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in demokratischen Geseltschaf ten

- Das ,,Propagandamodell" von Noam Chomsky und Edward S. Herman

ü[trt öen yto[itiscfien cehaucfi aom'Teytoy' wnö 'Tewoisvyas' öurcfi MeDien unö Swat

MICHAEL ScHIFFMANN
Vorwort
Beim folgenden Text handelt es sich, im wesentlichen unverändert, um ein Referat, das ich im von
Fritz Hermanns geleiteten Seminar ,,Sprache in der Politik" am Seminar für Allgemeine Sprachwis-
senschaft in Heidelberg im Wintersemester 1995196 (am 18. und 25. Januar 1996) gehalten habe.
Im Verlauf ihres sich inzwischen über mehr als dreißig Jahre erstreckenden politischen Aktivismus
haben der Wirtschaftswissenschaftler Edward S. Herman und der weltbekannte Linguist Noam
Chomsky ein Modell der politischen Funktion der Medien in den demokratisch verfaßten Marktwirt-
schaften der westlichen Industriegesellschaften entwickelt. Diese Funktion besteht ihrem Modell zu-
folge in Propaganda, in der Propagierung der Werte der herrschenden Gesellschaftsordnung und der
sie dominierenden Eliten.
Mögen die Medien auch, anders als beispielsweise in totalitären Staaten, die zu hohe Arbeitslosigkeit
kritisieren di.irfen und sie auch tatsächlich kritisieren, die Arbeitslosigkeit an sich und mit ihr ein
Wirtschaftssystem, das sie mit eherner Notwendigkeit und im Millionenmaßstab immer wieder her-
vorbringt, wird von ihnen niemals in Frage gestellt.
Die Medien beklagen ebenfalls die Exzesse der Ausländerfeindlichkeit, unter anderem, weil sie ,,dem
Ansehen der Bundesrepublik Deutschland schaden". Aber wo ist die Zeitung in Massenauflage, wo
die Femsehserie, die regelmäßig und detailliert zeigl, wie der kapitalistische Weltmarkt Landstriche
von vielfacher Größe etwa der BRD in den Ruin stößt, so daß Millionen Menschen sich auf die Suche
nach einem Ort machen, wo sie wenigsten Almosen erhoffen können? Ein kapitalistischer Weltmarkt,
von dem gerade die BRD an fi.ihrender Stelle prohtiert?
Wo ist das Massenmedium, das die Frage aufwirft, warum es die ärmeren Teile der Bevölkerung sind,
zum Beispiel die Arbeiter und Angestellten, die nicht weniger und nicht schlechter gearbeitet haben
als zuvor, die die Kosten der Wirtschaftskrise bezahlen sollen? Mehr noch: wo findet sich überhaupt
noch die triviale Feststellung, daß der Grund für ,,die Ebbe in den Kassen" in der Wirtschaftslcrise zu
suchen lsl, nicht darin, daß die Leute ,,über ihre Verhältnisse gelebt haben"?
Welche Boulevardzeitung bringt, um einmal ein Beispiel aus der Außenpolitik herauszugreifen, nicht
Bilder von ,,Kurdenkrawallen" auf der ersten Seite, sondern Bilder von den Massakern, die die ti.irki-
sche Armee mit HiW von ausrangierten NVA-Panzern der Bundeswehr in Kurdistan anrichtet?
Und so weiter. Auch in der BRD böte sich dem (zunächst hauptsächlich anhand der US-Außenpolitik
und ihrer Widerspiegelung in den US-Medien entwickelten) ,,Propagandamodell" von Herman und
Chomsky ein breites Anwendungsfeld. Statt die Wirklichkeit durchsichtiger m machen, liefern die
Medien eine propagandistisch verzerrte, einseitig den Interessen der herrschenden Eliten dienende
Sicht.
Auch in der Bundesrepublik gilt: um die wirtschaftlichen, sozialen und politischen Interessen der Eli-
ten durchzusetzen, muß die Masse im Unwissen über ,,die größeren Zusammenhänge" gehalten, ja re-
gelrecht verdummt werden. Und sobald dieser Prozeß zu einem gewissen Grad erfolgreich gewesen
ist, kann man folgerichtig dant übergehen, der Masse die Kompetenz, in diesen Angelegenheiten mit-
reden zu können, abzusprechen. ,,Die, die des Volkes Augen blendeten, werfen alsdann ihm Blindheit
vor", wie der englische Dichter John Milton im 17. Jahrhundert schrieb.
Die Idee, die ,,Mescalero-Affiire" des ,,Terrorismusjahres" 1977 zu untersuchen, um an einem Bei-
spiel die konkrete Wirkungsweise der Propagandamechanismen in einer politischen Demokratie wie
der Bundesrepublik m zeigen, verdanke ich Winfried Penk.
1977 war ein Krisenjahr für das politische System der BRD. Inmitten dieser Krise wagte es ein Göt-
tinger Student in einer Studentenzeitung unter dem Pseudonym ,,ein Göttinger Mescalero", nicht nur
das Vorgehen der terroristischen Gegner des Systems in Frage zu stellen, sondern auch seinerseits an
seiner radikalen Gegnerschaft nt diesem System öffentlich festzuhalten. Wie reagierten die großen
Medien der BRD in dieser Situation? Gemäß ihrem eigenen Image als neutrale Institution zur Vermitt-
l.-g von Information oder als Propagandisten der herrschenden staatlichen und wirtschaftlichen Inter-
essen? Mein Versuch der Beantwortung dieser Frage findet sich im abschließenden Kapitel fV dieses
Textes.
Die Durchleuchtung der Pr.opagandamechanismen, deren Wirkung wir alle unterliegen, sollte jedoch
nicht nur als akademische Ubung praktiziert werden, und genau in diesem Sinn versteht sich die Ver-
öffentlichung des folgenden Textes in der vorliegenden Form. Sie soll anregen ztr weiteren, auch
nicht-akademischen Praktizierung der ,,intellektuellen Selbstverteidigung" (eine Formulierung Noam
Chomskys) auf anderen Gebieten, von denen ich oben nur einige wenige angedeutet habe.

Michael Schiffmann, 14. Juli 1996


The genius of the American politicul system is, in the
words of Mark Twain, ,,the right of free speech ünd the
good sense not to use it."
Noam Chomskv

I. Propaganda

I. Herkunft und Definitionen des Begrffi

Die Prägung des Begriffs Propaganda wird im allgemeinen der katholischen Kirche zuge-
schrieben. 1622 wurde in Rom die Congregatio de propaganda fide, d.h. die Gesellschaft zur
Verbreitung des Glaubens gegründet. Dieser Gesellschaft unterstand die gesamte Missionstä-
tigkeit der kath. Kirche. Der Begriff hat also zunächst eine neutrale Bedeutung: es handelt
sich um nichts weiter als um die ,,Verbreitung ,, (lat. propügüre = ausbreiten, verbreiten) be-
stimmter Auffassungen oder Glaubensinhalte.

Auf einem anderen Blatt steht, welcher Mittel man sich bei dieser Tätigkeit der ,,Verbreitung
des Glaubens" historisch bedient hat. Gerade am Beispiel der katholischen Missionstätigkeit
wird klar, daß Propaganda nicht unbedingt sprachgebunden und auch nicht notwendigerweise
eine ,,semiotische" Tätigkeit ist (es sei denn, man faßt auch die angedrohte und tatsächliche
Vernichtung ganzer Völker, die sich der Verbreitung des Glaubens nicht willig genug unter-
warfen, unter den Begriff der Semiotik). Zwerfellos spielte in der Tätigkeit der Missionierung
Andersgläubiger und -denkender etwas, was man ,,Propaganda der Tat" nennen könnte, eine
große Rolle. Im Großen würde hierzu die Anwendung von Gewalt und die Demonstration
militärischer Überlegenheit gehören; Propagandisten der Tat waren aber umgekehrt natürlich
auch die katholischen Märtyrer, die die Überlegenheit ihres Glaubens durch ihre persönliche
Unbeugsamkeit und Treue zu ihren Auffassungen demonstrierten.

Wie könnte man nun den aktuellen Begriff von ,,Propaganda" eingrenzen, damit er auf eine
einigermaßen unmißverständliche Weise handhabbar wird? Hier zunächst die Definition im
,,Deutschen Wörterbuch" von Wahrig (ich lasse die bereits skizzierten historischen und ety-
mologischen Hintergründe weg): ,,Propaganda: werbende Tätigkeit für Ziele, bes. auf politi-
schen Gebiet; das ist doch alles nur P.! (und es steckt nichts dahinter) <umg.>: P. für etwas
trnachen."

In der weit umfangreicheren Definition des dtv-Wörterbuchs zur Publizistik heißt es u.a.:

Propaganda ist der Versuch von einzelnen oder Machtgruppen und Institutionen zur Be-
einflussung und ---> Manipulation von Meinungen, Wertschätzungefl, Denkrichtungen,
politischen oder religiösen Haltungen. Propaganda läßt sich außerdem definieren als
Werbung fiir Ideen, Weltanschauungen, im Wirtschaftsbereich für Güter aller Art, im
politischen Bereich für Ideologien. im religiösen fiir Glaubensüberzeugungen etc.
I-ASSWELL umschreibt Propaganda vornehmlich als Beeinflussung menschlichen Han-
deins (,'the technique of influencing human action by the manipulation of representati-
ons").
Auf die Art und Weise, wie Chomsky und Herman Propaganda im Hinblick auf die Medien
in demokratischen Gesellschaften charakterisieren, komme ich weiter unten zu sprechen.

2. Historischer Wandel

Aus der oben zitierten Definition von P. in Wahrig läßt sich ablesen, daß der Begriff heute
eine negative Konnotation hat: es handelt sich nicht einfach um ,,werbende Tätigkeit für Zre-
le, bes. auf politischem Gebiet" (Wahrig) oder ,,Werbung flir Ideen, Weltanschauungen..."
etc. (dtv-Wörterbuch), sondern um derartige Werbung in mehr oder weniger betrügerischer
Absicht In diesem Zusammenhang wird in der letztgenannten Definition der Begriff
,,Manipulation" genannt; Lasswell spricht, außer von Manipulation noch von der ,,Technik
der Beeinflussung - hier könnte man, in Entsprechung zu dem Beispiel in Wahrig, etwa sa-
gen: ,,Du willst mich ja gar nicht objektiv informieren, du willst mich ja nur beeinflussen",
und dies vielleicht noch ergänzen durch: ,,und wendest dabei auch noch spezielle (mir nicht
durchsichtige) Techniken an".
Hier muß angemerkt werden, daß dieser negative Beigeschmack des Begrifß sich erst im ge-
schichtlichen Verlauf herausgebildet hat. Es liegt auf der Hand, daß die Kirche in
,,Propag anda" wohl kaum ein gleisnerisches Teufelswerk erblickt hat, als sie diesen Begriff
1622 in den Namen ihrer neu gegründeten Vereinigung aufnahm. Weil aber der Begriff eine
Sache bezeichnete, die keineswegs auf die Missionstätigkeit der Kirche beschränkt war, und
weil zweitens besagte Sache, mit der Ausbreitung tendenziell demokratischer aufklärerischer
Ideen,, immer wichtiger wurde, breitete er sich schnell aus.

Widerstreitende Ideen und Glaubensrichtungen kämpften darum, sich zu legitimieren; was


also dem einen ein immanent richtiges Anliegen der Verbreitung des Wahren und Richtigen -
im kirchlichen Sinn der,,Lehre vom rechten Glauben" - war, war den widerstreitenden Rich-
tungen - Propaganda, genauer gesagt, Feindpropaganda. Es gab nunmehr gute und schlechte
Propaganda, die recht einfach zu definieren waren: es handelt sich nämlich um ,,unsere Pro-
paganda" und,,ihre Propaganda". Glücklicherweise hat,,unsere Propaganda" es dabei nicht
wie,,ihre Propaganda" nötig -bzw. sie hat es viel weniger nötig -, zu Täuschung, Lügen und
Verdrehungen zu greifen, da sie ja lediglich unsere ohnehin richtige und gerechte, wahre Sa-
che ins rechte Licht nicken muß, um zu überzeugen.

