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:antifaschistische Nr.

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nachrichten g 3336 10.8.2006 22. jahrg./issn 0945-3946 1,30 ¤
www.antifaschistische-nachrichten.de

Antifaschistische Kampagne
mobilisiert weiter
Wunsiedel. Trotz des derzeitigen
Verbots des „Heß-Gedenkmar-
sches“ mobilisiert die linke Kampagne
„NS-Verherrlichung stoppen“ weiter für
den 19. August 2006 nach Wunsiedel.
Kampagnensprecher Peter Brock ver-
wies auf die Unklarheit darüber, ob der
Aufmarsch und eventuelle Ersatzveran-
staltungen untersagt bleiben. „Wir wol-
len vorbereitet sein, falls die Neonazi-
Demonstration kurz vorher genehmigt
wird, ob in Wunsiedel oder Fulda oder
sonstwo.“ Brock erwartet, dass zwischen
1.000 und 2.000 Antifaschisten aus der
ganzen Bundesrepublik nach Wunsiedel
kommen werden, um gegen die Glorifi- „Sofortiger Waffenstillstand“ war die Forderung auf vielen Kundgebungen,
zierung des Nationalsozialismus zu pro- Mahnwachen und Demonstrationen, die in den letzten Tagen gegen den Krieg im
testieren.
Brock verwies ferner auf die Attrakti- Nahen Osten stattfanden. Wir veröffentlichen die Erklärung der FIR (Föderation
vität von NS-Themen für die rechte Sze- der internationalen Widerstandskämpfer) und der VVN-BdA – siehe Seite 5
ne: „Auch wenn sich die NPD oder die
Kameradschaften mit Sozialpopulismus
profilieren wollen – ihr Angelpunkt ist
und bleibt der Nationalsozialismus. Der
Proteste gegen NPD-
Bezug auf den Nationalsozialismus
schafft gruppenübergreifend Identität
und lässt die Rechte ihre Zersplitterung
Pressefest in Dresden
vergessen. Deshalb sind die Aufmärsche Dresden. Mit einem Bürgerfest masten und Gartenzäunen zeigten viele
in Halbe, Dresden und Wunsiedel mit ih- und einer Demonstration haben Anwohner ihren Unmut über die neofa-
rer offenen Bezugnahme auf Hitler-Zeit am 5. August hunderte Men- schistische Veranstaltung in ihrem Stadt-
und Krieg die europaweit größten Ver- schen gegen das „Deutsche-Stimme“- teil.
anstaltungen der Neonazis.“ Dem stelle Pressefest der NPD, das diesmal auf ei- Zum Pressefest der Parteizeitung der
sich die Kampagne „NS-Verherrlichung nem privaten Tennisgelände in Dresden- NPD kamen nach Polizeiangaben etwa
stoppen!“ entgegen, so Brock. Pappritz stattfand, protestiert. Bei strö- 3000 bis 4500 Neonazis, deutlich weni-
Dass sich die rechte Szene wieder stär- mendem Regen hatten sich etwa 600 ger als im letzten Jahr. Nichtsdestotrotz
ker mit der Umdeutung historischer Er- Menschen zu meldet die
eignisse befasst, zeigen auch andere Ver- der Demons- NPD auf ihrer
anstaltungen. So fand am 29. Juli in Bad tration einge- Homepage
Nenndorf ein „Gedenkmarsch“ zu einem funden. Be- 8000 Teilneh-
ehemaligen britischen Internierungslager gleitet von ei- merInnen.
statt. Und im Oktober soll in Nürnberg nem großen Neben Udo
unter Führung des bekannten Neonazi- Polizeiaufge- Voigt waren
Aktivisten Christian Malcoci für eine bot zogen sie als Redner
„Revision der Nürnberger Prozesse“ de- zu dem Bür- Holger Apfel,
monstriert werden. gerfest nach Vorsitzender
Termine und aktuelle Informationen Dresden-Büh- der NPD-
finden Sie unter www.ns-verherrlichung- lau. Dorthin Fraktion im
stoppen.tk hatte das Bündnis „Bürgercourage – Sächsischen Landtag, der Rechtsanwalt
Kampagne NS-Verherrlichung stoppen! Freundeskreis gegen rechtsextremes Jürgen Rieger, der gerade wieder mit
wunsiedel-presse@gmx.net ■ Denken“ eingeladen, dem sich unter an- Immobiliengeschäften in Delmenhorst
derem Politiker von Linkspartei.PDS, von sich reden macht, José Fernando
FDP, CDU, SPD und Grünen sowie der Cantalapiedra, Vorsitzender der La Fa-
DGB und die jüdische Gemeinde Dres- lange, Spanien, und Dimitris Zafiropu-
Aus dem Inhalt: den angeschlossen hatten. los, Generalsekretär der Patriotischen
Französische Regierung „Pappritz ist bunt, keine Rechten auf Allianz Griechenland angekündigt.
verbietet „Tribu K“ . . . . . . . . . . . . . 7 unserem Grund!“ – Mit Transparenten nach Presseberichten - u.b.,
und Luftballons, Plakaten an Laternen- Foto: indymedia ■
: meldungen, aktionen
ge Meter von den Nazis entfernt, diesen
durch Transparente, Trillerpfeifen und
Sprechchören klarmachen, dass diese
Rechtes Lob für „Regional- tionalen Rates“ beschlossen, dessen weder in Verden noch an einem anderen
währung“ „Hauptziel der Kampf für das weitere Ort erwünscht seien.
Weimar. Die wachsende „Regionalwäh- Bestehen der europäischen Völker und Natürlich durfte, wie bei fast allen
rungs“-Bewegung in zahlreichen Teilen die Bewahrung ihrer Identität“ sein soll. NPD-Aufmärschen in Niedersachsen,
der Republik wird nicht nur von den An- Unterzeichnet wurde die Deklaration die obligatorische „Hans-Gerd Wiech-
hängern des Sozialdarwinisten und von Pierre Krebs vom „Thule-Seminar“ mann Standart-Rede“ nicht fehlen. Ne-
„Freiwirtschafts“-Theoretikers Silvio aus Kassel, Pierre Vial, „Terre et Peuple“ ben ihm waren Adolf Dammann (Lan-
Gesell begehrt. (Frankreich), Guillaume Faye (Frank- desvorsitzender der NPD-Niedersach-
Auch die neofaschistische NPD hat reich), Yann-Ber Tillenon (Bretagne), sen) und Aktivisten der „Nationalen Of-
die „Regionalwährung“ für sich entdeckt Enrique Ravello, „Tierra y Pueblo“ (Spa- fensive Schaumburg“ anwesend, außer-
und befragte in ihrem Parteiorgan „Deut- nien), Elephterios Ballas, „ARMA“ dem Heisenhofler Neonazis.
sche Stimme“ dazu den NPD-“Wirt- (Griechenland), Anatoly M. Iwanow, Nach dem Ende der Kundgebung wur-
schaftsexperten“ Per Lennart Aae. Dieser „Synergon“ (Rußland), Wladimir B. Aw- de der NPD-Tross dann von der Polizei
drückt seine Sympathie für „Regional- dejew (Rußland), Pawel W. Tulaew, zum Bahnhof eskortiert. Auf dem Weg
währungs“-Initiativen aus, die ja Kauf- „Atenaeum“ (Rußland) und Galina dorthin wurden zahlreiche Iran-Fahnen
kraft in der Region halten würden. Lozko, „Swazoy“ (Ukraine). verteilt und geschwungen sowie über den
„Zu Ende gedacht und in die Tat um- hma ■ Lautsprecherwagen „Israel - Internatio-
gesetzt“ wäre dies „eine raumorientierte nale Völkermordzentrale“ skandiert. Da-
nationale Volkswirtschaft“ in Ablehnung Kritische Lehrer im Visier raufhin wurden alle übrig gebliebenen
„des kapitalgesteuerten „freien“ Welt- Teilnehmer der Kundgebung, inklusive
handels“, so Aae. Zu dieser Erkenntnis Oberhausen. Die neofaschistische Zeit- Bundesvorsitzendem Voigt und Anmel-
fehle es jedoch vielen „Regionalwäh- schrift „Unabhängige Nachrichten“ be- der Daniel Fürstenberg, wegen des Ver-
rungs“-Aktivisten, die mit „politisch kor- zeichnet in ihrer Juli-Ausgabe die Ge- dachts auf Volksverhetzung in Gewahr-
rekten“ Hemmungen behaftet seien, an werkschaft GEW als „Die Miesmacher sam genommen und deren Personalien
Mut. Erst wenn es gelänge, diese Men- der Nation“. Während die Deutschen festgestellt.
schen „von den antinationalen Fesseln zu „mit Flaggen und Hymne einen Auf- Insgesamt betrachtet war dies somit
befreien“, könne die NPD zu einem Mo- bruch ins Normale“ feierten, hätten die ein desaströser Wahlkampfauftakt für die
tor „vieler noch schlummernder Bewe- gewerkschaftlichen „Erzieher“ das „Lied NPD in Niedersachsen. Trotz der Ankün-
gungen, darunter auch der Regionalwäh- der Deutschen“ beschimpft. „Solange digung des Besuchs ihres Bundesvorsit-
rungs-Bewegung“ werden, so der „Wirt- wir solche Lehrer haben“, so das Blatt, zenden bekam die NPD-Verden gerade
schaftsexperte“ der NPD. Dazu bedürfe „brauchen wir zum Untergang von Volk einmal 65 Anhänger auf die Straße, alle
es „einer durchdachten völkisch-nationa- und Nation keine äußeren Feinde mehr“. ihre Reden wurden durch ein Trillerpfei-
len Weltanschauung in Verbindung mit Für den Fall der Fälle hat die Zeit- fenkonzert und Sprechchöre vollständig
politischem und ökonomischen Sachver- schrift auch gleich das Muster einer übertönt und letztendlich saßen am Ende
stand“. Während die NPD noch die Mög- Dienstaufsichtsbeschwerde abgedruckt, des Tages fast alle Teilnehmer der NPD-
lichkeiten auslotet, trifft sich die „Regio- mit der rechts-gewirkte Schüler gegen Kundgebung für einige Stunden auf der
nalwährungs“-Bewegung vom 30. Sep- missliebige Pädagogen vorgehen kön- Wache der Verdener Polizeidienststelle.
tember bis 1. Oktober in der Bauhaus- nen, die es wagen sollten, mit GEW-Ma- http://verden.antifa.net
Universität in Weimar. Zuvor findet eine terial Kritik an der Nationalhymne zu äu- artv@verden.antifa.net ■
von der Bauhaus-Universität ausgerich- ßern. hma ■
tete internationale wissenschaftliche Ta- Bald NPD-Hochburg in
gung unter dem Titel „Monetäre Regio- Desaströser NPD-Kommu-
nalisierung. Regionalwährungen als Ka- Delmenhorst?
talysatoren einer endogenen Entwick- nalwahlauftakt in Verden Delmenhorst. Wie die Delmenhorster
lung“ statt. hma ■ Verden. Mit rund 40 in Gewahrsam ge- Zeitung berichtete, plant der rechtsextre-
nommenen NPD-Anhängern in Verden me Anwalt Jürgen Rieger über seine Wil-
Konferenz in Moskau endete der Kommunalwahlauftakt der helm-Tietjen-Stiftung das Hotel am
NPD in Niedersachsen. Für Samstag, Stadtpark in Delmenhorst zu kaufen und
Moskau. Neofaschistische Ideologen den 22.7.2006, hatte der Verdener NPD- hat darüber hin-aus noch Interesse an der
aus mehreren europäischen Ländern ha- Geschäftsführer Daniel Fürstenberg zu Delmehalle und der Delmeburg.
ben vom 6. bis 8. Juni in Moskau eine einer Kundgebung vor dem Verdener Die Verhandlungen sind noch nicht
„internationale Konferenz“ unter dem Ti- Rathaus aufgerufen. Redner sollten u.a. abgeschlossen, der derzeitige Inhaber
tel „Die Zukunft der weißen Völker“ NPD-Chef Udo Voigt, der Landesvorsit- Günter Mergel will das Pleiteobjekt aber
durchgeführt. zende der NPD-Berlin Eckart Bräunin- auf jeden Fall verkaufen. Aus Befürch-
In einer Deklaration der Konferenz- ger und Hans-Gerd Wiechmann sein. An- tungen heraus, dass Delmenhorst dem-
Teilnehmer wird unter dem Motto „Wei- lässlich der bevorstehenden Kommunal- nächst Neonazi-Hochburg wird und das
ße Menschen der ganzen Welt – Verei- wahlen in Niedersachsen am 10. Septem- Hotel für Veranstaltungen und Schulun-
nigt Euch!“ die „Bildung einer Organisa- ber sollte die Kundgebung unter dem gen der Rechtsextremisten genutzt wird,
tion der völkischen Nationen“ propa- Motto „Nein zu Multikulti! Verden ist haben Privatleute zu einer Spendenakti-
giert. Diese solle „über alle Kontinente“ unsere Stadt“ stehen. on aufgerufen, um die Stadt bei einem
ausgeweitet werden, „in denen weiße Der Verdener Rathausplatz war jedoch Kauf zu unterstützen. In Verden konnte
Völker leben“. Den „Völkern europäi- für diesen Samstag schon von einem so eine drohende Zwangsversteigerung
scher Herkunft“ drohe der Verlust ihrer Kinder-Zirkus reserviert worden sodass der Stadthalle verhindert werden, auf die
„Identität“, auch deren „historische Exis- die NPD in Richtung der Straße „Herr- Jürgen Rieger ebenfalls ein Auge gewor-
tenz“ sei in Gefahr, heißt es in der Dekla- lichkeit“ ausweichen musste. Sowohl fen hatte.
ration. Darum wurde auf der Konferenz Antifaschisten als auch Verdener Bürger Bisher hatte die Stadt den Kauf abge-
die Bildung eines „alternativen, interna- (ca. 200 Personen) konnten somit, weni- lehnt, weil die Kosten den Stadtsäckel

