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:antifaschistische Nr.

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nachrichten g 3336 23.10.2003 19. jahrg./issn 0945-3946 1,30 ¤
www.antifaschistische-nachrichten.de

Neuer Höchststand
rechtsradikaler Straf- NPD-Aufmarsch durch
taten
Berlin. Die Zahl der politisch rechts
motivierten Straftaten ist in diesem
Braunschweig gestoppt
Jahr deutlich gestiegen und hat im Au- Braunschweig. Der von der sich dem entgegenstellten, mache ihm
gust den bisher höchsten Monatsstand NPD seit langem angekündigte Mut.
dieses Jahres erreicht. Das geht aus der Marsch durch die Braunschwei- Nach dem Ende der Kundgebung war
Antwort der Bundesregierung auf die ger Innenstadt unter dem rassis- eine spontane Demonstration zum Ha-
Anfrage der PDS-Abgeordneten Petra tischen Motto „Heimreise statt Einwan- genmarkt beschlossen. Ein starkes Poli-
Pau hervor, die diese in regelmäßigen derung“ konnte am Samstag, den 18.10. zeiaufgebot – laut Braunschweiger Poli-
Abständen stellt. durch ein breites Bündnis verhindert zei eines der größten der Nachkriegsge-
Danach wurden im August 2003 703 werden. schichte – versuchte, dies zu verhindern.
rechts motivierte Straftaten registriert, Die NPD hatte nach einem Verbot Einer kleineren Gruppe gelang es, in die
darunter 53 Gewalttaten. 45 Personen durch die Braunschweiger Polizei mit Innenstadt zu kommen. Dadurch war es
wurden dabei verletzt. 2002 hatte der Hilfe der Verwaltungsgerichte durchge- nicht mehr möglich, die geplante Route
traurige Rekord im Monat Dezember setzt, vom Hauptbahnhof aus durch die der NPD in die Innenstadt beizubehalten.
gelegen. 615 Straftaten wurden damals Innenstadt marschieren zu dürfen. Die Aufgrund einer Blockade von mehreren
gemeldet. von einem großen Unterstützerkreis ge- Hundert Antifas auf der Route, ent-
Von den 703 Straftaten im August tragene Gegendemonstration wurde un- schloss sich die Polizei die Nazis vom
2003 wurden 124 als fremdenfeindlich mittelbar vor ihrem Beginn aus Sicher- Europaplatz wieder zürück zum Haupt-
motiviert erfasst, 28 davon waren Ge- heitsgründen von der Polizei mit ihrer bahnhof zu schicken: „Wir konnten nicht
walttaten. Diesen Zahlen liegt aber angemeldeten Route verboten. Nur die die komplette Route freihalten und be-
noch keine vollständige Statistik zu- Auftaktkundgebung an der Gedenkstätte fürchteten eine erhebliche Konfronta-
grunde. Die Bundesregierung merkt des KZ-Außenlagers an der Schillstraße tion“, äußerte der Polizeisprecher in der
an: „Aufgrund von Nachmeldungen sollte in der beantragten Form möglich Presse. Die Demonstration des Bündnis-
können sich unter Umständen erhebli- sein. Peter Gingold – VVN-Bundesspre- ses gegen Rechts sei „eine gelungene
che Veränderungen ergeben.“ Mit an- cher und selber Verfolgter des Naziregi- Aktion“ gewesen, meinte Udo Sommer-
deren Worten, die Realität ist weit mes – bezeichnete diesen Vorgang in sei- feld von der PDS, Anmelder der Auftakt-
schlimmer als die Zahlen dokumentie- ner Rede dann auch als einen Skandal. Er kundgebung: „Durch den Widerstand
ren. habe es nicht für möglich gehalten, dass von mehreren Tausend Antifaschisten ist
Schriftliche Fragen der nach den grauenhaften Verbrechen der es gelungen, die Nazis aus der Innenstadt
Abgeordneten Petra Pau, Nr. 9/260, Nazis jemals wieder braune Horden mar- herauszuhalten.“
261, 262 - u.b. ■ schieren dürften. Nur die Tatsache, dass ND 20.10., indymedia-Bericht, weitere Infos:
so viele, gerade auch junge Menschen www.nazi-aufmarsch-stoppen.de.vu ■

Bleiberecht für geduldete


Flüchtlinge!
Unter dieser Losung fand eine De-
monstration am Samstag, 4.10.2003
in Hannover statt. Ein Bündnis von
ca. 30 Gruppen rief zur Demonstra-
tion auf, u.a. Flüchtlingsrat Nieder-
sachsen und Thüringen, VVN/BdA
Nds., AWO Nds. und Caritas, Koope-
rative Flüchtlingssolidarität, Roma-
ne Aglonipe...
Bericht auf Seite 11

Aus dem Inhalt:


Dreifacher Mord –
Neofaschist verhaftet . . . . . . . 3
FN eröffnet
Komunalwahlkampf . . . . . . . . 7
Neue Runde im Kopftuchstreit .13
: meldungen, aktionen
Heraus zu den antifaschisti-
schen Kehrwochen!
Nazi-Provokateure leugnen lichen Gefährdung. Wie die Münchner tz Rems-Murr-Kreis. Am Samstag den
Holocaust (tageszeitung) berichtete, spionierte die 8.11. startet die Kampagne DIE NAZIS
17-jährige Auszubildende Monika St. im VON DER STRASSE FEGEN! Die
Dortmund. Das Bündnis Dortmund ge- Auftrag der Nazigruppe „Kameradschaft Kampagne richtet sich gegen die ver-
gen Rechts und die VVN/BdA NRW ha- Süd“ um Martin Wiese die Postbank- mehrten Aktivitäten von Nazis im Rems-
ben Anzeige erstattet wegen Verbreitung Konten antifaschistischer und anderer Murr- und Ostalb-Kreis. Teil der Kam-
der Auschwitzlüge. In der Anzeige, die linker Gruppen aus. Laut tz sind u. a. pagne werden mehrere Konzerte, Info- &
am 8. Okt. 2003 an die Dortmunder Poli- Konten des Münchner Friedensbüros so- Diskussionsveranstaltungen, Filmabende
zei ging heißt es: wie der PDS betroffen. Außerdem wur- und Demonstrationen sein. Texte, Infos
„Im Namen und Auftrag der Teilneh- den Mitglieder der „Kameradschaft Süd“ und Veranstaltungsankündigungen unter:
merinnen und Teilnehmer einer gemein- bei der Ausforschung verschiedener lin- www.antifa-kehrwochen.tk.
samen Beratung der Vereinigung der ker Projekte beobachtet. Das legt die Das Gebiet Rems-Murr und Ostalb-
Verfolgten des Naziregimes VVN-BdA Vermutung nahe, dass das Interesse an Kreis ist in den letzten Jahren zuneh-
und des Bündnisses Dortmund gegen den Konten sich nicht auf diese zwei mend zu einer Hochburg rechter Akti-
Rechts am gestrigen Abend erstatte ich Gruppen beschränkt hat. Auch die Rote vitäten geworden. Es existieren dort rela-
Strafanzeige gegen Unbekannt wegen Hilfe e. V. unterhält Konten bei der Post- tiv starke NPD- und JN-Kreisverbände,
Verbreitung der Auschwitzlüge. bank und ist damit potenziell Opfer der sowie Strukturen sog. Freier Kamerad-
Die Anzeige richtet sich gegen die Ausforschung geworden. schaften wie die „autonomen Nationalis-
Flugblattverteiler der DVU und anderer Auf diese Weise sind die „Kamera- ten Backnang“, außerdem mehrere Nazi-
Neonazigruppen, die gegen das Verbot den“ vermutlich an die Namen von Kon- Cliquen und eine weitverbreitete rechte
der Auschwitzlüge verstoßen. Der Holo- tobevollmächtigten, Vereinsvorständen Subkultur. In der Region kommt es kon-
caust an den sechs Millionen europäi- und EinzahlerInnen gelangt. Diese wur- tinuierlich zu Farbschmierereien an
schen Juden und an Millionen Slawen den bis dato jedoch nicht informiert. (...) Flüchtlingsunterkünften, zu Drohungen
und Roma und Sintis wurde in den Ver- Innenminister Beckstein muss sich die und zu Angriffen auf Migrantinnen und
nichtungslagern wie Auschwitz, Maida- unangenehme Frage nach den Ursachen Linke. Auch andere Aktionen z.B. gegen
nek, Treblinka, Sobibor vollzogen, fer- seiner selektiven Informationspolitik ge- Flüchtlingsheime, Jugendhäuser und tür-
ner millionenfach bei Massenmordaktio- fallen lassen. Offensichtlich unterschei- kische Läden bis hin zu Brandanschlä-
nen wie Babi Jar u.a. in der Sowjetunion. det er zwischen „schätzenswerten“ Per- gen blieben in den letzten Jahren nicht
Davon handelt die Ausstellung „Verbre- sonen und Organisationen und antifa- aus. Neben den gewalttätigen Aktionen
chen der Wehrmacht 1941-1944, Dimen- schistischen Gruppen, denen er diese In- finden in der Region auch regelmäßig
sionen des Vernichtungskrieges“, die formationen vorenthält. von NPD und JN organisierte ideologi-
gegenwärtig in Dortmund, Hansastraße, Wir sehen dies auch in dem Zu- sche Schulungen‚ Feste und „Kamerad-
Museum, gezeigt wird. sammenhang, dass eben jene Behörden, schaftsabende“ statt.
Die Flugblätter der Neonazis, verteilt die diese Information unterdrücken, Diesem Treiben werden wir nicht län-
vor allem an Schüler, die die Wehr- gleichzeitig Strafverfahren gegen Antifa- ger zusehen. In den nächsten Wochen
machtsausstellung besuchen wollen, ent- schistInnen anstrengen, die sich gegen werden in der Region vielfältige Aktio-
halten die verbotene Auschwitzlüge mit die Naziaufmärsche der freien Kamerad- nen gegen die Faschisten stattfinden. Un-
folgenden Worten: „Fast sechs Jahre lang schaften engagiert haben. ser Ziel ist es, linke und antifaschistische
standen sie (die deutschen Militärs im ROTE HILFE e.V. | Bundesvorstand, Strukturen in der Region zu unterstützen
Vernichtungskrieg - US) einem riesigen Postfach 3255, 37022 Göttingen, Tel.: und die Nazis zurückzudrängen. Eine
Feindheer gegenüber, dessen Antreiber 0551-7708008, Fax: 0551-7708009, „National Befreite Zone“, wie sie in eini-
nichts anderes im Sinn hatten, als die Mail: bundesvorstand@rote-hilfe.de ■ gen Städten in Deutschland existieren,
Zerstörung unseres Heimatlandes. Sechs wo die Nazis die Macht auf der Straße
Jahre setzten sich unsere Großväter tap- PDS Bayern stellt Strafan- besitzen, Linke und Migrantinnen sich
fer zur Wehr.“ kaum noch aus dem Haus wagen können
Der Holocaust wird geleugnet und zur trag! und es zu ständigen Angriffen auf alles
berechtigten Abwehrmaßnahme erklärt. München. Die Landessprecher der PDS kommt, was nicht in das beschränkte
Wenn das Verbot der Auschwitzlüge ei- Bayern, Eva Bulling-Schröter (Ingol- Weltbild der Nazis passt, werden wir
nen Sinn haben soll, müssen Polizei und stadt) und Reinhold Rückert (Aschaffen- nicht zulassen.
Justiz jetzt handeln.“ burg), erklären: Seit Mitte August wissen Feststehende Termine (weitere dem-
Ulrich Sander die bayerischen Ermittlungsbehörden, nächst unter www.antifa-kehrwochen.tk):
Landessprecher der VVN-BdA, dass die PDS Bayern – wie andere linke ● Samstag 8.11., Villa Roller Waiblin-
Vereinigung der Verfolgten des Nazi- und antifaschistische Organisationen gen: Beats against Fascism! Konzert u.a.
regimes/Bund der Antifaschisten ■ auch – von militanten Neonazis ausge- mit Shit mit Stil und Versbox.
späht wurden. Die PDS Bayern erfuhr ● Samstag 15.11., Bustour durch den
PS: Gegen die Wehrmachtsausstellung diesen Tatbestand allerdings erst aus der Rems-Murr-Kreis. An verschiedenen Or-
wollen die Nazis am 25. Oktober ein Presse, der tz - München. (...) Seit lan- ten, die Nazis als Treffpunkte dienen,
zweites Mal durch Dortmund marschie- gem ist bekannt, dass Neonazis ihre Geg- werden kurze Kundgebungen und De-
ren. Gegenaktivitäten werden vorbereitet ner ausforschen, um sie einzuschüchtern, monstrationen durchgeführt. Ab 10 Uhr,
(s. Artikel Seite 4). zu terrorisieren und anzugreifen.(...) Waiblingen Bf
Die PDS Bayern hat eine Rechtsan- Die Kampagne wird unterstützt von
Nazis spionieren Konten wältin beauftragt, Strafantrag gegen die der Antifa Ag der Revolutionären Aktion
ehemalige Auszubildende der Postbank Stufigart (aaas@gmx.de), Jugend-Antifa
aus zu stellen. Dies sind wir als Partei schon Stuttgart (js-stuttgart@gmx.net), Antifa
München. Der bayerische Innenminis- den Menschen schuldig, die uns vertrau- Vaihingen Enz (afa-vaihingen@gmx.de),
ter Beckstein und die Staatsanwaltschaft en und Mitgliedsbeiträge zahlen sowie Autonome Antifa Luxemburg.
warnen Betroffene nicht vor einer mög- Spenden überweisen. ■ PM ■

