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:antifaschistische Nr.

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nachrichten g 3336 4.12.2008 24. jahrg./issn 0945-3946 1,30 ¤
www.antifaschistische-nachrichten.de

In den Kreisen der Minister des


Innern zirkuliert derzeit ein Plan,
„extremistische“ Parteien von Ge-
richten das Prädikat „verfassungsfeind-
lich“ aufzustempeln, um sie dann durch
den Bundestagspräsidenten von der staat-

Aus dem Inhalt:


Braunes Erlebniswochenende
in Bayern . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6
Euro-Afrikanischer Gipfel:
Erheblicher Druck auf
Auswanderungsländer . . . . . . . . 13
: meldungen, aktionen
Einsatzleitung wurde ein Verteilen der
Flugblätter unter Polizeibegleitung ge-
stattet. Es zeichnete sich ein absurdes
Bild ab, als die 50 AntifaschistInnen in
„Kerzenabend“ mit Mölzer tandemonstration vor dem Gebäude an. Begleitung von etwa 50 bis 100 Polizis-
Unterallgäu. Am Samstag, den 6. De- Anhänger des extrem rechten „Krefelder tInnen der Bereitschaftspolizei durch die
zember, soll ab 17 Uhr im „Raum Unter- Forums Freies Deutschland“ um den Ex- Stadt zogen.
allgäu“ wieder der alljährliche „Kerzen- „Republikaner“ Dr. Hans-Ulrich Höfs Eine Sprecherin des AK Antifa Mann-
abend“ stattfinden. Ehrengast und Fest- versuchten Flugblätter zu verteilen. In heim und Teilnehmerin der Aktion:
redner der „überparteilichen Vorweih- den letzten Jahren waren Informations- „Menschen, die gegen Nazis aktiv wer-
nachtsfeier der Deutschgesinnten“, so veranstaltungen über die extreme Rechte den, Flugblätter verteilen und Nazipro-
die Einladung, soll in diesem Jahr der an der Krefelder Volkshochschule immer paganda entfernen, derart in ihrer Arbeit
Europaparlamentsabgeordnete der FPÖ, wieder von Neonazis gestört worden. zu behindern, ist nicht nur politisch fatal,
Andreas Mölzer, sein. Als Kontaktadres- peb■ sondern schlicht skandalös. Zwischen
se für die Veranstaltung, die u.a. in der den Beamten herrschte Uneinigkeit.
„Deutschen Nationalzeitung“ beworben Vogt in Köln Während wir uns teils unverschämte
wird, ist eine Münchner Telefonnummer Drohungen anhören mussten, hatte der
angegeben. hma ■ Köln. „Zimmer frei für politisch inkor- Einsatzleiter immer wieder Schwierig-
rekte Studenten“, heißt es – nebst einem keiten, seine aggressiven Kollegen in den
„Heldengedenken“ Zitat von Ernst Jünger - in einer Anzeige Griff zu bekommen. Dieses Verhalten
der „Kölner Burschenschaft Germania“ spiegelt ein politisches Klima wider:
allerorten in der „Jungen Freiheit“. Nach Jahren Während AntifaschstInnen schikaniert
NRW. Neonazis haben am diesjährigen der Erstarrung bemüht sich die „Kölner und bei ihrer Arbeit behindert werden,
„Volkstrauertag“ erneut an zahlreichen Burschenschaft Germania“ offenbar wie- agieren die Rechten offen in der Stadt.
Orten im Rheinland und in Westfalen der an extrem rechte Diskurse anzuknüp- Dies zeigt nicht nur die Etablierung der
„Heldengedenken“ durchgeführt. So fen. Zu einer Veranstaltung am 30. Okto- mittlerweile öffentlich beworbenen Na-
sammelten sich „Partei-gebundene und ber hatten die Burschen den Historiker ziläden und der Angriff vom 6.11. an der
parteifreie Nationalisten“, wie es auf der und Filmemacher Dr. Michael Vogt ein- FH. Auch wurde heute wieder vor der
Webseite der NPD NRW heißt, zu Ge- geladen. Vogts Thema: „Über Galgen Kneipe „Blocksberg“, dem Laden
denkveranstaltungen u.a. in Düsseldorf, wächst kein Gras. US-Folterjustiz vom „Streetwear Company“ und vor der Woh-
Unna, Hamm, Mönchengladbach, Dü- Malmedyprozess bis Abu Ghraib“. Vogt nung von Malte Redekers Polizeischutz
ren, Bonn, Leverkusen, Bochum-Watten- hatte im vergangenen Jahr seine Tätig- abgestellt. Wir haben uns hingegen darü-
scheid, Vossenack, dem Hochsauerland- keit als Honorarprofessor an der Univer- ber gefreut, dass sich einige Jugendliche
kreis, dem Kreis Steinfurt und dem sität Leipzig verloren, als bekannt wur- durch die Polizei nicht abschrecken lie-
Rhein-Sieg-Kreis. Etwa zwei Dutzend de, das er – neben führenden Vertretern ßen und spontan dabei mithalfen, die
Personen aus Mönchengladbach und um- von NPD, DVU und sog. „Republika- zahlreichen Naziaufkleber in der Stadt
liegenden Orten hatten sich im Mön- nern“ – eine Erklärung der extrem rech- zu entfernen.
chengladbacher Schmölderpark versam- ten ITS-Fraktion im Europaparlament Als erstes Ergebnis des Tages halten
melt, wo ein Kranz der NPD mit der Auf- unterzeichnet hatte. abk ■ wir fest: Wir lassen uns nicht einschüch-
schrift „Ewig lebt der Toten Tatenruhm“ tern und setzen unsere Arbeit gegen
niedergelegt wurde. Demo gegen Naziläden Rechts fort. Mit einer Demonstration
Hier hatten schon in den 80er Jahren wollen wir als Teil des Bündnisses La-
FAP und „Wiking-Jugend“ alljährlich ihr angekündigt denschluss unsere Strategie weiter ver-
„Heldengedenken“ durchgeführt. An ei- Ludwigshafen. Der Ortsbeirat des Lud- folgen. Wir wollen ein antifaschistisches
nem Kriegerdenkmal im Bonner Park am wigshafener Stadtteils Süd sieht keinen Klima in Ludwigshafen schaffen, in dem
Wittelsbacher Ring trafen sich etwa ein Handlungsbedarf im Kampf gegen sich die Nazis nicht wohl fühlen. Die
Dutzend „Nationaler Sozialisten“ um Rechts, das „Bündnis Ladenschluss“ da- Schließung ihrer Läden ist ein wichtiges
„dieser pervertierten Gedenkkultur Ein- für um so mehr. Für Samstag, den 17. Ja- Ziel auf diesem Weg. In der politischen
halt zu gebieten und den gefallenen Ka- nuar 2009 ist eine Demonstration gegen Szenerie der Stadt hat sich bereits die
meraden die Ehre zu erweisen“, schreibt die Naziläden in der Stadt geplant. Aus Spreu vom Weizen getrennt. Während
ein „Kamerad Weber“ auf den Webseiten diesem Anlass zogen am 22.11. 50 Anti- Ortsvorsteher Heller (CDU) noch immer
des „Aktionsbüro West“. Zu den Red- faschistInnen durch die Ludwigshafener versucht, das Problem klein zu reden, ha-
nern in Bonn gehörte auch der Neonazi Stadtteile Süd und Mitte und verteilten ben sich dem Bündnis Ladenschluss be-
Axel Reitz. Der Sprecher der LINKEN etwa 3000 Flugblätter, verklebten Auf- reits zahlreiche Gruppen und Organisa-
Bonn forderte daraufhin in einem Brief kleber zur Demo und kratzten Aufkleber tionen aus verschiedenen politischen
an Oberbürgermeisterin Dieckmann, zu der Nazis ab. Damit wurde die Bevölke- Spektren angeschlossen.“ Die Demons-
prüfen, wie dem „Heldengedenken der rung über die rechte Szene und ihre Lä- tration am 17. Januar beginnt mit einer
rechten Szene“ künftig in Bonn Einhalt den informiert und dazu aufgerufen, sich Auftaktkundgebung um 13 Uhr auf dem
geboten werden könne. hma ■ an der antifaschistischen Demo am 17. Vorplatz des Rathauscenters (Lichttor).
Januar zu beteiligen. Informationen zum Bündnis Laden-
Neonazis störten Vortrag Diese Aktion wurde von einer bei- schluss und seiner Arbeit finden sich im
spiellosen Polizeiprovokation begleitet. Internet unter der Adresse www. laden-
Krefeld. Ein halbes Dutzend NPD-An- Bereits in Mannheim wurden anreisende schluss-ludwigshafen.de Der vorerst
hänger mussten erst des Saales verwie- AntifaschistInnen von Zivilpolizisten ob- letzte Vortrag unserer Veranstaltungsrei-
sen werden, damit Mitte November eine serviert. Am Berliner Platz empfingen he mit dem Titel „Der Nazis neue Klei-
Veranstaltung des Krefelder Jugendam- etwa 100 Einsatzkräfte mit Hundestaffel der“ findet am 4.12. ab 19 Uhr in der
tes über die „Erlebniswelt Rechtsextre- die TeilnehmerInnen der Aktion. Sie Aula der FH statt. Weitere Veranstaltun-
mismus“ in der Volkshochschule begin- wurden eingekesselt und teilweise gen sind in Planung.
nen konnte. NPD-Kreisvorsitzender Lars durchsucht. Am Rande wurden Platzver- aus Pressemitteilung des AK Antifa
Spönlein meldete daraufhin eine Spon- weise erteilt. Nach Gesprächen mit der Mannheim vom 22.11.2008 ■

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NPD Hessen kandidiert zur
Landtagswahl
Frankfurt/Wölfersheim. Auf einem
eilig einberufenen Landesparteitag in
Wölfersheim hat die NPD Hessen eine
Landesliste für die vorgezogene Neu-
wahl des Landtages im Januar aufge-
stellt. Zum Spitzenkandidaten wurde der
33-jährige Frankfurter Stadtverordnete
und hessische Landesvorsitzende Jörg
Krebs gewählt. Auf Platz zwei folgt der
Fraktionsvorsitzende der NPD im Wette-
rauer Kreistag, Volker Sachs (Wölfers-
heim). Listenplatz drei belegt mit Ursula
Schäfer (Vogelsbergkreis), eine Kandi-
datin der DVU. Auf Platz vier wählten
die Delegierten den Landesgeschäftsfüh-
rer und Wetterauer Kreistagsabgeordne-
ten Daniel Lachmann (Büdingen). Platz
fünf ging an das NPD-Landesvorstands-
mitglied Daniel Knebel (Rodenbach),
Platz sechs an den Landesvorsitzenden
der hessischen DVU, Gerald Wissler „Pro Köln“ protestiert gegen ,islamistische‘ Teddybären
(Mainhausen). Die hessischen Jungen „Einfach nur noch gaga“ titelt die BILD-Zeitung vom 28.11. – Pro Köln laufe jetzt schon ge-
Nationaldemokraten (JN) sind durch ih- gen Teddys Sturm … Was war passiert? Es ist eine Kölner Tradition, dass der Kaufhof zur
ren Landesvorsitzenden, den Wetterauer Weihnachtszeit seine Schaufenster mit Steiff-Tieren dekoriert, sie in verschiedene Landschaf-
NPD-Kreistagsabgeordneten Stefan ten stellt, diesmal sind es Szenen nach den Märchen aus 1001 Nacht. Auf der Internetseite
Jagsch (Altenstadt) auf dem neunten moniert „Pro Köln“ diese „Sorglosigkeit im Umgang mit der Verharmlosung der Islamisie-
Platz. Insgesamt wurden sechzehn Leute rung“ und berichtet über Beschwerden an die Galeria Kaufhof, die diese politisch nicht ernst
nehme. Obwohl Weihnachten doch ein christliches Fest sei, heißt es weiter, stünde es hier im
aufgestellt. Zeichen des Orients mit Moschee samt Kuppel und Minarett und Bären mit Schleier und Tur-
Um zugelassen zu werden, ist die ban! Mal abgesehen davon, dass die ersten Christen nicht im Teutoburger Wald lebten und
NPD auf 1000 Unterstützungsunter- hier doch einige Theoriedefizite bei „pro Köln“ vorzuliegen scheinen, ist diese neueste Kam-
schriften angewiesen. pagne der „Bürgerbewegung“ so lächerlich, dass wir die Skandalfotos unseren Leserinnen
Quelle: Presseinfo NPD LV Hessen ■ und Lesern nicht vorenthalten wollten...

Hähnel zu Geldstrafe verur- voll unterstützte, zur erneuten Provokati- für die Seriosität der Beteiligten sprach.
on. Erstaunlich milde dann doch das Ur- Einen Prozess gegen den Antifaschisten
teilt teil: wegen „öffentlicher Billigung von Gottfried Schweizer verloren der Jurist
Berlin. Am 24. Oktober stand der Berli- Straftaten“ wurde Hähnel zu 4500 Euro Beisicht und seine Anwältin, die pro
ner NPD-Landesvorsitzende Jörg Hähnel Geldstrafe verurteilt. Köln Funktionärin Judith Wolter mit
vor dem Amtsgericht Tiergarten. Er war Newsletter DIE LINKE – BAG Rechtsex- Glanz und Gloria. In einer weiteren Aus-
auf Grund seiner provokatorischen Äu- tremismus/Antifaschismus, 11-2008 ■ einandersetzung, in der es darum ging,
ßerungen am 13. Dezember 2007 in der ob der Ehrenfelder pK-Bezirksvertreter
Lichtenberger BW angeklagt. Dort hatte Ehrenfeld, 13. Dezember Täubner Mitglied der neonazistischen
er als Abgeordneter nicht nur die Umbe- Schwarzen Front gewesen sei (was Bei-
nennung des Anton-Saefkow-Platzes in 2008: Gegen Pro Köln und sicht natürlich bestreitet, Dokumente
„Waldemar-Pabst-Platz“ (Waldemar ihre rassistische Hetze aber belegen), lassen die Rassisten es si-
Pabst befahl den Mord an Karl Lieb- Köln. 2008 war bisher kein gutes Jahr cherheitshalber nicht einmal auf einen
knecht und Rosa Luxemburg) gefordert. für den Rassistenverein, der sich „pro Prozess ankommen. Letztes Glied in der
Er unterlegte das auch noch mit einer Köln“ nennt: Waren die Rechtsausleger Kette der Misserfolge war die großartig
Rede, die den Mord als „entschlossene um Markus Beisicht und Manfred Rouhs beworbene „Mahnwache“ am 8. Novem-
Tat“, die „politisch geboten“ und „von zu Beginn des Jahres mit der Ankündi- ber vor der Moschee an der Venloer Stra-
der deutschen Geschichte“ als „förder- gung eines Anti-Islamisierungskongres- ße: Obwohl es kaum organisierte Gegen-
lich legitimiert“ sei, darstellte. Zwar ist ses, an dem sich angeblich ein großer aktionen gab, mussten die pro Köln-Fans
Hähnel in der Vergangenheit nicht nur Teil der europäischen Rechtsaußenpro- ihre Aktion nach einer Stunde abbrechen
mit seinen nationalistischen Liedern son- minenz beteiligen würde, fulminant ge- und den Antifaschist(inn)en Platz ma-
dern auch mit anderen volksverhetzen- startet, wurden die Ergebnisse der brau- chen. Sieger sehen anders aus.
den Auftritten bekannt geworden. Dies- nen Bemühungen immer kläglicher. Auf- Das hindert die sogenannten Rechts-
mal übertraf er in seiner Wortwahl selbst grund des Widerstands zehntausender populisten aber nicht, ihre Provokationen
die schlimmsten Erwartungen zu seiner Demokrat(inn)en konnte die für den 19. immer wieder zu starten, angetrieben
Rede, die er auch im Internetforum ange- und 20. September vollmundig beworbe- vermutlich von der Hoffnung, der Wider-
kündigt hatte. Nicht nur die Proteste in ne Aktion nicht stattfinden – die wenigen stand derjenigen, für die rassistische De-
der BW, sondern auch Anzeige und An- Unentwegten verloren sich auf dem weit- magogie und Hetze keinen Platz auf Köl-
klage waren deshalb voll gerechtfertigt. gehend menschenleeren Heumarkt. Vor- ner Straßen haben darf, würde irgend-
Die Staatsanwältin forderte auch auf her hatte der prominenteste Gast, der wann erlahmen. Auch für den zweiten
Grund der zahlreichen Vorstrafen sechs Chef des französischen Front National, Samstag im Dezember, den 13.12. kün-
Monate Haft auf Bewährung. Die Ver- Jean-Marie Le Pen dementiert, der Köl- digt pro Köln wieder eine Mahnwache
handlung wurde mit dem Auftritt des Na- ner Chaos-Truppe jemals eine Zusage vor der DITIP-Moschee an. Sie wollen
zianwalts Wolfram Narath, der Hähnel gemacht zu haben, was auch nicht gerade sich um 11.00 Uhr treffen, um eine