2 : antifaschistische nachrichten 16/2006


Anwesenheit noch den Anlass ihres Auf-
trages der Überwachung. Statt offensiv
gegen gewaltbereite Neonazis vorzuge-
hen, nimmt die Polizei offensichtlich
Bürgerinnen, Bürger, Verbände und Ge-
werkschaften ins Visier, die sich über
Rechtsextremismus, die Unterstützung
von Opfern und die gesellschaftlichen
Gefahren rechter Gewalt informieren
und sie diskutieren wollen.
Dazu der Sprecher der dju-München
Thies Marsen: „Die Münchner Polizei
überhört und reagiert nicht, wenn – wie
am 9. November vergangenen Jahres ge-
schehen – Neonazis in der Münchner Öf-
fentlichkeit NS-Größen verherrlichen
(siehe Berichte der SZ). Gewerkschafter,
Journalisten und Mitarbeiter der Jugend-
Das Hotel am Stadtpark in Delmenhorst, das die Wilhelm-Tietjen-Stiftung kaufen hilfe, die sich gegen Neonazis engagie-
möchte, Foto: indymedia ren, sollen dagegen verdeckt ausgehorcht
werden. Das Polizeipräsidium München
überfordern und die Stadt auch nicht Die Münchner Polizei hat sich am ver- geht offensichtlich lieber gegen die Ver-
recht weiß, was sie mit dem Haus anfan- gangenen Mittwoch, 19. Juli, unter An- teidiger von Demokratie und Zivilgesell-
gen soll. Für das 100-Zimmer-Haus drohung von Gewalt Zugang zu einer In- schaft vor als gegen deren Feinde. Das ist
müssten bis Mitte August 3,4 Millionen formations- und Diskussionsveranstal- ein Skandal erster Güte. Eine der Lehren
zusammenkommen. tung über Rechtsextremismus und rechte aus dem Nationalsozialismus war es, Po-
nach Presseberichten - u.b. ■ Gewalt verschafft. Die Podiumsdiskussi- lizei und Geheimdienst strikt zu trennen,
on unter dem Motto „Was tun gegen um eine Gesinnungspolizei für die Zu-
Kommunalwahl-Kandidat Rechts“ fand vor rund 60 TeilnehmerIn- kunft auszuschließen.“
nen im Eine-Welt-Haus statt. Auf dem Die Münchner Polizei missachte nun
der NPD-Verden im Knast Podium wollten die Journalistin und Lei- diese für ein demokratisches Gemeinwe-
Verden. Dr. Rigolf Hennig hat am 10. terin der „Mobilen Opferberatung Sach- sen elementare Trennung, um ausgerech-
Juli 2006 seine neunmonatige Haftstrafe sen-Anhalt“, Heike Kleffner, das Vor- net Bürgerinnen und Bürger auszuspio-
in der Strafvollzugsanstalt Achim ange- standsmitglied des Kreisjugendrings nieren, die ein Wiedererstarken der Na-
treten. Hennig hatte bis zuletzt vergebens München-Stadt, Roland Wehrer, und der tionalsozialisten verhindern wollen. Zu-
versucht, die vom Landgericht Lüneburg BR-Journalist und Münchner dju-Spre- gleich betonte Marsen, dass gegen einen
verhängte Strafe wegen „schwerer Ver- cher Thies Marsen über die zunehmen- Dialog mit den Sicherheitskräften über
unglimpfung des Staates“ vor dem Bun- den Gefahren durch rechte Gewalt und ein gemeinsames Vorgehen gegen Neo-
desverfassungsgericht zu revidieren. Neonazis informieren und diskutieren. nazis nichts einzuwenden sei. „Da liegt
Aufgrund seines hohen Alters muss der Rund 20 zivile und uniformierte Poli- bei der Münchner Polizei schließlich
71-Jährige jedoch seine Haft nur im offe- zisten des Dezernats 14 des Münchner noch einiges im Argen.“ Eine geheime
nen Vollzug absitzen. Abgesehen davon, Polizeipräsidiums verhinderten schließ- Überwachung sei jedoch das genaue Ge-
dass Hennig und fast alle weiteren Kan- lich, dass die Veranstaltung wie geplant genteil eines Dialogs und mit demokrati-
didaten der NPD-Verden bereits vorbe- stattfinden konnte. Zuvor hatten zwei zi- schen Grundsätzen nicht vereinbar.
straft sind, tritt die NPD-Verden nun vile Staatsschutz-Mitarbeiter (Dezernat Die betroffenen Verbände und Ge-
auch noch mit einem Sträfling auf der 14) versucht, sich in die Veranstaltung werkschaften kündigen hiermit juristi-
Liste der Kommunalwahl am 10. Sep- einzuschleichen, um, wie beide mehr- sche Schritte gegen die beiden Münchner
tember 2006 an. Dr. Rigolf Hennig ist fach vor Zeugen später betonten, die Ver- Polizisten und die verantwortlichen Ein-
Kandidat für den Verdener Stadtrat und anstaltung „zu beobachten und zu über- satzleiter an und fordern gleichzeitig die
den Wahlbereich Verden/Dörverden. wachen“ unter Mitführung von Tonauf- Münchner Stadtspitze, den Stadtrat und
Antifa Verden ■ nahmegeräten. Da sich die beiden Beam- das Bayerische Innenministerium auf,
ten jedoch zuvor sonderbar benahmen, politische und rechtliche Maßnahmen zu
Polizeieinsatz gegen antifa- wurden sie als Polizisten erkannt, zur ergreifen, um die offenbar aus dem Ru-
Rede gestellt und schließlich unter Beru- der laufenden Staatsschutz-Beamten im
schistische Podiumsdiskussion fung auf das Hausrecht vom Veranstalter Münchner Polizeipräsidium zu stoppen.
München. Die Münchner Polizei hat aufgefordert, den Saal zu verlassen. Eine Die Veranstalter protestieren aufs
sich unter Androhung polizeilicher Ge- halbe Stunde später verschafften sich die Schärfste gegen diesen massiven Angriff
walt Zutritt zu der Veranstaltung „Im beiden Staatsschutzbeamten dann mit auf die Meinungs- und Pressefreiheit.
Blickpunkt: Was tun gegen Rechts?! Op- Unterstützung uniformierter Kollegen Die veranstaltenden Organisationen be-
fer stärken – Tätern Grenzen setzen“ ver- und unter Androhung polizeilicher Ge- fürchten für die Zukunft auch die Über-
schafft, um die Podiumsdiskussion von walt erneut Einlass. wachung anderer Gruppen, Vereine und
KJR, dju, Insight e.V. und A.I.D.A. zu Die Veranstalter protestieren auf das Initiativen.
„beobachten und zu überwachen“. Die Schärfste gegen das Vorgehen der 20.7.2006. Gemeinsame Presseerklä-
Veranstalter brachen daraufhin ihre In- Münchner Polizei. Auch die Teilnehme- rung des Kreisjugendrings München-
formationsveranstaltung unter Protest ab rInnen aller Altersgruppen empörten sich Stadt, der Deutschen Journalistinnen-
und kündigen juristische und politische über die Anwesenheit und das Vorgehen und Journalistenunion (dju) Kreisver-
Schritte gegen diesen massiven Angriff der Polizei und lehnten die Überwa- band München, des Vereins InSight e.V.
der Münchner Polizei auf die Meinungs- chung entschieden ab. Auch auf mehr- und der Antifaschistischen Informations-
und Pressefreiheit an. In ihrer Pressemit- malige Nachfrage der Veranstalter nann- , Dokumentations- und Archivstelle
teilung heißt es: ten die Beamten weder Gründe für ihre München e.V. (A.I.D.A.) ■

: antifaschistische nachrichten 16/2006 3


Alternative Ehrenbürger- lebt hatten. Andere waren überrascht und Der Odenwald wehrt sich
schaft für Gunter Demnig verwundert als sie erfuhren, dass es in gegen Neonazis!
München ein Verbot der Verlegung gibt.
Köln. Nach vierjähriger Pause wird in Ob aus Berlin, Hamburg oder Köln, kei- Odenwaldkreis. Als „vollen Erfolg“
diesem Jahr wieder die „Alternative Eh- ner der Besucher Münchens hatte auf- werten die DGB-Region Starkenburg
renbürgerschaft“ in Köln verliehen. grund eigener Erfahrungen Verständnis und der DGB Odenwaldkreis die Protest-
Das Kölner Bürgerkomitee „Alternati- für die Position des Münchener Stadtrats aktionen gegen die Nazi-Kundgebungen
ve Ehrenbürgerschaft“ hatte sich 2002 zu „Stolpersteinen“, den kleinen Ge- im Odenwald. „Der breite Protest der
gebildet, um auf solche Menschen hinzu- denktäfelchen aus Messing des Kölner Bevölkerung hat deutlich gemacht, dass
weisen, die sich in außergewöhnlicher Künstlers Gunter Demnig für Opfer der Neonazis mit ihrer verbrecherischen
Weise um die Stadtgesellschaft verdient Hitler-Diktatur. Ort dieser positiven Er- Ideologie im Odenwald nicht erwünscht
gemacht haben, und bei deren Engage- fahrungen war die Ecke Theatiner-Stra- sind“, betont DGB-Organisationssekre-
ment und ihrer Persönlichkeit kaum zu ße/Viscardigasse. Dort führte die „Initia- tär Horst Raupp (Darmstadt). „Die Au-
erwarten ist, dass sie jemals nach den tive Stolpersteine München“ (www.stol- ßenwirkung der wenigen angereisten
bisherigen Regeln eine offizielle Ehren- persteine-muenchen.de) am Freitag und braunen Demonstranten war gleich Null.
bürgerschaft erhalten würden. Samstag einen Informationsstand durch. Die reaktionären Parolen der Neonazis
Nach der ersten „Alternativen Ehren- Ziel war es, die Münchener über die Ini- gingen in den Sprechchören der Demo-
bürgerschaft“ für den katholischen Pfar- tiative und die Bedeutung der „Stolper- kratinnen und Demokraten komplett un-
rer Franz Meurer im Jahr 2002 hat das steine“ aufzuklären. Viele Münchener ter, die angekündigten Nazi-Kundgebun-
Komitee beschlossen, dem durch seine sahen an diesem Stand erstmals den aus gen in Groß-Umstadt, Bad König und
„Stolpersteine“ weit über die Grenzen einer Messingplatte (10cm X10 cm) mit Rimbach fanden aufgrund des breiten
Kölns hinaus bekannt gewordenen Namen und Daten des Opfers und einem demokratischen Widerstandes erst gar
Künstler Gunter Demnig die „Alternati- Betonsockel bestehenden Gedenkstein. nicht statt. Im Odenwald beißen die Na-
ve Ehrenbürgerschaft“ zu verleihen. Am Stand der Initiative konnten sich zis auf Granit – und das ist auch gut so!“.
Gunter Demnig hat inzwischen in etwa Passanten auch in Listen für die Unter- Wie berichtet, hatte sich gegen den
170 Orten in Deutschland und auch im stützung der Verlegung von Stolperstei- Nazi-Aufmarsch im Odenwald ein brei-
Ausland mit seinen mehr als 8000 „Stol- nen in München eintragen. Viele nutzten tes Aktionsbündnis gebildet, das aus Ge-
persteinen“ vor den Häusern und Woh- diese Möglichkeit ihre persönliche Mei- werkschaften, demokratischen Parteien,
nungen von in der Nazizeit umgebrach- nung zu äußern, so dass am Ende 25 vol- Jugend- und Sozialverbänden sowie
ten Menschen eine Erinnerungskultur le Listen mit jeweils 20 Unterschriften- kirchlichen Gruppen besteht. Dem
zeilen vorlagen. Bündnis gehören mittlerweile fast 50 Or-
Auch Werner ganisationen an.
Grube, Nazi-Vefolg- Um nicht nur zu reagieren, wenn Neo-
ter und KZ-Überle- nazis aufmarschieren wollen, sondern
bender, ließ es sich gegen Rechtsextremismus und Neofa-
trotz seines hohen schismus offensiv zu agieren, wird der
Alters und der tropi- DGB Odenwaldkreis nach den Sommer-
schen Hitze nicht ferien zur Gründung eines Odenwälder
nehmen, die Akti- Bündnisses gegen rechts einladen. Ein
ven der Stolperstei- Schwerpunkt des Bündnisses ist der Aus-
ne-Initiative am bau der antifaschistischen Jugend- und
Stand zu unterstüt- Kulturarbeit im Landkreis.
zen. „Diese positive PE, Horst Raupp DGB-
Resonanz vieler Organisationssekretär ■
Münchener hat
mich bestärkt, wei- VVN fodert Verbot
Der Infostand der Initiative Stolpersteine München an terhin für eine Aufhe-
der Ecke Theatiner-Straße/Viscardigasse bung des Ratsbe- Dortmund. Weil Nazis erneut – wie
schlusses gegen die schon im letzten Jahr – am Antikriegstag
geschaffen, die gerade bei jungen Men- Verlegung der „Stolpersteine“ zu arbei- durch Dortmund marschieren wollen, hat
schen großen Anklang findet. Uneigen- ten“, erklärte Werner Grube in einer sich die VVN-BdA mit einem Schreiben
nützig und ohne finanzielle Ressourcen Pressemitteilung. an das Polizeipräsidium Dortmund ge-
arbeitet er an diesem Projekt weiter. werner.thiel1@web.de ■ wandt. Darin heißt es:
Die offizielle Verleihung der „Alterna- „Am 1. und 2. September beabsichti-
tiven Ehrenbürgerschaft“ wird am Sonn- Erste „Stolpersteine“ in gen die Nazis und Neonazis von Dort-
tag, 20.8. um 15 Uhr vor dem Histori- mund, den weltweit begangenen Anti-
schen Rathaus in Köln stattfinden. Die Suhl verlegt kriegstag zu schänden und wieder eine
Moderation bei dieser Bürgerfeier wird Suhl. Im Stadtgebiet von Suhl sind am landesweite Demonstration „Nie wieder
Sonja Mikich (Monitor) übernehmen. 24. Juli die ersten so genannten „Stolper- Krieg...“ durchzuführen. Im vergangenen
Die Laudation auf den neuen „alternati- steine“ verlegt worden. Sie sollen an die Jahr setzten sie auf der Kundgebung hin-
ven Ehrenbürger“ hält Elke Heidenreich. Opfer der Nazi-Diktatur erinnern. Nach zu: „... nach unserem Sieg.“
Kölner Bürgerkomitee „Alternative Nordhausen, Gotha und Bleicherode be- Der Ihnen bekannte Aufruf für den
Ehrenbürger“, gez. Peter Canisius ■ teiligt sich Suhl als vierte Stadt in Thü- Dortmunder NS-Aufmarsch ruft zum
ringen an dem Projekt des Kölner Bild- Krieg auf, insbesondere zum Antisemi-
Stolpersteine auch für hauers Gunter Demnig. Zunächst sollen tismus und zum Völkerhass, zum Krieg
20 Gedenkplatten aus Messing in den gegen Israel. Zum Krieg gäbe es nur die
München Suhler Gehwegen an frühere Anwohner Alternative des weltweiten Sieges des
München. Spontan kamen Menschen erinnern, die von den Nazis verschleppt Nationalsozialismus („nationaler Sozia-
auf den Stand zu und berichteten, wie sie und ermordet wurden. lismus“). Wir fordern das Verbot des Na-
die Verlegung in der eigenen Stadt miter- Quelle: MDR 1 RADIO THÜRINGEN ■ ziaufmarsches.