3. Propaganda in totalitären Regimen und in Demokratien

Bis nach dem ersten Weltkrieg wurde jedenfalls der Begriff Propaganda von allen Seiten auch
für die eigene politische Werbungstätigkeit ziemlich ungeniert gebraucht. Im ersten Welt-
krieg gab es auch in England eine ,,Abteilung für Feindpropaganda" im Innenministerium.
Seit ungeftihr dieser Zeit sind es tendenziell nur noch die totalitären Staaten und Bewegun-
gen, die ihre politische Werbungstätigkeit offen Propaganda nennen. Im Marxismus-
Leninismus in seinen verschiedenen Schattierungen wird P. dabei als Verbreitung und Elabo-
rierung der als gültig angenommenen Wahrheiten der Ideologie verstanden: faschistische
Propagandisten dagegen sprechen häufig, wie Hitler in ,,Mein Kampf ', mit brutaler Offenheit
von der Notwendigkeit des Betrugs an der Masse: fiir den Faschismus hat die Masse nicht nur
in der Praxis unterwürfig demlden Führer/n zu folgen, auch die Ideologie selbst bekennt sich
ganz o ffen zv emanzip azions fe indl i chen und anti demokrati s ch en ZieIen.
In totalitären Systemen nimmt die staatliche Propaganda einen hochgradig sichtbaren und
prominenten Platz ein, der zudem von den Repräsentanten des Systems nicht geleugnet, son-
dern im Gegenteil ununterbrochen herausgestrichen wird. In den demokratischen Gesellschaf-
ten in den Industrienationen dagegen hat schon der Begriff P. eine nunmehr vorwiegend ne-
gative Bedeutung angenommen. Natürlich ist allen klar, daß Prop aganda dennoch existiert,
auch wenn die jeweiligen politisch aktiven gesellschaftlichen Gruppen es zu vermeiden su-
chen,, mit dem Begriff in Verbindung gebracht zu werden. In diesem Sinn ist mittlerweile in
den demokratischen Gesellschaften eine Kennzeichnung zutreffend, die historisch oft ver-
wendet wurde, um die Bedeutung von,,Propaganda" mit zu charakterisieren: ,,Propaganda ist,
was die anderen tun."

U. Ein Propagandamodell der Medien in den demokratischen Gesellschaften

7. Die strukturierenden Prinzipien des Propagandamodells

Der Ausgangspunkt von Chomskys und Hermans Propagandamodell ist die Feststellung, daß
die eben skrzzierte Annahme über die gegenüber totalitären Gesellschaften geringere Bedeu-
tung von Prop aganda in Demokratien ein Trugschluß ist. ,,If the people is given the right of
free spech, one has to ensure that the mouth of the people speaks the right words," wie
Chomsky in einem seiner zahheichen Vorträge einmal äußerte.

Was verstehen Chomsky und Herman selbst genau unter Propaganda? Ich habe gerade er-
wähnt, daß der Begriff in Demokratien seit etwa dem ersten Weltkrieg eine negative Konno-
tation angenommen hat. Dies gilt jedoch mehr für die breite Öffentlichkeit als zum Beispiel
flir politische Planungsstäbe oder auch einen Teil der Politik- und Sozialwissenschaftler. Zt
diesem Thema schreibt etwa der oben bereits zitierte bekannte Politikwissenschaftler Harold
Lasswell: ,,Die Ersetzung von Kulten simplen Gehorsams durch Geltendmachung demokrati-
scher Ansprüche" ,,komphzierte das Problem, konzertiertes Handeln zustandezubringen". Die
Ausbreitung des Erziehungswesens ,,befreite die Massen nicht von Ignoranz und Aberglau-
ben, sondern änderte beider Natur und erzwang die Entwicklung einer ganz neuen Technik
der Kontrolle, zrrm großen Teil durch Propa ganda." In der Demokratie ,,gewinnt Propaganda
eine hervoffagende Bedeutung als das eine Mittel der Massenmobilisierung, das billiger als
Gewalt, Bestechung oder andere mögliche Kontrolltechniken ist." Propaganda ist ,,als reines
Werkzeug t...] nicht moralischer oder unmoralischer als der Bedienungsgriff einer Pumpe."
Abgeschüttelt werden sollten in dieser Hinsicht ,,demoktatische Dogmatismen darüber, daß
die Menschen ihre eigenen Interessen am besten beurteilen könnten" (TNCW p.65166). Die
fi.ihrende Figur auf dem neu entstandenen Gebiet der Public Relations Edward Bernays und
Sozialwissenschaftler wie Walter Lippman vertraten in den zwanziger, dreißiger,, vierziger
und fünfziger Jahren über dieses Thema Ansichten, die mit den zitierten von Harold Lasswell
fast bis in den Wortlaut hinein übereinstimmten. Die wiederkehrenden Themen dabei sind die
Dummheit und lgnorunz der Massen, ihre Unfiihigkeit, das groß e Ganze zu überblicken und
die daraus folgende Notwendigkeit, ihnen per Prop aganda die Entscheidungen der Machtelite
zu verrnitteln und auf diese Weise nach dem Ausdruck Walter Lippmans die ,,Herstellung
von Konsensus" nJwege zu bringen.
Es ist dieser Sinn, in dem auch Herman und Chomsky im Rahmen ihres Propagandamodells
Propaganda auffassen: sie hat denselben gesellschaftlichen Zweck wie die staatliche Erzie-
hung ,,as conceived by James Mill in the early days of the establishment of this system: 'to
train the minds of the people to a virtuous attachment to their government,' and the arcange-
ment of the social, economic and political order more generally." (NI, p.13)
Kurz, Propaganda in diesem Sinn verstanden ist staatstragende und systemerhaltende politi-
sche Werbung im Interesse der bestehenden gesellschaftlichen Machteliten am Status quo.
Wie kann es möglich sein, daß eine freie, der Demokratie und ihren Werten verpflichtete
Presse sich dieser propagandistischen Tätigkeit fiir Sonderinteressen hingibt?

Chomsky und Herman halten zunächst fest, daß auch in demokratischen Gesellschaften die
soziale Macht natürlich nicht gleich verteilt ist: neben den politischen Institutionen, welche
demokratischen Freiheiten diese auch immer im einzelnen bieten mögen, bestehen in den in
aller Regel hierarchisch gefiihrten Unternehmungen im Wirtschaftsbereich bedeutende Kon-
zentrationen sozialer Macht, einer Macht, die zudem immer größer wird und in immer kleine-
ren Kreisen konzentrtert wird und an der keine noch so demokratische Regierung in ihren
Entscheidungen vorbei kann, selbst für den Fall, daß sie es einmal wollen sollte. Im Hinblick
auf die Medien führen sie nun fiinf strukturierende Prinzipien für die Tätigkeit dieser Medien
an,, die sie als ,,F'ilter" für deren ,,Output" bezeichnen:

(1) die Größe, die Eigentumskonzentration, der Reichtum der Eigentümer und die Profi-
torientierung der dominierenden Massenmedien; (2) die Werbung als die Haupteinkom-
mensquelle der Massenmedien; (3) das Vertrauen der Medien auf Information, die von
der Regierung und der Geschäftswelt sowie von durch diese primären Quellen und Trä-
ger der Macht gesponsorten und approbierten ,,Experten" geliefert wird; (4),,Flak" als
Mittel der Disziplinierung der Medien; und (5) der ,,Antikommunismus" als nationale
Religion und Kontrollmechanismus.(,,Flak" laut ,,W'ebster's New Encyplopedic
Dictionary," Ed. 1996: ,,2. severe criticism [German, from flieger4bwehr\anonen, from
flieger ,,flyer" + abwehr ,,defense" + kanonen ,,cannons"]).
Die Medien selbst als Teilhaber am Status quo der kapitalistischen Marktgesellschaft sind es
mithin, die ein Interesse an der Erhaltung dieses Status quo und der dafür relevanten Institu-
tionen wie Regierung, Militär, Regulierung der Außenbeziehungen (Außenpolitik) usw. ha-
ben. Innerhalb dieses Rahmens vertreten sie durchaus divergierende Interessen, Ansichten
und Ideologien, ansonsten aber sind es die Gesetzmäßigkeiten des ökonomischen Überlebens
in einer Marktwirtschaft, die prinziptell über dieses System hinausgehende kritische Stand-
punkte quasi automatisch ausscheiden. Was wir hier vor uns haben, ist also ideologische Be-
einflussung, politische Werbung in eine ganz bestimmte Richtuflg, ohne daß dafür ein Or-
well'sches zentrales Wahrheitsministerium oder eine zentrale Zensurinstanz erforderlich wä-
ren.

2. Die Voraussagen des Propagandamodells

Das Propagandamodell wird also für demokratisch verfaßte Marktgesellschaften voraussagen,


daß die jeweilige Regierungspolitik in den Medien durchaus umstritten sein wird, da es 1)
innerhalb der die Wirtschaft beherrschenden Elite rivalisierende Interessengruppen gibt, und
2) nicht dieser Elite angehörigen Individuen und Gruppen ebenfalls die Freiheit besitzen, lhre
Meinung zu artikulieren und zu verbreiten.
Während dieser letztere Faktor laut Chomsky und Herman von nicht zu unterschätzender
Wichtigkeit ist (so unterstreichen sie wieder und wieder, daß die von ihnen vorrangig unter-
suchten Vereinigten Staaten in politischer Hinsicht wahrscheinlich eines der freiesten Länder
der Welt sind), sorgen ihrer Ansicht nach die erwähnten fünf Filter dafür, fiir das ,,bestehende
System von Macht und Privilegien" negative Konsequenzen dieser Freiheit minimal zu hal'
ten. Radikal kritische Meinungen, etwa solche, die eine Unvereinbarkeit von Demokratie und
Kapitalismus behaupten, die die Außenpolitik des eigenen Staates als imperialistisch kritisie-
ren oder die sich grundsätzlich, d.h. auch im Bereich von Wirtschaft, Wissenschaft, Ideologie
oder was auch immer gegen die Vorherrschaft von Eliten wenden, werden nicht durch Zensur
unterdrückt, sondern bleiben im fein verästelten System der Filter hängen. Potentiell wichtige
Informationen und Beiträge zur politischen und sozialen Debatte erreichen auf diese Weise
nicht ihre Adressaten; der Kreis derer, die darüber Kenntnis erlangen, bleibt marginal. ,,The
dissidents in the West are allowed to distribute their samisdals freely," sagt Chomsky in ei-
nem Vortrag.
Die Voraussagen des Propagandamodells lassen sich also etwa wie folgt zusammenfassen:
1. Auf ,,nationaler" Ebene werden die Medien die gegebenen Verhältnisse als wün-
schenswert, positiv und letztlich unüberschreitbar darstellen. Mit dem Ende des kalten
Krieges, d.h. mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion und ihrer Satellitenstaaten
gewinnt letzterer Punkt eine besondere Bedeutung. Wie sollte man grundsätzhch gegen
einen bestimmten Zustand sein können, wenn doch in der modernen Welt überhaupt
kein anderer möglich ist? Diese Aussage spiegelt sich etwa in berühmt gewordenen
Buchtiteln wie ,,Das Ende der Geschichte" (F. Fukuyama) und ähnlichen nieder. Ironi-
scherweise steckte in der Formel vom ,,realen Sozialismus" ein ähnlicher Gehalt, dem
allerdings der triumphierende Beigeschmack der Rede vom ,,Ende der Geschichte"
fehlt. Hierzu Hans Magnus Enzensberger in ,,Politische Brosamen": Der Terminus sagt
jedem ,,der Ohren hat zu hören: Meine Herren Dissidenten, Ausländer, Kritiker und
Nörgler, liebe feindliche Elemente! Ihr könnt hin- und herreden, soviel ihr wollt, ich bin
ein factum brutum, schluckt's runter! Die Rede vom Real Existierenden Dingsda ist al-
so affirmativ und resignativ zugleich; das erste, indem sie behauptet, daß es den Sozia-
lismus leibhaftig gebe, daß der Messias, der langersehnte, längst unter uns weile; das
andere, indem sie uns zu verstehen gibt, daß es damit aber auch sein Bewenden haben
müsse, mehr sei nicht drin: dies an die Adresse jener Spinner, Träumer und Utopisten,
die noch immer nicht begriffen haben, daß der Sankt-Nimmerleins-Tag ihrer Hoffnun-
gen längst verflossen ist." In der breiten Öffentlichkeit als negativ angesehene Aspekte
wie die extreme Ungleichverteilung von Macht und Reichtum sowie das Fehlen von
Demokratie in der wirtschaftlichen Sphäre werden entweder ausgeblendet oder als
möglicherweise bedauerlich, aber unverrneidlich dargestellt: ,,What's good for General
Motors is good for the country" lautet die berühmte Devise, die zwar ursprünglich aus
einem anderen Zusammenhang stammt, das letztgenannte Argument von der Unver-
meidlichkeit und Unüberschreitbarkeit des Kapitalismus aber treffend zusammenfaßt.
2. Was wir unter Zugrundelegung des Propagandamodells im Bereich der Außenpolitik -
demjenigen den die beiden Autoren vorwiegend behandeln - erwarten sollten, ist
,,unkritische Übernahme gewisser Prinzipien in der Behandlung unserer selbst und un-
serer Freunde - wie zum Beispiel, daß der eigene Staat und die eigenen Führer nach
Frieden und Demokratie streben, gegen Terrorismus kämpfen und die Wahrheit sagen -,
Prinzipien, die dagegen auf die Behandlung feindlicher Staaten nicht angewendet wer-
den. Wir sollten erwarten, daß verschiedene Bewertungskriterien angewendet werden,
so daß das, was bei feindlichen Staaten Schurkerei ist, im Fall von uns selbst oder unse-
ren Freunden als zufällige Hintergrundangelegenheit präsentiert wird. Was in der Be-
handlung des einen Falles auf der Agenda steht, wird in der Diskussion des anderen
Falles nicht zum Thema gemacht werden." (MC, p.34)
In Kritik der von den jeweiligen US-Regierungen in den Vordergrund gestellten Slogans
(,,Menschenrechte" unter Carter,,,Kampf gegen den internationalen Terrorismus" unter Rea-
ganlBush) haben Chomsky und Herman sich hier in erster Linie mit Fragen der Menschen-
rechtssituation und der Gewaltanwendung in mit den USA befreundeten Staaten und zu den
USA in Gegnerschaft stehenden Staaten und der Berichterstattung hierüber befaßt. Ihr Modell
erfaßt hier im wesentlichen drei Arten von Gewaltanwendung und Terror:

a.) Konstruktiver Terror, rnbzw. seitens von Staaten, die mit den USA verbündet sind
und in denen die USA wirtschaftliche und strategische Interessen haben, wie etwa Gua-
temala, El Salvador, Indonesien, Südafrika, Indochina, Israel etc.
b.) Gutartiger Terror, ausgeübt in Regionen der Welt, in denen solche Interessen nicht
bestehen, wie in Teilen Afrikas oder im Fall Osttimors (vgl. unten).

c.) Bösartiger Terror, der von feindlichen Mächten in fremden Ländern oder gegen die
eigene Bevölkerung angewendet wird.

Das Propagandamodell sagt hier nicht nur eine unterschiedliche Behandlung in Bezug auf die
Qualität der Berichterstattung - Plazierung der Berichte, ,,Schlagzeilen, Wortgebrauch und
andere Weisen der Mobilisierung von Interesse und Empörung" (MC, p.35) -, sondern auch
ein Aufteilung der Opfer solchen Terrors in ,,wertvolle" und ,,wertlose" Opfer voraus. Letzte'
re Unterteilung ist einer statistischen Erfassung am ehesten zugänglich, und eine solche Er-
fassung ist im Rahmen des Prop agandamodells auch in mehreren Fallen gemacht worden.

3.) Eine dritte Voraussage des Propagandamodells betrifft die Selbstpräsentation der Medien.
Die Medien werden sich selbst als unabhängig, objektiv, als Wächter der demokratischen
Werte und des Rechts der Öffentlichkeit, informiert zu sein sowie als kompromißlose Ver-
teidiger der Meinungsfreiheit präsentieren.
Es ist gerade diese Selbstpräsentation, die einen besonderen Beitrag nrr propagandistischen
Funktion der Medien leistet. Die Abwesenheit einer zentralen Instanz der Kontrolle über die
Medien, die sich statt dessen über das Wirken der Filter selbst kontrollieren und zensieren,
macht diese Selbstpräsentation viel glaubwürdiger als es bei einem Medium, von dem alle
wissen, daß und von wem es zentral kontrolliert wird und das noch dazu,,Prawda" heißt, der
Fall sein könnte. Chomsky sagt dazu in einem Vortrag an der American University in Wa-
shington (MC-Film, p.58):

,,Tatsächlich sollte das System, wenn es gut funktioniert, eine liberale Schlagseite haben oder
zumindest den Anschein erwecken. Denn wenn es den Anschein erweckt, liberal voreinge-
nommen zu sein, wird das dazu dienen, das Denken noch viel wirkungsvoller einzuengen.
Mit anderen Worten, wenn die Pres se tatsächlich gegnerisch" - nämlich zur jeweiligen Re-
gierung - ,,eingestellt und liberal und derart negativ ist, wie kann der Einzelne dann noch dar-
über hinaus gehen? Die Presseleute sind schon derart extrem in ihrer Gegnerschaft zur Macht,
daß darüber noch hinauszugehen bedeuten würde, daß man vom Planeten abhebt. Folglich
muß es so sein, daß die Voraussetzungen, die" - im allgemeinen stillschweigend und um so
wirkungsvoller - ,,von den liberalen Medien akzeptiert sind, unantastbar sind - man kann sie
nicht überschreiten. Und ein gut funktionierendes System sollte tatsächlich eine derartige
Tendenz haben. Die Medien würden dann dazu dienen, im Endeffekt zu sagen: Bis hierher
und nicht weiter."

3. Empirische Studien hinsichtlich des Propagandamodells

In ,,Manufacturing Consent" und einigen anderen Büchern haben Chomsky und Herman auch
eine Reihe von Statistiken der oben angesprochenen Art vorgelegt. Die Art der Statistiken
reicht dabei von der Berichterstattung über Wahlen in verschiedenen in den Medien der USA
als demokratisch klassifizierten Staaten wie Südvietnam, El Salvador und Guatemala bzw.
dem als totalitär klass ifizierten Nicaragua über die mediale Wiedergabe von politisch moti-
viertem Massenschlachten in Kambodscha und Osttimor bis zum Vergleich der Berichte über
politischen Mord seitens der US-freundlichen Regime in Lateinamerika und derjenigen über
politischen Mord und Unterdrückung in den Ostblockstaaten.
Hier nur drei Beispiele.
1.) lg14 wurde in Polen der Priester Jerzy Popieluszko von Agenten des polnischen Ge-
heimdienstes ermordet. Dte New York Times (im folgenden: MT), die führende Zertung der
USA, brachte darüber 78 Artikel mit einer Gesamtspaltenlänge von 1 183 inches, TIME und
lYEWSWEEKbrachten 16 Artikel mit einer Spaltenlänge von 313 inches. Von 1964 bis 1978
wurden in Lateinamerika 72 Prtester und Laien ermordet. Die NYT brachte insgesamt 8 Arti-
kel mit einer Gesamtspaltenlänge von lll,5 inches darüber, TIME und MWSWEEK
brachten keinen Artikel und behandelten das Thema auf 16 inches in anderen Artikeln. Über
den Mord am Erzbischof von San Salvador Oscar Romero während einer Messe brachte die
NyT 16 Artikel und 219 inches, TIME und NISWSWEEK brachten 3 Artikel und 86 Zei-
leninches. (MC, p. 40lal)
2.) Zwischen dem 1.1.76 und dem 30.6.81 wurden die sowjetischen Dissidenten Ginzburg,
Orlov, Schtscharanskij und Sacharow in der NYT jeweils 68,70, 138 und 223mal erwähnt,
insgesamt 499mal. Romero wurde im selben Zeitraum 36mal erwähnt, 13 andere Dissidenten
aus mit den USA befreundeten Staaten insgesamt 23mal. Die sowjetischen Dissidenten wur-
den belästigt, schikaniert und teilweise inhaftiert, blieben aber am Leben; Romero wurde er-
mordet, einige der anderen Dissidenten in prowestlichen Staaten wurden gefoltert und eben-
falls ermordet. (RTN, p.197)
3.) Von 1975 bis 1979 fanden in Kambodscha (Indochina) und Osttimor, einer ehemaligen
portugiesischen Kolonie, die nach dem Zusammenbruch des portugiesischen Kolonialreichs
Ig7 417 5 von Indonesien annektiert wurde , zwei von ihrem Charakter und ihrer Brutalität her
vergleicbare Massenschlächtereien statt. In Kambodscha starben unter dem Regime der Roten
Khmer etwa 1 Million Menschen, in Osttimor, das etwa ern Zehntel der Bevölkerung Kam-
bodschas hat. etwa 200.000, ein Drittel der Gesamtbevölkerung. Im Index der NYT dieser
Jahre nahmen die Zitierungen Kambodschas ca. lTmal mehr Raum ein als die Osttimors, was
auf eine noch weitaus größere Differenz der Gesamtlänge der Berichte selbst schließen läßt,
da Osttimor wesentlich seltener Gegenstand von langen und ausführlichen ,,feature"-Artikeln
war. Der Führer des Regimes in Kambodscha, Pol Pot, wurde in der westlichen Presse regel-
mäßig mit Hitler und Stalin, seine Politik mit dem Holocaust verglichen, während sich am
Status des indonesischen Präsidenten Suharto als ,,gemäßigtem Führer" eines ,,autokratischen
Regimes" nichts änderte. (Suharto war 1965 in einem Putsch an die Macht gekommen, in
dessen Gefolge zwischen 500.000 und 1 Million Menschen ermordet wurden. Weil Suharto
den antikolonialen Führer Sukarno von der Macht verdrängte, wurde dieser Putsch damals in
den westlichen Medien als ,,silberstreifen am Horizont" und Beweis fiir die Richtigkeit des
amerikanischen Engagements in Vietnam gewertet.)

ill. Die linguistischen Aspekte stautstragender Propaganda in den Demokratien

1. Textlinguistische Aspekte

Beim Propagandamodell Hermans und Chomskys handelt es sich zunächst um eine


,,Makroanalyse", die jedoch meines Erachtens einen Rahmen absteckt, innerhalb dessen lin-
guistische Fragestellungen sinnvoll behandelt werden können. Wenn man sich hier auf die
Printmedien beschränkt, kann man zunächst im weiten Sinn von Textlinguistik sprechen.
Im Rahmen seiner Darstellung der sprachsystematisch ausgerichteten Textlinguistik refe-
riert HetzVater Überlegungen von van Drlk:
Er definiert Text als ,,eine durch semantische Tiefenstruktur motivierte, 'gesteuerte'
Oberflächenstruktur" (van DUk etc., 1 23). Die Tiefentextstruktur ist eine abstrakte logi-
sche Struktur, die ,,als der Plan des Textes betrachtet werden" kann, ,,ebenso wie unser
Verhalten durch zugrundeliegende 'Pläne'(Intentionen usw.) bestimmt zu sein scheint."
(van Dijk, S.206). (Vater, S.21)
Vater zufolge ebenfalls auf van Dijk aufbauend schreiben Klein/von Stutterheim
(Literaturangabe ebenso wie für van Dijk in Vater):

,,A text... differs in two respects from an arbitrary collection of utterances: A. It obeys
certain global constraints which primarily result from the fact that the utterances in their
entirety serve to express, for a given audience and to a given end, a complex set of in-
formation, a Gesamtvorstellung ... The nature of the Gesamtvorstellung, on the one
hand, and the specific purpose the speaker has in expressing it, on the other, imposes
certain constraints on the overall organisation of the text. B. The way in which the text
proceeds from one utterance to the next obeys local constraints, depending on which in-
formation is introduced, maintained or elaborated on. ... Each utterance selects a segment
from the Gesamtvorstellung and puts it into words. (Vater, 5.24)
Das würde in unserem Zusammenhang heißen: Zugang zu einem öffentlichkeitswirksamen
Printmedium kann in einer Demokratie, auf die das Propagandamodell anwendbar ist, nicht
jeder beliebige Autor erhalten. Oder genauer: das,, was man als ,,Plan seines Textes" betrach-
ten könnte, muß in der Lage sein, die im Propagandamodell dargestellten Filter zu passieren.
Liegt seinem Text eine Gesamtvorstellung zugrunde, die 1) abweichende Vorstellungen über
die richtige Verteilung des gesellschaftlichen Eigentums enthält, 2) den Interessen der Wer-
bekunden der Printmedien, die nicht selten maßgebliche Eigentumsinteressen (darunter oft
außenwirtschaftliche) haben, zuwiderläuft, 3) statt Regierungsverlautbarungen, PR-
Mitteilungen von Unternehmen und etablierter Experten von diesen Interessen unabhängige
Quellen benutzt, 4) imstande ist, heftige Gegenreaktionen konkurrierender Medien, der Re-
gierung, Verleumdungsklagen etc. (,,Flak") hervorzurufen und 5) das im jeweiligen histori-
schen Abschnitt gegnerische System in einem zu positiven Licht zeicbnet, werden die Chan-
cen, daß diese Gesamtvorstellung eine breitere Öffenttichkeit erreicht,, dem Propagandamo-
dell zufolge gering sein. Texte, die beim Fortschreiten ,,vorl einer Außerun g zur nächsten"
nicht den geforderten ,,lokalen Beschränkungen" gehorchen und unerwünschte Information
,,einführen, weiterbehandeln und erläutern" - zvm Beispiel bei der Diskussion der Ermordung
Oscar Romeros, die ja durchaus auch in der US-Presse zu finden war, die Tatsache ins Ram-
penlicht stellen würden, daß die dafür verantwortlichen politischen Kräfte genau diejenigen
waren, die von der US-Regierung massiv materiell, militärisch und ideologisch unterstützt
wurden - werden aller Wahrscheinlichkeit einem oder mehreren der genannten Filter nJm
Opfer fallen. Die von Chomsky und Herman angeführten Statistiken jedenfalls scheinen eine
derartige Schlußfolgerung auf eindrucksvolle Weise zu bestätigen.

