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nachrichten g 3336 3.5.2007 23. jahrg./issn 0945-3946 1,30 ¤
www.antifaschistische-nachrichten.de
Rechtsextremistische
Gruppierung „Sturm 34“
verboten
Der sächsische Innenminister Albrecht
Buttolo hat die aus dem Raum Mittwei-
da stammende rechtsextremistische so
genannte Kameradschaft „Sturm 34“
auf Grundlage des Vereinsgesetzes ver-
boten. Das Verbot gilt mit sofortiger
Wirkung und sei notwendig, da die
Gruppierung sich gegen die verfas-
sungsmäßige Ordnung richtet und ihr
Zweck und ihre Tätigkeit den Strafge-
setzen zuwiderläuft, so das Innenminis-
terium. Durch 25 Mitarbeiter des Regie-
rungspräsidiums Chemnitz als der zu-
ständigen Vollzugsbehörde erfolgte die
Zustellung der Verbotsverfügungen. Sie
richteten sich an 24 Personen, die zum
„harten Kern“ der Gruppierung zählen.
200 Polizeibeamte waren im Einsatz.
Bei Wohnungsdurchsuchungen wurden Bunte Vielfalt statt brauner Mief
u. a. Schreckschusswaffen, Würgehöl- NPD-Aufmarsch in Essen-Borbeck ging in Pfeifkonzert unter
zer, Helme, Masken, Sturmhauben,
rechtsextremes Propagandamaterial, Rundum zufrieden zeigten sich Reiniger erhielt viel Beifall für die Fest-
Fahnen, schriftliche Unterlagen, Hand- die Initiatoren des Runden Ti- stellung, dass Neonazis in Borbeck und
ys, Computer und Datenträger sicher sches gegen Rechts mit der Akti- in ganz Essen unerwünscht sind und
gestellt. on gegen den NPD-Aufmarsch am 21.4. sprach sich für eine offensive Auseinan-
Die Kameradschaft „Sturm 34“ führt 2007 in Essen-Borbeck. Annähernd dersetzung mit der NPD aus. Er hob her-
ihre Bezeichnung auf eine in der Region 1.000 Menschen stellten sich in Borbeck vor, dass hier alle demokratischen Kräfte
während der Zeit des „Dritten Reichs“ „quer“, darunter viele aus dem Stadtteil. gefragt sind, auch wenn sie sonst unter-
stationierte SA-Brigade gleichen Na- Bunte, vielfältige Aussagen gegen Fa- schiedlicher Auffassung sind.
mens zurück. Die Vereinigung besteht schismus und Rassismus prägten das „Stadthistoriker“ Ernst Schmidt aus
aus einem engeren Mitgliederkreis von Bild der Borbecker Innenstadt, während Borbeck erinnerte in beeindruckenden
ca. 40 bis 50 Personen sowie circa 100 die braunen Hetzparolen der über den S- Worten an die Schicksale von jüdischen
Sympathisanten. Sie hatte sich zum Ziel Bahnhof Borbeck angereisten Anhänger Mitbürger/innen und politischen Geg-
gesetzt, eine „national befreite Zone“ in von NPD und Kameradschaften in einem nern des Hitler-Regimes aus Borbeck
Mittweida und Umgebung zu schaffen. gellenden Pfeifkonzert untergingen. während der NS-Zeit. Dieter Seifert,
Ihre Gewaltangriffe richteten sich gegen Erfreulich war aus Sicht der Initiato- stellvertretender DGB-Kreisvorsitzen-
„Andersdenkende“ wie beispielsweise ren vor allem, dass in sehr kurzer Zeit ein der, hatte 500 Trillerpfeifen der ver.di-
Personen aus dem linken Spektrum oder für Essen ausgesprochen breites Bündnis Jugend mitgebracht. Alice Czyborra von
Ausländer. Dabei war den Mitgliedern zustande kam. Es reichte von den Ver- der VVN-BdA sprach sich für einen er-
jede Form der Gewalteinwirkung recht. folgten des Naziregimes bis zur Stadt- neuten Vorstoß zum Verbot der NPD aus,
In diesem Zusammenhang führt die spitze, von einem Verein türkischer und weil Faschismus keine Meinung ist, son-
Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen kurdischer Migranten wie DIDF bis zu dern ein Verbrechen. Voraussetzung da-
einzelne Mitglieder wegen Bildung ei- den Kirchen und dem Borbecker Werbe- für ist, dass Bund und Länder die in die
ner kriminellen Vereinigung und ande- ring CEBO. Den insgesamt 11 Rednerin- NPD eingeschleusten Spitzel endlich
rer schwerwiegender Delikte. nen und Rednern, die bei der gut einstün- aufdecken.