4 : antifaschistische nachrichten 16/2006


Zugleich melden wir unsere Aktion an, Erklärung der FIR zum Krieg im Nahen Osten
die unter dem Motto steht „Nie wieder
Krieg, nie wieder Faschismus!“ Stoppt die militärische Eskalation in
VVN-BdA NRW,
vvn-bdanrw@freenet.de ■ Nahost – Waffenstillstand sofort –
Antifademo in Zella-Mehlis
Keine NATO - Truppen nach Nahost
Für Samstag, den 26. August, ruft die Angesichts der verheerenden Fol- Eine Friedenslösung kann nicht mili-
Antifa Gruppe Südthüringen zu einer an- gen für die Menschen in Israel tärisch, sondern nur auf dem Verhand-
tifaschistischen Demonstration in Zella- und dem Libanon senden wir als lungswege und in Respekt der territoria-
Mehlis auf: Internationale Föderation der Wider- len Integrität aller Beteiligten gefunden
„Grund ist die Überhandnahme von standskämpfer - Bund der Antifaschis- werden.
Nazigewalt und rechten Strukturen. Die ten (FIR) einen dringenden Appell an Ein wichtiger Schritt wäre die soforti-
ansässige Kameradschaft Zella-Mehlis alle Kriegsparteien in Nahost, die Eska- ge Einstellung aller Waffenlieferungen in
zeichnet sich vor allem durch eine hohe lation der militärischen Gewalt unver- die Region und die nachdrückliche Ein-
Gewaltbereitschaft und die ständige Prä- züglich zu stoppen und wieder Verhand- flussnahme auf die politisch Verantwort-
senz auf öffentlichen Veranstaltungen lungen über eine gemeinsame Lösung lichen, die terroristische, militärische
der Stadt aus. Neonazis wirken unbeach- des Konfliktes aufzunehmen. und strukturelle Gewalt zu beenden und
tet in Sportvereinen und der Feuerwehr Wir sind uns einig mit unseren Part- sofort einen Waffenstillstand herzustel-
mit. Auf Stadtfesten und diversen ande- nerverbänden in Israel und in der ganzen len.
ren öffentlichen Feierlichkeiten sorgen Welt, dass in keiner Weise das Existenz- Wir warnen in diesem Zusammenhang
Neonazis für ein Klima der Angst unter recht des Staates Israel und das Recht auch vor einer Zunahme von Antisemi-
Menschen mit politisch linkem und mig- des palästinensischen Volkes auf einen tismus und Antiislamismus in unseren ei-
rantischen Hintergrund. eigenen Staat, so wie es in unzähligen genen Ländern. Wir müssen erleben, wie
Zusammen wollen wir gegen jede Resolutionen der Vereinten Nationen be- Gruppen der extremen Rechten die mili-
Form von Nationalismus, Rassismus und tont wurde, in Frage gestellt werden darf. tärische Eskalation im Nahen Osten für
Neonazismus kämpfen. Kommt nach Dazu gehört es auch, die friedenssichern- die Verbreitung ihrer rassistischen Paro-
Zella-Mehlis zur Antifademo!“ den Rolle der UNO anzuerkennen. Ein len nutzen.
aus dem Aufruf falscher Weg wäre die Entsendung von Föderation Internationaler
Weitere Infos auf www.agst.antifa.net ■ NATO-Truppen, wie sie in der politi- Widerstandskämpfer FIR, Dr. Ulrich
schen Öffentlichkeit diskutiert wird. Schneider, Generalsekretär ■

Waffenstillstand sofort – Keine


deutschen Truppen nach Nahost
Als deutsche Antifaschistinnen und Anti- Die VVN-BdA tritt entschieden für
faschisten wenden wir uns mit Entschie- das Existenzrecht des Staates Israel wie
denheit gegen die regierungsoffizielle für das eines palästinensischen Staates
Erwägung, deutsche Soldaten nunmehr ein. Sie verlangt die Verwirklichung der
auch im Nahen Osten einzusetzen. Nahost-Resolutionen und -Forderungen
der Vereinten Nationen.
Solche Erwägungen werden nicht an-
nehmbarer, wenn sie in den Medien mit Die VVN-BdA stellt fest:
den Worten kommentiert werden, es soll-
te die Bundeswehr an der Seite Israels 1. Die VVN-BdA wurde 1947 mitbe-
gegen die „Hisbollah“ kämpfen. gründet von jüdischen Holocaustüberle-
benden. Sie ist stets gegen jeden Antise-
Die Verbrechen des deutschen Fa- mitismus aufgetreten.
schismus und der Holocaust sind
schließlich eine wesentliche Ursache für 2. In der Auseinandersetzung mit dem
die Entstehung des Konflikts überhaupt. gegenwärtigen Krieg im Nahen Osten
Es ist deshalb geradezu zynisch, den Ein- verurteilt die VVN-BdA Terrorismus und
satz deutscher Soldaten dort mit der be- Staatsterrorismus gleichermaßen.
sonderen deutschen Verantwortung be-
gründen zu wollen. 3. Sie ist solidarisch mit der israelischen
und der palästinensischen Friedensbewe-
Wir fordern, dass die Bundesregierung gung. Eine kritiklose Hinnahme des Ter-
nicht militärische, sondern friedenspoli- rors von Hamas, Hisbollah u.ä. ist für die
tische Anstrengungen unternimmt, den VVN-BdA ebenso undenkbar wie des
Konflikt zu entschärfen, insbesondere Terrors der Regierung Olmert. Die VVN-
durch die sofortige Einstellung aller BdA verurteilt die Eskalation des Krie-
Waffenlieferungen in die Region und ges im Nahen Osten, wie sie von beiden
durch nachdrückliche Einflussnahmen Seiten betrieben wird.
auf die politisch Verantwortlichen, die VVN-BdA Bundesausschuss
terroristische, militärische und struktu- Prof. Dr. Heinrich Fink
relle Gewalt zu beenden und sofort einen www.vvn-bda.de
Waffenstillstand herzustellen. bundesbuero@vvn-bda.de ■

: antifaschistische nachrichten 16/2006 5


Für den 2.9. plant das Bündnis
,gemeinsam gegen rechts‘ in
den Berliner Bezirken Treptow-
„Augen auf!“
Köpenick sowie Neukölln eine große In Oberschöneweide gibt es zudem bemühungen unter der Überschrift
antifaschistische Bündnisdemonstrati- seit Oktober 2005 den Laden „Parzifal“, „Volksfront“ einen „Deutschlandpakt“
on. Die Veranstaltung startet um 12 in welchem mensch alles findet, was das zur Verhinderung konkurrierender Wah-
Uhr am S-Bhf Schöneweide und endet Neonaziherz so begehrt. Die Betreiber lantritte geschlossen. Unterstützt wurde
auf der Rudower Spinne, wo ein Kon- werden dem Spektrum der seit Anfang die NPD zudem von den „Freien Kräf-
zert geplant ist. der 90er Jahre bestehenden rechten ten“. Der NPD gelang berlinweit mehr
Rocker-Gruppe „Vandalen-Ariogermani- als eine Verdopplung ihres Ergebnisses
Die Demonstration weist auf die Nazi- sche Kampfgemeinschaft“ zugerechnet. im Vergleich zur vorangegangenen Bun-
strukturen hin, die sich besonders in Zudem bietet die Bundesparteizentrale destagswahl. Dabei fiel auf, dass der Zu-
Schöneweide, Johannisthal, Rudow und der „Nationaldemokratischen Partei spruch zu der Neonazi-Partei in den öst-
Köpenick etabliert haben. Für viele Men- Deutschlands“, der NPD, in der Seelen- lichen Bezirken doppelt so hoch war wie
schen gelten diese Stadtteile als so ge- binderstraße Rückzugsräume und das in den westlichen Stadtbezirken. Ihre
nannte ,Angstzonen‘. Es wird auch auf neugebaute „Nationale Schulungszen- besten Ergebnisse erzielten die Neonazis
die Wahlen am 17.9. hingewiesen. So trum“ von bundesweiten Alt- und Neona- in den östlichen Bezirken Marzahn-Hel-
soll die Demonstration ein Zeichen set- zis für die Schulung von Nachwuchska- lersdorf mit 3,2 Prozent, Lichtenberg mit
zen, der NPD keine Stimme zu geben. dern genutzt. Mitglieder der verbotenen 2,8 Prozent und Treptow-Köpenick mit
Bisherige UnterstützerInnen sind: Kameradschaften Tor und BASO traten 2,4 Prozent der Stimmen. In einzelnen
Sozialistische Deutsche Arbeiterju- nach den Verboten verstärkt in die Ju- Wahllokalen dieser Bezirke erzielte die
gend Berlin, Deutsche Kommunistische gendorganisation „Junge Nationaldemo- NPD deutlich stärkere Ergebnisse von
Partei Treptow-Köpenick, AGREXIVE kraten“ (JN) ein und sorgen für ein enges bis zu 11,4 Prozent der Wählerstimmen
in ver.di Berlin, Autonome Antifa Infer- Miteinander sogenannter „Freier Natio- (Oberschöneweide).
nal, Red & Anarchist Skinheads Berlin- nalisten“ mit der Partei. Für die Wahlen zum Abgeordneten-
Brandenburg, Autonome Neuköllner An- Während Treptow und insbesondere haus von Berlin und zu den Bezirksver-
tifa, Treptower Antifa Gruppe, Antifa- Schöneweide schon länger den Ruf einer ordnetenversammlungen am 17. Septem-
schistischer Aufstand Köpenick, Antika- Angstzone für Menschen migrantischer ber 2006 besteht die konkrete Gefahr ei-
pitalistische Aktion Berlin, Sozialisti- Herkunft und alternative Jugendliche nes lokalen NPD-Sieges. Denn während
sche Jugend Deutschlands-Die Falken- hat, geriet der ebenfalls durch eine hohe bei der Abgeordnetenhauswahl eine
Zingaya Köpenick, Sozialistische Ju- Präsenz organisierter Neonazis gezeich- Sperrklausel von 5 Prozent besteht, wur-
gend Deutschlands-Die Falken KV Neu- nete Neuköllner Stadtteil Rudow weni- de diese für die Wahlen zur BVV durch
kölln, Grüne Jugend Treptow-Köpenick- ger in das Licht der Öffentlichkeit. Doch ein Urteil des Berliner Landesverfas-
Neukölln, Die Grünen Neukölln, Jungso- kam es dort in den letzten Jahren immer sungsgerichtshofs für verfassungswidrig
zialisten Neukölln, Die Linke.PDS Neu- wieder zu regelrechten Hetzjagden auf erklärt. Daraufhin wurde eine 3-Prozent-
kölln, Die Linke.PDS Treptow-Köpenick MigrantInnen. In Rudow treffen sich an Hürde eingeführt. Zudem wurde das
Junge Linke Neukölln. der sogenannten Rudower Spinne am U- Wahlalter auf 16 Jahre runter geschraubt.
Im Aufruf heißt es: Bahnhof Rudow regelmäßig gößere Nur dagegen?
Lokale Nazistrukturen Gruppen junger Neonazis und bedrohen
PassantInnen. Es reicht uns nicht, einfach nur gegen
... In den beiden Bezirken Treptow-Kö- Ein Nazi bleibt ein Nazi Nazis zu sein. Was wir wollen, ist eine
penick und Neukölln haben sich die Gesellschaft, in der Menschen nicht auf-
Neonazis eine breite Infrastruktur aufge- Von der Mitte der Gesellschaft bis ins grund ihrer Herkunft, ihrer Hautfarbe
baut. Schöneweide und Johannisthal ha- Lager der militanten Neonazis wird eine oder ihrer non-konformen Lebenseinstel-
ben sich zu attraktiven Wohnorten für or- Sicherung des deutschen Nationalstaates lung sowie politischen Einstellung aus-
ganisierte Nazikader entwickelt und bun- gefordert und eine Abschottungspolitik gegrenzt werden. Es ist bitter nötig, eine
desweit ist ein Zuzug in diesen Teil von vertreten, die MigrantInnen und Flücht- antifaschistische Gegenkultur zu etablie-
Berlin zu beobachten, was für ein schnell linge ausschließt. Mit dem Slogan „Ar- ren und erfahrbar zu machen. Und das
zu mobilisierendes großes Personenpo- beit für Deutsche“ werden sie zu Sün- heißt: Emanzipation von rassistischen,
tential sorgt. In beiden Bezirken, Trep- denböcken stilisiert, als wären sie für so- antisemitischen und sexistischen Vorur-
tow-Köpenick wie auch Neukölln, ent- ziale Einbußen verantwortlich. teilen und Klischees. Die Arbeit in Bünd-
standen so mittlerweile regelrechte ... In Zeiten von drastischem Abbau nissen ist daher Teil unserer Politik.
„Angstzonen“, Orte, an denen sich Men- des Sozialstaates versucht die NPD mit Die Demonstration von Schöneweide
schen anderer Hautfarbe und nicht-rech- ihren vermeintlichen „Alternativen“ zu nach Rudow soll allen zeigen, dass den
tem Aussehen, nicht ohne weiteres bewe- punkten. Jedoch ist die Zahl derer, die sich verbreitenden rechten Strukturen
gen können. rechtes Gedankengut vertreten, bereits und Einstellungen im Bezirk antifaschis-
Treptow-Köpenick verfügt, besonders seit Jahrzehnten – und nicht erst seit dem tisches Engagement entgegen gesetzt
um den S-Bahnhof Schöneweide herum, Fall der Mauer – auf hohem Niveau. Ras- wird. Wir werden nicht tatenlos zusehen,
über ein dicht geknüpftes Netz an Knei- sismus etc. sind Einstellungen, die aus wie Neonazis die Straßen dominieren
pen, in welchen sich Neonazis treffen der Mitte der Gesellschaft kommen und und rechte Ideologien in Zeiten sozialer
und ihre menschenverachtende Ideologie bei den Rechten nur ihre radikalste Aus- Unsicherheiten die Köpfe erobern.
ausleben können. Dazu zählt an erster formulierung finden. (...) Deshalb werden im Rahmen der De-
Stelle das Lokal „Spreehexe“ in der Du hast die Wahl! monstration die „Spreehexe“, der „Parzi-
Schnellerstraße, in welchem erst im fal“, der S-Bhf Schöneweide und die Ru-
März dieses Jahres ein Konzert, der Neo- Am 18. September 2005 fand die letzte dower Spinne thematisiert.
nazi-Band „Spreegeschwader“ durch die Bundestagswahl statt, bei welcher auch Wir werden zeigen, dass es eine
Polizei verhindert wurde. Aber auch die neonazistische NPD antrat. Bereits Alternative zu rechter Kultur gibt, näm-
sonst treffen sich organisierte Neonazis zu Beginn des Jahres hatten die NPD und lich Antifaschismus!
aus ganz Berlin allabendlich in dem Lo- die extrem rechte Deutsche Volksunion abso@no-log.org
kal. (DVU) im Rahmen ihrer Kooperations- www.abso-berlin.tk ■

6 : antifaschistische nachrichten 15/2006


Public Enemy Numéro Deux
Die französische Regierung hat die Organisation «Tribu K» wegen Rassismus verboten. Deren ausschließlich schwarze
Mitglieder sind u.a. militante Antisemiten.

