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FsöTh 103

Henning Theißen

Die evangelische
Eschatologie und
das Judentum
Strukturprobleme
der Konzeptionen
seit Schleiermacher

Vandenhoeck & RuprechV'


Forschungen zur systematischen
und ökumenischen Theologie

Herausgegeben von
Reinhard Slenczka und Gunther Wenz

Band 103

Vandenhoeck & Ruprecht


00040222

Henning Theißen

Die evangelische Eschatologie


und das Judentum
Strukturproblem der Konzeptionen
seit Schleiermacher

Vandenhoeck & Ruprecht


000402U

Gewidmet dem Andenken an


Monsignore Dr. Jose! Schütt
(/9/6-/999)

Bibliografische Information Ikr Deutschen Bibliothek

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der


Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind
im Internet ilber <hllp:lldnb.ddb.dC> abrufbar.

ISBN J-525·S62S6·X

(12004. Vandenhocck & Ruprecht in Göuingen. Internet: www.v-r.de


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Druck- und Bindearbeiten: Iiubert &. Co., Göuingen

Gedruckt auf aherungsbestlindigem Papier

elyeriteN
Staat,~bnolhek
MOnehen
000-40222

Inhalt

Vorwort 9

Erster Teil

I. Exposition der Fragestellung 11


1. Christliche Eschatologumena aus jüdischer Tradilionsgeschichte 13
2. Schemata christlicher Wahrnehmung des Judentums 21
3. Anfragen des Judentums an die christliche Eschatologie 24

Zweiter Teil

11. Friedrich Schleiermachers eschatologisches Dilemma 42


I. Analyse 43
I. I. Aufweis eines eschatologischen Dilemmas in zwei Gestalten 43
1.2. Implikationen für die Wahrnehmung des Judentums 57
2. Erhebung von Wahrnehmungsschemata 62
2.1. Weissagung und Ende der Weissagung? 62
? Partl'k u I antat
2 ._. '.. un dU'
nlversaI'Itat
.. ? . 63

3. Problemgeschichllicher Ertrag 68
111. Die chiliastische Eschalologie der HeilsgeschichIlichen Theologie 79
I. Analyse 80
1.1. Person und Natur als eschatologische Grundbegriffe 80
1.2. Implikalionen für die Wahrnehmung des Judentums 118
2. Erhebung von Wahrnehmungsschemala 124
2.1. Natur und Person? 124
2.2. Wahrsagung und Weissagung? 126
3. Problemgeschichtlicher Ertrag 130
6 Inhalt

1V. Martin Kählers messianisch-solerologische EschalOlogie 136


I. Analyse 137
t .1. Das Konzept einer soterologischen Eschatologie 137
1.2. Implikationen für die Wahrnehmung des Judentums 159
2. Erhebung von Wahrnehmungsschemata ,. 178
3. Problemgeschich.licher Ertrag 183
V. Die antiapokalyptische Eschatologie von Paul Althaus 193
I. Analyse 194
1.1. Eschatologie der Ewigkeit als Jenseits der Geschichte 194
1.2. Implikationen für die Wahrnehmung des Judentums 208
2. Erhebung von Wahmehmungsschernata 240

2.1. Paradoxie von Geschichte und Eschatologie? 241


2.2. Hoffnung und Glaube? 247
3. Problemgeschichllicher Ertrag 256

Driller Teil

Vl. Ergebnisse und Enrag rur Systematik und Ökumene 260


I. Ergebnisse für die Theologiegeschichte 260
2. Ergebnisse rur die Wahmehmungsschemara 262
3. Ertrag für die Eschatologie im Verhähnis zum Judentum 263
3.1. Zei. und Ewigkei •........................................................................ 268
3.2. Die Hoffnung auf die Parusie Christi 273
3.3. Die biblische Melaphorik der Eschatologie 282
3.4. Goues Handeln und menschliche Hoffnung 288
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Inhalt 7

Ex.kurse

Exkurs I: Zur Eschatologiedebane des Rechtshegelianismus 64


Exkurs 2: Die hypothetische Eschatologie der Venninlungstheologie 69
Exkurs 3: Kontexte der Axiomatik von Person und Nalur. 98
Exkurs 4: Der infinite Progreßgedanke in der liberalen Eschatologie 144
Exkurs 5: Zur problemgeschichtlichen Bedeutung der "Soterologie" 153
Exkurs 6: Theologiegeschichtliche Kontexte von Kählers Eschatologie. 189
Exkurs 7: earl Stanges unmittelbar theo-Iogische Eschatologie 199
Exkurs 8: Eschatologie bei Althaus und der Dialektischen Theologie 214
Exkurs 9: Zum Apokalyplikbegriff der Religionsgeschichtlichen Schule 234

Anhang

Bibliographie 296
I. Quellen 296
2. Sekundärliteratur 304

Register 319
I. Namen 319
2. Sachen und Begriffe 326
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Vorwort

Dieses Buch verknüpft schon in seinem Titel zwei thematische Stichwol1e,


die auch einzeln beanspruchen könnten, einen eigenen und gewichtigen
Gegenstand evangelischer Theologie danustellen: Eschatologie und Ju-
dentum. Indem diese Untersuchung ftlr eine Verbindung von eschatologi-
scher Problemgeschichte und israeltheologischer Fragestellung eintri«, be-
tritt sie mehr oder minder Neuland. Was sie leisten möchte, ist ein Beitrag
zu einer systematischen Eschatologie, die sich ihre Aufgaben vom Interesse
an einer theologischen Würdigung des Judentums slellen läßt. Diese wie-
derum kann nicht unabhängig von der Problemgeschichte der Eschalologie
geschehen. Der Gedankenkreis, der mir den heiden Titelstichworten abge-
steckt ist. markiert also einen hermeneutischen Zirkel. Einen Erweis für die
Berechtigung dieses Verfahrens und dieses Ansatzes kann nur seine Aus-
führung selbsl erbringen. Wenn das letzte Kapitel meiner Arbeit dennoch
nur eine Skizze evangelischer EschalOlogie und keine Ausftlhrung davon
präsentiert, so bedeulet das einerseits eine schmerzliche Beschränkung, an-
dererseits aber auch, wie ich hoffe, eine Konzenrralion. insofern gerade in
der Stellung zu den sog. Letzlen Dingen Charakter und Profillheologischen
Denkens sich bewähren müssen.
Das hohe Gewicht eschatologischen Denkens für alle Theologie hat mir
besonders Prof. Dr. Gerhard Sauter nahegebracht, der mir auch den Gegen-
stand dieser Untersuchung als Promolionsthema vorgeschlagen und das
Erstgulachten verfaßt hat. Das Zweitgutachten schrieb Prof. Dr. Günter Ba-
der. Die Untersuchung wurde daraufhin unter dem Titel "Konzeptionen
evangelischer Eschatologie seil Schleiermacher unter besonderer Berück-
siChtigung ihrer Wahrnehmung des Judentums" im Sommer 2002 von der
Evangelisch-Theologischen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-
Universität zu Bonn als Dissertation angenommen. 8eiden Gutachtern spre-
che ich an dieser Stelle meinen herzlichen Dank aus. Prof. Sauter danke ich
außerdem für vielerlei Förderung meiner Arbeit. besonders durch die in-
haltliche Anbindung an den Sonderforschungsbereich 534 ,.Judentum -
Christentum. Konstituierung und Differenzierung in Antike und Gegen-
wart" an der Bonner Universität (1999-2003). Von dessen Gästen nenne ich
dankbar Prof. Dr. Peter Ochs und von den Mitarbeitern Dr. Michael Konkel
und Dr. Alexandra Pontzen stellvertretend ftlr die Teilnehmer an der Ta-
gung ..Typisch jüdisch?" im Mai 2001 auf Burg Rothenfels. Die Studien-
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Vorwort

stiftung des deutschen Volkes hat meine Arbeit von November 2000 bis Juli
2002 mit einern Promotionsstipendium gefördert und mir so erst die Ausar·
beitung in der jetzigen Form ermöglicht. In diesem Zusammenhang danke
ich neben Prof. Sauter Dr. Roland Hain sowie Prof. Dr. Wolfram Kinzig
und Prof. Dr. Johannes von Lüpke für wertvolle und unkomplizierte Unter-
stützung. Dankbar erwähne ich auch die Stipendiatengruppe von Prof. De.
Wolfram Steinbeck, die meine Überlegungen in einern sehr frühen Stadium
mit Wohlwollen und sachlicher Kritik entgegengenommen hat. Die syste-
matisch-theologische Sozietät meines Doktorvaters, die interdisziplinäre
Doktoranden- und Habilitandensozietät der Bonner evangelisch-theolo·
gisehen Fakultät, das Graduiertenkolleg des Theologischen Arbeitskreises
Pfullingen und die systematisch-theologische Sozietät an der Kirchlichen
Hochschule Wuppertal haben mir an verschiedenen SchlüsselsteIlen meiner
Arbeit Gelegenheit zu Referat und kritischer Diskussion geboten. Dafür sei
allen Beteiligten herzlich gedankt.
Unter den vielen Menschen, die das Entstehen dieses Buches ebenso ide-
ell wie tatkräftig begleitet haben, möchte ich besonders meinen Vikarskol-
legen Dirk Dörpholz nennen, der in einem Akt praktischer Eschatologie
mein Manuskript davor bewahrt hat, im elektronischen Orkus zu versinken.
Für die Drucklegung habe ich das Manuskript durchgehend überarbeitet
und dabei um ein Sechstel seines ursprünglichen Umfangs gekürzt. Für
mancherlei Rat hierbei danke ich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im
Verlag Vandenhoeck & Ruprecht. Herzlich danke ich auch der Evangeli-
schen Kirche im Rheinland, der Buber-Rosenzweig-Stiftung, der Evangeli-
schen Kirche der Union (jetzt Union Evangelischer Kirchen) und der Ver-
einigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands, die allesamt das
Erscheinen dieses Buches mit namhaften Druckkostenzuschüssen gefördert
haben. Prof. Dr. Reinhard Slenczka und Prof. Dr. Gunther Wenz als Her-
ausgebern danke ich für die Aufnahme in die "Forschungen zur systemati.
sehen und ökumenischen Theologie".
Erste Denkerfahrungen mit der systematischen Bedeutung der Eschato-
logie verdanke ich dem ökumenischen Austausch mit dem erfahrenen
Theologen und Religionspädagogen sowie langjährigen Ökumenebeauf-
tragten des Bistums Aachen, Monsignore Dr. Josef Schütt. Er war mir ein
unvergeßlicher Lehrer im theologischen und philosophischen Gespräch ge-
worden, ehe er vor meiner Inangriffnahme dieses Buches am 29. Mär.l 1999
starb. Das Buch ist darum zum Zeichen meines Dankes seinem Andenken
gewidmet.

Bonn, den 28. Juni 2003 Henning Theißen


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I. Exposition der Fragestellung

In der protestantischen Theologie der vergangenen Jahrzehnte hat sich mehr


und mehr die Einsicht Geltung verschafft, daß die Vernichtung des europäi-
schen Judentums in der Shoa nicht nur die weitere Existenz von Juden und
Judentum fraglich gemacht hat. sondern auch eine Infragestellung der
christlichen Theologie bedeutet Diese sieht sich seither zu einer kritischen
Revision ihrer eigenen Theorietradition genötigt. I Die vorliegende Untersu-
chung will einen Beitrag zu einer solchen Revision leisten, und zwar auf
dem Gebiet der Eschatologie. Diese hat in den letzten Jahren verstärkt In-
teresse gefunden als ein Judentum und Christentum gemeinsamer Inhalt von
Theologie. Ein markantes Beispiel dafür ist, daß die Evangelische Kirche
im Rheinland, um ihren Grundsatzbeschluß von 1980 zur Umkehr und Er-
neuerung im Verhältnis zum Judentum mit Leben zu erfüllen, 1996 den
Grundartikel ihrer Kirchenordnung um einen Satz zur mit Israel gemeinsa-
men Zukunftshoffnung ergänzte. 2
In der vorliegenden Arbeit soll untersucht werden. wie evangelische Es-
chatologie das Judentum wahrnimmt, welche Begründungsmuster dabei
Anwendung finden und welche Zusammenhänge mit der argumentativen
Struktur christlicher Theologie bestehen. Das Ziel ist, Fragestellungen zu
ermitteln und zu erörtern. die für eine künftige evangelische Eschatologie
mit Blick auf das Judentum wichtig sind. Dazu bietet der einleitende erste
Teil der Untersuchung in Aufnahme der bisherigen Forschung einen Aufriß.
der durch die weitere Untersuchung präzisiert wird. Im Anschluß daran
werden im zweiten Teil (Kap. li-V) vier paradigmatische Komplexe evan-
gelischer Konzeptionen zur Eschatologie in ihrer systcmatischen Argu-
mentation analysiert und auf deren inhärente Strukturprobleme für die
Wahrnchmung des Judentums hin befragt. Der drille Teil resümiert die da-
bei ermiuelten Fragestellungen und entfaltet sie systematisch (Kap. Vl).

1 Vgl. den Sammelband AuschK'it: (1980) und Äußerungen wie: Eliezer BERKQVrrs. Failh af·
ter lhe HolocauSl. New Yor\: 1973. 18: ..From lhe poinl of view of lhe spinl. lhe hoIocauSl has
been a ChriSlian C8laSlrophc much l'l'"IOR: than a Jewish one" oder Elie WIESEL Die Masscnver-
nichlung als Iitc:nuische Inspiralion. in: Gon nxh Auschwitt. Dimensionen des Massenmords am
jüdischen Volk.. hg.v. Eugen Kogon. FreiburgIBascl/Wien 1979. 21-SO. 44f.: _Wenn die Opfer
mein Probkm sind - die Mörclrr sind es n;chl! Die Mörder sind das Probkm anderer (... 1. so wer-
den andere vefSlehen müssen (... 1. warum die Mörder OtriSlen - sicher schlechle Chrislen. aber
doch O1rislen _ waren.M

2 Zur Doturnentation: Umtrhr(1980): GO(f('s Trru(' (1998).


12 Ersler Teil

Quellen einer solchen Revision der evangelischen Eschatologie sind vor


allem deren Darstellungen) von 1830 bis etwa 1960. Diese zeitliche Ab-
grenzung ergibt sich wie folgt: Einerseits steht zwar am Beginn christlicher
Theologie als derjenige Punkt, wo sich im Rahmen des anlikjüdischen Dis-
kurses erstmals eine eigene und bald als christlich bezeichnete Reflexions·
gestalt auszudifferenzieren beginnt, das Nachdenken über die Zukunftser-
wanung. so daß das frühe Christentum geradezu als ein Judentum mit mo-
difizierter Eschatologie erscheinen kann. Doch andererseits hat im Prote-
stantismus gerade die Eschatologie erst spät ihre lehnnäßige Ausgestaltung
gefunden; so beschränkt sich 1530 die Confessio Augustana auf wenige
Sätze, die dann freilich zugleich eine Abgrenzung gegen jüdische Zu-
kunftserwartung beinhalten (CA 17); und erst im 19. Jh. setzt sich in der
Dogmatik. der seit 1644 belegte Begriff der Eschatologie für die themati-
4
sche Bearbeitung der Zukunftshoffnung durch. Die vorliegende Untersu-
chung setzt daher mit F. Schleiermachers Äußerungen zur Eschatologie ein.
Sie verfolgt dann den Gesprächszusammenhang protestantischer Es-
chatologie bis etwa 1960. Dieses Datum markiert einen Einschnitt, da die
spätere Debatte etwa ab J. Moltrnanns epochemachender "Theologie der
Hoffnung" im Zuge einer in der ganzen Gesellschaft verstärkten Auseinan·
dersetzung mit der Shoa bereits selbst die Revision christlicher Verhältnis-
bestimmung zum Judentum zum Thema macht und somit andere Voraus-
setzungen bietet als der frühere Diskurs. Dieser Einschnitt macht sich be-
merkbar, denn schon eine erste Durchsicht der Quellen aus dem soeben
eingegrenzten Zeitraum zeigt, daß die evangelische Eschatologie vor 1960
nur höchst selten auf jüdische Darstellungen theologischer Reflexion von
Zukunflserwartung Bezug nimmt. Dies ist um so überraschender, als der
Aufschwung der evangelischen Eschatologie. der inmitten unseres Quellen-
zeitraums liegt, sich gerade der Entschiedenheit verdankt, mit der die sog.
Konsequente Eschatologie bei J. Weiß, A. Schweitzer U.3. das frühe Chri-
stentum in den zeitgeschichtlichen Rahmen des inlenestamentarischen Ju-
dentums steJle s

] Neben den Gesanlldars!ellungen in Monographien werden auch Lexika und Dogmatiken so-
wje einschlägige Monographjen und Aufsitze: zu Einzelfragen der Eschatologje Ilerangezogen.
nichl jedoch solche Werl:e. aus denen sich dk Eschatologie nur implizil erheben lißI. wie dies für
wichtige AUllmn der Zeil um den 2. Wehkrieg gih. V.L K. Banh (in seiner •.Kirchlichen Dogma-
likj und D. Bonhodfer.
4 Zur Begriffs< und 1beoriegesc:hichte von Eschatologie vgl. übertMicbartig SAUT'ER (1999)
156lff.
.5 Vgl. HOlM~OM (1936) 7If.; 93f.; HJElDE (1987) 23J.:l45f. zur Bedc:UIUllg von Weiß und
Schweitzcr.
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I. Exposition der Fragestellung 13

Obwohl also die Wende zur Eschatologie in der evangelischen Theologie


des 20. Jh. mit einer forschungsgeschichtlichen Hinwendung zum Judentum
einhergeht, bleibt doch die jüdische Eschatologie wie bis dato außerhalb
ihres Gesichtskreises. Das ist ein methodisches Problem. vor dem die beab-
sichtigte Revision evangelischer Eschatologie und ihrer Wahrnehmung des
Judentums steht Wenn also die QueUen der vorliegenden Untersuchung
eine unmittelbare Auseinandersetzung mit jüdischen Stimmen zur Es-
chatologie nicht fUhren. so besteht die erste Aufgabe darin, alternatil'e An-
satzpunkte aufzuspüren. an denen erkennbar wird. wie die evangelische Es-
chatologie der Modeme ihr Verhältnis zum Judentum und zu jüdischer Zu-
kunftserwartung bestimmt. Das vorliegende erste Kapitel dieser Arbeit
sammelt dafür dreierlei Aspekte, nämlich Themen christlicher Eschatologie.
die aus jüdischer Traditionsgeschichte stammen (Kap. I.I), begriffliche
Schemala von Wahrnehmung des Judentums (Kap. 1.2) und Anfragen jüdi-
scher Auloren an diese heiden (Kap. 1.3). Auf diese Aspekte wird die ge-
samte Untersuchung in ihrem weiteren Verlauf bei der problemgeschichtli.
ehen Ausarbeitung und Entwicklung von Fragestellungen, die für eine
evangelische Eschatologie im Blick auf das Judentum wiChtig sind, beson-
ders achlen müssen.

1. Christliche Eschatologumena
aus jüdischer Traditionsgeschichte

I. Inhaltliche EillZeltopoi \'on Eschatologie. Ein beachtlicher Teil der Topoi


christlicher Zukunftserwartung. die in den eschalologischen Partien der alt-
kirchlichen Symboltexle und in der theologischen Lchrtradition enthalten
sind, wuchs dem Chrislentum aus jüdischer Tradilionsgeschichte zu. Dies
iSI z.B. für die Auferstehung der Toten am Neuen Testament abzulesen (Mt
22.23-33). Zugleich zeigt dieser Topos, was auch für spätere Zeiten zu be-
achlen ist, daß nämlich die jüdische Traditionsgeschichte keinen monolithi-
schen Block darstellt; Apg 23.8 häh, historisch zutreffend, fest, daß die
Pharisäer mit einer Auferstehung rechneten, die Sadduzäer diese Erwartung
aber ablehnten, da sie im Judentum deutlich jünger iSI als die entscheidende
jüdische Tradilionsbildnerin, die Tora. Daran lassen sich als ein weilerer.
auch für spätere Traditionszusammenhänge wichtiger Gesichtspunkt die
Enlwicklung und das Gewordensein auch jüdischer Eschatologie erkennen.
Die religionsgeschichtliehe Forschung hat die Herkunft der Auferstehungs-
hoffnung in der iranischen Religion des Zoroastrismus ausfindig gemacht,
14 Erster Teil

und donher stammt auch die Erwartung eines Jüngsten Gerichts, die eben-
falls über das Judentum Eingang ins Christentum fand. 6
Ein weiteres Element christlicher Eschatologie, das aus dem Judentum
stammt, ist die zumindest in Teilen des christlichen Traditionskreises ver-
breitete Erwanung eines Antichrist, der als endzeitlicher Gegenspieler lesu
Christi Gottes eschatologisches Heilswerk zu verhindern trachtet und damil
zugleich zum Anzeichen dieses Heilswerks wird. Im Judentum galt eine
derartige Gestalt freilich nicht als Widersacher lesu Christi. sondern des
erwaneten Messias. Aber genau darin scheint ein Merkmal der Modifika-
tionen zu bestehen, die das Christentum als •.Judentum mit modifizierter Es-
chatologie" an seinen traditionsgeschichtlichen Wurzeln vornimmt: Verhei-
ßungsgehalte, die dem Gonesvolk Israel gelten, werden in einer traditions-
geschichtlich ihrerseits komplex.en, Abgrenzung und Identifikation mitein-
ander verbindenden Weise auf das Christentum bezogen, das sich dann als
Gonesvolk, Volk des Bundes usw. begreift. In diesem Sinne gehören auch
Topoi wie das Volk bzw. dessen "Rest" oder der Bund zu den jüdisch ver-
wurzelten Eschatologumena. Als im engeren Sinne eschatologisch wäre die
Erwartung zu nennen. daß das Christentum im Zuge einer endzeillichen
Mission universelle Geltung erlangen wird; die emsprechende jüdische Er·
wartung, die sich auf das Judentum richtet, scheint aber weniger missionari-
sche Züge zu tragen. In bestimmten Fällen kann der jüdische Traditions-
hintergrund auch zur Negativfolie stilisien werden, wenn z.B., wie in Tei·
len des amerikanischen Dispensationalismus, aus der jüdischen Erwartung
7
eines Antichrist die Erwanung eines jüdischen Antichrisl wird.
2. Charaktere von Eschatologie. Über solche Einzeltopoi hinaus hat das
Christentum auch Traditionselemente vom Judentum übernommen, die
größere Ideenzusammenhänge darstellen. Die bedeutendsten Beispiele hier-
für sind Chiliasmus, Apokalyptik und Messianismus. Auch sie enthalten
einzelne Topoi der Zukunftserwartung; so kennzeichnet den Chiliasmus,
daß er mit einer tOOO·jährigen Herrschaft der Gläubigen auf Erden rechnet.

6 In unserem Quellenzeilr3um sind die Arbeiten der Religionsgeschichtlichen Schule grundle.


gend. L8. 8ÖKLEN (1902); aber auch OESTBtLEY (1908). Für die Frage nllCh dem Zusammenhang
mit dem Islam ist HIRSCHBERG (1939) zu nennen. Für den religionsgeschichtlichen (babyloni.
schen) Hintergrund des Alten Testaments au8crhalb der Eschatologie ist der Slreit um •.Bibel und
Babel" wichtig. in den auch jüdische Gdehr1e eingriffen.
7 Der Dispensationalismus rechnei mit einer geschichtlich fixicrbaren Ver1eilung (dispensali·
on) heilsgeschkhllkher Epochen. so daß der heulige Slaat Isntl als Vonetchen des Endes er·
scheinen kann: vgl. ARJEl. (1992) 435ff. - Gow (1995) entfalle'l für die Zeil von 1200 bis 1600 ein
anderes Beispiel: Aus der jüdischen Hoffnung auf eine eschalologische Wiederkehr der (seil 722
v. ehr.) verlorenen zehn Stimme wird im Christentum das Schreckbild der dem AnlkhriM anhän-
genden JOIen Juden~.
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I. Exposilion der Fl""dgeslellung 15

auch wenn im Detail fraglich ist, ob diese Zahl buchstäblich zu verstehen


und wie sie kalendarisch auf die erwartete Ankunft des Messias zu beziehen
ist (Unterscheidung zwischen Prä- und Postmillenniarismus). Doch im Un-
terschied zu Topoi wie dem eschatologischen Gericht oder der Auferste-
hung der Toten sind "Chiliasmus", "Apokalyptik" und "Messianismus" Ab-
straktbegriffe, die auf der Grundlage einzelner Topoi allererst gebildet wer-
den müssen, während z.B. die Begriffe "Gericht" und "Auferstehung" be-
reits in den antiken Quellen vorkommen. Man könnte sagen, daß Chilias-
mus, Apokalyptik und Messianismus weniger Inhalte als vielmehr den Cha-
rakter von Eschatologie bezeichnen. In welchem Maße solche Charaktere
nun zeigen, wie christliche Eschatologie das Judentum sieht, sei an einigen
Beispielen aus der Eschatologiegeschichte des Untersuchungszeitraums
erläutert:
a) Thema Chiliasmus. Das klassische Beispiel ist die Behandlung des
Chiliasmus in der evangelischen Eschatologie. Er wird bereits am Beginn
protestantischer Lehrbildung 1530 in der Confessio Augustana verworfen:
"Sie verdammen auch andere, die jetzt die jüdischen Anschauungen ver-
breiten, daß vor der Auferstehung der Toten die Frommen die Herrschaft
der Welt innehaben werden und überall die Gottlosen unterdrückt sein wer-
den."s Diese Fonnulierung richtet sich zwar zuerst gegen die zeitgleichen
und wenig später im westfalischen Münster verwirklichten Bestrebungen
des Täufertums, ein eigenes Staatswesen zu gründen - also gegen eine
christliche, keine jüdische Sondenneinung. 9 Doch bemüht sich z.B. der in
unserem Untersuchungszeitraum maßgebliche Auguslana-Kommentar des
Erlanger KirchenhislOrikers G. Plitt, Verbindungen der "Schwänner", wie
die Refonnation das Täufertum rubrizierte, zu zeitgenössischen Juden
nachzuweisen. Als gemeinsames Element wird dabei gehend gemacht, daß
Schwännerffäufer und Juden die Wirksamkeit des Geistes Gottes ohne ex-
lerne Vennittlung manifestiert sahen in der geschichtlich vorfindlichen
Wellwirklichkeit. Noch P. Althaus übernimmt in seinem verbreiteten Lehr-
buch der Eschatologie diese Wahmehmung. 1O Der Chiliasmus erscheint
ll
dann als die Erwartung eines verlängerten oder übersteigerten Diesseits.

8 CA 17 (Bek~nnlnissf! {199711,46).
9 FIUEDIUCH (1999) 233 zeigl analoge Mechanismen impliziler Kritik an westeuropäischen
Chiliaslen um 1650.
10 Vgl. Guslav PurT, Einleilung in die Augustana 11, Leipzig 1868.421 mil ALTHAUS (1949)
30 I Anm. 1. Die Quelle dürflen entsprechende Geständnisse eines 1530 hingerichleIen Täufers
sein. auf die R. MAU verweisl (Bd~nnlnisse [1997)1,46 Anm. 55).
11 Dieser Eindruck mag allenfalls ftlr einen binnenkirchlichen Chiliasmus gellen. wie er im 19.
Jh. in der Nachfolge J.A. Bengels in SüddeulSChland verbreileI war. v.a. in Wünlemberg, wo der
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16 Ersler Teil

Freilich behandelt Althaus den Chiliasmus zugleich auch als Zwischen-


reich, d.h. als die soziale Entsprechung zu dem, was auf der Ebene des In-
dividuums der Zwischenzustand vom Tode bis zur Auferstehung ist. Als ein
solches Zwischenreich, als logisches Bindeglied zwischen der individuellen
Dimension der Eschatologie, die mit dem Tod des Einzelnen "schon" zum
Austrag kommt, und der damit "noch nicht" eingetroffenen universellen
Vollendung, hat im 19. Jh. besonders F.H.R. v. Frank den Chiliasmus the-
matisiert. Darin ist er lediglich der wirkungsvollste Exponent einer unter
den Erlanger Theologen seiner Zeit ohnehin virulenten Beschäftigung mit
dem Chiliasmus, die aus einem ausgeprägten Interesse am Judentum er-
wuchs. Zu nennen sind hier vor allem J.C.K. v. Hofmann und sein Schüler
C.E. Luthardt 12 Wird dieser Chiliasmus wie bei Althaus als Übergangs-
reich verstanden, so liegt sein Charakteristikum weniger in der diesseitigen
Gestalt der Zukunftserwanung als darin, daß er die erwartete Zukunft zeit-
lich vorwegnimmt. Auch hiermit kann eine bestimmte Sicht auf das Juden-
tum verbunden sein: Daß der Chiliasmus das Ende vorwegnehme und so
Widersprüche und Doppelungen produziere, richtet sich bei T. Kliefoth, der
1886 mit einem umfangreichen Werk zur Eschatologie hervortritt, gegen
chiliastische "Israelolatrie". tJ
b) Thema Apokalyptik. Von hier aus spannt sich ein Bogen zu einem
weiteren exemplarischen Thema von eschatologischer Wahrnehmung des
Judentums, der Apokalyptik. In den Augen der um die Mitte des 19. Jh. auf-
blühenden vergleichenden Religionsgeschichte ist der Chiliasmus als Er-
wartungsgestalt des Übergangs besonders kennzeichnend für die jüdische
Apokalyptik, denn sie erscheint hier im ganzen als ein Übergangsphänomen
zwischen dem von der Prophetie geprägten Israel der staatlichen Zeit und
der Eschatologie, die das frühe Christentum beherrschte. So interpretiert
A. Hilgenfeld bereits 1857 die Apokalyptik als Übergang und Vorstufe des
Christentums. 14 Die gestufte Abfolge von vorexilischem Israel - (nach-)
exilischem Judentum - Christentum ist dabei für die hislOrische. besonders
exegetische und religionsgeschichtliche Forschung zur Eschatologie in un-

Chiliasmus unter dem Einfluß P.J. $peners seit 1694 als Adiaphoron kirchenrechtlich geduldet war
(vgl. JUNG [19921 53). Dagegen läßt diese: Wahrnehmung außer Betracht. daß der Chiliasmus
zumeist unter bedrängenden äußeren Umständen entstand. deren Verlängerung gerade nicht erhofrt
werden konnte.
12 Bei V. FRANK (1878/80) 11,452 fallt das Millennium (§ 47.7) unter das ... vorläufige Ziel ..•.
in dem das .Ziel des Werdens" (Überschrift a.a.O. 11,418) bereits ,.festen Bestand des Seins"
(a.a.O. 11,463) gewonnen hat: zu v. Hofmann und Luthardt s. Kap. IIJ (S. 79ff.).
13 KUERYrH (1886) 346.
14 HILGENFELD(1857) 16.
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1. Exposition der Fragestellung 17

serern Untersuchungszeitraum ein zwar variables, aber unverziehtbares


Grundgerüst. Allein während der Alttestamentler J. Wellhausen das Gedan-
kengut des frühen Christentums unter Auslassung des (intertestamentari-
schen) Judentums direkt an das sittlich-religiöse Ideal der Propheten im Is-
rael der staatlichen Zeit anschließen sieht,IS nimmt eine Generation später
der wichtigste Vertreter der Religionsgeschichtlichen Schule. W. Bousset,
eine Affinität des frühen Christentums zur Apokalyptik des intenestamenta-
rischen Judentums an.
Ein herausragendes und seinerzeit weithin konsenshaftes Ergebnis dieser
religionsgeschichtlichen Forschung lautet, daß Alles Testament und Juden-
tum eine Zukunftserwartung lange Zeit nur für das Volk kennen, während
erst das Christentum durchweg die Hoffnung auf die Auferstehung des Ein-
16
zelnen hege. Daraus erklärt sich, daß bei dreien der namhaftesten Es-
chalologen des 20. Jh., z.T. unter ausdrücklicher Berufung auf die Religi-
onsgeschichlliche Schule. der Terminus ,jüdische Apokalyptik" beinahe
technisch für eine auf das Volk beschränkte, partikulare und daher nicht zu
ihrem eigentlichen Sinn als Ende der Zeit vorstoßende Eschatologie stehen
kann. Dem wird die christliche Erwartung als universell gegenübergestellt.
Die Gegenüberstellung von Volk und Universum geht so in diejenige von
Diesseits und Jenseits über. Der Terminus .,(spät-) jüdische Apokalyptik"
steht dann bei diesen Autoren für eine Fehlfonn von Eschatologie, weil sie
als das Letzte das bloß Gegenständliche, das Konkrete und Anschauliche
ansieht und so Diesseits und Jenseits, Geschichte und Ewigkeit miteinander
vennischt. 17 Die drei Autoren äußern sich hier übereinstimmend:
P. Althaus etwa hält bündig fest:

Die Eschalologie hat es I... ) nicht mit der Endgeschichte oder mit dem Geschichtsen-
de. sondern mit dem Jenseits der Geschichte zu tun. Sie isl keine Apokalyptik. l '

Und C. Stange schreibt:

Man kann in der Apokalyptik nicht unterscheiden. ob es sich noch um geschichlliche


Ereignisse oder um jenseitige Ereignisse handelt. Der jüdische Typus der Apokaly-

15 Wie KONKEL (2003) 8 Ir. nabdegt. opüert WELLHAUSEN (1905) 409-424 im kuhurge-
schichllichen Kontexl mit seiner Aurwertung des staallichen Israel vor dem sog.•.späljudenlum~
ru.r den PfeuBischen NatiooalSlaal.
16 So LB. 80KLEN (1902) 110 Anm. I: BouSSET (1903) 198: Vou (1903) 68r. Anders
OIARLES (1899) 19f.: Du \'orsa:uliche Isrxl kennl demnach keine Eschalologie. das Slulliche
l.sracl bildet dann eine IndiYiduale5chalOlogie IUS.
17 Zu diesem Bild von Apobl)'P'ik MOUH (1983). für das Alle Testamenl KUSCHE (1991).
18 AL1lIAUS (1922) 95.
18 Ersler Teil

ptik sucht die Vollendung in der menschlichen Geschichte selbst. während dagegen
die christliche Apokalyptik die Vollendung von dem Zusammenhang der menschli-
chen Geschichte loszulösen und ausschließlich ins Jenseits zu verlegen such!. Aber
dabei kommen leicht und vielfach Rückfalle in die jüdische VorstelJungsweise vor.
Die in dem Abbruch der Geschichte sich vollziehende Vollendung wird als eine durch
Gott bewirkte Umgestaltung der irdischen Welt verslanden. 19

Und bei E. Brenner heißt es:

Es muß doch wohl gesagt werden, daß die christliche Theologie diesem Paradox nie
voll gerecht worden (sie! I ist Entweder hai sie mit der jüdischen Apokalyptik das
Endgeschehen als ein dramatisches Schlußslück der Geschichte verstanden und es in
den Bildern einer kosmischen Katastrophe von ungeheuerlichem Ausmaß geschildert.
um ihm den Charakter wirX.lichen Geschehens zu verleihen. Odu aber sie hat in der
richtigen Erkenntnis. daß diese apokalyptische Dramatik eben darum. weil sie sich in
den Strukturfonnen der irdisch-zeitlichen Geschichtlichkeit abspielt - mag sie im
übrigen die Dimensionen des Geschehens noch so sehr vergrößern - eben doch nicht
das zukommend Ewige sein kann. auf die Vorstellung eines Endgeschehens über-
haupt verzichtet und das Ende in den statischen Begriffen zeitlos ewigen Seins zur
Geltung zu bringen versucht. 20

Das letzte Zitat deutet an, was von der Dreierfolge Israel - Judentum -
Christentum, in der die ReligionsgeschichtIer die Apokalyptik veronen, her
ohnehin naheliegl: Die Apokalyptik kann auch als charakteristisches Zeit·
verständnis erscheinen. In Anlehnung an die erwähnte dreifache Staffelung
kann dann eine Dreiheit von Zeitverständnissen geltend gemaCht werden:
Während der Alte Orient die Zeit zyklisch denke, habe das Judentum einen
linearen Zeitbegriff eßlwickelt, der vom Christentum beibehalten. aber
durch die Pointierung auf Christi Gebun als die Mitte der Zeiten zugespitzt
und SO erst mit einem klaren Ziel versehen werde. 21 Seide Elemente dieses
Zeitkonzeples. sowohl die Entgegenselzung von zyklischem und linearem
Zeitverständnis als auch die Hervorhebung Christi als Zeitenwende, sind in
der Eschatologie- und Theologiegeschichle des Untersuchungszeitraumes
nachweisbar. - Des weiteren sind für den skizzicnen Apokalyptikbegriff
die Stufenschemata kennzeichnend. in denen das Judentum als eine Vorstu-
fe des Christentums wahrgenommen wird. Diese Einschätzung, die für das
Verhältnis beider Religionen im ganzen während unseres Untersuchungs-

19 STANGE (1930) 227 (Hervortlebunge:n aufgehoben).


20 BRUNNER (19.53) 144. Ein weilerc:r Bdeg wirc: KINDal. (19.5.5) 10-12.
21 BRUNNER (19.53) 36f. Zu linearem und zyklischem Zeilmodc:lI vg!. GESE (19.58): kritisch
KOCH (1988) 253ff.
000-40222

I. Exposition der Fragestellung 19

zeitraumes die Religionsgeschichtliche Schule entfaltet hat. wirkt sich spe-


ziell in der Eschatologie so aus, daß die dem Judentum zugeschriebene Er-
wanung für das Volk aufgenommen und aufgehoben wird in den christli-
chen Universalismus. Christliche Eschatologie ftihn dann die eigentlichen
Intentionen jüdischer Eschatologie zum Ziele.
In diesem Sinne bezeichnet F. Richter seine in der ersten Hälfte des 19.
Jh. Furore machende eschatologische Konzeption als Messianismus.
c) Thema Messianismus. Damit ergibt sich der Übergang zu einem weite·
ren für die Wahrnehmung des Judentums einschlägigen Thema. dem Mes·
siallismus. Der inzwischen weitestgehend vergessene Friedrich Richter löst
1833 mit seiner messianischen Eschatologie einen Streit von heute kaum
vorstellbarer Heftigkeit aus. Das liegt weniger daran, daß er die Unsterb-
lichkeit der menschlichen Seele bestreitet - das haben andere vor ihm und
nach ihm mit größerer Wirksamkeit getan -. als daran, daß er offen die
Schüler des jüngst gestorbenen G.W.F. Hegel angreift. aus deren Staats·
philosophie das gerade aufstrebende Preußen seinen theoretischen Rückhalt
bezieht. Dabei ist Richter ein glühender Bewunderer Preußens; sein ge-
samtes literarisches und gesellschaftliches Engagement zielt auf eine reJi·
giöse Durchdringung und damit Veredelung des preußischen Staatswesens:
Dieses Anliegen vertritt er in seiner fast im Alleingang redigierten Zeit-
schrift "Der Prophet". Zu diesem Zwecke auch schreibt Richter seine um-
fangreiche Geschichte der preußischen Befreiungskriege. ftir die er bei Ho-
fe einiges Wohlwollen erntet (freilich auch nur Hir sie). In diesem Sinne
auch spricht er schließlich im zweiten Band seiner Eschatologie von Mes·
sianismus, worunter er unter Berufung auf das Alte Testament die "Her-
stellung der alten Gouesherrschaft (Theokratie),,22 versteht wie in seinem
programmatischen Aufsatz über "Das christlich-theokratische Princip in
Preußen".
Messianismus bedeutet also für Richter die tätige soziale Gestaltung der
spirituell erfahrenen Erlösung. Bei alldem ist für ihn freilich entscheidend.
daß er keinen jüdischen Messianismus vertritt, der "es nicht einmal zu je-
nem äußerlichen Durchbruch der Völkerscheide" bringe, sondern einen
christlichen und damit universellen Messianismus.u Hier geht Richter ganz
mit Hegels Verständnis des Geistes und seiner Universalität konfonn. das
den Hegelianismus veranlaßt hat. dem Judentum in der Eschatologie ein
Festhalten am irdischen und die Verkennung seiner Überwindung durch

22 ROITa. (1833144) 11,18.


23 A.a.O.Il.12.
20 Erster Teil

den Geist vorzuwerfen?~ Dieses Verständnis von Messianismus hat


G. Schalem im Auge, wenn er kurz nach unserem Untersuchungszeitraum
gegenüber einem .,protestantischen Theologen" - gemeint ist H. Gollwitzer
- darauf insistiert. daß christliche Eschatologie jüdischen Messianismus
meist als blinden sozialen Aktionismus wahrgenommen habe. 25
3. Zwischenergebnis. Es fallt auf, daß Chiliasmus, Apokalyptik und Mes-
sianismus als Charaktere von Eschatologie zwar grundsätzlich nicht auf die
Eschatologie einer bestimmten Religion beschränkt sind, in den zitierten
Beispielen jedoch als Paradigma der Unterscheidung zwischen Judentum
und Christentum fungieren. Darauf weisen die zweipoligen Gegenüberstel-
lungen hin, durch die jeder der Charaktere gekennzeichnet wird: Chiliasmus
erscheint als eine schwärmerische "weltliche" Erwanung (CA 17) im Ge-
gensatz zum christlichen Verständnis des Geistes. Apokalyptik wird wahr-
genommen als eine Vennischung von DiesseilS und JenseilS oder doch als
eine partikulare Beschränkung des JenseilS auf ein einzelnes Volk anstalt
der Menschheit. Ebenso wird der Messianismus charakterisiert; daneben
wird er auch als Ersetzung der spirituellen durch die tätige Komponente der
Religion aufgefaßt. Mit Blick auf die drei geschilderten Charaktere von Es-
chatologie lautet also das Ergebnis unseres ersten Zugangs zu der Frage,
wie christliche Eschatologie das Judentum wahrnimmt: Sie modifiziert ihr
vom Judentum übernommenes Traditionsmaterial, indem sie es in polarer
EntgegenselZung zu demjenigen Gebrauch verwendet, den sie als kenn-
zeichnend jüdisch versteht. Wie christliche Eschatologie das Judentum
wahrnimmt, läßt sich dann aber nicht schon an dem bloßen tradilionsge-
schichtlichen Faktum erkennen, daß sie Begriffe und Ideenzusammenhänge
von ihm übernimmt; es muß vielmehr der problemgeschichtliche Aspekt
berücksichtigt werden, d.h. die Frage. wie sie diese innerhalb ihrer eigenen
Argumentation modifiziert.
Daher gehe ich im zweiten Teil dieser Untersuchung so vor. daß die
Quellen der Eschatologie zunächst in ihrer eigenen Argumentation rekon-
struiert werden. Die gesuchten Fragestellungen einer Eschatologie mit
Blick auf das Judentum werden so allmählich entwickelt werden aus einer
problemgeschichtlichen Darstellung exemplarischer Konzeptionen evange-
lischer Eschatologie im 19. und 20. Jh. 26 Dies geschieht jeweils in den er·
24 Dazu SAllTU (1982) 16Of.
25 SOIOLEM (1910) 168. Daß Gollwiu..er gemeinl ist. zeigt MARQUARDT (1919) 143 in Ver·
bindung mit Anm. 15.
26 Diese pmblemgeschichlliche Vorgehensweise. die ähnlich von BECKMANN (2002) befolgt
wird. unlerscheidel die vorliegende Unlersuchung von den umfangreichen Arbeiten von
BLASCtlKE (1991) und HEINRICHS (2000). die die Wahrnehmung des Judentums vor allem in
p0040222

I. Exposition der Fragestellung 21

sfen Abschnitten der Kapitel tl-V. Dabei lassen sich die im vorliegenden
Abschnitt vorgestellten thematischen Charaktere der Eschatologie mit be-
stimmten eschatologiegeschichtlichen Komplexen verbinden: Am Anfang
steht F. Schleiennacher (Kap. 11), der als Impulsgeber der neuzeitlichen
evangelischen Theologie auch für die Eschatologie weichenstellend gewirkt
haI. Daran schließen sich die eschatologischen Entwürfe derjenigen theolo-
gischen Strömung an, die im Anschluß an den Begründer des Begriffs der
"Heilsgeschichte",21 lCK. v. Hofmann, als Heilsgeschichlliche Theologie
bezeichnet werden kann und deren Kennzeichen das lnteresse am Chilias-
mus ist (Kap. m). Es folgt M. Kählers von ihm selbst als "soterologisch,,28
bezeichnete Eschatologie (Kap. IV). Damit ist ihr methodischer Grundan-
satz bei der Reflexion über die Personalität des Messiastums und also die
Nähe zum Messianismus ausgedrückt. Schließlich wird die Eschatologie
von P. Althaus (jun.) sowie die Debatte um sie erörtert (Kap. V). Althaus
sticht hervor durch eine schroffe Front gegen die von ihm sog. "endge-
schichtliche Eschatologie" ,29 die er exemplarisch in der Apokalyptik vorfin-
det. mit der er so auf negativem Wege eng verbunden ist.

2. Schemata christlicher Wahrnehmung des Judentums

I. Bipolare Begriffsschemata. Die Betrachtung von aus jüdischer Tradition


übernommenen Charakteren der Eschatologie führte zu dem Ergebnis, daß
diese die Wahrnehmung des Judentums in bipolarer Gegenüberstellung zum
Christentum strukturieren können. Diese Gegenüberstellungen sind jedoch
freilich nicht an die Konzepte von Chiliasmus, Apokalyptik oder Messia-
nismus gebunden, sondern können die Argumentation christlicher Es-
chatologie grundsätzlich prägen. Im 5. Jh. christlicher Zeitrechnung hält
z.B. der Kirchenvater Hieronymus eine ,.Regel" für die christliche Beschäf-
tigung mit Zukunftsverheißungen fest:

Ein weiser, christlicher Leser sollte bei den prophetischen Verheißungen dieser Regel
folgen: Wir lehren. daß dasjenige. was die Juden und die, die jüdisch denken bei den

mcnt31itälsgeschichllichem Zugriff aus ausdrücklichen Äußerungen kalholischer bzw. protcstanti-


scher Kirchlichkeit des Kaiserreichs zum Judentum erheben.
27 v. HOfMA/IIN (1841/44) 1,8 ist lam GREJG (1975n6) 118r. der älteste Belcg rur .•Heilsge.
schichtc".
28 KÄHLER (1898) 495.
29 Erslmals ALTliAUS (1922) 64ff.
000-402U

22 Erster Teil

Unsrigen. - oder vielmehr nicht den Unsrigen - in fleischlicher Weise als zukünftig
beanspruchen. in geistiger Weise schon eingetroffen ist, damit wir nicht anläßlich
deraniger Erzählungen oder schier unlösbarer apostolischer Fragestellungen gezwun-
gen sind. jüdisch zu denken. 30

Was im vorigen Abschnitt am Beispiel von Chiliasmus. Apokalyptik und


Messianismus als Entgegensetzung von weltlichem und jenseitigem Reich,
Diesseits und Jenseits, Volk und Menschheit, tätiger sozialer Gestaltung
und deren geistiger Überwindung präsent war, ist in der ..Regel" des Hiero-
nymus auf knappe Begriffspaare gebracht: Jüdische Zukunflserwartung in-
terpretiert die Prophetie in "f1eischlicher" Weise als ..Verheißung" von
,,Zukünftigem", christliche Lehre dagegen liest sie in ..geistiger" Weise als
..schon" gegenwärtig "eingetroffene" Erfüllung. indem sie Jesus Christus
als den Vollzug des Eschalon begreift. Für die Eschatologiegeschichte
wichtig sind vor allem die Begriffspaare von Fleisch und Geist als zwei ge-
trennten Sphären. in denen das Judentum bzw. das Christentum die Erlö-
sung erwarte, sowie von deren noch nicht bzw. schonjetZl gegebener Wirk-
lichkeit oder deren nur partikularer oder aber universaler Reichweite. Der-
artige begrifniche Schematisierungen durchziehen die Geschichte des jü-
disch-christlichen Verhältnisses und waren auch schon Gegenstand kriti-
scher Untersuchung. 31 Dabei fragt sich nicht nur, wie triftig die Schemata
sind, ob also z.B. mit "Aeisch" und ..Geist" klar abgrenzbare Phänomene
bezeichnet sind, die sich dann auch Judentum bzw. Christentum zuordnen
lassen. 32 Solche Fragen werden sich schon deshalb oft nicht beantworten
lassen. weil weder Judentum noch Christentum Gebilde aus einem Guß
sind. Sondern vor allem zielen die paarweisen Schemalisierungen ja gar
nicht auf eine klare und distinkte Beschreibung der beiden schematisierten

30 CChr.SL LXXIII, 1963. 157,43-48: ..Prudens el christianus leclor hanc habcat repromissio-
num prophetalium regulam, ut quae ludaei el nostri, immo non nostri ludaizantes. camaliler futura
contendunt. nos spirilsliter iam transac1a doceanlUs. oe per occasionem iSliusmodi fabularum ct
inextricabilium iuxta apostolum quaestionum iudaizare cogamur" (zu Jes 11.15f.).
31 Zu den eschatologischen Schemata von Aeisch und Geist. Noch nicht und Schon jelzt, Par-
tikularit5t und Universalilät vgJ. SCHOLEM (1963) 121 f. bzw. M....ROU....RDT (1993196) 1,25 (Abriß
der Eschalologie seit der Reformation) bzw. T ....LMON (1976). In Verbindung der Schemata folgern
z.B. Teile der christlichen Rezeplion des Messianismus aus dem Noch nicht des Erwanelen, daß
sein Eintreffen an die tätige Geslaltung im sozialen Menschenleben (Aeisch) gebunden sei. vgl.
kritisch dazu VAl.VI NAGV (1993) I24f.'Zu den Schemala im ganzen vgl. ntOM.... (2000) 13 und
Konstruktion (2003).
32 MAlER (1976) 132 kritisiert. daß das Schema .,Schon jetzt - Noch nichl" dem jüdischen Ge-
schichIsbewußtsein christliche Parameter unterlegt. Z.B. übersehen Chrislcn oft. daß die Tempel-
zerstörung 70 n. Chr. im Judentum nicht bloß Ende und Abbruch, sondern auch Anfang eigener
Traditionsbildung sei (so ZAAS 119921 135-148).
00040222

I. Exposition der Fragestellung 23

Größen, sondern zeichnen sich durch die Konstruktion eines komplementä-


ren Gegenübers aus: Die jeweiligen Pole schließen sich zwar gegenseitig
aus, können aber doch nur im (abgrenzenden) Bezug aufeinander bestimmt
werden. Z.B. versteht sich Christentum dann als Religion des Geistes und
erklärt, was Geist ihr ist, mit der Absetzung vom Judentum als einer Religi-
on der Tat. 33 Die Schemata haben somit, obwohl sie in ihrer Polarität zwei
Traditionsgeflechte in Beziehung setzen, vorrangig eine Funktion innerhalb
nur eines dieser beiden Traditionskomplexe. Ähnlich wie beim Problem
eschatologischer "Charaktere" ist daher auch bei den Schemata neben dem
traditionsgeschichtJichen Sachverhalt in erster Linie die Funktion im Rah-
men der christlichen Argumentation zu untersuchen. 34
Das aber heißt, daß das Phänomen der Schemata zunächst ein Problem
innerhalb der christlichen Theologie ist. Man muß daher mit der Möglich-
keit rechnen, daß die Konturierung christlicher Theologie im Gegenüber
zum Judentum eine Chiffrierung innerchristlicher Frontstellungen ist, wie
dies für den Protestantismus des 17. Ih. kürzlich an mehreren Beispielen
nachgewiesen wurde. Demnach ist der Vorwurf jüdischer Trinitätsleugnung
eigentliCh antisozinianisch zu verstehen, und das altprotestantische Ana-
thema über die jüdische Ablehnung der Messianität Jesu gilt im Zeitalter
des Konfessionalismus tatsächlich dem Calvinismus, der die doppelte Prä-
destination als Grund der Verdammnis ansieht (und nicht das verweigerte
Messiasbekenntnis). Ähnlich wird die zeitgenössische Lehre von der Inspi-
riertheit der Schrift gegen den Buchstabenglauben des talmudischen Ju-
dentums profiliert, richtet sich aber gegen die katholische Verhältnisbe-
stimmung von Schrift und Tradition. 35 Vergleichbare Phänomene zeigen
sich auch in der Eschatologiegeschichte des Untersuchungszeitraums vor
dem Hintergrund des antikatholischen Kulturkampfes im protestantisch
unierten preußischen NationaJstaat. J6 Schließlich dürfte auch hinter der

33 Das bcreilS mil S. 20 Anm. 24 belegle Schema (z.B. bei Hege!) des Judenlums als einer Re-
ligion der Tal wird aufgenommen. aber auch krilisch gespiegelt im Iilerarischen Zionismus eines
M3lI Brod (vgl. STÄllLER 12003]).
34 Der Sammelband KonSlmJaion (2003) unlersuchl im Sinne solcher Funktionsgeschichle
Wahrnehmungen des Jüdischen in Theologie. Literalur-, Medizin- und Profangeschichle der Kai·
semit und der Weimarer Republik.
35 Vgl. FIUEORICII (1999) 239 (Triniläl): 227.229 (Schriftinspinllion); 228 (Prädeslinalion).
Vgl. S. 15 Anm. 9.
36 S. bei S. 17 Anm. 15 zu Wellhausens pro-preußischer GeschichIsschreibung Jsrnels und vgl.
DQRNER (1879180) II.938f.. bei dessen pro-uniener Eschatologie die Krilik jildischcr und kalholi·
scher Anschauungen verschwimmt. Die HislOrikerin VOLKOv (2000) haI ähnliche argumenl3live
Gemengelagen im damaligen Antisemitismus als •.kuhurtllen Code" rekonstruien. Ich spreche in
ähnlicher Absicht von ..Wahmchmungsschemata".
24 Erster Teil

zwiespältigen Haltung der pietistischen Judenmission zur jüdischen Eman-


zipation - die Missionare des 17./18. Jh. arbeiten ihr zu (oder vor)/' die
Missionsgesellschaften der neupietistischen Erweckungsbewegung im 19.
Jh. lehnen sie ab - ein Problem chrisl1icher Theologie siehen, nämlich das
Verhältnis von persönlicher Bekehrung (Glaube) und deren tätiger Ausge-
staltung (Liebe), innerhalb dessen die bürgerliche Gleichstellung der Juden
bald die Bekehrung zur praxis pietatis fUhren zu helfen scheint, bald die
Motive der Bekehrung ökonomisch zu korrumpieren droht.)!
2. Zwischenergebnis. Die Auseinandersetzung mit den Schemata kann
angesichts derartiger Beispiele nur so geschehen. daß sie als Problemanzei-
ge für die Frage aufgefaßl werden, ob und wieweit christliche Theologie
durch die Abgrenzung von einem ausschließenden Gegenüber bestimmt ist
oder aber auch im eigenen Wissenschaftsdiskurs mit solchen Abgrenzungen
operien. In diesem Sinne, als Anzeige systematisch-theologischer Proble-
matiken, sammelt die vorliegende Untersuchung im Anschluß an die Ana-
lyse der eschatologischen Konzeptionen jeweils in den zweiten Abschnitten
der Kapitel li-V Hinweise auf Diskurslagen im Umfeld der jeweiligen
Entwürfe, bei denen von einer Verdichtung beslimmter Formen der Wahr-
nehmung des Judentums zu einem begrifflichen Schema gesprochen wer-
den kann. Die theologischen Probleme, die in solchen Schemata transpor-
tien werden, müssen dann im Rahmen der systematischen Auswenung im
dritten Teil der Untersuchung eigens bearbeitet werden. Dies geschieht in
Auseinandersetzung mit jüdischen Anfragen an die christliche Eschatolo-
gie. die in den Schemata noch nicht selbst zu Wone kommen.

3. Anfragen des Judentums an die christliche Eschatologie

Werden für eine Revision evangelischer Eschatologie eingedenk der Shoa


jüdische Autoren herangezogen, so geschieht dies mit der Absicht, über das
begriffsgeschichtliche Traditionsgenecht von jüdischer und christlicher Zu-
kunftserwartung (Kap. 1.1) und dessen Funktionalisierung in den Wahr-

37 Nach ARNOlDI (1993) 240 "'ermindlen die pktislischt:n Theol.n in Halle zwischen Ju-
<kn und ehristlkher Qbrigkdl und waren so Vorläufer <kr Emanzipalion vor <krm Durchsclzung.
38 Nach Ct.AIIK (1995) dringen J.H. CIlknbl:rgs InstilUlum Juda.icum und A. Graf ....d. Reckes
Konv~nit~nkolonknIUS <km ..pidist notion of rebinh- (l.a.O. 61) ht:raus (Idls unter <km Druck:
von Aufsehern: I.LO. 114) luf .,oa:upalional rc.intregralion" (l.a.O. 56) <kr Juden. während die
Berliner Missionsgescllschaft im 19. JI\. der Ans;chl sei: ..OnI)' Christilnil)' and not emancipation
rould rn.'lke Iht: Jews .happ)' Ind frce'" (LI.O. 164).
I. Exposition der Fragestellung 25

nehmungsschemata (Kap. 1.2) hinaus Zugänge zu möglichen Fragestellun-


gen einer evangelischen Eschatologie im Gespräch mit dem Judentum zu
erschließen. Der folgende Abriß jüdischer Äußerungen zur Eschatologie
beansprucht daher nicht, ein kaum stattgefundenes Gespräch 39 nachträglich
zu rekonstruieren; er will vielmehr anhand der vorliegenden Forschungslite-
ratur und einiger ausgewählter Quellen aus dem Untersuchungszeitraum
Anfragen zusammenstellen, die von jüdischer Seite an die christliche Es~
chatologie gerichtet werden.
Nicht bezweckt ist dagegen, die christlichen Wahrnehmungen des Ju-
dentums gewissermaßen an einer Meßlatte auf Richtigkeit und Falschheit
zu überprüfen. Denn zum einen ist es nicht die Aufgabe christlicher Es-
chatologie, auch nicht einer Revision ihrer Wahrnehmung des Judentums,
festzustellen, was authentisch jüdisch ist; nicht zuletzt deshalb, weil zum
anderen. worauf schon hingewiesen wurde, derjenige Traditionskomplex,
der hier abgekürzt ,,(das) Judentum" oder ,,(die) jüdische Eschatologie" ge-
nannt wird, kein Gebilde aus einem Guß ist, so daß auch keine authentisch
jüdische Lehrgestalt von Eschatologie vorausgesetzt werden kann. Ja, ein
wesentlicher Aspekt der Frage, wie christliche Eschatologie das Judentum
wahrnimmt, besteht darin, daß die Quellenlage der jüdischen Eschatologie
gegenüber der christlichen eine beträchtliche "Strukturverschiedenheit,,40
aufweist. So kommt es im Judentum nicht wie im Christentum zur Etablie-
rung eine dogmatischen Locus "Eschatologie", sondern im Judentum jeden-
falls des Untersuchungszeitraums stehen exegetische und religionsphiloso-
phische Schriften sowie Sekundärtexte über messianische Bewegungen und
liturgische Refonnen im Vordergrund des eschatologischen Diskurses,41
m.a.W. die lebensweltliche Verwurzelung der Eschatologie wird ausdrück-
licher reflektiert.
I. AlIfrageIl jüdischer Theologie. Zu dieser Lebenswelt gehört auch, daß
jüdische Autoren im deutschen Sprachraum durch ihre zahlenmäßige Min-
derheitssituation mehr als christliche genötigt sind, auf den Diskurs der an-

39 Jüdische Slimmen zur Eschatologie kommen in den Quellen vorliegender Untersuchung di-
rekt (d.h. nicht auf den in Kap. 1.1-2 geschildenen Wegen) nur sehr selten zu Won: am ehesten in
der Tradition des christlichen Kabbalisten F.C. Getinger in der zweilen Hälfte des 19. Jh.
(AUBERLEN 11854197 erwähnt lsaac Abrabanel [so bei S. 29 Anm. 581: LEsSING [1858J 89 mit
Anm. zilien ohne Namensnennung einen Rabbiner seiner ?.eil; ähnlich ALTHAUS [1856/571 71:
v. OHlTINGEN 11895/26 nimmt möglicherweise kabbalistische Gedanken auf: s. S. 253 Anm. 273)
und ausnahms....'Cise im Zusammenhang des frühen Zionismus (HAOORN 11914/ 123).
40 Dazu am Beispiel des 20. Jh. GoWMANN (1997): das Zitat entstammt seinem Untenitel.
41 Für brieniche Auskünfte zu Titeln jüdischer Eschatologie danke ich folgenden Forschern:
Michael Brenner. München: lohann Maier. Weinheim: Günter Stemberger. Wien: Clemens Tho-
ma, Lu:r.em.
26 Erster Teil

deren Religion einzugehen.,n Dies zeigt sich besonders in dem großen


Sammelwerk .,Die Lehren des Judentums nach den Quellen", das der Ver·
band der deutschen Juden in den 1920er Jahren unter Mitarbeit vieler der
damals namhaftesten jüdischen Autoren herausgab. In fünf Teilenu werden
hier unter thematischen Stichwonen jüdische Lehrauffassungen knapp skiz-
zien und mit reichlich Quellenmaterial aus Altem Testament, Rabbinismus
und Talmud. mittelalterlichen und neuzeitlichen Autoren belegt. Die Es·
chatologie bildet dabei kein eigenes Thema;44 teilweise wird sie der Auffas-
sung vom endgültigen Lohn (bzw. der endgültigen Strafe) zugerechnet. die
Bestandteil der jüdischen Lehre von der Sittlichkeit des Einzelnen ist; teil-
weise fURgien der Terminus ..Eschatologie" im fünnen Teil beim Vergleich
mit dem Christentum als Synonym für eine jenseitige und individualistische
Zukunftserwartung, die den "Lehren des Judentums" jedenfalls widerspre-
che. 4.5
Dem entspricht im ganzen der Vergleich des Judentums mit dem Chri·
Slentum in diesem Schlußband des Gesamtwerkes. Hier erscheint das Ju·
dentum grundsätzlich als Religion der Sittlichkeit, die vom ethisch freien
menschlichen Subjekt und seiner tätigen Gestaltung des göttlichen Sittlich-
keitskonzepts handelt. Demgegenüber wird als Grundanschauung des Chri-
slentums die Unfreiheit des sittlichen Willens reklamien, so daß an dessen
Stelle Glaube und Sakramente als passives Widerfahmis Gottes treten. Das
Christentum ist demzufolge die Religion des Glaubens an eine höhere Welt.
die der irdischen gegenübergestellt wird. 46

42 Zu dtesef Problematik vgl. instruktiv WIESE (1999).


43 D1e Teile sind: die Grundlagen jüdischer Ethik. die Lehre von der Siulichkeil des Einzelnen
und der Gemeinschafl. die Lehre von Gott sowie abschließend der Vergleich des Judentums mit
anderen Religioosgestalten.
44 Ditos gilt übrigens auch ftir den jüngsl erschienenen Band Chrjs/itmily (2000).
4S Zur Verwendung des Begriffs •.Eschatologie" vgi. uhr!!" (1924/29) 1.80.83f. 104.239 mit
a.a.O. V.446.449.4Sl (M. WtF.NF.R). wo Eschatologie mil Askese zusammengestellt wird. Der
Gegensatz christlicher Eschatologie zum Judentum bestehe allgemein darin. daß in der Alternative
von Gericht und Erlösung das Judentum zu jenem. das Christentum aber zu dieser neige. was eine
individuelle sittliche Veranlwonung im Christentum trotz dahingehender Tendenzen des Neuen
Testaments •.illusorisch" mache (1.1.0. V.130 (5. PlCXJ).
46 A.I.O. V.67-69 (L BAECK). - Diese Gegenüberstellung erlaßl mehrere Themen. In Hin-
sicht auf den Einzelnen wird rur das Judentum die Individualität der Glaubensauffassung mit der
ehrisllichen Dogmenbindung. wie sie steh im Kernbegriff der KelZerei 5ptegelt. kontrastien (.03.0.
V.206--213 (5. PICK». Auf gemeindlicher Ebene hebe das Christentum den Kkrus hervor. und
ZwaT sowohl im katholischen Weihe- als .uch im pr(lleslanlischen OrdinationSVCfSländnis (....0.
V.271 (F. MARKQWER». wihTend das Judentum auch angesichts des Rabbinats gnmdsä1dich
durch die Gkkhrangigkeil aller Gemeindegheder gd::ennz6choct Ki (DERS. •.•.0. V.237-239).
Der Bezug der Gemeinde zur Außenwelt schließlich SC'i im J!Jdentum durch Autarkie geprägl.
wihrend das Christenlum skh der staatlkhen Obrigkeit unterordne (O€RS. u.O. V.337f.).
~40222

I. Exposition der Fragestellung 27

Was diese Einschätzung für unsere Untersuchung interessant macht, ist,


daß hier dieselben Gegenüberstellungen vorgenommen werden, die in den
christlichen Wahmehmungsschemata nachweisbar sind. Sie finden sich
auch in denjenigen Bänden, die nicht ausdrücklich als Vergleich gestaltet
sind, allerdings in der Absicht. die judentumskritische Ausrichtung der
Schemata abzuwenden. So wird besonders betont, daß das Judentum entge-
gen seiner Wahrnehmung als panikularistisch den Gedanken der Mensch-
heit in den Mittelpunkt seiner Lehren stellt, so im Begriff des Ewigen Frie·
dens,41 so im Konzept einer Erwählung in der Pflicht und im Dienste ftir
49
alle Menschen,48 so überhaupt im Universalismus. Dies wird unterstützt
durch die breiten Belegsammlungen aus den Quellen. Dabei ist freilich auf-
fcilJig, daß zu den Quellen auch christliche Autoren wie die Vertreter der
Religionsgeschichtlichen Schule gezählt werden. die sich mit dem Juden-
tum wissenschaftlich befaßt haben. Der Grund dafür dürfte in der apologeti-
schen Abzweckung des Gesamtwerkes liegen, das verkürzten Wahmeh·
mungen oder gar Verunglimpfungen des Judentums entgegentreten will.~
Hierfür werden auch christliche Autoren S' herangezogen; und dies erklärt
auch die ganze, eher ungewöhnliche Form des Werkes. das Stilmomente
des Katechismus mit solchen einer nach Loci geordneten Dogmatik verbin·
det. damit also den zeitgenössischen christlichen Darstellungsformen ent-
gegenkommt. Man hat jedenfalls nicht den Eindruck, daß jüdische Theolo-
gie hier unbefangen zu Worte kommt. Die Art und Weise. wie das ganze
Werk das Problem die Wahrnehmungsschemata der christlichen Dogmatik
spiegelt.s2 zeigl vielmehr auch hier. daß in den Schemata eine Schwierigkeit
innerhalb der christlichen Theologie beschlossen liegt.
2. Anfragen jüdischer Eschatologie. Freilich lassen sich. wie die For-
schungsliteratur nahelegt.·5J ganz ähnliche polare Begriffsschemata inner-

47 A.a.O. 111,221-225 mit lI.a. Cohen als Beleg; a.a.O. 111.225-231 werden christliehe Stirn·
men gcnannr, darunler W. Bou.~sc:t und H. Gunkel.
48 A.a.Q. IV, 158-165 mit jüdischen und christlichen Quellenbelegcn.
49 A.a.O. IV,96-106 mit jOdischen und christlichen Quellenbelegen.
50 Vgl. 3.a.0. das Vorwort zum erslen Band.
51 WIESE (1999) widmet zwei Abschnitte (Kap. 3.2/3) der zeilgleichen differenzierten jüdi.
schen Einschätzung der christlichen Jud::J.isten, aber auch BefUrwoner und Förderer der Judenmis·
sion. F. Delitzsch und H.L. Stnck.
52 Zu scharf scheint daher das Uneil des Literaten BROO (1921) 1.72. der den .Uhren des Ju-
dentums" vorwirft, dutt"h bloße Umkehrung der Schemata ..vom flachsten Standpunkt aus" zu
argumentieren. Frc.ilteh ist anderenei1.li auch das kritische Rcfenlll der (proteSlalltischen) Schemata
durch EscHElBACHER (1907) 9.11.13f. u.O. eher infonnativ als argumentativ belangvoll.
53 Vgl. tum Folgenden an deutschsprachigen Beiltigc:n v... dje Sammelbände blbnft (1976);
Zu1.unft (1980); JeSIU (1982); blbnfty,.....'Ortung (1983); Mt'ssias (1993); Mt'Ssias.Vorstt'ilungt'n
(1993).
28 Ersler Teil

halb der jüdischen Eschatologiegeschichte auch don nachweisen. wo der


Bezug zum Christentum viel lockerer ist. so daß auch der jüdische Diskurs
selbst von den Strukturproblemen der Begriffsschemata beeinflußt ist: Hier-
für steht seit den AnHingen der jüdischen Traditionsbildung in talmudischer
Zeit die Unterscheidung zwischen ..dieser Weh" und der "kommenden
Welt" oder mit Hinblick auf die jüdische Zukunftserwartung: zwischen dem
politischen und sozialen Geschick des Judentums und Gottes Sendung des
Messias Israels. Das Kommen des Messias, ab der nachbiblischen Zeit ein
Kemproblem der jüdischen Eschatologie,54 ist somit keine Terminfrage,
sondern fragt nach dem Zusammenhang von menschlichem Tun und göttli·
ehern Handeln.
Diese Unterscheidung und ihren Zusammenhang debattieren unter dem
Titel der "Wehen des Messias", jenes Topos, der politische und soziale Er-
eignisse auf die eschatologische Zeit zu beziehen erlaubt, zwei Schüler des
Jochanan ben Zakkai, nämlich R. Jehoschua und R. Eliezer in einem be~
deutsamen Streitgespräch~~ der (sog. tannaitischen) Frühzeit des Rabbinis-
mus (1.-3. Jh.). Dieselbe Unterscheidung von dieser und kommender Welt
festigt sich in der (sog. amoräischen) Zeit der Fixierung das Talmud (3.-5.
Jh.). ln der Gestalt einer Differenzierung der messianischen Zeit der Resti-
tution Israels von der endgültigen Zuteilung von Lohn und Strafe an die
Auferstandenen prägt sie die unter dem Einfluß der arabischen Aristoteles-
rezeption erstmals vorgenommene systematische Darstellung jüdischer
Eschatologie bei Saadja Gaon (10. Jh.).~ Dieselbe Unterscheidung themati·
sien an einem Wendepunkl jüdischer Eschatologie der hochmittelallerliche
Maimonides. der in den letzten drei seiner dreizehn Glaubenssätze die
Eschatologumena von kommender Welt, Auferstehung sowie Lohn und
Strafe festhält, sie aber dennoch im natürlichen Geschehenszusammenhang
versteht." Deswegen konnte nach dem epochalen Einschnitt der Vertrei-
bung der sephardischen Juden (1492) Isaac Abrabanel dieselbe Unterschei-
dung gegen Maimonides geltend machen und im Sinne der klassischen rab-
binischen Tradition die Übematürlichkeit der Zukunftshoffnung reklamie-

54 T AU.tON (1982) 34f. belont. daß das Messiaskonzcpl das biblische (davidische) KÖfligsideal
vonlJSselZt. um es dann im Sinne eines herrschenden oder cines im Kampfe fallenden Messias zu
differenzieren - beides im Untcrschied zum christlichen Konzcpl des Messias als des ErI6sers
durch Leiden (so WERBLOWSKY (1982181).
55 Dazu SCHÄfER (1976) 100.
56 MAlER (1976) 137 zu Saadja Gaon.
57 Die Glaubenssätzc sind abgedruckl LB. bei FR.lE()U.ENQER (1922) 19. der IrOCZ einer natu-
ralistischen Maimonidesinterpretation durch ein Ignoramus gegcnUber Gottes Möglichkeiten ruf
die supranaluralis1ische Erwanung offen iSI (z.B. l.a.O. 129f. zur nationalen Rcslilution Ismels).
p0040<22

I. Exposition der Fragestellung 29

ren. j8 Wiederum gespiegelt erscheint diese Unterscheidung bei einer


Schlüsselfigur der neuzeitlichen. durch die konstruktive Auseinanderset·
zung mit der Diasporasituation in Emanzipation und Assimilation gekenn·
zeichneten," jüdischen Eschatologie: M. Mendelssohn akzentuiert in mai-
monidischer Tradition die Unslerblichkeit unter Hintanstellung der leibli-
chen Dimension auf den sittlichen Gehalt der Eschatologie als Erwartung
einer letzten Verantwonlichkeit des Menschen;60 ihm folgen das sog. Pitts·
burgh Platfonn des amerikanischen Refonnjudentums (1885), das in der
Synagogenliturgie die messianische Erwanung durch das Konzept sittlichen
Fonschritts ersetzt,61 und im Umfeld des liberalen Berliner Rabbinersemi-
nars die "Wissenschaft des Judentums", wenn sie das Judentum in eschato-
logischer Ausrichtung als universale Religion der Sittlichkeit akzentuien. 62
Die jüdische Eschatologiegeschichte wäre als bloßes Wechselspiel von
"dieser Weh" und "kommender Weil" aber viel zu holzschniuanig gezeich-
nel: im Übennaß zu Gunsten des Kontrasts, aber auf Kosten der Nuancie-
rungen, die sich tatsächlich an den verschiedensten geschichtlichen Onen
als Überkreuzung der genannten Unterscheidung zeigen, und zwar beson·
ders im Zusammenhang der oft als jüdischer Mystik bezeichneten Kabbala.
Aber schon die Tannaiten verstehen die Buße als ein Geschehen, in dem
menschliches Tun mit Gottes Handeln kooperien;6J und neben der talmu-
dischen Fixierung der Unterscheidung von dieser und kommender Weil in
der Amoräerzeit entstehen unter der Bedrohung durch die islamischen Er-
oberungen des 7. Jh. immer wieder messianische Bewegungen. die die be-
grimichen Ahemativen der lehnnäßigen Eschatologie aufbrechen.64 Mai-
.58 Vgl. AVNERI/GROSSMAN!REINES (1971) 107-109 (A. REL~ES).
.59 Bei BAER (1936) 100{. dienen die skiuienen Unlerscheidungen auch dazu. die Unuagbar-
keit der Diaspomilualioo gegenüber der Autochthonie hervorzuheben.
60 Mendelssohn als Valer der Berliner Haskala berühn sieh hier mil seinem aufklärerischen
Freund Gotthold Ephraim LESSlNO. der die siltliche Funklioo der Eschalologie freilich nicht mil
der UnSlerblichkeil. sondern mit der Scdenwanderung verbindei (DERS.. Die Erziehung des Men-
.schengeschlechls 11777/801: OEMS.. Werke 11. hg.v. HermwlII Keslcn. Frankfurt am Main/Wien/
Zürich 1%2.747-769. hier 768f.lfI 94-991).
61 Zu Geslalt und Veränderung dieser Position vgl. LEVINSON (1994) 150-157. v.a. l54f.
Zeitweilige Rationalisierungen des Messianismus und deren spälere Relativierung umersuchl an
zeitgenössischen Pesach-Haggadot FRlf..1>lJ\NO (1993) 2.51-273. Der Umerschied zur Orthodoxie
ist v.•.• daß diese den Messias als Person erwartel.
62 liierzu vgl. BERTRAMS (2003) 37C. am Beispiel zweier Gründungsvitcr der Judaislik,
I. Wolf und E. Gans.
63 eben SCHÄFER (1976) 100 vgl. GOwMAN"N (1993) 65. der die ..Umkehr zu Gocr- als .ß~­
dingllng sin~ qUD non" für das Kommen des Messias ansiehl.
64 ach SCHÄFER (1976) 116r. hal rrt:iljeh gegenüber den messianischen Bewegungen die
Schullnwtilion das größere GewK::hl. Doch hal sie dies nach F. Rosenzweig gerade aufgrund des
•.psetado-messian;c" Charakter jener Bewegungen (WERBLOWSKY (1968139).
30 Erster Teil

monides sodann versteht seine naturalistisch scheinende Eschatologie als


eine geistige Realilät M und nimmt damit - ebenso wie sein eschatologiege-
schichl1icher Gegenspieler Abrabanel 66 - Einsichten der Kabbala vorweg.
die einen mehrfachen Schriftsinn annimmt 67 und damit den ausschließli·
ehen Altemativcharakter der genannten Unterscheidung fraglich macht. In
dieser Tradition steht auch im 17. Jh. die messianische Bewegung um Sab-
batai Zwi. der die Erwartung des Messias mit mystischer Spiritualität ver-
binden kann. 68 Hieran knüpft im 19. Jh. der Chassidismus an, der eine indi-
viduelle ErlösungsvoTSlellung auf der Grundlage persönlicher Spiritualität
pflegt 69 und so ein Gegenspieler des menschheillieh orienlienen Reformju-
dentums wird. Auch die auf S.R. Hirsch zurückgehende Neoonhodoxie
entdeckt freilich die menschheitliche Bedeutung des Judentums für sich und
plazien sich so jenseits der gängigen Alternative von Talmud und Refor-
10
menum. Vollends der Zionismus fügt sich kaum in das Schema der Un·
terscheidung von "dieser" und "kommender Welt". Versteht er sich in sei-
ner Anfangszeit weitgehend areligiös, so kann der bedeutendste Jerusalemer
Oberrabbiner vor der Staatsgründung 1948. der aus der rabbinisch-
chassidischen Tradition des Baltikums stammende A.l. Kook, gerade die
nicht religiös motiviene Besiedelung Palästinas durch eine möglichst große
Volksmasse als einen notwendigen Bestandteil der vollen religiösen Exi-
ll
stenz Israels würdigen. Kook hebl sich durch diese Geringschätzung der

6S Nach WURZBURG€R (1993) 79f. ist Maimonides' Zukunftgerwanung daher durchaus mes-
sianisch. &wanele aber die Tradition vor Maimonides lohn und Strafe in der kommenden Weh.
so sieht er diese selbst als lohn bzw. ihre Versagung als Sinfe (vgl. MAtER [19761 169f.). Inhah-
lich ist der Lohn die Vollendung de5 Intel1eklS (Seele) durch die ToralJ'euc. die zuvor in der davon
streng zu unterscheidenden Messiaszcit (a.8..0. I SM.) durch das siuliche Regimenl eines (irdi-
schen) Königs ermöglichl wurde.
66 AVNERlJ'GROSSMAN}REINES (1971) 106 (A. GROSSMAN).
67 Z.B. die Lehre von den göttlichen Wirk weisen (SefirOl). die in den jlklisch-ehrisdichcn Re-
ligionsgesprächen des Millelalters oft als Vergleichspunkt zur Trinitätslehre diente: so noch bei
F.C. Octinger (JUNG 119921203).
68 Aus seinen grundlegenden Forschungen Uber die Myslik des Sabbatai Zwi ergab sich ftir G.
SCHOI..ßM das wirtmächlige Konzept: des Messianismus als einer "KatllSlrophentheorie" (DERS.
(19631 130). die der Erlösung die Gestalt einer Sozialutopie gibt (ebd.) und zugleich ,u~n im
A.uf~huh" (a.a,O, 167) bedeuten kann.
69 SCtIATZ-UFfelHEIMER (1970) 209-211. die den nkhtnationalen Charakler solcher ..self·
redemplion" betont,
70 Zu Hirsch und besonders der menschhcillkhen Dimension seiner Eschatologie vgl.
BA1..J..HORN (2003) 94--98.
71 Für SCHATZ-UFfelHEl'lER (1976) 194 denk! Kook damit ..nichts Alltägliches"; ähnlich
STEMSERG€R (1992) 629. Für GEWIRTZ (1986) 110 entsprichl freilich Koots Auf~'eI1ung des
bkl8en Volkskörpers der ma.imonidischen Lehre (a.a.0. 32f.) vom Leib als Bewthrungsort dc:r
Seele (Ißlelld:l: s. S. 30 Anm. 6S). also einer eher reformerischen Tooition.
00040222

I. Exposition der Fragestellung 31

Diaspora vom Refonnjudemum ab und durch eine analoge Abwertung der


talmudischen gegenüber der biblischen (autochthonen) Zeit zugleich von
der Orthodoxie und steht damit zwischen den Polen der vermeintlichen Al-
ternative - wie auf andere Weise nach der Staatsgründung Israels 72 auch die
an den 1994 verstorbenen M.M. Schneerson anschließende messianische
Bewegung "Chabad". Während nämlich Kook das Nichtreligiöse religiös
interpretiert, zielt Chabad auf eine tät.ige Heiligung des Profanen. 73
Somit ist in der Tat auch die jüdische Eschatologie geprägt von den Aus-
schließlichkeitspragmatiken polarer Begriffsschemata; aber gerade die im
vorstehenden Absatz genannten scheinbaren Randerscheinungen dieser
Traditionsgeschichte zeigen, daß nicht die EntSCheidung für eines der "bei-
den Extreme", sondern deren kritische Thematisierung als solche die maß-
gebliche Frage ist,14 die das Schema selbst stellt.
3. Anfragen jüdischer Religionsphilosophie. Deutlich sind derartige An-
fragen an die Schemata von einigen jüdischen Religionsphilosophen gestellt
worden, die schon zu Lebzeiten und dann in ihrer Nachwirkung Diskurs-
partner des Christentums sind.
a) Leo Baecks paradox-sittliche Wesensbestimmllllg des Judentums. Um
die kalendarische Wende zum 20. Jh., nach gängigem theologiegeschichtli-
chen Urteil zugleich Wende zur Eschatologie, hält A. v. Hamack in Berlin
seine programmatischen Vorlesungen über "Das Wesen des Christentums",
in denen er den einfachen Jesusglauben um "Gou und die Seele, um die
Seele und ihren Gou" unter allen theologischen und kirchlichen, sowohl
dogmatisierenden als auch ritualisierenden Verschüttungen freilegen will
und ihn damit wie vom hellenistischen Denken so vom Judentum abgrenzt,
das kurz vor v. Harnack der sog. eschatologische Aufbruch eines J. Weiß
als Apokalyptik dargestellt hal. 15

72 Zum ZioniSIllUS nach 1948 vgl. RAVrrzKY (1991). der a.a.O. 34ff. solchen religiösen Zio-
nismus als unmessianisch bezeichneI, der das Werk des Messias an sich zu reißen sucht. Christli-
cherseils wird die Staatsgründung Israels ähnlich krilisch gesehen vom sog. Dispensationalismus
(s. S. 14 Anm. 7). dem in Deulschland l.B. die ApokalaStaliker HEl.J...ER (1949) und FüNNtNO
(1949) anhängen (vgl. Hol.TIIAUS '1993] 443f.).
73 Dazu LEVtNSON (1994) 124.
74 Zitat MAlER (1983) 160. Weitere Beispiele rur Relativierungen der eschatologischen Sche-
mata im Judentum nennt GRAl:.Tl (1983) 170-181.
75 Zitat v. HARNACK 119001 (1999) 91: zur Abwehr von Weiß vgl. :I.a.O. 89 und zur Abgren-
zung gegen das Judentum a.a.O. 84f. Daß Hamack das Judentum als kirclrlichr Erslarrung des
Glaubens galt. steht in vollem Einklang mil WEU.HAUSENS Begriff der Theokratie als ,,Anstalt"
(DERS. '190514091T.) und mil BOUSSCIS Einschätzung der Synagoge. Nach seiner bekanlllen Defi·
nilion des Dogmas betrachtet Hamack auf der anderen Seile den Hellenismus als die Ihrologischt
Verfremdung des Jesusglaubens.
00040222

32 Erster Teil

Dagegen wendet sich 1905 der liberale Berliner Rabbiner Leo Baeck.
wie schon der Titel seines Buches "Das Wesen des Judentums" erkennen
läßt, das dann in der Zweitgestalt von 1922 berühmt wurde. Hier erscheint
das Judentum als die Religion des religiös·sittlichen Paradoxes: Z.B. zeigt
sich die für das Judentum schlechthin grundlegende Einzigkeit und Abso-
lutheit Gottes darin, daß sein Gebot unbedingt wirklich ist; dennoch ist der
Mensch gefordert, es zu venvirkliche1l. 76 Daher drückt sich Israels Erwäh-
lung darin aus, daß es die Tora befolgt und durch dieses sittliche Men-
schenhandeln den Monotheismus verkündigt. Baeck versteht so das Juden-
tum als die eigentlich missionarische Religion. 77 Damit ergreift er eine für
sein rabbinisches Herkommen durchaus unkonventionelle Position. Zwar
kennt der Rabbinismus seit seinen Anfangen in der Spätantike den Übertritt
zum Judentum, doch galt in der halachischen Tradition grundsätzlich das
Geborenwerden von einer jüdischen Mutter als Kriterium des Judeseins. 18
Freilich hängt gerade mit der Verabsolutierung dieses genealogischen Kri·
teriums die Abwertung des Judentums als Nationalreligion oder Volkstum
zusammen, die im rassisch motivierten Antisemitismus gipfelt, sich aber
auch in der christlichen Eschatologie beobachten läßt. 79 Wenn Baeck dage-
gen das Judentum als missionarisch versteht, ergibt sich für die Es-
chatologie das Bild des Judentums als sittlicher Menschheitsreligion. In
diesem Sinne kann Baeck ausdrücklich den Messianismus als die letzte
Spitze des missionarischen Monotheismus begreifen, auf der Sittlichkeit
sich in Politik weitet und jüdische Religionsgeschichte in die Wehge·
schichte der Völker. so Indem Baeck das Judentum auffalligerweise als die
eigentliche missionarische Religion bestimmt, stellt er also das es-
chatologische Schema von Partikularilät und Universalität in Frage.
b) Herma1l1l Cohe1ls Konzept eines menschheitlichen Messianismus.
Baeck veröffentlicht sein ..Wesen des Judentums" erstmals im vom libera-
len Berliner Rabbinerseminar veranstalteten "Grundriß der Gesamtwissen-
schaft des Judentums". Hier erscheint auch 1919 in der Erstaunage das po-
stume Spät werk des vormaligen Marburger Neukantianers Hermann eohen,
,,(Die) Religion der Vernunft aus den Quellen des Judentums". Tatsächlich

76 ß"ECK (1922) IO6f. IJ2f. 155 nennt drei Paradoxien; die genannte ist die z.weite davon.
77 A.a.O. 77: ..Das Judentum hat dcnn auch das GCbol des Weges z.ur Menschheit. der Missi-
on. die der Besitz der Religion forden. en.eugl."
78 Auch wenn das anlikjüdische GeschichlSdenken sonsl eher palrilincar geprägl scheinl.
79 Für die chriSlliche EschalOlogic vgl. 7..B. BULTMANN (1949) 183: ..Das wahre Gouesvolk iSI
die EkJdesia. die eine eschalologische Einheit ist. [... ) Man gelangt in sie nichl durch Gebun oder
Volkszugehörigkeit...
80 ßAECK (1922) 282f.
boo-40222

I. Exposition der Fragestellung 33

bestehen eInige Berührungspunkte zu Baeck, jedenfalls was die Es-


chatologie betrifft. Cohens Vernunftreligion geht freilich. anders als bei den
deutschen Aufklärern von Lessings ..Erziehung des Menschengeschlechts"
bis zu Kants "Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft". über
eine reine Sittlichkeit hinaus. Denn diese kennt den Menschen nur als Ex-
emplar der Menschheit; die Religion dagegen entdeckt den Menschen zu-
erst am Mitleid mü dem Mitmenschen und differenzien so neben Einheit
und Allheit des Menschlichen noch die Mehrheit. sl M.it diesem Spezifikum,
einem Plus der Religion vor der Ethik, gewinnt das Baeck'sche Konzept des
Judentums als der Religion der sittlichen Paradoxien bei Cohen ein eigenes
Profil. Baeck korreliene Goues Einzigkeit als die Absolutheit seiner sittli-
chen Forderung mit deren menschlicher Verwirklichung. Auch Cohen
kommt zu dem Ergebnis, daß Gott heilig ist, weil der Mensch sich heiligen
soll: er begründet dies aber ausführlicher. Dazu ist hier kurz der Gedanken-
gang des Buches unter diesem Aspekt nachzuzeichnen:
Gottes Einzigkeir schließt irgendein anderes Sein, das daneben gegeben
wäre, aus. 82 Auch ein geschöpniches Sein als eigenständiges Sein neben
Gott ist damit verneint, Schöpfung heißt gerade die Verneinung solchen
Seins. Genauer: Da die Verneinung eines positiven Seins neben Gott ein
solches im Akt der Verneinung doch noch voraussetzen müßte. verneint
Schöpfung nicht ein positives, sondern ein privatives Sein. eine M.inderung
von Sein. Cohen definien Schöpfung daher im Anschluß an Maimonides als
Negation der Privation. 8l Gottes Einzigkeit ist demnach sein Schöpfersein.
So kann Cohen die Offenbarung der Tora als ein Beispiel von Schöpfung
auf dem Gebiet der Vernunft verstehen: 8A Gott läßt Israel. so wäre mit ei-
nem typisch schöpfungstheologischen Uneil zu fonnulieren, nicht im Un-
klaren über seinen heiligen Willen. Gottes Einzigkeit und Heiligkeit besteht
nach diesem Schöpfungskonzept darin. daß er den Menschen schafft und
zur Heiligung forden. und dieses wechselseitige Verhältnis nennt Cohen
mit dem tragenden Systembegriff seines Buches "Korrelalion".8s Sie be-

81 COIlEN (1928) 17.131 f. Zur Entdeckung am Mitmenschen a.3.0. 160.


82 So 3.a.0. 50 im Anschluß an Cohens Übersetzung von Ell 3,14: ..ich bin der Seiende. Ich
bin der, der nicht anders benannt werden kann als dureh .ich bin'''. Das wäre heJlenisljsch gedacht
aus der Sicht heutiger Exegese. die hier auf den Spuren hebräischen Denkens ein helfendes Mit·
sein Gottes mil sdnem Volk liest.
83 A.a.O. 76. Ertenntnislogisch gesprochen formulien Schöpfungslehr"c nach Cohen unendli·
che Uneile. die nach der kallliscben UneilSiafel Allbeit. in diesem Falle die Absolutbeil Gottes.
aussagen. Der m3imonidische Grundsalz aller Schöpfung: Gou ist nicht trige (vgl. a.a.O. 73). ist
ein solches unendliches Unei!. Cohen spricht daher von einer Infinitc:sim3lmethode.
84 A.a.O. 84.
8S Eingefilhn ....0. 100f.: entfalle! •.•.0. 119f.
34 Erster Teil

steht in der Vernunft, die Gott als sittliche in seiner Willenskundgabe durch
die Tora anspricht, und im heiligen Geiste. der nach dem hebräischen Text
von Ps 51,6 der Geist der Heiligung ist. Da sich Heiligung am Mitmenschen
vollzieht, kann eohe" die Korrelation von Gou und Mensch auch auf der
Ebene der Mehrheit, des Volkes. ausdrucken und mit R. Akiba sagen: Gott
ist der Einzige, weil einzig vor ihm Israel sich reinigen kann. 86 Die es·
chatologische Konsequenz dieses Korrelationskonzeptes ist ein Messianis-
mus, der als die menschheitliche Aufgabe einer unabschließbaren Selbst-
heiligung schroff der Eschatologie entgegengesetzt wird, die diesen im-
merwährenden Prozeß durch die Setzung einer jenseitigen Welt abbricht.87
Cohenfoigert also allS seinem tragenden Begriff der Korrelation eine alls-
schließende Alternative von Messianismlls lind Eschatologie.
Messianismus bezeichnet hier die sich als unverwechselbar jüdisch ver-
stehende Erwartung, daß die Menschheit begriffen ist in einem Prozeß der
Heiligung, der fortschreitend. aber unabschließbar und darum auch ein Ge-
schehen in der einen raumzeitlichen Welt ist. Wenn dem die christliche Jen-
seitseschatologie entgegengesetzt wird. so hat Cohen dabei noch nicht die
Diastase von Diesseits und Jenseits in der frühen Dialektischen Theologie
vor Augen, sondern die Jenseitserwartung, die am Ende des 19. Jh. unler
dem Einfluß von Schleiennachers Kritik der Eschatologie den Locus prägt
und dabei von einer bloßen Unsterblichkeitsgewißheit für die individuelle
Persönlichkeit bis zum detailfreudigen Zukunftsgemälde die ganze Band-
breite von Zukunftserwartung enthält. Cohens Konzept des menschheitli-
chen Messianismus zieh also nicht nur wie Baeck auf das Wahmehrnungs-
schema von Partikularität und Universalität. Vielmehr steht Cohens Partei·
nahme Hir eine soziale Gestaltung des Messianismus zugleich jenseits des
Schemas von sinnenfalliger Gestalt der Hoffnung und ihrer übersinnlichen
Vergeistigung. da die Gestallungja eben, heide vermittelnd. im Geiste stau·
finden soll, wie es Cohens Theorem der Korrelalion von GOIt und Mensch
ausdrückt.
c) Franz Rosenzweigs Neubestimmllng des Verhöl",isses vo" VerheIßung
lind Erfüllllng. Cohens Gedanken werden fortgeführt von Franz Rosen-
zweig in seinem noch in den Schützengräben des erslen Weltkriegs begon-
nenen Hauptwerk ..Der Slern der Erlösung". Auch hier sei der gedankliche
Duktus nachgezeichnet. wobei sich die Darslellung wiederum auf die für
unsere Fragestellung einschlägigen Linien beschränkt:

86 A.a.O. 261. Zugrunde ltegt ein talmudischer Ausspruch R. Akibas (Joma 85b). der das
Buchmono bildec.
81 A.a.O. 331.
00040222

I. Exposilion der Fragestellung 35

Definiert Cohen Schöpfung als Negation der Privation, so unterscheidet


Rosenzweig die Schöpfung im Anfang von der Schöpfung im Wort. Erstere
ist die arche-ologische und. mit Rosenzweig zu sprechen: elementare Frage,
weil sie nach dem Dasein der Elemente des Alls fragt, das Rosenzweig im
ersten Teil seines Buches als eine festgefügte und abgeschlossene Ordnung
darstellt. Diese eine Frage nach der Schöpfung im Anfang beantwortet Ro-
senzweig mit Cohens Infinitesimalmethode: Schöpfung ist das Nicht-
nichts. 88 Schöpfung im Wort dagegen ist eine andere Frage und handelt von
dem Wunder, daß die Abgeschlossenheit des Alls wieder als Anfang er-
scheint, die Erfüllung nochmals zur Verheißung wird, indem die Ordnung
der Elemente aufgebrochen wird und diese auf die "Bahn", wie Rosenzweig
im Titel des zweiten Buchteils sagt, gesetzt werden zu einer Geschichte, die
sich theologisch durch die Tennini Schöpfung, Offenbarung und Erlösung
beschreiben läßt. 89 Das Wunderhafte der Schöpfung, das die Erfüllung neu
zur Verheißung macht, besteht dabei in der Voraussage, dem Verheißensein
eines bestimmten Ereignisses im Geschehenszusammenhang,90 besteht also
im Verheißungswort selbst. Anstelle der mathematischen Methode im er-
sten Teil des Buches erfordert daher die Schöpfung im Wort für den zwei-
ten Teil als Methode eine Grammalik. Sie drückt das Wunder des Verhei·
ßungswortes aus, in dem sich die Ordnung des Alls umkehrt zur Schöpfung
und die Negation der Schöpfung im Anfang (das Nichtnichts) zur Position.
dem reinen Ja der Verheißung. 91 Das Urwort solcher Grammatik kann des-
wegen kein Substantiv sein, das als Bezeichnung eines Anschaulichen stets
negierbar wäre. noch ein syntaktisches Element. etwa Subjekt oder Objekt,
das stets auf andere Satzbauteile beziehbar. damit aber begrenz- und also
vemeinbar wäre. sondern nur das wertende Adjektiv. Das grammatikalische
Urwort der Schöpfung im Wort ist daher das göttliche Prädikat über die
Schöpfung: ..gut!" (nach Gen 1,31 ),92 und umgekehrt ist das Schöpfersein
das ursprüngliche GOllesprädikat, d.h. Gott ist immer schon Schöpfer, so

88 ROSENZWEIG [1921] (1988) 26.


89 In der Architeklonik des Boches zeigt ein Vergleich die Neubcslimmung des Verhällnis.'iCS
von Verheißung und Erfüllung beim Übergang vom erslen Teil (Mollo: .Jn philosophos!". lI.a.O.
3) zum zweiten (..in lheologos!". lI.a.O. 103): Ist in jenem ..die Philosophie gewissemmßcn nur die
Erftillerin des in der Offenbarung Verheißenen" (a.a.O. 7). SO heißt es don (a.a.O. 120): ..Die Phi-
losophie. wie sie der Theologe lreibt. wird zur Weissagung auf die Offenbarung:' A.a.O. 124: ..so
ist von der Verheißung zur Erfullung nichts weiter verändcn. der Inh:lIt der Verheißung und die
Phasen der Erfüllung sind eins; nur haI sich das Fenige zum Anfang verkehn."
90 A.a.O. 106f. gegen die Ansicht vom Wunder als Durchbrechung des Geschehenszusam-
menhanges.
91 VgJ. a.a.O. 125f.
92 A.a.O. 141 f.
00040222

36 Erster Teil

daß er nicht aus freiwilliger Liebe, sondern aus Notwendigkeit schafft. 93 Er


ist daher nicht nur immer schon, sondern auch immer wieder Schöpfer; sei-
ne Schöpfung währt fort als allgemeine Vorsehung. die auf die Erlösung der
Schöpfung ziell. 94 Dieser Gedanke ergibt sich auch daher, daß Schöpfung
als Wunder ja die Umkehrung der Erfüllung in Verheißung ist und so auf
die Zukunft der Schöpfung weist. Deswegen ist auch das Schöpfungsprädi-
kat der Güte als Verheißung aufzufassen, was im Umkehrschluß heißt, daß,
wo es ausgesprochen wird - im gemeindlichen Dankgebet -, Erlösung vor-
weggenommen wird. 95 Solche Vorwegnahme läuft im Sinne Rosenzweigs
nicht einfach ihrer Zeit VOraus, sondern ist immer auch vorläufig im ein-
schränkenden Sinne, weil das vorwegnehmende Gebet das Nächstliegende
ausläßt und sogleich auf mindestens das Übernächste zugreift - denn um
das Nächstliegende müsse ja nicht gebetet werden. 96 Dies unterscheidet das
Gebet von der Liebe, die sich als Nächstenliebe auf das Nächste richtel. 97
Rosenzweig korreliert also seine Neubestimmung des Verhältnisses von
Verheißung und Erfüllung mit einer bestimmten Zuordnung von Gebet und
Liebe. Dabei bezieht er Gebet und Liebe so aufeinander, daß die Liebe die
Bahn zur Erlösung der Schöpfung ist, das Gebet aber die eschatologische
Ausrichtung gibt auf die erlöste Welt, die .,ewige Überwelt", wie die Über-
schrift des dritten Teils lautet.
Dies erklärt nun, warum Rosenzweig in diesem dritten Teil die Es-
chatologie in einer Beschreibung des gottesdienstlichen Geschehens und
mit dem methodischen Handwerkszeug einer Liturgik entfaltet. Die Vor-
wegnahme der vom Wunder der Schöpfung verheißenen Erlösung geschieht
als Ausgriff auf das Übernächste im Gebet. nämlich im schweigenden
Dankgebet, dem anbetenden Nachvollzug des "gut!", das GOIt über seine
Schöpfung spricht. In diesen Bahnen beschreibt Rosenzweig ausführlich
das gottesdienstliche Geschehen beim jüdischen Versöhnungsfest und spitzt
es zu auf die Reinigung der Lippen. Sie befahigt das Volk zu einer erlösten
Anbetung Gottes. die sich im schweigenden Verneigen vor ihm ausdrückt. 911

93 A.a.O. 128f. mil Maimonides gegen den Islam. rur den GOlt auch ohne eine Schöpfung
volllr:.ommen ist.
94 A.a.O. 133-135 mit Maimonidcs gegen die islamische Lehre von nur einer besonderen Vor-
sehung.
95 Vgl. a.a.O. 278f.
96 A.a.O. 305 3m Beispiel des Gebets um den Tod des Anderen. da der Andere ab Anduer
doch schon 101 ist: Durch die Schöpfung ist er vielmehr Milgeschöpf (man vgl. Cohen zur Entdclr:.-
kung des Mitmenschen).
97 A.a.Q. 298.
98 A.a.Q. 360.
00040222

I. Exposition der Fragestellung 37

Rosenzweig stellt dem die christliche Liturgik gegenüber, die eine derartige
Feier der Erlösung nicht oder. wie in der Taufe. nur als Anfang eines Le-
bensweges, nicht als Vorwegnahme der Erlösung kennt." So korreliert er
das Judentum als Religion des ewigen Lebens mit dem Christenlum als Re-
1OO
ligion des ewigen Weges. Das Judentum hat in der Vorwegnahme bereits
das. was es als Eschalon erhofft, nämlich ewiges Leben, jedoch auf Kosten
des zeitlichen Lebens - Rosenzweig erinnert daran, daß das Diasporaju-
dentum Verzicht leistet auf eigenes Land, eigene Sprache und eigene Na-
lionalität 101 -, das Christentum hingegen schreitet den ganzen Weg der
Hoffnung auf das Eschaton, also den Weg zum ewigen Leben aus, ohne
doch ewiges Leben zu besitzen. So stehen beide Religionen in je ihrer Es-
chatologie sich entgegen, bilden aber erst in ihrer Korrelation aufeinander
die Wahrheit Gottes, die zwar beiden zuleil wird, in diesem ZUlei/werden
aber auch nur einen Teil der ganzen Wahrheil darstellt. 102
Es iSI also zu beobachten, daß sich Rosenzweigs Neubestimmung des
Verhältnisses von Verheißung und Erfüllung, die er im Anschluß an Cohens
differentialmathematischen $chöpfungsgedanken vornimmt, durch sein ge-
samtes Hauptwerk zieht und unmiuelbar in eine escilOtoJogische Kritik ei-
nes Verheißungskonzepls mündet, das auf der Unterscheidung zwischen
"schon jetzt" und .. noch nicht" geschehener Er!üJJung fußt. Damit ist das
chrislliche Zeitverständnis in der Eschatologie grundsätzlich in Frage ge-
steilt.
d) Mnrtin Bubers Kritik einer Zäsur in der Geschichte. Auf solche zeitli-
chen Wahmehmungsschemata zielt nun die Anfrage, die Rosenzweigs Mit~
arbeiter im Frankfurter Jüdischen Lehrhaus und Initiator der gemeinsamen
Bibelübersetzung, Martin Buber. in einem eindrucksvollen Gespräch mit
dem Bonner Neutestamentler Karl Ludwig Schmidt im Januar 1933 geäu-
ßert hat, wenige Tage vor der nationalsozialistischen Machtergreifung.
Themen dieses Gesprächs waren "Kirche, Staat, Volk, Judentum".
Schmidts Einlassung zielI, wie er zu Beginn darlegt, angesichts eines wach-
senden, rassisch begründeten Antisemitismus darauf, die vier einschlägigen
Themen, damit nicht ..das Volkharte überbetont" wird. als religiöse zu be-
handeln. Hierzu nimmt er dann als Theologe Stellung und erklärt, daß das
Judenlum seit seiner Ablehnung Jesu als des Messias und der Zerstreuung

99 A.a.O. 416.
100 z'B. a.3.0. 459. Der Vergleich mil dem Christenlum prägt aber den ganzen drillen Teil.
der unter dem MOllo ..in tyrannos!" (3.a.0. 295) steht. womit die gcnlCinl sind. die das Eschaton
vorwegnehmen (vgl. 3.a.0. 319).
101 A.a.O. 333.334.336 zu den Slichworten Land. Sprache und Nationalität.
102 A.a.O. 462.
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38 Ersler Teil

in die Weltgeschichte "miuelpunktlos" sei, wo doch Jesus Christus genau


diesen Mittelpunkt bilde: "Die Weltgeschichte als Gouesgeschichle. als
Heilsgeschichte ist nur von dieser Zäsur aus zu verstehen.,,103
In seiner Entgegnung versieht auch Buber die vier Themen des Ge-
sprächs als religiöse Themen, indem er sie zunächst unter dem Stichwon
"Israel" lusammenfaßt. Sodann stellt er die jüdische und die christliche
Wahrnehmung, die er inhaltlich durchaus im Einklang mit Schmidt rekon-
struien, einander gegenüber als zwei auf gleicher Ebene liegende, aber ein-
ander ausschließende Geheimnisse. Das Miteinander dieser Geheimnisse ist
seinerseits ein Geheimnis, nun aber das Geheimnis Goues: .jedes echte
Heiligtum kann das Geheimnis eines anderen echten Heiligtums anerken-
nen. (... ] Wie es möglich ist, daß es die Geheimnisse nebeneinander gibt,
das ist Gottes Geheimnis". Vor diesem Hintergrund antwonet er Schmidt
dann ausdrücklich: "Erlösung der Welt ist uns unverbrüchlich eins mit der
Vollendung der Schöpfung r...]. Eine Vorwegnahme der vollzogenen
Welterlösung zu irgendeinem Teil, etwa ein Schonerlöstsein der Seele.
vennögen wir nicht zu fassen, wiewohl sich auch uns, in unseren sterbli-
chen Stunden. Erlösen und Erlöstwerden kundtut. Eine Zäsur nehmen wir in
d04
der Geschichte nicht wahr:
Anscheinend stehen Schmidts und Bubers Einlassungen unbehelligt ne-
beneinander wie die zwei kraft des Geheimnisses Goues koexistierenden
Geheimnisse, von denen Buber spricht: Die einen sehen einen Einschnitt in
der Geschichte, wo die anderen ihn nicht sehen. doch beide tun dies aus der
Einsicht heraus, daß die Geschichte religiöses Thema sein muß. Doch der
Widerstreit ist über diese Beobachtung hinaus schärfer. Indem Schmidt die
Zäsur zur Voraussetzung solch religiösen Verständnisses der Geschichte
macht - sie sei als Gottesgeschichte ..nur von dieser Zäsur aus zu verste-
hen" -. beansprucht er, daß diese Zäsur auch vor und außerhalb dieses reli-
giösen Verständnisses gültig sei. Aber gerade indem er damit die gesamte
Geschichte unler das Vorzeichen dieser Zäsur bringt. kompromittien
Schmidt sein eigenes Anliegen, angesichts des rassisch. nicht religiös moli-
vienen Antisemitismus die Geschichte als religiöses Thema zu behandeln,
denn für dieses Vorzeichen reklamien er allgemeinhistorische. nichl religi-
ös gebundene Evidenz.
Schmidts Argumentation bildet damil in aufschlußreicher Weise den
Antipoden zu derjenigen Iheologischen Auffassung, die elwa zur selben

103 Die Zilale SCHMIDT 11933 J (1981) 153.155 sind verbunden durch den a.3.0. 152f. dreimal
geäußerten Gedanken vom Verlust der Mine.
104 Zilale BUBER (1933) 563.562 (hier eröffneI der lel:r.le zitierte Salz einen neuen Absatz).
00040222

I. Exposition der Fragestellung 39

Zeit zum endgültigen Zerbruch der eschatologischen Arbeitsgemeinschaft


der Dialektischen Theologie fühn. Dieser Zusammenhang ist kurz darzu~
stellen. ehe ich auf Bubers Entgegnung an Schmidt eingehe: E. Brunner
entwickeh 1934 nach längeren Vorarbeiten eine Lehre vom natürlichen An-
knüpfungspunkt der unverrechenbar freien Gnade Gones, wogegen
K. Barth seinen energischsten Widerspruch SelZl. Dieses ,.Nein!" wieder~
holt er gegenüber der späteren Lehre der Hermeneutischen Theologie von
einem rein strukturellen Anknüpfungspunkt im Menschen, also gegenüber
seinem Marburger Gegenspieler R. Bultmann und dessen Fachkollegen
E. Fuchs. IOS Vor aJlem aber ist davon F. Gogartens zeitgleiches theologi-
sches Engagement für die dem Nationalsozialismus verbundene sog. Glau-
bensbewegung der Deutschen Christen getroffen. Barths grundlegender
Einwand, der in der deutschen evangelischen Nachkriegstheologie als das
Verdikt der natürlichen Theologie einen noch stärkeren Aufschwung erleb-
te, lautet ja jeweils, daß irgendein anderer Anfang der Theologie als bei
Gou selbst Gefahr läuft, geschichtliche oder gesellschaftliche, anthropolo-
gische ooer kulturelle Gegebenheiten und Standards religiös zu überhöhen.
d.h. theologisch gesprochen: die Radikalität des GegensalZes von Sünde
und Gnade zu verwässern. Dies richtet sich zeitgeschichtlich gegen die
Deutschen Christen; aber eine vergleichbare Gefahr in der akademischen
Theologie wird da gesehen. wo Theologie auf Begriffen aufbaut. die mit
dem Repertoire der antisemitischen Gesellschaftsideologie der Nationalso~
zialisten in Berührung geraten können. Deswegen sieht sich von Banhs
Kritik auch P. Althaus in Mitleidenschaft gezogen. I06 Seine "Theologie der
Ordnungen" rezipiert die Kategorien Rasse, Volk. Stand, Obrigkeit in einer
Weise, die vielen Beobachtern als gefahrlieh harmonische Aufnahme natio~
nalsozialistischer Anschauungsformen erschien und erscheint. - Gegenüber
all diesen ist nun Schmidt deshalb der Antipode, weil seine aUgemein-
menschlich einsehbare Voraussetzung einer weltgeschichtlichen Zäsur in
Christus nicht einer natürlich~theologischen Harmonie von Vernunft und
Offenbarung. Wellgeschichte und Heilsgeschichte folgt. sondern sie ergibt
sich für ihn gerade umgekehn aus der krassen Dissonanz von Welt- und
Heilsgeschichte: Die Weltgeschichte ist "Schatten" und ,.Nachtseite"· des
Lebens! Barth monien. daß von der Geschichte theologisch zu optimistisch
gedacht werde; und dieses Monitum häll Schmidt in einem 1997 im Druck
veröffentlichten Brief vom 11.9.1933 (an P. Allhaus) gerade seinem Stutt-
ganer Gesprächspartner Buber vor: Bubers Auffassung von einer bruchlo-

105 Fuchs war 1933 Assistent SchmKhs in Bonn.


106 ALnlAUS (1935) 6.
00040222

40 Erster Teil

sen Geschichte sei ..Schwärmertum", schreibt Schmidt: .,Es ist jedenfalls


so. daß der Jude Buber, der viel von Israel weiß, der aber noch nicht genug
von Israel weiß, den Deutschen Christen näher steht als - ich.'d07
Diese argumentative Konstellation zeigt die ganze Schärfe des Problems
einer Wahrnehmung des Judentums. Schmidts Argumentation fallt nicht
unter die Barth'sche Kritik, dennoch folgt seine Wahrnehmung des Juden·
turns den von ihr kritisierten Schemata, ohne daß ihm auch nur entfernt
theologischer Antijudaismus unterst.ellt werden könnte, vielmehr ist dessen
Überwindung sein ausdrückliches Ziel. Der Vergleich von Schmidts Ent-
gegnung an Buber mit den zeitgleich von Barth kritisierten Autoren zeigt
instruktiv, daß die theologische Aufgabe, die sich einer Revision der Es-
chatologie stellt, nicht darin bestehen kann, die genannten Schemata von
Wahrnehmung des Judentums gewissermaßen "umzupolen".108 Barths Ver-
dikt natürlich-theologischer Harmonisierungen trifft also nur die eine Seite
des Problems. Denn nicht nur in deutlicher Annäherung an die Deutschen
Christen (wie bei Gogarten). sondern auch in der schroffen Abgrenzung
davon (wie bei Schmidt) kann dieselbe Schwierigkeit entstehen. daß näm-
lich für einen theologisch eindeutigen Sachverhalt außertheologische Evi·
denz beansprucht wird. Genau dies tut Schmidt, wenn er eine weltge-
schichtliche Zäsur in Jesu historischem Auftreten zur Voraussetzung eines
religiösen Geschichtsverständnisses macht und damit fordert. auch das Ju-
dentum als nichtchristliches Denken müsse. sofern es an einem Verständnis
der Geschichte interessiert sei. diese Voraussetzung mitvollziehen.
Liest man nun vor diesem Hintergrund Bubers Replik an Schmidt. dann
stellt die Nichtwahrnehmung einer Zäsur nicht bloß ein Geheimnis neben
ein anderes, sondern bestreitet, daß dem Christentum ein solcher Rückgriff
auf allgemeinmenschliche Evidenzen zu Gebote stünde. die auch für das
Judentum verbindlich sein müßten. Er zieht so die Möglichkeit einer derar-
tigen Voraussetzung generell in Zweifel. also sowohl in ihrer harmonisti-
schen Ausprägung wie bei Gogarten als auch in ihrer skeptischen Variante
wie bei Schmidt. Buber übt damit grundsätzliche Kritik vor allem am
Wahmehmungsschema von "Schon jetzt" und "Noch nicht", das sich am
Thema der Messianität Jesu in der aporetischen Frage niederschlägt: Ist der
Messias schon gekommen oder noch nicht?l09 Bubers Anfrage zielt somit

107 Zitale MOllLlNü (1997) 239.240.240.240: vgl. früher: V.O. OSTEN-SACKEN (1978) 142.
108 Darum ist nicht das von Buber ..dialektisch dem ,Noch nicht' hinzugefLIgle .Schon' ent·
sprechend dem christlichen .Schon'. dem dialektisch das .Noch nicht' hinzugehörr' (STf.GEMANN
[19881 145). das zukunftsweisende Morncnt des Gesprächs.
109 Diese Frage weist WERBLOWSKY (1%8) 44 rurdas Judentum ab und dem christlichen
Fundamentalismus zu.
p0040222

I. Exposition der Fragestellung 41

auf eine Revision des in der christlichen Eschatologie vorfindlichen Ver-


ständnisses von Zeit.
4. Ergebnis. Die Bedeutung der hier referienen Anfragen jüdischer Reli-
gionsphilosophie an die zeitgenössische christliche Eschatologie ist nicht
allein in der kritischen Spiegelung der Wahmehmungsschemata zu sehen,
sondern mehr noch darin, daß damit sachliche Themen entbunden werden,
die für eine Eschatologie im Gespräch mit dem Judentum wichtig sind. Bei
Baeck wird die Mission und bei Cohen die Leidensthematik zum Thema der
Eschatologie, jeweils als Entdeckungszusammenhang ihrer menschheitli-
chen Dimension. Seide betonen dabei den Zusammenhang von Es-
chatologie und Ethik als Zusammenhang von göttlichem und menschlichem
Handeln, der im vorigen Punkt dieses Abschnitts schon für die jüdische Es-
chatologiegeschichte überhaupt wichtig zu sein schien. Bei Rosenzweig
wiederum ist der Gottesdienst der Entdeckungszusammenhang der Es-
chatologie, für die sachlich das Verheißungsthema zentral ist. An ihm ent-
scheidet sich auch das Zeitverständnis, auf das Buber eingeht. - Alle diese
Anfragen und Themen werden im weiteren Verlauf vorliegender Untersu-
chung wichtig sein bei der weiteren Ausarbeitung der Fragestellungen, die
eine evangelische Eschatologie im Blick auf das Judentum berücksichtigen
muß. Deswegen werden die dritten Abschnitte der Kapitel [I-V im Rück-
griff auf den vorliegenden Abschnitt und in Weiterführung davon eigens
den Ertrag der jeweiligen Eschatologiekonzepte für diese Fragestellungen
sichern.
Somit ergibt sich für den folgenden, zweiten Teil der vorliegenden Un-
tersuchung dieser Gesamtaufriß: Es werden vier Komplexe evangelischer
Eschatologiegeschichte (Kap. U-V) hinsichtlich ihrer eschatologischen Ar-
gumentation und deren Implikationen für die Wahrnehmung des Judentums
(Abschniue Nr. I mit den Unlerabschniuen 1.1 zur Argumentation und 1.2
zu den Implikationen), ihrer eventuellen Schemata von Wahrnehmung des
Judentums (Abschnitte NT. 2) und ihrer Bedeutung für Fragestellungen
evangelischer Eschatologie im Blick auf das Judentum (Abschnitte Nr. 3)
behandelt.
000402U

II. Friedrich Schleiennachers


eschatologisches Dilemma

"Mitten in der Endlichkeit Eins werden mit dem Unendlichen und ewig sein
in einem Augenblick, das ist die Unsterblichkeit der Religion:<! Wenn der
30-jährige reformiene Krankenhausprediger an der Berliner Charite,
FRIEDRICH SCHLElERMACHER, mit diesen vielzitienen Worten die zweite
seiner berühmt gewordenen Reden "Über die Religion" beendet, gibt er auf
der einen Seite dem Kemgedanken einer der fortan wohl wirksamsten
theologischen Grundanschauungen der protestanlischen Modeme Aus-
druck. Der Satz zur Unsterblichkeit machte seinen Autor schon zu Lebzei-
ten in einem umgangssprachlichen Sinne unsterblich und scheint schon auf
diese Weise die theologische Einsicht zu bestätigen, die dahinter steht: Un-
sterblichkeit iSI im Leben zu finden. Die Ewigkeit, für die hier der Aus-
druck "Unendliches" und sonst in Schleiennaehers Reden von 1799 das
"Universum", erst in späteren AuOagen "Gou" steht, ist nicht der Abschluß
einer unendlichen Reihe und auch kein Rahmen, der von außen um die Welt
als Ganzes gelegt wird. Nichl wer die Tiefen des Alls erforscht, findet
Ewigkeit, sondern wer sie als das erkennl, was in allen Einzelnen das Glei-
che, doch in keinem von ihnen auf die gleiche Weise, vielmehr individuell
ist. Dies ist die Textur, die Schleiermachers Denken zusammenhält: Ewig-
keil ist das Allgemeine als Einzelnes, ist Alles und ist Eines, ein individu-
elles Allgemeines.
Schleiennaehers Auffassung vom Wesen der Religion begründet aber
nicht nur eine ganze Epoche theologischen Denkens im Protestantismus.
Sein Satz zur Unsterblichkeit reißt auf der anderen Seile zugleich "das es-
chatologische Loch" auf,2 in dem für ein ganzes Jahrhunden die theologi-
sche Besinnung auf die religiöse Zukunftserwartung zu versinken scheint.
Wenn wir die Unsterblichkeit "schon in diesem zeitlichen Leben unmiuel·
bar haben können", wie Schleiennaeher in der Drittaunage seiner Reden
von 1821 hinzufügt,J scheint es nur konsequent, wenn er ein Jahr später

I SCIlLEIERMACIIER 117991 (1958) 74. In späteren Auflagen heißt es .jn jedem Augenblick"; s.
auch S. 42 Anm. 3.
2 Emil BRUNNER, Die Mystik und das Won. Der Gegensatz zwisenen modemer Religionsauf-
fassung und chrisllichem Glauben dargeslellt an der Theologie Schleiermachers, Tübingen 1924.
268.
3 SCHLEIERMACIIER (18211 (1995) 128; noch nicht in der ZweilDunage von 1806; vgl. ebd.
p0040222

U. Friedrich Schleiermachers eschatologisches Dilemma 43

auch über die sonstigen Topoi der Eschatologie schreibt, daß ihnen "dersel-
be Wenh wie den übrigen Glaubenslehren nicht kann beigelegt werden".4
In der Zweitausgabe seines Buches "Der christliche Glaube" von 1830/31
findet diese Grundsatzkritik der Eschatologie dann ihre ausgereifte Gestalt. 5
Der Bogen, der mit diesen Schlaglichtern vom Anfang bis zum Ende von
Schleiermachers literarischem Schaffen geschlagen wurde, deutet bereits
ein Grundproblem von Schleiermachers Eschatologie an: Einerseits gründet
seine Wirkung zu etlichem Teil auf Gedanken zu einem eschatologischen
Thema, der Ewigkeit. Andererseits war diese Wirkung selbst "das es-
chatologische Loch", das Schleiermacher in die Theologiegeschichte des
19. Jh. gerissen haben soll. Man muß daher Schleiermachers eschatologi-
sche Kritik als positiven Beitrag zur Lehrgeschichte würdigen.