weiter Seite 3 digen Kundgebung sprachen und dieses Auf Initiative des Anti-Rassismus-Te-
Spektrum repräsentierten, wurde bis zu- lefons übermalten Teilnehmer/innen der
Inhalt: letzt aufmerksam zugehört. Kundgebung eine Garagenwand in der
Oberbürgermeister Dr. Wolfgang Rei- Nähe des Platzes, die seit Wochen mit
Frankreich nach dem 1. Durchgang niger (CDU) sprach das erste Mal seit Hakenkreuzen beschmiert war. Einziger
der Präsidentschaftswahl . . . . . . 5 den Aktionen am 1. Mai 2000 bei einer Zwischenfall blieb die kurze, vorüberge-
Zur Entstehung von Feindbildern Kundgebung gegen einen Naziaufmarsch hende Festnahme von zwei autonomen
und ihre gesellschaftliche Funktion, – vielleicht hat die Auseinandersetzung Antifaschisten an einer der Absperrun-
Vortrag von Dr. Erol Yildiz auf der um die unsäglichen Äußerungen des ba- gen der Polizei am Neuen Markt. Den
AN-Tagung am 24.2.07 . . . . . . . . 7 den-württembergischen Ministerpräsi- politischen Erfolg konnte das nicht
denten Öttinger dazu beigetragen. Dr. schmälern. Wolfgang Freye ■
: meldungen, aktionen
„Paneuropa-Tage“ in
Speyer
Speyer. Die „Paneuropa-Union
Deutschland e.V.“ führt ihre „Paneuropa-
Tage“ vom 11. bis 13. Mai im Hotel
„Domhof“ in Speyer durch. Die Tagung
unter dem Motto „Paneuropa: Europa
neu gestalten“ steht unter der Schirm-
herrschaft von Ex-Bundeskanzler Hel-
mut Kohl. In zwei Foren soll über die
Vereinbarkeit von „Religion und Staat“
und über die „Erweiterungsstrategien der
EU“ diskutiert werden. Als Festredner
wird u.a. der ehemalige italienische Kul- Ratsbeschluss gegen Nazi-Aufmärsche
turminister Rocco Buttiglione angekün-
Der Essener Stadtrat hat bei seiner letzten Sitzung am 28.3.2007 auf Anregung der Fraktion
digt, der der „Päpstlichen Akademie der
Die Linke./DKP/AUF in einer vom Oberbürgermeister formulierten Resolution seine bisherige
Wissenschaften“ angehört. Ein Grußwort
Beschlussfassung zu Naziaufmärschen bekräftigt. Darin heißt es:
soll Werner Langen, Vorsitzender der
Der Rat der Stadt Essen spricht sich entschieden gegen eine Demonstration der NPD in Essen
CDU/CSU-Gruppe im Europäischen
aus.
Parlament, halten. hma ■
Er appelliert an die genehmigenden Behörden und Gerichte, alles rechtlich Mögliche zu un-
ternehmen, um die Demonstration zu verhindern. Der Rat fordert alle Essener Einwohnerinnen
DVU-Veranstaltung in und Einwohner auf, sich gegen die geplante Demonstration zu wehren. Der Rat der Stadt Es-
Bremerhaven sen bekräftigt diese Grundsätze und unterstreicht damit die Kontinuität seiner entschiedenen
Zurückweisung rechtsextremistischer Tendenzen.