Es ist das erste Mal, dass in der mit der unmittelbaren Androhung nicht profitieren können, und dass man
Frankreich eine Gruppe von von Gewalt verbunden war, galt nach ei- in den Medien extrem viel über sie
Nichtweißen (unter anderem) we- genen Angaben der Gruppierung der sprach, hatte sie ohnehin erreicht. Aber
gen Rassismus verboten wird. Am Mitt- rechtsextremen „Jüdischen Verteidi- zu dem Zeitpunkt wurde im Innenminis-
woch, den 26. Juli beschloss das Kabi- gungsliga“ (LDJ). Bei ihr handelt es sich terium bereits der Verbotsantrag gegen
nett auf seiner wöchentlichen Sitzung in um den französischen Ableger der rassis- die Gruppierung erarbeitet und juristisch
Paris, die ethno-zentristische und neu- tischen Kach-Bewegung des 1990 getö- geprüft.
heidnische Sekte Tribu K aufuzlösen. teten Rabbis Meir Kahane. Die Kach-Be- Gegenseitiges Ausspielen von
Die aus französischen Schwarzen beste- wegung wurde in Israel verboten, nach- «schwarzen» und «jüdischen»
hende Gruppierung hatte nach Schätzun- dem ihr Anhänger Baruch Goldstein (ei- Opfern
gen der Renseignements Généraux, einer ner der rechtsradikalen Siedler von Heb-
Abteilung der Polizei, die vergleichbare ron, im besetzen Westjordanland) 1994 Zum letzten Mal hatte die Tribu K vor
Aufgaben wie die deutschen Verfas- in der Nähe von Hebron ein Massaker an nunmehr einem Monat kurzfristig von
sungsschutzämter wahrnimmt, rund 30 30 betenden Palästinsern verübt hatte. sich reden gemacht. Damals begab sich
Mitglieder. Und auch in den USA ist sie verboten. eine Abordnung der Gruppierung nach
Andere Angaben gingen bis zu maxi- Die LDJ muss ebenso wie die Tribu K Compiègne – rund 65 Kilomter nördlich
mal 50 Mitgliedern. Manche Kenner der selbst zu den Ethnoextremisten gezählt von Paris –, an das Krankenbett eines
Szene behaupten aber, dass die Tribu K werden. Über den Versuch, Selbstjustiz Schwarzen, der zusammen mit anderen,
ihre Mitgliederzahl nach den jüngsten gegenüber den Extremisten der „anderen ausschließlich farbigen Menschen zum
Zwischenfällen, die Ende Mai dieses Seite“ zu üben, hinaus stellte der Auf- Opfer eines Amokschützen geworden
Jahres durch die militante Gruppierung marsch des Schlägerkommandos der Tri- war. Der Verletzte erklärte dazu, er schät-
provoziert worden waren (siehe unten), bu K jedoch eine klare Drohung gegen ze die Geste des Besuchs, aber er könne
und aufgrund des danach ausbre- sich mit den Ideen der Tribu K über-
chenden Mediengetöses beträchtlich haupt nicht identifizieren. Letztere
steigern konnte. So behaupten man- forderte den Innenminister Sarkozy
che Beobachter, die Zahl ihrer akti- sowie den Bürgermeister von Com-
ven Anhänger sei in jüngster Zeit bis piègne ultimativ dazu auf, ihrerseits
auf 120 angeschwollen. Der Unter- dem schwarzen Gewaltopfer einen
schied zwischen diesen divergieren- Besuch abzustatten – ansonsten wer-
den Angaben dürfte freilich letzlich de es „Aufruhr“ geben. Einmal mehr
nur darauf beruhen, dass manche verglich die Tribu K die mangelnde
Schätzungen neben den Mitglieder Aufmerksamkeit, die Schwarzen zu-
des „harten Kerns“ auch die Sympa- teil werde, mit der Aufmerksamkeit
thisanten mit einbeziehen. in Politik und Medien, die jüdische
Auflösung nach dem Verbotsge- Gewaltopfer erführen.
setz, das 1936 gegen faschisti- Neuheidnischer Kult mit
sche Gruppierungen entworfen rassischer Grundlage
worden war
Zu ihrem Verbot durch Beschluss Inhaltlich zeichnete sich die sekten-
des Ministerrats wurde das Gesetz Foto: www.arbeiterfotografie.com förmige Gruppierung dadurch aus,
von 1936 zur Auflösung von „Kampf- eine ganze Bevölkerungsgruppe dar. Zu- dass sie von sich behauptete, eine neue
gruppen und privaten Milizen“ herange- mal das Agieren einer militanten Split- Religion erfunden – oder historisch wie-
zogen, das in jenem Jahr dazu gedient tergruppe wie der LDJ, in der ethnizisti- der entdeckt – zu haben. Dafür hatte sie
hatte, die pro-faschistischen „Ligen“ schen Sichtweise der von einem 25jähri- den alt-ägpytischen Gott Aton ausgegra-
oder „Bünde“ der Rechten in der Zwi- gen selbsternannten Guru namens Kémi ben, dem sie einen Kult widmete. In
schenkriegszeit aufzulösen. Auch in den Séba angeführten Tribu K, angeblich auf dem, neben der Schreibweise mit K
letzten Jahren hatte dasselbe Gesetz als ihre gesamte Bevölkerungs- oder Religi- ebenfalls verbreiteten, Namenskürzel
Grundlage für die Auflösung von politi- onsgruppe zurückschlägt: In ihren Augen Tribu KA steht der letzte Buchstabe denn
schen Gruppierungen, die beispielsweise gibt es keine politischen Strömungen, auch für Atoniens (Aton-Anhänger). Das
Gewalt anzuwenden drohten oder sich sondern nur Juden, Schwarze und andere K hingegen firmiert als Platzhalter für
darauf vorbereiteten, gedient. Die Tribu „natürliche“ Gruppen, die strikt vonei- den ebenfalls durch die Sekte geschaffe-
K gehörte in diese Kategorie: Verbots- nander getrennt bleiben sollten. nen Begriff kémites. Denn als „Kemiten“
drohungen gegen sie hatte der französi- Jüdische Ladeninhaber, die nichts mit bezeichnet sie in der ihr eigenen Sprache
sche Innenminister Nicolas Sarkozy erst- der LDJ zu tun hatten, wurden an jenem die aus Afrika stammenden Menschen,
mals konkret erhoben, nachdem die Sonntag beleidigt und bedroht. Am da- die sie als „auserwähltes Volk der Ge-
Gruppierung am letzten Sonntag im Mai rauf folgenden Sonntag (4. Juni), der auf schichte“ bezeichnet und für die man die
(28. Mai) mit einem rund zwanzigköpfi- das Pfingstwochenende fiel, hatte die Bezeichnung ,Schwarze‘ als „Sklaven-
gen Stoßtrupp in den Marais – das älteste Tribu K erneut ihr Eindringen in den Ma- haltersprache“ ablehnt.
jüdische Viertel von Paris – eingedrun- rais angekündigt. Dieses Mal wurden sie Dieses Volk habe sich im alten Ägyp-
gen war. von einem bedeutenden Aufgebot von ten – das in der Vorstellungswelt der Tri-
Dort hatte sie in der rue des Rosiers, Polizisten, aber mehr noch von Journa- bu K eine Gesellschaft von Schwarzen
einer von zahlreichen Restaurants und listen und Medienleuten erwartet. Die darstellte, jedoch in Wirklichkeit sehr
Geschäften gesäumten Straße im Zen- Tribu K kam aber nicht – von einem viel „gemischter“ war – als Träger einer
trum des Marais, paradiert. Ihr Auftritt, Überraschungseffekt hätte sie dieses Mal überlegenen Zivilisation erwiesen.

: antifaschistische nachrichten 16/2006 7


Aufruf für Anti-Nazi-Aktio- Fortsetzung von Seite 7 andere Menschheitsverbrechen wie die
nen am 19. August 2006 Nunmehr müsse es den Platz „an der Sklaverei in gerechtem Ausmaß erinnert
Spitze der Menschheit“, der ihm von Na- und wahrgenommen würden. Vielmehr
München. Am 17. August jährt sich der tur aus bzw. vom göttlichen Schöpfungs- würden die berechtigten Anliegen der
Todestag von Hitlers Stellvertreter in der plan her zustehe, zurück erobern. Auf Nachfahren der Sklavereiopfer ver-
NSDAP, Rudolf Hess, der in den Nürn- dem Weg dahin müsse dieses auserwähl- drängt, da den Juden ein Monopol als
berger Prozessen als einer der Haupt- te Volk sich selbst rein erhalten und dürfe Opfergruppe zukomme. Einen solchen
kriegsverbrecher zu lebenslanger Haft sich nicht mit anderen Menschengruppen Diskurs, der in den USA durch die zeit-
verurteilt wurde. Nun möchten Neo-Na- vermischen. Die Weißen, durch die Sekte weise starke Strömung der Black Mus-
zis auch in München diesen Jahrestag mit einem aus dem Altgriechischen ab- lims um den berüchtigten Louis Farrak-
für ihre Propaganda nutzen und haben geleiteten Doppelbegriff als Leukoderme han verbreitet wird, hat in Frankreich in
für Samstag, den 19. August 2006 beim (Weißhäutige) bezeichnet, seien dabei den letzten Jahren vor allem der – von ei-
Kreisverwaltungsreferat eine Kundge- ebenso Konkurrenten oder Feinde des nem kamerunischen Vater und einer bre-
bung angemeldet. Dies nachdem im ver- kemitischen Volkes wie Juden und Ara- tonischen Mutter abstammende – Thea-
gangenen Jahr zum ersten Mal das Ver- ber. Die Existenz menschlicher „Rassen“ termacher Dieudonné M’bala M’bala
bot der sogenannten „Rudolf-Hess-Ge- wird als gegebene Tatsache vorausge- (bekannt unter seinem Vor- und Künst-
denkmärsche“ in Wunsiedel durch die setzt, nur die zwischen ihnen bestehende lernamen, Dieudonné) propagiert. Bisher
Gerichte bestätigt wurde. Die Münchne- Hierarchie wird gegenüber den Vorstel- findet er aber noch relativ wenig An-
rinnen und Münchner haben in der Ver- lungen europäischer Rassisten umge- klang in Frankreich, auch unter Schwar-
gangenheit immer wieder gezeigt, dass dreht. Als Antwort auf die tatsächlich be- zen, deren im vorigen Jahr neu gegrün-
sie faschistische Propaganda in ihrer stehenden Benachteiligungen von deter Zentralrat CRAN sich klar von jeg-
Stadt nicht dulden und sind gemeinsam Schwarzen oder Rassismus, wie ihn licher Form von Rassismus und Antise-
gegen Versuche der Neonazis, öffentlich Sémi Kéba nach verschiedenen Berich- mitismus distanziert.
aufzutreten, auf die Straße gegangen. ten in seiner Jugend in Strasbourg mehr- Dieudonné, der noch vor wenigen Jah-
Wenn die Nazis am 19. August auftre- mals auf gewalttätige Weise erlebt hat, ren eher einen universalistischen Antiras-
ten, werden wir Flagge zeigen: Wir ru- hat die Sekte einen eigenen Rassismus sismus vertrat und dann zu einem antise-
fen alle Münchnerinnen und Münchner entworfen. (,Kémi Séba‘ ist das Pseudo- mitisch eingefärbten Hassdiskurs über-
auf, sich den nym des jungen Mannes, der in Wirk- ging, hat sich heute in breiten Kreisen
Nazis entge- lichkeit – mit bürgerlichem Namen – diskrediert, zumal er sich inzwischen
gen zu stel- Stellio Gilles Robert Capochin heißt und von nationalrevolutionären Publikatio-
len. Wir wol- dessen Eltern aus dem westafrikanischen nen interviewen lässt. (Etwa in der dem
len an diesem Staat Benin stammen.) Front National nahe stehenden Monats-
Tag auf der Nicht zufällig nimmt der Begriff vom zeitschrift ,Le Choc du mois‘, Nummer
Straße sein „auserwählten Volk“ dabei Bezug auf Eins der neuen Folge, Ausgabe vom Mai
und den Ver- das Alte Testament der Bibel, und die 2006. Dort vergleicht sich Dieudonné
such der Neonazis verhindern, sich in Wortschöpfung „Kemiten“ ist als Nach- mit Le Pen, dessen Ideen er nicht teile,
dieser Stadt breit zu machen und NS- ahmung des – eigentlich eine Sprachen- mit dem er aber gemeinsam habe, dass
Verherrlichung zu betreiben. Die Stadt gruppe bezeichnenden – Begriffs Semi- alle beide verfolgt würden – vom Sys-
gehört den MünchnerInnen mit und ten konzipiert. Die Schaffung einer neu- tem, und unausgesprochen wohl durch
ohne deutschen Pass und allen, die ge- en Religion soll dabei den geringen Stel- die Juden.) Heute kann Dieudonné dage-
gen Rassismus und Faschismus auf die lenwert, der den Schwarzen in den beste- gen versuchen, sich durch eine wohlfeile
Straße gehen! Wir rufen die Münchner henden monotheistischen Weltreligionen und eher leicht fallende Distanzierung
Bevölkerung zur Teilnahme an der und den ihnen zugrunde gelegten Schrif- von den „Durchgeknallten“ der Tribu K
Kundgebung am 19. August 2006 auf ten zukomme, widerspiegeln. Daneben selbst als Moderaten darzustellen. Aller-
dem Marienplatz auf. Diese Demonstra- gibt es in einem Teil der schwarzen Be- dings hat Dieudonné noch vor zwei Jah-
tion wird abermals deutlich machen, völkerung – wie auch bei anderen Min- ren auf die Muskelpakete der Sekte als
dass Neonazis in dieser Stadt uner- derheiten und Migrantengruppen – eine Ordnerdiensttruppe zurückgegriffen, was
wünscht sind und keine Chance haben. Selbstvergleichung mit der jüdischen den Medien auch nicht entgangen ist.
Bevölkerung in Frankreich, die manch- Reaktionen
Erstunterzeichner/innen: Siegfried Benker, Frakti- mal neidvoll ausfällt und manchmal auch
onsvors. B 90/ Die Grünen/ Rosa Liste im Münch- eher zu stärkeren eigenen Anstrengungen Alle antirassistischen Organisationen ha-
ner Rathaus * Heinrich Birner, Geschäftsführer anstacheln soll. Diese beruht im Kern auf ben das Verbot der Tribu K in den letzten
ver.di Bezirk München * Simone Burger, stv. Juso-
Bundesvorsitzende * Oemer Yasar Fincan, SPD-
der Aussage: „Sie sind eine Minderheit Tagen begrüßt. Die sozialdemokratische
Stadtrat * Nikolaus Gradl, SPD-Stadtrat * Joachim- wie wir, aber ökonomisch besser inte- Vereinigung SOS Racisme forderte darü-
Peter Graf, Geschäftsführer GEW München * Ernst griert, stärker im öffentlichen Leben prä- ber hinaus, nunmehr auch die weiße
Grube, KZ-Überlebender * Stefanie Jung, Physike- sent, meistens in besseren Berufen als Neonaziorganisation Bloc identitaire zu
rin * Martin Löwenberg, Bündnis gegen Nazi-Auf- unsere Leute“. Und aufgrund von 2000 verbieten. Die historisch eher KP-nahe
märsche, KZ-Überlebender * Max Mannheimer, Jahren Präsenz als älteste in Frankreich Antirassismusbewegung MRAP forderte
Vors. Lagergemeinschaft Dachau * Brigitte Meier, lebende Minderheit haben sie auch mehr ihrerseits das zusätzliche Verbot der ex-
SPD-Stadträtin * Friedbert Mühldorfer, Sprecher
Spuren in der Geschichtsschreibung hin- tremistischen „Jüdischen Verteidigungs-
VVN-BdA Bayern * Cumali Naz, Vors. Ausländer-
beirat München * Corinna Poll, stv. Landesvorsit- terlassen. liga“, LDJ.
zende Freidenkerverband Bayern * Harald Pürzel, „Opferkonkurrenz“ Die bisherigen Anführer der Tribu K
Vors. ver.di Bezirk München * Florian Ritter, SPD haben am Vorabend des Verbots ange-
MdL * Adelheid Rupp, SPD MdL * Hans Taschner, Bei einem kleinen Teil der Schwarzen kündigt, sie würden sich nicht ein-
ehem. Dachau-Häftling Ausländerbeirat München hat sich darüber hinaus ein regelrechter schüchtern lassen und weitermachen. In
* Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB) München neidvoller Hass gegenüber den Juden diesem Fall können sie allerdings wegen
* DGB-Jugend München * Gewerkschaft Erzie- ausgebreitet, der aus einer Art Opferkon- Wiedergründung einer verbotenen Orga-
hung und Wissenschaft (GEW) München * SPD
Unterbezirk München Spendenkonto: Martin Lö-
kurrenz resultiert: Ihnen wird vorgewor- nisation zu mehrjährigen Haftstrafen
wenberg, Kontonr.: 28 26 48 02 bei der Postbank fen, durch das Wachhalten der Erinne- verurteilt werden.
München, BLZ 700 100 80, Stichwort 19. August rung an die Shoah zu verhindern, dass Bernhard Schmid, Paris ■