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„Samstagsdemo“ durchzuführen. Einge-
laden dazu ist der rechte fraktionslose
Bundestagsabgeordnete Henry Nitzsche
Braunes Erlebniswochen-
aus Sachsen. Angeblich hat er bereits zu-
gesagt – seit dem Fall Le Pen allerdings
ende in Bayern
sollte man solche Zusagen mit einer ge- Bayerische Neonazis nutzten marschs am 13.6.08, Sven Grams, Pa-
wissen Vorsicht genießen. das Wochenende 15./16.11. zur trick Bernstein, Björn-Christopher Bal-
Aber nicht nur der Abgeordnete will Verherrlichung des Nationalso- bin (BIA), Sebastian Deisl („Freie Kräfte
am 13. dabei sein: Das „Bündnis gegen zialismus. Dabei konnten sie wählen Erding“), Robert Dietrich (NPD Frei-
Pro Köln“, dass im September die Blo- zwischen dem „Heldengedenken“ an sing), „Feldherren“-Schlagzeuger Aris
ckade des Heumarktes organisierte, ruft Kriegsgräbern, Aufmärschen und ei- Delestathes sowie die „Kameradschaft
dazu auf, den Rechten die braune Suppe nem internationalen Rechtsrockkon- München-Südost“ (KMSO). Der „Freie
zu versalzen. Alle diejenigen, die nicht zert der „Hammerskin Nation“. Nationalisten München“-Aktivist Manu-
zulassen wollen, dass Ehrenfeld wieder el („H.Amas“) Heine trug während der
einmal der Schauplatz eines rassistischen Gräfenberg. In Gräfenberg hielten die ganzen Aktion einen von der Polizei un-
Aufmarschs unter dem Deckmantel einer fränkischen Neonazis um den Fürther beanstandeten „Support Hamas“-Button.
angeblichen Islamkritik wird, sind einge- Matthias Fischer – trotz ihres derzeitigen Gegen Ende der Veranstaltung traf auch
laden, sich am Samstag, dem 13. No- Zwists mit der NPD – an ihrem Auf- noch Renate Werlberger (NPD) ein. Von
vember um 10.00 Uhr an der Venloer marsch fest. Keine 50 Rechten folgten auswärts reisten unter anderem Daniel
Straße/Ecke Innere Kanalstraße an ei- jedoch dem Aufruf und marschierten am Hillmann (Langenau) und Kamerad-
ner lauten und phantasievollen Aktion Samstag in die Stadt hinauf. Über 300 schaftsaktivisten aus dem Raum Ulm an.
gegen den Versuch, den türkischen Teil BürgerInnen aus Gräfenberg und Neona- Der Regensburger NPD-Kreisvorsit-
der Bevölkerung auszugrenzen, zu betei- zi-GegnerInnen aus Nürnberg ließen sich zende Willi Wiener (Wörth an der Do-
ligen. Ziel wird sein, wenn möglich Pro durch die vorangegangene polizeiliche nau) hatte sich einen schwarzen Kapu-
Köln für ihre Hetze keinen Platz zu las- Droh-Rhetorik und das martialische Auf- zenpullover übergezogen und führte ei-
sen. Lassen wir das Jahr 2008 für Pro gebot vor Ort nicht spalten oder abschre- nen kleinen Trupp Kameradschaftsakti-
Köln mit einer weiteren schmerzhaften cken, und protestierten gemeinsam ge- vistInnen („Autonome Nationalisten Re-
Niederlage enden. tri ■ gen den Terror von rechts in der kleinen, gensburg“) an, darunter auch die aus der
mittelfränkischen Gemeinde. Unbekann- NPD ausgetretene, frühere stellvertreten-
Jugendprojekte gegen Auf- te hatten das kriegsverherrlichende de JN-Landesvorsitzende Martina Maal.
Denkmal (das abgeriegelte, eigentliche Martin A., Aktivist der militanten „Anti-
marsch am 6.12. Ziel des neonazistischen Aufmarsches) Antifa Nürnberg“, fotografierte – von der
Berlin. Neonazis wollen am 6. Dezem- im Vorfeld mit pinker Farbe übergossen. Polizei unbehelligt – wieder Gegende-
ber 2008 bereits zum sechsten Mal in monstrantInnen und MedienvertreterIn-
Berlin für ein „nationales Jugendzen- München. In München marschierten ca. nen.
trum“ aufmarschieren. Projekte der Ber- 150 Neonazis unter dem Motto „Ruhm Als Redner traten Mike Nwaiser, Phi-
liner Kinder- und Jugendfreizeit haben und Ehre dem deutschen Soldaten“ auf. lipp Hasselbach, Roland Wuttke und
dazu aufgerufen, „diesen braunen Visio- Die Veranstalter um Philipp Hasselbach Karl Richter auf, der ebenfalls angekün-
nen“ Vielfältigkeit entgegen zu setzen: und ihr Anwalt Norbert Schmidt (Ger- digte Julian Engels (Essen) war nicht er-
„Wir, MitarbeiterInnen und NutzerInnen mering) hatten den Aufzug in zweiter In- schienen. Ständig wurden die bewaffne-
von SchülerInnenclubs, Jugendfreizeit- stanz vor dem Bayerischen Verwaltungs- ten Organe des Nationalsozialismus ver-
einrichtungen und Projekte der Straßen- gerichtshof in München durchgeklagt. herrlicht, z. B. auf Transparenten und in
sozialarbeit mit Jugendlichen stehen für Mitveranstalter Mike Nwaiser wartete Sprechchören wie z. B. „Ruhm und Ehre
eine Arbeit mit und einen Umgang zwi- auf ca. 70 Neonazis am „Vorabtreff- der deutschen Wehrmacht“. Das alte na-
schen jungen Menschen gemäß demo- punkt“, dem Ausgang Arnulfstraße am tionalsozialistische Ritual, wonach am
kratischer, toleranter und menschen- Hauptbahnhof. Um 12.10 Uhr fuhren sie „Heldengedenktag“ die ums Leben ge-
rechtlicher Prinzipien. Rassismus, Anti- dann mit U-Bahnen über die Station kommenen Soldaten der einzelnen Waf-
semitismus, Homophobie und soziale Sendlinger Tor zum Goetheplatz. Bis fengattungen der Wehrmacht angerufen
Ausgrenzung haben keinen Platz. Ge- zum Beginn gegen 13 Uhr trafen dort werden, wurde von Philipp Hasselbach
meinsam mit anderen gesellschaftlichen noch Neonazis vom Park&Ride-Platz in übernommen. Die Versuche, das
Gruppen rufen wir zu vielfältigem und Fröttmaning kommend ein. „Deutschlandlied“ in drei Strophen so-
entschiedenem Protest gegen das Vorha- Beim Aufmarsch anwesend waren un- wie „Ich hatt‘ einen Kameraden“ zu sin-
ben der Neonazis am 6. Dezember und ter anderem der Anmelder des Auf- gen, blieben Versuche.
einen möglichen weiteren Aufmarsch am
13. Dezember auf.“ Infos: www.berliner-
jugendfreizeit-gegen-rechts.de
Die Neonazis treffen sich um 11 Uhr
am S-Bhf Karlshorst (Bezirk Lichten-
berg), erwartet werden ca. 1.000 Nazis
aus dem gesamten Bundesgebiet. Antifa-
schistInnen werden versuchen den Auf-
marsch zu blockieren. Treffpunkte sind:
10.00 Uhr S-Bahnhof Karlshorst (S3)
und 11.00 Uhr U-Bahnhof Tierpark
(U5): hier ist ab 11.00 Uhr eine Kundge-
bung angemeldet!
Aktuelle Infos:
http://dezember.neukoelln.antifa.net/
Antifa-Bündnis gegen den Naziauf-
marsch am 6. Dezember in Berlin ■

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Am Vormittag hatten 500 Antifaschis- Der ursprüngliche Konzertort sollte das „sich den Nazis in den Weg zu stellen“,
tInnen auf einer Kundgebung des „Bünd- „Gasthaus Gruber“ im oberbayerischen wie es Grünen-Stadtrat Siegfried Benker
nis gegen Naziaufmärsche“ auf dem Ma- Halsbach sein, dieses stand jedoch nach ausdrückte, der sich auch gegen die Kri-
rienplatz mit einer Kundgebung protes- einem Suizidversuch von Wirt Alois minalisierung von AntifaschistInnen
tiert. Im Anschluss daran riegelte die Po- Gruber jun. am Mittag nicht mehr zur wandte und sagte: „Die kriminellen sind
lizei den Marienplatz vollständig ab, grö- Verfügung. Einige Neonazis scheinen – die Neonazis!“. Benker wies darauf hin,
ßere Gruppen von TeilnehmerInnen an den Behörden vorbei, die sich auf we- dass das neue bayerische Versammlungs-
konnten den Marienplatz nicht mehr ver- nige Kontrollen beschränkten – an einen recht offensichtlich nicht – wie von der
lassen. Ersatzort geleitet worden sein. Über den Staatsregierung stets betont – ausrei-
Einige wenige entstehende Rangeleien Auftritt der Bands „Untergrundwehr“, chende Handhabe gegen neonazistische
wurden zum Anlass für größere Einkes- „Racial Purity“, „Varger I Veum“ und Umtriebe bietet. Während der Sprecher
selungen und zahlreiche Festnahmen. „System Infarkt“ wird in Szeneforen ge- der Antifa NT (vom Band) den gesell-
Die von der Polizei dabei gegenüber der lästert: „war ohne Übertreibung die schaftlichen Kontext des Nazi-Geden-
Presse ursprünglich erhobenen Vorwürfe schlechteste Veranstaltung, die ich je be- kens thematisierte, glaubte Harald Pürzel
der Körperverletzung und ähnlichem sucht habe“. von Verdi in dem VGH-Urteil, das den
werden mittlerweile nicht mehr aufrecht www.aida-archiv.de ■ Aufmarsch letztlich ermöglicht hatte,
erhalten. Mit dem einfachen Verweis auf „Staatsversagen“ zu erkennen. Dass der
angeblichen „Landfriedensbruch“ oder Staat nicht versagt hat, sondern „bes-
„Vermummung bei früheren Naziauf- tens“ funktionierte, sollte an diesem Tag
märschen“ wurden am Nachmittag min- die Polizei demonstrieren. Bereits vor
destens 89 Personen in Gewahrsam ge- Ende der Kundgebung verließen zahlrei-
nommen. Entlang der Route gab sich die che AntifaschistInnen angesichts der
Polizei größte Mühe, keine wirkungsvol- fortschreitenden Zeit den Platz vor dem
len Proteste in der Nähe des Neonazi- Rathaus. Andere, die länger blieben,
Aufmarschs zuzulassen. Dies bedeutete wurden beim Verlassen von der Polizei
faktisch eine Abriegelung großer Innen- als „unangemeldete Demonstration“ ge-
stadtbereiche. Kleine Blockaden wurden wertet, eingekesselt und zum Teil wegen
ruppig auseinandergetreten, zwei Sitz- angeblichem Widerstand und/oder Land-
blockaden auf der Sonnenstraße umgan- friedensbruch festgenommen.Die Polizei
gen. setzte Pfefferspray und Schlagstöcke ein.
Am Marienplatz riefen alle RednerInnen Text (Auszug)
München und Passau. In München mehr oder weniger energisch dazu auf, und Bild www.luzi-m.org ■
setzten die Neonazis ihr „Heldengeden-
ken“ am Sonntag fort. Auf der zentralen
Kriegsgräberstätte des Friedhofes in
Fürstenried tauchten zehn Neonazis der Stadt untersagt Verlegung einer Gedenkplatte
„Freien Nationalisten“ auf. In Passau
nahmen sieben Funktionäre der NPD an Leverkusen. Mit einer kleinen Kundge- der Bayer“, geschichtliche Hintergründe
der Gedenkfeier der Stadt Passau zum bung am Freitag, 14.11. wurde gegenüber vermittelt und die bewusste Unterstützung
Volkstrauertag teil. dem Tor 1 des Chemieparks in Leverkusen der Nazis durch die IG Farben geschil-
an die Verbrechen der Wirtschaft in der dert.
Raum Altötting. Andere Neonazis Nazizeit erinnert. Die Teilnehmer machten Ulrich Sander, Bundes- und Landes-
setzten zum „Heldengedenken“ mehr auf auf Transparenten und Plakaten den An- sprecher der VVN-Bund der Antifaschis-
Party und Rechtsrock. So mobilisierten lass deutlich: „Kein Vergeben – Kein Ver- tInnen machte in seiner Rede deutlich,
Kreise der bayerischen Hammerskins um gessen: Täter haben Namen und Adressen, dass es gut und wichtig sei an die Opfer
Erich Kaiser zu einem internationalen hier konkret: IG Farben/Bayer“, „An den der Nazis zu erinnern, jedoch die Täter –
Rechtsrockkonzert. Prompt fehlten auch Aktien klebt Blut“ oder „Sie förderten die wie die aus den Chefetagen von Banken
die „Hammerskin“-Aktivisten aus Mün- Nazis. – Sie profitierten von den Nazis“. und Industrie – dürften nicht verschwiegen
chen. die sich in der Gruppierung Im Rahmen dieser Kundgebung wollte werden. Deshalb sei diese Rallye notwen-
„Straight Hate Munich“ organisieren, die Kulturvereinigung Leverkusen e.V. vor dig, hätten doch jene Kreise bis heute we-
beim Aufmarsch ausnahmslos. Schleu- dem Tor eine Gehwegplatte verlegen, die nig für die echte Darstellung ihrer Einbin-
sungspunkt für das konspirative Konzert mit der Inschrift „1933 – 1945 IG Farben dung in das faschistische Terrorsystem ge-
war an der Autobahnabfahrt Altötting. Verbrechen der Wirtschaft“ an die Verant- tan.
wortung der IG Farben und der aus ihr her- Axel Köhler-Schnura von der Coordi-
vorgegangenen Nachfolgebetriebe erin- nation gegen Bayer-Gefahren (CBG)
nern sollte. Dies wurde von der Stadt nicht nahm aus der Erfahrung der langjährigen
genehmigt. Arbeit zur heutigen Konzernpolitik Stel-
Die Aktion fand im Rahmen der Rallye lung und forderte auf, aktiv für humane
„Verbrechen der Wirtschaft“ statt, die von gesellschaftliche Verhältnisse zu streiten –
der VVN – Bund der AntifaschistInnen gegen die ungebremste Profitjägerei.
NRW gestartet wurde. Mit der Kundge- Die Kulturvereinigung Leverkusen e.V.
bung vor dem ehemaligen Haupttor der IG - die am frühen Nachmittag an den Grä-
Farben-Betriebsgemeinschaft Nieder- bern der Zwangsarbeiter und am Gedenk-
rhein, sollten besonders auch die heutigen stein für die Opfer der Gewaltherrschaft
Mitarbeiter der dortigen Chemiebetriebe, 1933 -1945 auf dem Manforter Friedhof
u.a. Bayer, angesprochen werden. Blumen niedergelegt hatte – wird sich
In einem an sie verteilten Flugblatt wur- weiterhin für die Verlegung der Gehweg-
den, unter der Überschrift „Wir erinnern gedenkplatte vor Tor 1 einsetzen.
an die ,Verbrechen der Wirtschaft‘ 1933 – Kulturvereinigung Leverkusen e.V..
1945 IG Farben – ehemals und heute wie- 15. November 2008 ■