I. Analyse

Die sieben Paragraphen, in denen Schleiermacher in der zweiten Auflage


seiner "Glaubenslehre" die Eschatologie behandelt,6 bilden nicht deren Ab-
schluß, vielmehr folgt ihnen noch ein Abschnitt über die Eigenschaften
Gottes als des Erlösers, und erst dann steht am Schluß der Dogmatik die
Trinitätslehre. Das ist auffallig genug für einen dogmatischen Entwurf, der
den traditionellen Inhalt und Aufriß integrieren will. 7 Es liegt daher nahe.
Uberlegungen zur Architektonik zum Ausgangspunkt für die Analyse von
Schleiermachers Eschatologie zu nehmen. 1I

1.1. Aufweis eines eschatologischen Dilemmas in zwei Gestalten

1. Die dogmatische Stellung der Eschatologie. Im Aufriß der "Glaubensleh-


re" erscheint die Eschatologie in deren zweitem Teil (Gegensatz von Sünde
und Gnade: §§ 62-169) auf der Seile der Gnadenlehre (Bd. U der ..Glau-

4 DF.RS. [18211221 (1980184) 11.3 19 (§ 175).


5 Grundlage meiner Überlegungen in diesem Kapitel ist vor allem die l.weite Aunage der
..Glaubenslehre" von 1830131. während ieh rur die l.ur Ergänl.Ung herangezogenen •.Reden" auf
den TeKl der Erstausgabe von 1799 zurückgreife. also jeweils auf die wirkmächligstcn Gestalten
dieser beiden Uauplwerke Schleiermachers. Abweichungen anderer Aunagen dieser Texte und
weilere Texte kommen in den Blick. wo dies geeignet scheint.
6 SCln..ErERMACI~ER 11830/311 (1960) 11,408--440 (§§ 157-163).
7 Vgl. die Definition von Dogmatik als Darslellung der kirchlich geltenden Lehre. die SCHLEI-
F.RMACIlF.R in der "Glaubenslehre" gibt (a.a.O. 1,119[§ 191).
8 Aus solchen Gesichtspunkten heraus argumcnlien v.a. UERMS (1990) 97-108.
44 Zweiter Teil

benslehre": §§ 86--169) im Abschnitt über die Beziehung der Gnade auf die
Welt (§§ 113-163) als dessen drilles HauplSlück. Die umgebenden Ab-
schnille handeln von der Beziehung der Gnade auf den Menschen (§§ 91-
112) bzw. von GOII in bezug auf die Gnade (§§ 164-169) und spiegeln
damit die drei Dimensionen dogmatischer Sätze als Aussagen über das
Selbst·, Welt- und Gouesverhältnis des Menschen,9 in denen auch auf
seiten der Sündenlehre (§§ 65-85) sowie im ersten Teil (Voraussetzungen
des Gegensatzes von Sünde und Gnade: §§ 32-6 J) die Dogmatik entfaltet
wird. IO Es fallt nun auf, daß in der GnadenJehre die individuelle Dimension
der Dogmatik in zwei Hauptstücken dargestellt wird, die überindividuelle
aber in dreien. Über die Frage des EIl1stehens und des Bestehens von (indi-
viduellem bzw. gemeinschaftlichem) Gnadenbewußtsein hinaus handelt
hier nämlich die Eschatologie von dessen überindividueller Vollendung.
Vollendung. so wird argumentiert. ist dabei deshalb der gemeinschaftlichen
und nicht der individuellen Dimension zugeordnet. weil für Schleiermacher
die Gnade ohnehin nur an einem ..Gesamtleben" besteht. in dieser gemein-
11
schaftlichen also die individuelle Dimension miteingeschlossen ist. So
wird die zunächst befremdliche Eingliederung der Eschatologie in das Gan-
ze von Schleiermachers Dogmatik plausibel.
Jedoch bei der internen Gliederung der Eschatologie kehrt dieselbe
Spannung von individueller und sozialer Dimension wieder. Hier stellt zu-
nächst je ein Paragraph die beiden Aufgabenfelder der Eschatologie vor,
nämlich die gemeinschaftliche Dimension als Vollendung der Kirche (§
157) bzw. die individuelle Seite als Fortdauer der Persönlichkeit (§ 158),
ehe der eigentliche Schlüsselsatz in § 159 Eschatologie als ..Lösung beider
Aufgaben" definiert}2 Von diesen drei Grundlegungsparagraphen deutlich
unterschieden durch die Zählung von vier ..prophetischen Lehrstücken".
thematisieren die §§ 160-163 vier Ansätze zur Lösung dieser doppelten
Aufgabe; Schleiermacher greift damit die protestantische Überlieferung von
der Vier.lahl der letzten Dinge auf und verbindet so auch hier. wie bei der
Stellung der Eschatologie im Ganzen der Dogmatik, seine originären Ein-

9 Dazu grundsälZlich SCHLEIEltMACIiER 118301J I1 (1960) 1.163 (§ 30).


10 In dieser Dreisteltigkeit der Dogmatik schlägt sich Schleic:nnachc:rs 1lIeorie des BeWUßI-
seins nic:dc:r. derzufolge der Mensch sieb teils als rahig zu eigener. wirksam handelnder Einfluß.
nahme auf sicb selbst und die Weil empfindei und leils als dazu unflibig. d.h_ teils als frei und teils
als abhängig. Gott gegenüber aber als schlechthin abh5ngig. also unfähig zu irgendeiner Gegen-
wirkung auf Gon (u.O. 1.23-30 I§ 4 J).
II HalMS (1990) l04f. sowie a.•.O. 101 mil der Schlußfolgerung fiir die Stellung der Es-
chalOkJgie.
12 Zltal 5CHLEtERMAQtEJt 1183013 I ) (1960) 11.416.418 (f 159).
00040222

11. Friedrich Schleiennachers eschatologisches Dilemma 45

sichten mit der dogmatischen Tradition. l3 Beide Elemente sind im einzel-


nen so miteinander verbunden, daß Schleiermachers eigene Einsicht das
Problem formuliert, welches er gerade der eschatologischen Lehrtradition
entnimmt "Daher nun können wir auf keine Weise den folgenden Sätzen,
welche von den letzten Dingen handeln, denselben Wert wie unsem bishe-
rigen Lehrsätzen beilegen.'d4
2. Der dogmatisl:he Wert der Eschatologie. Die entscheidende Frage an
Schleiermachers Eschatologie lautet, was mit der Rede vom .,Wen" es-
chatologischer bzw. sonstiger Lehrsätze gemeint isl. Sie läßt sich mit ar-
chitektonischen Überlegungen nicht beantworten, sondern nur so, daß die
Einleitung zu Schleiermachers "Glaubenslehre" (§§ 1-31) zu Hilfe ge-
nommen wird, wo er sein Verständnis von Lehrsätzen entfallel. 15 Hier un-
terscheidet er im Abschnitt "Vom Verhältnis der Dogmatik zur christlichen
Frömmigkeit" zweierlei Sätze, nämlich Glaubenssätze (§ 15) und dogmati-
sche Sätze (§ 16). Glaubenssätze sind dabei solche Sätze, die Zuständlich-
keiten eines ursprünglichen frommen Selbst bewußtseins zur Sprache brin-
gen; und dogmatische Sätze sind innerhalb der Glaubenssätze diejenigen,
die dies nicht tun, um momentan künsl1erischen Eindruck oder rhetorischen
Erfolg zu erzielen wie das dichterische bzw. rednerische Sprachgebiet
(§ 16, I). sondern um grundsätzlich darzustellen und zu belehren, wobei
"der höchst mögliche Grad der Bestimmtheit bezweckt wird".16 Der Unter-
schied zwischen Glaubenssätzen und dogmatischen Sätzen ist also keines-
falls ausschließend, vielmehr sind diese eine Teilmenge jener, und zwar auf
der höchsten von drei Stufen. Diese drei sind das dichterische, das redneri-
sche und das darstellend belehrende Sprachgebiel. In einem Zusatz zu § 16
betont Schleierrnacher den Zusammenhang zwischen Glaubenssätzen und
dogmatischen Sätzen: Diese müssen immer rückbeziehbar bleiben auf jene,
nämlich "auf die unmittelbaren Aussagen des frommen Selbstbewußt-
seins" .17 Dieser Zusammenhang suggerien nun die Folgerung. daß die Un-

13 S. S. 43 Anm. 7. Zur schwankenden Vienahf der Eschata vgl. HJELDE (1987) 71.84 u.ö. Bei
SCBLJHERMACIIER 11830/311 (1960) §§ 160-163 sind diese Lehrslücke die Wiederkunfl Chrisli.
die Auferslehung des Fleisches, das JUngsle Gerichl sowie die ewige Seligkeit. Der .Zusatz" zu
diesen (in der Zweit3uOage der ..Glaubenslehre·') ist kein eigenes Lehrslück.
14 A.a.0.1J,418 (§ 159.2): vgl. 3.a.0. IIAI6f. (§ 159. LehrsalZ).
15 Hier selzen, völlig zu Recht, die Überlegungen von WEE8ER (2000) an.
16 Die Formulierung des Lehrsalzes in § 16 (SCHLElERMACtIER 11830/311 119601 1.107) Ilißt
mil dem zitierten Nachsatz zunächst noch offen, ob die größtmögliche Beslimmlheil eine der dar-
stellend belehrenden Redeweise inhärente Eigenschaft oder eine zusätzliche Qualifikation ist: s. S.
54 Anm. 44.
17 A.a.Q. 1,110 (§ 16. Zusatz). Diese Rückbindung unterscheidei fUr Schleiennacller a.9.0.
J.lll Dogmalik von Spekulation. Ein viertes, "besonderes Sprnchgebicl". das er mit Rückgriff auf
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46 Zweiter Teil

terscheidung zwischen Glaubenssätzen und dogmatischen Sätzen für den


Ausschluß der Eschatologie aus dem Kreise der Lehrsätze keine Rolle
spielt; m.a.W. wenn die dogmatischen Sätze nur eine Teilmenge der umfas-
senderen Klasse der Glaubenssätze sind und die Unterschiede beider gradu-
eller Natur, dann scheint der grundsätzliche Einwand gegen die Sätze der
Eschatologie ihnen auch den umfassenderen Charakter von Glaubenssätzen
abzusprechen, womit sie dann freilich auch als dogmatische Sätze nicht
mehr in Frage kommen. I! Im folgenden sind nacheinander beide Arten von
Sätzen für die Prüfung eschatologischer Sätze heranzuziehen.
a) Eschatologische Sätze als Glaubenssätze. Wenn also die Eschatologie
vor allem deswegen nicht den Wert von Lehrsätzen beanspruchen könnte.
weil sie keine Glaubenssätze bildet. dann hieße dies. daß sie keine unmit-
telbaren Aussagen des Selbstbewußtseins bildet; und dieser Einwand klingt
plausibel, sofern Zukünftiges keinen unmittelbaren Inhalt von Selbstbe-
wußtsein darstellen kann. Will man dagegen die Lehrbarkeit von Es-
chatologie behaupten, so wäre zunächst nachzuweisen, daß die Inhalte ihrer
Lehrsätze als Vorstellung im religiösen Selbstbewußtsein vorkommen kön-
nen; und einen solchen Beweis strengt Schleiermacher an.
Dabei zeigt sich, daß er etwa in § 157 das Argument von der dem Selbst-
bewußtsein unzugänglichen Zukunft zwar gebraucht, gerade angesichts sei-
nef aber festhält, daß die Erwartung einer Vollendung der Kirche zum
christlichen Selbstbewußtsein hinzugehört:

Allein wenn diese Sätze (sc. neutestamentliche Weissagungen bezüglich der Kirche]
auch nicht Glaubenssätze sind, insofern ihr Inhalt als unser Fassungsvennögen über-
steigend keine Beschreibung unseres wirklichen SelbstbewußlSeins ist: so stellt sich
die Sache doch anders, wenn wir I... ] dabei stehenbleiben. daß sie nichts von demje-
nigen enthalten dürfen. was in unsern jetzigen Zuständen von den Einwirkungen der
Welt heITÜhr1. Daß diese. auch weiter als die Mitwirkung eines jeden dazu reicht.
eingeschränkt werde. ist immer der Gegenstand unseres Gebetes. und die vollendete
Kirche ist sonach der Ür1 der vollständigen Erhörung desselben. l ,)

§ 16 als ..llia/~klisch" bezeichne!. erinncn durch seine ..Verwandlschafl mit der wissenschaftlichen
Tenninologie jener Gebiete (sc. der Philosophie]" (alle Zitale 0..0..0. 1.155 (§ 28.1 J) zwar an die
bewußtseinsunabhängige Spekulation. ist aber doch wohl eher als ein ideeller Grenzbegriff der
theologischen Rede gemeint und steht dem oben Gesagten also nicht entgegen.
18 Es ist daher verständlich. wenn HERMS (Im) 109-112 regelmäBig von ..Glaubensaussa-
gen" spricht. die Unterscheidung von Glaubens- und dogmatischen Sälzen überbrückend. Auch
WEEBER (2000) 29 macht den Unterschied zwar thematisch. schränkt seine Bedeutung aber sofon
ein und bez.ieht die Exklusion der Eschatologie aus dem Gebiet der Lehrsätze 0..3.0. 114f. 117f.
ebenso auf Glaubens- wie auf dogmatische Sätze.
19 SCIlLfIERMACHER (1830/311 (1960) IIA 10 (§ 157.2). Der Absatz schließt daher nur schein-
bar die Vollendung der Kirche 3US dem christlichen Selbstbewußlsein aus. wenn es zunächst heißt
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11. Friedrich Schleiennaehers eschatologisches Dilemma 47

Was Schleiermacher mit dieser Argumentation erreicht, ist der Nachweis,


daß die Erwartung einer erst zukünftigen Vollendung der Kirche Bestand-
teil des gegenwärtigen Selbstbewußtseins ist: nämlich in Gestalt des Ge-
bets. lO
Ähnlich argumentiert er in § 158 zur Erwartung der persönlichen Fort-
dauer oder Unsterblichkeit des Menschen. Hier bestreitet er zunächst, daß
der Gedanke der Unsterblichkeit mit der Religion notwendig mitgesetzt und
21
also religionsphilosophisch beweisbar sei (§ 158,1), und zeigt dann, daß
er. freilich ausschließlich als Verheißung, im christlichen Selbstbewußtsein
enthalten ist, als solcher dann aber allgemeinmenschlich gültig (§ 158,2).
Schleiennaeher wehrt also zunächst die allgemeine Begründbarkeit ab, um
danach die allgemeine Geltung zu behaupten, und erreicht so, was bei der
Vollendung der Kirche der Rekurs auf das Gebet bewirkte, nämlich die Be-
gründung auf dem christlichen Selbstbewußtsein. Was dort das Gebet, ist
hier Christi Verheißung seiner Wiederkunft und damit der implizierten
Fortdauer "als menschlicher Person", die dann "vermöge der Selbigkeit der
menschlichen Natur in ihm und in uns" auch "für alle ohne Ausnahme"
gilt. 22
Schleiermacher, so das Ergebnis dieser Analysen, ist also durchaus der
Ansicht, daß die Sätze der Eschatologie unmittelbare Aussagen des christli-
chen Selbstbewußtseins enthalten. Die SälZe der Eschatologie sind für
Schleiermacher Glaubenssätze. Wie aber kann er ihnen dann dennoch den
Wert von Lehrsätzen bestreiten? Hier ist offensichtlich die Unterscheidung
zwischen Glaubenssätzen und dogmatischen Sätzen doch gewichtiger, als
es zunächst schien. Denn wenn die Eschatologie dem christlichen Selbst~
bewußtsein Ausdruck gibt, heißt das ja noch nicht. daß dies auch in dogma-

(11.11.0. 11,4(9): .Slrenggenommcn kann uns also auf unserm Standpunkl keine Lehre von der
Vollendung der Kirche entstehen, da unser christliches Selbstbcwußtsein geradezu nichts über
diesen uns ganz unbekannten Zustand aussagen kann:'
20 HERMS (1990) 11I verallgemeincn diesen Sachverhalt. wenn er ,,die gf'gem4'Örtige Per-
spektive des unmittelbaren Selbstbcwußtseins auf den ncxh ausstehenden Zustand" als ebenso real
begreift wie eine gegenwärtige Bestimmtheit, denn beide haben ,,denselben Gegenstand" (ebd.).
21 Entscheidend ist hicr. daß es, wie ..ein unfrommes Leugnen dcr Unsterblichkeit", so auch
ein •.ganz anderes (.sc. frommes 1 Entsagen auf die Fondaucr der Persönlichkeit" gibt (Zitate
SCmEIERMAOtER [18301311 [19601 11,412 [§ 158,11). Bewiesen wird also wiederum bloß das
mögliche Vorkommen solcher Vorstcllungen.
22 Zitate a.a.O. 11,413.413.415 (alle § 158,2). Der naheliegende Einwan<L der Unterschied zwi-
schen der allgemeinmenschlichen Natur und derjenigen Jesu. nämlich dessen Sündlosigkeit. besa-
ge gerade die Sterblichkeit der Menschen (wie der Tod ja durch die Sünde in die Welt gekommen
sei), ist als völlige Zerstörung der Schöpfung von Schleiennachers Sündenversländnis aus unvoll-
ziehbar (u,o. 11.415), da Sünde fUr ihn wie Irrtum (a.a.O. 15Of.11 7.31) immer nur am Wahre"
bestehen kann.
48 Zweiler Teil

tischer Form, also darstellend belehrend und in größtmöglicher Bestimmt-


heit, geschieht.
b) Eschatologische Sätze keine dogmatischen Sätze. Die maßgebliche
Frage, die sich im Anschluß an diese Überlegungen stellt, lautet also, was
unter der größtmöglichen Bestimmtheit des darstellend belehrenden
Sprachgebiets zu verstehen ist. Hier ist wichtig, daß diese Frage sich deckt
mit der anderen, was mit der Rede vom ..Wert" von Lehrsätzen gemeint ist;
denn es ist nach den bisherigen Überlegungen ja die Bestimmtheit der dog-
matischen Sätze, die den Sätzen der Eschatologie zum Wert von Lehrsätzen
fehlt. Wenn aber die Frage nach der Bestimmtheit dogmatischer Sätze durch
die ihres Wertes beantwortet wird, dann legt sich ein Differenzkriterium
nahe, welches das Sprachgebiet der Dogmatik vom dichterischen und vom
rednerischen unterscheidet, nämlich die Definition des Wenes dogmati-
scher Sätze im § 17 der "Glaubenslehre". Er folgt direkt der Unterschei-
dung der Sprachgebiete.
Hier wird zweierlei ..Wert" der dogmatischen Sätze definiert: der kirchli-
che und der wissenschaftliche Wert. Der kirchliche Wert eines dogmati-
schen Satzes ist demnach seine Herkunft aus einem (dichterischen oder
rednerischen) Glaubenssatz (§ 17,1), und der wissenschaftliche Wert ist
sein Heraustreten aus dem dichterischen und rednerischen Sprachgebiet
(§ 17,2). Kirchlicher und wissenschaftlicher Wert eines Satzes gehen also,
bildlich gesprochen, dieselbe Straße, die Glaubenssatz und dogmatischen
Satz verbindet, doch gehen sie sie dort in einer, hier in der anderen Rich-
tung (zum Zusammenhang beider: § 17,3). Wenn nun, wie gesehen, der
wissenschaftliche Wen das Plus über dichterisches und rednerisches
Sprachgebiet hinaus bezeichnet, so muß sich die Bestreitung des Lehrwer-
tes der Eschatologie offenbar auf diesen wissenschaftlichen Wen richten,23
und als diesen wissenschaftlichen Wen eines dogmatischen Satzes versteht
4
Schleiermacher die "Bestimmtheit der darin vorkommenden Begriffe".2
Die Eschatologie hat also darin nicht den Wert von Lehrsätzen, daß sie nur
kirchlichen, aber keinen wissenschaftlichen Wen hat, und das heißt nach
Schleierrnachers Ausführungen zu letzterem: Sie bringt es nicht zu einer
"möglichst genauen und bestimmten Erklärung der vorkommenden bildli-
chen Ausdruckc".23

23 Nur als Vermutung wird dies erwogen von WEEBF.R (2000) 161. Die ErKlärung von HERMS
(1990) 109 Anm. I. daß Sehleierrnachcr ..eher im mathematischen Sinn" von Wen spreche. wie
dies nach ihm ..erst wieder in der sprachanalytischen Philosophie des 20. Jahrhundens" der Fall
sei. scheint geKünstelt.
24 SCHLEIERMACllER {1830/311 (1960) [,114 (§ 17.2).
25 Ebd.
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11. Friedrich Schleiennaehers eschatologisches Dilemma 49

3. Die Partikularität der Es(:hatologie. Dies darf nun allerdings nicht so


verstanden werden, als ziele dogmatische Sprache mit der Erklärung der
Bilder auf deren Eliminiemng. Gewiß finden sich auch in der Eschatologie
Vorbehalte gegen versinnlichte Zukunftsvorstellungen. 26 Gerade die es-
chatologischen Paragraphen der ..Glaubenslehre" jedoch kritisieren die Es-
chatologie immer wieder dafür, daß sie eine .,anschauliche Vorstellung" in
einem ..bestimmten Bilde" von den letzten Dingen flicht zusrandebringt. 27
Ausdrücklich bestimmt Schleiermacher die Aufgabe der Eschatologie so,
daß es mit ihr ,.keine andere als die nachgewiesene Bewandtnis hat, indem
überaIl jene heiden Punkte. persönliche Fortdauer und Vollendung der Kir-
che. aufeinander bezogen in einem sinnlich aufzufassenden Bilde darge-
stellt werden wollen".28 Bildlosigkcit und Unanschaulichkeit sprechen nach
Schleiennacher also nicht für, sondern gegen eine dogmatisch verantwort-
bare Eschatologie.
Diese Feststellung muß sich auseinandersetzen mit anderslautenden In-
terpretationen der Eschatologie Schleiermachers, die in dessen unmittelba-
rer Umgebung beheimatet sind.
a) Vergeistigte Eschatologie bei Schleiermacher? So entsteht etwa der
Eindruck. Schleiennacher habe nicht zu einer sinnlich aufzufassenden
Eschatologie, sondern zu deren Vergeistigung beigetragen.29 Ein solcher
Eindruck kann allerdings leicht entstehen. wenn Schleiermachers einschlä-
giges Konzept einer ,.Bestimmtheit" der Begriffe durch ,.anschauliche Vor-
stellung" von kantischen Begriffen der Anschauung und der Vorstellung
aus gelesen wird. Schleiennacher selbst aber geht es bei seinem Verständnis
von ..Bestimmtheit" weniger darum, eine ansonsten blinde Anschauung auf
den Begriff zu bringen und sie so zu bestimmen, und deswegen ist ihm auch
nicht entgegenzuhaJlen, daß ein nicht durch Anschauung schematisierter
Begriff leer und deswegen vergeistigt wäre. Dies wäre ein von Kam aus
plausibler erkenntnistheoretischer Einwand. Schleiennaeher aber entwickelt
sein Konzept von sprachlicher ..Bestimmtheit" nicht in erkenntnis-, sondern
in bewußtseinstheoretischem Zusammenhang. Gewiß führt auch Kants Er-
kenntnistheorie der Synthesisleistungen an ihrem höchsten Punkt auf die

26 Z.8. a.a.O. 11.413.416 (I 158.1.3).


27 Kembegriffe sind die ..;mschaulkJ)( Vorstellung" (a.a.a. 11,416.425.435.439 IU 158.3;
161.1: 163.2; Zusatz zu § 163» und das ..sinnliche Bild" (u.G. 11.420.423 IU tS9.3: 160.2».
Zil iert sind die je",-eils IelZlen Stellen.
28 A.a.O. 11.420 (I 159.3).
29 So schon der ersle einscbligigc rnonogntphische For-scbungsbcitng: GEJtLACtI (1869) 116
und nocb kürzlkb STEIGER (tm) 309. Für unsere Fragestellung iSI dieser Eindruclr. wichtig. weil
er mil dem Them3 der Wahrnehmung des Judentums eng zusammenhingt. s. Kap. 11.3. hier S. 74r.
50 Zweiler Teil

ursprüngliche Einheit des Selbstbewußtseins, die er rranszendemale Apper-


zeption nennt. Aber charakleristischerweise ist darunter verstanden ein ,Jch
denke. welches alle meine Vorstellungen muB begleiten können".JO während
es Schleiermacher nicht um dieses Können geht. also nicht um ein mögli-
ches. sondern um ein wirkliches Bewußtsein, das Gefühl schlechlhinniger
Abhängigkeit. Gerade gegen Kant macht SchJeiennacher ja das Geruhl als
ein neben Wissen und Tun driues. das empfindende Seelenvennögen gei-
lend. Vor diesem Hintergrund scheint es von nachrangiger Bedeutung, für
SchJeiermachers schlechthinniges Abhängigkeitsgeftihl dieselbe .,System-
JI
stelle" wie für Kants transzendentale Apperzeption zu reklamieren. Was
Schleiennaeher unter der Bestimmtheit eines (dogmatischen) Begriffs als
..Erklärung der vorkommenden bildlichen Ausdrücke" versteht, erhellt
vielmehr aus seiner Theorie des Selbstbewußtseins, um so mehr, als Schlei-
ermacher selbst auf sie im Paragraphen über die Bestimmtheit dogmatischer
Sätze Bezug nimmt. 32 Darum sind hier die einschlägigen Partien dieser
Theorie zu betrachten:
Schleiennaeher unterscheidet nach der Fundierung seiner Theorie im
Konzept des Gefühls (§ 3). genauer: des religiös bestimmten Gefühls (§ 4).
dreierlei Stufen von Selbstbewußtsein, nämlich das tierische, das sinnliche
und als höchstes das unmiuelbare Selbstbewußtsein (das schlechthinnige
Abhängigkeitsgefühl). Der einschlägige § 5(, I) der "Glaubenslehre" liefert
also gewissennaßen den Unterbau zu § 4 nach. Dabei geht es Schleienna-
cher, wie schon der Leitsatz zu § 5 sagt. um den Zusammenhang des un-
mittelbaren mit dem sinnlichen Selbslbewußtsein. Sinnliches Selbstbewußt-
sein ist dabei ,.im weitesten Umfange des Wones verstanden" als solches.
das durch den Gegensatz sinnlich wahrnehmbarer Gegenstände, d.h. den
Gegensatz von Einzelnem zu anderem Einzelnen bestimmt ist - ein Gegen-
satz, den tierisches Selbst bewußtsein noch gar nicht kennt. Das unmittelba-
re Selbstbewußtsein bezieht dagegen das Einzelne nicht auf irgendein ande-
res Einzelnes. sondern auf das All. das jeden Gegensatz von Einzelnen un-
tereinander in sich aufhebl. 33 Mit diesen Ausführungen faßt Schleiennaeher

30 KANT (1787) B 131 (Ikl"\'orhebungen im Original),


31 So ROSEl'rlAU (1993) 153 Anm, 172, der dies freilich selbst einschrinkt.
32 SCtILEIEJlMACHEJI 118301311 (1%0) 1,115 (f 17.2): Ein dogmatischer Satz. der .irgend el-
wti objektiv begriinden will. ohne auf das höhere Selbstbewu6lscin zul'ÜCkzugehn. wirc kein
Glaubenssatz mehr".
33 De.r ganze Absatz 15.1 zeichnet die Stufenleiter des dreieriei Selbslbewu6lscins nach und
faßc sie am Schluß nochmals zusammen. Ersl dieser Gesamtduktu macht deutlich. da6 Schleier-
machen Begriff des Sinnlichen lrOtZ des Zitats (LLO. 132) nicht v.oeit. sondern prizise vom Ge-
gensatz des Einzelnen. also als Ma""igfalri&~s, verstanden v.oerden muß - und ";chr ~Il4YJ als g~-
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11. Friedrich Schleiennaehers eschatologisches Dilemma 51

unverkennbar seine frühe Wesensbestimmung der Religion als "Sinn und


Geschmack fürs Unendliche".34 als momentanes Einssein mit dem Univer-
sum in bewußtseinstheoretische Gestalt. Es nimmt daher nicht wunder, daß
Schleiermacher in der ,.Glaubenslehre" als nächstes (§ 5,2) den Beweis an·
schließt. die Zusammenfassung der einzeln auseinandertretenden Momente
des sinnlichen Selbstbewußtseins zur Einheit des höchsten Selbstbewußt-
seins leiste •.kein anderes unmittelbares Selbstbewußtsein als das beschrie-
bene Gefühl schlechthinniger Abhängigkeit". Also nur die Religion faßt das
sinnliche Selbstbewußtsein zum höchsten Selbslbewußtsein zusammen,
nicht elwa auch Wissen oder Tun, da jedes der beiden noch einem einzelnen
,.Gewußten als Gegenstand" bzw. ,.Gegensmnd seines Handeins" gegen-
überstehl. J5
Die Bestimmtheit des unmittelbaren Selbstbewußlseins ist für Schleier-
macher demnach geradezu definiert als Zusammenfassung des mannigfalti.
gen sinnlichen Selbstbewußtseins zu einer Einheit. und diese vermag das
höchste Selbstbewußtsein nur zu leisten unter der ..Voraussetzung, daß zu-
gleich mit demselben auch das sinnliche Selbstbewußtsein gesetzt sei".
Dieser Voraussetzung widmet Schleiermacher einen eigenen Absatz (§ 5,3).
Dabei erklärt er den beschriebenen Zusammenhang von sinnlichem und
unmittelbarem Selbstbewußtsein in letzterem zugleich zum .,Vollendungs-
punkt des Selbstbewußlseins·,.36 Dann aber kann das bestimmte, unmittel-
bare Selbstbewußtsein nicht als unsinnlich gedacht werden und liefen also
keinen Anhalt rur die Annahme einer Vergeistigung der Eschatologie bei
Schleiennaeher.
b) Apokatastatische Eschatologie bei Schleiermacher? Freilich schreibt
Schleiermacher im nächsten Absatz von § 5 über das unminelbare Selbst-
bewußtsein. daß es sich .,in seinem Sich-selbst-gleich-Sein ohne Beziehung
auf jenes lsc. das sinnliche SelbstbewußtseinJ" "unter dem Ausdruck der
Seligkeit des Endlichen als den höchsten Gipfel seiner Vollkommenheit"
darstelle. Hier wird also die Seligkeit als unminelbares Selbstbewußlsein
beschrieben, das vom sinnlichen abgelöst ist und als solches ..eine unverän-
derliche Gleichheit des Lebens. welche jeden solchen Gegensatz aus-

g~rtständlidl Konkuus. wie es gegenwlittige Be.~innung chrisllicher 11lrologic auf das Judcnlum
ofl auffa&. FUr Schleicnnacher zählt dagegen unler das Sinnliche L8. auch das Sillliche (ebd.!).
Die beiden Beg.riffsgebriuche von Sinnlichkeil kurzzltSChlie8en. i~ das Problem des in vielen
Punklen reprisenlaliven Aufsalzcs von STEIGER (1994) 3 13 U.O.
34 SCtILEIERMACHEJI. 117991 (1958) 30_
35 Zilale DERS. 1183CV311 (1960) 1,33.33.34 (alle § 5.2). Das Verhältnis der Religion zu WiS5Cn
und Tun priglt ja durchgingig Schleiermachers ..Reden~ '"on 1799.
J6 Zitale lI.LO. 1.35 (§ 5.3).
52 Zweiter Teil

schließt",J1 hervorbringt. Der hier genannte Gegensatz ist jedoch nicht der
des mannigfahigen Einzelnen im sinnlichen Selbstbewußtsein wie in § 5.3.
sondern der von Lust und Unlust, unter dem alles sinnliche Selbstbewußt-
sein steht. Beide Gegensätze sind zu unterscheiden. Angenommen, die Ge-
gensätze von Lust versus Unlust und Einheil versus Mannigfaltigkeit seien
gleichzusetzen, so entsteht der Eindruck. Schleiennaeher begreife die Se-
ligkeit als ...Lust'. religiös qualifizien als sündloses Leben", und kraft der
angenommenen Gleichsetzung zudem als Ausschluß des Mannigfaltigen.
also der Trübung der Seligkeit durch die ..,Unlust' [... J, religiös qualifiziert
als sündiges Leben".31 Mit diesem Ausschluß des Mannigfaltigen wäre aber
der Widerstreit von universeller (§ 157) und individueller (§ 158) Es-
chatologie im Sinne ersterer gelöst. es bliebe ein identisches GesamtbUd
universeller Seligkeit zurück, also die Apokatastasis, die sich dann auch als
Bestimmung des unmittelbaren Selbstbewußtseins auf einen dogmatischen
Lehrsatz bringen ließe. Auch diese Interpretation, die sich mit der bereits
erwähnten, auf das Stichwort der Vergeistigung hinauslaufenden, berühren
J9
kann, ist schon kurz nach Schleiermacher nachweisbar.
Gegen sie steht jedoch. daß Schleiermacher selbst es ausdrücklich ab·
weist. den Gegensatz der zwei Stufen von Selbstbewußtsein mit demjenigen
von Lust und Unlust kongruent zu setzcn.40 Schleiermacher begreift die
Seligkeit daher präziser nicht als Lust. sondern als "Leichtigkeit frommer
Erregungen als beharrlichen Zustand,,41 - eine bedenkenswerte Formulie·
rung. weil sie die Möglichkeit einschließt, daß fromme Erregungen auch
andere Empfindungen als solche der Lust auslösen können.
c) Regulative Eschatologie bei Schleiern/aeher? Zugleich macht diese
Formulierung aber auch klar, warum es durchaus sinnvoll war, ein, wenn-

37 Zitate a.a.O. 1.38 (§ 5,4).


38 Zitate ROSENAU (1993) 188.
39 Eschatologie als Apokatastasis lehren zu können. ist bereits die Absicht der ersten durch
Schleiennachcr angeregten eschatologischen Monogr.tphie. die F.t!. Kern 1&40 verfaßI. Dasselbe
Anliegen hat ROSENAU (1993) 400f.: er folgen die Apokatastasis aus der ..soteriologischcn Ohn·
macht" (a.a.O, und vielfach passim) des Menschen. die eine PliraileJbildung zu Schleiernlachers
Ko.uept der schlechthinnigen Abhängigkeit ist: .Jm Christentum ftihlt sich der Christ schlechthin
abhängig \'on der Erlösung durch Jesus Christus. wie er sich im Hinblick auf seine GeschöpOich.
keit schlechthin Ibhängig ftihlt von Gocr' (1.1.0. 170). Wenn Rosenau selbst jedoch ebd.•.gleich.
sam eine .miterlösendc· Tätigkeit im Hinblick auf das Bewußtwerden der Erlösung" einräuml. li8t
er eri:ennen. daß es eine schlechthinnige Abhängigkeit auf dem Gebiet der Soteriologie. puallel
zur GeschOpnichkeit. in Wahrheil nicht gib!.
40 SCHl..ElEIIMACHER [183Qß II (1960) 1,38 (15.4): ..Keineswegs liso. als ob das schon in dem
sinnlichen Gefühl gesewe Angenehme und Unangenehme nun luch dem schlechthinnigen Ab-
hingigkeiugefUhl denselben Charakter mittei'e:'
41 A.I.O. 1.39 (15.4).
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11. Friedrich Schleiermachers eschatologisches Dilemma 53

gleich bloß gedachtes, höchstes Selbstbewußtsein "an und für sich" von
aller Sinnlichkeit abzulösen, das sich selbst immer gleich bleibt. Denn die-
ses reine Gedankending vermag zu erklären, daß die Frömmigkeit zwie-
spältige Empfindungen mit sich bringt, eben weil sie auf zwiespältige, der
umfassenden Einheit bedürftige, sinnliche Bewußtseinszustände, so zu sa-
gen, "aufgetragen" wird. Dies zu erläutern, ist der Gedanke eines völlig un-
sinnlichen höchsten Selbstbewußtseins nötig. Wie ihm jedoch keine objek-
tive Realität vindiziert werden kann - dies wäre die Apokatastasis -, so ist
es nicht einmal möglich, ihm den Status einer regulativen Idee zuzuschrei·
ben, die zumindest als ideelles Ziel der Theologie immer wieder die Ge-
samtausrichtung vorgibt. Auch diese an kanlischem Denken geschulle Auf-
fassung hat im Gefolge Schleiermachers ihre ehrbare Tradition entfaltet. 42
Sie ist für Schleiermacher jedoch deshalb unannehmbar, weil ein Selbstbe-
wußtsein abgelöst von aller Sinnlichkeit gar kein Ziel, auch kein ideelles,
darstellen kann, denn ein derartiges reines Gedankending würde aJlerdings
"ein unvollkommner Zustand sein; denn es würde ihm die Begrenztheit und
Klarheit fehlen, welche aus der Beziehung auf die Bestimmtheit des sinnli-
chen Selbstbewußtseins entsteht",43 Damit ist ausgesprochen. daß die Be-
stimmtheit des unmittelbaren Selbstbewußtseins in seinem das Einzelne zur
Einheit und Totalität zusammenfassenden Bezug auf das sinnliche Selbst-
bewußtsein besteht und daß eine vom Sinnlichen abgelöste Eschatologie
nicht Schleiermachers Konzept von Dogmatik entspräche.
Aus diesen Rezeptionen VOll Schleiermachers Eschatologie wird deut·
lich, daß eine lehrbare Eschatologie die Aufgabe hätte, die im chrisl1ich
frommen Selbstbewußtsein enthaltenen Zukunftserwartungen in einem um-
fassenden Gesamtbild zu bestimmen. Dieses Ergebnis kann nun angewandt
werden auf unsere Ausgangsfrage nach der Bestimmtheit dogmatischer Sät-
ze, d.h. nach dem Wert von Lehrsiitzen, und damit auch nach dem Wert der
eschatologischen Sätze. Dogmatische Sätze als bestimmte Erklärung der in
rednerischen und dichterischen Glaubenssätzen vorkommenden Bilder er-
streben nicht deren Eliminierung, sondern die Zusammenfassung ihrer ein-
zelnen Bilder zu einem, die Mannigfahigkeit als Einheit und Totalität erklä-
renden Gesamtbild, Wenn sich in Glaubenssätzen bild liehe Ausdrücke einer
solchen umfassenden Einheit entziehen und als partikulare, disparate Bilder

42 Erstmals m.W. H,C. SC'IMIDT(J868/10) 11.501 (s. S. 73 Anm. 121).


43 Zitate SCIIUIEl!.MACHER 11830/311 (1960) 1,35.36 (beide § 5,3). Das ,.höchsle Selbstbe-
wußl.sein an und ftlr sich" (a.a.O. 1.34), also ohne Bezug auf das sinnliche. dUrfte im Rang dem
dialeklischen Sprachgebiel im Verhältnis zum danlcllend belehrenden ähneln (s. S. 45 Anm. 17),
es ..wird durch alle Erfahrung widerlcgl, und 7.eigl sich auch als unmöglich" (a.8.0. 1,35).
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54 ZweilerTeil

zurückbleiben. ist dagegen kein dogmatischer Wert erreicht. Solche Parti-


kularität haftet nach Schleierrnacher jedoch auch aller Eschatologie an.
Die Sätze der Eschatologie enthalten in zu hohem Maße disparate Bilder.
als daß die wissenschaftliche Herstellung eines einheitlichen und umfassen-
den Gesamtbildes gelingen könnte. Der Versuch. Eschatologie in dogmati-
schen Sätzen aufzustellen, erreicht keine umfassende. sondern nur eine
teilweise Einheit; eschatologische Sätze bleiben partikulare Bestimmungen
ohne dogmatische Bestimmtheit. Eschatologie hat daher für Schleiermacher
nur kirchlichen, keinen wissenschaftlichen Wen, obwohl alle ihre einzelnen
Sätze durchaus darstellend belehrende sein können; allein ihnen fehlt die
44
nötige Bestimmtheit, d.h. die Umfassendheit. Dabei ist zu betonen: Auf
ihrem jeweiligen Gebiet erreichen die Sätze der Eschatologie durchaus eine
gewisse Zusammenfassung und damit dogmatische Wenigkeit. doch bleibt
diese eine partikulare, weil zuletzt immer die "beiden Aufgaben" (§ 159)
einander gegenüberstehen: die nur sprunghaft zu denkende Vollendung der
Kirche und die kontinuierlich zu begreifende persönliche Fortdauer. Und
45
genau in dieser Gegenüberstellung besteht das Dilemma der Eschatologie:
Sie erreicht kein einheitlich umfassendes Selbstbewußtsein. sondern immer
nur zwei partikulare Vereinheitlichungen. Kirche und Persönlichkeit, Voll-
endung und Fortdauer, Sprunghaftigkeil und Kontinuität bleiben irreduzi-
bel. Für sich genommen erregt keine dieser jeweils zwei Seiten dogmati-
sche Bedenken, aber die Eschatologie. die gerade als ihre Verbindung defi-
niert wird, ist dogmatisch undurchführbar.
Präzise in dieser Zweipoligkeit liegt für Schleierrnacher das Dilemma der
Eschatologie. Nicht daß die Vollendung der Kirche oder die persönliche
Fortdauer undenkbar wäre, macht die Eschatologie zum Problem. Vielmehr
weist Schleiemlacher für jedes dieser Eschatologumena die Gegebenheit im
frommen Selbstbewußtsein ausdrücklich nach. Erst die Verbindung beider
ist eine dogmatisch unmögliche Aufgabe.
Im Sinne dieses wörtlich zu nehmenden, d.h. zweipoligen Dilemmas sind
auch in den eschatologischen Paragraphen die Passagen zu verstehen, an
denen Schleierrnacher die Unwirklichkeit und Unvorstellbarkeit der Es-
chatologie konstatiert. So selbstverständlich vornehmlich im grundlegenden
§ 159: "Allein wir sind dennoch nicht imstande. das Zusammentreffen bei·
44 Die Bestimmtheit ist also keine inhärente Eigenschaft der darstellend belehrenden Sätze (s.
S. 45 Anm. 16).
45 Nach SCIIROER (1960) 35 hebt innerhalb der verschiedenen Termini fUr Phänomene der Pa-
radoxalitäl der Begriff des Dilemmas die .•BeweisunffiÖglichkeil" hervor. Er scheint mir daher zur
Kennzeichnung von Schleiennachen Kritik am beslen geeignet. denn diese z.ielt auf den \4'iss~"·
schafllich~" Minderwen der Eschatologie.
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11. Friedrich Schleiennaehers eschatologisches Dilemma 55

der Momente danustellen oder Gewähr dafür zu leisten:' - ,.Und so scheint


die Lösung beider Aufgaben nirgend genau zusammenzutreffen:,46 Aber
auch in den Paragraphen zu den vier einzelnen Lehrstücken werden immer
wieder "beide Ausgangspunkte" exter die ..beiden Forderungen" als uner·
ftiJlbares Kriterium genannt. wird von den .,beiden Punkten" gesprochen:H
Auch ein .,wesentlicher Gehal!"' der jeweiligen Lehrstücke43 eint beide Sei-
ten nicht umfassend, da er nicht anschaulich ist.
Wir können somit als Ergebnis festhalten: In allen vier Lehrstücken zeigt
sich dasselbe Dilemma, und in der Zweitausgabe seiner Glaubenslehre hat
Schleiennacher es in einem zuvor nicht enthaltenen Passus des grundlegen-
den § 159 auf den Begriff gebracht: Nicht nur kirchliche und individuelle
Eschatologie stehen sich gegenüber, sondern fest verbunden mit diesem
Gegenüber bilden auch die Konzepte von Vergeltung und Entwicklung ein
49
Dilemma. Das Dilemma, das Schleiermacher für alle dogmatische Es·
chalologie konstatiert, lriu also in zweierlei Gestalt auf, nämlich zum einen
als die Spannung von individueller und universeller Eschatologie (persönli.
cher Fortdauer und Vollendung der Kirche) und zum anderen als Paradoxie
von Entwicklung und Vergeltung.
Gewiß heißt es auch einzeln von jeder der beiden Seiten des es·
chalOlogischen Dilemmas, der Vollendung der Kirche und der persönlichen
Fortdauer, daß ,.unser christliches Selbstbewußtsein gradezu nichts über

46 Zilate .sOU..E(ERMACHER 118301311 (1960) lIAI8 (I 159.1).


47 Zitate a.a.O. 1I. 425.432.436f. (§§ 161.1: 162.3: 163.2).
48 Die Rede vom wese.ntlichcn Gehalt findet sich a.a.O. 11.423.429.432 (§§ 160.2: 161.3;
162.3).
49 A.a.O. 11,417 (I 159.1): ..Gemein haben beide Ausdrücke (uhn: von den letzten Dingen
und Esch/ltologie) dieses. daß. wenn der Anfang einer ganz neuen und ewig währenden geistigen
Lebensfonn als das Leute von unsenn Standpunkt aus d/lrgeslellt wird. jene unendliche Währung
alsdann nur als das Ende der im Vergleich mit derselben fas! verschwindenden Zeitlichkeit er-
scheint. Dies läßt sich nur durch die An.....endung des Vergeltungsbegriffes rechtfenigen. welcher
daher auch dominien. Wogegen. wenn man dieselbe unendliche Währung als die lOo'eilcre Ent·
wicklung des hier begonnenen neuen Lebens betrachtei. alsdann die kune Zeitlichkeil nur als der
vorbereitende und einleilende Anfang von ihr erschein!. Jene den VergeltungsbegriIT vor sich
henl1lgende Betrachtungsweise Slützt sich vornehmlich auf die Stellen. in denen ChriSlUs sich als
denjenigen darstellt. dem das Gerich! übenragen sei: diese. auf dem En!wicklungsbegriff beruhen-
de hingegen auf die. worin er sag.. daß er gekommen sei. selig zu machen. Unleugbar ist diese
Iell.le Betrachtungsweise in genauerem Zusammenhang mit der Ahndung der persönlichen fort-
dauer. wie sie in dem SclbslbewutUsein des Christen kann nachgewiesen werden: wogegen die
e~en: mehr der Vorstellung von der VcMlendung der Kirche entspricht. wdche. um sich an ir-
gendeinen Punkt unse~ jetzigen Guamtkbens anzuschließen. eine AusscheMtung aUes dessen.
was Weil ist. auch aus dem luBen:n Zusammenhang mil der Kirche fOfden. Die - geringen -
M

Abv.·6chungcn zwischen Erst· u.nd Z...~il.usgabe berikkJichtigi WEEBF..R (2000): LO. 1.1.0.
113.121. htera.a.O. 115f. Anm. 412.
56 ZweilerTeil

diesen uns ganz unbekannten Zustand aussagen kann" bzw. daß das. "was
die Apostel darüber sagen, nur als Ahndung und mit dem Geständnis eines
Mangels an bestimmter Erkenntnis ausgesprochen" sei.so Dennoch kann
man diese Einwände den Bedenken gegen die vier prophetischen Lehrstük-
ke nicht gleichstellen. Denn bei persönlicher Fondauer und Vollendung der
Kirche ergibt sich die mangelnde Bestimmtheit einfach dadurch, daß sie
den größten gemeinsamen Nenner der eschatologischen SälZe, ihre umfas·
sende Einheit. nicht abgeben können. immerhin aber überhaupt jeweils ei-
nen gemeinsamen Nenner bilden. der verschiedene Topoi der Eschatologie
lusammenfaßt. Vollendung der Kirche und persönliche Fortdauer können
daher in einer wenigstens gradweisen Bestimmtheit die Aufgabe der Es-
chatologie eingrenzen, was die vier prophetischen Lehrstücke nicht vennö-
gen. M.a.W. die Themen einer Vollendung der Kirche sowie einer persönli-
chen Fondauer haben nicht die Bestimmtheit dogmatischer Sätze, sondern
nur eine panikulare Bestimmtheit. Diese Partikularität ist das Höchste. was
sich im Sinne Schleiennaehers dogmatisch über die Eschatologie sagen
läßt. Sie ist der Gipfel und die Grenze, von wo aus die Eschatologie in das
Land der dogmatischen Sätze wohl hineinblicken, das sie aber nicht betre-
ten kann. Durch diese Grenze ist die Panikularität scharf geschieden von
der Individualität; denn diese ist der Allheit faltig, jene nicht. Ja, die Vor-
stellung, daß in einem Einzelnen das All gegeben ist, kennzeichnet im Kon-
zept des individuellen Allgemeinen gerade Schleiennaehers Denken, wäh-
rend das Partikulare ebenso charakteristischerweise ohne diesen Bezug auf
die Allheit bleibt.
Das Herz von Schleiennaehers Erwägungen zur Eschatologie liegt im
Aufdecken dieser Panikularität, im Nachweis eines eschatologischen Di-
lemmas von Individual- und Universaleschatologie. Entwicklung und Ver-
geltung. Daß tatsächlich diese Zweipoligkeit, der dilemmatische Charakter,
Kern von Schleiermachers Ausführungen ist und nicht etwa die Unbe-
stimmtheit und Undurchführbarkeit schon eines jeden einzelnen Satzes der
Eschatologie, spricht Schleiermacher in dem Zusatz aus, den er in der
Zweitauflage der "Glaubenslehre" seiner gesamten durchgefühnen Es-
chatologie angefügt hae 1

50 Zitate SCm..EIERMACHER [18301311 (1960) 11.409.416 (§§ 157.2: 158.3).


51 Eine Ausweitung aur jede der beiden Seiten und damit eine Vergröberung \'on ScMe;erma-
chers Kritik deulen z...B. an HERMS (1990) 112[; WEEBER (2000) 113. Daß das eschalologische
Dikmma Mi Schk;ermacher in der Zweiseiti&lr.eil der Eschatolog;e liegl. hat einzig SOIREURS
(1991) 36 betoni: .Diese Doppelgküi&lr.eit vemindc:n Schkiermacher. die prophetischen uhr-
stücke zu einem einzigen zusammenhingenden Bild zu verbindc:n.- Al.IC'h die Parusie Christi, der
SCttI.BERMA01ER 118301311 (1960) 11,421 (f 159.3). als er den Aurri8 seiner EschalOlogie vor·
00040222

11. Friedrich SchJeiermachers eschatologisches Dilemma 57

Was aus diesen Auseinandersetzungen hervorzugehen scheint, ist dieses. Wenngleich


beide Elemente, die Vollendung der Kirche und die persönliche Fondauer. jedes für
sich mit vollkommner Wahrheit in unser christliches Bewußtsein aufgenommen sind;
und wenn auch feststehl, daß die Vollendung der Kirche in diesem Leben nie zur Er-
scheinung kommt. und der Zustand in jenem Leben sich zur Vollendung der Kirche
nicht ebenso verhallen kann. wie der jetzige: so will sich dennoch weder aus dem
Zusammenfassen und Aufeinanderbeziehen beider Elemente eine festbegrenzte und
wahrhaft anschauliche Vorstellung ergeben. noch läßt sich eine solche von dem einen
oder dem andem Element aus den Andeutungen der Schrift entwickeln.52

Indem dieser Passus sich im ersten Kolon der Protasis ("Wenngleich ...")
implizit auf § 159 rück bezieht und im zweiten ("und wenn auch ...") auf die
Ergänzung dieses Paragraphen in der Zweitausgabe der "Glaubenslehre",
macht er abschließend deutlich. daß Schleiermacher die Eschatologie nicht
einfach als problematisch begreift, sondern im präzisen Sinne von Zweipo-
ligkeit als dilemmatisch, weil, wie die vorstehenden Analysen gezeigt ha-
ben. Individual- und Universaleschatologie ebenso partikular bleiben wte
der Entwicklungs- und der Vergeltungsbegriff.

1.2. Implikalionen für die Wahrnehmung des Judentums

I. Schleiermachers religiollsgeschichtliches Schema. Auf den ersten Blick


ist nicht ersichtlich, welche Auswirkungen das hier analysierte Es-
chatologiekonzept Schleiern13chers auf die Wahrnehmung des Judentums
haben sollte. In den eschatologischen Paragraphen wird einige Male explizit
auf das Judentum Bezug genommen, wobei es meist um die Abwehr be-
stimmter, buchstäblich verstandener Eschatologievorstellungen gehL·53 Von
diesem Befund aus könnte es scheinen. als stehe jüdische Zukunftserwar-
tung bei Schleiemlacher für eine Überbetonung des Sinnlichen. Aber zum
einen stammen die fraglichen Stellen alle aus einem einzigen thematischen
Zusammenhang, sind also wenig repräsentativ, und zum anderen sind sie
auch hinsichtlich ihrer Bezugnahme auf das Judentum unspezifisch, weil

sieHt. die Zusammenfügung zu ..t'intm sinnlichen Ganzen" zuschreibt. leistet diese Vereinheitli-
chung im dogmatischen Sinne 3usweislich ihrer Einzeldarstellung in § 160 nicht.
52 A.a.a. 11,439 (Zusalz nach § 163).
53 A.a.a. 11,411.416.424.427 (§§ 158.1: 158.3: 161.1; 161.2). Die erste Stelle konstatiert das
Überwiegen des Auferstehungsglaubens im antiken Judentum: dabei richtet sich die zweite gegen
sinnlich verstandene Fortdauer der Person. d.h. gegen materiale Identität des irdischen mit dem
AufeTStehungslcib. während die drille dem Judentum eine irgend wie geanete Identität beider kon-
zediert. Die vierte weist die Vorstellung von einem "verringerten Leben in der Unterwelt". also der
ScheoJ. ab.
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58 Zweiter Teil

dieses jedenfalls in den zwei am klarsten abgrenzenden FäHen in Verbin-


dung mit dem Islam bzw. antiker Religiosität überhaupt erscheint. 54
Doch gerade diese Verbindung des Judentums mit Islam und paganer
Antike ist ein Fingerzeig in die Richtung, in der sich Mehreres über Schlei-
ermachers eschatologische Wahrnehmung des Judentums aussagen läßt.
Das zentrale Ergebnis der Analyse seines Eschatologiekonzepts lautete ja,
daß Eschatologie keinen dogmatischen Wert habe, sondern nur kirchlichen.
Unsere Analyse ergab, daß die Erklärung dieser Feststellung in Schleierma·
chers Theorie der Sprachgebiete zu suchen ist. Diese Theorie ist eine
Stufentheorie, die eine entsprechende Anordnung der Religionen nahelegt;
so wird die Stufe der dogmatischen Sprache dem Christentum zugewiesen,
weil "in keiner andern frommen Gemeinschaft die Fonn des dogmatischen
Satzes in so strenger Sonderung von den übrigen ausgebildet und in solcher
Fülle entfaltet" ist. 55 Es ist jedoch schwierig, dem rednerischen und dem
dichterischen Sprachgebiet, die sich unterhalb des darstellend belehrenden
und damit auch des dogmatischen anschließen, bestimmte Religionen zu-
zuweisen. Dabei ist die Auswahl ja keineswegs groß, außer JudenlUm, ISM
lam und bestimmten paganen Erscheinungsformen antiker Religiosität hat
Schleiermacher keine weiteren Religionen im Blick. Um hier weiterzu-
kommen, muß man die Lehnsätze aus der Religionsphilosophie (§§ 7-10)
hinzunehmen, mit denen Schleiermacher an anderer Stelle eine entfaltetere
Theorie der Religionen skizziert.
Dort bildet Schleiennacher die Begriffe, die ihm anschließend, in der
Apologetik (§§ 11-14), erlauben, das Wesen des Christentums zu bestim-
men: Es ist diejenige teleologische Frömmigkeitsform des Monotheismus,
deren Eigenart es ist, alles Religiöse auf die durch Jesus geschehene Erlö·
sung zu beziehen, wie Schleiennacher im Leitsatz zum § 11 der "Glau-
benslehre" fonnuliert. In der vorbereitenden Begriffsbildung nun ordnet
Schleiennacher den verschiedenen Frömmigkeitstypen positive Religionen
zu, nennt also Roß und Reiter beim Namen. Schleiermacher führt hier zu-
nächst (§ 7) zwei Ordnungsbegriffe ein, indem er verschiedenrangige Eßt M

wicklungsstufen der Religion annimmt sowie als Binnenunterscheidung


davon auf der jeweils gleichen Stufe die unterschiedlichen Arten von Reli-
gion. In dieser Terminologie begreift er sodann (§ 8) den Monotheismus als
die höchste Entwicklungsstufe der Religion, die zuunterst den Fetischismus
(Götzendienst) und sodann den Polytheismus hinter sich gelassen hat. In-
nerhalb des Monotheismus gibt es nun drei Arten von Religion, nämlich

54 A.a.O. 11.416.427.
55 A.a.O. 1.110.
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11. Friedrich Schleiennaehers eschatologisches Dilemma 59

Judentum. Islam und Christentum. Sie können dadurch miteinander ins


Verhältnis gesetzt werden, daß sie mehr oder weniger Anklänge an die
überwundenen Stufen der Religion zeigen. Schleiennaeher verknüpft hier
also die religionstheoretische Unterscheidung nach Arten mit derjenigen
nach Stufen und hält fest, daß das Judentum noch Spuren des Götzendien-
stes, der Islam aber noch Spuren des Polytheismus in sich trage und nur das
Christentum als .,die reinste in der Geschichte hervorgetretene Gestaltung
des Monotheismus" gelten könne. 56
Diese Erwägungen bilden zunächst ein religionsgeschichtliches Schema,
über dessen historische Trifligkeit sich freilich streiten ließe. Schleierma-
cher dürfte in erster Linie polemische Passagen aus Altem Testameßl bzw.
Koran vor Augen haben, wenn er das Judentum als Überwindung der frem-
den Götter und den Islam als Überwindung der vielen Götter konzeptuali-
siert. Doch für unsere Frage danach. wie Schleiermacher im Horizont seiner
Eschatologie das Judentum wahrnimmt, kommt es weniger darauf an, ob
diese Passagen historisch treffsicher sind, vielmehr ist entscheidend, wie
Schleiermacher Judentum bzw. Islam ins Verhältnis zum Christentum setzt.
Dabei zeigt sich, daß Monotheismus, repräsentiert durch das Christen-
tum. zwei Momente miteinander verbindet. nämlich Allheit und Einheit
Gones. 57 egativ gesprochen überwindet er Partikularität und Vielheit
Goues. Dabei fehlen dem Götzendienst sowohl Allheit als auch Einheit
Goues, dem POlytheismus aber nur die Einheit. Schleiennaeher nimmt also
eine EntwiCklung an. die zunächst den Gedanken des Alls und dann den
seiner Einheit bildel. So ist im Fetischismus .,der Sinn für eine Totalität
noch nicht entwickeh", während Polytheismus für Schleiennaeher eigent-
lich nur da vorliegt, wo die Göuer "eine gegliederte zusammengehörige
Vielheit bilden. welche als eine Allheit, wenn auch nicht nachgewiesen,
doch vorausgesetzt und angestrebt wird". Von hier aus besteht dann der
Schrill zum vollendeten Monotheismus darin. daß "hinter der Vielheit hö-
herer Wesen die Einheit eines höchsten sollte geahnct werden... s8

56 A.a.O. 1.56 (§ 8.4). Bereits § 7(.3) skht die Annahme:. daß es neben dem Christentum ..an-
dere. aber auf gleicher Entwicklungsstufe mit ihm stehende" Religionen gibc••.nicht im Wider-
spruch mil der bei jedem ChriSien vorauS"Luselzendcn Überzeugung von der ausschlk8c:nden Vor-
trtffiichkeit des Quistentums" (l.a.O. 1.50).
57 ur anzumerken iS!. daß SchleiemlaChcrs gegenüber der Tradition neuanigc Z\lo-eiteiJung
lkr GOlleslehrc diesen beiden Momenten enlSpricht. wenn §§ 53-55 die AIJeigenschaften Goues
behandeln (Allgegcnwan. Allnuchl. Allwissenheit) und §§ 164-169 die Eigenschaften. die sich
aus seiner rinhritlichul WeltTCgicrung ergeben. wie § 164<.3) als EinkilUng zu den Paragraphen
über Gones Liebe und Weishcil ~lont (.I.LO. 11.443(.).
58 Zilate u.O. 1.5 1.52.52 (alle § 8.1).
60 Zweiter Teil

2. Das Judentum als Religion der Partiklliaritäl. Diese Bestimmungen


wendet Schleiennaeher nun wiederum auf sein Entwicklungsschema der
positiven monotheistischen Religionen an. Zeigt unter diesen das Judentum
noch Anklänge an den GÖlZendienst. so fehlt es ihm Schleiennaeher zufol-
ge also am Begriff der Allheit. es bleibt panikular: ..Das Judentum zeigt
durch die Beschränkung der Liebe des Jehovah auf den Abrahamitischen
Stamm noch eine Verwandtschaft mit dem Fetischismus". Die Spuren des
Polytheismus, die sich im Islam finden, deuten dann in entsprechender
Weise auf ein mangelndes Verständnis von Einheit. er bleibt im Mannigfal-
tigen hängen: ,.Der Islam auf der andem Seite verrät durch seinen leiden-
schaftlichen Charakter und den starken sinnlichen Gehalt seiner Vorstellun-
gen ohnerachtel des streng gehaltenen Monotheismus doch einen starken
Einfluß jener Gewalt des Sinnlichen auf die Ausprägung der frommen Er-
regungen, welche sonst den Menschen auf der Stufe der Vielgölterei fest-
hält.,,59 Dieser Konnex zwischen Sinnlichkeit der religiösen Vorstellungen
und der Mannigfaltigkeit, die die Vielgötterei kennzeichnet. erklärt sich aus
der kurz. zuvor geäußerten Überlegung, daß das sinnlich Aufgefaßte ..den
Keim der Mannigfaltigkeit schon in sich" trägt, wie Schleiermacher in
Übereinstimmung mit der kantischen Auffassung von der synthetisierenden
Funktion der Erkenntnisleistung feststellen kann. 60
Der Islam als sinnlich bestimmter und darum noch verdeckt polytheisti-
scher Monotheismus, das Judentum als partikularer und darum noch unter-
schwellig fetischistischer Monotheismus - diese Zuordnungen zeigen nun
deutliche Verbindungslinien zu Schleiermachers Eschatologie.61 Jetzt wird
deutlich, daß Schleiennachers Kritik an der Eschatologie, sie bleibe dog-
matisch partikular, weil auf nur partielle Formen des höchsten Selbstbe-
wußtseins beschränkt. genau seiner religionstheoretischen Wahrnehmung
62
des Judentums enlspricht, das er als partikularen Monotheismus verslehl.
Die Eschatologie vermag kein umfassendes und einheitliches, also kein
höchstes Selbstbewußlsein zu artikulieren, sondern nur panikulare Geslal-

59 Zitate 3.1.0.1.56 (I 8.4).


60 A.a.O. 1.54 (I 8.2). Dies ist ein Slandardsatz kanlischer Erkenntnistheorie.
61 Daß das rcligionsgeschichlliche Monotheismuskonzept mit seinen Schlüssdbegriffen •.A1I-
heit" und .Einheit" Auswirkungen auf die Eschatologie hat. legen schon die •.Reden" von 1799
nahe. da dor1 die Verbindung von Allheit und Einheit ja als Expliblion des eschatologischen To-
pos der Unsterblichkeit dienl; s. bei S. 42 Anm. I.
62 Es sei ~uf hingewiesen. daß die Religionswissenschaft mil Blick auf das biblische Ju·
denlum Konzeple wie die ••,Monolalrie- oder den ...Henotheismus" entwickelt halo die. nur unler
anderen Paramelem der Beschränkung (räumlich. zeitlich). Schlc:iermache:rs Begriff von panikula-
rcm Monotheismus enlSprtCben.
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11. Fricdrich Schleiemlachers eschatologisches Di lemma 61

ten davon (Vollendung der Kirche, persönliche Fortdauer): damit bleibt sie
durch jüdische Einnüsse geprägt. Sie kann es nicht zur vollendeten Christ-
lichkeit bringen, weil dieses für Schleiennacher ja bedeutet, daß das cha-
rakteristisch Christliche immer reiner ausgeprägt und damit andersreligiö-
ser, also auch und gerade jüdischer Einnuß, ausgeschieden wird. Man
könnte demnach zuspitzend, doch durchaus treffend formulieren, daß
Schleiennacher die Eschatologie letztendlich als ein jüdisches Stückwerk
kritisiert. 63
Wir können somit als Ergebnis unserer Analyse festhalten, daß Schlei-
ennachers Kritik, die Eschatologie bleibe in dogmatischer Hinsicht ein par-
tikulares Unterfangen, seiner Wahrnehmung des Judentums genau ent-
spricht: Auch das Judemum zeichnet sich ihmzufolge als partikulare, auf
das eigene Volk beschränkte Gestalt der Religion aus, die einer Eingliede-
rung in das umfassende Ganze der christlichen Religion nicht fahig ist. 64
Nur anzumerken ist, daß Schleiermacher das Judentum bereits 1799 sowohl
theologisch wie gesellschaftlich als eine partikularistische Religionsgestalt
wahrgenommen hat. In den "Reden" von 1799 charakterisiert er das Ju-
denlUm durch das Bewußtsein "einer allgemeinen unmittelbaren Vergel-
tung", d.h. ,.einer eigenen Reaktion des Unendlichen gegen Jedes einzelne
Endliche".6s Wenn auch diese Bestimmung des Judentums als "Vergel-
tungsreligion" bei Schleierrnacher nicht den pejorativen Sinn des vermeint-
lich zornigen Rachegottes hat, den dieser Ausdruck später unter falschlicher
Berufung auf Ex 21.23 gewann, so impliziert Schleiennacher doch eine
kritische Wertung, da eine eigene göttliche Reakt'ion auf jedes endliche We-
sen ,.nur auf einen kleinen Schauplatz ohne Verwickelungen,,66 anwendbar
sei - also die partikularistische Beschränkung des Religiösen auf das eigene
Volk mir sich bringe. Auch Schleierrnachers zeitgleicher Vorschlag. die
Emanzipation der Juden nicht an die Taufe als gesellschaftliches .,Entree-
billet" (H. Heine) zu koppeln, sondern öffentlich-rechtliche Körperschaften
- vergleichbar den christlichen Konfessionen - für solche Strömungen im

63 Die Krilik an einer versinnlichenden Eschatologie. wofür der Islam SIeht. hat nicht densel·
ben Rang. da sie nichl in den grundlegenden Paragraphen. sondern nur bei den vier einzelnen
Lehrslücken geäußen wird.
64 BECKMANN (2002) krilisien Schleiennacher v.a. dafür. daß er aufgrund der ..Prämissen sei-
ner Theologie slringcnt" (a.a.O. 101) •.ein spezifisches. singuläres Verhällnis" (a.8.0. 94) des
Christentums zum Judenlum bestreiten muß. M.E. kennl Schleiennacher ein solches. freilich eher
negalives. durchaus, wenn er das Judenlum als Religion der Panikulariläl vom Islam unlerschci·
deI.
65 Zilale SCm.EIERMACUER 117991 (1958) 160.
66 Ebd.
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62 Zweiler Teil

Judentum zu schaffen, die der Messiaserwartung entsagen, zielt (bei aller


Modernität des Gedankens eines preußischen Staatsbürgers jüdischen Glau·
bens) auf eine panikularisierende Segmentierung des Judentums.61

2. Erhebung von Wahmehmungsschemala

Die vorstehenden Analysen ergaben, daß Schleiermachers entscheidender


Einwand gegen die dogmatische Vollwertigkeit der Eschatologie derselbe
ist, den er an anderer Stelle seiner Dogmatik auch gegen das Judentum er-
hebt: der Einwand der Partikularität. Nimmt man hinzu, daß diese Wahr-
nehmung des Judentums nicht auf den theologischen Diskurs begrenzt ist,
sondern auch Schleiennachers politische Stellungnahmen bestimmt. dann
liegt die Annahme nahe, daß die Vorstellung von Partikularität eine Be·
deutung hat, die über den Rahmen einer werk immanenten Analyse hinaus-
geht und ein verbreiteteres Schema von Wahrnehmung des Judentums dar-
stellt. Darauf deutet auch, daß die typisch eschatologische Redeform der
Weissagung (wenn nach Schleiermacher "in der jüdischen Religion die Ga·
be der Weissagung so vollkommen ausgebildet ist als in keiner andem")
selbst ein Phänomen von Partikularität ist, nämlich diejenige "Reaktion des
Unendlichen gegen Jedes einzelne Endliche", die "Zeit und Raum dazwi-
schen vernichten" muß, um das Unendliche im Endlichen anzusagen. 68
Ich befrage daher im folgenden sowohl das Konzept der Weissagung als
auch das der Partikularität auf ihnen etwa innewohnende Problematiken
christlicher Eschatologie im Verhältnis zum Judentum.

2.1. Weissagung und Ende der Weissagung?

Schleiermachers Würdigung, daß das Judentum als Religion der Weissa-


gung "einen so schönen kindlichen Charakter" habe, ist zwiespältig,69 denn
eine Religion, deren Weissagung das Unendliche im Endlichen ansagt, wird
übertroffen von der Religion, die das Unendliche sinnlich fühlt und
schmeckt und darum selbst keine Weissagung mehr benötigt. Schleierma·

67 Zu den Umstünden von Schleiemlachers Vorschlag vg\. BF-CKMANN (2002) 104-121.


68 Zilale SCHLEIERMACIiER 117991 (1958) 159.160.160.
69 Und zwar nichl deswegen. weil die Rede vom Kindlichen schon abwenend ware (so
BECKMANN [20021 37), dann würde vielmehr ..kindisch" gesagt sein (wie SCIlLEIERMACIiER
117991 [19581171).
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11. Friedrich Schleiermachers eschatologisches Dilemma 63

eher hat daher Christus, den ..Gipfel" der Weissagung, zugleich als deren
"Ende" verstanden zumindest im Sinne der "Vorhersagung" zufalliger Be-
gebenheiten; diese sei das Kennzeichen des (alttestamentlichen) Judentums
gewesen. 70 Tatsächlich haben derartige, auch begrifflich griffige Gegen-
überstellungen einer jüdischen und einer christlichen Art von Weissagung
bald nach Schleiermacher Furore gemacht, so daß hinreichend dichte Bele-
ge gegeben sind, um von einem Wahmehmungsschema zu sprechen. 71 Das
Problem liegt dabei nicht allein in der polaren Zuordnung von Weissa-
gungsbegrifflichkeiten an Judentum bzw. Christentum, wofür das Schema
von Verheißung und Erfüllung nur das exponierteste Beispiel wäre. Die
Tatsache, daß derartige Begriffspaare aus Binnendifferenzierungen des
Weissagungskonzeptes hervorgehen, wie bei Schleiennaeher noch klar zu
beobachten, zeigt vielmehr, daß die Frage nach dem "Ende" der Weissa-
gung eine Anfrage an das christlich-theologische Verständnis von Verhei-
ßung als solcher ist; m.a.W. was Verheißung ist, kann nicht erst durch den
Bezug au/ihre Eifül/ung (oder ihr "Ende") bestimmt werden. Damit ist ein
Kemproblem christlicher Eschatologie in ihrem Verhältnis zum Judentum
benannt, das im folgenden noch genauerer Untersuchung bedarf.

2.2. Partikularität und Universalität?

Wie das Konzept der Weissagung durch das der Erfüllung zu einem polaren
Wahmehmungsschema ergänzt werden kann, so verbindet sich der Begriff
der Partikularität oftmals mit dem der Universalität zu einem Schema, das
bis weit in landläufige Antijudaismen und Antisemitismen hinein nachzu-
wirken vermag. Daß dabei dem Judentum ebensosehr Nationalismus, also
übersteigerte Partikularität, wie angemaßte Universalität, etwa im Topos
der Weltverschwörung, nachgesagt wird, deutet an, wie auch hier der Kern
des Problems nicht in der (im Extremfall eben auch austauschbaren) Zuord-
nung an Judentum und Christentum, sondern im Konzept von Partikularität
(und Universalität) selbst liegt
Dieses Konzept sei darum nun an seinem wohl wirkungsvollsten escha-
tologiegeschichtlichen Ort untersucht; in der Debatte, die in sachlich, zeit-
lich und räumlich recht engem Anschluß an Schleiennaeher unter den
Schülern seines großen Berliner Philosophenkollegen stattfand:

70 Zilale DERS. 11830/31] (1960) 1.1.114.114.113 (§ 103.3).


71 S. Kap. 111.2.1 (5. 124ff.).
64 Zweiter Teil

Ex.kurs 1: Zur Eschatologiedeoone des RechlShegelianismus

I. Voraussetzungen der D~batl~. Das Gegenüber von Partikularem und Universalem.


Einzelnem und Allgemeinem. Individuum und Gattung ist eschalologiegeschichllich
besonders in der Tradition G.W.F. Hegels wirksam geworden. da dessen Methode
einer wissenschalü.ichen Logik die Differenzierung und Integrierung des Einzelnen
aus dem Allgemeinen bzw. in dieses begreifen. also auf den Begriff bringen will. In
der Eschatologie bei Hege)s theologischem Schüler Pi-ULIPP KONRAD MARHEINEKE ist
ein solcher Begriff von Religion das Gouesbewußlsein. welches das von dem Sein
der sinnlichen Einzeldingen sich unterschieden wissende. nichlsinnliche Bewußtsein
(SeJbslbewußtsein) mit dem sinnlichen Bewußtsein von diesen Einzeldingen eint und
so bcide übersteigt. Für solches Gouesbewußtsein gebrauchl Marheineke den Begriff
der Seligkeit.'J Seligkeil heißt aber aufgrund der Ewigkeit des Geistes notwendig Uno
slcrblichkeif, d.h. selig ist dasjenige Gonesbcwußtsein. dem das Verhältnis zum göu·
lichen Geist ein notwendiges ist. '4
Die Verbindung von Seligkeil und Unsterblichkeit. also die Vorstellung einer seli-
gen Unsterblichkeif - im Unterschied von einet Unsterblichkeit. die als bloße Voraus-
setzung eines Jüngsten Gerichts auch unselig sein könnte7~ - das ist die Einstiegsvor·
aussetzung für die Eschatologiedeoone unter Hegels Schülern nach seinem Tode.
Hegel selbst hatte sich bei Lebzeiten zum Problem der Unsterblichkeit des Einzelnen
nicht eindeutig geäußert. 10 der Debatte selbst wird freilich die UnSlerblichkeit des
Einzelnen gemäß der Hegel'schen Methode. um die in der ganzen Auseinanderset-
zung auch gerungen wird. immer im Verhältnis zum Universellen thematisch. 7l'
2. Unbedingte Sterblichkeit. Die Debaue wird entfesselt. als FRIEDRICH RICHTER
1833, zwei Jahre nach Hegels Tod, im ersten Band seiner monumentalen .,lehre von
den le12ten Dingen" mit starken Wonen ..die Summe meiner 11leoIogie'; verkündet:
Der Einzelne ist sterblich. er lebt fon nur in der nächsten Genemtion. nämlich in sei·
nem Kinde. und das Jenseits bestehl einfach in der Tat, zu der sich die Reihe der Ge-
nennionen emporarbeitet. Für Richter geht also das Individuum gänzlich über in die
Gal1ung. n Diesen Gedanken, daß die Allgemeinheit das Spezifikum der Religion als

72 Dies sind die bei MARIlE.INE,KE (1827) drei Lclzlcn Dinge: Aufcrstchung (§§ 602--6(7).
JUngster Tag (§§ 608-611) und Gericht (§§ 612--615).
73 A.a.O. 383 (§ 596).
74 A.a.O. 396 (§ 600).
7.5 Die Differenz zwlschen diesen bciden Ve~ändnissc:n von Unsterblichkeil prägt in der Ei·
chalologiegeschichte des 20. Jh. den Streil zwischen P. Althaus und C. Stange. $. Exkurs 7 (S.
199f.).
76 Für CORNEUL (1971) 284 ist daher der ..sachliche Enrag der UnsterblichkeilSdeballe"' das
VertWtnis von Individuum und Gauu"g, das dem von Einzelnem und Allgemeinem entspricht, da
es um kein besrimmtes Einzelnes, sondem das Einzelne überhaupc geht (vg!. 1.1.0. 288 Anm. 3:
291 Anm. 8). Comehl z~ht allerdings die. univcrsaleschatologischen Te),le. dK nach dem eigentli-
chen Streit erscheinen (s.u.). nicht mehr heran.
77 Zitat RICmER (1833/44) 1.238.
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H. Friedrich Schlciennachers eschatologisches Dilemma 65


..ganzelr] Sphäre des geistigen, göttlich-menschlichen Lebens" auch gegenüber der
Wissenschaft (d.h. der Hegel'schen Philosophie78 ) bilde. fUhrt elf Jahre später der
zweite Band weiter: Zwar werde sowohl der Religion als auch der Wissenschaft der
Geisl nur vennitteh zuteil, aber allein die Religion wolle ihn auch universell mittei4
len. n Nur scheinbar also zielt Richters rückhahlose Kritik am Jenseits auf dessen
Einholung ins Diesseils. Das Individuum geht nicht in der Gesellschaft auf und das
Jenseits nicht im Diesseits unter, sondern wenn Richter zum Abschluß seines Werkes
anläßlich des Lehrtopos vom Weitende bemerkt, daß die Welt übergehe in andere
Sonnensysteme und Universen,80 ist Richters letztes Interesse mit Händen zu greifen:
Es ist nicht die Verendlichfwg des Jenseits. sondern gerade umgekehrt die UniverSQ-
lisienmg des Diesseits. Diese Richlungsumkehr kennzeichnet Richters Argumentati-
on. Denn bei aller grundsätzlichen Kritik am Begriff des Jenseits hat sich Richter die
Universalisierung des Diesseils offenbar ganz unproblematisch vorgestellt Der Ge·
sichtskreis der religiösen Geistmiueilung muß einfach so weit wie möglich gezogen
werden. Richler kann daher seinen religiösen Standpunkt mit dem Begriff des Mes-
sianismus bezeichnen und auf die alttestamentliche Idee einer "Herstellung der alten
Gouesherrschaft (Theokratie)" zurückfuhren,81 gleichwohl aber das Judentum heftig
kritisieren, weil es den Radius des Messianismus partikularistisch. auf das eigene
Volk beschränkt, gedacht habe. Erst die universelle GeistvenniUlung im Christentum
könne eigentlich Messianismus heißen. 82 Richter fUhrt dies im ganzen n. Band mit
einer an Hegel erinnernden dreischriuigen Methode durch. 8J
Richter präzisiert also 1844 seinen religiösen Standpunkt gegenüber dem rechten
Rügel der Schule Hegels mit einer charakteristischen Wahrnehmung des Judentums,
die das von Schleiermacher her bekannte Gegenüber von Partikularität und Universa-
lilät fortschreibt.
3. Bedingte Unsterblichkeit. Ln seiner Antwort auf Richter hat der Leipziger Philo-
soph CHRISTtAN HERMANN WEtSSE bemängelt, daß Richters Kritik der Unsterblich-
keit der Seele nur das plalonische Seelenkonzept aus der kirchlichen Lehre vor Augen
habe. das bloß die Einfachheit der Seelensubstanz beweise, die Unsterblichkeit des
Einfachen aber voraussctze.ll4 Demgegenüber sei mit Hegel die Kategorie der Sub-
stanz durch die des Subjekts zu erselzen, ftir die das Einzelne kein Teilhaber des All-
gemeinen ist - so das platonische Methe.xiskonzept -. sondern cin eigensttindig Indi-

78 A.a.O. I.J9 (Zitat ebd.).


79 A.a.O. 11.8: ..Dem Diener der Offenbarung ist die unmilleJbare Anwendung [... 1 unabweis-
JicllCs ßedürfniß, während der rein wissenschaftliche Denker [... 1 ihrer r... 1gar nicht fahig ist."
BOA.a.O. JI.196--t98.
BI Zitat a.a.O. 11.18: von Messianismus redet progr.lmmatisch die Einleitung (1..8. a.a.O. 11.12:
vgl. a.',O. lUX). Diese religiöse Dimension kommt in der tnterpretation von GE8HARDT (1963)
75 m.E. zu kurz.
82 RICUTER 0833/44) 1112: ..Das JudeOlum brachte es nicht einmal zu jenem äußerlichen
Durchbruch der Völkerscheide."
83 Vgl. die Abfolge cvangelischer/jesuanischer - apostolischer - apokaJyptischer/johanne-
ischer ßibeltexte in den Abschninen 8.1-3 der Kap. li-V (bzw. A-C in Kap. I) im 11. Band bei
Richter. Vgl. schon 3 .•. 0. 1.168-226.
84 WEISSE (1834) 14 zum platonischen Seelenkonzepl in der kirchlichen Eschatologie.
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66 Zweiter Teil

viduelles in seinem Bezug zum Allgemeinen. Unsterblich ist das Individuelle dem-
nach nicht qua Natur, sondern nur, sofern dieser Bezug besteht. Weiße vertritt damit
eine bedingte Unsterblichkeit: Nur die im bewußten Gottesverhältnis stehende Seele
ist unsterblich. die Seele als solche ist endlicher Geist, Unsterblichkeit ist also kein
eigenschaftlicher Besitz der Seele, sondern etwas. das ihr passiv widerfahrt; Unsterb-
lichkeit der Seele ist ihr Gedachtwordensein vom ewigen Gcist.8~ Weißes Kritik an
Richters Universalisierung des Diesseits läßt sich damit auf den Nenner bringen, daß
rur Richter dem Individuum Unsterblichkeit zukommt. fijr Weiße dagegen dem Un·
sterblichen Individualität.86 Damit ist die Richtungsumkehr, die wir al~ Richters ent-
scheidendes Argument erkannten. wieder exakt zurückgenommen.
Ähnlich wie Richter hat auch Weiße seine Position späler auf die theologische
Universaleschatologie ausgedehnt. Dabei geht er nicht vom Individuum, sondern der
menschlichen Ganung aus und konstatiert deren ursprüngliche Unsterblichkeit. 87 Der
Eintritt des Todes durch den Sündenfall sei präzise der Tod der allgemeinen Unster~
lichkeit, die zwar fortan noch als Möglichkeit rur alle Menschen Geltung habe. 88
wirklich aber nur rur die bei Lebzeiten zu Christus bekehrten Einzelnen sei. Das Ver-
hältnis zwischen Individuum und Allgemeinheit wird hier durch die eschatologische
Lehre vom Zwischenzustand ausgedruckt. die die allmähliche Wiederherstellung all-
gemeiner Unsterblichkeit bewerkstellige. also die Aufbewahrung und Summierung
der seligen Einzelnen zur seligen Gesamtheit. Bemerkenswerterweise nimmt Weiße
mit diesem Konzept einen ebenso unproblematischen Zusammenhang von Einzelnem
und Universellem an wie sein Antipode Richter: Die seligen Einzelnen werden im
Zwischenzustand einfach aufbewahrt und zusammengezählt zur Allgemeinheil. Ent-
sprechend versteht Weiße die Ewigkeit der Unsterblichkeit ausdrücklich als eine nach
der Zeit beginnende, endlose Zeil.89
4. Unbedingte Unsterblichkeit. Ähnlich wie Weiße argumentiert auch der zeitwei-
se als Sprecher der Hegelschule auftretende Jurist CARl FRIEDRICH GÖSCHEl gegen
das substanzmetaphysische Konzept einer unsterblichen Person mit einem im Sinne
Hegels dialektischen Verständnis persönlicher Unsterblichkeit. die sich nur im Bezug
des Individuellen zum Allgemeinen. des Endlichen zum Absoluten ereignet. Anders
als Weiße legt Göschel den Akzent jedoch nicht auf die Individualisierung des All-
gemeinen im Gedachtwerden des endlichen vom unendlichen Geist. also nicht auf die
Antithese der Dialektik. sondern auf die Herstellung eines Bezugs dieses Endlichen

85 A.a.Q. 41: ..nichl ein Wissen der Individuen von sich oder von dem Weltinhahe [... J, son-
dem ein Wissen des absoluten Geisles von dem Geiste": von MÜLLER (1835) 724 ols unhegelisch
kritisien. Ähnliche Gedonken prägen im 2Ü. Jh. das Konzept einer Unsterblichkeitols Weiterleben
in Gottes Gedächtnis.
86 WElSSE (1834) 36: ..Nicht mehr so wird diese Frage fernerhin zu stellen seyn: ob der
menschlichen Persönlichkeil und Individualiläl Unsterblichkeit, sondern vielmehr so. ob dem
UnSLCrblichcn menschliche Individualität und Persönlichkeill.ukomme."
87 DERS. (1836) 282-289.
88 A.a.O. 322. Weiße nähen sich damil der vomegelianischen Position des frühen MAR-
IfEINEKE (1819) an. der in Anlehnung an Kanl die Unsterblichkeit in §§ 726.730 apper-I.eptions-
ttlCorelisch begründet haue.
89 WElSSE (1834) 45.
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11. Friedrich Schleiermachers eschatologisches Dilemma 67

zum Allgemeinen, also die Synthese als den dritten Schritl; ja, Göschel will die all-
gemeine Unsterblichkeit der menschlichen Seele charakteristischerweise ausschließ-
lich allS der Triplizität ihres Begriffes erweisen. Dazu unlerscheidel er analog zu
Kanls Einteilung der GOllesbeweise in kosmologische, teleologische und onlologi-
sche dreierlei Unsterblichkeitsbeweise, von denen keiner in dogmalischem Sinne. d.h.
fur sich genommen beweiskräftig isl; der spekulalive Durchgang durch alle drei je-
doch beweisl die Unsterblichkeil in Übereinslimmung mit dem historischen Beweis e
consensu genlium.90 Auf dieser Linie nun hai Göschei, ähnlich wie Richter und Wei-
ße. in einem nach der hegelianischen Schuldebaue erschienenen und darum wenig
beachteten Beilrag .Zur Lehre von den letzten Dingen"\ll sein Konzept individueller
Unsterblichkeil auf die Universaleschalologie angewandt. Das Buch ist eine ent-
schlossene Verteidigung der Lehre vom Zwischenzustand,\l2 der als ein Letztes bereits
die eschatologische Universalisierung des Individuums in seinem Verhältnis zum
Ewigen beinhaltet. zugleich aber auch noch auf das Allerletzte. den Abschluß der
Universalisierung aller lndividuen. zugehl. 93 Während also auf individuales·
chatologischer Ebene der Leib als der Weltbezug der Seele verstanden wird. den sie
in der Auferslehung zurückerhält. so beSlehl auf universaleschatologischer Ebene der
Weltbezug in der Gesamtheit aller Einzelnen, die sich durch den Zwischenzusland bis
hin zum Tode aller Einzelnen wieder vervollständigt.\14 Zwischen Einzelnem und Ge-
samtheit bestehl so das Analogieverhälmis von Mikro-- zu Makrokosmos,\I~ das
Göschel u.a. auch mil dem Verhältnis des jüdischen Sabbat zum chrisllichen Sonntag
parallelisieren kann.\16 Göschei zeigl damit dasselbe Charakterislikum wie Richler und
Weiße, obwohl alle in der Unstcrblichkeitsfrage Slark voneinander abweichen.\I1

Im Ergebnis ist es erstaunlich, daß trotz der teils hitzigen Auseinanderset-


zung aUe Beteiligten an der Eschatologiedebaue des Rechtshegelianismus
90 So dürfle der (nach HAUaOLO 11989]75f. etwas gewundene) Argumentationsgang des er-
sten Abschnitls bei GOSCltEL (1835) zu rekonstruieren sein.
91 GÖSCliEL (1850) wird nicht erwähnt von CORNEIIL (1971) 280 Anm. 36. obwohl dieser don
z.T. noch spätere Texle GöscheIs aufzählt.
92 GOsCIIEL (1850) 143-146 sowie a.a.O. 27.39-47 u.ö., jeweils aufgrund einer dreigliedrigen
Amhropologie.
93 Zur Lentem und AllerlelZtem vgl. 3..a.O. 35f. und schon a.a.O. 28 zu den ..beiden Stationen
der Zukunft".
94 A.a.O. 146f. iSI die Rede von einer ..ErfUUung des Menschen zur Menschheit nämlich zur
TOlalitiit nach der Zahl und nach der chrisllichen Qualilät". so daß ..der Einzelleib für den einzel-
nen Menschen das ist. was die irdische Natur. was die gesammte Erde rur die Menschheit ist"
(a.a.O. 147).
95 A.a.O. 16: "Ohne die gan7.c Menschheil iSI auch kein einziger Mensch ganz; ohne HinzutriU
eines jeden einzelnen Gliedes iSI auch die Gesammtheit nicht vollendet."
96 A.a.O. 27. A.a.O. 175 nennt er noch die kabbalislische l..chre vom dreifachen SchriflSinn
und den nach Vorhof. Heiligem und Allerheiligstem getcillen jUdischen Tempel. aber freilich auch
Luthers Dreiständelehre.
97 Der BaurschUler F.H. Kern (s. Exkurs 4 [So 144ff.J) gehön zwar ebenfalls dem Umfeld der
Hegelschule an; seine Eschalologie von 1840 ist aber vorrangig Auseinandersetzung mil Schlei-
ermacher und erst auf dieser Grundlage auch mit der hegelianischen Unsterblichkeitsdebaue.
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68 Zweiter Teil

übereinstimmen in der Annahme einer gänzlich undialektischen, linearen


Nachordn"ng VOll Partiklliarität lind sie numerisch überbietender lind ver·

vollständigender Universalitiit. Genau in dieser linearen Abfolge wird
daher der harte Kern des Konzeptes von Partikularität und Universalität
liegen. Daß zumindest Richter und Göschel diesen Punkt auch auf ihre
Wahrnehmung des Judentums beziehen, gibt einen Anhalt, daß hier ein
Thema berührt ist. das für die christliche Eschatologie im Gespräch mit
dem Judentum wichtig ist. Damit ist der Ubergang zum abschließenden Ab·
schnitt dieses Kapitels gegeben.

3. Problemgeschichtlicher Ertrag

Im Zentrum von Schleiermachers Eschatologie steht der Nachweis, daß ihre


Sätze stets partikular sind, weil sie das Dilemma von Individual- und Uni-
versaleschatologie, von Entwicklung der Zukunft aus der Gegenwart und
der Vergeltung dieser durch jene. nicht überbrücken können. Ungek.lärt ist
allerdings noch die Frage, welche Geltung dem Dilemma der Partikularität
einzuräumen ist. Hier lassen sich zwei grundsätzliche Arten möglicher Re-
zeption Schleiermachers unterscheiden, die im folgenden skizziert seien.
I. Umsetzung des eschatologischen Dilemmas. Schleiermachers Dilem-
ma besagt, daß die Sätze der Eschatologie keine Lehrsätze sind, weil sie nur
partikulare Bestimmtheit erlangen; eine breitere Strömung der Rezeption
Schleiermachers neigt nun dazu. die Dilemmatik dieses Ergebnisses mitzu-
vollziehen, ihm aber seinerseits eine nur partikulare Geltung zuzuschreiben,
nämlich für das Sprachgebiet der Dogmatik, auf dem allein die Bestreitung
der Lehrbarkeit von Eschatologie ja Bedeutung haben kann. Schleiermacher
selbst habe ja, so wird eingewandt, nicht nur das dogmatische Dilemma der
Eschatologie aufgewiesen, sondern ihr ebenso klar eine Stellung und Be-
deutung im christlichen Gesamlleben angewiesen: Eschatologie hat die
Aufgabe, Erkenntnisse, die dem gläubigen Selbstbewußtsein unumstößlich
geworden sind, "anregend zu gestalten".99 Ln gewissem Sinne ist dies der
Versuch, mit Schleiermacher über Schleiermacher hinauszugehen.
Die Bearbeitung der Eschatologie wird demnach, so zu sagen, von der
wissenschaftlichen Dogmatik weg umgeleitet in ein anderes Betätigungs-
feld der Theologie, und als solches legen sich mit der Predigt oder ..der

98 Das Verhältnis beider hält auch CORNEIIL (1971) 293f. fUr das SachprobJem der Debatte.
99 SCIiLEIEMMACHER 11830/311 (1960) 11.440 (Zusatz nach § (63).
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1I. Friedrich Schleiermachers eschatologisches Dilemma 69

christlichen Kunst und Poesie" kirchliche und ästhetische Tätigkeiten na-


he. tl~ Dogmatik ulld kirchliche Tätigkeit erscheinen so in einem Verhältnis
der Ergänzung. das sich auf Schleiermacher'sche Begriffsbestimmungen
bertlft: Jene bildet als Darstellung der kirchlichen Lehre die Crtlndlage für
diese, lind diese ist als Kirchenleitung das Ziel jener. IOI Dogmatik und
kirchliche Praxis, jene als kritisches und diese als konstruktives Element,
liegen dann auf einer Linie, so daß z.B. auch die Predigt dem höchsten (dar·
stellend belehrenden) Sprachgebiet angehört, obwohl sie im Unterschied
zur Dogmatik nicht völlig befreit ist von den Einflüssen durch Dichtung
und Rede. Doch, so wird eingewandt, die "Differenzen zwischen diesen
Sprachgebieten sind allesamt relativ und graduell",lo2 und daher könnte ei-
ne solche Befreiung ohnehin nur näherungsweise geschehen. IO ) Predigt und
Ästhetik finnieren hier als Nachfolger der Dogmatik, die deren Geschäft
unter dem Namen des alten Inhabers fortführen.
Die Dogmatik hat dann nur die Funktion einer ideellen Leitvorstellung,
an der sich alle kirchliche Praxis orientieren muß, die aber im Gegenzug
erst von ihr "geerdet" und manifestiert wird. Gerade die Eschatologie ist im
Gefolge Schleiermachers in diesem Sinne als kritisches Regulativ der
kirchlichen Praxis verslanden worden. Der fragliche Diskurszusammenhang
sei hier vorgeslellt:

Exkurs 2: Die hypothetische Eschatologie der Verminlungslheologie

I. Zum Begriff der Vermittlllllgstheologie. Der Begriff der ..Vemliulungslheologie"


iSI nicht ohne Probleme, weil nicht univok geklär1 ist, wozwischen die in Betrachl
kommenden Theologen im Umfeld der "Theologischen Sludien und Kritiken" ver-
mitteln. Zudem wird er oft als kritische Fremdzuschreibung gebrauchi. die das ver-
millelnde Anliegen überhaupt in Zweifel zieht. 104 Im vorliegenden Exkurs wird der
Begriff eher weit gefaßt und bezeichnel Autoren. die im Anschluß an Sehleiennacher
dessen Anliegen einer Verbindung des Iheologischen Bekenntnisslandes mit der auf-

100 Ersteres ist die Grundthesc von WEE8ER (2000) 110 u.ö.. der dabei jedoch mit zweilerem
einen Vorläurer hat in MARTENSEN (1856) 426 (§ 213 Anm.).
101 Für jenes vg1. SCHLEIERMACIIER [1830{31] (1960) 1.119 (§ 19), rur dieses OCRS. 118301
(1910) 2 (§ 3).
102 WEEBF.Jl. (2000) 38.
103 In der Tal kennt Schleiermachcr ein nur nliherungsweise erreichbares Sprachgebiet ohne
jeden Einfluß von DichTung und Rede. doch ist dieses nicht das dogmatische. sondern das dialekti-
sche. das der philosophischen Spekulation zugehön und als solches von der Dogmatik streng zu
unTerscheiden iSI (5. S. 45 Anm. 17). Es hai eine ähnliche Slellung wie das von allem Sinnlichen
abgelöste Sclbslbewußtscin (5. Kap. 11.1.1. hier S. 53).
104 Besonders wirksam BARm (1947) 522r.
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70 Zweiter Teil

kommenden geistesgeschichtlichen Tradition der Modeme fonfUhren und dabei oft


im Einzugsbereich derjenigen geschichtlichen Gestall von Kirchc stehen. die dieses
Anliegen widerspiegelt, d.h. der preußischen Union.l~
Legt man diesen Begriff zugrunde, dann läßt sich, freilich in einer gewissen Ab-
straktion vom jeweiligen Autor, der eschatologische Entwurf der Venninlungs-
lheologie als solcher rekonstruieren.
2. Involution als Sclllüssel zur Eschatologie der Vermiulungslheologie. Die Analy-
se von Schleiennachers Eschatologie ergab, daß das von ihm konstatierte Dilemma in
zwei Gestalten auftreten kann. nämlich als Paradoxie zwischen Individual- und Uni-
versaleschatologie sowie als Spannung von Entwicklung und Vergeltung der Ewig-
keit im Verhältnis zur Zeit. Eine Venniulung des Dilemmas kann also bei jeder dieser
Gestalten ansetzen.
Die erste Gestalt des Dilemmas betrifft die Lehre vom sog. Zwischen zustand. da
dieser sich logisch als Verbindung der Individual- mit der Universaleschatologie ver-
steht: Er verwahrt die einzelnen Toten bis zur allgemeinen Auferstehung aller Toten.
die die Voraussetzung des Jüngsten Gerichts ist. Vennittlung müßte hier zwischen
dem Tod des Einzelnen und der Auferstehung Aller geschehen. und da nahezu im
ganzen 19. Jh. der Tod mit platonischer Tradition als Trennung von Seele und Leib
verstanden wird und die Auferstehung entsprechend als Verleiblichung der Seele,
heißt dies, daß die Vcrminlung zwischen Seele und Leib stattfinden muß. - Die
zweite Gestalt des Dilemmas dagegen ist thematisch in der Lehre von den ewigen
Z/lSländen (Seligkeit und Verdammnis). da. ganz im Sinne Schleiennachers. die Se-
ligkeit als fortdauernde Entwicklung der Verbindung mit Christus im Gnadenbewußt-
sein und die Verdammnis via negationis als Abbruch einer solchen Verbindung infol-
ge sündigen Bewußtseins gedacht wird. Venniulung müßte hier also zwischen göuli-
cher Gnadenwirkung und menschlicher Sündigkeit erfolgen.
Kennzeichnend rur die Vermittlungstheologie ist nun. daß sie beide Gestalten des
Dilemmas. Zwischenzustand und ewige Zustände, mit der gleichen Gedankenfigur zu
vermitteln sucht und so auch beide Gestalten miteinander vermittelt. Diese Gedan-
kenfigur geht zurück auf die sog. Involutionslehre des aus dem damals dänischen
Stavanger gebUrtigen. spätcr in Breslau und Berlin wirkenden Naturphilosophen Hen-
rich Steffens. 106 Die Involution iSI zunächst ein Interpretamenl der ersten Gestall des
Dilemmas, also des Zwischenzustands. Sie begreift diesen als Übergang vom leibdo-
miniencn Diesseits zum geistdominierten Jenseits: Zwischen beiden befinde sich die
Seele. nachdem sie im Todc ihres Organes. des Leibes. beraubt wurde. in einer Ver-

105 GRAF (2001) 727 nennl neben diesen Punkten noch die Venniltlung zwischen •.Iiberal"
und ..konservaliv".
106 Sleffens. schon 1799 unter den ruhrenden Köpfen der deutschen Romaßlik zu finden. er-
langt in Breslau 18t3 Berühmtheit. als er noch vor dem König zum Befreiungskrieg gegen Napo-
leon ruft. Er wendet sich am selben On jedoch 1819 von der Nalionalidee der Tumerbewegung ab
und SUChl seine Naturphilosophie stau dessen religiös zu entfallen. wobei er. der von Hause aus
Refonniene. nunmehr gegen die preußische Union die Panei der schlesischen Ahluthernner er-
greift. Der wichtige theologische Impulsgeber der Vennittlungstheologen ist also kirchenge-
schichtlieh keiner der Ihren; das Invotulionskonzept entwickelt er im Anschluß an Schelling.
11. Friedrich Schleiermachers eschatologisches Dilemma 71

innerlichung (Involution), d.h. ihre Organisationsfahigkeit richtet sich auf kein positiv
gegebenes Organ. sondern auf sie selbsl. I07 Die Involution ist demnach zugleich der
Grund rur die Auferstehung des Leibes. in der die Seele kraft dieser Organisalionsfa·
higkeit ein solches Organ ausbildet. das dann mit dem im Tode verlorenen Leib nichl
identisch zu sein braucht. Deswegen implizien die vermiulungslheologische Involuti-
onslehre die Auferstehung des Leibes. während sie eine Auferstehung des Aeisches
zumeist explizit abweist. 108 Stau ihrer denkt sie Seele und Leib zusammen als Orga·
lIisariofl der Seele oJme Organ. - Entsprechendes ergibt sich ftir die Frage nach Got-
les Willen und menschlicher Freiheit. Gottes Wille müßte rur sich betrachtet zur ewi-
gen Durchsetzung des Guten gegen alles Böse führen. so daß der Mensch zu seinem
Heil gezwungen würde. Menschliche Freiheit für sich genommen ließe dagegen das
Böse gegen alles Gute die Oberhand behalten. so daß die Sünde in Ewigkeit über
Gottes Willen triumphieren müßte. 109 Eine Vermittlung iSI hier nur so denkbar, daß
das Gute mit dem Bösen zugleich verewigt wird; dies ist aber nur hypothetisch mög-
lich. IIO D.h. die Durchsetzung des Gulen ist nur als Intention zu beschreiben; eine
ewige Durc,hsetzung des Bösen muß daneben als hypolhetische Möglichkeit ange-
nommen werden. damit die Durchsetzung des Guten nicht zwanghaft. sondern als
freie Entscheidung des Menschen gegen das Böse geschieht. 111 Das Böse wird also
eschatologisch erhalten mit der Inlention seiner Hinkehr zum Guten. und deswegen
kann die Vermiulungstheologie die Möglichkeit einer Bekehrung des Bösen zum
Guten nie ausschließen, auch nicht für die postmortale Existenz des Menschen. 112

107 Auf Sleffens greifen zurück KLING (1846) 105: MARTENSEN (1856) 431 (§ 276): ..das
Todlenrcieh iSI das Reich der Innerlichkeir' samt Zitat von Steffens. den Manensen persönlich
kannte; GERLACH (1869) 88r. 76: .nin zustöndliche uiblkhkeif': DoRNER (1879/80) 11.955 mit
Zitat von Sleffens und Manensen: daneben noch KERN (1840) 115. NrrLSCll (1851) 408 (§ 217
Anm. 2) mit der Annahme einer ..Wiederverleiblichungsrlihigkeit" erinnert auch stark an Steffens.
108 So GERLACU (1869) 97. Anders LANGE (1841) 234f.. doch mit ähnlichen Interessen.
109 Z.B. MARTENSEN (1856) 450 (§ 286).
110 Paradigmatisch NrrLSCH (1851) 417 (§ 220 Anm.••). der seine gesamte materiale Dog-
matik einteilt nach dem Guten. dem Bösen und dem Heil als der Dun::hsetzung des Guten gegen
das Böse: ..Die Thesis der gÖlIliehen allgemeinen Gnade strebt, nachdem sie selbst ihre Antithesis
in der Selbstbestimmung des Menschen gesetzt hat. zur Synthese der Freiheit und Seligkeit der
Kinder Goues in ihrem ganzen Reiche hin. Der Antithese wegen. da das Moment der Willkühr
Bedingung der freien Entwicklung iSI. bleibt zwar die ewige Verdammniß oder ckr andere Tod die
nOlhwendige Hypothese: allein die Ur.;prUnglichkeit der 1öesis steIlI ihr ebenso IlOIhwendig eine
Hypothese des allgemeinen Seligwerdens enlgegen. Mitten in der Zeit und Geschichte kann kein
Dogmatismus geduldei werden. der die eine oder andre Hypothese zum absoluten Satze erheben
wollte." Sodann MARlCNSEN (1856) 455 (§ 288); DQRNER (1879180) 11.968.971 (§ 154.5f.). -
ÖLSNER (1929) 51 kritisiert den venniltlungstheologiscnen Ansatz bei GUI und Böse. da so die
Ethik Grundlage der Dogmatik werde.
111 So neben Nrrzscll (1851) 411 (§ 219): •.keine erzwungene Heiligkeit" auch DoRNER
(1879180) 11.968 (§ 154,5) und schon 3.a.O. 11.917. Das Argument der menschlichen Freiheit ist
auch rur LANGE (1841) 272f. und GERLACH (1869) I59f. zentral. die beide freilich eher die Reali·
tät der Verdammnis annehmen.
112 NrrzscH (185t) 417 (§ 220) zur ewigen Verd:munnis als Postulat neben dem universellen
Gnadenwillen GOlles; DQRNER (1879180) tl,968: ewige Verdammnis kommt dann bloß .Jider
langer Unseligkeit" gleich.
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72 Zweiter Teil

Eben wegen dieser eschalologischen Inlentionaliläl des Bösen ist seme Bekehrung
aber nicht als aktives Tun des Menschen zu verSlehen.
An dieser Stelle nun berühren sich die Vermittlungen der beiden Gestalten von
Schleiermachers Dilemma. denn mit der hypothetischen Koexislenz von Gut und
Böse wird aus den ewigen Zusländen ein Millelzustand. dem weder Seligkeit noch
Verdammnis klar zugeordnet werden kann. Die Eschalologie handelt damil nicht
mehr von der Ewigkeit. sondern dem Interim zwischen Zeit und Ewigkeit. also von
dem. was im Blick auf die erste Gestalt von Schleiermachers Dilemma Zwischenzu-
Sland hieß. Und wie rur den Zwischenzustand zwischen dem Tod des Einzelnen und
der Auferstehung Aller die Lehre von der Involution auf das Konzept einer Organisa-
lion der Seele ohne Organ fUhrte. so ergibl sich ftir den MiUelzustand zwischen Se-
ligkeit und Verdammnis durch die Annahme einer postmortalen Bekehrung der Bösen
die Vorstellung einer Tätigkeit des Menschen ohne Tun. lu Beide Konzepte. die Orga-
nisalion ohne Organ im Zwischenzustand und die Tätigkeit ohne Tun im MiUelzu·
stand, ergeben sich unmittelbar. wenn die Involution vorausgesetzl wird; und dieser
Zusammenhang erklärt sich daher, daß Zwischen- und Mittelzusland. obwohl in ih·
rem Sinn unterscheidbar, sachlich dasselbe bezeichnen. Die Aussagen über Zwi·
schen- und Miuelzustand müssen daher kompatibel miteinander sein. 114 und tatsäch-
lich weisen sie im Fall der Vermilliungstheologie auf dieselbe Sache hin. nämlich
darauf. daß der Mensch als Objekt der Eschatologie nicht in der Allemative von Seele
und Leib (Zwischenzusland). von Aktiv und Passiv (Milleizustand) aufgeht.
In diesem Problem einer theologischen Anthropologie Iiegl auch die Brisanz der
vermiulungstheologischen Eschatologie ftir die Frage nach der Wahrnehmung des
Judentums. Denn ISAAK AUGUST DoRNER sieht als ein ftihrender Vertreter dieser
Eschatologie den Ursprung christlicher Eschatologie gerade in der Spannkraft, die
zwischen Seele und Leib einen Zwischenzustand, zwischen Aktiv und Passiv einen
Miuelzustand setzt. grundsätzlich gesprochen: die das Auftreten des Messias und das
damit verbundene Ende aller Dinge auf die zwei Parusien Christi, historisch und zu-
künftig. verteilt - im Gegensatz zum Judentum. das beides nur in eins fallend denken
könne. 1lj

113 Den Zusammenhang beider Gedanken erkennt man bei KLING (1846) 105. der auf dic In-
volution unmittelbar aus Anlaß möglicher Bekchrung im Jenseits zu sprechen kommt. und zwar
mit Hilfe des Gleichnisses vom armen Mann und reichen Lazarus. Kling zufolge können die Gc-
rechten ihr Lichl in die Unlerwell der Ungcrechtcn Icuchten lassen und sic so reUen (ebd.).
114 Nicht so bei A. ALTIlAUS. Er argumentiert "im Rückschlusse von dem Endgericht aus"
(DERS. [1856/571 109) ftlr einen Zwischcnzusland. in dem die Sccle die ..hier unterbrochene Iieili-
gung" (a.a.O. 28) fort.sc:tzt. Zugleich bestreilet cr aber cinen ..Millcl[zu]stand" (a.a.O. 20). weil
"dic große Entscheidung über entweder selig oder verdammt" (a.a.O. 35. außer "fl1r die abgcschie-
denen Heiden") im Zwischenzustand schon real sei (3.a.0. 21) und nur noch der Vollendung be-
dürfe. indem daran •.auch der Leib theilnehmen" solle (a.a.O. 92). Einer solchen Iieiligung der
Seligcn. bzw. "Ialnderscils" Enthcil.igung dcr Unseligen. jeweils •.bis zu deren äußerstem Gradc"
(Zitate a.a.O. 110) widerspricht freilich. daß Althaus ..Grade der Herrlichkcit" (a.a.O. 95. Original
gesperrt) lehn. Sein Problem ist. daß dic Angel seiner Argumenl8lion zugleich deren Beslaooleil
ist. das Gericht zuglcich hypothelisch und real gedacht wird.
115 DQRNER (1879180) 11,920.
00040222

[I. Friedrich Schleiennachers eschatologisches Dilemma 73

3. Stellung der Escharologie in der Vermiflilmgstheologie. Ausgehend von diesen


Voraussetzungen ist es verständlich, daß die Eschatologie der Venninlungstheologie
nicht nur durch die Lehre von der Involution gekennzeichnet ist, sondern auch in gro·
ßer Übereinstimmung als die nur hypcllhetische Vereinigung von Gut und Böse, Got-
tes Willen und menschlicher Freiheit auftritt; vor allem der einflußreiche eARL
IMMANUEL NITZSCH hat sie streng in diesem Sinne durchgefUhrt. llb D.h. die Es-
chatologie hat dabei nicht reale Eschata zum Gegenstand. sondern deren Vorausset-
zungen. Sie bildet die Grundlage, auf der das Denkgebäude der Theologie aufruhl.
Um der Stabilität des Baues willen kann freilich diese Grundlage nicht selbst in glei·
eher Weise Bestandteil des Erbauten sein. m.a.W. die Eschatologie ist fur die Ver·
mittiungstheologie wie schon rur Schleiennachcr kein Lehrgegenstand der Dogmatik
wie andere: I 17 ihr Gegenstand ist von einer eigenen Realitätsart. 118 eben der im wört-
lichen Sinne hypothetischen: Er ist real, wenn die Involutionslehre untergelegt
wird. 119 Mit Kant verbindet und vom Hegelianismus unterscheidet sie. daß sie auf der
Grundlage dieser Voraussetzung die Eschata als wirklich erwartet. Mit dem Hegelia-
nismus verbindet und von Kant unterscheidet sie. daß diese denkerische Vorausset-
zung der Eschata spekulativ ist, nicht zwingend, sondern nur plausibel. Sie erstrebt
damit die Vermittlung zwischen nicht weniger als den drei bedeutendsten theologi-
schen Positionen ihrer Zeit, Kant, Hegel und Schleiennacher. Der .,Preis'· dafür ist,
daß die Eschatologie ihre Stelle im Ganzen der Dogmatik verschiebt. Sie wird aus
einem Lehrstück zu einem Traktat über die Voraussetzungen von Lehrbarkeit und
gewinnt so eine prinzipientheoretische oder fundamentaltheologische Bedeutung. lw
In entsprechender Weise wird die Eschatologie bei den Venniulungstheologen als
regulative Idee im Sinne Kants aufgefaßt. 121

116 Anders freilich A. SCHWEIZER. der K. BARTH 1Iis Inbegriff des Vermiulungslheologen gilt
(oeRs. 119471 516). Versieht die Vennilliungslheologie Eschatologie als hypothetische Einheit der
Du:t1itäten von Schleiennachcrs Dilemma. so akzenlUiert SCHWEIZER umgekehrt. die Eschatologie
sei "von judaisircnden Vorslcl1ungen zu befreien, namentlich vom finalen Dualismus" des dop-
pelten Ausgangs beim Jüngslen Gerichl (OeRs. (1863n21 Ilfl,377 ILeitsalz zu § 198]). So komml
Schweizer negll.liv zur Abrogalion der jüdischen Eschatologie 1I1s dualistischer Gesctzesn::1igion
(a.a.O. 11/2,392f. [§ 200,21) und positiv zur dogmatischen Behauplung der Apokalastasis (a.a.O.
1I12,409f. (§ 202.21). -In diesem apokatllstlltischen .Ftuchtpunkl", an dem Theologie mil Philoso-
phie .,ineins {"dllt", sehe ich mit BAUMGARTNER (1991) 143 (Zilate) Schweizers Schwäche.
117 So 2..8. SCIlMtDT(1868f70) 11.457; MARTENSEN (1856)425 (§ 273 Anm.).
118 Der Realismus der Eschatologie beschäfligl v.a. GeRLACH (1869) und LANGE (1841), die
ihn doppelt abgrenzen: Gerlach gegen SchJeiennachers Spirilualismus und allprolcslantischen
Materialismus (a.a.O. 8.10 bzw. 116), Lange gegen ungläubigen Rationlilismus und abergläubi-
schen Sainl-Simonismus (a.a.O. 27 bzw. 24-26).
119 Besonders KUNG (1846) unterscheidei die Involutionslehre von der traditionellen Vierzahl
der Eschata als allgemeine Voraussclzungen von spezifischen LehrgegenSländen, bellllspruchl aber
Hir erslere. daß sie letzteren "nalürlicherweisc" vorangehen (a.a.O. 97), versteht" Voraussetzung"
also in einem Sinn. der dem spekulativen Char.tkter der Involulionslehn: schwerlich gerechi wird.
120 Diese Verschiebung iSI das Hauplinten:sse der Unlersuchung von HJELDE (1987). der es
rur die Vcnnilllungslhcologie freilich kaum zur GellUng gebrachi hai.
121 SCIIMIDT (1868/70) 11.501 fordert einen .JCgulativen Gebrauch" der Eschatologie (ob-
gleich er a,a.O. 11.462 diesen Gedanken krilisch auf Schleiennaehers Eschlltologiekrilik bezieht
00040222

74 Zweiter Teil

Im Ergebnis zeigt sich, daß die Venninlungstheologie den Ort der Escha-
tologie im Ganzen der Theologie verändert, indem sie sie einem anderen
Locus, eben der PrinzipienJehre oder Fundamentaltheologie, zuweist und
also "dis-loziert" oder "um-setzt". Die Eschatologie wird so zur regulativen
Leitvorstellung, und "Umsetzung" geschieht dabei auch noch in einem
weiteren Sinne, denn wenn die Eschatologie als Leitvorstellung nicht nur
der sonstigen Theologie, sondern der kirchlichen Praxis erscheint, wie dies
seit Martensen 122 auf venniulungstheologischer Linie vorgeschlagen wird,
dann muß solche Leitvorstellung eben noch in die Realität ..umgesetzt"
werden, sie bedarf dann der Konkretion in der sinnenfalligen Wirklichkeit
von Kirche und Welt.
Und genau solche Konkreliofl wird in der Rezeption Schleiermachers als
ein jüdisches Korrektiv zum christlichen Vollendlingsbewußtsein geltend
gemacht, wenn es heißt. daß Schleiennacher in seiner "Glaubenslehre"
durch die "Geringschätzung des AT gleichzeitig eine folgenschwere Ent-
schärfung der biblisch-ntl. Eschatologie" in Kauf nehme, daß er aber in sei-
ner späten Predigtpraxis "das jüdische Nein zu Christus als dem Messias als
eschatologisches Mahnmal verstehen" lehre: "Die Tatsache. daß Israel noch
auf seine Errettung wartet und die Bekehrung Israels zu Christus als dem
Messias noch aussteht, wird für Schleiermacher zur unüberhörbaren Erinne-
rung daran, daß auch die Christen auf die endgültige Erfüllung alles Ver-
heißenen und auf die Parusie Christi in Herrlichkeit noch warten".l2J
Christlicher Eschatologie wird hier zu einem Mehr an sinnenfalliger, ge-
genständlicher Konkretion geraten, zur "Sinnlichkeit, dem Bilder-, Meta-
phern- und Erzählreichtum des Ar', 124 um das christliche Erlösungsver-
ständnis gleichsam zu "erden". Diese Auffassung von jüdischer Zu-
kunftserwartung läßt sich tatsächlich als charakteristisches Kontrastschema
zu einer dementsprechend abstrakten und vergeistigten christlichen Escha-
tologie gerade im gegenwärtigen Diskurs nachweisen. 12'
Entscheidend ist aber auch hier, daß sich unabhängig von den Zuordnun-
gen an Christen- und Judentum die Frage einer geschichtlichen Gestaltwer-

und gegen diese die objektive Realiläl der Eschala beh:lUplen möchte). Die Bestimmung der Es-
chatologie als regulaliver Idee hat nachgewirkl bei PfLElDEREA (1880) 240 (§ 266); WOBBERMIN
(1926) 111,253; HOF1'MANN (1929) 117f.
122 S. S. 69 Anm. 100.
123 Zilale STEIGER (i994) 309.322.323.
124 A.a.Q. 313 - dies gegen SchJeiennachers Begriff von SinnJichkeil (s. S. 50 Anm. 33).
125 So oft im Zuge der Ergänzung des Grundanikels der meinischen Kirchenordnung (1996).
z.B. STuHLMANN (1998) 303: ,Das iSI die erdverbundene Dimension der Hoffnung. Diese genuin
jüdische Kontur unserer Hoffnung darf in der chrisllichen Theologie nichl zu kurz kommen:'
00040222

11. Friedrich Schleiem13chers eschatologisches Dilemma 75

dung der Eschatologie problemgeschichtlich immer dann stellen muß,


wenn, wie dies für die Strömung einer "Umselzung" von Schleiennachers
Dilemma kennzeichnend ist, der Eschatologie nicht derselbe Wirklichkeits-
bezug zugeschrieben wird wie der sonstigen Theologie. Das Problem ge-
schichtlicher Gestallwerdung wird uns daher noch zu beschäftigen haben; 126
es deckt sich auch mit derjenigen Anfrage, die besonders H. eohen mit sei-
ner Entgegensetzung von Messianismus und Eschatologie an die christliche
127
Theologierradition richtete.
2. Aufhebung des eschatologischen Dilemmas. Gerade die zuletzt ge-
nannte Frage nach der sinnenfalligen Wirklichkeit von Eschatologie stellt
sich freilich gänzlich anders, wenn auch der Umgang mit Schleiennachers
Dilemma ein anderer ist. Das ist der Fall in derjenigen Eschato!ogietraditi-
on, die gerade vor dem Hintergrund Schleiermachers Eschatologie als
theologisches Lehrstück ausführen und so das Dilemma ihrer Partikularitiit
aufheben möchte. Denn anstau dieses Dilemma im Grunde zu bejahen, sei-
ne Geltung aber partikular zu begrenzen, ist es auch möglich, ihm einen
universellen Geltungsanspruch zu attestieren. diesen aber von Grund auf zu
bestreiten. Schon diese Überlegungen zeigen, daß solch kritische Rezeption
Schleiermachers sich mit dem Schema von Partikularität und Universalität
auseinandersetzen muß. In der Tat stecken in diesem Schema mehrere
Themen, die für eine christliche Eschatologie im Gespräch mit dem Juden-
tum wichtig sind.
a) Das Problem des Zein'erstöndnisses. Wie der vorige Abschnitt zeig-
te. IU wohnt dem eschatologischen Konzept von Partikularität und Univer-
salität bereits die Vorstellung inne, daß die religiöse ZukunflShoffnung im-
mer weitere Geltungsbereiche erfaßt. die undialektisch aufeinander folgen.
Zwar lassen sie sich als einzelne Grade oder Stufen voneinander unter-
scheiden, liegen aber doch in einem Nacheinander, das als ganzes linear ist.
Dieses Problem des bloßen Nacheinander ist aber ja nichts anderes als die
Frage des Zeitverständnisscs,l19 und tatsächlich war zu beobachten, daß
gerade in der Frage universeller Geltung der Eschalologie, also ihrer welt-
und menschheitsgeschichtlichen Dimension, das Verständnis der Zeit den
für die Wahrnehmung des Judentums neuralgischen Punkt ausmacht:
M. Buber richtete seine Warnung vor einer Zäsur in Zeit und Geschichte
1933 ja gerade gegen K.L. Schmidts Ansinnen, dem aufkommenden theo-

126 S. Kap. IV.3. hier S. 186-188.


127 S. Kap. 1.3. hier S. 32-34.
128 S. Kap. 11.2.2 mil Edam I (S.64ff.).
129 Vgl. in Kanls •.Kritik der reinen Vemunft- den § S in der Tr.msu:ndenlakn Ästhetik.
76 Zweiter Teil

logischen Antijudaismus durch Beanspruchung einer auch wellgeschichlli-


ehen ZenlralSlellung des Chrislusereignisses zu begegnen: lJO und genau
dieses Zeitverständnis liegt auch hinter dem Konzept von PanikuJaritäl und
Universalität. wenn es eine lineare Folge annimmt, in der dennoch ver-
schieden weite Geltungsbereiche unterschieden werden können und dabei
das Christentum als universell beansprucht wird. Christliche Eschatologie
muß also gerade, wenn sie in Auseinandersetzung mit Schleiermacher als
Lehre möglich sein soll, ihr Zeitverständnis überdenken.
b) Das Problem der Verheißung. Ist aber das Zeitproblem Kern des
Schemas von Partikularität und Universalität, so ist damit zugleich eine an·
dere Frage gestellt, die sich ebenfalls diesem Wahmehmungsschema zuord-
nen ließ. nämlich das Verständnis von Verheißung. Verheißung muß dem-
zufolge lJl ihrem Sachgehalt nach aus sich heraus bestimmt werden können
und kann ihren Sinn nicht erst von der Erfüllung empfangen, die ihr dann
zeillich-Iinear zugeordnet würde. Daher auch konnte F. Rosenzweig die
Neufassung des Konzepts der Verheißung mit Begriffen eines umgekehrten
Zeitverständnisses ausdrücken: .,So ist von der Verheißung zur Erfüllung
nichts weiter verändert, der Inhalt der Verheißung und die Phasen der Er-
füllung sind eins; nur hat sich das Fertige zum Anfang verkehrt.,,132
Was eine eschatologische Neukonzeption von Zeit und Verheißung frei-
lich so schwierig macht. ist, daß jede Abrogalion oder auch nur [nfrage-
stellung der Zeillogik des bloßen Nacheinander an die Grundfesten wissen-
schaftlichen Denkens rührt. weil auf dem Gesetz des Nacheinander auch die
Logik des Kausalgesetzes aufruht und damit der Satz vom ausgeschlosse-
nen Dritten, die allesamt zu den Grundsätzen des menschlichen Verstandes
gehören. 1JJ M.a. W. wenn versucht wird, Schleiennachers Dilemma nicht
erst in seiner Geltung, sondern schon in seiner Dilemmatik aufzuheben. so
ist dies ein ,.Auf-heben" im doppehen Sinne: Das Dilemma soll zum einen
beseiligt werden. es wird dadurch aber zum anderen hinaufgehoben auf die
Ebene des Trilemmatischen. weil nun gefordert ist. i/l einer wissenschaft-
lich verantwortbaren Weise das Dilemma zugleich m;t seiner Übenvindung
zu denken. also eine solche Überwindung zu denken. welche die Pole, zwi-
schen denen das Dilemma oszillien, nicht auslöscht. l34 So erscheint die
Aufbebung des Dilemmas ungleich komplexer als seine Umsetzung.

