die Liste aller ABC-
weitere zig Tausende Tote fordern und Waffen, Raketen und für die
das Land endgültig in die Steinzeit zu- Produktion verwendbaren
rückbomben. Der Krieg ist ein Verbre- Komponenten vorgelegt hat,
chen am irakischen Volk. Es ist ein An- selbst eine auf Geheimdienstin-
griffskrieg, der gegen jede menschliche formationen basierende Liste
Vernunft und gegen das Völkerrecht aller irakischen Waffenarsenale
verstößt. zu veröffentlichen und mit der
irakischen Liste abzugleichen.
Keine deutsche Unterstützung für Wenn sich Saddam Hussein
diesen Krieg nicht selbst aller Massenver-
Die deutsche Bundesregierung erklärt nichtungswaffen völlig entledi-
ihre Bereitschaft, den Irak-Krieg zu- ge, kündigte Bush an, „werden
mindest „passiv“ zu unterstützen. Hier- wir eine Koalition anführen, die ihn ent- plan zugestimmt haben, der gleich zu
zu hat sie den USA bereits Überflugs- waffnet“. Von der UNO war nicht die Beginn der militärischen Offensive die
rechte und die Nutzung der US-Militär- Rede. Errichtung großer amerikanischer Stütz-
stützpunkte auf deutschem Boden gar- Zum wiederholten Male provozierten punkte vorsieht. Durch eine „ausgedehn-
antiert. Damit bricht sie ihr Wahlver- US- und britische Kampfflugzeuge in te Besetzung“ des ganzen Landes sollen
sprechen, sich nicht an einem Krieg der einseitig verhängten und durch kei- die Kontrolle sichergestellt und, das in
gegen Irak zu beteiligen. Wir sagen: nerlei UN-Beschluss gedeckten Flugver- Richtung Türkei, Lostrennungsbestre-
Auch Beihilfe zu einem unerlaubten botszone Zwischenfälle, die sie sogleich bungen der Kurden im Nordirak verhin-
Krieg ist ein Verbrechen. zum Anlass nehmen, Ziele in Irak anzu- dert werden. Die FAZ kommentiert:
Wir verlangen von der Bundesregie- greifen. Nach der bisher letzten Bombar- „Ein weiterer Vorteil wäre, dass auch
rung: dierung wurden nach Angaben des Irak das Erdöl des Landes – der Irak verfügt
● Kein Nutzungsrecht für US-Militär- und westlicher Nachrichten- mit geschätzt mehr als 110 Milliarden
basen in Deutschland für diesen Krieg agenturen industrielle Anlagen und Bü- Barrel über die zweitgrößten Vorkom-
● Keine Überflugsrechte für britische ros der südirakischen Erdölgesellschaft men nach Saudi-Arabien – unter westli-
oder US-Kampfflugzeuge in Basra zerstört und dabei vier Iraker che Kontrolle gelange.“1
● Abzug der deutschen Spürpanzer aus getötet. Der irakische Außenminister Sa- All diese Planungen bedeuten nichts
Kuwait und der Marine aus der Golfre- bri hat daraufhin in einem Schreiben an anderes als die Zerschlagung des Irak als
gion. UNO-Generalsekretär Annan angekün- Regionalmacht, die Zerstörung seiner
Wir rufen die Bürgerinnen und Bürger digt, die irakischen Streitkräfte würden Souveränität, seine Unterwerfung unter
unseres Landes auf, für den Fall, dass die Übergriffe andau- eine quasi-koloniale Kontrolle und Aus-
● sich an den Aktionen der Friedensbe- erten, ihr legitimes Recht auf Selbstver- beutung.
wegung gegen den Krieg überall im teidigung ausüben. Das strategische Ziel der Besetzung
Land, auch an Militärstützpunkten, zu Ziel der US-Politik: Besatzung und erfordert den Einsatz großer Truppen.
beteiligen, Kontrolle des Irak Die noch vor Monaten erwogene Varian-
● am Tag eines Großangriffs auf den te, mit „nur“ 50.000 Soldaten anzugrei-
Irak in allen Städten zwischen 17 und Währenddessen bringen „Regierungs- fen und auf direktem Wege Bagdad zu
19 Uhr spontane Protest-Versammlun- kreise“ in den USA ihre Planungen für erobern, wurden offensichtlich fallen ge-
gen durchzuführen, den Irak „nach Saddam Hussein“ in die lassen. Stattdessen planen die Militär-
Öffentlichkeit. Demzufolge bereiten die strategen die Zusammenziehung von
USA eine mehrjährige militärische Be- rund 250.000 Soldaten und den massi-

6 : antifaschistische nachrichten 26-2002


ven Einsatz von 60.000 bis 80.000 tradi- Auf dem NATO-Gipfel in Prag am
tionellen Landstreitkräften. Bisher sind 21.11.02 erklärte Bundeskanzler Schrö- ● zum Zeichen des Friedenswillens
auf den US-Stützpunkten in der Region der, dass die Bundesregierung „selbst- und des Protestes gegen den drohenden
zwar zahlreiche Waffen und Geräte für verständlich ihren Bündnisverpflichtun- Krieg in der Zeit vom 24. bis 31. De-
den Krieg eingelagert, aber von den ver- gen nachkommen“ werde und dass es zember weiße Tücher an den Häusern
anschlagten rund 250.000 Soldaten erst „selbstverständlich (sei), dass die Bewe- sichtbar zu machen,
ca. 50.000 in der engeren Region statio- gungsfreiheit unserer Freunde nicht ein- ● an der Demonstration gegen die „Si-
niert.2 Doch der Aufmarsch wird for- geschränkt würde“. Laut FAZ vom cherheitskonferenz“ der Militärpoliti-
ciert. In Djibouti trainieren Marines, de- 23.11. ergänzte er: „das sehen die Verträ- ker und Rüstungslobby in München am
nen eine Schlüsselfunktion zugeschrie- ge, die es dazu gibt, so vor, und die ge- 8. Februar teilzunehmen,
ben wird, den Wüstenkrieg. Inzwischen denken wir einzuhalten.“ ● zum „Europäischen Aktionstag ge-
haben die USA die Türkei um die Ge- Am 27.11. kündigte er auf einer Pres- gen den Krieg“ am 15. Februar zu einer
nehmigung ersucht, bis zu 150.000 Sol- sekonferenz laut Website der Bundesre- Großdemonstration nach Berlin zu
daten auf türkischem Boden zu stationie- gierung an: „Deutschland werde den kommen.
ren3. Von Deutschland aus ist geplant Vereinigten Staaten und der NATO im Stoppt den Krieg, bevor er beginnt!
oder bereits im Gange die Verschiebung Falle eines militärischen Vorgehens ge-
von AH-64-Kampfhelikoptern „Apa- gen den Irak Überflug-, Bewegungs- und Was ist zu tun?
che“. Besondere Bedeutung für die Ope- Transportrechte gewähren.“ Der ehema- Melden Sie sich/meldet euch per
rationsführung wird den Luft- und See- lige NATO-General Hanno Graf zu Kiel- e-mail bis spätestens Freitag, 20. De-
streitkräften zugemessen. Insgesamt ste- mannsegg nannte diese logistische zember bei: frieden-und-zukunft@
hen zur Zeit ca. 300 Kampfflugzeuge Unterstützung in einem Interview mit t-online.de. Bitte Name, Vorname
und Bomber zur Verfügung. Im Golf dem „Deutschlandfunk“ im Gegensatz (ggf. Titel) und Wohnort und/oder
wird eine Flugzeugträger-Kampfgruppe zu Schröder und Fischer unverblümt Organisationszugehörigkeit sowie die
zusammengezogen; zwei Flugzeugträger eine „Unterstützung eines Waffengangs Höhe des gespendeten Betrags ange-
sind bereits dort, ein weiterer ist auf dem … In Wirklichkeit und realistisch gese- ben. Jede/r Unterzeichner/in überweist
Weg und wird noch im Dezember ein- hen ist es natürlich eine Teilnahme.“ gleichzeitig (mindestens) 20,– EUR.
treffen, ein vierter für Ende Dezember Wie der Völkerrechtler Dr. Gregor Und zwar an:
oder Anfang Januar erwartet. Eine Groß- Schirmer5 ausführlich darlegt, bestehen Friedens- und Zukunftswerkstatt e.V.,
operation, schreibt die Neue Zürcher „weder nach dem allgemeinen Völker- Kt. Nr.: 200081390 bei der Frankfurter
Zeitung3, sei dann ab Januar möglich. recht und der UNO-Charta noch nach Sparkasse 1822 (BLZ 500 502 01)
Nicht nur die amerikanische Friedens- speziellen Vertragsbeziehungen Deutsch- Stichwort: „Irak-Krieg“
bewegung, die zu einer weiteren Groß- lands, multilateral im Rahmen der Peter Strutynski.
demonstration Mitte Januar aufruft, NATO oder bilateral im Verhältnis zu Friedensratschlag Kassel ■
macht Front gegen die Kriegsplanungen. den USA, … Verpflichtungen der
Eine Reihe aktiver und pensionierter Bundesrepublik, Aktivitäten der US- Sonder-Justiz geplant
hochrangiger US-Militärs wie der ehe- Streitkräfte auf deutschem Territorium,
malige Nationale Sicherheitsberater insbesondere die Nutzung von deren Mi- Washington. Nach Presseberichten
Scowcroft, der Nahost-Sonderemissär litärstützpunkten und des deutschen hat die US-Regierung mit der Ausar-
Zinni, der einstige NATO-Oberbefehls- Luftraums, zur Vorbereitung und Durch- beitung eines parallelen Rechtssystems
haber Europa, Clark, der Oberkomman- führung eines Militärschlages gegen den für Terrorismus-Verdächtige begonnen.
dierende des Golfkrieges von 1991, Irak zu dulden, zu genehmigen oder zu Wie die „Washington-Post“ meldete,
Schwarzkopf, und etliche andere warnen unterstützen. Das gilt unabhängig davon, will das Weiße Haus Polizei und Justiz
vor allem vor einem schleichenden Aus- ob ein solcher Militärschlag vom Sicher- weit reichende Vollmachten geben.
ufern des geplanten Krieges. Angesichts heitsrat genehmigt ist oder ohne eine sol- Demnach sollen Verdächtige verhört
eines drohenden Kampfes auf einem ur- che Genehmigung durchgeführt wird. Es oder inhaftiert werden können, ohne ei-
banen Schlachtfeld – in Bagdad – werde gilt selbst dann, wenn man einen Militär- nen Anwalt konsultieren zu dürfen.
der Vorteil militärtechnologischer Über- schlag gegen den Irak für völkerrechtlich Auch während einer Gerichtsverhand-
legenheit stark relativiert. Zinni, Nahost- zulässig hielte.“ lung steht den unter Terrorverdacht ste-
Sonderemissär und ehemaliger General Seine Schlussfolgerung: Wenn die henden Menschen kein Verteidiger zu.
der U.S. Marines, merkte dazu an: „Ich Bundesregierung die Nutzung deutschen Dem Bericht zufolge soll es möglich
möchte nicht in die Städte hineingesaugt Territoriums für einen Militärschlag ge- sein, Verdächtige auf unbestimmte Zeit
werden. Wir hätten jede Menge Verluste, gen den Irak dulde, dann, „weil ihr der in militärische Gefangenschaft zu neh-
wir würden massenhaft Zivilisten töten politische Wille und die Durchsetzungs- men.
und die Infrastruktur größtenteils zerstö- kraft fehlt, sich den Kriegsabsichten der Mit der Zustimmung des Überwa-
ren. Schon gar nicht hilfreich wären die USA konsequent zu widersetzen. Sie be- chungsgerichts für den Auslandsge-
Bilder davon, die der Kanal Al-Jazeera geht damit selbst einen schweren Völ- heimdienst sollen heimlich die Häuser
ausstrahlen könnte.“4 kerrechtsbruch.“ scc ■ von US-Bürgern durchsucht werden
BRD: „Unterstützung eines Waffen- können. Ausländer sollen vor ein Mili-
gangs“ tärgericht gestellt und nach einer gehei-
1 FAZ, 19.11.02 men Anhörung abgeschoben werden
Alles kommt jetzt darauf an, durch Mo- 2 Neue Zürcher Zeitung, 25.11.02 können. Die Regelungen sollen für
3 Netzeitung 3.12.02
bilisierung der öffentlichen (Welt-)Mei- 4 Freitag Nr. 48, 22.11.02. Jürgen Rose, der Ver-
„feindliche Kämpfer“ gelten, heißt es.
nung die militärische Eskalation des fasser des Artikels, der sich damit auseinandersetzt, Diesen Status gab Washington bereits
Irak-Konflikts so schwer wie möglich zu warum Teile des US-Militärs gegen einen mög- den in der US-Militärbasis Guantana-
machen. Auch unter diesem Gesichts- lichen Irak-Krieg opponieren, ist Oberstleutnant der mo auf Kuba festgehaltenen Taliban-
punkt ist der Schwenk der Bundesregie- Bundeswehr. und El-Kaida-Kämpfern, denen die
rung von der Linie „Keine Beteiligung“, 5 Deutschland ein Aufmarschgebiet der USA für US-Regierung den völkerrechtlichen
die sie im Wahlkampf propagiert und den Krieg gegen den Irak? Eine völkerrechtliche Ex- Status von Kriegsgefangenen verwei-
pertise. Von Prof. Dr. Gregor Schirmer vom
praktisch zur Abstimmung gestellt hat, gert. KStA 7.12. - u.b. ■
29.11.02, veröffentlicht unter: www.friedensrat-
zu einer Beteiligung verheerend. schlag.de