2. Der Kampf um die Definitionsmacht über Begrffiinhalte

Im Rahmen ihrer Analyse der westlichen Medien haben Chomsky und Herman immer wieder
die propagandistische Verwendung von Begriffen analysiert; während der Reagan/Bush-Ara
in den USA am häufigsten die Begriffb ,,Terror" und ,,internationaler Terrorismus". Das letzte
Buch von Edwarcl S. Herman,,,Beyond Hypocrisy. Decoding the News in an Age of Propa-
ganda" enthält sogar ein fast 100 Seiten langes ,,Doublespeak Dictionary".

Im folgenden zitiere ich einige ihrer Begriffsanalysen, uffi mich dann der Semantik der Be-
griffe ,,Terror", ,,Terrorist" und ,,Terrorismus" im Sprachgebrauch der westlichen Medien und
der etablierten Politik zuzuw enden.

In seinem Buch ,,Was Onkel Sam wirklich will" schreibt Chomsky: ,,In politischer Rede ha-
ben Worte typischerweise zwei Bedeutungen. Einmal die Wörterbuch-Bedeutung, und nrm
anderen eine Bedeutung, die der Macht dienlich ist - die doktrinäre." Als nächstes analysiert
er eines der,,Hochwertwörter" (vgl. ,,Argumente und Parolen'., S.104) in den westlichen Ge-
sellschaften:

,,Nehmen wir das Wort Demokratie. Nach der landläufigen Bedeutung des Wortes ist eine
Gesellschaft in dem Maße demokratisch, in dem die Leute sich auf sinnvolle Weise an der
Verwaltung ihrer Angelegenheiten selbst beteiligen können. Die doktrinäre Bedeutung ist
aber eine andere: sie ist auf ein System bezogen, worin Entscheidungen von Teilen der Ge-
schäftswelt und mit ihr verknüpften Eliten getroffen werden. Die Öffentlichkeit soll nur
'Zuschauerin', nicht'Teilnehmerin'an der Handlung sein, wie fiihrende Theoretiker der De-
mokratie (in diesem Falle Walter Lippman) erklärt haben. Sie dürfen die Beschlüsse der Hö-
hergestellten genehmigen fim Original ,,ratify"] und den einen oder anderen unterstützen, sich
aber nicht in Dinge wie die öffentliche Politik einmischen - die gehen sie nichts an.
Wenn aber Teile der Öffentlichkeit ihre Gleichgültigkeit ablegen, sich zu organisieren begin-
nen und die öffentliche Arena betreten, dann ist das nicht Demokratie. Das ist vielmehr, nach
dem technisch richtigen Sprachgebrauch, eine Krise der Demokratie, eine Bedrohung, die
irgendwie überwunden werden muß: in El Salvador mit Todesschwadronen - bei uns zu Hau-
se mit feineren und indirekten Mitteln." Die Erwähnung El Salvadors in diesemZusammen-
hang erscheint vielleicht ein wenig überzogen. Aber das dort in den achtziger Jahren herr-
schende Regime hielt sich buchstäblich auf einem Berg von Leichen an der Macht - Mern-
schenrechtsorganisationen sprechen von mehr als 60.000 Ermordeten -, das hinderte die fiih-
renden US-Zeitungen Washington Post undNYTim selbenZeitraum jedoch nicht daran, die
Länder Zentralamerikas als ,,sich entfaltende junge Demokratien" zu bezeichnen. Manchmal
spiegelt sich selbst noch in den Schlagwörtern reformerischer Projekte wie etwa der SPD zu
Beginn der siebziger Jahre die Angst der Eliten, die ,,Masse" könnte das Kommando über-
nehmen, wider, wenn etwa von ,,mehr Demokratie wagen" gesprochen wird.

Bevor ich zum ,,,Terrorismus" komme, noch ein Beispiel für ein Negativschlagwort aus Her-
mans DD (p. 116): ,,Aggression. Invasion of another country by someone other than oursel-
ves without our approval; also, providing aid and comfort to the side that we oppose in a civil
conflict; also, resisting a U.S. attack." Die Aktivitat des,,Vietcong" (ein Begriff, den ich hier
nicht analysieren kann) während des Vietnamkriegs wurde dementsprechend in den US-
Medien als ,,interne Aggression" bezeichnet. Andererseits schreibt Chomsky, der den Output
der US-Presse in systematischer und kontinuierlicher Weise verfolgt, in seinen
,,Bemerkungen zu Orwells Problem", er habe während einer zwanzig Jahre währenden Lektü-
re der fiihrenden Zeitungen der USA die Begriffe ,,Invasion" und ,,Agggression" kein einzi-
ges Mal im Zusammenhang mit den US-Aktivitäten in Vietnam gefunden.

Auch im Fall der mit ,,Terror" assoziierten Wörter läßt sich dieses Auseinanderfallen der
Wörterbuchbedeutung mit der praktisch-politischen Bedeutung gut beobachten. Ich übegehe
die von Chomsky und Herman zitierten Wörterbuchbedeutungen und halte mich an Wahrig:
,,Terror
Angst und Schrecken versetzen soll; Gewalt-, Schreckensherrschaft..." Chomsky und Her-
man schreiben hierzu:
Unter den vielen Symbolen, die benutzt werden, um die Bevölkerung der demokrati-
schen Staaten in Angst zu versetzenund zu manipulieren, sind wenige von größerer Be-
deutung gewesen als,,Terror" und,,Terrorismus".
Diese Begriffe werden allgemein auf den Gebrauch von Gewalt durch Einzelpersonen
und marginale Gruppen beschränkt. Offiziell-staatliche Gewalt, die oft sowohl ihrem
Ausmaß als auch ihren zerstörerischen Wirkungen nach oft weitaus umfangreicher ist,
wird einer gänzhch anderen Kategorie zugewiesen. Dieser Gebrauch hat nichts mit Fra-
gen der Berechtigung, kausaler Folge oder der Anzahl der Opfer zu tun. Was immer die
tatsächliche Abfolge von Ursache und Wirkung sein mag, offizielle Gewalt wird als
Antwort oder als prov oziert (,,Vergeltung", ,,schutzreaktion" etc.) beschrieben, nicht als
die aktive und auslösende Quelle des Übels. (PEHR, p.6)
Staatliche Gewalt wird also zunächst einmal aus dem Begriff des ,,Terrors" hinausdefiniert.
Diese Beschränkung von ,,Terror" im wesentlichen - wie wir gleich sehen werden, gibt es
Ausnahmen - auf nichtstaatliche Gruppen und Bewegungen hat wichtige Funktionen. Wäh-
rend der Begriff ,,Terror" in den westlichen Demokratien Hochkonjunktur hatte, gab es
10
schließlich noch andere ,,Feinde". zvm Beispiel das von Reagan so genannte ,,Reich des Bö-
sen". Warum waren die Angehörigen der Roten Brigaden, der ,,Baader-Meinhof-Gruppe", der
PLO oder der Weathermen in den USA Terroristen, Leonid Breschnjew aber nicht? Das
hängt mit einem anderen Bedeutungsbestandteil von ,,Terrorismus" in seiner offiziell-
politischen Gebrauchsweise zusammen:
Diese Sprachverwendung ist außerdem nützlich in ihrer Konnotation von irrationalem
Bösem, das ausgerottet werden kann, ohne daß Fragen gestellt werden müssen. Die auf
verbrecherische Art Geisteskranken haben keinerlei einzuklagendes Anliegen, das zube-
greifen wir uns bemühen müßten. (PEHR I,p.7)
Die Sowjetunion mag zwar die Inkarnation des ,,Bösen" (gewesen) sein. Unangenehmerweise
war allerdings diese Inkarnation mit Atomwaffen ausgerüstet, mithin ein Böses, bei dessen
Bekämpfung der Wahl der Mittel gewisse inhärente Grenzen auferlegt waren. Ein US-Gegner
wie Libyens Ghaddafi dagegen hatte keine Möglichkeiten effektiver Gegenwehr gegen be-
waffnete Angriffe auf sein Land und auf ihn als Person, seine Abstempelung, obwohl Reprä-
sentant eines Staates, als Erzterrorist erscheint von daher nicht zuftillig. Dasselbe gtlt z.R. für
Saddam Hussein, der mit Anrollen der Militäraktion gegen den Irak Ende 1990lAnfang l99l
vom ,,stabilitätsfaktor im Nahen Osten" und Handelspartner mit Meistbegünstigungsklausel
zum Terroristen Nummer Eins aufrtickte oder, in Enzensbergers (Der Spiegel, 6191) unnach-
ahmlicher Formulierung, zum,,Feind der Welt".
Anders gesagt: ,,Terror", ,,Terrorismus" und in deren Verlängerung, die ,,Terroristen" - diese
Begriffe sind geradezu Prototypen dessen, was jeder kennt, der auch nur einmal von Propa-
ganda gehört hat, nämlich Feindbilder. Hier wie in den anderen Propagandabegriffen ist die
Wörterbuchbedeutung unverzichtbar. Es ist gerade die Verschmelzung der Wörterbuchbedeu-
tung mit der politisch manipulierten Bedeutung, die den propagandistischen Wert dieser Be-
griffe ausmacht.

U. Eine Fallstudie: Ein Text und seine Folgen

I. Analyse des Mescalero-Textes

1977 war das Jahr, das in der Propagandasprache der RAF als die ,,Offensive von 1977" be-
zeichnet wird und von dem in offiziösen Darstellungen des öfteren als ,,Angriff auf das Herz
des Staates" gesprochen worden ist. Am 7. April l97l ermordete ein Kommando der RAF
den Generalbundesanwalt der BRD, Siegfried Buback, im Juli 1977 wurde der Bankier Jür-
gen Ponto getötet, am 18. Oktober 1977 folgte auf den Tod der Mitglieder der RAF Andreas
Baader, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe der Mord an Arbeitgeberpräsident Hanns-Martin
Schleyer. Buback war maßgeblich an einer Reihe von Prozessen gegen Mitglieder der RAF
beteiligt gewesen, die regelmäßig in Höchststrafen endeten und war daher als Objekt dieser
,,Propaganda der Tat" ausgewählt worden. Es folgt die Analyse eines Texts, in dem ein der
,,undogmatischen Linken" angehöriger Göttinger Student das propagandistische Selbstver-
ständnis der RAF, das in Begriffen wie dem oben genannten mündete, kritisch reflektiert.
(Die sich ebenfalls anbietende Analyse des staatlicherseits sowie in den Medien und anderen
Publikationen verwendeten Begriffs ,,Herz des Staates" - welche Gruppe von Personen kann

1l
unter diese Kategorie fallen? welche nicht? und weitere Aspekte mehr - lasse ich hier aus
Platzgrunden b e i s e ite) .
In seinem Abdruck in Peter Brückners ,,Die Mescalero-Afftire" ist der Text nach seinen 19
Absätzen numeriert. Van Dijk (s.o.) stützt seine Annahme eines zugrundeliegenden
,,Textplanes" auf die Möglichkeit, ,,einen Text in einer Kurzfassung ... zusammenzufassen".
Das werde ich nun tun, ohne mich dabei immer an die Absatzgrenzen zuhalten.