2 : antifaschistische nachrichten 22-2003


Am 7. Oktober 2003 wurden Dreifacher Mord in Overath:
in einer Anwaltskanzlei in
Overath in der Nähe von Köln
der Rechtsanwalt Hartmut Nickel (61),
seine Ehefrau Mechthild (53) und die
Ehemaliger Söldner und
älteste Tochter des Paares, Alja (26)
erschossen. Eine 19-Jährige wurde
festgenommen, ihre Aussagen belas-
Neofaschist verhaftet
ten ihren 45-jährigen Freund Thomas interessierten die Verfassungsschützer ihre Liste für die Kandidatur zur Kom-
A. Auch dieser wurde inzwischen ver- seine Beziehungen zu der als militant munalwahl im September 2004 aufge-
haftet. eingestuften Kameradschaft ,Sauerlän- stellt und kündigen an, aus der Kommu-
der Aktionsfront’.“3 Auf dem Gehöft nalwahl „eine Kampfabstimmung gegen
Auf die Spur der Verdächtigen war die am Ortsrand von Overath, auf dem A. die geplante Großmoschee“ zu machen.
Polizei über die Waffe gekommen. Ein lebte, sollen sich regelmäßig Rechtsradi- Sie kandidieren auch für alle Bezirks-
Zeuge meldete der Polizei, der 45-Jähri- kale getroffen haben: „Auch in Köln er- vertretungen, im Bezirk Köln-Nippes
ge hätte sich die Pump-Gun bei ihm ge- mittelte der Staatsschutz. Es gab Hin- diesmal Manfred Rouhs selbst und Joa-
liehen. weise, dass Thomas A. im Bergischen chim Meyer, der – wie ein Blick auf den
Der mutmaßliche Dreifach-Mörder – Kameradschaftstreffen veranstaltete.“4 Wahlzettel zeigt – auch 1994 dabei war.
gestanden hat er die Tat noch nicht, er Die Tat selbst hatte zwar keine politi- Im Verfassungsschutzbericht NRW
wird allerdings durch die Aussage der sche Motivation, es ging um Mietschul- für das Jahr 2001 heißt es: „Pro Köln
Freundin schwer belastet – war in den den von 10000 Euro, die der Rechtsan- versucht sich durch Aktionen mit
70er Jahren als Söldner in Rhodesien walt für den Vermieter gegenüber Tho- vordergründig kommunalpolitischem
und südamerikanischen Staaten. Er hatte
beste Kontakte in rechtsextreme Kreise
und ließ bei seiner Vernehmung wohl
auch keinen Zweifel an seiner Gesin-
nung. Der Kölner Stadtanzeiger vom
17.10.03: „In herrischer Pose habe er
rechtsextreme Parolen abgespult, hieß es
in Polizeikreisen. Als der Richter ihm
den Haftbefehl wegen gemeinschaft-
lichen Mordes verkündete, rastete er aus:
Nach Informationen des Kölner Stadtan-
zeigers drohte er, den Richter zu töten,
wenn er frei käme.“1
Für Kölner AntifaschistInnen ist Tho-
mas A. kein unbeschriebenes Blatt. Er
kandidierte 1994 für die „Deutsche Liga
für Volk und Heimat“ bei der Kommu-
nalwahl in Köln auf Listenplatz 2 für die
Bezirksvertretung Köln-Nippes. Ferner
war er damals einer der Anmieter der
Büroräume der „Deutschen Liga“ in der
Köln-Deutzer Schaurtestraße und Unter-
zeichner der sogenannten „Pulheimer Er-
klärung“, mit der die „Deutsche Liga für
Volk und Heimat“ den Versuch startete, mas A. geltend gemacht hatte. Bezeich- Bezug zu profilieren. Die Organisation
die zersplitterte Rechte vereinigen zu nend allerdings ist, wie leicht offensicht- stellt sich gerne als bürgernah und kon-
wollen. lich in diesen Kreisen der Zugang zu servativ dar, was aber ihre enge Koope-
Die damals führenden Kader der Waffen ist und wie niedrig die Schwelle, ration mit der Neonazi-Szene nicht ver-
„Deutschen Liga für Volk und Heimat“ an der zu brutaler Gewalt gegriffen decken kann.“ Und: „Pro Köln ist als ein
aus Köln sind heute unter dem Namen wird. Das wurde bereits im Fall Diesner Ableger der in den vergangenen Jahren
„Bürgerbewegung pro Köln“ aktiv. Man- deutlich und auch bei den Aktivitäten bedeutungslos gewordenen ,Deutschen
fred Rouhs, damals Kopf der „Deut- der freien Kameradschaft „Aktionsbüro Liga für Volk und Heimat‘ zu werten.
schen Liga“ in Köln und heute im Vor- Süd“ um Martin Wiese, der auf der ei- Der Verein wird maßgeblich von DLHV-
stand der „Bürgerbewegung pro Köln“ nen Seite ganz legal Demonstrationen Mitgliedern und Ex-Funktionären der
kommentiert die Verhaftung des ehemali- anmeldete, als Redner auftrat, während DLHV getragen. Hintergrund der Ver-
gen DLHV-Kandidaten so: Thomas A. bereits Sprengstoff und Waffen bereit la- einsgründung war die beabsichtigte Teil-
habe ihm mal eine Waffe und Munition gen für geplante Attentate. nahme an Kommunalwahlen.“5
angeboten. Er habe dies abgelehnt, weil Der Fall A. wirft aber auch noch ein- Bleibt zu hoffen, dass die öffentliche
er vermutet habe, „die Staatsschützer mal ein bezeichnendes Licht auf die Aufmerksamkeit durch den Mordfall
wollten ihm eine Waffe unterschieben“.2 „Deutsche Liga für Volk und Heimat“, Organisationen wie „Pro Köln“ den An-
Tatsächlich hat wohl der Verfassungs- die 1994 zum Glück nicht wieder in den strich von Bürgerlichkeit nimmt, den sie
schutz versucht Thomas A. anzuwerben: Rat der Stadt kam. 2 % war damals zu sich zu geben versuchen, und der Einzug
„Das Landesamt für Verfassungsschutz wenig. Inzwischen ist die 5%-Hürde ge- von Neofaschisten in den nächsten Stadt-
in Düsseldorf bestätigte gestern Kontakte fallen. Die führenden Kader der DLVH rat verhindert werden kann. u.b. ■
zu dem Todesschützen. Mitte der 90er Manfred Rouhs und Markus Beisicht 1 KStA 17.10.03
Jahre waren die Staatschützer nach eige- versuchen heute mit der „Bürgerbewe- 2 KstA 16.10.03
nen Angaben auf den Rechtsextremisten gung Pro Köln“ erneut kommunal Ein- 3 KstA 17.10.03
4 KstA 17.10.03
aufmerksam geworden. ... Insbesondere fluss zu bekommen. Sie haben bereits 5 VS-Bericht NRW 2001, Seite 81

: antifaschistische nachrichten 22-2003 3


Seit dem 19. September gas-
tiert die Ausstellung „Verbre- Nazis und die „Wehrmachts-
chen der Wehrmacht. Dimen-
sionen des Vernichtungskrieges 1941-
44“ im Dortmunder Museum für
ausstellung“ in Dortmund
Kunst und Kulturgeschichte, die Aus- Parallel zu den Aktionen der Neonazis Platz von Buffalo statt, die Neonazis
stellung wird von massiven Protesten agitiert auch die bereits erwähnte DVU treffen sich um 17.00 Uhr am Nordaus-
und Aktionen von Neonazis und an- gegen die Ausstellung. Eine von der gang des Hauptbahnhofs und gehen dann
deren Rechtsradikalen begleitet. DVU ausgerichtete Gegenveranstaltung von dort zu ihrem Kundgebungsplatz.
im Ausstellungsgebäude (Mit ihren Sit- Das Dortmunder BGR und Autonome
Bereits einen Tag nach der Ausstellungs- zen im Stadtrat kann sich die DVU diese AntifaschistInnen treffen sich ebenfalls
eröffnung demonstrierten über 800 Neo- Räume besorgen) wurde von Antifa- um 17.00 am Nordausgang für Gegenak-
nazis im Dortmunder Westen (wir be- schistInnen massiv behindert und konnte tionen.
richtete, siehe auch AN 21-03, red.). so lediglich von 15 Rechtsradikalen be- Am 25. Oktober steht der zweite große
sucht werden. Die Nazi-Aufmarsch an, die Nazis treffen
Neonaziaufmarsch Dortmund 20.9.2003
Zusammenarbeit von sich um 10.00 am Hafen, P+R Parkplatz
DVU und Neonazis Speestraße.
zeigt sich nicht zu- AntifaschistInnen rufen auf den Auf-
letzt daran, dass be- marsch zu verhindern. Treffpunkt für die
kannte Nazi-Skins Gegendemonstration ist um 10.30 Uhr
als Saalschutz fun- am Platz der alten Synagoge. Neben den
gierten. Aktionen gegen die Nazis soll mit dieser
Ihren vorläufigen Demonstration gleichzeitig eine Kritik
Höhepunkt erreich- an der neuesten Form deutscher Vergan-
ten die Neonazi-Ak- genheitsbewältigung formuliert, und
tionen offenbar am auch die Rolle der Ausstellung in diesem
gestrigen Nachmittag Kontext thematisiert werden.
(13.10.), nachdem es
bereits in der Nacht Aktuelle Infos hierzu und Mobilisie-
zuvor zu Haken- rungsmaterial unter www.no-nazis.de
Mit der Eröffnung der Ausstellung kreuz-Schmierereien im Eingangsbe-
einhergehend tauchen immer häufiger reich der Ausstellung kam, musste die Am 24. Oktober, dem Vorabend der De-
Neonazi-Flugblätter an den Dortmunder Ausstellung gestern nach einem Butter- monstration findet im Museum für Kunst
Schulen auf, die DVU verteilt außerdem, säure-Anschlag geräumt werden und ist und Kulturgeschichte die zweite Gegen-
geschützt von der Polizei, täglich ihre nun vorübergehend geschlossen! veranstaltung der DVU statt, mit dem Er-
Flugblätter unmittelbar vor dem Eingang Das Ende der rechtsradikalen Aktionen scheinen einer Vielzahl von Neonazis ist
der Ausstellung. ist damit allerdings noch nicht erreicht. auch hier zu rechnen...
Als Organisator der Neonazi-Proteste Bis zum Ende der Ausstellung am 2. No- Es liegt an uns, die Nazis in ihrem
zeigt sich insbesondere die „Kamerad- vember sind von Seiten der Neonazis Treiben aufzuhalten. Kommt zu den
schaft Dortmund / Nationaler Wider- noch mindestens drei Aktionen geplant: Gegenaktionen!
stand Dortmund“ verantwortlich. Füh- Am 18. Oktober findet ab 18.00 Uhr AntifaschistInnen aus Dortmund
render Kopf dieser Gruppe ist der be- die nächste Stationäre Kundgebung am indymedia-Bericht (gekürzt) ■
kannte Neonazi Siegfried „SS-Sigi“ Bor-
chardt. Obwohl dieser offenbar endlich
eine seit längerem offenstehende Haft- Erwin K. Scheuch und die „Junge Freiheit“
strafe angetreten hat, ist die Kamerad- Die gesamten bürgerlichen Medien bis zur taz würdigen den verstorbenen Kölner
schaft weiterhin aktiv. Soziologen Erwin K. Scheuch. Scheuch war in zahlreichen Vorständen von Institu-
Im Vorfeld der Ausstellung hatten die ten der Sozialforschung und war auch Direktor des Kölner Instituts für Angewandte
Neonazis vollmundig für jeden Samstag Sozialforschung. Sein Nachfolger Heiner Meulemann erklärt ihn jetzt gar zum „El-
eine Kundgebung oder Demonstration der Statesman“.
angemeldet, nach der Demonstration am Dem möchten wir dann doch widersprechen. Erwin Scheuch war immer ein Erz-
20. September fand am 27. September reaktionär, auch wenn dies der Kölner Stadt-Anzeiger in Frage stellt und meint, dass
unter Beteiligung von etwa 100 Neona- Scheuch nicht mehr als „,Linksfresser‘ von ehedem zu erkennen“ sei.
zis die erste stationäre Kundgebung am Scheuch hat der rechtsextremen Zeitung „Junge Freiheit“ mehrfach Interviews
Platz von Buffalo statt. gegeben, und was noch viel gefährlicher ist, er hatte mit diesen Kräften ein gemein-
Die angekündigte Kundgebung am 4. sames theoretisches und ideologisches Interesse. In der Ausgabe der Jungen Freiheit
Oktober mussten die Neonazis offenbar vom 3. Oktober 2003, also kurz vor seinem Ableben, griff er die NRW Landesregie-
ausfallen lassen, lediglich ein gutes Dut- rung an: „Der Begriff ,Neue Rechte‘ wird nämlich diffamierend verwendet.“ Und
zend Uninformierter streunte durch die wie in alten Zeiten griff er zahlreiche eingeladene Referenten zu einer Tagung des
Stadt. Am 11. Oktober beteiligten sich NRW-Verfassungsschutzes über Rechtsextremismus inhaltlich und auch sehr per-
erneut etwa 80 Neonazis an einer statio- sönlich an. Scheuch stört die These: Der Rechtsextremismus kommt aus der Mitte
nären Kundgebung. Neben Rednern aus der Gesellschaft. Deshalb griff er auch Wolfgang Gessenharter, Prof. an der Univer-
der Region gaben sich auch der Hambur- sität der Bundeswehr in Hamburg, in dem besagten Interview an: „Folglich rückte er
ger Christian Worch und Axel Reitz von in der Vergangenheit wiederholt nicht nur CDU-Politiker, sondern auch Redakteure
der Kameradschaft Köln, „Kampfbund der Welt wie auch der FAZ … in dessen Nähe.“
deutsche Sozialisten“ die Ehre. Die Poli- Hat Scheuch nicht selber den Beweis dafür angetreten, dass seine These falsch ist,
zei unterband auch hier die Verhinderung indem er der rechtsextremen Zeitung „Junge Freiheit“ nicht irgendwelche Inter-
der Kundgebung, zwei Antifaschisten views zu soziologischen Fragestellungen gab, sondern mit der „Jungen Freiheit“ ge-
wurden unter der Anschuldigung Steine meinsame Sache machte? Und dies nicht zufällig, sondern seit einigen Jahren sehr
geworfen zu haben festgenommen. bewusst. Jörg Detjen ■
: antifaschistische nachrichten 22-2003
4
Schill-Partei-Chef Mario Mettbach in Bremerhaven: Landgericht verurteilte
Ex-NPD-Chef Deckert
„Wir sind froh, dass Chemnitz. Der ehemalige NPD-