: antifaschistische nachrichten 26-2002 7


Am Sonnabend, 30. November
02 hielt die rechtsextreme und Rechtsextrem-regionalistische
regionalistische Bewegung „Al-
sace d’abord“ (Elsass zuerst) ihren
Gründungskongress in Colmar ab. Den
Bewegung im Elsass nimmt
Vorsitz der neuen Bewegung, die den
Namen einer bereits Ende der 80er Jah-
neuen Anlauf
re existierenden Wahlplattorm über- zwei Parteien, noch für den „ alten“ FN unexakt, denn nur die kleinere Nordhälfte
nimmt, hat der frühere Front National- gewählt worden waren). der heutigen Region Lorraine – die Ge-
Parlamentarier Robert Spieler inne. Zum besseren Verständnis der Bedeu- gend um Metz – war in preußisch-deut-
tung einer solchen regionalistischen Vari- sche Hand gefallen. Der Südteil Lothrin-
Robert Spieler, ehemals FN-Vorsitzender ante der extremen Rechten, bieten wir im gens um Nancy hingegen ist immer Be-
im Elsass, hatte sich vor knapp 15 Jahren folgenden einen kleinen geschichtlichen standteil Frankreichs geblieben. Das El-
vom FN unter Jean-Marie Le Pen ge- Überlick. sass hingegen, die heutigen Départements
trennt und seine stärker regionalistisch Kurzer historischer Abriss Haut-Rhin (Oberrhein) um Colmar und
ausgerichtete Wahlplattform gegründet. Bas-Rhin (Niederrhein) um Strasbourg,
Diese war später in den MRA (Mouve- Das Elsass dürfte jener Teil Frankreichs stand voll unter deutscher Oberhoheit.
ment régionalistische alsacien = Elsässi- sein, der im Laufe der früheren Jahrhun- Hier wirkte sich die versuchte Germani-
sche regionalistische Bewegung) umge- derte am häufigsten den Besitzer wech- sierungspolitik, durch die „ welsche“ –
wandelt worden. Die Krisenprozesse bei selte. Zugleich stellt es heute eine der also romanische, in dem Fall französische
der zweiten größeren rechtsextremen wohlhabendsten Regionen des Landes – sprachliche oder kulturelle Einflüsse für
Partei, dem MNR von Bruno Mégret – dar, dank einer frühen Industrialisierung immer ausgetrieben werden sollten, am
dem der Zerfall droht –, haben nunmehr sowie der Nähe der Hochlohnstaaten stärksten aus.
der Spieler-Bewegung neuen Auf- Deutschland und Schweiz. Dort ar-
schwung verschafft. „ Alsace d’abord“ beiten heute zehntausende von
fasst den bisherigen MRA sowie die (au- Grenzgängern. Auch in politischer
getretenen) wichtigsten Kader und Parla- Hinsicht weist das Elsass seine Be-
mentarier des elsässischen MNR zusam- sonderheiten auf. Es ist gleichzeitig
men. Die regionalistisch-rechtsextreme eine der am stärksten pro-europä-
Bewegung hat jetzt 10 Abgeordnete im isch ausgerichteten Regionen, ge-
Regionalparlament von Strasbourg sit- hört aber auch zu denen, die am
zen, die Mehrheit von ihnen sind ehema- meisten auf ihre Eigenständigkeit in
lige MNR-Vertreter (die im März 1998, vielen Bereichen pochen. Die regio-
vor der Spaltung der Neofaschisten in nalistischen Tendenzen unterschei-
den sich jedoch erheblich von de-
nen in anderen fran-
Gegen den Geschichtsrevisionismus zösischen Landestei-
Informationen des Studienkreises deutscher len. La ligne bleue à
Widerstand 1933 - 45 l’horizon – die blaue
Die Informationen Nr. 56 des Studienkreis deutscher Wider- Linie, welche die Vo-
stand 1933-1945 sind erschienen. Themenschwerpunkte sind gesen am Horizont
die „Beneš-Dekrete“ und die abzeichnen –, bildete
„Wehrmachtsausstellung“. Ul- im letzten Viertel des 19. Im 17. Jahrhundert hatte das damalige
rich Schneider analysiert den Jahrhunderts eine der zen- französische Königreich seinen Machtbe-
geschichtlichen Hintergrund tralen Redefiguren, ja einen reich bis zum Rhein ausgedehnt, von der
der „Beneš-Dekrete“. Reinhard Mythos der französischen politischen Zersplitterung und feudalen
Kühnl weist, ausgehend vom Dritten Republik. Noch bis Kleinstaaterei im benachbarten „ Heiligen
Begriff der Geschichte als pro- 1918 stand die Frage, wie Römischen Reich Deutscher Nation“ pro-
zesshaftem Geschehen, auf die die Gebiete Elsass und fitierend. Unter Louis XIV (1643 bis
besondere Bedeutung von Ur- Lothringen zurückgewon- 1715) gehörte zeitweise sogar das heutige
sachen und Folgen gerade im nen werden könnten, oft im Rheinland-Pfalz zusätzlich zu Frankreich.
Hinblick auf die deutsch-tsche- Mittelpunkt des innen-, au- Nach der Konstitutierung des deutschen
chischen Beziehungen hin und ßen- und militärpolitischen Nationalstaats, die unter Bismarck – an-
skizziert die Möglichkeiten ei- Streits. Der ehemalige ders als in Frankreich – auf autoritärem
nes auf geschichtlichem Verste- Nordostteil Frankreichs war Wege und durch die vormodernen Eliten,
hen basierenden Dialogs. Gerd Wiegel reflektiert die ver- nach dem Deutsch-Franzö- anstatt des Bürgertums, gegründet worden
schiedenen Aspekte der Kritik an der alten Wehrmachts-Aus- sischen Krieg 1870/71, und war, erhob das neue Kaiserreich jedoch
stellung und beschreibt vor diesem Hintergrund konzeptionel- der Niederlage Napoleon Anspruch auf westlich des Rheins gelege-
le Veränderungen. Peter Krahulec geht als Erziehungswissen- III. in Sedan, durch das ne Territorien. Frankreich, das ab 1875 zur
schaftler und Friedenspädagoge mit kritischen Augen durch gleichzeitig gegründete Republik wurde, sollte so eine möglichst
die neue Ausstellung. Als „Leitmotiv“ finden sich im ganzen Willhelmische Reich an- schmachvolle und in Erinnerung bleiben-
Heft und auf der Rückseite Plakate, die Studentinnen und Stu- nektiert worden. Non, ils de Niederlage bereitet werden.
denten für einen Wettbewerb der Alliance Graphique Interna- n’auront pas l’Alsace et la Im frühen 20. Jahrhundert schwankte
tionale (AGI) an Hochschulen in Deutschland entworfen ha- Lorraine - Nein, Elsass und die Gunst der öffentlichen Meinung im
ben. Zudem gibt es in dieser Ausgabe einen „Überblick über Lohtringen werden ihnen Elsass abwechselnd zwischen den beiden
Wanderausstellungen“ zu Themen der NS-Zeit. nicht gehören – lautete da- Staaten hin und her. Zwar rief die autori-
Das Heft informationen Nr. 56 ist zu beziehen bei: Studienkreis mals einer der beliebtesten, täre Politik des willhelminischen Reichs
deutscher Widerstand 1933-1945, Rossertstr. 9, 60323 Frank- patriotischen Liedtexte. zahlreiche Widerstände in den angeglie-
furt, Tel. 069-721575, www.studienkreis-widerstand-1933-45.de Die geographische Be- derten Gebieten hervor, und ab den 80er
zeichnung war im Prinzip Jahren des 19. Jahrhunderts saßen elsässi-