Bremen. Nachdem sich die „Deutsche
Volksunion“ (DVU) die Überlassung der
Stadthalle Bremerhaven vor dem Ver- ten „pro Kölns“ unterstützen werden, in rungen üblich ist“. Wolter weiß, wovon
waltungsgericht Bremen erstritten hat, weiteren Städten des Landes Fuß zu fas- sie spricht. Die ehemalige Kommunal-
soll dort auf einer Wahlkampfveranstal- sen. Im Herbst will FPÖ-Chef Strache zu wahlkandidatin der sog. „Republikaner“
tung am 6. Mai auch Gerard Menuhin re- einem Gegenbesuch nach Köln kommen, sprach 2002 ein Grußwort auf dem Bun-
den. Menuhin war bis 2005 Vorsitzender wo auch eine große Pressekonferenz deskongress des NPD-Jugendverbandes
der von seinem Vater gegründeten Yehu- stattfinden soll. Für die „heiße Wahl- „Junge Nationaldemokraten“, gab 2003
di-Menuhin-Stiftung und soll in Bremer- kampfzeit“ werde auch „eine direkte or- dem NPD-Organ „Deutsche Stimme“ ein
haven zum Thema „Ich schlage vor, Sie ganisatorische Unterstützung ange- Interview und 2006 der „Deutschen Na-
wählen DVU“ sprechen. Neben Menuhin dacht“, so etwa „in Form von zusätzli- tionalzeitung“ des DVU-Chefs Frey
werden auf der Veranstaltung auch DVU- chen Plakatiertrupps oder Wahlkampf- (Quelle: „pro Köln“-Rundbrief vom
Chef und Millionär Gerhard Frey und die materialien“. Für geplante lokale Grün- 24.04.2007) abk ■
Vorsitzende der DVU-Fraktion im Land- dungen der „Bürgerbewegung pro
tag von Brandenburg, Liane Hesselbarth, NRW“ in Bonn und Düsseldorf ständen NPD gewann bei Wahl in
anwesend sein. hma ■ die „besten Köpfe“ zur Verfügung. Bei
der nächsten Kommunalwahl würden si- Sachsen-Anhalt 10 Kreis-
„pro Köln“ gegen cherlich Köln und Gelsenkirchen „eine tagssitze hinzu
zentrale Rolle spielen“, um an Rhein und Sachsen-Anhalt. Die rechtsextreme
„Abgrenzungswahn“ Ruhr „ein politisches Erdbeben auszulö- NPD, die in den bisherigen Kreistagen
Köln. Nach ihrer Teilnahme an einer sen“. Wenn dies gelingen würde, „wird Sachsen-Anhalts drei Vertreter hatte, leg-
Podiumsdiskussion der Wiener FPÖ, auf auch ein breit angelegtes nonkonformes te bei den Kommunalwahlen am Sonntag
der auch Vertreter des rassistischen Bündnis für die Landtagswahl 2010 an- zu und hat künftig 13 Kreistagssitze in
„Vlaams Belang“ aus Belgien und der gestrebt“. „Darüber hinaus gehende Zie- Sachsen-Anhalt. Sie konnte – da es keine
französischen „Front National“ (FN) le“, weder „allgemein bundesweit noch 5-Prozent-Klausel gab – überall dort, wo
sprachen, hat sich die Fraktionsvorsit- in bestimmten Regionen“, würden der- sie kandidierte auch ein Mandat gewin-
zende der extrem rechten „Bürgerbewe- zeit nicht verfolgt. „Pro Köln“ und „pro nen, erzielte aber deutlich weniger Stim-
gung pro Köln“, Judith Wolter, zum wei- NRW“ würden sich „eisern an den men, als erwartet. Bei den vorgezogenen