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Bundesregierung soll für Nazi-Massaker
in Italien und Griechenland zahlen
Prozess der „Gebirgstruppe“ gegen die VVN-BdA wurde abgesagt
Deutschland wurde von höchs- schon zu lebenslänglich verurteilt wor- dann war der Einzelne kein Mörder?
ten italienischen Gerichten ver- den, – warum ihn also nicht ausliefern? Dann doch wenigstens der Kommandeur?
urteilt. Doch Merkel und Ber- Wenn die Bundeskanzlerin nicht zahlen Doch das war Oberstleutnant Reinhold
lusconi haben sich gegen die Opfer will, warum unternimmt sie nicht alles, Klebe, und der wurde bei der Bundes-
der NS-Kriegsverbrecher aus der Ge- um die eng der Wehrmachtstradition ver- wehr-Gebirgstruppe wieder ein hohes
birgstruppe verbündet. Gleichzeitig bundene Organisation Kameradenkreis Tier.
wurde bekannt: Der Kameradenkreis Gebirgstruppe e.V., dem viele der mut- Wann trennt sich die Bundesregierung
Gebirgstruppe e.V. musste seine Wi- maßlichen Kriegsverbrecher angehören, endlich vom Kameradenkreis? Wann
derrufsklage gegen Ulrich Sander zu isolieren? Rund 800 Gebirgssoldaten greift die Kanzlerin endlich ein – ange-
von der VVN-BdA zurückziehen. der Wehrmacht haben einst die deutschen sichts der Tatsache, dass Christian
Staatsanwaltschaften ermittelt, die am Schmidt total befangen und überfordert
Das Urteil des obersten italienischen Ge- Massaker an 5000 italienischen entwaff- ist, im Namen der Regierung zum Kame-
richtshofes gegen Deutschland und seine neten Kriegsgefangenen auf der Insel Ke- radenkreis Stellung zu nehmen? Wann
NS-Täter fanden viele Medien zunächst falonia teilnahmen. Kürzlich hat ein werden die italienischen Ex-Militärinter-
sympathisch und unzulässig zugleich. Münchner Gericht auch den letzten Mör- nierten, die als Zwangsarbeiter nach
Deutschlands Regierung sei aber ver- der von Kefalonia freigesprochen, weil Deutschland verschleppt wurden – darun-
pflichtet, „so gut sie kann auf die Fa- ter Überlebende von Kefalonia – end-
milien der Opfer zuzugehen.“ So lich entschädigt, so wie die anderen
kommentierte z. B. die Süddeutsche Zwangsarbeiter auch? Die Zwangsar-
Zeitung am 23. Oktober. Am 19. No- beiter aus aller Welt wurden entschä-
vember betonte die Zeitung, die übri- digt, aber nicht jene aus Italien und
gens große Verdienste bei der Aufde- die Russen aus den Kriegsgefange-
ckung deutscher Verbrechen an Italie- nenlagern – es waren einfach zu viele.
nern hat, dass sie überhaupt keine Wann hört der gespenstische jährliche
Verpflichtung Deutschlands mehr Zauber auf dem Hohen Brendten bei
sieht. Viele Medien unterstützen die Mittenwald auf, wo die Bundeswehr
Verabredung der Bundeskanzlerin gemeinsam mit dem Kameradenkreis
und des italienischen Ministerpräsi- die Würdigung der Mitkämpfer beim
denten, gegen das Urteil aus Rom mit Vernichtungskrieg vornimmt?
einer Klage in Den Haag vorzugehen. Selbst wenn die Regierung das Ur-
Und es wurde etwas ins Spiel ge- teil des höchsten italienischen Ge-
bracht, auf das noch niemand kam: richtshofes nicht umsetzen will, weil
Die Behauptung, nicht nur Naziopfer man es nicht Mord, sondern die Tötung sie für so etwas kein Geld hat, denn sie
könnten nun gegen den deutschen Staat von „Verrätern“ nennen könne, was ge- braucht es ja für neue Kriege – was hin-
klagen, sondern das Prinzip der Staaten- schah. So hatte schon Goebbels die italie- dert sie daran, endlich wenigstens den
immunität werde dann insgesamt aufge- nischen Soldaten bezeichnet, nachdem sie Opfern gegenüber ein Mindestmaß an
hoben. Soll endlich ein Schlussstrich un- 1943 aus dem Krieg austraten. Respekt an den Tag zu legen?
ter die deutschen Jahrtausendverbrechen Die Bundesregierung geht nicht auf die Gefordert ist natürlich auch die bayeri-
gezogen werden? Oder ist ernstlich damit Opfer, sondern auf die Täter zu. Deren sche Landesregierung, nachdem das Ka-
zu rechnen, dass die Kolonialmächte von Kameradenkreis wurde auch in der „Süd- meradenkreismitglied Stoiber nun nicht
den Nachkommen der Opfer vor Gericht deutschen“ von Experten „Selbsthilfe- mehr Ministerpräsident ist und Herr
gebracht werden? Die Indianer und Nach- gruppe für Kriegsverbrecher“ genannt, Beckstein nicht mehr seine Polizei zum
folger der Sklaven contra Christoph Co- und eine Probe seines Könnens bei der Schutz des Kameradenkreises gegen pro-
lumbus sowie die maritimen Mächte? Zeugenbeeinflussung gab er in diesen testierende Antifaschisten, darunter auch
Dies Argument wurde erfunden – warum? Wochen, als bekannt wurde, wie die Juris- italienische und griechische NS-Opfer,
Um den Nationalsozialismus und seinen ten des Kameradenkreises Zeugen für den einsetzen kann. Die Gebirgstruppe wurde
Vernichtungskrieg in ein milderes Licht Scheungraber-Prozess präparierten. Das immer als eine Art bayerische Armee an-
zu tauchen? Die anderen haben doch Bundesverteidigungsministerium lässt gesehen. Wann ist endlich Schluss damit?
auch! – das Argument kannten wir bisher durch seinen Staatssekretär Christian Ein Erfolg in der Auseinandersetzung
nur aus der ultrarechten Ecke. Schmidt (CSU, Kameradenkreismitglied) mit dem Kameradenkreis der Gebirgs-
Und wenn Deutschland nicht zahlen immer wieder versichern (auf Anfrage der truppe e.V. konnte in diesen Tagen ver-
soll, was dann? Wird es dann wenigstens LINKEN), dass die deutsche Gebirgstrup- bucht werden. Der Kameradenkreis zog
die Täter bestrafen? Oder die Verurteilten pe keine „verbrecherische Vergangenheit“ seine Widerrufsklage gegen die VVN-
nach Italien ausliefern? habe; allenfalls seien einzelne Soldaten BdA zurück, deren Bundessprecher Ul-
Auch das geschieht nicht. Ein einziger schuldig geworden. Aber gegen sie könne rich Sander darf nun wieder auf die NS-
von Hunderten noch lebenden schwerbe- man nichts unternehmen, weil man die Vergangenheit des Kameradenkreises hin-
lasteten Gebirgsjägern, Wehrmachts- und Mordmerkmale nicht individuell nach- weisen und sagen, dass an den Treffen des
SS-Soldaten steht derzeit in München vor weisen könne. (So die zuständige Stutt- Kameradenkreises auch Kriegsverbrecher
Gericht. Was gar nicht nötig wäre, würde garter Staatsanwaltschaft). Wenn eine teilnehmen. Der Prozesstermin gegen Ul-
Deutschland nicht die italienischen Ge- Horde von Männern mit dem Edelweiß an rich Sander am 2. Dezember 2008 in
richte wie Einrichtungen einer Bananen- der Mütze das Dorf Kommeno in Grie- Nürnberg wurde aufgehoben.
republik behandeln. Denn jener Sepp chenland mit fast allen Einwohnern – Ulrich Sander
Scheungraber aus Ottobrunn ist in Italien gleich Hunderten Dörfern – niedermacht, Bundessprecher der VVN-BdA ■

6 4ntifaschistische nachrichten 24-2008


US-Deserteur beantragt Asyl
Auf einer Pressekonferenz, die Als ich zur Armee ging, legte ich den Soldatin oder ein Soldat, die Verantwor-
am 27.11. in Frankfurt am Main Schwur ab, „die Verfassung der Vereinig- tung für ihre und seine Handlungen über-
stattfand, hat zum ersten Mal ein ten Staaten gegen alle Feinde im Ausland nehmen muss, ganz gleich, wie viele Vor-
US-Deserteur, der im Irakkrieg einge- oder im Land selbst zu stützen und zu ver- gesetzte die Befehle dazu gegeben haben.
setzt worden war, Asyl in Deutschland teidigen“. Nach meiner Verlegung in den Ich rechne damit, dass das US-Militär
beantragt. Mit seiner Asylantragstel- Irak begann ich mich aber zu fragen, ob versuchen wird, mich wegen Desertion
lung beruft André Shepherd sich auf die das, was ich dort tat, wirklich meinem Eid zur Vermeidung gefährlicher Dienst-
sogenannte Qualifizierungsrichtlinie entsprach. Viele Monate lang habe ich pflichten in Kriegszeiten anzuklagen.
der Europäischen Union, die einen nach den Gründen für die Kriege im Irak Wenn ich dieses Vergehens schuldig ge-
Schutz vor Verfolgung für einen Deser- und in Afghanistan und für das, was das sprochen werde, hat das US-Militär ge-
teur vorsieht, wenn „der Militärdienst US-Militär in diesen Ländern tut, ge- mäß den geltenden Vorschriften das
Verbrechen oder Handlungen umfassen forscht. Ich kam zu dem Schluss, dass bei- Recht, mich zum Tod zu verurteilen. Den-
würde“, die völkerrechtswidrig sind. de Invasionen nach dem US-Recht und noch traf ich die Entscheidung, die ich für
Wir dokumentieren die Erklärung von auch nach internationalem Recht illegal richtig halte.
André Shepherd auf der Pressekonfe- waren. Wir haben Nationen zerstört, füh- Es gibt viele Deutsche, die die Kriege
renz in Frankfurt. im Irak und in Af-
ghanistan rechts-
Mein Name ist André Shepherd. Ich war widrig und unmora-
Mitglied der US-Armee, bis mir klar wur- lisch nennen. Es ist
de, dass mein Gewissen mir nicht länger nur logisch, daraus
erlaubt, dort weiter zu dienen. Ich bin zur zu folgern, dass die
Zeit unerlaubt abwesend (AWOL) und an diesen Kriegen
werde in Deutschland politisches Asyl be- beteiligten Soldaten
antragen. Ich bitte Sie für dieses schwieri- ebenfalls rechtswid-
ge Unterfangen um Ihre Unterstützung. rig und unmoralisch
Im Januar 2004 ging ich zur Armee, be- handeln. Die Frage
gann als einfacher Soldat und arbeitete ist nun, ob Deutsch-
mich zum Spezialisten hoch, bis ich mei- land den Soldatin-
ne Einheit im Juni 2007 verließ. Die meis- nen und Soldaten,
te Zeit meines Dienstes war ich in Katter- die sich diesen Krie-
bach (Deutschland) beim 412. Luftwaf- gen verweigern, zur
fenunterstützungsbataillon stationiert. Seite stehen und
Von September 2004 bis Februar 2005 Asyl gewähren
wurde ich mit meiner Einheit in den Irak wird.
versetzt. Dort lautete mein Auftrag, Hub- Foto. www.Connection-eV.de Barack Obama
schrauber des Typs Apache AH-64 zu re- rende Persönlichkeiten getötet, Häuser wird im Januar der nächste Präsident der
parieren und instand zu halten. Sie wur- geplündert, gefoltert, entführt, gelogen Vereinigten Staaten werden. Er betrieb
den dann benutzt, um die Infanterie zu un- und nicht nur die Bürger und führenden seinen Wahlkampf mit der Botschaft der
terstützen oder „feindliche Kämpfer“ zu Politiker der feindlichen Staaten, sondern Veränderung und hat erklärt, dass er den
finden und zu vernichten. auch die unserer Verbündeten manipu- Irakkrieg beenden will. Wiederholt sagte
Mein Job schien harmlos zu sein, wenn liert. Ich kann nicht mehr mit gutem Ge- er, dass er als Präsident die Truppen vom
man nicht berücksichtigt, welche Zahl wissen weiter Dienst in der US-Armee Irak nach Afghanistan verlegen wird. Das
von Toten und welche Zerstörung diese leisten. aber ist nicht mit Verständnis gegenüber
Hubschrauber bei den Zivilisten im Irak Das US-Militär bietet denjenigen keine denen zu verwechseln, die sich weigern,
verursacht haben. Als ich las und hörte, Möglichkeit der Entlassung an, die davon an einem illegalen Krieg teilzunehmen.
wie Menschen von den Maschinengeweh- überzeugt sind, dass man sie in einen ille- Ich glaube nicht, dass es eine Amnestie
ren zerfetzt oder von den Hellfire-Raketen galen Krieg schickt, die aber glauben, geben wird, bevor beide Konflikte been-
regelrecht in Stücke gerissen wurden, und dass angemessene Gewalt gelegentlich det sind. Mehr noch, Robin Long, der sich
erfuhr, wie Gebäude und Infrastruktur notwendig ist. Ich musste wählen: Entwe- als Soldat unerlaubt von der Truppe ent-
zerstört wurden, begann ich mich zu schä- der musste ich meine Überzeugung igno- fernt hatte, wurde kürzlich aus Kanada in
men für das, was ich da tat. Es war ein wi- rieren oder das Militär unerlaubt verlas- die USA abgeschoben. Dort sitzt er nun
derliches Gefühl, mir eingestehen zu müs- sen. Für mich war der richtige Weg ein- im Militärgefängnis. Herr Obama hat we-
sen, dass ich im Grunde Tag für Tag am deutig: Ich musste das Militär verlassen. der die Absicht erklärt, die Doktrin von
Abschlachten von stolzen Menschen be- Es passt vielleicht, dass ich gerade in Bush zu ändern, noch erkennen lassen,
teiligt war. Deutschland Asyl beantrage, dem Land, dass er die Regierung von Bush für ihren
Der zweite Kampf um Falludscha ist in dem vor 60 Jahren die Nürnberger Pro- Teil der kriminellen Aktivitäten rechtlich
ein markantes Beispiel dafür, welche Zer- zesse begannen. Eines der wichtigsten zur Verantwortung ziehen will. Sein Still-
störung diese und andere Waffen unter der Prinzipien, auf die diese Verfahren sich schweigen sagt viel über seine Position
Bevölkerung anrichten können. Ich glau- stützten, war, dass niemand sein Handeln gegenüber den Verweigerern aus.
be, dass die Apache-Hubschrauber für ei- damit rechtfertigen kann, er habe ledig- Mehr Informationen über
nen bedeutenden Teil der getöteten Zivi- lich Befehle befolgt. Wenn ich in der US- Military Counseling Network
listen im Irak verantwortlich sind, deren Armee geblieben wäre und weiter an den www.mc-network.de
Zahl zuletzt auf 500.000 geschätzt wurde. Kriegen in Irak und Afghanistan teilge- und Connection e.V.
Ich bin beschämt, dass ich an diesen ab- nommen hätte, könnte ich nicht rechtmä- www.Connection-eV.de
scheulichen Handlungen beteiligt war, ßig argumentieren, ich hätte nur meinen Erklärung von André Shepherd vom
und ich schwöre, dass ich diesen Fehler Job gemacht. Hier in Deutschland wurde 27. November 2008. Übersetzung: Rudi
niemals mehr machen werde. festgestellt, dass jede und jeder, auch eine Friedrich und Thomas Stiefel ■