wir Schill haben“ Bundesvorsitzende Günter Deckert


(63) muss 250 Euro Strafe zahlen –
wegen Verstrickungsbruchs. Das ent-
Ein klares Bekenntnis zu Ro- Privatisierung staatlicher Aufgaben und schied am 30.9. das Landgericht
nald Schill hat Mario Mett- eine massive Förderung von Eliten Chemnitz. Die Richter bestätigten da-
bach abgelegt – und das trotz stark. mit ein Urteil des Amtsgerichts Frei-
der Affäre um den entlasse- Mit Blick auf das schlechte Abschnei- berg, gegen das Deckert in Berufung
nen Innensenator. Mettbach ist den deutscher Schüler bei der Pisa-Stu- gegangen war.
Bundesvorsitzender der auch als die beklagte Mettbach die „ungeregelte Der mehrfach vorbestrafte und lan-
„Partei Rechtsstaatlicher Offensive“ Zuwanderung“ in der Bundesrepublik. ge Zeit in der Rhein-Neckar-Region
auftretenden Schill-Partei – und er Zuvor hatte bereits auf der gleichen Ver- agierende NPD-Mann hatte im Juni
amtiert in Hamburg als Senator für anstaltung der Bremerhavener Schill-Po- 2002 öffentlich ein Siegel des Land-
Bau, Verkehr und Stadtentwicklung litiker Thomas Schulz, erfolgloser Spit- ratsamtes Freiberg entfernt. Die Be-
sowie als 2. Bürgermeister. zenkandidat bei der Wahl zur Stadtver- hörde hatte einen alten Gasthof in
ordnetenversammlung Ende September Brand-Erbisdorf gesperrt, den Deckert
Auf einer öffentlichen Parteiveranstal- und 2. stellvertretender Landesvorsit- zu einer rechtsnationalen Begegnungs-
tung in Bremerhaven bezeichnete Mett- zender, davor gewarnt, „Subkulturen zu- stätte umbauen will.
bach seinen Vorgänger im Vorsitzenden- zulassen, die sich gegen unsere Werte Garfield – Quelle: Chemnitzer Mor-
Amt und einstigen Senatskollegen als genpost Mittwoch, 1. Oktober 2003 ■
„Motor der Partei“. Und er setzte nach:
„Wir sind froh, dass wir ihn haben.“ Naziübergriff in Neustadt
Mario Mettbach zufolge liegt es aus-
schließlich an Schill, ob der sich auch an der Weinstraße
künftig so stark für die „Partei Rechts- Neustadt. In der Nacht vom 27. auf
staatlicher Offensive“ einsetzen werde: den 28.9.03 kam es zu einem faschisti-
„Wenn er weiter mitmachen will, dann schen Übergriff auf BesucherInnen ei-
hat er jede Chance dazu.“ ner Punk/Ska-Party in Neustadt an der
Im Übrigen sei es für die Schill-Par- Weinstraße. Dabei wurde eine junge
tei eine Selbstverständlichkeit, dass sie Frau von Nazis verletzt.
ihrem hamburgischen Landesvorsit- Nach einer Veranstaltung im selbst-
zenden und Ehrenbundesvorsitzenden verwalteten Jugendzentrum in Neu-
„in einer menschlich schwierigen Situ- stadt wurden mehrere BesucherInnen,
ation“ Beistand leiste. Immerhin: Trotz die sich auf dem Heimweg befanden,
des „Eklats“ um Ronald Schill habe am Bahnhof von einer Gruppe Nazis,
die Partei Handlungsfähigkeit bewie- Skinheads und Hooligans angegriffen.
sen, sei „entgegen mancher Unkenrufe Ronald Schill Dabei wurde einer jungen Frau das
nicht auseinander gebrochen“. Nasenbein gebrochen. Sie musste zur
Dass die auch von Mettbach öffent- ambulanten Behandlung ins Kranken-
lich geäußerte Empörung über die Be- richten, indem sie zum Beispiel das haus.
hauptungen Schills in punkto einer an- Schächten von Tieren zulassen“. Bezeichnend war vor allem die Re-
geblichen homosexuellen Beziehung des Über das Ausländer-Thema schlug der aktion des Bundesgrenzschutzes am
hamburgischen Regierungschefs Ole Bundesvorsitzende der Schill-Partei eine Neustädter Bahnhof, die man schlicht
von Beust wohl nicht ganz so ernst ge- Brücke zur deutschen Vergangenheit. als unterlassene Hilfeleistung bezeich-
meint war, belegte eine von Mettbach Seine Meinung: „Man muss zu seiner nen könnte. Der Naziübergriff fand ge-
gerissene „Zote“. Unter dem Gejohle Geschichte stehen, aber ich bin nicht ein nau vor dem Gebäude statt, in dem der
des Publikums sagte der Bau- und Ver- Leben lang dafür verantwortlich, dass es BGS untergebracht ist. Die anwesen-
kehrssenator über seinen Ersten Bürger- mal einen Adolf Hitler gab.“ Und: „An- den Beamten warfen kurz einen Blick
meister und Senatspräsidenten: „Ich bin dere Länder waren im Zweiten Welt- aus dem Fenster, ohne jedoch den An-
der Meinung, dass es zu wenige Frauen krieg keinen Deut besser, doch die ha- gegriffenen zu Hilfe zu eilen.
in der Politik gibt. In dieser Beziehung ben ein anderes Selbstverständnis.“ Gewalttätige Übergriffe auf alterna-
bin ich ja anders gestrickt wie Ole von Einen gewissen Schwerpunkt in der tive Jugendliche sind Alltag in der
Beust.“ Mettbach-Ansprache in Bremerhaven Vorderpfalz. Gerade bei Weinfesten
In seiner Rede in Bremerhaven unter- nahm die Pressefreiheit ein. Nach Über- kommt es immer wieder zu Angriffen
nahm Mario Mettbach, früher Vizechef zeugung des Hamburger Bau- und Ver- auf junge Menschen, die nicht ins
des CDU-Ortsvereins Hamburg-Jenfeld, kehrssenators, der unter anderem wegen Weltbild der Nazis passen. Dazu passt
christdemokratischer Abgeordneter in eines Artikels für die rechtsradikale Zei- auch die ‚Nicht-Reaktion‘ der Polizei.
der Bezirksversammlung Wandsbek und tung „Junge Freiheit“ in den Medien Wie viele rassistische Übergriffe wer-
später Gründungsmitglied der Statt-Par- scharf kritisiert worden war, muss der den nicht als solche bekannt? Wie oft
tei, einen Streifzug durch die Pro- Informantenschutz fallen und das Pres- hat die Neustädter Polizei noch wegge-
grammatik und den politischen Forde- serecht reformiert werden. „Die Me- schaut? Weil nicht sein kann, was nicht
rungskatalog der Schill-Partei. dien“, äußerte der Politiker, „sollen ge- sein darf. So scheinen Bevölkerung
Er sprach sich für eine Direktwahl des zwungen werden, tatsächlich neutral zu und Behörden mit der rechtsextremen
Bundespräsidenten und das Bürgerbetei- berichten.“ In dieser Hinsicht besteht Jugendkultur in der Vorderpfalz umzu-
ligungs-Instrument der Volksentscheide von seiner Warte aus höchster Hand- gehen.
aus. Außerdem machte sich der ehemali- lungsbedarf. JUZ Mannheim ■
ge Berufssoldat für eine weit gehende Thomas Klaus ■

: antifaschistische nachrichten 22-2003 5


Aus Gamma News 17-2003: Seminar am Wochenende 13. und 14. Dezember 2003 in Leverkusen:
Naziaktivitäten und Gegen- „Der Verfassungsschutz und sein Verfolgungswahn –
aktionen Schlapphüte contra Demokratie“
Jena, 4.10. Zwischen 50 und 100 Nazis Wer die Berichte des VS liest, wer die Rolle des VS beim NPD-Verbotsverfahren beobachtete,
haben am „Herbstfest“ des „Nationalen könnte glauben, die Hunderte von Beamten des VS wären zu dumm, um einen Eimer Wasser
Widerstands Jena“ teilgenommen. Es umzuschütten. In Abwandlung eines 68-er Spruchs muss es aber heißen: „Der VS macht keine
gab am Steinkreuz beim Fuchsturm im Fehler, er ist der Fehler“. Unsere Kritik am VS und seiner Arbeitsweise kann sich weder in flot-
Wald um Jena so Dinge wie Waldlauf mit ten Sprüchen (nur wer im VS-Bericht steht, ist ein Linker) noch in Glaubensbekenntnissen (die
Stationen, Kinderzelt und – natürlich – spinnen) erschöpfen. Dieses Seminar soll Argumente für die tägliche Auseinandersetzung mit
Bratwurst. der Links-Rechts-Gleichsetzung, der Stigmatisierung antifaschistischer Arbeit als verfassungs-
feindlich und der hilfreichen Arbeit des VS für die Rechtsentwicklung der BRD erarbeiten. Die
Gera, 4.10. Vermutlich im Zusammen- Ergebnisse des Seminars werden als Broschüre veröffentlicht.
hang mit dem Jenaer Nazi-Herbstfest Veranstalter:
(s.o.) gab es im Geraer Südbahnhof ein Kommission Neofaschismus der VVN-BdA NRW und Hartmut-Meyer-Archiv.
Skinheadkonzert, das nach einem Tip Kosten: Pro Tag 10,00 Euro + Übernachtung 10,00 Euro.
von Journalisten durch die Polizei aufge- Themen:
löst wurde. Die Personalien der ca. 200 1. Geschichte und Arbeitsweise der deutschen Geheimdienste
Teilnehmer wurden aufgenommen. Das 2. Extremismus der Mitte – mehr als ein Streit um Worte
Konzert sollte ursprünglich in Heldrun- 3. Antifaschismus als Beobachtungsobjekt
gen stattfinden, war dort aber verboten 4. VS-Berichte – was sie verschweigen
worden. (Ostthür. Ztg. 6.10.) 5. Ausländer reimt sich auf Extremismus
6. VS und Nazis – wer war zuerst da: Henne oder Ei?
Leipzig/Schkeuditz, 3.10. Zum zehn- 7. Rechte Kritik am VS
ten Aufmarsch von Christian Worch und 8. Ich will meine Akte! Über die Auskunftspflicht der Geheimdienste in Ost und West
Konsorten kamen ca. 270 TeilnehmerIn- 9. Was tun, wenn der VS-Spitzel anwirbt?
nen. Etwa 1.000 PolizistInnen beschütz- Die ReferentInnen werden Mitte November bekannt gegeben.
ten die Demonstration. Insgesamt waren Schriftliche - verbindliche - Anmeldung bis 7.12.2003 über die VVN-BdA NRW, Gathe
ca. 300 Antifas unterwegs, die die Nazis 55, 42107 Wuppertal E-Mail: vvn-bdanrw@freenet.de.
protestierend begleiteten, es kam zu ver-
einzelten Blockadeversuchen, die jedoch Wen das Wahlglück ver-
schnell wieder aufgelöst wurden. An den konnte die größere Regierungspartei
Protestaktivitäten von Stadt und Kirche lässt... ÖVP ebenfalls – wenn auch nur leicht
nahmen einige Hundert Menschen teil. Österreich. Von einem Wahldebakel zulegen, in Tirol sogar mit 49,9 Prozent
Die Nazis stiegen im Anschluss in einen zum andern schlittert momentan die die absolute Mehrheit erobern, in Ober-
Zug nach Schkeuditz, um dort einen wei- FPÖ: Nachdem sie bereits bei den Wah- österreich reichte es hingegen „nur“ zu
teren Aufmarsch durchzuführen. Organi- len des letzten Jahres erhebliche Verluste 43,4 Prozent. www.raw.at,
siert wurde der Zug vom Hallenser Na- einfahren musste, hat sie sich in dieser Newsletter der Rosa Antifa Wien ■
zikader Sven Liebich, Entgegen den Be- Hinsicht bei den Ende September statt-
teuerungen auf Nazi-Webseiten kam es gefunden habenden Landtagswahlen in
aber auch hier nicht zu spontanen Sym- Oberösterreich und Tirol noch einmal
pathiebekundungen oder gar Teilnahme „gesteigert“. Satte 11,6 Prozent verloren
durch die zahlreichen Schaulustigen. die Freiheitlichen in Tirol und liegen dort
Noch in diesem Jahr sollen in Schkeu- nur mehr bei 8 Prozent, in Oberöster-
ditz vier weitere Aufmärsche stattfinden. reich waren es gar 12,2 Prozent (nun 8,4
Prozent).
Dresden. Das „Nationale Bündnis Dres- Dabei half es auch nicht, dass die FPÖ
den“ mobilisiert für den 8. November zu teilweise zu recht unorthodoxen Werbe-
einem Aufmarsch gegen die Umgestal- methoden griff: In der oberösterreichi-
tung des Heeresmuseums durch den Ar- schen Gemeinde Kremsmünster wurden
chitekten Daniel Libeskind. Motivation die potentiellen WählerInnen mit 20
der Nazis: Libeskind ist Jude. Sie wollen Euro Belohnung für den Besuch einer
sich am Museum für Stadtgeschichte Wahlkampfveranstaltung angelockt.
treffen, Infos zu Gegenaktivitäten folgen Immerhin konnte die ansässige FPÖ so-
oder sind auf venceremos.antifa.net zu mit die Verluste im einstelligen Prozent-
finden. bereich halten.
Besonders bitter für die strammen Re-
Nürnberg. Gerd Ittner, Organisator des cken von rechts außen: In beiden Ländern
Aufmarsch-Reinfalls vom 6.9. in Nürn- wurden sie von den Grünen als drittstärk-
berg, wo nur 120 statt 800 Nazis ange- ste Kraft abgelöst, diese konnten in Tirol
tanzt waren, will Rache. Auf Nazi-Web- ihren Stimmenanteil beinahe verdoppeln
sites kündigte er jetzt eine „Demo-Lawi- und halten nun bei 15,5 Prozent Wähle-
ne“ für Nürnberg an. Der erste Auf- rInnenanteil. In Oberösterreich profitierte
marsch soll am 29. November stattfin- vor allem die SPÖ von einer durchgehend
den, parallel zum Weihnachtsmarkt. ausländerfeindlich geführten Diskussion
Treff ist 13 Uhr Bahnhofsplatz. um den Verkauf der Staatsanteile des
Stahlkonzerns VÖST.
aus gamma - news 17-03 Doch bevor der Eindruck eines großen
des antifa infotelefons leipzig, - Umsturzes in der österreichischen Partei-
8.10.2003 ■ enlandschaft entsteht: In beiden Ländern