8 : antifaschistische nachrichten 26-2002


sche Regionalisten – die so weit wie Die Bedeutung der extremen Rechten
möglich von Berlin loskommen wollten – im Elsass Frankreich: Militante
im deutschen Reichstag. Profranzösische Lange Zeit waren die politischen Erben Ultrarechte organi-
Aktivisten wurden häufig ins Nachbar- der Nachkriegs-Christdemokratie, das
land abgeschoben, sofern sie keine Ge- konservativ-liberale Parteienbündnis sieren sich neu
fängnisstrafen abbüßten. Dennoch arran- UDF, die stärkste politische Kraft im El- Am 6. August dieses Jahres wurde die Neona-
gierte sich ein bedeutender Teil der Be- sass. Ab den 80er Jahren jedoch wurde zi-Organisation Unité radicale (UR) verboten
völkerung schließlich mit der deutschen sie allmählich durch eine andere Forma- (AN 17/02). Seitdem organisiert sich der
Staatsautorität, zumal die materiellen Le- tion abgelöst, nämlich den rechtsextre- ultraradikale, militante Flügel der französi-
bensbedingungen teilweise besser waren men Front National (FN). Es mag zu- schen extremen Rechten – jener, dem die
als in umliegenden Staaten. Die geschick- nächst paradox wirken – aber jene, die Wahlparteien FN und MNR zu schlaff sind
te Politik Bismarcks, der die Reichspoli- besonders auf regionale Eigenheiten be- und der gern einschlägige Symbole zur
tik bis zu seinem Abgang 1890 entschei- harrten, fanden sich in der im Prinzip Schau stellt – neu.
dend prägte, im Hinblick auf die „ soziale französisch-nationalistischen Partei be- Bereits am 19. September war, als Ersatzorga-
Frage“ hatte auch hier ihre Früchte getra- sonders gut wieder. Der FN konnte dort nisation für UR, die neue Jugendorganisation
gen. im Elsass Fuß fassen, wo die Entkonfes- „Jeunesses identitaires“ (ungefähr identitätsbe-
Der autoritäre Staat hatte, vor allem um sionalisierung der modernen Gesellschaft wusste Jugend) gegründet worden. (AN
der Situation des Proletariats seine poten- der Christdemokratie allmählich den Bo- 20/02) In der Gründungscharta der Organi-
ziell revolutionäre Sprengkraft zu neh- den entzog, und zugleich das einigende sation heißt es, sie werde „überall dort prä-
men, die Sozialversicherungen im Be- Band in Gestalt der konfessionellen „ sent sein, wo der Kampf es erfordert, unter
reich von Kranken- und Altersversorgung Identität“ für viele eher konservative Bür- den jungen Arbeitern, an den Oberschulen, in
sowie Unfallschutz eingeführt. Damit ger entfiel. den Arbeitsämtern, in den Konzerten und vor
sollte zumindest die gröbste Not, nament- Die relativ starken kulturellen Eigenar- allem auf der Straße.“
lich jene der erwerbsunfähig gewordenen ten der Region kamen den Rechtsextre- Am Wochenende des 7./8. Dezember trat die
Personen, gelindert werden. Im benach- men dabei oftmals zu Hilfe, ihren natio- neue Gruppierung nun erstmals an die Öffent-
barten Frankreich hingegen wurde erst im nal-rassistischen Diskurs als „ Iden- lichkeit. Am Samstag abend (7.12.) organisier-
Jahr 1945, mit der Sécurité sociale, ein titäts“ersatz an die Stelle des zuvor hege- te sie eine Saalveranstaltung im Kellerge-
umfassender Sozialversicherungs-Mecha- monialen Katholizismus zu setzen. Die schoss eines Hotels in Lyon. Die Veranstaltung
nismus eingeführt. Davor bestanden le- sprachlichen und kulturellen Besonder- hörte auf den Titel „Immigration? Invasion?
diglich Absicherungen in einigen Indus- heiten störten dabei nicht besonders. Im Die europäische Jugend sagt nein!“ Die Teil-
triebranchen sowie von Großbürgern pri- Gegenteil: Oftmals erwiesen sie sich als nehmer mussten sich – (einem Bericht der Ta-
vat unterhaltene Wohltätigkeitsverbände. besonders geeignet, eine in sich geschlos- geszeitung ,Libération’ 9.12.) zufolge – zuvor
Bis heute sind Restbestände der dama- sene – und Anspruch auf Homogenität er- erst zu mehreren konspirativen Treffpunkten in
ligen Situation im elsässischen Recht er- hebende – Konstruktion von „ Identität“ Lyon begeben. Dem Zeitungsbericht nach wa-
halten geblieben. So wurde 1919 als und Identifikationsmöglichkeiten zu be- ren circa 130 vorwiegend junge Teilnehmer,
Sonderregelung in die französische natio- fördern. Jugendliche aus Immigrantenfa- teils mit extrem kurzen Haaren und Bomberja-
nale Gesetzgebung eingeschrieben, dass milien aus der südelsässischen Mulhouse cke, zu verzeichnen. Zu den Veranstaltern und
in den ehemals von Deutschland annek- etwa berichten: „ Immer, wenn etwa die Hauptrednern gehörten die Leitfiguren der
tierten Landesteilen das Konkordat mit Busfahrer rassistische Sprüche über uns verbotenen UR, Guillaume Luyt und Fabrice
der römischen Kirche, das in den katholi- klopfen, dann verfallen sie plötzlich vom Robert. Am folgenden Sonntag fanden sich –
schen Teilen des Reichs galt, fortbestehe. Französischen ins Elsässische. Denn sie demselben Bericht zufolge – rund 50 Anhän-
Diese Sonderstellung gilt bis heute in wissen, dass wir diesen deutschen Dialekt ger der Jeunesses identitaires zu einer Demon-
dem ansonsten offziell laizistischen nicht verstehen, im Gegensatz zum Fran- stration vor dem türkischen Konsulat in Lyon
Frankreich, so dass Staat und Kirche im zösischen.“ teil. Sie demonstrierten gegen einen EU-Beitritt
Elsass nach wie vor nicht vollständig ge- Eine Besonderheit ist dabei zu regis- der Türkei und gegen das Konsulat als „Sym-
trennt sind – das macht sich im Bereich trieren: Der Rechtsextremismus brachte bol der muslimischen Invasion in Europa“.
der Kirchensteuern, die von den Behör- im Elsass seine eigene, regionalistisch ge- Denn, so ein per Megaphon gehaltener Rede-
den erhoben werden, ebenso bemerkbar prägte Variante hervor. In den späten 80er beitrag, „die Türken gehören kulturell und eth-
wie beim konfessionellen Religionsunter- Jahren trennte sich Robert Spieler, der da- nisch nicht zu uns.“
richt in öffentlichen Schulen. Aber auch malige einflussreiche FN-Chef im Elsass, Laut ,Le Monde’ (vom 6. Dezember) haben
die, seinerzeit noch vorteilhafteren, deut- von seiner Partei und gründete eine neue die Jeunesses identitaires die Gründung einer
schen Regeln im Sozialversicherungsbe- Partei, die zunächst auf den Namen ,Liste politischen Partei angekündigt. Dies „ange-
reich blieben nach 1918/19 bestehen. Alsace d’abord‘ hörte – für „ Elsass zu- sichts des definitiven Verrats des MNR“ – der
Die wichtigste regionale Stütze für erst“, unter Anlehnung an (und an Stelle laut seinem Chef Bruno Mégret angeblich
die Forderung nach regionaler Eigenstän- von) Le Pens Slogan „ Die Franzosen zu- nicht mehr rechtsextrem sein will – „sowie der
digkeit – in den Bereichen der Kirchen- erst“. Später änderte die neue Bewegung Streitereien beim FN“ (die zwischen den An-
und Sozialversicherungspolitik, aber auch ihren Namen ab in MRA, für Mouvement hängern des FN-Generalbeaufragten Bruno
auf anderen Feldern wie der Steuerpolitik régionaliste alsacien (Elsässische regiona- Gollnisch und jener der Chef-Tochter Marine
– war lange Zeit die Christdemokratie, listische Bewegung). Die spezifisch elsäs- Le Pen ausgebrochen sind, nämlich um die
die im Elsass besonders stark war. So war sische und die französisch-nationalisti- Nachfolge des alternden Chefs). Das Grün-
der christdemokratische Politiker Pierre sche Variante der extremen Rechten stan- dungsprojekt sei jedoch auf das erste Halb-
Pflimlin, obwohl selbst im nordfranzösi- den zunächst in Konkurrenz zueinander. jahr 2003 verschoben worden. Durch den
schen Roubaix geboren, nach dem Zwei- Doch bei den Parlamentswahlen im Juni Zerfall des MNR sehe man jedoch Raum für
ten Weltkrieg einer der wichtigsten und 2002 profitierte MRA-Bewerber Robert ein solches Projekt frei werden. Der Artikel er-
einflussreichsten Politiker der Region: Spieler als frankreichweit einziger Kandi- wähnt ferner, bei internen Versammlungen
1946 wurde er erstmals zum Parlaments- dat von einem Wahlaufruf beider rechts- zum Organisationsaufbau hätten die Jeunes-
abgeordneten des Bas-Rhin gewählt, ab extremen Großparteien – des FN und des ses identitaires in Paris und Lyon nur einige
1959 amtierte er Jahrzehnte lang als MNR (Mouvement national républicain) Dutzend Personen anziehen können, was als
Oberbürgermeister der elsässischen Me- von Bruno Mégret – von einem Wahlauf- mageres Ergebnis gewertet wird.
tropole Strasbourg. ruf zu seinen Gunsten. Forts. S. 10