8 : antifaschistische nachrichten 16/2006


Erste Erklärung des Internationalen Komitees zur Abschaffung der Todesstrafe

„Wir fordern ein nationales Moratorium für die


Todesstrafe in den USA und die sofortige Freilassung
von Mumia Abu-Jamal aus der Todeszelle!“
30 Jahre Wiedereinführung der
Todesstrafe in den USA Gesetz im Bundesgefängnissystems und möglichkeiten, deren niedrige Kosten
in 38 von 50 US-Bundesstaaten. Die To- nur mit Billiglohnländern der „Dritten
Vor 30 Jahren, am 2. Juli 1976, wurde destrakte sind überproportional mit Ge- Welt“ vergleichbar sind. Mit dem 13. Zu-
die Todesstrafe in den Vereinigten Staa- fangenen belegt, die arm sind und Min- satzartikel zur US-Verfassung wurde die
ten von Amerika wiedereingeführt. Vier derheiten angehören und die oft nur über Sklaverei und Zwangsarbeit abgeschafft,
Jahre lang war die Gesetzgebung der To- eine unzureichende und fragwürdige „ausgenommen als Strafe für ein Verbre-
desstrafe zuvor außer Kraft gesetzt ge- Verteidigung verfügen. DNA-Tests und chen aufgrund eines rechtmäßigen Ur-
wesen, weil der Oberste Gerichtshof der andere Beweismittel belegen in zuneh- teils“. Allein die Privatgefängnisse mit
USA, am 29. Juni 1972, aufgrund der mendem Maße, dass viele Todeskandida- ihren über 100.000 Gefangenen erzielen
Klage 408 U.S. 238 (1972) des Todes- ten zu unrecht verurteilt wurden und be- einen jährlichen Umsatz von 40-50 Mil-
kandidaten Furman gegen den Bundes- stärken damit den Verdacht, dass der liarden US-Dollar. Mit dem industriellen
staat Georgia in einem 5-zu-4-Urteil ent- Staat Menschen tötet, die nicht „schuldig Gefängniskomplex ist in der US-Gesell-
schieden hatte, dass diese Gesetze will- im Sinne der Anklage“ sind. Viele Ge- schaft eine neue Segregation entstanden,
kürlich und diskriminierend seien und fangene gingen in den Tod und beteuer- deren Kern eine moderne Form der Skla-
deshalb den 8. Zusatz zur US-Verfassung ten bis zum letzten Atemzug ihre Un- verei darstellt.
verletzten, der „grausame und unge- schuld. Über 122 Todeskandidaten
wöhnliche“ Strafen verbietet. Die Fur- mussten freigelassen werden, weil
man-Entscheidung erklärte mehr als 600 DNA-Tests oder andere Beweise ihre
Todesurteile für nichtig. Dennoch wurde Unschuld bestätigten – einige von ih-
damit die Todesstrafe nicht generell ab- nen erst nach vielen qualvollen Jahren,
geschafft, weil nur zwei der Obersten in denen sie täglich auf ihren Henker
Richter, William Brennan und Thurgood warteten.
Marshall, die Todesstrafe insgesamt ab- Diese Gefangenen, die den Todes-
lehnten. Infolgedessen verabschiedete trakt überlebten, haben öffentlich ihre
die Mehrheit der US-Bundesstaaten neue warnenden Stimmen erhoben: Ihr
Gesetze, damit künftige Todesurteile Schicksal zeigt, dass die Dunkelziffer
nicht mehr als Verletzung der Verfassung der unschuldig hingerichteten Männer
definiert werden könnten. und Frauen um ein Vielfaches höher
Dieser vorübergehende Sieg über die sein muss. Aber vor allem erinnern uns
Todesstrafe war der juristische Ausdruck ihre Stimmen daran, dass „verurteilt“
der gesellschaftlichen Umbrüche der noch lange nicht „schuldig“ bedeutet
1960-70er Jahre, vor allem des Aufbe- und Jurys Fehlurteile fällen.
gehrens der afroamerikanischen Bevöl- Es ist kein Wunder, dass auf jeden
kerung gegen Armut und Rassismus und studierenden Afroamerikaner fünf
ihres Kampfes für Bürger- und Men- kommen, die im Gefängnis sitzen,
schenrechte. wenn die Regierung auf nationaler und
Todestrakte und industrieller lokaler Ebene die Ausgaben für Bil-
Gefängniskomplex dung senkt und für den Bau von neuen
Gefängnissen erhöht. Die am schnells-
An dieser Situation hat sich seit der Wie- ten wachsende Gefangenengruppe sind Verletzung der Menschenrechte,
dereinführung der Todesstrafe durch das- schwarze Frauen. Mehr als 70 Prozent Bruch des Völkerrechts
selbe Gericht am 2. Juli 1976 mit dem aller Gefangenen sind Afro- und Latino- Die Situation der über 3500 Gefangenen
Urteil Gregg gegen Georgia, 428 U.S. Amerikaner. Die Gefangenen werden ei- in den Todestrakten und der mehr als
153 (1976), im Wesentlichen nichts ge- ner Situation absoluter Entrechtung und zwei Millionen Gefangenen im indus-
ändert. Mit dieser Entscheidung wurde Ausbeutung unterworfen. In 46 US-Bun- triellen Komplex der Bundes-, Staats-
die neue Todesstrafengesetzgebung ge- desstaaten verlieren Bürger ihr Wahl- und Privatgefängnisse ist ein Ausdruck
billigt. Heute sind die US-Todestrakte recht, wenn sie wegen eines Verbrechens der Zuspitzung der sozialen und politi-
voller denn je, und nach wie vor sind verurteilt sind. In 32 Staaten erhalten schen Widersprüche in den USA zu Las-
Hautfarbe und Armut die vorherrschen- Verurteilte das Wahlrecht erst nach dem ten der Armen und Minderheiten. Sie
den Kriterien bei der Frage, wer im To- Ende der Bewährungszeit zurück. In 10 sind zu Sündenböcken einer Nation ge-
destrakt oder im Gefängnis landet und Staaten verlieren Bürger, die wegen ei- worden, deren Rechtsprechung von einer
wer nicht. nes Verbrechens verurteilt wurden, ihr Lynch-Mob-Mentalität geprägt wird.
Seit 1975 ist die Kriminalitätsrate in Wahlrecht sogar auf Lebenszeit. Dies hat Während die US-Regierung unter dem
den USA konstant geblieben, in einigen zur Folge, dass 13 Prozent der afroameri- Vorwand des „Krieges gegen den Terror“
Bereichen sogar gesunken. Trotzdem hat kanischen Bürger im Wahlalter auf Dau- und unter Bruch des Völkerrechts ihre
sich die Inhaftierungsrate in den USA in er ihr Wahlrecht verlieren. Macht- und Einflusszonen und den Raub
diesem Zeitraum vervierfacht, und die Der industrielle Gefängniskomplex ist der Energieressourcen im Ausland mili-
Rate der verhängten Todesurteile und der inzwischen ein wesentlicher Bestandteil tärisch sichern, hat im Inland eine Toch-
vollzogenen Hinrichtungen ist enorm an- der US-Wirtschaft. Die Ausbeutung im terfirma von Halliburton im Juni 2006
gestiegen. Die Todesstrafe wird auf dis- industriellen Gefängniskomplex bietet vom Heimatschutzministerium den Auf-
kriminierende Weise angewendet. Sie ist dem Privatkapital lukrative Investitions- trag erhalten, für 385 Millionen US-Dol-

: antifaschistische nachrichten 16/2006 9


lar „provisorische Gefangenenlager“ zu wichtigen Symbol dieses Kampfes ge- nalist; Lühr Henken, Bundesausschuß
errichten. Diese Lager könnten im Falle worden und darf deshalb nicht jenen Friedensratschlag; Ulla Jelpke, MdB, In-
der Verhängung des Kriegsrechts im In- Kräften ausgeliefert bleiben, die seine nenp. Sprecherin Die Linke; Walter
nern dazu dienen, US-Bürger zu internie- Hinrichtung in einen Sieg über alle Geg- Kaufmann, Autor; Sabine Klein-Schon-
ren. Eine Art Guantánamo-Lager für die ner der Todesstrafe verwandeln wollen. nefeld, Soziologin/Juristin; Sabine Kru-
„Heimat“, in denen für Gefangene weder Wir stehen deshalb fest an seiner Seite se, Erich-Mühsam-Gesellschaft; Oskar
Bürger- noch Menschenrechte gelten. und fordern mit ihm ein neues und faires Lafontaine, MdB, Fraktionsvorsitzender
Erster Schritt: ein Moratorium Verfahren und seine sofortige Freilas- d. Linkspartei; Felicia Langer, Rechtsan-
Die Todesstrafe muss abgeschafft wer- sung aus dem Todestrakt. wältin; Herbert Leuninger, Pfarrer, Mit-
den! Sie ist barbarisch, inhuman und Wir fordern alle Basisbewegungen, begr. PRO ASYL; Willi van Ooyen, Vors.
grundsätzlich unangemessen, selbst demokratischen Kräfte und Verteidiger d. Friedens- und Zukunftswerkstatt; Ulf
wenn Fehlurteile und Diskriminierungen der Menschenrechte und des Völker- Panzer, Richter, IALANA; Norman Pa-
ausgeschlossen werden könnten. rechts weltweit dazu auf, diese Forderun- ech, Völkerrechtler, MdB; Sabine Peters,
Als ersten Schritt fordern wir deshalb gen unüberhörbar öffentlich zu erheben: Autorin; Erhard Pumm, DGB-Vorsitzen-
ein nationales Moratorium der Todesstra- Abschaffung der Todesstrafe in den der HH; Prof. Dr. Werner Ruf; Horst
fe. Von 38 US-Bundesstaaten, in denen USA und weltweit! Schäfer, Journalist; Horst Schmitthenner,
die Todesstrafe Gesetz ist, haben 12 ihre Sofortige Freilassung von Mumia Beauftragter d. Vorstandes d. IG Metall;
Anwendung durch ein Moratorium aus- Abu-Jamal und Garantien für ein neues Dr. Heinz Jürgen Schneider, Rechtsan-
gesetzt. Von weiteren wird dies erwogen. faires Verfahren! walt; Wilfried F. Schoeller, Generalse-
Als Indikator für die Dringlichkeit der 2. Juli 2006 kretär d. P.E.N.-Zentrums Deutschland;
Forderung nach einem Moratorium mag USA: Prof. Dr. Herbert Schui, MdB; Eckart
gelten, dass der Oberste Gerichtshof in Prof. Angela Y. Davis, Santa Cruz / Ro- Spoo, Journalist; Dr. Martin Stankowski,
seinem jüngsten Urteil einem Gefange- bert R. Bryan, Rechtsanwalt, San Fran- Journalist; Johano Strasser, Präsident
nen in Florida das Recht zugesprochen cisco / Charlene Mitchell, Stellv. Vorsit- des P.E.N.-Zentr. Deutschl.; Dr. Peter
hat, die Hinrichtungsmethode mit der zende Committees of Correspondence for Strutynski, Bundesausschuß Friedensrat-
Giftspritze durch eine Klage wegen Ver- Democracy & Socialism / schlag; Reinhard Thiele, Cuba Sí-AG der
letzung seiner Bürgerrechte anzugreifen. Frankreich: Linkspartei.PDS; Mag Wompel/Ralf
Streitgegenstand ist der Vorwurf, die Henri Alleg, Journaliste-Autor, Palai- Pandorf, Redaktion LabourNet.
Hinrichtung mit der Giftspritze verursa- seau / Gilberte Salem, Übersetzerin, Pa- Kontakt:
che „unnötige Schmerzen“. Mehrere US- laiseau / Internationales Komitee zur
Bundesstaaten mussten deshalb wegen Deutschland: Abschaffung der Todesstrafe
der qualvollen Methode, mit der der Detlef Baade, Betriebsrat; Rolf Becker, c/o IVK Bremen, P.O.Box 150530,
Staat seine Opfer tötet, Hinrichtungen ver.di Hauptvorst. HH; Prof. Dr. Lothar D-28095 Bremen, Fon/Fax: (421)
aussetzen. Bisky, Parteivors. Linkspartei.PDS, 354029, Mobil/cell: 0174-972 99 29
In Europa haben die Erfahrungen mit MdB; Dr. Oliver Brüchert, Soziologe; eMail: info@freedom-now.de
dem Staatsterror während des deutschen Peter O. Chotjewitz, Autor; Sevim Dag- oder:
Faschismus dazu geführt, dass nach dem delen, MdB; Dr. Diether Dehm, MdB; Website: www.freedom-now.de
Zweiten Weltkrieg mehr und mehr Staa- Prof. Wolfram Elsner, Ökonom; Christia- Die Verteidigung braucht dringend Spen-
ten die Abschaffung der Todesstrafe zum ne Ensslin, Redakteurin; Prof. Dr. Jo- den. Spenden bitte an:
Verfassungsgrundsatz erhoben haben. hannes Feest, Strafvollzugsarchiv Uni Archiv 92/Sonderkonto Jamal
Auch die USA können durch den massi- HB; Claus Förster, Rechtsanwalt; Chris- S.E.B. Bank Bremen
ven Druck einer nationalen und interna- tian Geissler, Autor; Peter Gingold, Bun- Konto-Nr. 100 8738 701
tionalen Basisbewegung dazu gezwun- dessprecher der VVN-BdA, Vize-Vors. d. (BLZ 290 101 11)
gen werden, diesen Schritt endlich zu Auschwitzkomitees; Dr. Rolf Gössner, (Überweisungen aus EU-Ländern:
vollziehen. Rechtsanwalt, Präsident Internat. Liga f. IBAN DE78 2901 0111 1008 7387 01
Freiheit für Mumia Abu-Jamal Menschenrechte; Victor Grossman, Jour- - BIC: ESSEDDE5F290)

Der Journalist und Autor Mumia Abu-Ja-


mal aus Philadelphia, dem ein faires Ver-
fahren verweigert wurde, ist einer der
Gefangenen, die unschuldig in der To-
deszelle sitzen. Wenn ihm endlich ein
neues und faires Verfahren mit einer
hochkarätigen Verteidigung garantiert
würde, wie es eine internationale Kam-
pagne seit mehr als zwei Jahrzehnten
fordert, dann wäre das Ergebnis sicher
ein völlig anderes. In den 25 Jahren sei-
ner Haft hat er nicht nur einen mutigen
Kampf für ein neues Verfahren, sondern
generell gegen die Todesstrafe geführt.
Mit seinen Schriften und Hörfunkbeiträ-
gen gegen die Todesstrafe, gegen Un-
recht, Rassismus und Krieg ist Mumia
Abu-Jamal zu einem anerkannten Autor
und Sprecher all jener geworden, die sich
diesen Überbleibseln der Barbarei wider-
setzen. Wie kein zweiter hat Mumia Abu-
Jamal dem Kampf gegen die Todesstrafe
ein Gesicht gegeben. Er ist zu einem