teren Vorgehen von „pro Köln“ geäußert. Grundsatz“ halten, „schon bestehende, Kommunalwahlen in Sachsen-Anhalt
So seien „Vlaams Belang“ und FPÖ erfolgreiche Strukturen nicht schwächen gab es mit 36,5% die niedrigste Wahlbe-
„hinsichtlich einer gemeinsamen patrio- zu wollen“. „Wir werden den etablierten teiligung denn je. Das erhöhte die Chan-
tischen Liste bei künftigen Europawah- Parteien ganz bestimmt nicht den Gefal- cen der extremen Parteien enorm, deren
len“ an „seriösen Partnern in Deutsch- len tun, als „Spaltpilz“ im nonkonformen Wähler in der Regel ,diszipliniert‘ wäh-
land zur Vernetzung der nonkonformen Spektrum aufzutreten“, so Wolter. Dafür len gehen. So hatten die Rechtsaußen
Opposition in Europa interessiert“. Die sei man „auch mit zahlreichen Ge- auch diesmal kalkuliert, doch der Erfolg
Mannschaft rund um „pro Köln“ habe sprächspartnern rechts der Mitte in Kon- fiel vergleichsweise magerer aus. Dort,
bewiesen, das sie ein „gefestigtes Welt- takt, sei es in Nordrhein-Westfalen oder wo sie zur Wahl stand errang die NPD
bild“ habe und „nicht beim ersten Ge- bundesweit“. „Unser Ziel“, so Wolter, bei den Kreistagswahlen nur zwischen
genwind umfalle“, so Wolter. Mit Blick sei „ein politischer Neuanfang mit mög- 2,3 bis 4,7 Prozent, wahltaktisch reicht
auf die nächste Kommunalwahl in NRW lichst viel Kooperationsbereitschaft in der NPD dies allerdings aus, um sich an-
ist geplant, dass prominente Redner von alle Richtungen und ohne den Abgren- gesichts der nächsten Landtagswahlen
FPÖ und „Vlaams Belang“ die Absich- zungswahn, der bei manchen Gruppie- eine strategisch bessere Ausgangsposi-
Frage: Aber die meisten Einwanderer in- Ex-Innenminister Sarkozy trägt:) ,Man tierte, sondern ihn nach Le Pens Worten
tegrieren sich... hat mir meine Wähler gestohlen!‘“ „als Aussätzigen behandelte“. Bei der
Antwort: Das Kopftuch, die ,großen Brü- Die linksliberale ,Libération‘ ihrer- Wahl von 1995 dagegen wertete Le Pen
der’, die Zwangsehen, (...) die Neuan- seits hatte am 23. April in einer Karikatur im Vergleich mit Chiracs sozialdemokra-
kömmlinge, die unter sich bleiben, die einen Kopf Nicolas Sarkozys auf dem tischem Widersacher: „Chirac ist schlim-
schwierigen Viertel mit Ghettostrukturen, Rumpf Jean-Marie Le Pens, neben des- mer als Jospin!“ Derzeit wird mit Span-
habe ich das alles erfunden? sen abgefallenem Haupt, dargestellt. Für nung erwartet, ob Le Pen am 1. Mai, di-
Polemiken mit Linken und Liberalen im rekt oder indirekt, zur Stimmabgabe für
Frage: Sie wollen die Wähler Le Pens? Vorfeld der Wahl hatte insbesondere Sar- Nicolas Sarkozy in der Stichwahl fünf
Antwort: Wenn ich sage, ich will die kozys – am 8. März 07 geäußerter, und Tage später aufrufen wird oder nicht.