In (1) charakterisiert M. seinen Text, nämlich als einen Diskussionsbeitrag,,zut einer öffentli-
chen Kontroverse", und zwar einen Beitrag ohne Rücksicht auf äußere und innere Zensur
(,,nicht unbedingt eine Einschätzung";,,Ausgewogenheit ... ist mir alles piep-egal").

In (2) skrzziert er seine politische und emotionale Stellung zu Buback. Buback ist für ihn we-
gen dessen Verfogungstätigkeit gegen Linke jemand, der ins ,,Verbrecheralbum" gehört; den
in Anfiihrungszeichen gesetzten Begriff ,,Betroffenheit" lehnt M. als von außen aufgenötigt
ab und gesteht statt dessen seine ,,Freude" ein, und zwar mit einem brutalen Wort (,,Bubacks
Abschuß"). Diese Freude ist allerdings eine klammheimliche", also in gewisser Weise einge-
schränkte. Dieses Thema wird in 3 wieder aufgenommen: ,,So eine richtige Freude, wie etwa
bei ... Carrero Blanko konnte einfach nicht aufkommen."
Die Abschnitte (4), (5), (6) und (7) sind alle einer bestimmten politisch-taktischen Frage ge-
widmet: wie kann man die durch eine massive Antiterrorismuskampagne entstandene innen-
politische Isolation der Linken aufbrechen, eine Kampagne, die sich M. zufolge auf die
,,Gleichung'Linke sind Killer"'(6) stützt (,,Risse und Brüche in der Legitimationsfassade"
(4) etc.). In dies em Zusammenhang wird ,,die Blindheit jener, fiir die sich die Welt auf
Stammheim reduziert", nämlich der RAF, kritisiert; M. merkt damit an, daß die RAF zu-
nächst einmal sich selbst repräsentiert und nicht die Linke oder auch nur die radikale Linke
insgesamt.

In den Absätzen (S) bis (12) versetzt sich M. in die Position derer, die sich daran gemacht
haben, einen bewaffneten Kampf zu fiihren. Die taktischen Überlegungen in ( )- (7) reichen
ihm schon aus, ,,ein inneres Händereiben zu stoppen". Aber ,,es kommt noch dollet". Zu'
nächst kommt noch einmal klammheimliche Freude auf, diesmal durch Imagination in die
Rolle des Kämpfers (,,habe mich schon ein bißchen daran aufgegeilt" (8)). In den darauffol-
genden überlegungen reflektiert M. jedoch zweierlei Isolation, in die diese Rolle ihn führen
würde, nämlich erstens als von der Polizei Gejagter (,,muß aufpassen, daß meine alltäglichen
Verrichtungen ... mir nicht schon den Garaus machen" (9)), aber auch in die Einsamkeit und
fehlende Legitimation für seine Gewaltanwendung (,,Wie soll ich mich entscheiden, daß Bu-
back wichtig ist ... auch fiir die anderen Leute" (12)).
Die nächsten vier Absätze diesen M. dann dazu, hieraus eine explizite Schlußfolgerung zu
ziehen: ..Wir alle müssen davon runterkommen, die Unterdrücker des Volkes stellvertretend
für das Volk zu hassen..." (16).Absätze (13) und (14) sind eine Anspielung auf Lenins Auße-
rung ,,Jede Köchin muß imstande sein, den Staat zt regieren" und stellen eine Abgrenzung
nach zwei Seiten dar: zum einen von der Stellvertreteqpolitik der RAF, nrm anderen von den
,,aufrechten Demokraten", die immer nur in hohen Führern von Wirtschaft und Politik das
,,,Hetz des Staates" sehen, in der Köchin dagegen niemals.

In (17) geht M. dann übergangslos zu einer allgemeinen politischen Standortbestimmung


über, die er bis zum Ende des Textes weiter ausführt. ,,Die Strategie der Liquidierung ist eine

I2
Strategie der Herrschenden." (17). ,,Wir werden unsere Feinde nicht liquidieren. Nicht in Ge-
fängnisse und nicht in Arbeitslager speffen ... und gehen doch nicht sanft mit ihnen um." (17),
und paradigmatisch: ,,lJnser Zweck, eine Gesellschaft ohne Terror und Gewalt ... Unser Weg
zLLm Sozialismus (wegen mir: Anarchie) kann nicht mit Leichen gepflastert sein"; Anfang
und Schluß dieses Zitats rahmen Abs. (18) ein. Inmitten dieser Abgrenzungen findet sich
noch ein Satz, der deutlich werden läßt, daß M. sich nicht zu absoluter Gewaltfreiheit be-
kennt, Gewalt oder Militanz aber demokratisch legitimiert sein müssen: ,,Einen Begriff und
eine Praxis zu entfalten von Gewalt/Mllitanz, die fröhlich sind und den Segen der beteiligten
Massen haben..." ( 19).

Es ist m.E. schwer zu übersehen, daß der Text von Mescalero nach einem gängigen Stilprin-
zip, nämlich dem der zunehmenden Relevanz aufgebaut ist. Ausgehend von der persönlichen
Marginalie seiner ,,klammheimlichen Freude" beim Hören der Nachricht von Bubacks Tod
entwickelt er einen Argumentationsstrang, der von dieser Freude immer weiter weg zu einer
entgegengesetzten Schlußfolgerung führt, ohne das zur Reflexion Anlaß gebende Gefiihl je-
doch zu leugnen. Die Kernaussage des Textes steckt ganz eindeutig im Schluß, in der Skiz-
zierung von M.s Vorstellungen von sozialistischerlanarchistischer Politik, die er Schritt für
Schritt aus den Zwerfeln an seiner Freude herausarbeitet, bis sie von seinen Zielvorstellungen
,,einer Gesellschaft ohne Gewalt und Terror" beleuchtet werden. Ein zweites, demonstratives
Anliegen des Textes ist der Impetus, sich von selbst auferlegten (,,solidarische Kritik" und
von außen herangetragenen (,,Betroffenheit") propagandistischen Zwängen zv befreien, was
sich in einer offenkundig am Vorbild der freien (!) Rede im Gespräch orientierten stilistisch
legeren und syntaktisch und inhaltlich gelegentlich sprunghaften Sprache zetgt.

2. Analyse der Berichterstattung über den Text in Welt, SZ und FR

Der eben besprochene Text, der in der Göttinger Studentenzeitung mit der pseudonymen
Unterzeichnung ,,ein Göttinger Mescalero" veröffentlicht worden war, wurde nach einer straf-
rechtlichen Anzeige durch den Göttinger RCDS zrLm Gegenstand und Hauptbeweisstück ei-
ner massiven Propagandakampagne gegen liberale und linke Professoren und die verfaßte
Studentenschaft, auf die in Einzelheiten einzugehen hier leider der Platz fehlt. Zur Illustration
von Ausmaß und Charakter dieser Kampagne nur folgendes. Als Antwort auf die entstellende
Wiedergabe des Textes durch die Medien wurde er von anderen Studentenzeitschriften sowie
in einer von 43 Hochschulprofessoren herausgegebenen Dokumentation nachgedruckt. Text
und Nachdrucke zogen laut Butz Peters (RAF Terrorismus in Deutschland, S. 22617) die
Einleitung von mindestens 140 Gerichtsverfahren wegen unterschiedlicher Parugraphen nach
sich. Zwar endeten diese meistens mit Freispruch, teilweise aber mit Geldstrafen und in ei-
nem Fall mit einer Gef?ingnisstrafe von 6 Monaten ohne Bewährung. Was die Presse betrifft,
schreibt Peters: ,,So makaber es klingt, es ist die Wahrheit: Die deutschen Zeitungen veröf-
fentlichten mindestens dreimal mehr Artikel über den Nachruf auf den Generalbundesanwalt
als über dessen Wirken und dessen Ermordung zusammen." (S . 226). Als der mutmaßliche
Buback-Attentäter Günther Sonnenberg Anfang Mai mit einem Kopfschuß (BILD dazu:
,,Gehirn zerfetzt", ,,Kugel im Kleinhirn zersplittert", 5.5.77) festgenommen wurde, veröffent-
lichte die Boulevardzeitschrift Quick strafrechtlich unbehelligt einen Leitartikel, in dem es
hieß: ,,Man muß kein Unmensch sein, um Befriedigung darüber zu empfinden, wie der Bu-
back-Attentäter Günther Sonnenb erg zür Strecke gebracht wurde." Übergreifendes Negativ-
Stichwort dieser Kampagne war der Begriff des ,,sympathisanten" und daraus abgeleitet des

13
,,Sympathisantensumpfs", dieser stellte angeblich das geistige Umfeld dar, das den Taten der
Terroristen erst die Legitimation schuf und sie so ermöglichte.
Repräsentativ fiir eine IJnzahl von Zeitungsartikeln untersuche ich nun drei Zeitungsartikel
aus Quellen, die das damalige Richtungsspektrum der überregionalen Zeitungen der BRD
ungef,ähr abdecken.

a) DIE WELT vom 30. April 1977


Hier ist zunächst festzuhalten, daß bereits die Überschrift eine doppelte Unwahrheit ent-
hält. Wie wir oben gesehen haben, grenzt sich der in Frage stehende Text vom Mord an
Buback ab, zweitens ist er nicht vom oder namens des Göttinger Asta verfaßt worden,
sondern von einem individuellen Autor, der im Nachhinein seine Gründe für die Wahl ei-
nes Pseudonyms vermutlich wohl zu würdigen gewußt hat. (Es gibt eine zweite Außerung
des Autors drei Jahre später ,,Als ich einmal Staatsfeind Nr.2 war", die mir leider nicht
vorliegt.)
Im ersten Absatz des Artikels werden beide Unwahrheiten wiederholt. Sämtliche Zitate
aus dem Text stammen aus den Absätzen (1) bis (3), die lediglich den Ausgangspunkt von
Mescaleros Reflexion darstellen. Im Kontext dieser verfälschenden Darstellung heißt es an
prominenter Stelle, nämlich zu Beginn von Absatz zwer,,in der aus den Beiträgen aller
Göttinger Studenten finanzierten Asta-Zeitung..." Somit benutzt diese Institution diese
,,alle Studenten", um ihre auf Verherrlichung von Terror gerichtete Publikationspraxis zu
betreiben. Zwangsmaßnahmen gegen diese Institution, die sich der Implikation zufolge nur
anrraßt, die Studenten zu vertreten und statt dessen eigene, strafbare Ziele verfolgt, wer-
den so unterschwellig gerechtfertigt.