10 : antifaschistische nachrichten 16/2006


FPÖ-Gemeinderat gegen
„Terrorstaat“ Russisches Sozialforum
Wien. Der tragische Tod eines österrei-
chischen UN-Soldaten im Libanon ließ
packt heiße Eisen – wie den
Dietmar Gerhartl, FPÖ-Gemeinderat in
Neunkirchen/NÖ, zu einem antisemiti-
Rechtsextremismus an
schen Rundumschlag ausholen. Gerhartl St. Petersburg. Während auf handelt. Obwohl sich die „Unabhängi-
schreibt, er sei es schon „lange [...] leid, dem offiziellen G8-Gipfel in St. gen“ quantitativ nicht mit den „Offi-
dem Unrecht in Palästina taten- und Petersburg sich die „Großen“ ziellen“ messen können, handelt es sich
kommentarlos zusehen zu müssen“. Als der Welt ihren imperialen Gelüsten hin- bei ihnen um keine Schmalspurorgani-
Freiheitlicher werde „man ja leicht Opfer gaben und Probleme diplomatisch zu sationen: Die „unabhängige“ Gewerk-
der Nazi-Keule [also bei jeder Kritik am umschiffen versuchten – und das vor schaft der MinenarbeiterInnen etwa
Handeln Israels als Nazi beschimpft]“. dem Hintergrund der Libanon-Krise! –, verfügt über 150 000 Mitglieder.
Aber, nachdem der „Terrorstaat Israel packte das parallel dazu tagende 2. Der dramatische Sozialbbau, die
nun auch einen Österreicher feig ermor- Russische Sozialforum ein heißes The- Gängelung demokratischer Rechte ver-
det hat“ und die „Massenmörder mit dem ma nach dem anderen an. schafft xenophoben, rechtsextremen
Judenstern [...] wie immer ungestraft Bush & Co. wichen „elegant“ dem und neofaschistischen Gruppierungen
[bleiben]“, hat Gerhartl keine Angst Tschetschenien-Konflikt aus bzw. sig- und ihrer Jagd nach Sündenböcken für
mehr vor der „Nazi-Keule“. Zumal ja die nalisierten direkte Unterstützung für die Misere eine regelrechte Konjunktur.
eigentlichen Nazis in Israel sitzen wür- Putins harten Kurs der Unterdrückung Dabei sind nicht nur die Neonazi-Orga-
den: „Es heißt ,Der Tod ist ein Meister der Rechte der TschetschenInnen. nisationen und Skinheads im Auge zu
aus Deutschland‘. Israel war jedenfalls Demgegenüber gab es auf dem Sozi- behalten – Kenner der Lage geben die
sein Vorzugsschüler.“ Ebenfalls nicht alforum eine spannende Veranstaltung, Mitgliedszahlen der offen faschisti-
fehlen darf der zustimmende Hinweis auf der minutiös die Repression der Pu- schen Organisationen für ganz Russ-
auf den „Oberrabbiner der ultraorthodo- tin-Administration aufgelistet und be- land mit 3000 - 4000 an. Generell ist
xen Juden“, Moishe A. Friedman, der schlossen wurde, die Solidarität mit eine Tendenz in der russischen Gesell-
auch in unmittelbarem Kontakt Rechts- dem tschetschenischen Volk zu intensi- schaft zu registrieren, Fremdenfeind-
extreme und Islamisten schon lange in vieren. lichkeit und rechts-rechtes Gedanken-
ihrem Hass auf den Staat Israel bestärkt. Als Resultat der neoliberalen Abbau- gut hoffähiger zu machen. Besonders
In einem weiteren Leserbrief verkündet maßnahmen ist die soziale Lage des problematisch ist, dass auch einige lin-
Gerhartl, dass er „von nun an [...] keine Großteils der russischen Bevölkerung ke Organisationen gelegentlich nicht
israelischen Waren“ mehr kaufen werde. trist. Das Schicksal von RentnerInnen, davor zurückschrecken, mit profaschis-
Derartige Töne sind offenbar voll und die sich mit 2000 Rubel (für 1 Euro be- tischen Kräften im Namen einer dubio-
ganz nach dem Geschmack der Palästi- kommt man/frau rund 34 Rubel) durch- sen „Einheit gegen die Regierung“ zu
nensischen Gemeinde in Österreich, die schlagen müssen, ist schon mehrmals kooperieren und durch diesen Tabu-
Gerhartls Tiraden auf ihrer Homepage geschildert worden. Weniger bekannt bruch den Rechtsextremisten legale
veröffentlichte. www.doew.at ■ ist, dass es auch einem Gutteil der Auftrittsmöglichkeiten verschaffen.
„NormalverdienerInnen“ dreckig geht Ein Seminar des Sozialforums setzte
Rechtsextreme Heiden und dass der russische Staat viel Ener- sich eingehend mit all diesen Fragen
gie darauf verwendet, durch weitere auseinander. In einer abschließenden
Österreich. Seit Herbst 2005 ist in Ös- Einschränkung der Gewerkschaftsrech- Resolution wurde festgehalten, dass
terreich eine Gruppe namens „Runar - te diesen Zustand zu zementieren. Die „Kritik von Fremdenfeindlichkeit und
Gemeinschaft des alten Pfades“ aktiv. „offiziellen“ Gewerkschaften (meist die Aufzeigen der damit verbundenen anti-
Dieser Verein wurde laut Eigenaussagen früher von der KPdSU gelenkten Zen- demokratischen Entwicklungen“ einer
gegründet, um „das ‘alte’ heidnische tralen) stehen dieser Entwicklung hilf- der Schwerpunkte der künftigen Tätig-
Denken, Leben, Denken [sic!] und Füh- los gegenüber oder tragen die sozialen keit des Sozialforums zu sein hat.
len unserer germanischen Ahnen wieder Einschnitte sogar mit. In einer Arbeits- Scharf wird der Kooperation mit
zu beleben“. Wie sehr dieses „Denken“ gruppe des Sozialforums – an der auch Rechtsextremisten eine Abfuhr erteilt
vom rechtsextremen Gedankengut beein- eine Delegation der französischen und demgegenüber die Notwendigkeit
flusst wird, zeigt z. B. der auf der Home- Linksgewerkschaft „sud“ teilnahm – unterstrichen, im Kampf gegen sie auch
page dieser Gruppe veröffentlichte Arti- wurde Licht auf die Lage in den Betrie- „international zu kooperieren“.
kel „Die heidnisch-germanische Lebens- ben geworfen und die Tätigkeit der Hermann Dworczak,
art in der heutigen Zeit“. Der Gründer „unabhängigen“ Gewerkschaften be- St. Petersburg ■
dieses Vereins mit Sitz in Dornbirn, Mar-
co Maier, schreibt darin, dass unser Zeit-
alter vom „judäochristlichen Gedanken-
gut“ geprägt werde. Die „christliche[r] laut dem Gründer der Runar-Gemein- men und sogar neonazistischen Gruppie-
Infiltration des germanischen Volksgeis- schaft nicht dem „falschen Wertekodex rungen, u.a. zur Artgemeinschaft und zur
tes“ und die daraus entstandene „geistige von Fremdreligionen und Fremdvölkern Gemeinschaft deutscher Frauen (GdF).
Verformung“ habe seiner Meinung nach unterworfen“. Gegen das Gleichheits- Wie gut die Verbindungen zu diesem
dazu geführt, dass „wir Millionen von postulat betont Maier, dass der „Boden- Spektrum sind, zeigt sich auch auf der
fremdstämmigen Menschen in unsere satz der Gesellschaft“ es nicht verdient Homepage der im Juni dieses Jahres ge-
Mitte aufgenommen haben, welche un- habe, „oben zu stehen“. Dennoch habe gründeten Runar-Gemeinschaft in Ba-
ser volkliches Sein durch ihre Anwesen- „jeder Stand der Volksgemeinschaft“ sei- den-Württemberg, einer Landesstelle der
heit und die dadurch entstehenden Ver- ne eigene Berechtigung, da „keiner der österreichischen Runar-Gruppe. Auf ih-
mischungstendenzen gefährden – wenn Stände ohne den anderen überleben rer Linkseite ist ebenfalls eine große An-
nicht sogar zerstören“. Diesem „unheil- könnte“. zahl von einschlägigen (auch neonazisti-
vollen Weg“ gelte es „Einhalt zu gebie- Auf der Linkseite der Runar-Homepa- schen) Organisationen zu finden.
ten“. Als heidnischer Germane ist man ge finden sich Verweise zu rechtsextre- www.doew.at ■

: antifaschistische nachrichten 16/2006 11


: ausländer- und asylpolitik
(Schill-Partei) angekündigten hanseati-
schen Alleingang in die Wege. Zunächst
wurden so genannte – oder auch tatsäch-
liche Straftäter umstandslos ausgewie-
Flüchtlingsrat protestiert sie sich lebensnotwendige Medikamente sen, ab Mai 2005 allein stehende Männer
gegen die rigorose Abschie- oder Behandlungen nicht leisten können. zwischen 16 und 80 Jahren, Väter, Frau-
bung auch von traumatisier- „Was nützen alle angewandten Metho- en und Kinder bekamen vorerst eine Gal-
ten Flüchtlingen den zur psychischen Stabilisierung, was genfrist, die für alle Personen über 16
nützen erarbeitete Verhaltenstechniken, Jahren ohne Kinder jedoch schon lange
Stuttgart. Seit langem schon beklagen wenn eine oft jahrelange Therapie durch abgelaufen ist. Nun sind auch die Famili-
verschiedene Menschenrechtsorganisa- eine drohende Abschiebung von einer en mit Kindern dran - also alle. Der
tionen die rigorose Abschiebepolitik des Sekunde zur anderen zunichte gemacht Hamburger Senat habe mit der Aufnah-
Landes Baden-Württemberg. Jetzt wird!“, so Dr. Uta Klee vom Verein zur me von Flüchtlingen aus Afghanistan ein
schlägt das Menschenrechts-Zentrum Unterstützung traumatisierter Migranten: weiteres Mal bewiesen, dass die Stadt
Karlsruhe Alarm: Wiederholt werden „Seit meinem mehr als zehn Jahre an- bereit und willens sei, Menschen in Not
derzeit kranke und traumatisierte Men- dauernden ärztlichen Engagement für zu helfen, heißt es in einer Pressemittei-
schen auch nach zehn- oder bereits 15- psychisch belastete Flüchtlinge war ich lung der Hamburger Innenbehörde.
jährigem Aufenthalt in Deutschland zur noch nie in einer derartig aussichtslosen „Hierzu haben wir jedes Mal ganz erheb-
Ausreise aufgefordert mit dem pauscha- Situation wie heute.“ liche Leistungen aus dem öffentlichen
len Hinweis, die Krankheit könne auch Der Flüchtlingsrat Baden-Württem- Haushalt erbracht. Diese Hilfe soll auch
im Herkunftsland behandelt werden. berg, das Menschenrechts-Zentrum in Zukunft geleistet werden, wozu die
So werde eine seit 15 Jahren hier le- Karlsruhe und die beteiligten Organisa- Stadt aber nur dann in der Lage sein
bende Angehörige der Roma, die an ei- tionen fordern das Regierungspräsidium wird, wenn die auf Zeit aufgenommenen
ner erheblichen psychischen Belastung Karlsruhe und die Landesregierung auf, Menschen auch wieder in ihre Heimat-
und einer beidseitigen Cystenniere lei- diese Menschen verachtende Politik ein- länder zurückkehren“, wird Nagel darin
det, zur Ausreise aufgefordert. Ohne re- zustellen. Gerade erst hat der Bundesin- zitiert. Deshalb werde die Hansestadt so-
gelmäßige fachärztliche Überwachung nenminister Wolfgang Schäuble von der fort damit beginnen, den Familien die
und Therapie werde die 50-Jährige ver- Möglichkeit der Realisierung einer Blei- freiwillige Rückkehr durch finanzielle
mutlich an den Folgen der fortschreiten- berechtsregelung für langjährig Gedul- Anreize schmackhaft zu machen, oder
den Niereninsuffizienz versterben. In ih- dete in einem Interview gesprochen. Bei „sie notfalls auch gegen ihren Willen zu-
rem ehemaligen Dorf lebt niemand mehr, der Ausgestaltung dürfen Kranke und rückzuführen“.
der sich um sie kümmern könnte. In ei- Traumatisierte nicht vergessen werden! „Gut viereinhalb Jahre nach Beendi-
nem anderen Fall wird eine ebenfalls Wie andere Bundesländer sollte auch Ba- gung des Bürgerkrieges“ in Afghanistan,
schwer nierenkranke Mutter von zwei den-Württemberg diese Menschen schüt- hält Nagel diesen Schritt für angemes-
Kindern einer Romafamilie aus Jugosla- zen, damit sie nicht jetzt im Sommer ab- sen. Bürgerkrieg? Beendigung? In die
wien ebenfalls zur Ausreise aufgefordert. geschoben werden, bevor sie im Herbst militärischen Auseinandersetzungen sind
Ihre Kinder sind sehr gut in die Schule von solch einer Regelung profitieren einerseits die Taliban und Warlords, an-
integriert. Der Junge spielt in einer Fuß- könnten. dererseits die US-Besatzungstruppen,
ballmannschaft und wird in Kürze die Flüchtlingsrat Baden-Württemberg ■ die im Rahmen der „Operation Enduring
Schule mit der mittleren Reife abschlie- Freedom“ kämpfen, sowie zunehmend
ßen. In einem weiteren Fall wird eine Erneut Massenabschiebun- auch die International Security Assistan-
schwer kranke türkisch-kurdische Mutter ce Force (ISAF) verwickelt. Und die
von vier Kindern zur Ausreise aufgefor- gen nach Afghanistan Kämpfe sind mitnichten beendet, son-
dert. Sie hat vor etwa zwei Jahren ein angekündigt dern dehnen sich immer mehr aus, so
Aufenthaltsrecht wegen ihrer psy- Hamburg. Hamburg schiebt schon lange dass die Lage für die Zivilbevölkerung
chischen Erkrankung erhalten. Ihr Ehe- nach Afghanistan ab, bisher wurden Kin- immer schwieriger wird.
mann und Vater ihrer Kinder starb vor der und Jugendliche unter 16 Jahren so- Gegen die Massenabschiebungen nach
wenigen Wochen an einem bösartigen wie ihre Angehörigen noch verschont, Afghanistan regt sich deshalb seit Jahren
Lungentumor. Nun haben ihr die Behör- doch das soll sich jetzt ändern: Dem- breiter Widerstand. Eigentlich sind alle
den das Aufenthaltsrecht entzogen, mit nächst sollen auch Familien mit Kindern dagegen: die Betroffenen, Flüchtlingsor-
der Begründung, dass sie noch keine Ar- zurückgeschickt werden in das Krisenge- ganisationen, Menschenrechtsgruppen,
beit gefunden habe. Die Beispiele ließen biet am Hindukusch, wo deutsche Solda- die Kirche, die Opposition in der Ham-
sich beliebig fortsetzen. ten immer noch tapfer ihr Heimatland burger Bürgerschaft. Selbst die Karsai-
Diese Menschen werden schwer verteidigen. Regierung sieht dem nicht eben hoff-
krank, in einer besonderen Notlage, ohne In Hamburg, der größten afghanischen nungsfroh entgegen.
Rücksicht auf die weitere Entwicklung Gemeinde Europas, lebten 2003 laut Be- Als „große Katastrophe nicht nur für
ihrer Kinder, die hier geboren oder auf- hördenstatistik etwa 18.000 Afghaninnen Afghanistan, sondern für die gesamte
gewachsen sind, zur Ausreise aufgefor- und Afghanen. Mehreren Tausend von Menschheit“ bezeichnete beispielsweise
dert. Auch so ist es eine besondere Härte, ihnen wurde schon damals die Zwangs- die stellvertretende Frauenministerin So-
nach vielen Jahren in das Herkunftsland verbringung in ihr zerbombtes, vermin- raya Rahim auf einer Veranstaltung des
abgeschoben zu werden, zu dem es keine tes und uran-verseuchtes Herkunftsland Flüchtlingsrats Hamburg im November
familiären Anbindungen, keinen Wohn- angedroht – und dies zum Teil auch um- 2003 die geplanten Massenabschiebun-
raum und keine Existenzgrundlage für gesetzt. Obwohl die Innenministerkonfe- gen. Das Land könne auf keinen Fall
die betreffenden Menschen gibt. Um so renz (IMK) eine endgültige Entschei- noch mehr Menschen gebrauchen, denen
gravierender ist dies für psychisch oder dung über Abschiebungen nach Afgha- eine Existenz in bitterer Armut und bar
somatisch schwer erkrankte Flüchtlinge. nistan auf Grund der instabilen Sicher- jeder Perspektive – noch dazu an einem
Für sie wird eine Abschiebung in ein heitslage im Land immer wieder vertag- nicht selbst gewählten Ort – aufgezwun-
Land ohne existenzielle Grundlagen un- te, leitete Hamburgs Innensenator Udo gen würde, so Rahim. Im Sommer 2005
ter Umständen zum Todesurteil, wenn Nagel (parteilos) den schon 2003 von schaltete sich auch der afghanische Mi-
seinem Vorgänger Dirk Nockemann nister für Flüchtlingsfragen ein, er be-
weiter Seite 14
12 : antifaschistische nachrichten 16/2006
Auf dem Europäischen Sozial- Athen im Mai 2006 wurde Migration nia im Januar 2007 einen Themenblock
forum, zu dem sich vom 4.- zum ersten Mal mit einem eigenen the- „Migration“ voranzubringen.
7.5.06 ca. 15.000 Menschen in matischen Schwerpunkt behandelt. Ein Dies entspricht dem Aufruf von Ba-
Athen versammelten und das zum wachsendes Netzwerk von Initiativen, die mako, aus dem wir bereits zitiert haben:
ersten Mal Migration als einen sich mit Migration beschäftigen, be- „Für den Zeitraum zwischen dem Forum
Schwerpunkt behandelte, wurde ein schloss bei der Abschlussversammlung, von Bamako und dem von Nairobi schla-
Aufruf für einen transnationalen Akti- einen weiteren Schritt zu machen und gen wir eine einjährige internationale
onstag am 7.10.06 in Europa und Afri- Aktionen rund um den 7. Oktober zu ko- Mobilisierung zur Verteidigung des
ka beschlossen, anknüpfend an eine ordinieren. Rechtes aller Menschen darauf, sich frei
Erklärung des polyzentrischen Welt- in der Welt bewegen zu
sozialforums im Januar in Bamako.
Wir dokumentieren im Folgenden
Aufruf zum dritten können und ihr Schicksal
selbst zu bestimmen, vor.
den Aufruf. Schließlich rufen wir zu
MigrationsAktionsTag einem internationalen Mo-
Im Namen der Bekämpfung ,illegaler‘ bilisierungstag auf, der an
Einwanderung setzen Regierungen re-
pressive Verfahren ein und weiten die
am 7. Oktober 2006 Orten stattfinden könnte,
die Grenzen darstellen oder
Grenzen wohlhabender Nationen durch
Internierungslager, Vertreibungen, Ab-
in ganz Europa und Symbole für Grenzen sind
(Flughäfen, Lagern, Bot-
schiebungen und Selektion von Arbeits- schaften etc)“.
kräften aus.“ (aus dem Aufruf von Bama- darüber hinaus … Vor allem sind wir ent-
ko/Mali zu Migration beim polyzentri- schlossen, die globale Di-
schen Weltsozialforum, Januar 2006) Unter Berücksichtigung spezifischer mension heutiger migrantischer Kämpfe
Das europäische Migrationsregime regionaler und nationaler Bedingungen zu betonen. Daher haben wir vor, unseren
macht aus MigrantInnen „Illegale“. Eine und der Umstände, unter denen verschie- Aktionstag mit den in der nächsten Zeit
der wesentlichen Maßnahmen der EU- dene Kämpfe stattfinden, zielt unser Akti- stattfindenen Initiativen und andauernden
Behörden gegen Wanderungsbewegun- onstag auf Widerstand auf europäischen Massenmobilisierungen der amerikani-
gen und Kämpfe von MigrantInnen ist bis hin zu transkontinentalen Ebenen. schen MigrantInnenbewegungen zu ver-
zur Zeit die Errichtung von Lagern und Unsere Mobilisierung ist der erste Schritt netzen.
anderen, der Kontrolle von Migration
dienenden, Einrichtungen und Maßnah-
men außerhalb Europas in afrikanischen
und osteuropäischen Ländern („Externa-
lisierung“).
Als im Oktober letzten Jahres Tausen-
de von MigrantInnen und Flüchtlingen
gemeinsam die Grenzzäune der spani-
schen Enklaven in Ceuta und Mellila
stürmten, gelangten die entscheidenden
Forderungen nach Bewegungsfreiheit
und gleichen Rechten unmissverständlich
an die Öffentlichkeit wenigstens für kur-
ze Zeit. Die unmenschlichen, barbari-
schen Reaktionen, die tödlichen Schüsse
und Massendeportationen in die Wüste
spiegelten die Eskalation des Konfliktes
und die Krise des europäischen Migrati-
onsregimes wider.
Doch existiert auch ein fortlaufender Westafrikanische Flüchtlinge, gestrandet am Strand von Teneriffa. Seit Jahres-
Prozess der Unterminierung des Migrati- beginn sind bereits über 13000 Menschen auf die Kanaren geflüchtet, viele über-
onsregimes – nicht nur von „außerhalb“ leben die gefährliche Überfahrt nicht.
der Grenzen, sondern auch von innerhalb.
In ganz Europa finden fast täglich soziale auf dem Weg zu europaweiten zentralen Der dritte Aktionstag wird sich gegen
und politische Kämpfe statt, Proteste und Aktivitäten, um die Idee einer gemeinsa- die Aberkennung von Rechten, gegen die
Kampagnen gegen Lager und Abschie- men Demonstration 2007 zu entwickeln, Kriminalisierung von MigrantInnen und
bungen, für das Recht auf Asyl für Frauen die entweder in Brüssel oder einem ande- gegen alle Einwanderungskontrollen
und Männer, für Legalisierung, für euro- ren Ort des öffentlichen Interesses statt- richten, und klare Forderungen im Kon-
päische Bürgerrechte, die auf Wohnort finden soll. Unser Ziel ist es, Europa als text von Bewegungsfreiheit und Bleibe-
und nicht auf Nationalität basieren, und Ganzes anzusprechen, nicht nur die Re- recht stellen:
gegen die Ausbeutung migrantischer Ar- gierungen der Länder.
beiterInnen. Diese Kämpfe gehen weit Hinzu kommt, dass das gewählte Da- ● Für eine bedingungslose europäi-
über ein eng gefasstes Verständnis von tum im Oktober eine Erinnerung an die sche Legalisierung und gleiche
europäischer Identität hinaus. Ereignisse in Ceuta und Mellila 2005 dar- Rechte für alle MigrantInnen
Unser neuer gemeinsamer Aufruf zu stellt. Wir werden besondere Anstrengun- ● Für die Schließung aller Internie-
einem Aktionstag schließt sich an die gen unternehmen, um eine Zusammenar- rungslager in Europa und überall
Mobilisierungen vom 31. Januar 2004 beit mit Initiativen in Afrika aufzubauen. ● Für ein Ende aller Abschiebungen
und 2. April 2005 an, den ersten und Ein Aktionstag im Oktober, der gleichzei- und des Externalisierungsprozesses
zweiten MigrationsAktionsTag, den wir tig in europäischen und afrikanischen ● Für eine Entkopplung der Aufent-
in über fünfzig Städten Europas abhiel- Städten stattfindet, wird uns helfen, beim haltserlaubnis von einem Arbeits-
ten. Beim Europäischen Sozialforum in nächsten Weltsozialforum in Nairobi/ Ke- vertrag und gegen „Prekarität“