: antifaschistische nachrichten 24-2008 7


Essel. Stunden nachdem die Es-
seler Vereine am Volkstrauer-
tag 16.11.08 auf dem Soldaten-
„Heldengedenken“ in Essel
friedhof Essel den Kriegstoten ge- „Bei den Bombenangriffen (auf Zur Erinnerung: In den Kampf um den
dacht haben, zelebrierten 32 Neona- Deutschland) wurden erbarmungslos Aller-Brückenkopf wurden am
zis aus Niedersachsen und Ostvor- Männer, Frauen und Kinder getötet“. 11.4.1945 Marine-Soldaten, Reichsar-
pommern ihr sog. „Heldengeden- Während der schwarz-geschleifte Kranz beitsdienst und Waffen-SS geschickt.
ken“. Eine Woche später, am mit dem Aufdruck „Die Kameraden der Viele, gerade erst 17-Jährige, sind in Es-
23.11.08, scharten sich fast 50 Alte HIAG Hannover“ abgelegt wurde, er- sel begraben. Jahrzehntelang fanden hier
und Junge dort zum wiederholten klang das militaristische Lied vom „Gu- gemeinsame Gedenkfeiern von alten und
Male um ehemalige Kämpfer der ten Kameraden“, geblasen von einem jungen, deutschen und flämischen Nazis
Waffen SS. kyfhäuserähnlich Gekleideten. Am Ende und Militaristen gemeinsam mit örtli-
trompetete er den „Zapfenstreich“. chen Vereinen und der Gemeinde Essel
Während die Polizei am 16.11.08 die Ein anderer alter Waffen-SSler dankte statt. Als Mitte der 1970er Jahre Pastor
Nazi-Kameradschaften nur in Dreier- den jungen Leuten, die bei der Gedenk- Dreyer auch der KZ-Opfer und der Men-
Gruppen auf den Friedhof ließ, pochten feier dabei waren. Er fügte hinzu, dass schen der Sowjetunion gedachte, geleite-
die alten SSler am 23..11.08 auf te ihn der Esseler Schützenverein vor
ein angebliches Schlägen der Nazis schützend,
Hausrecht. Ganze vom Friedhof. Seit dem findet
zwei Polizisten in das Gedenken getrennt statt.
Zivil beobachte- 1983 macht die „Reservisten-
ten die Szenerie kameradschaft Wehrsport Buch-
aus Entfernung. holz/Aller“ in Bundeswehruni-
Drei Mitglieder form den Nazis Ehrbezeugungen.
einer Studenten- Die Gewerkschaftsjugend hält
verbindung aus ein Transparent „Verbot der
Hannover ver- HIAG Waffen SS“. Das Tuch
wehrten ver- wird zerrissen. Alte Männer und
meintlichen Nazi- Frauen schlagen und treten kräf-
gegnern den Zu- tig zu. 1984, 1985 und 1986 ver-
tritt zum Fried- Kameradschaften und „Düütsche hindern breite politische und nord-
Deerns“ in Essel gedenken unter Füh-
hof. deutschlandweite Demos das braune
rung von Dennis Bührig.
Am Volkstrau- Foto: recherche-SFA Treiben gleich für viele weitere Jahre.
ertag hatte der
Celler Nazi-Führer, NPD-Landtagskan-
didat und Anmelder für den Nazi-Marsch
am 1. Mai 2009 in Hannover, Dennis
Bührig, der Waffen-SS gedankt und ge-
fordert: „Ihr Opfer unser Auftrag“. Er be-
schwerte sich, dass „den Kindern Tag ein
Tag aus eingeredet wird, dass ihre Groß-
eltern Verbrecher gewesen seien“ und er
ließ zum Schluss das Treuelied der SS
recht kümmerlich absingen. „Düütsche
Deerns“ in langen blauen Röcken, z.T.
mit Zöpfen, legten wie die Kamerad-
schaft „Snevern Jungs“ Gestecke ab mit
Schleifenaufdruck „In stolzer Trauer“.
Der Kranz der „Kameradschaft 73 Celle“
trug den Aufdruck „Den gefallenen Hel-
den beider Weltkriege“.
Sieben Tage später versammelten sich
fast 50 Alte und Junge, aus Hannover,
Celle, Soltau-Fallingbostel und Münster
auf dem Soldatenfriedhof. Manche Kfz- Der Kranz der Gemeinde Essel am 23.11.08 eingerahmt von Nazi-Propaganda Foto: recherche-SFA
Kennzeichen lassen auf rechte Gesin-
nung schließen: ...88, ...U 880, ...JN.., .. das Gedenken sehr kurz sei, um nicht Einmal taucht noch die FAP auch. Als
AH .., .. 818. weiter „behelligt“ zu werden. später die HIAG Waffen-SS wiederkehrt,
Ein alter Kämpfer der HIAG (Traditi- Die drei Burschenschaftler waren be- haben ihre schwarzen Kranzschleifen
onsorganisation der verbotenen Waffen reits lange zuvor am Ort. Als die alten keinen Aufdruck. Seit einigen Jahren
SS) gedachte „der Gefallenen verschie- Waffen-SSler und ihre, teils sehr jungen, kommen die alten SSler plus Freunde ei-
dener Waffengattungen, auch dem Freunde sich herzlich begrüßten, wiesen nen Sonntag später und bleiben zuerst
Reichsarbeitsdienst und der Waffen-SS“, sie auf vermeintliche politische Gegner unentdeckt. Am Volkstrauertag 2007
wie er ausdrücklich betonte. Als wäre in einem Pkw hin. Woraufhin pelzbe- überrumpeln und schlagen Kamerad-
Kadavergehorsam selbstverständlich, mantelte alte Frauen, SS-Kämpfer und schaften aus Celle und Hildesheim die
hob der Redner gleich zwei mal hervor, Verbindungsstudenten ihre Ablehnung wenigen Polizeibeamten. Über die Er-
dass die Soldaten „getreu ihrem Fahnen- direkt vor den Pkw-Scheiben vollführ- eignisse der letzten Jahre ist nichts in Po-
eid fürs Vaterland“ gefallen seien. ten. Die drei Burschis, die sich als Si- lizeipresseberichten, selbst 2008 ist nur
Die Verbrechen der Waffen-SS ver- cherheitstruppe aufspielten, fuhren als in wenig Zeitungen etwas zu finden.
schweigend sagte der Uneinsichtige: Letzte weg. ein Chronist aus Essel ■

8 :antifaschistische nachrichten 24-2008


Harte Zeiten, harte Zeiten: Jetzt
muss die (französische) extreme Beim Front National herrscht:
Rechte schon im Ausland nach Bewun-
dernswertem suchen. Oder nach Erfolgsre-
zepten, die zu funktionieren scheinen. So
Le grand Saustall
klagt „Denis“, der Betreiber der rechtsex- misierung lösen wahrhafte Skandale aus, um befindet sich, laut Programmankündi-
tremen Homepage „France42.info“ (eine und sie gewinnen dabei am Ende.“ gung, kein aktiver französischer Parteipoli-
Webpage, die ursprünglich dem MNR von Ausländische Modelle „en vogue“... tiker. Allerdings tauchen zwei ehemalige
Bruno Mégret im Département Nummer Parteiaktivisten auf, die derzeit außerhalb
42 – Loire – zugehörte, aber seit einigen Dabei dürfte „Denis“ sich wohl wiederum von Parteistrukturen an der ideologischen
Monaten zu politischen Parteien auf Dis- zum Teil in Illusionen wiegen, da er (neben Aufrüstung der extremen Rechten arbei-
tanz ging und für eine überparteiliche „Ei- der norditalienischen Lega Nord, die sich ten: nämlich der Ultrakatholik Bernard An-
nigung der nationalen Rechten“ eintritt) tatsächlich im Aufschwung befindet und in tony (früher FN, seit 2006 nicht mehr dort
bitterlich: „Warum kommt die Nationale Rom in der Regierung sitzt, und den aktiv) sowie der aus der eher neuheidni-
Rechte überall in Europa voran? Und wa- „Rechtspopulisten“ von Dänemarks schen ‚Neuen Rechten‘ kommende Jean-
rum macht sie in Frankreich Rückschrit- „Volkspartei“ DFP) offenkundig auch an Yves Le Gallou (früher FN, dann seit der
te?“ Ja, warum nur? die verkorkste Gurkentruppe von „Pro Spaltung 1999 „Nummer Zwei“ des MNR,
Auf die Frage, die er in einem Eintrag Köln“ gedacht hat. Aber das Klagelied, das jetzt an der Spitze seiner Stiftung „Pole-
auf seinem Blog vom 30. November 2008 er anstimmt, widerspiegelt symptomhaft mia“).
stellte, gibt der unermüdliche Aktivist „De- den derzeitigen Zustand der extremen Was ist kaputt?
nis“ – dessen Texte wie üblich von franzö- Rechten in Frankreich.
sischen Rechtschreibfehlern nur so wim- Auch der „rechtsintellektuelle“ Think Dies alles widerspiegelt, neben anderen
meln, ausnahmslos jeder Satz ist damit ge- Tank des ‚Club de l’Horloge‘ setzt zur sel- Krisenphänomenen, den aktuellen Zustand
spickt – auch eine Antwort. Sie lautet: ben Zeit auf ausländische Erfolgsrezepte: der parteiförmig organisierten extremen
„Aufgrund ihrer Uneinigkeit, natürlich. Anlässlich seiner kommenden „Jahresuni- Rechten in Frankreich.
Aber auch weil viele ihrer Köpfe sehr ,po- versität“, die am 6. und 7. Dezember 2008 Wie wir bereits berichteten (vgl. AN
litisch korrekt‘ geworden sind. Sie wagen im neunten Pariser Bezirk stattfindet (in 23/2008), hat Carl Lang den Absprung ge-
nicht mehr laut auszusprechen, was die anderen Organisationen gibt es „Sommer- wagt und angekündigt, zur Wahl am 7. Juni
Franzosen leise denken.“ Gut, ok, es möge akademien“...), wird der illustre Club zum 2009 eine eigene Liste im Superwahlkreis
ja gewisse Gesetze – solche zur Strafbar- Thema „Der Populismus, Lösung für ein Nord/Nordwest gegen die offizielle Kandi-
keit von Rassismus oder Antisemitismus Europa in der Krise“ beraten. Als Referen- datenliste des FN aufzustellen. Der blonde
dürften gemeint sein – geben, die ein freies ten eingeladen sind u.a. ein namentlich 51-Jährige hatte von 1988 bis 1995 und
Aussprechen der fraglichen Ideen mitunter noch nicht genannter Abgeordneter des abermals von 1999 (nach der damaligen
verhinderten. Aber, fährt „Denis“ fort, österreichischen Parlaments, der Vlaams Spaltung der Partei in Le Pen- und Mégret-
„manchmal ist es nötig, Risiken einzuge- Belang-Spitzenpolitiker Franck Vanecke Anhänger) bis zu seinem Rücktritt vom
hen. Die Anführer der Europäischen, vor sowie der – von seinem Auftritt in Köln am Amt im Oktober 2005 als Generalsekretär
allem aber der Deutschen, Dänischen und 20. September dieses Jahres auch dem und „Nummer Drei“ firmiert. Einstmals
Italienischen Nationalen Rechten (Anm.: deutschen Antifapublikum bekannte – Se- hatte Jean-Marie Le Pen den – damals –
Großschreibung im Original) stören sich nator der Lega Nord, Mario Borghezio. jungen Mann, der fast seine gesamte beruf-
nicht daran. Ihre Äußerungen über die Isla- Unter den geladenen Gästen auf dem Podi- liche Karriere beim FN absolvierte, als ei-
nen Musterschüler und „unseren Besten“
betrachtet. Das war jedenfalls so, bevor der
Initiative für einen Gedenkort ehemaliges KZ Uckermark e.V. alternde Chef unbedingt seiner Tochter den
Die Kampagne 100x100 möchte einen Gedenkstein für das ehemalige Jugendkonzentrationslager für Weg an die Spitze ebnen wollte. Nunmehr
Mädchen und junge Frauen und spätere Vernichtungslager Uckermark aufstellen und hat dazu eine wirft Lang ihm vor, die Partei gehe von der
Spendenkampagne gestartet. Im Aufruf dazu heißt es:
‚Préférence nationale‘ (Forderung nach
Der Gedenkstein soll an die Opfer des ehemaligen Jugendkonzentrationslagers und späteren Vernich-
tungslager Uckermark erinnern. Mit der Kampagne 100X100 versuchen wir Menschen zu gewinnen, die Fi- „Bevorzugung der Staatsbürger“, auf allen
nanzierung des Gedenksteins zu unterstützen. 10.000 Euro werden gebraucht, um unseren Entwurf umzuset- Ebenen, gegenüber Ausländer/inne/n) in
zen. Der Gedenkstein wird eine Steinstele sein, die einen Erinnerungstext auf einer Metallrundung trägt. Den ihrem Programm zur ‚préférence familiale‘
Opfern einen Gedenkstein zu setzen und den ehemals Inhaftierten, die überlebt haben und ihren Nachkom- (Bevorzugung der eigenen Familienmit-
men einen würdevollen Gedenkort zu geben, ist seit vielen Jahren unserer Anliegen. Damit gerade die Über- glieder) über. Diese steht aber nicht im
lebenden dieses noch erleben können, wird es nun Zeit, dieses in die Tat umzusetzen. Programm...
Zum Ort Aber der Hauptvorwurf ist ideologischer
Das ehemalige Jugendkonzentrationslager für Mädchen und junge Frauen und spätere Vernichtungsla-
ger Uckermark wurde im Frühjahr 1942 von Häftlingen des Frauenkonzentrationslagers Ravensbrück,
Natur: Marine Le Pen, so warnt der sich
das in unmittelbarer Nähe liegt, gebaut. 1945 zählte das Lager ca. 1000 Mädchen und junge Frauen. gern zum „Hüter des Programms“ (vor al-
Ein Erlass von 1937 über die „„vorbeugende Verbrechensbekämpfung“ hatte die Inhaftierung von als lem in Sachen „Immigration“) aufschwin-
„„asozial“ kriminalisierten Mädchen möglich gemacht. Im Januar 1945 wurde ein Teil des Geländes zu gende Carl Lang, biete aufgrund ihrer star-
einem Vernichtungslager für Häftlinge aus Ravensbrück. Bis April 1945 wurden dort ca. 5.000 Frauen ken Ausrichtung auf die Medien keine Ge-
umgebracht. Bis heute ist wenig über die Geschichte dieses Konzentrationslagers bekannt. Die dort In- währ für „die Fähigkeit, der Diabolisierung
haftierten zählten lange Zeit zu den „„vergessenen Verfolgten“ des Nationalsozialismus und haben trotzen und in der Stunde der Prüfung zu-
kaum gesellschaftliche Anerkennung erhalten. 1970 wurde das Lager als Konzentrationslager aner-
sammenhalten zu können“. Durch diese
kannt, Entschädigungen wurden nur schleppend und in geringem Maße gezahlt. Nach 1945 wurde das
ehemalige Lagergelände von der Roten Armee und später von den GUS-Truppen militärisch genutzt. Bis Worte spielt Carl Lang offen auf die Episo-
heute ist es nicht Teil der Mahn-und Gedenkstätte Ravensbrück und wird lediglich durch ehrenamtliches de im Januar 2005 an, als Marine Le Pen
Engagement, das heißt mit geringen finanziellen Mitteln z.B. durch Workcamps, zu einem würdevolleren infolge eines Interviews ihres Vaters mit
Gedenkort gestaltet. Mit unserer Kampagne für einen Gedenkstein versuchen wir, diesem ein Stück nä- dem altfaschistischen Wochenblatt ‚Riva-
her zu kommen und einen vielfach geäußerten Wunsch der Überlebenden endlich zu erfüllen.“ rol‘ – das auch innerhalb des FN umstritte-
nen und vielfach als „unnütze Provokati-
Mehr Informationen auf der Website www.maedchen-kz-uckermark.de. Spendenquittungen on“ betrachtet wurde, und ansonsten einen
werden gerne zugesandt. Initiative für einen Gedenkort ehemaliges KZ Uckermark e.V.,
Kto.Nr 468579106, BLZ 100 100 10, Postbank Berlin
Proteststurm auslöste – auf Distanz zum al-
ten Chef ging. In dem Interview (dessen