In Absatz (3) wird die Auffassung des strafanzeigenden RCDS/Göttingen referiert. Eine
Stellungnahme des Göttinger Asta wird nirgends wiedergegeben. Der Logik des Artikels
folgend könnte dies aber auch überflüssig sein, da ihm zufolge die Auffassung des Göttin-
ger Asta ja eben in der Billigung des Mordes an Buback besteht.

b.) Süddeutsche Zeitung vom 6. Mai 1977 (Titelseite)


In Abs. (1) werden fast wörtlich dieselbenZrtate aus dem Mescalero-Text gebracht wie in
der Welt, ergänzt ((2)) umZitate aus einer anderen Studentenzeitschrift aus Braunschweig,
die die politische und strafrechtliche Tätigkeit Bubacks aus Sicht der Verfasser geißeln.
Die im Artikel der Welt nur insinuierten Fragestellungen bezüglich der Organe der verfaß-
ten Studentenschaft werden explizit gemacht: ,,Darf so der Asta im Namen der verfaßten
Studentenschaft sprechen? In einem womöglich mit studentischen Pflichtbeiträgen und öf-
fentlichen Mitteln frnanzierten Blättchen?"; ,,Es wird Zeit, Bekundungen von dieser Sorte
auf ihren strafrechtlichen Gehalt und auf die Tragweite des 'politischen Mandats' pnifen
zu lassen." Auch in der SZ wird der Göttinger Asta mit Mescalero identifiziert und gleich-
zerttgvon den Studenten, die er zu vertreten hat, abgesetzt:,,Wir - wer ist denn das?"
Leitmotiv des Sz-Artikels ist der ,,Nährboden des Terrors", den zu finden man nun nicht
mehr ,,weit ztJ gehen" braucht, da die ,,Sympathisantenszene" nunmehr aus dem
,,Halbdunkel oder den Schlupfwinkeln des Untergrunds" ans Licht getreten ist, mit ,,einer
Schamlosigkeit, die kaum noch zu überbieten ist". Ich verzichte hierzu auf einen Kommen-
tar und verweise statt dessen auf die Überschrift des Artikels von Theo Sommer in der
ZEIT vom 13.5.77:,,Wie im'Stürmer"'. Es verhält sich indessen nicht So, daß Theo
Sommer angesichts der Wortwahl des SZ-Streiflichts und anderer auflagenstarker Me-
T4
dienprodukte historische Reminiszenzen kommen, sondern er meint den Mescalero-Text.
In Absatz (2) spricht der SZ-Artikel, um seine Wiedergabe des Mescalero-Texts abzurun-
den, von einem ,,nicht minder widerlichen Erzeugnis der sogenannten Fettpresse" (dem
Artikel in der Braunschweiger Studentenzeitschrift), und schließlich, am Ende des Absat-
zes, von ,jenen geftihrlichen, politisch pubertären Sekten mit ihren unaussprechlichen
Namen und Kürzeln". Weit entfernt von ,,klammheimlicher Freude" oder
,,klammheimlicher Empörung" oder gar dem auch nur angedeuteten Versuch, über Tatsa-
chen - nämlich den Inhalt eines Textes - zu sprechen, schreibt hier jemand in ungebremst
schäumender Wut.

Diese Wut findet in der durch den Artikel gegebenen Darstellung ihre automatische Recht-
fertigung, denn ungeachtet von Nebensächlichkeiten wie den vorgetragenen politischen
ZreIen Mescaleros (,,eine Gesellschaft ohne Terror und Gewalt" (18)) und den von ihm
propagierten Mitteln (Linke dürfen ,,keine Killer sein, keine Brutalos, keine Vergewalti-
ger, aber sicher auch keine Heiligen" (19)) ist das ,,Ziel dieser Sympathisanten des Ter-
rors" für die Zeit nach der Revolution ,,eine gnadenlose Wegwerfgesellschaft, wo selbst
die Erinnerung an Freiheit und Menschenwürde bald getilgt sein würde." Es ist Zeit, ,,rn
einer Reaktion des Anstands" mit einem Exzeß an Demokratie, d.h., der Meinungsfreiheit
fiir unliebsame Meinungen, Schluß zu machen und das Strafrecht in Bewegung zu setzen.
c.) Frankfurter Rundschau vom 6. Mai 1977
In der Frankfurter Rundschau schrumpft die zweieinhalb Seiten lange Stellungnahme von
Mescalero auf dessen Nichtverhehlenkönnen ,,klammheimlicher Freude" über den Bu-
back-Mord. Die Argumentation ist dürr und stringent: Der Mescalero-Text ist Ausdruck
eines ,,nicht mehr zrJ überbietenden" ,,pathologischen Zynismus", Ausgeburt ,,kranker
Gehirne" (auf diese originelle Weise - mittels des Plurals von ,,Gehirn" - identifiziert die
FR Mescalero mit dem Göttinger Asta) und ein ,,Musterbeispiel für blanken Faschismus".

Die sich fiir den Verfasser aus diesen Charakterisierungen ergebenden Konsequenzen wer-
den dann fein säuberlich und stakkatoartig aufgelistet. Am Ende von Abs atz (l) holt er so-
zusagen zum Schlag aus:: ,,öffentliches Ereignis ... ,,ifil Publikationsorgan einer Einrich-
tung studentischer Zwangsmitgliedschaft". Und dann: 1. scharfe Mißbilligung durch die
Landesregierung ,,kann ... nicht genügen", ist vielmehr ,,lediglich angemessener Forma-
lismus". Wer würde sich in der Stunde der Gefahr ,,lediglich" mit ,,Formalismen" begnü-
gen? Gefragt rst 2. ein ,,standortbekenntnis", an dem ,,sich die Geister scheiden". Der Ar-
tikel aus der am weitesten links stehenden Zeitung kommt somit am Ende 3. zu der ex-
plizitesten Schlußfolgerung: ,,Die verfaßte Studentenschaft als Zwangskörperschaft"
ebenso wie die ,,Welt" (,,zwangsweise eingezogene Beiträge") zieht die FR den ,,Zwang"
als Kompositum enthaltenden Begriff dem Begriff ,,verfaßte Studentenschaft" vor - ,,muß
damit zur Disposition gestellt werden."
Zur Ehre der bundesdeutschen Presse muß gesagt werden, daß es im weiteren Verlauf auch
gemäßigtere Pressestimmen gab, in denen auch Elemente objektiver Information und Dis-
kussion auszumachen waren. Der von den zitrerten und zahllosen anderen Artikeln vorgege-
bene allgemeine Rahmen war jedoch abgesteckt und die gestellten Ziele wurden erreicht. Das
Jahr 1977 war der Anfang vom Ende der verfaßten Studentenschaft. Die Einschüchterung und
Domestizierungkritischen Denkens in der Professorenschaft und unter den Studenten war ein
weiteres Ergebnis, das einer regelrechten Messung allerdings weniger leicht zugänghch ist.

15
3. Das Zusammenwirken von offener und ,,verschlossener" Propaganda in Krisenzeiten

Die Reaktion der bundesdeutschen Medien auf den Mescalero-Artikel war ein klassischer Fall
von ,,Flak". In ,,Die Mescalero-Afftire" schreibt einer der Mitherausgeber der Dokumentation
des Mescalero-Artikels, Peter Brückner (S.58): ,,Der Staat klärt, mit Hilfe einer Millionen-
Presse, der Polizei und der Staatsanwaltschaft, die Bevölkerung über Mescalero auf, Mesca-
lero seinerseits tausend Göttinger Studierende über den Staat. Der eine verfügt zrm Zwecke
der Aufklärung über eine ganze Nation, der andere über Baflog. Der eine, der Staat, hat Zu-
gang zu den Beratungssälen der Rektoren, der Senate und Landes-Regierungen, der andere,
Mescalero, ztJ einem lokalen Studentenblatt." Hier haben wir genau den strukturellen Unter-
schied vor uns, den Chomsky und Herman mit den Filtern 1) und 2) zu erfassen versuchen.
Immerhin war die gemeinsame Basis von Stadtguerillagruppen wie der RAF, Mescalero und
der Linken in der BRD insgesamt das Bekenntnis zum Sozialismus, ein Bekenntnis, das von
den Besitzern großer Pressekonzerne und ihren Anzeigenkunden selten geteilt wird.

Auch das Wirken von Filter 3), der Unterrepräsentation von Staat und Wirtschaft unabhängi-
gen Quellen, zeigte sich während der Mescalero-Affaire in spektakulärer Weise. Der eigentli-
che Gegenstand der Presseartikel, nämlich der Mescalero-Artikel selbst, passierte dabei sozu-
sagen einen Mikrofilter, bis nur noch Aussagen übrigblieben, gegen die öffentlicher Haß sich
mobilisieren ließ. Filter 5) mutierte dabei teilweise zum ,,Antiterrorismus als nationaler Reli-
gion", ohne deswegen die Beschwörung der kommunistischen Gefahr zum Verschwinden zu
bringen, repräsentiert durch die marginale DKP oder die noch marginaleren maoistischen
Gruppen. Sie alle wurden dem ,,Lager der Sympathisanten" zugeschlagen - hatten nicht auch
sie es schließli ch zu ihrer Berufung gemacht, dieselben Institutionen und Personen anzugrei-
fen, gegen die die RAF nun ihre Waffen richtete?
Die durch die Aktionen der RAF 1977 ausgelöste Panik und daraus resultierende Wut, wie sie
in den analysierten Artikeln zum Ausdruck kommt, waren sicherlich real genug, nicht nur bei
den großen Presseorganen, sondern auch bei der politischen und wirtschaftlichen Elite.
Gleichzeitig wurde sie aber wirksam dazubenutzt, um der durch die Revolte von 1968 ausge-
lösten Krise der Demokratie, d.h., der exzessiven Einmischung von Teilen der Bevölkerung
wie etwa der Studenten in ihre eigenen Angelegenheiten zu steuern und sie in die für sie vor-
gesehene Rolle als ,,Zuschauer", nicht ,,Handelnde" (Lippman) zurückzudrängen. Die Propa-
ganda vom durch alle - unter Führung der dazu berufenen Elite - zu bekämpfenden terroristi-
schen oder mit dem Terror sympathisierenden Feind diente dabei dem klassischenZweck,
to ,,train the minds of the people to a virtuous attachment to their goverrrment," and to
the arrangements of the social, economic and political order more generally.
In einem wichtigen Punkt wurden die Voraussagen des Propagandamodells allerdings über-
troffen. Wie regelmäßig auch in Demokratien beobachtbar,löste die Krise einen totalitären
Schub aus. Die marktwirtschaftlich und politisch-kulturell konditionierten Propagandame-
chanismen erfuhren eine natürliche Ergänzung durch das, was in China treffend
,,verschlossene Propagandaoo genannt wird. Propaganda wird auch vermittels dessen gestaltet,
was nichl gesagt werden darf, das heißt, der Öffentlichkeit verschlossen bleiben muß. Das
berühmte von Voltaire überlieferte Diktum über die Meinungsfreiheit: ,,Ich werde deine Mei-
nung bis zum Ende bekämpfen, aber ich würde mich dafiir töten lassen, daß du sie sagen
kannst" erfuhr einen wesentlichen Zusatz:,,fi.ir den Fall, daß diese Meinung die von mir ge-
steckten Grenzen nicht überschreitet."

T6
Aus: Edward S. Herman und Noam Chomsky, Manufacturing Consent (p. 40/41)

TABELLE. 2-I
Berichterstattung der Massenmedien über wertvolle und wertlose Opfer (1):
Ein ermordeter polnischer Priester versus einhundert ermordete Geistliche in Latein-
amerika

TIME &
New York Times NEWSWEEK CBSNEWS

Nach- Abend-
richten- nach-
Spalten- Artikel, Leit Spalten- pro- richten-
Artikell inches 1. Seite artikelr Artikelr inches grammet progr.
Zahl oÄv. Zahl o/ov. Zahl oÄv. Zahl o/ov. Zahl %ov. Zahl o/ov. Zahl oÄv. Zahl %ov.
Zellel Zeilel Zeilel Zellel Zellel Zellel Zellel Zellel
Opfer
1. Jerzy po- 78 (100) 1183,0 (100) 10 (100) 3 (100) L6 (110) 313,0 (100) 46 (100) 23 (100)
pieluszko, er-
mordet
19.10.1984

2. 72 Opfer rrn- 8 (10,3) 117,5 (9,9) 1 (10) 16 (5,1) -3

ter Geistlichen
in Lateiname-
rlka,1964-782

3 23 Geistli- 7 (9,0) 66,s (s,6) 2 (12,s) 34,0 (10,e) 2 (4'3) 2 (8,7)


che, ermordet
in Guatemala,
Jan. 1980-Feb.
I 9851

4 oscar Ro- 16 (20,s) 219,0 (18,5) 4 (40) 3 (18,8) 86.s (27,6) 13 (28,3) 4 (17,4)
mero, ennordet
am 18.03. 1980

5 4 US-or- 26 (33,3) 2}t,s (17,0) 3 (30) s (31,2) I 1 I,0 (3s,5) 22 (47 ,8) l0 (43,s)
densschwe-
stem, ermordet
in El Salvador,
2. Dez. 1980

6. Summe der 57 (73,1) 604,5 (51,1) S (80) 10 (62'5) 247,5 (79,1) 37 (80'4) L6 (69,6)
Zeilen2 - 5

t Die Medienberichterstattung erstreckt sich auf eine achtzehnmonatige Zeitsparure seit dem Datum des ersten
Berichts über das Verschwinden oder die Ermord,tttg des Opfers.
2
Aufgelistet in Penny Lernoux, Cry of the People (New York: Doubleday, 1980), pp. 464-65. Wir haben bei un-
serer Zahl sieben Märtyrer weggelassen, die zur Guerilla gingen. Lernoux weist darauf hin, daß ihre Liste weit
davon entfernt ist, vollständig zu sein und sich nur aus den besser bekannten Opfern zusammensetzt.
' Der Index für die CBS-Nachrichten beginnt mit dem Jahr 1975; unsere Angabe hier sagt also nichts über die
davorliegenden Jahre.
o Das ist nur eine teilweise Auflistung, die den Tabellen in ,,Getötete oder 'verschwundene' Geistliche in Guate-
mala". die regelmäßig von CONFREGUA: Conferencia de Religiosos de Guatemalohetausgegeben werden,
entnommen ist.