130 5. Kap. 1.3. hier S. 37-40.


1315. Kap. 11.2.1 (5. 63f.).
132 ROSENZWEIG 119211 (1988) 124.
133 Vgl. den einschlägigen Abschnitt bei KANT (1787) 8 189-287.
134 Ein freilich nichl immer nachvollziehbares Beispiel boI die Esc:halologic von A. Ahhaus
(5. S. 72 Anm. 114).
000402U

u. Friedrich Schleiennaehers eschafologisches Dilemma 77

Dieser Unterschied beider Traditionen schlägt sich auch in der Stellung


zum Judentum nieder, denn in einem eschatologisch "neuen Denken" über
die Logik der Binarität hinaus wäre auch das Verhältnis von Christentum
und Judentum nicht herakleisch zugunsten des einen oder des anderen zu
entscheiden - und sei es in der Überbietung des Partikularen durch das
Universelle -; vielmehr ergab sich für den erwähnten F. Rosenzweig ein
dialogisches Verhältnis beider in jeweiliger Bezogenheit auf den Gouesna·
1J5
men als drille Größe. Ein anderes Beispiel: In neuerer Zeit hat S. Talmon
im Verhältnis von Partikularem und Universellem die kategoriale Unter-
scheidung von Gegebenheiten von Zielvorstellungen unternommen. so daß
Christentum und Judentum beide als partikulare Gegebenheiten erscheinen,
die heide Universalismen als Zielvorstellungen hegen können, so daß gera·
de im Beieinander solcher (und ggf. noch anderer) partikularen Religions·
gestalten Universalilät besteht. 136 Ein derartiges Konzept ist auf eine "dritte
Größe;' im Sinne Rosenzweigs nicht angewiesen; genauer: es läßt deren
SystemsteIle leer, weil das nichtidentische und nichtkonvertible Nebenein-
ander zweier Religionsgestalten hier nicht in sich als Problem aufgefaßt
wird. Das Konzept zielt somit nicht auf die biblische Vorstellung eines
Gonesvolkes aus Juden und Heiden, sondern auf das Nebeneinander, die
friedliche Koexistenz von Christentum und Judentum.
3. Schleiermacher als theologiegeschichtliche WeicheflstelJuflg. Es
scheint nach den bisherigen Überlegungen, daß die Eschatologie unseres
Untersuchungszeitraumes durch die Art und Weise, wie sie mil Schleierrna·
chers Problemstellung umgehl, sehr grundsätzlich unterschiedliche Wege
einschlagen kann, besonders auch mil Blick auf die Wahrnehmung des Ju-
dentums. Ertragreicher für das problemgeschichtliche Interesse dieser Un·
tersuchung dürfte dabei diejenige Rezeption Schleiennaehers sein, die sein
Dilemma aufzuheben sucht, weil sie damit gegen sein Verdikt der Nicht-
Iehrbarkeit Eschalologie als Lehre auszuführen bestrebt ist und so allererst
Eschalologiegeschichte schreibt. E. Brunners vielzitiertes Dictum, daß mit
Schleiermacher das "eschatologische Loch" in der evangelischen Tradition
aufgerissen wurde. dürfte dagegen vornehmlich für die Tradition gelten, die
Schleiennachers Problem beschreibung in ihrer Theologie umselzt. Diese
Tradition berücksichtige ich daher im folgenden zwar durchgehend, jedoch
nur exkursorisch. Im Mittelpunkt slehen diejenigen Quellen. die sich kri-
tisch mil Schleiennacher auseinanderselzen und die zu einem großen Teil in

135 S. Kap. 1.3. hicr S. 34-37.


136 TAU10N (1976) 166 spricht von einer ..,Gemeinschafl der Gemeinschaftcn"': daß Ictztere
partikular sind, ist fur ihn eine ..unil'l'rsall' l'mpiri.schl' TQ/sQche" (a.8.0. 161).
00040222

78 Zweiler Teil

der bisherigen Eschatologiegeschichtsschreibung nur wenig oder gar nicht


berücksichtigt worden sind. Dies gilt nicht zuletzt für denjenigen Theorie-
komplex, der hier im direkten Anschluß an Schleiermacher vorgestellt wer-
den soll und der vielleicht die entschiedenste und am größten angelegte An-
strengung bildet, seiner Eschatologiekritik zu begegnen: die Heilsge-
schichtliche Theologie.
00040222

ill. Die chiliastische Eschatologie


der Heilsgeschichtlichen Theologie

Es ist stets ein zwiespältiges Unterfangen, theologische Autoren zu Schul-


richtungen zusammenzufassen. Die beiden eschatologiegeschichtlichen Ex~
kurse des vorigen Kapitels gaben davon eine Probe, denn während man ei~
nerseits fraglos unter den Schülern Hegels einen sachlichen und persönli~
ehen Zusammenhang feststellen kann, bleibt andererseits der Sammelbe-
griff einer Vermittlungstheologie in beiderlei Hinsicht eher unscharf, so daß
die nachgehende Theologiegeschichtsschreibung genötigt ist, genau zu be-
stimmen, was mit dem ordnenden Oberbegriff gemeint sein soll. Dieses
Problem wiegt nicht allein dann schwer, wenn, wie so oft, die venneintli~
ehen Schulbezeichnungen historisch ursprünglich Fremdzuschreibungen
und als solche nicht sehen Spottnamen sind. Vielmehr ist im Fall des vor-
liegenden Kapitels der Begriff der Heilsgeschichte zwar anscheinend ein-
deutig als tenninologische Prägung desjenigen Autors zu identifizieren, der
zugleich als Schulhaupt der hier zu besprechenden theologischen Richtung
gilt: Der Erlanger Theologe J .C.K. v. Hofmann spricht 1841 von einer
..Heilsgeschichte". I Dennoch ist der Tenninus schon bei ihm nicht streng
definiert und in seiner lheologiegeschichtlichen Verwendung seither minde-
stens mehrdeutig. 2 Zugleich wird darauf hingewiesen. daß die originelle
Gestalt v. Hofmanns wenig geneigt war, Schule zu machen.) Auch hier ist
daher nur mit Vorbehalt von einer Schule zu sprechen.
Ein naheliegender und der in diesem Falle übliche Ausweg aus dem Pro~
blem wäre, die Bindung des Schul zusammenhangs an bestimmte Personen
zu lockern und sie staudessen an eine Definition der Sache zu knüpfen, die
dann infolge der historischen Entkoppelung zwar nicht von den schulbil-
denden Autoren selbst, sondern vom späteren Interpreten stammen müßte,
dafür aber von theologiegeschichtlich umfassenderer Synthetisierungskraft
wäre. In unserem Beispiel wird dann oft an der Stelle v. Hofmanns die Re-
kapitulationslehre des aItkirchlichen lrenäus von Lyon zum Schulhaupt der
Heilsgeschichtlichen Theologie. 4

I GREIG (1975n6) I [8 nennt v. UOFMANN (1841/44) 1,8 als ältesten Beleg.


2 Drei Iypische Verstehensweisen unterscheidei MIL.OENBERGER (2000) 1585f.
3 So BACHMANN (19103) 945.
4 Dieses Verfahren befolgen STADELMANN (1986) 35-37; EISSLER (1999) 151f. Skeplisch be-
züglich der Behauptung einer irenäiscnen Heilsgeschichte iSI dagegen STECK (1959) 10. Die \das-
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80 Zweiler Teil

Das vorliegende Kapitel befolgt eine andere Vorgehensweise, indem zu-


nächst v. Hofmann als Begründer eines problemgeschichtlichen Zusam-
menhangs analysiert und dieser dann bei benachbarten Autoren weiter ver·
folgt wird.

I. Analyse

Möglich ist diese Vorgehensweise, weil es im Umfeld v. Hofmanns gerade


mit Blick auf die Eschatologie Autoren wiederzuentdecken gibt, deren
Analyse eine schärfere Konturierung der damaligen Diskussionslage er-
laubt.

1.1. Person und Natur als eschatologische Grundbegriffe

I. v. Hofmann als Paradigma Heilsgeschichllicher Theologie. JOHANN


CHRISTIAN KONRAD V. HOFMANN hat keine Monographie zur Eschatologie
verfaßt. Sein literarisches Schaffen ist vor allem in drei Hauptwerken do-
kumentiert, die jeweils knappe Erwägungen systematischen Charakters vor·
anstellen und diesen dann ungleich umfangreichere biblische Exegesen als
Begründung folgen lassen. Dieser Tatbestand führte K. Barth zu der Ein-
sicht, v. Hofmann sei eigentlich in erster Linie als SchrifttheoJoge zu ver-
stehen. 5 Doch der Bezug auf die Bibel ist in den drei Hauptwerken ein je
anderer: In seinem Jugendwerk "Weissagung und Erfüllung" (1841/44)
sieht v. Hofmann in der Bibel eine Geschichte von Verheißung und Erfül-
lung, während sie in seinem bekanntesten Hauptwerk "Der Schriftbeweis"
e 1852/55; 2 1857/60) als Spiegel der Wiedergeburtserfahrung thematisch
ist. Im unvollendet gebliebenen Alterswerk .,Die Heilige Schrift" (1862nS)
schließlich ruht das ganze Interesse an der Bibel auf ihrer Auffassung als
des unverzichtbaren "bleibenden Denkmals" der Kirchengrtindung. 6 Ange-

sische Darstellung der HeilsgeschichIlichen Theologie durch WE"n1 (1931) beschränkl sich nuf die
drei Hauplvertreler im 19. Jh. und begnügt sich ansonSlen mil einer Erhebung ihrer unminelbaren
lradilionsgeschichtlichcn Quellen.
5 BARTII (1947) 557: näher ausgeruhrt von Barths Schüler HÜBNER (1956). der v. Hofmanns
Interesse an der Schrift freilich immer wieder von demjenigen an der Wiedcrgebunserfahrung
überlagen siehl (a.a.O. 16.22.33.63), wie auch STECK (1959) 32f. U.Ö. in einer ebenfalls unter
Banhs Ägide (und Herausgeberschaft) entstandenen Studie von v. tlofmann slärkere Orienlierung
am ..Won" forden.
6 Für v. HOFMANN (1841144) iSI dies aus der Dreileilung des exegelischen Corpus in allieSla-
menlliche Weissagung. neutestamentliche Erfullung und Weissagung ohne weiteres ersichtlich:
00040222

111. Die chiliastische Eschatologie der Heilsgeschichllichen Theologie 81

sichts dieser drei Zeugen theologischer Wahrheit - biblische Geschichte.


persönliche Wiedergeburtserfahrung, kirchliches Bekenntnis - greift die
Frage zu kurz, ob ein Beweis der Wiedergeburt aus der Bibel oder auch
umgekehrt möglich sei. 7 v. Hofmann geht es seinem wissenschaftlichen
Anspruch nach weniger um den Beweis dessen. daß die Wiedergeburtser-
fahrung oder die Bibel ,,stimmt", als um den Alifweis, daß persönliche Wie-
dergeburt, biblische Geschichte und kirchliches Bekenntnis übereinstim-
men. 8 Er selbst betont in seinen Hauptwerken, daß er jeweils nur einen
Aspekt der Beweisführung behandelt; folglich darf auch der herausgeho-
benste dieser Aspekte, der Gedanke der Wiedergeburt im "Schrift beweis",
nicht als Schlüssel zu seiner Heilsgeschichtlichen Theologie verabsolutiert 9
werden. Dies gilt auch für die vielzitierte Selbstanzeige des Jugendwerkes,
in der v. Hofmann "nur zwei Wege, welche einer selbständigen Wissen-
schaft würdig sind", sieht, nämlich den persönlichen von der Wiederge-
burtserfahrung aus und den geschichtlichen. Der Akzent liegt in diesem
Text gerade darauf, die Grenzen des eigenen Buches aufzuzeigen, wenn
v. Hofmann fortfahrt: "Es war der zweite von diesen Wegen, welchen ich
versuchsweise zu gehen haue."l0 Damit ist der andere Weg ja gerade nicht
ausgeschlossen - und ein dritter Weg mit Blick auf das spätere Hauptwerk
ebenso wenig. Dort heißt es nach der Vorstellung der drei möglichen Be-
weisgänge: "Doch wir haben es jetzt lediglich mit dem Schriftbeweise zu
thun."ll Man wird daher die frühe Einschränkung auf zwei Wege zu korri-

DERS. (1857160) zeigt den Zusammenhang zur Wiedergebunscrfahrung in der Zuordnung von
Lehrganzem und Durchruhrung des Schriftbeweises. Die bei DERS. (1862/78) l.ugrundeliegende
ekklesiologische Auffnssung der Bibel entspricht schon seinem sechsten Lehrsll1ck (Zitat DERS.
r185716011.50 [Lehrstück VIA J) und iSI ein Spezifikum v. Hofmanns.
7 Diese Frage prägt die Beschäftigung der Banhschulc (s. S. 80 Anm. 5) mit v. Hofmann. Die-
se ganze Frage nach einem wissenschaftlichen Ansatz bei der individuellen Erfahrung ist eher
diejenige der im engeren Sinne sog. Erlanger Theologie. also v.a. F.H.R. v. Franlts. der hier viel
stärker als v. Hofmann auf Schleiennocher zurlkkgreifl. Will man daher auch v. Hofmann in die-
ser Linie eines objektiven Subjektivismus sehen. muß man seine Differenz zu Schleiennacher
eOlweder beStreilen (so schon F.A. Philippi. der beiden Subjektivismus vorhielt: vgl. BACUMANN
[ 19101 32) oder dahin variieren. daß Schleiennacher im Subjektivismus befangen bleibe. den erst
v. Hofmann überwinde (SlUFEN r 1910133; WAPLER r 1914191 f.).
8 V. HOFMANN (1857160) 1.29: ..Es muß aber das Thatsächliche. welches wir bewiesen sehen
wollen. um wirklich von der Schrift bezeugl1.u sein. in Schrift und Syslem auch wirklich dasselbe
und gleiche: sein." Vgl. SWARAT (1986) 231 und a.a.O. 217 zur entsprechenden Dreiheit von
v. Bofmanns Werk.
9 So nimmt MILOENBERGER (1986) 478 an. daß v. Hofmann sich damit gegen historische Kri-
tik ..immunisien".
10 Zilllie V. HOFMANN 118441 (1910) 2.3.
11 DERS. (1857160) 1,24. Vgl. DERS. (1862/18) Ij2: ..Nur einen Theit der hier beschriebenen
Arbeit unternehme ich jelZl zu lhun."
82 Zweiter Teil

gieren haben nach der späteren Dreiheit, zumal sie nur im Interesse dessen
geschieht, daß auf jedem einzelnen der Wege dasselbe Ergebnis erzielt
wird: "Freilich müssen, wo es recht hergeht. Schrift und Kirche uns ganz
das Gleiche bieten, was wir aus uns selbst erheben.',12
Die analytische Aufgabe. die v. Hofmanns Werk stellt, besteht also we·
niger in der Priifung der Beweisgrunde ftir das Phänomen der Wiederge·
bun~ vielmehr ist zu fragen. wie sich die Übereinstimmung und Korrelation
der drei Aspekte der Theologie auf den Begriff bringen läßt. Ein solcher
Begriff wäre der tragende axiomatische Grund, auf dem v. Hofmanns
Theologie aufbaut und hinter den sie nicht zurückgehen kann. 13 Im folgen-
den sollen daher zunächst (a-b) v. Hofmanns vollendete Hauptwerke auf
eine solche tragende Begrifnichkeit hin untersuchl werden. Dazu wird sich
die Analyse an v. Hofmanns eigene Begrifflichkeil anlehnen. Das so ennil-
lehe Ergebnis kann dann selbst analysiert werden (c).
a) "Weissagung und Erfüllung". v. Hofmanns Jugendwerk behandelt
nach sieben kunen Grundlegungskapilein in drei Kapiteln mit mehreren
Unterabschnitten zunächst die altteslamentliche Weissagung (Kap_ VUI.I-
12), dann die neutestamentliche Erfüllung (Kap. IX.l-lO) und schließlich
die neulesiamentliche Weissagung (Kap. X.I-4). Schon durch diesen
Aufriß positioniert sich das Werk in der zeitgenössischen Diskussion, denn
die durch Schleiermachers Wirkung herrschend gewordene theologische
Richtung bestritt die Möglichkeit einer neutestamentlichen Weissagung
über das Auftreten Christi hinaus. 14
Dagegen versteht v. Hofmann die ganze Geschichte als Stufengang von
Weissagung und Erftillung. Schon dadurch gibt sich sein lheologisches in-
teresse an der "Geschichte" zu erkennen, das im folgenden noch genauer
untersucht werden muß. 1S Daß ihm die Geschichte in der Abfolge von
Weissagung, Erfüllung und neuer Weissagung als organisches Ganzes gilt.
iSI als ideengeschichtliche Ableitung von BedeulUng,I6 erklärt aber inner-
halb seines syslematischen Konzepts noch nicht, wie es zum Gedanken ei-

12 DERS. (1857/60) 1,11.


13 Zu diesem Verständnis von Axiomatik vgl. SAUTER (1998a) 267-278.
14 Grundsätzlich SCHLEIERMACIIER 11830131 J (1960) 11.113 (§ 103.3).
15 So sehen sowohl PROCKSCu (1910) 1034 als auch WAPlER (1914) 238 v.llofmanns clog.
mengeschtchtljche Bedeulung in seiner Theologie der Geschichle. freilich in je anderer Akzcntset-
zung: PROCKSCH a.a.Q. belont den eschalologischen Aspekl in v. Hofmanns GeschK:blSverstind·
nis. W AJ"Lat ••••0. siehl das Geschtchlsinteresse geradlinig in die Erlanger Theologie münden.
16 Das organologische Denken der Heibgcschichllichen 1beologic hebt in krilischer Diklion
V.a. ALTItAUS (1922) 73 hervor, DEItS. (1926) 89f. (noch ntchl 0ERS.(1924fl5J 6IOf.!) leilei es
vom Idealismus .b: revidien dies .ber später (DERS. (1949) 260 mit Anm. 3) unter dem Eindruck
von Wrnt (1931) 57.
00040222

BI. Die chiliastische Eschatologie der HeilsgeschichIlichen Theologie 83

ner neutestamentlichen Weissagung kommt. 1m Gegenteil läßt das Konzept


eines sich organisch entwickelnden Prozesses den Akzent eher auf dem die
Entwicklung bereits in nuce enthaltenden Anfang erwarten oder, wenn auf
seinem Ende, dann als auf dem prozeßhaften Vollzug. der damit zum Ziel
kommt l7 - aber nicht auf einem offenen Ende, wie es in v. Hofmanns Pro-
prium einer neutestamentlichen Weissagung der Fall ist. Zum Verständnis
seiner Argumentation scheint es daher wichtiger, sein systematisches Inter-
esse an der Eschatologie zu belOnen,1l1 wie denn fUr v. Hofmann typischer-
weise das ..Maß'·, "mit welchem alle geschichtlichen Erscheinungen zu
messen sind"...im Ergebnisse der Geschichte". in ihrem "Endergebnisse"
liegt. 19 Die organische Ganzheit der Geschichte ist für v. Hofmann also erst
eschatologisch begründet, und wegen dieses Vorbehaltes endet sein Buch
thematisch nicht mit Erfüllung, sondern mit Weissagung.
So erklärt v. Hofmanns Interesse an der Eschatologie zwar die auffällige
Stellung des letzten Kapitels von "Weissagung und Erfüllung". Doch für
sich betrachtet erhellt es noch nicht die des vorletzten. der neutestamentli-
chen Erfüllung. Das Problem besteht darin, daß diese zwar Erfüllung altte-
stamentlicher Weissagung ist. dennoch deckt sich das. was v. Hofmann als
Erfüllung anführt. sachlich nicht mit dem, was im Kapitel davor als Weis-
sagung thematisiert wurde. wie schon ein Blick auf das Inhaltsverzeichnis
7.eigt. Das Mißverhältnis beruht nicht. wie man aufgrund der abweichenden
zahl der Unterabschniue annehmen könnte, darauf, daß Teile alttestament-
licher Weissagung vom Neue" Testament erfüllt wurden und andere noch
als neutestamentliche Weissagung zur Erfüllung ..ausstehen". Diese An-
nahme einer stetig sprudelnden. ursprünglichen Verheißungsquelle könnte
nicht die Stlifung erklären, die v. Hofmann mit der klaren Aufleilung in drei
Kapilel Weissagung - Erfüllung - Weissagung vornimmt. Hierfür ist viel-
mehr eine strukturierende Begrifnichkeil vorausgesetzt. die im folgenden
cnnittelt werden soll. - Mil diesen bloß am Aufriß von v. Hofmanns Buch
orientierten Überlegungen sind bereits die Fragen aufgeworfen. auf welche
nun die begriffliche Analyse eine Anlwort geben muß.
In seinen grundlegenden Kapiteln will v. Hofmann die zeitgenössische
Differenzierung zwischen Weissagung und Vorhersagung, diese auf EinzeI-
ereignisse, jene auf einen Gesamtsinn zielend. überwinden. Weissagung
sagt ihm zufolge aus, was die gegenwärtige geschichtliche Situation .,an

17 Diese Akzenle liegen nahe. wenn man v. Hormann in idcaliSlischer bzw. hegelianischer
Ableitung verslehl.
18 So besoodeß PROCKSCH (1910) 1034.
19 ZiLale v. HOf)tM'N (1841/44) 1.33.
84 Zweiter Teil

Zukunft in sich trägt"; sie verbindet so Einzel- und Gesamt'sinn, sie erfüllt
sich in einzelnen Geschichtsdaten und erreicht doch in keinem davon den
Gesamrsinn. 20 Denkbar ist dieses Zugleich von Erfüllen und NichterfUlien.
weil die Weissagung der Erfüllung retrospektiv zugeordnet werden kann;
dann läßt erst die Erftillung die Weissagung als solche erkennen, weil sie
erst von don aus in ihrer Gewißheit erkannt wird?l Daraus folgen
v. Hofmann ruf die Weissagung, daß sie nur durch Inspiration erfaßt wer-
den kann, als Wirkung des Geistes Gottes. der auf die Seele des Weissa-
genden durch leibliche Vennittlung aus dem Bereich der Natur. d.h. durch
Naturwunder, einwirkt und ihn das Ende der Geschichte, die volle Gemein-
schafl der Menschheit mit Gon, vorweg erkennen läßt im Leben des Men-
schen Jesus Christus?2
Dies ist das systematische Grundgerüst für v. Hofmanns Darlegungen zu
"Weissagung und Erfüllung". Zur Verdeutlichung ist in historischer Sicht
zu betonen, daß dieses Verständnis ideengeschichtlich vom romantischen
Konzept der Weissagung als seelenkundlieh bestimmbarer Einfühlung oder
Ahnung scharf unterschieden ist. Der weissagende Prophet erkennt das En-
de der Geschichte nicht deshalb vorweg, weil er als religiöser Virtuose mit
besonders geniehaftem Geist ausgestattet wäre; gegen solche Vorstellungen
unterstreicht v. Hofmann vielmehr, daß Geist nie eine anthropologische.
sondern immer eine pneumatologische Größe sei. 2J Deswegen beharn er
auf einer nur zweigliedrigen Amhropologie: Der Mensch ist Seele und ist
Leib. Er steht in einem Gottes- sowie einem Naturverhältnis. Die Seele ver-
bindet ihn mit allen Menschen. sie macht seine Persönlichkeit aus. Der Leib
macht ihn zu unverwechselbar diesem Menschen. er macht seine Natürlich-
keit aus?' In der Seele vollzieht sich das Verhältnis des Menschen zu Gott,
im Leibe das zu der umgebenden Natur. Inspiration als Wirkung des Gei-

20 Zitat 4.a.0. 1.8. Vgl. a.a.O. 1.7 zur Altematj.,'e von ..Weissagung als Ganzes" und ..einzelnen
Wcissagungen".
21 Vgl. a.o.O. 1,15: don auch der Umkchrschluß, daß dic Erfllllung schon in der Weissagung
cnthaltcn sei.
22 A.a.O. 1.27 beslimmt v. Hofmann Inspiration als ..Gcistcswirkung auf den Menschen in der
Unfreiheit seiner individuellcn Natur" und schreibt l\.a.O. 1.33f.: ..In diesem heiligcn und seligcn
Menschen (sc. Jesusl ist die Geschichte. welche zwi§chen Gou und Menschen gcschieht. zu cinem
vorläufigen Abschlusse gekommen, dessen wir durch das Zeugniß des Geistes Gottes (sc. dureh
Inspiration) untrüglich gewiß wcrden."
23 A.a.O. 1.21.
24 Zu Seek und Leib vg!. La.O. 1,19f. und a.LO. 1,24: .Jn der Seek treffcn die Einwirtungen.
wekhe des Menschen Leiblichkeit erfähn, mit der Selbstbezeugung des Geistes zusammen." Und
wenig späler ebd.: Jene innerliche Sclbslbezeugung des Geistes gilt der PcJSOfl. der persönlichen
Menschensede: diese Einwirkung auf Wegen der Leiblichkeil gilt der 50 oder andc:rs geanclcn
Natur. der Individualität:'
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111. Die chiliastische Eschatologie der Heilsgeschichtlichen Theologie 85

stes Gones auf die Seele ist darum einfach ein persönliches Gottesverhält-
nis, das sich über das Naturverhältnis vennittelt.
Hier wird der Unterschied zu einer romantischen Psychologie der Weis-
sagung erneut greifbar: Was ihr zufolge die Weissagung auszeichnet, ist ihr
Ausnahmecharakter, das Wunderhafte. Wenn auch v. Hofmann Inspiration
als Naturwunder beschreibt, dann unbeschadet ihres Ausnahmecharakters
als vennittelnden Behelf in der soeben gezeigten Verhältnisbeslimmung des
Natürlichen zum Persönlichen. Jesus nun steht als natürlicher Mensch in
wahrhafter persönlicher Gouesgemeinschaft. d.h. in ihm ist die Natur nicht
mehr bloß Behelf der Person, sondern bildet mit ihr eine Einheit, und des-
wegen ist es diese Einheit von Person und Natur, welche die Inspiration als
das Ende der Geschichte vorwegerkennt. Das in der Weissagung vorweger-
kannte Ende der Geschichte ist also Jesus Christus. und weil es vorweger-
kanntes Ende ist, richtet sich die Weissagung auf die zukünftige Parusie
Christi. 2:5
Was die Inspiration in Jesus Christus vorwegerkennt, ist somit, auf den
Begriff gebracht, die Einheit von Person und Natur, wie sie in der Parusie
Christi besteht, und deswegen das Ende der Geschichte. Der Mensch kann
ein persönliches Verhältnis zu Gott nur vennittelt über die Natur erlangen,
Jesus besitzt ein persönliches GOllesverhältnis auch ungeachtet der Natur,
und die eschatologische Verheißung fügt beide Seiten zusammen. Mit Hilfe
der Begrifflichkeit von Person und Natur läßt sich nun das o.g. Problem der
Dreiteilung in der ausgeführten Darstellung von "Weissagung und Erfül-
lung" präzise erklären: Das Alte Testament, an dessen Eingang das Gottes-
verhältnis in seiner Zerstörung durch die Sünde gezeigt wird, kennt eine
Weissagung persönlichen Gottesbezugs nur unter Vennittlung über die
Natur (Kap. VlU). Im Neuen Testament bringt Jesus Christus dagegen ein
solches erfülltes Gouesverhältnis unmittelbar, auf der Ebene der Person, zur

25 A.a.O. 1.40: "Sonach haben wir an der Selbsldarslellung Chrisli in der Weil zugleich Ge·
schichte und Weissagung: Geschichte, nämlich immer fortschreitende Geslaltung der Gemein-
schaft von GOlt und Mensch: Weissagung. nämlich immer bestimmlere Hinweisung auf die endli-
che 11elztlichel Gestalt der Gemeinschaft von GOlt und Mensch." A.a.O. 1.38: "Nachdem wir nun
dureh Wirkung des Geistes Gottes und Jesu Christi in persönlicher, doch nicht in natürlicher Le·
bensgemeinschaft mit GOl! unscnn Vater stehen: haben wir uns I... ) zu überzeugen, daß durch
jene persönliche Gouesgemeinschaft die Natur aus ihrer Gebundenheit befreit und verklärt werde.
demnach von der NOlhwendigkeil einer zweiten Thai Goues in Christo". Diese Tal, die Parusie,
bedeulel auch Hir Jesus die Verk.lärung der Natur: .•Hieraus folgt, daß Jesus da überall, wo er sein
Verhältniß zu GOlt denen k.und zu Ihun haue, mit welchen er in einer durch seine Geburt bedinglCn
Naturgemeinschafl sland, der Inspinttion so bedürftig als fahig war"' (a.a.O. 1,57) und ~iter a.a.O.
[,59: "Wir I... ) geben nicht zu, daß seine Erscheinung im Fleische die völlige OlTenbarung GoUes
heiße".
000-4022~

86 Zweiter Teil

Anschauung (Kap. IX) und weissagt damit die Erfüllung auch der vermit-
telnden, natürlichen Seite, er weissagt also die Einheit von Person und Na-
tur (Kap. X)."
Mit diesem begrifflichen Gespann von Person und Natur ist die systema-
tische Grundlegung von v. Hofmanns Jugendschrift beschrieben; dieses
Doppelkonzept organisiert die Geschichte als ein Ganzes. Es strukturiert die
gesamte Geschichte vom Ende her, wie es v. Hofmann grundsätzlich gefor-
dert hat: zunächst Weissagung auf dem Gebiet der Natur. dann Erfüllung
auf dem Gebiet der Person, zuletzt Weissagung beider. Somit wird auch die
Bedeutung der Eschatologie durch die Korrelation von Person und Natur
verständlich; denn Dreh· und Angelpunkt der Eschatologie. die Parusie
Christi, ist die Einheit von Person und Natur, so daß mit Recht gesagt wur-
de, die Heilsgeschichtliche Theologie kenne eigentlich "nur eine Grund-
weissagung" , eben die Parusie Christi. Zugleich erweist sich mit dieser'
Konzentration auf die Parusie Christi der andere Satz als treffend: "Gerade
als Eschatologen sind alle Heilsgeschichtler christozentrisch." Man wird
daher mit dem Konzept von Person und Natur die systematisch tragende
Begrifflichkeit in v. Hofmanns Werk vor sich haben. 21 - Mit diesen Ergeb-
nissen ist nun v. Hofmanns zweites Hauptwerk zu vergleichen.
b) "Der Schriftbeweis". "Was soll bewiesen werden" im "Schriftbe-
weis"? Die Frage, mit der v. Hofmanns Argumentation in seinem wichtig-
sten Werk einsetzt,28 ist keineswegs bloß rhetorisch. Zwar bezieht sich der
drei Bände füllende Beweisgang offensichtlich auf das "Lehrganze", das
v. Hofmann auf zwanzig Seiten voranstellt. Doch noch davor betont der
Autor in seinen Überlegungen zu "Wesen und Gesetz des Schriftbeweises",
daß das Christentum keine abstrakte Lehre, sondern ein geschichtlicher
"Thatbestand,,29 ist, der dem Christen in seiner Wiedergeburtserfahrung
zueigen ist oder den er sich aus dem kirchlichen Bekenntnis ange-eignet
hat. Dieser Tatbestand stellt durch Christi Vennitllung den Christen in ein

26 A.a.O. 1.61: ..Von der Natur erwartet der Mensch des alten Testaments das Heil seiner Per-
sönlichkeit: der des neuen hat in seiner Persönlichkeit das Heil ftir seine Nntur:'
27 Diese Bedeutung der Begriffe Person und Natur fUr v. Hofrnanns eschatologisch orientiertes
Geschichtsverständnis haI am deutlichsten Wrn~ (1931) 87 hervorgehoben. von dern auch die
Zitate stammen (a.a.O. 58.156). PROCKSCII (1910) 1034 geht bei sciner Betonung des eschatologi-
schen Aspekts gar nicht auf Person und Natur ein, während HÜBNER (1956) IOSff. und BEHR
(1995) 76ff. die Termini hervorheben. aber abgelöst vorn Geschichtskonzcpt betrachten.
28 Zitat v. HOFMANN (1857/60) 1.5. Ich zitiere das Werk grundsätzlich nach seiner Lctztgestah
in der Zweitauflage. Obwohl sie v. Hofmann als Neuschrifl erschien (WAPLER [1914] 259). bestä-
tigt sie doch die Erslauflage. Deren Ver'Jnderungen berühren neben der Versöhnungslehre am
ehesten die alttestamentliche Geschichte.
29 Zitate V. HOFMANN (1857/60) LI.7.
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111. Die chiliaslische Eschatologie der HeilsgeschichIliehen Theologie 87

persönliches Verhältnis zu Gott. 30 So kommt v. Hofmann zu dem berühm-


ten Satz, daß "ich der Christ mir dem Theologen eigenster Stoff meiner
Wissenschaft bin... )1 Nimmt man beides zusammen, so ergibt sich, daß
v. Hofmann weder die Lehre noch die Wiedergebun als solche beweisen
will. sondern den sachlichen Lehrgehalt der tatsächlichen Wiedergebun,
wozu dann freilich über das geschichtlich erfahrbare Faktum der Wiederge·
bun hinaus auch Dinge gehören, die ewiger Art sind. Solche ewigen Tatbe·
stände berücksichtigt v. Hofmann im Schriftbeweis,32 sofern sie sich als
Voraussetzungen des Lehrganzen im Rückschluß aus der Tatsache der
Wiedergebun erheben lassen. Daraus folgt die für das Beweisverfahren
wichtige Unterscheidung zwischen geschichtlichen und ewigen Beweisge-
genständen. Wenn nämlich v. Hofmann bei der Durchführung seines Be·
weises mitunter feststellt, daß die Bibel zu bestimmten Themen "keine Leh·
re" enthalte. so heißt dies nicht. daß der fragliche Topos unzutreffend sei,
sondern kann im Gegenteil besagen, daß er einen ewigen Sachverhalt dar-
stellt, der in der geschichtlichen Wiedergebun implizien ist und darum vor-
ausgesetzt werden kann, ohne eigens explizien werden zu müssen.))
Die Unterscheidung von geschichtlichen und ewigen Sachverhalten tritt
nun sogleich in v. Hofmanns Lehrganzem auf den Plan. denn es beginnt im
ersten Lehrstück mit der ewigen Voraussetzung des Christentums, d.h. tra-
ditionell gesprochen: der (immanenten) Trinitätslehre. 34 Darauf folgt im
zweiten Lehrstück die Schöpfung, im dritten der Sündenfall, im vienen die
alttestamentliche Geschichte. im fünften die Christologie. im sechsten die
Skriptologie als Lehre vom Neuen Testament, im siebten die Ekklesiologie
als Lehre von den Sakramenten und von den Ständen und Institutionen und
im achten die Eschatologie. Man erkennt in dieser Anordnung, die hier
überblickshalber in den von v. Hofmann gemiedenen traditionellen Tennini
rekonstruien wurde. die Lokalrnethode eines J. Gerhard wieder. Heute wird
sie meisl als heilsgeschichtliche Gliederung bezeichnet,35 unter indirekter

30 A.a.O. 1.8: ,.das Chrislenlhurn iSI die in Jesu ChriSIO vemliuclte pel'SÖflliche Gemeinschaft
Goues und der Menschheil".
31 A.a.O. 1.10.
32 A.a.0. 1.31: •.Es gehön zur LaUierkeil derselben Isc. BcweisfUhrungl. daß man Vornusge-
se.tztes und eigens Ausgesagtes in dem Verhähni.sse. belasse. in .....elchem die Schrifl es biete!".
33 So LB. mit der zitienen FOfTfIulicrung (im Inhaltsverzeichnis) nJr Jesu Sündlosigkeil und
völlige Me.nschheit (a.•.O. 11/1,31.40). Dieselbe Fonnulierung deUiel a.•.O. 11/2.462 aber für den
Zwi.schenzusland eher an. daß er ein offenes Problem sei: und •.a.O. 11/1.413 legt sie Ablehnung
der fraglichen Lehre (hier deT HöllenJ'ahn) nahe.
34 A.a.O. 1.61: ..e..... ige Voraussel2ung~. Zu den folgenden Oberblictsangaben vgl. die Inhaltli-
\'erukhnisse ......0.
35 So HÄRLE (1995) 42. der da\'OO gruodSil2lich die lrinitarische Gliederung unterscheidet.
88 Zweiler Teil

Berufung auf v. Hofmann. der den Begriff der Heilsgeschichte ja geprägt


hat. J6 Ob diese Berufung zu Recht geschieht, ist freilich zu klären; schließ-
lich weisen einige Autoren darauf hin, daß v. Hofmanns dogmatisches Sy-
stem wesentlich uinitarisch strukturiert sei. 31 Seide Momente lassen sich
jedoch verbinden, wenn man die Trinität als ewige Dimension der Heilsge-
schichte und die Heilsgeschichte als geschichtlichen Vollzug der Trinität
begreift.)8 Deswegen soll hier zur Explikation von v. Hofmanns Argumen-
l'alion vor allem das Verhältnis von Ewigkeil und Geschichte in Trinität und
Heilsgeschichte bedacht werden.
v. Hofmann argumenLiert dazu (im ersten Lehrstück) so: Er begreift das
in der Wiedergeburt geschichtlich erfahrhare Christentum als in Christus
vermitteltes persönliches Gonesverhältnis des Christen und folgert daraus
ein geschichtliches Verhältnis Gones zu Christus. Von diesem schließt er
wiederum auf ein ebensolches ewiges, innergöttliches Verhältnis. Dies be-
sagt, daß erstens Christus, wenn er ein Gottesverhähnis vermittell, selber in
einem solchen stehen muß, und daß zweitens dieses schon bestehen muß
auch unabhängig von seiner Vermittlung an Menschen. damit es ihnen
überhaupt vermittelt werden kann.

Die so venniuelte Liebesgemeinschaft Gottes und des Christen hat zu ihrer Voraus-
setzung eine Gemeinschaft Gottes und Jesu Christi. welche. da an ihr Theil haben und
in persönlicher Gemeinschaft mit Gott stehen eins und dasselbe ist. indem Verhältniß
Gottes zu dem Menschen Jesus. zugleich innergöttliches VerhältniB sein muß. als
jenes geworden. als dieses ewig."

Indem v. Hofmann diese Argumentation im folgenden Abschnitt desselben


Lehrstücks ebenso auch auf den Geist anwendet, in welchem das ewig-
geschichtliche Verhältnis von Gon und Menschheit Bestand hai. ergibt sich
ihm die ewige Trinität als "ein innergöllliches Verhältniß", das die ge-
schichtliche Trinität geworden ist, nämlich die "Gemeinschaft Gottes und
des Menschen Jesus im Geiste Beider, und als solche die geschichtliche

36 S. S. 79 Anm. I.
37 W"PUR (1914) 211: ROtlu( 1997) 683: BECKMANN (2002) 284.
38 In analogem Sinne sagl BRElOERT (1977) 164: ..Diese Differenzierung in ewige und gt'-
schichlliehe. immanenle und ökonomische Triniläl ist der Schlüssel zum Verslaoonis VOll Hor·
manns System der HeilsgeschichlC M

)9 So v. HO':MANN (18S1/SS) I.3S (Lchrslikl 1.3). Der Satz ist grammalikalisch allerdings
unmöglich. weil dem mit .,indem" cingclcitclen NebensalZ das Pridikal rehl!. Deswegen iSi •.in-
dem" in zwei Wönem zu schreiben. und das Komma nach .Jesus" ist zu ~rejchen. so daß sich
ergibt: ..eine Gemeinschaft Gones und Jesu Christi. welche (... ) in dem Vertl5l!niB Goues zu dem
Menschen Jesus zugleich innergöllliches Verhälrniß .sein muß. als jenes geworden. als dieses
ewig~.
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U1. Die chiliaSlische EschalOlogie der Heilsgeschichllichen Theologie 89

Voraussetzung der Gemeinschaft Gottes und des Christen geworden ist".40


Mit dieser Überlegung kann v. Hofmann argumentieren, daß die ewige Tri·
nität geschichtliche Trinität aus sich heraus· und in Gang setzl. v. Hofmann
befolgt hier in umgekehrter Richtung das Schlußverfahren von der Wieder-
geburt zum geschichtlichen und dann zum ewigen gott-menschheitlichen
Verhältnis, wenn er schreibt: "Aus dem, wozu es geworden, erhellt, wofür
es ist."41 Allerdings mutet diese Umkehrung wie ein naturalistischer Fehl-
schluß an, der das, was ist, als das ausgibt, was auch sein soll. v. Hofmann
scheint hier sein argumentatives Konto zu überziehen, indem er theologi-
sches Soll auf die Istseite bucht. Jedoch liegt der Akzent in diesem und dem
vorigen Zitat auf dem Gewordensein - und damit auf dem Werden, nicht
dem Ist.
So sagt v. Hofmann, die ewige - traditionell: immanente - Trinität sei
die geschichtliche - traditionell: ökonomische - geworden. sie ist sie nicht
und ist darum auch nicht "dieselbe" wie sie. 42 Der Unterschied besteht dar·
in, daß das gott-menschheitliche Verhältnis als innergöuliches, also als im-
manente Trinität, ewige Bezugspunkte verbindet, als ökonomisches dage-
gen geschichtliche. Folglich richtet sich das Verhältnis Goues zur Mensch-
heit in der ewigen Trinität auf den Menschen schlechthin, die Menschheit
als solche: "Damit, daß Gou dreieinig ist, will er auch den Menschen Got·
tes, daß er werde.,,4J In der geschichtlichen Trinität erfaßt das fragliche
Verhältnis dagegen den Menschen Jesus. 44 Damit ist deutlich, daß Christus
nach seiner menschlichen Natur bei v. Hofmann nicht in die immanente
Trinität. etwa als ihre zweite Person, gehört. Beim ausgeführten Schriftbe-
weis für das erste Lehrstück bestreitet v. Hofmann demgemäß nachdrück-
lich eine ewige Zeugung Christi und damit die Präexistenz Christi als des
Menschgewordenen: "Ich finde nur ein ewiges Verhältniß Christi zu GOII
ausgesagt, nicht eine ewige Zeugung aus Gott."'" Präexistent ist nur Christi
gÖllliches Ich; seine Menschheit ist auf seine geschichtliche Existenz be-

40 Zitate DERS. (1857160) 1.36 (Lehrstück 1.5).


41 Elxt
42 BREIDERT (1977) 164 verweist zu Recht aur die Bedeutung einer Habilitationsthese
v. Hormanns: ..trinitas duplex e~i1. ttetema et temporalis".
43 v.IIOfMANN (1857/60) 1.36 (Lehrstück 1.5).
44 A.a.O. 1.36 (Lehrstück 1.6). Schwerlich zu Recht behauptet daher BElIR (1995) 65. bei
v. Hofmann sei "der Mensch Jesus Christus" als ,.ewiger Gott" aurgdaßt.
45 v. HOFMANN (1857/60) 1,122. Zwar findel v. Hornlann flir eine gÖlIliche Sclbstunterschei-
dung. also das inncrgöllliehe Verhältnis. keinen Schriftbeweis. wie man ihn in der alllesiamentli-
ehen Rede von GoUes Weisheit (a.a.O. 1.102) oder seinem Won (a.a.O. 1.104.116) vemlutel hat.
Das innergöuliche Verhältnis zählt vielmehr zu den ewigen Gegebenheiten, die nicht direkt. son-
dern im Rüekschluß erhoben werden (a.a.O. 1.90), s. S. 87 Anm. 33.
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90 Zweiter Teil

grenzt. v. Hofmann faßt seine rtickschließende Methode sowie sein Ver-


ständnis von immanenter und ökonomischer Trinität daher zusammen mit
dem zentralen Gedanken des Gewordenseins:

ID]ie Selbstaussage Jesu. durch seine Geschichte bestätigt. sie ist es gewesen. welche
gelehrt hai. daß zwischen Gon. dem Vater Jesu Christi. und zwischen Jesus. dem
Sohne Gones, ein innergöuliches Verhältniß besteht, welches nicht geworden, son-
dern ewig ist. welches aber geschichtlich aus einem Verhältnisse GOlles zu Gott ein
Verbältniß Gones zu dem Menschen Jesus geworden ist.oll>

Dieses Gewordensein bringt v. Hofmann (im zweiten Lehrstück) auf den


Begriff einer "Ungleichheit", in die sich die ewige Trinität zur geschichtli-
chen begeben hat. Diese Ungleichheit besteht, wie gesehen, in der (nicht
numerisch gemeinten) Differenz des Menschen schlechthin zum geschicht-
lichen Menschen; sie besteht darin, daß das ewige Verhältnis Gottes zur
Menschheit sich als Verhältnis Gottes zu geschichtlichen Menschen voll-
zieht, und deswegen ist die Schöpfung des Menschen die notwendige Be-
47
dingung dieses Vollzugs. Die Menschheit. die ewig nur als Willensgegen-
stand des innergöttIichen Verhältnisses der drei göttlichen Ich personen aus-
sagbar war, wird geschichtliche Realität. Damit aber geschieht etwas
grundlegend Neues: Die Menschheit ist nicht mehr nur gewollt, sondern
wirklich. Sie ist nicht mehr nur der Bezugspunkt des Wollens der göttlichen
Ichpersonen. nicht mehr nur personal, sondern hat ihr eigenes Dasein in der
geschöpflichen Welt. Menschheit als Schöpfung hat einen Gottes- und ei-
nen Weltbezllg.
Mit Hilfe des hier neu hinzugetretenen Moments kann auch das Verhält-
nis der trinitarischen Personen näher bestimmt werden, denn sie lassen sich
nun auf die Welt beziehen. Dieser Weh bezug unterscheidet die geschichtli-
che von der ewigen Trinität, er macht die Ungleichheit beider aus:

Die in sich selbst ungleich gewordene Dreieinigkeil ist es. welche mit ihrer ersten
Selbstbelhäligung den Anfang der geschichllichen Verwirklichung des ewigen GOI-
teswillens gesetzl haI. r... )
Das Verhältniß Gottes des Valers und des Menschen Jesus im Geiste Beider ge-
staltet sich. hieher übertragen. zum Verhältnisse Gottes des überweltlichen Schöpfers

46 A.a.O. 1.173. Die Präexistenz des götllichen Ichs Chrisli explizien v. Hofmann mit den loci
c1assici aus dem Johannesevangelium sowie mit v. Hases sog. Aerolith aus dem johanneischen
Himmel (a.3.0. 1.139). Die Existenz des Menschen Jesus wird dagegen. ebenso klassisch. llffi
Philippe.rhymnus erläuler1 (a.a.O. 1,149-152), Die enlsprechende Erschließung der Personalitäl des
Geistes aus dem Neuen Testament geschieht a.a.O. 1.190.197.
47 Zilal a.a.O. 1.37 (lehrslück 11.3).
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111. Die chiliaslische Eschatologie der Heilsgeschichtlichen Theologie 91

und Gottes des urbildlichen Weltziels in Gott dem inwelllich wirksamen Lebensgrun-
de.
Dieses innergöulichen Verhüllnisses AbbiJd. weil Verwirklichung des ewigen
Goneswillens [... 1. ist das Verhällniß zu Gon, in welches der Mensch geschaffen
worden. Geschaffen nämlich einerseilS als das Ich. rur welches die Weh und welches
ftir die Liebesgemeinschaft mit Gon ist, und andererseits als gleichartiger Theil der in
ihm zum Abschlusse gekommenen Welt. dort als Person selbstbestimmbar. hier als
Natur sich zum Minel seiner selbst dienend, ist er das geschöpfliche Abbild Gottes
des urbildlichen Wellziels."

Solange nur die Kategorie des Personalen zur Verfügung steht, kann der
geschichtliche Vollzug des ewigen innergötllichen Verhältnisses nicht aus-
gedrückt werden; dies erlaubt erst der Bezug zur geschaffenen Welt, der im
letzten Absatz des Zitats auf den Begriff des Naturhaften gebracht wird.
Das für v. Hofmanns Systematik grundlegende Verhältnis von Ewigkeit
und Geschichte, immanenter und ökonomischer Trinität läßt sich damit in
den Begriffen Person und Natur ausdrucken, die sich uns als die tragende
Struktur schon seines Jugendwerkes erwiesen. Damit wird auch kJar, war-
um v. Hofmann die immanente zur ökonomischen Trinität werden sieht.
Immanente Trinität ist ein reines Personenverhältnis. ökonomische Trinität
aber ist Personen- und Natlln'erhältnis.
In der Differenzierung von Person und Natur also vollzieht sich die ewi-
ge Trinität geschichtlicherweise; das Begriffspaar ist das Scharnier am
Übergang vom ersten zum zweiten Lehrstück. v. Hofmann kann von dieser
grundlegenden Differenzierung aus die gesamte weitere Durchführung des
Lehrganzen durch die Zuordnung von Person und Natur strukturieren. So
fonnulien er in der Sündenlehre (im drillen Lehrstück) den Gedanken, daß
der Anlaß für die Sünde im Natürlichen liegt, aber zurückwirkt auf die Per-
son, die als sündige von einem anderen als Gottes Geist, einem dämoni-
schen Geist also, abhängig iSl. 49 In einer weniger komplexen Gestalt ge-
braucht v. Hofmann dieselbe Regel bei der alttestamentlichen Geschichte
(im vienen Lehrstück), wenn er die Daten dieser Geschichte auf den Nen-
ner bringt, daß Gottes Geist stets zu der Menschen ..leiblichen Ohren"
spricht und darin naturvennittell auf ihre persönliche Rückwendung zu ihm
· . k1.,.
hmWlr

48 Die drei zilienen Absätze a...O. l,36r. (IUS Lehrstück 11.2.4.05). De1 ktzle Absa12 steht fast
identisch 1.1.0. 1,283r. im ll.lSgertilu1C:n Schriflbeweis zum zweiten Lehrstück..
49 A...O. 1.40 mit der Konsequenz einer eigenen DämDnologic (Lettnlück 111).
50 litll u.O. 1,573. A.a..0. 1,41-405 nennt die Urgeschidlle. Israels VolkJgrOndung, Priesler-.
KÖflig- und Prophelenaml sow;c den aJl1cswnc:nllK:hen KIIIOO ab Elappen dieser t)'JlOlogisch
versundenen Geschichte.
92 Zweiter Teil

Kein Teil des "Schriftheweises" zeigt jedoch das Profil der Verhältnisbe-
stimmung von Person und Natur so scharf wie sein rneislumstrinener, die
Christologie und Soteriologie (im ftjnften Lehrstück). Die folgenden Über-
legungen zu heiden Themen konzentrieren sich daher und in Anbelracht der
reichen Erforschung der historischen Streitigkeiten 51 auf jene Verhältnisbe-
stimmung. Dies scheint um so eher gerechtfertigt, als nach dem Urteil die-
ser Erforschung v. Hofmanns Gegenentwurf weniger auf den begriffsge-
schichtlichen Aspekt (z.B. StraOeiden, Stellvenretung) der Versöhnungs-
52
lehre zielte.
Christologie versteht v. Hofmann im ..Schriftbeweis" grundsätzlich als
den Locus, wo sich das eigentlich zu Beweisende. das Verhältnis von GOIt
und Menschheit, realisiert. Wirklich ist dieses Verhältnis zwar, wie gese-
hen, schon mit der aufkommenden Korrelation von Person und Natur durch
die Schöpfung. Doch ist das Schöpfungsleben durch natürliche Einflüsse
fehlgeleitet worden unter einen anderen als Gottes Geist. Realisierung des
gott-menschheitlichen Verhältnisses heißt in der Christologie darum Her-
stellung dieses Verhältnisses als eines nicht von der Sünde bestimmten. S3
Wenn aber Sünde heißt, daß der Mensch sich durch sein Naturverhältnis an
einen ungöttlichen Geist leiten läßt, dann ist die Überwindung der Sünde so
zu beschreiben, daß die Natur fiihig gemacht wird, den Menschen zu einem
persönlichen Verhältnis zu Gottes Geist zu fUhren. Venninlung des Perso-
nenverhältnisses über das Naturverhältnis ist nun zwar auch Gottes kenn-
zeichnende Handlungsweise in der Geschichte der alttestamentlichen Zeit;
v. Hofmann versteht sie dort aber als bloße Indienstnahme der Natur, wäh-
rend es ihm in der Christologie um eine Veränderung der Natur, ihre ,.Gut-
machung" aus der Verderbtheit heraus, gehtS4 - freilich zum Zwecke ihrer
künftigen, ungeminderten Indienstnahme. Daher ist es völlig konsequent.

51 Einschlägig sind v.a. STEFFEN (1910): BACUMANN (1910): WAI'WR (1914) 237-262:
GRÄOER (1922). aber auch Rmu.s (1997) 684-688. Zu allemlltiven theologiegeschichllichcn Be-
zügen s. freilich Exkurs 3 (5. 98ff.).
52 In der Zweitaunage des .,Schriftbeweises" greif! v. Hofmann bereits. wie BACIIMANN
(1910) 53f. zeigl. die lraditionelle Begrifnichkeil durchaus wieder auf. ohne doch seine Posilion zu
verändern.
53 Z.B. V. HOfMANN (1857160) 1U1.214.
54 Für das VeßÖhnung,sgeschehen finden \'erschiedcne Ausdruckslol.'eisen Gebrauch. :t.B.
....0. IVI,275: "Wandelung des Verhiltnisscs GOlles und der Menschheir' (vg!. a.I.O. IVI,455).
Von .•Gulmachung der Sünde und nichl Ersatz der Strafe" (DElIs. 11856) 119931 239: dazu
BACHMANN 119101 46) sprichl v. Hofmann in der ersten seiner Schutz.sehrifu~n. Wk Bachm3nn
....0.22 weilerhin erwähnl, ist v. Hofmann im .Schriftbeweis" wichlig. daß Jesus am Kreuz die
menschliche Ilur unler den Bedingungen äu6cßler Enlfremdung ..bewlhn; LB. v. HOFMANN
(18S716O) lVI ,319.455. 0ERs. (1&41/44) 1.38.58.60 sprach zudem von einer Verltllirung der Nalur.
00040222

lll. Die chiliastische Eschatologie der Heilsgeschichtlichen Theologie 93

wenn v. Hofmanns Christologie ganz im Zeichen des Naturbegriffs steht,


wenn er Jesus Christus nur eine menschliche Natur zuschreibt, keine göttli-
che. Dies ist denn auch in der Christologie (im engeren Sinne des Wortes
als Lehre von der Person Christi) ausdrücklich v. Hofmanns Ansicht; die
ewige zweite göttliche Person der immanenten Trinität wird in der ökono~
mischen Trinität der geschichtliche Mensch Jesus, und das ist die Selbstent-
äußerung Goues, seine Kenose. 55 Für v. Hofmann ist Jesus Christus darum
!licht der anse/mische Gottmensch, sonden! der Mensch Goues. Wie der
Mensch Jesus nicht in die ewige Trinität gehört, so die zweite göttliche Per-
son nicht in die geschichtliche. 56 Die göttliche Würde des Menschen Jesus
liegt vielmehr gerade in seiner menschlichen Natur, weil er der eine
Mensch ist, in dem das GOllesverhältnis .,das Aeußerste, was dem sündigen
Menschen nach seiner Naturseite durch Gottes Zorn widerfahren kann",
nämlich Kreuz und Verbrechertod, zu tragen und sich so zu bewähren ver-
mag. Indem v. Hofmann Christologie und Soteriologie so als die Ge-
schichte der Befahigung der menschlichen Natur zum persönlichen GOlles-
verhältnis auffaßt, bezieht er zugleich Stellung zur Lehrtradilion des Locus,
denn der Gedanke der Gutmachung der menschlichen Natur ist seine zu-
sammenfassende Reinterpretation der Lehre von Christi stellvertretender
Genugtuung, und mit der Betonung der Rolle von Christi menschlicher
Natur57 führt er das orthodoxiekritische Anliegen der kenotischen Christo-
logie weiter. So entsteht ein eigenes. das heilsgeschichtliche Konzept.
Christologie steht demnach als Verwandlung der Natur zugleich in Zu-
sammenhang wie Differenzierung mit dem Allen Testament und wird durch
die zusammenhängend fortlaufende Geschichle ihrerseits differenziert von

55 KeoOlische Chrislologie behandelt demnach rur v. Hofmann die Bewegung von immanenler
zu ökonomischer Trinität. nichl den Lebenslauf Jesu von hoheitlichem Auftreten im ..galiläischen
Frühling" zur Erniedrigung in der Passion, wus wenig später die durch E. Renan angeregte Leben-
Jesu-Forschung beschäftigte. v. Hofmann ist durch seinen Frngehorizonl. wie BRElDERT (1977) 23
beslätigl. auch über die Streitfrage hinweg. die im 17. Jh. zwischen dt:n Gießencr uoo Tübinger
Fukutlälen verhandelt wurde. ob lesus in seiner irdischen Erniedrigung den Gebrauch seiner gÖII-
lichen Eigem.chaflen geradezu preisgegeben (Gießener Keoosechrislologie) oder nur verborgen
geübt (Tübinger Krypsischristologie) habe.
56 v. HOfMANN (1841/44) 11.18 sagt bereits. daß Jesus .,Person gewesen. ehe er Mensch ward.
und also schon in Gemeim;chaft de.c; Geistes mit GOll stand, als er Mensch ward", Vgl. DERS,
(18.57160) IVI.21: .,die menschliche Nalur haI er zu seiner. des e .....igen GOlles. Nlllur". Vg1.
BREIDERT(l977) 175,
57 Hierin siehl STEff'EN (1910) I [9 den Unterschied zu RilSChls Interesse an der Person (vgl.
das Zilal aus v, UOFM....NN 118.57/6011.48 ILehrstück V,61). Die Krilik. daß es Y. Hofmann nicht
um die Natur des Menschen gehe (BeIIR 1199.5199). scheinl kenOli.sche mit doketischer Christolo-
gie:zu yerwechseln.
94 Zweiler Teil

der Zielvorstellung einer Einheit von Person und Natur. 58 Was das Alte Te~
stament von der Natur erhoffte - die Vennittlung eines persönlichen GOI-
tesverhältnisses -. soll in Christi Parusie zusammentreffen als Verklärung
der Natur zur Gottesgemeinschaft: Das ist der heilsgeschichlliche Span-
nungsbogen, mit dem v. Hofmann alle Geschichte vom Eschaton her orien-
tien. Darum kann er auch nach der Christologie die Kanonfixierung und die
Ekklesiologie samt christlicher Gesellschaftslehre anhand der Begrifnich-
keil von Person und Natur entfalten: Die Festlegung des neutestamentlichen
Kanons (sechstes Lehrstück) läutet eine Zwischenzeit der christlichen Ge-
meinde ein, in welcher der Geist Gottes das Person- und nun auch das Na-
lurleben leitet, die aber, heilsgeschichtlich gesprochen, ein bloßes Warten
auf die abschließende Verklärung der Natur ist. 59 Ebenso die Kirche (sieb-
tes Lehrstück) hat in den Sakramenten die Vollendung der Natur nur als
,jenseitiges BesilZthum". weil sie. für die Christi Geist •.ihres Person lebens
wirksamer Grund und ihres Naturlebens bestimmende Macht ward". doch
noch ..inner der angebornen [also sündigen] Natur" steht. 60
Erst die Eschatologie (achtes Lehrstück) bedeutet die Vollendung der
Natur zu ihrer Einheit mit der Person und handelt damit ebenso von einer
Verwandlung der Natur wie schon die Christologie. Ging es dieser darum,
daß die infolge der Sünde an widergöltlichen Geist fehlgeleitete Natur eine
Vermittlung göttlichen Geistes nicht mehr hindern soll. so wird in der Es·
chatologie nun endgültig ausgeschlossen, daß die Natur Mittel widergöuli·
cher Geistwirkung sein könne. Die eschatologisch vollendete Gemeinschaft
von Gott und Menschheit bedeutet demnach die Einheit von Person und
Natur, während das persönliche Verhältnis zu widergönlichem Geist61 ohne
eine vermittelnde Naturbasis wirkungslOS bleibt. 62 Schon das zeigt, wie

S8 v. HO';MANN (1857/60) 1.,55 (Lehrstück '111I.5): Die Gemeinde wird ,,durch Wandlung ihrer
menschlichen Natur zur Unbedingtheit ihrer Gouesgemeinschaft vollendet".
59 Vgl. a.a.O. 1I/2.97f.: •.Für die Zwischenzeit. sagen wir weiter. ist die Kirche Christi. welche
also eine heidnische sein wird, lediglich der heilig~n Schrift unterstellt. weil so lange die Heilsge·
schichte keinen Fongang nimmt. der ein Neues brächte:'
60 Zitate a.a.O. 1.,51.49.5 I (L.ehrstUck VIV1.4: VI,I: VIVI.2).
61 v. Hofmann bearbeitet so das venniulungstheologische Problem der hypothetisch noc.....-en·
digen Verdammnis.
62 Die Eschalologie ist durchgehend von diesem Gedanken bestimmt. Das hei& zum ~iflf'n.
daß die natürlkhen Formen. unt~r denen die kirchlkhe Sakrament.sJam:ichung den Geist Gones
miueill. ihre Voriäufigkeil und Zweideutigkeit ablegen und steh zu fester. sichtbarer Gestall wan·
dein. Als solche Gestalten lehn v. Hofmann die Bekehrung Isrzls und das Millennium in ge·
meindlkhem sowtc die Auferstehung und dtc Neuschöpfung von Hinunel und Erde in mensch-
heitlichem Horizont (LehT51ück VIII.,5). Durch denselben Wandel zur Eindeutigkeit kommen zum
oTld~f'~n diese.lben natürlkhen FClm'len als Betäligungsfeld eines anden:n als des göttlichen Cki5te5
in Fonfall. SO daß die sündige ..Abhingigkeil von dem Atgen~ ohne Betätigung ist. So khn
00040222

1I1. Die chiliastische Eschalologie der Heilsgeschichtlichen Theologie 95

wichtig das Konzept der Natur für v. Hofmanns Eschatologie ist. Es-
chatologie als Vollendung der Natur korrespondiert sodann genau dem, was
v. Hofmann bei Einführung der tragenden Begrifnichkeil von Person und
Natur als Erwartungshorizont der aluestamentlichen Geschichte ausmachte:
die ungehinderte Venniltlung eines persönlichen Gouesverhältnisses durch
die Natur. Christliche Eschatologie als Vollendung der Natur richtet sich
auf nichts anderes, als was auch aluestamentliche Zukunftserwartung er-
hofft; beide stehen in einem Spannungsbogen, der mit der Ungleichheit
beim Übergang der ewigen in die geschichtliche Trinität eröffnet wird und
erst im Eschaton selbst zur Ruhe kommt. In dieser Gemeinsamkeit von
Christentum und alttestamentlichem Israel ist es begründet, daß für
v. Hofmann die gesamte Geschichte, wenn sie als Heilsgeschichte, also im
Blickwinkel jenes Spannungsbogens betrachtet wird, israelitisches Gepräge
trägt: "Daß die in der Schrift enthaltene Geschichte israelitisch ist, das
macht sie zur heiligen Schrift, zum Worte Goues: denn Israel ist das Volk
des heilsgeschichtlichen Berufs.,,63
Als Ergebnis läßt sich somit festhalten, daß v. Hofmann in seinem
Hauptwerk ebenso wie in seiner Jugendschrift mit Hilfe der Begriffe Person
und Natur auf eine theologische Deutung des umfassenden Geschichtslu-
sammenhangs als eines von der Geschichte Israels eröffneten eschatolo-
gischen Spannungsbogens zielt. Das religiöse Thema der Geschichte ist
demnach die Gutmachung und schließliche Verklärung der Natur zur Ein-
heit mit der Person, d.h. die allmähliche Befahigung des menschlichen
Weltverhältnisses, Träger des Gottesverhältnisses zu werden. Sofern die
Geschichte in dieser theologischen Betrachtung erscheint, ist sie Heilsge-
schichte. Die Begrifflichkeit von Person und Natur strukturiert so die theo-
logische Thematisierung der Geschichte als ganzer und kann darum als die
theologische Axiomatik von v. Hofmanns Konzept gehen,64 und die Einheit
beider in Christi Parusie bildet den Ausgangspunkt seiner Eschatologie.
Zugleich liegt hier auch der Ansatzpunkt für v. Hofmanns eschatologische
Sicht auf das Judentum, die im zweiten Unterabschnitt dieses Kapitels be-
handelt wird. Zuvor soll jedoch das Begriffspaar "Person und Natur" auf

Y. Hofmann den AntichriSI als innergemeindliches GeriChl neben dem uniyersellen (Zitat a.a.O.
1.57lLehrslück Vlll8]).
63 A.a.Q. 1.27.
64 Darauf weist schon v. Hofmanns schärfster Kritiker Kl.lEF0111 (1860) 205 hin. um sofort zu
bemerken. daß beide Bcgriffe bei v. Hofmann inkommensurabel seien. da er Nalur als Subslanz
denk~ und auf Seele und Leib beziehe (a.a.O. 207). Pcrson dagegen relalional auffasse und mit
dem Willen verbinde. Unserer Analyse zufolge bezeichnen freilich beide Begriffe Verhältnisse
und keine Substanzen.
% Zweiter Teil

seinen systematischen Charakter und seine theologiegeschichtlichen Zu-


sammenhänge hin beleuchtet werden.
c) Eschatologie oder Alllhropologie als Hor;zonl \'on Person und Natur?
In den vorstehenden Analysen wurden die Begriffe Person und Natur mit
Blick auf ihre Funktion ftir die Strukturierung der Geschichte herangezo-
gen, die in ihrem Licht als eschatologisch begründeter Spannungsbogen
erscheint. v. Hofmann fUhrt heide Begriffe freilich in einem anderen Zu-
sammenhang ein, nämlich in der Anthropologie zur Explikation des Zu-
sammenhanges von Seele und Leib. Das Verhältnis dieser beiden in Frage
kommenden Kontexte der BegrifOichkeit bedarf darum näherer Untersu-
chung, und dies um so mehr, als v. Hofmann an der fraglichen Thematik
1852 eine Korrektur gegenüber dem Jugendwerk angebracht hat, die in der
Forschung m.W. bisher nicht berücksichtigt wurde.
1841 entspricht jene Doppelheit von Person und Natur präzise der zwei-
gliedrig verstandenen Anthropologie von Seele und Leib, so daß v. Hof-
mann den Geistbegriff nur pneumatologisch gebraucht. 1852 wird dagegen
vom Geist in einem anthropologischen Sinne gesprochen. 6S Auch die Kon-
stellation von Person und Natur hat sich 1852 verändert: War zuvor die Per-
son als die Seele, also das Menschheitliche, und die Natur als der diesen
Menschen auszeichnende Leib verstanden, so liest man jetzt, der Geist ma~
che den Menschen zu einem lebendigen Wesen, die Seele mache das Ein-
zelleben aus, der Geist sei das sittlich Bedingende. die Seele das Bedingte
am Menschen. 66 Dies suggeriert zunächst den Eindruck. v. Hofmann habe
in seiner anthropologischen Theoriebildung das Verhältnis von Seele und
Leib durch dasjenige von Geist und Seele ersetzt. Dieser Eindruck zerstreut
sich aber dadurch, daß er 1852 noch dieselben Aussagen über den Leib tref-
fen kann wie zuvor. Da er auch weiterhin an der Ablehnung einer dreiglied-
rigen AnthroJX>logie festhält,61 sind die neuen Äußerungen auch nicht im
Sinne einer Differenzierung von Gottes-, Selbst- und Weltverhähnis als
Geist, Seele und Leib zu verstehen. Es bleibt somit nur die Möglichkeit. daß
v. Hofmann die Verhällnisbestimmung von Seele und Leib, wie er sie 1841
vorgenommen hatte. 1852 in den Zusammenhang seines trinitarisch struktu-
rierten Gesamtkonzepts gestelh haI. D.h. der Mensch als Seele und Leib
erscheint jetzt nach diesen heiden Seiten als unter den Einfluß des göttli-

65 Z.8. Y. HOFMANN (185US5) 1.235. Weitere Retrllkulionen: ....0. 1.258 Anm. 100.108:
1.260 Anm. I 16.
66 A.a.O. 1.26Of.: Der GeiSi gill als sill..Iich Bedingendes. die Scde als Bedingtes am Men·
,,""'.61
A.a.O. 1.2.59. Khefoths Kritik (s. S. 95 Anm. 64) mag freilich auf das o.g. suggeriene Ver·
51indnis zurückgehen.
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m, Die chiliaslische Eschalologie der Heilsgeschichtlichen Theologie 97

ehen Geistes gestellt, der auf Seele und Leib einwirkt: nämlich auf die See-
le, und dies auch durch Venninlung des Leibes, Für die Dämonologie häh
v, Hofmann im "Schriftbeweis" dies sogar als Regel fest,68 und sein Ver-
ständnis von Geschichte überhaupt zielt ja auf eine Einheit von Seele und
Leib, die solche Vernliulung zur Unmittelbarkeit aufhebt Es scheint daher,
daß v, Hofmann sein Verständnis des Verhällnisses von Person und Natur
1852 njcht geändert, sondern nur in einen größeren Rahmen gestellt hat.
Gerade weil aber das Verhältnis von Person und Natur die durchgehende
Konstante seines theologischen Denkens ist, könnte die genannte Selbstkor-
rektur den Eindruck verstärken. daß bei v, Hofmann eben die Aßlhropolo-
gie und nicht die Eschatologie den Horizont des theologischen Geschichts-
verständnisses bildet. 69 Die Beziehung von Person und Natur auf Gottes
Geistwirken, die v, Hofmann im "Schriftbeweis" vornimmt, erschiene dann
als ein AnalogieSChluß, der Gottes Sein aus der Beschaffenheit des Mensch-
seins zu folgern erlaubte,70 Die Theologie handelte demnach, wenn sie von
Christi Geist redete, eigenliich vom Christengeist 71 und entwickelle ledig-
lich die Geschichte der letztlich ungebrochenen Frömmigkeit des Men-
schen, denn die ihr entgegenstehende Sünde müßte in der Systematik von
Person und Natur als schuldloses Ausgeliefertsein der menschlichen Natur
an dämonische Geistwesen ohne Beeinträchtigung der menschlichen Person
gedacht werden. 72 In dieser Entwicklungsgeschichte der Anthropologie
bliebe der Eschatologie dann keine produktive Rolle mehr zu spielen üb-
.
ng. "
Dies sind die Einwände, welche die Forschung des 20. Jh, in sehenem.
überkonfessionellem Konsens von reformierten und lutherischen Autoren

68 DERS. (1857160) 1,359. Zu Beginn des chrislologischcn Lehrslücks liest man freilich a.a.O.
1,45: "Wir slehen in einer nicht blos sachlich, sondern persönlich venniuellen Gerneinschafl mil
GOII", wo in der Erstaunage gar stand (OERS. 11852/551 1.44): ..nicht sachlich. sondern persön-
lich", Doch der Satz nennt als Vernlilllllngsinst31lz die göltliche Person Christi. nichl die mensch-
liche Persönlichkeil.
69 Nach WENDEBOURG (1953) will Y. Hofmalln diese anthropologische Beziehung von Person
und N:llur auf den Geist (a.ll,O. 39) mit dcr kenolischen Verhältnisbcslimmung beider in der Chri-
slologie (a.3.0. 99-101) in eine Reihe, eben die Heilsgeschichle, stellen, was aber das Problem der
Sünde vernachlässige (a.a.O. 102).
70 Vgl. HOONER (1956) 120.121: "Gotl ist [sc. bei Y. Hofm3nn) eine anthropologische SeI-
zung"; ygl. BEIIR (1995) 81 f. und a.a.O. 76 (,.amhropologische Struktur göulictlcn Wirkens" als
Behrs Forschungsergebnis).
71 HOBNER (1956) 18: ..Er meint das lcsl[imoniuml sp[ irilusl s[ancli I inl[ernuml. auch wenn er
in Wirklichkeit vom subjekliven Glauben rede!."
72 A.a.O. 123 1.U Dämonologie und "RelatiYierung der SUnde"; ygl. BEIIR (1995) 85.90 zu
denselben Themen.
73 HÜBNER (1956) loor.: vg1. BEIIR (1995) 112.

B.yeriscM
Staatslltibllothllk
Münchon
00040222

98 Zweiter Teil

gegen v. Hofmann vorgebracht hat Um sie zu prüfen, soll der theologische


Zusammenhang der Begrifflichkeit von Person und Natur in einem Exkurs
untersucht werden:

Exkurs 3: Kontexte der Axiomatik von Person und Natur

I. Eschatologie in der Debarte um die Christologie der lutherischen Orthodoxie.


Theologiegeschichtlich stellt sich v. Hofmanns originelles Konzept vor allem als Ab-
sage an die lutherische Orthodoxie dar. Deren Zweinaturenlehre zufolge können auf-
grund der sog. Idiomenkommunikation in der Redeform des genus majestaticum von
Christi menschlicher Natur die Eigenschaften seiner göttlichen Natur prädiziert wer·
den. Die lutherische Orthodoxie eines 1. Gerhard verdeutlicht dies vornehmlich kon-
troverslheologisch am Beispiel der Abendmahlslehre: Christus iSI seiner menschli-
chen Natur nach der Allgegenwart fahig und so im Brot einer jeden Abendmahlsfeier
gegenwärtig. Im Jahre 1900 zieht Gerhards später Epitomator HEINRICH EßELlNG
daraus die Konsequenzen fUr die Eschatologie und lehrt diese sakramentstheologische
sog. Ubiquilät und die eschatologische Präsenz Christi bei der Parusie "nebeneinan-
der und miteinander glauben".74 so daß die Ewigkeit und die Allgegenwart des sa-
kramentalen Christus sich egalisieren. Eine extensive Neuschöpfung der Welt ist da-
neben nicht nötig bzw. nur geistig zu vers!ehen. 75 Ebeling vertritt denn auch grund-
sätzlich eine Spiritualisierung der eschatologischen Verheißungen. was er gerade mil
Blick auf das Judenlum. nämlich den Titel ..Israel", ausfUhn. 76 Ebeling folgert so die
Weltlosigkeit der Eschatologie. die Gerhard als Lehre von der annihilatio mundi in
die protestamische Theologiegeschichte eingeführt hat. im Einklang mit einer sakra-
mentstheologiscbcn Anwendung der Zweinaturenlehre.n
Diese Folgerung ist jedoch dann nicht mehr zwingend. wenn die Christologie das
- von der lutherischen Orthodoxie stets abgelehnte - genus tapeinoticon lehrt. das in
Umkehrung des genus majestaticum von Christi göttlicher Natur die Eigenschaften
der menschlichen auszusagen erlaubt. Diese Frage, wieweit und in welcher Art Chri-
sti göttliche Eigenschaftcn in der Inkarnation durch dic menschlichen überlagert oder
abgelöst wurden. prägt bereits in der Mille des 17. Jh. den Streit zwischen der Tübin-
ger Krypsischristologie und der Gießener Kenosechristologie und wird zur Zeit

74 EBEUNG 119131 (1998) 132: vgl. a.a.O. 7 zum Verhällnis zu Gerhard.


75 A.a.O. 176 wird angesichts der annihil31io mundi die Neuschöpfung von Himmel und Erde
poslUlien: behandelt wird aber (a.3.0. 233) nur der Himmel! A.a.O. 184 sind ohnehin .nur Engel
und Menschen rur die Ewigkeil" beslimllll.
76 A.a.O. 164 grundsätzlich und 3.&.0.168-170 rur Israel.
77 Diesen Argumenl31ionshinlergrund haI für J. Gerhard selbst STOCK (1971) 126-164 gegen
ällere Ableilungen aus der Myslik und der rc:fom\3lorischen Kritik 3111 jüdischen SchwämlCnum
(ALTHAUS 11949J 356.358 bzw. ALTIIAUS 1I856/57J 118: s. bei S. 15 Anm. 10) dargelegl. Spätere
InterprelaIionen verslehen die Wehvemichtungslehre als apokalYplische Bearbeilung des Themas
der Angsl (KÖRTNER [1988J 1%-198) oder als eschatologischen Begriff von Dialeklik im UnIer-
schied zu geschichtlich·politischer Dialeklik (UERRMANN [199Sl 139 mil Anm. 71).
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ru. Die chiliastische Eschatologie der Heilsgeschichtlichen Theologie 99

v. Hofmanns erneut diskutiert in der sog. kenotischen Christologie. v. Hofmann steht


in der Tat in Berührung mit ihr. allerdings beschäftigen ihn die im engeren Sinne
christologischen Fragen schon deshalb weniger. weil er die Voraussetzung der zwei
Naturen in Christus (deren Verhältnis dann allererst klärungsbedürftig wäre) rur den
historischen Christus nicht teill. 78 Sein Konzept einer allmählichen Befahigung der
menschlichen Natur zur persönlichen Gemeinschaft mit Goll versteht sich eher als
Versuch einer Überwindung aporetischer Alternativen in der Soteriologie. der quer zu
den Schultraditionen steht. 79 Später hat A. Ritschl in der Versöhnungslehre mit der
Einftihrung deskriptiver bipolarer Schemata ähnliche Absichten verfolgt. und im 20.
Jh. möchte die sog. Lunder Schule mit der ..klassischen" Lehrgestalt von Versöhnung
als eschatologischer Überwindung der widergöltlichen Mächte den Gegensatz von
lateinischem (anselmischem) und idealistischem (abaelardischem) Lehrtypus über-
winden.110 Es scheint. daß v. Hofmanns christologische Neuorientierung des Verhält-
nisses von Person und Natur in strukturell vergleichbarer Weise auf ein escha-
tologisches Verständnis zielt. Dem entspricht. daß v. Hofmanns Eschatologie als die
endgültige Verklärung der Natur das Gegenbild zur weltlosen Eschatologie der luthe-
rischen Orthodoxie bietet.
Anregung zu einer Neuorientierung dürfte v. Hofmann hier empfangen haben
durch Schleiennachers Kritik an der orthodoxen Zweinaturenlehre. Schleiermacher
lehnt einen ontologischen Begriff von Natur ab. da er logisch eine Gott und Mensch
übergeordnete Gattung bilden und so die theologische Grundunterscheidung von
Sünde und Gnade verwischen müßte. 81 Im Gefolge dieser Kritik kann Natur nicht
mehr einen feststehenden Eigenschaftskomplex und Person nicht mehr den Träger
dieser Natur bezeichnen: vielmehr versteht v. Hofmanns Konzept einer allmählichen
Befuhigung des Weltverhältnisses zum Gonesverhältnis die Natur (Weltverhältnis)
als Träger der Person (Gouesverhältnis). der sie werden soll. v. Hofmann kehrt das
von Schleiermacher krirüierte VerhälmiJ VOtl PerJotl Imd Nalllr alJo um. Durch die
Betonung der Naturseite Christi ergeben sich freilich ihrerseits theologiehistorische
Zusammenhänge. die in einem zweiten Schrill zu klären sind.
2. Anthropologie ill der Debaue /Im die Iheosophüche Eschalologie. v. Hafmanns
Interesse an der menschlichen Natur Christi und damit der geschichtlichen Dimension
der Theologie legt sogleich einige Schulzusammenhänge nahe. Am niichstliegenden
schon im topologischcn Sinne ist darunter die sog. Erlanger Theologie. Sie slrebt. da
der supranaturalistische Offenbarungsbegriff durch die kantische Tmnszcndentalphi-
lasophie in die Krise geraten ist. eine NeubegfÜndung theologischer Aussagen auf
dem Kanzepl der Erfahrung an: Weil Offenbarung als objektive Ursache gläubigen
Goltes- und Welt verständnisses diesem selbst nicht zugänglich ist, sondern darin als
seine Möglichkeitsbedingung schon vorausgesetzl ist. kann Theologie nur die subjek·

78 Vgl. BRElD€RT (1977) 23 zur ab....'Cicheoden Fragcslcllung des 17. Jh.


79 S. bei 5. 93 Anm. 57.
80 Zu Ritsehls problemgeschichlJieher Bedeutung vgl. 5TEFfEN (1910): GRÄDER (1922) und s.
Kap. IV.I.I mit Exkurs 5 (5. 153ff.). Die Typologie der Lunder Schule wird grundgelegt von
Aulb (1931) 532-538.
8! 5Clll.EIERMACliER 11830/311 (1960) 1151 f. (§ 96.1).
100 Zweiter Teil

tiven Konslilutionsbedingungen der Erfahrung des Glaubens zur wissenschaftlichen


Grundlage nehmen. Diese fLir die Systematik besonders von F.H.R. v. Frank durchge·
ftihrte Konzeption greift zwar auf v. Hofmanns Ansatz bei der Wiedergeburtserfah·
rung zurück: allerdings ist v. Hofmann im Vergleich zu v. Frank an einer tragfahigen
theoretischen Grundlegung der Möglichkeit von Erfahrung auffallig unintcressiert. 82
Damit rückt eine alternative ideengeschichtliehe Verbindung ins Blickfeld. näm-
lich die NalUrphilosophie des späten F.WJ. Schelling. die dieser in München jusl zu
der Zeit entwickelt. als v. Hofmann seinen Gedanken der allmählichen Nalurver-
wandlung faßl. Eine gewisse Beeinflussung v. Hofmanns durch ScheUing ist wahr-
scheinlich;8J Schellings Rolle für v. Hofmanns Eschatologie triu freilich zurück.
wenn man zum Vergleich den Diskurs um die theosophische Eschatologie heranzieht:
Der württembergische Pfarrer THEODQR LEsSING triu 1858 mil einem vornehml ich
individualeschatologisch orientierten Entwurf in Erscheinung. Ln Anlehnung an den
unlöslichen Zusammenhang der christlichen Tugenden von Glaube, Liebe und Hoff-
nung erscheint hier die Eschatologie grundsätzlich als Hoffnungslehre. deren zukünf-
tiger Gegenstand aber in der Gegenwart - ihr wird die Liebeslehre (Sinenlehre) zuge-
ordnet - schon als Pfand oder Keim enthalten ist und nur noch entfaltet werden muß,
wie Lessing grundsätzlich nachweisen möchte.&4 Deswegen ist das Kemproblem der
Eschatologie der Tod. der solch allmähliche Höherentwicklung abzubrechen scheint.
Lessings Spezifikum ist daher der Nachweis der Möglichkeit. daß Christen des Todes
überhoben und im Sterben bereits zur Ewigkeit entrückt werden können: ,.Der ge-
fürchtete Tod wird nicht geschmeckt:' Lessing verweist hier auf den .. Verlauf des
allmächtigen (sie! sc. allnächtlichen] Einschlafens", den der Mensch eine Zeitlang
verfolgen könne, doch nicht bis auf "den Augenblick des Einschlafens" selbst. In eine
vergleichbare Grauzone greift nach Lessing die Entrückung der Gläubigen ein.8~
Nach dem als Wartezeit vorgestellten Zwischenzustand werden die vollendeten Gläu-
bigen bei der ersten Auferstehung ins Millennium versetzt und sind damit auch dem
Jüngsten Gericht entnommen. vor dem sich alle Anderen nach der allgemeinen Auf-
erstehung verantworten müssen. Da aber ja fLir Lessing die zukünftige Hoffnungs- in
der gegenwärtigen Liebeslehre gründet und deren Entfaltung bedeutel, erstreckt sich
das Gericht nur auf die Liebeswerke ..ganz abgesehen von aller bestimmten Religi-
on", so daß auch solche "aus der Menschheit unter Christen, Juden, Türken und Hei-
den" gereltel werden können, die rechtschaffen gehandelt haben. Rb Erste und zweite
Auferstehung dienen also der Vollendung gegenwärtiger Anlagen, und daher bedeutet
Auferstehung nieht einfach die Wiedervereinigung von Seele und Leib. sondern die

82 So mit Recht ß ...CHM...NN (19103) 938f. Die Bedeutung v. Hofmanns ftir die Überwindung
des Supranaturalismus betont dennoch sein Biograph W",PLER (1914) 238.261 u.Ö. Und ftir
BEYSCIIlJ\O (1993) 61 ist v. Hofmann ,,der Erlanger Erfahrungstheologe schlechthin".
83 Dazu W .....LEk (1905) und wieder WENDEBOURG (t955), v.n. 3.3.0. 97f.
84 z.a. LEsStNG (1858) 11: ..Es soll nun aber nachgewiesen werden. wic durch diesen Glauben
an den aufcrstandenen Hciland [... 1schon jetzt ein Aufcrslehungsle~n. ein Hoffnungslt'~n in uns
gezeugt wird". Vgl. a.a.O. 9 zum Zusammenhang von Glaubens-, Liebes- und Hoffnungslehre.
85 Zitate 3.3.0. 42.41.41.
86 Zimte a.3.0. 112.110; don auch zur Entnahme der Heiligen aus dcm Gericht.
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111. Die chiliastische Eschatologie der Heilsgeschichilichen Theologie 101

Seele der Chrislen erhäll in dcr Auferstehung den Leib, den sie zu Lebzeiten durch
VerLehr des Leibes Christi im Abendmahl schon in sich angelegt haL ll1 Dieses ge-
samte Konzept einer durchgeistigtcn Leiblichkeit ist weniger der heilsgeschichtlichcn
Axiomatik als theosophischer Naturspekulation geschuldet und die recht auffallige
Abendmahlslehre ist direkt von dem christlichen Kabbalisten und Theosophen F.c.
Oetinger übernommen, der auch die Möglichkeit jenseitiger Bekehrung und die apo-
katastalische Tendenz teilt. 88
Genau gegen diese Tendenz schreibt der aus Jena stammende und in Basel und
Bem wirkende Arzt und Theologe ERNST JOSEPH GUSTAV OE VALENTI schon 1840
seine Eschatologie. Er hat dabei mit J. Böhme einen weiteren evangelischen Theoso-
phen und Kabbalisten vor Augen. Auch flir de Valenti ist das Zentralproblem der Es-
chatologie der Tod. und zwar der natürliche Tod89 als Trennung von Leib und Seele.
Entsprechend Luthers Ablaßthesen folgert er seinen Kernsatz, daß jegliche Beeinflus-
sung der individuellen Seligkeit oder Unseligkeit nach dem Tode ausgeschlossen isr,
weil sie der Alleinverdienstlichkeit des Todes Christi widerspräche. Stattdessen for-
dert er eine diesseitige...wahre Bekehrung".90 Gerade deswegen aber untersuchl de
Valent i in sieben kurren Abhandlungen die anthropologischen Möglichkeitsbedin-
gungen von Bekehrung; und hier hat der Arzt dcn Theologcn fest im Griff. Voraus-
setzung einer Bekehrung ist das Vorhandensein eines klaren und verständigen Be-
wußtseins. also einer Seele. Eine solche nimml nun der Traduzianer de Valenti 91 ftir
den gesamten Zeitraum ab der Zeugung bis zum natürlichen Tode an. Jedoch schiebl
er die Todesgrenze hinaus durch die zur selben Zeit auch von I.H. Fichte vertretene
Scheintodlehre. de Valenti trägt sie mit aller Autorität des medizinischen Fachmannes
vor: .. Es ist nämlich beinahe keinem Zweifel unterworfen, daß zwischen dem eigent-
lichen Todeskampfe und dem wahren vollkommenen Tode immer ein Jängerer oder
kürLerer Zwischenraum des bloßen Scheintodes minen inne steht';, in dem der ..Ver-
kchr der Seele mit dem bereils empfindungslosen Leibe" noch funktioniert. 92 Dcswe-

87 A.a.O. 68: ..Wer in den Himmel kommen will, muß den Himmel mit hinüberbringen, wer
zur Auferstehung der Seligen kommen will, muß den verborgenen Lebenskein Isic!l des himmli-
schen Auferslchungsleibes schon in sich lragen", allein: ..Unser Aufel1ilehungsleib wird also von
dem zweilen Adam, von dem Herrn Jesu. Slammen" (0.0.0. 67), d.h...wir nehmen besonden im
heiligen Abendmahl den verkJänen Leib des Herrn. der nichl blos zur lebendigen Seele. sondern
zum lebendigmachenden Geist geworden ist, in uns aur' (ebd.).
88 Vgt. a.a.O. 68 Anffi. zur Berufung auf Oetinger beim Thema Abendmahlsleib; Lessings
Schluß auf eine Entnahme der Gläubigen aus dem Gerichl verwirft Oelinger aber gegen bestimmte
hemlhulischc Ansichlen (WEYEJ!.-MENICIlOfF 120001 43f.). Die jenseilige Bekehrung leitel Delin-
ger aus einer kabbalistischen Etymologie des Wones ..Hades" von ch"dosch (erneuern) ob: "Der
Hades ist eine ElIleucrungsanstoll" (0.0.0. 45).
89 DE v .... t.Dm (1840) 2fT. unterscheidei daneben pcrsonifizienen. f1"IOf'8.lischen und ewigen
Tod.
90 Z.B. 3.0.0. 22 (Zitat) bezeichnet er ,.den nalürlichen Tod als den äußentcn Grenzpunkt
gölllichcr Erbannung". Vgl. a.a.O. 19 zum Bezug auf die Refonnalion.
91 A.a.O. 66 Anm.
92 Zitate a.3.0. 87 wegen Muskelzuckungen bei TOlen sowie post ellitum austragbarer
Schwangerschaften. Ähnlich behauptet Ul. FtCHTE (1855) l60ff. gegen Göscheis spekulative
Unsterblichkeit (s. Exkurs I, hier S. 66f.) deren Ausweisbarkeit an der Himphysiologie.
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102 Zweiter Teil

gen kann rur keinen Sterbenden die Möglichkeit einer nach außen nicht wahrnehmba-
ren Bekehrung im Tode ausgeschlossen werden, und so schränkt de Valenti den Kreis
der Verdammten trotz seines Beharrens auf der Notwendigkeit diesseitiger Bekeh-
rung immer weiter ein; miß- und totgeborene sowie ungetaufte Kinder von Christen
sind ebenso ausgenommen wie Menschen. die nie christlich missioniert wurden.'B
Zuletzt ist rur de Valenti wie fUr Lessing nur noch die willentliche Verwerfung Chri-
sti verdammlieh.
3. Eschatologische Aml/ropologie als Ergebnis. Gerade der Vergleich mit dem
ausdrücklich um die Theosophie kreisenden Diskurs zeigt den deutlichen Abstand
v. Hofmanns zu naturphilosophischen Gedanken. Das Problem, um das trotz gegen-
sätzlicher Positionen sowohl Lessing als auch de Valenti ringen, ist. die Ausschließ-
lichkeit von Christi Heilswirksamkeit zusammen mit der Tathaftigkeit der Bekehrung
festzuhalten,94 um die es beiden aufgrund ihrer pietistischen Herkunft gehl. Dies ist
das Problem von menschlicher Aktivität und Passivität in bezug auf das Heilsgesche-
hen. und beide nehmen ihre Zuflucht zu Theoremen von Bewußtseinstrübung und
Scheintod, also zu einem Kapitel medizinischer Anthropologie (Pk1. 2). Gefordert
wäre jedoch eine theologische Anthropologie, und genau eine solche erstrebt
v. Hofmann. wenn er in Abkehr von der christologischen Tradition (Pkt. I) die Be-
griffe Person und Natur eschatologisch von der Parusie Christi her interpretiert. Ge-
wiß folgt v. Hofmanns Einftihrung der Begriffe auch der zeitgenössischen Ansicht,
daß die geistige Sphäre des Menschseins sich über die leibliche erhebe, wie man es
mit der Gegenüberstellung von Geschichte und Natur ausdrückte. Aber indem er die-
se anthropologische Anschauung auf die Parusie Christi bezieht. erreicht er im Ansatz
und Grundsatz eine eschatologische Anthropologie. die sich noch als belangreich ruf
eine evangelische Eschatologie im Gespräch mit dem Judentum erweisen wird.

Die Frage nach Eschatologie oder Anthropologie als Horizont von


v. Hofmanns Theologie ist mit den Analysen des vorst.ehenden Exkurses
beantwortet: v. Hofmann geht es um eine eschatologische Anthropologie,
also eine solche theologische Besinnung auf den Menschen, die in ihrem
denkerischen Ansatz und darum im Grundsatz eschatologisch ist. 9$

93 Vgl. 00 VALEI'm (1840) 67: •.Für Aftergewächse wird ja ohnehin Niemand Unslerblichkeit
begehren" bzw. 70.67 fUr Ungel8ufte bzw. Unmissionierte (anders a.a.O. 74 filr getaufte Chrislen
aoderer Konfessionen).
94 Dies verbindet beide mit der Eschatologie von T. HARMS. dem Bruder des bekanrllen Her-
mannsburger Missionars. Sie ziell in sechs erwecklichen Predigten ab auf das diesseitige Leben als
einzige Mögliehkeit zur vollkommenen Bekehrung. zu der dann am Ende der Predigten eltplizit
aufgerufen wird mil der Verheißung. doß die Bekehrten nicht ins Gerichl kommen (DERS. [18751
80.74; vgl. T. Lessing). Sie haben nach Harms auch gar keine Sünden. soodem nur gute Werke
vorzuweisen (a.a.O. 82). Gleichwohl dient die Eschatologie ihnen als Bckehrungsaufruf zum Er-
schrecken über ihre Süoden (a.a.O. 97).
95 LaUI dem Fazit bei BECKMANN (2002) 299f. 311 kompromiuien v. Hofmann die refonnato-
rische Lehre von unfreiem Willen und Verstockung. wenn er dem Judentum die Ablehnung Jesu.
durch die die Kirche in die Heilsgeschichle eintriII. als Schuld vorhält. Diese zutrerrende Beob-
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111. Die chiliastische Eschatologie der Heilsgeschichtlichen Theologie 103

2. Die eschatologische Axiomatik in der HeilsgescJlichtlichen Theologie.


Nachdem für v. Hofmann die begriffliche Grundlage seines spezifischen
Eschatologieverständnisses gefunden wurde, sollen nun unler derselben
Fragestellung Auloren analysiert werden, die unter seinem Einfluß slehen.
a) Reich Christi und Reich Goltes. Als ältester Vertreler der Heilsge-
schichtlichen Theologie im begrifflichen Sinne gilt der Württemberger
JOHANN TOBlAS RECK, obgleich die einflußreichsten Partien seines Werkes
ersl nach seinem Tode gedruckt werden; darunter auch die Eschalologie, die
1887 als Separatabdruck aus der postumen Glaubenslehre erscheint Deren
systemalisches Gerüst struklUrierte allerdings schon 1843 Recks Dogmatik-
vorlesung. 96 Terminologisch spricht Reck freilich weniger von einer Heils-
geschichle als von einer ,,Reichsökonomie",97 was daran liegen dürfle, daß
er die wissenschafl1iche Darstellung des Stoffes der Theologie in biblischen
Begriffen zu geben bestrebl ist. Dabei gewinnt für ihn, in offenkundiger
Anlehnung an Jesu Gleichnisse vom Reich Gottes, das Reichskonzepl sei-
nen ökonomischen Charakter, indem es als wachslümlich gedacht ist. ln
traditionsgeschichtlicher Perspektive läßt sich nachweisen, daß der Wachs-
lumsgedanke an die biblische ReichsvorsteUung außerbiblische. konkret
naturphilosophische Einflüsse heranträgt 98 Neben dieser historischen Frage
ist aber gewissermaßen umgekehrt auch systematisch zu ermitteln, wie der
Reichsgedanke innerhalb der theologischen Konzeption die Wachstumsvor-
stellung prägt Und hier läßt sich ein ganzes "Reichssystem" registrieren,99
in dem die Reichsökonomie den Oberbegriff bildei, der Schöpfungs· und
Heilsökonomie unter sich befaßt: Jene nennt Beck das Reich Gottes als den
universellen Horizont der Schöpfung, in dem diese, das Reich Christi, zur
100
Herrschaft gelangen 5011. Dies tut es bislang nur "nach seiner jetzigen
geisligen Wesenheit" und noch nichl so, "daß sich an die Stelle der bloß
geistigen imlem Reic!lsentwicklullg. wie sie bis dahin herrscht, das sichtba·
re äußere Reichsregiment selZt". JOI Diese Herrschafl Christi, diese Christo-

achtung stellt allerdings nicht in Rechnung. daß hcilsgcschichlliche Theologie als eschalOlogische
Amhropologie :loch das Verhältnis von gönlicher und menschlicher Beteiligung am Heilsgesche-
hen rdonnulieren muß.
96 So Becks Hernusgeber und Schwiegersohn J. Lindenmeyer: BECK (1886/81) LV. Er war es
auch, welcher der separaten Eschatologie. materialilcr § 25 der Glaubenslehre, wenige $c:ilen aus
deren § 24 (nämlich a.a.O. 11,635--6(2) voranstellte und damit eine bestimmte Interpretation na-
helegte. Ich zilien: aus der Eschalologie im folgenden mil der Paginierung nur der Glaubenslehre.
97 ZOO. a.a.O. 1.395: 1I.670. Ein Eintrag "Heilsgeschichte" fehlt im Register a.8.0. 11,776.
98 Betont von HOl'FMA/liN (1975) 145.147 u.ö.
99 BECK (1886187) 11.779.
100 A.a.O. 11.636. Aa.O. 11,637 zur Unterscheidung von Reich Gones und Reich Christi.
101 Zitate 8.a.0. 1J,638.707.
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104 Zweiter Teil

kratie geschieht im Millennium, das daher Reich Christi im prägnanten Sin-


ne ist. lo2 Wenn es sich, durch das Jüngste Gericht hindurch, von den Chri-
sten auf die ganze Schöpfung ausgedehnt hat, wird das Reich Christi zum
Reich des Vaters. 103 So ergibt sich eine sehr charakteristische vierfache
Unterscheidung von Reich Gottes, Christi geistigem Reich, Christi chiliasti·
schem Reich und Reich des Vaters. Auffällig daran ist, daß für Beck Reich
Gottes kein eschatologischer Begriff ist, weil er mit ..Reich" überhaupt kein
Gut, geschweige ein eschatologisches höchstes Gut bezeichnet. sondern im
ursprünglich buchstäblichen Sinn einen Machtbereich oder ein Herrschafts·
gebiet. Eschatologie beschreibt daher, wie sich solche Herrschaft vom zu-
nächst nur geistigen Bereich (Christi geistige Herrschaft) auf den Machtbe-
reich Gottes, die Schöpfung als den leiblichen Außenbezug des Menschen,
ausdehnt. Heils- und Schöpfungsökonomie bzw. Reich Christi und Reich
Gottes stehen somit für die geistige bzw. leibliche Dimension des Heils,
und damit ähnelt die allmählich fortschreitende Reichsökonomie bei Beck
v. Hofmanns Staffelung der Heilsgeschichte nach Person und Natur. 104
Von diesem unterscheidet Beck aber, daß er die Einheit beider nicht in
der eschatologischen Parusieverheißung, sondern ausdrücklich in der Hirn·
melfahrt Christi erblickt. 105 Erst für den himmlischen Christus, so zu sagen,
gilt die Zweinaturenlehre. Beck setzt sich damit wie v. Hofmann von der
altprotestantischen Christologie ab in Richtung auf die Kenotik; allein deren
Fragestellung macht er an Jesu irdischer Erniedrigung und Erhöhung fest
und bewegt sich damit in den Bahnen der Kenotik nicht des 19., sondern
des 17. Jh., die zwischen Geschichte und Heilsgeschichte nicht zu differen-
zieren brauchte: 06 Deswegen auch kann Beck, was v. Hofmann von Christi
Parusie erwartet, schon vom seit Himmelfahrt geistig in der Kirche gegen·
wärtigen Christus erwarten, ja: ,.Alle Zeiten und Zeitereignisse. die seit der
persönlichen Vollendung des Erlösers ablaufen, sind r...] Entwicklungen
des Einen göulichen Vollendungswerkes. und sie gehören so alle der fetzten
do7
Zeit an oder der Voffendungszeit: So entspricht Becks vierfacher Unter-

102 A.a.O. 11.639f. fUhrt ..das Reich der Heiligen auf. oder vielmehr Christi Reich in dieser
Form".
103 A.a.O. [1.638.755.
104 Geist und Leib korrespondieren in den Passagen zur Parusie 8.a.0. 1I.676f. dem Reich
Christi und dem Reich des Vaters a.a.0.1I.716.761.
105 Die Himmelfahrt erscheint als Einheit von Geist und Leib a.3.0. 11.497.567f. 633.
106 S. S. 93 Anm. 55. Bei BRElDERT(1977) 115.252 erscheint Beck denn auch nicht selbsl als
Kenotiker. wohl aber als Lehrer zweier entschiedener KellOliker: W.F. Geß und J.F. v. Reiff.
107 BECK (1886/87) 11675. A.a.O. 11.673 bezieht er dies zwar auf .,die erste Erscheinung".
führt aber mit "der Vollendung nämlich des Versöhnungswerks" (also mit Himmelfahrt) fort.
Noch deutlicher ist 8.a.0. 11.668 ..die Möglichkeit einer vollkommenen Umbildung der Menschen-
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111. Die chiliastische Eschatologie der Heilsgeschichtlichen 11leologie 105

scheidung der Reichsökonomie eine vierfache Parusie Christi: Christus ist


demnach anwesend in seinem historischen Eintritt in die geschöpfliche
Weh, in seiner geistigen Gegenwart seil Himmelfahrt, in der Wiederkehr
zum tausendjährigen Reich der Gläubigen und in der Parusie zum Jüngsten
Gericht. 108
Becks Unterscheidung von Reich Christi und Reich Goltes berührt sich
also mit v. Hofmanns heilsgeschichtlicher Axiomatik von Person und Na-
tur. hebt aber in eigenständiger Weise die Himmelfahrt als Einheit beider
hervor - und nicht die zukünftige Parusie. 109 Der kritische Punkt seiner Es-
chatologie ist damit tatsächlich das Parusieverständnis in Gestalt der (ersten
und zweiten) Parusie des Inkamierten und Erhöhten. Erstere ist als Jesu
Ankündigung der Zerstörung Jerusalems und als seine Hinwendung zu den
Heiden der "vorbildliche Anfang"ll0 der Eschatologie nach den Seiten des
Gerichts und der Gnade; zweitere führt dies in der Zeit der Kirche zu Ende.
Daß die Eschata im historischen Erscheinen Jesu vorgebildet seien, demon-
111
striert Beck an mehreren Einzelthemen. Becks Eschatologie spitzt sich
so, auch im Vergleich mit dem heilsgeschichllichen Konzept v. Hofmanns,
auf den Wendepunkt von alttestamentlicher zu christlicher Geschichte zu,
und das macht diese Konzeption für unsere Fragestellung nach der Wahr-
nehmung des Judentums interessant.
b) Apokalyptik und Prophetie. Der dritte einOußreiche Vertreter der
HeilsgeschichtJichen Theologie neben v. Hofmann und Beck ist der Basler
Theologe CARl AUGUST AUBERLEN. der, zunächst von der Theosophie F.C.
Octingers herkommend, 1854 mit einem originellen bibelhermeneutischen
Werk über den Propheten Daniel und die Johannesoffenbarung pointiert
Stellung in der eschatologischen Debatte bezieht. Auberlen gehl es hier um
die Etablierung einer .,offenbarungsgcschichllichen'· Exegese der beiden

nm ur I... J in Jesus Christus bereits f:IClisch gelöst"·. Diese Stelle ist. da die anschließende "Centr.ll-
stellung. die Christus im Weltganzen einnimmt", nichts anderes ist als .. di~ Sulll/n8 (/~s ~rhahlen
Chrisws :ur ",...JI im AlIgl'ml'inell" (a.a.O. 11,635), nicht mit liOFfMANN (1975) 297 auf das
"Koml1lt!n Jesu Chrisli in der Vergangenhcil" zu beziehen. soodcrn auf Uimmelfahn.
lOS UAKE (1999) 62 unlerscheidel unter der Überschrift "Das mehrfache Kommen Chrisli"
.Arei verschiedene. chronologisch gestufte Parusien", weil sie die geislige Anwesenheil Chrisli in
der Kirche ntehl mitzählt. zu der aber UOfFMANN (1975) 30 I mit Recht bemerkl: ,.eine vOflauftn-
de Gwalt der Parusit".
109 DEas. (1975) 308319 kritiSiert 8ecks Einreihung der Parusie in ein kOOlinuierltehes Ge-
schchtn: tbenso mit fast denselben Wonen HAKE (1999) n, die freilich a.a.O. 69 sagen kann:
•.EnISChc:idcnd iSI das eschatcMogische Moment, lriu doch als Zielpunkl der Bcck'schcn 1bcologte
klar die zukünflige Parusie Christi hervor.-
110 Reo: (1886181) 11,677.
111 Ilienauf wti51 zu Recht PAE (1989) 73 hin.
106 Zweiter Teil

Bücher. d.h. ihre Weissagungen offenbaren unmittelbar den Verlauf der


Heilsgeschichte in ihrer Ausrichtung auf das messianische Ziel und sind
nicht erst oder auch auf die frühjüdische Zeitgeschichte zu beziehen. lll
Zur Begründung dieser Besonderheit von Da und Offb entwickelt Au-
berlen im grundlegenden Teil des Buches sein Konzept von Apokalyptik:
Apokalyptik ist demnach Offenbarung zur Überbrückung einer offenba·
rungslosen Zeit; 113 ihre Weissagungen sind daher im Vergleich zu denen
der Prophetie zeitlich weiter gefächen - Auberlcn sagt "auseinandergelegt"
- und deshalb überblickshafrer,114 zumal der Standpunkt des Apokalypti·
kers, da in offenbarungsloser Zeit stehend, nicht der des Gottes-, sondern
der des Weltreiches isr. '15 Prägnant sagt Auberlen:

Was die Prophetie perspektivisch zusammenschaut, das legt die AJX)kalyptik in seine
einzelnen Enlfallungen und Zeiträume auseinander. So sind bei Daniel einerseits die
vier Wellmonarchieen die aJX)kalyptische Entfaltung der einen Weltmacht. welche die
Propheten je nach ihrer geschichtlichen Stellung Assur oder Babel u. dgl. benannl
halten; andererseits ist die messianische Weissagung des 9. Kap. nichts Anderes als
die Auseinanderlegung des typischen und des antitypischen Heiles. der vorläufigen
Erlösung aus dem Exil und der vollen messianischen Erlösung. welche von den Pr0-
pheten noch zusammengeschaut worden waren. 1I6

Im einzelnen widmet Auberlen dann besondere Sorgfalt der ihm zufolge


messianischen Weissagung Da 9,24-27 und der Ankündigung der vier
Weltmonarchien Da 2.7. Erstere versteht er gegen zeitgeschichtliche Deu-
tung auf Antiochus Epiphanes nachdrücklich offenbarungsgeschichtlich als
Ansage von dem Ende des Exils, dem Auftreten des Messias und der Auf-
richlung des Gottesreiches am Ende der Zeiten. l17 Ebenso die zweite Wcis-

112 Auberlen geht es nicht um die Trennung sakraler von profaner Geschichte. da er auch die
Deutung auf die Kirchengeschichte abweist und so E. W. Hengstcnberg gegcn sich hat (AUBERLEN
[18541221 u.ö.). Vielmehr sieht er das Heil gerade in einer dcr Kirchengeschichte jenseitigen
Geschichte verwirklichl. eben der Offenbarungsgeschichte (z.O. a.a.O. 16: ..Der ofrenbarungsge.
schichtliche Ausgangspunkt"). und darum ist der Anlipode dieses .Jenseitsrealisten" niemand
anders als der ..Geschichtsrealisl'· v. Hofmann (die Tennini bei Wem [19311 115)1
113 AUBERILN (1854) 21.18 mit Blick auf Daniel. den er lIufgrund 5Ciner Ablehnung zeitge.
schichtlicher Auslegung an den Beginn des Exils dalien (11.11.0. 14): entsprechend rur den Seher
Johannes am Ende der Aposlelzeit.
114 A.•.O. 14.
115 A.•.O. 2; vgl. ....0. 22 nebst Datierung Danieis ins babylonische Exil. Auberlen ergänzt
•.LO. 26r.• daß Da ja im hebriischen Kanon nicht zu den ,,~bj' im. sondern den lnubim gehöre.
116 A.•.O. 15.
111 A.a.O. 97 ruhn Aubcrlen den jüdischen Gelehnen Abarbanel (d.i. der ~i S. 29 Anm. 58
vorgeslellte lsaac Abrabanel) zur 8eslliligung an. Gegen die Deutung der Zeilgc:schichller (.Iso
v. Hofmanns) hei81 es ..a.O. 155; .Jhre Berechnung isa im Prinzip verfehlt.
M
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111. Die chiliastische Eschatologie der Heilsgeschichtlichen Theologie 107

sagung überbrückt nach Auberlen, gut apokalyptisch,1I8 die bis in seine ei-
gene Zeit reichende Geschichte der Welthegemonien Babyion, Persien,
Griechenland und Rom samt dessen Translation ins deutsche Reich. 1I9 So
handelt diese Weissagung von der messianischen Zeit als Millennium: 120
ein organisiert verfaßtes Reich der Christen, das zugleich im Gegensatz zur
Zeit der Weltreiche nicht bloß äußerlich ist. 12I
Diese beiden exemplarischen offenbarungsgeschichtlichen Exegesen
Auberlens führen im Vergleich mit v. Hofmann zu dem verblüffenden Re-
sullat, daß er sich im ersten Beispiel schroff gegen dessen zeitgeschichtliche
Exegese absetzt, im zweiten FaIJ (beim innerlich-äußerlichen Chiliasmus)
dessen Konzept einer Vollendung der Natur zur Einheit mit der Person aber
genau übemimml. 122 Vollends kann Auberlen von seiner Chiliasmustheorie
aus eine universalgeschichtliche Skizze ansetzen, die die heilsgeschichtli-
che Axiomatik von Geist und Natur nun auch explizit aufgreift. Demnach
slellt sich die alttestamentliche Geschichte bis zu Christus als eine Indienst-
nahme von Natur und Geschichte durch Gottes Offenbarungshandeln dar,
während von der neutestamentlichen Zeit bis zum Millennium Christi le-
ben zur .,Macht der Naturverklärung" wird. Das Millennium und die altte-
stamentliche Geschichte entsprechen sich hier komplementär, so daß "don
im Geiste" geschieht, "was hier im Buchstaben und daher in nationaler Ein-
schränkung geschah".123 So endet Auberlen, dessen offenbarungsgeschicht-
liehe Methode doch gerade gegen v. Hofmann entworfen war. zuletzt doch
als ein Schüler der v. Hofmann'sehen Axiomatik von Person und Natur, und
zwar ist die Apokalyptik dabei auf jene zu beziehen. die Prophetie aber auf
124
diese.

118 A.a.O. 236. freilich unter Hinzuziehung der neutestamentlichen Offb.


119 Die Translationstheorie galt freilich eigenllich nur bis zum Untergang des Heiligen RÖmi·
schen Reiches Deut.seher Nation 1806: sie konnte aber so verstanden werden. daß Deutschland der
legitime Erbe Roms sei. Für Aubcrlcn war dies unproblematisch. da sein offenbarungsgeschichtli.
cher Ansatz - im Unterschied zu seinen Vorbildern J.A. Bengel und F.C. Oetinger - aur einer
datierenden Ausdeutung der ZahlelUlngaben ohnehin nicht bestand (vgl. a.a.O. 85 zur Symbolik
der Apokalyptik). ja deren Überwindung und die Inkaufnahme von Verzögerungen vielmehr fUr
den Vor.lug der neu- gegenüber der ahtcslamentlichen Apokalyptik ansah (8.a.0. 78).
120 A.a.O. 219f. grenzt Auberlen die chiliaslische Deutung gegen die auf ChriSli Inkarnation
oder Parusie ab.
121 Vgl. a.LO. 229 zur Innerlichkeit. a.a.O. 226 zur Slaatlichen Verfa.6lheit des Millennium.
122 Auch schon u.O. 98 Anm. I bemühl er ad Da 9.24ff. v. Hofmann fllr die Volksgestall des
Gonesreic:hes_
123 Zilale a.a.O. 361.
124 HILGENFELD (1851) 8 gn:ift. obwohl er Auberk:ns EAege.se.n ablehnt. dessen Vorstellung
von geiSliger ApokaI}'pcik und leiblicher Prophelie auf und bildel 50 das Bindeglied zur Religtons·
geschichtlichen Schule.
108 Zweiter Teil

Grund für diese Diskrepanz dürfte sein. daß Auberlen sein eigenes Kon-
zept von Apokalyptik als ..Auseinanderlegung" der Prophetie selbst nicht
durchhält. wenn er über die seinem Entwurf so unentbehrliche Stelle Da
9.24-27 im Widerspruch zu seiner These vom weltlichen Standpunkt des
Apokalyplikers schreibt: .•Alle diese Ge,ichle [Da 2.7f. 10-121 gehen vom
Standpunkt der Weltmacht aus. das unsrige (Da 91 dagegen durch und
durch von dem des Bundesvolks:'12S Wir können somit festhalten, daß Au-
herlen gerade in seinem Widerspruch zu v. Hofmann diesem nahe ist hzw.
in jenem Widerspruch sich selbst widerspricht. Allerdings weist Auberlen
auf ein SachprobJem hin, daß nämlich die für die Apokalyptik angeblich
kennzeichnende offenbarungslose Zeit. die Zwischenzeit, wie v. Hofmann
sie genannt hätte, zwiespältig ist Heilsgeschichllich eher wirkungslos, ist
sie doch die Zeit der Kirche. der die Heilsgeschichte gilt. Das Problem wird
126
uns noch beschäfligen.
c) Geist und Natuf. Der Leipziger Dogmatiker CHRISTOPH ERNST
LUTHARDT publiziert in dichter Folge 1855 und 1856, unmiuelbar nach Ab-
schluß von v. Hofmanns .,Schriftbeweis". in der von diesem herausgegebe-
nen ,,Zeitschrift für Protestantismus und Kirche" drei Aufsätze. die den
Grundstock seines zwischen 1861 und 1885 in drei Aunagen veröffentlich-
ten Sammelbandes zur Eschatologie bilden. Kirchenhistorischer Hinter-
grund der Veröffenllichungen ist die auf E. lrving zurückgehende Kalhe-
lisch-AJX)Stolische Gemeinde, die in jener Zeit starken Zulauf findet. Sie
triu als kirchliche Refonnbewegung auf und lehrt. nur eine Kirche in den
Strukturen urchristlicher Ämter könne durch Entrückung dem kommenden
Gericht entnommen werden. das dann vielmehr Israel treffe. 127
In den fünf Abhandlungen. die in Luthardts Buch die Grundlegung zu
sechs einschlägigen Schriftauslegungen bilden, stellt der Autor die Es-
chatologie jeweils entlang demselben Grundgedanken dar. Dieser Gedanke
ist der Gegensatz von Gottesreich und Weltreich. 128 Er trin mit dem baby-

125 AUßERILN (1854) 161. Vgl. damil a.a.O. 75 (bei S. 106 Anm. 116) in Verbindung mit
l.a.O. 22 (S. 106 Anm. 115).
126 Es laOChle schon bei Bed: auf. der auS~rtthncl die Himmelfahrt als Parusie verslehen
~onnte.
127 LUihanhs einschlägige Aufsitze erscheinen auf dem Scheilelpunkt der Kalholisch·
Aposlolischen Bewegung (von ihm als .JrvingianismllS·· beu;chnel). da 1855 die crslen ihrer
Apostel sierben. Bezug auf die Bcv.-cgung nimml die Rede über •.manches Krwtkhafte und Un·
richlige" bzw. die: .xhwännerischcn Gedanken" (LunIARDT II86t) VI bzw. OERS. (18701 VII) in
den Vorwonen zur ersten und selbst noch Zv.-eilen Aunage des Sammelbandes. die 1870 ~rKheim
- bt.reils nach Spaltung der Bewegung (1863) in Kalholisch·Aposlolische Gemeinde und (später
sog.) Neuaposlolisc.he Kirche.
128 Grundsiu.lich CERS. (1861) 23. daneben •.•.0. 10. Hier sind Einnüsse Aubt.rIcns denkbar.
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1lI. Die chiliastische Eschalologie der Heilsgeschichllichen Theologie 109

Ionischen Exil ein: '29 Das Volk Gottes verliert sein Reich, d.h. seine organi-
siene Verfaßtheit als jüdisches Königtum, und ein anderes Staatswesen tritt
mit hegemonialem Anspruch auf, was es unvereinbar mit der ebenso
menschheitsumspannenden Reichweite des Gottesreiches macht. l30 Mit
dem Weltreich kann das Gottesreich darum nur so koexistieren, daß es, wie
das Christentum seit dem Neuen Testament grundsätzlich, allein auf geisti-
ge Weise, ohne organisiene Verfaßtheit als Reich besteht. lJI Eine solche
kann es nicht von der Staatlichkeit weltlicher Reiche übernehmen, sondern
nur von Israel, in dem das geistige Reich eine "nationale Naturbasis" be-
saß. 132 Eine solche geistig-natürliche Restitution des Gottesreiches wäre
wegen des Gegensatzes beider notwendig das Ende des Weltreiches und
damit das Eschaton. Luthardts Eschatologie läuft so zu auf das Millennium
als jüdisch-christliche Einheit von geistigem Gottesreich und natürlicher
VerfaBtheit desselben. 133 Darin besteht die eschatologische Bedeutung des
Judentums,l34 und deswegen ist für Luthardt die Wiederherstellung und Be-
kehrung des in der Diaspora lebenden Israel das entscheidende Vor.leichen
des Endes. 1J5
Auch wenn Luthardt den tragenden Grundgedanken hinter diesem es-
chatologischen Konzept nur ausnahmsweise auf prägnante Begriffe bringt,
liegt er doch, wie die gegebenen Zitate zeigen, unübersehbar in der Korre-
lation von Geist und Natur. Sie bestand im alttestamentlichen Judentum der
Königszeit als Einheit von Sinaibund und Davidsbund, wird im Neuen Te-
stament auf den gegenwärtigen Geist reduziert und eschatologisch durch die
chiliastische Einheit von christlichem Geist und jüdischer Naturbasis voll-

129 So a.a.O. 10; a.a.O. 23 denkl Luthardt an die Reichslcilung. ohrK: daB dies viel zur Sache
läte: cs geht jeweils um den Wegfall der verfaßten Gestalt des Gottesreiches.
130 Zum. wcnigstens intenlional, menschheillichen Horizont des GOlles- wie des Wehreiches
a.a.O. 10 bzw. 14f.
131 A.a.O. 19: .,Paulus hat die Kirche daher lediglich auf die Basis des Geistes Bufgebaut und
in seinen Grund eingesenkt:' Vgl. a.a.O. 25: .Das iSI der Gcistesanfang des Reiches, den er lJesusl
zu schaffen begehn: aber die geschichtliche Verwirklichung und Aufrichtung des Reiches ist S:I-
che der Zukunft."
132 Zilat a.a.O. 18: vgl. zur ..Naturbasis'· (a.a.O. 17) als der bleibenden .,Bedeulung" Israels
fUr das Christentum (a.a.O. 20). Luthardt nimmt hier viele Gedanken gegenwliniger Beilräge zum
christlich-jüdischen Dialog vorweg, besonders mil seiner Ablehnung der spätcr sog. Substitutions-
theorie (a.a.O. 17f. 20).
133 A.a.O. 18.25 zur Identifikation Israels als Boden des Chiliasmus, der a.a.O. 33-35 aus-
flihrlicher themalisien ist.
134 Z.B. a.B.O. 18.20.25.27 und der ganze Aufsalz ..Die Zukunfllsraels" (a.a.O. 106-123).
135 A.a.O. 21: ..H:lt die Vollendung der Kirche Isrnels Bekehrung urKl Wiederherstellung zur
Voraussetzung, so iSI dieB also die erste weilcrführende ThBlsache, die überhaupt einzutreten hat"
Vgl. a.a.O. 25.42.77.115f.
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1J 0 Zweiter Teil

endet. In diesem bei Luthardt fast auf jeder Seite nachweisbaren Entwurf
von Heilsgeschichte entdeckt man sofort die Stufung von persönlicher Er-
füllung und natürlicher Weissagung in v. Hofmanns Jugendwerk. l36 Mit-
unter zitiert Luthardt v. Hofmanns Schlüsselsätze der Eschatologie gerade
da, wo es um ihre Bedeutung für die Wahrnehmung des Judentums gehl. So
nennt er die Bibel "Denkmal der Geschichte Israels", um den israelitischen
Charakter der Heilsgeschichte zu betonen: ,,zwischen Anfang und Ende
Israels nun ist die Zeit und Kirche der Heiden zwischeneingeschoben" ,137
und er hält fest: "Alle andem Völker haben nur kirchengeschichIlichen Be-
ul38
ruf, Israel ist das Volk des heilsgeschichtlichen Berufs.
Freilich führt diese Betonung des jüdischen Charakters christlicher Es-
chatologie dazu, daß die systematische Bedeutung, welche bei v. Hofmann
die Parusie Christi hat - die Einheit von Person und Natur darzustellen -,
bei Luthardt eher das Millennium als Einheit von Geist und Natur über-
nimmt. Doch dies ändert nichts an der streng eschatologischen Ausrichtung
seines Konzepts von Heilsgeschichte, da er das Millennium engstens an
Christi Parusie anbindet und beide als Eschaton scharf abhebt von den Vor-
zeichen des Endes. 139 Auch die andere und auffallende Differenz zu
v. Hofmann, daß nämlich Luthal'dt die chiliastische Einheit von Geist und
Natur als Wiederherstellung des alttestamentlichen Gottesreiches erwartet.
ändert nichts an der eschatologischen Ausrichtung, da Luthardt andernorts
mehrere Eschatologumena als Verzukünftigung alttestamentlicher Erwar-
tung darstellt. l40 Dies entspricht v. Hofmanns Annahme einer heilsge-
schichtlichen Zwischenzeit der Kirche, der eben erst das Eschaton selbst
zum Fortschreiten verhelfen kann.
Auf Grund dieser weitreichenden Ubereinstimmungen wird man resü-
mieren können, daß Luthardts Axiomatik von Geist und Natur derjenigen
141
von Person und Natur bei v. Hofmann entspricht.