Stimmen der Arbeiter, greift niemand oftmals wiederholter – Vorschlag zur Ankündigung
mich an. Aber wenn ich sage: Achtung, Einrichtung eines Ministeriums für „Ein-
man muss die Wähler des FN gewinnen, wanderung und nationale Identität“ ge- Unsere Berichterstattung darüber, sowie
dann gibt es ein Erdbeben! In wessen sorgt. In einem Interview mit Libération unsere Wahlauswertung werden wir in
Namen soll es schlecht sein, die Wähler vom 12. April hatte der Ex-Innenminister der kommenden Ausgabe der AN fortset-
des FN gewinnen zu wollen? explizit von seinem Willen, „die Wähler zen. Zumal nun auch in der rechtsextre-
des FN zu gewinnen“, gesprochen. men Presse eine spannende Diskussion
Jean-Marie Le Pen selbst wird am 1. über die Ursachen der Niederlage begon-
Sarkozy attraktiv für viele Mai anlässlich des traditionellen rechts- nen hat. Die rechtsextreme Wochenzei-
FN-Wähler
extremen Aufmarschs vor der Pariser tung ,Minute‘, die eine Scharnierfunkti-
Offenkundig ist das Kalkül des Kandida- Oper verkünden, zu welchem Stimmver- on zwischen dem rechten Flügel der
ten, der für den konservativen Bürger- halten im zweiten Durchgang er aufruft. Konservativen und dem FN einnimmt,
block antrat, aufgegangen: Nicolas Sar- In der Vergangenheit hat er sich dabei publizierte ihre Ausgabe vom 25. April
kozy rückte demonstrativ weit nach unterschiedlich positioniert. So rief er unter dem Titel: „Die Gründe eines
rechts und appellierte so oft an die „natio- 1988 aus: „Keine Stimme für (François) Flops.“ Im Blattinneren analysiert sie
nale Identität“, dass er einen Teil der Mitterrand!“ Das ließ eine Stimmabgabe ausführlich die Ursachen für den Rück-
rechtsextremen Wähler anziehen konnte. für dessen konservativen Gegenkandida- gang, und berichtet ferner über einen an-
(Vgl. auch die vorige Ausgabe der AN) ten Jacques Chirac ausdrücklich offen. gespannten Wahlabend beim FN, in des-
Laut Zahlen, die am 24. April 07 in der Aber in der Folgezeit zürnte Le Pen über sen Verlauf die Fäuste flogen. Spannende
Tageszeitung ,Libération‘ veröffentlicht den bürgerlichen Politiker, da dieser kei- Lektüre in der nächsten Ausgabe...
wurden, haben 23 Prozent der Wähler nen persönlichen Kontakt mit ihm akzep- Bernhard Schmid (Paris) ■
Jean-Marie Le Pens aus dem Jahr 2002
sich in diesem Jahr schon im ersten Wahl-
gang für den konservativen Kandidaten
Gemeinsam gegen ASEM und G8 – Bundesweite
entschieden. Hingegen spricht die libera- Demonstration am 28. Mai
le Pariser Abendzeitung ,Le Monde‘ gar Hamburg. In Hamburg findet am 28. und 29. Mai das asia-europe-meeting (ASEM) statt –
von 28 Prozent der Wähler Le Pens von ein Treffen der EU-Außenminister mit 15 ihrer südost-asiatischen Amtskollegen. Diese Provoka-
vor fünf Jahren, die direkt zu Nicolas Sar- tion nur eine Woche vor dem G8-Gipfel in Heiligendamm wird nicht unbeantwortet bleiben!
kozy übergelaufen seien. Die auf Satire Pfingstmontag (28.5.) wird es in Hamburg eine Großdemo gegen das ASEM-Treffen geben.
und Enthüllung spezialisierte Pariser Wo- Der Auftakt ist um 12 Uhr auf dem Spielbudenplatz/ Reeperbahn. Die Veranstalterin, das
chenzeitung ,Le Canard enchaîné‘ (25. „Bundesweite Bündnis gegen EU- und G8-Gipfel“, sieht darin eine Gelegenheit, gegen die
April) stellt dies in einer Karikatur dar: EU vorzugehen, die auch in einer linken Öffentlichkeit noch immer kaum als eigenständiger
„Immer dieses Unsicherheitsproblem! Akteur bei der Ausplünderung der Welt wahrgenommen wird. Ausbeutung und Unterdrü-
(Le Pen beschwert sich beim Polizeikom- ckung, Hunger und Kriege haben ihre Ursachen im weltweiten Kapitalismus. Die EU und ihre
missar, der für die Aufnahme von Straf- Konzerne sind wesentliche Nutznießer dieser Zustände. Die Demonstration dient natürlich
anzeigen zuständig ist und die Züge von auch der Mobilisierung nach Rostock und Heiligendamm. G8- und EU-Gipfel versenken!