: antifaschistische nachrichten 24-2008 9


gerichtliches Nachspiel zur Zeit stattfindet Schutz und Sicherheit“), also der von Kriti- Versammlungen) auf der Bühne die An-
und noch nicht durch alle Instanzen hin- kern oft als paramilitärisch bezeichnete kündigungen tätigen durfte. Offiziell hat
durch abgeschlossen ist) hatte Le Pen – Ordnerdienst, aus dem FN aus und „stellte sein Rücktritt aber nur „persönliche Grün-
Vater – davon gesprochen, die deutsche sich Carl Lang zur Verfügung“. de“, wie er in einer Erklärung versicherte,
Besatzung in Frankreich sei „nicht beson- Von derzeit sieben amtierenden Europa- welche die Marinisten eilfertig auf ihrer
ders inhuman“ gewesen. Daraufhin hatte parlamentariern des FN sind nun drei aus Webpage NPI veröffentlichten, um zu un-
Marine Le Pen, die eifrig an der „Moderni- der Partei ausgetreten und drohen mit kon- terstreichen, es gebe „keinerlei Anlass zur
sierung“ der Partei arbeitete, sich für einige kurrierenden Listen: Carl Lang im Nor- Polemik“. (NPI: „Nationspresse.info“, das
Monate aus allen Instanzen der Partei zu- den/Nordwesten wird durch den Norman- quasi-offizielle Verlautbarungsorgan des
rückzogen, bevor sie wieder auftauchte nen Ferdinand de Rachinel – den früheren Lagers rund um Marine Le Pen, das zum
und aktiv weitermachte. Dies macht Carl Drucker der Partei, der aus finanziellen Teil die frühere parteinahe Wochenzeitung
Lang ihr nun in dem Schreiben „an die Ak- Motiven mit ihrer Führung im Sommer ‚National Hebdo‘ – seit dem Frühjahr 2008
tivisten des FN“, das am 21. November dieses Jahres im Gerichtsstreit lag – unter- bankrott – ersetzt hat.)
„exklusiv“ auf der neofaschistischen Web- stützt. Und in Montpellier, also im Super- Auf derselben Sitzung der obersten In-
site ‚Novopress‘ (eine Art rechtsradikales wahlkreis Südwest, wird als Dritter im stanz des FN am 24. November „bot“ aller-
Gegen-Indymedia, steht der aktivistischen Bunde der Steuerrechtsprofessor und lang- dings auch Bruno Gollnisch, der Vizepräsi-
Strömung der ‚Identitaires‘ nahe) veröf- jährige Parteivorständler Jean-Claude Mar- dent des FN und theoretisch gleichberich-
fentlicht wurde, zum Vorwurf. tinez ebenfalls eine rivalisierende Liste tigte „Nummer Zwei“ neben Marine Le
Das Antwortschreiben Marine Le Pens aufstellen. Der 63-Jährige saß schon als Pen seinen sofortigen Rücktritt an. Dieser
wiederum wurde am 24. November eben- Abgeordneter in der FN-Fraktion der fran- wurde jedoch durch Le Pen und die ver-
falls durch ‚Novopress‘ publiziert. Darin zösischen Nationalversammlung, die nur sammelten Leitungsmitglieder ausgeschla-
erinnert sie u.a. daran, dass auch Carl Lang unter dem Verhältniswahlrecht 1986-88 gen. Gollnisch erklärte sich daraufhin be-
damals, Anfang 2005, eine gewisse persön- existiert hat. Martinez plant auch, Verbün- reit, sein Amt weiterhin zu führen. Es han-
liche Distanzierung zu den oben zitierten dete in allen anderen acht Superwahlkrei- delt sich also um eine Art Vertrauensfrage.
Auslassungen des Chefs habe erkennen las- sen zu finden, um jeweils konkurrierende Allerdings hat Gollnisch, der als notorisch
sen. (Damals war die Mehrzahl der Kader Listen aufzustellen. konfliktscheu und (gegenüber Jean-Marie
der Auffassung, es bringe nichts, mit Sprü- Im Südosten könnten Lang (und de Ra- Le Pen) autoritätsergeben, aber zugleich
chen zur „Geschichte“ zu provozieren und chinel) einerseits, Martinez andererseits ei- als großer Rivale seiner Tochter Marine im
dadurch bereits verlorene Schlachten noch nen gewichtigen Verbündeten gefunden ha- Ringen um den Vorsitz gilt, sich in Inter-
einmal zu schlagen.) Zudem richtet Marine ben. Dort plant Jacques Bompard, der letzte views zur Sache geäußert. Darin erklärt er
Le Pen an Carl Lang den Vorwurf, er betrei- verbliebene rechtsextreme Rathauschef in mit reichlich fatalistischem Ton, er selbst
be nur – oder nur noch – aus Gründen der Frankreich, seinerseits eine rechtsextreme sei zwar gegen rivalisierende Listen, doch
Selbstversorgung Politik. Und er sei ledig- Liste in Konkurrenz zu jener des FN aufzu- Lang und Martinez seien seine Freunde.
lich sauer, weil er sich durch den vorge- stellen. Bompard war im September 2005 Er, Gollnisch, habe „versucht, die wider-
schlagenen zweiten Listenplatz (hinter Ma- aus dem FN aus- und im November 2005 streitenden Parteien einander anzunähern,
rine Le Pen) im Superwahlkreis Nord/ der Kleinpartei „Bewegung für Frankreich“ aber vergeblich“. In Regionalzeitungen in
Nordwest nicht sicher sei, wieder ins Euro- (MPF) des nationalkonservativen Katholi- Lyon – wo er ansässig ist – fuhr er fort, er
paparlament einzuziehen, um so finanziell ken de Villiers beigetreten. Trotz seines könne „diese Kameraden (Carl Lang und
aus dem Schneider zu sein. Widersprüch- Übertritts zur Partei de Villiers, der sich Martinez) angesichts des Kontexts ihrer
lich dazu ist, dass Marine Le Pen gleichzei- eher als „Befestiger des rechten Rands“ Kandidaturen schwerlich verurteilen“.
tig einem Vorwurf Carl Langs widerspricht, dem bürgerlichen Lager und Regierungs- Und er, Gollnisch, habe „eine politische
der darauf hinausläuft, man habe ihn mate- block anbietet, blieb Jacques Bompard je- Analyse, die mir von Jean-Marie und Ma-
riell zu korrumpieren versucht: Denn falls doch weiterhin auf offen rechtsextremen rine Le Pen nicht in Gänze geteilt zu wer-
er den angebotenen zweiten Listenplatz Positionen. Ob er in der Villiers Partei ver- den scheint“. Allerdings glaube er noch an
(hinter Marine) annehme, so behauptete bleiben wird oder aber sich selbstständig eine „mögliche Aussöhnung“ (vgl.
Carl Lang in seinem Offenen Brief, habe macht, etwa im Zuge der Herausbildung ei- http://www.leprogres.fr/infosdujour/rhone/
man ihm „zwei Jahre volle Bezahlung an- ner rechtsextremen Bündnisliste, ist im Au- 1058656.html). An anderem Ort hatte er
geboten“. Unwahr, gibt Marine Le Pen zu- genblick wohl eine offene Frage. auf die Frage hin, ob er seine Kandidatur
rück, man habe ihm lediglich eine „Absi- Unterdessen wird die Rumpfpartei Front im Superwahlkreis „Ost“ – rund um Lyon
cherung, bis Du die Rente durch hast, und National weiterhin durch Abgänge, oder – zur EP-Wahl auch danach aufrecht erhal-
für den Fall Deiner Nichtwahl (ins Europa- drohende Abgänge, schwergewichtiger te, geantwortet: „im Moment“.
parlament)“ angeboten. Offenkundig wur- Funktionsträger erschüttert. Am Montag, Sollte Gollnisch, der jedenfalls inner-
de also schon durchaus mit materiellen Ver- 17. November hatte das „Exekutivbüro“ halb der eigenen Partei Konflikten noto-
sprechen operiert. Und die „politischere“ (die höchste Führungsinstanz des FN) Carl risch ausweicht, nun doch einen Abgang
Vorgehensweise bei dem Streit scheint jene Lang und Jean-Claude Martinez auf An- (und sei es nur aus bestimmten Funktio-
Carl Langs gewesen zu sein. trag des Chefs hin „von ihren Mitglieds- nen) vollziehen, dann bricht endgültig ein
Lang konnte dabei offenkundig einen rechten suspendiert“. Das bedeutet, dass Gutteil des Apparats zusammen. Denn die
Gutteil der Parteifunktionäre und Aktivis- sie sich nicht öffentlich auf ihre Mitglied- innerparteilichen Opponenten gegen den
ten in seiner Region (Nord-Pas de Calais), schaft beim FN berufen, dessen Namen Aufstieg Marine Le Pens, gerade unter den
und darüber hinaus in dem zur Europawahl oder Parteiprogramm nicht für ihre Zwe- alten Aktivisten und den höherrangigen
zu bildenden „Superwahlkreis“ Nord/ cke benutzen dürfen. Es wird jedoch kaum Kadern, hatten Gollnisch bislang noch als
Nordwest, mit sich ziehen. So sind 10 Unklarheit darüber gelassen, dass die ihr „Bollwerk“ gestützt. Alternativ aber be-
(nach anderen Angaben auch 12) von ins- nächste Etappe der Ausschluss sein wird, stünde die Möglichkeit, dass der Aufstieg
gesamt 16 bisherigen Regionalparlamenta- was nur noch eine Frage der Zeit sein dürf- der gefürchteten „Modernisiererin“ Marine
riern des FN in der nordfranzösischen Re- te. Bei der darauffolgenden Sitzung, eine Le Pen doch noch gestoppt wird. Durch ei-
gionalhauptstadt Lille entweder ausgetre- Woche später, legte dann der Vorsitzende nen, „kalten“ oder nicht, Putsch der alten
ten oder jüngst ausgeschlossen worden. In der Pariser Parteisektion – Martial Bild – Kader beispielsweise.
der Nachbarregion Normandie, die zum sein Amt nach neun Jahren nieder. Bild Bernhard Schmid, Paris ■
selben „Superwahlkreis“ bei der EP-Wahl war seit Jahren derjenige, der bei öffentli- In den AN 25 wird es einen Artikel zu weiteren Reaktio-
zählt, trat der gesamte DPS („Abteilung chen Auftritten der Partei (Aufmärsche, nen der extremen Rechten auf Obamas Wahlsieg geben.

10 :antifaschistische nachrichten 24-2008


: ausländer- und asylpolitik
Keine Abschiebungen von
Roma und anderen Minder-
Landeshauptstadt München zwischen EU, Mitgliedsstaaten und den heiten in den Kosovo
fordert Abschaffung der deutschen Innenministern als föderalen Hannover/Potsdam. Am Donnerstag,
Flüchtlingslager Bauchrednern gefangen. Bundesinnenmi- den 20. November überreichten Vertreter
nister Schäuble steht im Wort. Im Früh- des Vereins der Roma-Lehrer für Schul-
München. Der Sozialausschuss hat in jahr hatte er die Aufnahme der ersten Irak- bildung und Kultur aus dem Kosovo e.V.
seiner Sitzung vom 13.11.08 gefordert, flüchtlinge bis Herbst avisiert, jetzt muss und von Romane Aglonipe e.V. der Innen-
„die regelmäßige Unterbringung von er schon Tempo machen, wenn die Ersten ministerkonferenz in Potsdam eine Petiti-
Flüchtlingen in Gemeinschaftsunterkünf- noch in diesem Jahr kommen sollen. PRO on, die am 3. Oktober dieses Jahres auf ei-
ten zu beenden und statt dessen den Ein- ASYL hält das für nötig. ner Versammlung von Roma in Deutsch-
zug in normale Wohnungen zuzulassen.“ Inakzeptabel ist die von der IMK be- land verabschiedet wurde (wir berichte-
Seit Monaten ist die Forderung nach schlossene ausschließliche Konzentration ten). In dieser Petition wird ein sicherer
Schließung der Flüchtlingslager in der öf- auf die Aufnahme irakischer Christen. Es Aufenthaltsstatus für die Roma gefordert,
fentlichen Debatte, selbst der neue Staats- gibt weitere Minderheiten und schutzbe- die vor dem Krieg aus dem Kosovo nach
regierungspartner FDP fordert deren Ab- dürftige Individuen, die genauso dringend Deutschland geflüchtet waren.
schaffung. Doch die CSU mauert weiter eine neue Heimat brauchen. Christen ge- Der Flüchtlingsrat Niedersachsen e.V.
und argumentiert, gerade in München wä- hören ohne Zweifel zu denen, deren Si- unterstützt ausdrücklich diese Petition
ren keine Wohnungen zu finden, deshalb tuation am dramatischsten ist. Ein Auf- und fordert die Innenminister des Bundes
wären gerade dort Flüchtlingslager weiter nahmeprogramm nach dem Motto „for und der Länder auf, Minderheitenangehö-
nötig. Der Sozialausschuss des Münchner christians only“ kann es gerade nach rigen aus dem Kosovo, wie Roma, Ashka-
Stadtrats setzte dieser Argumentation nun christlichem Glaubensverständnis nicht li und „Ägyptern“ endlich ein dauerhaftes
ein Ende. Trotz der Schwierigkeiten mit geben. Nicht nur das Gleichnis vom Bleiberecht zu gewähren. Knapp zehn
der Versorgung von Flüchtlingen mit Pri- barmherzigen Samariter belegt, dass Kon- Jahre nach dem Kosovokrieg leben immer
vatwohnungen in München beschloss er fession und Herkunft kein taugliches Kri- noch rund 34.000 Flüchtlinge aus dem
in seiner Sitzung vom 13.11.2008 ein- terium ist, wenn geholfen werden muss. Kosovo ohne festen Aufenthaltsstatus in
stimmig: „Der Herr Oberbürgermeister PRO ASYL schätzt, dass allein der Deutschland.
wird gebeten, sich an den Herrn Minister- kurzfristige Bedarf an Aufnahmeplätzen Nachdem der kosovarische Premiermi-
präsidenten und die Landtagsfraktionen für Irakflüchtlinge, die nicht mehr in ihr nister Thaci ein EU-gefördertes Pro-
zu wenden mit dem Ziel, die regelmäßige Herkunftsland zurückkehren können, in gramm zur Unterstützung der Rückkehr
Unterbringung von Flüchtlingen in Ge- der Größenordnung von mehreren Zehn- und Reintegration von Flüchtlingen vor-
meinschaftsunterkünften zu beenden und tausend liegt. Mittel- und langfristig gese- gestellt hat und überdies UNMIK aus dem
statt dessen den Einzug in normale Woh- hen liegt der Bedarf noch wesentlich da- Kosovo abzieht, ist zu befürchten, dass
nungen zuzulassen.“ rüber. Eine EU mit 500 Millionen Ein- der Druck auf die Kosovoflüchtlinge er-
Der Bayerische Flüchtlingsrat ist hoch wohnern kann und muss hier einen we- höht wird, Deutschland zu verlassen.
erfreut über diese Unterstützung seiner sentlichen Beitrag leisten. Die Situation im Kosovo ist für Min-
Forderung nach Abschaffung der Flücht- PRO ASYL Bundesweite Arbeitsge- derheitenangehörige jedoch immer noch
lingslager. „Wir hoffen, dass wir mit die- meinschaft für Flüchtlinge e.V. katastrophal, wie z.B. Pro Asyl feststellt:
ser zusätzlichen prominenten Unterstüt- Presseerklärung 21. November 2008 ■ Roma und Ashkali sind vom Arbeitsmarkt
zung unsere Forderung durchsetzen kön-
nen und es den 8400 Flüchtlingen, die
derzeit in 140 Lagern leben, ermöglicht
wird, schnellstmöglich menschenwürdige
Wohnungen beziehen zu können, wie das
in anderen Bundesländern längst Realität
ist“, kommentiert Alexander Thal, Spre-
cher des Bayerischen Flüchtlingsrats, den
Beschluss.
Quelle: Pressemitteilung, 14.11.2008
www.fluechtlingsrat-bayern.de ■