136 Dies umso mehr. als LUTHARDT (1861) 77 rur das Millennium v. Hofmanns Begrifflich-
keil von Person und Natur gebraucht: ..Das kann aber nichls anderes sein. als daß. nachdem die
GOllesgemcinschaft des Personlebens hergestellt isl. auch das Nalurleben in dieselbe aufgenom-
men, d.h. also verklän werde."
137 Zitate 8.a.0. 19: das erste Zilal greif! V. HOFMANN (1857/60) 1.22 auf.
138 LlJTllARDT (1861) 120; der zweite Halbsalz ist ziticr1 aus v. HOFMANN (1857160) 1.27.
139 Diese Unterscheidung von Vorleichen und Ende selbst ist im hislori.schen KonteJL:1 gerade
die arguffiCnlalive Poinle. mil der Luthardt die katholisch-aposlOlische Lehre einer Entrückun8
zum Millennium \'0' der Parusie Chrisli zum Gericht als Melabasis eis allo geoos abweis!.
140 LUTlIARDT (1882) 363.365 rur die eschatologische Mission und die Parusie.
141 Das Ergebnis der einzigen größeren wi.ssenschafllichen Unlersuchung zu Luthardl. daß
seine Sozialethik im Anschluß an A. v. Harleß ".zwei Lebenssphären'" (RIESKE-BRAUN 119931
143 mil LuthanilziIBI). nämlich den religiös-sittlichen Bereich und die natürlich'geschichtlichen
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H1. Die chiliastische Eschatologie der HeilsgeschichIlichen 1lleologie 11I

d) Rechtfertigung und Heiligung. Die zwischen 1857 und 1861 in drei


Aunagen erschienenen zehn Vorträge über die letzten Dinge von HERMANN
KARSTEN verstehen sich ausdrücklich als Aufnahme, aber auch Weiterfüh-
rung von v, Hofmanns heilsgeschichtlichem Konzept. Laut Karsten ist Es-
chatologie Lehre vom Ende, und zwar vom Ende der Gnadenfrist, die GOIt
zwischen der Sünde und dem ihr eigentlich zukommenden Gericht einge·
schoben hat. Eschatologie handelt somit vom Gericht und lenkt zugleich die
Geschichte zurück auf die gerade Bahn ohne die Störung durch Sünde und
Gericht. Dieses für Karsten kennzeichnende Konzept einer Gnadenfrist
markiert den theologischen Sachverhalt der Heiisgeschichte,I42 Im Einklang
damit beschreibt Karsten alles Christentum als ausgespannt zwischen ge·
143
genwärtiger ReChtfertigung und zukünftiger Heiligung. Von diesem
Spannungsbogen zieht Karsten eine individual- und eine universales-
chatologische Linie aus, die sich entsprechen: "Wir haben also das Ende der
Einzelnen und das Ende der Welt zu betrachten, doch aber so. daß wir er-
kennen, wie das Ende der jetzigen Weltzeit auch die Endentscheidung der
Einzelnen ist". 144
Dabei oszilliert sich die Heilsgeschichte in individueller Hinsicht zwi-
schen den Polen Geist und Körper, weil sie mit dem Tode endet und dieser
als das "gewaltsame Abreißen des Geistes vom Körper" definiert ist. '45 Das
Gericht bestätigt dann den Seligen die Verbindung von Geist und Leib,
während die Unseligen als sündige Geister ohne Körper zurückbleiben. l46
Derselbe Gedanke strukturiert mit dem paulinischen Bild der in den Öl·
baum eingepfropften Zweige (Röm 11.18fL) auch die universelle Heilsge-

Lebensordnungen. unlerscheide und in "harmonische[rl Teleologie" (a.a.O. 148) auf die ..Durch-
dringung" (ebd. u.ö.) lelZlerer mil der .,ChriSllichen Gesinnung" (a.a.O. 142: •.LuthardIS ethischer
Zentralbegrirr') erslerer ziele, stützt sich genau auf Luthardls Unterscheidung von Person und
Nalur: Er wolle damil in Abgrenzung von Luther ausdrücken, daß der Mensch nur als gleichartiger
Teil der Natur unfrei sei, in seiner Siulichkeit aber als von Golt angeredete Person frei (a.a.O.
138). so daß die persönliche Freiheil allCh das Leben in den natürlichen Ordnungen durchdringen
könllC (z.B. a.a.O. 145). - Wenn Rieske-Brnun in dieser Verhällnisbeslimmung von Person und
Natur cillC ..semipelagianisierende" (a.a.O. 136 u.ö.) Tendenz ausmachl, dann m.E. deshalb, weil
er ihren eschalologischen BegrUndungszusamlllCnhang nicht einbez.ieht, in dem sie. wie gezeigt. in
LUlhardts ..Lehre von den letzten Dingen" steht.
142 KARSTEN (1858) 7 (Kap. I). A.a.O. VII über das Verhällnis zu v. Hofmann.
143 A.a.O. 32 (Kap. 11): "die Rechtfertigung 1... 1 iSI als göttliche Gabe vollkommen [... ]. Da-
gegen muß die Heiligung täglich in uns zunehmen."
144 A.a.O. 64. Dabei behandeln Kap. U1-V die Individual- und Kap. VI-X die Univemles-
chatologie.
145 A.a.O. 75 (Kap. 11I); a.a.O. 63f. zum Tod als Abschluß der individuellen Heilsgeschichle.
146 So rur die Unseligen a.a.O. 75 (Kap. 11I) in individual- und a.a.O. 300 (Kap. X) in univer-
saleschalologischer Hinsicht, was dle Bedeutung des BegrilTspaarcs von Geist und Körper rtlr
Karslens gan1.e Eschatologie zeigt.
000402~~

112 Zweiter Teil

schichte. Ihr Motor ist die Spannung von christlichem Glauben und jüdi.
schem Unglauben an Christus, durch den die Christen allererst Zweige am
147
Baum der Geschichte Israels werden. Dementsprechend lenkt die Parusie
als universelles Ende die Geschichte wieder in israelitische Bahnen, d.h. sie
mündet in "ein einiges seliges, christliches Israel" ,148 das während lausend
Jahren das verklärte ,)erusalem und das heilige Land" beherrscht. Dieses
Millennium wird in seiner Verklärtheit als "geistleibliches Dasein" be-
schrieben, und auch diese Verbindung von Geist und Leib kann Karsten mit
149
dem paulinischen Ölbaumgleichnis illustrieren.
In der phasenweisen Zuordnung von Rechtfertigung und Heiligung, indi-
vidualeschatologisch als Ergänzung des Geistes durch den Körper, univer-
saleschatologisch als organische Eingliederung der Christen in das jüdische
Volk, erkennt man unschwer v. Hofmanns Begriffspaar von Person und
Natur wieder. Die Vorstellung, daß Heilsgeschichte die Einspeisung der
Heiden in Israels Geschichte sei, ist in v. Hofmanns Qualifikation der
Heilsgeschichte als israelitischer Geschichte stets präsent. Wie v. Hofmann
spricht Karsten von einem goumenschlichen Personleben des wiederkeh-
renden Christus als dem eigentlichen Ende, in dem beide Seiten vereinigt
sind. Freilich lassen sich auch Unterschiede nicht übersehen, so bei Kar·
stens stärkerer Betonung der Individualeschatologie. Vor allem aber lenkt
Karstens Kerngedanke, daß die Heilsgeschichte Gnadenfrist sei, den Blick
genau auf die Zeit der Kirche, die v. Hofmann als heilsgeschichtlichen Still-
stand eher auszuklammern scheint. Man kann somit festhalten, daß trotz
einiger Verschiebungen v. Hofmanns Axiomatik von Person und Natur bei
Karsten in den Termini Rechtfertigung und Heiligung zur Geltung kommt.
e) Unendlichkeit und Endlichkeit. 1866 erscheint in Rostock eine Vor-
tragsserie zur Eschatologie aus der Feder des Pfarrers WILHELM FLOERKE.
Sein Grundgedanke, dargelegt im ersten Abschnitt. ist. einen Zentralsalz
lutherischer Christologie auf die Eschatologie anzuwenden: finitum capax
infinili.l~ Die zweiten bis vierten Abschnitte handeln von der stufenweisen

147 A.a.O. 239f. (Kap. IX).


148 Wohl nur hier (9.a.0. 248) wird der Israellitel (auch) auf die Chrislen IIUS den Heiden be-
zogen. a.a.O. 198.242f. und selbst 3.a.0. 258.....'0 vom •.Israel GOllcs" die Rede iSI. denkl Karsten
an das Volk Israel in seiner esch31OIogischen Bekehrung zum Chrislentum.
149 Zitale a.a.O. 258.253. Das Ölbaumgleiehnis wird a.8.0. 240 rur die historische Entsle·
hungssituation des Christentums. 3.3.0. 198.202.248 dagegen eschatologisch herangezogen.
150 FLOF.RKF. (1866) 8 (Kap. I): "Wir sehen uns hier an die Frage gestell!: ob das Endliche des
Unendlichen flihig sei ooer nicht? und finden auch hier die rechle Anlwon nur bei der lutherischen
Kirche. [... 1 das reehte Ja. welches zuent ein Nein iSI. und dann ent zum Ja wird. [... 1 Diese
wirkliche Einwohnung Goues 1... 1 ist nun aber auch der Punkl grade. von dem aus der Begriff der
letzten Dinge im engem Sinne sieh erbaut:'
00040222

111. Die chiliastische EschulOlogie der HeilsgeschichtJichen Theologie 113

Durchsetzung der in dieser Formel ausgedrückten Einheit von Gott und


Mensch: zunächst individuell im einzelnen Menschen, dann in der ge·
schichtlichen Weh der Menschheit und schließlich auch im außergeschieht.
151
lichen und außermenschlichen Universum. Floerkes Eschatologie legt
somit schon dem Aufriß nach den Akzent auf die AlImählichkeit, mit der
das Unendliche in das Endliche Eingang findet. Realisiert ist die Einheit
beider nur erst in Christus, und deswegen kann die Eschatologie für F10erke
nicht vom verewigten Endlichen aus entfaltet werden, sondern nur vom er-
lösenden Christus,152 und zwar als die allmähliche Befahigung der Endlich-
keit für die Unendlichkeit. Dieser Grundgedanke erinnert an v. Hofmanns
Konzept einer durch die Parusie begründeten, allmählichen Befahigung der
Natur zur Gemeinschaft mit der Person.
Bei Floerke erscheint auf dieser Grundlage als Thema der lndividuales-
chalOlogie der Zwischenzustand, den er als geistlichen Tod infolge der Erb-
sünde versteht. Christus als der Gekreuzigte nun befreit von Sünde und muß
diese Befreiung den geistlich Toten mitteilen, und deswegen ist seine Ha·
desfahrt der Beginn seiner triumphalen Erhöhung. 153 Deswegen auch ist für
die Christen der leibliche Tod Durchgang zur Erlösung, die Befahigung des
Leibes zur Ewigkeit: ..Nur in diesen Stäublein ist noch der Leib da, (... ] in
diesen Stäublein grade muß also der Hades zu Schanden werden, in diesen
Stäublein grade der Herr eine unentreißbare Beute haben: dS4 - Die Ge·
schichtseschatologie der sog. Vorzeichen des Endes stellt in toto solche Be·
fahigung dar, indem sie alle menschliche Geschichte auf das Eschaton als
ihren einzigen Zweck ausrichtet. 155 Inhaltlich heißt das: Die aus der Johan-
nesoffenbarung entnommenen Vorzeichen des Endes, also die Logien von
einer vorHiufigen Machtstellung, doch letztlichen Vernichtung der Kirche.
bedeuten ihre Vollendung. machen ihre geschichtliche Gestalt überhaupt
erst fahig der ewigen Herrlichkeit. 156

151 Aa.D.9 mit der Gliederung ..zunächst"· - ..zweitens·· - ..driUens··. der die Folge der Kap.
11. 111. IV entsprichl.
152 A.a.D. 9: •.Also nicht von der Kirche. sondem vom Heml aus enl~teht der Begriff der
letzten Dinge:' A.a.Q. 75: ..Nicht die Weh mil ihrer Elllwicklung. sondern der Herr fllhn solehen
ISC'. Jüngsten) Tag herbei".
153 Aa.D. 19 kann ..der Eingang in den Hades daher auch nur Sieg und Herrlichkeitsoffenba-
rung sein".
154 A.a.D. 26 (Kap. 11).
155 Für die Geschichle ist der jüngste Tag •.freilich noch keineswegs ihr niichster und aus-
schließlicher"' Zweck: erst in der Periode der Vorzeichen werden .,alle ihre Entwicklungspunktc
nicht mehr durch ihre eignen. sondern durch die direkten Zwecke des jüngsten Tages bedingt wer-
den" (a.a.D. 32(, 33f. IKllp. 1111).
156 Aa.D. 55(, (Kap. 111).
ooa4022~

114 Zweiter Teil

Wird allerdings so alle Geschichte gänzlich auf das Eschaton ausgerich-


l57
tet, dann geht bei seinem Eintreffen auch alle Geschichte in ihm aur. Mit
diesem Argument verwirft Floerke das Millennium als eine unmögliche
..noch diesseitige Entwicklung und diesseitige Kirchengeschichte [, .. J,
während es anderseits doch zwischen der Wiederkehr und dem Weltge-
richte seinen Platz haben soll",m Befahigung des Endlichen für das Ewige
heißt ihm vielmehr jenseitige Geschichte, Transfer der Geschichte ins Jen·
seits: Die .,drei Gnmdordnungen" Ehe, Staat und Kirche bestehen fort, die-
nen aber ausschließlich Gottes Gebot für die Wiedergeborenen,I59 Die To-
ten erstehen vom Säugling bis zum Greis mit einem Leib im besten "Man-
l60
nesalter"; die Tiere werden, "was heute Märchen ist", sprechen können.
Über die Parusie liest man, gewissermaßen im Schlußakkord des Buches:
"der am jüngsten Tage Erscheinende, [sic!] ist der von uns Verkündete, der
lutherische wirkliche Gott und Mensch in einer Person", 161
Auch die lutherische Konfession wird demnach als solche verherrlicht!
Bei genauerern Hinsehen zeigt sich tatsächlich, daß in allen vier Kapiteln
der systematische Akzent auf lutherischen Eigenheiten ruht: Gewiß is(
schon das finitum capax infinit i eine lutherische Spezialität; ebenso wird
die Individualeschatologie mit der siegreichen Hadesfahrt Christi lutherisch
gegen deren reformierte Deutung als tiefster Erniedrigung Christi interpre·
tiert,'62 Die Vorzeichen des Endes als eigenständige Periode der eschatolo-
gischen Zweckausrichtung werden gegen unmittelbar eschatologische Aus-
deutung der Geschichte bei Baptisten und "lrvingianem" abgesetzt. 16J
Schließlich gilt F10erke im Schlußabschnitt seines Buches der Chiliasmus
als reformierte Sittenüberspannung,l64

157 So gebe es mit der Parusie ,.kein chronologisches. sondern nur ein sachliches Nacheinan-
der"' (a.a.O. 72: Hervorhebungen aufgehoben).
158 A.a.O. 66 (Kap. IV) nebst der Feststellung, Chiliasmus sei seinem Wesen nach immer
Prämillenniarismus.
159 A.a.O. % (Zitat) sowie a.a.O. 108 zur Überhöhung der beiden ersten Bräuche des Gesetzes
durch den usus in renalis. Aoer\:e ergänzt a.a.O. 97, daß die unterschiedliehen Herrlichkeitsgrade
innerhalb der allen gleiehen Seligkeit durch die Verschiedenheit der ...höhern ßeamtung" in der
Ewigkeit ausgedrückt würden.
160 Zitate 3.a.0. 83.93 (heide Kap. IV).
161 A.a.O. 110 (Kap. IV).
162 Vgl. die Abgrenzungen a.&.O. 8 bzw. &.a.O. 19.
163 A.a.O. 33. Bei den endgeschichtliehen Vorzeichen treibt F10erkes Einzelauslegung zudem
besonders konfessionalistische Blüten. Demnach sind die Judäer unter den 144.000 Versiegelten
aus Offb 7.4 die lutherische Kirche (a.a.O. 44). Das irenische Laodieea aus Offb 3.14ff. steht für
die Kirche der altpreußischen Union (a.3.0. 57). Der Antichrist schließlich wird vorn Katholizis-
mus verkörpert (a.8.0. 6O.63f.).
164 A.a.O. 75.
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111. Die chiliaslische Eschalologie der Heilsgeschichllichen Theologie 115

Floerkes systematische Schwierigkeit wird aus dem Vergleich mit


v. Hofmann ersichtlich. Der Ansatz einer Befahigung des Endlichen zum
Unendlichen ähnelt zwar v. Hofmanns Konzept von Natur und Person, doch
legt Floerke die Naturseite mehr und mehr auf das gegebene Luthertum
fest, so daß jede echte Erwartung von etwas Neuem für sie ausfällt. Floerke
halbiert so das heilsgeschichtliche Konzept gewissermaßen. Gerade darum
aber muß diese eigenartige Zwiuergestalt von Eschatologie im Zusammen-
hang der Heilsgeschichtlichen TheOlogie verstanden werden - nämlich als
konfessionell restaurative Polemik dagegen.
f) Seele und Leib. Im Jahre 1886 veröffentlicht der Präsident des meck-
lenburgischen Oberkirchenrates, THEODOR KLiEFOTH, als sein Alterswerk
eine "Christliche Eschatologie". Kliefoth begreift Eschatologie grundsätz-
lich antiprogressiv. Jede Entwicklung zum vollendeten Heil stößt in der
Sünde auf eine unübersteigbare Schranke. und deswegen kann Eschatologie
keine Entwicklung, sondern nur Gottes sprunghaftes Eingreifen lehren, das
die Schranke aufhebt 165 und so die Eschatologie in zwei Hälften teilt, näm-
lich die Vorbereitung des Endes und das Ende selbst. Die "Markscheide"
zwischen beiden ist die Parusie Christi als "Mittelpunkt der die Vollendung
schaffenden Gottesthaten".I66
Daß solch "unnatürliche Sprünge"167 notwendig sind, bemerkt Kliefoth
schon zu Beginn seiner materialen Durchführung bei der Lehre vom Tode.
Da die Seele nach dem Tode, der sie vom Leibe trennt, keiner Tätigkeit
oder Veränderung fahig ist,l68 wäre ihr Zwischenzusland nach dem Tode
identisch mit dem eschatologischen Gericht über sie,l69 wenn nicht Gott den
berufenen Seelen die im Tode noch anhaftende Sünde abnehmen oder die
unberufenen Seelen nachträglich zum Glauben benlfen könnte. no
Diese eschatologischen Wunder vollziehen sich zufolge Kliefoth mit
Christi Parusie als dem Zentralwunder. Dadurch erklärt sich, daß Kliefoths

165 KLlEFQTH (1886) 4.5 (§ I): •.AlIe diese die Vollendung verhindernden Dinge 1... 1 hebl
keine Enlwickelung auf:' - •.Demnach werden wir neue Goltesthalen erwarten müssen".
166 Zitate a.a.O. 226.26: überhaupt a.a.O. 26f. (§ 4) und das Inhallsverzcichnis zur Zweitei-
lung der Eschatologie nach Vorbereitungen des Endes (U 5-18: Zwischenzustaod IU 6-121 und
Vorl.eichen des Endes IU 13-18]) und Ende selbst (U 19-26: als Parusie IU 20-241 und Ewig-
keill§§ 25-261).
167 A.a.O. 86.
168 Dies ist Klicfolhs Ergebnis zur Frage nach der Unsterblichkeit der Seele (§ 6).
169 Dagegen a.a.O. 74: ..Es wird zwischen dem über jeden Menschen bei seinem Ableben er-
gehenden Gerichl und dem Endgericht der Parusie ein Unterschied stall finden mUssen:' Diese
Unlerscheidung ist Them.1 des § 7.
170 A.a.O. 86 zur sprunghaften EnlsUndigung und a.8.0. 111f. zur Nachberufung. Der Unttr-
schied von berufenem und unberufenem Zwischcnzustand iSI Thema der §§ 10 bzw. 11.
00040~22

116 Zweiter Teil

gesamte Eschatologie um die Parusie Christi zum Gericht strukturiert ist in


streng korrespondierender Zweiteilung von Partikular- und Universalge-
richt: Jenes gehört zur Vorbereitung des Endes und ergeht im Tode; 171 die-
ses gehört zum Ende selbst und ergeht bei der Parusie. Jenes betrifft die
Rechtfertigung und richtet nach dem Glauben; dieses betrifft die Heiligung
und richtet nach den Werken. Jenes wird logisch ermöglicht durch den Zwi-
schenzustand. der bloß das Urteil über die Berufenen zu konservieren bzw.
rur die Unberufenen nachzuholen hat: dieses wird logisch ermöglicht durch
die Auferstehung Aller. Jenes vollzieht sich an der Seele; dieses vollzieht
sich am Leibe. Jenes mißt die unteilbare Seligkeit bzw. Unseligkeit zu; die-
ses teih als Binnendifferenzierung davon Grade der Herrlichkeit bzw. Ver-
dammnis aus. 172
Bei Kliefoth scheint solch strenge Symmetrie ein völlig anderes Kon-
stmktionsprinzip als der heilsgeschichtliche Entwurf einer allmählichen
Vollendung der Natur VOnluszusetzen. Doch die Symmetrie ist keineswegs
so slreng. 113 Das ergibt sich schon aus Kliefoths Grundgedanken: Wenn Es-
chatologie aufgrund der Sünde keine Entwicklung lehrt. sondern gerade die
Aufhebung der Schranke solcher Entwicklung. dann ermöglicht sie, indem
Gottes Wunder deren Schranke aufhebt, zugleich Entwicklung; eine Ent-
wicklung, die freilich in eben dem Augenblick, wo sie möglich wird, auch
schon wirklich ist. weil durch Gottes Wunder ihre Schranke ja aufgehoben
iSI. Kliefoths Eschatologie lehrt also, pointiert gesprochen. zwar entschie-
den wegen Gottes Eingreifens keine Entwicklung zum Heil. wohl aber we-
gen desselben Gaues Eingreifens eine Entwicklung des Heils. Der Ent-
wicklungsgedanke wird damit nicht schlechthin aufgegeben, sondern auf
eine höhere Ebene gehoben. Auf ihr kehren die Spezifika der Heilsge-
schichtlichen Theologie wieder. Die Ewigkeit fügt die leibliche Seite des
Menschen mit der seelischen zusammen, sie erstattet zur Seligkeit die
Herrlichkeit: Mit alldem denkt Kliefoth die Ewigkeit als Einheit von Person
und Natur, analog zum Chiliasmus der Heilsgeschichtlichen Theologie,
denn wie dieser sieht er die Ewigkeit als Erfüllung der an Israel ergangenen
174
Verheißungen und spricht Israel einen Ehrenprimal zu, weil es die völki-

111 A.a.O. 75. KliefOlh nennl das Gerichl im Tode hier auch ein ••Vorgerichf'.
172 A.a.O. 287.
173 Auf Asymmelrien macht auch HJElDE (1987) 192 aufmen:sam: Der erste Teil ist nach
dem Schema von IndiYidual· und UniYersalesc:hatologie lInlerglieden. der zweite nach dem von
Heil lind Unheil.
174 KUEfOTtI (1886) 190.344f. mit Verweis auf § 16 (WKlerlegung des Chiliasmus). wo es
La.O. 162 hieB: ..diese Weissagung muB ih~ Erlüllung finden. so ",,"Cit sie sie nicht schon gefun-
den bat. und zwar n'alilcr und yoll".
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111. Die chiliastische Eschatologie der Heilsgeschichtlichen Theologie I 17

sehe, ja raumzeitliche Struktur der Ewigkeit, eben der neuen Erde, vorgege-
ben habe.
Kliefoths Eschatologie muß somit im Zusammenhang mit dem Konzept
v. Hofmanns gesehen werden. Daß er diesen wohl mit der Kritik an "der
jetzt beliebten lsraelolatrie" im Auge hat 115 und auf annähemd fünfzig Sei-
len den Chiliasmus in Bausch und Bogen verwirft, gibt Kliefoths Enlwurf
kaum eigene Konsistenz, denn sein entscheidendes Argument gegen den
Chiliasmus: daß er ein ,,Zwitterding" sei, welches den ,.Grundfehler'· bege-
he, "zweimalige Parusie" und "doppehe Auferstehung" anzunehmen,176
überzeugt wenig in einem Konzept, das ganz auf Doppelungen und Zwei-
teilungen gebaut ist.
Während nämlich bei v. Hofmann die Pointe der Axiomatik von Person
und Natur inhaltlich auf ihrer Verklärung zur Einheit im Christus der Paru-
sie liegt, wendet Kliefoth die entsprechenden Begrifflichkeiten mechanisch
als Formprinzip an. Während die Heilsgeschichtliche Theologie Unseligkeil
gerade nicht als bloß negativ gespiegelte Form der Einheit von Person und
Natur, sondern als deren Verfehlung denkt, ist sie für Kliefoth das exakte
Spiegelbild zur Seligkeil. 177 Die eigentliche Absicht der heilsgeschichtli-
chen Eschatologie, daß sie auf die Herrlichkeit Christi und die Neuschöp-
fung der Welt zieh, kann Kliefoth daher nicht ausdrücken. Seine Es-
chatologie wirkt trotz ihres anschaulichen Materialreichtums wie ein vom
Inhalt abgelöstes fonnales Konstrukt, das ohne den abgrenzenden Bezug
auf die Heilsgeschichtliche Theologie kaum verständlich wäre. Auch Klie-
foths Eschatologie ist daher, wie diejenige Aoerkes, im Zusammenhang der
Heilsgeschichllichen Theologie zu sehen. 118
Das hier zusammengetragene Material erlaubt ein Fazit: v. Hofmann
strukturiert die Eschatologie im Ausgang von der Parusie mit Hilfe der
Axiomatik von Person und Natur als allmähliche, stufenweise Vollendung
des Weltverhällnisses (Natur) zu seiner Einheit mit dem Gottesverhältnis
(Person). Diese Axiomatik findet sich in mehr oder weniger abgewandelter
Form auch bei Beck, Auberlen, Luthardl, Karsten, Floerke und Kliefoth.
Zudem bestehen zwischen den genannten Theologen auch kirchenge-
schichtliehe Beziehungen, die mehr sind als untergründige Strömungen,
deren Aufspüren den wissenschaftlichen Wert von Wünschelrulengängen

175 Zilat a.a.O. 346, dort auch. mit Yielen Bedenken. zum eyentuellen Vorzug ISflleiS.
176 Zitate 3.3.0. 190.189.189.189.
177 Y. Uofmanns und Karslens Poinle im Umgang mit dem Problem der ewigen Verdammnis
ist dagegen. dnß die Unseligen als Geister ohne Körper (s. S. 94 Anm. 62 bzw. S. 111 Anm. 146)
weder seJbslleiden noch jemandem Leid anlun können.
178 WEBER (1955/62) 11,738 Anm. 3 7.ähh Kliefoth zur Heilsgeschichtlichen Theologie.
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118 Zweiter Teil

hätte. Vielmehr ergibt sich durch sie auf der theologiegeschichl1ichen


Landkarte so etwas wie eine Topographie heilsgeschichtlicher Eschatologie
mit dem fränkischen Stamm der Erlanger v. Hofmann und Luthardt sowie
einem alemannischen (Beck, Auberlen) und einem mecklenburgischen
Zweig (Karsten, F1oerke, Kliefoth),179 die sich jedenfalls tendenziell in der
Handhabung der gemeinsamen Axiomatik von Person und Natur unter-
scheiden. Hatte v. Hofmann daraus das Theorem einer heilsgeschichtlich
fortschrittslosen Gegenwart abgeleitet, so akzentuierten Beck und Auberlen
diese als Zeit der Kirche. was die Bedeutung des Chiliasmus als spezieller
Hoffnungsgestalt für die Kirche erhöhte. Solche Argumentation (etwa auch
bei Luthardt) ruft aber die antichiliastischen Mecklenburger Floerke und
Kliefoth mit einer amtskirchlich geprägten Restaurationseschatologie auf
den Plan. Der Chiliasmus markiert so die inhärenten Probleme der escha-
tologischen Axiomatik von Person und Natur. denn das Millennium ist eine
Durchdringung der Dimensionen von Person und Natur, die daher zwischen
alttestamentlichen Konturen und der christlichen Bekehrung Israels
schwankt. Dies zeigt schon. daß die chiliastische Eschatologie der Heilsge-
schichtJichen TheOlogie bedeutsam ist für die Frage, wie evangelische
Theologie das Judentum wahrnimmt.

1.2. Implikationen für die Wahrnehmung des Judentums

I. Alllestamentliches lind endzeitliches Judentum. Schon ein flÜChtiger


Blick auf die Autoren der Heilsgeschichtlichen Theologie zeigt. daß das
Judentum in ihrem eschatologischen Denken eine wichtige Rolle spielt.
Zum einen wird die erwartete Verheißung mit begrifflichem und anschauli-
chem Material aus dem Alten Testament beschrieben, zum anderen hat der
Chiliasmus als eine jüdische Eschatologietradition maßgebliches Gewicht,
denn die Hoffnungsgestalt der Kirche wird in der Heilsgeschichtlichen
Theologie durch das Millennium verkörpert. Beides zeigt sehr deutlich
Luthardt, der den Chiliasmus geradezu definiert als das Auftragen geistigen
Kirchenturns auf ein israelitisches Trägennaterial. Doch auch bei den übri-
gen Autoren ist deutlich, wie sie sich speziell für das Alte Testament und
den Chiliasmus interessieren. Dabei wird für das Eschaton gewissennaßen
angenommen, der christliche Glaube werde mit seiner aluestamentlich-
jüdischen Gestalt zusammenwachsen, so daß eschatologisch zur Deckung
kommt, was geschichtlich getrennt war. Die neutestamentliche Weissagung

179 Späler lrill noch ein baltischer Zweig hinzu (5. Kap. V.2.2. hier S. 253-255).
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IJI. Die chiliaSlische Eschatologie der Heilsgeschichllichen Theologie 119

ist keine andere als die alttestamentliche Zukunftserwartung, Israel ist die
Zukunft der Kirche. Deswegen steht zum einen mit den Verheißungen des
Alten Testaments die eschatologische Verheißung immer gleich mit zur
Debatte, deswegen wird zum anderen mit dem Chiliasmus notwendig auch
die Frage einer christlichen Bekehrung Israels zum Thema. Letzteres zeigt
sich daran, daß Chiliasmus nicht ohne Bekehrung Israels und diese nicht
gegen jenen vertreten werden kann; man vergleiche etwa Kliefoth mit den
übrigen Genannten. Ersteres war besonders gut bei Auberlen zu beobach-
ten, der ursprünglich gegen v. Hofmann für die rein eschatologische Deu-
tung alttestamentlicher Verheißung eintrat, ihm letztlich aber doch in einer
Korrespondenz von zeitgeschichtlicher und eschatologischer Interpretation
beipflichten mußte. Beides zeigt sich deutlich auch bei v. Hofmann. Wenn
er in seinem Jugendwerk in neuartiger Weise mit einer offenen neutesta-
mentlichen Weissagung schließt, ist diese sachlich alttestamentliche Er-
wartung, da sie ja dem mit dem Neuen Testament gegebenen wahrhaftigen
Gottesverhältnis (Person) das rechte Wehverhähnis hinzufügt, also die Ver·
klärung der Natur, die eben schon Gegenstand alttestamentlicher Erwartung
war. l80 Für v. Hofmann ergibt sich eine protologisch-eschatologische
Klammer um die Geschichte also schon aus seiner axiomatischen Begriff-
lichkeit von Person und Natur. Die Ansicht, daß Anfang und Ende sich ent-
sprechen, ist in christlichem Geschichtsdenken freilich nichts Außerge-
wöhnliches, charakteristisch für die Heilsgeschichtliche Theologie ist aber,
daß Anfang und Ende beide auf Israel und das Judentum konzentriert sind.
So sind durchweg schon aufgrund der Axiomatik von Person und Natur das
Judentum der alttestamentlichen Zeit und das Israel des Eschaton die beiden
Brennpunkte heilsgeschichllichen Interesses am Judentum.
Man muß nun aber sogleich die Beobachtung anschließen: Mit ebensol-
cher Ubereinslimmung wird ein Judentum anderer Epochen aus der Be-
trachtung ausgeblendet. Das ergibt sich aus der heilsgeschichtlichem Den-
ken zugrundeliegenden Axiomatik ebenso klar wie andererseits die Fokus-
sierung auf früh- und endzeitliches Judentum. Demnach ist ja das Alte Te-
stament die Zeit natürlicher Erwartung, das Neue Testament die Zeit per-
sönlicher Erftillung und das Eschaton die Zeit auch natürlicher Erfüllung.
Die Zeit zwischen Christi historischem Auftreten und seinem zukünftig er·
homen Kommen ist dann, heilsgeschichtlich betrachtet, ohne escha-

180 So auch BECKMANN (2002) 293. womit dessen BehauplUng. bei v. Hofmann weise das
Alte Testament nur auf den .,Anfang des Endes". ,,nichi wie das NT auf das Ende selbsr· (a.a.O.
285), in Spannung steh!. Angemessener scheinl mir. das Problem nicht bei der Zukunfl.scrwanung
des Alten Testamenls, sondern bei v. Hofmanns Ausdruck .,Anfang des Endes" zu suchen.
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120 Zweiter Teil

tologischen Wen, und tatsächlich war zu beobachten, daß v. Hofmann die-


sen Schluß ausdrücklich zieht. 181 Also gibt es in der gesamten Geschichte.
die vom heilsgeschichtlichen Standpunkt aus ja eine allmähliche Vollen·
dung der Natur ist, eine genau abgrenzbare Zeit zwischen Christi erstem
und zweitem Kommen, die zu dieser Verklärung nichts beiträgt. Das ist
umso überraschender, als derselbe v. Hofmann ausdrücklich festhält, die
ganze Geschichte sei israelitische Geschichte,l82 ja in ihrem israelitischen
Gepräge bestehe ihr heilsgeschichtlicher Charakter. Noch deutlicher wird
das Problem bei Karsten: Aus der Entsprechung zwischen jüdischer Früh-
zeit und israelförmjger Eschatologie ergibt sich bei ihm, daß die fragliche
Zeit zwischen Christi historischem Auftreten und seiner Parusie nur ein
heidengeschichtlicher Einschub in die Israelgeschichte ist, aus der jene ent-
springt und in die sie dereinst wieder mündet. 183 Nicht anders verhält es
sich bei Beck und Auberlen. Sie sind trotz ihrer Übereinstimmung mit
v. Hofmanns Axiomatik zwar gerade an der fraglichen Zwischenzeit inter-
essien, aber eben als einer Zeit der Kirche.
Gewiß ist es in der christlichen Eschatologie zumal dieser Epoche nicht
so ungewöhnlich, daß eine fremde, die jüdische Tradition nicht ins Blick-
feld gerät, so daß man hieraus allein nicht wohl schon einen Einwand gegen
deran'ige Eschatologie entnehmen kann. I84 Gleichzeitig wird aber ja in der
Heilsgeschichtlichen Theologie die gesamte Geschichte in ihrer christlich-
heilsgeschichtlichen Prägung als israelitische behauptet, und dies ist nun ein
ernsthafter Widerspruch, der in der heilsgeschichtlichen Konzeption selbst
angelegt ist. Denn einerseits werden klar jüdische von nichtjüdischen Epo-
chen getrennt, andererseits wird für die Geschichte Stetigkeit reklamiert.
Einerseits fühn die Axiomatik von Person und Natur zu einer klaren Stu-
fung der Geschichte. andererseits beschreibt sie eine allmähliche Verklä·
rung der Natur zu ihrer Einheit mit der Person. m Die Axiomatik von Person
und Natur ist also in sich "nk/ar; denll Swjimg und Stetigkeit des Ge-
sclliclltsmecllanismlls von Person und Nalllr schließen einander alls. Diese
BegrifOichkeit. die wir bislang nur rekonstruien und in ihren Funktionen

181 S. S. 94 Anm. 59.


182 v. HOFMANN (1857/60) 1.26f.
183 KARSTEN (1858) 239f. (s. S. 112 Anm. 147).
184 Besonders BECKMANN (2002) 325.328.336 kritisien die evangelische Theologie des
19. Jh. immer wieder daHir. daß sie in der Eschalologie dem •.nachchristlichen Judentum" keine
produktive. d.h. krilische Funktion am ..kirchlichen Slalus quo" einräumt. Freilich kann solcher
Wunsch nach Kritik auch vom christlichen Unbehagen an Kirche beslimnll sein. wie umgckehn
Produktivitäl sich nicht in Kritik erschöpft.
185 Ein ähnliches Problem konstatien auch BEHR (1995) 106.
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111. Die chil iaslische Eschatologie der Heilsgeschichllichen Theologie 121

analysiert haben, muß darum nun nochmals einer kritischen Betrachtung


unterzogen werden.
2. Der historische Jesus lind der Christlls der Parusie. Diese kritische
Betrachtung führt ZU folgender Problembeschreibwlg: Der Terminus "Per-
son" bezeichnet bei v. Hofmann das Gouesverhältnis, das ein Mensch, aber
auch Gott selbst 186 haI. Das Weltverhältnis nennt er im Unterschied dazu
,.Natur". Demnach zielt die heilsgeschichtliche Axiomatik, indem sie auf
die Parusie orientiert ist, auf die Einheit von Goues- und Weltverhältnis.
Diese ist so, wie sie sich geschichtlich vorfindet, gestört, denn zum einen iSI
die Heilsgeschichtliche Theologie darin dem aufklärerischen Denken und
der allgemeinen Hinwendung zur Geschichte verpflichtet, daß für sie ein
unmiuelbares Gottesverhältnis nicht erschwinglich ist. Zum anderen kann
das Weltverhältnis aufgrund der Sünde auch nicht Träger eines vermiuelten
Gottesverhähnisses sein. Problematisch ist also, wie die Natur Träger der
Person sein kann; und diese heilsgeschichtliche Fragestellung kehrt die frü-
here Denkrichtung um, in der die Person Träger der Natur war.
Die Heilsgeschichtliche Theologie handelt also davon, unter welchen
Umständen das Weltverhältnis dem Menschen ein Gottesverhältnis vermit-
teln kann. wie also die sündige Korruption der Menschenwelt behoben wer-
den kann. Der Mensch, der GOIt in der Welt nicht finden kann, weil er die
Welt und sich mit ihr immer wieder zu GOll machl, erfahrt eine Verände-
rung, die ihn zur Gemeinschaft mit Gott befähigt; das ist gemeint, wenn die
Heilsgeschichtliche Theologie von einer Verwandlung der Natur spricht.
Wenn sie dabei aber Christi Kreuzestod im Gegenzug zur sündigen Kor-
ruption der Natur als eine. allgemein gesprochen, Veränderung der Natur
auffaßt. so daß diese der Gemeinschaft mit GOll nicht mehr entgegensieht-
was. so lautet die entscheidende Frage, was fehlt dann noch zur Einheit von
Welt- und Gottesverhältnis? Ist die Einheit von Person und Natur dann
nic/ll mit Christi historischem Au/treten gegeben lind die Erwarwng einer
Pamsie schlicht über/lüssig?181 Dieses Problem bedarf einer Klärung, da
sonst die von den beiden Daten des hislorischen und des zukünftigen

186 v. BOFMANN (I 857/fIJ) 1.36 erwähnt eine immanent-trinitarische Gleichpersöntichkeil des


Gcisles mit Jesus.
187 Bereits bei S. 92 Anm. 54 wurde darauf hingcwiesen. daß v. Hofmann die Versöhnung
zwar als Gutmachung der sündigen Natur begreift. gleichwohl aber das Christentum vorbehaltlich
des die Ntllur vcrklärenden Eschaton auf die Perso/l gründet: ebenso 1..8. Luthardt, der es auf dem
Geist ruhen sicht (s. S. 109 Anm. 131). KUEFOTIIS Gliederung der Eschatologie verrul ein ähnli-
ches Problem, weil cr von seinem eschatologischen Ansatz bei GOlles wunden3tigem Eingreifen
'Ion der Parusie Christi ausgehl. daneben aber auch die Vorzeichen durch ihre Wunderhaftigkeit
begründen will (DOS. [18861 139f.).
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122 Zweiter Teil

Kommens Christi eingegrenzte Zeit der Kirche unversehens in den Mittel-


punkt der Eschatologie rückt und die Hoffnung sich dann nur noch auf den
Fortbestand der Kirche richtet.
Für dieses Problem zwischen erstem und zweitem Kommen Christi sind
zwei LösLlflgsvorsc:hJäge denkbar, die jedoch beide wieder bestimmte
Schwierigkeiten der Heilsgeschichtlichen Theologie aufdecken. Das Ver-
hältnis zwischen Christi historischem Auftreten und seiner erhofften Paru-
sie läßt sich zum einen als dasjenige von Ermöglichung und Verwirkli-
chung des Eschaton beschreiben, dabei aber verliert die Geschichte ihr
durchgehend israelitisches Gepräge, von dem ja die Heilsgeschichtliche
Theologie ausgegangen war. Zum anderen kann man den historischen Jesus
dem Parusiechristus zuordnen wie Individual- zu Universaleschatologie,
dies aber widerspricht dem heilsgeschichtlichen Grundgedanken, daß das
Individuum Christus die Menschheit Gottes sei, m.a.W. hier wird das Pro-
blem spürbar, daß in der Begrifflichkeit von Person und Natur (als Gottes-
und Weltverhältnis) das Verhältnis von Individualität und Menschheitlich-
keit ungeklärt ist. - Beide Fälle seien kurz erläutert:
Für die erste Lösung ermöglicht der historische Jesus den Menschen,
Gott in der Welt zu finden, also ein naturvermitteIles Gonesverhältnis zu
erlangen, was der Parusiechristus dann verwirkliche. Da v. Hofmann aber
durch den Ansatz bei der Wiedergeburt auch schon eine geschichtliche
Verwirklichung annimmt, wäre diese Lösung nur im Sinne einer allmähli-
chen und prozessualen Verwirklichung denkbar. Gerade so löst sie freilich
das Problem von Stufung und Stetigkeit der Geschichte: Sie wird dann mit
der grundsätzlichen Befähigung der Natur zur Gottesgemeinschaft durch
Christi Tod auf die höhere Stufe einer christlichen Geschichte geführt, die
sich dann wie eine Rolltreppe - gestuft, aber stetig - der immer höheren
Vervollkommnung zu bewegt. 188 - Tatsächlich ist diese Anschauung in der
Heilsgeschichtlichen Theologie nachzuweisen. Die Höherentwicklung der
christlichen Geschichte ist im Millennium verkörpert. Die Verbindung die-
ser Entwicklung mit ihrer vorigen Stufe kommt zum Ausdruck, wenn Chri-
stus in seinem historischen Auftreten als Ende und darin zugleich Wende
der Geschichte verstanden wird. Mit ihm beginnt dann eine neue, eine hö-
here Geschichte. Die frühere Geschichte verblaßI demgegenüber allerdings
zur Vorgeschichte. Auf Judentum und Christentum bezogen heißt das, die
christliche Geschichte ist keine israelitisch geprägte mehr wie ihre alttesta-

188 Ein komplementäres Problem der zeitgleichen katholischen Eschalologie der Ti.ibinger
Schule kritisien MOUER-GoLDKUHl.,.E (1966) 123 als ..Terrassen-Eschatologie"; Stufung ohne
innere Stetigkeit.
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1lI. Die chiliastische Eschatologie der Heilsgeschichtlichen Theologie 123

mentliche Vorstufe. Genau dies hatte die Heilsgeschichtliche Theologie


aber ursprünglich für alle Geschichte reklamiert.
Die andere Lösung sieht im historischen Christus die Einheit von Person
und Natur nur ftir ihn selbst wirklich. in der zukünftigen Parusie dagegen
gewinne sie für alle Menschen Gültigkeit. Tatsächlich versteht v. Hofmann
Jesu Tod und Auferstehung als Einigung von Person und Natur. l89 Der Zu-
sammenhang zwischen beiden Daten besteht dann darin. daß im histori-
schen Christus bereits vorwegereignet ist. was in der Parusie geschieht.
Diese typologische Verknüpfung der beiden Parusien Christi ist besonders
charakteristisch ftir Beck, der sie ftir mehrere Eschatologumena einzeln
durchführt. l90 Sie findet sich aber tatsächlich bei praktisch allen hier be-
sprochenen Autoren für das Eschatologumenon Gericht dargestellt. Es wird
dann angenommen, daß Christus mit seiner Ankündigung der Zerstörung
Jerusalems das Gericht vorwegnimmt und daß deswegen der Untergang des
zweiten Tempels im Jahre 70 innerhalb einer dreiphasigen Parusie der (gei-
stige) Beginn von Christi zukünftig erhoffter Parusie sei. 191 Die Schwierig-
keit ist aber. daß die ganze Hypothese einer individuellen Vorwegereignung
der Eschata in Christus der charakteristischen Pointe von v. Hofmanns
Christologie widerspricht. denn Christus kommt dort nie als Individuum in
den Blick, sondern als der Mensch Gottes, der in diesem Kollektivsingular
die Menschheit Gottes ist. Ja, v. Hofmanns Lehre von der Person Christi
gipfeh ja darin, daß Christus als der Erlöser derjenige ist. dessen WeItver-
hältnis ganz vom Gottesverhältnis durchdrungen ist und darum keine Indi-
vidualität kennt. 192 Daß Christus auch Individuum werde, fehlt ihm gerade
noch. dies ist auch ftir Christus die noch ausstehende Verklärung der Natur,
und deswegen muß v. Hofmann annehmen, daß die Parusie nicht nur um
der Menschen. sondern auch um Christi willen erhofft wird.
Dieses Problem liegt bereits in der axiomatischen Begrifnichkeit von
Person und Natur. Personalität bezeichnet hier Gottesverhältnis und Natu-
ralität Weltverhältnis; aber in diesen Kategorien iSI Christus, der (wie
v. Hofmann sagt) Mensch GOlles, tenninologisch nicht zu unterscheiden
vom Menschen schlechthin. Es fehlt hier an einem Begriff des Menschen

189 S. S. 85 Anm. 25.


190 s. S. 105 AnOl. IIOf.
191 Vgl. V. HOfMAN (1841/44) 11.281: K~ (1858) 156: DECK (1886187) 11.682. Den·
selben Gedanken fa& noch GÄCKLE (1999) 115. AuBcmalb der Hc:ilsgeschichtlkhc:n TheologJc:
USSL"(j (1858) 59: GERLAOl (1869) 102. Anders dagegen LEm (1948) 134. obwohl er La.O. 63
eine drtlfachc Parusie annimmt.
192 v. HOFMANN (1841/44) 1••H f. sprichl Ouistus vorbchalllich seiner PlmlSJc dJc Individua-
liwab.
124 Zweiler Teil

im Verhältnis zu seinen Mitmenschen, so daß er nicht nur als Exemplar der


Menschheit erscheint. Doch die Konsequenz, das begriffliche Instrumenta-
rium von Person und Natur überhaupt zur Debane zu stellen, wurde von
keinem der hier behandellen Autoren gezogen. Dies zu tun, hätte geheißen.
den schematischen Charakter dieser Begrifflichkeit in Betracht zu ziehen.
Genau dies ist die Aufgabe des folgenden Abschnills.

2. Erhebung von Wahrnehmungsschemata

Die Analyse der Heilsgeschichtlichen Theologie ergab, daß deren Charakter


erst im problemgeschichtlichen Kontext Kontur gewinnt: Die zentrale Be-
grifflichkeit von Person und Natur wird entwickelt als Antwon auf die Kri-
tik. die Schleiennaeher am substanzontologischen (lx>ethianischen) Kon-
zept von Person und Nalur in der allprotestanlischen Orthodoxie geübt hal-
te, und sie kehrt dieses Verständnis um; alls der Perso" als ontologischem
Träger der Natllr wird die Na",r als eschalOlogischer Träger der Person.
Man muß die Heilsgeschichtliche Theologie also in ihrem Bezug sowohl zu
Schleiennacher als auch dahindurch zur derjenigen Iheologischen Tradilion
sehen. mit der Schleiennacher sich auseinandersetzt. Damit ist ein theorie-
geschichtlicher Bezugsrahmen abgesteckt, der die Voraussetzung für eine
193
Erhebung von Schemata der Wahrnehmung des Judentums darstellt.

2.1. Natur und Person?

Wie der Abschluß der Analyse schon andeutele, nimml gerade die Begriff-
lichkeit, welche den eschatologischen Grundgedanken der HeilsgeschichlE-
chen Theologie prägt und also auch ihr Interesse am Alten Testament und
Judenlum erklärt. den Menschen nicht als Individuum, sondern nur als Ex-
l94
emplar der Menschheil in den Blick. Geschichtliche Differenzierungen
von Geslallen des Menschscins entfallen damil tendenziell dem Auge des
Betrachters. Dies kann sich auch so niederschlagen. daß die Art und Weise.
wie Israel als Volk sich aus den übrigen Völkern der Anlike ausdifferen-
ziert. nicht thematisch wird. Israel wird dann unmiuelbar als menschheitli-
che Größe beanspruch I, und die ihr zugeschriebene Zukunflserwanung wird

193 S. Kap. 1.2. hier S. 24.


194 In di~su UinsK:ht iSI dK öfters gdube Krilik am Idcalismu der Heilsgeschichllichen
Theologie mAig.
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111. Die chiliastische Eschatologie der Heilsgeschichtlichen Theologie 125

mit dem gleichgesetzt, was für alle Menschheit, also als Abschluß der Na-
turvollendung erwartet wird. 19S Die auf die Personalität gerichtete Zu-
kunftserwanung wird dann dem Judentum abgesprochen und bleibt dem
Chrislentum vorbehalten. So bildet sich das Gegenüber von gegenständli-
cher, sichtbarer Zukunftserwanung im Judenlum und geistiger, innerlicher
Hoffnung im Christentum aus, das z.B. in v. Hofmanns Jugendwerk eine für
den Aufbau der Argumentation wichüge Rolle spielt 196 Zu einem Wahr-
nehmungsschema, dessen Belege sich in hinreichender Dichte nachweisen
lassen, wird das Begriffspaar von Person und Natur freilich erst dadurch,
daß es im Gefolge der Heilsgeschichtlichen Theologie eine charakteristi-
sche Rezeption findet: Von ihrem eschatologischen Grundansatz in der
Heilsgeschichtlichen Theologie her ist die Einheit von Person und Natur
nur auf die Parusie Christi zu beziehen. Durch die impliziten Schwierigkei-
ten, deren Verhältnis zum historischen Auftreten Christi zu bestimmen,
bürgen sich aber etwa eine Generation nach der Blüte der Heilsgeschichtli-
chen Theologie die Ansicht ein, die Parusie sei nach christlichem Verständ-
nis zweigeteill in Jesu Erdenleben und seine Wiederkunft. Was also bei
v. Hofmann noch ein klärungsbedürfliges Problem ist, weil von ihm eine
inkonzinne Wahrnehmung des JudenlUms ausgeht. wird nun als Lehre von
den "zwei Adventen Christi" in Siellung gebracht gegen die jüdische Er-
wartung nur einer Parusie, in der das persönliche Erscheinen des Messias
und die Umwandlung der Weil zusammentreffen müßten. Das Judentum, so
die Folgerung, besäße nichl die Spannkrafl, das erhoffte Eschaton auf die
Welt zu beziehen, ohne diese sogleich in es hinein aufzulösen. Dieses
Schema wird zunächst bei LA. Domer wirksam. durchzieht aber verschie-
denste theologische RiChtungen bis weit ins 20. Jh. hinein. 191 Man bemerke,
daß diese Wahrnehmung des Judentums als weltnüchtig oder zukunfts-
süchtig zwar im Anschluß an die Heilsgeschichtliche TheOlogie entsleht,

195 Daß eine vorschnelle Beanspruchung des Judentums als menschheillicher Größe dieses zu
"einem imaginären Typus" machl. zeigt BRENNER (1993) 190 (Zitat) on Antisemitismen im kaiser-
zeilliehen Philosemilismus. Hier liegt auch das Problem von PFlSTERER (1959) 266ff.. dcr den
..Bund" als Oberbegriff ftir Christen und Juden gebrJuehl. daneben aber die endzeilliche Chrislia-
nisierung der Juden aufgrund von Röm I1 ,25ff. erwanet.
196 S. aueh S. 86 Anm. 26 z.ur Zuteilung von Person und Natur an Neues bzw. Alles Tesla-
menl.
197 Die Belege sind brcilgeslreul: neben dem VermillJungslheologen DoRNER (1879/80)
11.920 (§ 151.3) (dazu auch HJELDE '19871 201) der Rilschlschüler KAFTAN (1920) 664 (§ 71) und
der modem-konservative !'lEIM (1937) 1n.237. Zuvor schon der liberal-kritische KERN (1840) 4.
Ebenso der theologisch konserv:uive Missionar DAH1.E. (1900) 2.29. Andeutllngsweise auch
v. HOFMANN (1857/60) 1112.663 selbst: AUBERLEN (1854) 78. JüngSI noch der evangelikal ge-
prägle: GÄCKLE (1999) 93 (hier auch das Zilat von den ..zwei Advenlcn ChriSli·').
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126 Zweiter Teil

deren eigenen Blickrichtungen auf das Judentum aber eher entgegensteht,


denn was dieser als Begrenztheit jüdischer Zukunftserwartung erschien, war
nicht ihre Weltflucht, sondern gerade ihr Festhalten an der verkehrten
Welt. 198 Wie viele Schemata erweist sich also auch dieses als umkehrbar.
Doch in beiden Zuordnungen bleibt das zugrundeliegende Problem dassei·
be, nämlich die Frage nach dem Verständnis der menschheillichen Bedeu·
tung Jesu Christi, wie das Begriffspaar sie durch die Definition der Parusie
als Einheit von Person und Natur aussagt, oder allgemeiner: die Frage nach
dem theologischen Verständnis von Menschheit.

2.2. Wahrsagung und Weissagung?

Bündelt sich die Frage nach der Menschheit theologisch im Gedanken der
Parusie als der Verheißung menschheitlicher Bedeutung Jesu, so ist das
Konzept der Verheißung zugleich der Punkt, an dem die Auseinanderset-
zung der Heilsgeschichtlichen Theologie am klarsten im Durchgang durch
Schleiennaehers Kritik das Gespräch mit der traditionellen Eschatologie
anknüpft. Hier ist v. Hofmanns Konzept einer offenen neutestamentlichen
Weissagung als Antwort an Schleiennaehers Auffassung von Christus als
Ende der Weissagung einschlägig. l99 Welches Problem ist mit diesem Dis-
kurs berührt?
I. Extensiver Begriff der Weissagung. Gegenstand der Eschatologie ist
nach allgemeiner Auffassung Goues Zukunftsverheißung. Strittig ist frei-
lich, auf welche Art diese der theologischen Reflexion zugänglich ist. Denn
da zukünftiges Geschehen nicht Gegenstand der Erfahrung sein kann, trifft
eine Verheißung von zukünftigem Geschehen eine Aussage über einen un·
abgeschlossenen Gegenstandsbereich und ist darum in ihrem Wahrheilsan-
spruch unausweisbar. Für eine Eschatologie, wie Schleiermacher sie kri·
tisch vor Augen haI, wäre kennzeichnend, daß sie dieses Problem suprana-
turalistisch mit dem Offenbarungsanspruch der Bibel zu lösen beabsichtigt.
Offenbarung wird hier verstanden als empirische Erkenntnis überempiri.
scher Gegenstände vennöge des überempirischen Charakters dieser Gegen-
stände selbst, und der spezifisch eschatologische Modus von Offenbarung
ist die biblische Verheißung. Eschatologie ist dann besonders Auslegung
der biblischen Verheißung oder die Theorie dazu. Dies sei an einem Bei-
spiel aus dem Untersuchungszeitraum erläutert:

198 S. bei S. 20 Anm. 24.


199 S. bei S. 82 Anm. 14.
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111. Die chiliastische Eschalologie der Heilsgeschichtlichen Theologie 127

Die Eschatologie besteht bei dem Thumauer Pfarrer JOHANN ALBRECHT


LUDWIG HEBARTOO aus einer vollständigen Darbietung des Textmaterials
biblischer Verheißung und einer vorgeschalleten Theorie der Verheißung in
Gestall von Kunstregeln zu ihrer Auslegung (§§ 1-7). Heban unterscheidet
hier zwischen direkten, indirekten und perspektivischen Weissagungen. lOl
Direkte Weissagungen zielen auf ein konkretes Einzelereignis, das sie er-
ftillt; indirekte Weissagungen können von mehreren Ereignissen nacheinan-
der in jeweils unterschiedlichem Sinne erfuHt werden; perspektivische
Weissagungen sind eine An der direkt'en, denn sie zielen auf eine einzige
Erfüllung, die sich aber in mehrere Ereignisse auseinanderfaltet - so, wie
sich zwischen zwei Punkten, die von der Perspektive eines Berggipfels aus
nahe zusammenliegen, talsächlich ein längerer Weg crstreckt. 202 Die Sy-
stematik von Hebans Eschatologiekonzept scheint nun darin zu liegen, daß
er die sog. Vorzeichen des Endes (§§ 8-27: endzeilliche Trübsal. Antichrist.
Bekehrung und nationale Restitution Israels) als indirekte, die Eschata
selbst (§§ 28-41: Parusie, Millennium, Auferstehung, Gericht, Neuschöp-
fung) dagegen als direkte (und dann wieder teils als perspektivische) Weis-
sagungen versteht 20J Trotz oder vielmehr gerade wegen dieser Differenzie-
rung wird Weissagung hier doch grundsätzlich in der linearen Ausdehnung

200 He~ lebte von 1816 bis 1865 und v.;rkle also nach $chkiermacher. Wenn er hier den·
noch Hir eine rrühere Geslall evangelischer Eschatologie stehl. dann deshalb, weil seine Henne·
neulik der Weissagung eiMn zu allen Zeilen glek:hbkibenden Zugriff aur die Bibel rddamiert,
Werden biblische Texte darüberflinaus noch unmillelbar mll Ereignissen der jeweiligen Gegenwart
verbunden, kann man von Biblirismus sprechen. So v.a. E.W. Hengstenbergs Applikatton der
biblischen Eschalologie auf das Problem \'on Monarchie und KonSlitultonalismus im 19. Jh. (vgl.
BECKMAN 120(2) 249-260), aber auch die exklusive Beanspruchung der eschalologischen Ver·
heißungen für die Zchmission bei deren Gründer J. VETTER (191 S) 71: Tem:strische Begleiler.
scheinungen der PllrUSje werden Bodenschälze zu Tage fördem, die der Ze\lmission im Millenni·
um zur Deckung ihrer jetzt so drilckenden Koslen dienen. Der Biblizist Veller bestehl daher gegen
(I) die biblische Schilderung aur einer pyramidalen (:: zehanigen!) Form des himmlischen Jerusa·
lern (a.a.O. 77).
20 t I1E8AIIT (18S0) 8f. ALTBAUS (1924(25) 621 fUhrt die ,..Gesctze[ ... J der prophetischen Per-
spektive'" aur Aubcrlen zurück, dessen escMlologische Hermeneutik 18S4 erscheint.
202 B10B in umgekehrter Reihenfolge trifft dieselbe Unterscheidung ISO Jahre später auch
salMID (1999) 12: .Zunächst ist zu sehen. daß sich Verheißungen in mehreren Schrillen erfullen
kOnnen. ( ... 1 Die andere Möglichkeit besteht darin. daß sich eiM Verheißung mehnnals erfullt.
I ... ) Bei vielen Verheißungen ist außerdem zu beobachlen, daß eine Ietzle Konkretion rehlI. So
wurde Isnel durch Mose eine Stelle venprochen. an der Gol:I seinen Namen wohnen lassen wird
1... ).1 ... ) Erst mit der Erfüllung wurde klar, daß sich die Verheißung mil dem Tempetbau in Jeru·
sakm erfüllle:'
203 § 10 bei HEBAJl:T (18SO) S9 argumentien eigens für ..den indi,duff Charakter"' der Weis.
SIIungen \'011 Vorzeichen. da noch keiM abschlie6ende Eriüllung eingetreten sei. Unter den Weis-
squngen des Endes selbst ragt die der Parusie als perspektivische her1lWi (u.O. 9), die sich in d'e
Konsequenzen der Parusie entfallei.
128 Zweiter Teil

des Zeitstrahls mit einem geschichllichen Ereignis der Erfüllung korrclien.


Dieser traditionelle Wesenszug erlaubt. von einer extensiven Weissagung
zu sprechen. Für sie ist kennzeichnend, daß die Weissagung geschichtlich
Kontingentes betrifft, daß Eschatologie Zufalliges weissagt. Die Ausle-
gungskunsl der Weissagungen dient also nicht in erster Linie der Identifi-
kation geschichtlicher Ereignisse als geweissagt. auch nicht der Konstrukti-
on von Erf.. ..illungsgeschichIC aufgrund der Weissagung, sondern die Kon-
tingenz von Weissagung und Erfüllung soll gerade den besonderen. der be-
rechnenden Konstruktion eben entzogenen Charakter, die offenbarungsmä-
ßige Würde der in der Bibel verheißenen Zukunft unterstreichen. Gleich-
wohl bleiben Verheißung und Erfüllung als kontingente Daten hier im Be-
reich der Geschichte.
2. Intensiver Begriff der Weissagung. Genau gegen diesen kontingenten
Charakter der Weissagung richtet sich nun Schleiennaehers Kritik. Ihm zu-
folge ist die Weissagung im eigentlichen Sinne vielmehr Erkenntnis des
Notwendigen. Deswegen handeh Eschatologie bei ihm nicht von einer ex-
tensiven Ereignisgeschichte. sondern von einem intentionalen Bezugspunkt
der Geschichte. Deswegen ist bei ihm nicht die Bibel die Quelle es·
chatologischer Erkenntnis, sondern das gläubige Bewußtsein. Um diese
Binnenwendung des Weissagungskonzepts zugleich mit seinem intentiona-
len Charakter auszudrücken. kann man von einer intensiven Weissagung
sprechen. In diesem Sinne hat etwa die Venniulungstheologie eines c.1.
Nitzsch die Weissagung als hypothetischen Orientierungspunkt der Es-
chatologie verstanden.
3. Vermiuelnde Verslöndnisse von Weissagung. Die Antithese der Weis·
sagung als Zufall oder Notwendigkeit, Extension oder Intension, Bibel oder
Bewußtsein hat in der Eschatologiegeschichte neben und nach Schleienna-
cher aber auch mehrfach kritische Aufnahme gefunden mit dem Ziel. die
Trennschärfe der Alternative aufzuheben. So hat etwa A. Tholuck, der Va-
ter der halleschen Erweckungstheologie. einerseits Schleiennaehers Gegen-
überstellung von zumBiger und notwendiger Verheißung noch zum begriff.
lichen Gegenüber von jüdischer Wahrsagung und christlicher Weissagung
verschärft. will aber andererseits zugleich den Offenbarungsrang der Pro-
phetie festhalten, den er am Charisma der Propheten festmacht. 204 Auch
R. Steinmetz verbindet das intensive mit dem extensiven Konzept. indem er
bei der Bestimmung der Weissagung vom Sicheren zum Unsicheren vor·

204 THol...uCK (1861) § 11 zu Wahnagungcn. § 12 zu Wcissagungen bz...... § 6 zur Gcislbcga.


bung dct' Pn:V'Clcn. A.a.O. 152f. wendet cr steh mit all dem gegen v. uormann und dessen Wahr-
nehmung des Judentums.
0004022~

lJI. Die chiliastische Eschalologie der Heilsgeschichiliehen Theologie 129

dringen will und so die Zukunft aus der Gegenwart als deren Überbietung
erschließen. 2os Eschatologie redet demnach via eminentiae von der Zukunft,
und dies berührt sich mit Hebarts Interesse, durch extensive Weissagung die
Unverfügbarkeit der Zukunft herauszustellen.
Am grundsätzlichsten wird die Alternative von extensiver und intensiver
Weissagung jedoch durch die Heilsgeschichtliche Theologie in Frage ge-
steilt. v. Hofmann weist gleich eingangs seines Jugendwerkes sowohl
Nitzschs intensive Weissagung ab als auch das seinerzeit aktuelle extensive
Verständnis Hengstenbergs. Statt dessen rechnet v. Hofmann mit einer
mehrmaligen Einzelerfüllung, die jedoch immer vom eschatologischen Ge-
samtsinn der Weissagung zu unterscheiden sei.206 Indem z.B. Hebart hier
nicht unterscheidet, sondern sowohl direkte als auch indirekte Weissagung
auf eine "chronologische Darstellung" (z.B. in Offb) der Zukunftsereignisse
zielen sieht. liest er Stellen wie Offb 11,1 als Weissagung: Die Juden wür-
den in der Endzeit den Tempel wiederaufbauen, der dann vom Antichrist
zum Teil wieder zerstört werde.2°7 Hier zeigt sich die Schwierigkeit des
Schemas von Wahrsagung und Weissagung (direkter und indirekter Weis-
sagung): Das Verheißungskonzept wird damit bloß unterteilt und auf einen
linearen Zeitstrahl aufgeteilt. Zu fragen wäre demgegenüber nach einem
Verständnis von Verheißung, das auf derartige Aufteilungen nicht angewie-
sen ist.
Gerade das heilsgeschichlliche Konzept v. Hofmanns steht im Ansatz
solchen Aufteilungen entgegen. Mit seinem Eintreten für die zeitgeschicht-
liche Auslegung biblischer Weissagungen wirkt v. Hofmann als "Ge-
schichtsrealist" im Unterschied zu ,Jenseitsrealisten;', welche die Heilsge-
schichte als eine bis ins EschalOn ständig mitlaufende Parallel weil zur Ge-
schichte begreifen.208 Demgegenüber nimmt v. Hofmann an, daß die Ge-
schichte selbst auf die Ewigkeit zuläuft. Der Begriff bedeutet also nicht, daß
v. Hofmann die eschatologische Wirklichkeit auf die Geschichte be-
schränkte; vielmehr ist dies gerade die Schwierigkeit Hebarts. Um sie zu

205 SlEINMI:.!Z (1888) 60 nennt zum Vergleich das Beispiel eines Generals. der in der Erobe-
rung nur vom sicheren Temtin aus operien. In der DurchHihrung (a.lI.O. 62-75) erinnert Sleinmclz
freilich an die Auslegungsregel qal wachomer des R. Hille!. dcn Schluß a mioori ad maius.
206 v. HOFMANN (1841/44) 1.8 sowie a.a.O. 1.3.6 gegen Hengslenberg bzw. Nilzsch.
207 Zitat HE8ART (1850) 68: vgl. a.a.O. 69 zur angeblichen Voraussclzung eines dritten Tem·
pels in Offb 11,1. Dies spiegelt ein mittelallerliches Schema eschalologischer Wahrnehmung des
Judentums: Die Juden halten den Anlichrisl Hir den Messias und bauen ihm darum den Tempel auf
(vgl. die Abbildungen bei Antichrist [ 14801119791).
208 Die Tcnnini bei WEm (1931) 115, wo Beck und Auberlen als JenseilsrealiSlen finnieren,
was m.E. nur flir Auberlen und auch hier nur mil Einschränkungen zUlriffl (s. Kap. 111.1.1. hier S.
103--108).
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130 Zweiler Teil

venneiden, unterscheidet v. Hofmann Geschichte und Ewigkeit sorgfaltig,


indem er z.B. das Konzept der Weissagung auf jedes der beiden Phänomene
bezieht. Die eschatologische Weissagung steht somit gewissermaßen der
Geschichte als ganzer gegenüber. In welchem Sinne dies geschieht, war
eine Frage der Debatte um das Weissagungskonzept in späteren Generatio-
nen 209 - und ist überhaupt eine der Schlüsselfragen evangelischer Eschato·
logie in ihrem Verhältnis zum Judentum, denn das Gegenüber von Ge-
schichte und Eschatologie ist die wohl umfassendste Begrifflichkeit für das
mit dem Konzept der Verheißung gegebene Problem.

3. Prob1emgeschichllicher Ertrag

Aufgrund der Analysen im ersten Abschnitt dieses Kapitels erschien uns als
Ausgangspunkt der heilsgeschichtlichen Eschatologie die Verheißung der
Einheit von Person und Natur in Christi Parusie. Die Erhebung von Sche-
mata der Wahrnehmung des Judentums zeigte sodann, daß die Heilsge-
schichtliche Theologie damit Schleiennachers Kritik an der orthodoxen Es-
chatologie aufnimmt, aber die Wahrheitsmomente letzterer festhalten will.
Man kann somit die Eschatologie der Heilsgeschichtlichen Theologie pro-
blemgeschichtlich als den Versuch beschreiben, Schleiennachers escha-
tologisches Dilemma durch den Ansatz bei der Parusie zu überwinden. Die-
se theologiegeschichtliche Situierung wird bestätigt durch die Schwierig-
keiten, auf die ein solches Parusieverständnis stößt, denn es muß in dem
Konzept einer Einheit von Person und Natur das Gottes- mit dem WeItver-
hältnis des Menschen vereinen und die Stetigkeit der Geschichte mit ihrer
Stufung. Ersteres führt aber ja auf die Frage nach der Individualität im Ver-
hältnis zur Universalität und zweiteres ist das Problem von Entwicklung
und Vergeltung, so daß die heiden Punkte, welche die Parusie im Es-
chatologiekonzept der Heilsgeschichtlichen Theologie vereinen soll, sich
mit den Polen von Schleiennachers eschatologischem Dilemma in seinen
zwei Gestalten decken. Die Heilsgeschichtliche Theologie führt so unmit-
telbar die Auseinandersetzung mit Schleiennacher.
I. Das Problem VOll Individualität und Menschheitlichkeit. Der vorlie-
gende Abschnitt hat nun die Aufgabe, den so rekonstruierten Problemkom-
plex auf die im ersten Teil dieser Untersuchung geschilderten jüdischen
Anfragen zu beziehen, um mögliche Fragestellungen einer evangelischen

209 S. Kap. V.3. hier S. 256f.


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11I. Die chiliastische Eschatologie der Heilsgeschichtlichen Theologie 131

Eschatologie im Blick auf das Judentum zu erheben. Dabei ergeben sich für
beide der geschilderten Schwierigkeiten Berührungspunkte:
So ist die Aufgabe, den Menschen nicht nur als Exemplar der Mensch-
heit. sondern auch als einzelnen Menschen neben anderen, also als Indivi-
duum zu denken, genau der Differenzpunkt, an dem H. Cohen die jüdische
Religion der Vernunft vom Idealismus unterscheidet. Cohen kleidet dieses
Spezifikum in den Begriff der Mehrheit jenseits von Einheit und Allheit
und begründet so sein Konzept menschheitlicher Religion. 2lo Wie schon der
vorige Abschnitt nahelegte, ergibt sich also im Anschluß an die Heilsge-
schichtliche Theologie für eine Eschatologie im Gespräch mit dem Juden-
tum die wichtige Aufgabe, die menschheitliche Dimension von Es-
chatologie zu begründen.
2. Das Problem des Geschichtsverständnisses. Wiederum ansetzend bei
der Paradoxie von Entwicklung und Vergeltung, läßt sich die Schwierigkeit
der Heilsgeschichllichen Theologie in der Begrifflichkeil M. Buhers als
Problem einer Zäsur in der Geschichte beschreiben, denn als eine solche
Zäsur erschien in der Heilsgeschichtlichen Theologie das historische Auf-
treten Jesu, das ein nachbiblisches Judentum aus der Betrachtung ausklam-
mert. Dabei geht, wie gesehen, Bubers Anfrage über das Problem der Epo-
cheneinteilung von Geschichte hinaus und rührt an die Frage der theologi-
schen Valenz von Geschichte überhaupt, denn in Bubers Kontroverse mit
KL. Schmidt war ja strittig, ob für ein theologisches Datum außertheologi-
sche Gültigkeit beansprucht werden kann,2l1 so daß die Theologie in der
Profangeschichte einen nachträglichen Beweis fande, der diese dann wieder
theologisch imprägniert. Genau diese Frage nach der theologischen Ein-
deutigkeit von Geschichte bzw. dem geschichtlichen Geltungsanspruch der
Theologie wird ja aber durch den Begriff der Heilsgeschichte ausgedrückt,
in dem Heil und Geschichte miteinander verbunden werden. 2t2 Der es-
chatologische Topos, an dem sich dieses Problem beinahe klassisch manife-
stiert, ist daher nicht ohne Grund der so oft als janusköpfig wahrgenomme-
ne Chiliasmus, auf den sich gerade die Heilsgeschichtliche Theologie kon-
zentriert. Deswegen konnte ihre Eschatologie in der Überschrift des vorlie-
genden Kapitels als chiliastisch charakterisiert werden.
Das eschatologische Thema, das sich aus Bubers Anfrage ergibt, ist also
die Klärung des Begriffs der Heilsgeschichte. Der Begriff wird. wie ange-

210 S. Kap. 1.3. hier S. 32-34.


211 S. Kap. 1.3. hier S. 37-40. v.n. bei Anm. 109.
212 So Slellt KOCII (1995) 1341 gleich zu Beginn seiner Ausruhrungen fest. daß ..H[eilsgc·
schichlCI Trans:r.enclen1. ulnd) Jmm:lllcn:r. verbinder-.
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132 Zweiter Teil

deutet, erstmals von v. Hofmann gebraucht, um gegen das noch recht junge
geschichtliche Denken des Rationalismus die Verbindung von Geschichte
und Heil auszusagen, die für die Orthodoxie vor dem Rationalismus noch
so einerlei war, daß sie gar keinen Begriff dafür hatte. Als weiteres Merk-
mal von Heilsgeschichte kommt zu dieser grundsätzlichen geschichtlichen
Dimension des Heils das ebenfalls kennzeichnend geschichtliche Moment
des Nacheinander hinzu, also die zeitliche Erstreckung 2lJ eines Spannungs~
bogens von Heilsgeschichte, wie es die Analyse der einschlägigen Eschato-
logiekonzepte bestätigte.
Aufgrund dieser Voraussetzungen könnte Heilsgeschichte als eine be-
stimmte. theologisch qualifizierte Abfolge geschichtlicher Ereignisse ver-
standen werden. und tatsächlich ist ein derartiger Begriffsgebrauch vielfal-
tig nachweisbar. Heilsgeschichte wird etwa verstanden als die alttestament-
liche Vorbereitung der Christusgeschichte oder als diese selbst, d.h. als der
Zeitrdum des Lebens Jesu. 214 Oie entsprechenden Geschichtsdaten werden
dann mit einem kennzeichnenden Tenninus als "Heilstatsachen" identifi-
ziert. 21S Freilich muß diese Identifikation bestimmter Geschichtszeiträume
als Heilsgeschichte sich implizit gegen nicht ebenso heilsmäßig qualifi-
zierte geschichtliche Räume abgrenzen, also zumindest partiell die Tren-
nung von Geschichte und Heil wieder einführen, die die Heilsgeschichtliche
Theologie am Rationalismus bekämpfen wollte. 216 Deswegen ist das Kon-
zept der Heilsgeschichte oft als widersprüchlich kritisiert worden; es lebe
von Voraussetzungen, deren Konsequenzen es ablehne, und falle so zuletzt
in den Rationalismus zurück. 217
Das Problem der Heilsgeschichte als Aussonderung bestimmter Ge-
schichtsereignisse ließe sich lösen, wenn man das fragliche Konzept auf die
Geschichte allgemein ausdehnte: Heilsgeschichte ist dann keine Ansamm-
lung theologisch hervorgehobener Geschichtsereignisse, sondern eine theo-

213 Erstreckung gehön nach OTT (1959) 187: WEISER (1995) 1336 konstitutiv zur Ikilsge-
schichte hinzu.
214 P. Ahhaus hat im Laufe seiner Entwicklung beide Positionen vertreten. s. S. 236 Anm. 195
bzw. S. 237 Anm. 198. Die erste Position hält STANGE (1930) 22n-226 fest. jedoch im Sinne sei-
nes Gesamtkonzepts (s. bkurs 7 [S. 199f.I).
215 Auf das eigenc Problemfeld der ~Icilstatsachen weist in diesem Konlext mil Rechl Lolll-"'F
(1974) 1033 hin.
216 Dieses Problem ruft M ILDENBERGER (2000) 1586 ins Bewußtsein.
217 Z.B. STf-CK (1959) 53: .. Und doch war. wie man weiB. hier ein Gast an dcn Tisch der
TIleologie gebeten worden. der mehr als ein Danaergeschenk mitbrachle. Auch änderte er sehr
rasch sein Auftreltn. nachdem er einmal Zutrin bekommen hallt. Es war das historische Denken.
der Historismus. der im Gewand der heilsgeschichtlichen BeIrachtung auch dort seinen Einzug
hielt. wo man ihm bis dahin widerstanden halle:-
00040222

IJI. Die chiliaslische Eschalologie der Heilsgeschichtlichen Theologie 133

logische Perspektive auf die ganze Geschichte. Heilsgeschichte ist dann


wesensmäßig nicht mehr Faktenerhebung, sondern Faktendeutung. 218 Die
Schwierigkeit hierbei ist freilich. daß heilsgeschichtliche Theologie dann
Aussagen über einen unabgeschlossenen Gegenstandsbereich. nämlich auch
über die zukünftige Geschichte treffen muß. Gerade in Hinsicht auf die Es-
chatologie droht Heilsgeschichte dann entweder zum bloßen Abspulen ei-
nes vorab festliegenden ..Heilsplanes'; oder aber zur nachträglichen Sank-
Iionierung des faktischen Geschichtsverlaufs zu werden. Auch das Ver-
ständnis der Heilsgeschichte als Faktendeutung steht nämlich noch im
Bannkreis des empiristischen Begriffs der Faktizität,219 wenn es sich als
theologische Vereindeutigung der Geschichte versteht. Bubers Einwand
gegen Schmidt richtete sich ja gerade dagegen, auf diese Weise theologisch
mehr zu sagen, als sich geschichtlich verantwonen läßt.
3. Das Problem der Parusieverheißung. Vor diesem Hintergrund hieße
Heilsgeschichte eine solche theologische Würdigung der Geschichte, die
deren Uneindeutigkeit nicht vorschnell auflöst. Gerade dies scheinl die Ab~
sicht eines eschatologischen Begriffs von Heilsgeschichte zu sein, der, wie
in den Konzeptionen des vorliegenden Kapitels. bei der Parusieverheißung
anselzt. Möglicherweise nämlich hat v. Hofmann die Uneindeutigkeiten der
Geschichte mit Bedacht auf die christologische Begrifflichkeit von Person
und Natur gebraCht, um auszudrücken, daß die Vereindeutigung dieser
Zweideutigkeiten oder Überwindung dieser Gegensätze nach theologischer
Einsicht tatsächlich Sache der Zukunftshoffnung auf Christus ist. Andere
begriffliche Mittel hätten einem Autor des 19. 1'11. durchaus näherliegen
können, so das Gegenüber von Geist und Natur. das Luthardt wählt, und
besonders das von Geschichte und Natur. Beide Begriffe geben den großen
geistesgeschichtlichen Zwiespalt wieder, der das 19. 1h. mehr und mehr
durchzieht und schließlich im Neukantianismus zur wissenschaftsge~
schichtlichen Aufteilung der dem Menschen erkennbaren Wirklichkeit in
zwei Bereiche führt. 22o Wenn v. Hofmann dagegen christologische Tennini
wählt. bringt er die Erwartung einer eschatologischen Überwindung dieser

218 Fakten ulld ihre Deutung zu vemlCngcn. ist bei HESSE (1971) 6Of. dcr Vorwurf gegen die
Heilsgeschichte,
219 SCHMnT (1982) 34 hält F. Hesses Trennung von Faklcn und DeulUng m.E. zu Recht für
unzureichend: sein eigener Vorschlag. Hcilsge.schichle als theologische Qualifikalion historisch
erfaßbarer DeUlczusammcnhänge zu begreifen (a.8.0. 45). verschiebt allerdings das Problem wo-
möglich nur in die Wissenssoziologie.
220 Einschlägig ist 7..8. W. Windclbands Unterscheidung idiogrnphischer von nomothetischen
Wissenschaflen sowie die AbsclZung der Geschichts- von der Naturwissenschaft bei dem Le·
bensphilosophen W. Dilthey.
0004022~

134 Zweiter Teil

tiefsten Gegensätze seiner Zeit zum Ausdruck und hält zugleich fest, daß
diese Überwindung, eben weil sie Gegenstand der religiösen Zukunftser-
wartung ist, von Menschen nicht geleistet werden kann, sondern von Gott
erhofft wird.
In diesem Sinne hat in neuerer Zeit K. Rahner den Gedanken der Heils-
geschichte rezipiert. 221 Er interpretiert sie als ..Freiheitsgeschichte", in der
Menschen mit Gott in freier menschlicher Entscheidung für die unvorgäng-
liehe freie Gnade Gottes zusammenwirken unter keiner weiteren Vorausset-
zung als der, daß ein ewiges Leben als Realität erwartet wird;222 m.a.W.
Heilsgeschichte bezeichnet die nur eschatologisch aussagbare, jedoch ge-
schichtlich wirkliche Beteiligung von Gott und Mensch am Heilsgeschehen.
Gerade diesen Zusammenhang von göttlichem und menschlichem Tun ha-
ben jüdische Autoren gegenüber christlichen Verhältnisbestimmungen von
Heil und Geschichte immer wieder angemahnt. Im ersten Teil unserer Un-
tersuchung waren Baecks und Cohens religionsphilosophische Entwürfe
wichtige Beispiele dafür. Daß dies auch ein zentrales Anliegen der Heilsge-
schichtlichen Theologie ist, zeigte die Charakterisierung ihrer Eschatologie
22J
gegenüber der lutherischen Orthodoxie und der Theosophie. Es scheint
also, daß die Heilsgeschichtliche Theologie hier mit ihrem Ansatz bei der
Parusieerwartung ein wichtiges Thema evangelischer Eschatologie im Ge-
spräch mit dem Judentum berührt. Für die evangelische Eschatologie ergibt
sich daraus vorrangig die Aufgabe. ihr Verständnis der Parusie neu zum
Thema zu machen, denn hierin bündeln sich die vorgenannten Themen, fußt
doch die Parusieerwartung auf der Verheißung einer menschheitlichen Be-
deutung Jesu, also den heiden Themen, die auch die Analyse der Wahrneh-
mungsschemata als einschlägig für eine christliche Eschatologie im Ge-
spräch mit dem Judentum auswies.
Es scheint daher plausibel, die Heilsgeschichtliche Theologie aufgrund
ihrer besonderen Einschätzung der Parusieerwartung als einen schulmäßi-
gen Gesprächszusammenhang zu verstehen,224 von dem sich etwas lernen
läßt für eine evangelische Eschatologie im Gespräch mit dem Judentum,
auch wenn der konzeptionelle Ansatz bei der Begrifflichkeit von Person
und Natur seine Grenzen hat. So soll im folgenden Kapitel der es-

221 Evangelischerscits wären W. Pannenberg. P. Brunner und V.3. O. Cullmann zu nennen: s.


S. 246 Anm. 243.
222 Zu dieser Voraussetzung vgl. RAIlNER (1982) 11: das Zital DERS. (1962) 116. wo Heilsge-
schichte noch sachlich koextensiv mit Weltgeschichte gedacht ist. aber als deren ChriSLliche Be-
wußtmachung (a.a.O. 129).
223 S. Exkurs 3. hier S. 102.
224 S. die HinrtJhrung zu diesem Kapitel (S. 79).
00040222

01. Die chiliaSlische Eschatologie der Heilsgeschichtlichen Theologie 135

chatologische Enlwurf eines Autors betrachtet werden, der bei der Heilsge-
schichtlichen Theologie in die Schule ging. seinen Lehrern aber nicht bloß
mit dauerndem Schülerdasein vergelten wollte: Martin Kähler.
00040222

IV. Martin Kählers messianisch-


soterologische Eschatologie

MARTlN KÄHLER steht quer zu den schulmäßigen Rubrizierungen der


Theologiegeschichte. In der Zeit zwischen Schleiermacher und Ritschi, die
nach verbreitetem Urteil in Sachen Eschatologie Fehlanzeige zu verzeich-
nen hat, sieht Kähler eine "Überwucherung der Theologie durch es-
chatologische Studien".1 Dagegen komml A. Schweitzer in seiner histori-
schen Unlennauerung des eschatologischen Aufbruchs in der biblischen
Exegese ohne jeden Bezug auf den doch als Bibeltheologen bekanßlen
Kähler aus. 2 Dabei sieht der Hallenser Neutestamentler es zunächst als sei-
ne Aufgabe an, die biblisch gesättigte Eschatologie der Heilsgeschichtli-
chen Theologie "ins Norddeutsche zu übersetzen".3 Freilich verfaßt er dann
als Systematiker die einschlägigen Artikel in dem großen Vorläufer der
Theologischen Realenzyklopädie, der Protestantischen Realenzyklopädie
für Theologie und Kirche, sowie einen programmatischen Vortrag zum
Thema. 4 Seine Bedeutung für die Eschatologiedebane wird daher meist in
den Prinzipienfragen gesuchl. 5 In prinzipiellem Sinne greift auch die an
R. Buhmann anknüpfende Kerygmatheologie in den 1950er Jahren auf
Kähler zurück. 6
Wenn das vorliegende Kapitel dieser Arbeit eigens Kählers es-
chatologischem Denken gewidmel ist, dann soll Kähler weder prinzipaliter
der Kerygmatheologie vorausgeschickt noch materialiter der Heilsge-
schichtlichen Theologie subsumiert werden.? Aber auch Kählers Eigenstän-
digkeit, die wie nirgend sonst am theologischen Rededuktus seiner "Wis-
senschaft der christlichen Lehre" abzulesen ist, erschwert die Hinführung
zu Kählers Eschatologie. Dennoch ist es gerade Kählers Sprache, in der sich
sein Beitrag zur Eschatologiegeschichtc konzeßlriert.

1 KÄllLER (1896) 495.


2 SCllWErr/..ER (1906) bzw. DERS. (1913) rezipicn Kähler nicht.
3 KÄJlLER (1926) 182.
4 DERS. (1879): OERS. (1898): OERS. (1896).
5 HOLMSTRÖM (1936) 168 und wieder HJE1..OE (1987) 206. V.R. \\regen KÄHLER (1896) und
OERS. (1898).
6 S. zu dieser auf KÄIILER (1892) fußenden Rezepl:ion Exkurs 6 (S. I89ff.).
7 Der Versuch einer Verbindung beider Tendenzen kennzeichnei die bisher einschlägigsie
Untersuchung von OE SOOR (1990). die darin jedoch - v.a. a.a.O. 93 - von ihrem Anlipoden
HJEWE (1987) abhängt.
00040222

IV. Martin Kählcrs messiunisch-SOlerologischc EschalOlogie 137

I. Analyse

Die nachstehende Analyse folgt chronologisch Kählers Äußerungen zur


Eschatologie - nicht im Sinne einer Entwicklungsgeschichte, sondern um
problemgeschichtlich8 den systematischen Grundgedanken zu profilieren.

1.1. Das Konzepl einer soterologischen Eschatologie

I. Ewigkeit als Grund und Grenze von For/schrill. Wenn Schleiennachers


Aufweis eines eschatologischen Dilemmas in zwei Gestalten als der ent-
scheidende Impuls für die Fragerichtung neuzeitlicher prolestantischer Es-
chatologie gehen kann, dann ertastct M. Kähler mit seinem 1866 in Duis-
burg gehaltenen und im folgenden Jahr gedruckten Vortrag über ,.Der
Menschheil Fortschriu und des Menschen Ewigkeil" genau den Puls der Es-
chalologie, denn damit werden beide GestaJlen des Dilemmas abgedeckt.
Menschheit und Mensch stehen sich als universeller und individueller Ge-
genslandsbereich gegenüber. während Fortschriu und Ewigkeit die im Sin-
ne Schleiennachers widersprechenden Pole des Eschaton als Entwicklung
oder Vergeltung repräsentieren. was Kähler mit den Bildern von strömen-
dem Fluß und sich gleich bleibendem Meer verdeutIicht 9 Den Einstieg in
Kählers Eschatologie soll hier dieser frühe Text bilden: als Dokument nicht
einer FTÜhphase seines Denkens, 10 sondern der Auseinandersetzung sowohl
mit der Problemtradition als auch mit der zeitgenössischen Fragestellung.
Es ist zum einen eine Auseinandersetzung mit der Problemtradition:
Wenn Schleiermacher die Widersprüchlichkeit der Eschatologie konstatiert,
sistiert er zugleich ihre Lehrbarkeit. Entgegen solcher Fesl.stellung im dop·
pelten Wortsinne geht es Kähler um eine Überwindung des Dilemmas. Er
übernimmt es in seinem Vortrag aber nichl einfach aus Schleiermachers
Problernanzeige, sondern entwickelt es im Gcspräch mil der Position seiner
Hörer und also zum anderen in Auseinandersetzung mit der zeitgenössi-
schen Fragestellung, d.h. dem Fortschrinsgedanken. Kähler spriCht in Duis·
burg vor einem "gebildeten Publikum" evangelischer Bürgerlicher, die den

8 Zum Versländnis einer probkmgcschichtlichcn Darstdlung s. bei S. 20 Anm. 26.


9 Vgl. hmu den ersren Abschnin des VonDgs: KAHLEJt 118671 (1913) 166-170: v.a. u.o.
170 zur Gcgc.nüberstellung der widerspnk:hlkhcn Pole als ausdrikkJkhcr Absicht; u_O. l66r. zu
.,Fluß" und ..M~r".
10 Vgl. d)c Inlerpl'e13liQfl des VonDgs bei OE 800R (1990) 6>-68.
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138 Zweiter Teil

industriellen Aufschwung der Stadt freudig als Fortschritt begrüßt, ja wohl


zu seinen Nutznießern gezählt haben. Schon der vom Bildungsgut deutscher
Klassik durchsetzte Stil des Vortrags zeigt, daß "des Volkes Hefe" nicht
zum Publikum gehört. 11 Dennoch bedeutet vor diesem Hintergrund die Ge·
genüberstellung von Fortschritt und Ewigkeit weder eine für Kähler "undis-
kutierte Voraussetzung des Entwicklungsgedankens" ,12 der die optimisti-
sche Stimmung der heraufziehenden Gründerzeit prägte, noch ein Eintreten
für die soziale Frage, wie sie zu jener Zeit den deutschen Protestantismus
umtrieb. 13 Vielmehr kommt Kähler dem Fortschrittsgedanken zunächst ent-
gegen, um ihm dann freilich für maßgebliche Gebiete menschlichen Lebens
die Geltung abzusprechen. Die Themen, an denen er die Entgegensetzung
von Fortschritt und Ewigkeit durchführt, sind dabei die gleichfalls dem
Wertekanon seiner Zuhörerschaft entnommenen Ideale von Freiheit und
Gleichheit der Menschen, wie sie in einer großbürgerlich aufgeklärten Re-
zeption der Französischen Revolution gang und gäbe waren. Man mag die-
ses Vorgehen Kählers apologetisch finden; es ist jedoch zum Verständnis
seiner Argumentation unverzichtbar. Diese Argumentation soll nun nachge-
zeichnet werden:
Kähler will nicht einfach durch die Ewigkeitsvorstellung das Fort-
schrittsdenken ablösen, sondern ihm ein entscheidendes "Gebiet unseres
Lebens" streitig machen: die Sittlichkeit. Seine These lautet: "Wagen wir
den Ausspruch, so ketzerisch er klingen mag, daß es in dem sittlichen le-
ben des Geschlechtes überhaupt keinen Fortschritt gibt" Zur Begründung
dessen, daß überindividueller sittlicher Fortschritt - etwa ein sittliches Zeit-
alter - unmöglich ist, macht Kähler geltend, daß Sittlichkeit. verstanden als
Tugendübung, immer Sache des akuten persönlichen Wollens des Guten ist,
14
wozu jeder Einzelne im Gewissen die Anlage hat.

11 Zitat KÄIllER [18671 (1913) 183. A.a.O. 172 läßt das •.gebildete Publikum" (vgl. den Titel
der Reihe. in welcher der Erstdruck dieses Vonrags erschien) Kontur gewinnen: •.sie wohnen
inminen der rauchenden Essen der Eisenhämmer und Kohlenzcchen. [siel und sahen selbst unrern
eine Stadt entstehen [sc. das 1862 durch Zusammenlegung mehrerer Gemeinden entstandene
Oberhausen, das freilich erst acht Jahre naeh dem Vonrag Stadtrechte erhielt], das Kind der ne·
senmäßig wachsenden Industrie. Ihre Söhne arbeiten jenseit des Oceans in Geschäften. welche im
vollsten Sinne kosmopolitisch sind; auf Ihren Schreibtischen kreuzen sich Correspondcnzen aus
allen Weltteilen, deren Beförderung der Zeit zu spotten scheint:'
12 KORNER (1957) 65. der Kähler hier "dem Geist der Zeit" folgen sieht. Körner meint mit
,,Entwicklung" anscheinend zugleich Fonschrin. also eine mehr geslallbare Entwicklung.
13 SO DE BDOR (1990) 66.
14 Die zitiene These KÄHLER (18671 (1913) 175, aufgenommen a.a.O. 177.181.191; zur Be-
gTUndung a.a.O. 176: ..Der siuliche Charokter als solcher ist derselbe auf dem Thron und in der
HÜlle" und m.a.O. 180 zum Gewissen als Sitz der Siulichkeil. womit Kähler seine Dis.senalion über
das Gewissensthema (1859) aufgreift.
OOO~0222

IV. Martin Kählers messianisch-sOierologische Eschatologie 139

Kähler wendet diesen Einwand gegen die Fortschriusvorstellung nun auf


die ihm von ihr selbst vorgegebenen Themen der Gleichheit und Freiheit
an. indem er beiden einen charakteristisch anderen Bezugspunkt zuweist.
Das Fortschrittsdenken, das Kähler besonders in der Französischen Revolu·
tion manifestiert sieht, begreift Gleichheit und Freiheit als eingeborene und
unverlierbare Eigenschaften des Einzelnen. es definiert sie aber aufgrund
seiner Stellung zum Ganzen der Gesellschaft: Jeder Mensch ist gleich. weil
im Rousseau'schen Gesellschaftsvenrag alle ihre Eigenheit der Gesamtheit
opfern; und jeder Mensch ist frei. sofern alle das Verfügungsrechi über ih·
ren eigenen Leib haben. tS Gleichheit ist dann die Gleichheit vor dem Ge·
setz. und Freiheit ist die Freiheit des Anderen.
Genau gegen diesen Bezugspunkt von Gleichheit und Freiheit im Fort-
schrittsdenken macht Kähler nun sein Ewigkeitskonzept geltend. 16 Eine
Gleichheit des Einzelnen von Gnaden seines Eingehens in das Ganze gilt
Kähler als der ..Fieberwahn des französischen Volkes". Denn der Einzelne
als Einzelner ist in solcher ~galit~ egal angesichts der Gesamtheit. Auf dem
Gebiet der Siulichkeit, dem Kähler sich hier hauptsächlich zuwendet, würde
solche Gleichheit bedeuten, daß dem ins Ganze aufgegangenen Einzelnen
der Anteil am sittlichen Ertrag dieses Ganzen vorenthalten wird. 11 Gerade
der Eigenanteil des Einzelnen angesichts der Gesamtheit, in die er ein· und
aufgeht. ist aber der Begriff von Freiheit. Freiheit ist damit auch Freiheit
von der Grenze des Todes t8 oder in den Termini der Sittlichkeit: Die Frei-
heit des Einzelnen ist das in ihm angelegte Gewissen, dessen Entfaltung am
Tode nicht ihre Schranke findet. sondern in der Ewigkeit vollendet wird.
Die Pointe von Kählers Argumentation ist dieses Ewigkeitsverständnis,
dieser eschatologische Bezugspunkt von Gleichheit und Freiheit. Kähler

15 VgJ. 3.a.0. 181f. und a.a.O. 171 zur Gleichheil. die •.ein reich gegliedenes Volksleben in
eine: mathematisch geordnete Masse gleichgeaneter Atome zerschlug": ebd. zum FreiheilSkon1.ept
der Französischen Revolution.
16 Im drillen Abschnül seines Vortrags: OERS.118671 (1913) 175-185. nachdem der zweite
(a.a.O. 170--174) die entgegengeselzte Position referiert hat. - Im Erstdruck (DERs.118671 120)
sind beide Abschniue nicht getrennI.
17 Zilat a.a.O. 185. Das Problem des Anteils verstorbener Generationen am Ganzen der Gene:·
ralionen(olge (a.a.O. 183) ist eine: V.rilUlte des als .,Zwischenzustand" bekannten Problems der
ef'SlCß Gestall "on Schleiermachers eschatologischem Dilemma (zwischen IndivKiual- und Uni,-er-
sakschatologie).
18 Die •./zJ....-ei ent.scheKkndelnllrrtümer des Fonschrinsdenkens. die KlihleT a...O. 182 be-
kämpfl. betreffen genau die zwei Dimenstonen individuelkr Freiheil ab Freiheit von der Gesell·
sch3fi (•.a.O. 182f.) und vom Tode: (•••.0. 1&4)••och wenn Kihkr im vorliegenden Konlexl nur
einmal beiläufig von Freiheit spricht: ~ Was wir an der unfr~jn, Natur sehen. übertrigt sie (sc.
..eine in unseren Tagen weil verbreitete Lehre"l auf das menschliche Gcschlecht~ (a.•.0. 181:
Hervorhebung ,'on mir).
140 Zweiter Teil

lehnt damit die aufklärerische Idee eingelx>rener Menschenrechte nicht


rundweg ab; er modifiziert sie aber entscheidend. indem er statt von einge·
borener vielmehr von auf die Ewigkeit angelegter Gleichheit und Freiheit
spricht, auf dem Gebiet der Sittlichkeit vom Gewissen als Anlage zur Sitt·
Jich.keit. Gleichheit lind Freiheit des Einzelnen definieren sich so nicht VOll
seinem Bezug zur Gesellschaft her. in die er hineingeboren wurde. sondern
von seinem Verhältnis zur Ewigkeit, auf die er hofft. Was sind die Konse-
quenzen dieser Modifikation?
Sie sind weittragend: Weil die Anlage zur Sittlichkeit der Entfaltung fa-
hig und bedürftig ist. erreicht Kähler damit, daß Gleichheit und Freiheit
über die Bedingungen der Gesellschaft hinausreichen und nicht zur Sank-
tionierung des jeweiligen gesellschafllichen status quo herabsinken können
- eine Gefahr, die laut Kähler nach der ersten Phase der Französischen Re·
volution zur Zeit der vomapoleonischen Republik Wirklichkeit wurde in
Gestah der ..Herrschaft des Pöbels". Diese Fonnulierung im Verbund da-
mit. daß Kähler die Notwendigkeit einer individuellen Entfaltung sittlicher
Anlagen unterstreicht,19 darf nicht so verstanden werden, als wolle er dem
demokratischen ein aristokratisches GesellschaflSbild enlgegenselZen. 20
Vielmehr verwahrt er sich kritisch gegen die "Verkünder der Geislesarislo-
kralie" und die .•Aristokraten des Talentes... 21 Er kann und muß dies tun.
weil das Gewissen als Anlage zur Sittlichkeit nicht auf die Entfaltung per·
sönlichen Genies oder Talentes angelegt iSl, sondern auf die Ewigkeit; die
anlhropologische Anlage wird so ein eschatologisches Konzept. Entfaltung
ist damit auch nicht Sache persönlicher Leistung, sondern Werk Goltes.
Jeder Kurzschluß gesellschaftlicher Gegebenheiten mit Gottes Ewigkeit ist
damit verhindert. Die ,.andre Gleichheil" , ,jene Gleichheit", die Kähler
dem Fortschrittsdenken entgegenhält. liegt ..in der Bestimmung eines jeden
für die Ewigkeir', darin, "daß Gott die Ewigkeit in des Menschen Herz ge-
legt lIa,",22 Die Bedeutung von Kählers Ewigkeitskonzepl besteht vorrangig
darin, daß es jeden Fortschrittsgedanken begrenzt durch die kritische Ori·

19 Zitat 8.8.0. 171; vgl. zur nOlwcndigcn Entfaltung der Anlagcn 8.8.0. 181.
20 Der Kählcr der 1860cr Jahre crscheint UNK (1975) 220 als .,aristokratischer Individualisl"
(lOgt auch a.•.O. 189 zu Kählers Abhängigkeit von romantischen Anschauungen Schlctermachers
und v. Rankes: anders der spätc Kihler: a••.O. 386): cr zilier1 dafUr a.a.O. 120 Anm. 129 auch den
Vorbehalt von KAHl..EII (18671 (1913) 190 gegen •.eine Verherrlichung der niederen Schichten und
eine Proscripcion der herrschenden Krei.5C menschlicher GeselJschaft~. - Zu dieser Stelle s. S. 14\
Anm.28.
21 Zitale ••LO.185.183Anm.I.
12 Zitate La.O. 171,185.185.170. Nur an der k1Zlgcnannten Stelle (und par. LLO. 184) be-
gründet Kihkr. wie OE 800R (1990) 65 bemerkt, individuelle EwigkeilSerwar1ung mil einem
alncscamenllichen Zitat (Pred 3.11).
00040222

IV. Martin Kählers messianisch-solerologische Eschatologie 141

entierung am Eschaton. Fortschritt kann nicht mehr anzeigen, "wie wir's so


herrlich weit gebracht",23 weil die Ewigkeit, auf die wir angelegt sind. von
Gott in unser Herz gelegt ist. Das Eschaton kann also aus keinem Fortschritt
jemals erwachsen, sondern ,.ragt" umgekehrt aus Gottes Ewigkeit in die
24
Zeit hinein. wie Kählers anschauliche Formulierung lautet. Damit erfahrt
der Fortschriusgedanke eine völlige Richtungsumkehr; Vollendung kann
nur im Aufblick zu Gottes Ewigkeit erhofft werden.
Damit aber. und das iSI die zweite Bedeutung von Kählers Ewigkeilskon-
zept, ist der Fortschriusgedanke nicht einfach ausgelöscht. sondern tatsäch-
lich neu ausgerichtel?S Wenn das menschliche Gewissen nicht auf Fort-
schritt, sondern auf Gott angelegt ist, dann muß sub specie aelernitatis auch
von einer Entfaltung des Gewissens gesprochen werden können. Wenn es
Goues Ewigkeit ist, an der aller menschliche Fortschritt seine Grenze fin-
det, dann muß sie auch dessen Grund sein. In diesem Sinne hält Kähler fest,
"daß Religion der tragende Grund echter Siu!ichkeit ist".26 Hatte er zuvor
den Ewigkeitsbegriff eingeführt in Auslegung der mehrfach wiederholten
These, daß es keinen überindividuellen Fortschritt in der Sittlichkeit gebe,
so kann er nun komplementär dazu gerade für diese selbe grundlegende
Stellung des Ewigkeitskonzepts als "nicht das schwächste unter den Zeug-
nissen" ins Feld führen, "daß die Geschichte des Geschlechtes kein sich
wiederholendes Auf- und Abschwanken, sondern ein steliger Fortschritt auf
ein ihm gesleckles Ziel hin iSI",27 und er kann dies wiederholt und breit illu-
strieren an der Bedeutung des Christentums ausgerechnet für die Enlwick-
lung der Sinlichkeit!28
Kähler kennt also durchaus einen sittlichen Fortschritt auf überindividu-
ellern Gebiet. Genau dies widerspricht aber der ursprünglichen Fassung sei-
ner These. so daß er selbst über diese sagl: "Wie bestünde auch mil solcher

23 KÄHLER 118671 (1913) 175 mil Anspielung auf die Wone WagllCrs in QoE11iES Faust
1.570-573. dllrch die sich der Fonschriusglaube als epigonales Bauen auf fremdem Fundament
entlarvt.
24 KÄIlLER r 18671 (1913) 170.194 zum ,.Ragen",
25 So der viene Abschnitt voo Köhlers Vortrag: a.a.O. 185-191.
26 A,a.O. 187.
27 Zilal~ a.3.0. 188.
28 A.a.O. 177 Anm, I; 118.179 ("Großmacht christlicher Sitlenlehre") und besonders a,8.0,
187-190. wobei diese Stellen z.T. ausdrücklich neben Kählers Grundlhese geslelll werden, Köh-
lers bevorl.ugtc Beispiele sind die Verbesserung der gesellschaftlichen Stellung der Frau und die
Abschaffung der Sklaverei. Aber auch der Protest dagegen, ,.daß Millionen nur das Fußgestell sind
I., ·1. auf dessen höchster Spitze sich die einsamen Geslalten der herrschenden Männer und der
hervorragenden Frauen erheben" (a,a.O. 183). ist dem Zusammenhange nach zuerst im Sinne eines
in der Ewigkeit gründenden Fortschrills und nicht eillCs Eintretcns rur die soziale Frage zu lesen
(gegen OE BooR 119901 66f.); ebenso der von Link (s, S. 140 Anm, 20) inkriminierte Vorbehalt.
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142 Zweiter Teil

Fassung unsre Aussage, das Christentum verbürge dem ganzen Geschlechte


die Erreichung eines ihm gesteckten Zieles?,,29 Die Antwort lautet, daß ein
überindividueller sittlicher, freilich religiös begründeter, Fortschritt in der
Mission bestehe: "So gibt es denn einen Fortschritt auf dem Gebiete des
Lebens der Menschheit, welchen die sittliche Arbeit von dem einzelnen
Menschen aus beherrscht und gestaltet; einen Fortschrin, welcher das Gan-
ze voran bringt. Es findet eine allmähliche Christianisierung der Völker
statt".3O
Ist aber nicht diese Antwort nur die Kehrseite des Dilemmas? Entweder
schließt die Ewigkeit, wie Kähler sie eingeführt hatte, allen Fortschritt aus,
oder aber die Ewigkeit, die einen Fortschritt zu begründen vermag - freilich
nur auf dem Boden der Religion -, muß sich hierfür ihrer Ewigkeit begeben
und geschichtlich werden: "diese wahre Religion selbst ist eine geschiChtli-
che Erscheinung". In diesem Satz schürzt sich abschließend nochmals der
31
ganze Knoten des Problems.
Seine Auflösung ist nur 50 möglich, daß die scheinbare Aporie der Al-
ternative von Fortschritt und Ewigkeit auf eine dritte Größe hin geöffnet
wird. Hier zeigt sich die Bedeutung von Kählers "apologetischem" Vorge-
hen. Es wurde bereits darauf hingewiesen, daß das Ewigkeitskonzept den
Fortschritt nicht einfach aus-, sondern mit einer tieferen Begründung sogar
einschließt. Dies ist jetzt für die Art dieser Begründung zu präzisieren: Die
Ewigkeit, welche den Fortschrill als Vollendung der allgemeinmenschli-
chen Anlage im Gewissen verbürgt, wird von Kähler einmal als ,jenseil
dieser Zeitspanne" liegend bezeichnet. 32 Dieses Jenseits ist von einem
"Nach" zu unterscheiden. Verstünde Kähler die Ewigkeit als ,,Zeil nach der
Zeit", dann wäre das Zeitverständnis des Fort5chrittsdenkens zwar umge-
polt, aber nicht überwunden; anstatt aus der Vergangenheit wie bei Faus(s
Famulus Wagner würde sich der Fortschritt aus der Zukunft speisen, aber
aus einer Zukunft, die mit der Vergangenheit einen einzigen linearen
Zeitstrahl bildete. Dann wäre das gezeigte Dilemma unüberwindlich.

29 KÄHLER [18671 (1913) 191.


30 A.a.O. 192. Im Ersldruck des Vonrags ist an dieser Stelle der Rückbez.ug auf die grundle-
gende These. daß es keinen sinlichen Fonschriu des Menschengeschlechts im ganzen gebe. ver-
deutlicht durch die Aufnahme eines ihrer 5tichwone: • .sogiebt es denn einen Fonschriu auf dem
Gebiele des Geschlechls-Lebens" eie. (DERS. [1867J 134). Die spätere Änderung dürfte daher
rühren. daß Kähler hier nicht als Sexualelhiker verstanden werden wollte.
31 Zitat DERS. [ 1867) (1913) 192. ausführlicher a.a.O. 193: vgl. den ganzen flinften Abschnilt:
a.a.O. 191-194. -Im Ersldruck (DERS. [1867J 134) ist der HInfte vom vienen Abschniu nicht ge·
IrennI.
32 DERS.118671 (1913) 184.
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IV. Martin Kählers messianisch-solerologische Eschatologie 143

Doch Kähler verstehl die Ewigkeit nichl in diesem linearzeitlichen Sin-


ne; vielmehr ist sie ihm zufolge die "Ruhe, die über die Zeit hinausliegl U33
und daher, mit Kählers eindrücklicher Redeweise, in die Zeit "hineinragt".
Der kurze Schlußabschniu des Vortrags beschreibt das Verhältnis von Zeit
und Ewigkeit mit den Worten des Eindrucks, den J.A. Bengel auf einen
Zeitgenossen machte, so: "Ich ward wie von dem kräftigen Magnet durch
die Augen, die voll Licht und Leben waren, und durch die Stirne, auf der
ich das Wort ,Ewigkeit' zu lesen meinte. in eine andere Sphäre hingezo-
gen.,,34 Der systematische Ertrag von Kählers Ewigkeitskonzept wird mit
diesen Worten aus einem erbaulichen Lebensbilde in seinen zwei entschei-
denden Momenten gut getroffen: Ewigkeit ist zum einen eine andere Sphäre
über den zwischen Vergangenheit und Zukunft sich erstreckenden Fort-
schritt hinaus; sie ragt zum anderen in diesen Fortschritt hinein und zieht
ihn zugleich an sich. Begrifflich expliziert Kähler diesen Gedanken mit dem
Konzept der Verheißung: Auch das Christentum geht noch zu auf "die gro-
ße Verheißung. welche allein imstande ist, die peinigenden Rätsel des Er-
denlebens zu lösen", das Rätsel nämlich, daß die wahre Religion "eine ge-
schichtliche Erscheinung" ist. Offensichtlich ist also das Christentum als
geschichtliche Erscheinung zu unterscheiden von seiner eschatologischen
Gestalt als wahrer Religion, die ausschließlich Gaues Verheißung ist. Als
diese Verheißung ist das Eschaton die drille Größe im Dilemma von Fort-
schritt und Ewigkeit. Kähler kann daher, den Fortschritt ganz auf die so
verstandene Ewigkeit beziehend, resümieren: "Der Fortschritt, wie er sei-
nen Ausgangspunkt hatte, findet seine Vollendung in der Ruhe, die über die
Zeit hinausliegt.,,3' Erst von diesem systematischen Ziel punkt der Argu-
mentation aus wird auch die Wahl der Bilder "Fluß" und "Meer" für Fort-
schritt und Ewigkeit voll verständlich. Eine schroffe Alternative empfehlen
sie schon deshalb nicht, weil ja der Fluß ins Meer mündet, und so kann
Kähler seinen Vortrag im Stile einer lnc1usio rahmen durch das Leitmotiv
vom "Meer der Ewigkeit', "in welcher doch kein Tröpflein der reich wech-
selnden zeitlichen Vergangenheit verloren ;S(',.36 Kählers Eschatologiekon-
zepl verbindet so Fortschritt und Ewigkeit unter dem klaren Vorrang der

33 A.a.O. 194.
34 A.a.O. 19.5 (der sechsie Abschnitl: 3.a.0. 194f.). Zilien ist Oskar WÄC.lTER. Johann AI-
brechl Bengel. LebensabriB. Charakter. Briefe und Aussprüche nach handschrif!lichen Mittheilun-
gen dorgcstclh. Slungart \86.5.206.
3.5 Zitate K},HUiR 11861] (1913) 194. Vgl. DERs.11911j 72: ..Man wird die Wege Gotles von
hinlen vcrstehen:'
36 DERS.11861] (1913) 193; 8.8.0. 167 Jautcl der Relativsatz: ..in dem doch kein Tröpnein ei·
ner reich wechselnden zeillichen Enlwickelung verloren ist".
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144 Zweiter Teil

Ewigkeit. Kähler richtet so den gesamten Fonschritts- und Entwicklungs-


gedanken neu aus an einem Konzept von Ewigkeit als der "großen Verhei-
ßung", die allein den Fortschritt begründet und zugleich seine Grenze bil-
det, die mit keinem geschichtlichen Ziel von Fortschriu in irgendeiner Wei-
se verrechnet werden kann.