6 : antifaschistische nachrichten 22-2003


„Popeye“ ist genervt. Den Spitz- Der FN im Wahlkampf
namen des Spinatmatrosen trägt
seit vielen Jahren der „alte Hau-
degen“ Roger Holeindre, Veteran der fran-
Droht die Übernahme
zösischen Kolonialkriege, der beim Front von Regionalregierungen
National (FN) den parteinahen Militaris-
tenverband CNC betreut. Heute regt der durch die extreme Rechte?
alte Herr sich auf. Denn die Spitzenvertre-
ter des FN aus dem Raum Paris sind auf gionalpräsidentschaft von PACA betrifft. nach dem Verlust des Rathauses von Vi-
einem Ausflugsboot versammelt, das auf Der Präsidentenstuhl steht in Marseille, trolles im Herbst 2002 dürfte er Le Pen
der Seine herumschippert, um den Wahl- aber da der Spitzenkandidat sich seinen kaum noch im Weg stehen können.
kampf für die Regionalparlamentswahlen Wahlkreis aussuchen kann, hat der FN- Aber die wirklichen Siegesaussichten
im kommenden März zu eröffnen. Wir Vorsitzende sich für das Département von des FN müssen dennoch gedämpft wer-
schreiben Freitag, den 3. Oktober. Die Nizza (Alpes-Maritimes, also den Meeral- den. Nach einer Umfrage des Institus CSA
Presse ist auch dabei. penbezirk) entschieden, wo der rechtsex- hätten Mitte August dieses Jahres im er-
Grund der Empörung: Die rechtsextre- treme Stimmenanteil schon immer hoch sten Wahlgang 20 Prozent der Wähler in
men Politiker wollten sich gern zum Ab- war, unter anderem wegen des Gewichts PACA für Le Pen gestimmt (bei den letz-
schluss mit dem Eiffelturm fotographieren der früheren französischen Militärs und ten Regionalwahlen, im März 1998, waren
lassen. Den aber verdeckt unpassender- Siedler in Algerien. Als „politische Groß- es 26,5 Prozent). Die Linkskoalition aus
weise eine Brücke, der Pont d’Iéna. „Na- wildjagd“ hat Le Pen seine Kandidatur be- Sozialisten, KP und Grünen hinter Michel
türlich! Delanoë hat uns diese Scheißbrü- reits am 6. September angekündigt, im Vauzelle würde demnach 33 Prozent und
cke hingepflanzt!“ Doch der sozialdemo- Hinblick auf den derzeitigen sozialisti- die bürgerlichen Parteien 37 Prozent er-
kratische Bürgermeister der Hauptstadt schen Regionalpräsidenten Michel Vau- halten.
kann dieses Mal gar nichts für die Unge- zelle und den konservativen Spitzenkandi- Und im Fall einer Stichwahl zwischen
mach. Der Schuldige sitzt woanders, oder daten Renaud Muselier, der derzeit in Pa- diesen drei Blöcken würden demnach der
eher, er liegt unter dem Invalidendom: Na- ris Staatssekretär (für auswärtige Angele- FN 21 Prozent, die bürgerliche Rechte 39
poleon hatte die „Jeaner Brücke“ an die genheiten) in der Regierung Raffarin ist. Prozent und die Linkskoalition 40 Prozent
Stelle bauen, und nach dem Ort einer sei- Viele Medien berichteten Mitte Sep- erhalten. Allerdings sind auch diese Zah-
ner Schlachten benennen lassen. Bravo, tember auch über den Wahlkampf Le len mit Vorsicht zu genießen. Erstens ist
Herr Nationalist: Man kennt eben „seine“ Pens, als habe er tatsächlich ernsthafte dabei noch nicht berücksichtigt, dass der
Geschichte. Aussichten, die Region PACA zu regieren. FN in Umfragen oftmals unterbewertet ist,
■ Le Pen in Südostfrankreich Die Tageszeitung „20 minutes“ etwa (ei- da es so etwas wie einen „Schameffekt“
nes dieser kostenlosen Blätter, das mor- bei manchen seiner Wähler gibt, sich öf-
Das Bootfahren scheint in jüngster Zeit gens kostenlos an den Metro-Eingängen fentlich zu bekennen (der freilich in Süd-
zum festen Bestandteil des Rituals rechts- verteilt wird) machte am 19. September ostfrankreich schwächer ausfallen dürfte
extremer Wahlkämpfe zu werden. Begon- mit dem Titel auf: „Der Chef des Front als anderswo). Und zweitens hatte Mitte
nen hatte damit der Parteigründer und un- National hat ernsthafte Chancen, an die August der FN noch kaum mit seinem
bestrittene -chef, Jean-Marie Le Pen. Am Spitze der Region (PACA) zu rücken“. Wahlkampf begonnen – den ersten Auftritt
18. September 03 ließ er in Nizza, bei in PACA hatte Le Pen bei einem lokalen
strahlendem Sonnenschein, die Yacht ■ Welche politischen Kräfteverhält-
nisse trifft Le Pen in PACA an? FN-Fest (Fête tricolore) in der Crau-Step-
„Star-Côte d’Azur“ auslaufen und eine pe bei Marseille am 6. September, an dem
dreistündige Tour durch die Bucht unter- Tatsächlich hat Le Pen bei den französi- zwischen 1.000 und 2.000 Beuscher teil-
nehmen, um seine Kandidatur für die Prä- schen Präsidentschaftswahlen vom April nahmen.
sidentschaft der Region Provence-Alpes- 2002 in PACA unter allen Kandidaten an Und auf der landesweiten politischen
Côte d’Azur (PACA) zu eröffnen. Mit an der Spitze gelegen, mit 23,4 Prozent der Bühne war Le Pen seit einem guten halben
Bord: Zwei seiner drei Töchter – die dritte, Stimmen. Im zweiten Wahlgang hatte er Jahr völlig abwesend. Während der sozia-
Marie-Caroline, ist verstoßen, da mit ei- nochmals zugelegt und rund 27 Prozent len Konflikte im Frühjahr 2002, u.a. den
nem ehemaligen Führungsmitglied der erhalten. Allerdings war die Landschaft Streiks gegen die Renten“reform“, hatte
Abspaltung unter Bruno Mégret verheira- bei der Präsidentschaftswahl von einer Le Pen sich in der Öffentlichkeit eher be-
tet –, die Regionalparlamentarier des FN starken Aufsplitterung geprägt, da die deckt gehalten. Seine Positionen konnte
in Südostfrankreich, die örtlichen Partei- denkbare Höchstzahl an politischen Kräf- kennen, wer sie wissen wollte – er unter-
kader aus Nizza. Und einige Journalisten. ten mit eigenen KandidatInnen vertreten stützte die wirtschaftsliberalen Optionen
Denen vertraute er auch – halb spaßend war. So gab es drei Kandidaten auf der ra- der Regierung und überholte sie sogar
und halb ernst – an, warum er seinen dikalen Linken, fünf Kandidaten aus dem noch „rechts“ (hier: im wirtschaftslibera-
Wahlkampf auf diese Weise zu Wasser er- damaligen Regierungslager (Mitte-Links, len Sinne). Da dies aber gerade in der, im
öffne: „So kann die Presse nicht gehen, von der KP über die Sozialdemokratie bis Durchschnitt eher sozial schlecht gestell-
bevor es zu Ende ist, selbst wenn Sie nicht zu den Linksnationalisten), fünf aus dem ten, FN-Wählerschaft nicht nur Freude
interessiert, was ich sage.“ Bürgerblock und zwei aus der extremen hervor gerufen hätte, hielt Le Pen sich mit
Tatsächlich scheint es sich vor allem um Rechten sowie einen Kandidaten der Jä- lauten Tönen in der Öffentlichkeit eher zu-
ein Mittel verstärkter Personalisierung des ger-Liste. Eine so starke Auffächerung des rück. Seit Mitte September aber läuft die
Wahlkampfs, um einen vor allem auf Le politischen Spektrums dürfte es am 21. „Maschine Le Pen“ wieder warm, und die
Pen (Vater) zugeschnittenen Politikstil zu März 2004 vermutlich nicht geben, womit Spalten der Zeitungen sind erneut voll von
handeln. Auch Marine Le Pen tat es ihm die Chancen des FN geringer werden, auf Nachrichten über die Le Pens.
nach. Im Übrigen auch sein ehrgeiziger den ersten Platz zu kommen. Andererseits
Schwiegersohn Samuel Maréchal, der mit wird auch die Aufsplitterung der Stim- ■ Le Pen (Papa) bleibt verquast
der mittleren Tochter (Yann) verheiratet menanteile auf der extremen Rechten Anlässlich seines ersten Auftritts am 6.
ist. Er tauchte kürzlich aus jahrelanger po- selbst geringer ausfallen, da dem Faktor September in PACA, in Saint-Martin-de-
litischer Versenkung wieder auf und kan- „Bruno Mégret“ jetzt noch geringere Be- Crau, machte Le Pen deutlich, wie stark er
didert jetzt für die Regionalpräsidentschaft deutung zukommt als vor anderthalb Jah- mittlerweile auf teilweise irrationale Er-
in der Region der unteren Loire (Pays de ren. Zwar hat Mégret bereits angekündigt, wartungen baut, die in der Tradition der
la Loire) um Nantes. Auch er eröffnete sei- gerade auch in PACA Kandidaten aufstel- rechten bzw. populistischen Idee vom
nen Wahlkampf Ende September durch len zu wollen. Doch nach den Mini-Ergeb- „homme providentiel“ (Mann der Vorse-
eine Schiffstour auf der Loire. nissen für Mégret selbst als Präsident- hung) stehen, welcher in der entscheiden-
Le Pen sieht sich bereits auf dem Sie- schaftskandidat und für seine Partei (bei den Stunde vom Schicksal auserkoren
gertreppchen, was das Ringen um die Re- den späteren Parlamentswahlen) sowie werde, die Nation zu retten. Im August

: antifaschistische nachrichten 22-2003 7


hatte es rund 15.000 Hitzetote in Frank- nunmehr einfach ihren Gatten bitten. Der Präsidentenpartei UMP hatte Sarkozy
reichs Krankenhäusern und Altenheimen aber, Bernard d’ Ormal (mit dem „die Bar- zwar die Kandidatur im Großraum Paris
gegeben – ein Zeichen für die Funktions- dot“ seit 1992 verheiratet ist) hat ohnehin angetragen, aber der hatte nach einigem
störungen des öffentlichen Gesundheitssy- seit langen Jahren eine Mitgliedskarte Überlegen dankend abgelehnt - da er sich
tems, die u.a. daraus resultieren, dass es beim FN. Dass er wirklich kandidiert, zu Höherem berufen sieht und bereits von
durch die Sparpolitik ausgetrocknet wur- konnte bisher nicht bestätigt werden; Le einer Präsidentschaftskandidatur 2007
de. Dass Le Pen diesen Skandal auszu- Pen gab sogar öffentlich an, der Bardot- oder dem Sessel des Premierministers
schlachten versucht (und dabei von „Kri- Gatte sei bisher nicht auf das Angebot ein- träumt.
minellen“ und Verantwortungslosen in der gegangen („Le Monde“ vom 23.9.03), Damit entgeht Marine Le Pen auch die
Regierung spricht), erscheint normal. vielleicht aus Altersgründen oder mit Chance, dem Hardliner in Sachen „Innere
Aber seltsam mutet an, was er vor der Rücksicht auf die Tierschutz-Stiftung sei-
Presse ferner zum Besten gab: „Ich glaube ner Frau.
fest, dass die Tatsache, dass Präsident Es kam auch bereits zu Gegendemon-
Chirac sich Mitte August lange nicht zu strationen und Protesten gegen Auftritte
dem Geschehen äußerte, verrät, dass er von Jean-Marie Le Pen in der Region
dazu mehrere Tage lang geistig oder kör- PACA. So am 8. Oktober in Gap im Hoch-
perlich nicht in der Lage war. Dass es eini- alpen-Département, wo 300 Leute sich
ge Tage ein Vakuum an der Spitze gege- versammelten; dabei flogen auch Steine
ben hat.“ Und was, wenn Chirac, der zu je- und Tomaten in Richtung des Hotels, in
ner Zeit im kühlen Kanada weilte, schlicht dem Le Pen sich aufhielt, und nach Poli-
seine Ruhe haben wollte und die Verant- zeiangaben ging eine Fensterscheibe ka-
wortung auf seine Minister abwälzte? Tat- putt. Auch in Avignon fand am 9. Oktober
sächlich deutet Le Pen seit Mitte der eine Demonstration statt, die vor allem
Neunziger Jahre öfters an, er rechne mit von Studierenden besucht war.
einer Überraschung, „möglicherweise ■ Marine Le Pen im Großraum Paris
vorgezogenen Wahlen“, einer Amtsunfä-
higkeit des Präsidenten – ein Zeichen, wie In der Region Ile-de-France (dem Groß-
sehr er mittlerweile auf solche Prophezei- raum Paris) wiederum tritt Marine Le Pen
ungen baut. als Spitzenkandidatin an, die jüngste
Ansonsten hat Jean-Marie Le Pen be- Tochter des alternden Chefs, die mittler-
tont, er habe „bereits damit begonnen, das weile recht offen zur politischen Nachfol-
Verwaltungspersonal zu rekrutieren, um gerin aufgebaut wird. Damit wurde ihr die
die Region PACA zu regieren“. Zugleich zweite, medienträchtige Kandidatur gesi-
betonte er anlässlich seiner Schiffstour chert.
vom 18. September, ein Regionalpräsident Zugleich arbeitet Marine Le Pen weiter
habe „wenig Macht“, da er von Gesetzes- an ihrer medialen Statur, als „Modernisie-
texten und Budgetmitteln abhänge (was rin“ des FN, wie auch an ihren internatio- Sicherheit“ – dessen Appell in der eigenen
natürlich zutrifft). Damit wollte Le Pen nelen Kontakten. Sie weilt derzeit, vom Wählerschaft des FN nicht ungehört ver-
wohl noch nicht seine politischen Ambi- 20. bis 27. Oktober 2003, in den USA – hallt – in direkter Auseinandersetzung ent-
tionen herunterschrauben, sondern ver- und zwar auf Einladung einer Frauenve- gegen zu treten, um sich an seiner Demon-
mutlich vor allem vorab klarstellen, dass reinigung der Republikanischen Partei der tage zu versuchen. Stattdessen wird als
er PACA im Fall eines Erfolgs vor allem USA (siehe Kurzmeldung in „Le Monde“ konservativer Spitzenkandidat in der Ile-
als Sprungbrett hin zur Macht in Paris be- vom 15.10.03). Kontakte des FN bei den de-France der derzeitige Regierungsspre-
trachte. Bezüglich der zum Grundpfeiler US-Republikanern, jedenfalls auf ihrem cher Jean-François Copé antreten, der dem
des FN-Programms erhobenen „préféren- Rechtsaußenflügel, sind nicht völlig neu. Wahlkampf wesentlich weniger Medien-
ce nationale“ (systematischen Bevorzu- So hatte Le Pen um die Mitte der 80er Jah- aufmerksamkeit sichern wird als der
gung der Staatsbürger, z.B. bei Sozialleis- re Kontakte zum berüchtigten US-Senator „Star“ Sarkozy.
tungen), die derzeitigen Gesetzes- und Jessy Helms, der ihn auch 1987 an einer Das derzeitige Verhalten von Spitzen-
Verfassungsbestimmungen wegen ihres Konvention der US-Republikaner teilneh- kandidat Copé, der bei der UMP-Fraktion
diskriminatorischen Gehalts widerspricht, men ließ, wo Le Pen sich beim Hände- im Regionalparlament Ile-de-France seit
erklärte er, er „werde das Gesetz respek- druck mit deren damaligem Herold Ro- kurzem den Ton angibt, deutet darauf hin,
tieren“. Dennoch halte er an ihrer Notwen- nald Reagan ablichten ließ. Später freilich, dass die Konservativen sich von rechts her
digkeit fest („Wir sind bereits zu viele im in den Neunzigern, hatte der FN eher auf (d.h. vom FN her) unter starkem Druck
Boot“). ressentimenthafte antiamerikanische Ef- fühlen. So hat die UMP ihre Haltung im
Als Ziele seines Wirkens in PACA mal- fekte gesetzt und ward in den USA, in Regionalparlament des Großraums Paris
te Le Pen aus, es gehe um „das Überleben Großbritannien und Israel nicht mehr gern radikalisiert. Sie lehnte jüngst Projekte ab,
Frankreichs gegenüber den Kriminellen gesehen. Es wird sich zeigen müssen, ob die sie bereits zugesagt hatte und die mit
und den Islamisten, damit die Franzosen bei Bushs US-Republikanern da etwas am der derzeitigen, vom Sozialisten Jean-Paul
endlich wieder Herr im eigenen Hause Aufbrechen ist. Huchon geführten Regionalregierung oder
werden“. Er kündigte an, künftig auch Am Samstag, 4. Oktober hatte Marine dem Pariser Rathaus vereinbart waren.
gegenüber bisherigen politischen Gegnern Le Pen noch, in einem Hotel in Trouville- So stimmte die konservative UMP auch
nicht nachtragend zu sein, falls sie in der sur-Mer in der Normandie, eine diskrete zusammen mit den beiden rechtsextremen
Region loyal mit ihm zusammenarbeiten Unterredung mit Parlamentariern des bel- Abgeordnetengruppen FN und MNR ge-
würden. Ferner solle die FN-Liste zum gischen rechtsextremen Vlams Blok ge- gen eine Subvention in Höhe von 300.000
Regionalparlament angeblich für Kandi- habt. („L’Humanité“ vom 7. Oktober zu- Euro an das Europäische Sozialforum
daturen außen stehender, unabhängiger folge). (ESF), das vom 12. bis 15. November in
Persönlichkeiten geöffnet werden. Be- Anders als in PACA, hat der Front Na- Paris sowie drei Vorstädten stattfinden
kannt wurde bisher nur ein einziger Name, tional in der Ile-de-France zu seinem wird. Seit der Abstimmung am 2. Oktober
jener der Ex-Schauspielerin und heutigen Wahlziel erklärt, den zweiten Platz zu be- ist jetzt beim ESF drastisches Sparen an-
fanatischen Tierschützerin Brigitte Bardot legen. Zu ihrem Bedauern wird Marine Le gesagt, da die Subvention – neben jener
– deren Sympathien für Le Pen seit Jahren Pen in der Ile-de-France vor dem 21. März der Stadt Paris sowie der Zentralregierung
keinerlei Geheimnis mehr darstellen. Die- 2004 nicht mit dem konservativen Innen- unter Jean-Pierre Rafarin – bereits durch
se aber hat in einem Antwortschreiben an minister Nicolas Sarkozy, dem derzeit ehr- die rechte Zentralregierung im Namen ih-
Le Pen höflich, aber bestimmt abgelehnt. geizigsten und profiliertesten Vertreter der rer Parteifreunde versprochen und daher
Nicht tragisch, meinte Le Pen, man werde Rechtsregierung, konfrontiert werden. Die eingeplant worden war. Zwar hatte die