http://hamburg.dissentnetzwerk.org ■
Einleitende Bemerkungen: z.B. mithilfe solch alltäglicher und harm- „Rassen“ und Nationen als unterschiedli-
● Die Grenzen zwischen Fremdbil- los erscheinender Fragen wie „Woher che Objektivierungen der Vernunft ver-
dern und Feindbildern sind fließend kommst du?“, also mit so genannten standen, als unterschiedliche Qualitäten
● Mit der Bildung von Nationalstaa- Herkunftsdiskursen. in der Entwicklung des natürlichen Da-
ten entstanden nicht nur neue Gren-
1.1 Fremd- und Feindbilder und
seins.
zen, sondern auch neue Fremd- und soziale Hierarchie Dieser Evolutionsgedanke versuchte
Feindbilder den Widerspruch zu überbrücken, dass
● Das heißt, dass die Grenzen definie- Fremd- und Feindbilder dienen zur Auf- das moderne Europa auf der einen Seite
ren, wer fremd und wer Feind ist rechterhaltung und Legitimierung sozia- die universalen Menschenrechte von
● Bei der Definition von Fremd- und ler Hierarchien und blockieren den Zu- Freiheit und Gleichheit verkündete und
Feindbildern spielen Macht- und gang zu gesellschaftlichen Ressourcen auf der anderen Seite auf ihren „Entde-
Dominanzverhältnisse eine wesent- Wenn die Fremden den ihnen zuge- ckungsreisen“ Millionen von Menschen
liche Rolle wiesenen Platz in den Nischen der Ge- verschleppten, versklavten und ermorde-
sellschaft verlassen und ihren Anteil an ten und ihnen den Status des Mensch-
I Selbstbilder – Fremdbilder – den gesellschaftlichen Ressourcen ein- seins absprachen.
Feindbilder fordern (Beispiel: die 2. und 3. Generati- Aber auch innerhalb der europäischen
on der Gastarbeiter), dann müssen die Gesellschaften zeigte sich der Wider-
1. Fremdbilder und Machtinteressen Etablierten in Konkurrenz mit denen tre- spruch zwischen der Propagierung der
„Es gibt Fremde und Allzufremde“: Es ten (Der gegenwärtige Integrationsdis- republikanischen Ideen von Freiheit,
gibt unterschiedliche Bilder vom Frem- kurs) Gleichheit und Brüderlichkeit und der
den, die unterschiedliche Erfahrungen In diesem Zusammenhang sind drei Fortführung bestehender sowie Etablie-
mit den jeweils Anderen zum Ausdruck Aspekte relevant: rung neuer sozialer Hierarchien, wie z.B.
bringen. Denn nicht jeder Fremde ist auf a) Fremdheit ist nicht nur Ausdruck ei- in Bezug auf die Frauen, die unteren so-
gleiche Weise fremd. So gibt es in der ner aktuell erlebten Beziehung, sondern zialen Schichten, auf behinderte Men-
deutschen Gesellschaft ganz unter- meist auch Niederschlag einer langen schen. Diese galten als weniger zivili-
schiedliche Prototypen des Fremden, Geschichte der Auseinandersetzung und siert, als unvernünftig und anormal.