Exkurs 4: Der infinite Progreßgedanke in der liberalen Eschatologie

I. Zum Begriff der liberalen Dogmatik. Kählers Ewigkeitskonzept ist. wie gesehen. in
der Auseinandersetzung mit dem Fortschrinsgedanken entstanden. Zur Verdeutli-
chung ist daher der Vergleich mit solchen Entwürfen von Eschatologie hilfreich, die
ausdrücklich auf einem Begriff von Fortschritt basieren. Daft.ir kommen besonders
einige Autoren in Betracht. die sich unter dem Titel einer ..liberalen Dogmatik" zu-
sammenfassen lassen. Der Tenninus "liberal" soll dabei keine dogmatische Richtung
oder theologiegeschichtliche Schule bezeichnen,J7 sondern ist zu verstehen von einer
methodischen Grundsatztendenz in der Theologie des 19. Jh. überhaupt. welche durch
das Aufkommen der historisch-kritischen Methode gekennzeichnet ist. [m Unter-
schied zur sog. Positiven Theologie.3Jl die. im einzelnen mit unterschiedlicher Be-
gründung. die in Bibel und Credo genannten ,.Heilst3tsachen'· als feststehend gegebe-
ne (in diesem Sinne "positive") Grundlage der theologischen Arbeit voraussetzt. sol-
len im folgenden unter dem Stichwort ..liberale Dogmatik" diejenigen systematischen
Theologen zusammengefaßt werden. die die kritische Methode in ihre Darstellung
biblischer und kirchlicher Theologie integrieren.
2. Infinirer Progreß als unendliche Durchdringung von Geist find Leib. Hier ist
vor anderen der Tübinger FR1EDRICH HEtNRICH KERN zu nennen. der nicht nur als
gleichaltriger Schüler von F.C. Baur an der Wiege der historisch-kritischen Methode
steht. sondern auch zugleich eine heute wenig beachtete Monographie zur Es-
chatologie verfaßt hat. In ihr will er Schleiernlachers Dilemma überwinden. daß die
beiden Pole. persönliche Fortdauer und Vollendung der Kirche. jeweils nur entweder
auf den Gedanken der Entwicklung ocIer den der Vergeltung (des Abschlusses) bezo-
gen werden können. Kern dagegen eint sie, indem er heide •.nach der negativen s0-
wohl. als nach der positiven Seite des Begriffs" betrachtet und so ein umfassendes
Gesamtbild herstell!.J\! Demnach ist die persönliche Fortdauer zwar die Entwicklung
der im frommen Selbstbewußtsein des Individuums positiv gegebenen Gemeinschaft
mit Christus, sie ist aber zugleich negativ beschreibbar als Befreiung ..von allem

37 Insbesondere ist nicht ausschließlich an den Kulturprotcstantismus zu denken.


38 Der Gegensatz von Positiver Theologie und liberaler Dogmatik im genannten Sinne ist
theQlogiegeschichllich im sog. Apostolikumsstreil manifesl geworden. der über die unmiltelbar
kirchenhiSlorischen Streitigkeiten hinaus seine theologiSChe Renexion in der Auseinandersetzung
zwischen A. v. Hllmack und H. Cremer fand. Cremer selbsl ist zusammen mit M. Kähler und A.
Schlauer der wichtigste Venreler der Posiliven Theologie.
39 Zum Folgenden vg!. KERN (1840) 77 (Zitat) mit Bezug auf ScIU..EIERMACHER 11830131]
(1960) § 159.
00040222

IV. Martin Kählers messianisch-soterologische Eschatologie 145

Sündhaften" und damit als Gericht oder Vergeltung. Und ebenso ist die Vollendung
der Kirche zwar negativ als gerichtliche Befreiung von der ihr noch anhaftenden Sün-
de zu beschreiben. Sie ist damit aber zugleich durch logische Negation positiv .,we-
sentlich auch Entwicklung". weil sie Befreiung zu weiterer und dann ungehinderter.
also unendlicher Verklärung bedeulet. 40 Kern erläutert diesen Gedanken mit einem
doppelten Rückgriff auf Eschatologeme der Venninlungstheologie: Er erklärt die
individuelle Tilgung der Sünde mit H. Steffens' Theorem der Involution so. daß auf
das vom Leib beherrschte Erdenleben ein geistdominierter Zwischenzustand folge. an
den sich als Ausgleich beider die jenseitige Entwicklung zu unendlicher Einheit von
Geist und Leib in der Auferstehung anschließen müsse. 41 Auf universales-
chatologischer Ebene entspricht dem der später vor allem durch I.A. Dorner zur Wir-
kung gebrachte Gedanke. daß mit Christi Auftreten die Eschata in einer geistigen
Zwischenzeit bereits angebrochen sind. auch wenn sie noch der endgültigen leibli-
chen Konkretion durch dje zukünftige Parusie bedürfen. Kern kann also mit diesem
doppelten Rückgriff auf die Venniltlungstheologie42 sowohl die Unsterblichkeit leh-
43
ren als auch den Gedanken einer vollendeten Kirche als infiniten Progreß anschau-
lich machen. Eschatologie bietet damit. Schleiennachers partikulare Anschauungen
überwindend, das Gesamtbild einer immer vollkommeneren Durchdringung von
Geist und Leib sowohl im Individuum als auch in der Kirche als Gesanllheit aller
Individuen im Verhältnis zu jedem einzelnen. Kern kann so gegen Schleiennaehers
Verdikt der Nichtlehrbarkeil die Eschalologie als Apokalastasis dogmatisch bewei-
sen, indem "der Begriff der Vollelldullg selber. und ihre NOfhwelldigkeit ins Klare
gesezt" werden. 44
Gewiß ist der in diesem Konzept tragende Gedanke der Involution Spekulation.
Doch liberale Theologie und Spekulation schließen sich im 19. Jh. nicht aus, wie das
wirkmächtige Beispiel von RICIlARD RQTIIE zeigt, der als später Begründer des Prote-
slantenvereins der Inbegriff liberaler Theologie vom Schlage des Kulturprotestantis-
mus zu sein scheint und doch ein eschatologisches Konzept von infinitem Progreß

40 Zitate KERN (1840) 78.77; vgl. ebd.: .,ein ins Unendliche sich steigernder Fortschriu".
41 KERN (1840) 115 greift Sterfens' Involution (s. Exkurs 2. hier S. 70f.) auf. auch wenn die
Begrimichkeit von Geist und Leib an die heilsgeschiehlliche Axiomatik von Person und Natur
erinnern mag. Diese versteht aber nicht den Zwischenzustand. sond(1Tl gerade die nach Kern leib-
dominierte Gegenwan als geistbcslimmt.
42 KERN {I 840) 4 strukturiert die biblische Eschatologie (Kap. I) so: Gegen die antikjUdische
Unterscheidung zweier Äonen. die durch das eine Auftreten des Messias getrennt sind. nimmt das
Neue Testament eine Endzeit an, die durch die zwei Parusien Christi gerahmt ist. S. S. 125 Anm.
t 97.
4) Kern verteidigt diese ewige Unsterblichkeit der persönlichen Geist-Leib-Einheit gegen die
aus der hegelianischen Deballe (s. Exkurs I IS. 64ff.J) bekannten Beschränkungen. also gegen
P.K. Mnrheinekes ..rechlShegelianische" Unslerblichkeit in ..einem blos diesseitigen Sinne" (a.a.O.
92). gegen C.H. Weißes Unsterblichkeit nur der christlichen Persönlichkeit (a.a.O. 83f.) und gegen
die Unsterblichkeit nur der menschlichen Gallung (a.a.O. 86 als Linkshc:gelianismus eingestuft).
44 A.a.O. 94. Bereits das Kap. I zur biblischen Eschatologie nennt die "Wiederherstellung al-
I~r Menschen in Christo zur Einheit mit GOIl die ein:ig richlig~ Conseqll~n:" (a.a.O. 37) der neu-
teStamentlichen Anschauungen und begrlIndei dies damit. daß nach Paulus zuletzt •.ganz Israel
gereltet werden wird" (a.a.O. 38).
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146 Zweiter Teil

entwickelt. das grundsätz.lich spekulativ begründet ist.4~ Grundlage dieses Konzepts


ist das Verhältnis von Gon dem Schöpfer zu seiner Schöpfung: Gott ist das absolut
geistige Wesen, das durch sein Schöpferhandein Materie sich ins Geistige anverwan·
deli. doch so. daß Schöpfung nie das Maß von Goltes Geistigkeit erreicht. Es gibt
daher eine ewig fortgesetzte Schöpfung. die aus den irdischen Schlacken der zu an·
gelischem Dasein emporgeläuterten Geschöpfe neue, geisligere Wesen schafft. 46
Folglich gibt es in ihrer Geistigkeit je nach Frühe oder Späte ihrer Schöpfung abge·
stufte KrealUrsphären,47 deren einzelne Angehörige gleichwohl individuell vollendet
sind. 48 Der ewige Fortgang dieser Schöpfung in einer unendlichen Weltenreihe nach
Abzug aller bösen. d.h. auf die Verschlackung statt die Vergeistigung gerichteten
Tendenzen49 ist Rothes Bild von Eschalologie.~ Der Gedanke eines unendlichen Pro-
gresses ist hier zwar auf dem Boden der Spekulation, aber bestechend klar durchge-
ruh".
Derselbe Gedanke des infiniten Progresses beherrscht bei scheinbar völlig ande·
rem theologischen Ansatz die Eschatologie von RICHARD ADELBERT LIPSlus. Sie ist
die konsequente Aufdeckung und anschließende Überwindung der Aporien in der
kirchlichen Eschalologie.~1 Die Kirche lehre zum einen ein im Himmel fertig bereit
liegendes Heil~2 und erwarte zum anderen, daß die sittlichen Gesamterträge der ein-
zelnen Menschenleben als ..fertige Zustände" in die Ewigkeit übernommen würden. H
Mit dieser Lehre setzt die Kirche Lipsius zufolge den Grundirrtum des Frühjuden-
tums fort. der in der .jüdischen Zeiuheologie" mit messianischem Königreich und
Weltgericht zwei ursprünglich selbständige eschalologische Gedankenreihen ver-
mengt ..s4 Dies würde eine "sprungweise Vollendung" bedeuten. die eine Entwicklung

45 Da die bei Rothe meist auf Einnüsse der 1lleosophie (s. Exkurs 3. hier S. 99-102) zurück·
geführte Spekulation das historisch-krilische Interesse überlagen. kann ROlhe nur mit Einschrän-
kungen unter meinen Begriff liberaler Dogmatik fallen. Vgl. das Charakterbild des Theologen
Rothe bei BARTIt (1947) 544-552.
46 RonlE (1869n I) 11,481 f. (§ 457).
47 A.a.Q. 1I,482f. (§ 457 Anm.) zur höheren Geistigkeit späterer Schöpfung.
48 A.a.O. 11,483 (§ 458). Grade der Seligkeit sind daneben niehl ausgeschlossen (u.a.O. 111, 194
I§ 5951), doch jedes Individuum SIeht mit der Seligkeit aller Kreatursphären in völligem Austausch
(a.3.0. 11.480 [§ 4561).
49 So wird der im Gericht Verworfene als "sieh allmälig in sich selbst aufzehrend" (a.a.O.
U1,1941§ 5961) gedachl: vgl. a.a.O. 11,478 (§ 452 Anm.) zum Gericht über die Natur: Dort "wird
die Chemie ihren Triumph feiem".
50 Rothe wird m.E. zu sehr von Hegel aus gelesen. wenn man seine chiliastische Eschatologie
auf die Vorstellung beschrJnkl, daß die Kirche im Staal aufgehen werde. Dagegen bemerkt
ÜSTHOF (1999) 286 (vgl. a.a.O. 273 Anm. 382), dieser Zusammenfall geschehe ..erst im Escha·
ton". Ungesagt bleibt dabei aber. daß Rolhe dieses Eschnlon als infinit denkt. Seine Eschatologie
hat so die Weite der Spekulation eines Origenes und ist daher ähnlich umstrinen wie diese.
51 LtPS1US (1893) 849 (§ 970) faßt den dogmatischen Negalivbeweis zusammen aus §§
947.950.958 zur alt- bzw. neuleslamentliclten bzw. kirchlichen Eschatologie. Vgl. a.a.O. 855
(§ 982) mit den Begriffen Zeit und Ewigkeit.
52 A.a.O. 840 (§ 956) fUhrt Lipsius diese Vorstellung auf den Hebräerbrief zurück.
53 A.a.O. 852 (§ 978).
54 Zitat 3.a.0. 835 (§ 947): zu den beiden Vorstellungen vgl. a.a.O. § 945 bzw. § 946.
OOO~O<22

IV. Manin Kählcrs messianisch-solcrologische Esch:lIologie 147

zum Ziel fUhn. jedoch nicht auf dem Wege der Entwicklung. Mit diesem Gedanken
der sprungweisen Vollendung fuße die kirchliche Eschatologie auf einer contradictio
in adjeclo.~~ Dagegen steht bei Lipsius die Vorstellung eines progredierenden Ziels.
Sie iSI dann nichl ebenso comradictio in adjecto. wenn es sich gleichsam um das fort-
gehende Ausschreiten eines Gipfelplate3us handelt. eben um einen ..pr0gre5sus in
infinitum...56 Dieser müßle aber. soHle er dogmatischen Wert haben. religiös verstan-
den werden. Erst in der postumen Letztaunage hat Lipsius damr die theologische
Begriffiichkeil gefunden: Eschalologie handelt von einem unendlichen Fortschritt als
dem ..donum perseverantiae'·. ~7
Lipsius bestimmt diese Perseveranz inhaltlich als Beharrlichkeit des persönlichen
Ich ..im Wechsel seiner Zustände und Thätigkeiten··. Darin declcl er sich ausdrücklich
mit dem schweizerischen Theologen ALDIS EMANUEL BIEDERMANN. Gegen ihn will
Lipsius aber die Beharrlichkeit des Ich gegenüber seiner Umwelt religiös als Un-
slerblichkeit (persönliche Fondauer) verstanden wissen. um nichl eine canesische
Überlegenheit von Geist- über Nalursubslanz assoziieren zu lassen.~8 Doch auch Bie-
dem13nn zielt nicht auf einen Substanzdualismus. wenn er in der teils poslumen
Zweitaunage seiner Dogmalik das eschalologische Grundkonzept eines in der Weil
slatthabenden Sich-Erhebens über die Weil zur Freiheit von der Welt ausdrücklich
nicht als Unsterblichkeit versteht. Vielmehr kritisiert er die traditionelle Anschauung
von Unsterblichkeit der Seele und Auferslehung des Aeisches gerade deshalb. weil
sie den Substanzdualismus impliziere.)') Biedennann fonnulien seine eigene Konzep-
lion statt dessen in hegelianjscher Diktion als Durchdringung von absolutem und
endlichem Geist 60 und rezipiert zur lIIuslTation den Chiliasmus. 61 Dieser Gedanke
entspricht Kerns an Steffens geschulter Spekulatioo. über den Zwischenzustand sowie
der Vorstellung Lipsius' vom donum perseverantiae als Erreichung einer sich unend-
lich fortsetzenden Entwicklungsstufe. Es scheinl also. daß Lipsius und Biedennann

55 ZiUIl ....0. 852 (I 971).


56 A.a.O. 853.861.855 (U 979.989.982). Die beiden erslen Siellen t:rilisleren. daß der Begriff
kein religiöser sei.
S7 A.a.O. 868 (1995): vgl. a.a.O. 853 (§ 979): ..pcrseveraßlia 51nclorum··. Dieses Konzept. das
der Herausgeber. O. Baumganen. in seinem Vorberichl a.8.0. XXXIII als wichlige Neuerung
hervorhebt. fehlt noch in den entsprechenden Paragraphen bei LIPSIUS (1876) 872.860 (U
971.9(1). während von einem progre.sSU$ in infinilUm bereilS die Rede ist (a.a.O. 860.868.862 [U
961.971.9641).
58 Zilal DERS. (1893) 865 (f 993). Die ~),'plizi/t' Abgn:nzung gegen Biedermann (a.a.O. 867f.
[f 9951: noch nicht DERS. 11876] 872 119711) haI Baumganen 1893 als Herausgeber aus einem
Vonrag von Lipsius rekonstruiert.
59 BIEDERMANN (1884/85) 11.391 (I 579) krilisiert die Aufel'Slehung des Fleisches (nicht des
Leibes!) als Subslanzmet8physik. Die UnslerblichkcilSlehre und ihre VOßlellungen vom Ich als
•.einem besoodem Ding·' verwirft cr 8.a.0. U 949-973 (Zitat 8.a.0. 11.656 119701) und läßI nur
dle Bestimmung des Ich zum _rt'al ...·d1{rt'it'n Geistleben (a.8.0. 11.657119721: "gI. 8.8.0.11.664
M

1I 991 J) gelten.
60 A.LO. 1I.66Of. U 985).
61 [)rer Oriliasmus fasse das diakklische Verhältnis des Reiches Gones zur Weh - die Weh ist
sein Boden. doch ,.nichl die Weil als Weil" - in die Vorstellung ,.einer posiliven V~rWrllng der-
sdben- (Zilale LLO. 11.390 1I 5781).
148 Zweiter Teil

dasselbe Eschalologiekonzept des progressus in infinitum vertretcn 62 und so auch mit


dem Entwurf von Kern übereinstimmen.
3. Ergtbnis. Somit bielen die hier vorgestellten AUloren ein im wesentlichen ein-
heitliches Konzept von Eschatologie. das sich durch die Ablehnung eschatologischer
Dualismen. also LB. der Elugegensetzung von Geist und Leib. auszeichnel. 6J Hierin
ist die AuseinanderselZung mit dem eschatologischen Dilemma Schleiermachers zu
spüren. auf den sich Kern denn auch extensiv bezieh!. Die Antwort. welche er und die
anderen Autoren geben. ist jeweils die des progressus in infinitum (so ausdrücklich
Rothe und Lipsius). also einer ins Unendliche fortschreitenden Vervollkommnung der
Durchdringung von Geist und Leib. so daß die Eschatologie lediglich eine Bahn zu
beschreiben hat. auf welcher der Weg in die Ewigkeit dann. so zu sagen. vorgezeich-
net ist. Dies erklän den Fortschrittsoptimismus der genanmen Autoren. Zugleich er-
klärt es, warum in der Linie solchen Fortschrins das Judenlum, bildlich gesprochen,
auf der Strecke bleib!:: Kern folgt der schon bekannten Lehre von den "zwei Adventen
ChriSli", die das Judentum in eine mit Christi Auftreten überholte Geschichte einstuft
Lipsius hai als Folie seiner Eschalologie die ,jüdische Zeinhcologie" vor Augen.

Diesem Progreßgedanken und seiner Sicht auf das Judentum tritt nun Käh-
lers Konzeption eines Fonschritts entgegen, dessen einziger Grund und ein-
zige Grenze die in die Zeit hineinragende "große Verheißung" der Ewigkeit
ist. Doch muS diese Grundidee noch präzisien werden. Denn der liberale
Progreßgedanke wird nicht nur von Kähler kritisien, sondern auch von
ALBRECHT RITSCHL, der theologiegeschichtlich in manchem als Weggenos-
se Kählers erscheint. In der Eschatologie kommt Ritsehl jedoch zu ganz
anderen Ergebnissen. Er selzt hier an der Wurzel des infiniten Progreßge-
dankens ein: Dessen Vorstellung einer unendlichen Vervollkommnung des
Verhältnisses von Geisl und Leib fußt auf einer traditionellen es-
chatologischen Zuordnung von Rechtfenigung und Heiligung. Genau dieser
Zusammenhang besteht nach Rilschl jedoch nicht. weil die Rechtfenigung
nicht gegen die Unzulänglichkeit der Werke des Gesetzes gerichtel sei,
sondern gegen Werklichkeit überhaupt. 64 Dementsprechend zielt in christli-

62 Der Unterschied beider liegt vielmehr in der Kanlinlerprctlltion: Lipsius Hihrt Religion auf
die praktische Notwendigkeit zurilck, daß das Ich sich gegenUber der Welt behaupten muß wie
gegenUbcr einer Bedrohung (UOlTENltof'F 11991]147). da die Welt dem Ich nicht nur als seine
eigene subjeklive Konslitutionsleislung (Erscheinung), sondern auch als deren reales Objekl
(..Ding luRer uns~) gegenUbenrill (vgl. 1.1.0. 153f.). Biedennann kennt eine solche Nötigung zur
Religion nichl, da er Lipsius' Verdoppelung der kanlischen Lehre vom Ding an sich zum Ding
lußer uns nichl leih, sondern den absolulen Wehgrund als logisch zugänglich ansieht (vgl. a.I.O.
I 73f.). Dies wäre fUr Lipsius der RadJa" hinter die kopernikanische Wende (vgl. La_O. 17or.).
63 Für Lipsius s. bei S. 147 Anm. 58 und für Biedermann s.. S. 147 Anm. 59. Auch KERN
(1840) 58 SlChl gegen Du.alismen.
64 Iki Rrrsou. (1882183) 111.450 (f SI) _..ird die Unvollkommenheil 1... 1 nicht 1.. _1 bkls
quanlitaliv. sondern qualitaliv beunheill".
00040222

IV. Martin Kählers messianisch-solerologische Eschatologie 149

cher Eschatologie Rechtfertigung nicht auf Heiligung, sondern auf ewiges


Leben, das Ritschl im geistgewirkten Leben der Gemeinde verwirklicht
siehl. 65 Gute Werke sind daher nicht Ziel, sondern Organ der Es-
chatologie. 66 Als Ziel gedacht im Sinne der infinit progressiven Heiligung
würden sie auf ein Hindernis stoßen, das "Reich der Sünde". Es bezeichnet
diejenige Gemeinschaft, deren Glieder untereinander verbunden sind durch
die interpersonellen Auswirkungen der Sünde. Diese kommen wenigstens
in ihrer schwächsten Ausprägung als "Abstumpfung" gegen anderer Men-
schen Übel auch in der Gemeinde zur Geltung. 67 Zugleich steht das Reich
Goltes in Gestalt der Gemeinde der Versöhnten diesem Reich der Sünde
aber entgegen, denn die Versöhnten ertahren durch die Gnade eine Schär-
fung ihres Schuldgefühls und zugleich die Gotteskindschaft als die Aus-
richtung auf den göttlichen Endzweck, so daß sie das Problem der bei aller
Versöhnung fortbestehenden Sünde tragen können, weil sie darin kein
Strafübel mehr erblicken, und diese veränderte Sichtweise auf die sündige
Welt ist der Kern dessen, was Ritschl die christliche .,Weltbeherrschung"
nennt. 68
Der Unterschied dieser eschatologischen Auffassung von derjenigen
Kählers ist offensichtlich: Kähler begreift die Ewigkeit als eine reale und
wirksame Größe, die in die Zeit hineinragi; bei Ritschl dagegen ist sie ein
Reich der Zwecke, das sich auf die Gemeinde beschränkt. so daß eine
Fortwirkung sich nur auf die Kirche erstreckt. Ritschl ersetzt also die Kette
von Ursache und Wirkung, die den Progreßgedanken auszeichnet, durch die
Teleologie, in der die Gesinnung der Gemeinde Maßstab der Eschatologie
wird. Köhlers Eschatolog;e b;etel jedoch gegenüber d;eser Alternative VOti
Kausaliläl IIlId Teleolog;e eine dr;lte Größe. Deshalb genügt es zur Cha-
rakterisierung von Kählers Konzeption noch nicht. sie mit dem liberalen
Progreßgedanken zu vergleichen. Vielmehr ist der Gedanke fortzufLihren
anhand desjenigen Themas, das auch den Vergleich mit Ritschl erlaubt. und
das ist die Versöhnungslehre, oder mit Kählers Tenninus: die Soterologie.

65 A.3.0. 1lI.457f. (§ 52) zum Zusammenhang mit dem ewigen Leben anslatt mit der Heili-
gung. Zur gemeindlichen Wirklichkeit des ewigen Lebens vgl. a.a.O. 111.467 (§ 52): RilSChl ver-
knüpft Individual- mit Univcrsale....c hatologie. so daß die ,.geislige Freiheit des Individuums" ge·
meinsam mit der ..Offenbarung des allgemeinen Endz.....e ckes der Welf" die .,geistige Herrschaft
der Genossen des göttlichen Reiches über dieselbe und ihr ewiges Leben" begründe!.
66 A.3.0. 111.480 (§ 53).
67 Zil:lIe 3.a.0. 111.314 (§ 41). Das ..Reich der Sünde" iSI das Ergebnis von Ritschis Krilik der
ErbsUndenlehre.
68 A.a.O. 11].505 (§ 56): ..Denn je höher die gÖlIliche Gnade in dieser Verleihung geschätzi
wird. um $0 schärfer muß sich der Contrasi zwischen den Venchu1dungen und der Aufnahme in
Gottes Gemeinschaft ftihlbar machen.·' Zur Wellbehemchung vgl. 3.3.0. § 62.
00040222

150 Zweiter Teil

2. Soterologische Eschatologie. Ausgangspunkt von Kählers Escha-


tologie ist die Ewigkeit, die als Gottes "große Verheißung" in die Welt der
Menschen hineinragt und so Grund und Grenze menschlichen Fortschrius
wird. Was aber ist der Gehalt dieser Verheißung? Kähler hai diese Frage
1896 aufgenommen in einem programmatischen Vortrag über "Oie Bedeu-
tung, welche den ,letzten Dingen' für Theologie und Kirche zukommt".
Dessen These lautet: Erst "die Eschatologie erschließt der Theologie den
Sinn für die Geschichte". Dies wird dann auf einzelne dogmatische Loci
angewandt, so daß "ohne Eschatologie keine Christologie", "keine Sote-
riologie", "keine christliche Ethik", "keine Theodicee" möglich sind,69 weil
alle diese in je unterschiedlichem Sinne einer Vollendung ihres geschichtli-
chen Fortganges bedürfen, die jedoch nicht linear, sondern nur von Gottes
Ewigkeit her möglich ist.
Die einzelnen Entfaltungen dieser These führen immer wieder auf das
verheißene Kommen Christi zum Gericht;10 jeweils führt Kähler das Kon-
zept eines nur eschatologisch begründeten Geschichtsfortschrittes durch.
Christologisch kann der Gekreuzigte nur im "zuversichtlichen Ausblick
über sein Kreuz hinaus" Weltenheiland sein, und soteriologisch wird dies
dem Gläubigen nur im "getrosten Blick auf den Vertreter, der als einziger
Richter jeden andem Richter ausschließt", gewiß und darum "wider mich
selbst".11 Auch die Ethik mißt daher beim Problem der Sittlichkeit des Ein-
zelnen dessen Keim eines religiösen Lebens eschatologisch am "Über-
schwang des Hoffnungsgutes", also "schon an der voll ausgetragenen
Frucht".12 Auf überindividueller Ebene schließlich bedeutet auch die Theo-
dizee, von Kähler als .,Verständnis des Wellganges aus dem Gottesglauben
heraus" definiert, keine "Überschlagsrechnung" des innerweltlichen Ge-
schehens, sondern folgt der "sinlichen Wellordnung", die Christus durch
sein zukünftiges Kommen heraufführt: "Daß wir alle offenbar werden müs-
sen vor seinem Richterstuhle, das ist die Theodicee für die Geschichte jedes

69 Die Darlegung der These im zweiten Abschnin des Vonrags: KÄtlLER (1896) 491-500. ihre
Anwendungen im drillen: a.a.O. 500--514. ZiuHe a.a.O. 497.50 1.503.506.511.
70 Vgl. a.a.O. 502 (Beispiel Christologie): "dann kommt kein Menschenleben zu einem Ab-
schluß. ohne ihm zu begegnen" mit a.a.O. 512 (Beispiel Theodizee): •.daß kein Menschenlos sein
Ende findet. ohne daß er vor Christi Angesicht gestellt wird".
71 Zitate a.a.O. 502.505.505. Daß mir das Heil nur unter Absehung von mir selbst gewiß ist.
betont Kähler (DERS. [1905j4231§ 4901: ..non propter sed per fidem") mit Frage 61 des Heidel-
berger Katechismus.
72 Die Zitate (DERS. 118961 508.503) halten den ethischen Lohngedanken fest (der jedoch qua
..Überschwang" vom Verdacht der Verdienstliehkeit befreit ist) bzw. den soteriologischcn Be-
kennlnissatz von der $ündhaftigkeit der Neugeborenen (CA 9): beides ergibt sieh aus dem Argu-
ment in der vorigen Anmerkung.
00040222

IV. Martin Kählers messianisch-solcrologische Eschatologie 151

einzelnen Menschen."n Gerade mit Blick auf kirchliche und parakirchliche


Endzeitströmungen seiner Zeit wie die Bewegung um E. lrving stellt Kähler
darum für die Frage nach den verschiedensten "Ietzten Dingen" fest: "das
sind alles Aussagen von dem lebendigen Christus". Somit ergibt sich, daß
ChrislUs selbst der eigentliche Gegenstand der Eschatologie ist; "daß die
christliche Eschatologie im Grunde Christologie, Aussage von Christi Per·
son und Werk sei". Diese Konzentration auf die Person Christi ist aber nicht
als Reduktion gemeint; dagegen spricht Kählers Differenzierung Christi als
der letzten und zugleich ersten Person: "So kennen wir eigentlich nicht eine
Anzahl von letzten Dingen, sondern nur eine ,letzte' Person, die das freilich
auch nur sein kann, weil sie auch die ,erste' ist.,,74
Kähler macht also offensichtlich Christus zum Mittelpunkt der Es-
chatologie, und zwar in seiner Gestalt als erste und letzte Person. In dem
Vortrag von 1896 wird Christus, die letzte und erste Person, ohne Um-
schweife als "der gepredigte Jesus Christus, der Jesus Christus der apostoli-
schen Verkündigung in den neutestamentlichen Briefen und Evangelien"
exp1iziert.7~ Kähler greift damit auf eine These zurück, die er 1892 entfaltet
hatte, daß der biblische Christus der Christus der kirchengründenden Pre-
digt sei. Ohne auf diese meistumstrittene Schrift Kählers hier schon näher
einzugehen,76 kann man festhalten, daß als das entscheidende Moment der
Personalität Christi sowohl 1892 wie 1896 ihre geschichtliche Gestalt er·
scheint. 77 Geschichtlichkeit Christi ist hier weder Historizität im Sinne veri-
fizierbarer Vorfindlichkeit noch "zufällige [...] Einkleidung der allzeit glei-
chen ,natürlichen Religion",.78 Kähler entnimmt sein Konzept von Ge-
schichl1ichkeit Christi als der letzten und ersten Person vielmehr dem Ge-
schichtsbewußtsein des Alten Testaments. Dort bezeichnet Geschichte den
Zusammenhang eines Ereignisses mit dem Ausblick auf seine Vollen-
dung. 79 ..Dagegen erzeugt die Weissagung schon im Volk Israel ein durch-

73 Zilale a.a.O. 511.512.512.512.


74 Zilale a.a.O. 490.500.490. Beim Verhältnis von ersler und leizIer Person sehen sowohl
HJELDE (1987) 214 als auch OE BooR (1990) 93 einen Konflikl von über~ und nachzeillicher E.~­
chatologie (Hjeldes ,.Eschaton und Eschata'", das OE BooR ,1990J 2 I6 Anm. 13 auch auf Troeltsch
und Ahhaus anwendei), nur nehmen sie die ZUleitung an erslc und lelzle Person genau entgegen-
gCSClzl vor. Für KÄHLER ist dieses Problem schon dadurch obsolet. daß ...ewig' und ,künftig' rur
den ChriSlenwandel Wechselbegriffe sind" (DERS. 118961 521).
75 A.a.O. 491.
76 Das NÖlige hier/.u wird in Exkurs 6 (5. I89ff.) gesagl werden.
77 Bei KÄJU..fR (1892) schon im TileJ: .,der geschichtliche. biblische Chrislus··.
78 DERS. (1896) 495f. 497 Anm. I mit Bezug auf die Chrisluslypologie I Kor 15.45-47.
79 Kähler verlichl diesen Begriff der Geschichtlichkeil gegen die ..Gegner der Anerkennung
des Allen Testamenles·· (a.a.O. 496; genannl sind Markion. G.E. Lessing und F. Schleiermacher).
00040222

152 Zweiter Teil

greifendes geschichtliches Bewußtsein; denn mit der Linie. welche der er-
leuchtete Blick von dem einheitlichen schöpferischen Anfange zu dem von
Gott verbürgten Abschlusse zieht, ist auch die Erkenntnis von dem Subjekte
der Weltgeschichte, nämlich von der einheitlichen Menschheit gegeben".
Ihrer Funktion für dieses Geschichtskonzept nach ist die besagte einheitli-
che Menschheit ein "verbürgtes Ziel" der Geschichte; auf ein solches läuft
dieses Geschichtsverständnis hinaus. so
Wir können somit festhalten, daß Kählers These von der Eschatologie als
Erschließung des Sinns für Geschichte zwei Momente enthält, nämlich die
Personalität von Eschatologie und ihre Geschichtlichkeit. Ersteres schlägt
sich darin nieder, daß Christus als erste und letzte Person der eigentliche
Gegenstand der Eschatologie ist. Zweiteres zeigt sich darin, daß zwischen
dem Ersten und dem Letzten ein gegliederter Zusammenhang besteht, der
sich krafl Verheißung von einem historischen Ereignis auf dessen zukünfti-
ge Vollendung erstreckt. Diese beiden Begründungsmomente haben auch
Eingang gefunden in einen 1898 erschienenen grundlegenden Lexikonarti-
kel Kählers zur Eschatologie. Hier wird als Ertrag der biblischen Es-
chatologie ebenfalls der alttestamentliche Gedanke der Geschichtlichkeit
festgehalten: "Bezeichnend für die alttest. Hoffnung ist die offenbarungsge·
schichtliche Begründung", was für die christliche Eschatologie dann auf die
Person Jesu bezogen wird: "Die Hoffnung bleibt durchaus an die Person des
auferweckten und wiederkommenden Christus, mithin an die Offenbarung
Gottes und an sein erlösendes und vollendendes Thun gebunden".81 Seide
Momente, Geschichtlichkeit und Personalität. werden auf den Begriff ge·
bracht, wenn es zusammenfassend über die Eschatologie heißt, .,daß alle
ihre Aussagen soterologische sein müssen" .82 Der Terminus der Soterologie
umfaßt also Geschichtlichkeit und Personalität theologischer Verheißungs·
sätze. Soterologische Eschatologie bezieht demnach die religiöse Zukunfts-
hoffnung auf die Person des auferweckten und wiederkehrenden Christus
als Vollendung der Geschichte. Geschichte unter diesem Blickwinkel der
Parusie zu sehen, heißt Soterologie.
Der Begriff "Soterologie" ist eine Neuschöpfung Kählers, abgeleitet
nicht von soreria, sondern von soter, was die Personalität unterstreichen
sol1.83 Im Zentrum steht somit die Person Christi. d.h. mit Blick auf die
Eschatologie: die Erwartung des persönlich Kommenden. Sie ist der Inhalt

80 Zitate ebd.
81 Zitate OERS. (1898) 492.
82 A.a.Q. 495.
83 Die Bedeutung der Personalilät belOnt zu Rechl auch LEIPOLO (1962) 61.
00040222

IV. Martio Kählers messianisch-solerologische Eschatologie 153

dessen. was Kähler in seinem Vortrag von 1866 die "große Verheißung"
nannle.

Exkurs 5: Zur problemgeschichllichen Bedeutung der "SoleroJogie"

Der Terminus .,SoIerologie" hat einen festen Platz in Kählers theologischem Den-
ken. IW In der aus drei sog. l.ehrkreisen. nämlich Christlicher Apologetik. Evangeli-
scher Dogmatik und 1lleologischer Ethik. bestehenden ..Wissenschaft der christlichen
l.ehre"~ fUhrt Kähler ihn im 2. Teil der Dogmatik. in dem nach dem Bekehrungs·
glauben (I. Teil) und vor dem Verherrlichungsglauben (3. Teil) der ..Versöhnungs·
glaube" behandelt wird. als Überschrift des I. Hauptstücks unter dreien ein. Dieses
behandelt. nach traditioneller Terminologie zu sprechen. Chrislologie in zwei Stücken
als immanente Trinitätslehre und als Problem der Zweinaturenlehre: während die
beiden übrigen Hauptstücke sich mit der Soteriologie als Lehre vom Heilswerk (2.
Hauplstück) und dessen Zueignung (3. Hauplslück) beschäftigen.
1. Sorerologie als gegliederter Zusammenhong der Theologie. Das Konzept der
Soterologie nun soU verhindern. daß eine derartige Einteilung der Theologie zu einer
Zerteilung fUhrt in eine von Gones wegen feststebcnde Voraussetzung und deren um
der Menschen willen aktualisierende Anwendung. Am Beispiel der Vef'SÖhnungsleh-
re. anläßlich derer der Begriff gebildet wird. droht eine solche Zcrteilung. wenn Ver-
söhnung als Heilsbeschaffung von Rechtfertigung als Heilsergreifung abgetrennt
wird. 86 Kähler selbst unterscheidet freilich von der Versöhnung als der "Umwandlung
des allgemein vorhandenen Verhältnisses der Entfremdung" die Rechtfertigung als
..die entscheidende Zueignung der Versöhnung"." D.h. aber. Kähler wendet sich mit
dem Konzept der Soterologie auch gegen die Verabsolutierung seines eigenen Aufris·
ses des dogmatischen Stoffes - ebenso. wie ihm auf der anderen Seite Versöhnung
und Rechtfertigung nicht austauschbare Imerpretamenle eines und desselben Wesens
von Heil sein können." Soterologie bedeutel also weder Distraktion noch Kontrakli·
on der theologischen 1bemen. sondern bezeichnet ihren gegliederten Zusammen-

84 Zu allen Angaben über den Aufriß von KÄllLERS Theologie vgl. OOKS. ( 1905) XLV-XLVIII
(Inhalt).
85 Dies i51 KUhlen Titel rur das. was bei den meisten Auloren ..Syslemalische Theologie"
heißI (vgl. a.8.0. 47(1 43]).
86 Gerade umgekehn verwendel A. RrrscHL (1882183) bcidc Begriffe. Zum Problem vgl.
WEBER (1966) 258ff.
87 Zitale KÄHLER (1905) 317 (§ 354) b7.W. 1.1.0. 42Of. (§ 488).
88 Y&I. dazu HAKLE (1995). der a.I.O. 496 die Unlerschiede der .jeViCils zugehörigen VOf-
stellungsweh" in das ..Gemeinsame zwischen beiden Begriffen". Gones bedingungslosen Zu-
spruch des Heils. lUfhebt und gcflCrell zur ..Vielfah und Einheil des Heils" (a...O. 494) bemerkt;
..Dit- Vielflh der Erschdnungsformen. in denen Unheil und Heil Geslah gewinnen. i~ gnmdsiit:-
Ji;h unINgufl;r (a.a..O. 495). Der Unterschied dieser Auffassung gegenüber Kähler ist. daß sie
Geschichtlichkeit des Heils mit ihren "kOflkrelen Erscheinungsformen" (....0. 499 Anm. 10)
gleichsetZI. was nichl Klhlen Begriff der Geschichllichkeit ist.
0004022~

154 Zweiter Teil

hang. 89 Sie ist dabei aber mehr als der Kin eines regulativen Prinzips, welches das
theologische System zusammenhält; sie hat einen angebbaren Inhalt. Dieser soll nun
um genannten Beispiel ftir die Versöhnungslehre. zu der sich Kähler auch monogra·
phisch geäußert hat, skizziert werden, wobei ich mich auf einige Konturen beschrän·
ke.
2. Sorer%gische Versöhnungs/ehre. Die soterologische Eigenart der Versöh-
nungslehre läßt sich in den knappen Ausspruch zusammenfassen, ..daß Jesus Christus
in Person die Sühne" ist.90 Damit ist gemeint. daß in Christi Tod am Kreuz die ge-
nannten Aufteilungen überwunden sind, ohne die dieser Tod immer nur entweder als
Strafe oder als Sühne verstanden werden kann:'.ll Entweder erleidet Christus das Ge-
richt als Strafe ftir die Schuld der Menschheit. und dann erlitte er, der Gerechte. sie
ungerechterweise;92 oder er gibt das vollkommene Beispiel gehorsamer ErfulJung von
Galtes sittlicher Forderung, und Jesu Tod wäre das Siegel auf seinen unvergleichli·
chen Opfennut;'.l3 in beiden Fällen wäre die Verbindung zwischen Christi Person und
seinem Werk rur die Menschen durchschnitten. Denn im ersten Fall ist der von Chri-
sti Tod behauptete Nutzen rur die Menschen. die stellvertretende Genugtuung, selber
widersinlich. weil ungerecht: im zweiten Fall hat Christi Tod zwar unvergleichlich
sittlichen Wert, fUr die Menschen aber wegen dieser selben Unvergleichlichkeit kei-
nen Nutzen. 94 Erst wenn Christi Tod soterologisch, als Personopfer, verstanden wird.
geHngt ..die Beseitigung dieses Entweder-Oder, des WechseIns von Strafe und Süh·
ne", die "völlige Einheit des leidenden und tätigen Gehorsams, der HeiIigung des
strafenden und des fordernden Golteswillens".9~ Denn wie Kähler in der Christologie
im engeren Sinne ausgefUhrt haue.96 ist die Personalität des Heilswerkes Jesu die
völlige willentliche Bezogenheit seines Lebens auf Gott, und infolgedessen besagt
Stellvertretung zwar nicht, daß Jesus Schuld hat. wohl aber, daß er Schuldbewußtsein
hai, eben indem er seinen Willen ganz dem Willen Gottes und damit auch dem Ge-

89 Das ist die Grundlhese von GOu.s Untersuchung zu Kählers Rochtfertigungslehre. z.B.
DERS. (1991) 200: ... Versöhnung' und ,Rechtfertigung' bezeichnen vielmehr argumentativ entfal-
tete Wahrnehmungen des Handeins Goues. das als ein in sich gegliedertes erkannt wird".
90 KÄHLER (1898a) 387: vgl. das programmatische Schlagwort DERS. (1905) 376 (§ 436. Ober-
schrift): ..Christus selbst die SOhne".
91 DERS. (189811) 388: ..lm alten Testamente gilt: entweder Sühne oder Strafe. also: wo Sühne,
da keine Strafe:'
92 "Tragen der Sündenfolge. der Schuld. ist fUr den sündlosen Jesus eine sittlich/! Unmöglich,
k~if' (a.a.O. 397).
93 In dieser Auffassung wirkl die Aufteilung nach ..aktivem" und ..passivem" Gehorsam }esu
nach. die KAHLER (1905) 362 {§ 418) durch die "Hingabe des eignen Willens an den Willen Got-
les" ersetz!.
94 DERS. (1898a) 396: .,Nun, wenn er allerdings wie ein frommer Mann gcstorben ist. wer
Jwnn ihm das nachmachen. der nicht ebenso fromm ist wie er. nämlich sündlos'!"
95 Zitate a.a.O. 401 bzw. DERS. (1905) 364 (§ 421). So werden die binären "DiSlinktionen al-
lerdings ge11lde in Bewegung geb11lcht und aufgehoben" durch die Kategorie des "Personopfers
Jesu" (Zitate SAl]1"ER [1997aI23 Anm. 9).
96 KÄIIJ..ER (1905) 339 (§ 388: Leitsatz zur .2weinaturenlehre") in Umsetzung des "Kanon",
..daß alle Christologie Soterologie sein" muß: "Dagegen wird die Vereinigung der Gouheit und der
Menschheil als eine Wechselwirkung zweier persönlicher Bewegungen verständlich werden".
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IV. Manin Kählers messianisch-sOierologische Eschatologie 155

richt unterstellt. 91 Vor allem aber liegt der Charakter des Todes Jesu als Opfer, "wie
die Propheten hervorheben, in der Beteiligung des Willens bei der Gabe, welche eben
die Beteiligung der ganzen Person einschließt".98 Wenn Kähler resümiert. daß Jesus
als die ,.Sühne in Person" zur .,völligsten Zusammenfassung des von Gou geordneten
Opfers mit dem von GOtl vollzogenen Gericht" ruhn. dann betont er durch die zwei-
malige Nennung des Goneshandelns in Gericht (Strafe) und Opfer (Sühne), daß die
problematischen Aufieilungen der Versöhnungslehre nur durch die soterologische
Ausrichtung auf Gottes Willen selbst überwunden werden. 99 Die a1nestamentltchen
Vorstellungen von Suafe und Sühne erscheinen dann nicht als Anwendungen eines
abstrakten JudiziaJ- oder Ritualgesetzes. das unabhängig von Gott in Geltung stünde,
sondern in beiden tut sich Gottes ewiger Wille kund: Die Strafe dient der ..Aufrecht·
erhaltung der Weltordnung", die kein Gesetz ist. sondern ein "Grundgesetz", also der
Inbegriff dessen, worauf alle Gesetze zielen; und die Sühne ist eine ,.Gabe Gottes an
die Israeliten", die im Falle von Jesu völliger Willenseinheit mit Gou dessen eigenen.
Goltes Willen und also sich selbst gibt, d.h. mit dem technischen Ausdruck: Gon of-
fenbart sich. Deshalb korrespondiert dem einen Satz, daß Jesus Christus in Person die
Sühne sei. der andere: ..Christus ist die Offenbarung in Person".IOO Der soterologisch
verstandene Christus ist also durch das an ihm ergangene Versöhnungsgeschehen der
Stmfe und Sühne mit seinem alttestamentlichen Herkommen verbunden und zugleich
mit Gones ewigem Willen. der sich darin offenbart: Jesu Kommen ist so eine Ge·
schichte. die, so zu sagen. vom ersten Schäpfungslage bis zum Jüngsten Tage reicht
- ein durchgehender. aber gegliederter Zusammenhang gönlichen Handelns. Das
Konzept der SOIerologie ist so als theologische Würdigung der Geschichte im ganzen
eine Präzisierung des Grundgedankens heilsgeschichtlicher 11leologie.

Vor dem Hintergrund dieses Exkurses ist interessant, daß Kähler für sein
soterologisches Eschatologiekonzept den Tenninus ..Heilsgeschichte" weit-
IOI
gehend meidet und vielmehr von einer "Ökonomie" spricht. Darin könnte
ein kritischer Anschluß an die Heilsgeschichtliehe Theologie liegen. Wie
diese versteht Kähler zwar die Geschichte Jesu vom Eschaton her. betont er

97 Ol!R;S. (t898a) 399: "War unser lleiland Mensch [... 1, so kann der Einzige f••• ) sich nicht
individulllpersönJich in abstraktem Ethicismus mit der Toga seiner SündJosigkeit decken. Er muß
die Gesamthaftbarkeil bewußt und persönlich Uber sich nehmen. Und er hat es gekonnt:'
98 Zilat DERS. (1905) 362 (§ 419); die I-lingllbe des Person~bens wiederum ist nach Kähler
chantkTeristisch mr das SUhnopfer und seine Blutdarbringung: DERS. (1898a) 381: ..das Blut
kommt als Lebensträger in Betracht. l I Das iSI dann das Besondre der Sühne:'
99 ZitaT DaS. (1905) 369 (f 428). Die zweimalige Betonung des Goueshandelns i~ die Kehr-
Stile des christologischen Satzes von S. 154 Anm. 96. denn dieser beruhte ja auf Wechselseitig.
keit. DemenlSpttChend kritisien Kähkr u.O. 366 die Vorstellung des stellvertretenden Straf-
k:ideM (f 425) für ihre ..Ablösung~ von der Person Chrisu.
tOO Zuate OERS. (I 898a) 367.368.380: OERS. (1905) 326 (f 363).
lOtz.o. u.O. 250 (I 276); DERS. (1896) 497. Ein StKh",·Oft .J-kilsgeschKhle- wt:i~ das sehr
umf:uJgreiche Register zu KÄBUR (1905) nicm aus. obwohl es freilich vereinzelt begegnet (LB.
a.a.O. 224). Vielleicht wiri:! hier der lkgriffsgebrauch von Kihlers ~hter Beek (5. S. 103 AnOl.
97) nach.
156 Zweiter Teil

doch ausdrücklich, erst die Eschatologie begTÜnde überhaupt den Sinn für
Geschichte. Aber diese Geschichte unterteilt er nicht nach Person und Na-
tur, sondern beschränkt sich in seinem charakteristisch soterologischen An-
satz auf die Personalität. Das erlaubt ihm, die Geschichte in eschalologi·
scher Hinsicht als einen Gesamlzusammenhang aufzufassen. Er kann daher
mit größerem Recht die Geschichte überhaupt, ganz wie die Geschichte
Jesu, von der Eschatologie her verstehen, indem er in einem der Kemtheo-
reme seiner Dogmatik feslhält. daß das StrukturgeselZ der Kosmologie auch
das der Soteriologie sein muß. daß der Weltlauf der Heilsökonomie ent-
spricht l02
3. Das Ubergeschichtliche. Kählers Eschatologiekonzept. das soeben
unter dem Begriff der Soterologie anhand der Geschichte lesu expliziert
wurde, läßt sich nun auf das theologische Problem von Geschichte über-
haupt anwenden. Sie stellt sich in eschatologischer Hinsicht als ein geglie-
derter Zusammenhang dar. in dem auch die Rechtfertigung ihren organi-
schen - d.h. ja gegliederten - Ort hat. Kähler kann sie geradezu definieren
als Unterscheidung des Sünders von seiner Sünde. als Begnadigung, soweit
die Sünde entschuldbar. d.h. soweit sie Zustandssünde ist im Unterschied
zur Tatsünde. 'OJ Schon diese Definition bedeutet aber ja. daß der Rechtfer-
tigungsglaube angewiesen ist auf fortgehende Betätigung in der Theologi-
schen Ethik, Kählers drittem Lehrkreis. Zugleich findet dann die Rechtfer-
tigung erst im eschatologischen Gericht ihren Abschluß. IOt wie schon die
semantische Verwandtschaft beider nahelegt. Kähler nimmt also einen Zu-
sammenhang von Geschichte und Ewigkeit an. der, da die Ewigkeit ja als
reale Vollendung der Geschichte gedacht ist, seinerseits geschichtlich sein
muß. obwohl - und das ist entscheidend für Kählers Eschatologiekonzept -
die Ewigkeit selbst nielli geschichtlich ist. Sie kann der Logik des Konzep-
tes nach gar nicht geschichtlich sein, weil es ja ihr Wesen ist, als Ewigkeit
allererst den Grund abzugeben für geschichtliche Verhältnisse wie das des
Fortschritts der Geschichte auf sie, die Ewigkeit. hin. Kähler denkt also die
Ewigkeit als nichlgeschichllich und gleichwohl teil haft geschichtlicher
Verhältnisse. Diese besondere Auszeichnung der Ewigkeit, geschichtliche
Verhältnisse zu begründen und an ihnen teilzuhaben, ohne doch in ihnen

102 A.a.O. 235 (I 261). ein Paragraph. auf den unzählige Male verwtesen wird.
103 A.a.O. 421 (1488): .Jn AnbelnKhl der Erllschuldbarteil der Fleischeslo\o'erte 1... 1 nimmt
Gon ihnen ihren Schuldwen oder vergibe die Sünden ein für allemal jedem. den das Evangelium
dazu flihn. sich von seiner Sünde zu unterscheiden. 1..•1 Das grr«lrtrrkJärrndr Urtri/l ... 1 heb!
rur den einzelnen das Rechtsverhiltnis zu Gott (... 1 auf und setZI das der Begnadigung an die
Sielle." Zur zweierlei Sünde vgl. LLO. 308r. (U 344--346).
104 A.LO. 446 (I 519).
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IV. Manin Kählers messianisch-solcrologische Eschatologie 157

aufzugehen, nennt Kähler das "Übergeschichtliche".105 Von hier aus wird


klar, daß Kähler die Ewigkeit als Zukunft erwarten kann, ohne doch je eine
gerade Linie aus irgendeiner geschichtlichen Zeit in diese Zukunft ziehen
zu können. Von hier aus verschwindet aber auch der Eindruck, Kählers Es-
chatologie sei widersprüchlich, indem sie von der Ewigkeit zugleich über-
und nachzeitlich rede. 106 Das Übergeschichtliche ist vielmehr als die Über-
windung dieser Alternative zu verstehen. Deswegen erwartet Kähler für die
Ewigkeit die Vollendung der Geschichte, er erwartet sie aber auch nur von
der Ewigkeil. Jeder Entwicklungsgedanke. jeder Fortschrittsoptimismus,
der diese ausschließliche Begründung relativieren könnte, ist für Kähler
abzuweisen, vielmehr das "Ziel verbürgt auch den einheitlichen Anfang und
die ineinandergreifende Entwicklung". Wenn Kähler gleichwohl nicht sei-
len sagt, daß etwa die "Hoffnung nur die notwendige ergänzende Auswir-
kung der Heilsgegenwart zum Inhalt haben kann" ,107 ist das kein Wider-
spruch, sondern von jenem Satz aus zu lesen, da die Heilsgegenwart in sich
als eschatologische Größe und damit auch zukünftiges Phänomen gemeint
ist, eben als Übergeschichtliches.
Kähler nutZI diesen Begriff des Übergeschichtlichen unmittelbar zur
Gliederung seiner zusammenhängenden Darstellungen der Eschatologie, die
er in seiner ..Wissenschaft der christlichen Lehre" seit 1883 und letztmals
1905 sowie noch 1911 in einer Vorlesung gegeben hat. Jeweils ist die Es-
chatologie hier eingeteilt in das Ende. "eine der Vergangenheit und ab-
schließenden Gegenwart zugewandte, endgeschichtliche, und eine darüber
hinausliegende. übergeschichtliche Seite", die Vollendung, also in die
Hauptslücke "Ende und Vollendung", die die Zukunft präzise unter dem
Verhältnis von Geschichte und Ewigkeit ins Auge fassen. lOS Dabei ist das
Konzept des Übergeschichtlichen völlig kompatibel mit der soterologischen
Methode der Eschatologie. Denn die übergeschichtliche Zukunft, von der
Kähler die Vollendung erwartet, ist ein Prädikat der Person Christi: Es ist
die Parusie Christi, die Kähler darum einmal als das "eschatologische
Grunddogma" bezeichnen kann. 109

105 Seine Definilion laulet: ..Und um einen kennzeichnenden Ausdruck ftir diese bestimmt ge-
gebene Beschaffenheit der gÖl1lichen Tat in Christo zu gewinnen, nennen wir diescn lebendigen
Zu....ammenschluß des Bleibend-Allgemeingültigen mit dem Geschichtlichen in einem Wirksam-
Gegenwänigen das Üfnorgcschichtliche" (a.a.O. 14f. I§ 13». - Dagegen iSI das Uncergeschichlli.
ehe eine Bedingungsstruktur ftir alles positiv gegebene Geschichlliche (a.a.O. 13 I § 12».
106 SO HJF.l..DE (1987) 214.
107 Beide Zitate KÄIII..ER (1898) 493.
108 Zitate DEkS. (1905) 445 (§ 518).
109 DERS.11911134.
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158 Zweiler Teil

4. Die Wiederkunft Christi zum Gericht. Die Parusie Christi ist also der
Dreh- und Angelpunkt von Kählers Eschatologie, ähnlich wie schon für die
Heilsgeschichtliche Theologie. Gerade hieran macht sich aber auch die
grundlegendste Kritik an Kählers soterologischem Entwurf fest: Er öffne
die Geschichte nicht für die Zukunft Christi. sondern lege sie im Gegenteil
fest auf die Gegenwart des Menschen. 11o 1m Kern wirft diese Kritik Kähler
metaphysischen Kausalismus vor, d.h. Kähler wende das lediglich in der
Physik gültige Kausalitätsgesetz auf metaphysische bzw. ethische Sachver-
1I1
halte wie z.B. Personalität an. indem er von der geschichtlichen (Nach-)
Wirkung Jesu - z.B. der Erwartung seines Kommens - auf die Wirklichkeit
seiner Person, also sein historisches Kommen, schließe, voraussetzend, daß
eine Ursache mindestens so real sein müsse wie ihre Wirkung (ex nihilo
nihil fit).ll2 Dieser Schluß ist jedoch, so die Kritik. zirkulär, da die Ge-
schichtlichkeit, aus der die Personalität erschlossen wird, schon als Nach-
wirkung eben der Person definiert sei. ll3 Als Folge dieses Fehlschlusses
ergibt sich dann. daß die so untergeschobene Personalität den Verlauf der
Geschichte determiniere. die Geschichte nur noch "Bürgin eines spezifi-
114
schen Menschenbildes" sei. Die Eschatologie hat dann nur noch den
Nachlaß der Geschichte abzuwickeln, und bei einem von ontologischer Per-
sonalität festgelegten Geschichtsverlauf nillt jeder zweifelnde, irrende
Glaube, jedes Gericht unter den Tisch. 115

110 So die These der großangelegtcn Untersuchung von WIRSCIUNG (1963). die cr a.lI.O.
150.163.196 auf das Stichwort des Synergismus bringt.
1I1 Die Ahemalive von Physik und Metaphysik enlspricht der klassischen philosophischen
Tradition. diejenige von Physik und Ethik dcr vom Gegensatz von Geist und Nalur dominierten
L.1ge im 19. Jh.• z.B. Schleiermllchers Wissenschaftssyslcm.
112 V.a. W1RscmNG (1963) 87 U.ö. sieht die Personaliläl, "Kählers Grundmotiv des theologi-
schen Erkennens, erslarrt zu einem Kausaltückschluß des Gerechlfenigtcn aus seiner Glaubenser-
fahrung". - Aus dieser Not machl MENCKE (2001) eine Tugend: Demnach macht erst die Erfah-
rung den Glauben wirklich: gleichwohl iSI der Glaube allerersi die Möglichkeitsbedingung von
Erfahrung (a.a.O. 107), so daß von der Wirkung auf die Ursache (a.a.O. 127). vom Wirklichen auf
das Mögliche (a.a.O. 121) geschlossen werden kann. Diese glallc Umkehrung Wirschings iSI
Mencke möglich. weil er mit seinem Lehrer E. Jüngel das ontologische Vcrhältnis von Wirklich-
keit und Möglichkeil umkehrt (a.a.O. 265 mit Anm. 95). Zur objektiven Realiläl des Glaubens
genügt es daher. daß die Tatsachen dcs Glaubens historisch möglich sind (a.a.O. 85.156.265).
m.a.W. Gegenstand der Erfahrung des Glaubens iSI der Glaube selbst (a.a.O. 2(6). In dieser ge-
schlossenen Struklur einer ,..Erfahrung mit der Erfahrung" (z.B. a.a.O. 213.263) haI die Es-
chatologie freilich keinen Raum mehr. Ober Kählers Eschatologie schreibt Mcncke: .•Für das Ver-
ständnis der Erfahrung bietet dieser Teil [... 1nichts Neues" (a.a.O. 174f.).
113 WIRSC.IING (1963) 86 mil Bezug auf KÄI'tLER (1892).
114 Zilal WlltSCHING (1963) 150: vgl. a.a.O. 197f. zur Detemlinicrung; vgl. auch 3.a.0. 153.
115 Wie Wirsching immer wieder betont: a.a.O. 69 ("Der Glaube yerwirklicht sich lbei Käh·
lerJ ohne enlSlhaflc Bedrohung durch den Z.....eifel [... J ohne ernsthafte Selbstkritik"): a.a.O. 81
0004022~

IV. Mar1in Kählcrs messianisch-solcrologischc Eschalologic 159

Diese Kritik rührt an die Grundfesten von Kählers Eschatologie. Ebenso


grundsätzlich ist ihr darum entgegenzuhalten. daß Kählers Auffassung von
der Parusie als Grunddogma der Eschatologie gerade das Gericht ausdrück-
lich als Gegenstand der christlichen Hoffnung thematisieren will! Der Cre-
dosatz von der Wiederkunft Christi zum Gericht ist für ihn "nicht bloß, ja
nicht zumeist ein Bekenntnis heiliger Scheu und Furcht, sondern vornehm-
lich das Bekenntnis getroster Hoffnung".116 So ist die Erwartung des Ge-
richts als Überantwortung an Gottes Zukunft Ausdruck der Heilsgewißheit.
Sie gehört für Kähler entschieden in den Kontext von Rechtfertigung und
Gericht. Man wird also gegen die genannte Kritik sagen müssen, daß Käh-
lers Akzentuierung der Parusie gerade auf eine Würdigung des Ge-
richtsthemas hinausläuft. Hierin scheint seine Modifikation gegenüber dem
Parusieverständnis der Heilsgeschichtlichen Theologie zu liegen, die eher
als er vom Vorwurf einer ontologisch festliegenden Personalität getroffen
wäre, wie die Betrachtung ihrer Wahrnehmung des Judentums zeigte. Wo
jedoch, wie bei Kähler, der Begriff der Personalität eschatologisch verstan-
den wird, ist auch Raum, die geschichtlichen Differenzierungen von Perso-
nalität wahrzunehmen, wie sie sich im Alten Testament als Besonderung
des jüdischen Volkes unter den antiken Völkern Ausdruck verschafft haben.
Im folgenden kann darum das hiermit skizzierte Eschatologiekonzept Käh-
lers hinsichtlich seiner Blickrichtung auf das Judentum untersucht werden.

1.2. Implikationen für die Wahrnehmung des Judentums

1. Der Horizont der Mellschheitsre/igion. Kählers Entwurf der Eschatologie


wurde im vorigen Unlerabschnitt entlang der Reihe von Kählers Veröffent-
lichungen zum Thema behandelt. Dabei zeigte sich, daß der Grundgedanke
seiner Konzeption, nämlich die Ewigkeit als Grund allen Geschichtsver-
ständnisses, bereits in dem frühen Vortrag von 1867 enthalten war. Es ist
daher aufschlußreich, daß Kähler gerade diesem Vortrag beim erneuten
Abdruck in seiner Aufsatzsammlung (1898 und wieder 1913) gegen Ende

gegen die Ausnahme des Willens vom ..rellende[n] Gerichl Gones"; a.a.O. 146 (•.der bleibende
Transilus von der eigenen HeiJlosigkeil turn geschichtlich verwirklichlen Heil erslarrt" bei Köh-
ler); a.a.O. 164 (Krilik an Kählers ..lheologia resurreclionis"; vgl. auch a.a.O. 203 zur Verbindung
Kählers mil A. Osiander); 8.a.0. 182 (es gehe Kähler ..nicht um die 1I1lesverzc:hrende Wirklichkeil
des biblischen Goltes und seine richlerliche Gewah").
116 KÄul,.ER (1896) 492. Vgl. a.8.0. 502: •.Nur der Richler kann Heiland sein"; a.a.O. 514:
..Botschaft von dem Wellrichler. welcher der Weltheiland iSI"; a.a.O. 516: ,.Wer da weiß. was er
an seiner Taufe und an seiner Berufung haI. den erschreckt die Aussicht auf die Rechnungslegung
nicht".
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160 Zweiler Teil

eine Fußnote beigegeben hat, die auf den Abschluß des letzten der drei
Hauptstücke aus der Christlichen Apologetik in der "Wissenschaft der
christlichen Lehre", der sog. "Apokalyptik", verweist, und zwar auf dieje·
nigen Paragraphen, die das Verhältnis des Christentums zum Judentum be·
handeln. 117 Kähler selbst hat also seinen frühen Vortrag im Rückblick als
einschlägig für unsere Fragestellung angesehen, und diese Einschätzung
kann noch dahingehend ausgedehnt werden, daß dieser Vortrag die Argu·
mentation der ganzen Christlichen Apologetik, nicht nur ihrer Apokalyptik.
vorwegnimmt.
a) Menschheitsreligion lind positive Religionen. Der frühe Vortrag ent·
wickelt die religiöse Vorstellung einer Ewigkeit, die nicht nur, wie im libe-
ralen Progreßgedanken, Ziel des geschichtlichen Fortschritts ist, sondern
zuallererst dessen Grund. Sittlichen Fortschritt gibt es nur aufgrund der
Ewigkeit, so Kählers Ergebnis. Deswegen bündelt sich das Problem erst am
Schluß des Vortrags darin, daß das Christentum als die ewige Religion sei·
ber eine geschichtliche Erscheinung ist. Die Lösung lag darin, die Ewigkeit
selbst nochmals vom Christentum als der ewigen Religion zu differenzie·
ren. IIS Die Bedeutung dieses Gedankens ist nun auch an Kählers Apologe·
tik zu überprüfen.
Die Christliche Apologetik, der erste Lehrkreis in Kählers "Wissenschaft
der christlichen Lehre", umfaßt drei Hauptstücke, nämlich Theologische
Anthropologie, Theologische Theologie und Apokalyptik. Sie haben eine
Doppelaufgabe zu erfüllen: sie sollen vom Christentum als Religion aus
einen Allgemeinbegriff von Religion bilden und das Christentum als Reli-
119
gion im Vergleich mit den übrigen Religionen darstellen. Von vornherein
ist festzuhalten, daß Kählers Christliche Apologetik nicht den Sinn einer
Fundamentaltheologie hat, die in einer idealtypischen Trennung des Glau·
bens von der Theologie die Fundamente der letzteren außerhalb des ersteren
ennitteln könnte, also je nach theologischer Schulrichtung die philosophi-
schen oder die wissenschaftstheoretischen oder die fundamentalanthropolo·

117 DERS.11867j (1913) 193 Anm. I verweist auf DEIl.s. (1905) §§ 222-240: die •.Apokaly-
ptik" nennl Kähler a.a.O. 87 (§ 86) so. weil sie die geschichtliche Offenbarung der Religionen
behandelt.
118 So mit Bezug auf den Vonrag von 1867 auch SCIIÄR (1940) 80 mit Anm. I. der ansonsten
im Anschluß an seinen Lehrcr M. Wemer Köhlers Apologclik durchgehend zu einer ÜberbiclUng
der Geschichle durch das Übergeschichtliche driften siehl: Köhler •.schiebt also offensichllich die
Lösung flir alle Schwierigkeiten. mit denen er nicht zurecht kommi. in die Eschatologie und End-
vollendung ab" (a.a.O. 119).
119 KÄllLER (1905) 86 (I 86) ordnei den Allgemeinbegriff der Grundlegung und seine christli-
che Perspektive der Ausführung der Apologclik. zu.
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IV. Martin Kählers messianisch-soterologische Eschatologie 161

gischen Prinzipien. l20 Vielmehr ist für Kähler die notwendige Vorausset-
zung der Theologie der Glaube. so daß dieser nicht von ihr zu trennen iSl. 121
Deswegen wird die Apologetik wie auch die beiden anderen Lehrkreise als
christliche. ,.von dem Standpunkte des Christen aus". durchgeftihrt. Damit
..steht das chrislliche Urteil über die positiven Religionen im voraus fest";
jede ..bereitet ihre eigne Aufhebung in die Vollendung vor". wie anläßlich
des Judentums ausdrücklich vermerkt wird. 122 Für KähJers eschatologische
Wahrnehmung des Judentums scheint damit alles gesagt; die zitierten Äu-
ßerungen fügen sich scheinbar in das Schema von Verheißung und Enlil-
lung, was sowohl die ewige Bedeutung des Christentums als der es-
chatologischen Fülle des Religiösen erklären würde als auch die Stellung
des Judentums, das durch das Christentum gleichermaßen überholt wäre,
wie es als seine Vorstufe unentbehrlich gewesen wäre. Man müßte sich
eben nur klarmachen, daß Kählers Wissenschaftsbegriff, den er gerade sei-
nem Hauptwerk zugrundelegt, anders als der der modemen Wissenschaft,
keine weltanschauliche Neutralität gegenüber den Ergebnissen der wissen-
schaftlichen Arbeit beanspruchte. ln
Doch ist damit der Charakter von Kählers "Wissenschaft" getroffen'! Es
ist ja bedeutsam, daß sich Kähler gerade von seinem dezidiert christlichen
Standpunkt aus in der Grundlegung zur Christlichen Apologetik wie gese-
hen eine Doppelaufgabe stellt, indem er vom Christentum aus nicht nur die
übrigen Religionen bewertet. sondern auch einen Allgemeinbegriff von Re-
ligion bestimmt. Man kann das Eigengewicht dieser zweiten Aufgabe nicht
mit dem Hinweis darauf mindern. daß ja auch der gesuchte allgemeine Re-
ligionsbegriff vom Christentum aus gewonnen wird. also das Wesen des
Christentums schlechthin mit dem Allgemeinbegriff der Religion identisch
und die zweite Aufgabe somit überOüssig wäre. Kähler dagegen unter-

120 Gegen dieses Verständnis von Prinzipien als ,ß~grifJ~1f1 I, aus denen sich beliebige In-
halte deduzieren lassen". iSl das Buch von GOu. (1991) 14f. u.ö. geschrieben. Zu den drei Bei·
spielen vgl. S.... UTER (I 998a) 310--319.
121 KÄttLER (1905) 17 (I 15): ,.vorausutzung für das th~%gischt' Erk~ml~1f iSI der Glaube."
Dieser SalZ iSl noch vor dem Einlrill in die lchrkreise in der zur allgemeinen Einleilung gehören-
den Enzyklopädie gesagt - ohne daß deswegen nun diese als Fundamenlalthcologle im 0.1. Sinne
verslandcn .....erden dürfte.
122 Zitale a.a.O. 76.171.199 (11 76.196.226). Die drille (nicht zl4icite) Sieile dirferenzlert Ju-
den- voo Heidentum.
123 Wissenschafllachteil der TbeoIogte bedeutete dann. daß sie sach über ihre Gehalte in
.•mchnhcologischer Begrifflichkeit" (GOu.. 11991) 205: vgl. La.O. 40) mit auJlcnheologischem
Denken v«Slindigie. So apeh WIRSQ1L"Ki (1963) 272 exemplarisch anhand der aJlkin:hJichen
..Obenuhme des phi'osophischen Logosbegrirfes-. BeKie Iuilisien:n Kihlers Vorgehen in der
Christlichen Apok>gelit jedoch zugleich als au8ertbeologiscb!
162 Zweiter Teil

scheidet vom Wesen des Christentums das •.Allgemeingültige an seiner Er-


scheinung", welches der ..maßgebende Religionsbegrifr' ist. Dieser Begriff
gibt das Maß für den Vergleich des Christentums mit anderen Religionen.
In dieser Funktion ist er daher vom Christentum unterschieden. Köhlers
Apologetik fäuft also 'rOIl ihres christlichen Standpunktes grundlegend auf
einen Begriff \Ion Menschheilsre/igion hinaus, der vom Begriff des Chri-
stentums zu uflterscheiden '-SI.124 Das Christentum ist also nicht schon die
Menschheitsreligion. so sehr es die Menschheitsreligion werden soll.
Diesen Eindruck aus der Grundlegung der Christlichen Apologetik un-
terstützen die einzelnen Belege des Tenninus der Menschheilsreligion.
freilich heißt es in Kählers einleitender Definition der systematischen
Theologie: ,.die christliche Lehre aber ist die Erkenntnis des Christentumes
als der sittlichen Menschheits-Religion",.I25 lm entsprechenden Leitsatz aus
der Grundlegung der Christlichen Apologetik, auf den mit diesem Satz
verwiesen wird, heißt das Christentum in dieser menschheitlichen Bedeu-
tung aber mit kennzeichnendem Unterschied .,das Reich Gottes in seinem
Kommen"", was ausweislich der den Leitsatz erläuternden Paragraphen die
Vorstellung der Menschheitsreligion zu einem eschatologischen Begriff
macht. 126 Folglich ist die Menschheitsreligion eine Größe, auf die auch das
Christentum trolZ seiner ,,lmperfectibilität" noch zugeht. 127
Dieser Eindruck der TextbeJege ist nun an der systematischen Bedeutung
der Vorstellung einer Menschheitsreligion zu verifizieren. Tatsächlich
schließt dieser Begriff in Kählers Allsführung der Christlichen Apologetik
denselben Argumentationsbogen, wie er in dem untersuchten Vortrag von
1867 vorlag: In beiden Fällen wird die Religion zunächst als Grund der
Sittlichkeit ermittelt, muß dann aber von ihrer geschichtlich positiven Er-
scheinung als bestimmter Religion unterschieden werden. Der erste
Schriu l2ll zeigt, daß sittliche Freiheit, ein Wechselverhältnis des Einzelnen

124 Im Register (KÄIH.ER 11905 J 712) erscheint als Beleg flir den Tenninus der Menschheits-
religion der 1 113 (•.Der maßgebende Religionsbegrifr·). obwohl er diesen nicht gebraucht. Das
o.g.•.AlIgemeingUhige" (a.a.O. 108) des Religionsbegriffs. \o"e1ches an scinc:r Stelle auflrill. ist
aber ja dessen menschheitliche Bedeutung.
125 A.a.O. 42 (I 40). Vgl.•.•.0. 475 (I 551) zum Anspruch des ChriSlentums..,die Mensch·
heit!ireligion zu sein".
126 Zital im Leitsatz zum Absehnin .Das Christentum das Reich Goues und darum die
Menschheits.Religion" &.8.0. 99 (I 105). A.a.O. 100.101 (I 107) macht KAhler dies am "weltum·
spannenden Abschluß" fest. hat also das ".lIbergeschichlJK':he WeltzKI Slets im Auge" und fußt so
auf einem ~halologischen Ekgriff.
127 Zilal a.a.O. 204 in der Oberschrirl von 1 229. Vgl. auch D€JlS. (1908) 363.
128 Vgl. die .Jzlwd enlSCheKk:ndelnl Imümer" im vienen Abschniu des Vortrags (D€JlS.
118671 (19131 182) mil den zwei Slikk:en im I. HauplSlück der Chrisdichen Apologelik: (1905).
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IV. Martin Kählers messianisch-sotcrologische Eschatologie 163

zur Gesamtheit, in dem jener sich einzig 129 das "AlIgemein~ und Gleichar-
tig-Menschliche" zum Zwecke setzt (so 1905) und doch ,jeder Mensch be~
stimmt ist, Anteil zu haben" am sittlichen Ertrag der Gesamtgeschichte (so
1867), nur möglich ist aufgrund religiöser Freiheit von ebendieser Gesamt-
heit durch ..Abhängigkeit von der Gottheit" (so 1905) oder "Gemeinschaft
mit dem Ewigen" (so 1867).1JO Wie 1867 die ..Religion der tragende Grund
echter Sinlichkeit" genannt wurde, so heißt es daher auch 1905: "Die Zu-
sammenfassung des sittlichen und des religiösen Lebens ist also von dem
letzten aus zu suchen".I)1 - Der zweite Schritt zeigt aber dann, daß diese als
Bewußtsein der Freiheit von der Geschichte begriffene Religion doch selbst
"eine geschichtliche Erscheinung" ist (so 1867), ihr Begriff also im Ver~
gleich mit den positiven Religionen bewährt werden muß (so 1905),132 dar~
unter besonders dem Judentum, weil das Christentum nur zu ihm, nicht zum
Heidentum, in einem geschichtlichen Verhältnis steht. Kählers Wahrneh-
mung des Judentums steht also durch den Aufriß der Christlichen Apologe-
tik von vornherein in demselben eschatologischen Spannungsbogen, den die
ihrerseits "apologetische" Argumentation des Vortrags von 1867 133 be-
schreibt.
Damit aber kann die Bedeutung des Judentums sich nicht in der Selbst-
aufhebung ins Christentum erschöpfen, und dann geht die Zuordnung von
Judentum und Christentum als Verheißung und Erfüllung nicht mehr auf.
Auf der einen Seite kann das Christentum nicht als Erfüllung im absoluten
Sinne verstanden werden und ebensowenig seine lmperfektibilität. In un-
mittelbarer Nachbarschaft zu diesem Stichwort schreibt Kähler vielmehr:
"Der neue Bund begründet eine neue Weltzeit. Diese ist freilich auch noch
Geschichte; deshalb kann die Vollkommenheit ihrer Eröffnung nicht darin
bestehen. daß die begonnene Entwickelung fertig, sodann nur darin, daß ihr
befriedigender Abschluß ausreichend verbürgt ist. u Demgemäß heißt es
weiterhin nur, "daß der neue Bund die Menschheitsreligion begründet

129 In dieser Ausschließlichkeilliegl der Unlerschied zwischen Siulichkcil und Gesiltung. den
Kähler a.3.0. 175 einschärft in Vorwegnahme von DEMS. (1905) § 138.
130 Zit:lIe a.a.O. 129 (§ 138): DEM.s. 118671 (1913) 183 sowie DERS. (1905) 143 (§ 162): DERS.
11867J (1913) 186.
131 Mun vergleiche die beiden Zitate: a.3.0. 187 (Hervorhcbungen aufgehoben) bzw. DERS.
(1905) 144 (§ 162). Die Abgrenzung der sittlichen und religiösen Freiheit gegen die NivelIierung
von Geschichle und Nalur (DERs. 118671119131 181) kehn zudem bei DERS. (1905) 183 (§ 209)
als ..Naturalismus··. ein Kennzeichen des Heidentums. wieder.
132 Vgl. den ftinften Abschniu des Vonrngs (l867)(Zilal DERS. 118671 119131 192) mit dem
3. I-lauplsltick der Christlichen Apologetik (1905). welches dllS Christentum mit Heidenlum und
JLldenlLlm ins Verhä.ltnis setzt.
133 S. nach S. 138 Anm. 13.
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164 Zweiter Teil

hat" .134 Ist aber das Christentum nicht schlechthin Erfüllung, dann ist wei-
terhin auf der anderen Seite auch zu fragen, ob mit der Weissagung einer
Vollendung, in welche sich aufzuheben das alttestamentliche Judentum be·
reit ist. tatsächlich das Christentum gemeint ist oder nicht vielmehr die da-
von zu differenzierende Menschheitsreligion. 135 Denn Kähler sieht eine
"bleibende Bedeutung jener [alttestamentlichen] Geschichte für die
Menschheit", die er (freilich ausschließlich) religiös bestimmt: "ihr letzter
Ertrag ist die lautere, wahre und wirkliche Menschheitsreligion" .136 Die
Menschheitsreligion ist also eine dem alttestamentlichen Judentum wie dem
Christentum zuzuschreibende Erwanung, und damit ist dann auch die ge·
radlinige Verrechnung von Judentum und Christentum mit Verheißung und
Erfüllung nach heiden Seiten dieses Schemas durchkreuzt.
Dieser Eindruck der referierten Stellen empfangt nun seine Bestätigung
von der Gesamtanlage der Apokalyptik, denn sie führt ganz stringent auf
den von der Grundlegung zur Christlichen Apologetik bereits vorgezeich·
neten Begriff der Menschheitsreligion in seiner charakteristischen Unter·
schiedenheit vom Christentum: "Es ist der von dem Christentum als ge-
schichtlicher Erscheinung abgezogene Religionsbegriff, welcher sich als
ausreichender Maßstab erweist, nicht nur für das Verständnis und die Be·
urteilung alles sonstigen religiösen Lebens, sondern auch für das Verständ·
nis und die Beurteilung der befremdenden Erscheinungen an der Kirche und
ihrer Geschichte". lJ7 Dieser Abschluß der ausgeführten Apologetik ent-
spricht in jeder Hinsicht dem ihrer Grundlegung. Sie führte den Begriff der
Menschheitsreligion ein als einen "Hilfsbegrifr', anhand dessen das ihn
sprengende Christentum mit den anderen Religionen verglichen wird,138 der
aber doch der "maßgebende" Begriff religiöser Wirklichkeit ist, an dem
sich auch das Christentum "als Verwirklichung oder als Verkümmerung
ihres Wesens" messen lassen muß. 139

134 Zitate DfJl.S. (1905) 204 (lxide § 228).


135 Für dcn Paragraphen über den neuen Bund als Erfüllung des allcn (a.a.O. 2021§ 2271) fin-
dei zwar die aillestamemliche Geschichle mit der Erhöhung Jesu ,.ihren Abschluß und die voraus-
deutende Weissagung an seiner Erhöhung zum Herrn des Gonesreiches ihre das Ende verbürgende
Erfüllung". Doch immerhin wird hier mit einem Ende noch über die Erhöhung Jesu hinaus, so zu
sagen: nach Himmelfahn. gerechnei. wi~ es auch dem V~rständnis der G~schichl~ Jesu in der
VefSÖhnungslehre (s. Exkurs 5. hier S. J 53) entspricht.
136 Zilale a.a.O. 190 (§ 217). Vgl. den Leilsalz a.8.0. § 96. wo vom ..übergeschichIlichen
Grund und Gchalt" (a.a.O. 94) des alten wie des neuen Bundes die Rede ist.
137 A.a.O. 214 (§ 241).
J 38 Zilal a.a.O. 83 im Leitsatz (§ 80) zu der der Grundlegung VOrllusgeschickten EinleilUng in
die Apologelik: a.8.0. 85 (§ 84) zur Überschreitung des Religionsbegriffs durch das Christentum.
139 Zitate a.a.O. 107 (Überschrift des die Grundlegung beschließenden § I 13) bzw. a.a.O. 108.
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IV. Martio Kählers messiaoisch-solerologische Eschatologie 165

b) Begriff und Wesen der Religion. Dies gibt nun Anlaß zu einer weiter-
gehenden Überlegung: Die soeben zitierten Sätze sprechen explizit aus, daß
der Allgemeinbegriff der Religion als Menschheitsreligion nicht leer ist,
sondern das Wesen der Religion enthält, das ohne ihn blind wäre. Begriff
und Wesen der Religion sind also nicht voneinander zu trennen; und wenn
das Christentum zur Menschheitsreligion bestimmt ist, wenn es das Wesen
religiöser Wirklichkeit verwirklichen soll, dann muß es diesen Begriff der
Religion verwirklichen. Der Begriff ist also zwar vom christlichen Stand-
punkt aus geprägt, jedoch "behufs der Vergleichung mit andem entspre-
chenden Lebenserscheinungen"; er hat also eine das Christentum über-
schreitende Reichweite, und in dieser Funktion auch geschieht es, daß das
Christentum sich ihm "unterstellen kann", 140 weil er das Wesen der Religi-
on enthält, welches das Christentum zu verwirklichen beansprucht.
D.h. der Begriff der Menschheitsreligion gibt Möglichkeiten an die
Hand, auch in anderen Religionen als dem Christentum das Wesen der Re-
ligion verwirklicht zu denken, weil er selbst dieses Wesen enthält. M.a.W.
das Wesen der Religion, wie es im Begriff der Menschheitsreligion enthal-
ten ist, ist nicht kongruent mit dem Wesen des Christentums, so gewiß nur
an ihm dieser Begriff gewonnen werden kann. Was aber ist das Wesen des
Christentums? Man mag zunächst überrascht sein. festzustellen, daß gerade
der Soterologe Kähler, der zufolge K. Barth als einziger neuerer evangeli-
scher Theologe den articulus stantis et cadentis ecclesiae ins Zentrum seiner
Dogmatik stellt,141 als "das Wesentliche" des Christentums, "wodurch es
sich von an dem Religionen unterscheidet". nicht die Rechtfertigung durch
Christus anführt, sondern das Übergeschichtliche! 142 Dies entspricht aber
durchaus der Christlichen Apologetik, die ausweislich ihrer Grundlegung
das "Wesen des Christentumes vom Standpunkte des Rechtfertigungs-
Glaubens aus betmchtel,·143 und dabei, wie wir sahen, zur Menschheilsreli-
gion als dem AllgemeinbegriffderReligion geführt wird. Beide Auskünfte
- das Übergeschichtliche und die Menschheilsreligion als Wesen des Chri-
stentums - widersprechen sich keineswegs, sondern decken sich vielmehr,
da die Menschheilsreligion als Übergeschichtliches zu verslehen ist,l44 wie

140 ZitaTe a.4.0. 85 (§ 84). FUr Kähler .,beslehl dagegen vom chrisllichen Slaodpunkl aus kein
Bedenkeo" (ebd.).
141 Vgl. Karl BARm. Die Kirchliche Dogmalik lVII, ZollikonlZürich 1953.582. Es bestehl
kein Anlaß, mil der Kählerkritik von FOIIRER (1993) 49 die SOlerologische Einheil von Person und
Werk Chrisli bei Kühler gegen die Rechlfenigungslchre auszuspielen.
142 Zilalc KÄHLER (1905) 64 (I 63.2).
143 Überschrift zur Grundlegung der Chrisllichen Apologelik l1.a.O. 88.
144 Zum ÜbergeschichIlichen s. bei S. 157 Anm. 105.
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166 ZweilerTeil

es ihre bisherigen Charak:terisierungen als einer Größe, auf die das Chri-
stentum, wie auch das Judentum. noch zugeht. ohnehin nahelegten. Es er-
gäbe sich dann, daß das Christentum sein Wesen nicht in sich hat. so wie es
ja auch nicht die Menschheitsreligion ist. Vielmehr stteckt es sich auf bei-
des aus als auf Gottes "große Verheißung". 145
Dies hätte Konsequenzen für die Wahrnehmung des Judentums. Das ge-
schichtliche Verhältnis zwischen Judentum und Christentum - z.B. die
Übernahme des jüdischen Geschichtsverständnisses ins Christentum - wür-
de dann für beide Seiten jeweils bezogen auf ein Verhältnis zur Mensch-
heitsreligion als zum Übergeschichtlichen, ein Verhältnis, das seinerseits
geschichtlich wäre und das auf jeder der beiden Seiten sehr unterschiedlich
aussehen könnte. Deswegen kann das Christentum im Begriff einer überge-
schichtlichen Menschheitsreligion zwar denken, daß auch etwa das Juden-
tum das Wesen des Religiösen erfüllen kann; eine Anschauung davon kann
es aber immer nur für die eigene Religion haben. Dies dürfte erklären, war-
um Kähler nur für das Christentum die Bestimmung zur Menschheitsreligi-
on beansprucht. Er kann freilich ähnliche Ansprüche anderer Religionen
ebensowenig erheben wie abweisen; sie sind ihm vielmehr als deren jewei~
liger Tradition angehörig nicht nachvollziehbar. l46 Er kann sie daher nur
hören im Gespräch über die Ausrichtung auf dieselbe Ewigkeit, in diesem
Gespräch hört er sie jedoch als Gegenstimme. Anders gesagt: Christentum
und Judentum haben eine gemeinsame. doch nicht die gleiche Zukunftshoff-
nung.
Kählers Konzept der Menschheitsreligion läßt sich so weiterführen zu
einer eschatologischen Verhältnisbestimmung zwischen Judentum und
Christentum, die auf einen konstitutiven, jedoch konstitutiv antagonisti-
schen Dialog hinausläuft. Kähler nennt in der "Wissenschaft" zwei Arten,
wie das Christentum zur MenschheilSreligion ,.wird", und beide sind mit
einer derartigen Verhältnisbestimmung kompatibel. Einerseits nennt er die
Anlagenenlfaltung. die sich auch schon bei der Analyse seines Escha-
tologiekonzepts im ganzen als von der Ewigkeit gesteuert erwies,147 ande-
rerseits die Mission, die ebenfalls schon in Kählers frühem Vonrag ein-

145 DERS. [18671 (1913) 194.


146 Zu diesem Problem vgl. RATSCIIOW (1979) 127 (11lese): . .Der Absolutheilsanspruch der
Religionen ist daher filr die eigene Religion unabweisbar. fLir jede fremde Religion nicht nachvoll-
ziehbar."
147 KÄIlLER (1905) entfaltet die ganze Theologische Amhropologie als Theorie von den AnJa-
gen zur Religion (I. Stück; v.a. 3.a.0. § 123) und zur Siulichkeit (2. Slück; v.a. a.a.O. § 146). vgl.
besonders a.a.O. 114 (§ 118) zum Begriff der Anlage als eines Untergeschichtlichen. Vgl. DERS.
[18671(1913) 180 und s. bei S. 138 Anm. 14.
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IV. Manin Kählers messianisch-solcrologische Eschatologie 167

t48
schlägig war. Diese Entsprechung legt nahe, auch die Mission nicht als
Kulturleistung im Sinne einer "Ausbreitung des Christentums" zu verste-
hen, in der eine Linie, auf die das Christentum die Menschheit gesetzt hätte,
nur noch auszuziehen wäre, sondern, solche Linien im Gegenteil durch-
kreuzend, als das Bekenntnis zu Gottes "großer Verheißung" einer
Menschheitsreligion, die mit keiner positiven Religion gleich- oder auch
nur auf eine Linie gesetzt werden kann. Kählers ausführliche Beschäftigung
mit dem Missionsgedanken weist gegen zeitgenössische Bestrebungen aus-
149
drücklich in diese Richtung. Man kann von einer eschatologischen Dia-
logik des jüdisch-christlichen Verhältnisses sprechen.
Nun läßt sich allerdings gegen diese ganze unter b) aufgeführte Gedan-
kenreihe einwenden, daß sie auf einer falschen Voraussetzung beruhe,
nämlich der Vereinerleiung von Begriff und Wesen der Religion, was für
Kähler selbst der "idealistische Grundirrtum, nämlich die Verwechselung
des abstrahierten Gauungsbegiffes mit einer Wesenserkenntnis" ,150 ist. Tat-
sächlich ist Kähler in diesem Sinne bleibende Verhaftung an den Idealismus
vorgehalten worden. Gerade die Christliche Apologetik ist dafür kritisiert
worden, daß sie mit der Rede von einer Anlage zur Sittlichkeit und Religion
eine Allgemeingültigkeit beanspruche, die doch von Kählers Konzept aus
erst eschatologisch möglich sei, kurz: daß der Begriff der Anlage ein ab-
strahierter Allgemeinbegriff sei, dem nachträglich jeder Inhalt beigelegt
werden könne. 1St

148 KÄHLeR (1905) 205 (§ 230. also in der Konsequenz der n 228f. über die Menschheitsreli-
gion und die Jmpcrfelaibililä! des Christentums; s. bei S. 162 Anm. 127 und S. 164 Anm. 134)
spricht sehr enthusiastisch von einem ,.Erobenmgszug durch die MenSChheitsgeschichte"; auch
a.II.O. § 107 redet von der Sache der Mission ohne ihren Begriff. Vgl. DERS.[18671 (1913) 192
und s. bei S. 142 Anm. 30.
14950 sagt KÄIlLER (1908) 347 zur Propaganda: ..Man breitel eben nur das Eigene aus". An-
ders die Mission a.a.O. 365: •.slau der wissenschaftlich erweisbaren Absolutl\cit des Christeniums
steht UllS hinler seinem Anspruch der bestimmte Wille des persönlichen Gones. dessen unantastba-
re Majestät unsere lieilsgewißheil trägt. r... 1 Das ist der Grund der Missionspnicht. und damit
eben die Berechtigung des Chrislentums zur Mission:'
150 OcHS. (1905) 63 (§ 62).
151 W1RscmNG (1963) kann seinen Haupteinwand des metaphysischen Kausalismlls (s. 5. 158
Anm. 110) traditionsgeschichtlich als Kählers ..liIdealistische Denktechnik" (Überschrifl a.a.O.
77) bezeichnen, die gegen den Idealismus .•Wesensschau" erstrebt. aber dafUr doch zuletzt den
Begriff. die Kategorie einsetZl (a.8.0. 79f.). - Und GOu. (1991) zeigt zwar überzeugend. daß
KähJers Gedanke des Überge.schichtlichen ein eigenes wissenschaftstheoretisches Konzept theolo-
gischer AlIg~meingUltigkeit darstellt. die nur eschatologisch in der über Ostern und liimmeJfahn
hinausreichenden Wirksamkeit Christi und in der Erwartung .seiner Parusie Bestand hai (vg1. a.a.O.
30.63.97.126 zur eschatologischen und 8.a.0. 23.51.131 zur Chrislusgebundcnheil der AJlgemein.
heit); er deutel aber 3.a.0. 77.88.209 weder den Gedanken einer einheitlichen Menschheit noch
den der sittlichen Weltordnung noch den der Anlage im eschatologischen Sinne. vennutel an letz·
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168 Zweiter Teil

Nach den bisherigen Überlegungen ist dagegen jedoch einzuwenden, daß


der Allgemeinbegriff im Sinne Kählers kein freigewählter Ausgangspunkt
ist, dem gegenüber die inhaltliche Bestimmung nachträglich wäre. Viel-
mehr hat das Konzept der Menschheitsreligion den Rang eines es-
chatologischen Begriffs. l52 Dasselbe war bereits für Kählers Vorstellung
einer sittlichen Weltordnung festzustellen. 15) Diese Begriffe, für die sich
weitere Beispiele finden ließen, sind daher auch mitnichten abstrakt und
vom Christentum abstrahiert. sondern im Gegenteil mit ihm konkretisiert:
So macht Kähler in Anlehnung an vier der Hoheitstitel lesu vier Momente
am Wesen des Christentums namhaft, die in der Prägung des Allgemeinbe~
griffs der Menschheitsreligion wiederkehren. l54 Die Kon~kretion der
Menschheitsreligion durch das Christentum ist hier freilich wörtlich ge-
meint: Erst eschatologisch kommt es zwischen Christentum und Mensch-
heitsreligion zum Zusammen~wachsen (con-crescere).l.'i.'i Die Hoffnung auf
dieses eschatologische Zusammenwachsen ennöglicht dem Christentum
auch das Gespräch mit dem ludenturn als einem anderen Traditionsstamm
von Hoffnung auf die Menschheitsreligion, denn die gemeinsame Veranke-
rung besteht. um im Bild zu bleiben. eher in der Krone als in der Wurzel
des Baumes. 156 Die systematische Folgerung aus Kählers Eschatologie für
die Frage nach dem Verhältnis zum ludentum besteht also darin, die christ-
lich-theologischen Begriffe eschatologisch zu konturieren. Dies sei im fol-
genden an einigen weiteren Theologumena durchgeführt.
2. Alttestamentliche Konkretion der Eschatologie. Der vorige Punkt die-
ses Unterabschnittes führte am Beispiel der Menschheitsreligion auf das
lerer Stelle vielmehr Abslraktbegriffe wie Wirsching. - Bereits HEJl.MANN (1917) 17 krilisien
Kählers Begriff der religiös-sitllichen Anlage und forden im Sinne der Lutherren3issaoce. ihn auf
dem Gewissenskonzcpt zu fundieren.
L52 So rur Kähler Ill. W. bislang nur der HernmnnschUler H. PFrRAN (1931) 122: ..Von größter
Bedeutung rur das geschichtliche Verständnis dcr MenschheilsbcdeulUng Jesu iSI ihm aber na-
mentlich l... 1 die Eschatologie". Freilich habe Kähler die Geschichle Jesu nach Oslcrn nicht mehr
als echte Offenbarung verstanden (a.a.O. 179).
153 S. bei S. 151 Anm. 73. Ähnlichcs gill rur die sitllich-religiöse Anlage (s. S. 140 Anm. 21).
obwohl sie selbsl- im Ul1Ierschied zu dem. womuf sie angelegt iSI- ein Untcrgcschichtliches ist.
154 Vgl. KÄHLER (1905) § 113a.b.c.d mit a.a.O. §§ 96--98 (Messias) bzw. 3.R.0. §§ 99-101
(Gouessohn) bzw. a.a.O. §§ 105-107 (Menschensohn) bzw. a.3.0. §§ 102-104 (Gekreuzigter).
155 Prägnanl iSI ein Passus der Ahcrsvorlesung zur Esch:uologie (DERS. 119111 101): •.Als ge-
schichtliche Größe iSI dcr irdische Jesus panikular. - gebunden an Israel -. schickt seine Jünger
nicht weiler als zu den verlorenen Schafen vom Hause Israel; als der erhöhle Heiland iSI er Hlr alle
da. - und dieser Universalismus prägl sich nun darin aus. dl1ß er keine Ofgllnisiene Massenbewe-
gung einrichtet. keine geschichtliche Kulturnrbeit an IsraelIreib( und andere Völker dem anglie-
dert. - sondern unaufhörlich mil jedem Einzelnen in Beziehung lriu. Seine Grundbeziehung ist
nkhl die zu Israel. sondern zu den Menschen."
156 S. zum Vergleich S. 216 Anm. 103.
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IV. Martin Kählers messianisch-solerologische Eschatologie 169

Desiderat eines eschatologischen Verständnisses theologischer Begriffe.


Wie dies aussehen könnte, soll im vorliegenden Punkt an einem weiteren
Thema erörtert werden, das für Kählers Sicht auf das Judentum wichtig ist,
nämlich seiner Einschätzung des Alten Testaments.
a) Eschatologischer Begriff des Selbstbewußtseifls Jes". Dieses Thema
ist nicht nur deshalb einschlägig, weil "Die Bibelfrage" neben der Versöh-
nungslehre das andere große Thema von Kählers theologischem Schaffen
ist. Zugleich war das Alte Testament zur Zeit des Vortrags über "Jesus und
das Alle Testament" auch Gegenstand kirchlicher und theologischer Kon-
troversen, deren Thema dem des unmittelbar vorausgegangenen Apostoli-
kumsstreits ähnelte: Durch die Fragen, welche die inzwischen universitär
etablierte historische Kritik aufwarf, schien der feste Boden einer ge-
schichtlichen Grundlage der Theologie, hier des Alten Testaments, ins
Wanken geraten zu sein. Damit ist die theologiehistorische Stellung des
Vortrags bezeichnet, die Kähler sofort zu Beginn bezieht, wenn er als sein
Ziel, ja theologisches Lebensziel angibt: "Ich will ein zuversichtliches Ver-
hältnis zu meiner Bibel gewinnen", "ohne wegen der Entdeckungen, Zwei-
fel und Beweise geschichtlicher Forschung in fortwährender Besorgnis zu
sein". Trotz dieser deutlichen Parteinahme wäre allerdings der argumentati.
ve Spannungsbogen von Kählers Vortrag kaum erfaßt. wenn man ihn als
Versuch verstünde, der Theologie ein windstilles Plätzchen zu sichern, an
dem sie sich ungerührt von den Slürmen der Geschichtswissenschaft ent-
falten könnte. Vielmehr wie es die Ergebnisse geschichtlicher Forschung
sind, von denen Kähler angestoßen wird. so zieh er selbst auf "das Grund-
problem des geschichtlichen Christemums". t57 Er hebt also selbst die Ge-
schichte als das Interesse hervor, welches ihn mit der kritischen Forschung
verbindet. Von besonderem Gewicht ist deswegen der I. Abschnitt des
Vortrags. der "Das geschichtliche Verhältnis im ganzen" darstellt. 158 Kähler
selbst nennt die These, welche den Abschnitt über "Die geschichtliche Aus-

157 Zitate KÄIILCR [18961 (1965) 20.21.21 (zu These I): vgl. 8.a.0. 18 über die ..kirchlichcn
Klimpfc" um das Altc Testament. Eine Trennung zwischen kritischcm und theologischem Ge·
schichtsbegriff hieße "Dogmatiker" und "ChriSl"' (3.3.0. 21). hieße Theologie und Glauben aus-
einandemißen und wlire weder im Sinne Klihlers (s. bei S. 161 Amn. 121) noch der kritischen Ge-
schichtswissenschaft. die mehr ist als bloße Faktenerhcbung. Beide erheben einen noml:uivcn
Anspruch.
158 Der 3. Abschnitt zieht daraus ..Folgerungen ftir unsere Stellung zur Bibel", die als unmit-
telbare Wahrnehmung des Allcn Testaments flir unsere Fragestellung ebenfalls von Belang sind,
während der 2. Abschniu die Ergebnisse durch ,Jesu Unfehlbarkeit und seine Benutzung der ahle·
stamcntlichcn Schrift.. illustriert, was dem im vorliegenden Abschniu unserer Untersuchung ver-
folgten Ansatz bei der geschichtlichen Seite weniger entspricht (vgl. die Übersicht Uber die Thesen
3.0.0. 13-17).
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170 Zweiter Teil

prägung" des Verhältnisses von Jesus und dem Alten Testament einleitet,
"das Ganze meiner grundlegenden Ausführung", was die folgenden Thesen
159
desselben Abschnitts noch begründen.
Kähler entwickelt hier einen Begriff von Geschichte in impliziter Aus·
einanderselzung mit dem der kritischen Geschichtswissenschaft. Sein Be-
griff soll nun rekonstruiert werden. Er deckt sich mit dem geschichtswis-
senschafllichen nicht, nimmt aber denselben Ausgangspunkt bei der Fakti·
zilät, dem positiven Gegebensein des Geschichtlichen. In diesem Sinne ruft
Kähler bei der Erläuterung seiner These 4 aus: "Das ist eine geschichtJiche
Tatsache ersten Ranges", daß das Alte Testament im abendländischen Den-
ken eine nicht weg zu diskutierende Wirkung gehabt hal. l60 Freilich geht es
Kähler über diese Feststellung hinaus um die Prüfung der Gründe für ihre
Geltung. Er antwortet darauf zunächst (in These 5), die epochemachende
Bedeutung des Alten Testaments rühre daher, daß Jesus selbst in einem
"mit seinem inneren Leben verwachsenen" Verhältnis der Treue zum Alten
Testament gestanden habe. 161 Er weiß aber, daß er damit nur erklärt, wie
"das Alte Testament zur Geltung gekommen" ist, und fragt daher weiter
nach dem "Sachgrund" der Geltung, dem dann die Thesen 6 und 7 gewid-
met sind: "Ist das Zufall, ist das nur eine Abhängigkeit Jesu von geschicht-
lichen Verhältnissen, die keine Bedeutung hat, oder hat es einen inneren
Zusammenhang?,,162
Solch ein innerer Zusammenhang läge vor, wenn nicht nur die Wir-
kungsgeschichte des Alten Testaments auf Jesu Stellung zu diesem fußte,
sondern auch diese wiederum im Alten Testament, noch abgesehen von
jener Wirkung, wurzelte. Der innere Zusammenhang bestünde dann präzise
darin, daß die Thesen 6 und 7 über These 5 auf These 4 zurückgreifen
könnten. Und genau dies fühn Kähler aus.
Daß Jesus aus dem Alten Testament lebt, wie These 5 festgehalten haue,
sagt nämlich nicht nur etwas darüber aus, mit welchen Augen Jesus die hei-
ligen Schriften seines Volkes liest, sondern auch, daß er selbst mit den Au-
gen dieser Schriften gelesen werden muß: Jesus selbst, sein Selbst bewußt-
sein ist nur aus dem Alten Testament verstehbar, so daß "die alttestamentli-
che Offenbarung zur wirksamen Voraussetzung seiner inneren Entwicklung
geworden ist" (These 6).163

159 Zitale a.a.O. 13 in der Überschrift des fraglichen Abschnins bzw. a.a.O. 31 (zu These 4);
zu den Thesen 5-8 vgl. den Überblick a.a.O. 32.
160 A.a.O. 32 (zu These 4).
161 A.a.O. 33 (zu These 5).
162 Zitate a.a.O. 32.32.34. jeweils als überleitende Bemerkungen zur Gliederung.
163 A.8.0. 35 in der AusfUhrung '" a.8.0. 13 in der Thesenreihe.
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IV. Martin Kählers messianisch-solcrologische Eschatologie 171

Mit diesem Gedanken bezieht Kähler implizit Stellung gegen die damals
schon jenseits ihres Zenits stehende Leben-Jesu-Forschung. Für sie ist das
Alte Testament Voraussetzung für Jesu innere Entwicklung nur als traditi-
onsgeschichtlicher Verstehenshintergrund, vor dem Jesus sich erst aLlmäh-
lich bewußt wurde, der im Alten Testament verheißene Messias zu sein.
Denn dann wurzelt Jesu Stellung zum Alten Testament in seiner Messiani-
tät und nicht, wie für einen "inneren Zusammenhang" erforderlich, im Al-
ten Testament selbst. Kähler lehnt einen deranigen alttestamentlichen Vor-
bau für Jesu Selbstbewußtsein daher ab mit dem Hinweis, dieses sei "von
Anfang an"l64 dasselbe gewesen.
Zugleich wendet Kähler sich jedoch gegen W. Hemnann, der ebenfalls
gegen die Leben-Jesu-Forschung ein allmähliches Werden des Selbstbe-
wußtseins Jesu bestritten und statt dessen für Jesus eine fertig abgeschlos-
sen gegebene religiöse Persönlichkeit angenommen hatte. die bei denen, die
ihm enlgegentreten, zu einer "Überwältigung" führe. 165
Mit dieser Doppelfront bestreitet Kähler sowohl ein unfertiges als auch
ein fertiges Selbst bewußtsein Jesu. Statt dessen schreibt er:

Jesus ist sich von Anfang an (ich kann es wenigstens in den Evangelien nicht anders
finden) bewußt gewesen, nicht bloß fur Israel, ja sogar dem Erfolge nach gar nicht fur
Israel, sondern unter Verwerfung Israels fur die Menschheit dazusein. Dieses Be-
wußtsein hat sich ihm einfach über dem Allen Testamenl erschlossen. Wie es so vor
uns liegt und wie es vor Jesus lag. anfangend mit der Schöpfungsgeschichte und aus-
gehend in die große Prophetie von dem Gericht und der Vollendung. ist es durchaus
universalislisch: mitten in der zerklüfteten Völkerwelt kennt es ohne die toten Ab-
straklionen der Philosophie eine einheitliche Menschheit. eine Menschheit mil einem
Ausgang und einem Ziel. Hili

Indem Jesu Selbslbewußtsein hier in eine umfassende Geschichte gestellt


wird, beantwortet sich die Frage nach dem Sachgrund für die Gellung. die
das Alte Testament durch Jesu Stellung zu ihm in der Menschheitsge-
schichte erlangt hat; denn den menschheitlichen Horizont dieser Geltung
faßt das Alte Testament mit dem Gedanken einer einheitlichen Menschheit

164 A.a.O. 37.


IM Zilllt a.a.O. 39 (zu These 7). Dieselbe Abgrenzung findet sich auch bei KAHLeIt (1892) 55.
wo a.a.O. Anm. I ausdrücklich Henmann genannt iSI.
166 DERS./18961 (1965) 37 (zu These 6). Kähler plädien hier H1r eine lectio continua des Al-
len Testaments. wie sie in der gegenwärtigen Revision christlicher Theologie im Blick auf das
Judemum geforden wird (z.B. von FL Hossfeld und E. Zcnger ftlr den Psalter) - allerdings bleibt
Kähler bei der christlichen Kanonanordnung mit den Propneten am Schluß als Übergang zum
Neuen Testament.
172 Zweiter Teil

selbst ins Auge. Der Sachgrund für JesIl Stellung zum Alten Testament isl
also dos Alle Testament selbst. und damit ist der innere Zusammenhang
erreicht, den These 5 forderte.
Damü ist auch kJar. daß Kählers Rede von einer inneren EnlwickJung
des Selbst bewußtseins Jesu weder auf sein Verhältnis zum Allen Testament
zu beziehen ist wie in der Leben-Jesu-Forschung noch. wie W. Herrmann es
in einem Buchtitel ausdrückte. auf Jesu unvergleichlichen "Verkehr mit
Gotr' - denn "der innere Haushalt einer unsündlichen Entwicklung ist für
uns so unvorstellbar wie das Leben auf den Sandwichinseln für einen Lap.
pen"167 _. sondern auf die menschheitliche Geschichte. deren Horizont das
Alte TeSlament eröffnet. Jesu Selbstbewußtsein entwickelt sich auch zufol-
ge Kähler, aber nicht "von rückwärts", sondern ..nach vorne" auf den Hori·
zont dieser Geschichte zu. Diesen aber steckt nach Kählers Eschatologiebe·
griff die Ewigkeit selbst ab. M.a.W. für Kähler ist Jesu Selbstbewußtseill
dessen Wissen um die eigene zukünftige Parusie. Das ist Kählcrs es-
chatologischer Begriff von Selbstbewußtsein Jesu.
b) Eschatologischer Begriff des Alten Testaments. Dieser eschatologi·
sche Begriff des Selbstbewußtseins Jesu entspricht genau dem Konzept der
Geschichl1ichkeit, das Kählers Eschatologieentwurf prägt: die Erstreckung
eines historischen Ereignisses auf seine zukünftige Vollendung"" These 7
von Kählers Vortrag zieht die entsprechenden eschatologischen Folgerun-
gen. Jesus fUgt sich demnach in eine .,große geschichtliche Entwicklung,
die bis heute reicht. und die er vorwärts und rückwärts beherrscht". Mit
Blick auf diese menschheitliche Geschichte kann Kähler die alttestamentli-
chen Schriften "ein gewachsenes Ganzes" nennen. das er inhaltlich mit "ih·
rem letzlen vormessianischen Ergebnis'; gleichsetzt. l69 Dies ist sein es·
chatologischer Begriff des Alten Testaments.
Er wirkt freilich dadurch doppeigesichtig, daß hier als Ganzes das Vor-
messianische. also etwas Unabgeschlossenes angegeben wird. Das hat in
These 9 des Vortrags zur Folge, daß einerseits die christliche Bedeutung
des Alten Testaments auf seine messianische Erwartung, diese aber ande·
rerseits nicht auf den Charakter einer Vorstufe zum Christentum festgelegt
wird. M.a.W. das Alte Testament hat nach Kählcr für das Christentum nur

167 KAuLa. (189611) 53: nichl abgedNCkl in der Ausgabe VOll E. Wolf (CERS. (1892) (1956».
168 O€RS. (1896) (1965) 46 nennt mit Bezug auf H. v. Trcil.sc:hke als Beispjcl einer gC5Chichl-
lichen Auffassung ..im großen Stil" die Beziehung aller Einzcldalcn der deutschen Geschichte auf
die Reichsgriindung 1871, was UNK (1975) 175 Anm. 146 scharf kritisicn. Jedoch verSIeht Kihlcr
dieses Beispiel nichl eschalologisch. d.h. die Reichsgrundung wird nichl Dbergeschichllic:h über-
höht. sondern soll nur das Konzepl der Gcsc:hic:htlichkeil als sokhc.s erläutern.
169 ZilalC KÄIIID 11896) (1965) 41.42.42 (alle zu These 7; Hervorhcbungt:n aufgehoben).
00040222

IV. Martin Kählers messianisch-soterologische Eschutologie 173

als Eröffnung eines eschatologischen Horizonts Gewicht, als solche aber


hat es auch bleibendes Gewicht.
Daraus ergibt sich einerseits, daß KähJer eine christliche Bedeutung des
Alten Testaments in nichtmessianischer Auffassung abweist. Dazu zählt er
das Verständnis des Alten Testaments als Rituaigesetz,I10 aber auch die Re·
zeption des Alten Testaments im FTÜhjudenlum. das er als möglichen Inter-
pretationskontext der Person Jesu gegen d.ie zeitgenössische Exegese be·
streitet. 17t Andererseits lehnt Kähler es ab, Christus als die ErfliJlung der
alttestamentlichen Verheißung zu sehen:

Es ist der Bibel gegenüber willkürlich. Jesus in seinen Aeischestagen. den irdischen
Christus. ftir den anzusehen. in dem alle Verheißungen Ja sind. Der geschichtliche
Christus ist der gepredigte Jesus Christus!"']. Seine Predigt. d.h. die Predigt, deren
Inhalt er ist. gehört nach dem Neuen Testament in das alttestamentliche messianische
Programm!···t.m

Diese Sätze zielen durch den Verweis sowohl an den gepredigten Christus
als auch an den alttestamentlichen Messianismus auf die Parusie Christi.
Diese Zukunftshoffnung kann daher für Kähler nur mit "alttestamentlichen
Anschauungsfonnen" ausgesagt werden. Jesu "Stellung zur ganzen
Menschheit, und zwar rückwärts wie vorwärts, ist unfaßbar, wenn man ihn
lediglich zeitgeschichtlich ansieht und schätzt (... ]; das Alte Testament ist
unentbehrliches Mittel für ihre KlarstelJung".173 In diesem Satz ist die Klar-
stellung nicht als Zweck von ihrem alttestamentlichen Minel abzulösen;
Jesu Stellung zur Menschheit ist kein Abstraktum. das auch unabhängig von
der Konkretion gedacht werden könnte; d.h. die Unentbehrlichkeit des alue·
stamentlichen Messianismus ist eine unbedingte. weil sie ebenso es-
chatologischen Rang hat wie die Parusie Christi selbst. Chrisllls ist eine es-
chatologische Gestalt nur als der alllestamelllliche Messias, und der altte·
sramentliche Messias gewinnt Gesralr ersr als der eschatologische Christus

170 A.a.O. 47f. (zu These 9), die christliche Geselzesfreiheil ist allerdings eingeschränkl
..durch den geprediglen ChrisluS" (a.a.O. 49), so daß a.a.O. 48 auch eine .,chriSlliche Würdigung
des Siuliehen in aller Gesetzgebung" in Betracht kommt.
171 [)r,RS. (1892) 39f. polemisien gegen die .jüdische Th~Qlogi~ und ihr~ EschotoJogi~" als
Quelle ruf das Verständnis Jesu. die zur selben Zeit J. Weiß epochemachend in den Vordergrund
steIlI. Kahkn Losung von ~d~m g~sdichllichm Christus du BilNl" bzw.•.der ganzen Bibel" hat
also auch diru SI06richtung gegen das Frilhjudenlum. das O€RS. 118961 (196's) 58f. nur in Fragen.
die nicht die Ganzheil des Alten T~amenls belreffen. zum Verständnis Jesu herangezogen wissen
will.
172 A.a.O. 75 (These 13. auf die bereits '.'.0. 49 ein Vorverwcis gegeben wurde).
173 Zitale a.•.O. 76. Ein ..Verzteht auf die alltest:amentltehe Verht'iBung" (Überschrift OE
8<X>R /19901 120) ließe sich bei Kähkr nur konstaticren. wenn man diese auf Bibelzilale festkgte.
174 Zweiter Teil

der Parusie. Diese heiden Gedanken sind in Kählers eschatologischer


Wahrnehmung des Judentums unlösbar verknüpft. So ist das Alte Testa-
ment selbst die Konkretion der Eschatologie, allerdings nicht in dem Sinne.
daß dadurch die Zukunftshoffnung für die Gegenwart mehr Gegenständ-
lichkeit und Farbigkeit gewänne, sondern das Alte Testament ist die KOß·
krelioß der Parusieerwartung, also in seiner Konkretion selbst zukünftig.
Wie Christus in seinem irdischen Auftreten aus dem Alten Testament lebte,
mit ihm "verwachsen" war - die Wachsrumsmetapher gebraucht Kähler in
seinem Vortrag mehrfach 174 -, so ist auch das Alte Testament gerade in sei·
nem "letzten vormessianischen Ergebnis" ein "gewachsenes Ganzes", so
daß man sagen kann, die Parusie Christi und der messianische Horizont des
Alten Testaments wachsen in der erhofften Zukunft zusammen: das ist im
wönlichen Sinne des lateinischen con-crescere die Kon-kretion der christli-
chen Eschatologie, 175 und das ist Kählers eschatologischer Begriff des Al-
len Testaments.
3. Zwischenergebnis. Kählers Wahrnehmung des Judentums, die hier am
Beispiel seiner Konzeptionen von Menschheitsreligion, SelbstbewuBtsein
Jesu und Altem Testament vorgestellt wurde, geschieht jeweils in der Per-
spektive eschatologischer Begriffe, die den Sachverhalt des Übergeschicht-
lichen - eine nichtgeschichtliche Größe, die aber in einem geschichtlichen
Verhältnis zur Geschichte steht - auf verschiedene Einzelthemen anwen-
den. Der vorige Punkt dieses Unterabschnitts deutete an, welche Auswir-
kungen dies auf die Wahrnehmung des Judentums überhaupt hat; ihm wird
nämlich eine tragende Bedeutung für das Christentum zugewiesen, sofern
es eine messianische Ausrichtung auf das Menschheitliche hat, allerdings
auch nur unter dieser Voraussetzung.
Diese Wahrnehmung fühn zu einer Einteilung der verschiedenen Ge-
stalten des Judentums; bereits erwähnt wurde. daß halachische Strömungen
des Judentums aus Kählers Betrachtung ausscheiden, weil er ihnen keine
messianische Ausrichtung zuschreiben kann. Des weiteren ergibt sich, daß
eine andere als eschatologische Bedeutung - also etwa eine kulturge-
schichtliche - auch für messianische Gestalten von Judentum nicht in Be-
tracht kommt, jedenfalls nicht als theologisch relevant. Andererseits kann
Kähler so auch nachbiblischen Gestalten von Judentum ein theologisches
Gewicht für das Christentum zuschreiben, wenn sie in messianischer Per-
spektive gesehen werden können. Damit hat Kähler die Möglichkeit, die
Beschränkung der Sicht auf das Judentum als bloß alttestamentliches und

174 KÄI1LER [18961 (1965) 33 (zu These 5) und a.a.O. 42 (zu These 7).
175 Zitate 8.a.0. 42.41 (Hervorhcbungen aufgchoben).
IV. Manin Kählers messianisch-solerologische Eschatologie 175

endzeitliches Israel aufzuheben, die die HeilsgeschichlJiche Theologie


kennzeichnete.
Kählers Wahrnehmung des Judentums ergibl so auf den ersten Blick kein
eindeuliges Bild. Die exklusive Annahme einer religiösen, näherhin es-
chalologischen Bedeutung des Alten Testaments für das Christentum mutet
zunächsl wie eine Restriktion des Judentums an; andererseits verhindert sie
eine Usurpation jüdischer Traditionselemente durch das Christentum, in-
dern dieses etwa alttestamentliche Texte unmittelbar auf sich bezieht. 176
Gerade hiergegen nämlich macht sich das theologische Gewicht von Käh-
lers ausgearbeitetem Eschatologiekonzept als Rahmen aller theologischen
Verhältnisbestimmung von Chrislentum und Judentum bemerkbar: Chrislli-
che Theologie nimmt nach Kähler das Judentum in eschatologischer Per-
spektive, also in der Blickrichtung der eigenen, christlichen Zukunftshoff-
nung wahr, die aber als Horizont alttestamenllicher Geschichte auch die
Hoffnung der fremden, jüdischen Tradition ist. So hängt die Art und Weise.
wie christliche Theologie auf das Judentum blickt, also daran, inwieweit sie
selbst ihren eschatologischen Einsichten folgt. Kähler legt damit das Ju-
dentum grundsätzlich nicht auf eine bestimmte, sei es alttestamentliche oder
endzeitliche, sei es messianische oder eine andere Gestalt fest, sondern
macht die Einschätzung des Judentums jeweils von einem eigenen Akt der
Urteilsbildung christlicher Theologie abhängig. Es zeigt sich auch hier, daß
christliche Theologie ihre Stellung zum Judentum nur durch eine kritische
Klärung ihrer eigenen Argumentation gewinnen kann. 177
Dies zeigt deutlich ein geschichlseschatologischer Aufsatz von 1906, in
dem Kähler im Anschluß an seine grundlegende "Geschichtsanschauung"
den ..Gang der Menschheit" als deren Verifikalion rekonstruieren will. Die
Geschichtsanschauung deckt sich mit dem nun schon bekannten Es·
chalologiekonzepl. Es wird hier so begründet, daß der Zusammenhang der
Menschheilsgeschichte zwar nicht von ihrem Anfang aus zu gewinnen sei.
denn dieser liege im vorgeschichtlichen Dunkel, aber eben von ihrem Ziel
her: der "Einheitshoffnung", d.h. der Hoffnung auf eine geeinle Mensch-
heit, welche die letzten Worte des Textes als Christi Wiederkunft identifi-
zieren. Da mit diesen Worten zugleich Kählers Aufsalzsammlung endet,
handelt es sich hier um so etwas wie sein Iheologisches Vermächtnis. 178

176 Dies iSI die Gefahr z.O. der altonhodoxen christologischen dicta probanlia.
171 Das entspricht unseren melhodischen Grundentscheidungen (s. bei S. 20 Anm. 26).
178 Zilale KÄHLER 119061 (1913) 198.200: zur Parusie a.a.O. 212. Der erste Abschnin (a.a.O.
196-200) emfaltel die •.GeschichlSanschauung'· als Grundlegung, wozu der Z\l..e i,e Abschnin
(a.a.O. 200-208) die AusftJhrung und der drille (a.a.O. 208-212) das Resiimee bietet.
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176 Zweiter Teil

Die Menschheitsgeschichte sieht Kähler sodann in "drei Epochen" ge-


gliedert, die vom Ende der babylonischen Gefangenschaft, also dem Auf-
kommen des historischen Judentums, bis zur Etablierung der christlichen
Staatskirche, von dort bis zur Reformation und von dort bis zur Gegenwart
reichen. 179 Wichtiger als die historische Triftigkeit dieser Epocheneinlei-
Jung ist die Frage, wie Kähler sie begründet. Und hier nennt Kähler als Mo-
tiv, das den Gang der Menschheit antreibt, die Mission. Explizit geschieht
dies freilich nur in dem Satz: "Deshalb ist die dritte Erscheinung der wer-
denden Einheit die kirchliche Mission." Die damit vorausgesetzte erste und
zweite Erscheinung dieser Einheit werden nicht ausdrücklich als solche be-
zeichnet, sie sind aber in der Beschreibung der Grenze von erster zu zweiter
Epoche erkennbar in Gestalt der "christlichen Mission", die in dem einen
Fall auf das Judentum folgt und in dem anderen als "kirchliche Cultunnis-
sion" die Antike durch das Mittelaller ablöst: ISO

Wie aus der Puppe des Judenvolkes der Falter der chrisLlichen Mission aufflog. so
niegt derselbe Faller nun aus dem verwesenden Leichnam der Antike hinüber zu den
herandrängenden Gennanen und Slaven.
Die kirchliche Cultunnission vollzieht sich während des folgenden Jahrtausends
in nördlicher Richtung. lll

Die christliche Mission setzt dabei zufolge Kähler die Einheit der Mensch-
heit als von Gottes Ewigkeit motivierte gegen verschiedene Kräfte durch, so
besonders gegen die beiden einseitigen Abstraktionen der Einheit in den
theoretischen. vom Bezug auf den Menschen gelösten Monotheismus des
Islam einerseits und in die ..anthropocentrische", von Gott gelöste "Con-
ventikelreligion" des Buddhismus andererseits; sodann gegen eine bloß
formale goltgegebene Einheit des Menschlichen wie im starren Hierarchie-
denken des römischen Katholizismus. 182 Die stärkste Front, welche die
christliche Mission als von Gottes ewiger Zukunft begründeter Fortschritt
im Gang der Menschheit zu durchbrechen hat, sieht Kähler allerdings in
folgendem:

Vollends die befremdliche Gestalt des internationalen Nationalismus. das zähe


Volkstum ohne Vaterland und Muttersprache. das seit der römischen Kaiserzeit als

179 A.3.0. 201.


ISO Zitale a.a.O. 208 rur die dritte bzw. a.3.0. 203 rur die z.weite und erste Epoche.
181 Ebd.
182 Gegen den Islam als "Karrikalur (siel] des vorjüdischen Israel" a.3.0. 204: gegen den
Buddhismus a.3.0. 202: gegen den römischen Katholizismus 8.a.0. 212. Zum Buddhismus vgl.
OERS. (1905) 185 (§ 212).
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IV. Martin Kählers messianisch-soterologische Eschalologie 177

solches anerkannte "Element der Decomposition" lsic!], der ewige Jude. das Ge-
spenst des messianischen VoLkes, seit es seinen Messias verworfen hat. Die goldene
Internationale mit ihrer Weltpolitik im Dienste des Mammonismus, mit ihrem gonlo-
sen Rassenegoismus. mit ihrer Ausnützung eines abstracten Humanitarismus und
imaginären Kosmopolitismus, hält das lell.le und schwerste Problem auf dem Wege
zur Einheit der Menschheit vor Augen und prägt es damit ein (Eph 2; Röm 9-1 I)."J

Diese Tirade ist unverkennbar auf das Judentum der nachbiblischen Zeit bis
zu Kählers Gegenwart bezogen, und es rallt nicht schwer, verschiedenste
Schemata des landläufigen Antisemitismus bis in die Formulierungen hin-
ein nachzuweisen: so die Ahasverlegende, die theoretisch auf der substituti-
onstheologischen Annahme der Enterbung Israels infolge der Verwerfung
Christi beruht;l84 so die Behauptung vom jüdischen "Weltkapital" (verbun-
den mit dem Vorurteil jüdischer Geldgier), welche die bis weit in die Zeit
der Emanzipation wirksamen ökonomischen Restriktionen an das gewerbe-
treibende Judentum, also dessen Abdrängung vom zünftigen Handwerk in
den Handel. mit einem Nationalcharakter verwechselt; 185 einhergehend da·
mit die Verquickung von jüdischer Diasporaexistenz mit der sozialistischen
Internationale, gegen die Kähler sich kurz vor diesem Zitat eigens abge-
grenzt hatte: eine Zuschreibungsfigur, die als Vorwurf einer angeblichen
jüdischen Wehverschwörung bekannt ist. 186 Theologische Varianten solcher
Wahrnehmungen sind in dem Absatz ebenfalls enthalten,
Über den Grund für diese gegenüber Kählers sonstiger Wahrnehmung
des Judentums auffallende Verschiebung läßt sich nicht in einem Satz Auf-
schluß geben; es rallt jedoch auf. daß in dem fraglichen Passus das Juden-
tum als Hindernis der christlichen Mission geschildert wird, die in den vo-
rigen Zitaten z.T. ausdrücklich als Kulturleistung (..kirchliche Cultunnissi-

[83 DERS. 119061 (1913) 208. Die Passage hat gewisse Entsprechungen in einem Abschniu
von KähJers später EschalOlogievorJesung (DERS. 119111 67--69). wo das Verhälmis Israels zur
"vollkommenen Offenbarung" (gemeint: lesu irdisches Auftrelen) behandelt wird: vg!. daneben
DERS. (1913) 426-428.
184 KähJer spricht in dem genannten Zitat (DERS, [19061 [19131 208) vom "ewigen Juden·'.
Mit der Rede vom ,,Elemenl der Decomposition" zilien Kähler ungenau Theodor MOMMSEN,
Römische Geschichte, Ber[in 91902/04. 11I,550. der das antike Judentum ein "wirksames ~rmenl
des Kosmopolitismus und der nationalen Dekomposition" im römischen Reich nannte. Ungenaue
b7.w. kontelttfremde Zitalion dieses Diclums. zunächst durch H. v. Treilschke, löste den sog. Ber-
liner Antiscmitismusstreil aus, in dem. wie HOFFMANN (1988) 98-103 zeigt. verschiedene Ab-
wandlungen des MommscnziulIS Hir antisemitische Zwecke herangezogen wurden, so die Variante
als •.Elemenl" von A. Stoecker im preußischen Abgeordnetenhaus.
185 KÄHLER 119061 (1913) 208 spricht von Mammonismus.
186 Kahler ebd. gebraucht die Ternlini "imaginfircr Kosmopolitismus" und Weltpolitik. Wich-
ligsles Beispiel des Stereotyps der Wehverschwörung ist die um 1914 in Rußlarxl enlst:mdene
antiscmilische Erfindung angeblicher ,.Protokolle der Weisen vom Zion",
178 Zwciler Teil

on") aufgefaßt wurde - im Gegensatz zu Kählers sonstiger Auffassung von


Mission, die bei ihm den Status eines eschatologischen Begriffs von Be-
l87
kenntnis zum Übergeschichtlichen hat. Sollte diese Dimension im vorlie-
genden Text tatsächlich ausfallen, so müßte sich der Begriff der Mission
auf geschichtliche Gegebenheiten beschränken, und in diesem Fall böten
Judentum und Christentum ein ausschließendes Gegenüber. dem die jewei-
lige Ausrichtung auf eine übergeschichtliehe Zukunft fehlte. Dies könnte
den Wechsel zu einer schroffen Negativwertung des Judentums erklären.
Diesem Problem ist im folgenden weiter nachzugehen.