8 : antifaschistische nachrichten 22-2003


UMP-Fraktion am 2. Oktober nicht den
Entschließungsantrag des MNR-Abgeord-
neten Jean-Yves Le Gallou unterstützt, der
VVN-BdA trauert um ihren
eine Verdammung des ESF als eines
Unternehmens „der anarcho-trotzkisti- Vorsitzenden Fred Dellheim
schen Subversion“ forderte. Doch bei der Die Vereinigung der Verfolgten gegründeten „Interessenverbandes der
direkt darauf folgenden Abstimmung über
die schon zugesagte Regionalsubvention
des Naziregimes - Bund der Verfolgten des NS-Regimes, ehemaliger
stimmte die UMP dann, überraschend, zu- Antifaschistinnen und Antifa- Teilnehmer am antifaschistischen Wider-
sammen mit der extremen Rechten. schisten (VVN-BdA) trauert um ihren stand und Hinterbliebenen“ (IVVdN).
Aus Anlass des Votums vom 2. Oktober Vorsitzenden Fred Alfred Dellheim, Vi- In diesen Jahren erwarb er sich auch
wurden auch einige eher beunruhigende zepräsident der Internationalen Föde- über die Grenzen Deutschlands hinaus
Angaben bekannt. Demnach hatte die ration der Widerstandskämpfer (FIR), großes Ansehen. Die in Wien ansässige
christdemokratisch-liberale UDF in der der am 9. Oktober 2003 im Alter von Internationale Föderation der Wider-
Vorwoche eine „vertrauliche“ Befragung 91 Jahren nach kurzer schwerer standskämpfer (FIR) wählte ihn zu ei-
im Großraum Paris in Auftrag gegeben. Krankheit in Berlin verstorben ist. nem ihrer Vizepräsidenten. In seiner Hei-
Dabei sollen sich besonders hohe Ergeb- matstadt Mutterstadt, in Schulen und an-
nisse für den FN in der „Grande banlieue“, Mit einem Kindertransport war der am deren Bildungseinrichtungen, auf zahl-
d.h. in den in mittlerer und größerer Ent- 17. Mai 1924 in Mutterstadt, Rheinland- reichen internationalen Veranstaltungen
fernung (ab 12 bis 15 Kilometern) von Pa- Pfalz, als Kind jüdischer Eltern gebore- war er ein gefragter und immer wieder
ris gelegenen Trabanten- und Vorstädten
ne Fred Dellheim 1939 der Verfolgung überzeugender Zeitzeuge. Mit großer
abgezeichnet haben. Demnach sollen die
Meinungsforscher für das Département durch das NS-Regime entkommen. Sei- Energie widmete er sich in den letzten
Seine-et-Marne, das 15 bis 20 Kilometer ne Eltern und seine ältere Schwester zehn Jahren vor allem der Vereinigung
östlich von Paris beginnt und eine teils in- wurden im Konzentrationslager Au- der organisatorisch getrennten Ost- und
dustrielle und teils ländliche Struktur auf- schwitz ermordet. Nach Beginn des westdeutschen Verfolgtenverbände
weist, über 30 Prozent Wahlabsichten für Krieges war er zwei Jahre als „Ausländer VVdN-BdA und VVN-BdA. Die im Okt-
den Front National festgestellt haben. feindlicher Nationalität“ in Kanada inter- ober 2002 dann in Berlin vollzogene Ver-
(Siehe „Libération“ vom 3. Oktober) Der niert. Nach seiner Rückkehr nach Lon- einigung betrachtete er als Krönung sei-
Bezirk Seine-et-Marne aber ist das Haus- don trat er als Freiwilliger der britischen nes Lebenswerkes. Die Delegierten
département von Jean-François Copé, der Armee bei, nahm in deren Reihen 1944 wählten ihn zu einem ihrer Vorsitzenden.
hier früher Bürgermeister von Meaux war, an der Landung in der Normandie und Die VVN-BdA verliert mit Fred Dell-
einer der größeren Städte im Bezirk. Dies bis zur Kapitulation an den Kämpfen ge- heim einen Menschen, der sein ganzes
hat Copé allem Anschein nach besonders gen Hitlerdeutschland teil. Leben für eine gerechte Gesellschaft
beeindruckt. Im Rheinland nahm der bereits im ohne Faschismus, Rassenhass und Krieg
Programmatisch hat Marine Le Pen be-
tont, es gehe ihr darum, „das Gewicht der Londoner Exil Mitglied der dort gegrün- gekämpft hat. Sein konsequentes,
illegalen, aber auch der legalen Einwande- deten Freien Deutschen Jugend gewor- menschliches und überzeugendes Auftre-
rung, das jeden Tag größer wird und unse- dene Fred Dellheim am Aufbau dieser ten ist für unsere Vereinigung Verpflich-
re Ökonomie mehr erstickt“ zu verringern. Jugendorganisation teil. Später siedelte tung, sich in seinem Sinne weiterhin für
Das umstrittene und im Prinzip verfas- er in die DDR über und übernahm dort die Erfüllung des Schwurs von Buchen-
sungswidrige Prinzip der „préférence na- leitende Funktionen in der Industrie. Bis wald „Nie wieder Faschismus – Nie wie-
tionale“ taucht jedoch nicht direkt und ex- Dezember 1990 war er Direktor der der Krieg!“ einzusetzen.
plizit auf – Anzeichen der „Modernisie- Werkzeugmaschinenfabrik „7. Oktober“. Wir nehmen Abschied von unserem
rung“? Von seinen Kindheitserinnerungen Kameraden Fred Dellheim am 29. Okt-
Der FN will in der Ile-de-France ferner und den Jahren des bewaffneten Kamp- ober 2003 um 12.15 Uhr auf dem Zen-
private Sicherheitsgesellschaften in Schu- fes gegen den deutschen Faschismus ge- tralfriedhof in Berlin-Friedrichsfelde.
len, wo mitunter Gewaltprobleme herr- prägt, übernahm er im November 1992 Bundesausschuss und Geschäftsfüh-
schen, zu Wachdiensten einsetzen. Er will den Vorsitz des nach dem Ende der DDR render Vorstand der VVN-BdA ■
die katholischen Privatschulen begünsti-
gen, aber auch die Autofahrer gegenüber
den öffentlichen Transportmitteln (was als
„Wiederherstellung des Gleichgewichts
zwischen Automobil und öffentlichem
Transport“ bezeichnet wird, eine reichlich
7. – 8. Novem ber 20 0 3 - M einingen
absurde Darstellung der derzeitigen Ver-
teilung zwischen beiden Beförderungsar- W ir k ön n en
ten).
Auch in der Ile-de-France ist an eine
Öffnung der Listen für so genannte unab-
au ch an d er s!
hängige Persönlichkeiten gedacht. Bisher Gem ei n sam g eg en An t i sem i t i sm u s,
fand sich aber nur eine: Jean-Richard Sul- Rassi sm u s u n d sozi al e Au sg r en zu n g
zer, wirtschaftsliberaler Ökonomieprofes-
sor an der Universität Paris-Dauphine (Pa- 7.11. Ratschlag-Eröffnung
ris-9). Dieser hatte zwar bis vor kurzer
K o n t ak t : L A G-A n t i r assi sm u s/A n t i f a T h ü r i n g en

18 Uhr
Jam-Session mit Microphone Mafia,
Zeit eine Mitgliedskarte der konservativen FcS, DJ Dee u.a.
r at sch l ag @l ag -an t i f a.d e - 0 36 1-2172711

Einheitspartei UMP, doch seine Nähe zum Kleinkunstbühne Rautenkranz, Ernestinerstr. 40


FN ist nun wirklich keine Überraschung.
Sulzer hatte etwa seit Jahren regelmäßig
8.11. Mahngang
9.30 Uhr
der rechtsextremen Wochenzeitung „Mi- Demonstration
Bahnhofsvorplatz Lindenallee
nute“, die als Bindeglied zwischen einem
Teil der Konservativen und dem FN-na- 8.11. Ratschlag-Foren und Workshops
11 Uhr
hen Spektrum gilt, Interviews und Texte
Meiningen, Stadtteil Jerusalem, Henfling Gymnasium
Gef ö r d er t d u r ch d as
zur Verfügung gestellt. Bu n d esp r o g r am m

Bernhard Schmid, Paris ■ Ant irassist ischer/ant if aschist ischer Rat schlag Thüringen

: antifaschistische nachrichten 22-2003 9


Fachtagung des Verfas-
sungsschutzes NRW: „Die
Neue Rechte – eine Gefahr
für die Demokratie?“
Düsseldorf. „Intellektuelle Rechtsex-
tremisten sind genauso gefährlich wie
brutale Neonazis“, warnte Innenminister
Dr. Fritz Behrens auf einer Fachtagung
am 8.10.03 in Düsseldorf. „Rechtsextre-
mismus – das ist nicht nur die direkte,
körperliche Bedrohung von Andersden-
kenden. Intellektuelle Rechtsextremisten
wollen die politischen Koordinaten
durch Meinungsmache nach Rechtsau-
ßen verschieben“. Die Tagung war im
Vorfeld vor allem in der „Jungen Frei-
heit“ heftig kritisiert worden. Protest aus
CDU-Kreisen folgte. Das Innenministe-
rium lade Linksextremisten wie Chris-
DFG-VK fordert „Rüstungs- Dieses Motiv sowie zwei weitere können als
toph Butterwegge, Wolfgang Gessenhar- Postkarte oder Aufkleber bestellt werden bei:
ter und Anton Maegerle ein, so der Vor- haushalt senken“ info@keinkriegnirgendwo.de.
wurf. (siehe AN ...) Preise gestaffelt nach Menge.....
In einer Pressemitteilung zieht das Ludwigsburg. Der Bundeskongress der Anzuschauen auf der Website der Kölner
Innenministerium jetzt eine inhaltliche DFG-VK beschloss am vergangenen Initiative: www.keinkriegnirgendwo.de
Bilanz der Tagung. Darin heißt es: „Die Wochenende im baden-württembergi-
Neue Rechte verwischt die Trennungsli- schen Ludwigsburg die Fortsetzung der
nien zwischen demokratischem und DFG-VK-Kampagne „Schritte zur Ab- kommenden Jahren die Vernetzung mit
rechtsextremistischem Spektrum. Ihr rüstung“. Die Delegierten fordern eine internationalen Friedensorganisationen
Ziel ist es, den Pluralismus einer offenen jährliche Reduzierung des Verteidi- sowie der Widerstand gegen Auslands-
Gesellschaft gegen zementierte Wertvor- gungshaushaltes um mindestens fünf einsätze der Bundeswehr. „Kriegsführen-
stellungen auszutauschen. Dazu gehört Prozent jährlich vorzunehmen. Als neu- de Einheiten der so genannten Einsatz-
auch, das Individuum ethnisch verstan- este Aktion im Rahmen der langfristig kräfte und das Kommando Spezialkräfte
denen Kollektiven wie Volk und Nation angelegten Kampagne begrüßte der (KSK) aus Calw müssen ersatzlos aufge-
unterzuordnen. Hinter dem gemäßigten Bundeskongress die Aktion „Rüstungs- löst werden“, fordert BSK-Sprecher
Duktus der Neuen Rechten verbergen haushalt senken!“ Mit der Aktion, die Grässlin.
sich oft antidemokratische und fremden- unter anderem die massenhafte Versen- Frank Brendle,
feindliche Konzepte. Diese zu enttarnen dung von Postkarten an die Bundesre- Referent für Presse- und
ist eine der Kernaufgaben unseres Ver- gierung beinhaltet, greift die DFG-VK Öffentlichkeitsarbeit ■
fassungsschutzes“. Und weiter: auch aktiv in
„Eine der bedeutendsten Publikatio- die aktuellen
nen der Neuen Rechten ist die Berliner Diskussionen Neu erschienen im GNN-Verlag
Wochenzeitung „Junge Freiheit“, die um Haus-
vom nordrhein-westfälischen Verfas- haltskürzun- Frank Pieper (Hg.)
Frank Pieper (Hg.)
Holger Kuhr
sungsschutz seit etwa zehn Jahren beob- gen und Ein- Christiane Schneider

achtet wird. Gerichte haben bislang un- griffe in das Die EU, „Kerneuropa" und
Osterweiterung Die EU, „Kerneuropa“
eingeschränkt bestätigt, dass die Zeitung Sozialsystem und Osterweiterung
Anhaltspunkte für den Verdacht verfas- ein. Es sei Geschichte, Entwicklung
sungsfeindlicher Bestrebungen liefere. ein Skandal, und Perspektive eines Geschichte, Entwicklung
und Perspektive eines
Um sich als pluralistisches Medium dar- soziale Rech- imperialistischen Blocks unter imperialistischen Blocks
unter deutsch-französischer
zustellen, bemüht sich die „Junge Frei- te einzu- deutsch-französischer Hegemonie Hegemonie
heit“ mit Erfolg, neben Rechtsextremis- schränken,
ten demokratische Persönlichkeiten als um der Beiträge:
Autoren und Interviewpartner zu gewin- Bundeswehr
nen.“ die weitere Frank Pieper
Besonders dieser Passus wird der JF Verschwen- 100 Jahre Weltmachtstreben
ein Dorn im Auge sein, streitet sie doch dung von Deutsche Mitteleuropakonzepte vom
seit neun Jahren mit dem Land NRW, um Milliardenbe- Kaiserreich bis Joschka Fischer
nicht mehr vom Verfassungsschutz beob- trägen zu er-
achtet zu werden und in den jährlichen möglichen, Christiane Schneider
Berichten erwähnt zu werden. Bisher äußerte EU auf dem Weg zur „Supermacht"
vergeblich, jetzt hoffen sie auf Karlsruhe. Bundesspre- „Kerneuropa“ und Militarisierung 112 Seiten, Preis 5 €, ab 3 Ex.: 3,50 €
Der Verfassungsschutz hat zum Thema cher Jürgen plus Versandkosten
Neue Rechte unter dem Titel „Die Kultur Grässlin.
Holger Kuhr
als Machtfrage. Die Neue Rechte in Zu den
Peripherisierung und Zu beziehen bei: GNN-Verlag,
Deutschland“ eine Studie veröffentlicht. weiteren
avantgardistische Finalität Neuer Kamp 25, 20359 Hamburg
Sie ist im Internet unter www.im.nrw.de/ DFG-VK-Ar-
Die Berliner Europa-Politik und Fax (0 40) 43 18 88 21
sch/doks/vs/neurech.pdf abgelegt und beitsschwer-
die EU-Osterweiterung eMail: gnn-hhsh@hansenet.de
kann als Broschüre beim Inennemniste- punkten ge-
rium bestellt werden. PM IMI NRW - u.b. ■ hören in den