: antifaschistische nachrichten 26-2002 9


In Nizza jedoch – dort ist die frühere UR-Füh- Die Wirkung blieb allerdings begrenzt, Keine großdeutschen Sympathien
rungsfigur Fabrice Robert ansässig – sei der da Spieler mit 12,8 Prozent ein eher Nach 1982, im Zuge der Dezentralisie-
harte Kern an Aktivisten örtlich bedeutsam. In durchschnittliches Ergebnis für die ver- rungspolitik – mit der die Linksregierung
dieser Stadt führten die Jeunesses identitaires sammelte extreme Rechte erhielt. unter Präsident François Mitterrand einige
am 12. Oktober eine erste (örtliche) öffentli- Der Regionalismus in dem relativ tatsächliche Exzesse der vormaligen Zen-
che Demonstration durch: 20 Anhänger for- wohlhabenden, und an sozialen Konflik- tralstaatspolitik auszugleichen suchte –
derten im Garten der Stadtbibliothek, eine ten eher armen, Elsass ist damit vorwie- versuchte man von Amts wegen, dem El-
dort befindliche Lenin-Statue abzubauen. gend durch die Rechte aller Schattierun- sässischen wieder einen Platz etwa in den
Wie durch ,Le Monde’ vom 26. Oktober be- gen geprägt. Das ist ein Unterschied zu Schulen einzuräumen. Ab 1982 wurden
kannt wurde, haben die vier Tatverdächti- anderen französischen Landesteilen wie erste Abkommen zwischen der Schulver-
gen, die am 15. September den Priester der Korsika oder der Bretagne, wo die evi- waltung und den staatlichen Behörden ge-
Pariser Vorstadt Saint-Denis wegen seiner dente wirtschaftliche Benachteilung zu- schlossen, die dem Elsässischen als Unter-
Unterstützung für Sans papiers tätlich ange- nächst zu Bewegungen führten, die sich richtssprache Eingang in das Bildungswe-
griffen hatten (AN berichtete in der Rubrik eher marxistischer oder antikolonialer Be- sen verschaffen sollte. Doch nach Ansicht
,Ausländerpolitik‘), sich ebenfalls den ,Jeu- freiungs-Rhetorik bemühten, bevor sie vieler Beobachter war es zu spät: Die jun-
nesses identitaires’ angeschlossen. Im Zuge oftmals ebenfalls nach rechts glitten. Der ge Generation beherrschte kaum mehr das
von Hausdurchsuchungen bei den früheren Regionalismus kann jedoch ebenso Sache Elsässische. „Die angestrebte Zweispra-
UR-Aktivisten förderte die Polizei bei einem der – relativ – Reichen wie der Benachtei- chigkeit hätte 15 oder 20 Jahre früher viel-
von ihnem, dem 35-jährigen Hervé Lalin, ligten sein. Lediglich in den späten Sieb- leicht funktionieren können“, meint Ro-
eine Liste mit persönlichen Daten von 10 Pro- ziger Jahren gab es Bemühungen, auch land Pfefferkorn, Professor für Soziologie
minenten zutage. Es handelt sich teilweise den elsässischen Regionalismus progres- an der Universität Strasbourg und Autor
um Linke, wie den Krimi-Autor Didier Dae- siv, oder eher links-ökologisch aufzula- eines Artikels über „Die Bilanz des Bilin-
ninckx, und teilweise um Vertreter des Estab- den, als Anti-Atomkraft-Gruppen gegen gualismus im Elsass“. „Doch wenn ich in
lishments wie den Pariser Bürgermeister Ber- den Bau von Reaktoren etwa in Fessen- den Neunziger Jahren meinen kleinen
trand Delanoë. Der frühere Bedienstete einer heim kämpften und dabei auch Land- Bruder in einer Schule in einer lothringi-
Security-Gesellschaft hat sich die Daten schaftsschutz und elsässische Mundart für schen Kleinstadt abholen ging, dann fiel
wahrscheinlich beschaffen können, als er ihre Zwecke bemühten. Nach 1981 aber mir auf, dass so gut wie alle Kinder unter
beim Sicherheitsdienst des Pariser Buchver- gingen diese Bewegungen, wie im übri- sich auch in ihrer Freizeit Französisch
lags Gallimard beschäftigt war. Die Polizei gen Frankreich, darnieder. sprachen. Mit dem Wechsel der Genera-
prüft, so ,Le Monde’, seitdem, ob den 10 Be- Bewaffneten Ausdruck wie andernorts tionen hat sich da einiges verschoben.“
troffenen verdächtige Bewegungen rund um hat dieser, eher konservativ geprägte, Re- Die Reform zur Einführung der Zweispra-
ihre jeweilige Wohnadresse aufgefallen gionalismus eigentlich nie gefunden. Je- chigkeit im Schulunterricht stieß auf viel
sind. denfalls, wenn man von einer Kleingrup- Kritik, weil sie tatsächlich eine große
Ferner gibt es auch anderweitige Bestrebun- pe versponnener Nostalgiker Nazi- Merkwürdigkeit aufweist: Sie führt zu der
gen, die (durch den Niedergang bzw. „Ver- deutschlands absieht, die in den späten fast einmaligen Situation, dass in einer
rat“ des MNR) verwaiste Szene der Ultrara- 80er Jahre unter dem martialischen Na- grenznahen europäischen Region die offi-
dikalen neu zu organisieren. Am 9. Novem- men „Schwarze Wölfe“ firmierte. Sie zielle Sprache des Nachbarstaats zur Un-
ber zog der Aufruf einer Plattform namens unternahm vor allem einen Bombenan- terrichtssprache erhoben wird. Denn in der
„Maisons de l’identité“ (Haus der Identität) schlag auf die KZ-Gedänkstätte in Strutt- Praxis wird in den Schulen, jedenfalls als
rund 900 Personen, darunter äußerlich er- hof. Die Handvoll Aktivisten des Grüpp- Schriftsprache, nicht Elsässisch gelehrt,
kennbare gewaltbereite Neonazis, in den Pa- chens, die allesamt in betagtem Alter wa- sondern gewöhnliches Hochdeutsch.
riser Veranstaltungssaal Salle de Wagram. ren, konnten jedoch rasch dingfest ge- Wer deswegen aber bereits vor seinem
Eine Gegendemonstration zog rund 200 Per- macht werden. Die offene Nazi-Nostalgik geistigen Auge die Armee eines künftigen
sonen aus Antifa-Organisationen, Grünen dieser Gruppe, oder der 1993 verbotenen Großdeutschland durch die Straßenzüge
und einer linken jüdisch-pazifistischen Grup- Neonazi-Gruppe HVE (Heimattreue Ver- von Strasbourg ziehen sieht, darf sich be-
pe an. Zuvor hatten die Grünen im Pariser einigung Elsass) – das elsässische Pen- ruhigen. Dafür ist die heutige Schülerge-
Rathaus das Stattfinden der Neonazi-Messe dant der in der BRD ebenfalls verbotenen nerationen nicht zu begeistern. „ Meine
– die der Grünen-Erklärung zufolge „nicht HVD (Heimattreue Vereinigung Deutsch- Erfahrung ist,“ sagt Roland Pfefferkorn,
zufällig am Jahrestag der so genannten ,Kris- lands) –, zieht jedoch heutzutage so gut „dass jene Kinder, die bereits in der
tallnacht’ statffindet, da diese Leute die Ge- wie niemanden an. Denn zwar hatten vie- Grundschule auf Deutsch unterrichtet
schichte kennen“ – öffentlich verurteilt. Zu le Elsässer nach der Wiederangliederung wurden, später die deutsche Sprache ab-
den Podiumsdiskutanten gehörten Pierre Vial, an Frankreich 1918 teilweise pro-deut- und allein Englisch als Zweitsprache wäh-
der Rassenideologe der Gruppierung Terre sche Sympathien gehegt, da die Zentralre- len. Da die gelehrte Hochsprache nicht ih-
et peuple (Volk und Erde), der im Oktober gierung und ihre Behörden oftmals örtli- rem Umgangssprechen und auch nicht
2001 den MNR verließ ; Robert Spieler von che Bevölkerungen kollektiv für ihre Hal- dem ihrer Eltern entspricht, bedeutet der
den rechtsextremen elsässischen Regionalis- tung unter dem willhelminischen Staat doppelsprachige Unterricht einen Mehr-
ten (siehe neben stehenden Artikel) ; Eric Del- oder ihre Deutschsprachigkeit abstraften. aufwand an Pauken für diese Kinder. Ge-
croix, ein bekannter Geschichtsrevisionist und Doch die extrem brutale Eingermanisie- wöhnlich haben sie vom Deutschen dann
Anwalt, der früher für den FN und später den rung, die der NS-Staat betrieb, hatte diese die Schnauze voll.“ Lediglich ökonomi-
MNR kandidierte; aber auch Le Pens lang- Sympathien in den frühen 40er Jahren sche Entscheidungsträger wie höhere An-
jähriger persönlicher Anwalt Georg-Paul rasch erlöschen lassen. Nach 1945 wollte gestellte ließen ihre Kinder bewusst
Wagner. Unterschiedliche Strömungen der nur eine verschwindende Minderheit von weiterhin Deutsch lernen, da sie an die
extremen Rechten waren vertreten. Elsässern zurück nach Deutschland bli- wirtschaftlichen Konsequenzen für ihren
Und schließlich hat die frühere „Nummer cken. Die staatliche Zugehörigkeit zu Nachwuchs denken. Als Einfallstor eines
Zwei“ des MNR, Jean-Yves Le Gallou, am 4. Frankreich wurde von kaum jemandem neuen Anschlussprojekts wird die elsässi-
Dezember die Gründung einer – theoreti- ernsthaft kritisiert, und die französische sche Sprachregelung wohl kaum taugen.
scher Arbeit gewidmeten – Stiftung namens Sprache begann – als Medien-, Bildungs- Als soziales Distinktionsmerkmal für eine
Polemia bekannt gegeben. und dann auch Alltagssprache – den el- heranreifende Elite, nahe der wichtigsten
Bernhard Schmid, Paris ■ sässischen Dialekt allmählich zu verdrän- innereuropäischen Sprachgrenze, aber
gen. vermutlich schon. Bernhard Schmid ■

10 : antifaschistische nachrichten 26-2002


: ausländer- und asylpolitik

Das Flüchtlingsschiff „Transit“


hat am 10. Dezember um 11.30
Köln erreicht. Anlegen konnte
das zehn Meter hohe Containerschiff
allerdings stundenlang nicht, denn die
Flüchtlingsinitiativen Rom e.V., kein
mensch ist illegal und Pro Roma blo-
ckierten das Anlegen des Schiffes im
Deutzer Hafenbecken mit Abseil-aktio-
nen an der Kaimauer und einer Beset-
zung des Schiffsdaches.