Aufnahme irakischer Flücht-


linge nur im EU-Verbund
Berlin. Das Ergebnis der Innenminister-
konferenz ist so zwiespältig wie im Früh-
sommer: Eine Aufnahme irakischer
Flüchtlinge wird von einer EU-Entschei-
dung in der nächsten Woche abhängig ge-
macht. Immerhin: Im Rahmen einer euro-
päischen Lösung wird Deutschland sich Hamburgs Innensenator Ahlhaus zum Abschiebeminister 2008 gewählt
beteiligen. Und: Die Hilfe soll nicht von Die „Jugendlichen Ohne Grenzen“ starteten am 19. 11. ihre Proteste für Blei-
der Haltung der irakischen Regierung ab- berecht und Legalisierung mit einem Galaabend. Der darin verliehene Nega-
hängig gemacht werden, so der IMK-Vor- tivpreis für den schlimmsten Innenminister ging in diesem Jahr an Christoph
sitzende Schönbohm. Ahlhaus (CDU). „Der Hamburger Innenminster hat sich diesen Preis redlich
Aktueller Zwischenstand für die drin- verdient: Europaweite Sammelabschiebungen von Flüchtlingen und die
gend schutzbedürftigen Irakflüchtlinge schlimmste Ausländerbehörde Deutschlands sind sein Verdienst“, erklärten
z.B. in Jordanien und Syrien: Noch immer die „Jugendlichen ohne Grenzen“.
sind sie im Gespinst der Zögerlichkeiten

: antifaschistische nachrichten 24-2008 11


faktisch ausgeschlossen. Ihre ehemaligen tralen Erstaufnahme und Abschiebeabtei- verfolgten Gruppen gehören v.a. demo-
Häuser sind oftmals zerstört, oder eine lung in der Sportallee; örtlich zwischen kratisch orientierte Oppositionelle, Men-
Rückkehr in die Häuser ist auf Grund ver- Abschiebehaftanstalt und Flughafen gele- schenrechtsaktivistInnen und politisch ak-
änderter oder ungeklärter Eigentumsver- gen, – Zugangsverweigerung vor Ort tive KurdInnen.
hältnisse unmöglich. Im Ergebnis leben durch den privaten Sicherheitsdienst, Un- Die Menschenrechtssituation hat sich
Roma und Ashkali oftmals in Slums und tätigkeit und Rechtsverweigerung durch seit 2006 erneut verschlechtert. Mit Ver-
ernähren sich vom Betteln. Die Men- die Sachbearbeiter – die Schaffung eines haftungswellen reagierte das Regime auf
schenrechtslage ist noch im Juli dieses Stabes für die Koordination europäischer Erklärungen der Opposition, die einen de-
Jahres vom Kosovo Ombudsmann Hilmi Sammelabschiebungen. mokratischen und nationalen Wandel for-
Jashari als „nicht zufriedenstellend“ be- • die rigide Durchsetzung von Abschie- derte. Nicht nur unzählige Verhaftungen
zeichnet worden. bungen u.a. ohne Rücksicht auf den waren die Folge, auch Familienangehöri-
Angesichts der immer noch bedrohli- Schutz der Familie, wie im Fall Grigorjan ge und Verwandte von Inhaftierten wur-
chen Situation im Kosovo und vor dem • Fortsetzung der Auslagerung von den von den Sicherheitsdiensten belästigt
Hintergrund der historischen Verantwor- Flüchtlingen in die zentrale Erstaufnahme und eingeschüchtert. Die Liste der Perso-
tung, die Deutschland durch die Ermor- Horst/Nostorf nach Mecklenburg-Vor- nen mit Ausreiseverbot wurde maßgeb-
dung von 500.000 europäischen Sinti und pommern lich erweitert. Wer nach Syrien abgescho-
Roma während der NS-Zeit trägt, ist es • Vorführung von Flüchtlingen vor dubio- ben wird, muss angesichts dieser Sachla-
nach Ansicht des Flüchtlingsrates Nieder- se Delegationen, wie unlängst aus Sierra ge mit Gefängnis und Folter rechnen, un-
sachsen angezeigt, endlich einen Schluss- Leone, deren „Verwaltungshandeln“ nach ter Umständen auch um sein Leben fürch-
strich zu ziehen und den Roma, Ashkali neuesten Recherchen offensichtlich ein- ten. Ohne Kontakt zur Außenwelt werden
und „Ägyptern“ aus dem Kosovo einen gekauft wird. Menschen nach willkürlicher Verhaftung
dauerhaften Aufenthaltsstatus in Deutsch- • Beibehaltung des ursprünglich von der durch die Geheimdienste lange Zeit ohne
land ohne weitere Auflagen und Bedin- GAL abgelehnten Schülerregisters mit Anklageerhebung inhaftiert. Nach Schät-
gungen zu erteilen. Zugriff u.a. der Ausländerbehörde mit der zungen sitzen 2.500 bis 3.000 politische
gez. Sigmar Walbrecht, Flüchtlingsrat Folge einer erheblichen Abschreckung. Gefangene ohne Verfahren in Haft. Folter
Niedersachsen e.V., PM v. 20.11.2008 ■ Zurecht wurde der Hamburger Innense- durch die Geheimdienste ist an der Tages-
nator Ahlhaus im Rahmen der IMK in ordnung.
Katastrophale Umsetzung Potsdam von dem Zusammenschluss von Besonders problematisch ist der Artikel
Flüchtlingsjugendlichen „Jugendliche 2 des Rücknahmeabkommens, der auch
der Bleiberechtsregelung für ohne Grenzen“ zum „Abschiebeminister die Rückführung „Staatenloser“ ermög-
lange geduldete Flüchtlinge des Jahres 2008“ gekürt. licht. Hiervon ist insbesondere die kurdi-
Hamburg setzt auch unter der CDU/GAL- Café Exil, Flüchtlingsrat Hamburg ■ sche Bevölkerung betroffen, die in Syrien
Regierung weiter auf eine Flüchtlingspo- seit Jahrzehnten extremer staatlicher Re-
litik der Abschiebung und Abschreckung. Keine Abschiebung von pression ausgesetzt ist. In Folge einer
Am 24. November um 19:15 Uhr laden Sondervolkszählung im Jahre 1962 wurde
die stellv. Fraktionsvorsitzende der GAL- Flüchtlingen nach Syrien! 150.000 Kurdinnen und Kurden die
Hamburg, Antje Möller, und der Justizse- Aufruf zur Demonstration in Berlin Staatsbürgerschaft entzogen. Diese Grup-
nator Till Steffen (ebenfalls GAL) zu der Mittwoch, 10.12.2008, 13 Uhr am Bran- pe, welcher staatsbürgerliche und politi-
Informationsveranstaltung „aktuelle In- denburger Tor (Platz des 18. März) sche Rechte (wie beispielsweise das
nen- und Flüchtlingspolitik der GAL- Bis zu 7.000 syrischen Flüchtlingen droht Wahlrecht, das Recht auf Erwerb von
Fraktion“ ein. Diese Veranstaltung fällt die Abschiebung. Die meisten von ihnen Land und Immobilien oder das Recht auf
zeitlich zusammen mit der Beantwortung sind KurdInnen. Der Grund: Am 14. Juli staatliche Anstellung) vorenthalten wer-
der Großen Anfrage (Drucksache 2008 haben der deutsche Innenminister den, umfasst nach Schätzungen von Men-
19/1348) der Fraktion „Die Linke“ zur Dr. Wolfgang Schäuble und der syrische schenrechtsgruppen heute etwa 300.000
Umsetzung der Bleiberechtsregelung Innenminister Bassam Abdelmajid ein bi- Personen. In Deutschland leben ca.
2006/2007 für lange geduldete Flüchtlin- laterales Rückübernahmeabkommen un- 28.350 syrische Staatsangehörige. Ca.
ge in Hamburg durch den Senat. Aus der terzeichnet. Dessen erklärtes Ziel ist es, 7000 Personen gelten als ausreisepflich-
Antwort geht hervor, dass zum Stichtag 1. die Abschiebung der „Ausreisepflichti- tig. Die überwiegende Mehrheit dieser
Nov. 2008 von der Ausländerbehörde gen“ möglich zu machen. Diese Zusam- Menschen sind Angehörige der kurdi-
Hamburg nur 1043 von insgesamt über menarbeit Deutschlands mit dem Folter- schen Minderheit. Das Abkommen er-
8515 lange in Hamburg lebenden Flücht- staat Syrien ist skandalös. Die Unter- möglicht außerdem auch die Abschiebung
lingen (Stand: 30.09.2006 / Stichtag der zeichnerorganisationen fordern deshalb: anderer ausreisepflichtiger Flüchtlinge,
Bleiberechtsregelung) eine Aufenthaltser- Keine Abschiebungen von KurdInnen wenn sie nachweislich über Syrien nach
laubnis erhalten haben. Das sind nicht nach Syrien! Keine Nutzung des Rück- Deutschland eingereist sind.
einmal 13%. Damit bildet Hamburg zu- nahmeabkommens für diesen Zweck! Die kurdische Bevölkerung in Syrien
sammen mit Berlin das Schlusslicht der Die „Rückführung“ syrischer Flücht- wird seit mehr als einem halben Jahrhun-
deutschen Bundesländer bei der Umset- linge ist unverantwortlich. Syrien ist ein dert unterdrückt und diskriminiert. Der
zung der Bleiberechtsregelung. Andere Folterstaat, in dem elementare Menschen- Präsidialerlass 49 vom 10. September
Bundesländer weisen laut Bundestagsan- rechte nicht zählen und jede politische 2008 stellt den vorläufig letzten Akt der
frage (BT16/9586) wesentlich höhere Opposition brutal unterdrückt wird. Be- Diskriminierung dar. Dieser Erlass unter-
Zahlen auf: z.B. Hessen (34%), richte zahlreicher namhafter Menschen- sagt den BewohnerInnen der syrischen
BW(28%), NRW (26%), Bayern (22%). rechtsorganisationen zur Lage der Men- Grenzregionen, Grundbesitz zu kaufen,
Diese Zahlen sind die direkte Folge ei- schenrechte in Syrien sprechen eine deut- zu verkaufen oder an gesetzliche Erben zu
ner auf Abschreckung und Abschiebung liche Sprache: Drohungen, Belästigun- übertragen. Da es sich hierbei zum größ-
ausgerichteten Flüchtlingspolitik, die gen, Vorladungen zum Verhör, Berufsver- ten Teil um kurdische Gebiete handelt,
auch unter GAL Verantwortung konse- bote, Ausreiseverbote, willkürliche Inhaf- leidet die kurdische Bevölkerung am
quent fortgesetzt wird. Effektive Mittel tierung, unfaire Prozesse, aber auch kör- meisten unter den Folgen. Der Erlass er-
dieser Politik sind: • die Neuorganisation perliche Gewalt, sind Mittel der Regie- höht nicht nur die Arbeitslosigkeit in der
der Hamburger Ausländerbehörde. Zu der rung, Druck auf KritikerInnen auszuüben. Region, die zur Zeit bei ca. 70 % liegt, er
gehört: – die Zusammenlegung der zen- Zu den systematisch unterdrückten und sorgt auch für eine Verschlechterung der