10 : antifaschistische nachrichten 22-2003


: ausländer- und asylpolitik

Bleiberecht für Pro Asyl-Broschüre zum Tag


des Flüchtlings
geduldete Flüchtlinge! „Minimale Standards, maximale Abschottung,
Umbau- und Abrissarbeiten am europäischen
Flüchtlingsschutz“ lautet der Titel eines Artikels
Demonstration am Samstag, 4.10.2003 in Hannover von Karl Kopp in der Broschüre des Förderver-
Ein Bündnis von ca. 30 Gruppen, Flüchtlingsrat Niedersach- eins Pro Asyl, herausgegeben zum Tag des Flücht-
sen und Thüringen, VVN/BdA Nds., AWO Nds., Caritas, dia- lings 2003. Im folgenden einige Gesichspunkte:
konisches Werk, Kooperative Flüchtlingssolidarität, Romane Die europäischen Staaten übertreffen sich in
Aglonipe e.V. u.a. riefen zur Demonstration auf (siehe Bild). Grausamkeiten gegenüber Flüchtlingen und in
diesem Sinne „harmonisieren“ sie das Asyl –und
„... Allein in Niedersachsen leben derzeit ca. 25.000 Menschen mit einer Ausländerrecht. „Der Grundtenor: schärfere Ein-
Duldung, 15.000 von ihnen halten sich seit mindestens 5 Jahren in reisebestimmungen, schnellere Asylverfahren,
Niedersachsen auf. Ein Großteil von ihnen sind Kriegsflüchtlinge, denen längere Abschiebungshaft, mehr Abschiebungen,
der Schutz des Asylrechts verweigert wurde, die aber gleichwohl aus weniger oder völliger Ausschluss von Sozialleis-
unterschiedlichsten Gründen nicht abgeschoben werden durften und konn- tungen, restriktivere Bestimmungen zur Familien-
ten... Mit einer Duldung zu leben heißt eingeschränkter Arbeitsmarktzu- zusammenführung etc.“ Vorgeprescht ist Bundes-
gang, ... jahrelanges Leben in einer Sammelunterkunft, kein Anspruch auf innenminister Schily mit der Forderung einer ge-
Sozialleistungen, stattdessen Minderversorgung durch das Asylbewerber- meinsamen europäischen Grenzpolizei zur ‚Terro-
leistungsgesetz... in der Regel kein oder wenig Bargeld, Einkaufen mit rismusbekämpfung‘. Im Juni 2002 erklärte die
Gutscheinen, Verbot, den zugewiesenen Wohnort zu verlassen. ... spanische Präsidentschaft die Migrations- und
So kämpfen nicht zuletzt Roma aus dem ehemaligen Jugoslawien für Asylpolitik zum Schwerpunktthema des EU-Gip-
ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht... Wir verlangen eine ... Bleiberechtsre- fels. „Die Mehrheit der EU-Staaten versteht dar-
gelung für: langjährig geduldete Flüchtlinge, Opfer rassistisch motivierter unter ... die Bekämpfung der ‚illegalen’ Einwan-
Straftaten, unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, traumatisierte, alte, be- derung“. ,,Seit Ende Januar 2003 bekämpft die
hinderte und chronisch kranke Flüchtlinge.“ (aus dem Aufruf). britische Marine in einem EU-Pilotprojekt ge-
meinsam mit Griechenland, Italien, Spanien und
Am Demonstrationszug, der mit Zwischenkundgebungen vom Kröpcke Portugal die Einreise von Flüchtlingen und Mi-
durch die Innenstadt bis zum Opernplatz stattfand, nahmen mehr als 200 granten im Mittelmeer.“ Flüchtlinge sollen nicht
Menschen teil. Andrea Kothen von Pro Asyl bemerkte in ihrem Beitrag weit kommen. „Tatsache ist, dass die Mehrheit der
zum Entwurf eines Zuwanderungsgesetzes der rot-grünen Regierung: Flüchtlinge meist unter katastrophalen Bedingun-
„Für die meisten heute Geduldeten bedeutet das Zuwanderungsgesetz gen in den jeweiligen Nachbarländern der Staaten
noch mehr Diskriminierung, noch mehr Ausreisedruck und irgendwann: lebt, aus denen sie geflohen sind. Der europäische
die Abschiebung.“ Berisa Koops von Romane Aglonipe e.V. berichtete Wunsch nach ‚Regionalisierung‘ drückt vor allem
von seinem Besuch im ehemaligen Jugoslawien. aus, dass künftig die Aufnahme von Flüchtlingen
„ Die Roma leben in Lagern und können nicht in ihre Häuser zurück- auf das absolute Minimum reduziert werden soll...
kehren. Sie leben im Elend, sie haben keine Arbeit. Wir fordern: Keine ‚Flüchtlingsschutz‘ soll weitgehend in die Her-
Abschiebungen in das ehemalige Jugoslawien. Bleiberecht für alle. Wir kunftsregionen ausgelagert werden. In ‚regionalen
leben hier seit über 10 Jahren und müssen ständig neu Duldung beantra- Schutzzonen‘ sollen die Asylverfahren durchge-
gen. Wir haben auch hier keine Arbeit. Wir Roma waren vor 60 Jahren führt werden. Von dort nehmen die europäischen
verfolgt und sind es heute wieder. Wir wollen Rechte, wie alle anderen, Aufnahmeländer nur noch wenige Flüchtlinge im
für uns und unsere Kinder. Wir Roma werden weiter kämpfen und rufen Rahmen von Quoten auf.“ ... Die EU-Staaten wer-
auf zur Demonstration für ein gesichertes Aufenthaltsrecht anlässlich der den Genfer Flüchtlingskonvention und Europäi-
Innenministerkonferenz am 20./21.11.03 in Jena.“ sche Menschenrechtskonvention außer Kraft set-
anr ■ zen. anr ■

: antifaschistische nachrichten 22-2003 11


Frankreich:
Hartz-Gesetze - Ein Förder-
band ins soziale Abseits
Auch die in den letzten Tagen von Sei-
Arbeitspolitik auf Kos-
ten der Regierungskoalition noch vor-
genommenen Korrekturen an den
ten von Einwanderern
Hartzgesetzen III und IV ändern nichts
„Den schlimmsten Gesetzestext, Frankreich angedroht. Dies hätte vor al-
daran, dass die geplanten Reformen
der in Frankreich seit 1945 her- lem eine dramatische Folge gehabt: Kein
Flüchtlinge noch mehr an den Rand der
vorgebracht wurde“ nennt Mi- schwarz arbeitender, weil „illegaler“ Im-
Gesellschaft drängen. Ein wenig
chel Tubiana, der Vorsitzende der tra- migrant hätte sich mehr getraut, seinen
Schminke im Flüchtlingsbereich ändert
ditionsreichen Liga für Menschenrech- Arbeitgeber wegen unbezahlter Löhne
nichts an der Wirkungsweise des Geset-
te (LDH), den derzeit beratenen Ent- oder nach einem Arbeitsunfall zur Anzei-
zes: Es ist ein gigantisches Förderband
wurf zur Neuregelung der Ausländer- ge zu bringen. Die perfekte Lösung für
in das soziale Abseits.
gesetze. Dieser sieht eine Reihe von das alte Problem, dass der Staat als ideel-
Asylbewerberinnen und Asylbewer-
Verschärfungen vor, schränkt etwa ler Gesamtkapitalist das Elend der „Drit-
bern und einem Großteil der Gedulde-
das Recht auf Familienzusammenfüh- ten Welt“ aus dem Land halten, so man-
ten droht die kaltherzige Aussperrung
rung ein, und trägt zur „Destabilisie- cher Einzelkapitalist aber durchaus gern
vom Bezug des geplanten Arbeitslosen-
rung“ der im Land lebenden Immi- über „illegale“, also billige, Arbeitskraft
geldes II. Flüchtlingen will man zumu-
granten bei, indem er die Fristen für verfügen will. Ein Kompromiss, der gera-
ten, noch weit unter dem massiv abge-
die Erlangung eines unbefristeten Auf- dezu zukunftsweisend ist: Die Sklaverei
senkten Leistungsniveau des Arbeitslo-
enthaltsrechts zum Teil deutlich verlän- ist schließlich auch eine Organisations-
sengeldes II zu leben. Bereits bisher
gert (siehe AN 15/03 vom 17. 7.03). form der multikulturellen Gesellschaft.
existenten Ausgrenzungsstrategien folgt
Bisher konnte ein, auch „illegaler“,
weitere Diskriminierung per Gesetz.
Nur zwei Tage hatte die Nationalver- Immigrant sich im Fall der Nichtbeach-
Fatal ist auch, dass an Maßnahmen
sammlung – das parlamentarische tung seiner Rechte an die ,inspecteurs du
der Arbeitsförderung, wie Weiterbil-
„Unterhaus“ im Juli benötigt, um die von travail‘, eine Art Arbeitsschutzdezernen-
dungsmaßnahmen oder eine Berufsaus-
Innenminister Nicolas Sarkozy im Früh- ten wenden, immer noch auf die Gefahr
bildung, nicht teilnehmen kann, wer
jahr vorgestellte Gesetzesvorlage in er- hin, den Job los zu sein. Doch die Neu-
keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld
ster Lesung durchzuwinken. Doch Ende fassung der Gesetzgebung hätte die in-
II hat. Dies betrifft etwa Flüchtlinge, die
September brach die Debatte über den specteurs du travail amtlich verpflichtet,
zuvor versicherungspflichtig beschäf-
Entwurf doch noch an. Damals schlug den betreffenden Immigranten selbst zur
tigt waren. Nach Jobverlust und Ende
der Gisti (Groupe d’information et de Anzeige zu bringen. Dagegen liefen diese
des Arbeitslosengeldbezuges müssen
soutien aux immigrés = Gruppe zur Infor- Untergebenen des Arbeitsministeriums in
sie mit Sachleistungen nach dem Asyl-
mation und Unterstützung von Immi- der vergangenen Woche Sturm. So sehr,
bewerberleistungsgesetz rechnen. Von
granten) Alarm. Der Gisti ist eine vor al- dass auch ihr vorgesetzter Minister Fra-
sämtlichen Fördermaßnahmen ausge-
lem auf Rechtsberatung und Analyse der nçois Fillon sich gegen die neue Bestim-
schlossen, ist ihr Weg in die Langzeitar-
Gesetzesentwicklung spezialisierte Initi- mung wandte, über die er umso mehr ver-
beitslosigkeit vorgezeichnet.
ative mit derzeit 170 Mitgliedern, mehr- ärgert war, als sein Ministerkollege Sar-
Die nächste Verschärfungsrunde
heitlich wohl mit juristischem Hinter- kozy ohne Absprache in sein Ressort ein-
droht bereits. Die Bundestagsfraktion
grund (unter ihnen 40 Anwälte und An- griff.
der CDU/CSU hat am 8. September
wältinnen). Als am 8./9. Oktober die Gesetzesde-
2003 in ihren eigenen Gesetzentwurf
Von der Öffentlichkeit und selbst den batte im Senat, dem „Oberhaus“ des Par-
zur „Sicherung der Existenzgrundla-
Solidaritätsinitiativen für Immigranten laments (dort sitzen vor allem „Elder Sta-
gen“ Vorschriften aufgenommen, die
völlig unbemerkt, war während der parla- tesmen“ sowie Vertreter der Gebietskör-
vorsehen, dass Asylsuchende künftig
mentarischen Beratung im Juli ein wich- perschaften, vorwiegend der ländlichen
keine Chance haben sollen, Leistungen
tiger Änderungsantrag durchgekommen. Kommunen) begann, drohte der Streit so-
nach dem Bundessozialhilfegesetz zu
Bereits bisher war die Beschäftigung aus- gar die bürgerliche Rechte zu spalten.
erhalten. Bislang muss nach drei Jahren
ländischer Staatsbürger, die „illegal“ in In der Nacht zum Freitag, 10. Oktober
reduzierter (Sach-)Leistungen nach
Frankreich leben, strafbar für den Arbeit- wurde dann in letzter Minute ein Kom-
dem Asylbewerberleistungsgesetz ge-
geber. Dieser riskierte bislang theoretisch promiss gefunden. Mit Zustimmung des
prüft werden, ob ein Anspruch auf Leis-
eine Strafe von 4.500 Euro Geldstrafe Innenministers wurde der strittige Geset-
tungen nach dem Bundessozialhilfege-
und bis zu drei Jahren Haft, die aber in zesartikel (article 14 bis, also „Paragraph
setz besteht. Wie angekündigt wird die
der Praxis nur sehr selten verhängt wur- 14 a“) wieder entfernt. Allerdings wurde
Union ihre Vorstellungen in das Ver-
de. Der Beschäftigte dagegen wurde bis- stattdessen der Passus über den Entzug
mittlungsverfahren zum Zuwande-
her eher als Opfer dieser Straftat betrach- befristeter Aufenthaltstitel (article 6 bis,
rungsgesetz einbringen, wo der nächste
tet, da er unter ungeschützten Bedingun- also „Paragraph 6 a“) verschärft.
sozialpolitische Kuhhandel zu Lasten
gen und ohne soziale Absicherung arbei- Demnach droht künftig jedem Migran-
der Betroffenen droht.
ten muss. Nach dem Änderungsantrag, ten, der über ein vorübergehendes Auf-
PRO ASYL stimmt mit vielen Orga-
der vom konservativen Rechtsaußen-Ab- enthaltsrecht verfügt, etwa weil er im
nisationen in der Kritik der Hartzpläne-
geordneten Thierry Mariani – der zu- Asylverfahren steckt und er schwarz ar-
überein. Im Zentrum der fälschlicher-
gleich als Berichterstatter für den Geset- beitet, der Entzug des Aufenthaltstitels
weise als „Reformvorhaben“ titulierten
zestext vor dem Parlament firmierte – mit sofortiger Wirkung. Damit kann er
Hartzgesetze steht die Absicht, die Risi-
eingebracht und daraufhin durch Innen- abgeschoben werden. Auch dies dürfte
ken der Arbeitslosigkeit weiter zu indi-
minister Sarkozy in der parlamentari- dafür sorgen, so manche migrantische
vidualisieren und den vom Arbeits-
schen Beratung unterstützt worden war, Arbeitskraft willfährig zu halten, aller-
markt Ausgegrenzten die Schuld an ih-
sollte sich dagegen künftig auch der Aus- dings nicht die, die ohnehin keine Auf-
rem Schicksal zuzuweisen.
länder strafbar machen. Ihm wurden enthaltspapiere besitzen: Sie haben auch
gez. Bernd Mesovic, Pro Asyl ■
3.750 Euro Geldstrafe und drei Jahre keine zu verlieren.
Aufenthalts- und Wiedereinreiseverbot in Bernhard Schmid, Paris ■