Auf dem Flüchtlingsschiff sind nicht etwa


Flüchtlinge angereist, die in Köln Schutz
und Hilfe suchten. Es ist vielmehr vom
Wohnungsamt der Stadt Köln bestellt, um
hier bis zu dreihundert Frauen, Männer
und Kinder einzuweisen. Michael Schlei-
cher, zuständig beim Wohnungsamt Köln,
ließ es sich nicht nehmen, zum Hafen zu

„Schiffe sind zum Reisen da, nicht zum Wohnen“


in verschiedenen Wohnheimen unterge- treiben. Das ist die kölsche Version des
bracht waren, zum anderen in Köln neu Jahrzehnts der Integration.
ankommende Flüchtlinge. Vor allem für Albrecht Kieser, kölner netzwerk
die Kinder ist das Wohnen auf dem kein mensch ist illegal ■
Schiff schlecht und
gefährlich. Viele
von ihnen, die
schon seit Jahren in
Köln leben, werden
aus Schule, Kin-
dergarten und sozi-
alem Umfeld her-
ausgerissen und auf
dem Schiff isoliert.
Doch auch für die
Erwachsenen wird
das Leben auf dem
engen Schiff ein
Alptraum werden.
Köln schafft immer
schlechtere Bedin-
gungen für Flücht-
linge, um sie aus
der Stadt zu ver-

Demonstration zum 1. Todestag von Achidi John


kommen, um sein Schiff zu begrüßen. Hamburg. Am Donnerstag, den 12. Dezember 2002, fand in Hamburg eine De-
Schon der erste Eindruck dieses neuen monstration zum ersten Todestag von Achidi John statt. Achidi John wurde am 12.
Unterbringungsortes für Flüchtlinge ent- Dezember 2001 für tot erklärt, nachdem er infolge eines Brechmitteleinsatzes am 9.
setzt die Aktivisten vor Ort: Dezember 2001 ins Koma fiel.
„Die Metallcontainer sind zu drei Stock- Auf dem Hansaplatz in St. Georg hatten sich bei Temperaturen um -5°C rund 200
werken gestapelt. Die Wohnzellen sind Leute versammelt. Dort war Achidi John vor einem Jahr festgenommen worden.
nicht größer als 8 Quadratmeter und sind Nach einer Rede ging die Demonstration los. Vor dem ,Drob Inn‘ fand die erste
mit einem Etagenbett, einem Einzelbett Zwischenkundgebung statt. Das ,Drob Inn‘ ist ein Druckraum in dem Junkies unter
und einem Plastiktisch ausgestattet. Of- hygienischen Bedingungen ihre Drogen konsumieren können. Er soll verlagert wer-
fenbar sollen hier demnächst in einer Zel- den, obwohl sich seit seinem Bestehen die Situation im Stadtteil für Anwohner und
le drei Menschen leben“, beschreibt Hele- Junkies deutlich verbessert hat. „Was den Junkies hilft, hilft auch dem Stadtteil.“
ne Schmitt (kein mensch ist illegal) die Die angemeldete Route durch die Innenstadt war mit den üblichen Argumenten (po-
„Transit“. 160 Flüchtlinge will die Stadt tentielle Gewalttäter, zu viel Aufwand für die Polizei für Sicherheit zu sorgen, etc.)
hier sofort unterbringen. Zum einen jene verboten worden. Alle Straßen in Richtung Innenstadt waren von der Polizei gesi-
Roma, die monatelang auf dem verseuch- chert. Weitere Zwischenkundgebungen folgten am Gänsemarkt (viele Passanten)
ten Gelände in Kalk unter krank machen- und am Gorch-Fock-Wall (Staatsanwaltschaft). Die Demo endete auf dem Achidi-
den und unwürdigen Bedingungen in John-Platz im Schanzenviertel. Quelle: www.indymedia.de ■
Containern lebten und jetzt für kurze Zeit

: antifaschistische nachrichten 26-2002 11


Algermissen (Kreis Hildes-
heim). Auf Initiative der Antifa- Gegen das „Unter den Teppich
schistischen Aktion Hannover
und anderer Gruppen, darunter Autonome kehren“ – Aufbau antifaschistischer
Antifa (M) Göttingen und das Aktions-
bündnis „Langenhagener gegen Rechte
Strukturen fördern
Gewalt“ fand am 16.11.2002 eine De-
monstration im Dorf Algermissen (8700 Möglichkeit zum Überleben!... Es wird Rechte Einwohner trauten sich, am
Einwohner) statt. Etwa 400 (darunter sehr noch hunderte Orte wie Algermissen ge- Rand der Demonstration herum zu fei-
wenig Algermissener) beteiligten sich. ben, in denen ein rassistischer Mob zu- xen – allerdings war mehr Polizei im Ort
Motto der aufrufenden antifaschistischen schlagen kann und Erfüllungsgehilfe des angerückt als Teilnehmer der Demon-
Gruppen: „Deutsche Realitäten angreifen, völkischen Mainstreams sein wird. stration zugegen waren. Der Demonstra-
Rassismus bekämpfen, Antifaschistische Grundsätzlich bedeutet dies, den Kapita- tion positiv gegenüberstehende Einwoh-
Strukturen aufbauen“ Unterstützt wurde lismus im Ganzen, als eine mörderische ner waren weniger am Rande der De-
die Demonstration neben anderen autono- Form der Unterdrückung, zu entlarven... monstration vertreten, eher noch am
men Kräften u.a. vom Landesverband der Realitätsnah, ohne die Perspektive einer Bahnhof bei der Auftaktkundgebung.
VVN/BdA Niedersachsen, der SJ - Die sozialen Revolution, bedeutet dies aber Der Redner der VVN/BdA, Landesspre-
Falken, KV Braunschweig und Wolfs- auch, sich mit den Flüchtlingen zu soli- cher Gerd Bornemann, der auch die De-
burg; der Kooperativen Flüchtlings Soli- darisieren und sie vor dem Mob von monstration angemeldet hatte, wies dar-
darität, [‘solid] Hannover und Linksruck StammtischtäterInnen, Nazis und Stadt auf hin, dass jahrelang ein faschistischer
Hannover sowie den PDS-Abgeordneten zu beschützen.“ Verlag um Tanja Bügel und Markus Pri-
im Regionalparlament Hannover und dem Inwieweit diese Positionen mit der Re- venau aus Algermissen unbehelligt sei-
PDS-Kreisverband Hildesheim. Ziel war, alität übereinstimmen, wurde hier bislang tens der Gemeinde seine Hetze betreiben
die öffentliche politische Passivität der nicht in einer öffentlichen antifaschisti- konnte. Gemeindedirektor Faubel hatte
meisten Einwohner Algermissens und schen Veranstaltung diskutiert. Es dürfte erklärt: „Wenn es hier eine organisierte
insbesondere der politisch Verantwort- mindestens fragwürdig sein, den Ras- Szene (gemeint: rechtsextremer Hinter-
lichen in Algermissen nach den am 31.8. sismus in der BRD Anfang der neunziger grund, d.Verf.) gebe, hätte ich zwölf Jah-
und 1.9.2002 stattgefundenen pogromar- Jahre von den damaligen kapitalistischen re lang geschlafen“ (Hamelner Zeitung,
tigen ausländerfeindlichen Ausschreitun- Interessen zu separieren. Ebenfalls ist die 6.9.2002)
gen gegen Asylbewerber in der Armen- Aussage doch recht oberflächlich, „Da- Inzwischen hat die Nachbereitung sei-
und Flüchtlingsunterkunft in Algermissen bei erweisen sich organisierte Neonazis tens der Antifaschistischen Aktion Han-
zu missbilligen (siehe AN Nr. 19/02). Bei und rassistische Schläger als Handlanger nover stattgefunden. Sie wertete die De-
den Ausschreitungen im Spätsommer des deutschen Biedermanns.“ Es dürfte monstration als Erfolg, befasste sich mit
wurden drei Flüchtlinge verletzt und an- doch eher andersherum sein. Der deut- der Kritik innerhalb der Linken und stellt
dere mussten um ihr Leben fürchten. sche Biedermann als Handlanger der or- fest: „Der Gemeindedirektor in Alger-
Kernaussagen des Aufrufs waren: ganisierten Faschisten. Der Aufruf mach- missen Fred Faubel, der u. a. öffentlich
„Rassismus fällt nicht vom Himmel, son- te sich wenig Mühe, die Situation vor Ort behauptete, >die Unterbringung von 18
dern ist ein fester und gewollter Bestand- genau zu untersuchen, sondern pauscha- Flüchtlingen in einem Dorf führe fast
teil dieser Gesellschaft... Der deutsche lisierte: „Auf den Straßen von Algermis- zwangsläufig zu negativen Vorkommnis-
Mob setzt die bürgerliche Definition der sen herrscht rassistische ,Betriebsam- sen<, äußerte sich im Anschluss an die
„Schicksalsgemeinschaft aller Deut- keit’, immer wenn gerade mal ein soge- Demonstration wie folgt: >Damit ist das
schen“ durch rassistische Vertreibung be- nanntes Volksfest auf dem Plan steht, Thema beerdigt.< Nicht nur um diesem
flissen in die Tat um. Dabei erweisen sich werden rassistische Stammtisch- Parolen etwas entgegenzusetzen, sondern vor-
organisierte Neonazis und rassistische in die blutige Tat umgesetzt. So wurde nehmlich aus dem Beweggrund heraus,
Schläger als Handlanger des deutschen das örtliche Asylheim mehrmals von ei- positiven Einfluss auf die politische Mei-
Biedermanns... Der rassistische Terror nem rassistisch aufgeheizten Mob ange- nungsbildung in Algermissen zu neh-
hat heute einen anderen Hintergrund als griffen.“ Der Niedersächsische Flücht- men, plant die Antifaschistische Aktion
vor zehn Jahren. Rassismus besteht aus lingsrat unterstützte den Aufruf und die Hannover eine Podiumsdiskussion zum
Ressentiment plus Rentabilitätserwä- Demonstration nicht, beteiligte sich je- Thema Rassismus vor Ort durchzufüh-
gung... Auch wenn die Interessen von doch an der kritischen Diskussion im ren. Als Podiumsgäste sind sowohl Refe-
Elite und Mob sich zuweilen widerspre- Internet-Forum der antifasch. Aktion rentInnen der örtlichen Politik und des
chen – in der Umsetzung rassistischer Hann.(siehe www.antifa-hannover.de un- kommunalen Präventionsrates, sofern
Ideologie ergänzen sich beide prächtig. ter algermissen Rubrik interaktiv). Auch dieser bereits Bestand hat, sowie Vertre-
Die neue globale Weltordnung und lokale im Kreisverband der PDS Hildesheim terInnen des Niedersächsischen Flücht-
faschistoide Schläger sind somit nur zwei wurde heftig diskutiert. lingsrates, der Antifaschistischen Aktion
Seiten derselben Medaille. Die hiesigen Bürgermeisterin Ursula Ernst, CDU- Hannover und des VVN/BdA angedacht.
Völkischen müssen daher als höhnische Landtagsabgeordnete, rief öffentlich ge- Der Sinn einer Podiumsdiskussion liegt
Karikaturen der neoliberalen Utopien der gen die Demonstration auf. Die SPD einerseits darin begründet, der Gesell-
Neuen Mitte begriffen werden und als schloss sich der CDU an. Das ist insofern schaft ihren Spiegel vorzuhalten und
deren konsequente Vollstrecker... Nicht ein Rückschritt, da z.B. der stellvertre- zielt andererseits darauf ab, den Aufbau
zu vergessen ist auch, über Fluchtursa- tende Bürgermeister Reinhard Bähre antifaschistischer Strukturen zu fördern.
chen und Migration nachzudenken. Im (SPD) in einem Leserbrief vom 9.9. deut- Des weiteren fordern wir die Algermis-
Zeichen marktstrategischer kapitalisti- liche Worte gegen die Ausschreitungen sener dazu auf, konkrete antirassistische
scher Globalisierung, deren Auswirkung fand: „Wir müssen aber der Tatsache ins Handlungsstrategien aus ihrem Bekennt-
die Verreicherung der 1. Welt und die Auge sehen, dass die in Algermissen be- nis zur Weltoffenheit und Toleranz abzu-
Verarmung der sogenannten 3. Welt ist, gangenen Anschläge klare rechtsradikale leiten. Antifaschistische Initiativen wer-
wird überhaupt Migration produziert. fremdenfeindliche Hintergründe hatten den von uns unterstützt und gefördert“
Denn wo es Krieg gibt, wo der Hunger und die Täter bundesweit, so haben es die ( www.puk.de/aah/aah - dort unter: Nach
und Elend einen in den Wahnsinn treiben, polizeilichen Ermittlungen ergeben, ein- der Demo ist vor der Demo - Nachberei-
ist Flucht oder Emigration die einzige schlägig in dieser Szene bekannt sind.“ tungspapier). raj ■