12 :antifaschistische nachrichten 24-2008


Situation der kurdischen Bevölkerung in lungspolitischen Mittelflüssen“, kritisiert dafür, dass die EU beim Versuch, die tota-
Syrien. Dies könnte zur Folge haben, dass Martin Glasenapp von medico internatio- le Kontrolle über Migrationsbewegungen
noch mehr Kurdinnen und Kurden versu- nal. Der Diskurs über Migration und Ent- zu erzwingen, kaum Skrupel kennt“, so
chen werden, nach Europa zu flüchten. wicklung wird von den Innenpolitikern Bernd Mesovic von PRO ASYL. Die EU-
Der Präsidialerlass macht deutlich, was dominiert. Medico und PRO ASYL spre- Südgrenze wird vor der Küste Maureta-
abgeschobene KurdInnen in Syrien zu er- chen sich vehement gegen die Koppelung niens ebenso „geschützt“ wie, nach den
warten hätten, selbst wenn sie Haft und von Entwicklungshilfemitteln und Rück- Plänen der EU, Libyens Südgrenze in der
Folter entgehen sollten: Entrechtung, übernahmeabkommen aus. Sahara. Menschenrechtsverletzende Re-
Ausgrenzung, Chancenlosigkeit. Die Praxis der letzten Jahre zeigt, dass gime sind dabei Partner.
Am 10.12.2008 in Berlin am Branden- in den EU-Staaten die Bereitschaft Der Versuch der EU, ihre Grenzen au-
burger Tor gegen das deutsch-syrische wächst, das Modell der Abschottung der ßerhalb Europas über fremde Territorien
Rücknahmeabkommen demonstrieren! Außengrenzen zu exportieren und sich zu ziehen, muss gestoppt werden. FRON-
Unterstützer/innen: zunehmend paramilitärischer Methoden TEX hat nichts zu suchen in Afrika.
Gemeinsames Arbeitskomitee der syrischen Kur- zu bedienen. „Die Land- und Seemissio- Quelle: PRO ASYL u. medico interna-
den in Deutschland, Khabat â – Kurdisches Komi- nen der europäischen Grenzschutzagentur tional Bundesweite Arbeitsgemeinschaft
tee zur Beobachtung des deutsch-syrischen Rück-
nahmeabkommens, YASA e.V. â – Kurdisches Zen- FRONTEX sind ein schlagendes Beispiel für Flüchtlinge e.V. – PM 24.11.2008 ■
trum für Juristische Studien und Beratungen, Ge-
meinde der Kurden aus Syrien in Ber-
lin/Brandenburg, PRO ASYL, Flüchtlingsrat Nie-
dersachsen e.V., Flüchtlingsrat Schleswig-Hol- Euro-afrikanischer Gipfel zur Migrationspolitik in Paris:
stein, Flüchtlingsrat Mecklenburg-Vorpommern,
AK Asyl Rheinland-Pfalz, Flüchtlingsrat Baden-
Württemberg, Ökumenische Ausländerarbeit Bre-
Erheblicher Druck auf Auswanderungs-
men
Quelle: flucht@nds-fluerat.org ■
länder. Mali verweigert Erpressung
Die französische Ratspräsidentschaft, Einwanderer beschlossen werden – die
Ministerkonferenz EU-Afrika die am 31. Dezember dieses Jahres zu aber auch verschärften Druck beinhalten,
zu Migration und Entwicklung Ende geht, wird ihn sich als einen ih- wie etwa die Aufforderung zur Absolvie-
rer Verdienste ans Revers heften: den rung von Sprachkursen oft schon im Her-
Am 25. November beraten mehr als 80 Euro-afrikanischen Gipfel zur Migrati- kunftsland von Migrationswilligen sowie
Delegationen aus Europa und Afrika über onspolitik, der am Dienstag, 25. No- zur Aneignung von „Kultur und Geschich-
ein mehrjähriges Kooperationsprogramm vember 2008 in Paris stattfand. te“ des jeweiligen „Aufnahmelands“. Auf
in den Bereichen Migration und Entwick- der anderen Seite werden Abschiebe- und
lung. Die EU hofft, den afrikanischen Schon zuvor hatte die französische Rats- „Entfernungs“maßnahmen für die „unge-
Teilnehmern mit einer Mischung präsidentschaft im Laufe ihrer setzlichen“ respektive unerwünschten Im-
aus Druck und Anreizen nahe sechsmonatigen Amtszeit die migranten intensiviert, und die jeweiligen
bringen zu können, was sie Einwanderungspolitik nationalen Praktiken zwischen den Mit-
als Gesamtansatz zur Lösung zu einem ihrer Schwer- gliedsländern „harmonisiert“.
der Migrationsfrage vertritt: punktthemen erhoben. Sinnfälliger konkreter Ausdruck dieses
die legale Einwanderung eini- Daraus resultierte u.a. Bestrebens sollte der gemeinsame bri-
ger weniger Erwünschter und der „Europäische Pakt tisch-französische Sonderflug zur Ab-
die Mitwirkung afrikanischer zu Migration und Asyl“, schiebung einer größeren Zahl afghani-
Staaten am Ausbau der Wälle der am 15. Oktober 2008 scher Staatsbürger/innen (in aller Regel
der Festung Europa. Mit dem durch die in Brüssel versam- Kriegsflüchtlinge) aus beiden Ländern
Modebegriff der „zirkulären Migration“ melten Staats- und Regierungschefs der werden. Am 8. November hob das Flug-
soll eine neue Ära der alten Gastarbeiter- Union abgesegnet worden ist. (Anstatt, zeug aus London ab, und ursprünglich
politik mit Rückkehrzwang eingeleitet wie ursprünglich vorgesehen war, durch sollte es im nordfranzösischen Calais oder
werden. Durch die Unterzeichnung von einen eigenen zweitägigen Gipfel am in Paris Station machen. Dort, in der Um-
Rückübernahmeab kommen für „illegale 13./14. Oktober in Paris debattiert und be- gebung des Ärmelkanals, harren zahllose
Migranten“ – auch Drittstaatsangehörige schlossen zu werden. Damals schien die afghanische und irakische Flüchtlinge auf
– sollen die afrikanischen Staaten ihre Finanzkrise dringlichere Prioritäten vor- Gelegenheiten zur Überfahrt auf die briti-
Kooperationsbereitschaft bekunden, zugeben, so dass der ursprüngliche Ter- schen Inseln – wo der Arbeitsmarkt noch
Flüchtlinge und Migranten im EU-Auf- minkalender über den Haufen geworfen relativ „aufnahmefähig“ sein soll, d.h. (in-
trag möglichst weit vor Europas Grenzen wurde.) Ihm folgte am 3. und 4. Novem- folge der „Deregulierung“) zahlreiche,
zu stoppen. Ein ernsthaftes Bemühen der ber 2008 der „Integrationsgipfel“ der Eu- aber in aller Regel schlecht bezahlte und
EU, Fluchtursachen z.B. durch den Ver- ropäischen Union. Auch hier ging es um ungesicherte Beschäftigungsverhältnisse
zicht auf Agrar- und Fischereisubventio- den Umgang mit Einwanderern, und Prä- „bietet“. Auch aus sprachlichen Gründen
nen zu beseitigen, ist nicht zu erwarten. sident Nicolas Sarkozy sowie sein Minis- zieht es Afghanen und Iraker – die, als
Die Entwicklungshilfeorganisation ter „für Zuwanderung und nationale Iden- Spätfolge der Aufteilung der Welt wäh-
medico international und die bundesweite tität“ Brice Hortefeux hatten sich als Aus- rend der Kolonialära, meist Englisch als
Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge PRO tragungsort dafür geschmackvoller Weise erste Fremdsprache lernten – eher auf die
ASYL lehnen diesen Ansatz als Eurozen- Vichy ausgesucht. britischen Inseln denn nach Frankreich,
trismus in partnerschaftlichem Gewande Von Vichy nach Calais das ihnen als Durchreiseland dient. Nach-
ab. „Die Menschenrechte von Flüchtlin- dem das frühere Durchgangslager des Ro-
gen bleiben dabei ebenso außer Acht wie Bei dem ganzen Gipfeltheater zeichnete ten Kreuzes in Sangatte, das ihnen als fak-
Migrations- und Fluchtursachen. Es geht sich ein Herangehen ab, das sich auf den tische Anlaufstelle diente, 2002/03 auf ge-
nicht um die Rechte von Migranten, son- Punkt „Die Guten ins Töpfchen, die meinsamen Beschluss des französischen
dern um einen Handel zwischen Staaten: Schlechten ins Kröpfchen“ bringen lässt. (damals Sarkozy) und britischen Innenmi-
Beteiligung an der Abschottung gegen Zusammenfassend bedeutet das, dass ei- nisters hin geschlossen wurde, irren die
Gratifikationen in Form von ein paar Visa nerseits immer dichtere Integrationsmaß- Flüchtlinge durch die Wälder und über-
für selektive Immigration und entwick- nahmen für die „legal“ in Europa lebenden nachten auf öffentlichen Plätzen. In jüngs-

: antifaschistische nachrichten 24-2008 13


ter Zeit häufen sich Festnahmen in Wild- erwünschten) Immigranten so genannte am 24. November in Paris vom französi-
West-Manier. 57 in Calais und Dunkerque Rücknahme-Abkommen schmackhaft zu schen Minister Brice Hortefeux sowie dem
festgenommene Afghanen sollten so, per machen. Im „Tausch“ gegen bestimmte kapverdischen Außenminister, José Brito,
gemeinsamem britisch-französischem Ab- Unterstützungszahlungen oder „Entwick- unterzeichnet. Das wichtigste dieser Ab-
schiebeflug, in Richtung Kabul zurückge- lungshilfe“ sollen die afrikanischen Staa- kommen, das eine Verpflichtung zur
schickt werden. (Vgl. http://www. nordlit- ten sich zur Entgegennahme von Abge- „Rücknahme“ unerwünschter Immigran-
toral.fr/actualite/Faits_divers/Faits_divers/ schobenen aus Europa sowie zur guten Zu- ten aus Frankreich sowie die Anwerbung
article_841238.shtml) sammenarbeit bei der Ausstellung diplo- von 1.500 ausgesuchten Arbeitskräften im
Dagegen machten jedoch eine Reihe matischer „Passierscheine“ durch ihre Senegal betrifft, schlossen die französische
von NGOs und Vereinigungen der „Zivil- Konsulate verpflichten. Oder aber es win- und die senegalesische Regierung im Fe-
gesellschaft“ entschlossen Front. Unter ih- ken ihnen relativ vorteilhafte Anwerbeab- bruar 2008. Allerdings ist es derzeit noch
nen die protestantische Hilfsorganisation kommen für eine begrenzte Zahl von Ar- nicht anwendbar, da es noch seiner Ratizi-
CIMADE – die im Zweiten Weltkrieg jü- beitskräften – als Träger/innen bestimmter, fierung durch das französische Parlament
dischen Menschen die Ausreise oder im Augenblick auf dem europäischen Ar- harrt. Und dort soll es im bürgerlich-kon-
Flucht ermöglichte und sich heute v.a. um beitsmarkt besonders nachgefragter Quali- servativen Lager noch gewisse „passive
Asylsuchende kümmert –, der GISTI (eine fikationen. Von der Anwerbung solcher Widerstände“ gegen die vom Hortefeux-
in Paris ansässige Rechtsberatungsgruppe ausgewählter, mit mehr oder minder „ra- Ministerium gezielt verfolgte Politik der
für Immigranten), die „Association Sa- ren“ oder gesuchten Qualifikationen aus- „ausgewählten Zuwanderung“ geben.
lam“, die am Ärmelkanal Nahrungsmittel- gestatteter Arbeitskräfte sollen die afrikani- Ein Land hat nun dem mächtigen Druck,
verteilung und humanitäre Betreuung für schen Regierungen sich Überweisungszah- den Frankreich entwickelte, um am Tag
die Flüchtlinge übernimmt, oder die grüne lungen in deren Herkunftsländer verspre- des Gipfels über „vorzeigbare Ergebnisse“
Europaparlaments-Abgeordnete Hélène chen. Allerdings ist dies eine Milchmäd- verfügen – und den anderen Protagonisten
Flautre. Sie verwiesen auf das warnende chenrechnung, denn die weniger „privile- die „Methode“ schmackhaft machen – zu
Beispiel des Afghanen Mohammed Hus- giert“ behandelten, auch die „unerwünsch- können, vorerst widerstanden. Seit nun-
sein, dessen Asylantrag in Australien ab- ten“ Zuwanderer suchen ja abhängige Be- mehr zwei Jahren hatte Frankreich subtilen
gelehnt worden war und der kurz nach sei- schäftigungsverhältnisse – und auch von oder unsubtilen Druck auf die westafrika-
ner Ankunft in Afghanistan enthauptet ihren Überweisungen leben mitunter halbe nische Republik Mali ausgeübt, finanzielle
wurde. (Vgl. http://abonnes.lemonde.fr/ Familien oder Dorfgemeinschaften. Erpressungs- und Anlockmanöver durch-
societe/article/2008/11/07/mobilisation- (Nicht, dass es sich dabei um ein Patentre- geführt usw., um sie zur Annahme zu be-
contre-l-expulsion-d-afghans-sans-pa- zept für die Überwindung struktureller wegen. Nun hat die Regierung in Bamako
piers_1115843_3224.html) Dennoch lie- „Unterentwicklung“ in den betroffenen (eine von insgesamt zwei demokratisch ge-
fen die Vorbereitungen zunächst auf Hoch- Ländern handeln würde. Denn dieser Wirt- wählten Regierungen in der französischen
touren; Gerüchten zufolge sollte der af- schaftsfaktor „Geldtransfer von Migranten postkolonialen Einflusszone in Nord-,
ghanische Konsul am 7. November in der an ihre Familien“ schafft und vertieft Un- West- und Zentralafrika, die rund 20 Län-
nordfranzösischen Abschiebehaftanstalt gleichheiten innerhalb der betreffenden der umfasst) das ihr „vorgeschlagene“ Ab-
Coquelles auftauchen, um „seine“ Staats- Gesellschaften. Aber solange der „unglei- kommen jedoch explizit ausgeschlagen. Es
bürger zu identifizieren und ihnen gültige che Tausch“ im Nord-Süd-Verhältnis und hätte am 25. November, am Rande des
Reisedokumente (einen diplomatischen besonders in Afrika – d.h. Plünderung von euro-afrikanischen Gipfels, unterzeichnet
„Passierschein“) auszustellen. Unterdes- unverarbeitet abtransportierten Rohstoffen werden sollen; demnach hätte der Anteil
sen geriet die „Association Salam“ unter gegen magere Devisenzahlungen an noto- jener durch Frankreich unerwünschten
Druck, eines ihrer Mitglieder wurde bei risch korrupte Regimes, die jeweils der Migranten, denen das malische Konsulat in
der alltäglichen Arbeit mit afghanischen Selbstbedienung einer schmalen Klientel Paris während der Dauer ihrer Abschiebe-
Flüchtlingen (vorübergehend) festgenom- dienen – fortdauert, bleibt dies ein wichti- haft (in Frankreich beträgt ihre zulässige
men. Aber war am Ende der Druck doch ger „Entwicklungsfaktor“. Zumal diese Höchstdauer derzeit 32 Tage) gültige Rei-
stärker, oder gab es zwischenstaatliche „privaten“ Geldtransfers eine globale Höhe sedokumente ausstellt, von 30 auf 60 %
Probleme, welche die Tätigkeit des Diplo- aufweisen, die mindestens drei mal so verdoppelt werden sollen. Mali sagte je-
maten erschwerten? Jedenfalls verzichtete hoch liegt wie die offizielle „Entwick- doch „Njet“. (Vgl. http://www.lemonde.
Frankreich am Ende auf seine Teilnahme lungshilfe“...) fr/web/imprimer_element/0,40-0,50-
an dem Abschiebeflug. Der Flieger mach- Bislang bestehen solche Abkommen vor 1122838,0.html) Es handelt sich um eine
te weder in Calais noch in Paris Station. allem auf bilateraler, zwischenstaatlicher positive Nachricht, auch wenn es ansons-
Euro-Afrikanische Ministerkonferenz Ebene, besonders zwischen Frankreich ten dabei bleibt, dass auch Mali vorläufig
oder Spanien einerseits und einer Reihe eine „gute“ Zusammenarbeit mit den fran-
Nun also der euro-afrikanische Regie- vorwiegend westafrikanischer Staatsfüh- zösischen und anderen Behörden bei der
rungsgipfel zur Migrationspolitik. Er sollte rungen andererseits. Nunmehr plant Ma- Auswahl der „guten“ und der Zurückwei-
ursprünglich am 22. Oktober in Paris statt- rokko, das bereits mehrere solcher Verein- sung der „schlechten“ Immigranten be-
finden, wurde dann aber auf den 25. No- barungen unterzeichnet hat, den Abschluss treibt. Erst vor einigen Wochen wurde in
vember 2008 verschoben. Auch hier hatte eines globalen Abkommens solcher Art mit Bamako das internationale Zentrum CI-
die Finanzkrise den Kalender durcheinan- der Europäischen Union – vertreten durch GEM eröffnet, das der Auswahl und An-
der gewirbelt. An dem Gipfel nahmen ins- die Brüsseler Kommission – im Laufe des werbung ausgesuchter Arbeitskräfte – nach
gesamt nicht weniger als 80 Regierungsde- Jahres 2009. An solchen „Modellfällen“ Qualifikation, Gesundheitszustand usw.
legationen teil: Der afrikanische Kontinent sollten die Teilnehmer der euro-afrikani- sortiert – unmittelbar vor Ort dient.
zählt 53 Staaten, und die Europäische Uni- schen Regierungskonferenz sich nun ein Bernhard Schmid, Paris ■
on 27 Mitliegsländer. Es war die zweite Beispiel nehmen. (Vgl. dazu die Erklärung Zum Euro-Afrikanischen Gipfel vgl. ansonsten
Konferenz dieser Art, die Folgekonferenz des „Netzwerks MigrEurop“, die von „ge- noch folgende Dokumente:
eines ersten Gipfeltreffens, das 2006 in der fährlichen Abkommen“ spricht: http:// Die Abschlusserklärung (auf Französisch):
http://www.diplomatie.gouv.fr/fr/IMG/pdf/Declarat
marokkanischen Hauptstadt Rabat stattge- www.gisti.org/spip.php?article1291) ion_finale_-_Conference_de_Paris__FR_.pdf
funden hatte. Just in den Stunden vor der Eröffnung Einen deutschsprachigen Artikel auf der Webseite
Einer der Hauptgegenstände des inter- des Pariser Gipfels schloss Frankreich ein ‚German foreign policy’, der einige brauchbare wei-
kontinentalen Gipfels war es, den afrikani- weiteres solches bilaterales Abkommen terführende Informationen enthält: http://www.ger-
schen Herkunftsländern von (in Europa un- mit den Kapverdischen Inseln. Es wurde man-foreign-policy.com/de/fulltext/57405