12 : antifaschistische nachrichten 22-2003


Mit seinem Urteil vom 24. Sep- Nach dem BVerfG-Urteil
tember hat das Bundesverfas-
sungsgericht ein durch mehrere Ge-
richtsinstanzen hindurch bestätigtes
Neue Runde im Kopf-
Verbot des Oberschulamtes Stuttgart
aufgehoben: Dieses hatte die Über-
nahme der in Afghanistan geborenen,
tuchstreit
seit 1995 eingebürgerten Lehrerin F. Argumente der Verbotsbefürworter Zahl von Menschen das Kopftuch und die
und Gegenargumente
Ludin in den Schuldienst wegen „man- Verschleierung als kulturelle Herausfor-
gelnder persönlicher Eignung“ abge- In der Befürwortung des Kopftuchverbots derung einer von ihnen in ihrem Werte-
lehnt. werden neben anderen zwei direkt reak- system abgelehnten Gesellschaft verste-
tionäre Gründe angeführt, ein in deut- hen und vor allem, ob und mit welchen
Frau Ludin hatte darauf bestanden, auch scher Tradition autoritäres Staatsver- abwehrenden Reaktionen unter der Mehr-
im Unterricht ihr Kopftuch zu tragen. Das ständnis und nackte Fremdenfeindlich- heit der andersgläubigen Bürger zu rech-
Oberschulamt befand, das Kopftuch sei keit. Beides geht oft Hand in Hand. nen ist.“
Ausdruck kultureller Abgrenzung und da- Immerhin drei der acht Richter des Demagogisch, ohne Rücksicht auf den
mit nicht nur religiöses, sondern auch poli- Zweiten Senats des BVerfG widerspra- konkreten Fall wie auf die Komplexität
tisches Symbol, die damit verbundene chen in einem Minderheitenvotum1 dem des Sachverhalts und offen fremdenfeind-
„objektive Wirkung kultureller Desinte- Urteilsspruch u.a. mit folgender Begrün- lich erklärt Kulturkämpferin Alice
gration“ lasse sich mit dem Gebot der dung: „Wer Beamter wird, stellt sich in Schwarzer, die zwischen Kopftuch und
staatlichen Neutralität nicht vereinbaren.1 freier Willensentscheidung auf die Seite Burka keinen Unterschied zulässt, den
Das Bundesverfassungsgericht sah für die „Fall Ludin“ zur „Machtprobe“. „Kein
Ausschließung aus dem Schuldienst keine Zweifel, das Urteil ist ein halber Sieg für
gesetzliche Grundlage, regte aber eine ge- die Fanatiker, für die Glaube identisch ist
setzliche Regelung durch die Bundeslän- mit Politik, die den Rechtsstaat abschaf-
der an. fen, die Scharia einführen wollen. (…)
Das Urteil hat, da es zahlreiche Fragen Ein Gutes allerdings hat das umstrittene
berührt – die Frage des Beamtenrechts und Karlsruher Urteil: Bisher hatte die deut-
des Verhältnisses von Staat und Gesell- sche Politik diese existenzielle internatio-
schaft, die Frage des Verhältnisses von nale Debatte verschlafen, die unsere zu-
Staat und Religion, die Frage von Integra- künftige Welt prägen wird. (…) Das wird
tion und Ausgrenzung bzw. des Zu- sich jetzt ändern.“4
sammenlebens verschiedener Kulturen, Nicht nur Alice Schwarzer sieht durch
auch die Frage des Verhältnisses der Ge- eine Kopftuch tragende muslimische
schlechter – höchst kontroverse Reaktio- Lehrerin die Trennung von Kirche und
nen hervorgerufen, die sich nicht leicht in Staat gefährdet. Auch weniger demago-
ein Schema einordnen lassen. Kardinal gisch und aus aufklärerischen Motiven
Lehmann etwa begrüßte die Notwendig- vorgetragen, sticht das Argument aus
keit einer Gesetzesregelung als „Stärkung mehreren Gründen nicht: Die Trennung
des Rechts auf Ausübung der religiösen von Kirche und Staat ist in der BR
Freiheit“, während der Kirchenbeauftragte Deutschland nicht vollzogen, und sie
der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Kues, kommt mit einem – im Übrigen einseiti-
vertrat, Toleranz gegenüber nichtchrist- des Staates. Der Beamte kann sich des- gen – Kopftuchverbot auch nicht voran.
lichen Religionen könne nicht so weit ge- halb nicht in gleicher Weise auf die frei- Für die Lehrerin ist das Kopftuch (auch)
hen, „Symbolen wie dem Kopftuch Ein- heitssichernde Wirkung der Grundrechte ein religiöses Symbol, aber es macht sie
gang in den Staatsdienst zu eröffnen und berufen wie jemand, der nicht in die nicht zur Repräsentantin einer kirchlichen
damit herrschende Wertmaßstäbe heraus- Staatsorganisation eingegliedert ist.“ Die- Institution, so wenig wie das Kreuz, das
zufordern“.2 Der GEW-Vorsitzende in se Berufung auf das Beamtenrecht grün- eine christliche Lehrerin als Symbol ihrer
Rheinland-Pfalz will religiöse Symbole det ähnlich wie in der langen Zeit der Religiosität um den Hals trägt. Deshalb
wie das Kopftuch im Schulunterricht ver- Berufsverbote gegen kritische (angehen- ist das Kopftuch der muslimischen Lehre-
boten wissen, sein Berliner Kollege dage- de) Beamte auf Vorstellungen eines „star- rin auch nicht mit der Kleidung unterrich-
gen begrüßte die Klarstellung, dass staatli- ken Staates“, die Menschen mit von vor- tender Nonnen zu vergleichen, und erst
che Einrichtungen eine Bewerberin nicht gestellter Norm abweichendem Verhalten recht nicht mit dem Kruzifix, das von
aufgrund äußerlicher Merkmale wie das schnell als Staatsfeinde herauspräpariert. Staats wegen an der Wand hängt und die
Tragen eines Kopftuches ablehnen dürfen. So der NRW-Verfassungsgerichtspräsi- Verflechtung mit den christlichen Kir-
Heribert Prantl, Redakteur der liberalen dent Bertrams, der es für einen „unver- chen symbolisiert.
Süddeutschen Zeitung, forderte vehement zichtbare[n] Teil einer wehrhaften und Auch das vielfach vorgetragene Argu-
ein „Toleranzedikt“. Es gehe nicht um das streitbaren Demokratie“ hält, eine mosle- ment, das Kopftuch symbolisiere die
Kopftuch, sondern darum, das Selbstbe- mische Lehrerin aus dem Schuldienst Unterdrückung der Frau in den islamisch
wusstsein von muslimischen Frauen zu auszuschließen, wenn sie auf dem Tragen geprägten Kulturen und müsse deshalb
stärken, die sich gegen die traditionelle eines Kopftuchs im Unterricht beharrt. im Schulunterricht verboten werden, ist
Rolle in häuslicher Abgeschiedenheit wen- Denn eine solche Lehrerin „bekennt sich nicht stichhaltig. Warum dann nur bei Be-
den und sich stattdessen für ein Berufsle- nicht ohne Vorbehalt und widerspruchs- amtinnen, nicht gleich ganz und gar? Tat-
ben entscheiden. Der Kommentator der frei zu unserer Verfassung und ihren Wer- sächlich ignoriert das Argument, dass die
konservativen FAZ begrüßte das Urteil ten“.3 Ähnlich rügt die Minderheit des 2. Beweggründe, das (islamische) Kopftuch
mit fast schon entgegengesetzter Begrün- Senats die Senatsmehrheit: Diese „hat zu tragen, vielschichtig sind. Die Sach-
dung: „Es liegt eine Herausforderung im sich … nicht damit auseinander gesetzt, verständige in der mündlichen Verhand-
Kopftuch der Lehrerin: der Gedanke, dass ob innerhalb der Anhänger islamischen lung vor dem Bundesverfassungsgericht
die Kleiderordnung der H&M-Werbung Glaubens in Deutschland eine womöglich hatte 25 muslimische Pädagogikstuden-
nicht alleinseligmachend sein könnte.“ nicht unmaßgebliche oder gar wachsende tinnen, davon zwölf Kopftuchträgerinnen,

: antifaschistische nachrichten 22-2003 13


: neuerscheinungen
zum Kopftuch befragt und erfahren,
„dass das Kopftuch von jungen Frauen
auch getragen werde, um in einer Dia-
sporasituation die eigene Identität zu be-
wahren und zugleich auf die Tradition
Kohldampf, Knast und
der Eltern Rücksicht zu nehmen; als
Grund für das Tragen des Kopftuchs sei
Edelweiß –
darüber hinaus der Wunsch genannt wor-
den, durch ein Zeichen für sexuelle Zwei Kölner Edelweißpiraten erzählen
Nichtverfügbarkeit mehr eigenständigen
Schutz zu erlangen und sich selbstbe- Mit Büchern über die Edelweißpi-
stimmt zu integrieren. Das Tragen des raten sah es in den letzten Jahren in
Kopftuchs solle zwar in der Öffentlich- den Buchhandlungen eher schlecht
keit den Stellenwert religiöser Orientie- aus. Da auch Erinnerungen Konjunkturen
rung im eigenen Lebensentwurf doku- zu unterliegen scheinen, die Kölner Ar-
mentieren, werde aber als Ausdruck indi- beiterjugendlichen der vierziger Jahre des
vidueller Entscheidung begriffen und ste- letzten Jahrhunderts in die Welt der gebil-
he nicht im Widerspruch zu einer moder- deten, erfolgreichen und schönen Jungau-
nen Lebensführung. Die Bewahrung der tor(innen) und ihrer gleichartigen Helden
Differenz ist nach dem Verständnis der nun wirklich nicht hineinpassten und zu
befragten Frauen Voraussetzung ihrer In- allem Überfluss auch nicht zu den Sie-
tegration.“5 Werden diese Beweggründe gern der Geschichte gehörten, nahmen die
nicht reflektiert und respektiert, wird das einen Verlage lieferbare Titel aus ihren
Argument gegen die Unterdrückung von Programmen, die anderen verlegten Bü-
Frauen zu paternalistischer Bevormun- cher zum Thema gar nicht erst. In den
dung. Tatsächlich geht es bei der Ausein- letzten Wochen hat sich dieser Zustand
andersetzung ja gerade darum, ob Frau- deutlich verändert: Mit Jean Jülich und
en, die am islamischen Kopftuch festhal- Fritz Theilen haben fast gleichzeitig zwei
ten und damit an kulturellen Eigenheiten, ehemalige Edelweißpiraten ihre Erinne-
die im Wesentlichen die persönliche rungen an die Zeit des Faschismus (und
Schamgrenze betreffen, gleichberechtigt bei Jülich weit darüber hinaus) veröffent-
ihren Platz in dieser Gesellschaft einneh- licht. Vater war als aktiver Kommunist bereits
men können – oder nicht. Die Schicksale der beiden Männer äh- 1936 unter den Augen der Familie verhaf-
Das Bundesverfassungsgericht ist ei- neln sich: Beide stammen aus Kölner Ar- tet worden. Um die Familie versorgen zu
ner Entscheidung ausgewichen. In meh- beiterfamilien, beider Väter waren Antifa- können, musste seine Mutter arbeiten, der
reren Bundesländern sind prompt Geset- schisten, beide kannten die am 10. No- Sohn wuchs zeitweise im Kinderheim
zesinitiativen zum Verbot des islami- vember in Köln-Ehrenfeld ermordeten Ju- und bei seinen Großeltern auf. Den Hass
schen Kopftuchs angekündigt. Die Reak- gendlichen gut. Und doch unterscheiden gegen die Nazis lernte er damit schon von
tionen von dieser Seite lassen für die sich die Bücher, oder besser gesagt, er- Kindesbeinen an. Wie sein späterer
weitere Debatte nicht viel Gutes erwar- gänzen sie sich. Freund Fritz Theilen lernt auch Jülich die
ten. Die rechten Verbotsbetreiber werden Fritz Theilen, dessen Buch bereits ein- Edelweißpiraten eher zufällig kennen und
die Debatte auf das Kopftuch lenken und mal im Fischer Taschenbuchverlag er- ist sofort von ihrer Unangepasstheit be-
die Vereinbarkeit von muslimischer und schienen, aber bereits seit Jahren nicht geistert: „Diese Jungen und Mädchen
christlicher Kultur thematisieren und in mehr lieferbar war, erzählt ausführlich sprachen mich spontan an. Sie strahlten
Frage stellen. Sie sind es, die das Kopf- von seinem Weg in die Reihen der Edel- etwas Unangepasstes und Romantisches
tuch symbolisch überfrachten und die weißpiraten. Dieser Weg geht vom „uneh- aus, nicht den autoritären Drill der Hitler-
Aufmerksamkeit – auch der Schülerin- renhaften“ Ausschluss aus dem Jungvolk jugend“.
nen und Schüler, um deren Schulfrieden wegen „Disziplinlosigkeit“, über die dar- Theilen beschreibt diese Begeisterung
es ihnen angeblich geht – auf Kopftuch- auf folgenden Schwierigkeiten in der mit fast den gleichen Worten: „Ich jeden-
trägerinnen lenken und diese als Fremde Schule und bei der Suche nach einem falls war restlos begeistert von meiner
markieren und stigmatisieren. Ob es ge- Ausbildungsplatz, über das Mitmachen neuen Gruppe. Nichts mehr von HJ-Drill
lingt, ihnen das Thema zu verschieben bei den Navajos, einer Gruppe aus dem und Schikanen, sondern zusammensitzen,
und in den Vordergrund zu stellen, wie Umfeld der verbotenen Bündischen Ju- reden und singen. Es war sehr roman-
sich diese Gesellschaft und auch die ei- gend bis zur Freundschaft mit den Ehren- tisch, wenn wir die alten Fahrten- und
genen kulturell geprägten Sichtweisen felder Edelweißpiraten, Sabotageakten, Wanderlieder sangen“.
und Praktiken ändern müssen, um ein der Hilfe für Zwangsarbeiter, Illegalität Jean Jülich wird im Oktober 1944 ver-
friedliches, Gleichberechtigung, Selbst- und Haft. haftet und von der Gestapo nach Brau-
bestimmung und Toleranz förderndes Zu- Theilen entging dem Schicksal seiner weiler gebracht. Nach Wochen der Folte-
sammenleben zu erreichen? ermordeten Freunde vermutlich nur des- rungen muss er miterleben, wie einige
scc ■ halb, weil er vor der Verhaftung der Eh- seiner Freunde, darunter Bartholomäus
1 Wiedergegeben nach dem Urteil des BVerfG (2 renfelder Gruppe festgenommen worden Schink, abtransportiert werden. Die Zu-
BVR 1336/02): http://www.bverfg.de/entschei- war und in ein Jugendstraflager in den rückbleibenden glauben, Ziel sei ein KZ –
dungen/text/rs20030924_2bvr143602. Frau Ludin Hunsrück geschickt wurde. Von dort in Wirklichkeit werden die Jugendlichen
wird ausdrücklich nicht vorgeworfen, Kinder im
Sinne der islamischen Religion indoktriniert zu flüchtete er zurück nach Köln und gelang- in Ehrenfeld ermordet. Jülich wird in die
haben. te auf verschlungenen Pfaden schließlich Strafanstalt nach Rockenberg, einem klei-
2 www.cducsu.de, Meldung vom 25.9. nach Pfronten ins Allgäu, dem Ort, wohin nen Ort zwischen Gießen und Frankfurt,
3 Zitiert nach http://www.123recht.net/article. der Rest seiner Familie aus dem zerstör- gebracht und erlebt dort die Befreiung. Im
asp?a=6711&f=nachrichten_allgemein_
20030926-14357iy2&p=1 ten Köln evakuiert worden war. weiteren Verlauf des Buches berichtet er
4 www.emma.de/content/c1064395315480.html Anders als Theilen wohnte Jean Jülich von seinem Leben nach dem Krieg als
5 So wiedergegeben im Urteil des BVerfG. nicht in Ehrenfeld sondern in Sülz. Sein Kaufmann, Wirt und Karnevalist.