12 : antifaschistische nachrichten 26-2002


Die Europäische Union verein-
heitlicht die Innen- und Justiz-
politik. Ziel der Übung ist es,
Eindämmen, abgrenzen,
die Chancen auf Asyl in Europa weiter
einzuschränken. Bereits in den Her-
wegschieben
kunftsregionen sollen die Wande- „Ausländer raus“-Initiativen der EU-Kommission
rungsströme eingedämmt werden, die
Abschüblinge in Baden-Württemberg
EU-Außengrenzen werden weiter aus- kooperieren schlecht Assoziations- und Kooperationsabkom-
gebaut. Wenn das alles nichts hilft, men Standardklauseln zur Rückübernah-
dann wird abgeschoben, was das Aufgrund der nationalen Erfahrungen sol- me eingefügt werden. Wer mit der EU zu-
Zeug hält. len Elemente einer integrierten Abschiebe- sammenarbeiten will, der hat mit seinen
politik herausgearbeitet werden. Gute Bürgern so zu verfahren, wie es die EU
„Gemeinschaftspolitik zur Rückkehr ille- Ideen für ihre menschenfeindlichen Ab- will. Die Kriterien, nach denen die Staaten
gal aufhältiger Personen“ der Titel des sichten bekommt die Kommission fast ausgewählt wurden, lauten folgerichtig
Grünbuchs der Europäischen Kommis- von überall. Roland Eckert, seines Zei- „Wanderungsdruck auf die EU“, „regiona-
sion, mit dem sie im April die Richtlinien chens Ministerialdirigent im baden-würt- le Kohärenz“ und „geographische Nähe“,
tembergischen Innenministerium, hält es denn natürlich will die EU möglichst viele
Algermissen beispielsweise für eine Unverschämtheit „illegal Aufhältige“ mit einer Klappe
der Ausländer, wie wenig sie bei ihrer Ab- schlagen.
schiebung in Hunger, Verfolgung, Folter Ein Pilotabschluss mit Hongkong pas-
und Krieg behilflich sind. siert Anfang Dezember das Europäische
Im Amtsdeutsch klingt der Zorn des Parlament und tritt dann bald in Kraft. Die
Bürokraten dann folgendermaßen: „Aus Besitzer eines Hongkonger Reisepasses
den Erfahrungen der letzten Jahre beim erhalten eine dreimonatige Visumsfreiheit
Vollzug des Ausländerrechts durch die in der EU, im Gegenzug verpflichten sich
Ausländerbehörden des Landes Baden- beide Vertragsparteien, Abschiebefragen
Württemberg weiß ich, welche Schwierig- beschleunigt zu bearbeiten. Auch Perso-
keiten bestehen, Ausländer gegen ihren nen aus anderen Staaten, die Hongkong
Willen in ihre Heimat abzuschieben. Von nur als Transitland durchquert haben, kön-
der mangelnden Mitwirkungsbereitschaft nen dorthin „zurückgeführt“ werden. Läs-
ihrer Politik formulierte, sagt bereits eini- bei der Beschaffung eines Heimreisedoku- tige Staatsbürgerschaftsnachweise, die bis-
ges aus über die Politikvorstellung der ments über das Vortäuschen von gesund- her teilweise Abschiebungen verhindert
Urheber zum Thema Justiz und Inneres. heitlichen Beeinträchtigungen bis hin zu haben, bleiben den Behörden dabei künf-
Das Grünbuch ist eine Art Zwischenbe- renitentem Verhalten am Tag der Abschie- tig erspart. Die Beweisführung, wonach
richt der Kommission, in dem sie den bung müssen vielfältige Schwierigkeiten Personen über Hongkong eingereist sind,
bisherigen Prozess begutachtet und über- bewältigt werden. Dabei zeigt die Erfah- wird vereinfacht.
legt, wie sie Migranten weiter behindern rung, dass viele Ausländer bereit sind, alle Denn: Nicht nur offizielle Dokumente
und Asyl unmöglich machen kann. sich bietenden Möglichkeiten zur Verlän- wie Visumseinträge im Pass erlauben
Im Oktober 2002 legten die Verfasser gerung ihres Aufenthaltes auch über die künftig die Abschiebung, schon Hotel-
dem Grünbuch ungewöhnlich schnell ein Grenze des Missbrauchs der Gesetze hin- rechnungen, Arzttermine in Hongkong
so genanntes Weißbuch nach. Dabei ba- aus auszuschöpfen. Ich schlage vor, dies oder Passagierlisten reichen nunmehr aus.
siert diese offizielle Mitteilung an den bei den weiteren Überlegungen der Kom- Weil Ärzte, Hotels und Fluggesellschaften
Rat und das Europaparlament auf den Er- mission stärker zu berücksichtigen, um aber die Namen ihrer Kunden nicht über-
gebnissen des informellen Innenminister- unnötige Anreize für solches Verhalten zu prüfen, können solche Belege gefälscht
treffens in Kopenhagen im September vermeiden, Sanktionen sollten für entspre- werden. Das ist aber nicht wirklich nötig,
2002. chendes Verhalten vorgesehen werden.“ weil auch „Prima Facie Evidence“, also
Bereits das Inhaltsverzeichnis erweckt Dementsprechend will die EU-Kom- Beweise des ersten Augenscheins wie „of-
den Eindruck, eher das Programm der mission mit den Herkunfts- und Transit- fizielle Aussagen“ der Grenzbehörden, ab-
NPD vor sich zu haben, als ein Politik- ländern der Flüchtlinge stärker zu- gehörte Aussagen der Person selbst, Infor-
konzept der EU. Einige beispielhafte Ka- sammenarbeiten, sowohl auf administrati- mationen einer „internationalen Organisa-
pitel des Weißbuchs heißen dementspre- ver, als auch auf operationaler Ebene, um tion“ und auch Informationen von Mitrei-
chend „Konzentration auf die Rückkehr die Abschiebepolitik so effektiver zu ge- senden ausreichen, um jemanden nach
illegal aufhältiger Personen, Zusammen- stalten. Deshalb sind umfangreiche Hongkong abzuschieben.
arbeit mit den Herkunfts- und Transitlän- „Rückübernahmeabkommen“ mit den Die Wünsche des Ministerialdirigenten
dern im Bereich Rückkehr und Rück- Hauptursprungsländern der Migration aus Baden-Württemberg wurden also er-
übernahme, Bewährte Praktiken, Regeln nach Europa wie Pakistan, Sri Lanka, Ma- hört.
für die Rückübernahme, Gemeinsame rokko oder Macau geplant. Während die Ilka Schröder, Denkpause 2.12.02 ■
Rückführungsmaßnahmen, Abschiebung“ Rückübernahme von Flüchtlingen früher Informationen aus dem Europaparlament
oder auch „Beendigung des legalen Auf- in Wirtschaftsabkommen vereinbart wur-
enthaltes“. de, werden heute eigene Abschiebeab- Grünbuch „Gemeinschaftspolitik zur Rückkehr illegal
aufhältiger Personen“
Da es noch keine legale Basis für eine kommen verhandelt. http://www.europa. eu.int/eur-lex/de/
EU-weite Zusammenarbeit auf der opera- Anders ausgedrückt: Wurden früher die com/gpr/2002/com2002_0175de01.pdf
tionellen Ebene gibt, also da es bisher Länder mit Wirtschafts- und Entwick- Weißbuch „Gemeinschaftspolitik zur Rückkehr illegal
keine von der EU verwalteten Abschie- lungshilfe erpresst, der EU zu Willen zu aufhältiger Personen“
beknäste oder Asylanerkennungsbehör- sein, mag die EU heute eine solche Ver- http://www.europa.eu.int/eur-lex/de/
com/pdf/2002/com2002_0564de01.pdf
den existieren, sollen mittelfristig ge- bindung gar nicht mehr herstellen. Die Nicholas Busch: Ein „Raum der Freiheit, der Sicher-
meinsame Standards beschlossen werden. Gefügigkeit gegenüber der EU wird vor- heit und des Rechts“?, 2001, www.pds-europa.de/
So wird gewährleistet, dass dann letztlich ausgesetzt, sie muss nicht mehr – wenn materialien/asyl-migra.pdf
alle EU-Staaten auf nationaler Ebene die auch für ein paar Brosamen – erkauft wer- Ilka Schröder zum Thema „Festung Europa“:
gleichen Schweinereien veranstalten. den. Dazu passt, dass in alle zukünftigen http://www.ilka.org/ themen/fe.html