2. Erhebung von Wahmehmungsschemala

Kählers Eschatologiekonzept ist durch das Verfahren einer eschatologi-


schen Begriffsbildung charakterisiert, das die Ewigkeit als Grund und zu-
gleich Grenze geschichtlicher Entwicklungsverhältnisse versteht. Dies hat
unmittelbare Auswirkungen auf gängige Schemata von Wahrnehmung des
IU
Judentums. So lös( er z.B. die lineare Zuordnung von Verheißung und
Erfüllung auf und einhergehend damil lineare Zeitversländnisse. All dies
kommt in der Abgrenzung gegen die zeitgenössische liberale Progreßes-
chatologie deutlich zum Ausdruck. Es is( daher um so überraschender, daß
Kähler sein Eschatologieversländnis häufig mit Bildern verdeutlichen kann,
die der Naturbeobachtung entlehnt sind und Wachstumsprozesse darstellen
(wie fluß und Meer, Keim und Frucht, Puppe und Schmetterling). Daß
Kähler diese Bilder oft paarweise gebraucht, läßt noch stärker an die pola-
ren Wahmehmungsschemata denken. Im Sinne des hier befolgten methodi-
schen Umgangs mit dem Problem der Wahmehmungsschemata l89 ist daher
zu fragen. wie Kähler diese Bilder in seiner Argumentation verwendet. Da-
bei ist einerseits zu fragen. welcher mögliche Referenzgegenstand mit den
jeweiligen Metaphern bezeichnet ist, und andererseits. welcher argumenta-
tive Gehalt sich mit dem Gebrauch der Bildpaare verbindet. Bezeichnet
man in lockerer Anlehnung an G. Frege erstere Dimension als Bedeutung
der Metapher und letztere als ihren Sinn,l90 so zeitigt der Überblick über
Kählers eschatologischen Metapherngebrauch ein interessantes Ergebnis:

187 S. bei S. 167 Anm. 149.


188 S. z.B. Kap. IV.I.2. hier S. 168--114 zur a1nc:starnentlichen Konkrecion der Esclwologic.
189 S. Kap. 1.2. hier S. 2Jf.
190 Vgl. Gottlob FREGE. Funktion, Begriff. BcdcUlung_ Fünf Iogi.sche SlUdicn 118921. hg.v.
Günler PalZig, Göl:tingen 1962 (KVR 144/14.5).
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IV. Martin Kählers messiunisch·solerologische Eschulologie 179

Die Metaphern, die Kähler verwendet, sind im bildungsbürgerlichen


Sprachgebrauch großenteils konventionalisiert, teils stehende Wendungen
für die Ewigkeit: so das Bild des Meeres, das ihre Unbeweglichkeit und
Unfaßbarkeit ausdrückt; so die Rede vom Schmetterling. seit der Antike
Symbol der unsterblichen Seele. Dennoch gelingt es Kähler. diesen beinahe
abgenutzten Melaphern durch die paarweise Verwendung und im Kontext
seiner eschatologischen Argumentation einen Sinn abzugewinnen, der solch
traditionellem Verständnis gerade zuwiderläuft. Denn in den hier betrach-
teten Texten werden, wie sogleich an einigen Beispielen zu zeigen ist, die
genannten Bildpaare SIels zur Brechung der Wachsrumsvorslellung und
damit des Progreßgedankens eingesetzt - ganz im Sinne von Kählers
Eschatologiekonzept im ganzen. Kählers eschatologischer Metaphernge-
brauch bürstet somit, ähnlich seinem Verfahren eschatologischer Begriffs-
bildung}91 die vorgegebene und im Falle der Metaphern scheinbar zum
Traditionalismus erstarrte Begriffsgeschichte gegen den Strich und erblickt
in ihr so einen neuen Sinn. - Was hingegen die Bedeulung der Metaphern
angeht, so ist das Ergebnis weniger klar, weil mit dem eschatologischen
Sinn der Metapher bald auf die Ewigkeit selbst referiert wird, bald auf das
Christentum; und diese Diskrepanz ist nun gerade für die Frage aufschluß-
reich. wie Kählers Metapherngebrauch mit seiner Wahrnehmung des Ju-
denlums zusammenhängt. In der Bedeutung der eschatologischen Meta-
phern als bald Ewigkeit, bald Christentum spiegelt sich ja die Unterschei-
dung der Menschheirsreligion von der positiven Religion (auch der positi-
ven Religion Christentum), also jene Unterscheidung. die Kählers Pointe
bei der Frage nach der Wahrnehmung des Judentums ausmacht 192 Wie fein
diese Pointe und wie zart jener Unterschied ist, zeigt sich auch bei der
Analyse von Kählers Metaphorik. die eben diese Finessen umspielt.
I. Fluß und Meer. In Kählers grundlegendem Eschatologievonrag von
1867 etwa erfahren die den ganzen Text durchziehenden Metaphern "Fluß"
und .. Meer" einige Nuancierungen, die exakt den Gedankengang des Vor-
trags wiedergeben: Stets bedeuten beide Fortschritt bzw. Ewigkeit; doch
während sie als Gegensatz eingeführt werden (wie der antithetische Auf-
satztitel es auch nahelegt). wird die Metaphorik bald durch das Bild der
Mündung erweitert. die eine Verbindung beider als Überfließen des Fort-
schritts in die Ewigkeit suggeriert. Als Quelle dieses Überflusses erweist
sich jedoch dessen Ziel, also das Meer, wenn zuletzt in einer Inclusio mit
dem Begriffspaar vom Anfang das Meer hervorgehoben wird. in dem kein

191 S. bei S. 168 Anm. 152(. zur Mcnschhc:ilmligion und zur Wc:llordnung.
192 S. Kap. IV.1.2, hic:t" S. 159-168.
180 Zweiler Teil

"Tröpnein" - d.h. doch wohl: des speisenden Flusses - verloren iSl. 193 Sinn
der gesamten Metaphorik ist also von diesem Ende her. die Ewigkeit als
l94
Grund des Fortschritts zu markieren.
2. Sirah/ und Sonne. In demselben Sinne gebraucht KähJer in diesem
Vortrag auch die aus der Christologie allbekannte Metapher des Strahls und
der ihn erst hervorbringenden Sonne, um das Verhältnis des Fortschritts zu
Christus auszudrücken, und zwar zur Geschichte Christi. die sich von sei-
nem Erdenleben aus auf die Ewigkeit erstreekt. 195 Besonders im Vergleich
mit dem Bemer Theologen und Schüler von Kählers Weggenossen
H. CremeT, W. Hadom, der dasselbe Bild für die eschatologische Wahr-
nehmung des Judentums gebraucht, wird kenntlich, daß die Sonne für
Kähler den Christus der Parusie, also die Ewigkeit bedeutet, und nicht etwa
bloß den historischen Christus (während Hadom hier auf das Christentum
als positive Religion Bezug nimmt).I96
3. Puppe und Schmelterling. Freilich bedeutet zuweilen auch bei Kähler
die Ewigkeitsmetaphorik das Christentum. So steht in seinem universalge-
schichtlichen Versuch "Der Gang der Menschheit" das Bild des Schmetter-
lings (Falters) einmal ausdrücklich für die "kirchliche Culturmission'" die
zunächst das Judentum und dann die klassische Antike verwandeh habe, die
dann als "Puppe" bzw. .,Leichnam" bezeichnet werden. Wenn zwar auch
hier dem Sinne nach nicht an ein bloßes Entwicklungsschema gedacht ist -
die Entsprechung zwischen ..Puppe" und "Leichnam"197 suggeriert hier
doch zu sehr Abbruch -, so ist hier jedenfalls das historische Christentum
als Gipfel der Universalgeschichte gedacht 198 - anders als in dem Aufsatz
,.Mit Christo auferweckt sein". wo dieselbe Metaphorik festhäll. Christus
der Erhöhte sei im Vergleich zum Irdischen nicht einfach der ,.Schmener-
ling, wenn er das verdeckende Puppenkleid abgestreift har,:'99 Kähler sieht
hier vorbehaltlich des Christus der Parusie anscheinend keine Entwick-

193 KAHLER 11867] (1913) 170 zur Mündung; a.a.O. 193 bzw. 3.a.O. 167 zur Inclusio.
194 Ebenso OERS. (1896) 496. wenn es heißt. die - freilich eschatologisch begründete - •.Ent-
wicklung der Menschheir' trage als ein Strom •.die Schiffe zum Meere" eines silllichen Gesamt-
zieles,
195 DERS. 118671 (1913) 188: ••Was wir heute als die erhabensten Ideen der Humanität preisen.
es sind nur Strahlen jener Sonne. welche der Welt am See Geneureth aufging und auf Golgatha
nur scheinbar erlosch. um vom OstemlOrgen ab mit unwandelbarer Klarhc:il zu leuchten."
196 HAOORN (1914) 37.
197 KOEPP (1921) 35 wird das Judentum wegen seines Konzepts von E....igkeit als ..Mumie"
bezeichnen. so Eigenschaften von Puppe und Leichnam verbindend.
198 Zilate KAlUn 119061 (1913) 203. dessen Rede von Kulturmission seinem MissK>ns,'er-
slindnis wtdersprichl.
I99DERs.(I906) 180.
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IV. Martin Kählers mcssianisch-solerologische Eschatologie 181

lungslinie, die vom Irdischen zum Auferweckten führt, genauso wenig also
auch vorn irdischen Menschen zum Mitauferweckten (worum es dem Auf~
salzlitel nach ja geht), sondern er macht hier vielmehr einen nur von Gottes
Zukunft her bestehenden Zusammenhang gehend. Darin zeigt sich wieder~
um sein Konzept von Eschatologie im Unterschied zur Auffassung etwa des
Serner Reformierten E. GÜder. der zur Verdeutlichung seiner Unterschei~
dung von vier Lebensständen Christi die Abfolge von Ei, Raupe, Puppe und
Schmetterling als naturhafte Entwicklung heranzieht. 200
4. Keim und Frucht. Besonders verbreitet und am unmittelbarsten der
Naturbeobachtung angelehnt scheint aber die Metaphorik von Keim und
Frucht. Mit ihr erläutert Kähler in Ausführung seiner These von der ge~
schichtsstiftenden Kraft der Eschatologie 1896 den Lehrsatz von der Sünd~
haftigkeit der ungetauflen Neugeborenen: Hier werde der "Keim schon an
der voll ausgetragenen Fruchl,,201 gemessen. In diesem Fall erhellt der Zu·
sammenhang von Sinn und Bedeutung besonders klar Kählers Metaphern-
gebrauch, denn indem die Frucht hier das Endgericht und den ewigen Tod
bedeutet und zudem der ganze Satz zur Entfaltung der These vom Vorrang
der Eschatologie vor der Geschichte dient, ist klar, daß sein Sinn ist, den
natürlichen Wachstumsprozeß, der vom Keim zur Frucht geht, zu durch·
kreuzen. Und dies trifft ja gerade im Falle des Keimes, der die Erbsünde
bedeutet, wiederum genau den theologischen Sinn, denn wenn die dogmatj~
sche Tradition die Erbsünde bevorzugt mit botanischem Bildmaterial be~
schreibt, dann ja als die Wurzel eines mit Stumpf und Stiel auszurollenden
M I"ß wuc hses. '02
Kähler kann dieses neuartige Verständnis der Metaphorik von Keim und
Frucht daher auch mit der "Aufstellung von Typus und Antitypus" gleich~
setzen, um klarwmachen, daß das Verhältnis, in dem Jesus zum Alten Te-
stament steht, kein naturhafter Enlwicklungsprozeß ist, sondern ein Ver-
wachsensein. 203 Gerade in diesem Ausdruck, der nicht nur gegenseitige
Durchdringung, sondern auch Mißbildung besagen kann, kommt zur Spra-

200 GODER (1853) 355 in dem Bestreben. den Zwischenzustand zwischen Diesseits (Ei) und
Jenseits (Schmetterling) soteriologisch auf Christus anzuwenden. was einen diesseitigen und einen
jenseiligen ZwischenZUSland. also den Erdenwandel vor Himllleifahn (Puppe) und die Höllenfahn
(Raupe) annehmen läßt (a.a.O. 346).
20 I KÄIIL...ER (1896) 503.
202 So FC SO 1.5 (BSLK 846.95) und besonders die Rede vorn Zunder. also bereits abgebro.-
chenem und vcrdomem Gehölz: AC 11.1 (BSLK 148.21 mit den scholastischen Belegen ebd.
Anm. I).
203 Zila! KÄItLER (18961 (1965) 46 neben dem umstriuenen Beispiel Hir geschichtlictlCS Den-
ken ..im großen Stil". der Reichsgrundung von 1871. Zum Vcrwachsensein vgl. a.a.O. 33.42;
oeRS. (1906) 182.
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182 Zweiter Teil

che. daß Kähler die Wachslumsmetaphorik nur per nefas gebraucht. um ihr
seine Vorstellung einer eschatologisch begründeten Entwicklung aufzuprä-
gen.
Der Grund für diesen so unnatürlichen, ja unphysiologischen Meta·
pherngebrauch könnte schlicht und einfach in Kählers Bibellektüre liegen.
Denn liest man das Gleichnis vom vierfachen Acker. das als altkirchliches
Evangelium zu Sexagesimä zugleich der locus c1assicus der Metaphorik
von Keim und Frucht ist, so hat man in den vier ausgeführten Szenen ja
weder ein "Wachstumsgleichnis" im eigentlichen Sinne vor Augen noch
eine Typologie menschlicher Herzensbeschaffenheit. sondern dem Be-
trachter bietet sich eine Saat· und Emtesaison im Zeitraffer dar. bei der bis
zur Ernte ein Teil der Saat nach dem anderen vergeht, so daß man aufgrund
der Zeitphänomenologie dieses Gleichnisses204 also tatsächlich sagen kann,
erst die Ernte selbst - also die Frucht - erhalte den Keim am Wachstum.
Mit solch eschatologischem Sinn dieser Metaphern korrespondiert dann
auch ihre bei Kähler allermeist eschatologische Bedeuwng, m.a.W. wo die
Metapher zwar eschatologischen Sinn, aber keine eschatologische Bedeu-
tung hat, da liegt ein Hinweis auf ein dem theologischen Konzept innewoh-
nendes Problem. da kann das sprachliche Potential der Metapher wieder
zum Schematischen erstarren und die Metapher zum Wahrnehmungssche-
ma werden. Und im Falle Kählers zeigten die Beispiele. daß immer dann.
wenn mit den eschatologisch gemeinten Metaphern auf das Christentum als
positive Religion referiert wurde. eine Abwertung des Judentums zur blo-
ßen Vorstufe damit verbunden war. 205 während da, wo die Metaphorik in
Sinn und Bedeutung eschatologischen Charakter hat. wo also der Unter-
schied zwischen Christentum und MenschheilSreligion gewahrt bleibt,
Kählers größtes Potential für eine Erneuerung christlicher TheOlogie in ih-
rem Verhältnis zum Judentum liegt. 206
In Kählers Metapherngebrauch bündelt sich also zum einen sein gesam-
tes eschatologisches Konzept, und zum anderen wird hier zugleich die Be-

204 Zuerst vergeht der Teil auf dem Weg (noch vor dem Aufgehen), dann der auf dem Slein
(,,sofort" nach dem Aufgehen), dann der unter den Domen (nach deren Mitaufgehen). Vgl. Micha-
el WOLTER. Interaklive Erzählungen. Wie aus Geschichten Gleichnisse werden und was Jesu
Gleichnisse mit ihren Hörern machen, in: GILem 13 (1998) 120-134, 132.
205 S. bei S. 177 Anm. 183.
206 KÄIIL.ER kann in Abwandlung der Melliphorik von Keim und Frucht auch da.<; Schema von
Frucht und Schale so eschalologisch akzentuieren, daß sein verbreiteter Unterton gegen das (ver-
meinllich schalenhafl äußerliche) Judentum wegfallt: DEkS. (1906) 188 vergleichl das Leben der
Getauften mit einem österlichen Keim, der solange nicht beherrschend sei, wie die Christen ihr
altes Wesen noch nichl wie eine Schale abgestoßen hätten: Hier ist (alles) Wl!'St'n Schale!
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IV. Martin Kählers messianisch-solerologische EschalOlogie 183

deutung dieses Ansatzes für die Frage nach der Wahrnehmung des Juden-
I"h'·'
rums kenntlC .

3" Problemgeschichtlicher Ertrag

I. Das Problem der Mellschheitsdimellsion. Kählers Entwurf der Es-


chatologie fußt auf einem Konzept von Ewigkeit, die allein Grund und
Grenze geschichtlichen Fortschritts ist: Alleiniger Grund des Fortschritts ist
sie im Gegensatz zu dessen progreßoptimistischer, liberaler Begründung auf
dem transzendierenden Potential von Geschichte; seine alleinige Grenze ist
sie im Gegensatz zu seiner skeptischen Begrenzung durch das Reich der
Sünde. die zugleich eine Begrenzung auf ein Reich der Zwecke ist; diese
können dann (wie bei Ritschl) auch ohne ihre Verwirklichung die sündige
208
Gemeinde heiligen. Kähler kann so in seinem grundlegenden Vortrag
von 1867 neben dem sinlichen Fortschreiten des Einzelnen einen überindi-
viduellen Fortschritt denken, der weder (kausalistisch) bloße Entfaltung von
Anlagen noch (rein teleologisch) Heiligung diesseitiger Mittel durch einen
jenseitigen Zweck ist. Dabei besteht der kritische Punkt darin, daß die
Ewigkeit, um einen geschichtlichen Fortschritt begründen zu können, selbst
geschichtlich werden muß, ohne ihren ewigen Charakter aufzugeben, ohne
den sie nicht Grenze des Fortschritrs sein könnte. Kähler bearbeitet dieses
Problem mit seinem Konzept des Übergeschichllichen. Die Schwierigkeit
dieses vielfach thematisierten Schlüsselbegriffs in Kählers Denken ist die
Frage. welches Phänomen damit bezeichnet sein soll. In seinem eher wenig
erforschten Vortrag von 1867 sagt Kähler es so: Die ewige Religion erweist
sich selbst als geschichtliche Erscheinung. Unsere Analysen zu Kählers im-
pliziter Wahrnehmung des Judentums ergaben, daß der entscheidende Punkt
bei Kählers Zuordnung der Ewigkeit zur Geschichte als dem Fortschritt zu
ihr tatsächlich in der Differenzierung lwischen geschichtlichem Christen-

207 ErheiJend ist ein Abschniu der noch unpubJizienen AJtersvorlesung. KÄIII..fR 1191 tl J6f.:
..Freilich sagten wir eben; die Erflillung habe erst klBr gemacht. was Bn der Vorhersagung Bild und
was Ding sei. Das ist eine andere Wendung dBfilr: nicht die Juden haben die Erfüllung gebracht.
sondem der sich offenbBrende Gotl. Wie unser Christentum nicht dllS geschichtliche Ergebnis des
Zusammenwachsens von Judenlum und Heidentum iSI. sondern wie es rur die Apostel durchaus in
das Bewußtsein trat: Neuschöpfung. koine k,üis. - so wird auch unser christliches Leben nicht zur
Vollendung kommen könntn ohne ein neues Eingreifen. eine neue TBt GOlles. Wir erwarten und
dürfen und soJlen erwanen große Taten Goues. welche dic Vollendung bringen. die aus Unserem
einfach nicht hervorgehen:'
208 Zu der doppelten Positionierung gegenüber liberaler Theologie und Ritschi s. Ellkurs 4 (5.
l44ff.).
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184 Zweiler Teil

turn und seiner erhofften ewigen Zukunftsgestalt zu finden ist. Hier stießen
wir in der Apologetik innerhalb der "Wissenschaft der christlichen Lehre"
auf das Konzept der Menschheitsreligion, die das Christentum seiner Hoff-
nung für die eigene Zukunft gegenüberstellt. Die eigene ZukunJtshoffnllfig
tritt dem Christentum also als etwas Fremdes gegenüber lind venveist es so
an eine andere, nämlich jüdische, Gestalt von Hoffnung auf dieselbe Zu-
kunft. Schon diese Erwägungen zeigen, daß der Begriff der Menschheitsre-
ligion bei Kähler eine wichtige mögliche Fragestellung evangelischer Es-
chatologie im Gespräch mit dem Judentum ist, denn die hier geschilderte
Konstellation erinnert an F. Rosenzweigs Vorstellung eines Dialogs von
Judentum und Christentum, in dem beide Seiten aufeinander gespannt sind
in der gegensätzlichen Ausrichtung auf dieselbe ewige Zukunft. 209 Daneben
aber ist der Begriff der Menschheitsreligion in sich ein Anknüpfungspunkt
für die jüdische Gesprächslage der Zeit, denn gerade die im ersten Teil die-
ser Untersuchung vorgestellten L. Baeck und H. Cohen verstanden das Ju-
dentum als sittliche Menschheitsreligion. 2LO Darin erblickten beide Autoren
den missionarischen (so besonders Baeck) und messianischen (so besonders
Cohen) Charakter des Judentums, und in vergleichbarer Weise ist Kählers
Verständnis der Menschheitsreligion gekoppelt mit seinem Missionsver-
ständnis und seinem Konzept von Soterologie, also Messiaslehre.
Die entscheidende Frage ist freilich, wie der Begriff der Menschheit je-
weils gebildet wird. Und hier scheinen charakteristische Unterschiede zu
bestehen. Cohen sieht das Spezifikum seines Religionskonzeptes gegenüber
dem Idealismus darin, daß es den Einzelnen nicht nur als Exemplar des All-
gemeinen in den Blick nimmt, sondern am logisch dazwischenliegenden
Begriff der Mehrheit den Einzelnen in seiner Eigenheit erfaßt, und zwar am
Mitmenschen (spätere jüdische Philosophie prägt hier den Begriff der An-
derheit). Auch Kähler grenzt sich von idealistischer Verrechnung des Ein-
zelnen mit dem Ganzen ab und betont den Eigenanteil des Einzelnen, ohne
jedoch einen spezifischen Begriff des Mitmenschen zu prägen. Dies dürfte
mit der Eigenart von Kählers Begriffsbildung zusammenhängen, die wir im
analytischen Abschnitt dieses Kapitels als eschatologische Begriffsbildung
rekonstruiert haben?" Dabei wurde schon die Bedeutsamkeit eines solchen
begrifflichen Verfahrens gerade im Unterschied zum idealistischen kennt-
lich. Das Konzept der Menschheit macht den Unterschied freilich noch auf-
falliger, worauf der Rabbiner Max Wiener 1928 hingewiesen hat: Demnach

209 5. Kap. 1.3, hier S. 34-37.


2105. Kap. 1.3, hier S. 31-34.
211 S. bei S. 168 Anm. 153.
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IV. Manin Kählers messianisch-soterologische Eschatologie t 85

kann die menschheitliche Dimension des Messianismus entweder aus dem


"Inhalt der messianischen Erwartung" gewonnen werden oder aus der "uni-
versaJistischen Tendenz der Messiasidee", ihrem geschichtsantreibenden
Potential; in jenem Falte bleibt "die Sonderstellung Israels",212 gerade weil
von der Zukunftserwartung aus argumentiert wird, erhalten, im andem Fall
wird sie im Laufe der geschichtlichen Entwicklung eingeschmolzen. 21 )
Wieners Einwand (der sich gegen die Tradition Cohens richtet) läßt das
Profil von Kählers Menschheitsbegriff klar werden: Kähler zielt nicht auf
eine Amalgamierung der einzelnen Religionen; seine Vorstellung einer sitt-
lichen Menschheitsreligion ist kein Projekt Weltethos, sondern im Sinne
von Kählers Ewigkeitsbegriff eine Projekten und Projektionen unzugängli-
che Zukunft, die von sich aus in die Zeit und Geschichte "hineinragt". Die
Menschheit als Reichweite dieser Eschatologie ist also nicht schon gege-
ben, sondern selbst Gegenstand der Hoffnung. Wer also in der Eschatologie
von der Menschheit spricht, sagt damit aus, was Gott zu lun verheißt. Die
menschheitliche Dimension der Eschatologie ist für Kähler selbst es-
chatologisch, und dementsprechend hat auch der begriffliche Rahmen sei-
ner Eschatologie wissenschaftliche Aussagekraft nur in eschatologischer
Hinsicht, und dies ist auch Kählers Gellungsanspruch. Die Begriffe und
Parameter der Theologie sind im Anschluß an Kähler also nicht als Propä-
dcutik zu verstehen, sondern sie eröffnen den Raum, innerhalb dessen der
wissenschaftliche Diskurs Verständigung erzielen kann über die Geltung
theologischer Sätze. Die Begriffe der Theologie haben so zukunftsöffnen-
den Charakter. 214 Wissenschaftliche Geltungsanspruche von Theologie set-
zen deshalb Einvernehmen über die Reichweilc von Hoffnung voraus.
Theologie ist so in wissenschaftstheoretischer Hinsicht Eschatologie.
Die BedeulUng eines derartigen Menschheitskonzeptes für das Gespräch
mit dem Judentum liegt auf der Hand. da es die jeweiligen Traditionen von
Christen und Juden nicht aufiösl, sondern auf ihre gemeinsame, wenn auch
nicht gleiche, Zukunft hin kritisch erhäll und zugleich aneinander verweis!.
Die Frage der menschheitlichen Dimension der Eschatologie und ihrer
Gellungsansprüche ist also ein wichtiges Thema der Eschatologie gerade als
Revision der eigenen Tradition hinsichtlich ihres Verhältnisses zu anderen
Traditionen.

212 Zitate WIENER (1928) 155.


213 Eine interess:lnte Zwischcnstetlung vertrill in seiner Eschatologie KaHLER (1910) 235:
Einzelner Mensch und Menschheit stehen in einer we<:hselscitigen sintichen Verpflichtung. so daß
nur der sillJich handelnde Einzelne Anteil an der Menschheit haI. Hier dürfte Kants sog. morali-
scher Gottesbeweis Einfluß genommen haben.
214 Zu diesem Verständnis theologischer Begrifnichkeit $. bei S. 82 Anm. 13.
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186 ZweilerTeil

2. Das Problem geschichtlicher Gestaltwerdung. Mit den vorstehenden


Überlegungen zur Menschheitsreligion ist zwar das Phänomen benannt,
welches der Begriff des Übergeschichtlichen bezeichnet; seine Funktion
bedarf jedoch noch weiterer Klärung. Bislang wurde sie lediglich so be-
stimmt, daß das Übergeschichtliche eine nichtgeschichtliche Größe ist, die
jedoch in einem geschichtlichen Verhältnis zur Geschichte steht. Wenn nun
laut dem vorigen Punkt dieses Abschnitts das Übergeschichtliche die zu-
künftig erhoffte Menschheilsreligion in ihrer charakteristischen Differen-
ziertheil vom geschichtlichen Christentum ist, so heißt das für die hier in
Rede stehende Funktion des Ubergeschichtlichen, daß sie das Verhältnis
der Zukunftserwartung des Christentums zu seiner geschichtlichen Gestalt
angibt. M.a.W. das Übergeschichtliche sagt, worauf gehofft wird, und gibt
damit zugleich an, wofür gehofft wird. Dies ist die Frage, wie die Zukunfts-
hoffnung in der geschichtlichen Wirklichkeit Gestalt gewinnt; die Frage,
wo und wie Menschen Gottes verheißendes Handeln erfahren. 215
Es ist besonders diese Frage nach der geSChichtlichen Gestahwerdung
von Hoffnung, die in der Forschung immer wieder als Kennzeichen des
Messianismus angeführt und mit dem Alten Testament verbunden wurde. 216
Die Analyse von Kählers Eschatologiekonzept ergab nun, daß er solche
Gestaltwerdung von Zukunftshoffnung als Konkretion im Sinne seines es-
chatologischen Grundkonzepts versteht: 217 Konkretion ist demnach eine
Hoffnungsperspektive auf den Zusammenhang christlicher Zukunftserwar-
tung mit der jüdischen in der Zukunft desselben Gottes. Geschichtliche
Konkretion ist diese Konkretion dadurch, daß sie in einer durchgehenden,
doch gegliederten Geschichte ..vom Protevangelium bis zum Herrentage,,218
steht, wie es Kählers Verständnis von Geschichtlichkeit besagt. Geschicht-
liche Konkretion von Zukunftshoffnung heißt demnach für Kähler fomlal
gesprochen, die geschichtlichen Lebensumstände, unter denen sich christli-
che Hoffnung artikuliert, auf die ewige Zukunft des kommenden Gottes zu
beziehen. Geschichte ist also für Kähler ein Relationsbegriff, nämlich in
Relation zum Übergeschichtlichen stehend.
Dieser relationale Geschichtsbegriff ist zu unterscheiden von einem rela-
tivistischen Geschichtsbegriff, den H.-G. Link bei KähJer ausgemacht hat.

215 Dieser Frage nach der Erfahrung des Glaubens widme! sich fUr Kähler v.a. die Dissenalion
...on MENCKE (2001).
216 S. Kap. 1.1, hier S. 19f., ....8. bei Anm. 25.
217 S. bei S. 168 Anm. 155 bzw. S. 174 Anm. 175.
218 Manin K.AHLER. Das schriflgemäße Bekenntnis zum GeiSIe Chrisli (18841. in; dcrs.. An-
gewandte Dogmen (Dogmatische Zeitfragen. Allc und neue AusfUhrungcn zur WiSSCl15Chafl der
christlichen l...t:hre. 2. AuO.. Bd. 11), l...t:ipzig 1908. 193-233,222.
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IV. Martin Kühlers mcssianisch-solerologische Eschatologie 187

Demnach führt Kählers Einspruch gegen das idealistische Denken zu einem


,.wahrhaft geschichllichen Denken". dessen Merkmal es ist. daß es gerade
die Bruchstücke und Widerständigkeilen geschichtlichen Lebens ..positiv
aufgreift und zu einer Theologie der vollzogenen. verkündigten und verhei-
ßenen Versöhnung verarbeitet". wie Link zu Kählers Verteidigung des hi-
storischen Jesus gegen A. v. Hamack bemerkt. 219 Das Spannungsfeld dieser
beiden Verständnisse von Gestaltwerdung der Hoffnung hat Ignaz May-
baum, der später besonders zur Shoa eine jüdische Stimme erhob. 1928 in
einem kurzen. doch vielschichtigen Aufsatz durch die Gegenüberstellung
von geschichtlichem und eschatologischem Messianismus deutlich ge-
macht. Beide Gestalten haben demnach lebenswehliche Auswirkungen. der
geschichtliche Messianismus eher durch ..praktische Forderung". der es-
chatologische dagegen als ..Appell an das Wunder", das...wenn es einmal
geschehen ist, den Rahmen der Geschichte gesprengt hat". Maybaum selbst
plädiert für eine Verbindung beider. d.h. der eschatologische Messianismus
"gehört in das Gotteshaus", wird aber in ..die Welt hinaustretend" zum ge-
schichtlichen Messianismus. 2M In dieser Tenninologie wird der Abstand
Links zu Kähler sichtbar: Links Konzeption erscheint als Versuch. die
Sprengkraft des eschatologischen Messianismus in den geschichtlichen her-
überzuziehen. während Kähler bestrebt ist. den geschichtlichen Messianis-
mus in die religiöse Dimension des eschatologischen aufzunehmen. In je-
dem Falle erweist sich so der Messianismus als vielschichtiger. denn seine
schematische Wahrnehmung als Paradigma der tätigen sozialen Gestaltung
von Zukunft erwanen läßt. Nicht nur das Geschichtsverständnis. in dessen
Tradition Link steht, kann sich messianisch nennen, sondern auch Kählers
eschatologisches Konzept hat deutliche Verbindungen zu Gestalten von
jüdischem Messianismus,221 weswegen es im vorliegenden Kapitel als mes-
sianisch-sotcrologische Eschatologie überschrieben wurde. Somit nötigt
KähJers Verständnis geschichtlicher Konkretion der Eschatologie dazu, das
Konzept des Messianismus in einem umfassenderen Sinne zu verslehen.

219 Zilate LINK (1975) 391. Links gesamte Kählerinterpretation fußI auf der Unterscheidung
einer ersten idealistischen Elappe. in der Kiihler bei der Zuordnung von Glaube und Geschichte
dem TOInlvermilllungsanspruch des Hegel'schen Idealismus erlegen sei, von einer spälen chrislo-
logischen, in der die Zuwendung des Glaubens zum positiv Gcschichllichen angebahnt werde.
Dazwischen liege eine Übergangsphase, in der Kählcr Geschichte und Glnuben schroff gelrennl
habe. Link folgl hier. wie SCHMIO (1918) 449f. richtig angemerkt hai, dem GeschichLSvefSländnis
5(ines Le~rs J. Moltmann.
220 ulale MA YBAUM (1928) 111.112.113.113.113.
221 S. S. 20 Anm. 25 zu G. Scholcm Verständnis der rdig~n Dimension von Messianis·
mus. Kihlers Messianismus zieh $0 auch auf eine: Überwindung von Cohcns Altemalive von
EschalOlogie und Messianismus (s. Kap. 1.3, hier S. 34).
188 Zweiter Teil

Dann aber ist das Problem geschichtlicher Gestaltwerdung ein Thema, das
für die Eschatologie im Gespräch mit dem Judentum wichtig ist.
3. Das Problem metaphorischer Rede. Der vorige Punkt wies auf ein
Problem hin. das die Interpretation Kählers nicht unwesentlich erschwen:
Kähler gebraucht Begriffe in einem sehr speziellen - für die vorliegenden
Beispiele könnte man sagen: eschatologischen - Sinne. der quer zur Be·
griffsgeschichte liegt Dies gilt nicht nur für sein Verständnis von Ge-
schichtlichkeit, sondern auch für das der Konkretion. Dieser Tenninus
tauchte in seinen eschatologischen Schriften zwar nicht an prominenter
Stelle auf, wohl aber hat die deutsche Übersetzung des lateinischen Wortes
als ..Zusammenwachsen" herausragende Bedeutung. 222 Die Sichtung von
Kählers Gebrauch der Wahrnehmungsschemata ergab ja. daß er für zentrale
Gedanken seines Eschatologiekonzepts Metaphern heranzieht, die Natur-
wüchsigkeit suggerieren. um sie dann gegen den Strich zu bürsten. Der Ge-
brauch von Bildern in der Eschatologie wäre im Sinne von Kählers Konzept
also keinesfalls der Beliebigkeit überlassen und auch nicht auf die Aufgabe
zu beschränken, einen feststehenden theoretischen Gehalt nachträglich pla-
stisch werden zu lassen. Vielmehr ist die Frage des eschatologischen Bild-
gebrauchs eine direkte Fonflihrung der Frage nach der konkreten Gestalt.
welche die Zukunftshoffnung in der geschichtlichen Lebenswelt findet
Kähler behandeh daher auch diese Frage in Enrsprechung zu seinem ganzen
Eschatologiekonzept, und sie ist denn auch einschlägig für die es-
chatologische Wahrnehmung des Judentums. denn an ihr hängt in besonde-
rem Maße der Umgang mit den alttestamentlichen und frühjüdischen Tra-
ditionsmateriaJien, die in die chrislliche Eschatologie Eingang fanden.
Kählers eigener Gebrauch eschatologischer Metaphern ist zudem ebenso
geprägt vom Umgang mit den biblischen Texten.22J Das Problem der Meta-
phorik bündelt sich somit in der Frage, welche Bedeutung die Bibel für die
Eschatologie hat. und zwar gerade auch eingedenk dessen, daß der für diese
Metaphorik einschlägigere. alttestamentliche Teil der Bibel auch von Juden
als religiös autoritativer Text gelesen wird.
Mit diesen drei Themen ist Kählers Konzeption in problemgeschichtli-
cher Hinsicht sehr ergiebig für eine christliche Eschatologie im Gespräch
mit dem Judentum. Aber auch auf die Eschatologiegeschichte im engeren
Sinne fällt durch dieses Verständnis von Kählers Ausftihrungen ein anderes
Licht:

222 S. Kap. IV. 1.2. hier $.168-174 und bei S. 168 ARm. 152.
223 S. S. 182 Anm. 204.
IV. Martin Kählers mcssianisch-soterologische Eschalologie 189

Exkurs 6: Theologiegeschichl1iche Kontexte von Kählers Eschatologie

I. Kählers R~zeption durch die K~rygmatheologie. Die vorstehende Analyse erwies


den Gedanken des Übergeschichtlichen als zentral für Kählers Eschatologie. Im Kon·
zepl des Übergeschichtlichen ist die Verbindung von Geschichte und Eschatologie.
die geschichtliche Dimension der Eschatologie auf den Begriff gebracht; man könnte
zuspilzend sagen. daß Übergeschichtlkhes und Eschatologisches rur Kähler Wech-
selbegriffe sind.
Sie sind es jedoch nicht in dem Sinne. wie ab 1953 im Streit der Bultmannschule
um den "hislOrischen Jesus" Kählers Konzept des Übergeschichtlichen als eschatolo-
gisch reklamiert wurde. 224 In diesem Streit bemühten die Kombattanten Kählers 1892
gedruckten Vortrag über den historischen Jesus als Beleg fur die Trennung von empi·
rischer Historie und kerygmatischer Geschichte. Als Minelbegriff wurde dabei das
Kerygma herangezogen. Dies schien berechtigt aufgrund einer Passage des Vortrags.
die Jesu Geschichtiichkeit erklärt mit "seiner bleibenden Fortwirkung", die ..der
Glaube seiner Jünger" ist. so daß Kähler zu der These gelangt ..der wirkliche Chri-
stus ist der gepredigte Christus.. ?2j
Wenn nun H. Leipold "das Übergeschichtliche oder Eschatologische" bei Kähler
unter diesen Voraussetzungen synonym findet. läßt er dessen Konzept des Überge-
schichtlichen kongruieren mit dem Begriff des Eschatologischen bei Buhmann -
nicht bei Kähler selbst.226 Denn was Kähler selbst das Eschatologische nennt, deckt
sich nicht mit dem. was Buhmann als Kerygma kennt. Kerygma bedeutet fLir Buh-
mann. daß das Existential in die Existenz hineinragt. indem eine allgemeine Exi-
slcnzmöglichkeit als die eigene ergriffen wird. Eine solche Möglichkeitsstruktur ist
aber genau das. was Kähler als Untergeschichtliches definiert. während Eschatologie
für ihn das Hineinragen des Übergeschichtlichen ins Geschichtliche bezeichnet.221
Komplementär dazu verhält sich H.·G. Links Interpretation von Kähler. die in
dessen Vonrag von 1892 hinter dem Konzept des Übergeschichilichen zeillos gültige
Ideen vennutel. Auch solche 7.ählen rur Kähler ja nicht zum ÜbergeschichIlichen.
freilich auch nicht zum Untergeschichtlichen. sondern zum Ungeschichtlichen. 128

224 Der Streit wurde 19.51 durch E. Kllscmann in der .,Zeitschrift rur Theologie und Kirche"
ausgelöst. 19.53 und erweitert 19.56 gab E. Wolf Kählers Schrift Uber den ..historischen Jesus" neu
heraus.
22.5 Zitate aus dem VOl1rag: KÄIILf.R (1892) 37.39.44 (alle Hervorhebungen aufgehoben).
226 Zitat UIPOLD (1962) 161, der a.3.0. t39 ausdrück.lich Buhmann her1lIlzieht. nachdem er
a_a.O. 132r. rur Kähler Eschalologie und Kerygma ineinander übergehen läßI.
227 Z.O. Rudolf BULTMANN. Das Problem der Hermeneulik. 119501. in: ders.• GuV 11. Tübin-
gen s 1968. 211-23.5. hier 221.228.230. Dagegen KÄHlH. (1905) 12f. (§ 12a).
228 Vgl. Lt"iK (197.5) 250. der die kerygmalheologischc Kihlerdeulung überwinden will. sie
rur den Vonntg von 1892 aber übernimm!. da er diesen a.a.O. 267 rur einen .Jheo~ischen Bc-
lriebsunfaH- hält. mil dem Kähler •.mehr die Probleme seiner eigenen theologischen Vergangen-
heit" (1_1.0. 264 AnnL 4(9) aufartx:ile_ Link beharrt so danluf. d:ts (emmal$ von ihm geskhlete)
hiSlor1SChc Material zu Kähler rein biographisch anSIau zur theologiegeschichllichen SilUierung zu
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190 Zweiter Teil

Das Problem der ganzen Kählerrezeption in der Auseinandersetzung mit Bult-


mann 229 ist also, daß zwischen Geschichtlichem und Übergeschichtlichem nicht hin-
reichend unterschieden und damit auch der spezifische ZUsammenhang beider nicht
getroffen wird, der sich uns gerade als die Pointe von Kählers Eschatologie erwies.
Damit aber verliert die eschatologiegeschichlliche Behauptung einer Magistrale von
J. Weiß' und A. Schweilzers Wiederentdeckung der Eschatologie über Kählers ..Hi·
storischen Jesus" zum dialektisch-theologischen Aufschwung der Eschatologie am
Beginn des 20. Jh. 23o eine wichtige Stütze. Es fragt sich, wie es im Lichte der hier
vorgelegten Kähleranalyse um die andere Stütze steht, die Konsequente Eschatologie:
2. Zur Wahmehmung des Judentums i" der Konsequenten Eschatologie. Ein
wichtiges Charakteristikum von Kählers Eschatologie ist nach den vorstehenden
Analysen sein Verständnis von Metaphorik, das ihm eine Rezeplion des alttestament-
lichen Kolorits von Eschatologie. ihrer Vorstellungen und Bilder erlaubt. ohne den
KUJ7.SChlüssen der Heilsgeschichtlichen Theologie aufzusitzen. Dies legt den Ver-
gleich mit der sog. Konsequenten Eschatologie nahe, die ebenfalls die Bedeutung der
antikjüdischen Vorstellungswelt hervorhebt. Daß Jesu Verkündigung eins mit der
sog. Naherwartung, der apokalyptischen Erwartung des zeitgenössischen Judentums
von Gottes baldiger Beendigung des Weltlaufs, ist: diese Erkenntnis sichert Johannes
Weiß und. ihm folgend, ALBERT SCHWElTZER ihren bleibenden Platz in der Es-
chatologiegeschichte. Dabei betont Schweitzer, daß die jüdische Fonn der neutesta-
mentJichen Eschatologie nicht von ihrem lnhalt zu trennen sei: .,Es ist der Geschichte
nicht gegeben. das Bleibende und Ewige des Wesens Jesu von den geschichtlichen
Fonnen. in denen es sich ausgewirkt hat, abzulösen und es als etwas lebendig Wir·
kendes in unsere Welt hineinzustellen. Sie hat sich vergebens mit diesem Beginnen
abgemüht. Wie eine Wasserpnanze, solang sie auf dem Wasser treibt. schön blühet,
aber abgerissen von ihrem Grunde alsbald welk und unkenntlich wird: so der histori·
sehe Jesus. den man von dem Boden der Eschatologie loslöst und historisch als zeit-
lose Größe begreifen will." Und sein Schüler in zweiter Generation. FR1TZ BURI. er-
klärt bündig: ..Das neue Testament weiß nichts von einer Unterscheidung von Fonn
und Inhalt. sondern die Naherwartung in ihrer endgeschichtlichen Fonn bildet den
Inhalt des neuen Testaments:,2J1 Dennoch zieht die Konsequente Eschatologie aus
dieser exegetischen Einsicht die dogmatische Konsequenz. rur eine gegenwärtige Es-

verwenden. Auch die Forderung nach einem hüischen Vergleich der zwci Auflagen des Vortrags
(a.a.O. 266f. mit Anm. 424.427) erhebt Link v.a. aus biographischem Interessc.
229 Es verdient Beachtung, daß Buhmann selbst. jedenfalls in seinen gedrud:.ten Texten.
Kählers Vortrag niemals ftIr die Trennung von Geschichte und Historie herangezogen hai. sondern
nur Hlr vorweggenommene formgeschichtliche Erkenntnisse. Dies gilt neben der beiläufigen Be-
zugnahme in BULTMANN: GuV IV,33 auch fLir die vielzitierte Stelle DERS.. Geschichte der synop-
tischen Tradition [2 t 9311, hg.v. Gerd Theißen, Göuingen 1° 1995 ,6 Anm. 2, da hier Slilcke aus der
1896 erweiterten Buchausgabe von Kählers Vortntg ziliert werden. die nicht zum Vortrag selbst
gehören.
230 So nach dem Vorgang Bultmanns im Vorwort zu WEISS 118921 (1%4) V 'l.B. die große
Untersuchung von HJElJ)E (1987) 233.345f. zu Weiß und Schweil'ler und jüngst wieder ROSENAU
(1999) 1568.
231 Zitate SOIWEI17.ER (1906) 399: BURI (1935) 137.
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IV. Martin Kählers messianisch-soterologische Eschatologie 191

chalOlogie nun doch den Inhalt von der Form zu trennen: "Unser Verhähnis zum hi-
storischen Jesus muß zugleich ein wahrhaftiges und ein freies sein. Wir geben der
Geschichte ihr Recht und machen uns von seinem Vorstellungsmaterial frei" - so
Schweitzer. Und Buri: ..Nur durch die Unterscheidung von Inhalt und Fonn. von ethi-
schem Willen und zeitgeschichtlich bedingtem Ausdruck desselben kann das tragi-
sche Verhängnis der neutestamentlichen Eschatologie erkannt und ihr damit ihre wah-
re Bedeutung zurückgegeben werden:; Die abzustreifende Form ist dabei die "spätjü-
disch-eschatologische Apokalyptik". m
Die Konsequente Eschatologie bietet somit trotz ihrer scheinbaren Nähe zu Kähler
ein Musterbeispiel flir diejenige Metaphorik, die dieser überwinden will: die Meta-
phorik von Form und Inhalt. Schale und Kern. Bild und Sache, welche die beiden
Momente auf Judentum bzw. Christentum verteilt und so die jüdische Theologie rur
das christliche Denkgebäude zu einem nach Bauschluß abbruchreifen Gerüst
macht. 233 Dieses janusköpfige Gesicht der Konsequenten Eschatologie erklärt sich so.
daß sie die Naherwanung Jesu durch das Ausbleiben des erwarteten Weitendes rur
widerlegt hält und damit eben wegen der Zusammengehörigkeit von Inhalt und Fonn
auch die ganze jüdische Zukunflserwartung. Die Konsequente Eschatologie heißt aber
gerade danach. daß sie die Konsequenz besitzt. ihren Irrtum bezüglich der Nah-
erwartung durch Retraktion zu quinieren: Konsequente Eschatologie bedeutet deswe-
gen mit Schweitzers typischem Stichwort konsequente - ,.Enteschatologisierung". die
Jesu Erwartung aufgibt. aber den Geist Jesu in der Sprache der modemen Neuzeit
festhält. 2J4
Der entscheidende Unterschied zu Kähler besteht also im Verständnis der Parusie
Christi. Während der Kern von Kählers Eschatologie, die Umkehr des liberalen Pro-
greßgedankens. gerade an der Angel des ..Grunddogmas" Parusieverheißung hängt,
die alle Zeit an das Konzept der Ewigkeit ruckbindeI. grundet flir die Konsequente
Eschatologie Zeit in der Parusieverzögerung. also darin. daß die Parusieverheißung
sich nicht erfüllt.

Das Ergebnis des vorstehenden Exkurses ist. daß Kählers Eschatologie we-
der mit der Kerygmalheologie Bulrmanns noch mit der Konsequenten Es-
chatologie Schweitzers die immer wieder behauptete Magistrale bildet, auf
der sich der eschatologische Diskurs fortbewegt. Es scheint daher plausibel,

232 Zitate SCHWErlLER (1913) 640: BUR' (1935) 163.161.


233 KÄ.ll..fR [19111 7-9 wendet sich in einer sog. Expauke gegen die Konsequente Es-
chatologie, "eine Talsache unserer Gegenwart" (a.a.O. 7). und a.a.O. 14 gegen die Trennung von
Bild und Sache. Diese Trennung übersieht KICKEL (1992) 158-162. der SCh....'Cilzers Jesusbild
dem der neueren jUdischen Forschung ähnlich l'indet
234 Zitat SCllWEn7..ER (J 913) 282. Auf die Differenzicrung zwischen Jesus und dem Geist Jc-
su macht HOLMSTRÖM (1936) 93f. aufmerksam. BURlS Protest gegen die Entesch3tologisierung
(OERS. (19351 147-158) wird neutralisiert. wenn er die .~~patjüdisch-eschatologische Apokalyptik"
(a.a.o. 161) als Fann vom Inhall abstreift. Dasselbe intendiert der Schwcitzeradcp( 1. RICHTER
(1956) 31. f1Ir den ,.ein verborgener tieferer Sinn" in den Bildern der jüdischen Apokalyptik
schlummert.
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192 Zweiter Teil

Kählers Eschatologie in eine andere Tradition, nämlich die der Heilsge-


schichtlichen Theologie zu stellen, jedoch als deren kritische Weiterfüh-
rung. Die Verschiebung vom Schlagwort "Heilsgeschichte" zum Terminus
"Ökonomie", die Modifikation des Begriffspaares von Person und Natur
zur Betonung der Personalität (Soterologie) sind nur einige Anzeichen da-
für. Im ganzen bleibt Kähler aber dem großen Anliegen der Eschatologie
der Heilsgeschichtlichen Theologie treu, nämlich entgegen Schleiermachers
Dilemma den Zusammenhang von Geschichte und Eschatologie theologisch
plausibel zu machen. Die Eschatologietradition nach Kähler, in der ersten
Hälfte des 20. Jh., hat das Verhältnis von Geschichte und Eschatologie
ebenfalls in den Mittelpunkt gerückt. Es wurde aber hier, nicht zuletzt unter
dem Eindruck des Abbruchs der geistesgeschichtlichen Tradition nach dem
ersten Weltkrieg, als äußerst angespannt aufgefaßt. Wir wenden uns damit
dem vielleicht am lebhaftesten verhandelten Diskussionszusammenhang
dieser Debatle zu.
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V. Die antiapokalyptische Eschatologie


von Paul Althaus

Das .,eschatologische Bureau", welches E. Troeltsch im 19. Jh. "geschlos-


sen" vorgefunden hatte, macht zufolge H.U. v. Balthasar ..seit der Jahrhun·
denwende Überstunden".l Dabei läßt sich ftir die systematische Es-
chatologie des Protestantismus die Jahrhundertwende auf 1922 datieren.
Denn in diesem Jahr erscheint nicht nur die zweite Bearbeitung von
K. Barths ..Römerbrier', die mit noch vierzehn Nachdrucken bis zum Ende
des Jahrhunderts ein selbst für den Autor verdächtiger Erfolg wird,2 sondern
auch das Buch "Die letzten Dinge" von PAULALTHAUS, das im sclben Zeit-
raum zehn Auflagen erlebt. ) TrOlz ihrer gemeinsamen Auflagenstärke un-
terscheiden sich die beiden eschatologischen Hauptwerke von 1922 aber
auch schon in ihrer äußeren Werdens- und Wirkungsgeschichte: Barth er-
setzt die Erstauflage des .,Römerbriefes" von 1919 durch eine Zweitfas-
sung, in der gegenüber der ersten ,.kein Stein auf dem andern geblieben,,4
war. und läßt diese neue Version dann wie einen erratischen Block unver-
ändert in den acht Nachdrucken zu seinen Lebzeiten stehen, er beschränkt

1 Zitate Ernst TROELTSCH. Dogmatik (Vorlesung WS 1911/121. MüochenJLcipz.ig 1925. 36;


Hans Urs v. BAL~ASAII. Eschatologie. in: Fragen der 1beologie heute. hg.v. Johannes Fei-
ner/JoscfTriitsch/Franz Böckle. Einsiedeln/lürich/Köln 1957. 403-421. 403.
2 B"R~ beginnl das V(lf'\Il'QJ1 zur flinften Aunage 1926 mit dem Satz: ..Der fongesetzte litera-
rische und sachliche .Erfolg' dieses Buches gib! mir. dem Verl'asser. zu denken" (DERS. (1922)
11999) XXXIII). 11. Stoevesaoot weiSl a .•. O. 111 darauf hin. daß die Auslieferung des Buches frei-
lich schon im Dezember 1921 begann.
3 Die ersten drei Aunagen erschienen mit dem Untcrtitel ..EJ1twurf einer chrisllichen Es·
chalologic" als Band 9 der von C. Slange. einem der Antipoden von Allhaus' EschaloJogie. her-
ausgegebenen SlUdien des Apologelischen Seminars in Wemigerode. Die Erslauflage ging auf
eine ROSlocker Lehrveranslaltung vom Sommer 1921 zurück. dcren Ergebnisse Allhaus im Hcrbsl
des Jahres dem Wemigerodcr Seminar vorgelragen halle (Al..TlIAUS 11922) 9 Anm. I). Bereits
1924. bei Erscheinen der Zweitaunage (Nachdruck der ersten). war Althaus mit der durchgehen-
den Überarbeilung bc:fa&. die 1926 als drille Auflage erschien (CERS. (19261 VII). Diese: heute
vergessene Aunage löste die grölke Diskussion aus. so daß Althaus schon ftir 1928 eine völlige
Neuschrifl plante (MEISER (1993j 72 Anm. 124), die freilich erst 1933 und jetzt ohne den Unterti-
tel erschien. Diese grundsätzliche LelZlgestalt erl'uhr noch Veränderungen. als ftir die. folgenden.
nunmehr selbständigen Aunagen 1949 der Druck von Fraktur auf Antiqua umgestellt ""liroe (ich
gebe. daher bei Zitalen aus der 4. Aunage dk Seitenzahlen auch der ktttn zu Althau.s· Lebzeiten
ench~nenen (8.1 Aunage in eckigen Klammem mit an): jetzt etsl (rigt das Wert den Untenitel
,.Lehrbuch der Eschatologie~.
4 BAATII im September 1921 im Vorv.'Or1 zur zweiten Auflage: DERS.I t922) (1999) XII.
194 Zweiter Teil

sich auf Neueinschälzungen aus seiner jeweiligen späteren Perspektive, die


er bis 1928 in neuen Vorworten niederlegt. Althaus dagegen versteht schon
seine Neubearbeitung von 1926 nicht als Widerruf. sondern Weiterführung
und Straffung~ des ersten Entwurfs. und selbst nach der nochmaligen Neu-
schrift beruft er sich 1949 gerade für eine der am meisten durch die Krilik
gegangenen Passagen auf die Kohärenz seines Buches seit 1922. Anderer·
seits weist er noch bis 1961 detailliert auf Änderungen seiner Position hin. 6
Seide Autoren haben, bildlich zu reden. dem eschatologischen Stoff ein
scharf geprägtes Profil eingemeißelt Doch idealtypisch gesprochen er-
scheint der Barth von 1922 wie ein v. Hase'scher Aerolith, schroff abgeho-
ben von den Gedanken des Jahres 1919 und in Gestalt der zahlreichen
Nachdrucke ungerührt von Banhs späterer Entwicklung. Dagegen erinnert
Althaus' Eschatologie an einen Monolith, aus dem erst allmählich das cha-
rakteristische Profil herausgehauen wird.

I. Analyse

Die Art und Weise, wie Althaus in intensiver Auseinandersetzung mit den
verschiedensten Gesprächspartnern erst allmählich seine theologische Posi-
tion bezieht, legt nahe, die Untersuchung seiner Eschatologie als Vergleich
der maßgeblichen Auflagen seines eschatologischen Hauptwerkes anzule-
7
gen. Im Sinne einer problemgeschichtlichen Vorgehensweise ist damit
freilich keine theologische Biographie angestrebt, sondern die Herausar-
beitung charakteristischer argumentativer Konstellationen und der ihnen
gemeinsamen Problemstellungen.

1.1. Eschatologie der Ewigkeit als Jenseits der Geschichte

I. Der systematische Aufriß. Einen ersten orientierenden Aufschluß über die


verschiedenen Auflagen der Althaus'schen Eschatologie geben ihre Aufris-
se. Die erste bis dritte Auflage haben denselben Aufriß in fünf Kapiteln, der
ab der vierten auf acht wesentlich ausgeweitel wird. Doch in allen Auflagen
stellt Althaus nach der knappen Einleitung eine ..Grundlegung" voran, der

.5 So ALlliAUS {I 926) VIII bzw. IX gerade zu dem gegenüber 1922 Am stärblC:n verändenen
Kap. 111.
6 AllliAUS (1949) XII zur Wir\;lichkeil des Endgerichls bzw. DERS. (1961) XUI.
7 S. bei S. 20 Anm. 26.
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V. Die antiapokalyptische Eschatologie von Paul Althaus 195

ein das Buch abschließender Teil korrespondiert, 1922 und 1926 "Ausbau",
1933 .. Entfaltung" genannt. 8 Die Grundlegung umfaßt 1922 und 1926 zwei
Kapitel (LU), die die Eschatologie einmal religionsphilosophisch und ein·
mal theologisch-dogmatisch begründen; 1933 ist diese Zweiteilung formal
erhalten geblieben, aber ein drittes Kapitel über die Methode der Es-
chatologie hinzugefügt. Der abschließende Teil umfaßt 1922 und 1926 zwei
Kapitel (IV. V) zu den Lehrstücken Gericht und Ewigkeit. Sie werden 1933
beide übernommen, doch während das Ewigkeitskapitel als Kap. VIlI seine
Schlußposition behält, wird davon das Kapitel über das Gericht (V) nach
einem neuen über den Tod (IV) durch zwei weitere zum "Kommen des
Reiches" und zur endgeschichtlichen Eschatologie (VI.VO) getrennt. Diese
beiden eingeschobenen Kapitel behandeln den Stoff des Kap. 1II von 1922
und 1926. das zwischen Grundlegung und Ausbau als "Abgrenzung" "aller
endgeschichtlichen Eschatologie" einen eigenen, dritten Abschnitt bildete.
Als solcher ist er t 933 nicht mehr vorhanden.
Durch alle Auflagen bleibt also die Konstellation von zwei voranstehen-
den, begründenden und einem letzten, die Ewigkeit behandelnden Kapitel
erhalten, und diese zunächst rein formale Beobachtung gewinnt an sachli-
chem Interesse, wenn man den Inhalt der fraglichen Kapitel heranzieht,
wenn man also Althaus' Begründung der Eschatologie (Grundlegungs-
kapitel) in ihrem Verhältnis zum Ewigkeitsbegriff (Schlußkapitel) näher ins
Auge faßt.
2. Axiologie lind Teleologie. Sowohl die religionsphilosophische als auch
die dogmatische Begründung von Eschatologie vollzieht Althaus t 922 und
1926 in der Doppelgestalt zweier "Grundformen,,9 von Eschatologie als
..axiologisch" bzw. "teleologisch". Bei heiden Formen handelt es sich um
die gedankliche Ausbildung von Zukunftserwartung, die durch religiöse
Erfahrung oder metaphysische Besinnung notwendig gemacht wird. Den
sachlichen Gehalt solcher durch denkerische Notwendigkeit gewissen Zu-
kunft nennt Althaus "letzte Dinge" oder "das Ewige".lo Althaus versteht
unter Eschatologie also die denknotwendige Beziehung von Religion oder
Metaphysik auf das Ewige und unterscheidet zwei Weisen der Bezugnahme
je nach Art dessen, was auf das Ewige bezogen wird: Axiologische Es-
chatologie bezieht einen unbedingten sittlichen, d.h. normhaften, Wert auf
das Ewige, indem sie seine Unbedingtheit erkennt als Gegensatz der Zeit,

8 ALTIIAUS (1949) bringl dicse kapilclühergrcifende Gliederung nicht im Inhaltsycncichnis.


sondcrn im Tellt a.a.O. 6 bzw. 83 an.
9 DERS. (1922) 16= DERS. (1926) 14.
10 DERS. (1922) 16::: DERS. (1926) 14 gebr.lUchl heide Ausdrücke synonym.
196 Zweiter Teil

die der ..Ort des Bedingten" ist. und somit als ewig. 11 Teleologische Es-
chatologie dagegen bezieht die Geschichte. verstanden als Stätte personalen
Tuns und seiner Bestrebungen. auf das Ewige. welches ihr ein Ziel setzt,
das sie erreichen oder verfehlen kann. J2 In der axiologischen Eschatologie
tritt also gewissenna8en die Ewigkeit in die Zeit. in der teleologischen
streckt sich die Zeit in die Ewigkeit aus. Axiologische Eschatologie ist da-
her Gegenwart des Ewigen. teleologische aber Zukunft des Ewigen. Im
Falle des Christentums wird axiologische Eschatologie durch die Endgül-
tigkeit von Gericht und Heil begründet, teleologische dagegen durch die
Spannungen, in denen der Christ zwischen Versöhnung und Erlösung steht
und die nach einer Auflösung rufen. 13 Zugleich stehen so Axiologie und
Teleologie selbst in Spannung zueinander.
Axiologie und Teleologie können nur dann als Begründung der Es-
chatologie fungieren, wenn sie nicht bloß zwei beliebig unter vielen heraus-
gegriffene Formen sind, sondern zusammen die Eschatologie vollständig
14
beschreiben. Deswegen betrachtet Althaus sie nicht nur einzeln, sondern
sodann auch in ihrem Verhältnis zueinander, in welchem sie "sich innigst
zusammenschließen" .1.5 Sachlich besteht dieser Zusammenschluß in dem
Konzept der Unsterblichkeil oder der persönlichen Fortdauer, was Althaus
freilich erst 1926 ausdrücklich betonl. 16 Für die teleologische Eschatologie,
in der sich die Zeit in die Ewigkeit ausstreckt, liegt der Zusammenhang mit
der persönlichen Fortdauer auf der Hand; 17 für die axiologische, in der um-
gekehrt die Ewigkeit selbst schon in die Zeit eintritt. ergibt er sich erst in
zweiter Linie: Die ewige Unbedingtheit des sittlichen Wertes ist so umfas·
send. daß sie zuletzl auch die Fortdauer einschließen muß. 18 Wenn somit

11 DERS. (1922) 16f. (Zitat 17)= DERS. (1926) 14f. (Zital 15).
12 DERS. (1922) 21 = OEIlS. (1926) 20: Die Zeit wird .,zur Geschichte 11926 gespeml. zur Be·
wegung auf ein Ziel hin".
13 Grulldsälzlich DERS. (1922) 33 '" DERS. (1926) 28: .,Auch hier Isc. in der christlichen E.~­
chutologie] sind die beiden Wurleln 11926: Fonnen]. der a.riologischt' ulld der teleologische 11926
kursiv) Gedank~nkr~is. festzustellen und zunächst gesande" zu untersuchen." Im einzelnen dann
DERS. (1922) 33--38 par. DERS. (1926) 28-35 (Axiologie) bzw. DERS. (1922) 39-58 par. [)ERS.
(1926) 36--68 (Teleologie).
14 Das betont besonders der Schluß von Kap. II über Axiologie und Teleologie in der christli·
chen Eschalologte: DERS. (1922) 5~3 par. DERS. (1926) 69-76.
15 DERS. (1922) 26:: DEItS. (1926) 15.
16 OERs. (1926) 15 bemerttl..Aaß sowohl der axiologische wte der tekologische Gedanke
letz.Ier Dinge auf einen effiSlhaften und edlen GfO/lMII Oll das fWrsö,.fic~ Fonl~lN,. fl.ihren".
J7 OERS. (1922) 24:: DERS. (1926) 22 leitt'-t dies ab aus der ..Gewißheit. ganz persönlich von
Gon ge..... ollt und erzogen zu ....-erden...
18 OERS. (1922) 20 par. DERS. (1926) 18: .Ja. diese Gewißheit. von dem Ewigen erfa& und auf
lewe Dinge bezogen zu sein. kann 11926: auf den AnfangSSlufen des GOllesglaubens) mil dem
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V. Die antiapokalyptische Eschatologie \Ion Paut Althaus 197

Axiologie und Teleologie im Gedanken der Unsterblichkeit oder persönli-


chen Fortdauer zusammengeschlossen sind, dann ist der denknotwendige
Ewigkeitsbezug, der Althaus' religionsphilosophische Begründung von Es·
chalologie trägt, immer auch ein Zukunftsbezug. Zugleich kann Althaus
umgekehrt die traditionell als zukünftig verstandenen ..letzten" Dinge sinn-
gleich als ..Ewiges", das in die Zeit einbricht, begreifen. Das Gespann von
Axiologie und Teleologie (Grundlegungskapitel) zielt also auf den Ewig-
keitsbegriff (Schlußkapitel), und so gibt der formale Aufriß auch das innere
Bauprinzip, die ganze Statik von Althaus' Entwurf ab.
Beredten Ausdruck für die Korrespondenz zwischen der Begründung der
Eschatologie und dem Ewigkeilskonzept legt eine Passage des ersten Kapi-
tels ab, in der Althaus den Ewigkeitsbegriff einführt und dabei die Lösung
für das sog. "Formproblem der Ewigkeit,,19 im Schlußkapitel vorwegnimmt:

Dieser Begriff der Ewigkeit hat also mit dem naiven der endlosen Dauer in der Zeit
(Gegensatz: die Begrenztheit in der Zeit) und mit dem erkenntnistheoretischen der
Zeitlosigkeit (Gegensalz: die Zeitform überhaupt) nichlS zu lun. Sein Gegensatz ist
die Zeit als Ort des Bedingten.

Damit vergleiche man die Sätze im Schlußkapitel:

Daher ist der philosophische Begriff der Ewigkeil als des veränderungslosen. still in
sich ruhenden Seins - wir können ihn den eleatischen nennen -, so viel anspruchs-
voller er auch auftriII. ebenso unbrauchbar wie die naive Vorstellung der Ewigkeit als
der endlosen Dauer in der Zeit. 1... 1

Die Ewigkeit aber ist das Jenseits der Zeitlichkeil. 20

11926: sich in d3S Menschheilslos ergebendenl Verzichte auf persönliches Fortleben über den Tod
hinaus verknüpft sein. Die atllcstamentliche Freudc an der GOllesgemeinschaft ist ein ergreifendes
Zeugnis davon. allerdings auf ihren herrlichsten Höhepunklen (z.B. Psalm 73) zugleich ein Beweis
daHir. daß die Ewigkeitserfahrung. wenn sie als Erschließung von wirklicher persönlicher Ge-
meinschafl ZUSlande kommt, einmal nOlwendig weilerdrängt zu der Gewißheit. daß ein solcher
L..cbensinhah durch den Tod brechen muß - persönliche Gemeinschaft mit dem von Ewigkeil zu
Ewigkeit Lebendigen!"
19 DERS. (1926) 243 = DEII.5. (1933) 317 [3291: DERS. (1922) 127 nur: .,Formproblem" (im
Original je gespern).
20 Für das Gewicht dieser Sälze dürfte schon sprechen. daß Allh3US sie durch alle Aunagen
fast unveränden beibehalten haI: DERS. (1922) 17 '" DERS. (1926) 15 par. DERS. (1933) 191201
bzw. DERS. (1922) 129.130 '" DERS. (1926) 245.246 par. DElIS. (1933) 318.319 [331.332]. Die
Abweichungen sind minimal: D€RS. (1933) 19120j schreibt im Grundlegungskapilei "Dieser idea-
listische Begrifr' usw.. da der Satz hier in einem Anhang über die philosophische Eschatologie
stehl. A.a.O. 319[3321 finden sich zwei Änderungen: •.Ewigkeit als Zeitlosigkeil, als des" usw.
und: "das Jenseits unserer Zeitlichkeit".
198 Zweiter Teil

An der zuletzt zitierten Stelle beschreibt Allhaus den Jenseitscharakter der


Ewigkeit sodann als Jenseits von Gegensätzen, d.h. die Ewigkeit hebt Pola·
ritälen auf, und zwar im strengen Sinne, d.h. sie hebt die Polarität auf, doch
unter Beibehaltung ihrer Pole, indem sie deren GegensalZ als unangemessen
erweist?1 Allhaus kann ftir die Ewigkeit daher an der erwähnten Stelle von
einem Zugleich von Ruhen und Tun, Sein und Werden reden. ln bezug auf
den Aufbau des Gesamlkonzepts heißt dies, daß die Ewigkeit die Polarität
von Axiologie und Teleologie aufhebt, und deshalb ist sie der Spannung
von Axiologie und Teleologie jenseitig. Ewigkeit gibt also für Althaus nicht
in einer abschließenden Entscheidung einer der heiden Formen ihrer Er-
wartung gegen die andere recht, sondern beseitigt das Widersprechende
zwischen ihnen. Althaus' gesamte Eschatologie steht somit in dem Span-
nungsbogen, dessen Pole Anfang und Ende seines Buches beschreiben; den
Axiologie und Teleologie eröffnen und den nur die Ewigkeit selber schließt.
Die letzten Dinge sind zugleich Ewigkeit in der Zeitlichkeit und Zeitlich-
keit, die sich in die Ewigkeit erstreckt. 22 Doch dieses ganze axiologisch-
teleologische Doppelkonzept von Eschatologie fußt auf dem Zusammen-
schluß bei der Fonnen im Unsterblichkeitsgedanken. Er ist daher ein ent·
scheidender Punkt der Althaus'schen Argumentation in der Grundlegung
der Eschatologie.
3. Die Frage der Unsterblichkeit als "neutrale" Eschatologie. Hier iSI
daher von dem ..,siebenjährigen Krieg"'!) in der Eschatologie zu reden. den
Althaus mit earl Stange über Luthers Versländnis der Unsterblichkeit ge·
fühn hat. Wie Althaus verbindet auch sein Göttinger Kollege mit dieser
historischen Frage ein systematisches Interesse; vielmehr für die sog. Lu-
therrenaissance. zu deren Exponenten Stange als Herausgeber und
Hauptautor der programmatischen ,,Zeitschrift für systematische Theolo-
gie" zählt. besteht die Renaissance auf historischem Gebiet in der Entdek·
kung eines ganzen systematischen Konzepts, des Verständnisses des Recht·
fenigungsglaubens als Gewissensreligion. 24 Man sehe daher Stanges Es-
chatologie:

21 In Anlchnung an SCHROER (1960) 35 soll der Ausdruck ,'polarität" hier die theologisch
konslJUktiYc, positiYC Intcrpretation cines paraOOJ;cn Widcrsftt:its andeutcn. Den grundsitzlich
cbenso ycntchbarcn Tcnninus ..Dialektik" bcZKhc ich hier nur auf thcologicgeschichllichc: Zu·
sammenhingc. in deren Quellcn cr vorkommt.
22 Man crkcnnt in diesem Zugleich den Vcnuch. Schkiermac:hc:rs cschalologischc:s Oikmma
YOIl Vcrgcltung und Emwic.kJung zu überwinden. den schon Ahhaus' Großyater AuguSi untcr·
nommen haltC (s. S. 72 Anm. 114).
23 HOlMST1I:OM (1936) 295 Anm. 2.
24 V.I. durch Kar! Hou... LuttlC:r (GAufs. I), Tüb\ngen 11)1923.
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V. Die antiapokalyptische Eschatologie von Paul Althaus 199

Exkurs 7: Carl Stanges unmittelbar thecrlogische Eschatologie

Auch rur <:ARL STANGE ist die Ewigkeit der eigentliche Gegenstand der Es-
chatologie.n doch denkt er dabei nicht an das Problem von Zeit und Ewigkeit, son-
dern an eine ..bestimmte Qualität des Lebens", und zwar in Form einer durch nichts
aufzuhebenden ,.inneren Verbundenheit mit GOI!", wie sie Jesu eigen war.2€> Stange
versteht Ewigkeit also in eminent theo-Iogischer Weise als innere Gonverbundenheit.
oder in eher begrifflicher Sprache: als einen unmittelbaren Gottesbezug. In einem
solchen Gottesverhältnis sind das Selbst- und Weltverhältnis bereits unmittelbar eot·
halten. weswegen Stange betont, daß das ewige Leben nach christlicher Anschauung
..schon hier auf Erden'; beginnt.27 Dies richtet sich gegen alle Eschatologumena, die.
wie das Millennium und die Vollendung der Mission. eine übergangsweise Vervoll-
ständigung des Gonesverhältnisses oder die ein neutrales Gouesverhältnis als
Grundlage der Alternative von seligem und unseligem Gouesverhältnis annehmen -
flir Stange Kennzeichen der jüdischen Apokalyptik. 28 Im Unsterblichkeitsstreit lehnt
Stange daher gegen Althaus die allgemeine Auferstehung auch der Gottlosen als logi-
sche Voraussetzung des Gerichts ab: Die Auferstehung sei als Mitteilung von Leben
per se seliger Gonesbezug. und die Goulosen hällen nicht ein unseliges. sondern gar
kein Gouesverhältnis. 29 Dementsprechend ist das Gericht fUr Stange keine Zuteilung
von Lohn oder Strafe an ein bestimmtes Gottesverhältnis. sondern unmittelbar mit
diesem selbst gegeben im Gewissen als Bewußtwerdung des bestehenden oder des
verlorenen und damit gar nicht vorhandenen Gonesverhältnisses. )(l
Da Stange aber mit der Lutherrenaissance das Gewissen als Ort des Gouesverhält·
nisses versteht und ein gottloses Gottesverhältnis nicht kennt, geraten beim Gericht
über den Gottlosen Gerichts· und Gewissenskonzept in Konnikt. Stange versteht das
verwerfende Gericht. weil es im Gewissen (das den Gottesbezug repräsentiert) ge-
schieht. noch als Werbung um BekehrungJI und damit nicht als verwerfend; endgültig
verwerfend kann er es nur denken als Gewissen von einem verlorenen Gewissen (d.h.

2S STANoe (1930) 96f. und das ganze Kap. I als Erörterung von EwigkeilSverstliodnissen.
26 Zillue a.a.O. 73.88; vgl. 96 (alle Stellen mil Bezug auf Luther).
27 A.a.O. IS6.
28 Gegen den Chiliasmus merkt Slange 8.a.0. 227 an. daß er kein Beginn der universellen
Vollendung schon auf Erden in Entsprechung zum Beginn der individlJCllen Vollendung ..schon
hier auf Erden" (a.a.O. IS6) sei. Die universelle Vollendung fängt vielmehr ab individlJClle an.
Mit diesem Verhältnis von Individual· und Universaleschalologie will Stange ..den gesamten VOIf-
stellungskl'tis" der Eschatologie abdecken (8.1.0. 109) - also Schleicrmachers eT$te Gestalt des es-
chatologischen Dilemmas. Von da aus versieht man. warum gel1ldc an den genannten Slcllen die
jüdische Eschatologie als panikulal't Vorstufe der christlich universellen erscheint.
29 A.a.O. 198 AeMt Stange dies die ..Vollendung ihrer Nichtigkeit'· im Gegensatz zu einer
Vernichlung.
JO A.a.O. 154 gegen den .jüdischen Vergchungsbegritr. Vgl. DEJtS. (1932b) 442-446. v.a.
a...O. 446 zum Gewissen als On des Gerichts.
J I A.a.O. 448.
200 Zweiter Teil

als Gonesverhältnis des Bewußtseins von einem verlorenen Gottesverhältnis) und


damit nicht mehr als im Gewissen bewußtes Gericht. so daß er das endgültig verwer-
fende Gericht ..das unfertige Gericht" nennen muß.H Da jedoch Endgültigkeit und
Unfertigkeit sich widersprechen. dürfte die strenge DurchfUhrung der Gewissenslheo-
rie hier an Grenzen stoßen.

Stanges Auffassung im Unsterblichkeitsstreit mündet somit in eine Aporie


bei der Gerichtslehre. Dieses Problem hat Althaus nicht~ da seine Verfech·
tung einer allgemeinen Auferstehung auch der Gottlosen gerade auf den
Gerichtsgedanken zielt. für den sie bloß die logische Voraussetzung bildet,
d.h. die Auferstehung selbst ist neutral gegenüber der Alternative von Se-
ligkeit und Unseligkeil. Althaus ist somit, in genauem Gegensatz zu Stan·
ges unmittelbar theologischer Eschatologie, an einer "neutralen" Es-
chatologie interessiert, was sich in seiner Würdigung des Unsterblichkeits-
gedankens niederschlägt, und dieses Interesse hält er stets gegenüber Stange
fest bei allen historischen und terminologischen Zugeständnissen, die er
ihm im Laufe der Auseinandersetzung macht.)) Der systematische Ertrag
der Unsterblichkeitsdebaue ftir die Analyse von Althaus' Eschatologie ist
also die Frage, in welchem Sinne Althaus eine "neutrale'; Eschatologie an-
strebt.
Zunächst ist "neutrale" Eschatologie keine natürliche Eschatologie, sie
ist trolZ der Zweiteilung von Althaus' Grundlegung zur Eschatologie kein
religionsphilosophisches Fundament, auf dem die Theologie den Bau dog-
matischer Eschatologie aufführen könnte. So schreibt Althaus zum Verhält·
nis von neutraler und christlicher Eschatologie: Dieser Unterschied ..muß
mit dem ganzen schweren Ernste [... J betont werden: die Gewißheit des
Fortlebens kann r...
1 jedenfalls Heilsungewißheit sein...34 Und mit aus-
drücklichem Bezug auf den Unsterblichkeitsgedanken, den l.G. Fichte im
Angesicht des Rheinfalls von Schaffhausen aussprich!: "die Doppelung der
Eschatologie in Unsterblichkeit und ewiges Leben, die ftir uns um der
Schuld· und Heilsfrage willen eintritt, liegt ihm lsc. Fichtel fem.,,3s M.a.W.
die ,.neutrale" Eschatologie kann für die christliche nur im Durchgang
durch das Gericht, die Schuld· und Heilsfrage, von Bedeutung sein. So hat
Althaus es 1933 selbst formuliert: ..Das ist das Feuer, in das alle Unsterb-
lichkeitsgedanken hinein müssen. Sie werden darin so, wie sie sind, ver-

32 A.a.O. 451: .Das Gericht des Goulosen ist deshalb das unfenige Gericht."
33 Zur Zusammenfassung vgl. AlTIIAUS (J933) 109 Anm. 2[114 Anm. 11.
34 DERs. (1922) JO "" DEJlS. (1926) 32 trOlZ einiger UnlCrschiede in den hier ausgelassenen
Stellen: der letzte HalbsalZ auch DEJlS. (1933) 110 [114f.).
35 OERs. (1922) 32 (Kap.II!) "" DERS. (1926)27 (Kap. I!).
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V. Die amiapokalyptische Eschatologie \Ion Paul Althaus 20 I

zehrt. Zwischen die ursprüngliche Bestimmung und ihre Erfüllung tritt der
Tod als Gericht, das den ganzen Menschen trifft.,,36 Althaus hat damit alle
Eschatologie, die religionsphilosophische und auch die christlich-theo-
logische, an den Durchgang durch das Gericht geknüpft. So ergibt sich bei
Althaus wie bei Stange das Gerichtsthema als systematischer Kern der Un-
sterblichkeitsdebatte; speziell für Althaus heißt dies aber, daß der Unsterb-
lichkeitsgedanke, in dem sich axiologische und teleologische Eschatologie
zum Ewigkeitskonzept zusammenschließen, diese systematische Tragweite
nur unter Voraussetzung der Gerichtslehre hat - unter dieser Voraussetzung
aber hat er sie freilich auch wirklich.
M.a.W. der Spannungsbogen zwischen Axiologie und Teleologie einer-
seits sowie der Ewigkeit andererseits, der unseren fonnalen anfanglichen
Beobachtungen zufolge Althaus' Eschatologiebuch umspannt, hat seine
Spannung thematisch gesehen daher, daß er den Durchgang durch das Ge-
richt bezeichnet. In der Gerichtslehre bündelt sich also das für Althaus'
konzeptuellen Ansatz grundlegende Verhältnis von Diesseits und Jenseits,
von Axiologie und Teleologie einerseits sowie der Überwindung ihres Wi-
derspruchs in der Ewigkeit andererseits. Das Gericht wird daher ebenso im
Grundlegungsteil bei der Axiologie und Teleologie verbindenden Unsterb-
lichkeitsproblematik thematisch, wie es, v.a. 1922 und 1926, im "Ausbau"
der Eschatologie zusammen mit dem Ewigkeitskonzept herangezogen wird.
Althaus kann daher von der Gerichtsproblematik, wie vom Formproblem
der Ewigkeit, zugleich aussagen, was für das von der Anschauungsfonn der
Zeit bestimmte Verstandesdenken nur alternativ ausgesagt werden kann,
das Miteinander nämlich zweier sich ausschließender Pole, die traditionell
als Apokatastasis und doppelter Ausgang bezeichnet werden: "Wir müssen
jedes Melischen mit heiden Gedonken gedenken,,?7 Ewigkeit als Gericht
bedeutet demnach in Anlehnung an ihre bereits genannten paradoxen Be-
stimmungen auch die Aufhebung des Gegensatzes von Apokatastasis und
doppeltem Ausgang. Allerdings scheint solche Aufhebung in diesem Fall
weniger zu bedeuten, daß beide Pole miteinander auftreten, als vielmehr,
daß die Ewigkeit den Gegensatz der beiden Pole als unangemessen er-
weist. 38

36 DERS. (1933) 10411091.


37 DERS. (1922) 119", DERS. (1926) 214 '" DERS. (1933) 188/1951. Dieser Satz steht in allen
Auflagen un\leränden und in Hervorhebung, vergleiehbar mit den in S. 197 Anm. 20 zitierten
Sätzen zur Ewigkeit.
38 Dies scheint mir der Passus zu besagen: ..Gewiß kann nur das eine wahr sein. Aber die Ent-
scheidung. welches das wahre ist. steht rur unser Denken aus" (a.a.O. 189 r 196)). da hier der Ak-
zent auf ,.unser Denken"liegt.
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202 Zweiter Teil

4. Ewigkeit als Gericht über die Geschichte. Nachdem so geklärt ist, daß
die "neutrale" Eschatologie, auf die Althaus mit seinem Zusammenschluß
von Axiologie und Teleologie im Unsterblichkeitsgedanken zielt, im Unter-
schied zu einer natürlichen Eschatologie durch das Gericht hindurch muß,
ist noch zu fragen, welches Phänomen denn mit diesem Neutrum bezeichnet
sein soll: Was ist es, das durchs Gericht muß? Hier ist wichtig, daß Althaus
die "neutrale" Eschatologie aus Axiologie und Teleologie herleitet, also aus
geschichtsphilosophischen Begriffen, wenn man darunter in einem weiteren
Sinne die philosophische Beschäftigung mit dem Problem der Geschichte
versteht. Es ist demnach die Geschichte, die als solche eschatologisch
"neutral" ist. Althaus nennt 1922 und 1926 W. Windelbands Wertephiloso-
phie und W. Mundles Religionspsychologie als seine Quellen für den Be·
griff der Axiologie bzw. Teleologie. Vor allem aber hat Althaus' Tennino·
logie in der evangelischen Eschatologiegeschichte mit E. Troeltschs Lexi-
konartikel in der ersten Auflage von "Die Religion in Geschichte und Ge-
genwart" einen Vorläufer. Althaus nennt ihn 1933 denn auch ex.plizit. 39 Die
von Troeltsch nachgelassene Fragestellung ist nun ausdrücklich diejenige
nach der Geschichte, nämlich "Das Problem des Historismus und seine
Überwindung". Althaus selbst hat einen durchaus weiten Begriff von Ge-
schichte; auch in seiner Eschatologie notiert er, daß darunter das ganze per-
sonale "Entscheidungsleben" des Menschen zu verstehen sei. 40 Das darin
enthaltene Moment des Personalismus verbindet Althaus mit der Lutherre·
naissance; sein Spezifikum stellt dagegen die Betonung des escharologi.
sehen Entscheidungscharakters dar. Dies erklärt, warum Althaus' Eschato·
logie die Geschichte grundsätzlich als Spannung von Axiologie und Teleo·
logie einführt.
Es ist also festzuhahen, daß das mit den Begriffen Axiologie und Teleo-
logie in eschatologischer Hinsicht beschriebene Phänomen die Geschichte
41
ist. Es ist also auch dieser Begriff einer spannungsvollen Geschichte, dem
Althaus das Ewigkeitskonzept als Jenseits der zeitlichen Gegensätze gegen·
überstellt. Damit ergibt sich freilich, daß Althaus' Eschatologie von einer

39 Vgl. OERS. (1922) 17f.; 21 Anm. 2 par. DERS. (1926) 15f.; 20 Anm. I für die Berufung auf
Windelband bzw. Mundle und DERS. (1933) 18 1181 fUr die Erwähnung Troehschs.
4QA.a.Q.244 [253); ygl. a.a.O. 40 [42].
41 DERS. (1922) 11 fUhn die AAiologie sogleich am Gegensatz yon Geschichtlichem und
ÜbergeS(;hichllichem ein (woflir DEil.S. 11926) 15 freilich yon Zcillichem bzw. Überzeitlichem
spricht). und DERS. (1926) 20 definien die Teleologie so: .Die ait wird jelzt zur G~schichft!" (par.
D€RS.(I922) 21). AusdrUcklich sagt auch DERS. (1933) 8181. daß .Jlliteinander die Eschatologie
und die lheologiS(;he Erkenntnis der Geschichte geboren" werden. und weiter: ..Nur von der Es-
chatologie her ist das Wesen der Geschichte theologiS(;h gültig zu bestimmen".
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V. Die anliapokalyplische Eschatologie von Paut Althaus 203

42
doppelten Spannung gekennzeichnet iSt: Dies ist zum einen die Spannung
von Axiologie und Teleologie, die innerhalb der Geschichte besteht da-
durch, daß menschliche Entscheidungen nicht spannungslos nebeneinander
herlaufen. Zum anderen steht diese Spannung als ganze, also in der dop-
pelten Gestalt von Axiologie und Teleologie, der Ewigkeit als ihrem Jen·
seits gegenüber, das die Spannung auflöst. Der Gegensatz von Spannung in
diesem zweiten Sinne ist also nicht Spannungslosigkeit, sondern Auflösung
der Spannung, so daß man mit einem Bild sagen könnte, die beiden Dimen-
sionen von Spannung stehen zueinander wie die Achsen in einem Koordi·
4J
natenkreuz.
Althaus, so läßt sich zusammenfassen, fragt also gerade angesichts der
Zweideutigkeit, die der Geschichte als dem Bereich willkürlicher Entschei-
dungen anhaftet, nach einer eschatologischen Bedeutung der Geschichte
und gibt zur Antwort, daß die Geschichte eine Bedeulllng für die Ewigkeit
hat nur im Durchgang durch das Gericht. Das zunächst formal festgestellte
Korrespondenzverhältnis der Grundlegungs- mit dem Schlußkapitel von
Althaus' Eschatologie läßt sich also auf die Begriffe der zweidimensionalen
Spannung zwischen Axiologie und Teleologie sowie zwischen diesen bei-
den und der Ewigkeit bringen und zieh auf das Phänomen der ihrem Wesen
als Raum der Betätigung menschlicher Sittlichkeit nach zweideutigen Ge·
schichte und der Überwindung dieser Zweideutigkeit. Es geht Althaus bei
seiner doppelten Begründung der Eschatologie als "neutral" und als theolo-
gisch also jeweils um dasselbe Problem: um die Ewigkeitsbedelltung des
zweideutigen Phänomens Geschichte.
5. Die begri.ff1ichen Gestalwngefl von Althaus' Konzept. Die vorstehende
Rekonstruktion von Althaus' EschalOlogiekonzept geschah mit dem An-
spruch, alle Auflagen seines Entwurfs zu erfassen; jedoch haben gerade die
Grundlegungskapitel durch die Auflagen hindurch Änderungen erfahren,
die sich vor allem im Wechsel der tragenden Begrifflichkeit von Axiologie
und Teleologie sowie in der durch die Auseinandersetzung mit Stange ver-
änderten Einschätzung der Unsterblichkeit als dem Zusammenschluß beider
niederschlagen. Am ersten Moment hängt das Verständnis von Geschichte,
am zweiten ihr Verhältnis zur Ewigkeil. Die hier geleistete Rekonstruktion

42 ••Kennzeichnend" (BEISSER [19931175) rur Althaus is! daher weder die Spannung seines
Eschatologidonzepu als solche noch eine •.E$cholofogie (tu Sponnung$f6$ung" (HOA'MANN
11929125: vgl. aa.O. 43 zu Allhaus).
43 Vgl. Al.nlAUS (1922) 26f. "" DERS. (1926) 25; .Senon im voraus ahnen wir, daß dann das
Vtrhätmi$ du Gtschicllle und du letzltn Dingt tin diolektisches wird: die letzten Dinge als über-
geschichlliehe Gegenwansbe1.iehung der Geschichte und die lelzlen Dinge als - irgend wie .eooge-
schichllicner' - Enrag der Geschich!e:'
00040222

204 Zweiter Teil

des Althaus'schen Konzepts muß sich darum mit diesen beiden Punkten
auseinandersetzen.
a) A.xiologie/Teleologie - Bleiben/Kommen, Glaube/Hoffnullg. Althaus
spricht 1933 in den Grundlegungskapiteln nicht mehr von Axiologie und
Teleologie,44 sondern vom Bleiben und Kommen des Ewigen bzw., syn-
onym dazu. von Eschatologie als Glaube und als Hoffnung auf das Ewige.
Seine eigene Behauptung. daß diese neuen Begrifflichkeiten sachlich mit
der vorigen kongruent seien. scheint insofern vertrauenswürdig, als Althaus
4s
sie bereits 1926 neben dieser gebraucht haue. Ein etwaiger Unterschied
könnte allenfalls darin gesehen werden. daß eine philosophische durch eine
theologische oder biblische Begründung von Eschatologie abgelöst worden
wäre. Diese Alternative verliert allerdings ihre Ausschließlichkeit. wenn es
Althaus, wie hier vorgeschlagen, tatsächlich um die theologische Würdi-
gung der philosophisch erfaßbaren Zweideutigkeit der Geschichte geht. Ln
diesem Sinne können jedenfal1s die wichtigsten Änderungen der Grundle·
gungskapitel von 1926 gegenüber der Fassung von 1922 erklärt werden,
auch wenn die Entwicklung 1933 wieder ihre eigene Wende genommen hat.
So hat Althaus z.B. ab 1926 in Absetzung von der eschatologischen
Methode G. Wobbennins die religionspsychologische Dimension der Es-
chatologie ausdrücklich zurücktreten lassen. um die Zweideutigkeit der Ge-
schichte im Sinne der o.g. Rekonstruktion seines Eschatologiekonzepts kla-
rer herauszustellen. Dazu wird 1926 in der Darlegung der axiologischen Es-
charologie ein früherer Abschniu zum seelischen Niederschlag der charak-
46
teristisch axiologischen Doppelheit von Gericht und Heil gestrichen und,
um ein anderes Beispiel zu nennen, in einer zusammenfassenden Bemer-
kung zur Doppelheit von Axiologie und Teleologie die auch psychologisch
deutbare Rede von einer "Polarität der seelischen Haltung von ,Erfahren'
und ,Hoffen'" durch diejenige "von Glaube und Hoffen, Haben und Har-
ren" ersetzt. 47 - 1933 freilich hat Althaus in Auseinandersetzung mit dem
Wobbenninschüler G. Hoffmann neben einem Akzent auf der zweideutigen

44 Bereils DERS. (1928) 354 verzichtel auf diese Begrifflichkeit.


45 DERS. (1933) 18.53 118.561 behauplel rur die Begriffspaare BleibenIKommen bzw. Glau-
be/HofTnung Gleichsinnigkeil mit Axiologierreleologie; vgl. DERS. (1926) 16 Anm. 2: 61-64 zur
früheren Verwendung beider Paare.
46 DERS. (1926) 71 Anm. 2 erklärt die Slreichung von DERS. (1922) 36-38 mil Blick auf
WOBBERMIN. der die Eschatologie ähnlich wie die Vermiltlungslheologie als Bezugspunkl aller
Theologie denkl «()Ej{s. (19261 1II.253f.). diesen aber im Gegebensein der religionspsychologi-
sehen Phänomene als eine reale Größe ansieh!. Die Differenz zu Allhaus iSI also in erster Linie
mclhodiseher Art.
47 Zilale ALTHAUS (1922) 27 par. DERS. (1926) 25.
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V. Die anliapokalyptische Eschatologie von Paul Althaus 205

Zusammengehörigkeit von Glaube und Hoffnung zugleich den Vorrang des


48
Glaubens vor der Hoffnung betont.
Ähnliche Phänomene zeigt Althaus' Ausführung der teleologischen Es-
chatologie. Hatte er hier 1922 Offenbarung, Versöhnung und Geisteinwoh-
nung als die drei Gestalten des Paradoxes "Gott in der Geschichte" unter·
schieden, so differenziert er 1926 nur noch deren zwei, nämlich die Offen-
barung und das Heil. Dabei um faßt letzteres jedoch Versöhnung und
Geisteinwohnung,49 so daß hier keine materiale Änderung, sondern ledig-
lich eine konzeptionelle Straffung angestrebt ist: So wird aus dem "drei·
fach·" ein "zwiefach-einheitlicher Widerstreit", dem Glaube und Hoffnung
als "zwiefach-einheitliche Wurzel der Eschatologie"~ entsprechen. Die Ab-
sicht ist offensichtlich, die theologische Zweideutigkeit der Geschichte zu
betonen. - Zugleich hat Althaus freilich trotz bleibendem Nachdruck auf
51
der Zusammengehörigkeit der Pole dieser Zweideutigkeit die Stellung der
so konzipierten teleologischen Eschatologie zur ax.iologischen modifiziert.
Während 1922 jene gegenüber dieser in "ganz neue Gründe weist", lautet
derselbe Satz 1926 so, daß sie an "der gleichen Stelle entspringt",52 so daß
die Teleologie aus der Ax.iologie bloß abgeleitet ist; und etliche gegenüber
1922 neue weil·Sätze beschreiben das Verhältnis als Kausalverknüpfung. 53
Dies ist 1933 zugespitzt worden durch eine Theorie der Verheißung, die in
54
die entsprechenden Textpartien eingearbeitet wurde.
b) Unsterblichkeit - Gouesgewißheit - GOllesverhältnis. Der zweite Ge·
sichtspunkt für die Einschätzung von Ahhaus' terminologischen Yerände·
rungen ist die Unsterblichkeitsthematik. 1922 spriCht er, um gegen Stange
die allgemeine Auferstehung festzuhalten, von Unsterblichkeit, schreibt
dann aber 1926: "Freilich empfiehlt sich das letztere Wort nicht,,:55 jetzt
unterscheidet er (wie auch schon 1922) gegen Stange eine durch die Ge·
richtserwartung gekennzeichnete "Gottesgewißheit", die der Unsterblich-

48 DERS. (1933) 41-43 [43-45). S. zur Auseinandersetzung mil Hoffmann Kap. V.2.2 (S.
247ff.).
49 Die Einteilung OERS. (1922) 41.45.47 kehrt wieder als DERS. (1926) 4O.44f. 48, wobei hier
die Ietzlen heiden Ableilungen als a) und b) unter 2. zusammengefaßt werden.
50 Zimle DERS. (1922) 41. die Parallelstelle PERS. (1926) 39 und a.a.O. 63 (alle Hervorhcbun-
gen aufgehoben). Die beabsichtigte KorresporKIenz der beiden Slellen von 1926 ist deutlich.
51 DERS. (1922) 58-63 par. OERS. (1926) 69-76 zum Zusammenhang Axiologic - Teleologie.
52 DERS. (1922) 21 par. DERS. (1926) 20. In demselben Sinne hat DERS. (1926) 36 vgl. DERS.
(1922) 39 ergänzt.
53 DERS. (1926) 74 vgl. DERS. (1922) 61.
54 Dazu s. Kap. V.I.2. hier S. 230-234.
55 DERS. (1922) 28: ..Daraus folgl die UnslerblichkeilSgewiBhcit des Chrislen"; das Zitat OERS.
(1926)31.
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206 Zweiter Teil

keit entspricht, von der "Heilsgewißheit".56 Erst 1933 wird die Unsterblich-
keitslehre sogar formell verworfen und der fragliche Gedanke durch den
Begriff des personal verstandenen "Gonesverhältnisses" ausgedrückt 57
Der Zusammenhang dieser drei Fassungen des Gedankens wird schon
daraus ersichtlich, daß Althaus jedesmal gemeinsam mit den genannten
Stellen das berühmte Wort Luthers zitien: "Wo er oder mit wem Gott redet,
es sei im Zorn oder in der Gnade. derselbe ist gewißlich unsterblich."'s Da-
bei ist aufschlußreich, wie Althaus dieses Zitat in den verschiedenen Aufla-
gen in die jeweilige Argumentation einfügt. 1922 und 1926 steht der betref-
fende Passus in Kap. 1I über die Begründung der christlichen Eschatologie.
Dieses Kapitel eröffnet Althaus 1922 mit einem "Exkurse von der Unsterb-
lichkeitsgewißheit,,59 und darin der fraglichen Passage, ehe er die Darle-
gung der axiologischen und teleologischen Eschatologie im Christentum
anschließt. 1926 ist der Exkurs gestrichen, und das Kapitel beginnt sogleich
mit der Gegenüberstellung von Axiologie und Teleologie, doch in die von
1922 übernommenen Ausführungen zur Axiologie inkorporien Althaus
diejenige Hälfte des Exkurses, die das Lutherzitat enthält. 60 Er fügt ihr aber
noch etwa eine Druckseite neuen Text hinzu, ehe er den Duktus der axiolo-
gischen Eschatologie von 1922 wieder aufnimmt: die unmittelbare Ewigkeit
in Form von Gericht und Heil. Auffallend ist, daß Althaus den Exkurs dabei
genau auf der Nahtstelle zwischen Gericht und Heil einschaltet: 1922 wird
die axiologische Eschatologie im Christentum so dargestellt:

Freilich. das Letzte auf Seiten des Menschen, das durch die Erscheinung des Heiligen
unwidersprechlich offenbar wird, ist die Schuld und der Tod. Gottes Nahekommen
heißt Gericht und Enthüllung des Todescharakters in allem Menschenwesen. Aber
diese Eschatologie des Gerichtes und Todes wird von Gott aus überboten. mitten in
ihrer Bejahung.lt1

1926 dagegen trennen nicht weniger als vIer Druckseiten den vorletzten
dieser Sätze vom letzten, also das Gericht vom Heil - eben die vier Seiten
des (erweiterten) Unsterblichkeitsexkurses. Dabei verstärken die Erweite-

56 Vg!. die Unterscheidung DERS. (1922) 2g mit DERS. (1926) 28f.


57 Nach der föml1ichen Widerlegung der Unsterblichkeitslehre (DERS. [19331 104 1108]) vgl.
das Zilat a.a.O. 105 [1101 (vg!. schon DERS.11926)31: ..Personbeziehung·').
58 DERS. (1922) 29 par. DERS. (1926) 29 par. DERS. (1933) 105f. mit 106 Anm. 1 1110 mil
Anm. I) (nur hier mil der Quellenangabe WA XLlII,481.32ff. und daher nur hier wörtlich zitiert).
59 DERS. (1922) 28-33 (ZitaI33).
60 Verteilt auf DERS. (1926) 28.29.32; die andere Hälfte über Fichle!l und Kants UnSlerblich-
keilsgedanken ist jelzl in Kap. I verschoben: 8.a.0. 26f.
61 DERS. (1922) 34.
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V. Die amiapokalyptische Eschatologie von Paut Althaus 207

rungen durchgehend diejenige Seite der Unsterblichkeit, nach der sie Vor-
aussetzung des Gerichts ist. Zu dem Passus mit dem Lutherzitat, 1922 als
Einleitung der Thematisierung der inhaltlichen Axiologie von Gericht und
Heil dargeboten, wird nun übergeleitet mit den neuen Sätzen:

Die Begegnung mit Gott erfahren wir als Gericht, das Gericht Gones aber trägt in
sich Unendlichkeit, Ewigkeit. Es wäre nicht mehr das Gericht Gottes, wenn ihm (... ]
entfliehen könnten. (... ] Hier hat es seinen Grund, wenn wir sagen: 62

- und nun folgt der Passus mit dem Lutherzitat, dem die schon zitierte Klar-
stellung über die Gottesgewißheit als Gerichtsgewißheit folgt, ehe sich nach
zwei weiteren Seiten endlich die Überbietung der "Eschatologie des Ge·
richtes und Todes" durch das eschatische Heil anschließt. 63
Althaus bezieht also dasselbe Lutherzitat 1922 auf eine eschatologisch
ungebrochen aufnehmbare Unsterblichkeit, 1926 dagegen auf die gerichtli-
che Brechung jedes Ewigkeitswertes von Geschichte. Und diese Tendenz
scheint sich 1933 fortzusetzen, da das Zitat jetzt kommentiert wird mit dem
Satz: "Im Wissen um Gottes ,Reden im Zorne' mit uns, also um Gottes Ge-
richt wissen wir um ,Unsterblichkeit'" - das "Reden in der Gnade" wird
hier vorerst gar nicht mehr erwähnt. Zudem erfahren die philosophischen
Unsterblichkeitsgedanken jetzt eine regelrechte Widerlegung: "Nun verlie-
ren alle jene Gedanken [... ] ihre Schlagkraft gegenüber der niederschmet-
ternden Frage: ist der Sünder wert weiterzuleben?,,64 - hinzu kommt, daß
die philosophische Eschatologie 1933 aus der Grundlegung in einen An-
hang derselben ausgegliedert wird.
Die Eindrücke dieser Veränderungen lassen sich so zusammenfassen,
daß zwar einerseits das Konzept einer eschatologischen Bedeutung der
theologisch zweideutigen Geschichte in allen Auflagen von Althaus' Buch
gleichgeblieben und als solches auch durch die wechselnde Begrifnichkeit
nicht verändert ist, daß aber andererseits Tendenzen zu einer allmählichen
Hervorhebung der durch Gericht und Heil bestimmten Dimension der Es-
chatologie gegenüber der geschichtlichen Dimension (a) sowie zu einer
Aufwertung der theologischen vor der philosophischen Argumentation (b)
aufkommen. Dieses Bild ist nicht ohne Widersprüche und fordert auf zu
einer detaillierten Analyse der einzelnen Gestalten von Althaus' Es·
chatologie. Zwar hat man es durchgehend mit dem Interesse einer es-

62 DERS. (1926) 29.


63 DERS. (1926) 33 '" DERS. (1922) 34.
64 Zitate DERS. (1933) 106.104 [110.108].
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208 Zweiter Teil

chatologischen Würdigung der Zweideutigkeit von Geschichte zu tun; aber


eben dies macht das im ganzen umfassend nachweisbare Konzept selbst zu
einer zweischneidigen Angelegenheit. 65 Darum sind im folgenden Althaus'
theologische Würdigungen der Geschichte zu untersuchen. Diese Aufgabe
schließt die Frage nach Althaus' Sicht des Judentums ein, da das Profil sei*
nes Geschichtsverständnisses verknüpft ist mit der Einnahme einer be-
stimmten Position gegenüber dem Judentum. Diese Verknüpfung ist daher
vorab darzustellen:

1.2. Implikationen für die Wahrnehmung des Judentums

Althaus' Eschatologiekonzept zielt auf die Ennitllung einer Ewigkeitsbe-


deutung der zweideutigen Geschichte. Dabei ist die Ewigkeit als Jenseits
der Gegensätze geschichtlicher Zweideutigkeiten einerseits unvereinbar mit
der Geschichte, muß sie aber andererseits, da ihre Polarität nur unter Beibe-
haltung ihrer Pole aufgehoben wird, in sich aufnehmen. Diesen differen-
zierten Zusammenhang von Geschichte und Eschatologie gilt es zu ermit-
teln. Von dieser Aufgabe her versteht sich die Front, gegen welche Althaus
sein Konzept abgrenzt; es ist eine fehlerhafte Bestimmung dieses Zusam-
menhangs dergestalt, daß die Eschatologie in Gestalt einer letzten Ge-
schichtsepoche aus der gesamten Geschichte heraustrete. Diese Verhält-
nisbestimmung nennt Althaus die "endgeschichtliche Eschatologie", und im
Rückblick auf die Auseinandersetzung mit ihr hält er fest: "Am Abschluß
dieses Kapitels sei ausgesprochen, daß ich nicht verhüllen will, wie weit
sich die hier vorgetragene Auffassung der Vollendung von dem jüdisch*
biblischen Bilde der letzten Zeit entfemt.,,66 Später schreibt er: "Und wir
haben die These vom ,Judenzen' der endgeschichtlichen Eschatologie zu
einem systematischen Urteil zu machen, indem wir zeigen. daß die recht-
verstandene Sache (Christus und seine Beziehung zur Geschichte) solche
Eschatologie nicht forden, sondern gerade aussch/ießt.,,67 Diese sehr grund-

65 Es scheint freilich überspitzt. wenn bei SCliMIOT (1927) 125-134 Allhaus' Verständnis der
Geschichte als zweidcUlig im Grundsatz wie ein ••unvollkommener Versuch" (a.3.0. 126) gewertet
wird, die radikale Entgegensctzung von Geschichte und Ewigkeit in der Dialektischen Theologie
zu ermäßigen. Althaus' Einsicht. daß die Geschichte allererst theologischer Würdigung bedarf.
wird damit nicht getroffen.
66ALTItAUS (1922) 100 Anm. 1-= DERS. (1926) 185 Anm. 3 (Reflexivpronomen umgestellt).
67 DERS. (1924/25) 629 -= DERS. (1926) 118. Vgl. auch a.a.O. 108 kritisch: "Überall machl sich
naturgemäß das jUdische Geschichls- und Zukunftsbild gellend:' Allhaus dürfte hier Klicfoths
endgeschichtliche Eschatologie vor Augen stehen, auch wenn er diesen 1926 noch nicht nennt. wie
EBERT (1927) 755.756.758 massiv kritisien.
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V. Die antiapokalyplische Eschatologie von Paul Althaus 209

sätzlich fonnulierten Zitate zeigen, daß Altbaus sein Konzept der Ewigkeit
als Jenseits der Geschichte gegen eine als jüdisch wahrgenommene Endge-
schichte profiliert, ja daß möglicherweise sein Konzept schon in sich als
strenge Alternative zu jüdischer Eschatologie verstanden sein will. Das in-
teresse eschatologischer Würdigung der Geschichte erweist sich also als
einschlägig ftir eine sehr dezidierte Wahrnehmung des Judentums, das as-
soziiert wird mit einer als problematisch empfundenen Verbindung von Ge-
schichte und Eschatologie. Wie bereits angedeutet, kann Althaus eine der-
artige Verbindung als charakteristisches Merkmal der jüdischen Apoka-
lyptik bezeichnen.611 und 1933 wird er dies verstärkt tun. Hier liegt der
Grund dafür. daß die schroffe Absetzung gegen die endgeschichtliche Es-
chatologie auch 1933, nach Wegfall des als .,Abgrenzung" überschriebenen
Teils, nicht zurückgenommen wird, ja daß vielmehr Altbaus' Konzept im
ganzen von hier aus den Namen einer antiapokalyptischen Eschatologie
tragen kann.
Die Stadien von Altbaus' Würdigung der Geschichte seien nun im ein-
zelnen untersucht - nicht, um eine Entwicklungsgeschichte nachzu-
zeichnen, sondern um im Vergleich verschiedener Fassungen desselben
Konzepts das systematische Problem offenzulegen, um das die Fassungen
gerade in ihrer Verschiedenheit ringen: daß nämlich die Ewigkeit die Ge-
schichte. wie gesehen, einerseits ausschließen, andererseits aufnehmen
muß. Hierfür kommen dann mehrerlei Abschnitte aus den unterschiedlichen
Auflagen in Betracht. und zwar die Abgrenzung gegen die Endgeschichte
einerseits sowie die Punkte, an denen Althaus ausdrücklich eine geschicht-
liche Begründung bestimmter Eschatologumena fordert, andererseits. letz-
teres geschieht in der EwigkeilSlehre mit Blick auf die Wellhaftigkeit der
Erlösung und die Leiblichkeit der Auferstehung sowie in der Gerichtslehre
hinsichllich der Notwendigkeit eines ewigen Gerichts. 69 Damit ergeben sich
als wiederkehrende Gliederungspunkte des vorliegenden Untenabschnitts
Endgeschichte, Ewigkeit und Gericht.

I. Die Geschichte als Ethik ulIler dem Gericht (/922). Die grundlegenden
Konturen der Althaus'schen Würdigung der Geschichte treten in der
Erstauflage seiner Eschatologie klar zutage.