: antifaschistische nachrichten 16/2006 13


zeichnete Nagels Vorhaben als „zu die- nordisraelische Städte Tote und Verletzte sind nicht die richtige Antwort auf das
sem Zeitpunkt kontraproduktiv“. Doch unter der Zivilbevölkerung. Flüchtlingsproblem. Doch leider fällt
der Hamburger Innensenator blieb bisher Ins Fadenkreuz der israelischen Bom- den Innenministern der Europäischen
hart – und der hat letztendlich die Ent- bardements sind offenbar vollends Union immer nur ein, Polizei und Militär
scheidungsgewalt. Wohnviertel in Beirut geraten, aber auch einzusetzen.
Birgit Gärtner ■ Kleinstädte und Dörfer im Süden des Li- Auf ihrem gestrigen Treffen haben die
banon liegen unter Artilleriebeschuss. Minister nicht darüber gesprochen, wie
Ein Herz für Eliten Nach israelischen Angaben zielen die sie Flüchtlingen aus Afrika wirksam hel-
Angriffe auf Einrichtungen der Hizbol- fen und die Kanarischen Inseln sowie
Berlin. Derzeit ist wieder einer Debatte lah. Tatsächlich fordern sie jedoch in ers- Malta entlasten können. Stattdessen ha-
in Gang gekommen, wie mehr ausländi- ter Linie nicht nur Opfer unter der schi- ben sie beschlossen, Überwachungsboo-
sche Spitzenkräfte, Hochqualifizierte itischen Zivilbevölkerung sondern zu- te vor der afrikanischen Küste kreuzen
und Existenzgründer nach Deutschland nehmend auch in christlichen und drusi- zu lassen.Die Minister haben auch nicht
geholt werden können. Allgemein wer- schen Siedlungsgebieten. darüber diskutiert, wie sie die Zehntau-
den die gesetzlichen Anforderungen an Während die europäischen Regierun- sende von Flüchtlingen aus dem Libanon
den Erwerb einer Aufenthalts- oder Nie- gen und die USA ihre Staatsangehörigen menschenwürdig versorgen können. Bis
derlassungserlaubnis als zu hoch angese- zu Lande, zu Wasser und zu Luft aus jetzt sind schon 40.000 vor dem Krieg
hen. Dazu erklärt Ulla Jelpke, innenpoli- dem Libanon evakuieren, bleiben zig- geflohen, und die Zahlen steigen rasant
tische Sprecherin der Fraktion DIE LIN- Tausende vor dem Bombenterror fliehen- an. Zypern alleine ist überfordert, da hel-
KE. im Bundestag: de Menschen im Libanon weitgehend fen auch die vagen Zusagen einiger EU-
Eigentlich nichts Neues. Zuwandern auf sich allein gestellt. Der libanesische Staaten über finanzielle Hilfen nichts.
darf, wer dem Standort Deutschland Staat ist vollkommen paralysiert und in- Wer die zyprische Regierung indirekt
nützt. So soll für Hochqualifizierte die ternationale Hilfsorganisationen sind auffordert, die Flüchtlinge zu internie-
Einwanderung erleichtert werden. Auch selbst von der Gewalt betroffen. ren, handelt inhuman. Für Beispiel ge-
wer Arbeitsplätze schafft, soll nicht mehr Vor diesem Hintergrund fordert der bend halte ich die Bereitschaft des Lan-
unrealistisch hohe Hürden überwinden Flüchtlingsrat den Hamburger Innense- des Berlin, Flüchtlinge aus dem Libanon
müssen. nator Udo Nagel auf, einen umgehenden aufzunehmen. Andere Bundesländer
Zynisch wird es allerdings, wenn Abschiebestopp für Personen aus dem sollten sich dem anschließen.
gleichzeitig die Hürden für Flüchtlinge Libanon zu erlassen. Die Innenminister Die Bundesregierung gehört bei der
immer weiter erhöht werden. Unter täti- von Schleswig-Holstein und Rheinland- Abwehr von Flüchtlingen zu den Scharf-
ger deutscher Mithilfe wird das System Pfalz haben in den letzten Tagen bereits machern. Sie hat zugesagt, die Bundes-
der Flüchtlingsabwehr im Mittelmeer reagiert und Abschiebestopps erlassen. polizei bei der Schnellen Eingreiftruppe
weiter perfektioniert. Der Tod von hun- Hamburgs Innensenator sollte es ihnen der EU-Grenzschutzbehörde Frontex
derten Flüchtlingen, die auf immer wag- gleich tun! einzusetzen. Auch der Evaluierungsbe-
halsigere Routen gezwungen werden, Gleichzeitig appelliert der Flücht- richt zum Zuwanderungsgesetz drückt
wird in Kauf genommen. lingsrat an die Hamburger Landesregie- die ablehnende Haltung der Bundesre-
Besonders krass zeigt sich die Sortie- rung, vom Bund die umgehende und gierung gegenüber Migrantinnen und
rung in nützliche Top-Fachkräfte, die großzügige Aufnahme von Flüchtlingen Migranten aus: Die Vorschläge drehen
kommen dürfen, und den Unnützen, die aus dem Libanon einzufordern. Die sich ganz überwiegend darum, wie Zu-
draußenbleiben sollen, derzeit am Bei- Großzügigkeit, die Deutschland noch vor wanderer noch mehr überwacht, ausge-
spiel der Flüchtlinge aus dem Libanon. wenigen Jahren für die Täter im libane- grenzt und reglementiert werden können.
Unisono haben die Innenpolitiker der sisch-israelischen Konflikt hat walten Das Mindeste, was jetzt getan werden
großen Koalition es abgelehnt, libanesi- lassen, sollte mindestens ebenso für die muss, ist: Grenzen auf für Flüchtlinge
sche Flüchtlinge aufzunehmen. Dass aktuellen Opfer des Krieges gelten! Das aus dem Libanon! Und Bleiberecht für
Bundesinnenminister Schäuble nach fordert der Flüchtlingsrat Hamburg mit die langjährig Geduldeten in Deutsch-
Pressemeldungen einen Abschiebestopp Blick auf die Aufnahme libanesischer land!
für hier lebende Libanesen verhängt hat, Flüchtlinge durch Deutschland im Jahr Ulla Jelpke, www.ulla-jelpke.de ■
ist Heuchelei: sie können faktisch ohne- 2000. Dass eine Aufnahme von Flücht-
hin nicht abgeschoben werden. lingen aus dem Libanon bei akutem Be- Grundrechte für Migrantin-
Nicht nur die Regeln für die allgemei- darf ggf. unkompliziert möglich ist, hatte
ne Zuwanderung, auch das Asyl- und die Bundesregierung nämlich im Jahr nen und Migranten dürfen
Flüchtlingsrecht müssen neu gestaltet 2000 bewiesen. Deutschland nahm 400 nicht unter den Tisch fallen!
werden. Angehörigen der Südlibanesischen Ar- Berlin. Zum Evaluierungsbericht der
Ulla Jelpke, Fr., 4.8.2006: mee (SLA) auf. Die SLA Kämpfer muss- Bundesregierung zum Zuwanderungsge-
www.ulla-jelpke.de ■ ten seinerzeit aus dem Libanon fliehen, setz erklärt die innenpolitische Spreche-
nachdem Israel sich nach fast zwei Jahr- rin der Fraktion DIE LINKE., Ulla Jelp-
Flüchtlingsrat Hamburg zehnten aus dem besetzten Süd-Libanon ke: Der Bundesinnenminister hat keine
zurückzog. Die SLA hatte zuvor eng mit einzige Forderung von Migrantenverbän-
fordert Aufnahme den Besatzern kollaboriert und sich da- den, Kirchen und Flüchtlingsorganisatio-
libanesischer Flüchtlinge bei zahlreicher brutaler Verbrechen ge- nen aufgegriffen.
Hamburg. Im Libanon herrscht Krieg. gen die libanesische und im Libanon le- Anstatt die Situation von Migrantin-
Seit Tagen fordern israelische Bomben- bende palästinensische Zivilbevölkerung nen und Migranten zu verbessern, will
angriffe auf Städte im ganzen Land bis schuldig gemacht. (…) Minister Schäuble deren Rechte weiter
dato über Hundert Tote und Tausende Flüchtlingsrat Hamburg, 20.7. ■ beschneiden.
Verletzte. Im ganzen Land werden syste- Dass künftig die Ausländerbehörden
matisch militärische, aber auch zivile In- Flüchtlinge dürfen nicht ermächtigt sein sollen, Menschen in Ab-
frastruktur, Straßen, Brücken, Landebah- schiebehaft zu stecken, ohne ein Gericht
nen, Sende- und Energieanlagen bom- interniert werden! einzuschalten, ist einfach nur rechts-
bardiert. Gleichzeitig fordern Raketen- Berlin. Mehr Patrouillen, mehr Gefäng- staatswidrig. Hier werden Migranten als
angriffe der schiitischen Hizbollah auf nisse und mehr Überwachungstechnik Menschen zweiter Klasse behandelt.