: antifaschistische nachrichten 26-2002 13


: neuerscheinungen, ankündigungen

Auch die Stadt- sität Berlin und der Universität der menschlichen Arbeitskraft Das bekannteste Opfer bei
werke Bremen Bremen Geschichte, Soziolo- - im Interesse ihres Betriebes. der „Säuberung“ des Personals
gie und Politikwissenschaften Marcus Meyer wehrt sich ge- war Heinrich Schütte. Der Di-
waren keine studiert. Seit seinem Magister- gen die bei vielen Bremern rektor der Gaswerke wurde
„Insel der Reinen“ abschluss 2000 beschäftigt er wohl willkommene Einschät- 1934 entlassen. Den neuen
Neues Buch über die sich neben seiner Dissertation zung, dass Zwangsarbeiter in Herrschern war er ein Dorn im
Zwangsarbeit von 1939 bis mit verschiedenen regionalge- der Stadt an der Weser wenig Auge, weil er sich einer
1945 schichtlichen Projekten. zu befürchten gehabt hätten, NSDAP-Mitgliedschaft ver-
Spielräume geschickt weil sie quasi in einem heim- weigert und einer Freimaurer-
Was die IV. Berufungskammer ausgenutzt lichen Bollwerk der Nazigeg- loge angehört hatte. Am Fall
Bremen am 18. Juli 1949 in nerschaft eingesetzt wurden. Heinrich Schütte lässt sich
der Urteilsbegründung zu ei- „Das Buch bedeutet uns viel“, „Fest steht auf der einen Seite, aber auch eine gewisse Wider-
nem Entnazifizierungsverfah- sagte swb-Vorstandsvorsitzen- dass Fremdarbeiter misshan- sprüchlichkeit der Nazi-Politik
ren zu Papier gebracht hatte, der Gerhard Harder bei der of- delt und geschlagen wurden“, nachvollziehen, die nicht sel-
geht wahrscheinlich noch heu- fiziellen Präsentation des 169- so Meyer. Allerdings: „Fest ten hin- und hergerissen war
te vielen Hansestädtern runter seitigen Werkes. Gemeint sei steht aber auf der anderen Sei- zwischen pragmatischen Über-
wie Butter. Kein Wunder sei es als eine ideelle Geste der te auch, dass dies nicht die Re- legungen und einer gnadenlo-
es, „dass unter allen in Bre- Solidarität mit den Opfern der gel war und die Arbeiter im sen Ideologie. Denn der seines
men wirksam gewordenen Na- Zwangsarbeit und als „Mah- Allgemeinen gut behandelt Amtes enthobene Gaswerke-
zis kaum ein Bremer zu finden nung an uns, in unserer eige- worden sind.“ Chef durfte Aufsichtsratsmit-
ist“, heißt es in dem Doku- nen Zeit wachsam zu sein und
ment. Es könne als „notorisch unserer eigenen Verantwor-
feststehend angesehen werden, tung gerecht zu werden“. Jede
dass der Nationalsozialismus Generation habe ihre Spielräu-
den Bremer Hanseaten gegen me und sei verpflichtet, in die-
ihren Willen aufgezwungen sen Freiräumen verantwor-
worden ist.“ Der Historiker tungsvoll zu handeln.
Marcus Meyer weiß es besser. Rund 600 ausländische Ar-
Er untersuchte eingehend beitskräfte, die zwischen 1940
die Geschichte der Zwangsar- und 1945 bei den Bremer
beit bei den Bremer Stadtwer- Stadtwerken gearbeitet hatten,
ken von 1939 bis 1945, bis sind namentlich bekannt ge-
1942 ein staatliches Unterneh- worden. Der Jüngste von ih-
men. Sein Fazit, das auch für nen war 13, der älteste 67 Jah-
die anderen Firmen in der re alt. Dass so viele von ihnen
nordwestdeutschen Metropole identifiziert werden konnten,
gültig sein dürfte: „Von einer ist eine Besonderheit - und es
ablehnenden Einstellung ist zwei Kartons zuzuschrei-
gegenüber dem Nationalsozia- ben, die vor einiger Zeit im
lismus, wie sie die Spruch- Hauptgebäude der swb AG ge-
kammer nach dem Krieg den funden wurden.
Bremern generell unterstellte, Die meisten Zwangsarbeiter Bremen war in der Blütezeit glied der Vereinigung Deut-
kann für die Zeit nach der bei den Stadtwerken wurden des Hakenkreuzes keine „Insel scher Gaswerke bleiben, einer
Gleichschaltung bei den Stadt- im Bereich des Gaswerkes und der Reinen“. Aber dass hier bedeutenden Interessenvertre-
werken nur am Rande die in der Kabelabteilung ge- manch ein Funktionsträger sei- tung der kommunalen Gasver-
Rede sein.“ braucht. Ein erster Beleg für ne Befugnisse und Spielräume sorger. Dagegen regte sich
1999 hatte der Vorstand der eine Anforderung von stärker im positiven Sinne aus- zwar Kritik aus Kreisen der
swb AG, der Rechtsnachfolge- Zwangsarbeitskräften – 50 an zunutzen verstand als in vielen Partei, aber der Bürgermeister
rin der Bremer Stadtwerke be- der Zahl – stammt aus der Ge- anderen Gegenden Deutsch- und der Wirtschaftssenator
schlossen, sich mit der Ge- schäftsleitung des Gaswerkes lands, darf dann doch behaup- verteidigten die Funktion
schichte des Unternehmens und datiert vom Juli 1940. tet werden. Schüttes – mit der Begrün-
während der Herrschaft des Über die Lebenslagen der Hin und her gerissene dung, dass er einen 25-prozen-
Nazi-Regimes gründlich aus- Zwangs- und Fremdarbeiter NS-Politik tigen Kapazitätsabbau zu Gun-
einander zu setzen. So kam sollte nichts Verallgemeinern- sten der Norddeutschen Hütte
der erst 27-jährige Wissen- des geäußert werden, wünscht Schon wenige Monate nach wieder aufgefangen habe.
schaftler Marcus Meyer zu sich Meyer. Denn: „Die ras- der Machtübernahme durch Zum Nachfolger von Hein-
seinem Auftrag. Er verfasste senideologischen Vorgaben die Nationalsozialisten forder- rich Schütte avancierte Frie-
das Buch „...uns 100 Zivilaus- auf der einen und die kriegs- te das „Gesetz zur Wiederher- drich Hopf, der es bereits 1933
länder umgehend zu beschaf- wirtschaftlichen Notwendig- stellung des Berufsbeamten- zum SA-Obersturmführer ge-
fen – Zwangsarbeit bei den keiten auf der anderen Seite tums“ auch bei den Bremer bracht hatte. Dem einstigen
Bremer Stadtwerken 1939- hatten zum Teil völlig gegen- Stadtwerken seinen Tribut. Teilnehmer des Hitler-Put-
1945 “, das nun im Verlag Edi- sätzliche Maßnahmen zur Fol- Durch zahlreiche Kündigun- sches 1923 war trotz seiner
tion Temmen erschienen ist. ge.“ Während die Rassen- und gen wurde Platz für die „Par- menschenverachtenden ideo-
Dabei kooperierte Meyer eng Sicherheitspolitiker auf den teigenossen“ geschaffen. Zwi- logischen Grundlage eigenes
mit dem Institut für Regional- geschaffenen Hierarchien be- schen 1933 und 1934 wurden menschliches Verhalten nicht
und Sozialgeschichte an der harrten, bemühten sich die 162 Mitarbeiter „gefeuert“, fremd – vor allem dann nicht,
Universität Bremen. Der Autor Unternehmer um eine mög- davon die meisten bei den wenn es im Sinne seines
hatte an der Humboldt-Univer- lichst effektive Ausnutzung Gas- und Wasserwerken. Unternehmens lag. Gerade

14 : antifaschistische nachrichten 26-2002


Friedrich Hopf war sehr an einer inner- men AG auf – und das trotz seiner Zuge- außerdem in der Lage sind, sich die But-
betrieblichen Versorgung auch der Ostar- hörigkeit zu einer Freimaurerloge, ter fingerdick aufzuschmieren, trägt
beiter gelegen, beschaffte ihnen zusätzli- wegen der sein NSDAP-Mitgliedsantrag nicht zur Erhöhung der Sympathie bei.“
che Nahrungsmittel. Damit die sowjeti- abgelehnt worden war. „In der Wahl von Ende 1942 wurden die Schwierigkei-
schen Arbeitskräfte einsatzfähig bleiben Matthias zum Vorstandsvorsitzenden ten der Nazis größer, das Bild zu halten,
konnten, verstieß er sogar gegen die Ver- zeigte sich deutlich der Vorrang wirt- dass die Nazipropaganda von den
sorgungsrichtlinien. Auch im Umgang schaftlicher vor ideologischen Interes- „stumpfsinnigen und ungebildeten“ Rus-
mit Zwangsarbeitern, die sich unrecht- sen“, meint Buchautor Meyer. sen gezeichnet hatte. Der Sicherheits-
mäßig verhalten hatten, fiel Hopf durch Zeitzeugen und Dokumente beschrie- dienst (SD) mahnte sogar eine Überar-
eine relative Milde auf. Nach dem Zwei- ben Matthias als jemanden, der weltan- beitung der Propaganda an. Gerade in
ten Weltkrieg wurde der Direktor der schaulich keineswegs von den Nazis Arbeiterkreisen werde nämlich festge-
Gas- und Wasserwerke – ab 1943 zusätz- überzeugt war und berufsbedingte Spiel- stellt, dass die Russen doch recht intelli-
lich Dienststellenleiter des Wehrkreisbe- räume geschickt auszunutzen verstand. gent und von schneller Auffassungsgabe
auftragten X in Bremen und Gauamtslei- Erst 1942 verlor der Direktor seinen Ein- seien. Außerdem verfügten sie durchaus
ter für Technik – zu zwei Jahren Haft fluss; er wurde in den vorzeitigen Ruhe- über Tugenden wie Mut, Vaterlandsliebe
verurteilt. Begründung: Als überzeugter stand versetzt. Nach dem Zweiten Welt- und Kameradschaft.
Nationalsozialist hatte er noch im April krieg wurde er erneut zum Vorstandsvor- Auch in Bremen wurden den Nazis
1945 die Zerstörung von Betriebsanlagen sitzenden der Stadtwerke berufen. Mat- schon bald nach dem Zusammenbruch
der Stadtwerke befohlen – in seiner thias gehörte zu den wenigen Angehöri- des braunen Regimes kaum Knüppel
Funktion als Führer eines Lähmungs- gen der Stadtwerke, gegen deren Wieder- zwischen die Beine geworfen. Marcus
trupps, den der Bremer Bürgermeister einstellung der Betriebsrat kein Veto ein- Meyer wundert sich in seinem Buch
bestimmt hatte. legte. „..uns 100 Zivilausländer umgehend zu
Diesem „alten Kameraden“ stand als Mit den Zwangsarbeitern war das so beschaffen“: „Die Urteile der Bremer
eine Art Mittelsmann zwischen der Be- eine Sache. Sie wurden angesichts des und anderer Spruchkammern und Ge-
legschaft und der Geschäftsleitung der gravierenden Arbeitskräftemangels unbe- richte über die Führungskräfte der Stadt-
gelernte Tischler Richard Beste zur Sei- dingt gebraucht, erzeugten jedoch auch werke fielen allesamt milde aus.“ Zum
te. Er erarbeitete sich schnell den Ruf, einige Unruhe. Suspekt waren sie zum Beispiel wurde der gefürchtete Betriebs-
ein eifriger Denunziant und Gestapo-Zu- Beispiel der NSDAP-Ortsgruppe Bre- obmann Richard Beste lediglich zu einer
träger zu sein. „Betriebsobmann“ Beste men-Hemelingen. Sie beschwerte sich Geldstrafe von 100 Reichsmark verur-
hatte vor seiner neuen Anstellung bei den im Januar 1941 darüber, dass die auslän- teilt. Walter Bolenz, seit 1934 Ingenieur
Gaswerken als Aufseher im Bremer dischen Arbeiter bei den Stadtwerken im Bremer Gaswerk und Leiter des
Konzentrationslager Missler Spuren unzureichend bewacht würden und äu- Werkschutzes, war noch von den Alliier-
hinterlassen: In dem KZ wurden vor al- ßerst unzuverlässig seien. In einem La- ten wegen Gestapo-Aktivitäten und der
lem sozialdemokratische und kommunis- gebericht dieser Parteigliederung heißt Misshandlung von Zwangsarbeitern ge-
tische Aktivisten eingesperrt und miss- es: „Wenn man sieht, wie täglich Hun- sucht worden. Die Bremer Spruchkam-
handelt. Ebenso sorgte das Arbeitserzie- derte ausländischer Arbeiter an dieser mer stufte ihn als „Minderbelasteten“
hungslager Bremen-Farge für ein erheb- bewaffneten Betriebswache vorbeizie- ein. Selbst Stadtwerke-Prokurist Georg
liches Drohpotenzial gegenüber Arbei- hen, fragt man sich, wie viele von diesen Meyer wurde als „Mitläufer“ etikettiert,
tern, die sich nicht so ohne weiteres an Ausländern wohl Doppelverdiener sind, obwohl ihm Misshandlungen von
die „neue Zeit“ anpassen wollten. d.h. auch im Solde Englands stehen. Zu- Zwangsarbeitern eindeutig nachgewiesen
Vorrang wirtschaftlicher Interessen dem bekommen diese ausländischen Ar- werden konnten.
beiter auch Urlaub und ein Teil von ih- Marcus Meyer gesteht den Stadtwer-
Dass sogar „politisch Unzuverlässige“ nen kehrt niemals wieder.“ Und weiter: ken zu, dass bei ihnen nicht von einer
Amt und Würden behalten durften, wenn „Da die meisten ausländischen Arbeiter „Vernichtung durch Arbeit“ die Rede
sie für die Wirtschaft nützlich waren, noch mit England sympathisieren und an sein könne. Dennoch: Der Großteil der
zeigt sich zum Beispiel an Werner Mat- die Leistungen der deutschen Arbeiter Arbeiter sei nicht freiwillig nach Bremen
thias. Er blieb Direktor des Bremer Elek- nicht heranreichen, sind die deutschen gekommen. „Sie waren von ihren Fami-
trizitätswerkes und stieg sogar zum Vor- Arbeiter von diesen Zuständen nicht sehr lien getrennt, rassistischen Anfeindungen
standsvorsitzenden der Stadtwerke Bre- erfreut. Dass die ausländischen Arbeiter und Übergriffen ausgesetzt und liefen je-
derzeit Gefahr, von den deutschen Be-
hörden in Haft genommen zu werden.
Der Herausgabekreis und die Redaktion sind zu erreichen über: Sie unterlagen einer strengen Bewa-
GNN-Verlag, Zülpicher Str. 7, 50674 Köln Tel. 0221 / 21 16 58, Fax 0221 / 21 53 73. chung, waren de facto rechtlos und der
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Erscheint bei GNN, Verlagsges. m.b.H., Zülpicher Str. 7, 50674 Köln. V.i.S.d.P.: U. Bach Willkür ihrer Umgebung ausgesetzt.“
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Die antifaschistischen Nachrichten beruhen vor allen Dingen auf Mitteilungen von Initiativen. Soweit ein-
reiche Illustrationen wird die Lektüre zu-
zelne Artikel ausdrücklich in ihrer Herkunft gekennzeichnet sind, geben sie nicht unbedingt die Meinung sätzlich erleichtert.
der Redaktion wieder, die nicht alle bei ihr eingehenden Meldungen überprüfen kann. Thomas Klaus ■
Herausgabekreis der Antifaschistischen Nachrichten: Anarchistische Gruppe/Rätekommunisten (AGR); Annelie
Buntenbach (Bündnis 90/Die Grünen); Rolf Burgard (VVN-BdA); Jörg Detjen (Forum kommunistischer Arbeitsgemein- Marcus Meyer, ... uns 100 Zivilauslän-
schaften); Martin Dietzsch; Regina Girod (Bund der Antifaschisten, Dachverband); Dr. Christel Hartinger (Friedenszen-
trum e.V., Leipzig); Hartmut-Meyer-Archiv bei der VVN - Bund der Antifaschisten NRW; Ulla Jelpke (PDS); Jochen Koeni- der umgehend zu beschaffen –
ger (Arbeitsgruppe gegen Militarismus und Repression); Marion Bentin, Edith Bergmann, Hannes Nuijen (Mitglieder Zwangsarbeit bei den Bremer Stadt-
des Vorstandes der Arbeitsgemeinschaft gegen Reaktion, Faschismus und Krieg–Förderverein Antifaschistische Nach- werken 1939-1945, Edition Temmen,
richten); Kreisvereinigung Aachen VVN-BdA; AG Antifaschismus/ Antirassismus in der PDS NRW; Angelo Lucifero (Lan-
desleiter hbv in ver.di Thüringen); Kai Metzner (Info Pool Network); Bernhard Strasdeit (MdB-Büro Winfried Wolf); Volk- ISBN 3-86108-678-6, 169 Seiten,
mar Wölk. 19,90 Euro