68 S. bei S. 17 Anm. 18.


69 Die geschichllich begründelen Abschnille sind AlTltAUS (1922) 132-137.137-142 par.
DERS. (1926) 250-256.256-266 rur Wehhafligkeil bzw. Leiblichkeit der Erlösung. AlthaWi hebt
a.a.O. 251 den geschichtlichen Charakler der Begründung ebenso eigens hervor wie DER!. (1922)
101 '" DERS. (1926) 187 rur das Gerichl. DERs. (1933) 327-335.116-132.165 1341-349.121-
137.1721 haI alle diese geschichtlichen Begründungen beibehalten.
210 Zweiter Teil

a) Abwehr der Endgeschichte. Althaus' wichtigstes Argument gegen alle


Gestalten endgeschichtlicher Eschatologie (Kap. IJI) ist die Abwehr des
Fortsehrittsgedankens: Das Eschaton ist nicht das Ende als der Abschluß
eines Fortschritts, der zu jedem Punkt aUe Erträge der gesamten jeweils
vorangegangenen Zeit in sich aufnähme und der darum am Ende der ZeiL
freilich auch erst am Ende der Zeit. vollendet sein müßte, so daß die letzte
Zeit vor allen anderen ausgezeichnet wäre. 10 Diesem Verständnis setzt All·
haus am Beispiel des biologischen "Fortschrittes" die Eigenständigkeit je-
des Lebensalters entgegen und kontrastiert das biblizistische Verständnis
der Bibel als "Organismus" mit der zeitgeschichtlichen Exegese. Damit er·
übrigt sich auch die unterschiedliche Gewichtung der Zeiten, so daß Alt-
haus zu der These k.ommt, daß ,jede Zeit [... ] gleich unmittelbar zur Voll-
endung" sei: ,,Jede Zeit ist in diesem Sinne letzte Zeit."ll
Eine theologische Würdigung der Geschichte als eschatologisch bedeut-
sam, also als "Heilsgeschichte", schließt allerdings unabdingbar das histori-
sche Christusereignis ein, so daß Althaus die Qualifikation jeder Zeit als
letzter Zeit zunächst nur auf die Zeiten nach Christus anwendet. Für die
übrigen Zeiten greift er zur Annahme eines jenseitigen "Mittelzustandes",
in dem den vom Christentum unberührten Völk.ern die Begegnung mit
Christus widerfahn: .,Es gilt dann also doch, daß jedes Geschlecht unmit-
telbar zur Vollendung ist:,72 Althaus wendet diesen Satz dann fast wort-
gleich auf alle Einzelthemen der endgeschichtlichen Eschatologie, die sog.
Vorzeichen des Endes, an: Sie alle sind aktualisierend auf die jeweilige Ge-
neration zu beziehen. 1J Die entsprechenden Prophetien liest die Es-
chatologie daher nicht im Sinne der ..Wahrsagung", d.h. der .,Voraussage
einzelner bestimmter äußerer Ereignisse", sondern im Sinne der .,Weissa-
gung", der ..aktuellen, konkreten Verkündigung der heiligen Gesetze, die
l... ) notwendig gelten,'.'4 Die methodisch gesicherte Quelle der Es-
chatologie liegt demnach nicht in den "Verheißungswonen Jesu", sondern
der .,Christustatsache".'5 Althaus charakterisiert seine Eschatologie daher

70 ALlliAUS (1922) 92: Die Endgeschichte ,.wUrde dann ja nur von einer Generation erlebt,"
71 Zilalc a.I.O. 71.73.84.84.
72 Zilale u.O. 86.85.85. Zum Gedankcn des MiuclzuSWKb vgl. auch a.a.0. 44.99.110. S. S.
236 Anm. 197.
73 A.a.O. 86 (vgl. u.O. 87.88): ..Mil jeder neuen Genemion i.$l die Aufgabe (der Weltmissi-
onI v.ieder neu:' A.a.O. 94: .Jedes Geschkchl soll die Machl des Antichrisdichen in seiner Ge·
gcnwar1 suchcn.- A.a.O. 96: .Das Gericht bezieht sich auf jede Genel1lllion.- - ..Die Parusie ist als
überzeitliches Ereignis jedem Geschlechte glcich nahe".
74 A,a.O. 78.
75 Zitatc l.a.O. 52 (im Original gcspem) bzw. a.a.O. 52.53.54 U.Ö.
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V. Die antiapokalyplische Eschatologie von Paul Althaus 211

im Gegensatz zur endgeschichtlichen als "reichsgeschichtliche" oder als


,.reichsgeschichtlich-typisch,,;76 er sucht die Vollendung nicht in der
,.Längslinie" der Geschichte, sondern errichtet "überall Senkrechte auf
ihr",.77
Dieses geometrische Bild veranschaulicht das Profil des Konzepts be-
sonders deutlich: Althaus wendet sich gegen eine eindimensionale Es-
chatologie in der bloß waagerechten Ausdehnung des Zeitstrahis. Er setzt
aber gegen den eindimensionalen Strahl nicht den nulldimensionaJen Punkt
und darum nicht das ,,Jederzeit", sondern ,jede Zeit", d.h. das zweidimen-
sionale Achsenkreuz der Senkrechten auf der Längslinie. Dies entspricht
genau der grundsätzlich doppelten Spannung seines Konzeptes. 7B Gegen die
endgeschichtliche Auszeichnung der letzten Epoche behauptet Althaus die
UnmiueJbarkeit jeder Epoche, er hält aber an der epochalen Gliederung
der Zeit überhaupt fest. Die geschichtliche Längendimension der Es-
chatologie wird nicht getilgt, sondern aktualisierend auf die jeweilige Gene-
ration umgelegt. - Freilich schreibt derselbe Althaus 1922 auch: "Alle
Senkrechten, die wir auf der Zeitlinie errichten, um auf die Ewigkeit.. die
Parusie, die Vollendung zu stoBen, treffen sich im Überzeitlichen in einem
Punkte:' - "Damit wird schließlich auch die Frage nach dem Wann? der
Vollendung sinnlos. Sie ist nicht nur unbeantwonbar, sondern auch falsch
gestellt.,,79 Den Grund für diese Reserve gegenüber einem zeitlichen Ver-
ständnis der Bedeutung von Geschichte zeigt die Ewigkeitslehre.
b) Ewigkeitslehre. Althaus argumentiert für Welthaftigkeit und leiblich-
keit der Ewigkeit (Kap. V) deswegen geschichtlich, damit die es-
chatologische BedeulUng der Geschichte ftir die Ewigkeit nicht mit der
Ewigkeit selbst begründet wird, so daß die geschichtliche Begründung ein
bloßes Mittel zum Zweck der Ewigkeit würde; Althaus richtet sich also ge-
gen eine "ausschließliche teleologische", d.h. zweckgesteuene Würdigung
der Geschichte. so Stall dessen weist er in der Frage der "neueln) Welt" den
Forderungen der "Kulturarbeil" als ..Aufgaben eigenen Sinnes und Rech~
tes" einen ..Selbstzweck nach Gottes Willen" zu und begründet in genauer
Entsprechung dazu die "neue[ ... ) Leiblichkeit'" als einen "selbständigen
Gegenstand der Heiligung·,.81

76 A.a.O. 94.95.•.Reichsgcschichllich" ist ....'Ohl die Anl......on auf Althaus' eigene: Frage nach
dem ..irgendwie .endgeschichtJichelnl''' Ertrag der Geschichte (....0. 27).
77 Zitate 1.1.0. 84.
78 S. bei S. 203 Anm. 42.
79 Zilale 3.a.0. 98.%.
80 A.a.O. 133. Vor Augen SIcht die Theologie der Ritsehl.schule (a.3.0. 133 Anm. I).
81 Zilale a.a.O. 132.135.135.133.137.138 (alle Hervorhebungen aufgehoben).
212 Zweiter Teil

An den Beispielen der Kulturarbeit und der Heiligung wird das Profil
von Althaus' Würdigung der Geschichte deutlich: Ewigkeilsbedeulung hat
die Geschichte da, wo und insofern sie Gegenstand der Ethik ist. Althaus
versteht also den Ewigkeitssinn der Geschichte nicht zeitlich, sondern
ethisch; wenn er an der Gliederung der Zeit in Epochen oder Generationen
festhält, dann deshalb, weil diese jeweiligen Epochen und Generalionen das
Feld der Ethik sind. Die Ethik ist dabei der Dogmatik nicht nach-, sondern
nebengeordnet. Dies entspricht Althaus' personalistischem Geschichlsbe-
griff. und daher kann die geschichtliche Begründung der fraglichen Es-
chatologumena auch als ,.ausschließlich in der christlichen Ethik" liegend
bezeichnet werden. Ja, Althaus kann schreiben: .,Ethik und Eschatologie
suchen einander.,,82 Diesem Verständnis der Geschichte als Ethik entsprichl
auch Althaus' Gerichlslehre.
c) Gerichrslehre. Althaus entfaltel die Gerichtslehre (Kap. IV) nicht in
dem tntditionellen und semantisch naheliegenden Zusammenhang mil der
Rechtfertigung des Sünders, sondern im Rahmen des sittlichen Personalis-
mus, wobei er freilich das Spezifikum seiner Eschatologie. den jenseitigen
Ewigkeitsbegriff, wahrt. Er unterscheidet drei Dimensionen des Gerichts als
Gericht über den "Glauben", Gericht nach den ..Werken" und als Gericht
zur Ernte der sittlichen "Frucht" eines Lebens. 8J Althaus' argumentatives
Ziel ist. für jede dieser drei Dimensionen zu zeigen, daß aus den geschichl-
lichen Ereignungen von Gericht ein ewiges Gericht folgt, also die O.g. ge·
schichtliehe Begründung. Diese Begründung führt Althaus in zwei nicht
weiter gekennzeichnelen Abschnitten zum geschichtlichen bzw. ewigen
Gericht mit jeweils drei Punkten zu den Dimensionen des Gerichts durch. 84
Daß die Begründung geschichtlicher Art ist. gewährleistet er dabei, indem
er das Jüngste Gericht mit dem Personalismus der Lutherrenaissance als
Bewußlwerden des geschichtlichen Gerichts 85 und so als in diesem begrün·
det begreift. Althaus' Spezifikum gegenüber der Lutherrenaissance ist nun.
daß das Verhältnis zwischen geschichtlichem und Jüngstem Gericht nOl·
wendig, aber paradox ist und darum weder Reduktion des einen auf das an·
dere noch Entwicklung vom einen zum anderen erlaubt. Es besteht vielmehr

82 Zitate •.•.0. 138.137.


83 Zitate •.•.0. 102. wo er die drei Dimenstone:n auch Sein. Akl und Werden des siulichen Le-
bens zuordnet.
84 Grundsätzlich 3.3.0. 101: •.Es gilt zu zeigen. wie Goues geschichtliches Richten über sich
selbst hinausweist und ein abschließendes Endgericht (orden," Sodann spicgelt sich in den zwei
Abschnittcn die o.g. Dreiteilung: geschichtliches Gericht: a.a.O. \04f. 105-107.108 - ewiges Ge·
richl: 3.3.0. 108-120.120-122.122-\25.
85 A.a.Q. 108 im Kontext des Gerichts über den Glauben (das Sein) des Gerichteten.
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V. Die amiapokalYPlische Eschatologie von Paul Althaus 2 I3

in Althaus' bekanntem Konzept eines ewigen Jenseits der geschichtlichen


Gegensätze. wie Althaus für alle drei Gerichtsdimensionen ausführt:
Seiner ersten Dimension nach macht das Jüngste Gericht die geschichtli·
che Entscheidung für oder gegen den Glauben als Entscheidung für bzw.
gegen Gott bewußt. was jedoch nur als Spannung beschrieben und nicht aus
der geschichtlichen Entscheidung entwickelt werden kann, weil die nicht-
christianisierten Völker im MiuelZUSland eine solche Entscheidung noch
gar nicht gefallt haben. Althaus behandelt hier das Thema von Apokatasta·
sis und doppeltem Ausgang, welche die erwähnte Spannung bilden. 1l6 -
Ebenso ist das Gericht nach den Werken, die zweite Dimension des Jüng-
sten Gerichts. nichts, was sich aus den geschichtlichen Taten der Menschen
als daraus folgendes Ergehen entwickelt, sondern besteht im klaren Be·
wußtsein des unwiderrunich Vertanen, das in sich Strafe genug ist. 87 Alt·
haus thematisiert hier den Fragenkomplex von Vergeltung, Strafe und Tat·
folge, der für die Wahrnehmung des Judentums von hohem Gewicht iS1. 88 _
Auch der dritte Aspekt des Gerichts, die Ausreifung dessen, was Menschen
in ihrem sittlichen Leben geworden sind, läßt sich nur paradox so beschrei·
ben. daß sie weder "mit einem Schlage,,89 noch als Entwicklung geschieht.
Althaus hat hier den Topos des Läuterungsgerichts vor Augen. den er gegen
die katholische Purgatoriumslehre absetzt.
d) Zwischenergebnis. Althaus' Würdigung der Geschichte ergibt nach
den hier gesammelten Beobachtungen zu seinem Eschatologieentwurf von
1922 ein zusammenhängendes Bild, das von einer als kennzeichnend jü.
disch verstandenen Folie alternativen Geschichtsversländnisses abgehoben
wird. Ln deullicher Wendung gegen den Fortschriusgedanken vertritt AIt-
haus ein aktualisierendes Verständnis der Eschatologumena. bei dem jedoch
die zeitliche Dimension der Eschatologie nicht aufgegeben, sondern in die
Gegliedertheit der Geschichte in Generationen transformiert wird (a). Diese
gibt die Struktur- und Ordnungsbegriffe einer Ethik ab (b), und in dieser
besteht der Ewigkeitswen der Geschichte, der freilich wie sie unter dem
Gericht steht (c) und so zweideutig bleibt. Wenn Althaus diese es-
chatologische Würdigung der Geschichte gegen das jüdische Geschichts·

86 A.a.O. 119 zur Spannung von Apokatastasis und doppeltem Ausgang. die a.a.O. 112-114
gegen den Entwicklungsgedanken abgegrelll.t wird. Das Argument des Millelzustands gebraucht
Ahhaus a_a.O. 110.
87 A.a.O. 122 mit Anm. 1.
88 Oie seinerzeil geläufige. in unserem Exkurs 7 (S. 199f.) fUr Stange belegle Krilik des Ver-
geltungsgedanlr.::em als kennzetchnend jüdischer Vomellung wird seil K. Kochs Untersuchungen
zum Tun-&gehem-Zusammenhang aur bttiter Front hinlerfragl.
89 A.a.O. 123.
214 Zweiter Teil

verständnis absetzt, reklamiert er also als Spezifikum christlicher Ge-


schichtsauffassung gegenüber dem Judentum, daß sie den Zweideutigkeiten
der Ethik eschatologische Bedeutsamkeit zumiBt, m.a.W. er vermißt im Ju-
dentum die eschatologische Gewichtung der Ethik. Genau diese betonten
aber bedeutende, zeitgenössische jüdische Gelehrte. die das Judentum als
Religion der Sittlichkeit, also als ethische Größe, in menschheitlichem (und
damit eschatologischem) Horizont sahen. Für L. Baeck. als einen der promi-
nentesten unter ihnen gründet diese eschatologische Bedeutung jüdischer
Ethik ausdrücklich darin, daß sie die Zweideutigkeiten der Sittlichkeit in
Paradoxien zusammenhalte, was mit Althaus' Ewigkeitskonzepl vergleich-
bar isc.90 Das Judentum seiner Zeit böte also einen möglichen Gesprächs-
partner von Althaus' Eschatologie. Statt seiner ist jedoch meist eine andere
Stimme im Vergleich mit Althaus zu Wort gekommen:

Exkurs 8: Eschatologie bei Althaus und der Dialektischen Theologie

Althaus' erster Entwurf der Eschatologie ist charakterisiert durch ein kritisches Inter·
esse an der Geschichte. Ein solches kennzeichnet auch die zeitgleich auftretende
Dialektische Theologie. Bei aller Eigenständigkeit. die deren Vel1retem je einzeln
zuzuschreiben ist (wie bei den meisten theologischen Schulgestalten). hat sie einen
gemeinschaftlichen Schwerpunkt auf der Paradoxie von Geschichte und Eschatologie.
Tatsächlich ist in der Forschung die Eschatologie des frühen Althaus oft mit derjeni-
gen der frühen Dialektischen ll\eologie parallelisiert worden; Allhaus habe 1922 wie
sie den schroffen Einbruch der Ewigkeit in die Geschichte vertreten und sich erst
später traditionellen Gedanken einer zeitlichen Erstreckung der Eschatologie zuge-
wandt. 9 • Zugleich wird flir die einzige ausgeftihrte Eschatologie der frühen Dialekti-
schen Theologie, Karl Barths einstündige Vorlesung vom Wintersemester I925n6.
neuerdings angenommen. daß sie mit der zeitlichen Differenzierung von Versöhnung
und Erlösung über die Augenblickseschatologie der Dialektischen Theologie hinaus·
gehe und die Eschata als ..zeitliches Ereignis" denken lehre. 92 In dieser komplexen
Diskurslage will der vorliegende Exkurs Position beziehen. indem er beide Fragen
nacheinander behandelt.
I. Die unterschiedliche WUllmg der Geschichte. Beide, Althaus und die Dialekti-
sche Theologie. sehen eine Paradoxie: Einerseits sind Geschichte und Eschaton un-
verträglich mheinander. Allhaus profiliert sein gesamtes Konzept gegen die endge-

90 S. Kap. 1.3. hier S. 31 f.


91 So schon andeutungs....'t:ise HOLMSTRÖM (1936) 339.412. dann an einflu8r"eicher Stelle der
Althausschü1er GRASS (1918) 334 und seither LB. WtMMER (1919) 111f. u.ö.: PANNENBER<:i
(1995) 19. MOLTMANN (1964) 33 verbindei den Althaus von 1922 ganz. mit der Dialektischen
Theologte .....e gen der Hervomebung der Atiologie. KJELDE (1987) 411 sieht dagegen bei A1thaus
durchweg die Teleologie dominieren.
92 E'r1.Eut01.l.a (2001) 121 mit Berufung auf Stelkn wie HARnf (1925/261 (2003) 43S[
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V. Die antiapokalyptische EschalOlogie von Paul Althaus 215

schichtliche Eschatologie. die diese Unvenräglichkeit mißachtet und die Ewigkeit als
Teil der Geschichte behandelt: die Dialektiker betonen. daß Gones eschatisches
Kommen das Gericht über die Welt ist. Doch andererseits wird. was bei beiden Auto-
ren zunächst wie ein planer Gegensatz scheint, zur Paradoxie, wenn Allhaus seine
Gerichtslehre auf die Frage nach einer Ewigkeitsbedeutung der Geschichte zuspitzt'l
und wenn das Wesen der Dialektischen Theologie darin besteht. daß das Gericht als
die Grenze. auf die alle Welt stößt. zugleich die Gnade ist. die neues Land begrun-
det. 94 Die Dialektische 11leologie wird nicht müde einzuschärfen. daß im Nein des
Gerichtes Gottes über die Welt zugleich sein Ja zu ihr liegt," daß das Gericht, wenn
der Mensch es annimmt. zugleich die Gnade ist. 96
Dennoch besteht ein wesentlicher Unterschied zwischen beiden Konzeptionen. Für
Althaus sagt das Gericht zur Geschichte. d.h. zu ihrem Ewigkeitswen. gerade auf-
grund ihrer Doppeldeutigkeit zugleich Ja und Nein. 97 Für die Dialektische 1lIeologie
hingegen spricht das Gericht zur Geschichte als ganzer sein blankes Nein. und erst
auf der Basis dieser Voraussetzung erkennt der Glaube im Gericht die Gnade und läßt
so die Geschichte doppeldeutig im Sinne des lutherischen simul iustus et peccator
werden. Bei Althaus ruft also die Geschichle wegen ihru Doppeldeuligkeit nach dem
Gerichl. während in der Dialektischen Theologie das Gericht erst die Doppeldeulig-
keit der Geschichte hen'orruft. Damit kennt die Dialektische 11leologie zwar einen
Ewigkeitswen der Geschichte. aber nur als einen Negativwen: ..Ihr unverkennbarer
Unsinn ist ihr einziger Sinn". wie Althaus treffend schreibt. 9lI Dagegen steht bei Alt-
haus das Beharren auf einer positiven geschichtlichen Begründung verschiedener Es-
chatologumena.
Ein rein negatives Verständnis von Geschichte beherrscht nun auch die grundle-
gende Argumentation in KARL BARTHS Eschatologievorlesung von 1925/26: Ihr
Grundthema ist. wie schon in Banhs .•Römerbrief' von 1922. die Hoffnung." Hoff-
nung läßt sich laut 8anh nicht mit der Erfüllung irgendeiner Vorgegebenheit. etwa
der Fülle Gones oder der Gonebenbildlichkeit des Menschen. begründen. lOO sondern
nur mit dem Theologumenon des Bundes. aber einzig so. daß der Mensch immer der
Übertreter dieses Bundes ist. dem Gott als Erbarmer des Gnadenbundes hoffnungs-

93 Das iSI Althau$' Spezifikum gegenUber C. Stange. $. Exkurs 7 (5. 199f.).


94 RARTII [19221 (1999) 14 zu Röm 1.16: "Was uns begrenzl. das isl neues Land:' Vgl. den
ganzen Abschnin a.a.O. 11-18.
95 Z.R. OERS. (1922) 170: ..keine Negation. die wir ihm Isc. dem Menschenl empfehlen kön-
nen (und wenn wir ihm Selbslmord empfehlen wUrden!) ist so groß. so prinzipiell wie die Negati-
on ' ... 1. die unmittelbar erfülll iSI von der Positivitäl Galles"; DERS.II922] (1999) 14: "Gerade
weil Galtes Nein! ganz iS!. ist es auch sein Ja!" Vgl. DERS. (1919) 62.
96 GoGARTEN (1920) 121.111: •.dieses Gerichl zum Tode iS! der Eingang zum uben"; DERS.
(1922) 363f.
91 S. bei S. 201 Anm. 37.
98 ALlliAUS (1923n4) 741 in .,Auseinandersetzung mil der Dialektischen lbeologtc" CUnler.
titel l.a.O. 741).
99 Der einschllgigc Paragraph nimml als einer von vieren 45 der 110 Druclseilen der ganzen
Vorlesung ein.
100 Zu diesen Fehlwegen B....Rlli 1I 925n6! (2003) 389-393.
216 Zweiter Teil

stiftend gegenübertriu. IOI Die Geschichte des Menschen ist hier also schlechterdings
das Gericht. welches nur die Hoffnung auf Gottes Gnade zu wenden vennag. Das ist
für Barth in dialektisch-theologischer Diktion ..der Mensch. der eben in dieser ihm
widerfahrenden Begegnung mit GOIt sich selber schlechterdings nur als Geschöpf
1... 1 und als in seinem ganzen Tun gerichteter Sünder, aber nun gerade als das: gerade
als Geschöpf und verlorener Sünder sich von Gott angenommen weiß". 102 Zwar be·
streitet Barth. daß die Eschatologie. wie wir es bei der Venninlungslheologie beob-
achlen konnten, nur der virtuell bleibende Bezugspunkt aller Theologie sei. indem er
in einer an Kähler gemahnenden Metaphorik die erhoffte Zukunft als reale Wurzel
der Hoffnung bezeichnct. I03 Doch was da erhofft wird. ist ganz im Sinne der Dialekli-
sehen Theologie die Ewigkeit als .Negation der Zeit" und Überwindung der Ge-
schichte, wenn im VerlauF der Vorlesung die Hoffnung als bezugslos in Raum und
Zeitlo- charakterisien wird. lOS
2. Restitutionseschatologie in der Dialektischen Theologie. Wenn Banhs Vorle~
sung gleichwohl betonen kann. daß die Parusie als das Eschaton schlechthin eine die
Geschichte abschließende und damit der Zeit zugekehne Dimension habe. so wird
damit zwar in der Tat eine Zeitlichkeit der Eschatologie behauptet, jedoch nur als
Abschluß im Verhältnis zu einem AnFang. also im Sinne einer ,.resÜtutio ad inte-
grum".I06 Dies aber deckt sich mit der reinen Negalivwenung der Geschichte. wie
bereits zwei Jahre vor Althaus HORST STEPHAN in der Erstaunage seiner Dogmatik
bemerkt. Demnach darf die Eschatologie keine Ursland~Eschalon-Klammer um die
Geschichte bilden und diese so als theologisch lelztlich belanglos ausklammern. 107

101 Zur Begründung heißt es a.a.O. 395: .•Weil wir \'om M~nscMn nichts Anderes wissen. als
daß er diesen von Gou zwischen sich und ihm aufgerichteten Bund gebrochen haI." Vgl. das bibli~
sche Beispiel •.•.0. 477. 'NO Röm 7 erscheint als negative EingangsvOTausselZung zum Kapitel
Röm 8. das .in keinem Augenblick anders zu haben ist als eben in dem Schrill von Röm. 7 her".
\02 A.a.O. 402.
t03 A.a.O. 407: ..Nicht so S1ehl es. als ob der Baum der chriStlichen Wahrheit. nachdem seine
Wurzeln und Äste nach allen möglichen Seiten sich ausgebreitel haben über und unler der Erde:.
nun 1... 1 auch noch ein ach so fadenscheiniges Würzelchen in den ach so hanen Fclsenboden der
eschatologischen Möglichkeiten oder vielmehr UntTJÖglichkeiten zu treiben versuchen müßte,
sondern so steht es, daß er vielmehr gerade von donher 8~l'I'ochs~fl ist. don gerade seine ursprüng-
liche eigentlich tragende und nährende Wunel hat:' Ebd.: "Nicht die Fragen sind das Erste. son·
dem die Anlwon." Vgl. Kählers Metaphorik (s. $.168 Anm. 156; $.174 Anm. 174).
104 Zitat 8.a.0. 430. Vgl. a.a.O. 412 zur Zeit als "Hülle" und a.a.O. 414 zur Raumlosigkeit:
•.darum muß es SO sein, daß der GIOUM blind is....
t05 Bemerkenswen ist. daß die Dialekliker die nur negaliv theologisch verwenbare Geschichte
öfter mit dem Judenlum assoziieren. Es kann dann als Prototyp des Menschen fungieren. doch so.
Wtc er vor GOltes Gerichl vergeht. Bei BARlli (t922) (1999) t6 stehl der Jude" filr den religiösen
Menschen. dem der Glaubende entgegengesetzt wird (vgl. $TADTl.AND (1966) 150 zum Judenlum
in Barths Eschatologie). Und BULTMANN (1940) 38 ....'('ilel seine am jüdischen GeseIZ begonnene
Argumenlalion• ..so merkwürdig es zu sein scheint". ins Anthropologische.
106 Zitat DARm (1925/26) 12003)474. Zur Zeillichkeit der Parusie außen sich Banh a.a.O.
451-453 sehr zurückhaltend bis abwägend.
107 STEPttAN (1921) 116 (I 14), dcr in diesem Qcschichtsinleressc die "Weltanschauung" in
die DoglTUltik aufnimmt, den Ausdruck aber später durch "Weltverständnis" ersetzt. um sich VOll
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V. Die antiapokalyptische Eschatologie von Paul Althaus 217

Eschatologie würde sich dann auf die Restitution des Urstandes beschränken, und
tatsächlich sind für einige Dialektiker dahingehende Tendenzen nachweisbar. 108 Wie
das Vorwort zur Zweitauflage von Stephans Buch zeigt, hat am meisten Diskussion
gerade sein Paragraph zur EschalOlogie ausgelöst, der als Verzicht auf deren zeitliche
Dimension und damit als Entsprechung zur Dialektischen Theologie aufgefaßt wur·
de.HI') Da Stephan eigens deshalb einen neuen Paragraphen konzipiert, darf man an-
nehmen, daß seine Kritik an einer Ausklammerung der Geschichte eben der Dialekti-
schen Theologie gilt. 1lo Einer solchen Ausklammerung entspricht es, wenn Dialekti-
sche Theologie die Geschichte nur via negationis theologisch zu würdigen vermag.
Wenn Althaus dagegen ftir einen positiven Ewigkeitswert der Geschichte plädiert,
dann will er nicht behaupten, daß irgendein Geschichtsdatum der Verfallenheit aller
Geschichte entnommen sei. wie später Barth an früheren Weggenossen kritisierte;lll
auch geht es Althaus nicht darum. daß alles Nein doch in einem ursprünglichen Ja
wurzele. das es bloß verneine, wie P. Tillich etwa zur selben Zeit gegen Barths Dia-
lektik einwandte. '12 Althaus will vielmehr einfach die Doppeldeutigkeit der Ge-
schichte vor dem Eschaton festhalten, ohne sie damit zum System zu machen und so
doch wieder zu vereindeutigen - denn dieser System wille ist für Althaus gerade der
Fehler der Dialektischen Theologie, die er darum in einem grundlegenden Aufsatz
mit einer spannungslosen Mystik gleichsetzl. l13

2. Die Geschichte als Hingabe an die Ewigkeit (1926). Die Neubearbeitung


von Althaus' Eschatologie zeigt infolge der Auseinandersetzung mit den
Kritikern gegenüber der Erstauflage Veränderungen besonders an den drei
von uns betrachteten Punkten. 1 14 Zum Problem der Endgeschichtc hat AIt-

seiner N$-freundlichen Interpretalion durch A. Roscnberg abgrenzen zu können (DERS. [19411 258
Anrn.2).
108 Vg1. die Rede von einer ursprünglichen Schöpfung bei BARTH (1919) 55; GoGARTEN
(1920) 118. A.a.O. 111 ist zudem das Gericht, das zugleich die Gnade LSI, deshalb nur für den
GI:lUben erkennbar. weil nur er sich an die Güte der Schöpfung 7.U erinnern vemJag. von der ihn
der .,furchtbare Fall" trennt (mit Bezug auf Lk 15.17f.).
109 $TEPflAN (1928) VIII. Stephan wurde also, ähnlich wie Ahhaus. unzulreffend eingeschätzt.
110 Eine VorJ.eichenumkehr vor Stephans Urstand-Eschaton-Klammer nimm1 w. KONNETH
(1933) vor: Christi GOllheit und Menschhcil sind erst mit dem "Urwunder" der Auferslehung ganz
geeint (a.3.0. 1(4), so daß Christus. wenn er bei der Reichsübergabe (I Kor 15,28) den Kyrioslitel
preisgibt (a.a.O. 260), den Ur.tustand restituiert. Urstand und Eschaton klammem hier die Ge-
schichte zwar nicht aus. aber doch ein. ALTHAUS (1933) 334f. 13491 krilisiert daher, daß Künneth
(wie die Dialektische Theologie) Theologie auf Christologie beschränke.
111 $. Kap. 1.3. hier S. 39f.
112 Tll.L1C1l11923j (1987) 96f. erwähnl mehrfach die ..positive Wunei" aller Paradoxie.
113 ALTIlAUS (I924f25a) 309 Anm. 1 will zwar mit E. Brunner als einem Vertreter der Dia-
lektischen Theologie gegen die spannungslosc MySlik angehen. nennt als deren Beispiel aber
a.a.O. 313 Anm. I eine Christologie des ..ruhenden Ausdrucklsi". ftIr deren Kritik er auf seine S.
215 Anm. 98 zitierte Auseinandersetzung mit der Dialektischen Theologie verweist. so daß mit der
..MYSlik" diese gemeint ist (so auch BEJSSER 119931 180 Anm. 17).
114 MEJSER (1993) 69f. zeigt zudem, daß Althaus 1926, angeregt durch K. Barth. die Bibel
stärker berücksichtigl.
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218 ZweiterTeil

haus bereits im Herbst 1924 in Helmstedt dem Wemigeroder Apologeti.


sehen Seminar vorgetragen und diese Überlegungen in erweiterter Form im
folgenden Jahr veröffentlicht; das neue Kap. III ist eine Kompilation dieses
Aufsatzes l15 und der Fassung der Erstaunage sowie wenigen neuen Passa·
gen. Die Gerichtslehre (Kap. IV) modifiziert Althaus nach einern implizit
kritischen Aufsatz seines Freundes E. Hirsch zum Thema, und beim Kapitel
über die Ewigkeit (Kap. V) hat Althaus Erweiterungen vorgenommen, die
116
mit der Aufnahme von Anfragen K. Heims in Kap. 1.1 korrespondieren -
so wie im unveränderten Gesamtaufriß von Althaus' Eschatologie die
Grundlegungs- mit dem Schlußkapitel korrespondieren.
a) Abwehr der Endgeschichte. Im neugestalteten Kap. lJ1 ist die detail-
lierte Gliederung von 1922 noch weiter unterteilt und so gewissermaßen
"verdoppelt"; Zwar ist die Kritik des säkularen Fortschrittsglaubens als
Selbstverständlichkeit fortgelassen, dafür aber die des biblizistischen Ent-
wicklungsgedankens sowohl an das Konzept der Heilsgeschichte als auch
an das der Endgeschichte gerichtet, und heidemale werden das Schriftver-
ständnis, der systematische Begriff und dessen einzelne Anwendungen un-
tersucht. 1l7 Dieses formale Gestaltungsmittel erlaubt Althaus die Unter-

115 Ich ziehe ALTHAUS (1924125) durchgängig heran, zitiere daraus aber nur bei Unlerschie·
den zu OERS. (1926).
116 Die genannlen Änderungen fUhrt ALTBAUS (1926) VUlf. selbst an.
117 DERS. (1926) Kap. 111 ist im einzelnen SO gegliedert (Vergleich mit 1922 kursiv):
Theologiegeschichtlicher Vorspann: a.a.O. 77-83 = VERS. ((922) 64-69.
Vorstellung des Aufrisses: DERS. (1926) 83f. = DERS. (1924/25) 605f.
Kritik der Heilsgeschichte: DERS. (1926) 85-96 = DERS. (1924/25) 606--616:
Schriftverständnis: DERS. (1926) 87-90 par. DERS. (1924/25) 608-611. DERS. (/922) 72-8/:
systematischer Begriff: DERS. (1926) 90-96 = DERS. (1924/25) 611-616, DERS. (/922) 8/ft.;
- bzgl. Urgeschichle: DERS. (1926) 91-93= DERS. (1924/25) 611-613. vgl. DERS. (1922} 83:
- bzgl. Religionsgeschichte: DERS. (1926) 93-96 = DF.RS. (1924/25) 613--616, DERS. (/922) 83.
Kritik der Endgeschichte: DERS. (1926) 96-174 vgl. DERS. (1924/25) 616--668;
ihre biblische Begrllndung: DERS. (1926) 97-119 = DERS. (1924/25) 617-629:
unkritisch; DERS. (1926) 97-112 par. DERS. (1924/25) 616--625, vgl. VERS. (1912) 72-8/;
kritisch: DERS. (1926) 112-119 par. DERS. (1924/25) 625-629. mIr angedeutet VERS. (/912) 90.
ihr systematischer Begriff des FortsehrillS: DERS. (1926) 119-149 = DERS. (1924/25) 630-651;
positiv; DERS. (1926) 121-143 par. DERS. (1924/25) 631-647. vgl. DERS. (/922) 86--89:
- Mission: DERS. (1926) 121-126 par. DERS. (1924/25) 631-635, I'gl. DERS. (/922) 86: 122f.;
- Erkenntnis: DERS. (1926) 127-134 par. DERS. (1924/25) 635-640. nicht in VERS. (/922):
- Ethik: DERS. (1926) 134-143 = DERS. (1924/25) 641-647. angedeutet VERS. (1922) 87.7/.
negativ: DERS. (1926) 143-149 par. DERS. (1924/25) 647-651. VERS. (/922) 9/: 93 Anm. 2.
Anwendungen: DERS. (1926) 149-174 = DERS. (1924/25) 651-668, vgl. DERS. (/922 ) 89-98:
Parusie: DERS. (1926) 149-153 = DERS. (1924/25) 651-655. vgl. DERS. (1922) 95;
Chiliasmus: DERS. (1926) 153-162 = DERS. (1924/25) 655-661, vgl. DER!>. (/922) 95:
Anlichrisl: DERS. (1926) 162-174 par. DERS. (1924/25) 662-668, vgl. DERS. (/922) 90-94.
Geschichte: DERS. (1926) 174--186 par. DERS. (1924/25) 668-676, vg/. VERS. (/922) 94-100.
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V. Die anliapokalyplische Eschalologie von Paul Althaus 219

scheidung zwischen einem sozusagen eher ..negativen" und emem eher


"positiven" Element der endgeschichtlichen Eschatologie: Demnach wäre
Heilsgeschichte eine .,stetig fortschreitende" Geschichte zwischen Urstand
und Eschaton als eine einzige fonschreitende Degeneration infolge des
Sündenfalls. der auf ihrem Tiefpunkt die Uberwindung in einer ..Endge-
schichte" korrespondiert. ll8 Heilsgeschichte ginge dann einfach in Endge·
schichte über, so daß Heilsgeschichte einerseits grundsätzlich negativ und
nur an ihrem Ende Aufstieg wäre und Endgeschichte andererseits grund-
sätzlich positiv und nur an ihrem Anfang Verfall. Wenn jedoch Althaus
Heilsgeschichte "nicht mehr" in diesem Sinne versteht. sondern auf die alt-
testamentliche Vorgeschichte bis zu Christi Erdenleben als terminus ad
quem begrenzt,119 dann bestreitet er, daß die Geschichte im Sinne eines
Konzepts von degenerativer Heilsgeschichte eindimensional aus dem Sün·
den fall abzuleiten sei.
Was hier im Ausgang von Althaus' erweiterter Gliederung formal festge-
stellt wurde, ist nun an den wesentlich umfangreicheren Derailaus/iihnUl-
gen zur Endgeschichte zu überprüfen, also besonders zu den Einzelthemen
Parusie, Chiliasmus und Antichrist, die Altbaus die ..Postulate der Endge·
schichte" nennl. l20 Als solche verwirft er sie, da die Vorstellung eines "ge-
schichtlichen Heraustretens" des Eschaton, wie Altbaus zum Parusiethema
schreibt. eine "contradiclio in adjecto" sei; ihrem Gehalt nach sind die Po-
stulate bereits das Eschaton. und ihre Verwirklichung ist daher die Aufhe-
bung der Geschichte. Unter den Bedingungen der Geschichte sind sie dage-
gen ..nur dem Glauben zugänglich", so daß Altbaus sie nur als Postulate des
lll
Glaubens akzeptiert.
Die Folgerungen aus diesem Argument decken sich 1924/25 und 1926
aber nicht exakt. In dem früheren Aufsatz bringt Althaus gegen die Postu-
late den Gegensatz von Geschichte und Eschaton zur Geltung, so schreibt er

Das fonnllie Ergebnis des Vergleichs lautet demnach: Was 1922 oft nur angedeutel war. haI
AhhllUS 1924n5 und 1926 an den verschiedenen Stellen des neuen Aufrisses ausgebreilel. nur der
Abschnill Ober theologischen Eric.ennlnisronschriu ist ohne jeden Vortäurer. - Also ist ein inhallJi·
cher Vergleich durchHihrbar.
118 Zitat DERS. (1926) 95: zum degeneraliven Schenlll vgJ. a.a.O. 91. Dieser Begriff von
Heilsgeschichle leitete ja 1922 die Begründung des MiuelzuslatKls. s. bei S. 210 Anm. n.
119 Zitat CERS. (1924(25) 615: übernommen DERS. (1926) 95: DERS. (1922) 81 bereits als
mögliche Definition erwogen. aber nicht dun:hgefUhn.
120 Zitat CERS. (1926) 149 (Übc:tsehrift). Althaus behandeh auch die endgeschichtliche Be-
hauptung endzeitlicher Vollendung von Mission. ErkeMtnis und Sittlichkeit. Doch bieten diese
1bemen keine Peripetie VOfl •.negativer'" Heilsgeschichte zu ...positiver'" Endgeschichle wie dje
anderen und sind daher weniger kennzeichnend.
121 Zitale CERS. (1924/2.5) 6SJ :: CERS. (1926) 151.
220 Zweiter Teil

zur Erwartung des Antichrist: "Was heraustritt in der Geschichte, ist nicht
unbedingt. Und was unbedingt ist, tritt nicht heraus.',122 - 1926 hat dieser
(und nur dieser) Abschniu eine Änderung erfahren, die gerade den zitierten
Spitzensatz streicht. Jetzt wird gegen den Antichrist vielmehr mit der Dop-
peldeutigkeit der Geschichte argumentiert. die es l.B. verbietet. eine ge-
schichtliche Größe wie die römische Kirche eindeutig mit dem Antichrist
als einer eschatologisch geistigen Größe zu idenlifizieren. 123 Im Hinter·
grund dieser feinen Verschiebung dürfte diese Überlegung stehen: Wenn
die Postulate der Endgeschichte unter den Bedingungen der Geschichte nur
geglaubt werden können, dann ist die Geschichte eine Bedingung des Glau-
bens; dies aber verbietet, sie zum kontradiktorischen Gegensatz des Escha-
ton zu machen. Sie muß dann vielmehr auch eine positive Bedeutung für
den Glauben haben. Dies deckt sich mit der Ablehnung des Konzepts einer
rein durch den Sündenfall bedingten Geschichte, also mit dem, was sich aus
unseren Überlegungen zur Gliederung nahelegte.
In diesem Sinne hat Althaus in den grundsätzlichen Überlegungen zum
Verhältnis von Geschichte und Eschaton diejenigen Sätze zurückgenom-
men, die 1922 den Eindruck erwecken konnten, als würde die ,.Längslinie'·
der Geschichte ganz von ihrer "SenKrechten", dem Eschaton, verschlungen.
Es heißt daher jetzt nicht mehr, daß sich alle Senkrechten in der Ewigkeit in
einem Punkte treffen,124 dafür malt Althaus das ausdrucksstarke Bild:
"Nicht nur die letzle Welle. sondern jede Welle schlägt an den Strand der
Ewigkeit."I25 Bei der Aufwertung der einzelnen Welle dürfte an den
..Selbstwert jeder Epoche" gedacht sein. 126 Des weiteren verwirft Althaus
die Frage nach dem Wann des Endes nicht mehr als sinnlos,127 schreibt aber
dennoch: ,.Ich antworte daher ausdrücklich: die geschichtliche Seite der
Vollendung kommt dadurch zur Geltung, daß die Geschichte ein Ende
hot."128

122 DEMoS. (1924(25) 666.


123 DERS. (1926) 170.
124 ALlllAUS (1926) 181 Anm. I revidiert entsprechende Äußerungen (DERS. [1922198) ex-
plizil.
125 DERS. (1926) 174"" DERS. (1924(25) 669.
126 EXPlUSis verbis DERS. (1926) 174. Darum auch erwähn! Althaus L v. Rankes berühmtes
Dictum: .Jede Epoche iSI unmiltelbar zu GOIt" (Leopold v. RANKE. Über d)e Epochen der nc:ueren
Geschichle. 19 Vorträge vor König Muimilian von Bayern 118541. hg.v. A. Dove. München
1917.17).
127 ALlllAUS (1926) 177 Anm. I relaliviert. was OEXS. (1922) 96 hien.u gesagl hat..
128 DERs. (1926) 178 Anm. in der Fortsetzung der in der vorigen Anmertung zilierten
Sclbstrr:lativ)erung. Anders als bei K. Barth (5. S. 216 Anm_ 106) zieh dieser Gedanke bei Allhaus
nichl auf eine Reslilutionseschalologie.
00040222

V. Die anliapokalyptische Eschatologie von Paul Althaus 22\

In diesem Zitat findet sich das Interesse von Althaus' Überarbeitung der
Abwehr endgeschichtlicher Eschatologie zugespilZt: Gegen eine einlinige
Ableitung der Geschichte aus dem Sündenfall, die ihr nur eine negative Be-
deutung für die Ewigkeit zuerkennen könnte. setzt Althaus eingedenk der
Doppeldeutigkeit der Geschichte deren auch positiv inhaltliche Bedeutung,
erblickt diese aber in der Endlichkeit der Geschichte. Dieses paradoxe Bild
wird bestätigt von der Ewigkeitslehre, wie Althaus sie 1926 modifiziert:
b) Ewigkeirslehre. Die geschichtliche Begründung von Welthaftigkeit
und Leiblichkeit der Ewigkeit beschränkt sich 1926 nicht mehr auf das
Schlußkapitel, sondern wird bereits in Kap. 1I thematisch. Auf kritische An-
frage von K. Heim, der den Zusammenhang der lndividual- mit der Univer-
saleschatologie vermißt hat,I29 ergänzt Althaus hier Abschnitte zur welt-
haften Dimension von axiologischer und teleologischer Eschatologie. l30
Dabei heißt es im Abschnitt über die teleologische Eschatologie, die Be-
deutung der Welt für das Kommen des Ewigen bestehe darin, "daß der gan-
ze Welrbesrand. in dem wir leben, aufgehoben wird", im ,,Ende unseres
Welrbesrandes", der "überall eine Welt des Kampfes und daher des Todes"
ist. Und in der axioJogischen Eschatologie ist zufolge Althaus jetzt die
Welt, "einschließlich des Dämonischen und Bösen, Gortes Well:,l3I Althaus
nennt als Momente der eschatologischen Bedeutung der Welt hier also
durchweg ihre Endlichkeit.
Dem entspricht die geschichtliche Begründung für Welthaftigkeit und
Leiblichkeit der Ewigkeit in Kap. V. Sie wird nun nicht mehr, wie noch
1922, ethisch akzentuiert, t32 sondern eher ästhetisch: Welt und Leib sind als
eigene Gestalten und Gestaltungen von Ewigkeit bedeutsam für die Es-
chatologie. 133 Mit diesem auch 1922 schon gebrauchten Interpretament will

129 A.a.O.IX.
130 Zur einhergehenden Neugliederung der teleologischen Eschatologie s. bei S. 205 Anm. 49.
131 Zitate a.a.O. 43.48.51 zu den drei teleologischen Paradoxa (s. bei S. 205 Anm. 49) bzw.
a.a.O. 35 wr Axiologie. A.a.O. 43 explizit zum Zusammenhang dieser Stellen: er zeigt sich auch
in den Rückverweisen ersterer auf die letzte.
132 In einigen Schlüsselsätzen hat Althaus den Begriff der Sittlichkeit 1926 gestrichen: Be-
stand ftir DERS. (1922) 139 .jn dem sittlicht!N Verhältnis von Seele und Leib ein selbständiger
Gollcsgcdanke", so flir DERS. (1926) 261 ..in dem lebendigen Verhältnis" usw. Erblickte DERS.
(1922) 142 einen .,wesentlichen Zusammenhang" •.zwischen der sinlichen Treue. in der wir das
Körperliche zum Gepräge der Seele werden lassen. und unscrer ewigen Gesta!l". so spricht DERS.
(1926) 265 von einem .....escntlichen Zusammenhang" •.zwischen der persönlichen Geschichte, in
der das Leibliche zum Gepräge der Seele wird. und unserer ewigen Gestalt... stall von sinlicher
Treue also von persönlicher Geschichte. Auch die S. 212 Anm. 82 zitierten Sätze fehlen 1926.
133 Die ..sinnliche Schönheil" der ,.Natur in ihrer Sclbstzweck.lichkeit" ftihrte auch schon
DERS. (1922) 135 an: doch DERS. (1926) 255.254 flankiert dies durch neue Erwägungen zur es-
chatologischen Bedeulllng der Kunst. die aber abwägend gehalten siocl (o.a.O. 253f.).
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222 Zweiter Teil

Althaus nun noch stärker als vier Jahre zuvor dem Eindruck entgegentreten,
die eschatologische Bedeutung von Welt und Leib sei nicht Selbstzweck,
sondern ein bloßes Mittel zum Zweck der Ewigkeit. Inhaltlich aber zeigt die
Aufwertung beider als Gestalten von Ewigkeit dasselbe Doppelgesicht wie
die Abwehr der Endgeschichte. In einem gegenüber 1922 neuen Absatz
schreibt Althaus: "zwischen hier und dort steht auch für die ,Gestalt', die
die Seele sich prägt, der Tod und das Gericht Gottes" .134 Und hatte es 1922
geheißen: "Die irdische Natur weist als Verheißung auf eine Erfüllung", so
fügt Allhaus dem 1926 hinzu: "aber eine Erfüllung (das sei gegen alle
christlich-theosophische Naturphilosophie gesagt!) jenseits des Todes die-
ser unserer Natur". mAlthaus wertet also die positive Ewigkeitsbedeutung
der Geschichte auf, erblickt sie aber umso mehr in der Endlichkeit und
Sterblichkeit. Erst recht dürfte dies für die Lehre vom Gericht gelten, das in
sich schon die Begrenztheit der Geschichte bedeutet.
c) Gerichts/ehre. Althaus hat 1926 seine Gerichtslehre nach einem Auf-
satz von Emanuel Hirsch zum Thema umstrukturiert. Hirsch hatte vor dem
Hintergrund von Althaus' Eschatologie die Aufteilung des Gerichts in ein
Gericht nach dem Glauben und eines nach den Werken kritisiert und dage-
gen als strenger Vertreter des Personalismus die Einheit beider in der Per-
son, nämlich der Person Christi. zum einzigen Maßstab des einen Gerichts
erklärt. 136 Althaus gliedert daraufhin Kap. IV nicht mehr nach dem Schritt
vom geschichtlichen zum ewigen Gericht, der an zwei unabhängige Ge-
richtsereignisse erinnern könnte, sondern nach den Dimensionen des Ge-
richts, deren er jetzt zwei unterscheidet: das "Gewissensgericht" vertritt das
vonnalige Gericht über das Sein, und das "Geschichtsgericht" vertritt zu-
sammenfassend das frühere Gericht nach den Werken und dem Werk. 131
Trotz dieser Anpassung an Hirsch bleibt der entscheidende Unterschied zu
dessen Personalismus bestehen, nämlich die geschichtliche Begründung des
ewigen Gerichts, die Althaus in jeden der neu gegliederten Abschniue in-
korporiert. 138 Ja sie erfahrt sogar eine zusätzliche Akzentuierung. So sagt

134 DERS. (1926) 266, nicht in DERS. (1922) 142f.


135 DERS. (1922) 136 par. OERS. (1926)255.
136 HIRSCH (1923(24) 206.211.
137 ALTItAUS (1926) 189 Anm. I zu Hirschs Einnuß. Die gliedernden Termini a.a.O. 191.215.
Da Althaus beim GeschichlSgericht äußere und innere Geschichte unterscheidet (a.a.O. 215.222),
iSI materialiler nichts gestrichen.
138 A.a.O. 187 grundsätzlich und a.a.Q. 201 fUr das Gewissens- sowie a.a.O. 218 rur das Ge·
schichisgericht. Für HIRSCH (1923(24) dagegen ist das Gerichi. obwohl er es wie Allhaus vorbe-
haltlich des Eschalon als Verdarnrnungs- und Läulerungsgerichl zugleich lehren will (a.a.O. 223).
gar kein Gegenstand der Erwanung mehr.
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v. Die anliapokalyplische Eschatologie von Paul Althaus 223

Althaus zum Geschichtsgerichl in der wesentlich erweiterten Auseinander·


selzung mit der Fegfeuerlehre, daß das Gericht als Läuterung zwar vollen·
deI, was Menschen in ihrem geschichtlichen Dasein geworden sind, in eins
damit aber auch beendet: "Aber es gilt eben beides zusammen festzuhalten:
die Bedeutung der Werdegesetze und ihre Autnebung durch Gott.',139 Hatte
er 1922 noch ein "Wahrheilsmoment" in der Purgatoriumslehre anerkannt,
so heißI es 1926 schroff: "Daher warten wir nicht auf ein Fegefeuer. son-
dern auf den Tod" .140 Das ist auch ein Rückbezug auf den Abschnitt zum
Gewissensgericht, dem Althaus sieben neue Seiten über die theologische
Lehre vom Tode eingefügt hat mit der Spitzenaussage: Der Tod "ist auch
uns der Befreier [... ]: ich. der alte Mensch, darf sterben. Und ich darf ihm.
dem Herrn, sterben.'d41
Hier wird ganz handgreiflich, daß Althaus' Aufwertung der Geschichte
als positiv bedeutsamer für die Ewigkeit in der Hervorhebung ihrer End-
lichkeit besteht. Somit ergibt sich für alle maßgeblichen Änderungen in der
Drittauflage derselbe Eindruck:
d) Zwischenergebnis. Althaus ist 1926 wie 1922 an einer kritischen
Würdigung der Geschichte interessiert, widmet sich dabei aber verstärkt
deren positiver Ewigkeitsbedeutung, die er paradoxerweise in der Endlich-
keit der Geschichte erblickt. Da sich Althaus' Stellung zur Dialektischen
Theologie ebensowenig wie seine Front gegen die jüdische Vorstellung der
Endgeschichte verschoben hat, kann diese Betonung geschichtlicher End-
lichkeit weder die Auflösung der Geschichte durch das Eschaton noch ihre
Verrechnung mit demselben bezeichnen, sondern muß eine dritte Größe
jenseits dieser Alternative vor Augen haben.
Dies kennzeichnet auch Althaus' GeschichlSlehre, die er parallel zur Aus-
fonnung seiner Eschatologie in Auseinandersetzung mit dem Personalismus
der Lutherrenaissance. aber auch mit K. Heim. entwickelt. Wie z.B. Hirsch
begreift Althaus Geschichte in erster Linie als menschliches Entschei·
dungs leben, dessen Bedeutung sich dann besonders in der Eschatologie als
Frage nach der Endgültigkeit solcher Entscheidung niederschlägt. Hatte hier
die (venninlungstheologische) Tradition l42 mit ihrer Antwort, daß Gott in
der Geschichte um seine Anerkennung durch den Menschen ringe und sie

139 AlntAUS (1926) 235. DERS. (1922) 125 sah noch eine ..ernste Bedeulung" des Werdens
flir die Ewigkeit.
140 DERS. (1926) 232: auf die frühere 5lelle DERS. (1922) 122 Anm. 1 (,.Wahrheilsmomenr')
verweisl DERS. (1926) 227 Anm. (Fortselzung von a.a.O. 226 Anm. 3) selbst.
141 A.a.O. 198f.: der ganze Passus a.a.O. 194-200; a.a.O. 231 al.s ..Th~olo8i~ d~s Tod~s" auf-
gegriffen.
142 5. Exkurs 2 (5. 69ff., besonders bei Anm. 111).
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224 Zweiter Teil

nicht gegen dessen Willen durchsetze, menschliches Entscheidungsleben


einseitig mit der Möglichkeit zum Bösen, also dem Sündenfall, verbunden,
so will Althaus mit seiner Auffassung vom positiven Ewigkeitswert der Ge-
schichte hinter diese infralapsarische Ableitung der Geschichte bloß aus
dem Sündenfall zurück zu einem supralapsarischen Verständnis der Ge-
schichte in eigenständiger schöpfungstheologischer Dimension neben ihrer
Bedeutung für Sünde und Gnade. 1932 formuliert Althaus daher eine drei-
stellige Geschichtslehre,143 die in der ebenfalls dreiwertigen Lehre vom To~
de kulminiert: "Der Tod (und mit ihm die Gestalt unserer Welt überhaupt)
liegt für uns in einem dreifachen Lichte: von Gottes Zorn über die Sünde
her, von der Erlösung durch seine Gnade her, von der ursprünglichen, im-
merdar gegenwärtigen Liebe Gottes zu seinem Geschöpfe her."I44 Die drei~
stellige Geschichtslehre hat darum Konsequenzen für die Anthropologie,
die Althaus nun auch in Überwindung der klassischen Alternative von Ak-
tiv und Passiv in Kategorien des Opfers und der Hingabe zu entwickeln
versuchL I4j Opfer und Hingabe drücken hier die positive eschatologische
Bedeutung des geschichtlichen Menschen aus; in ihrer Begrifflichkeit bün-
delt sich also das Interesse der Eschatologie von 1926, den Ewigkeitswert
der Geschichte in der BelOlIIlIIg ihrer Endlichkeit zu erblicken, und dieser
Versuch einer Anthropologie jenseits gegebener Altemalivsetzungen erklärt
auch das merkwürdige Doppelgesicht dieser Stufe von Althaus' eschatolo-
gischem Denken.

3. Die Ewigkeit als EnthiiJlung der verheißenden Geschichte (1933). Die


nochmalige Neuschrift der Eschatologie, die Althaus 1933 als vierte Auna~
ge publiziert, ist in der Anzahl und Anordnung der Kapitel stark erweilert.
doch sie wahrt die Kontinuität mit den entscheidenden Charakteristika ihrer
Vorgänger. Das 1922 begründete systematische Gerüst einer Ewigkeit als
Jenseits der Geschichte, also die Korrespondenz der heiden eröffnenden
Grundlegungs- mit dem abschließenden Ewigkeitskapitel, bleibt erhalten.

143 Hierflir ist die Auseinanderselzung mit Heim bei ALntAUS (1932) maßgeblich. a.a.O. 335:
.,Auch rur uns ist die Geschichte mit ihren Bedingungen. dem Kampf und Tode usw.• nicht Gones
tndgültiger Wille. Aber sein ursprünglicher Wille. Die Geschichte ist nicht zwischeneingekom-
men. sondern auch sie ist Gottes .sehr gute' Schöpfung." Gegen Heim DER.S. (1926a) 98f.: •.Nun
lehren auch wir. daß die Weh als geschichtliche nicht Gottes lauer Wille 1...1 ist I... ). Aber ob-
gleich nicht sein fe/rltr Wille. so ist sie doch sein ursprünglicher Wille:'
144 DERS. (1932) 337.
145 A.a.O. 333: "Man darf sagen: der Begriff. unter dem das Sterben hier eingeordnet wird.
gehört dem ursprilnglichen Verhältnisse zwischen GOIt und Mensch an. Denn darin ist Gou Gon
und dazu ist der Mensch Mensch. daß er sein Leben Gott zum Opfer hingebe:' A.a.O. 334 wird
dies am Soldalentod exemplHizien!
00040n2

V. Die antiapokalyplische Eschatologie von Paul Althaus 225

Auch das hauptsächliche Interesse der Übemrbeitung von 1926, die positive
Ewigkeitsbedeutung der Geschichle stärker zu betonen, findet Aufnahme.
So wird in einem neugeschaffenen Kapitel über den Tod die seit 1926 ent-
deckte drille, schöpfungs mäßige Dimension der Todeslehre gegenüber den
146
früheren Ausführungen zum Thema erkennbar ergänzt. Und das andere
147
neue Kapitel über die Methode der Eschatologie häll - neben der schon
bekannten Begründung auf dem Christusereignis statt auf den biblischen
l48
Weissagungen - fest, daß von Ewigkeit nicht nur in Negationen der Ge-
schichte zu reden ist, sondern auch via anaJogiae, so daß ,,{ulnser Leben
und unsere Welt f...] doch auch Gleichnis des Ewigen Lebens und der neu·
en Welt" sind.'49 Freilich wird damit die ursprüngliche Einsicht, daß alle
Geschichte durch das Gericht hindurch muß, nicht zurückgenommen; das
Gerichtskapitel erfahrt 1933 trotz einer hemach zu erwähnenden deutlichen
Zuspitzung keine wesentliche Veränderung und bleibt am ehesten unbeein-
druckt von der Neubearbeitung. Vielmehr scheint es, daß ein entscheiden·
des Kennzeichen dieser Neubearbeitung darin liegt, die 1926 begonnene
Aufwertung der positiven Ewigkeitsbedeutung von Geschichte fortzufüh-
ren. In diesem Sinne wird auch das tragende Korrespondenzverhällnis von
Grundlegungs· und Ewigkeitskapitel modifiziert. So macht Althaus im
Schlußkapitel (Kap. VII[) für die geschichtliche Begründung der Welthaf·
tigkeit und Leiblichkeit der Ewigkeit 1933 eine bestimmte Art von Realis-
mus geltend: "Die Frage nach der kommenden Leiblichkeit und die Frage
nach der Welt müssen einheitlich beantwortet werden. I... J Hier wie dort
muß der gleiche ,Realismus' - wenn auch eben nicht der Realismus der
orthodoxen Auferstehungs-Lehre - zur Geltung gebracht werden."I50 Diese
Unterscheidung eines eschatologischen Realismus von einem "orthodoxen"
Realismus ist ein Rückbezug auf Kap. VU, wo Althaus wiederum in Ab-
wehr eines "orthodoxen" (d.h. altprotestantischen) Gedankens, diesmal der

146 DERS. (1933) 84 [871: ..Aber er [der Tod] hat als solcher dann doch J I949ff.: doch dann]
selbsländige Bedeutung gegenllber dem Sinne des Todes als Zornes- uod Gnadcngerichles über die
Sünde" und 3.0.0. 84 [881 (Hcrvorhebungen aufgchoben): .,Der Tod will von unserer Geschichte
mit Gou aus und z.war nach aUrfl [1949ff.: reclel ihren Beziehungen verstanden werden: vom
S<:höpfungs-. Zornes· und Gnadenverhältnis alls" sind Nachträge gegenüber DERS. (1926) 194-200
aufgrund von PERS. (1932) 337. Ebenso DERS. (1933) 330 (3441 zum dreislclligen Versländnis von
Welt: ..Wir erfahren darin. daß Goltes nicht nllr die Wahrheit llnd die Liebe, sondern auch die
Schönheit ist."
147 Kap. VI und VII können inhaltlich kaum als neu gelten: sie bringen das Zllvor in Kap. 111
gebotene Malerial.
148 S. bei S. 210 Anm. 75.
149 Atnu.us (1933) 78 {81].
150 A.a.O. 344 (359].
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226 Zweiter Teil

Endgeschichte, einen "eschatologischen Realismus" von einem "nationalen


Realismus" unterscheidet und sich damit gegen jüdische Zukunftserwartung
abgrenzt, wie einige Zusätze zu übernommenen Äußerungen der Driltaufia-
ge zeigen. l5J Für die Konzeption der Eschatologie heißt dies, daß bei AIl-
haus 1933 die Ewigkeit nicht mehr nur wie bisher als Jenseits der zeitlichen
Gegensätze (Kap. VtrI) mit der zweideutigen Geschichte (Kap. 1.1I) ver-
klammert wird. sondern auch mit einer Aufteilung dieser Zweideutigkeiten
auf zwei Arten von Realismus (Kap. VU). Zugleich ist mit dieser neuen
Verklammerung eine kritische Abgrenzung vom Judentum nicht in einem
einzelnen Punkt, sondern auf der konzeptionellen Ebene verbunden. Es
scheint also, daß Althaus mit der letzten großen Umarbeitung seiner Es-
chatologie eine Wendung gegen das Judentum genommen hat. Dies ist an
den schon bekannten Einzelmomenten zu überprüfen.
a) Abwehr der Endgeschichte. Gegen die Endgeschichte argumentiert
Althaus wie seil 1922 grundsätzlich mit der spätestens seit Tholuck ein·
schlägigen Gegenüberstellung von Wahrsagung und Weissagung, woraus
sich für Althaus die aktualisierende Deutung der endgeschichtlichen Postu-
late ergibl. 152 Diese wird 1933 jedoch weniger ethisch wie 1922 oder ästhe-

151 WIMMER (1979) 323 bemerkt die Differenzierung von zweierlei Realismus. aber nicht ih-
ren konzeptionellen Zusammenhang mit ALTHAUS' Kap. VIIt. Die zitierte begriffliche Unterschei-
dung (DERS. 11933] 298 [3(91) findet sich in der Erörterung des chiliastischen ..Realismus"-
Df.RS. (1926) 154-159.162 Anm. I nennt "eschatologischen .Realismus'''. doch ohne Gegenbe-
griff - noch nicht; a.3.0. 110f. ist sie nur erst angebahnt z.B. in folgenden Sätzen; "Viele der herr-
lichsten. Israel betreffenden Weissagungen seien einfach noch nicht erfullt, z.B. die von Israels
HerrscllCTSlellung in der erlösten Menschheit, der künftigen Bedeutung von Jerusalem u. dergl.
[... ] die ,Erfllllung' ist al/eh Kritik und Überwindung der ,Weissagung'. Christus ist nicht nur
Erfullung der messianischen Weissagung, sondern Christus ist auch de.f Messias Ende; d.h. die
Verheißungen der Weltslellung Israels sind in Christus nicht nur ,geistlich· erfüllt, sondern in ihrer
nationalen An auch zerbrochen und abgetan. I... J Wenn Jesus das nationale Messiasidc:al seiner
Zeitgenossen abweist. so steht er damit zum Teil auch wider die großen Propheten:' DERS. (1933)
297-2991308-310] spitzt diese Sätze dann in der Abgrenzung gegen das Judentum noch zu (Än-
derungen gegenüber 1926 kursiv; Originalhervorhebungen aufgehoben): "Viele der klarste" und
herrlichsten. Israel betreffenden Weissagungen seien einfach noch nicht erfUlh. z.B. die von Israels
Wiederbri/l8ung IIIld HerrschersteIlung in der erlösten Menschheit, der künftigen herrliche" Wil"
derherstl'lIung Jerusalems und des Tempds und .teiner Menschheitsbedel/wng u. dergl. [... 1 die
,Erftillung' des Alten Testaments durch Christus ist auch Kritik und AbI/in der Weissagung. näm-
lich des irdisch-nationalen Realismus. Christus ist der Israd \'erheißene Messias. aber Christus ist
auch des Messias Ende. d.h. die Verheißungen der WeilSteIlung Israels sind und ....erdl!n in Chri-
stus nicht nur .geistlich' erfüllt, sofern der Sohn und Ml!ssias Israels :um .Herrn· über aUl!
Menschheit ....;rd. sondern eben diese EnWirtungen sinti in ihrer irdisch·nationalen, Jlldaisti.fchen·
An dllrch Chris/lls mit ,/er geistlichen Erfüllung zerbrochen und abgetan. 1... 1 Wenn Jesus das
nationale Messiasidc:al seiner Zeitgenossen feidenschaf/lich abweist, so steht er damit zum Teil
auch wider die groBen Propheten."
152 Die Kontinuität dieser aktualisierenden Kritik betont ALTIIAUS (1933) 267 [2771 selbst.
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V. Die antiapokalyplische Eschatologie von Paul Althaus 227

tisch wie 1926 akzentuiert. sondern im Rahmen der Enlgegensetzung jüdi-


scher und christlicher Zukunflserwartung gesehen. So parallelisiert Althaus
1933 die Gegenüberstellung von Weissagung und Wahrsagung mit derjeni-
gen von "Prophetischem und Apokalyptischem", wobei letzteres von der
,Jüdischen Apokalyptik" gemeint iSt. 1.'i3 Bei den Einzelthemen der Endge-
schichte wird dann das Judentum zur Folie der Argumentation, etwa wenn
Althaus das Postulat endgeschichtlicher "Evangelisierung der Welt" jetzt
auf das Verhältnis der Weltreligionen zueinander anwendet, was der Logik
der Argumentation nach einen ,.Sieg" des Christentums auch über das Ju-
dentum einschließ1. 1.'i4 Oder das Thema Antichrist: Hatte Althaus 1926 die
Doppeldeutigkeit der Geschichte gegen das als "unreformatorisch" und
"pietistisch" bezeichnete Bild eines geschichtlichen Heraustretens des
Eschaton geltend gemacht, so äußert sich derselbe Gedanke 1933 als Ab-
lehnung der ,iudaisrisch-pierisrischen Bilder endgeschichtlicher reiner Ge-
schiedenheit von Kirche und Welt".l.'i.'i Vollends beim Chiliasmus, den AIt-
haus durchaus als Weissagung anerkennt, wird die Unterscheidung von
Wahrsagung und Weissagung weiterentwickelt zu der erwähnten Differen-
zierung zwischen dem "irdisch-nationalen, ,judaistischen'" Realismus und
dem "Realismus der Verheißung".1.'i6 Das ist eine Binnendifferenzierung der
Weissagung, in die der Unterschied zwischen Voraussicht zufalliger Ge-
schichtsereignisse und Einsicht in ewige Notwendigkeiten, also der UnIer-
schied von Wahrsagung und Weissagung selbst, nochmals eingetragen
wird. Der Unterschied von Wahrsagung und Weissagung ist aber ja seiner-
seits eine Binnendifferenzierung von Verheißung, und deswegen ist die
Wurzel der UlIlerscheidung vOn chrisrlichem find jüdischem Realismus im
Verständnis von Verheißung zu suchen.
Und in der Tat unterscheidet Althaus hier Verheißung im christlichen
und im jüdischen Sinne je nach Art der Erfüllung: 1.'i7 Christlicher Realismus
erblickt demnach die Ewigkeitsbedeutung der Geschichte nicht wie sein
jüdisches Pendant in der irdischen Dimension der Nationalität, sondern in
einer geistlichen Dimension, die einerseits - unter Aufnahme von es-
chatologiegeschichtlich reich belegten bipolaren Schemata - als Gegenpol
des Irdischen erscheint, andererseits diesen Gegensatz selbst schon UOl-

153 Zitale 3.3.0. 260.261 1270.271 1(Kap. VII. 1) zur Endgcschichle im Prinzipiellen.
154 Zitate a.3.0. 271.272 [282.2821.
155 Die beiden ersten Zitale: DERS. (1926) 170. vgl. damit den Kontext des drillen (DERS.
r 1933128612961).
156 Zilate a.3.0. 298.298 1310.309].
157 A.ll.O. 29813091: ..Man kann es nicht historisch scheiden. aber theologisch unlerscheiden,
in Hinsicht auf die Frage der ErfUllung."
228 Zweiter Teil

greift, wie sonst nach Althaus' Esch3toJogiekonzept erst die Ewigkeit Ge·
gensätze umgreift. 158 Althaus kann daher behaupten. daß dem christlichen
Realismus der Verheißung. im Unterschied zum jüdischen. in der Ewigkeit
eine Erfüllung zuteil werde. 159 Es ist also zu erwarten, daß der zweifache
Realismusbegriff Auswirkungen auf die Erönerung des Ewigkeitsthemas
hat.
b) Ewigkeitslehre. Grundsätzlich besteht eine derartige Auswirkung vor
allem in der o.g. Aufnahme des zweifachen Realismusbegriffs im Ewig.
keitskapilel. Daneben weisen aber auch die Ausführungen zur geschichtli-
chen Begründung von Wehhaftigkeit und Leiblichkeit der Ewigkeit in diese
Richtung. Zum Thema der ..neuen Welt" verfaßt Althaus 1933 einen
zehnseitigen theologiegeschichtlichen Exkurs, der gegen die Weltvemich-
lUngslehre des orthodoxen Luthertums nachdrücklich für eine es-
chatologische Weltverwandlung argumentiert l60 und so das Anliegen eines
"eschatologischen Realismus" stärkt. Zugleich betont Althaus allerdings.
daß dieser Realismus sich auf irdische Entitäten wie ,,[u]nsere Natur" und
"unseren Leib" nur insofern richte, als sie "ganz dem Durchdringen des
Geistes offen" sind; 161 Althaus statuiert also das schon vom Chilias-
musthema bekannte Verhältnis von Irdischem und Geistlichem: 162 und wie
es dort als Verheißung und Erfüllung beschrieben werden konnte, so nennt
Althaus auch hier Verheißung und Erfüllung als die angemessenste Be-
grifnichkeit. l63 um zu erfassen, welche eschatologische Bedeutung der Ge-

1.58 Die DiaslaSC von Geistlichem und Irdischem spricht z,B. aus dem Satt La.O. 298 13101:
,.diese Erwanungen sind in ihrer irdisch-nationalen..judaistischen' An durch OnislllS mit der
g~isllich~n Erf1.iIIung zerbrochen und abgetan": daß der christliche Realismus das Irdische aber
auch umgreif!, sagt Ahhaus a.a.O. 298 13091: ,.wo immer echle Verheißung des Heils geschenkt
wird. da geht sie aur das Ganze. leiblich·reale Erlösung. nicht nur geistli<:hen Frieden. sondern
auch äußeren. nicht nur inneres Leben. sondern auch reale TodesUberwindung".
1.59 Ebd.: "Die Spannung des neutestamentlichen Heilsbewußtseins aur die kommende Erlö-
sung hin lebt geradezu von der noch uncrflilllen alttestamentlichen Weissagung. zu der Jcsus sich
mit dem Christus-Namen bekannt hai,"
160 A,a.O. 33.5-34.5 13.50-3.591 mit Fazit a.a.O. 34.5 13601: "Umdenken von dcr weltlosen
,Himmels'-Hoffnung zur biblischen Erwanung einer neuen ,Weh"·.
161 Zitale a.a.O. 347.347.348 1362.362.3631 (alle Hervorhebungen aurgehobcn).
162 Den Ebenenunterschied beider drilckl Althaus beim 1933 in das Todeskapilel verscnobe·
nen Parallelthema des neuen Leibes dadurch aus, daß nkht der Leib, sondern die: Leiblichkeit zur
Begründung henangezogen wird. Der Akze-ntlie:gt kaum. wie MElSER (1993) 78 mit Anm. 161 von
seinem exegetischen Standpunkl aus nahelegt. daraur. daß die Leiblichkeit eine biblische An-
schauung i~. Dieser Annahme: widerrät die parallele Unterscheidung von Sterblichem (d.h. Leib)
und Sterblichkeit bei ALruAUS (1933) 123.127 (128.132).
163 Das ~Vtrhiillnjs der kommenden Welt zu der jetzigen" (a.a.O. 347 (361 1) i~ 3.a.O. 349
(364I..das Vertlällnis von Verheißung und Erf"tillung": vgl. a.&.O. 348(363): ~Erf"tillung der Ver-
heißung~. Ebenso schon OEKS. (1926) 2.56 ::: DERS. (1922) 137.
00040n~

V. Die antiaJX}kalyplische EschalOlogie von Paut Allhaus 229

schichte zukommt, m.a.W. wie das Verhältnis der Geschichte zu ihrem po-
sitiven Ewigkeitswerl ausgedrückt werden kann. 164
c) Gerichts/ehre. Die Unterscheidung von zweierlei eschatologischem
Realismus wirkt sich auch in der geschichtlichen Begründung des ewigen
Gerichts aus, da Althaus hier 1933 in zuvor nicht gekanntem Maße das
ewige Gericht nach seinen beiden Dimensionen mit dem Tode des Einzel-
nen in Verbindung bringt: Zur ersten Dimension heißt es bündig, daß "der
Ausblick auf die Todesstunde und der Ausblick auf das Jüngste Gericht,
theologisch genommen, eins und dasselbe" sind, und bei der zweiten vertritt
Althaus nunmehr nachdrücklich gegen die Purgatoriumslehre, daß die not-
wendige Vollendung der Heiligung im Tode "mit einem Male" geschehe,
was er 1922 noch bestritten haue. 16S Diese Verbindung von Tod und Ge-
richt rückt das ewige Gericht merklich an das geschichtliche heran, was
einerseits dem Interesse des eschatologischen Realismus an einer positiven
Bedeutung der Geschichte entspricht, andererseits aber Althaus' Gerichts-
lehre immer näher an die personalistische heranführt, für die sich das ewige
Gericht auf die Enthüllung der im geschichtlichen Gericht gefallenen Ent-
scheidung beschränkt. Dem stellt Althaus zwar für das zukünftige Gericht
nach seiner ersten Dimension 1933 noch den Charakter einer "letzten Ent-
scheidung" zur Seite. doch das zukünftige Gericht nach seiner zweiten Di-
mension, als Läuterungsgericht für die Gläubigen, beschränkt sich darauf,
daß das, was "als totaler Akt mit ihnen schon geschehen ist", "aus der Ver-
borgenheit herausbricht".I66 Die Metaphorik von Verbergung und Enthül-
lung aber stellt ein bestimmtes Interpretament des Zusammenhangs von
Verheißung und Erfüllung dar, also desjenigen Themas, auf das Ahhaus'
zweifacher Realismusbegriff in der Abwehr der Endgeschichte und in der
Ewigkeitslehre hinauslief. So spitzt sich die Argumentation in allen Einze/-
punkten der Würdigung der Geschichte auf das Verltelßungstltema ZII.
d) Auswertung. Damit liegt die Aufgabe, die sich zusammenfassend aus
Althaus' abschließender Überarbeitung seines Eschatologiekonzepts ergibt,

164 DERS. (1933) 349 [gestrichen ab der 5. Auflage] behauptet Althaus selbst beim Thema der
neuen Welt freilich. 1933 gegenüber 1926 größere Zurückhaltung in der eschatologischen Wer-
tung der Kultur zu zeigen: numlehr. daß sie "über sieh hinausweise". könne er behaupten. Dazu ist
aber zu sagen. daß dieser Verweischarakter 1933 eben nicht nlehr wie 1926 via negalionis. son-
dern via analogiae gedachl ist.
165 Zitate 3.3.0. 175 1181 ] zur ersten Dimension (jeIZI: "Das Gericht als Entscheidung". a.8.0.
168 (1751) bzw. zur zweilell (jetzt: "Das Gerichl der Wirkung", 3.a.0. 18911961) a.8.0. 204.216
1211.2231: dagegen DERS. (1922) 123.
166 Zitate DERS. (1933) 172.217.217 1179.224.2241. ETI.ELMÜLJ.ER (2001) 21 f. hebt diese Ver-
ällderung im Althaus'schen Gerichlskonzept sehr kritisch hervor. da er sieh besonden Hir die posi-
tive Funklion des Gerichts beim Aufbau des Reiches Gottes interessiert.
230 Zweiter Teil

auf der Hand: Althaus transfonniert das 1926 dominierende Interesse an der
Geschichte als einer "Hingabe" an die Ewigkeit in die Betonung eines es·
chalologischen Realismus, womit eine bestimmte, von einem jüdischen
Realismus abgegrenzte Gestalt des Verheißungskonzepls gemeint ist. Im
folgenden ist also zu klären, wie Althaus in der vierten Auflage der Es-
chatologie von Verheißung redet und welches Phänomen von Judentum
damit indirekl in den Blick genommen wird.
Hierfür ist aufschlußreich. daß für Althaus die Unterscheidung von zwei-
erlei Realismus zuletzt in der Person Christi grundet: "Seil Christus da ist",
heißt es zweimal, ist geschichtliche Weissagung abgetan. 161 Und gegen den
jüdischen Realismus sagt er: "Dabei wird verkannt, daß die Zeit für diese
Weissagungen und ihre Erfüllung mit dem Kommen Christi zu Ende ge-
gangen iSt."I68 In geradezu methodischer Grundsätzlichkeit beendet Althaus
den Abschnitt zum zweifachen Realismus mit einem schon 1926 verwen-
deten Lutherzitat: "urgemus Christum contra scripturam". 169 Mit dieser
Hervorhebung Christi folgt Althaus exakt den Grundsätzen seines Metho-
denkapitels, in dem er gegen eine auf der Bibel begründete Eschatologie
"ein Prinzip der Sichtung rur den biblischen Stofr d70 sucht und dieses fin-
det in Luthers "was Christum treiber': "Dieses Prinzip kann kein anderes
sein als das soeben schon genanme: die Verheißung, die Jesus Christus, der
Gekreuzigte und Auferstandene selber ist... l11 Allhaus spricht von einer
..Verheißung", "Weissagung", einem "Won", was er jeweils singularisch
gebraucht und den pluralischen "Verheißungen", ..Weissagungen" und
"Wonen" gegenüberstellt. l12 Den Tenninus "Christustatsache", mit dem
Allhaus 1926 in den z.T. 1933 übernommenen methodischen Passagen l7J

167 Zitate ALTHAUS (1933) 300.301 1312.3121.


168 A.a.O. 300 1312].
169 A.a.O. 300 1311] par. CERS. (1926) 111.
170 DERS. (1933) 68 [71]: lI.a.O. 661691 nennt das Prinzip ".kritisch·": vgl. lI.a.O. 62 [65J:
.Prinzip der Deutung und Ordnung": 8.11.0. 64 [671: ..systematisches Prinzip". Die Sichtung der
Bibel ist auch die imeresselcilende Frage im Exkurs a.a.O. 67-70 170-73J über v. Hofmanns, Ktie·
f()(hs und Kählers eschatologische Methode.
171 A.a.O. 64 (67): mil Berufung auf Luther a.a.O. 61 Anm. I 164 Anm. 11.
172 ..Quelle der eschatologischen Erl:enlllnis kann nichlS anderes sein als die Vuh~ißlm8
GO/tn Aber das \'erheiBende Won Gottes iSI nichl einfach identisch mit den prophelischen Ver·
heißungen, den apokalypüschen Zukunftsbildem der Bibel" (8.a.0. 62 [651). A.I.O. 62 l65f.J ig
Althaus bestrcbl. ..aus den Weissagungen die Weissagung Gottes zu hören. die Quelle und Norm
unseres eschatologischen Denkens ist". Ganz knapp 3.LO. 61 Anm. I 164 Anm. I): •.Es handel!
sich also um das Vertlältnis des Wortes zu den Worten".
173 [);e übernahmen lassen sich synoptisch so veranschaulichen:
0ERs. (1933) 63 Anm. I 166 Anm. I) DERS. (1926) 55 Anm. 1. nichl in DERS. (1922);
DERS. (1933) 64 Anm. 1 167 Anm. 11 DERS. (1926) 53 Anm. I. nkhl in DEJtS. (1922):
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V. Die antiapokalyplische Eschatologie von Pau! Althaus 231

dasselbe Verhältnis von Christus und ihn bezeugender Bibel bezeichnet


hatte, vermeidet er jetzt. Die neue Terminologie unterscheidet mit der be-
wußten Verwendung von Singular und Plural schärfer die Ebenen, auf de-
nen Christus und Bibel liegen. Entsprechend wird eine "biblische Weissa-
gung" - im Singular! - nur per nefas erwähnt und dabei, was für unsere
Fragestellung wichtig ist. als ,judaisierender" lntum bezeichnet. 174 Man
kann daher den zweifachen Begriff von Realismus so akzentuieren, daß Es-
chatologiefür Althaus nicht auf Christi Verheißungen, sondern der Verhei-
· · grwu,
ßurig eh rist, .. I et. '"
Dem entsprechen fünf gegenüber 1926 neue Absätze aus Kap. Il, in de-
nen Althaus das Konzept der Verheißung entfaltet "in Entsprechung zu der
Folge der Gedanken über den Widerstreit" von Geschichte und Ewigkeit,
den nach Althaus' Grundgedanken erst die Ewigkeit selbst unter Beibehal-
tung seiner Pole löst. 176 Auflösung der eschatologischen Spannung und Er-
füllung der Verheißung müßten demnach für Althaus strukturgleiche Sach-
verhalte sein. Tatsächlich verbindet Althaus heide mit dem Satz: "Die Ver-
borgenheit der Offenbarung Gottes und des Heilesl1771 bedeutet Verheißung
kommender Enthüllung", und er argumentiert für heide mit der Gottheit
Gottes. 118 Doch im ersl.en Falle liegt der Akzent auf der Auflösung der
Spannung, im zweiten auf der Verheißung der Erfüllung; dort auf Goltes
offenbarer Gottheit. hier auf der Verborgenheit seiner Gottheit. Der Schein
völliger Entsprechung beider Argumentationen entsteht erst dadurch, daß
Althaus betont, die verborgene sei doch keine andere als die volle Gottheit
Gottes: ..Denn auch in der Verborgenheit ist die Offenbarung und das Heil
dem Glauben eben doch als Goues Wirklichkeit und Gottes eines, ganzes

OERS. (1933) 64f.[68 oben] par. DERS. (1926) 53 Mine. nichl in DERS. (1922);
CERS. (1933) 65 Anm. 2168 Anm. 11 "" DERS. (1926) 56 AnlTl. I. nichl in DERS. (1922);
CERS. (1933) 66 Mille 169 Mittel par. DERS. (1926) 55f. "" DERS. (1922) 54.
174 "Wer [... 1 die in sich cinheitliche .biblische Wcissagung' erheben1.U können mcilll. der
judaisicrt clllweder die neuleSlamentliche Hoffnung oder er deulet heimlich die alueslamenlliche
ErwlIrtung nach der neuteslamcntlichen und läßt Jüdisch-Nalionales stillschweigend beiseitc··
(DERS. /19331 62 [65 J).
175 Dagegen spricht nicht der Nach.....eis von MEISER (1993) 77f.. daß Allhaus 1933 durchaus
die biblische Argumentation verstärkt. Denn fUr Althaus bezeugt die Bibel ja gerade die Überord-
nung Christi über sie.
176 ALTI1AUS (1933) 36 [37].
177 Dies sind die zwei Gestallen des Paradoxes der Ideologischen Eschatologie von 1926 (5.
bei S. 205 Anm. 49). die 1933 als Eschatologie des Kommcns der Ewigkeillinnien.
178 Zilal a.a.O. 35 1371. Vgl. a.a.O. 35 (361: ..weil er Gon iSl und als Gon frei erkannt sein
will. SIeHt er uns in den WidersIreil; und: weil er Gon ist und als Gott herrlich sein will. hebt er
den Widerstreil auf' mit a.a.O. 35f. 1371: •.Die verborgene Wirklichkeit. fLir den Glauben gegen-
wänig. muß. weil Gott Gott ist. die sie verhüllende Wirklichkeit einmal zerbrechen".
232 Zweiter Teil

Heil kund" ,119 Daraus ergibt sich aber. daß die Erfüllung ihrem Gehalle
nach mit der Verheißung identisch ist und nur dem Modus der Gegebenheit
nach differien: Für die Christen wird der "Glaube (... ) zur Hoffnung auf die
[...) Verwirklichung dessen. was sie aller empirischen Wirklichkeit ihres
Daseins zum Trotz ,in Christo' schon heute verborgen sind:.I80 Gleich im
ersten AbsalZ bezieht Allhaus daher die Verheißung auch gar nicht auf Er·
ftillung. sondern auf Enthüllung: ..Die Verborgenheit der Offenbarung
Gottes und des Heiles bedeutet Verheißung kommender Enthüllung", und in
streng logischer Umkehr eröffnet er den fUnflen Absatz: "Verheißung,
Grund der Hoffnung ist Gottes Heils-Offenbarung durch die Verhüllung.
den Widerstreit, in dem sie erscheint."l8l
Althaus behauptet damit, daß die Verhüllung der Grund für die Hoffnung
auf Enthüllung sei. In der angeblich parallelen Argumentation zur Auflö-
sung der Spannung würde dem entsprechen, daß die Polarität. in der die
Spannung erscheint. selbst deren Auflösung verbürgte: Althaus' gesamter
Grundansatz bei der Ewigkeit als Jenseits der geschichtlichen Polaritäten
unter Beibehaltung ihrer Pole besagt aber genau das Gegenteil. D.h. Althaus
weicht in den vorliegenden Absätzen von seinem grundlegenden Ansatz ab;
in den beiden letzten Zitaten werden Verhüllung und Enthüllung der Offen-
barung zu Modalbegriffen. die von der Offenbarung abgelöst und beliebi-
gen Sachverhalten übergestreift werden können wie ein Mantel. den man
aus- oder anziehen kann. Wird Offenbarung als Apo-kalypsis in diesem
pr'.ignanten Sinne verstanden, dann ist es freilich nur konsequent, daß der
Verheißung auch eine Ent-hüllung korrespondieren muß. die dann nur ein
Modus jener ist, sachlich von ihr aber nicht zu unterscheiden. Dies sagt
Althaus nun ausdrücklich, indem er die Verheißung mit Christus gleich-
setzt: .Jesus Christus, wie der Glaube ihn kennt, ist Verheißung. Der Inhalt
aber der Verheißung ist kein anderer als: Jesus Christus selber. Weil er ge-
genwärtig in seiner Verborgenheit der ist, als den der Glaube ihn kennt,
darum ist die Zukunft: Er. Der Glaube braucht und vermag auf nichts ande-
res, auf keinen anderen zu warten als auf ihn als den, der er ist." Und für die
Eschatologie folgert Ahhaus sogleich: "Das fromme Judentum wartet auf
das Kommen des Messias, nicht auf Jesu Kommen, denn es glaubt nicht an
Jesus als Christus. Der Glaube an Christus wartet auf das Wieder-kommen
Jesu Christi, den er kennt.,,182

179 A.a.O. 35137).


ISO A.a.Q. 391411.
181 A...O. 35.40 137.41).
182 ZilalC a...O. 36(. 1381.
00040222

V. Die antiapokalyptische Eschatologie von Paul Althaus 233

Althaus' modifiziertes Verständnis von Verheißung fühn also zu dersel-


ben Begrenzung der Eschatologie durch den gekommenen Christus, in die
schon der zweifache Realismusbegriff mündete, und dies erklärt, warum es
wie dieser mit einer Abwertung jüdischer Zukunftserwartung verbunden ist,
denn im Judentum hat Jesus ja nicht dieselbe Bedeutung wie im Christen-
tum. Damit läßt sich nun auch der Charakter von Althaus' Umarbeitung der
Eschatologie zu ihrer Letztgestalt von 1933 auf den Punkt bringen: Es geht
dieser Umarbeitung (wie schon derjenigen von 1926) um einen positiven
Ewigkeitswen der theologisch zweideutigen Geschichte. 1926 sah Althaus
diesen in der Hingabe und dem Opfer des Menschen für Gott. Dieser Ge-
danke wird 1933 überlagen und teils ersetzt durch den einen Menschen, der
sich nach christlichem Verständnis an Gou hingab und opferte: Jeslls Chri-
stus selbst lind er allein wird als die positive Ewigkeitsbedelltung der Ge·
schichte verstanden; in ihm und nur in ihm ist die Zweideutigkeit der Ge·
schichte überwunden. Mit Christi historischem Auftreten beginnt daher eine
höhere, eindeutige Geschichte. Eschatologie verhandelt daher lediglich die
Abwicklung des mit Christus bereits wirklich gewordenen Eschaton. Oie
Ewigkeit hat so den Verheißungsgehalt der Geschichte nur noch zu enthüI·
len, und dieser ist auf Christus festgelegt. Mit einem glücklichen Ausdruck
ist ein derartiges Eschatologieverständnis auf ein "Apokalypsismotiv" zu-
rückgeführt worden. IID Glücklich ist der Ausdruck deshalb, weil mit ihm
der Terminus korrespondiert, durch welchen Althaus das aus diesem Es·
chatologieverständnis heraus wahrgenommene Judentum charakterisiert,
nämlich die ,JÜdische Apokalyptik".I84 Damit sollte ausgedrückt werden,
wie sich vom Realismus der Verheißung Christi aus die Zukunftserwartung
des jüdischen Realismus ausnahm; als national beschränkt und auf die täti·
ge Gestaltung sozialer Zukunft gerichtet. Im ganzen erscheint das Judentum
bei Althaus 1933 somit "noch nicht" auf dem Stand der Vollendung, den
das Christentum "schon jetzt" erreicht habe.
In der Letztgestalt von Althaus' Eschatologie, so läßt sich rückblickend
feststellen, wirken somit viele der bereits erwähnten bipolaren Wahmeh-
mungsschemata zusammen, noch dazu unter einem Begriff - dem Begriff
der Apokalyptik -, der für viele Autoren als Kennzeichnung des Judentums
fungiert haI. Dem Gebrauch dieses Begriffs in der evangelischen Eschato-
logiegeschichte sei daher ein Exkurs gewidmet

183 SAUTER (19M) 123 u.ö.: freilich meist mit Bezug auf K. Banh. doch vgl. 3.a.0. 120-122
fUr Allhaus. Auch MOI.TMANN (1964) 208 krilisiert die Reduktion von Erflillung auf Emhüllung.
184 SO V.R. AI.THAUS (1933) 74.261 177.2111.
234 Zweiter Teil

Exkurs 9: Zum Apokalyplikbegriff der Religionsgeschichllichen Schule

Althaus beruft sich rur sein Verständnis der jüdischen Apokalyptik. auf das Standard-
werk des Hauplvenreters der Religionsgeschichtljchen Schule. WII..HELM BOUSSET.
über die Religion des antiken JudenlUms. Boussel häll hier zur Eschatologie weithin
anerkannte Beobachtungen fest, die durch die nicht im engeren Sinne der Religions-
geschichtlichen Schule zugehörige Monographie von PAUl Vou zum Thema bestä-
tigt, wenn auch anders bewenet wurden. llS Nach dieser religionsgeschichtlichen
Schulmeinung zeichnet sich die jüdische Eschatologie durch eine Zweisträngigkeil
aus: l86 Eine ältere, ,.a1tnational" oder ..messianisch" genannte Zukunftserwanung
läuft neben einer in die Spätzeit des Alten Testaments datienen ..apokalyptischen'·
Eschatologie her. Inhaltlich ist damit gemeint, daß die Erwartung einer nationalen
Blütezeit unter messianischer Führung durch die einer geistigen Höhe sinlichen GOI-
tesglaubens ersetzt wird, den eschatologisch der ,jenseitige" oder "individuelle Ver-
geltungsgedanke,,111 kennzeichnet. d.h. das Gericht über den mit dem Tode abge-
schlossenen siulichen Ertrag jedes Ein7.elnen und nicht das Jüngste Gericht am Ende
einer Reihe von kosmischen Vorzeichen. Anders als Althaus sehen also sowohl Bous-
set als auch Volz (den Althaus freilich nicht erwähnt) die Apokalyptik nicht als natio-
nal-irdische Beschränkung der Zukunftserwartung an. sondern im Gegenteil als deren
Ausweitung ins Geistige und Universelle!
Althaus stellt also den Begriffsgebrauch seines Kronzeugen gewissermaßen auf
den Kopf. freilich mag dies daran liegen. daß Bousset als das Wesen der antikjüdi-
sehen Eschatologie gerade ihre Widersprüchlichkeit und Vermischung ansieht. die sie
daran hindere, prophetisch-messianische und ..spätjüdisch··-apokalyplische Erwartung
zu scheiden. IU Allerdings stimmt gerade hier sein ungleicher Zwilling Volz nicht zu:

185 Althaus nennt Bousset Y.3. a.a.Q. 13 Anm 2: 136 Anm. I: 286 Anm. 3 113 Anm.2: 142
Anm. I: 297 Anm. I). BousselS urspriinglich monographisches Werk von 1903 gelangte in der
postumen Drilt3uflage 1926 als Ergänzungsband zum ..Handbuch zum Neuen Testament" zu gro-
ßer Wirksamkeil. Volz (zu ihm vgl. KRAUS [1956) 349.363) wird bei Althaus nicht erwähnt. ob-
wohlllUCh sein Buch in der Zweitauflage von 1934 große Verbreitung fand (Nachdruck 1966).
186 Die Zweisträngigkeit bezeugt viu ncgationis klar der krasse Außenseiter MF..sSEL (1915)
v.a. in seinem § I. der gegen sie die Einheitlichkeil der jüdischen Eschatologie als nur national
nachweisen will: Uniyersalität kenne die jüdische Zukunftserwartung nur als Herrschaft Israels
über tributpflichtige Vasallenvölker.
187 Eine •.allnationale" Eschatologie erwähnt Vou (1903) 3: in den §§ 21-25 stellt er sie dann
(je\\,t:ils im ersten Kolon der PllTagraphenüberschriften) einem allgemeinmenschlichen Eschatolo-
gumenon (als zweitem Kolon) gegenüber: dasselbe Verhältnis besteht zwischen § 26 und § 27. Die
Stichworte •.messianisch" und ..apokalyptisch" entstammen den KapitelOberschriflen bei BouSSET
(1903) Kap. 1113 bzw. Kap. 111,4 ( ::0: OERS. 119061 Kap. IV.12 bzw. Kap. IY,I3). Vgl. sodann
•.a.O. 335 ( '" DERS. (19031 279) zum jensdtigu bzw. VOLZ (1903) 128 (::0: DERS. (1934195) zum
individuellen Vergellungsgedanken (a.a.Q. 134: .Jndil·iduolisi('rt, /lnd spirit/ld/, W('ltonsdKJ/I-
..nS" par. 0ERS·11903116t).
188 BOUSSET (1903) 287 '" DERS. (1906) 343; ..Wie überall ist auch hier das Judentum seinem
Wesen nxh widersprochsvoll und ve""","OTTCfl": vg!. dazu STANGE (1930) 227 (5. S. 17f.).
V. Die antiapokalyptische Eschatologie von Paul Althaus 235

wo Bousset bloße Verwicklung erblickt, sieht er klare Entwicklung vom nationalen


zum geistigen und von dort zum christlichen Zukunftsdenken. l89 Das Zustandekom-
men dieser schulintemen Diskrepanz läßt sich wahrscheinlich mit der jeweiligen An-
lage der Bücher erklären: Bausset und Volz disponieren ihr Material unterschiedlich;
Volz gliedert sein Buch nicht (im Längsschnitt) nach der Unterscheidung von altna-
tionaler und apokalyptischer Phase der eschatologischen Gedankenbildung, sondern
rekonstruiert (im Querschnitt) diese Abfolge einzeln rur jedes 1llema der Es-
chalOlogie.· 90 Bousset dagegen unterteih die Darstellung scharf in messianische und
apokalyptische Epoche und muß daher Widerspruchsfreiheit rur die jeweilige Gedan·
kengestalt fordern. Deswegen wirkt der Chiliasmus bei ihm wie ein angehängter Ver·
such des logischen Ausgleichs zwischen nationaler und universaler Eschatologie. 19 •
Bei beiden Autoren erscheint also das jeweilige Charakteristikum. das die jüdische
Apokalyptik mit dem Christentum verbindet oder von ihm trennt. als das aus der
Gliederung der Darstellung sich ergebende Problem. D.h. was die Eschatologie der
Religionsgeschichtlichen Schule am Judentum jeweils als problematisch wahrnimmt.
ist zunächst eine Fmge ihrer eigenen Rekonstruktion jüdischer Zukunftserwarwng.
Die Wirkungsgeschichte des Apokalyptikbegriffs bildet somit ein Beispiel daflir.
wie die begrifflichen Wahrnehmungsschemata. obwohl sie das Verhältnis des Chri-
stentums zum Judentum zu bündeln beanspruchen. zugleich Anzeiger rur interne Pro-
blematiken des chrisliich-theologischen Diskurses sind.

4. Ergebnis. Nach Analyse der verschiedenen Auflagen von Althaus' Es-


chalologie ist Bilanz zu ziehen: Althaus geht grundsätzlich von einem Es-
chalologiekonzept der Ewigkeit als Jenseits der Geschichte aus, das allein
in der Lage ist. die geschichtlichen Polaritäten unter Beibehaltung ihrer
Pole zu überwinden. Daraus ergibt sich Althaus' auffallendes Interesse an
einer positiven Ewigkeitsbedeutung der Geschichte (im Unterschied zu ih-
rer rcin negativen Wertung durch die Dialektische Theologie). Sie ist je·
doch nur im Durchgang durch das Gericht denkbar. Während er diese Be·
deutung der Geschichle 1922 ethisch und 1926 ästhctisch als Hingabe des
Menschen an Gou akzentuicrt, spitzt er sie 1933 auf die Person Jesu Christi
zu. Damit wird jedoch die Zweideutigkeit der Geschichte an diesem be-
stimmten Punkt vereindeutigt. das ChrislUsereignis wird einerseits aus der
Spannung herausgenommen. in der doch andererseits alle Geschichte ge-
genüber der Ewigkeit und so eben auch das Auftreten Jesu gegenüber seiner

189 Vgl. Vou (1903) 1-3 zur Methode und 3.•.0. 8.161 zum Zusammenhang von .pokal)'-
pcisch·jüdischer und chrislhcher Eschatologie.
190 Diesen Unlerschied deute. Vou (1903) 3 selbst an.
191 8OlISSET(I903) Kap. 111 •.5: in 0€JtS. (1906) Kap.IV,I] als Anhang. Boussel hal 1906 den
Aufriß verinden (3.a.0. VII): Stand die Eschatologte 1903 im Abschnill Übt.r die nalionale Fixie-
rung. so erscheini sie 1906 von \'omherein in der geschildenen ZweiSlfingigkeil. der Boussel
zudem einen neuen Einleilungsabschnill widmet.
236 Zweiter Teil

erhofften Parusie stehen 5011. 192 Althaus' Eschatologie erlebt so hinsichtlich


ihrer Wahrnehmung des Judentums 1933 einen Einschnitt: Sie zeigt nun-
mehr all die Probleme, vor denen die HeiJsgeschichtliche Theologie stand,
weil auch sie historischen Jesus und Parusiechristus nicht deutlich ins Ver-
hältnis zueinander setzte: hier wie dort erscheint jüdische Zukunftserwar-
lung dann auf geschichtlich gestaltbare Konkretion von Hoffnung fixiert.
Für diesen Wandel in Althaus' Theologie finden sich weitere Belege:
So entsprechen ihm die Wandlungen, die Althaus' Verständnis des Be-
griffs ..Heilsgeschichte" durchläuft': t 922 leitet Althaus aus ihm das Theo-
rem des Mittelzustands her, mit dessen Hilfe die Eschatologie die ganze
Geschichte, also auch die Völker vor und außer Christus, zu umspannen
vermag. 193 Die dem widersprechende eindeutig negative Wertung der Ge-
schichte durch die Dialektische Theologie kann Althaus 1923(24 einen
"Verzicht auf die Heilsgeschichte"l94 nennen. 1925 will er zwar den Begriff
,.nicht mehr" in diesem Sinne verwenden, sondern ihn auf die alttestament-
liche Vorgeschichte Christi beschränken.19~ hält aber auch 1926 an der
Mittelzustandslehre fest, wenngleich weniger massiv. l96 Ebenso vage äußert
er sich jetzt zur Zwischenzustandslehre, die ja bloß die auf das Problem von
Individual- und UniversaJeschatologie bezogene Kehrseite jener anderen
Lehre iSt. 197 Erst mit der Fixierung eschatologischer Bedeutung von Ge-
schichte auf die Person Christi läßt Althaus 1933 explizit die Zwischenzu-
standslehre und implizit die Mittelzustandslehre fallen, indem er im Apo-
kalypsismotiv, wie wir sahen. die Geschichte nach Christus gerade auch als
nichtchristliche Geschichte auf die Geschichte Christi festlegt: "seit Chri-

192 SOMMERLATH (1927) 11 behaulXel gegen Allhaus eine endgeschichllkhe Eschatologie als
..Epiphanie des Neuen. das schon jetzt in die Geschichte eingetreten ist"; ebenso argumentien der
HofmannschUler BACHMANN (1928) 106f.: Wenn in Jesus das Eschaton in der Geschichte auftre-
ten kann. wieso dann nichl auch sonst? - Man sieht. wie weitreichend die Folgen von Althaus'
Auskillmmerung des Christusereignisses aus der eschatologischen Spannung sind.
193 ALlllAUS (1922) 85.
194 DERS. (1923124) 763 (Überschrifl).
19.5 DERS. (192412.5) 61.5.
196 Den Beleg DERS. (1922) 8.5 hai DERS. (1926) 9.5f. zwar gestrichen. a.a.O. 43f. 229f. 237
sind aber eindeulig.
197 Den Zusammenhang beider Lehren (s. bei S. 211 Anm. 113) scheint Althaus nie \'011 be-
jaht zu haben: dabei ist er schon aus der Anmerkung zur Millelzustandskhn: OERS. (1922) 8.5
Anm. 1 zu erkennen: Sie bildet deren Problem auf das Vernällnis von 1ndividual- und Universales-
chalologie. also den ZwischenzUSland. ab. was dann a.a.O. 12.5 Anm. I aufgenommen wird. Letz·
tere Stelle formt DERS. (1926) 238 Anm. 2 zur Kritik der Zwischenzustandslehre um. während er
La.Q. ISOf. mit Anm. 3 vorsichtig bleibe. DERs. (1933) 135-IS21141-1S91 verwirft diese Lehre
dann in alkr foml. bleibe aber bei jener anderen undeutlich; so ersetzt er a.a.O. 222 1229) das
Won vom ..Millelzu$land"" aus der P311111elSlclie DERS. (1926) 231 durch .Ubensstand-.
0004022~

V. Die amiapoka!yptische EschalOlogie von Pau! Althaus 237

stus" gibt es nur noch die Verheißung Christi. In genau diesem Sinne wird
Allhaus 1937 über ..Völker vor und nach Christ.us" schreiben,198 und daher
scheint für Althaus seit 1933 die Heilsgeschichte Christus selbst zu sein als
eine Zäsur in der Geschichte - in ebendem Sinne, den Buber im selben Jahr,
kurz vor der nationalsozialistischen Machtergreifung, kritisiert hatte, weil
damit das nachbiblische Judentum als Thema für die christliche Theologie
ausf.ilIl. Althaus zieht in dieser Zeit auch verstärkt sozialethische Konse-
quenzen aus seiner eschatologischen Geschichtsdeutung, die den geschil-
denen Wandel in seiner Theologie weiter verdeutlichen, müssen sie sich
Ahhaus doch gerade aufgrund seines Interesses an einer theologischen
Würdigung der Geschichte nahelegen:
1935 veröffentlicht Althaus seinen aufsehenerregenden Aufsatz zur "Ur-
Offenbarung". Er erscheint kaum zufallig in der Zeitschrift "Luthertum";
wie die frühere "Neue kirchliche Zeitschrift" seit dem Vorjahr heißt. Denn
die Umbenennung rührt daher, daß hier lutherische Theologen, vor allem
aus den sog. intakten Landeskirchen, die ..Stunde" des Nationalsozialismus,
auf die, durchaus im Bewußtsein ihrer weltanschaulichen Aufladung, im-
mer wieder Berufung geschieht, nutzen wollen zur Einung des deutschen
Luthertums. Verfassung, Bekenntnis, Ordnung, Einheit der Kirche. die von
der damaligen nationalsozialistischen Kirchenpolitik der Gleichschaltung
am offensichtlichsten betroffen sind, werden programmatisch bevorzugte
Themen der Zeitschrift, 199 wohl auch deshalb, weil sie lutherischer Theolo-
gie traditionell näher liegen als reformierter. In diesem topologischen, nicht
theologischen oder politischen Sinne nimmt die Zeitschrift als ganze ein
Interesse am Nationalsozialismus. wo Vielmehr lehnt sie die offen national-
sozialistisch geprägte Fonn von Kircheneinung. die Glaubensbewegung der
Deutschen Christen, ganz überwiegend ab. Auf der anderen Seite kenn-
zeichnet gerade den ersten Jahrgang 1934 die Kritik an der Banner Theolo-
gischen Erklärung, in der das lutherische Interesse an der Geschichte im
Sinne der Schöpfungslehre, wie Althaus es 1932 dargestellt hat. zu kurz
komme. Und genau diese (dort sog.) dritte Dimension von Geschichte

198 ALTIlAUS (1937) 17 milcht, WI1$ ja 1922 sein Motiv rur die MiuclzuSlandslehre war, zwar
Zugt:sländnissc an die vorchristlichen Völker: ..Echles Heidenlum fUrchlel die GOllheit"; er mhrl
aber a.a.O. fon: .. E..~ iSI nur \'or ChrislUs möglich:' Allhaus denkt also zwar nichl die Völker vor
ChriSluS vom Heilliusgeschlossen, wohl aber, daß das Heil seilher ausschließlich rur die christli·
chen Völker sei.
199 Vgl. den Kopfaufsatz (von S. Schöffel) der neuen Folge und die Inhaltsvcn.eichnisse der
ersten Bändc.
200 Im ..Lulherlurn".Jahrgang von Allhaus' Uroffenbarongsaufsatz (1935) lransponiert freilich
1.B. das Pamphlet von H. Goebel nalionalsozialistische GeschichlSauffassung reinSlen Wassers.
00040222

238 Zweiler Teil

theologisch zur Geltung zu bringen, ist nun die grundsätzliche Absicht von
201
Althaus' Konzept der Uroffenbarung.
Uroffenbarung erscheint hier in Entsprechung zu Althaus' eschatologi·
scher Geschichtslehre als "das Gemeinsame in Glaube und Unglaube", das
vom Gericht "gehalten, gefordert, gerichtet,,202 wird. So weit wird man die
Uroffenbarung nicht anders bewerten können und dürfen als das Interesse
an einem Verständnis des Geschichtslaufs aus dem Glauben heraus, das
Althaus' Eschatologie kennzeichnet. Freilich erweckt Althaus' Uroffenba-
rung durch die ein Jahr zuvor geführte Auseinandersetzung zwischen
E. Brunner und K. Barth sogleich den Anschein, natürlich-theologische
"Anknüpfungspunkte" im Sünder für die Gnade zu liefern und so die Radi-
kalität der Erbsünde und der Rechtfertigung gleichermaßen zu verwässern.
Althaus bemerkt dazu gewissermaßen vorsorglich, daß gerade das Gericht
über die völlige Sündigkeit etwas voraussetze, woran der Mensch sündig
werde: eben Uroffenbarung, die dann als Offenbarung des Heils freilich
dennoch zum Gericht führt. 203 Althaus will also mit dieser Uroffenba-
rungslehre gerade die volle Gottheit Gones, d.h. seinen offenbaren Gna-
denwillen für alle Menschen, als Sinn und höchsten Punkt der reformatori-
schen Theologie herausstellen, bei dem daher auch die Dogmatik an- und
einzusetzen habe - damit nicht Gottes Verborgenheit die Spitze des theolo-
gischen Oenkgebäudes bilde, wie Althaus an Luthers "Oe servo arbitrio"
kritisiert. 204 Althaus versteht daher unter Gottes Gottheit nicht im Sinne
Luthers die absolute und für den Menschen undurchdringliche Majestät.
sondern seine Größe, die in der Alternative von Offenbarung und Verbor-
genheit nicht einzufangen ist. Damit aber steht Gottes Gottheit jenseits von
Offenbarung und Verborgenheit;20S beide sind hier also zu bloßen Modi der

201 Die UroITenbarungslehre legl sich also wohl schon aufgrund der früheren Aunagen der Es·
ehalologie nahe. wie mit KNITTER (1973) 142 Anm. 22 (Terminierung auf 1923) gegen MANl'l
(1987) 27.92 zu sagen isl. Nach PöIlLMANl'l (1970) 255 zieh die Uroffenbarungslehre auf eine:
melhodische Korrelalion von Philosophie und Theologie im Sinne Tillichs. Dies verwechselt m.E.
Allhaus' ..neutrale" mil einer nalürlichen Eschatologie.
202 Zitate ALTHAUS (1935) 24.21.
203 A.a.O. 11.
204 Bei ALTHAUS iSI der Kern von ..GOlles GOllheit als Sinn der Rtthlfertigungslehre LUlhcrs"
(Aufsatzlilel von 1931) die Eindeutigkeit des gönlichen Gnadenwillens (z.B. DERS. [1947/481
1.111). die Luther durch die Annahme eines verborgenen Willens Goltes in seiner Majeslät ver-
dunkelt habe (a.3.0. 11,428).
205 Mehr. als er in der Offenbarung von sich gib!. und insofem verborgen iSI GOlt freilich auch
nach Ahhaus ("Die Offenbarung wird durch dil!sn Verborgenbleiben nicht in Frage gestelli. aber
auch die bleibende Verborgenheit durch die Offenbarung nichl aufgehoben". a.a.O. 1.34). doch sei
diese Verborgenheit einfach der Unterschied des Schöpfers vom Geschöpf (a.a.O. 1.288). so daß
Schöpfung jenseits von Offenbarung und Verborgenheil steht. DF.Rs. (1932) 333 stellt Goltes
00040222

V. Die antiapokalyplische Eschatologie von Paul Althaus 239

GOtleserkenntnis geworden wie in der Eschatologie von 1933. Althaus ver-


bindet die Verborgenheit Gottes auch gar nicht, wie es von Luther aus na-
heläge, mit der Theodizee,206 m.a.W. der verborgene GOIt ist für Althaus
nicht mehr der delis absconditus aus WA XVUI,685, sondern er ist der un-
bekannte Gott, der agnostos t!leos aus Apg 17,23, dessen Altar nur noch
207
enthüllt werden muß. Auf seiten des Begriffs der Verborgenheit heißt
dies, das Motiv des tectum cruce nimmt auch die Stelle der absconditas dei
ein. Das Motiv der Uroffenbarungslehre verschiebt sich so von einem es-
chatologischen Interesse an der Geschichte zum Apokalypsismotiv, das die
Geschichte seit Christus als bloße Abwicklung des Christusgeschehens ver-
eindeutigt und sanktionien. Althaus' Uroffenbarungslehre und mehr noch
der zeitgleiche Versuch, ihrer Geschichtsaufwenung in einer "Theologie
der Ordnungen" (1934) Fonnen und Strukturen zu geben wie Volk und
Rasse, konnten daher kritisien werden als theologische Aufwenung der an-
tisemitischen Geschichtsideologie des Nationalsozialismus. los Gemein hat
sich Althaus damit freilich nie gemacht; eine aktualisierende Deutung des
Antichristthemas, die er 1933 der ,Jüdischen" Auffassung von Endge-
schichte entgegensetzt, dürfte vielmehr sogar kritisch auf den gerade zur
Macht gekommenen Nationalsozialismus zu beziehen sein, wenn es heißt,
man könne beim Antichrist "auch an einen sich selbst vergötzenden Natio-
nalismus denken, der Christus geradezu oder durch Umdeutung verdrängen
will".209
Das Problem bei Althaus' eschatologischer Wahrnehmung des Judentums
liegt offensichtlich in der fast unmerklichen Verschiebung, die sein theolo-

GOllheil (..darin iSI GOll GOII") dagegen als schöpfungslheologische Dimension der Geschichte
f1cbel/ Gnade (Offenbarung) urKI Sünde (Verborgenheil).
206 Diese behandelt DERS. (1947/48) 11.161 in paradoJL:cn Sälzen über den Salan, ähnlich dem
Ewi gkeilskon7.ept.
207 Auf den Allar des unbekannlen Gotles spielt DERS. (1935) 23 selbst an.
20S Zum Überblick vgl. KNTTTER (1973). Nach MANN (1987) 29 bUßte die Eschatologie bei
Ahhaus 1933 ihre Funklion ein. die (grurKISälzlich zugeslandene) Eigengesetzlichkeit der Ordnun·
gen wieder auf das (theologisch versumdene) Eschaton hinzuordncn, und trägt dann zu einer Ver-
selbslärKIigung der Ordnungen bei, Ähnlicher Auffassung wie Mann scheinl SMRI (1993) zu sein,
der eine ..eschatologische ,Erhöhung'" der Ordnungen. durch die diese ..umgewandelt" werden.
annimml, sie allerdings vom ..gegenwärtigen GOllesverhältnis" erwartet (Zitale a.a.O. 225). Dies
stuft m.E. den Jensc:ilscharakler von Ahhaus' Ewigkcitskonzcpl zu gering ein.
209 At.m....us (1933) 21412841. noch nicht so DERS. (1926) 165. Eine weitere wichtige zeitge-
schichtliche Bezugnahme ist. daß DER$. (1949) 245 emphalisch einen ..Ubemationalen Slaaten-
bund" begrußI. während DERS. (1933) 236 ( ;; DERS. 119261 138) noch unschlUssig war gegenUber
dem Völkerbund. (Bekanmlich lral das nalionalsozialiSlische Deutschland wenig später aus diesem
aus.) MEISER (1993) 76 Anm. 149 bescheinigl AIlh3US rur seinen doppelten Realismusbegriff
ähnliche UnschlUssigkeit und nennt 3.3.0. 229 Beispiele daftlr. wie Ahh3US seine theologische
Wahrnehmung des Judcmums zur Abgrenzung von den Deutschen Christen umakzentuien.
240 Zweiter Teil

gisches Interesse an der zweideutigen Geschichte zu ihrer christologischen


2lO
Vereindeutigung 1933 nimm1.

2. Erhebung von Wahrnehmungsschemata

Das eschatologische Konzept von P. Althaus zeigt durch seine verschiede-


nen Auflagen hindurch in den kleinen Ergänzungen. 5rreichungen, Umfor-
mulierungen und Umdispositionen, die im vorigen Abschnitt analysiert
wurden. eine allmähliche Verschiebung von einem eschatologischen Riß·
gen um die Ewigkeitsbedeutung der Geschichte hin zu ihrer christologi·
schen Sanktionierung mit der Folge, daß ein jüdisches Geschichtsverständ-
nis demgegenüber abgewertet wird. Die These. daß für diese Entwicklung
dem eschatologischen Entwurf von 1933 eine Schlüsselstellung zukommt.
läßt sich nun erhärten. da für diese Auflage neben der vorstehenden ent·
wurfsimmanenten Analyse auch äußere Vergleichspunkte auf eine Wende
hinweisen. Hierfür kommen besonders die Wahmehmungsschemata in Fra-
ge, wie sie auch von anderen Autoren gebraucht werden. Der vorliegende
Abschnitt untersucht daher zwei bisher nicht zur Sprache gekommene
Schemata im Vergleich mit denjenigen Autoren. auf die Althaus im Laufe
der Debatte selbst Bezug nimmt, und zwar 1933 in deul1ich anderer Weise
als zuvor.
Die heiden Schemata sind zum einen das Verständnis der Paradoxie, die
Allhaus' zwei Dimensionen der Spannung im Ansatz seines Konzepts von
Ewigkeit als Jenseits der Geschichte prägt, und zum anderen die Gegen-
überstellung von Glaube und Hoffnung. die 3m Ende der Auseinanderset-
zung um axiologische und teleologische Eschatologie steht. 21 '

210 Ein Beispiel. wie Althaus' eschatologischer AnS3tz ohne die Vcreinscitigungen fartgerührt
werden kann. die er beim Autor selbst ab 1933 erlitten hai. bietet die Eschatologie von WEBER
(1955/62) 11.744: .Axiologie kann nicht eine .Übeneitlichkeit'. und .Teleologie' kann nicht vcr·
laufsmäßige .Endzeitlichkeil' sein:' Für Weber wanet die christliche Gemeinde auf Christus als
den Kommenden. also einen. wie die partizipiale Formulierung zeigt. gegenwiir1ig Kommenden
(vgl. a.a.O. 11.751). Sie hat ihn also nur. indem sie ihn erwartet (a.a.O. 11,749). Weber expliziert
diese Paradoxie mit wthen Wooen so, daß die Gegenwart des ZukOnftigen ..extnl 005" liegt
(a.a,O. 11.7.50). Dies scheint eine adäquate ~immung der von Althau! anvisierten Ewigkeitsbe-
deUlung von Geschkhle zu sein. Sie unlerscheidet sich präzise von BRUNNER (1953) 36f.. der- die
Gegenwan des Zukünftigen im Auftreten Christi als der Poinlierung des linearen (jüdischen) Zeit-
verständnisses sieht (s. dazu bei S. 18 Anm. 21).
211 Zum für Altbaus ebenfalls wichligen Schema von Wahrsagung und Weissagung s. bei S.
227 Anm. 156.
00040222

V. Die amiapokalyplische Eschatologie von Paut Althaus 241

2.1. Paradoxie von Geschichte und Eschatologie?

Der Ausdruck "Paradoxie" ist hier in einem "weiteren Sinne,,212 als Sam-
melbezeichnung gewählt für die sehr unterschiedlichen Ausprägungen von
irgendwie dem Verständnis aufgegebenen Gegensätzen, die in der es-
chatologischen Debalte zwischen Geschichte und Ewigkeit angenommen
und die als Polarität, Antinomie, Dialektik usw. akzentuiert werden können.
Für Althaus' Eschatologie hat das Konzept der Paradoxie213 unmittelbar
Auswirkungen auf seine Sicht des Judentums, da sein spezifisches Ver-
214
ständnis einer doppelt paradoxen Spannung von Geschichte und Ewigkeit
im Gegenzug zu einer Verbindung dieser beiden Größen entworfen ist, die
Althaus als Anschauung der "jüdischen Apokalyptik" kennzeichnet. Als
Allhaus' Partner im Gespräch um ein derartiges Verständnis von Paradoxie
kommen dabei vor allem K. Dunkmann, T. Siegfried und K. Heim in Be-
tracht.
I. Paradoxie als kamisches Regulativ der Ewigkeit. Althaus schließt sich
mit seinem Konzept der Ewigkeit als Jenseits der Geschichte 1922 geradezu
emphatisch an KARL DUNKMANN an, denn dieser hat 1918 in seiner Dog-
matik Eschatologie als "Auflösung der Antinomien,,215 verstanden. Zugrun-
de liegt hier jedoch der Antinomiebegriff Kants, und daher ist solche Auflö-
sung streng kanlisch gemeint als Aufdeckung fehlerhaften Vemunftge-
brauchs. Solche Fehler rühren daher, daß sich die spezielle Dogmatik, wie
Dunkmann die einzelnen Loci im Unterschied zur allgemein materialdog-
matischen Frage nach dem Wesen des Christenrums nennl, "fremdartiger
Kriterien'; bedient. um nicht die .,esoterische" Binnensprache der Kemge-
meinde sprechen zu müssen. Diese Kriterien sind mit der Rationalitätsfonn
der Wissenschaft gegeben; sie ist aber Dunkmann zufolge dem Gegenstand
der Theologie, wie er im Credo vorgegeben ist, von vom herein nichl ange-

212 SCWI.ÖER (1960) 30 versieht Paradoxie in ..diesem weiteren Sinne" als das lheologische
Problem der Iknneneulik im Unlerschied zur Paradoxie im logischen Sinne als einer beslimmlen
Aussagefonn dieses Problems.
213 In ALTUAUS' Eschalologie iSlll"(){l. gewiß pal1ldoxer Anlage der Tenninus der Paradoxie
freilich kaum hervorgehoben, wohl aber in seiner Christologie (1..8. OERS. 11947/481 11.222 u.ö.).
vgl. RAl'SCIlOW (1982) 92[ 96f.
214 S. bei S. 203 Anm. 42.
215 So DUNKMANN (1918) X im Inhahsvel7.eichnis: a.a.O. 362 freilich: ,.Aunösung der Para-
doxien", was ALnlAUS (1922)41 Anm. 2 = OERS. (1926) 39 Anm. I Ubemimml. SCllRÖER (1960)
35 differenzien so, daß die Anlinomie ..die Gren7.t der Logik negativ" inlerprelien. die Paradoxie
aber positiv. Dunkmann lul ersteres.
00()40222

242 Zweiter Teil

216
messen. Die Eschatologie kann daher nicht dogmatisch gelehrt werden,
sondern dient der Wissenschaft nur als regulative Idee. 217 Dunkmann radi·
kalisiert damit Schleiennacher: Hatte dieser festgehalten, daß Eschatologie
nicht lehrbar sei, so ist für Dunkmann in dieser Frage das "Gesamtresultat"
für alle spezielle Dogmatik "ein durchgehend negatives".218 Der Gegensatz
zu Althaus könnte also nicht schärfer sein: Für Dunkmann ist Dogmatik
überhaupt nicht lehrbar.219 aber Althaus schreibt ein "Lehrbuch der Es-
chatologie".22O
Relevant für die Wahrnehmung des Judentums wird dieser Gegensatz
1933 mit der vierten Auflage von Althaus' Eschatologie. Dunkmann ver·
steht den Chiliasmus als "rein intellektualistisch" motivierten Versuch, die
bloß erkenntnisregulierende Eschatologie doch selbst erkenntnisf:ihig zu
machen; er begreift ihn also nicht als den Ausdruck einer "bild lichen Vor-
stellungsweise",221 als den ihn Althaus 1933 unter dem Begriff des jüdi-
schen Realismus rubriziert. Doch dieser Gegensatz zu Althaus wird erst
1933 vom Apokalypsismotiv aus bestimmend; von seinem antiapokalypti-
schen Ansatz her war Althaus der Chiliasmus noch 1926 durchaus wie
Dunkmann als Vennischung von geschichtlicher Erkenntnis mit der es-
chatologischen Bedingung ihrer Möglichkeit erschienen. 222 Als hätte AIt-
haus diese allmähliche Entfernung von Dunkmann bemerkt, glaubt er von
diesem 1926 nicht mehr wie noch vier Jahre zuvor "am meisten", sondern
nunnehr "viel" zu lernen; 1933 wird Dunkmann bloß noch zitiert. 223
2. Paradoxie als Symbol der Ewigkeit. Gerade für sein kritisches Interes·
se an einer Ewigkeitsbedeutung der Geschichte nennt Althaus 1926 zu-
stimmend als einen weiteren Zeugen THEODOR SIEGFRIEDS Konzept einer

216 Zitate DUNKMANN (1918) 164.163 (t§ 79.78, jeweils im Leitsatz): zur Unangemessenheil
1..8. a.a.O. 302.
217 Die von Dunkmann bemängelte Antinomie vcr1ritl H.E. WEBER (1926), der a.a.O. 304 die
universale, unsichtbare Kirche als eschatologisches Regulativ versteht. zugleich aber ihre objekli-
ve Realität betont (a.a.O. 308). Ähnlich argumentierte schon A. Allhaus (s. S. 72 Anm. 114).
218 DUNKMANN (1918) 368 in seinem § 168. dcr die ganze spezielle MalcriaJdogmulik ab-
schließt. Neben der EschalOlogie münden daher auch Goueslehre und Christologie in die Aunö-
sung von Antinomien.
219 Dunkmann haI persönlich die Konsequenzen aus der NichtJehrbarkeil von Dogmalik gezo-
gen, indem er 1917 seinen lheologischen Lehrsluhl freiwillig aufgegeben und einen Berliner Lehr-
auflrag ftjr Soziologie angenommen hat: nach 1922 hat er :lUch keine theologischen Werke mehr
veröffenllichl (vgl. WOLFES 119991406).
220 So im Unter1ite1 des Buches ,J)ie letzten Dinge" ab der flinften Aunage (1949).
221 Zilate DUNKMANN (1918) 364.
222 AI...TIIAUS (1926) 156: Der Chiliasmus .Jcbt von seiner eigenen Unklarheit". DERS. (1928)
354 wertel den identisch beschriebenen Sachverhalt elwas positiver.
223 Zitale DERS. (1922) 15: par. DERS. (1926) 11: vgl. DERS. (1933) 35 Anm. I 136 Anm. 11.
00040222

V. Die antiapokalyplische EschalOlogie von Paul Althaus 243

h 224
paradoxen "aktuellen Eschatologie ihre Paradoxie besteht darin, daß

das geschichtliche Leben und besonders das kulturelle Handeln gerade in


der Erkenntnis, die Ewigkeit weder aufnehmen noch hervorbringen zu kön·
nen, lediglich durch symbolisches Handeln •.zeichen setzen" kann rur die
Ewigkeit. Die .,aktuelle Eschatologie" hat so nachgerade tragische Züge. l l i
Ausdruck dieser tragischen Paradoxie ist rur Siegfried der Chiliasmus;226
Althaus findet 1926 denselben Gedanken durch seinen "eschatologischen
,Realismus'" ausgedrückt.
Als er dieses Konzept jedoch t 933 zuspitzt zur Gegenüberstellung mit
dem irdischen Realismus, ändert sich seine Einschätzung Siegfrieds. dessen
Chiliasmus ihm jetzi als zu enge Verbindung von Kultur und Reich Gottes
erscheint. 227 Dieser Wandel zeigt an, daß Althaus' 1933 gesteigertes Interes·
se an einer benennbaren ewigen Bedeutung der Geschichte gar nicht mehr
der Geschichte als solcher gilt. sondern einzig der Person Jesu Christi. Mit
dieser Verschiebung geht parallel, daß Althaus 1933 die Kritik des Chilias-
mus erheblich verschärft, so daß auch seine gewandelte Ansicht über Sieg-
fried mit seiner Sicht auf das Judentum zusammenhängt.
3. Paradoxie als Schwelle wr Ewigkeit. Althaus' Hauptgesprächspanner
im Ringen um eine positive Ewigkeitsbedeutung der Geschichte ist jedoch
der Tübinger Dogmatiker KARl HEIM. Als Altbaus 1932 seinen dreisteili-
gen Geschichtsbegriff, der wohl die konziseste Form seines theologischen
Nachdenkens über Geschichte abgibt, vorstellt als Frucht eines "seit lan·
gern" (seit 1923) währenden Nachdenkens. da ist sein Hauptinteresse einer
positiven Würdigung des Schöpfungsmäßigen in der Geschichte wesentlich
konturiert durch die Abhebung von der Auffassung Heims, der die Ge-
schichte ganz aus dem Sündenfall ableite?:ZS
Was Heim gesagt hatte. war dies, daß die Paradoxie von Zeit und Ewig-
keit. die "Hauptfrage" der Eschatologie. das Verhältnis einer Form (ge-
schichtliche Zeit) zu einem sie sprengenden Inhalt (Ewigkeit) darstelle und
deswegen Eschatologie von der Aufhebung der geschichllichen Zeit han-

224 DERS. (1926) 12: 81 Anm.4; 162 Anm. I (!): 256 Anlll. I.
225 SlEGFRlEO (1923n4) nennl370.362f. als Beispiel den lanuschamkter von Mönch und Rit-
ler bzw. von Heiligem und Iielden: Seiner Sünde sich bewußt. lriU er nir die neue Weltordnung
ein. die er doch nicht verwirt.lichen kann.
226 A.a.O. 36M.
227 ALlliAUS (1926) 162 Anm. 1 vgl. DUS. (1933) 350 (gewichen: DBtS. 119491 363: dazu s.
S. 229 Anm. 164).
228 OERS. (1932) (Zitat a.a.O. 326) hal neben Heim zwar auch Hinchs Personalismus vor Au-
gen: CERS. (1926a) 98 Anm.. 2 und der Verweis darauf (CERS. 11926) IX) konzentrie~n steh aber
auf Heim.
244 Zweiter Teil

29
dele.2 Heims gesamte Eschatologie von 1937 basien dann darauf. daß Zeit
und Geschichte als dieses Aufzuhebende nichts anderes bedeuten denn das
Problem der Sünde, nämlich daß Sünde und Übel, Schuld· und Machtfrage
auseinandenreten. Das mit diesen beiden Tennini benannte Paradox. daß
Christus ..schon jetzt" die Versöhnung der Welt und ihrer Sünde bedeutet.
diese Versöhnung sich aber in der Weil .,noch nicht" vollends manife-
stien,2JO hat nun Althaus bei seinem Monitum gegen Heims hamaniozentri-
sehe Geschichtsdeutung im Blick; so spieh er selbst mit der wiederholten
Rede vom ..Machtkampr,231 möglicherweise bereits kritisch auf Heim an.
Um so überraschender ist es, daß Althaus später gerade Heims Konzept
von Schuld- und Machlfrage heranziehen kann, um seine J 933 getroffene
Verhältnisbestimmung von Verheißung und Erfüllung nachträglich plausi·
bei zu machen?J2 Dieser Umschwung 2JJ erklärt sich jedoch, wenn man Alt·
haus' Hinwendung zum Apokalypsismotiv als Kennzeichen der Überarbei-
tung von 1933 in Rechnung stellt. Denn auch Heims Paradoxmethode zielt
zuletzt auf eine Art Apokalypsismoliv. da er unter der Paradoxie eine Pola-
rität versteht, die auf einer höheren Ebene aufgelöst werden kann. Wenn
don auch wieder höherrangige Polaritäten denkbar sind. SO verhindert Heim
hier doch einen unendlichen Rcgreß, indem er den Begriff "überpolare Ur-
wirklichkeif' zur Bezeichnung der Wirklichkeit Gottes prägt, die alle pola-
ren Räume erst begründet. 2J4 Freilich läßt sich rein logisch auch an die
Wirklichkeit Goltes eine Polarität anlegen: Entweder GOIt ist. oder er ist
nicht. Diese Frage ist denkerisch oder logisch nicht zu entscheiden. Doch
gerade hier zeigt sich die Absicht von Heims Paradoxiekonzept: Angesichts

229 So will HEIM (1926) 422f. die ..Hauptfrage" der Eschatologie (das Slichwon aus dem Auf·
5atzlitcl) lösen.
230 DERS. (1937) Kap. 1/3 widmet sich ganz ,Sc:huldfr,lge und Mac:hlfrage", a.a.O. 44fr. am
Beispiel von Sündenvergebung und Krnnlr:enhc:ilung in Mir: 2.1-12: die Folgerungen rur die Es-
chalologie a.a.O. K3p. U4 unlcr der Überschrift •.Weltvcl"SÖhnung und Wellvollcndung".
231 ALTltAUS (l926a) 96.98.
232 DEIl.S. (1949) 39 Anm. 2: sclbstverstilndlich noch nichl in dcr vicnen Aunagc.
233 DERS. (1926) 29 Anm. I '" DEIl.S. (1933) 106 Anm. I 1110 Anm. 21 zitien zudem rur die
Auffassung. daß die Geschichte nur im Durchgang durch das Gericht Ewigkeilswen haben könne.
HEtM (1921) 344. wo dieser die natürliche GOllesgewi6heit als Gcrichtsgewi6hcit bezeichnet. Da
dieser Gedanke von den Verschictxmgen in Althaus' Esdt3tologie \'on 1933 nicht berüh" ist (s.
nach S. 225 Anm. 149). e~in SK:h. daß das Zitat erft3lten bleib!:.
234 z..8. DERS.• Jcsus der HefT. Die Führcrvollmac:hl Jcsu und die Gotlcsoffenbarung in Chri-
SlUS (Der evangelische Glaube und das Denken der Gcgcnwan. Grundzüge einer christlichen lc:.
bcnsanschauung 11). Berlin 1935, 108 u./S. WIlD (1976) 151 zeigt die Konsequenzen fUr die Es-
chaloktgae: In überpolarer Sic:hl erscheint die polare üidic:hlt:eil als Heilsgeschkhte. d.h. als Er-
füllung der Zeil; die Enthüllung dtcscr Erfüllung ist das EschatOll. Man ...ergleiche beim Althaus
von 1933 das Verhältnis von Erfüllung und Enthüllung.
000402Z2

V. Die antiapokalyplische Eschatologie von Paul Althaus 245

der Gottesfrage ist die Entscheidung zum Glauben oder Unglauben unaus-
weichlich gestellt. 235 Mit ihr entscheiden sich dann auch wie in einer Ket-
tenreaktion alle darunter abgestuften polaren Paradoxien. Die Paradoxie ist
so gewissermaßen die Schwelle zur Wahrheit. die in der Glaubensentschei-
dung überschritten werden kann. 236 In der Eschatologie zeigt sich dies dar-
an. daß die Weltversöhnung die Weltverwandlung unfehlbar im Gefolge
hat. obwohl heide zeitlich auseinandertreten. Dieser Gedanke ist mit Alt-
haus' Apokalypsismotiv verwandt, nicht zuletzt, weil Heim mit der seit LA.
Domer belegbaren Tradition das spezifische Verhältnis von Weltversöh-
nung und -verwandlung für das entscheidende Charakteristikum christli-
231
cher Zukunftserwartung gegenüber dem Judentum hält. Ähnlich war ja
Althaus' Neuhestimmung von Verheißung und Enthüllung gegen den jüdi-
238
schen Realismus in der Eschatologie gerichtet.
4. Ergebnis. Althaus' Konzept einer eschatologischen Würdigung der
Geschichte steht durch seine verschiedenen Auflagen hindurch im Aus-
tausch mit anderen Verhältnisbestimmungen von Geschichte und Ewigkeit.
Dabei vollzieht Althaus 1933 gegenüber allen einschlägigen Gesprächs-
partnern eine Kehrtwende. so daß man folgern kann, die auch bei der werk-
immanenten Analyse für diese Auflage beobachtete Verschiebung in der
Wahrnehmung des Judentums hänge eben mit dem Problem der Paradoxie
von Geschichte und Ewigkeit zusammen. M.a.W. das Begriffspaar von Ge-
schichte und Ewigkeit fungiert im hier vorgestellten Diskurszusammenhang
als Wahmehmungsschema, das ein systematisches Problem chrisllicher
Theologie repräsenliert,239 nämlich die Paradoxie in der Eschatologie.