tv
Bubqck - ein Nachruf

1. Dies soll nicht unbedingt eine Einschätnrng sein oder ein kommentierender Verriß vom
Schreibtisch aus, mit päpstlichem Gestus vorgetragen und als ,,solidarische Kritik" be-
zeichnet. Ausgewogenheit, stringente Argumentation, Dialektik und Widerspruch - das ist
mir alles piep-egal. Mir ist bei dieser Buback-Geschichte einiges aufgestoßen, diese Rülp-
ser sollen zu Papier gebracht werden, vielleicht tragen sie ein bißchen zu einer öffentli-
chen Kontroverse bei.
) Meine unmittelbare Reaktion, meine ,,Betroffenheit" nach dem Abschuß von Buback ist
schnell geschildert: ich konnte und wollte (und will) eine klammheimliche Freude nicht
verhehlen. Ich habe diesen Typ oft hetzen hören, ich weiß, daß er bei der Verfolgung,
Kriminalisierung,, Folterung von Linken eine herausragende Rolle spielte. Wer sich in den
Ietzten Tagen nur einmal genau sein Konterfei angesehen hat, der kann erkennen, welche
Zige dieser Rechtsstaatträgt, den er in so hervorragender Weise verkörpert. (...)
Ehrlich, ich bedaure es ein wenig, daß wir dieses Gesicht nun nicht mehr in das kleine rot-
schwarze Verbrecheralbum aufnehmen können, das wir nach der Revolution herausgeben
werden, um der meistgesuchten und meistgehaßten Verbrecher der alten Welt habhaft zu
werden und sie zur öffentlichen Vernehmung vorzuführen. Ihn nun aber nicht mehr - en-
fant perdu.
3. Aber das ist ja nun nicht alles gewesen, was in meinem und im Kopf vieler anderer nach
diesem Ding herumspukte. So eine richtige Freude, wie etwa bei der Himmelfahrt von
Carrero Blanko konnte einfach nicht aufkommen, nicht daß ich mich von der wirklich gut
inszenierten ,,öffentlichen Empörung und Hysterie" kirre machen ließ; dieses Spektakei
scheint j a wirklich von mal zu mal bess er zv funktionieren. (...)
4. Aber deswegen ist mir dieser hermetisch wirkende Block gleichgeschalteter Medien doch
nicht so egal, daß ich mich bei irgendwelchen Aktionen überhaupt nicht mehr um ihn zu
kümmern brauchte. Die Wanzenaffäre hat doch gezeigt, daß sich dieser Chor der Auf-
rechten Leute in den PeIz gesetzthat, die ihn l<ratzen, die sich nicht mit Meinungen und
Kommentaren hinweg tuschieren lassen. Da haben sich immerhin Risse in dieser schein-
bar festgefügten Legitimationsfassade gezeigt, die wir ausnutzen müssen und können, so-
gar in Bezug auf Stammheim. Da haben wir eine Gelegenheit versäumt, ein öffentliches
Gemurmel, ein öffentliches Unbehagen der Nonchalance, mit der die Bubacks, Maihofers,
Schiess und Benda die dicksten Rechtsbrüche begehen, offensiv für uns und die Gefange-
nen zrr nutzen. Diese Chance ist vorerst vorbei. (...)

f. Das mag ein persönlicher Eindruck sein; ich hatte auch keine Ideen und keine Kraft, bei
dieser Afftire einzugreifen. Aber deutlicher wird das, was ich damit kritisieren will, viel-
leicht am Beispiel des Roth/Otto-Prozesses in Köln. In diesem Prozeß war die Strategie
der Bubacks die, die Linke, die nachweislich nicht geschossen, als Polizisten-Mörder z\
verurteilen. Revolutionäre Linke sind Killer, ihre Gesinnung, ihre Praxis prädestiniert sie
zu Killern, die vor keinem Mittel zurückschrecken - so die Gleichung der Ankläger und
(offensichtlich) der Richter.
In mühevoller Kleinarbeit ist es den beteiligten Genossen und Genossinnen wenigstens
ansatzweise gelung€fl, diese Strategie zu durchkreuzen (...)
6. Am letzten Mittwoch haben die Anwälte von Roth und Otto Antrag auf Haftentlassung
gestellt, weil einfach von der Beweislage her der Vorwurf des gemeinschaftlichen Mordes
am Polizisten Pauli nicht mehr aufrechtzuerhalten war. Die Gleichung ,,Linke sind Killer"

18
war durchkreuzt. Ich befiirchte aber, daß mit dem Anschlag auf Buback den Genossen die
guten Karten aus der Hand genommen sind, daß hierdurch eine unfreiwillige Amtshilfe
fiir die Justiz geleistet wurde, die vielleicht sogar den Urteilssspruch negativ beeinflussen
wird.
7. Der Blindheit jener, fiir die sich die politische Welt auf Stammheim reduziert und die
völlig unabhängig von der jeweiligen ,,politischen Konjunktur" den Kampf führen und ih-
re Mittel wählen, könnte so andere Genossinnen und Genossen entwaffnen und wäre ein
unfreiwilliger Beitrag dazu, sie fertig zumachen. ,,Counterinsurgency" andersherum...
8. Diese Überlegungen allein haben ausgereicht, ein inneres Händereiben zu stoppen. Aber
es kommt noch doller. Ich habe auch über eine Zert hinweg (wie so viele von uns) die
Aktionen der bewaffneten Kämpfer goutiert; ich, der ich als Zivilist noch nie eine Knarre
in der Hand hatte, eine Bombe habe hochgehen lassen. Ich habe mich schon ein bißchen
daran aufgegeilt, wenn mal wieder was hochging und die ganze kapitalistische Schickeria
samt ihren Schergen in Aufruhr versetztwar. Sachen, die ich im Tagtraum auch mal gern
tät, aber wo ich mich nicht getraut habe sie zu tun.
9. Ich habe mir auch jetzt wieder vorgestellt, ich wäre bei den bewaffneten Kämpfern, werde
gesucht, gejagt, lebe irgendwo in einem konspirativen Zusammenhang von einigen Leu-
ten, muß aufpassen, daß meine alltäglichen Verrichtungen (einkaufen gehen, Papierkörbe
leeren, einen Film ansehen) mir nicht schon den Garaus machen.
10. Ich frage mich, wie ich - abgeschnitten von alltäglichen persönlichen und politischen Zu-
sammenhängen - mit meinen Leuten die Entscheidung über eine solche Aktion ftillen
könnte. Wie ich mich monatelang darauf vorbereiten müßte, daß Buback weg muß, wie
mein ganzes Denken von Logik und Ballistik bestimmt wird. Wie ich mir sicher sein
kann, daß dieser und kein anderer sterben muß, wie ich in Kauf nehme, daß auch ein an-
derer dabei draufgeht, ein dritter vielleicht querschnittsgelähmt wird etc.
11.Ich müßte völlig umdenken, ich denke immer noch, daß die Entscheidung zu töten oder zu
killen bei der herrschenden Macht liegt, bei Richtern, Bullen, Werkschützen, Militärs,
AKw-Betreibern. Daß ich dafür extra ausgebildet sein müßte, kaltblütig wie Al Capone,
schnell brutal, berechnend.
12. Wie soll ich mich entscheiden, daß Buback wichtig ist, nicht für mich und meine Leute,
sondern auch fiir die anderen Leute. Daß er wichtiger ist, als der Richter X am Gefiingnis
Y oder einer seiner Wärter. Oder daß der Verkäufer an der Ecke, der dauernd ,,Kopf ab"
brüllt eine geringere ,,Schuld" trägt als Buback. Nur, weil er weniger ,,Verantwortung"
hat?

13. Warum diese Politik der Persönlichkeiten? Könnten wir nicht mal zusammen eine Köchin
entführen und sehen, wie sie dann reagieren, die aufrechten Demokraten?
14. Sollten wir uns nicht überhaupt mehr auf die Köchinnen konzentrieren?
15. Wenn in Argentinien oder gar in Spanien einer dieser staatlich legitimierten Killer umge-
legt wird, habe ich diese Probleme nicht. Ich glaube zu spüren, daß der Haß des Volkes
gegen diese Figuren wirklich ein Volkshaß ist. Aber wer und wieviele Leute haben Bu-
back (tödlich) gehaßt. Woher könnte ich, gehörte ich den bewaffneten Kämpfern an, mei-
ne Komp etenz beziehen, über Leben und Tod zu entscheiden?
16.Wir alle müssen davon runterkommen, die Unterdrücker des Volkes stellvertretend fiir
das Volk zu hassen, so wie wir allmählich schon davon runter sind, stellvertretend für an-
dere zu handeln oder eine Partei aufzubauen. Wenn Buback kein Opfer des Volkszornes
wird (oder wegen mir auch des Klassenhasses, damit kein falscher Verdacht aufkommt),
19
dann geht die Gewalt, die so ausgeübt wird, ebensowenig vom Volk aus, wie Bubacks
Gewalt vom Volke ausging.
17.(...) die Strategie der Liquidierung, das ist eine Strategie der Herrschenden. Warum müs-
sen wir sie kopieren? Die Leute (das Volk!) haben Angst davor, sie haben ihre Erfahrun-
gen damit gemacht, genauso wie mit Einkerkerung und Arbeitslager. Was wir auch tun; es
wirft immer ein Licht auf das, was wir anstreben. Wir werden unsere Feinde nicht liqui-
dieren. Nicht in Gefängnisse und nicht in Arbeitslager speffen und deswegen gehen wir
doch nicht sanft mit ihnen um.
18. Unser Zweck, eine Gesellschaft ohne Terror und Gewalt (wenn auch nicht ohne Aggressi-
on und Militanz), eine Gesellschaft ohne Zwangsarbeit (wenn auch nicht ohne Plackerei),
eine Gesellschaft ohne Justiz, Knast und Anstalten (wenn auch nicht ohne Regeln und
Vorschriften oder besser: Empfehlungen) dieser Zweck heiligt eben nicht jedes Mittel,
sondern nur manches. Unser Weg zum Sozialismus (wegen mir: Anarchie) kann nicht mit
Leichen gepflastert werden.
19. Warum liquidieren? Lächerlichkeit kann auch töten, ztrm Beispiel auf lange Sicht und
Dauer. Unsere Waffen sind nicht lediglich Nachahmungen der militärischen, sondern sol-
che, die sie uns nicht aus der Hand schießen können. Unsere Stärke braucht deshalb nicht
in einer Phrase zu liegen (wie in der ,,solidarität"). Unsere Gewalt kann nicht die Al Ca-
pones sein, eine Kopie des offenen Straßenterrors und des täglichen Terrors; nicht autori-
tär, sondern antiautoritär und deswegen um so wirksamer. Um der Machtfrage willen (o
Gott!) dürfen Linke keine Killer sein, keine Brutalos, keine Vergewaltiger, aber sicher
auch keine Heiligen, keine Unschuldslämmer. Einen Begriff und eine Praxis zu entfalten
von Gewalt/Militanz, die fröhlich sind und den Segen der beteiligten Massen haben, das
ist (zum praktischen Ende gewendet) unsere Tagesaufgabe. Damit die Linken, die so han-
deln, nicht die gleichen Killervisagen wie die Bubacks kriegen.
Ein Göttinger Mescalero