14 : antifaschistische nachrichten 22-2003


: aus der faschistischen
Jean Jülich wurde 1984 von der israeli- litisch-ideologischen Widerstandsbegriff presse
schen Holocaustgedenkstätte Yad Vas- operiert (wird), der Jugendlichen aus dem
hem als „Gerechter unter den Völkern“ Arbeitermilieu nicht gerecht werden
ausgezeichnet, eine Ehrung, die er im Be- kann. Warum sollte der Hass gegen die
wusstsein annahm, „stellvertretend für Nazis nicht einhergehen mit dem Wunsch NRW-Verfassungsschutz
alle die, die man ermordet habe, die Eh- und dem Kampf für das rasche Ende des
rung durch Yad Vashem zu erhalten“. Systems?“ In dieser sogenannten „Kölner lässt sich provozieren
Aber viele derjenigen, Kontroverse“ können Junge Freiheit Nr. 43/03 vom
als deren Stellvertreter sich Antifaschist 17. September 2003
sich Jülich fühlte, gal- (inn)en nur den Wor- An der Tagung des NRW-Verfas-
ten (und gelten) in der ten des Filmemachers sungsschutzes zum Thema „Neue
Bundesrepublik immer Dietrich Schubert an- Rechte – eine Gefahr für die Demo-
noch nicht als Ange- schließen, der im Vor- kratie“ hatten schon im Vorfeld ver-
hörige des Widerstan- wort zu Theilens Buch schiedene CDU-Politiker, Erwin K.
des gegen den Fa- bekennt: „Für mich, Scheuch und die gesamte Rechte Kri-
schismus sondern als und viele, die ihn ken- tik geübt. An der Tagung selbst nahm
Verbrecher, bestenfalls nen, ist Fritz Theilen das Blatt teil und außerdem begab
als unangepasste, aber ein Vorbild. Er wird sich Götz Kubitschek, Geschäftsfüh-
im Kern unpolitische sich immer engagie- rer des Instituts für Staatspolitik und
Jugendliche. ren, wenn er Unrecht Herausgeber der rechten Vierteljahres-
Diese neuerliche bemerkt“. Und das gilt zeitschrift „Sezession“, auf die Ta-
Diskriminierung, ohne nicht nur für Fritz gung.
zu übertreiben könnte Theilen sondern natür- Dort ergriff er die Gelegenheit zum
man von einer zwei- lich auch für seinen – wie er selbst sagt – „gezielten Re-
ten, moralischen Hin- Freund Jean Jülich gelverstoß“. Er störte die Veranstal-
richtung sprechen, und viele andere über- tung durch mehrere Redebeiträge und
sollte 1988 von dem lebende Menschen aus Zwischenrufe, ohne dass ihm das
Düsseldorfer Histori- dem Widerstand gegen Wort erteilt worden ist. Nach seinem
ker Bernd Rusinek Faschismus und Krieg. eigenen Bericht – das Blatt veröffent-
wissenschaftlich be- Das einzige Manko, licht ein ganzseitiges Interview mit
gründet werden. Jülich das Jean Jülichs Er- Kubitschek – hat er insbesondere
befasst sich ausführlich mit diesem Gut- innerungen haben, ist ihr Preis: Mit 19,90 NRW-Innenminister Behrens ange-
achten und weist auf dessen zweifelhafte Euro ist es für Viele, vor allem für Ju- griffen. Auf die Frage des Blattes, wie
Methodik hin: Die durch Prügel und an- gendliche, nur schwer erschwinglich. Da- das übrige Publikum reagiert habe,
dere Quälereien zustande gekommenen bei sind beide Bücher auch und gerade teilt Kubitschek mit: „Das Problem
Verhörprotokolle der Gestapo werden für Menschen, die keine Spezialisten für bei einem Regelverstoß ist, dass ein
von dem Historiker für bare Münze ge- die Geschichte des Widerstandes sind, erheblicher Teil der weniger engagier-
nommen, die Aussagen der heute noch eine nicht nur informative, sondern auch ten Anwesenden den Verstoß gegen
lebenden Zeitzeugen dagegen als partei- anrührende und spannende Lektüre. die institutionelle Ordnung immer als
isch und ungenau abgetan. tri ■ unangemessen empfindet. In einer Si-
Werner Jung, Leiter des Kölner NS- Jean Jülich: Kohldampf, Knast und tuation jedoch, in der man an die
Dokumentationszentrums, der das Geleit- Kamelle – ein Edelweißpirat erzählt Wand gedrückt wird, kann man darauf
wort zur Neuausgabe von Fritz Theilens sein Leben. Verlag Kiepenheuer und keine Rücksicht nehmen. Man verliert
Erinnerungen verfasste, geht ebenfalls Witsch, ISBN 3462-03540-1, Preis: mögliche Sympathisanten und domi-
auf dieses immer noch aktuelle Thema 19,90 Euro niert für einige Augenblicke den Ver-
ein und wirft seinem Kollegen „Überheb- lauf der Dinge. So gelingt es immer-
lichkeit gegenüber den Zeitzeugen“ vor. Fritz Theilen: Edelweißpiraten. Emons hin, die Veranstaltung öffentlichkeits-
Meines Erachtens zu Recht stellt er fest, Verlag Köln, ISBN 3-89705-272-5, wirksam zu prägen: Ob Spiegel Onli-
„dass in der Debatte häufig mit einem po- Preis: 9,80 Euro ne, Westdeutsche Allgemeine oder
Die Welt – kein Medium vergaß den
Auftritt zu erwähnen.“
Der Verfassungsschutz führte eine
Der Herausgabekreis und die Redaktion sind zu erreichen über:
GNN-Verlag, Zülpicher Str. 7, 50674 Köln Tel. 0221 / 21 16 58, Fax 0221 / 21 53 73. vorgezogene Kaffeepause durch und
email: antifanachrichten@netcologne.de, Internet: http://www.antifaschistische-nachrichten.de verwies Kubitschek des Saals.
Erscheint bei GNN, Verlagsges. m.b.H., Zülpicher Str. 7, 50674 Köln. V.i.S.d.P.: U. Bach Das Blatt reagiert höchst erfreut auf
Redaktion: Für Schleswig-Holstein, Hamburg: W. Siede, erreichbar über GNN-Verlag, Neuer Kamp 25, einen Beitrag des stellvertretenden Di-
20359 Hamburg, Tel. 040 / 43 18 88 20. Für NRW, Hessen, Rheinland Pfalz, Saarland: U. Bach, rektors des Dresdner Hannah-Ah-
GNN-Verlag Köln. Baden-Württemberg und Bayern über GNN-Süd, Stubaier Str. 2, 70327 Stuttgart,
Tel. 0711 / 62 47 01. Für „Aus der faschistischen Presse“: J. Detjen c/o GNN Köln. rendt-Institutes, Uwe Backes, der auf
Erscheinungsweise: 14-täglich. Bezugspreis: Einzelheft 1,30 Euro. der Tagung ausdrücklich dafür eintrat,
Bestellungen sind zu richten an: GNN-Verlag, Zülpicher Str. 7, 50674 Köln. Sonderbestellungen sind die Beobachtung der Jungen Freiheit
möglich, Wiederverkäufer erhalten 30 % Rabatt. durch den Verfassungsschutz einzu-
Die antifaschistischen Nachrichten beruhen vor allen Dingen auf Mitteilungen von Initiativen. Soweit ein- stellen, weil sie „kein Kampfblatt ei-
zelne Artikel ausdrücklich in ihrer Herkunft gekennzeichnet sind, geben sie nicht unbedingt die Meinung ner gefestigten Organisation“ sei.
der Redaktion wieder, die nicht alle bei ihr eingehenden Meldungen überprüfen kann. Der nordrhein-westfälische Verfas-
Herausgabekreis der Antifaschistischen Nachrichten: Anarchistische Gruppe/Rätekommunisten (AGR); Annelie
Buntenbach (Bündnis 90/Die Grünen); Rolf Burgard (VVN-BdA); Jörg Detjen (Forum kommunistischer Arbeitsgemein-
sungsschutz-Chef Möller hält jedoch
schaften); Martin Dietzsch; Regina Girod (VVN - Bund der Antifaschisten); Dr. Christel Hartinger (Friedenszentrum e.V., an seinem Vorgehen fest.
Leipzig); Hartmut-Meyer-Archiv bei der VVN - Bund der Antifaschisten NRW; Ulla Jelpke; Jochen Koeniger (Arbeitsgrup- uld ■
pe gegen Militarismus und Repression); Marion Bentin, Edith Bergmann, Hannes Nuijen (Mitglieder des Vorstandes der
Arbeitsgemeinschaft gegen Reaktion, Faschismus und Krieg–Förderverein Antifaschistische Nachrichten); Kreisvereini-
gung Aachen VVN-BdA; AG Antifaschismus/ Antirassismus in der PDS NRW; Angelo Lucifero (Landesleiter hbv in ver.di
Thüringen); Kai Metzner (minuskel screen partner); Bernhard Strasdeit; Volkmar Wölk.

: antifaschistische nachrichten 22-2003 15


: aus der faschistischen presse
geschickte Weise suggeriert Neubauer
damit die angebliche Kontinuität jüdi-
scher Mordpolitik von Christus bis Ara-
Antisemitismus als Leitmotiv Verwaltungen... Die Leistungen des fat.
Nation & Europa 10-2003 Staates haben sich an den Einnahmen – Weiter geht die Hasspropaganda in
Heiner Kappel war bisher stets bestrebt, und nicht die Einnahmen an den großzü- dem kurzen Beitrag „Wilhelm Busch -
nicht mit allzu offenen Faschisten zu- gig versprochenen Leistungen zu orien- ein Antisemit?“, in dem es am Ende
sammenzuarbeiten. Diese Phase scheint tieren. Bedarf ist, was man bezahlen heißt: „Lediglich die ,Süddeutsche Zei-
bei dem politisch notorisch erfolglosen kann.“). tung‘... will diesem Freispruch nicht
ExFDPler (stellvertretender Fraktions- Es ist davon auszugehen, dass Kappel ganz folgen und zitiert dazu den mittler-
vorsitzender im hessischen Landtag), der weiß, in welchem Organ er seine Thesen weile verstorbenen Golo Mann: Ein ,ar-
später beim Bund Freier Bürger mit- veröffentlicht. Das unterschwellige Ge- ger Antisemit‘ sei Wilhelm Busch zwar
mischte und heute Chef der Deutschen neralthema der Ausgabe ist nämlich (wie nicht gewesen, aber ,natürlich war er es
Partei ist, vorbei zu sein. In der Oktober- bereits häufig in der Vergangenheit) der ein klein bißchen, wie zu seiner Zeit alle
ausgabe von „Nation & Europa“ präsen- Antisemitismus. Deutschen und alle Franzosen auch‘.
tiert er deshalb „16 patriotische Grund- Das beginnt mit dem Titelbild: Im In- Warum – das bleibt wieder einmal rätsel-
forderungen“ unter der zwingenden neren eines grellgelben „Davidsterns“, haft“. Auch hier wieder das gleiche Mus-
Überschrift „Was in Deutschland geän- dem Zeichen, dass jüdische Menschen ab ter wie bei Neubauer: Der anonyme Au-
dert werden muß“. 1941 in Deutschland tragen mussten, ist tor mit dem Kürzel hg spricht nichts aus,
Kappels politisches Rezept bietet we- ein durch Sprengung zusammenbrechen- deutet nur an: Waren vielleicht die Juden
nig Neues. Da soll „Schluß (sein) mit der des Gebäude zu sehen. Dazu titelt die damals selbst Schuld am Antisemi-
verkrampften Selbstbeschuldigung und Redaktion: „11.9.2003 Palästina: Hoch- tismus? Und ist das nicht immer so
Selbsterniedrigung vor aller Welt“, eben- häuser, die keinen interessie- („wieder einmal“)? Auf den folgen-
so „mit der ideologisch geprägten und ren“. den zwei Seiten folgen dann
bornierten Umweltpolitik“. Dazu kom- Harald Neubauer, ei- die Überschriften „Deut-
men diverse Law-und-Order-Parolen ner der beiden Heraus- sche Wiedergutmachungs-
(„Schluß mit der ausufernden Krimina- geber, macht im Edi- zahlungen als Vorbild:
lität.... Schluß mit der Hilflosigkeit torial weiter. „Auf- Ägypter verklagen Welt-
gegenüber Drogen- und Menschenhan- grund jüdischer Boy- judentum“ und „Apart-
del“), die für N&E obligatorische Frem- kott-Aufrufe weigern heit-Staat Israel?“. Im
denfeindlichkeit („Deutschland ist über- sich... die großen Beitrag zu Theodor W.
bevölkert und braucht keine weitere Zu- Verleihfirmen, Gib- Adornos hundertstem Ge-
wanderung.... Ausländer, die langfristig sons jüngsten Film ... in burtstag darf natürlich nicht
von den Sozialämtern unterstützt wer- die Kinos zu bringen. Der fehlen, dass er als „Sohn eines
den, sind zur Rückkehr in ihre Heimat zu mit hohem Aufwand gedrehte jüdischen Weinhändlers“ geboren
verpflichten.... Schluß mit dem Multi- Streifen behandelt die letzten Stun- wurde und „eigentlich Wiesengrund“
Kulti-Wahn“) und ein ordentlicher den im Leben von Jesus Christus. Als hieß, auch bei Arnold Schönberg und
Schuss Nationalismus ( „Schluß mit der Vorlage dient die Bibel. Dort ist dum- Hannah Arendt wird ausdrücklich auf
nur begrenzten ,Souveränität‘ Deutsch- merweise zu lesen, ,die Juden‘ seien deren jüdische Herkunft hingewiesen.
lands. Fast sechs Jahrzehnte nach dem Schuld an der Hinrichtung des Gottes- und auch Franz Schönhuber weiß seinen
Krieg brauchen wir keine Bevormun- sohns. Damit verstößt das Buch der Bü- Beitrag zu leisten: „Daß bei diesem Ge-
dung und keine Sonderrechte der Alliier- cher massiv gegen die political correct- schacher nicht nur im Hintergrund jüdi-
ten mehr“). Abgeschmeckt wird die un- ness....Während Gibson die Absagen der sche Amtsträger in der Bush-Regierung
genießbare braune Sauce noch mit ein Verleiher ereilten, tagte in Jesrusalem eine Rolle spielen, ist kein Geheimnis,
paar Spritzern Sozial- und Demokratie- wieder einmal der Rat der Schriftgelehr- wird auch von ihnen selbst nicht bestrit-
abbau („Schluß mit dem verantwor- ten. Natürlich ging es auch diesmal um ten. Aber ihnen kann man zumindest zu-
tungslos aufgeblähten Staat. Deutsch- nichts Böses. Nur um die Ermordung des gute halten, daß sie in dem Glauben han-
land braucht weniger Parlamentarier, Friedensnobelpreisträgers Yasir Arafat. deln, ihrem gelobten Land Israel helfen
weniger Regierungsbeamte, weniger Er wird den Schächern zugeordnet“. Auf zu müssen“. Von Max Pechstein gibt es
die Anekdote, er habe über die Nazis ge-
äußert, er könne gar nicht so schnell fres-
sen wie er kotzen müsse. Der Maler
BESTELLUNG: Hiermit bestelle ich … Stück pro Ausgabe (Wiederverkäufer erhalten 30 % Rabatt)
wusste, wovon er sprach.
O Halbjahres-Abo, 13 Hefte 22 Euro
Erscheinungsweise: Georg K. Schmelzle, der nach Anga-
O Förder-Abo, 13 Hefte 27 Euro 14-täglich ben der Redaktion 35 Jahre lang „als
O Jahres-Abo, 26 Hefte 44 Euro
Oberstudienrat an einer Berufsschule in
O Förder-Abo, 26 Hefte 54 Euro
Norddeutschland“ unterrichtete, gibt
O Schüler-Abo, 26 Hefte 28 Euro
Antwort auf die Frage „Welche Bildung
O Ich möchte Mitglied im Förderverein Antifaschistische Nachrichten werden. Der Verein unterstützt finanziell
und politisch die Herausgabe der Antifaschistischen Nachrichten (Mindestjahresbeitrag 30,- Euro). brauchen wir“. Einer seiner Sätze lautet:
Einzugsermächtigung: Hiermit ermächtige ich den GNN-Verlag widerruflich, den Rechnungsbetrag zu Lasten
„Ich bin der Meinung, daß die Misere
meines Kontos abzubuchen. (ansonsten gegen Rechnung) vor allem vom fehlenden ,Mut zur elter-
lichen Erziehung‘ ausgeht. Sie muß sich
Name: Adresse: bei der Ausbildung der Kinder und Ju-
gendlichen auf die erkennbaren positiven
Konto-Nr. / BLZ Genaue Bezeichnung des kontoführenden Kreditinstituts Begabungen stützen und sie mit Sekun-
därtugenden zu ergänzen und zu befesti-
Unterschrift gen suchen...“. Die Misere muss sich auf
positive Begabungen stützen – die Frage
GNN-Verlag, Zülpicher Str. 7, 50674 Köln, Tel. 0221 – 21 16 58, Fax 21 53 73, email: gnn-koeln@netcologne.de
Bankverbindung: Postbank Köln, BLZ 370 100 50, Kontonummer 10419507
nach der Bildung, die wir brauchen stellt
sich in der Tat. tri ■

16 : antifaschistische nachrichten 22-2003

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