z.B. wenn wir an das Bild von dem Mos- eines tradierten „Wissens“ über die So konnten aufgrund der
lem als dem Fremden denken oder aber Fremden. Dabei wurden die Fremdbilder „naturgegebenen“ Diffe-
an die Fremdbilder, wie sie von den Ju- immer in Korrespondenz zu den Selbst- renzen zwischen Men-
den existieren, von Sinti und Roma oder bildern geschaffen. schen sowohl Hierarchi-
auch von Menschen mit schwarzer Haut- b) Eine wesentliche Basis die- sierung und Ausgrenzung
farbe. ses Selbstverständnisses liegt in legitimiert wie auch auf-
Insofern scheint es nicht gleichgültig dem, was wir heute mit dem grund der Formbarkeit der
und beliebig zu sein, wer der Fremde ist. geopolitischen und zugleich „Menschenlichen Natur“ An-
Je entschiedener die Grenzen gegen- kulturellen Begriff der passung eingefordert aber auch
über dem Anderen gezogen und Gemein- „westlichen Welt“ meinen, Gleichheit versprochen werden.
samkeiten getilgt werden, desto mehr also dem christlichen Dazu ein Beispiel:
wird der Fremde zum Feind. Fremdes Abendland). Dabei ist das Die zwiespältigen Folgen dieser „Na-
und Eigenes wird nun als unvereinbar Spezifische dieser Kultur vor allem das, turalisierung“ werden besonders an der
und die Andersheit des Anderen als ge- was wir die Moderne nennen, denn Transformation des christlichen Antiju-
gen das Selbst gerichtet wahrgenommen. Europa nimmt für sich in Anspruch, die- daismus in den modernen Antisemitis-
So wird die Distanz verabsolutiert und se hervorgebracht zu haben. mus deutlich: Bis zur Moderne wurde
Fremdheit wird zu einem anthropologi- c) Ein weiterer zentraler Faktor in der die christliche Judenfeindlichkeit im We-
schen Phänomen. Konstruktion von Eigenem und Fremden sentlichen mit religiösen Differenzen be-
Um die Distanz und Hierarchie auf- war im Zuge der modernen europäischen gründet.
rechtzuerhalten, müssen die Grenzen Entwicklung die Nation. Sie schuf neue Mit der Moderne jedoch wurden die
(vor allem symbolische) zwischen „Wir“ politische Einheiten, die neue Selbst- religiösen Differenzen in einen Unter-
und die „Anderen“ immer wieder neu und Fremdbilder notwendig machten. schied zwischen „Rassen“ transformiert,
gezogen und bestätigt werden (Insofern Bis heute prägen die nationalen Gren- d.h. in einen biologisch begründeten Un-
handelt es sich um irgendwelche abstrak- zen das Selbst- und Fremdbild entschei- terschied umgedeutet. Die Rassenlehre
te Diskurse, die unabhängig von der All- dend, so dass etwa in der BRD der Be- ordnete nun die Juden auf der Basis der
tagspraxis existieren). griff „Ausländer“ zum Synonym für den semitischen Sprachgemeinschaft der se-
Das geschieht vor allem dadurch, dass Fremden geworden ist. mitischen „Rasse“ zu und zog damit un-
die Bilder über die Anderen in den Me- 2. Selbst- und Fremdbilder in der
erreichbare, absolute Grenzen.
dien, im Alltag, in der Wissenschaft und europäischen Moderne Gleichzeitig wurde aber von den Ju-
der Politik immer wieder reproduziert den erwartet, sich zu assimilieren und an
werden (Dazu werde ich später Beispiele Bei der Entstehung von Selbst- und die Mehrheitsgesellschaft anzupassen.
geben). Fremdbildern in der europäischen Mo- Dieser Widerspruch kommt selten so
Die Grenzen werden vor allem dabei derne spielte der Evolutionsgedanke eine drastisch zum Ausdruck wie in dem be-
mithilfe von Identifikationsritualen ge- konstitutive Rolle: rüchtigten Zitat von Fichte, der ange-
zogen, bei denen die Anderen als Fremde Der Evolutionsgedanke prägte die ge- sichts der Emanzipationsbewegungen
identifiziert und auf ihre Fremdheit hin- samte Philosophie der Aufklärung. So der Juden meinte:
gewiesen werden. Das geschieht häufig hat etwa Kant die unterschiedlichen