14 : antifaschistische nachrichten 15-2005


Vor Abschiebungen soll es keine An- Das Pro- ger privilegierten Religionen unterschei-
kündigungspflicht mehr geben. Das läuft gramm besteht det. Auf der Grundlage der Religionsfrei-
darauf hinaus, Nacht-und-Nebel-Ab- aus spannen- heit als Menschenrecht gilt das Gebot
schiebungen zum Regelfall zu machen. den Theater-, strikter Gleichbehandlung aller Glau-
Auch hier wäre der Rechtsweg praktisch Film- und bensgemeinschaften.
verbaut. Buchpräsenta- SZ: Wird die Kopftuch-Causa in ande-
Kinder unter 14 Jahren sollen generell tionen, die ren Bundesländern besser geregelt?
verdächtigt werden, ihr „wahres“ Alter sich mit der Böckenförde: Nein. Baden-Württem-
zu verbergen, und Ärzten im Dienste der Lebenswirk- berg ist vorangegangen, andere Länder
Ausländerbehörden zum Körpervermes- lichkeit von haben das im Wesentlichen übernom-
sen zugeführt werden. Auch hier drohen Flüchtlingen men. Das ist ein Trend und der wird,
Grundrechte komplett unter den Tisch zu befassen. Der fürchte ich, anhalten und zur Verdrän-
fallen. Abend des gung der Offenheit für Religion in der
Angeblichen „Scheinvätern“ wird der zweiten Tages endet mit einem Livekon- Schule führen: Der Gesetzgeber kann
Kampf angesagt. Justizministerin Brigit- zert und einem großen Fest. Nähere Infos das Nonnenhabit nicht erlauben, aber das
te Zypries hat offenbar bereits einen Ge- finden sich auf der Internetseite: muslimische Kopftuch generell untersa-
setzesentwurf in der Schublade. Allein www.pro-asyl.de ■ gen. Die Ordenstracht ist ja nicht, wie
erziehende Migrantinnen werden unter Frau Schavan einmal gemeint hat, eine
Generalverdacht gestellt, obwohl bislang Ex-Verfassungsrichter Berufskleidung, sondern Ausdruck des-
noch niemand nachgewiesen hat, dass es sen, dass man sein Leben Gott geweiht
tatsächlich einen „erheblichen Miss- kritisiert Kopftuchverbot hat … Wenn schon das Nonnenhabit als
brauch“ gibt. Stuttgart. Heribert Prantl, Redakteur Ausdruck einer so intensiven religiösen
Auf eine Selektion von Migranten der Süddeutschen Zeitung, hat den ehe- Einstellung und Gesinnung an der Schu-
nach ihrem Bildungsgrad läuft es hinaus, maligen Verfassungsrichter (1983 bis le allgemein zugelassen ist, dann kann
wenn nicht mehr der Besuch, sondern 1996) Ernst-Wolfgang Böckenförde zum etwas, dessen religiöser Bezug weniger
der erfolgreiche Abschluss eines Integra- Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart intensiv ist, also das Kopftuch, nicht ge-
tions- und Sprachkurses verlangt wird. befragt, das einer muslimischen Lehrerin nerell verboten werden. Es gilt die Erst-
Wer den Abschlusstest nicht besteht, hat das Kopftuchtragen im Unterricht trotz recht-Logik.
Pech – und verliert nach dem Willen der gegenteiligen Gesetzes erlaubt. Böcken- Gewiss muss die Religionsausübung
tonangebenden CDU-Politiker sämtliche förde, Anhänger der katholischen Religi- sozialverträglich sein. Aber das darf
Unterstützungsansprüche oder fliegt on, sieht im Gegensatz zu Frau Schavan, nicht zum Anlass genommen werden, an-
gleich ganz raus. ebenfalls bekennende Katholikin, viele dere Religionen auszuschließen oder zu
Im Zweifel für Bestrafung, Kontrolle Gründe, auch in seiner Religion liegen- diskriminieren. Sie müssen sozusagen
und Abschiebung, so lautet der Grund- de, das Kopftuch im Schulunterricht zu hineinintegriert werden in eine christlich
satz dieses migrationsfeindlichen Pa- tolerieren. Während Frau Schavan aus geprägte Kultur. Natürlich kann ich er-
piers. Sämtliche Ankündigungen einer politischen Gründen den Islam be- warten, dass muslimische Mitbürger kei-
wohlwollenden Integrationspolitik wer- kämpft, sieht der Ex-Verfassungsrichter nen Anstoß nehmen an den Wegekreu-
den hier offen zur Makulatur. Risiken für die Rechtsordnung und die zen, die wir hier überall finden. Sie sind
Ulla Jelpke, www.ulla-jelpke.de ■ Religionsausübung generell. Er führt un- Ausdruck der Prägung unserer Kultur.
ter anderem aus: Gott sei Dank ist ja auch die katholische
PRO ASYL wird 20 Jahre „SZ: Gleichbehandlung heißt Gleiches Kirche, die sich lange schwer getan hat
gleich und Ungleiches ungleich behan- mit der Religionsfreiheit, jetzt zu ihrem
Frankfurt. Am Samstag, den 9. Septem- deln. Warum muss eine zugewanderte Re- konsequenten Verfechter geworden, und
ber 2006 findet um 20.00 Uhr die Festver- ligion, der nur die Minderheit der Bevöl- der verstorbene Papst Johannes Paul II.
anstaltung zu 20 Jahren PRO ASYL mit kerung angehört, genauso behandelt wer- hat ja auch ausdrücklich ein Plädoyer für
der erstmaligen Verleihung des Preises den wie die in Geschichte und Traditionen den offenen neutralen Staat gehalten.
der Stiftung PRO ASYL statt. Am 29. und des Landes verwurzelten Religionen? Und zwar eben als Ausdruck dessen,
30. September 2006 wird in der Brotfa- Böckenförde: Weil das Grundgesetz dass die Religionsfreiheit ein Menschen-
brik in Frankfurt/Main gefeiert. nicht zwischen privi legierten und weni- recht ist und der Staat dafür sorgen müs-
se, dass jede Glaubensüberzeugung sich
privat und öffentlich entfalten könne in-
nerhalb der Ordnung des Zusammenle-
Der Herausgabekreis und die Redaktion sind zu erreichen über:
GNN-Verlag, Zülpicher Str. 7, 50674 Köln Tel. 0221 / 21 16 58, Fax 0221 / 21 53 73. bens. (...)
email: antifanachrichten@netcologne.de, Internet: http://www.antifaschistische-nachrichten.de Das Kopftuch einer muslimischen
Erscheint bei GNN, Verlagsges. m.b.H., Zülpicher Str. 7, 50674 Köln. V.i.S.d.P.: U. Bach Lehrerin, die diese gemeinsame Ord-
Redaktion: Für Schleswig-Holstein, Hamburg: W. Siede, erreichbar über GNN-Verlag, Neuer Kamp 25, nung anerkennt und sich entsprechend
20359 Hamburg, Tel. 040 / 43 18 88 20. Für NRW, Hessen, Rheinland Pfalz, Saarland: U. Bach, verhält, ist ein Stück Integration, nicht
GNN-Verlag Köln. Baden-Württemberg und Bayern über GNN-Süd, Stubaier Str. 2, 70327 Stuttgart, Tel.
0711 / 62 47 01. Für „Aus der faschistischen Presse“: J. Detjen c/o GNN Köln. Desintegration. Die oftmals berufene
Erscheinungsweise: 14-täglich. Bezugspreis: Einzelheft 1,30 Euro. auch politische Wahrnehmung oder
Bestellungen sind zu richten an: GNN-Verlag, Zülpicher Str. 7, 50674 Köln. Sonderbestellungen sind Komponente des islamischen Kopftuchs
möglich, Wiederverkäufer erhalten 30 % Rabatt. steht dem nicht entgegen. Abgesehen da-
Die antifaschistischen Nachrichten beruhen vor allen Dingen auf Mitteilungen von Initiativen. Soweit ein- von, dass diese zum Teil erst medial her-
zelne Artikel ausdrücklich in ihrer Herkunft gekennzeichnet sind, geben sie nicht unbedingt die Meinung beigeführt und hochgepuscht wird, wi-
der Redaktion wieder, die nicht alle bei ihr eingehenden Meldungen überprüfen kann. derlegt jede kopftuchtragende muslimi-
Herausgabekreis der Antifaschistischen Nachrichten: Anarchistische Gruppe/Rätekommunisten (AGR); Annelie Bun-
tenbach (Bündnis 90/Die Grünen); Rolf Burgard (VVN-BdA); Jörg Detjen (Forum kommunistischer Arbeitsgemeinschaf-
sche Lehrerin, die selbstständig und ei-
ten); Martin Dietzsch; Regina Girod (VVN - Bund der Antifaschisten); Dr. Christel Hartinger (Friedenszentrum e.V., Leip- genverantwortlich ihren Beruf ausübt,
zig); Hartmut-Meyer-Archiv bei der VVN - Bund der Antifaschisten NRW; Ulla Jelpke (MdB); Jochen Koeniger (Arbeits- durch sich selbst die Vorstellung von der
gruppe gegen Militarismus und Repression); Marion Bentin, Edith Bergmann, Hannes Nuijen (Mitglieder des Vorstandes
der Arbeitsgemeinschaft gegen Reaktion, Faschismus und Krieg–Förderverein Antifaschistische Nachrichten); Kreisverei-
im Islam unterdrückten Frau.“
nigung Aachen VVN-BdA; AG Antifaschismus/ Antirassismus in der PDS NRW; Angelo Lucifero (Landesleiter hbv in ver.di aus Kommunale Berichte Stuttgart
Thüringen); Kai Metzner (minuskel screen partner); Bernhard Strasdeit; Volkmar Wölk. 16-06 ■

: antifaschistische nachrichten 16/2006 15


D
ie KPD war
die erste Par-
tei, die von
50 Jahre KPD Verbot – 1933 seine Zu-
stimmung zum
Ermächtigungsge-
den Nazis verboten
und verfolgt wurde. die amputierte Demokratie setz gegeben hat-
te. Der musste ja
Keine andere Partei wissen, was ein
hat für den Widerstand gegen die Nazi- Im Boykottbeschluss der Bundesregie- Verfassungsfeind ist.
Barbarei einen so hohen Blutzoll zahlen rung gegen die KPD u.a. heißt es und das In den Prozessen gegen die VVN wur-
müssen. Nach 1945 waren die überleben- gilt wie alles andere bis heute: „Als ver- de durch internationale Solidarität eine
den KommunistInnen der Meinung, dass fassungsfeindlich sind die Organisatio- Niederschlagung erreicht. Der Antrag
sie moralisch berechtigt waren, ein ande- nen anzusehen, die von der Bundesregie- zum Verbot der VVN wurde durch den
res Deutschland aufzubauen. Die Grund- rung öffentlich als solche bezeichnet damaligen Innenminister Schröder (SA
stimmung der Bevölkerung gab ihnen werden.“ Mitglied) bekannt gegeben. Der Anwalt
Recht. Nie wieder Faschismus, nie wie- 10 Jahre nach dem Verbot der KPD der Bundesregierung, Dr. Reuss war in
der Krieg: das war die Mehrheitsmei- durch das Bundesverfassungsgericht am der Nazi-Zeit Dozent der Berliner Ver-
nung. waltungsakademie und Verfasser von Ju-
Auf dem Gebiet der BRD bel-Hymnen auf Adolf Hitler. Der Se-
setzten sich die Kräfte durch, natspräsident Dr. Werner war schon vor
die lieber das halbe Deutsch- 1933 SA-Mitglied und seit 1937 Mit-
land ganz (kapitalistisch) als glied der NSDAP. Als der angeklagte
ganz Deutschland halb beherr- VVN-Präsident Dr. Rossaint (von Beruf
schen wollten. Der kalte Krieg Kaplan und wegen seiner antinazisti-
gab den alten Eliten die Fäden schen Tätigkeit fast 10 Jahre in Haft) die
erneut in die Hand. Schon früh Unterlagen über die Nazi-Vergangenheit
sagte der Justizminister Tho- der Richter und Ankläger vorlegte, folgte
mas Dehler über die KPD, man ein Sturm der Entrüstung, zumal die
müsse „den organisierten VVN gerade den „Vertriebenenminister“
Staatsfeind…. unschädlich ma- Oberländer als Nazi-Verbrecher enttarnt
chen“ (1950). hatte.
Gegen die von Adenauer or- Protest gegen das KPD-Verbot 1956 Trotz dieser Ungeheuerlichkeiten wur-
ganisierte Re-Militarisierung den 150.000 Menschen wegen der Orga-
formten sich in der Bevölkerung Kräfte, 17.8.1956 stellte der KPD Vorsitzende nisationsverbote verfolgt (lt. Prof. Mai-
die von der KPD gebündelt und organi- Max Reimann fest: „Der Verbotsantrag hofer, FDP). Schon vor dem KPD-Verbot
siert wurden. Während Adenauer für sei- gegen die KPD wurde gestellt gleichzei- 1956 hatte es 35.000 Verfahren gegen
nen Kurs zunehmend auf die aus kurzer tig mit der Unterschrift unter Verträge, FDJ-Mitglieder gegeben. In 425 Verfah-
Haft entlassenen Nazi-Eliten setzte, die die Wiederaufstellung einer Wehr- ren wurden dabei 1012 Jahre Gefängnis
konnte die KPD auf die Unterstützung macht ermöglichen sollten. Das Verbot verhängt. Für die Betroffenen sind damit
der AntifaschistInnen und vor allem der der KPD wurde verhängt gleichzeitig mit große individuelle Verluste verbunden,
Jugend zählen. der Wiedereinführung der Wehrpflicht für die bis heute niemand entschädigt
Die Repression der Bundesregierung für diese Armee. Das Verbot der KPD wurde. Im Gegenteil: die Verfolgung von
richtete sich deshalb zunächst auf die diente und dient der Frieden gefährden- KommunistInnen, ihr Ausschluss von
Freie deutsche Jugend (FDJ) und die den Revanchepolitik, deren konsequen- Entschädigungen (§6 Wiedergutma-
Vereinigung der Verfolgten des Nazire- tester Gegner für die BRD die KPD war chungsgesetz), ihre Bespitzelung und
gimes (VVN). Am 19.9.1950 begann und ist. Dem Verbot der KPD folgte die ihre Bedrohungen sind bis heute geblie-
eine große Welle von Entlassungen ge- Aushöhlung der Demokratie durch die ben. Und betroffen sind bis heute immer
gen Kommunisten und alle, die dafür ge- Notstandsgesetze…“ auch die, die für Kommunisten gehalten
halten wurden. In kurzer Zeit kam es zu Der Vertreter der Bundesregierung werden oder die in einzelnen Punkten
ca. 15.000 Berufsverboten. Gleichzeitig beim Verbotsverfahren gegen die KPD mit Forderungen der KP übereinstim-
wurde den alten Nazis der Weg ins Be- war Ritter von Lex, der als Vertreter der men.
amtenverhältnis geebnet (Paragraf 131). Bayrischen Volkspartei im Reichstag Es ist deshalb 50 Jahre nach dem KPD
Verbotsurteil nicht nebensächlich, son-
dern bedeutend für die Demokratie, dass
BESTELLUNG: Hiermit bestelle ich … Stück pro Ausgabe (Wiederverkäufer erhalten 30 % Rabatt)
die Kommunistenverfolgung dahin gerät,
O Halbjahres-Abo, 13 Hefte 22 Euro
Erscheinungsweise: wo sie hingehört: Auf den Müllhaufen
O Förder-Abo, 13 Hefte 27 Euro
14-täglich der Geschichte!
O Jahres-Abo, 26 Hefte 44 Euro
VVN-BdA KV Aachen
O Förder-Abo, 26 Hefte 54 Euro
O Schüler-Abo, 26 Hefte 28 Euro
O Ich möchte Mitglied im Förderverein Antifaschistische Nachrichten werden. Der Verein unterstützt finanziell
und politisch die Herausgabe der Antifaschistischen Nachrichten (Mindestjahresbeitrag 30,- Euro).
50 Jahre KPD-Verbot –
Einzugsermächtigung: Hiermit ermächtige ich den GNN-Verlag widerruflich, den Rechnungsbetrag zu Lasten
die amputierte Demokratie
meines Kontos abzubuchen. (ansonsten gegen Rechnung) Donnerstag, 17. August 2006
19.00 Uhr, Aachen, Internationales
Name: Adresse:
Zentrum, Rudolfstr. 54/59
Konto-Nr. / BLZ Genaue Bezeichnung des kontoführenden Kreditinstituts

Unterschrift Bedingt durch die Urlaubszeit


entfallen diesmal die Rubriken
GNN-Verlag, Zülpicher Str. 7, 50674 Köln, Tel. 0221 – 21 16 58, Fax 21 53 73, email: gnn-koeln@netcologne.de „Ostritt“ und „Aus der faschisti-
Bankverbindung: Postbank Köln, BLZ 370 100 50, Kontonummer 10419507
schen Presse“

16 : antifaschistische nachrichten 16/2006

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