14 :antifaschistische nachrichten 24-2008


: neuerscheinungen
104 Seiten Protest und Analyse zu Ar-
beit und Migration.
Sonderheft DER SCHLEPPER: anderen Vorderen Orient. Zahlreiche Fördermitglieder des Bayerischen
„Fluchtgrund Naher Osten“ Beiträge berichten von denjenigen, die Flüchtlingsrats und AbonnentInnen er-
den Spiralen von Machtmissbrauch, Kor- halten die Ausgabe #9 in den nächsten
Begleitend zu den Kulturwochen Nahost, ruption und Gewalt ihr Engagement ent- Tagen. InteressentInnen können die Aus-
die im November in Kiel und anderen gegenstellen. Frauengruppen und Men- gabe unkompliziert und direkt über
Orts in Schleswig-Holstein stattfanden schenrechtler demonstrieren vor Gefäng- www.hinterland-magazin.de
erschien als Herbstausgabe des Flücht- nissen, Ärzte versorgen die Opfer, Jour- bestellen.
lingsrats-Magazins „Der Schlepper“ das nalisten demaskieren die Herrschaftslü-
Sonderheft „Fluchtgrund Naher Osten“. gen, Dorfgemeinschaften üben zivilen Wir haben sie gefragt...
Zahlreiche AutorInnen geben weit über Ungehorsam, Kulturschaffende weisen
den üblichen Debattenmainstream hi- Kindern und Jugendlichen einen Weg Unter der Federführung des AntiDiskri-
naus Einblicke in Politik und Gesell- ohne Gewalt. minierungsBüro (ADB) Köln/Öffentl-
schaft im Vorderen Orient. Die Hälfte der Bestellungen: Das 100seitige Heft „FLUCHT- ichkeit gegen Gewalt e.V. und dem Cari-
im Jahr 2007 in Deutschland gestellten GRUND NAHER OSTEN“ kann über die Ge- tasverband für die Stadt Köln e.V./ Anti-
Asylanträge betraf Flüchtlinge aus dieser schäftsstelle des Flüchtlingsrates Schleswig- diskriminierungsbüro wurde im Zeit-
Region. Auch in Schleswig-Holstein ste- Holstein e.V. bestellt werden: T. 0431-735000, raum 2007 - 2008 an ausgewählten Köl-
hen Länder des Nahen Ostens ganz oben office@frsh.de ner Haupt-, Gesamt-, Berufsschulen und
auf der Liste der Hauptherkunftsländer Gymnasien eine explorative Studie über
der hier Schutz suchenden Flüchtlinge. Diskriminierungserfahrungen von Schü-
Selbst die Innenministerkonferenz des ler/innen beim Übergang von der Schule
Bundes und der Länder wird sich am 20. in eine Berufsausbildung durchgeführt.
und 21. November in Potsdam besonders Die 183 befragten Jugendlichen, 72
mit dem Irak befassen, wo Chaos, davon mit Migrationshintergrund, hatten
Kriegs- und Attentatsgewalt ohne Ende bei der Befragung die (seltene) Gelegen-
Millionen von Flüchtlingen reproduzie- heit, über ihre persönlichen Einstellun-
ren, und die Minister werden die Aufnah- gen und individuellen Diskriminierungs-
me von irakischen Flüchtlingskontingen- erfahrungen zu berichten. Die Auswer-
ten erörtern. tungsergebnisse sowohl der Befragung
Aber gute Gründe vertreiben die Men- als auch die der Interviews mit den Leh-
schen nicht nur aus dem Irak: In Ägypten rer/innen sind in der vorliegenden Bro-
herrschen 54 Familien und eine korrupte schüre von Expert/innen wie Prof. Dr.
Polizei und garantieren mit Regimekriti- Ursula Boos-Nünning, Prof. Dr. Paul
kern regelmäßig gut gefüllte Gefängnis- Mecheril, Dr. Claudia Lohrenscheit und
zellen. In Syrien erfoltert sich eine Fami- HINTERLAND MAGAZIN – Mario Peucker kommentiert und durch
liendiktatur seit Anfang der 1970er Jahre Ausgabe #9 am Start! Beiträge von Anne Kobes und Jürgen Be-
die Loyalität von Kurden, Kommunisten, SCHWERPUNKT: arbeit, arbeit, arbeit cker ergänzt worden. Die Broschüre soll
Islamisten, Palästinensern oder Men- ● Ex Austria: „Außerlandesbringung“ einen Beitrag dazu leisten, mehr über die
schenrechtlern. Im Libanon wird die Be- auf Österreichisch (subjektiven) Diskriminierungserfahrun-
völkerung aufgerieben im Machtkampf ● „Jetzt werden wir alle umgebracht“: gen von Schüler/innen mit Migrations-
schiitischer Milizen und christlicher Ma- der Münchener Mordprozess zum Ge- hintergrund beim Übergang von der
roniten. In Palästina degenerieren israeli- birgsjäger-Massaker in Falzano di Cor- Schule in eine Lehrstelle zu erfahren.
sche Besiedlungspolitik und Einmaue- tona 1944
rung der besetzten Gebiete sowie inner- ● Neues aus der Tierwelt: Warum sind Download unter: http://www.noemat.de/
palästinensische Machtkämpfe systema- Heuschrecken coole Säue? Oegg_Caritas/Studie_ADB_Caritas_final_druc
k.pdf Kostenlos zu bestellen über AntiDiskri-
tisch die sozialen Fundamente der Ge- ● Body Count: ARI zählt die Toten der
minierungsBüro (ADB) Köln/Öffentlichkeit ge-
sellschaft. deutschen Flüchtlingspolitik gen Gewalt e.V. Keupstraße 93, 51063 Köln,
Das Magazin „Fluchtgrund Naher Os- ● Aufstand der „Gastarbeiter“: Streiks info@oegg.de
ten“ gibt jedoch auch Einblicke in einen bei BMW 1972

Der Herausgabekreis und die Redaktion sind zu erreichen über:


GNN-Verlag, Venloer Str. 440, 50825 Köln Tel. 0221 / 21 16 58, Fax 0221 / 21 53 73.
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Tel. 0711 / 62 47 01. Für „Aus der faschistischen Presse“: J. Detjen c/o GNN Köln.
Erscheinungsweise: 14-täglich. Bezugspreis: Einzelheft 1,30 Euro. eingetroffen, 2000 Euro
Bestellungen sind zu richten an: GNN-Verlag, Venloer Str. 440, 50825 Köln. Sonderbestellungen sind
möglich, Wiederverkäufer erhalten 30 % Rabatt.
bis Jahresende sind das
Ziel! Wir hoffen auf Eure
Die antifaschistischen Nachrichten beruhen vor allen Dingen auf Mitteilungen von Initiativen. Soweit ein-
zelne Artikel ausdrücklich in ihrer Herkunft gekennzeichnet sind, geben sie nicht unbedingt die Meinung Unterstützung.
der Redaktion wieder, die nicht alle bei ihr eingehenden Meldungen überprüfen kann.
Herausgabekreis der Antifaschistischen Nachrichten: Anarchistische Gruppe/Rätekommunisten (AGR); Annelie Spendenkonto:
Buntenbach (Bündnis 90/Die Grünen); Rolf Burgard (VVN-BdA); Jörg Detjen (Verein für politische Bildung, linke Kritik und
Kommunikation); Martin Dietzsch; Regina Girod (VVN - Bund der Antifaschisten); Dr. Christel Hartinger (Friedenszentrum GNN-Verlag, Postbank
e.V., Leipzig); Hartmut-Meyer-Archiv bei der VVN - Bund der Antifaschisten NRW; Ulla Jelpke (MdB); Marion Bentin,
Edith Bergmann, Hannes Nuijen (Mitglieder des Vorstandes der Arbeitsgemeinschaft gegen Reaktion, Faschismus und Krieg
Köln, BLZ 370 100 50
– Förderverein Antifaschistische Nachrichten); Kreisvereinigung Aachen VVN-BdA; Angelo Lucifero; Kai Metzner (minus- KtoNr. 10419507
kel screen partner); Bernhard Strasdeit; Volkmar Wölk.

: antifaschistische nachrichten 24-2008 15


: aus der faschistischen presse
teshaltung, dass er die Terminologie der
Nazis ohne jede Scheu benutzt – die An-
und Abführungszeichen dienen wohl nur
Volksgenossen, gesundes Radtkes politische Identitätskrise dem Schutz vor dem Staatsanwalt.
Volksempfinden und Aus- scheint so tief zu gehen, dass er aus der Auch Dr. Angelika Willig ist vom Volk,
merzen landfremder Diebe Not eine Tugend macht zu geistigem Un- genau genommen von dessen geistigen
terschlupf beim italienischen Rechtstheo- Fähigkeiten nicht sonderlich überzeugt. In
Nation & Europa, Nov./Dez.-2008 retiker Julius Evola und dessen aristokrati- ihrem Beitrag „Kalkül oder politische Lei-
„Pro Köln“, die Kölner Rechtstruppe mit scher Volksverachtung sucht: „Auf der ei- denschaft: Wozu Demonstrationen?“ geht
ihren Anhängseln „Pro NRW“ und „Pro nen Seite steht eine Masse, bei der, abge- sie mit dem Volk recht ungnädig um: „Um
Deutschland“ versuchen zwar immer sehen von wechselnden Gefühlen, immer sie wirkungsvoll auf die Straße zu tragen,
noch, den von zehntausenden Antifa- mehr oder weniger dieselben elementaren sollten politische Anliegen eine gewisse
schist(inn)en am 19. und 20. September Instinkte und dieselben an die physische Komplexität nicht übersteigen.... Doch
verhinderten „Anti-Islamisierungs-Kon- und hedonistische Ebene gebundenen In- was soll man von einer politischen Parole
gress“ als großartigen Sieg zu verkaufen, teressen wirken werden. Auf der anderen halten, die mit ,wenn‘ operiert? Sätze mit
doch zumindest Teile der Rechten haben Seite stehen Menschen, die sich völlig von ,wenn‘ sind für 50 Prozent der Bevölke-
einen realistischeren Blick. In der Jahres- den ersteren unterscheiden, da sie Träger rung nachweislich zu hoch“. Das ist auch
endausgabe von „Nation & Europa“, die einer ganzen Legitimität und Autorität eine Art, seine Meinung von den Men-
im November traditionell als Doppelnum- sind, die sich aus der Idee und der strengen schen kund zu tun.
mer erscheint, macht Bernd Radtke einen überpersönlichen Treue zu ihr ergibt. Die Nur wenige Seiten weiter lässt sich Ulf
„Zwischenruf nach den Kölner Ereignis- Idee und nur die Idee darf für sie das echte Köster über „Ein Schimpfwort und seine
sen“, den er „Volk oder ,Idee‘“ nennt. Vaterland sein. Nicht daß sie von demsel- Bedeutung: Populismus – Segen oder
Radtke scheint von den Ereignissen reich- ben Land kommen, dieselbe Sprache spre- Fluch?“ aus. In diesem Zusammenhang
lich desillusioniert worden zu sein: chen oder desselben Blutes sind, sondern, geht es ihm u.a. um die Frage der Demo-
„Im Moment ist es nicht mehr als eine daß sie derselben Idee angehören, muß für kratie: „Volksnähe ist der herrschenden
vage Ahnung: ,Köln‘ – die turbulenten Er- sie dasjenige sein, was sie eint oder Klasse und ihren Deutungsgehilfen offen-
eignisse rund um den Anti-Islamisierungs- trennt.“ Für völkische Nationalisten, und bar ein Greuel. Man hält sich für intelli-
Kongreß im September 2008 – könnte die meisten Leser(innen) von N&E hän- genter und kompetenter als die Wähler-
eine Art Zäsur sein.... Ein Einschnitt aber gen vermutlich einem völkischen Nationa- schaft und sieht in Volkes Stimme nicht
genauso in dem Sinn, daß man sich über lismus an, dürften solche Aussagen, die mehr Gottes Stimme (,Vox populi vox
die ,rechte‘ Mobilisierungsfähigkeit selbst auf die Propagierung einer antidemokrati- Dei‘), sondern spottet: ,vox populi vox
bei einem so populären Anliegen keine Il- schen, faschistischen Internationale hi- Rindvieh‘. Politiker, die sich der standes-
lusionen mehr machen muß“. Radtkes nauslaufen, starker Tobak sein. spezifischen Verrachtung für den Normal-
vorgebliche Illusionslosigkeit aber geht Gegen Verzweiflung am „eigenen“ bürger verweigern, werden in die Schmud-
weit über die Frage der Mobilisierungs- Volk, dass sich in Köln gemeinsam gegen delecke gedrängt und als Links- oder
kraft hinaus: „Dennoch hat sich gerade in Rechts gestellt hatte, helfen sie allemal: Rechtspopulisten geschmäht“. Es fragt
Köln so deutlich wie kaum je zuvor die „Evolas Sätze lohnen das Nachdenken. sich, wie es da mit seinen Co-Autoren aus-
Frage gestellt: Was ist nur los mit diesem Ein erster empirischer Befund ist jener, sieht, die die Bevölkerung als dumme
Volk, das an allem, was nur ein wenig ins daß das ,Volk‘ und Evolas ,Masse‘ heute Masse ansehen, bestellt ist.
Über-Persönliche weist, so gänzlich desin- nahezu deckungsgleich sind. Zwar gibt es Karl Richter über den Schriftsteller
teressiert scheint? Lohnt sich der Einsatz noch Reste eines ,gesunden Volksempfin- Botho Strauss, der für ihn „nach 15 Jahren
für ein solches Volk überhaupt noch?... Er- dens‘, wie die Ergebnisse von Meinungs- aktueller denn je“ ist. Die Zeitangabe fünf-
kennen wir in denen, die uns tagtäglich auf umfragen immer mal wieder zeigen. Doch zehn Jahre bezieht sich auf die Veröffentli-
den Straßen und Plätzen, in Geschäften es gibt kaum noch ein Bewußtsein, das chung der elitär-rechten Programmschrift
und öffentlichen Verkehrsmitteln begeg- über die Grenzen des Individuellen hi- „Anschwellender Bocksgesang“ im „Spie-
nen, noch die ,Volksgenossen‘? Oder sind nausreicht, es gibt keine ,Volksgemein- gel“. Richter beginnt seinen Beitrag mit
uns nicht die, denen unsere politische Ar- schaft‘ mehr und vor allem keine Hand- der Geschichte der Heimkehr des Odys-
beit eigentlich gilt, zunehmend fremd? In lungsfähigkeit einer solchen, geschweige seus und zeigt dabei auf, wes Geistes Kind
ihrem Erscheinungsbild, ihren Bedürfnis- denn eine erkennbare Erneuerungskraft“. er ist: „Es ist eine Ur-Szene nicht nur der
sen, ihrem Gleichmut?“ Nebenbei: Entlarvend für Radtkes Geis- abendländischen Literatur, sondern, wenn
man so will, auch der abendländischen Po-
litik, der Nachwelt vermacht aus einer Zeit
BESTELLUNG: Hiermit bestelle ich … Stück pro Ausgabe (Wiederverkäufer erhalten 30 % Rabatt) vor aller Philosophie, als Politik noch ganz
O Halbjahres-Abo, 13 Hefte 22 Euro das war, was sie ihrem Wesen nach ist: das
O Förder-Abo, 13 Hefte 27 Euro Erscheinungsweise: Unterscheiden zwischen Eigenem und
O Jahres-Abo, 26 Hefte 44 Euro 14-täglich Fremden, Freund und Feind. Da der heim-
O Förder-Abo, 26 Hefte 54 Euro kehrende Odysseus der Schar landfremder
O Schüler-Abo, 26 Hefte 28 Euro Diebe allein gegenübersteht, wäre Verhan-
O Ich möchte Mitglied im Förderverein Antifaschistische Nachrichten werden. Der Verein unterstützt finanziell deln fehl am Platz. So muß er sie ausmer-
und politisch die Herausgabe der Antifaschistischen Nachrichten (Mindestjahresbeitrag 30,- Euro).
zen, um die Ordnung im Eigenen wieder-
Einzugsermächtigung: Hiermit ermächtige ich den GNN-Verlag widerruflich, den Rechnungsbetrag zu Lasten
aufzurichten“.
meines Kontos abzubuchen. (ansonsten gegen Rechnung)
Landfremde Diebe müssen ausgemerzt
Name: Adresse:
werden, um die Ordnung im Eigenen
wiederaufzurichten: Das ist nicht nur die
Konto-Nr. / BLZ Genaue Bezeichnung des kontoführenden Kreditinstituts Sprache des Unmenschen, wenn man ihn
lässt, wird es auch seine Politik. Im Sep-
Unterschrift tember in Köln wurde diese Sprache ver-
GNN-Verlag, Venloer Str. 440, 50825 Köln, Tel. 0221 – 21 16 58, Fax 21 53 73, email: gnn-koeln@netcologne.de hindert – wir sollten überall dafür eintre-
Bankverbindung: Postbank Köln, BLZ 370 100 50, Kontonummer 10419507 ten, dass dieses Beispiel Schule macht.
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