DIE WELT vom 30. April1977

,,Göttinger AStA billigt den Mord an Buback", W. M., Göttingen


Der Allgemeine Studentenausschuß der Universität Göttingen hat die Ermordung von Gene-
ralbundesanwalt Siegfried Buback öffentlich gebilligt. In der mit einer Auflage von 6000 Ex-
emplaren verbreiteten jüngsten ASt A-Zeitung ,,Göttinger Nachrichten" heißt es, man könne
eine ,,klammheimliche Freude" über den ,,Abschuß" von Buback nicht verhehlen.
In der aus den Beiträgen aller Göttinger Studenten finanzierten AstA-Zeitung wird bedauert,
daß das Gesicht von Buback ,,nun nicht mehr in das kleine rot-schwarze Verbrecheralbum"
aufgenommen werden könne, ,,das wir nach der Revolution herausgeben werden, um der
meistgesuchten und meistgehaßten Verbrecher der alten Welt habhaft zu werden und sie zu
Der Ring Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS) hat gestern Strafanzeige gegen den
öffentlichen Vernehmungen vorzuführen".
ASIA wegen ,,öffentlicher Billigung" des Karlsruher Mordanschlags gestellt. Der Rektor der
Universität wurde vom RCDS aufgefordert, die ftr die Zertung verantwortlichen ASIA-
Referenten zvr Rechenschaft zu ziehen. Nach Auffassung des RCDS muß der ASIA auch fi-
nanziell haftbar gemacht werden, weil die Kosten für die ,,Göttinger-Nachrichten" aus den
zwangsweise eingezogenen Beiträgen der fast 20 000 Studenten aufgebracht worden seien.

z0
Süddeutsche Zeitung vom 6. Mai 1977 (Titelseite)

Das Streiflicht
(SZ) Wer nach Beispielen sucht, wie der Nährboden des Terrors beschaffen ist, braucht nicht
weit zu gehen. Dre Zetten sind vorbei, da man die Sympathisantenszene vorwiegend im
Halbdunkel oder in den Schlupfwinkeln des Untergrundes vermutete. In diesen Tagen offen-
bart sie sich mit einer Schamlosigkeit, die kaum noch zu überbieten ist. Da schildert einer
schnell und zynisch einmal in den Göttinger Nachrichten, dem ,,Amtsblatt" der studentischen
Mitsprache, seine Betroffenheit nach dem Abschuß (andere sagen: der Hinrichtung) von Sieg-
fried Buback, eine unverhohlene ,,klammheimliche" und nun in gedruckten Lettern publik
gemachte ,,Freude" über diesen Tod: ,,Ehrlich, ich bedaure es ein wenig, daß wir dieses Ge-
sicht nun nicht mehr in das kleine rot-schw arze Verbrecheralbum aufnehmen können, das wir
nach der Revolution herausgeben werden..." Wir - wer ist denn das? Darf so der ASIA im
Namen der verfaßten Studentenschaft sprechen? In einem womöglich mit studentischen
P fl ichtbeiträgen und öffentlichen Mitteln frnanzierten B lättchen?

Zitieren wir noch jenes nicht minder widerliche Erzeugnis der sogenannten Fettpresse, Zett-
schrift der Fachschaft fiir Maschinenbau in Braunschweig. Wo man etwas über Angelegen-
heiten der Fachschaft und des Maschinenbaus erwarten sollte, erftihrt der Leser, daß Buback -
,,eine der Gallionsfiguren der politischen Repression" - nun ein für allemal gehindert sei,
,,seine dreckigen Geschäfte weiterzufiihren". So wird ein grausiger Vorgeschmack davon
vermittelt, wie die Welt nach der ,,Revolution" dieser Sympathisanten des Terrors aussehen
würde - eine gnadenlose Wegwerfgesellschaft, wo selbst die Erinnerung an Freiheit und Men-
schenwürde bald getilgt sein würde. Es wird Zeit, Bekundungen von dieser Sorte auf ihren
strafrechtlichen Gehalt und auf die Tragweite des ,,politischen Mandats" prüfen zu lassen. In
der Sprache der Revolution wäre eine solche Reaktion des Anstands freilich nur ein ,,keckes
Ansinnen", studentische Publikationen zu zensieren. Nicht der Mörder, der Ermordete ist
schuldig - so lautet jedenfalls das Dogma jener geführlichen, politisch pubertären Sekten mit
ihren unaussprechlichen konspirativen Namen und Kürzeln (...)

Frankfurter Rundschau vom 6. Mai 1977

Blanker Faschismus
Der pathologische Zynismus ist nicht mehr zu überbieten: Im Nachrichtenblatt des Allgemei-
nen Studentenausschusses (AStA) der Universität Göttingen konnte der Autor eines
,,Nachrufes" auf den ermordeten Generalbundesanwalt Buback seine ,,klammheimliche Freu-
de nicht verhehlen". Wenn sich in kranken Gehirnen die Karlsruher Bluttat als freudiges Er-
eignis darstellt, dann ist das eine persönliche Angelegenhert. Zum öffentlichen Ereignis wird
es aber, wenn ein derartiges Musterbeispiel für blanken Faschismus im Publikationsorgan
einer E inrichtung studenti sche r Zw angsmitgliedschaft verbreitet wird.
Da kann es nicht genügen, wenn die niedersächsische Landesregierung den Artikel scharf
mißbilligt und hochschulrechtliche Konsequenzen ankündigt. Das ist angesichts der Gewich-
tigkeit des Vorgangs lediglich angemessener Formalismus. Herausgefordert sind die Studen-
tenausschüsse insgesamt, die fiir sich in Anspruch nehmen, nicht nur zur banalen Interessen-
vertretung, sondern vor allem auch zur politischen Stellungnahme legitimiert zu sein. Hier
wäre eine Gelegenheit zum Standortbekenntnis, damit deutlich wird, wo sich die Geister
scheiden. Die verfaßte Studentenschaft aIs Zwangskörperschaft muß damit zur Disposition
gestellt werden.

2l
Literaturangaben:

Zum Propagandamodell von Chomsky und Herman:

CHOMSKY, Noam and HERMAN, Edward S.: The Washington Connection and Third World Fascism.
The Political Economy of Human Rights, vol I. Boston, South End Press,1919. Zitierl als: PEHR I.
HERMAN, Edward S.: The Real Terror Network. Terrorism in Fact and Propaganda. Boston, South
End Press, 198I. Zittert als: RTN.
CHOMSKY, Noam: Towards a New Cold War. Essays on the Current Crisis and How We Got There.
New York, Pantheon, 1982. Zitiert als: TNCW.
HERMAN, Edward S. and CHOMSKY, Noam: Manufacturing Consent. The Political Economy of the
Mass Media. New York, Pantheon, 1988. Zitrert als: MC.
CHOMSKY, Noam: Necessary Illusions. London, Pluto Press, 1989. Zitiert als: NI.
HERMAN, Edward S.: Beyond Hypocrisy. Decoding the News in an Age of Propaganda. Including the
Doublespeak Dictionary. Montreal, Black Rose, 1992. Doublespeak Dictionary zitrert als: DD.
CHOMSKY, Noam: Was Onkel Sam wirklich will. Zürich, Pendo-Verlag, 1993.
WINTONICK, Peter and ACHBAR, Mark: Manufacturing Consent. Noam Chomsky and the Media.
Montreal, Black Rose, 1994. Script zum gleichnamigen Film. Zitiert als: MC-Film.

Zu P r opaganda all gemein :

Argumente und Parolen. Politische Propaganda im 20. Jahrhundert. Sfuttgart, Reclam, 1975
Propaganda. Meinungskampf, Verführung und politische Sinnstiftung 1789 - 1989. Hrsg. v. Ute Daniel
und Wolfram Siemann. Frankfurt. Fischer.1994.

Zur Textlinguistik:

VATER, Heinz: Einflihrung in die Textlinguistik. Struktur, Thema und Referenz in Texten. München,
Wilhem Fink Verlag (UTB), 1994.

Zur " Mescalero-Affaire " :

BLANKE et. al.. Der Oldenburger Prozeß. Berlin, "Kirschkern" Buchversand, 1979.
BRÜCKNER, Peter: Die Mescalero-Affäre. Ein Lehrshick fi.ir Aufklärung und politische Kultur.
Hannover, Internationalismus Buchladen und VG, 1978.
PETERS , Butz'. RAF. Terrorismus in Deutschland. Stuttgart, DVA , 7997 .

Zum Anhang:

Die Tabelle ,,Mass-Media Coverage..." ist dem angegebenen Buch von Herman und Chomsky,
Manufacturing Consent, entnommen (dortp.40 - 41).,,Buback - einNachruf ist abgedruckt in
Peter Brückners Buch Die Mescalero-Affire (5.24 - 26), ebenso die Artikel aus Welt (S. 41)
und SZ (S. 40). Der FÄ-Artikel ,,Blanker Faschismus" entstammt der Dokumentation von
Blanke et al. Der Oldenburger Buback-Proze/3,5.269.

22
Übersetzung der englischen Zitate:

Seite l, ganz oben: ,,Der besondere Kniff des amerikanischen politischen Systems ist, in den
Worten Mark Twains, 'das Recht auf freie Rede und der Anstand, es nicht zu benutzen."'

Seite 3, Mitte: ,,Wenn dem Volk das Recht auf freie Rede gegeben wird, muß man sicherstel-
len, daß der Mund des Volkes die richtigen Worte spricht."

Seite 4, oben: ,,wie sie von James Mill in den frtihen Tagen der Einführung dieses Systems
verstanden wurde: 'den Geist des Volkes zu einer tugendhaften Anhänglichkeit gegenüber ih-
rer Regierung', und gegenüber den Fügungen der sozialen, ökonomischen und politischen
Ordnung im allgemeineren Sinn'auszubilden"'.

Seite 5, Mitte: ,,Die Dissidenten im Westen dürfen ihre Samisdats [russisch: Untergrundzei-
tungen] unbehelligt verbreiten. "

Seite 8, unten: ,,Ein Text ... unterscheidet sich in zweierlei Hinsicht von einer beliebigen An-
sammlung von Außerungen: A. Er gehorcht gewisse globalen Beschränkungen, die in erster
Linie aus der Tatsache resultieren, daß die Außemngen in ihrer Gesamth ert dazu dienen, fiir
ein gegebenes Publikum und zu einem gegebenen Ziel eine komplexe Menge von Informati-
on, eine Gesamtvorstellung [deutsch im Original] auszudrücken... Die Natur der Gesamt-
vorstellung auf der einen, und der spezifische Zweck, die der Sprecher damit verfolgt, sie aus-
zudrücken, erlegen der Organisation des Textes als Ganzer gewisse Beschränkungen auf. B.
Die Art, in der der Text von einer Außerun g nrr nächsten übergeht, gehorcht lokalen Be-
schränkungen, je nachdem, welche Information eingeführt, als Thema beibehalten oder weiter
ausgeführt wird. ... Jede Außerung wählt ein Segment aus der Gesamtvorstellung aus und setzt
es in Worte um."

Seite 9, Mitte: ,,Jenseits von Heuchelei. Entschlüsselung der Nachrichten in einem Zeitalter
der Propaganda. Das Zwtesprech-Wörterbuch. "

Seite 10, Mitte: ,,Aggression. Invasion eines anderen Landes durch jemand anderen als uns
selbst ohne unsere Zustimmung; außerdem, Hilfe und Unterstützung fiir die Seite in einem
Bürgerkrieg, zn der wir in Opposition stehen; außerdem, Widerstand gegen einen US-
Angriff."

Seite 16. unten: Siehe Seite 4,,','den Geist des Volkes ...'etc."

23
ln haltsverzeich n is

f. Propaganda. .... ........o....... ........ I

1. Herkunft und Definitionen des Besriffs


2. Historischer Wandel
3. Propaganda in totalitären Regimen und in Demokratien

II. Ein Propagandamodell der Medien in den demokratischen Gesellschaften . . . . 3

1. Die strukturierenden Prinzipien des Propagandamodells


2. Die Voraussagen des Propagandamodells
3. Empirische Studien hinsichtlich des Propagandamodells

ilI. Die linguistischen Aspekte staatstragender Propaganda in den Demokratien . . . 8

1. Textlinguistische Aspekte
2. Der Kampf um die Definitionsmacht über Begriffsinhalte

IV. Eine Fallstudie: Ein Text und seine Folgen 11

1. Analyse des Mescalero-Textes


2. Analyse der Berichterstattung über den Text in Welt, SZ und FR
3. Das Zusammenwirken von offener und ,,verschlossener" Propaganda in Krisenzeiten

V. Anhang .... ............ ..,.l7

1 . Mass-Media Coverage of Worthy and Unworthy Victims ( 1)


2. Buback - ein Nachruf
3. Artikel der,,'Welt", ,,52" und,,FR"

VI. Literaturangaben und Übersetzung der englischen Zitate . 22

24

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