: antifaschistische nachrichten 26-2002 15


: aus der faschistischen presse
kassierte nicht nur bei Finck. Von einer
Münchner BFB-Kandidatin erhielt er
192 000 Mark. Auch ein Unternehmer
Sprachliche Mimikry „Rückführung in die Herkunftsländer aus Hessen war mit einem sechsstelligen
Nation & Europa 11/12-2002 statt Einwanderung muß daher die Devi- Betrag dabei. Der Intendant des Deut-
Ein Schulbeispiel dafür, wie neofaschis- se verantwortlicher, dem eigenen Volk schen Theaters in München, Heiko Plap-
tische Inhalte sprachlich so verpackt verpflichteter deutscher Politik sein“. perer-Lüthgarth, stellte 500 000 Mark
werden, dass sie auf den ersten Blick gar Gemeint ist die gleiche menschenfeindli- zur Verfügung“. Der Volksmund weiß es:
nicht als solche wahrgenommen werden, ce Politik. Wes Brot ich ess, des Lied ich sing.
liefern in der November/Dezember-Dop- Bei der Vielzahl der Neugründungen tri ■
pelnummer von „Nation & Europa“ die scheinbar bürgerlich reputierlicher
Erstunterzeichner einer „Eisenacher Re- Rechtsparteien fragen sich manchmal „Pro Köln“ bei JN-Kongress
solution“. Diese acht Herren, unter ihnen selbst aktive Antifaschist(inn)en, ob es
Dr. Felix Buck, der frühere NPD-Vorsit- sich dabei nicht tatsächlich „nur“ um am Deutsche Stimme 12-2002
zende Dr. Rolf Kosiek und Konteradmiral rechten Rand des konservativen Spek- Mitte November fand im hessischen
a.D. Günter Poser, zum großen Teil stän- trums angesiedelte Gruppierungen han- Kirchheim der Bundeskongress der Jun-
dige oder gelegentliche Autoren in N & dele, mit denen die Auseinandersetzung gen Nationaldemokraten (JN) statt, be-
E, unterschrieben diese Resolution, die eher in der Diskussion gesführt werden richtet die neueste Ausgabe der „Deut-
vermutlich an das berüchtigte „Heidel- müsse. schen Stimme“. Als Gäste anwesend wa-
berger Manifest“ anknüpfen soll, als Michael Brückner ist da ganz anderer ren dem Bericht zufolge der NPD-Vorsit-
Teilnehmer einer „Fachtagung“ der Meinung: „Warum einigen sich die zende Udo Voigt, der frühere JN-
Deutschen Studiengemeinschaft zum Rechten nicht? Ein Blick in die Partei- Bundesvorsitzende und jetzige stellv.
Thema „Bevölkerungspolitik – Demo- programme zeigt ein hohes Maß an in- NPD-Vorsitzende Holger Apfel sowie
graphischer Wandel und Zuwanderung“. haltlicher Übereinstimmung. Unterschie- Rechtsanwalt Markus Beisicht von der
Ohne allzuviel Phantasie aufwenden de beschränken sich weitgehend auf Ak- „Bürgerbewegung Pro Köln“.
zu müssen, kann sich jede(r), der/die zent und Stil. Dennoch wird von den je- Wörtlich: „Ein Grußwort an die Kon-
Deutsche Studiengemeinschaft kennt, weiligen Parteiführungen so getan, als greßteilnehmer richtete die Vorsitzende
deren rassistische Pläne vorstellen – in- lägen Welten zwischen den politischen der Bürgerbewegung pro Köln, Judith
sofern bietet die Resolution keinerlei Denkansätzen“. Wir danken für die Auf- Wolter, die dies als ein Zeichen patrioti-
Überraschungen. Interessant ist aller- klärung. scher Solidarität in Zeiten von Repres-
dings die Fähigkeit der sprachlichen Tar- Interesante Finanzinterna über Man- sionsdruck und Verbotsdrohung gegen
nung. Was bei Nazischriftsteller Hans fred Brunners gescheiterten Bund freier die Nationaldemokraten verstand.“ Das
Grimm noch deutlich „Volk ohne Raum“ Bürger“ tragen Franz Schönhuber und Auftreten ist auch von daher interessant,
hieß, nennen die akademischen Anzugfa- ein Autor mit dem Kürzel hg an die inter- da „Pro Köln“, die zur Zeit mit einer
schisten so: „Deutschland kann wegen essierte Öffentlichkeit. Auch wenn Fut- massiven Kampagne gegen Moschee-
der Beengtheit seines Raums und seiner terneid und Missgunst den beiden dabei Bauten in Köln von sich reden machen,
Überbevölkerung kein Einwanderungs- die Feder geführt hat, sind die Tatsachen gern jeden neofaschistischen Back-
land sein“. Denn: „Einwanderung ist es wert, zur Kenntnis genommen zu wer- ground bestreiten. Als JN-Vorsitzender
Landnahme...“. Und gegen die, die ei- den: „Auffällig war der finanzielle Auf- löste Stefan Rochow (25 J., früher stellv.
nem Land nehmen wollen, muss „man“ wand des BFB. Brunner verwies auf Bundesvorsitzender der JLO - Junge
sich natürlich wehren. Deshalb kann Ein- ,viele kleine Spender‘. In dem Strafver- Landsmannschaft Ostpreußen) Sascha
wanderung „...langfristig Potentiale für fahren stellte es sich aber heraus, daß es Roßmüller ab. Stellvertreter sind Matthi-
Unruhen oder Bürgerkrieg schaffen“. im wesentlichen eine Quelle gab: den as Brodbeck (Ba-Wü) und Alexander
Wird bei den Straßenzusammenrottun- bayerischen Bankier August von Finck. Delle (Sachsen), als Beisitzer fungieren:
gen der Neonazis noch brutal und un- Der heute 72jährige, ein konservativ ge- Sebastian Behrends, Thorsten Crämer,
zweideutig „Deutschland den Deutschen stimmter Patriot, hatte für den Aufbau Marco Fäßler, Jan Gallasch, Alexander
– Ausländer raus!“ gebrüllt, heißt es in der Partei nach und nach rund 8,5 Millio- Neidlein, Jens Pakleppa, Nico Wedding
der „Eisenacher Resolution“ dezenter: nen Mark an Brunner gezahlt.... Brunner und Oliver Westerwinter. u.b. ■

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