235 Daß nur dic GI3ubcnsgewißheit der Paradoxien Uerr wird. die dcr erkenntnismiißigen Ge-
wißheit aus dem subjektiv-objektiven Doppelcharakter ihrer Vorstel1ungsfomlCn erwachsen. be-
hauptet schon HEIM (1920) 120f.
236 SCItItÖEIt (1960) 18Of. bezieht diesen Punkt nicht mehr zurück auf Heims Paradoxiever-
ständnis und sieht darum bei Heim die Antinomie das letzle Won behalten. Treffender scheint mir.
daß Hir Heim die Oberpolarität alle Paradoxie löst. nur kennt er IIcben der Oberpolarität GOlles
auch eine solche Satans (z.B. HEIM [ 1937] 39).
237 A.ll.O. 177.237: a.a.O. 185 zur •.Auferstehung Christi als Anbruch der Endzeit"". S. S. 125
Anm.197.
238 Die Pragmatik von Heims Konzept einer Aunösung der Paradoxien durch den Glauben
könnte allerdings von Allhaus' Absichten abweichen. So versteht HILLE (1990) 122f. U.ö. die zur
GI:tubcnsfrage nötigende Paradoxie des fUr HEIMS Stil typischen Entweder-Oder (z.B. fUr die
Goltcsfrage: DElts. 11937) 217) programmatisch als die missionarische Ausrichtung seiner ganzen
Theologie. während WILD (1976) 122-124 betont. daB die Entscheidungsfrage nicht den ..sprung"
in dcn Glauben. sondern .Zwiesprache auf der Basis des Denkens" beabsichtige. Wild rekonstru-
ien dabei Heims systematische Argumentation. während ~lilIe eine biographische Pl:lusibilisierung
i)eranzieht.
239 S. lU dieser Bedeutung der Schemata Kap. 1.2. hier S. 23f.
0004022~

246 Zweiter Teil

Während sich jedoch die Paradoxie bei Dunkmann, Siegfried und Heim
bloß als Regulativ, Symbol bzw. Schwelle zur Ewigkeit darstellt, fungiert sie
für Althaus vom Grundans3tz seiner Eschatologie her als Ausdruck der
Ewigkeit, wird diese doch dort paradox bestimmt als Aufhebung der ge-
schichtlichen Polaritäten, doch unter Beibehaltung ihrer Pole. Noch zuge-
spitzter wäre jedoch die Identifikation von Paradoxie und Ewigkeit, so daß
die logische Paradoxie zum Bürgen für theologische Wahrheit würde. Ge-
nau dies ist Althaus auch von F. Holmström vorgehalten worden;240 es ist
aber vielmehr die Position der Dialektischen Theologie und ihrer Rezepti-
on, und hier kristallisiert sich denn auch im Verhältnis von Geschichte und
Ewigkeit die Wahrnehmung des Judentums. So kann R. Bultmanns These,
daß die "Geschichte von der Eschatologie verschiungen..24J werde, das Ju-
dentum zur (geschichtlichen) Folie christlicher Eschatologie werden lassen,
selbst wo versucht wird, der christlichen Eschatologie nachträglich einen
242
geschichtlichen Anstrich zu geben. Im Gegenzug versteht sich der Ver-
such seit den 1960er Jahren, Eschatologie als Geschichte zu begreifen. 24)
zugleich als Hinwendung zu jüdischen Themen der Eschatologie und polt
so das polare Wahrnehmungsschema von Geschichte und Eschatologie um.
Das Schema als solches zeigt aber in beiden Blickrichtungen dasselbe sy-
stematische Problem an, nämlich die theologische Valenz der logischen
Paradoxie, oder anders gesagt: Wieweit ist die Eschatologie fähig des Lo-
gos? Das ist die grundsätzliche Frage an die Wissenschaftlichkeit der
Eschatologie: Wenn nämlich Eschatologie, wie es gerade an Althaus' Kon-
zept von Paradoxie zu beobachten war, nicht auf der Logik vom Satz des
ausgeschlossenen Dritten aufruht, wie läßt sie sich dann noch in vernünftige
Rede (Logos) fassen? Es ist dieses, wohl das wissenschaflstheoretisch gra-
vierendste, Problem der Eschatologie, das sich in der, nicht zuHillig so um-
fassenden, Begrifnichkeit von Geschichte und Ewigkeit ausdrückt. Diesem
Problem sinnt Althaus nach, und ihm gilt auch die Behandlung der Wahr-
nehmungsschemata in der vorliegenden Untersuchung. 244

240 HOu.1STROM (1936) 297fr. grundsätzlich und 3.a.0. 406ff. ftir den Althaus von 1933.
241 BULTMANN (1958) 42 (don mit Bczug auf neutestamentliche Texte).
242 Dies will Bullmanns Interpret KÖRNER (1957); doch vgl. a.a.Q. 22.42.111.94 zur Einschät-
zung des Judentums.
243 Zu denken wäre an PANNENBERO (1961) 93 (Aufnahme der jildischen Apokalyptik);
MOl1'MANN (1964) 1200. (dasselbe) und auch CUUMANN (1%5) 14Of.. der die bleibende Beson-
derheil des Judelllums rur die christliche Eschatologie mit der ..Einreihllng" (a.a.O. 150) Christi in
die alttestamenlliche Geschichte begründcl.
244 Auch das riesenhafte Buch .,AllveTSÖhnung" von JANOWSKt (1999) will den eschatologi-
schen Dualismus im Satz des ausgeschlossenen Drillen wissenschaftlich überwinden. doch. wie
der Titel sagt. durch den Monismus.
00040222

V. Die antiapokalyplische Eschatologie von Paul Allhaus 247

2.2. Hoffnung und Glaube?

Wenn das Begriffsschema "Geschichte" und "Ewigkeit" das Problem der


Logizität von Eschatologie ausdrückt, also die Frage nach der Wahrheitsfö·
higkeit der Eschatologie, dann könnle man sagen, daß die Begriffe "Hoff-
nung" und "Glaube" auf ihre Wirklichkeit zielen, indem sie nämlich als Tu-
gendbegriffe und damit anthropologische Termini ausdrücken, auf welche
Weise der Gegenstand der Eschatologie für den Menschen erfahrbar wird.
Der vorstehende Unterabschnitt zeigte, daß Althaus 1933 anders von Ge-
schichte und Ewigkeit redet als zuvor. Im Zusammenhang nun seiner Aus-
führungen zum Thema "Verheißung", die ihn 1933 das Judentum in einer
anderen Weise wahrnehmen lassen als zuvor, erlebt auch Althaus' Gebrauch
der Termini "Hoffnung" und "Glaube" 1933 einen Wandel. Hatte Althaus
seit 1926 beide als Entsprechungen für das Begriffsgespann von teleologi-
scher und axiologischer Eschatologie auf eine Ebene gestellt, so bekommt
1933 der Glaube den sachlichen Vorzug:

Und darum wird der Glaube. der sich das gegenwärtige Heil aneignet, unmillelbar zur
Hoffnung, daß das gegenwärtige Heil ..offenbar werde" (Röm. 8.19: Kol. 3,4). Das
Verhällnis von Gegenwart und Zukunft ist also das von verborgener und offenkundi-
ger Heilswirklichkeit. Der Glaube wird nicht der Gegenwart von einer in Gottes Zu-
sage verheißenen Zukunft her, sondern der Zukunfl von einer in Gottes Zusage be-
reifeten Gegenwan aus gewiß.1' 5

Diese Sätze sind unmittelbar gegen GEORG HOFFMANN gerichtet, der 1929
in einer eschatologiegeschichtlichen Studie in Auseinandersetzung mit AIt-
haus den Vorrang der Hoffnung vor dem Glauben behauptet hane. Sein ent-
scheidendes Argument läßt sich 50 rekonstruieren: Die Wirklichkeit des
Eschaton. die völlige GOllesgemeinschaft, liege, so Hoffmann mit Althaus'
Abwehr der Endgeschichte, so sehr jenseits der Geschichte, daß sie - dies
nun gegen Althaus - auch in Chrislus keine geschichtliche Heilsgegenwart
finden könne, sondern nur unmittelbar in der verheißenen Zukunft jenseits
der Geschichte selbst wirklich sei. In Hoffmanns Worten: "Wenn wir den
Glauben auch nicht völlig in der Hoffnung aufgehen lassen [, ..], so be-
haupten wir allerdings doch l...], daß die Hoffnung, die Beziehung auf die
ewige Zukunft der Erfüllung das .schlechthin entscheidende Merkmal am

245 ALnIAUS (1933) 43 145).


00040222

248 Zweiter Teil

Glauben' ausmache.,,246 Eschatologie gründe deshalb im Zukunftswort der


Hoffnung, nicht in der Heilsgegenwart des Glaubens. Die Folge ist, daß
solche Eschatologie, die auf einer in sich geschichtssprengenden Zukunft
gründet, gar nicht materialiter durchgeführt werden kann, also nicht von der
Ewigkeit selbst als Jenseits der Zeit, sondern vom Ewigkeitsbezug der Zeit
247
handel1.
I. Vorrang der Hoffnung. Zu ähnlichen Ergebnissen gelangen Autoren,
die ebenso wie Hoffmann, doch unabhängig von ihm und seiner Auseinan-
dersetzung mit Althaus, einen sachlichen Vorrang der Hoffnung vor dem
Glauben annehmen. GOlTLOS MA YER etwa versteht sein ..System der
christlichen Hoffnung" ausdrücklich als eine Hoffnungslehre,248 die, anders
als eine Eschatologie (exemplarisch der jüdische Chiliasmus), die Erwar-
tungsgüter nicht an sich, als extensive Größen, "nach dem möglichst gros·
sen Umfang ihres lnhalts" bewertet,249 sondern, als intensive Größen, nach
ihrem notwendigen Bezug auf das absolute GUl. 2SO Als dieses absolute Gut
sieht Mayer die Hoffnung auf die ewige Gouesgemeinschaft selbst an.
Demgegenüber sei der die Hoffnung hervorbringende Glaube ein relatives
GUI. 2'1
Ganz ähnlich behauptet WILHELM HA DORN in seiner ebenfalls am The-
ma Hoffnung orientierten eschatologischen Skizze einen Vorrang der Zu-
kunft vor der Gegenwart, indem er das Wesen vom Grund der Hoffnung
unterscheidet: Hoffnung sei, obwohl sie im gegenwärtigen Glauben gründe,
wesentlich zukünftig, d.h. der Glaube hat zwar Hoffnung, kann sie aber

246 HOI'FM....NN (1929) 68 (vgl. a.a.O. 72) gegen E. Schaeder; doch vgl. a.3.0. 87 bei Anm. 3
auch gegen Allhaus.
247 A.a.O. 93. Hoffmann liegt damit auf der Linie der im kanlischcn Sinne regulativen Es·
chatologie (s. S. 73 Anm. 12 t) als eines jenseitigen Bezugspunktes der Theologie (a.a.O. 117f.). er
versieht aber diesen Ewigkeilsbezug als retigionspsyehologisches Phänomen und folgt damit sei-
nem Lehrer G. Wobbennin (s. S. 204 Anm. 46).
248 M....VER (1900) 65 u.ö. - Mayer. tätig als Pfam:r hauplsäehlich im brandenburgischen Jü-
terbog. halle scincneit als Herausgeber der O. Baumganens Konzept der Modemen Prcdigl nahe-
sIehenden Reihe ..Das Neue Testamcnl in religiösen Belrdchtungen rur das gegenwänige Bedürf-
nis" einiges Renommee. Seine Boffnungs1ehrc erinncn durch den Titel und die gütenheorctischc
Melhode an die Erlanger Erfahrungstheologie eines F.B.R. v. Frank. der in seinem ..system der
christlichen Gewißheit" ftir alle dogmalischen Loci den Erfahrungsbezug im christlich frommen
Selbstbewußtsein nachzuweisen suchte.
249 A.a.O. 137. Dies iSI nach Mayer der ,.Kern aller chiliaslischcn Verirrung" (ebd.).
250 Nach Mayer sind sie "begehrenswene Güter. weil sie leils Millel der Verwirklichung, teils
Vorslufen der absolUlen Gonesgemeinschaft sind. Nur wegen dieses ihres Charakters werden sie
erhofft' (a.II.0. 138). Mayer nutzi hier aus. daß tipis im christlichen (anders im profangriectti-
sehen) Gebrauch immer auf ein Gm bezogen iSI.
251 Wie .,das absolUle Gut "Zu einem relaliven. so verhüll sieh subjektiv die Hoffnung zum
Glauben" (a.a.O. 48).
00040222

V. Die antiapokalyplische Eschatologie von Paul Althaus 249

nicht aus sich heraussetzen,252 sondern empHingt sie von der Zukunft, wie
die Morgenröte ihr Licht von der noch hinter dem Horizont liegenden Son-
ne empfangt. Diese Metaphorik von Sonnenaufgang und -strahl gehön zu
den Ausdrucksmitteln des zeitgenössischen Zionismus, den Hadorn als Zei-
chen der Hoffnung hervorhebt;253 sie implizien, daß auch nach Hadorns
Differenzierung von Grund und Wesen der Hoffnung der Inhalt der Escha-
tologie nicht die Zukunft als solche ist, sondern der Zukunftsbezug der Ge-
genwan. 254
Hadorn folgt damit ebenso wie Mayer und noch deutlicher Hoffmann der
Tradition der Vennittlungstheologie: Weil die Realität des Gegenstandes
der Eschatologie gerade als Regulativ der Theologie rein hypothetischer An
ist, handelt sie von der Zukunft nicht als solcher, sondern als Bezugsrahmen
der Gegenwan. Die genannten Autoren drücken dieses Problem eschatolo-
gischer Realitätsan gerade durch die Akzentuierung der Hoffnung vor dem
Glauben aus, also in einem Begriffsschema, das, wie gesehen, die Frage der
Wirklichkeit von Eschatologie zum Thema hat.
2. Vorrang des Glaubens. Ein anderes, doch in sich ebenso gerundetes
Bild bieten solche Autoren, die zur sei ben Zeit teils nachdrücklich den Vor-
rang des Glaubens vor der Hoffnung betonen.
Hier ist zuerst WILHELM KOEPP zu nennen, dessen kleine Monographie
über "Die Welt der Ewigkeit" schnell Althaus' Zustimmung findet. Koepp
geht es mit diesem Titel um die "Zukunftswelt des Glaubens", die als zeit-
und wandellose Ewigkeit im "absoluten Gegensatz zu der endlichen Sphä-
re" stehe2SS und darum über den rocher de bronze "Ewigkeitsglaube" hinaus
auch mittels "Hilfsvorstellungen" nicht in .,Einzelheiten" entfaltet werden
könne; der darauf zielende "Typus der christlichen Hoffnung" komme zu
..absoluten Widersprüchen" und könne "nur in Antinomien reden... 2s6 Hoff-
nung ist hier ein problematischer Grenzbegriff. der in die Eschatologie nur

252 IIADORN (1914) 34: "Eine Hoffnung. die sich nicht auf ein gegenwäniges Erleben stützen
kann. ist unwirksam": a.a.Q. 38 zu Grund bzw. Wesen der Uoffnung (Kap. 1.112); a.a.O. 115f.
gegen die Folgerbarkeit der Uoffnung aus dem Glauben am Beispiel der Überwindung des Bösen.
ALnlAUS (1922) 15"" DERS. (1926) 12 erwlihnt Hadom zunlichst1.USlimmend, findet in ihm aber
1933 keinen Gcsprächspanncr mehr.
253 UADORN (1914) 123 zum Zionismus und u.O. 36f. zur Sonncnmctaphorik (mit der Sonne
iSl dort das Christentum gemeint). Zu entsprechender Emblematik im Zionismus vgl. STÄItUR
(2003) 146.148 mit Abb. 2. 3.
254 HADORN (1914) 23f. zeigt. daß sich der Inhall der Uoffnung (Kap. 1.3) nichl gegenständ-
lich beschreiben läßt.
255 Zitate KQEPI> (1921) 27.23 (alle Hervorhcbungen aufgehoben). Zu Kocpps Ewigkeilskon-
zcpt vgl. a.a.O. 24f.
256 Zitate a.a.O. 24.39.38.31.28.31 (alle Hervorhebungen aufgehoben).
250 Zweiter Teil

per nefas Eingang findei; und es sind gerade die EschatoJogumena jüdischer
257
Provenienz, die Koepp dabei abweist.
In den ähnlich gelagerten Erörterungen von FRIEDRICH TRAUB sieht an
Stclle des Begriffspaares von Glaube und Hoffnung das Gegenüber von
Glauben und Wissen (Denken), und zwar fraglos wegen Traubs kantischen
Grundansatzes, demzufolge die Erkenntnistheorie für die Eschatologie nur
kritische, nicht begründende Funktion haben kann. da sie ihr nur Postulate
liefert. 258 Eschatologie baut vielmehr ihre theologische, nicht philosophi-
sche "Begründung auf die geschichtliche Offenbarung" in Christus;259 dar-
um sind ihre Lehrgegenstände ausschließlich Glauhensgegenslände und was
damit logisch oder zur Veranschaulichung unmittelbar zusammenhängt,
jedoch keine bloßen Wissensfragen wie z.B. das Problem von Apokatastasis
und doppeltem Ausgang. 260
Das Problem dessen, was in die Eschatologie hineingehöT1 und was
nicht, findet bei dem Ritschlschüler THEODOR HAERLNG Ausdruck in der
Unterscheidung und Inhalt und Fonn, die dem Glauben bzw. der Hoffnung
zu- und untereinander nachgeordnet werden: "Nur die Glaubensnorm der
Offenbarung kann bestimmen, was christliche Hoffnung ist." Der so durch
den Glauben vorgegebene Inhalt der Eschatologie stoße in der Fonn auf das
Zeitproblem, das nicht die Dogmatik, sondern allenfalls die Spekulation
261
abschließend behandeln könne. Praktisch gleichbedeutend schreibt
JULIUS KAFTAN, daß "die Grundgedanken der christlichen Hoffnung aus
inneren Gründen des christlichen Glaubens zu entwickeln" seien und damit
das ..Dass" vom ..Wie" der Eschatologie zu unterscheiden. 262

257 Koepp. als SchUler H. Cremers der Positiven Theologie vcrpnichtcl wie Hadorn. nennt
kritisch a.a.O. 38-40 den Chiliasmus. den Gerichtsgedanken, den Zwischcnzustand. die Auferste-
hung der Toten und die Parusieerwanung. Dazu slimmt, daß ALTItAUS, der Koepps Ansutz be-
grußt (DERS. [19221 15 = DERS. [1926] 11), die Kritik an dessen Vernachlässigung der Zukunfts-
hoffnung nicht erneuert, als er sich 1933 selbst sl1irker von jüdischer Eschatologie abgrenzl (OERS.
11922]58 Anm. I = DERS. 11926] 69 Anm. I: vgl. DERS. [19331 53f. [56J). Die Rezeplion Kocpps
durch Ahhaus gleicht damit derjenigen Dunkmnnns, Siegfrieds und Hadorns.
258 TRAU8 (1925) 33f. An.O. 29 zum Problem des Wissens und a.a.O. 91 zu Glauben und
Denken. Vgl. KAN'rs Ausspruch .•lch mußle also das Wisst'rr aufheben. um zum Glauben Platz zu
bekommen" (DERS. (1787) B XXX).
259 TRAU8 (1925) 42 nlervorhebungen aufgehoben). Traub war es. der mit diesem betont
Ihcologischen Ansatz Althaus bewog. die Begriffe ,Axio1ogie" und "Teleologie" allercrst durch
die biblischen .,Glaube" und "Hoffnung·' zu ersetzen (vgl. ALTHAUS [19261 16 Anffi. 2).
260 Dies gehl gegen Allhaus (TRAU8 (19251 Illf. 116); lehrbar ist nur die Vollendung im Jen-
seits (a.a.O. 91 f.).
261 Das Zital des Inhalts von Eschatologie: HAERINO (1912) 643: zum Fonnproblcm vgl.
a.a.O. 669.
262 Zitale KAfTAN (1920) 670 (§ 73,2) bzw. 3.a.0. 671 (§ 73,3).
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V. Die anliapokalyptische Eschatologie von Paul Althaus 251

Mit der in den letzten Beispielen besonders deutlichen Abstufung zweier


eschatologischer Gegenstandsbereiche in Glaube lind Hoffnung folgen
Kaftan und Haering ebenso wie Traub und Koepp Schleiermachers Argu-
ment,263 daß die Eschatologie infolge ihrer ebenso notwendigen wie
inadäquaten, jedenfalls nicht auszugleichenden Bilder, Denk- und Veran-
schaulichungsformen nicht in einem umfassenden Gesamtbild lehrbar und
daher nicht Teil der Dogmatik sei.
3. Pneumatalogische Eschatologie. Es scheint daher, daß das Problem
der Wirklichkeit von Eschatologie. das wir mit dem Begriffspaar Glaube
und Hoffnung angeschnitten sahen, zuletzt doch, wie das Schema von
Eschatologie und Geschichte, in die wissenschaftstheoretische Frage ein-
mündet, ob die Eschatologie dem theologischen Denken den Rahmen vor-
gibt (Vorrang der Hoffnung) oder aber ihm die veranschaulichenden Bilder
nachliefert (Vorrang des Glaubens). Aber die Alternative von Rahmen und
Bild besteht nur zum Schein, und der Überblick über das Problem von
Glauben und Hoffnung kann nicht abgeschlossen werden, ohne Althaus'
zentralen Gewährsmann für diese Frage heranzuziehen.
ERICH SCHAEDER kritisiert 1924 die ganz auf dem Konzept der Hoffnung
aufgebaute Dialektische Theologie K. Barths und hält in einer Zusammen-
fassung seines Buches fest: "Diese ganze Arbeit ist geschrieben, um u.a.
dieser [Barth'schenJ Übertreibung, welche das Christentum auf die altte-
stamentliche Stufe zu drücken droht, zu wehren." Dagegen nun Schaeder:
"Man ist wirklich in der Form des Glaubens am Ziel der Geschichte. Aber
immer nur in der Form des trauenden Glaubens." Hier wird anscheinend die
Hoffnung der alttestamentlichen, der Glaube aber der christlichen Religion
zugeschrieben. Althaus führt diese heiden Stellen 1926 und 1933 denn auch
zur Untermauerung seiner Verhältnisbestimmung von Glauben und Hoff-
nung an. Dabei fällt allerdings auf. daß Althaus das zweite Zitat 1926 im
Sinne eines schon vollendeten Glaubens gebraucht, 1933 aber damit den
Glauben austariert durch sein Angewiesensein auf Hoffnung. 264
Tatsächlich steht Schaeder selbst zwischen diesen beiden Ext.remen. Sein
theologisches Zentralthema ist das Problem, daß der Glaube schon aufgrund
der Schwächen, die dem geschichtlichen Jesus Christus selbst anhafteten -
gedacht ist z.B. an Gethsemane -, nicht stark genug ist. um ohne die Bestä-

263 KOEPP (1921) 28-31 übernimmt in den Fragen der persönlichen Fondlluer und der zu-
künftigen Leiblichkeit alle ArguffiCme Schleiennllchers; HAERtNG (1912) 66.5ff. rekonstroicn das
Fonnproblem der Eschatologie (Zeil und Ewigkeit) im Anschluß an Schleiermacher.
264 Die Kritik an Bllnhs HoffnungscschlilOlogie stehl bei SCHAEDER (1924) 39; die Zilate
lI.a.O. 149.199: ersteres wird erwähnl von ALTIIAUS (1933).5.5 Anm.3 [.58 Anm. 21; lelzteres
zitien DERS. (1926) 72 Anm. I '" DERS. (1933) 58 Anrn. t [61 Anm. I].
0004022~

252 Zweiter Teil

tigung durch fortgehende geschichtliche Erfahrung zu überleben?65 Glaube


kann daher weder bloß in der Hoffnung auf Christus gründen noch allein in
der geschichtlichen Erfahrung der eigenen Wiedergeburt. Schaeder selzt
dagegen die Verbindung beider durch eine "Theozenlrische Theologie",266
in der die unsichtbare Gegenwart des Auferstandenen erfahrbar gemacht
wird durch gute Werke, durch die Kirche. besonders aber durch die altte-
stamentliche Gestalt der Christusgeschichte, für die sich Schaeder auf
v. Hofmann berufl. 267 Dabei ist "das Entscheidendc",268 daß diese glaubens-
stärkende Erfahrung Eschatologie "entbindet" als die "notwendige Konse-
quenz",269 mit der Christi Parusie die verborgene Herrlichkeit des Aufer-
standenen offenbar machen wird.
Schaeder verbindet in diesem Konzept die heiden Charaktere, die AIt-
haus' Eschatologie nach bzw. vor 1933 kennzeichnen, denn in ihrer Schlüs-
selstellung für die Theozentrische Theologie folgt die Eschatologie einer-
seits einer Art Apokalypsismotiv, das erlaubt, sie aus der Heilsgegenwart zu
folgern; andererseits bildet die Eschatologie durch die doppelte Frontlinie
des Grundansatzes derselben Theozentrischen Theologie das Jenseits der
Alternative von geschichtlichem Glauben und zukünftiger Hoffnung, das
keines von beiden auflöst. Und in dieser letztgenannten Funktion bildet die
Eschatologie als "Das Geistproblem der Theologie" den "Übergang" zwi-
schen den Fronten von Schaeders Theozentrischer Theologie. 27o Bei
Sc/weder selbst ist mit dem Begriffspaar von Glaube und Hoffnung die
pneumatologische Dimension VOll Eschatologie angesprochen, und in die-
ser Bedeutung, d.h. als Versuch. die eschatologischen Polaritäten zu über-
winden, hat Schaeders Behandlung des Geistproblerns einen heute weithin

265 SCliAEOOR (1909/14) 11.275: ,,Es gibt auch hier kein Glouben ohne ein Sehen, ohne Glau-
bensslülZCn in kundbarcr Erfahrung".
266 Der Buchtilel erklän sich v.a. flir die Erstaunage durch die Doppelfront von Christo1.cn-
Irismus und Anlhropozemrismus. die Schaeder weniger mit konkrelen Autoren ~selll, sondern als
Anlagonismus von biblizistischem Supranaluralislllus und llCuprotestantischcm Subjektivismus bei
verschiedensten Theologen konsilitien. In der Lclzlgestalt des Buches wird der Christozcntrislllus
jedoch abgelösl durch Banhs Dialektische Theologie (SCUAEDER [1925/28]11.63 Anm. I im Ver·
bund mil a.a.O. I,Vf.), an der Schaeder bemängelt. daß sie nicht GOlt in Chrislus, sondern ab-
Slrakterweise den Abstand zwischen GOII und Mensch als Ausgangspunkt nehme (a.a.O. II.VII:
der ,J'Jlional-dialeklischc Subjclaivismus").
267 DERS. (1909/14) 1I.277f. 276.273.
268 DERS. (1925/28) 11.263.
269 Zitale DERS. (1909/14) 11.272.285. Vgl. OERS. (1925/28) 11,263 zur Bedeutung der Es·
chatologie: Sie iSI •.in der Fonn gewisser Hoffnung vom Glau~n unablrennba(·.
270 Das mit dem ersten Zitat betitelle Buch OERS. (1924) erschien. als nur dcrerste Band dcr
Theozenlrischcn Theologie in z..... eiter Auflage vorlag (1916), nichl auch der zweite, so daß die
spätere Rede vom ..Übergang" (DERS. II92.'l/28]I. VI) wönlich gemeint ist.
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V, Die antiapokalyptische Eschatologie von Paul Allhaus 253

in Vergessenheit geratenen Vorläufer mit der Eschatologie des baltischen


Luthertums:
Der heute nurmehr als Moralstatistiker bekannte Dorpater Systematiker
ALEXANDER V, OETIINGEN leistet zur Eschatologie nach zwei einschlägi-
gen Qualifikationsarbeiten einen originären Beitrag mit einer Monographie
zur Pneumatologie, Demnach vermittelt der Geist in der theologischen
,.,Meisterfrage,,,211 nach der menschlichen Beteiligung am göttlichen
Heilshandeln, indem er zwischen aktionistischer Leidenschaftlichkeit und
passivistischer Leidenllichkeit eine Leidensbereitschaft und -willigkeit
212
setzl. v,Oeningen kommt so zu seiner ",Konzentrations-Hypothese''',
derzufolge Gott sich über die Kondeszendenz am Kreuz Christi hinaus im
heiligen Geist konzentriert und so weiterhin den christologischen status
273
exinanitionis erleidet. Weder ist der Geist hier die den Menschen zur
Passivitöt verurteilende, unwiderstehliche Natunnacht, als die er im Alten
Testament nicht selten auftritt, noch wird er als dritte Person der Trinität
der Gemeinde appropriien und so zum Gemeingeist hypostasiert, der in der
Aktivitöt des christlichen Gesamtlebens erscheint,274 sondern er verbindet
Person und Natur, indem er jeden Einzelnen persönlich zum Glauben ruft
und zur Naturverklärung führt. 215 Ist aber damit die Alternative von Goues
allein aktiver und des Menschen ausschließlich passiver Beteiligung am
Heilsgeschehen gegenstandslos, weil die Gegenüberstellung von Aktiv und
Passiv als solche zu unscharf ist, dann verliert auch für den Menschen die
Gegenüberstellung von Aktiv und Passiv ihre Bedeutung. Der fortgesetzten
Leidensbereitschaft Gottes entspricht daher auf seiten des Menschen die
.,noch nicht'" erreichte Vollendung, die v.Oettingens Buch den Titel gibt
und die auf eine eschatologische Würdigung menschlichen Leids zielt, an

271 Zitat v. OElTINGEN (189S) 39 und vgl. 0.3.0. 40 zur ..Dissonanz zwischen gÖlllicher AI·
lein wirksamkeit und melIschlicher Selbsllhätigkeil'",
272 Aa.O. M.
273 Dieses. vielleichl von der Kabbala (und ihrer Lehre von Gottes SelbslkOflzcnlralion im
sog. ZiffiZum) beeinflußte, Konzepl soll die kenOlische Otrislologie v. Hofmanns korrigieren (Zi-
tat a.a.O. 122). freilich kaum deren Idealismus (so PAWV.S 119901 209), solidem eher deren
Axiomatik (s. S. 253 Anm. 27S).
274 v. OElTINGf..NS pneumolologische Fronlstellung ist vielflihig: vgl. DERS. (189S) 57.79.34
gegen ein naturalislisches (alttestamentliches) bzw. personalislisches (hypost3siencs) bzw, kon-
grc:glllionalistisches Geislvcrsländnis: jeweils in AuseinanderselZung mit H. Gunkel bzw.
R. Seeberg bzw, A. RilSChJ.
27S Aa.o. 59. Daß der Geisl persönlich und individuell zum Glauben beruft (a.a.O. 101 vgl.
DEll.s.1 1897/1902111/2.299), verbindet demnoch Eschatologie und Pneumatologie (a.a.O. 11/2.723
und schon die Habilitation 1856), Indem der Geist die Stufung von Person und Natur Uberwindel.
rutin v. Qeningen v. Hofmunns Konzcpl weiter und gehön daher auch eschatologiegeschichtlieh in
dessen Tradilion (gegen PAWLAS [1991121 Anm. 15).
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254 Zweiter Teil

dem bis in das 20. Jh. hinein gerade die baltische Landeskirche zu Iragen
haue. 216
Dies läßt verständlich erscheinen, warum der aus Westfalen stammende
Tallinner Missionar TRAUGOlT HAHN, als Student in Dorpal zeitweise Hö-
rer v. Oeuingens,211 die Frage nach dem Leid in den Mittelpunkt seiner bei-
den Bücher zur Eschatologie stellte. 278 Eschatologie handelt demnach von
der Durchsetzung des Guten gegen das Böse. Dies kann jedoch gegen eine
innerliche. "geistige Macht" wie das Böse nicht durch die Wirkung göttli-
cher Allmacht geschehen, denn diese gilt nach Hahn nur ..der äußeren Re-
gierung der Welt" und gehört nicht zu Goues Wesen, das Hahn unter -
m.W. analogieloser - Berufung auf das Bilderverbot des alttestamentlichen
Judentums in der Geistigkeit erblickt. 279 Aus dieser für Hahn kennzeich-
nenden Allmachtskritik ergibt sich, daß Gott das Böse nur in innerer Aus-
einandersetzung mit ihm überwindet, indem er es durchleidet, und dement-
sprechend wird "am Ende der Zeit die leidende Gemeinde der Märtyrer sie-
gen". Hahn hat diesen, ohne v. Oeuingens dreifache Leidensbegrifflichkeit
und ihre Folgerungen für eine Theologie des Leids kaum denkbaren,
Grundgedanken später noch zugespitzt und damit wohl auch überspitzt.
Denn ein Jahrzehnt später beschränkt er Eschatologie auf die innerliche
Überwindung des Bösen, und die Erwartung einer auch äußeren Überwin-
dung des Leids wird als fleischliches Motiv und als Leidensscheu abqualifi-
2w
ziert. Wenn sich diese Kritik auch historisch gegen die Entrückungsleh-
ren der lrvingianer richtet. so geht mit dieser Veränderung doch auch eine
gewandehe Wahrnehmung des Judentums einher. 1929 lehrt nicht mehr das
Judentum die Christenheit den Vorrang des Geistigen vor dem Anschauli-
chen, sondern lernt diesen umgekehrt erst daran, wie die Christen ..stand~

276 V.OETTlNGEN stehl gegen eine verbreitele Lesart des Wahmchmungsschcmas .,Schon
jelzr' - ..Noch nichl". wenn er die ..fertigen Chrislen" (!>ERS. [18951 111) mahnen will. daß ..noch
nicht" alles Leid behoben. damil aber auch Gones Langmul •.noch nicht" am Ende sei (a.a.O. 6f.).
277 HAHN hörte im zweilen Semesler v. Oeningen. bei dem er mittwochs Freitisch halle. gegen
dessen Ral und war. auch späler bei der Lektüre. von seiner unerbaulichcn Theologie enuäuscht;
DERS. (1919) 272.276.
278 Das ersle Buch erschien erstmals 1919 - wenige Monale, nachdem Hahns Sohn. der Dor-
paler praktische Theologe Traugoll Hahn jun.. von Bolschewislen emlOroel worden war.
279 Zitale HAIIN (1920) 48.47. Zur Allmachlslehre a.a.O. 46-48 vgl. die Zuspit'lung DERS.
(1929) 79: ..es iSI nichl anders möglich gewesen. Samn zu Uberwindcn. als durch das uittl'n und
den Tod des Erlösers". Vgl. DERS. (1920) 35 zum Bilderverbol des alttestamenllichen Judenlums
(das Hahn a.a.O. 38ff. 42f. vom gegenwärtigen und vom zukUnftigen Judentum diffcrenzier1).
280 A.a.O. 57 (Zitat) vgl. DERS. (1929) 101. Wagte HAIIN (1920) 67 .,nicht zu enlscheiden". ob
der Chiliasmus als verklärtes Irdischsein oder himmlisch zu denken sei. so legt sich DERS. (1929)
102 auf lelzteres fesl und kritisiert a.a.O. 82 jedes ..ungeistlichc. fleischliche Denken" (woflir die
••Leidensscheu"la.a.O. 19] ein Beispiel wäre).
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V. Die antiapokalyplische Eschatologie von Paul Althaus 255

haft alle Leiden ertragen".281 Ln der Konsequenz dieser Überlegungen rich-


tet sich das Stichwort der Leidensscheu dann aber auch gegen die Juden.
Hahn zeigt mir seinem Interesse an einer eschatologischen Würdigung
der Leidensthematik aJso eine ähnliche Entwicklung wie Althaus mit sei-
nem Bestreben, einen Ewigkeitswert der Geschichte zu ermiueln. Wie bei
ihm der Versuch, geistlichen von irdischem Realismus zu unterscheiden,
zur Wendung gegen das Judentum führt, so ergibt sich dieses selbe Resultat
bei Hahn aus der Trennung des geistigen Übels, also des Bösen, vorn ver-
meintlich fleischlichen. dem Leid, obwohl Hahn zuvor doch selbst mit
v. Octtingens dreifachem Leidensbegriff die Durchdringung beider erkannt
hatte. Was sich daher bei Althaus in der Abhebung des Glaubens von der
Hoffnung ausdrückt, hat eine Entsprechung in Hahns anthropologischer
Dissoziierung von Geist und Fleisch.
4. Ergebnis. Das problemgeschichtliche Ergebnis dieses Überblicks über
die Eschatologiedebatte um Althaus lautet, daß das Schema von Glaube und
Hoffnung tatsächlich einen eigenständigen Fragenkomplex markiert. Er
betrifft im Unterschied zum wissenschaflstheoretischen Problem der Wahr-
heitsfahigkeit von Eschatologie, das das Schema von Geschichte und
Eschatologie ausdrückt, tatsächlich die Wirklichkeit der Eschatologie. und
zwar, wie erst anhand der pneumatologischen Eschatologie bei den ge-
nannten baltisch-lutherischen Autoren kenntlich wurde, als Frage nach der
menschlichen Beteiligung am gÖlffichen Heilshandeln. Mit den Termini
"Glaube" und "Hoffnung" verbindei sich also die Aufgabe der theologi-
schen Anthropologie. 282
Wie zuletzt die Entsprechung in den konzeptionellen Verschiebungen bei
T. Hahn und P. Althaus zeigte, liegt hier auch die Bedeutung der Begriff-
lichkeit von Glaube und Hoffnung für die Frage der Wahrnehmung des Ju-
dentums, die sich bei allen in diesem Unterabschnitt vorgestellten Autoren
untergründig mit den Begriffen verband. Man kann daher das Begriffspaar
von Glaube und Hoffnung als ein Wahmehmungsschema im Sinne der hier
befolgten problemgeschichtlichen Methode28J ansprechen. Die Bedeutung
dieses Schemas wurde und wird einzig dadurch überdeckt, daß kurz nach
dem Zeitraum. in dem die hier verhandelten Autoren schreiben, die Dialek-
tische Theologie ihren Siegeszug antrat und in ihrer Eschatologie Glaube

281 A.3.0. 91. Daduf{;h würden die Juden aus ihrer ..Chrislusfcindschaf"· aufwachen (ebd.).
282 Die Frage nach dem Vcrhältnis von göttlicher und menschlicher Beteiligung am Heilsge-
schehcn kann sich auch. unter ~Iinzunahme der drillen theologischen Tugend. im Schema von
Glaube und Liebe ausdrUcken, wie es in Teilen der pietistischen Trndilion einschlägig war H1r die
Wahrnehmung des Judcnlums (s. bei S. 24 Anm. 37f.).
283 S. dazu Kap. 1.2. hier S. 23f.
256 Zweiter Teil

und Hoffnung praktisch austauschbar verwenden konnte. um den Zusam-


menhang von Gericht und Gnade auszudriicken. 284

3. Problemgeschichtlicher Ertrag

1. Alrhaus und die heilsgeschicJu/iche Tradition. Althaus ist in seinem ge-


samten eschatologischen Denken grundlegend an einem Ewigkeilswert von
Geschichte interessiert. und dieses Interesse als solches verbindet ihn mit
der zeitgleichen Dialektischen Theologie. In ebenso grundlegend vollzoge-
ner Abkehr von dieser bestimmt er jenen Wen jedoch nicht rein negativ,
sondern konzipiert Geschichte dreisteIlig. Damit drückt er aus, allein die
Ewigkeit als das Jenseits geschichtlicher Polaritäten vermöge deren Zwei-
deutigkeiten so aufzuheben. daß ihre Pole beibehalten werden. Die Analyse
zeigte jedoch, daß Althaus in der LetzIgestalt seines Konzepts durch ein
verändenes Verständnis von Verheißung den historischen Jesus Christus
aus der Spannung aller Geschichte gegenüber der Ewigkeit entläßt und so
zu einer Abwenung jüdischer Zukunftserwanung gelangt. M.a.W. das Pro-
blem, wie Eschatologie jenseits der Altemativlogik vom Satz des ausge-
schlossenen Dritten wissenschaftlich verantwonet über christliche Zu-
kunftshoffnung reden kann, ist bei Althaus nicht letztlich gelöst, und dies
28j
zeigt sich gerade an seiner Wahrnehmung des Judentums.
Das verbindet Althaus mit der Eschatologie der HeilsgeschichIlichen
Theologie, denn auch sie wollte mit ihrem Ansatz bei der verheißenen Pa-
rusie Christi die Diastase von Person und Natur im theologischen, von Ge-
schichte und Natur im allgemein geistesgeschichl1ichen Diskurs überwin-
den. doch auch sie geriet durch die Stufung ihrer Axiomatik von Person und
Natur in die Abwenung des Judentums.
Fcstzuhahen ist also: 111 problemgeschichtlicher Sicht gehört die Eselw-
tologie 11011 Palll AlthOlIS zusammen mir der heilsgeschichtlichen Tradition
- untl nicht mir der Dialektischen Theologie. 286 Dagegen spriCht nicht, daß

284 Vgl. R. BULn1ANNS These (DEltS. [1924) 50) von der Identität des Sünders mit dem Ge·
rechlfenigten, die: ..geglaubt' wird; zur Hoffnung bei K. Barth s. Exkurs 8. hKr S. 214-216.
285 Dieser problemgeschichtliche Enrag aus Allhaus' Eschalologie unlersm:icht die: BedeulUng
des Wahmehmungsschemas von Geschichte und Ewigk.eit rur das Problem einer EschatologK im
Gespräch mit dem Juderllurn. denn das Schema iSi besondef'S virulent eben bei Althaus und der
Dialeklischen Theologie (I. S. 246 Anm. 241). und don findet es seine Zuspitzung eben an der
Frage, WK das Judentum eingescllälZl wird (5. S. 246 Anm. 243).
286 Die vCl'tttilClC gegenteilige Ansicht (5. S. 214 Anm. 91) hal jedenfallS an der Problemgc'
schichte keinen Anhalt.
OOO~0222

V. Die antiapokalyplische Eschatologie von Paul Althaus 257

Ahhaus sich gerade gegen die Heilsgeschichtler v. Hofmann und Aulxrlen


abgrenzt, da auch der umso mehr herangezogene M. Kähler, wie wir sahen,
das eschatologische Erlx der Heilsgeschichllichen Theologie Ixi ähnlicher
Skepsis gegen deren Vertreter antrat. Viel wichtiger ist, daß Althaus sein
Konzept ülxrhaupt nur vor diesen heilsgeschichtlich denkenden Autoren
legitimien. 287 Engste Verbindungen schafft daneben das Schema von Wahr-
sagung und Weissagung. das ftir Althaus ebenso wichtig ist wie rur die
Heilsgeschichtler - obwohl er sich hierfür nicht auf sie beruft. sondern auf
Erich Haupt, der dieses Schema in seiner Untersuchung der eschatologi·
schen lesuslogien von 1895 festhält. Haupts Besonderheit liegt aber nicht in
diesem seil Schleiennachers Zeit gängigen Schema, sondern darin, daß er
lesu Eschatologie ganz aus dem messianischen Selbst bewußtsein lesu ent-
wickeln will - kaum drei Jahre. nachdem j. Weiß in seinem bahnbrechen-
den Buch eine jegliche deranige Ableitung aufgrund des durchgehend es·
chatologischen Charakters der Verkündigung Jesu verworfen hat! Sollte
man aus Allhaus' Berufung auf den gegen den Strom der Zeit schwimmen-
den Haupt nicht entnehmen können. daß er sich seinerseits gegen die es-
chatologische Hochflut der Weiß und Schweitzer folgenden Dialektischen
Theologie stemmt und vielmehr an die Seile des heilsgeschichtlichen Tra-
ditionsstromes stellt?288
2. Das Problem der theologischen Anthropologie. Und schließlich sieht
die Literatur zu Althaus diesen zum Teil selbst indirekt in der heilsge-
schichtlichen Tradition. wenn sie sein charakteristisches Interesse an der
dreisteIlig verstandenen Geschichte (und dessen inhärente Problematik) in
der - bei Althaus selbst keineswegs so prominenten - axiomatischen Be-
grifflichkeit der Heilsgeschichtlichen Theologie ausdrückt: derjenigen von
Person und Natur. Natur und Person sind dabei neueren Stimmen zufolge
bei Allhaus aufeinander bezogen wie Natur und Gnade im Sinne des vor-
konziliaren Katholizismul1l9 oder wie eine existentiale Struktur und ihre
gnadenhafte Ausfüllung im Sinne des nachkonziliaren Katholizismus eines

287 Vgl. ALTII....US (1933) 67-70 [70-731. wo er in allen Punklcn Material der früheren Aunll-
gen verarbeitet (s. S. 230 Anm. 170). S. auch die AusfUhrungen zu Allhaus' Bcgriffsgebl1luch von
.Jlcilsg~hichte·· bei S. 236 Anm. 193--195.
288 DERS. (1922) 78 Anm. I "" CERS. (1926) 104 Anm. 1 beruf! sich auf Hlupl. krilisien aber
11.11.0.78 Anm. 1 "" CERS. (1922) 65 Anm. I dessen über"..cllliche EschalOlogk: 1933 wird Haupt
nichl erwähn!.
289 Laut Wl\lMER (1979) 143 bleibt Allhaus' Anlhropologk deshalb l.wiespähig. ~il er das
OOcthilllllSChe Konzept der Person als Substanz durch den Verhä.ltnisbegriff der Persooa1itäl ersetzl
und ~ die menschliche Nalur durch das nach reformatorischer Einsichi sündige Gonesverllältnis
definieren. also die Person mit der (sündigen) Nalur identifizkren muß. Der Mensch habe so keine
posllive Bedeutung mehr fiir die Eschalologie (a.a.0. WS).
258 Zweiter Teil

290
K. Rahner oder, in den Augen der finnischen LUlherforschung. wie die
kantischen BürgeJ1ürner zweier Welten in Natur- und Sillengesetz. 291 In all
diesen Fällen erscheint Althaus als Vertreter einer theologischen Anthro-
pologie. die je nach Standon des betreffenden Autors aufgefaßt wird als
natürliche Theologie bzw. als Fundamentalanlhropologie bzw. als Ethik der
Zweireichelehre im Sinne des Personalismus der Lutherrenaissance. Doch
ersteres deckt sich, wie gesehen, nicht mit Althaus' Interesse an einer "neu-
tralen" Theologie (in AuseinanderselZung mit C. Slange292 ), und zweiteres
übergeht Althaus' Differenz zur Kerygmatheologie (besonders R. Bult-
manns 29J ) ebenso wie letzteres sein eschatologisches Spezifikum gegenüber
dem Personalismus (etwa bei E. Hirsch 294).
Unsere Analyse ergab demgegenüber, daß theologische Anthropologie
für Althaus eine Überwindung des Alternativschemas von Aktiv und Passiv
verlangt, daß aber gerade in der statt dessen vorgeschlagenen Begrifnich-
keit des Opfers und der Hingabe diejenigen Tendenzen Vorschub erfahren.
die, besonders in Althaus' Sozialethik, mit einer Abwertung des Judentums
zusammenhängen. 295 Erst die Erhebung der Wahrnehmungsschemata zeigte
dartiberhinaus, daß in jenem Verständnis von Anthropologie ebenso wie in
dieser Problematik der Wahrnehmung des Judentums Parallelen bestehen
zur pneumatologischen Eschatologie des baltischen Luthenums,296 die dar-
in. nicht anders als Althaus, einen weiteren Zweig am Stamm der Heilsge·
schichtlichen Theologie darstellt.
Man kann daher ftir die Problemgeschichte folgern, daß Althaus mit sei·
nem Komept eines dreisteIligen Geschichlsbegriffs, das ihn mit der Heils-
geschichtlichen Theologie verbindet. das Thema einer theologischen An-
thropologie anschlägt. das sich uns ja als die Frage enthüllte. die in dem
Begriffsschema von Glaube und Hoffnung implizien ist. Ein Blick auf die
jüdischen Anfragen an die christliche Eschatologie zeigt nun, daß gerade
die theologische Anthropologie ein Thema ist, das für eine Eschatologie im

290 Dieses Konzepl ähnelt der proIcslamischcn Existemialtheologie, beansprucht aber rur dic
Ebene des Exislentialen. also ftir die Nalur als ein durch den persönlichen Glauben auszuftilleodes
Raster des Glaubens, Offenbanmgsrang, KNITTER (1974) 82 sprichl daher mil Bezug auf Allhaus
von einem ,,supernatural existenlial",
291 MARnKAINEN (1988) 6 siehl gegen Wimmer bei Althaus eine theologische Bedc:U1ung des
Menschen rur die Eschatologie: ,,das Gewissen iSI das üntrum der Person. Somit iSi das Gewissen
nicht vom Naturgc:sctz abhängig. sondern von GoUes unminelbarem Willen".
292 S. Exkurs 7 (S. 199f.).
293 S. Exkurs 8 (5. 214f.).
294 S. bei 5. 202 Anm. 40 b1.w. S. 212 Anm. 85 bzw. S. 222 Anm. 138.
295 S. Kap. V.I.2. hier S. 235-240.
296 S, Kap. V.2.2, hier 5. 253--255, v.a. zu T. Hahn (bei 5. 254 Anm. 279-281).
00040222

V. Die antiapokalyptische Eschatologie von Paul Ahhaus 259

Gespräch mit dem Judentum höchste Bedeutung hat. Besonders L. Baeck


betont, daß die Gegenüberstellung von menschlicher Passivität gegenüber
göul icher Aktion, wie sie sich aus der reformatorischen Sünden- und Gna-
den lehre, besonders der Lehre vom unfreien Willen, ergebe, für keine
Strömung des Judentums plausibel ist, daß hier vielmehr mit einem Zu-
sammenwirken von Gott und Mensch gerechnet wird. Und H. Cohen, der
dieses Zusammenwirken im Begriff der Korrelation zum Zentrum seiner
jüdischen Religionsphilosophie macht, wählt dafür mit dem heiligen Geist
denselben biblischen Ausdruck wie die pneumatologische Eschatologie. Ja,
indem er darunter mit der zugrunde liegenden hebräischen Vokabel (Ps
51,6) den Geist der Heiligung versteht und die ..Heiligung des Namens
(Gottes)" der Terminus für das Martyrium ist, berührt er mit dem Theorem
der gottmensch lichen Korrelation zugleich das Thema des Leids. Dieses
bildet für die pneumatologischen Ansätze der baltischen Lutheraner den
Entdeckungszusammenhang der Eschatologie. So entwerfen sowohl v. Oet-
tingen als auch Hahn ihr Verständnis von Anthropologie in einer dreistel-
Iigen Leidensbegrifflichkeit. Man kann daher annehmen, daß eine eschato-
logische Anthropologie auch das Thema der Theodizee wird behandeln
müssen.
Mit alldem verdichten sich die Hinweise, daß mit der Eschatologie von
Paul Althaus und der breiten Diskussion darüber ein problemgeschichtli-
eher Zusammenhang angeschlagen ist, der die gesamte heilsgeschichtliche
Tradition von v. Hofmann über Kähler durchzieht und der für die Revision
christlicher Theologie hinsichtlich ihres Verhältnisses zum Judentum von
allerhöchster Bedeutung ist. Es ist darum nun an der Zeit. die so gewonne-
nen Ergebnisse zuammenzufassen und systematisch im Gespräch mit dem
gegenwärtigen eschatologischen Diskurs auszuwerten.
00040222

VI. Ergebnisse und Ertrag


für Systematik und Ökumene

Die vorliegende Untersuchung hat sich die Aufgabe gestellt (Kap. 1), The-
men für ein evangelisches Verständnis von Eschatologie besonders im Hin-
blick auf eine theologische Würdigung des Verhältnisses zum Judentum zu
ermitteln. Die Ergebnisse, welche die problemgeschichtliche Analyse im
Hauptteil (Kap. li-V) hierzu erbracht hat. sollen nun zunächst für die ein·
zeinen Rubriken der analytischen Kapitel zusammengefaßt (Kap. Vl.l-3)
und dann in einem Entwurf von Eschatologie als Lehre von der Verheißung
systematisch entfaltet werden (Kap. V1.3.1-4).

I. Ergebnisse für die Theologiegeschichle

In den ersten Abschnitten der vorstehenden Kapitel wurden die ausgewähl-


ten eschatologischen Konzeptionen aus inneren SachgTÜnden im Dienste
einer Problemgeschichte evangelischer Eschatologie werkimmanent analy-
siert; 1 die Problemzusammenhänge, die so erkennbar wurden, liefern aber
auch einer im engeren Sinne theologiegeschichtlichen Fragestellung einige
Ergebnisse, d.h. es bilden sich theoriegeschichtliche Knotenpunkte, an de-
nen eschatologische Typen unterschieden werden können. Ausgang unserer
Analysen war der Nachweis. daß Schleiennacher ein systematisches Di-
lemma der Eschatologie konstatiert, das der spätere Diskurs entweder be-
jaht (umsetzt) oder bestreitet (aufhebt). so daß sich im wesentlichen zwei
Stränge ergeben: 2 Der eine versteht die Eschatologie fundamentaltheolo-
gisch als Problem der Voraussetzungen theologischen Denkens und Redens.
der andere begreift sie heilsgeschichtlich als Frage des theologischen Ver-
ständnisses von Zeit und Geschichte.
Jene erste Richtung konzentriert sich charakteristischerweise auf die
prinzipielle Bedeutung der Eschatologie für ein theologisch wissenschaft-
lich verantwortbares, nicht naiv gegenständliches Reden von der erhofften
Zukunft Goues. Für diese Richtung sind bestimmte Fragestellungen ein·

I S. Kap. 1.1. hier S. 20. besonders bei Anm. 26.


2 S. Kap. 11.3. hier S. 78.
000402Z2

VI. Ergebnisse und Ertrag für Systematik und Ökumene 261

schlägig, welche die vorliegende Untersuchung mit teils bisher unerforsch-


ten, teils neu zu bewertenden Konzeptionen verbinden konnte: Zu diesen
Fragen zählt das Verständnis der Eschatologie als regulativer Idee, das auf
H.C. Schmidt zurückgeht J und ebenso wie die Vorstellung vom progressus
in infinitum besonders bei R.A. Lipsius und A.E. Biedermann4 in unmittel-
barer Auseinandersetzung mit der Tradition Kants steht. Letzteres gilt auch
für das Problem der eschatologischen Anschauungsformen, das sich uns als
Motiv der Bevorzugung des Glaubens- vor dem Hoffnungsthema etwa bei
F. Traub ergab. s Unter solchen Fonnen spielt die auf H. Steffens zurückge-
hende Lehre von der Involution der unsterblichen Seele eine besondere
Rolle; auf sie greifen neben dem Liberalen F.H. Kern praktisch alle Vertre-
ter der Venniulungstheologie zurück, deren eschatologischer Entwurf hier
erstmals als solcher rekonstruiert wurde. Er repräsentiert idealtypisch diese
ganze theologiegeschichtliche Richtung, besonders in ihrer prinzipientheo-
retischen Bedeutung. 6 An dieses prinzipielle Moment schließt der vielbe-
achtete Aufschwung der Eschatologie in der Dialektischen Theologie und
der sie vorbereitenden Konsequenten Eschatologie an. Letztere ist nach un-
seren Analysen zugleich charakteristisch für die Frage nach den eschatolo-
gischen Rede- und Veranschaulichungsfonnen. 7 Eine weitere Rückbindung
an die Vernlinlungstheologie besteht darin, daß sowohl beim Schul haupt
der Konsequenten Eschatologie, A. Schweitzer, als auch bei den wenig un-
tersuchten Verminlungstheologen l.P. Lange, H.C Schmidt und H. Gerlach
die Eschatologie neben Arbeiten zum "Leben lesu" steht, also dem zeitge-
nössischen Streitthema, das durch E. Renans gleichnamiges Buch angefacht
wurde. 8
Die andere, heilsgeschichtliche Richtung hat demgegenüber ein klar un-
terschiedenes. aber ebenso kennzeichnendes Profil. Sie wird durch l.CK.
v. Hofmann begründet, der neben CE. Luthardt besonders in MeckJenburg
(außer T. Kliefoth die bislang unerforschten H. Karsten und W. Floerke)
eine breitgefächerte Schülerschaft findet. 9 Kennzeichnend ist hier neben der
gemeinsamen Axiomatik von Person und Natur (Gottes- und Wellverhähnis

) S. S. 73 Anm. 120.
4 S. S. 148 Anm. 62.
5 S. S. 250 Anm. 258.
65. Exkurs 2 (5. 69ff.) zur Vennilllungsthcologie und zur Involulionslehre.
75. EXKUrs 6. hier S. 190-192.
8 VgJ. Joh:mn Peler LANGE. Das Leben Jesu nach den Eyangelien dargestelll 1-111, Heidelberg
1844/47: Hennann GERU.CH. Gegen Renan. Leben Jesu. Berlin 1864: Hennann Christoph
SCItMIOT über Aufgaben und Grenzen eines Lebens Jesu. in: ThStKr 51 (1878) 393-457.
9 S. Kap. 111.1.1. hier S. 103-118 und ygl. dazu TIIElSSE/II (2002).
262 Driller Teil

des Menschen) die intensive Auseinandersetzung mit dem Alten Testament


und mit dem Chiliasmus, die für die systematische Frage nach dem theolo-
gischen Verständnis der Geschichte steht. Diese Punkte machen es auch
sinnvoll und notwendig, die bedeutenden Eschatologen M. Kähler und
P. Althaus (und als Bindeglied dazwischen die hier erstmals untersuchte
lO
Eschatologie des baltischen Luthertums ) nicht der Konsequenten Escha-
tologie bzw. der Dialektischen Theologie. sondern eben der heilsgeschichl-
lichen Denkrichtung zuzuordnen. ll Für sie ist kennzeichnend, daß sie das
Thema der Anthropologie, das in jener ersten Richtung mil Steffens' See-
lenlehre gegeben ist, als Überwindung der gängigen Dichotomien behan-
delt, wie jeweils aus der Auseinandersetzung mit benachbarten Eschatolo·
giekonzepten deutlich wurde: so für LC.K. v. Hofmann im Unterschied zur
theosophischen Eschatologie; so für M. Kählers Verständnis von Mensch-
heit im Gegenüber zu liberaler Dogmatik und Rirschlschule; so für
P. Althaus im Unterschied zur Dialektischen Theologie. 12
Angesichts dieser beiden, dicht geflochtenen Traditionsstränge erscheint
die Auffassung, die Eschatologie im 19. Jh. sei ein bloßes ,.Loch" und ihr
Büro "geschlossen", kaum mehr haltbar; besonders der zweite der O.g.
Stränge war nicht im Blickfeld dieser Auffassung.

2. Ergebnisse für die Wahmehmungsschemata

Die polaren Begriffsschemata, in denen sich die theologische Auffassung


vom Judentum in den Quellen dieser Untersuchung oftmals niederschlägt,
wurden hier in erster Linie als Anzeichen für Problematiken im christlich-
theologischen Diskurs gewertet. 13 Dieser Zugriff erlaubte aber zugleich, an
bestimmten Punkten der Problemgeschichte Verdichtungen im Gebrauch
solcher Begriffspaare nachzuweisen, die über die bekannten Gegenüber-
stellungen (Fleisch/Geist, Noch nicht/Schon jetzt, Partikularität/Univer-
salität usw.) hinaus von eigenständigen Wahmehmungsschemata und deren
jeweiliger Wirkungsgeschichte zu sprechen erlauben. Hier ist vor anderen
die begriffliche Binnendifferenzierung der Verheißung zu nennen, also das
Gegenüber von Weissagung und Wahrsagung. das sich bei Schleiermacher

lOS. Kap. V.2.2. hier S. 253-255.


11 S. den Schlußabsatz von Kap. IV zu Kähler bzw. Kap. V.3. hier S. 256f. zu Allhaus.
12 S. Kap. 111.1.1. hier S. 96--102 zu Y. Hofmann bzw. Kap. IV.3. hier S. 183-186 zu Kähler
bzw. Exkurs 8 (S. 214ff.) und Kap. V.1.2. hier S. 224 zu Althaus.
13 S. Kap. 1.2. hier S. 23f.
00040222

VI. Ergebnisse und Er1mg ftir Systematik und Ökumene 263

anbahnt, bei A. Tholuck ausdrücklich wird und dann vor allem bei
P. Althaus (als Apokalypsismoriv) wirksam wird. 14 Auf diesem Schema
baut wiederum eine charakteristische Auffassung von einer bestimmten
Verheißung, nämlich der der Parusie, auf: die Lehre von den zwei Adventen
Christi (im Unterschied zur nur einen Ankunft des Messias im Judentum),
die wohl auf LA. Domer zurückgeht und bei den unterschiedlichsten Auto-
ren bis weit ins 20. Jh. hinein wirkt 15 - ein weiteres Indiz dafür, diese Zeit
nicht auf den eschatologischen Aufbruch um Weiß, Schweitzer, Buhmann
und Barth zu reduzieren. Dies gilt auch für die Unterscheidung von Glaube
und Hoffnung. deren Betonung im Diskurs vor 1922 oftmals theologische
Einschätzungen des Judentums transponiert, ehe die Dialektische Theologie
mit ihrem beherrschenden Auftreten beide Tennini sinngleich gebrauchen
kann. 16

3. Ertrag für die Eschatologie im Verhältnis zum Judentum

Die Themen, die sich aus unseren Analysen für eine evangelische Eschato-
logie ergaben, sollen im vorliegenden Abschnitt zunächst für die jeweiligen
Kapitel zusammengefaßt werden. Danach können sie auch abgelöst von der
Bindung an bestimmte Autoren in einer systematischen Betrachtung vor
dem Hintergrund der gegenwärtigen Diskussionslage in der christlichen
Theologie sowie der Eschatologie und ihrer Beziehung zum Judentum ent-
faltet werden.
I. Schleiermacher: Verheißung lind Zeitverstö"dnis. Schleiennachers Es-
chatologie läuft auf den Aufweis hinaus, daß die im Protestantismus obli-
gaten vier letzten Dinge kein geschlossenes Gesamtbild ergeben, sondern
immer in partikularen Vorstellungen hängen bleiben. Diese Partikularilät ist
nach Schleierrnachers Religionsauffassung das charakteristisch jüdische
Moment der Eschatologie und mit dem christlichen Konzept der Universa-
lität unvereinbar. Schleiermacher hat seit seinen "Reden" dieses Gegenüber
von Judentum und Christentum am Phänomen der Weissagung festmachen
können, denn hier stehen die auf einen "Schauplatz ohne Verwickelungen"
berechnete Weissagung des (at 1.) Judentums und der christologische "Gip-
fel" der Weissagung, der zugleich ihr "Ende,,17 ist, zueinander wie Paniku-

14 S. S. 127 Anm. 204 zu Tholuck und bei S. 227 Anm. 157 zu Althaus.
15 S. S. 125 Anm. 197.
16 S. Kap. V.2.2 (S. 247ff.).
17 Zu den Zil:lIen s. S. 61 Anm. 66 bz.w. S. 63 Anm. 70.
00040~ZZ

264 Dritter Teil

larität und Universalität. Die Frage nach Panikularität und Universalität


erwies sich aber gerade im Vergleich mit der zeitgenössischen Eschatolo-
giedebaue der rechten Hegelschule als das Problem des Zeitverständnisses,
nämlich der linearen Auffassung von Zeit als einem "bloßen Nacheinander"
(Kant). Man kann daher auch das Problem der Verheißung als eine Gestalt
des Zeitverständnisses auffassen: Eschatologie redel von der Zukunft in
einer bestimmten Hinsicht, nämlich soweit sie als Gottes Zukunft erhofft
wird, im Modus der Verheißung. Diese Verbindung des Zeitthemas mit
dem der Verheißung drückt sich in gewichtigen Anfragen aus, welche die
jüdische Religionsphilosophie der christlichen Eschatologie gestellt hat: So
drückt F. Rosenzweig seine Kritik am chrisllichen Schema von Verheißung
und Erfüllung als eine Umkehrung der Zeitfolge aus und flankiert damit
M. Bubers Abwehr des Zeilkonzepts einer (christologischen oder sonstwel-
ehen) Zäsur in der Geschichte. 18 Zeit und Verheißung sind also ein wichli-
ges Thema, das Schleiennachers Problemstellung einer evangelischen
Eschatologie im Gespräch mit dem Judentum aufgibt; mit dem traditionel-
len Terminus ist die durch die Verheißung als theo-Iogisch qualifiziene,
erhoffte Zeit die Ewigkeit.
2. Heilsgeschichtliche Theologie: Parusieerwartung. Die drei hier
schwerpunktmäßig untersuchten Konzeptionen außer Schleiermacher lieBen
sich mit je einem der eschalologischen Charaktere "Chiliasmus", "Messia-
19
nismus" und "Apokalyptik" verbinden. Die Heilsgeschichtliche Theologie
kennzeichnet ihr Chiliasmus. Dieser entspringt, so zeigte die Analyse, aus
der heilsgeschichtlichen Axiomatik von Person und Nalur, welche die es-
chatologische Erwartung aufteilt in eine das Gottesverhältnis des Menschen
und eine sein Wellverhältnis betreffende Seite. Diese Einteilung ist, wie der
Vergleich mit der zeitgenössisch bedeutsamen Unterscheidung von Ge-
schichte und Natur lehne, dem Thema der Parusie, dem nach Gottes- und
Weltverhällnis vollendeten Chrislus. entnommen. Deswegen fußt der oft
beobachtete Übergangs- oder Mischcharakler des Chiliasmus weniger auf
zeitlichen oder räumlichen Doppelungen (Chiliasmus als Zwischenreich
oder Himmel auf Erden), sondern auf dem ungeklärten Verhältnis des histo-
20
rischen Kommens Jesu zu seiner erhofften Parusie. Hierunter wird in der
Heilsgeschichl1ichen Theologie, wie Beck lehrte, oftmals eine Zeit der Kir-
che verstanden: Sie bildel eine höhere Epoche der Geschichte, aus der das
Judenlum ausgeschlossen wird, so daß sich das unbestreitbar starke Interes-

18 S. zu Rosenzweig Kap. 1.3. hier S. 34-31: besonders Anm. 89.


19 Zu diesen Charakteren s. Kap. 1.1. hier S. 15-20.
20 S. Kap. 111.1.2. hier S. 120-123.
00040222

VI. Ergebnisse und Enrag rur Syslemalik und Ökumene 265

se an Israel auf Ur- und Endzeit beschränkt?l Man kann vor diesem Hinter-
grund sagen, daß Bubers Einwand gegen eine Zäsur in der Geschichte22
besonders heilsgeschichtlichen Entwürfen von Eschatologie gilt, eben dem
Verständnis einer mit Jesu Kommen angebrochenen höheren Geschichte.
Da Heilsgeschichtliche Theologie aber gerade beim Kommen Jesu, freilich
seinem zukünftig verheißenen Kommen ansetzt, bedeutet Bubers Einwand,
daß die systematische Kernfrage des Konzepts der Heilsgeschichte in der
Klärung der Parusieerwal1ung besteht, besonders in ihrem Bezug auf das
Kommen Jesu in Zeit und Geschichte.
3. Kähler: Metaphorische Rede. Wie die Heilsgeschichtliche Theologie
an Schleiermachers Verheißungskonzept ansetzt, so greift auch Kähler den
neuralgischen Punkt der vorangegangenen Tradition auf. Das ist die Paru·
sieerwal1ung, die für Kähler wie für die Heilsgeschichtliehe Theologie ge-
schichtserschließende Funktion hat, bei jenem aber die heilsgeschichlliche
Stufung nach Person und Natur aufhebt. An ihre Stelle tritt Kählers Kon-
zept einer soterologischen. d.h. an der Person des Messias (Soter) orien-
tierten, Eschatologie, die darum mit dem Messianismus assoziiert werden
kann. 23 Kähler befolgt dabei ein Verfahren eschatologischer Begriffsbil-
dung,24 in dem die erhoffte Zukunft selbst - Kähler spricht vom Überge-
schichtlichen - zugleich Grund und Grenze geschichtlicher Ausrichtung auf
sie (z.B. in Hoffnung oder in Fortschritt) ist und darum an der Geschichte
teilhat und sie doch zugleich übersteigl. 25 Hierin liegt das metaphorische
Potential eschatologischer Rede, so daß sich Kählers Konzept am gebün-
deltsten zeigt in seinem Bibelverständnis und dem Gebrauch von Bildem,26
mit denen er sein Verständnis von Menschheit - im Konzept der Mensch-
heitsreligion, das sich, etwa im Vergleich mit dem Spätwerk H. Cohens, als
besonders einschlägig für die Einstellung zum Judentum herausstellte 27 -
konkretisiert. Kähler positioniert sich damit auch in den einschlägigen
Kontroversen des Untersuchungszeitraums, in denen über die Fronten ver-
schiedener Gestalten des Messianismus hinweg der menschheitliche Hori-
zont und die geschichtliche Konkretion der Zukunftshoffnung das kenn-
zeichnend messianische Moment bilden,28 mag dieses nun auch im einzel-

21 s. Kap. 111.1.2. hicr$. 118-120.


22 S. Kap. 1.3. hier S. 37-41.
23 $. Exkurs 5 ($. 153f.) zur Smcrologie.
24 S. bei S. 168 Anm. 153f.
25 S. Kap. IV.I.I (S. 137ff.) anhand des wenig untersuchten Eschalologievonrags lIon 1867.
26 S. Kap. IV .1.2. hier S. 168-174 und Kap. IV.2 (S. I 78fr.).
27 S. Kap. IV.1.2. hier S. 159-168.
28 S. Kap. 1.1. hier S. 19f.
000402U

266 Driller Teil

nen als weltweite Praxis des Evangeliums oder als Menschheitskatastrophe


verstanden werden. 29 Kählers eschatologische Metaphorik als Konkretion
seines Konzepts von Menschheit stellt so ein wichtiges Thema evangeli.
scher Eschatologie im Verhältnis zum Judentum dar.
4. Althaus: Theologische Anthropologie. Der Umgang mit den biblischen
Bildern, Kählers thematischer Ertrag für die Eschatologiegeschichte, ist nun
aber die Front, die Althaus in seiner Eschatologie vor Augen hat. Sie kann
als anliapokalyptisch charakterisiert werden, weil Apokalyptik für Althaus
(ebenso für Stange und Brunner)30 heißt, diesseitiges Bild und jenseitige
Sache der Eschatologie, Menschliches und Göttliches unzulässig zu venni-
sehen, und zwar gerade in dem Bestreben, beides zu unterscheiden. 31 Gegen
dieses Dilemma setzt Althaus sein schon am Aufbau des Buches ablesbares
Konzept der Ewigkeit, die als das Jenseits der Zeitlichkeit deren Pole fest-
hält, aber ihre Polarität aufhebt. 32 Bei Althaus schlägt sich dieses paradoxe
Verständnis von Ewigkeit nieder in der DreisteUigkeit, die seinen Ge-
schichtsbegriff und seine Anthropologie kennzeichnet, ja überhaupt in sei·
nem unübersehbaren Interesse an der theologischen Sozialethik, die durch-
weg von dieser Dreistelligkeit geprägt ist. 33 Damit wird der Satz vom aus-
geschlossenen Dritten in Abrede und zugleich die Frage nach der Wahr-
heitsfahigkeit der Eschatologie gestellt;34 Althaus antwortet darauf mit der
Wirklichkeit der Eschatologie, indem er die Ewigkeit als Zugleich von Tun
und Ruhe, Aktivität und Passivität bzw. menschlicher Aktivität und göttli-
cher Aktivität beschreibt, kurz: indem er, der pneumatologischen Eschato-
logie bei E. Schaeder und den Balten Hahn und v. Oettingen folgend, die
anthropologische Alternative von Handeln und Erleiden und ihre soteriolo-
gische Entsprechung, die Alternative von Gottes Handeln und menschli-
chem Erleiden von Gottes Handeln, neu zur Diskussion stellt. 3S Althaus' Es·

29 Dies sind die Standpunkte in der Dcbatle zwiS(;hen H. Gollwitzer und G. Scholern (s. S. 20
Anm.25).
30 S. Kap. 1.1. hierS. 16-19. ALTtIAUS (1933) 74 [771 nennt selbst einmal die Eschatologie Je-
su und des Paulus. auf die er sich beruft...wider.apokalyptisch".
31 Erst 1933 versteht Ahhaus Apokalyptik eher einseitig als Vergegenständlichung stall als
Vermischung und setzt dem. ebenso einseitig. eine vergeisligte Eschatologie enlgegen. Ursprüng-
lich galt sein Interesse in charaktcristiS(;hem Unterschied zur Dialektischen Theologie (s. Exkurs 8
[So 214ff.)) gerade dem Problem, wie die Zweideutigkeit der Geschichte angesichls des Eschaton
zu erfassen sei. ohne vercindeutigt zu werden.
32 S. Kap. V.LI (S. 194ff.).
33 S. S. 224 Anm. 145.
34 Diese Frage steckt im Wahmehmungsschema von Geschichte und Eschatologie (5. K:lp.
V.2.1 [So 24Iff.]).
3S Zur Wirklichkeitsfrage im Wahmehmungsschema von Hoffnung und Glaube s. Kap. V.2.2
(S.247ff.).
0004022~

VI. Ergebnisse und Enrag für Systematik und Ökumene 267

chatologiekonzept erinnert so an Cohens Korrelationsmethode. die dieser


der zeitgenössischen christlichen Eschatologie gegenüberstellt, sowie all-
gemeiner an Baeck, der das Judentum überhaupt als die Religion der Para-
doxien der Sittlichkeit definiert und unterstreicht, daß im Judentum die
Anthropologie nirgends in einen soteriologischen Zusammenhang wie im
Christentum eingespannt ist. 36 Die anthropologische Wirklichkeit erscheint
hier geradezu als Markenzeichen des Judentums. Wenn nun Althaus mit
diesem für das Verhältnis zum Judentum so ausschlaggebenden Thema der
anthropologischen Wirk.lichkeit auf das Problem der Wahrheit der Escha-
tologie antwortet, das einst den Anstoß für Schleierrnachers Eschatologie-
kritik gegeben hatte, dann schließt sich in dieser Antwort ein thematischer
Bogen, der den Quellenzeitraum der vorliegenden Untersuchung umspannt.
Die Überlegungen können sich daher nun der systematischen Entfaltung
dieser Themen im gegenwärtigen Diskurs von systematischer Theologie
und christlich-jüdischer Ökumene zuwenden. Dabei ruht das Augenmerk
auf dem sachlichen Ertrag der bisherigen Analysen für den systematischen
(in den folgenden Abschnitten als Pkt. I) und ökumenischen Diskussions-
stand (Pkt. 2).
5. Ergebnis. Für eine evangelische Eschatologie im Verhältnis zum Ju-
. denIUm ergeben sich somit vier Themen, nämlich das Verständnis von Zeit
und Ewigkeit, die Parusieerwartung, die Metaphorik und die theologische
Anthropologie. Daß damit genau der Vierzahl der Eschata entsprochen ist,
welche die protestantische Tradition vorschreibt, hat keine inneren Gründe,
zumal dieser Themenkatalog nicht abgeschlossen ist. Vielmehr ist darauf
hinzuweisen, daß schon diese Themen nicht auf einer Ebene liegen, sondern
teils traditionsgeschichtliche Topoi, teils eschatologische Charaktere und
teils Prinzipienfragen betreffen.
Es scheint jedoch, daß sich alle vier Themen im Stichwort der Verhei-
ßung bündeln, denn Verheißung ist die religiöse Qualifikation der in der
Eschatologie thematischen zukünftigen Zeit, während die Parusie der Inhah
der Verheißung ist, die Metaphorik hingegen ihre Form. Die theologische
Anthropologie schließlich ist als Verhältnisbestimmung göttlicher und
menschlicher Beteiligung am Heilsgeschehen dasjenige Thema, das von
Verheißung überhaupt erst sinnvoll reden läßt, nämlich als Verheißung
Goues an den Menschen.)7 Daher wird in der folgenden Skizze eines evan·

36 S. Kap. 1.3. hier S. 31L und bei S. 26 Anm. 46 zu Baeck bzw. Kap. 1.3, hier S. 32-34 zu
Cohcn.
37 Auch bei den Wahmehmungsschemala (5. Kap. II-Vn) ist das Thema ..Verheißung" in sei-
nen verschiedenen Binnendifferenzierungen SIelS pr'.isenl.
000402<2

268 Dritter Teil

gel ischen Verständnisses von Eschatologie im Verhältnis zum Judentum


Eschatologie als Lehre von der Verheißung thematisiert. Will man dabei die
Vierzahl zur Gliederung nutzen, was sich im Rahmen der vorliegenden
Untersuchung anbietet, so kann man am ehesten auf die aristotelische Lehre
von der vierfachen Kausalität verweisen, da diese die unterschiedlichen
Dimensionen der jeweiligen causae unterstreicht. Dabei entspräche die als
Verheißung religiös qualifizierte erhoffte Zukunft, also die Ewigkeit, der
causa finalis der Eschatologie, die Parusie hingegen der causa materialis.
Die Frage der Metaphorik stellte die causa fonnalis dar, und der Zusam-
menhang von göttlichem und menschlichem Handeln in der theologischen
Anthropologie wäre als causa efficiens anzusehen.

3.1. Zeit und Ewigkeit

1. Systematischer Ertrag eines eschatologischen Zeitverständnisses. Wei-


ches Problem ist der Eschatologie mit dem Thema "Zeit und Ewigkeit" ei-
gentlich gestellt? Wenn Eschatologie sich in einem allgemeinsten Sinne als
wissenschaftliche Reflexion der religiösen Zukunftserwartung definieren
läßt, dann steht sie vor dem Problem, daß ihr Reflexionsgegenstand, die
erhoffte Zukunft Gottes, als zukünftig dem Gegenstandsbereich der Erfah-
rung entzogen ist; daher redet Eschatologie von ihm nur im Modus der
Verheißung. Das Konzept der Verheißung qualifiziert also nicht nur den
Erwartungsgehalt der in der Eschatologie thematischen Zukunft als religiös,
sondern hat in eins damit auch wissenschaftstheoretische Bedeutung infol-
gedessen. daß diese selbe Zukunft ein unabgeschlossener Gegenstandsbe-
reich ist. Als Verheißung wird ja beides bezeichnet: sowohl das, was ver-
heißen ist, also die Zukunft Gottes selbst - mit dem traditionellen Aus-
druck: die Ewigkeit -, als auch die in der Zeit ergehende verheißende Rede.
Eschatologie als Lehre von der Verheißung muß diese daher sowohl auf die
Ewigkeit als auch auf die Zeit beziehen. Das Thema "Zeit und Ewigkeit" -
für sich betrachtet zunächst eine philosophische Fragestellung - stellt der
Eschatologie also die Aufgabe, im theologischen Konzept der Verheißung
beide miteinander ins Verhältnis zu selzen.
Die Problemgeschichte der Eschatologie kennt zwei grundsätzliche der-
artige Verhältnisbestimmungen, die sich als Zeit-Ewigkeils-Kontinuum und
als Zeit-Ewigkcits-Diastase beschreiben lassen; bald wird die Ewigkeit un-
ter dem gemeinsamen Oberbegriff der Dauer als deren unendliche Ausdeh-
nung (im Gegensatz zur endlichen Zeit) aufgefaßI, also wie eine ins Endlo-
se verlängerte Zeitachse; bald erscheint sie als senkrecht dazu einschnei-
00040222

VI. Ergebnisse und Ertrag rur Systematik und Ökumene 269

dendes nunc aetemum. Es ist nun bemerkenswert, daß die evangelische


Eschatologie. wie sie hier untersucht wurde, dazu neigt, die o.g. doppelte
Dimension der Verheißung in heide" Verhältnisbestimmungen durch eine
lineare Abfolge von Verheißung und Erfüllung auszudrücken. Das zeigt
sich gerade in der Wahrnehmung des Judentums: Innerhalb eines Zeit-
Ewigkeits-Kontinuums erscheint das Judentum dann als Zeit der Verhei·
ßung, die eine wohl notwendige, aber auch notwendig zu überwindende
Vorstufe des Christentums als der Zeit der Erfüllung darstellt. 38 Aber auch
bei Annahme einer Zeit-Ewigkeits-Diastase, die die Ewigkeit jenseits aller
Zeitkategorien theologisch, etwa als Gericht versteht, war zu beobachten,
daß das Judentum gerade und nur ..in seinem Scheitern" als Verheißung
betrachtet wird und so wiederum zur Negativfolie des Christentums wird,
das dann dem Judentum als dessen Erfüllung linear zugeordnet werden
39
kann. D.h. selbst wenn die Ewigkeit an sich nicht zeitlich (als "Zeit nach
der Zeit"), sondern gerade als Gegensatz der Zeit verstanden wird, kann das
Verhältnis von Zeit und Ewigkeit dennoch linear, also nach Art des
Zeitstrahis, gedacht sein. 40 Dies ist, was ich abgekürzt das Problem eines
..linearen Zeitverständnisses" nennen möchte. Es kommt demgegenüber
also für eine evangelische Eschatologie auf das an, was ich als ,.eschatolo-
g;sc!les Ze;tversfönd,,;s" bezeichnen würde, nämlich darauf, das Verhältnis
von Zeit und Ewigkeit in nicht linearer Weise zu denken, und hier liegt eben
die Bedeutung des Verheißungskonzepts, das ja Zeit und Ewigkeit aufein-
ander beziehen soll.
Führt man sich diese AufgabensteIlung vor Augen, dann wird sogleich
klar, wo die Wurlel des Problems liegt: nämlich in dem Begriffsgespann
von Verheißung und Erfüllung, das die Verhältnisbestimmung von Zeit und
Ewigkeit doch nicht an die Verheißung bindet, sondern auf (zeitliche) Ver-
heißung und (ewige) Erfüllung aufteilt und schon damit beide in einer linea-
re Abfolge bringt. Oie Verheißung wird hier auf kausalem Wege mit der
Erfüllung verknüpft und muß ihr deshalb vorausgehen. Die Verheißung ist
dann zwar die Ursache der Erfüllung und als solche auch die Ur·Sache, der
ureigenste Gegenstand der Eschatologie als Reflexion über Zukunftshoff-

38 S. dazu (anhand der Frage von Panikularitäl und Universaliläl) Kap. 11.2.2 (S. 63fT.) mil
Ell;kurs I (5. 64ff.).
395. Exkurs 8 (5. 214ff.) zur Eschatologie in BUlTMANNS Dialeklischer Theologie (Zilal
DERS.jI949J 183).
40 Beides zusammen nimml etwa K. Barlh im Ewigkeilsversländnis aus Bd. 1/1 seiner ..Kirch-
lichen Dogmalik" an. wenn cr die Ewigkeit als die GOlleszeit begreift. welche die Menschenzeit
umgrenzt. indem sie ihr gegenüber überzeitlich und zugleich vor- und nachzeitlich isl. Vgl. dazu
QBL..AU (1988).
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270 Driuer Teil

nung, aber Wirkung dieser Ursache und damit Inhalt dieser Hoffnung ist
nur die Erfüllung: Christliche Zukunftshoffnung hätte demnach im letzten
Sinne alles zu erwarten, nur keine Verheißung, die Verheißung selbst wäre
kein Eschaton, sondern als Ursache, die der Wirkung notwendig vorangeht.
eine sub specie aetemitatis vergangene Größe. Dies widerspricht aber schon
der sprachlichen Struktur von Verheißung, denn bereits der Ausdruck be-
rührt ja wie gesehen Ewigkeit und Zeit, Hoffnungsgut und Hoffnung glei-
chennaßen. Gegen ein lineares Zeitverständnis muß daher ein eschatologi-
sches Konzept von Zeit betonen, daß die Verheißung eine bleibend zukünf-
tige Größe ist; sie ist nicht nur Ursache der Zukunftshoffnung, sondern auch
deren Sache, ihr Grund und ihr Gehalt. Die Verheißung, so ergibt sich aus
unseren Überlegungen, ist nicht erst durch die Erfüllung vollwertig ge-
macht,41 das Begriffsgespann von "Verheißung und Erfüllung" ist zu erset-
zen durch die Korrelation von .,zukunft und Verheißung".42
Was diese Entkoppelung der Verheißung von ihrem vermeintlichen Kor-
relat der Erfüllung bedeutet, wird wiederum vom Thema "Zeit und Ewig-
keit" her klar. Setzt die Verheißung nämlich Zeit und Ewigkeit ins Verhält-
nis, dann verbindet sie menschliches Hoffen mit der Zukunft Gottes, dann
ist Verheißung kein bloßer Redemodus, sondern verbindet zeitliche und
ewige Gestalt der Zukunft Gones, die Verheißung ist also ein im wörtlichen
Sinne theo-Iogisches Konzept. Dieses Verständnis der Zeit aufgrund der
Verheißung ist nicht auf die Alternative festgelegt, die Zeit entweder onto-
theologisch aus einem Begriff von Ewigkeit Gottes abzuleiten oder subjek-
tivitätstheoretisch als Produkt der Verstandestätigkeit des Ich zu begrün~
den,4 3 sondern kann einen differenzierten Zusammenhang von göttlicher
44
und menschlicher Beteiligung am Verheißungsgeschehen annehmen. Der
Grund menschlicher Zukunftshoffnung ist dann - im Unterschied zu einem
linearen Kausaldenken, für das die Ursache der Wirkung vorangehen muß-
die Zukunft selbst, nämlich das Kommen Gottes zu den Menschen und sei-

41 S. Kap. 11.2.1. hier $. 63.


42 Unter diesem Buchtitel skizziert SAl)TER (1965) 45 anhand ...on Gen 15.1-6 die Zukunrts+
...erheißung als die Erörrnung der ."größereln) Welt Gol1es..•• bei der die menschliche Horrnung
.....or Anker" gehen soll. Dieser Metapher entsprechend nennt DERS. (1997) 317 die Verheißung
einen •.Fixpunkt".
43 Diese Alternati...e strukturiert die umrangreiche Untersuchung "'on MAN'"I.:KE (1992). der in
diesem Sinne einerseits Auguslin und andererseits Kam und Heidegger behandelt.
44 Die großangelegte Zeiuheorie bei SCIIMIDT (1927) 382 zielt unter der Überschrirt eines
..eschatologischelnl Rhythmus" der Geschichte entgegen der kantischen Bestimmung der Zeit als
einer nicht wegdenkbar \'orgegebcnen Form der Anschauung (a.a.O. 219f. u.ö.) aur einen solchen
Zusammenhang: Dem Menschen ist die Zeit als Formgebung ftir die ewige Liebe Gottes allfgege-
ben in einer bis in die Gegenwart reichenden Wundergeschichtc (a.a.O. 327f.).
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VI. Ergebnisse und Ertrag für Systematik und Ökumene 271

ner Schöpfung, das sich in Gestall seiner Verheißung vollzieht. Wenn Gott
nach refonnatorischer Anschauung mit den Menschen nicht anders handeIl
als durch Wort und Glauben, dann charakterisiert das Verheißungswort, auf
das hin der Glaube glaubt, Golles Handeln an den Menschen. Verheißung
ist de"",ach ein Begriff. der ebenso wie das erinnerte vergangene lind das
gegenwärtig eifahrene auch das zukünftig erhoffte Handeln Gottes ken,,·
zeichnet und nicht etwa eschatologisch von einem damit zu kontrastieren-
den Elfü//ungshandeln abgelöst wird. Mit diesen Erwägungen ist keines-
wegs behauptet, daß die Verheißung sich selbst genüge und nicht etwa über
sich hinausweise; im Gegenteil ist die Verheißung ihrem Wesen nach Ver-
weisung über sich hinaus. Allein worauf sie verweist, wäre als Erfüllung
nicht nur linear gedacht, sondern auch losgelöst vom verheißenden Gott
selbst. Daß jede Verheißung über sich hinausweist, beruht aber ja darin, daß
sie eben auf nichts anderes als Gott verweist. Das Thema der Verheißung
geht an diesem Punkt über in das andere nach der metaphorischen Rede-
form von Verheißung, die durch eben diese Art von Verweisungszusam-
45
menhang gekennzeichnet ist. Besonders konzentriert drückt sich dieser
Zusammenhang von Gott und Verheißung aus, wenn Jesus Christus im
Neuen Testament das Ja Goues zu seinen Verheißungen genannt wird
(2 Kor 1,20).
2. Okumenischer Ertrag eines eschatologischen Zeitverständnisses. Mit
diesen Überlegungen zum Thema "Zeit und Ewigkeit" ist ein zentraler
Punkt des gegenwärtigen christlich-jüdischen Gesprächs getroffen, denn
auch hier plädieren mit z.B. Wolfhart Pannenberg, Jürgen Mollmann und
Friedrich-Wilhelm Marquardt gewichtige Stimmen für ein eschatologisches
46
Zeitverständnis. Zugrunde liegt auch hier die Einsicht, daß die Verhei-
ßung selbst als erfüllte nicht, wie die israeltheologische SubstiWlionstheorie
annahm, abgegolten und gleichsam erledigt ist. Vielmehr bringe das über-
bordende Hoffnungspotcntial, wie es Israel in den Verheißungen des Alten
47
Testaments gegeben ist, einen "Überschuß" über jede Erfüllung. Escha-
tologie als Lehre von der Verheißung handelt daher von "zukunftsweisen-
den Erinnerungen" und geschieht materialiler als Wiederholung der Ge-

45 Dazu s. Kap. VI.3.3 (5. 282ff.).


46 Für PANNENBERG vgJ. sein Konzept der ..Offenbarung als Geschichtc" (seit DERS, (19611).
fUr MARQUARDT (1993196) dessen Zeiuhcorie im § 6 seiner Eschatologie. und MOLTMANN (1995)
308 Anm. 55 spricht selbst von einer ..Theologie der Zeir' in eschatologischen ..Kategorien"
(a.a.O. 44). - Im folgenden sollen nicht diese drei Enlwurfe analysier1. sondern das sie verbinden-
de israeltheologische Moment als solches bctrdChtet werden.
47 K.H. Miskotles Rede vom VcrheiBungsübcrschuß rcz.ipier1 v.a. MARQUARDT (1993196)
1.159 (Zitat).
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272 Dritter Teil

schichte Israels. 4 & Wiederholung bedeutet hier jedoch keine Repetition, die
für die Zukunft nichts Neues unter der Sonne erwarten ließe, sondern heißt,
die im Lauf der Geschichte "verhinderten Möglichkeiten" in ihrer unver-
brauchten Potentialität, wie sie im Hoffnungspotential des alttestamentli-
chen Verheißungsüberschusses gegeben ist, wieder an die Oberfläche zu
49
holell, so daß sie "ständig diese Weh in Frage" stellen. Zeittheoretisch
werden daher der Vorrang der Zukunft und deren Neuheit gegenüber den
geschichtlichen Gegebenheiten betont. 50 Diese Zukunft sei, wie im An-
schluß an die frühjüdische Apokalyptik und ihre Auffassung vom "Ende"
gesagt wird, der geschichtlichen Wirklichkeit selbst nur ausnahmsweise auf
dem Wege der Antizipation zugänglich: 51 indem nämlich das Wirkliche
sich durch das Mögliche, durch das, was auch anders und wie es auch an-
ders sein könnte, hinterfragen läßt. Tatsächlich ist die Möglichkeit die
Schlüsselkategorie solcher Konzeptionen, und zwar nicht die kantische
Modalkategorie im Unterschied zu Wirklichkeit und Notwendigkeit, son-
dern M. Heideggers Konzept der Möglichkeit: Sie ist gegenüber der Wirk-
lichkeit "die ursprünglichste und letzte positive ontologische Bestimmung
des Daseins", das eigentlich in ihm "Vermögend-Mögende". Denn sie ist
nicht der normativen Kraft des Faktischen unterworfen und kann darum
gerade angesichts des Geschichlslaufs und gegen ihn als das Wahre angeru-
fen werden - mit der Pointe, daß die so mit der Wahrheit verknüpfte Mög-
lichkeit gar nicht auf Verwirklichung zielt, wie dies noch in dem traditio-
nellen, problematischen Begriffsgespann von Verheißung und Erfüllung der
Fall iSt. 52

48 Vgl. die Vorstellung der Pesachhaggada. daß die Generation jeder Sederfeier mit der des
Exodus yerschmilzt. So auch Marquardt und MOLTMANN (Zitat OERS. [1989J 40 [dort kursiv)).
49 Diesen gesellschaftskritischen Akzent setzt MOLTMANN (1964) 247.149 (Zitate).
50 Z.B. MARQUARl>T (1993196) 1.73ff. in der Rehabilitation des Lohngedankens: MOLTMANN
(1995) 42f. mit der Unterscheidung von Futur und Adyent.
51 Der Antizipationsgedanke ist zentrnI rur MOLThlANN. der ihn 3.3.0. 44 am Sabbat als einer
rhythmisch wiederkehrenden .• Vorwf'8!1tlhme der messianischen Zeit' (Äonenzeit) entfaltet. und
rur PANNENBERG (1961) 96.103. dcr mit der jüdischen Apokalyptik das Ende der Zeit als Offenba-
rung ihres Gesamlsinns versteht, den historische Ereignisse vorwegnehmen könnten: vgl. DERS.
(1988193) 111,692.694 zum ,.sichzuyorkommen" Gones.
52 Zitate HEIDEGGER (1927) 143f.: DERS. (1946) 8. Dieses MöglichkeilSkonzept versteht
E. JONGEL (1971) eschatologisch, wcnn er die Auferstehung als "Verewigung gelebtcn Lebens"
(a.a.O. 160) versteht: sie holt LebensffiÖglichkeiten wieder (DERS. 11977J 292 Anm. 58). Auch
solches Reden von ..Wieder.Holung" geht. wie KLAPPERT (1995) 55 ftir Marquardt 7.eigt. auf Hei-
degger zurück. Der einhergehende Akzent auf der Wahrheit stall der Wirklichkeit trifft dabei we-
niger rur Marquardt und Mollmann zu. spricht aber aus der Metaphemtheorie von JONGEL (1974)
und schlägt sich bei dessen Schüler Mencke nieder im Begnügen bei der historischen Möglichkeit
der Glaubenstlltsachen (5. S. 158 Anm. 112): ebenso PANNENBERGS rein wisscnssoziologischcs
Verständnis der Historizität etwa von Ostern (DERS. 119641 95).
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VI. Ergebnisse und Enrag flir Syslcmalik und Ökumene 273

Dies kann freilich dazu führen, daß das Eschaton, nunmehr als Bewahr-
heilung (Verifikation) der Geschichte begriffen, zugleich als Ende einer
linearen Zeit verstanden werden muß, weil sonst mit der Geschichte kein
abgeschlossener Gegenstandsbereich vorläge, wie ihn eine Verifikation
voraussetzt. B Auch wenn die Eschatologie als Wieder-Holung von Mög-
lichkeiten in Entsprechung zur Protologie gedacht wird, ergibt sich ein re-
stitutives (zyklisches) Zeitverständnis, das mit dem grundsätzlich ange-
nommenen Vorrang der Zukunft jedenfalls in Konnikt steht. 54
Im Unterschied dazu verstehe ich im Rahmen eines eschatologischen
Zeitverständnisses die erhoffte Verheißung weder vom Primat der Wahrheit
noch der Möglichkeit her, sondern als eine Wirkljchkeit, nämlich die Wirk-
lichkeit des verheißenden Goues selbst. Es gehl in Auseinandersetzung mit
der berechtigten israellheologischen Kritik an der Vorstellung von Erfül-
lung als Verwirklichung der Verheißung nicht darum, die Dimension der
Wirklichkeit in die Wahrheit auf- oder untergehen zu lassen und dieser so
den Realitätsbezug zu verstellen, sondern darum, zur Geltung zu bringen,
daß GOIl selbst in der Verheißung zu den Menschen kommt und darum in
diesem Kommen. seiner Zukunft, selbst ihre letzte und tragende Wirklich-
keit ist. ln diesem menschheitlichen Horizont sind auch Christentum und
Judentum miteinander verbunden - in einer Weise freilich, die der folgende
Unterabschnitt weiter zu klären hat.

3.2. Die Hoffnung auf die Parusie Christi

I. Systematischer Ertrag eines Parusieverständnisses in menschheitlichem


/-Iorizol11. Wenn es wahr ist, daß Eschatologie von der zukünftigen Wirk-
lichkeit Gones handelt, dann muß sich dies besonders auf das Thema der
Parusiehoffnung auswirken. Denn die Vorstellung, daß Jesus vom Himmel
zur Erde wiederkehrt, mutet doch scheinbar zu phantastisch an, wider-
spricht zu sehr der Erfahrung von Wirklichkeit - und wie 2 Petr 3,4 zeigt,
nicht erst aufgeklärter Erfahrung -, um selbst als Wirklichkeit erwartet
werden zu können. Doch beim Thema der Parusie geht es gar nicht darum,
ein isoliertes Eschatologumenon als wirklich zu behaupten oder preiszuge-
ben. Die biblische Versicherung, daß Jesus "so, wie ihr ihn habt gen Him-

53 PANNENBEKG (1995) 76.79 und schon ooKS. (1988/93) 1I1.638f.


54 Vgl. die Entsprechung von Gones ursprilnglicher Selbslbcschränkung (kabbalislisch sog.
Zimzum) in der Schöpfung zu seiner eschalischen Einwohnung (Sehechina) in ihr bei MOLTMANN
(1995) 327f. 336. bei dem nach GMIMMER (2000) 196 ..ICIZllich doch ein lineares Modell der Zeil
vorherrsch"'.
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274 Driner Teil

mel fahren sehen" (Apg I, I I), kommen werde. trim keine Aussage über
den Modus der Wiederkehr, sondern hält die Identität des Kommenden mit
dem Gekommenen fest. 55 Die christliche Parusiehoffnung erwartet, in dem
Kommenden den zu erkennen, zu dem sie sich bekennt. Auf diesen Zu-
sammenhang von Bekenntnis und Erkenntnis zielt womöglich auch die
zweimalige Schilderung der Himmelfahrt durch den Evangelisten Lukas:
Die erste mündet in das anbetende Bekenntnis zum Gekommenen (Lk
24,52f.), die zweite in die Zusage der Erkenntnis des Kommenden (Apg
I, I I). Auch die für neuzeitliches Denken befremdlichen Auslassungen tra-
ditioneller Eschatologie darüber, unter welchen kosmischen Begleitumstän-
den die Parusie zu denken ist, sollen diese ja gar nicht als physikalisch
"möglich" erweisen, sondern wollen erklären, wie der Kommende sich al-
len Menschen als Christus zu erkennen geben kann. Daß dies aber der Dis-
kussion bedarf, zeigt, wie wenig selbstverständlich es der eschatologischen
Tradition scheint, daß die Menschen den Kommenden als den erkennen
werden, den sie kennen und bekennen. Die Parusie ist demnach nicht als
Bewährung oder Bewahrheitung (Verifikation) des Glaubens zu verstehen,
auch nicht in dem bloß umgekehrten Sinne, daß die Parusie, etwa im Inter-
esse einer produktiven Aufnahme des jüdischen Neins zu Christus als dem
Messias,56 verstanden würde als der Lackmustest (Falsifikation), der den
christlichen Glauben nachträglich als wahr oder falsch erwiese. In beiden
Fällen würde an die Parusievorstel1ung das klassische Wahrheitskriterium
der Adäquation (adaequatio rei et intellectus) wie eine Meßlatte von außen
angelegt; es ist aber der Wirklichkeit der Parusie nicht adäquat, weil es vor-
aussetzt, daß die eschatologisch verheißene Erkenntnis Christi den Glauben
in ein Wissen im mechanischen Sinne "überführt" wie die Gebeine eines
Heiligen, ohne daß der Glaube selbst davon berührt wäre. Dies widerspricht
aber dem Wesen des Glaubens, dessen grundlegende Frucht, seine "Äuße-
rung" am Glaubenden. ja nach der refonnatorischen Rechtfertigungstheolo-
gie die Heilsgewißheit (certitudo) ist;51 und die kann im Unterschied zu ei-
nem Wissen (securitas) nicht bei sich bleiben, ja sie muß ganz von sich ab-

55 Im rabbinischen Judentum kann der Modus der erhofften Parusie des Messias mit dem des
Handeins der Hoffenden verbunden werden: Zeigt sich Israel würdig. so kommt der Messias mil
den Wolken des Himmels: zeigt es sich unwürdig. so kommt er auf einem Esel.
56 Dieses lnleresse machen 7..8. MARQUARDT (1977) 311 und (mit Zitat davon) MOLTMANN
(1989) 52 gellend.
57 So KÄllLER (1905) 428 (§§ 497f.). Die Allemalive. Heilsgewißhcil im ZusammenhliIlg der
Prädestioalionslehre zu behandeln und als Frucht des Glaubens vielmehr die Liebe hervorzuheben.
eröffnet dagegen eine lineare Gcfalls(recke von der Christologie über die Ethik zur Eschalologie
(vgl. WEBER 11955/62111.352 zu Gal 5.6).
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VI. Ergebnisse und Ertrag ftir Systematik und Ökumene 275

sehen und auf Gottes Verheißung blicken - und wird genau darin ihrer
selbst gewiß. Anstalt also dem menschlichen Bekenntnis das göttliche Sie-
gel der Erkenntnis aufzuprägen, "überführt" die Parusie den Glauben in
einem ganz anderen, rechtfertigungstheologischen Sinne: sie überführt ihn
nämlich des unhintergehbaren ErkannlSeins 58 durch Gott (I Kor 13,12), das
Paulus so erklären kann, ..daß Christus für uns gestorben ist, als wir noch
Sünder waren" (Röm 5,8); und in diesem Zusammenhang ist die menschli-
che Erkenntnis des kommenden Christus zugleich Sündenerkenntnis und
das Bekenntnis zu ihm zugleich Sündenbekenntnis. Beide sind aber, wie
Paulus mit seiner Schilderung des Lebens unter dem Gesetz in der Retro-
spektive des Lebens aus der Gnade sagt (Röm 7,7-24), bereits von Gou
gewirkt,59 so daß in dem ganzen, schon semantisch gegebenen Zusammen-
hang von Rechtfertigung und Gericht, aber auch in dem ganzen geschichtli-
chen Zusammenhang von Jesu historischem Ergehen und seinem eschato-
logischen Kommen die außerhalb menschlicher Möglichkeiten liegende
(Luther sagt: extra nos) Zukunft Gottes selbst wirksam ist; und dies zeigt
das durchgehend eschatologische Gepräge der Parusieverheißung, und darin
beruht auch ihr evangelischer, d.h. froher und heilsamer Charakter: Gott
macht alle Menschen, die gegen ihre Sündigkeit auf ihn vertrauen, gerecht.
Schon diese grundsätzlichen Erwägungen machen deutlich, daß die Paru-
sieverheißung das Menschenmögliche übersteigt; sie beansprucht für das
Christentum eine Bedeutung, die jenseits von dessen eigenem Horizont
reicht, nämlich, wie auch die kosmische Bildersprache nahe legt, eine
menschheitliche Bedeutung; und Menschheit ist hier nicht einfach der Gel-
tungsradius des Christemums, den es durch seine Missionstäligkeit ausdeh-
nen könnte. Vielmehr wenn schon für die Christen als die Menschen, die
sich zu Jesus bekennen, die Erkenntnis des Kommenden außerhalb des
Menschenmöglichen ist, dann kann auch eine zukünftig christianisierte
Menschheit nicht schon Menschheit im Sinne der menschheitlichen Be-
deutung der Parusie sein. Vielmehr bedeutet Menschheit in diesem Sinne
für das Christentum, daß es durch das Kommen Christi zum Gericht, wie
die Vorstellung des Credo lautet, in die Auseinandersetzung mit anderen
Religionen der Menschheit geführt wird. Für das Verhältnis zum Judentum
heißt das, daß mit dem Parusiethema so wiChtige und zugleich schwierige

58 Die genilivische Syntax kennzcichllCt das ÜberfUhren in der Rede vom usus elcnchticus le-
gis, der als Oberftihrung (darum ,,elcochlicus") von der Sünde (mit Röm 3,20: Sündenerkenntnis
als Hauplfunklion des Gesetzes) z.ugleich z.um Glauben ftihren will, darin besteht ja sein "usus",
sein Nulzen.
59 Vgl. zum Zusammenhang von Sündenbekenntnis und Rcchlfenigung gerade inllCrhalb eillCs
CS(;h;l!oJogischen ZeitvefStändnisses SAtrTER (1998a) 153-155.
276 Driner Teil

Themen verbunden sind wie die Judenmission, die nationale RestitUlion


und die traditionell sog. christliche Bekehrung Israels. Angesichts dieses
Sachverhalts ist das Thema der Parusieverheißung in einer evangelischen
Eschatologie im Verhältnis zum Judentum also im Horizonts eines theolo·
gischen Konzepts von Menschheit zu bedenken. Gerade die hier untersuchte
Problemgeschichle der Eschatologie liefert dafür wichtige Erträge. unter
denen das Konzept der Menschheitsreligion herausragt. 60
Zunächst ist zur Begriffiichkeit der Parusie zu sagen, daß von Wieder·
kommen oder Wiederkunft nicht gesprochen werden sollte. weil dies hieße.
daß Christus zurückkäme, nachdem er zuvor eine Zeitlang von den Seinen
abwesend war. Parusie wäre dann so etwas wie eine eschalologische Fami-
lienzusammenführung. Aber daß der kommende Chrislus als der von den
Christen Bekannte erwartet wird, heißt ja nicht, daß diese dann einen alten
Bekannten (oder gar Verwandlen) wiederträfen, wie auch die Erkenntnis
des Kommenden nicht das Wiedererkennen eines Wiederkommenden be-
deutet. Gewiß ist der Kommende mit dem Gekommenen, der Zukünftige
mit dem Gegenwärtigen identisch, doch diese Identität ist in sich differen-
ziert zu denken, konkret: Wenn die eschatologische Parusie als Überwin-
dung der geschichtlichen Polaritäten und menschheitlichen Spannungen
unter Beibehaltung ihrer. so zu sagen, spannungsführenden Pole verslanden
wird, wie dies in der heilsgeschichtlichen Tradition der Fall ist, dann kann
auch das geschichtliche Datum, an dem alles Christentum hängt. das Chri-
stusereignis selbst, nicht aus der Spannung von Geschichte und Eschaton
ausgespan werden. 61 Wer Christus wirklich ist, ist also ohne die Parusie
nicht offenbar; Chrislus se/bsl iSI ein Hoffmmgsglll. ja das Hoffmmgsgul
sl;lJIechlhin. Terminologisch gesprochen: Der durch das Parusiethema ge-
gebene Zusammenhang von Eschatologie und Christologie ist nichl auf
letztere reduzierbar. Man könnte metaphorisch von einem Weg Jesu Christi
sprechen, der erst in der Parusie Ziel und Richtung bekommt - freilich nicht
in dem Sinne, daß er ersl mit dem letzten Schritt ausgeschritten wäre, viel-
mehr besteht dieser Weg in jedem Augenblick nur kraft der Orientierung
62
am Ziel der Parusie. Für die Begrifnichkeit heißt das: Christus ist nicht

60 S. zum Folgenden Kap. IV.I.2. hier S. 159-168.


6t Bei Ailhaus. Stange und Brunncr. deren EschalOlogid:onuple auf der Spannung von äil
und Ewigkeil aufbauen. bedingte die Aussparung Ouisti seibsi aus dteser Spannung. also die Ver-
nachlässigung der Parusiehoffnung. die Einschälzung des Jucknlums als Vorslufe des ChrislC:n-
turns (s. S. 236 Anm. 192 zu Altbaus: S. 199 Anm. 26-28 zu Slangc: S. 18 Anm_ 21 zu Brunncr).
62 Ein solches Parusie- und enlsprechendes Zeil\'emändnis zeigl Y.a. die Eschatologie bei
O. Weber (s. S. 240 Anm. 210). aber auch die Bibelarbeil IWAND (1966) 42: ..Nur als der Kom-
mende ist er der. der gekommen ist."
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VI. Ergebnisse und Ertrag fUr Syslem,uik und Ökumene 277

der Wiederkommende, sondern, wie die biblische Panizipialformulierung


(Offb 1.8; 22,13) sagt, der Kommende: er ist nur, indem er kommt. und er
ist wirklich im Kommen - auch in der Gegenwart, die eben kein eschatolo-
gischer Leerlauf ist, und auch in der Zukunft, denn selbst die letzte Zukunft
Jesu Christi zum Gericht ist kein Da·sein, sondern eine Gestalt des Kom·
mens: das Ankommen freilich, das die Frage ,.Was kommt danach?" obso-
let macht.
All dies ergibt sich im Grunde schon aus der Ersetzung des linearen
durch ein eschatologisches Zeitverständnis, weil damit jedes Verständnis
der Parusie vom Gedanken des (noch) Ausstehenden her - besonders das
Theorem der Parusieverzögerung63 - durchkreuzt ist, die Parusie vielmehr
selbst der Angelpunkt alIeIl theologischen Denkens in zeitlichen Abfolgen
ist und bleibt. Daher sind auch die mit dem Parusiethema verknüpften Fra-
gen in Entsprechung zur Gedankenfigur des Weges Jesu Christi zu verste·
hen. Daß Z.B. die zahllosen Daten und Fakten eines einzelnen Lebenslaufes.
die Fäden und Bruchstücke, die kein Mensch entwirren oder zusammenfü-
gen kann, ausschließlich durch Christi Kommen zum Gericht - also ohne
Hilfe von Schnitt oder Kin. die dem so und nicht anders gelebten Leben auf
dem Totenbett noch eine Maske ewigen Lebens anmodellieren wollen -
einen Lebensweg bilden, der als gangbar bejaht werden kann: dies wäre ein
Ausdruck persönlicher Parusiehoffnung. 64 Vollends gilt dies für den Lauf
der Menschheitsgeschichte. die, wie das Gleichnis vorn Jüngsten Gericht
mit der überraschenden Selbstkundgabe Christi in den Werken der Barm-
herzigkeit zeigt (Mt 25.31-46), ebenfalls ihre Einheit allein im kommenden
Christus hat.
2. Ökumenischer Ertrag eines Parusieverständnisses in menschheitli-
chem Horizont. Wenn man die Parusieerwartung vor dem menschheitlichen
Horizont des Weges Jesu Christi sieht, so befindet man sich bereits millen
im christlich-jüdischen Gespräch, denn in diesem Begriff der Menschheil
muß das Christentum mit dem Judentum ins Verhältnis gesetzt werden, und
daher ist hier auch der Ort zur Klärung der Themen von Judenmission und
sog. Bekehrung Israels. Bringt man nun, wie es dem menschheitlichen Weg
Jesu Christi "vom Protevangelium bis zum Herrentage" (M. Kähler) ent-
spricht und wie es unler den gegenwärtigen Dogmatikern vor allem Gerhard
Ebeling tut, den Zusammenhang der Eschatologie mit der Christologie zur
Geltung und fragt nach einer Bedeutung Christi für die "Weltgeschichte

63 Hieraufbaut die Konsequente Eschatologie auf(s. Exkurs 6. hier $. 190-192).
64 M.E. ist dies die lheologische Dimension des kirchlichen Handeins im sog. Lebenszyklus.
d.h. der Kasualien.
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278 Driller Teil

post Christum natum", so ist darauf zu achten, daß dabei die Eschatologie
nicht wieder auf Christologie reduziert wird. Z.B. würdigt Ebeling Weh-
und Menschheitsgeschichte so, daß sie "nicht Errichtung des Paradieses",
sondern bloß "Herstellung solcher Lebensbedingungen" bewerkstelligen
sollen, "unter denen die Auswirkung des Bösen begrenzt" ist. 65 Damit
dienten die außer- und nachchristliche Welt und Menschheit lediglich dazu.
daß das Christentum an ihnen seine Spannkraft erweist, mit der es die An-
kunft des Messias auf die Welt beziehen kann, ohne diese sogleich in jene
hinein aufzuheben. Dies nicht zu vermögen. ist es ja, was die Lehre von den
zwei Adventen Christi dem Judentum vorwirft, und daher kommt die skiz-
ziene Würdigung der nichtchristlichen Menschheit nahe an diese Lehre
heran. Das darin verborgene. hier aber deutliche Problem ist, daß das histo-
rische Auftreten Jesu aus sich heraus. also ohne Bezug auf das Kommen
Christi in der Parusie, als welt- und menschheitsgeschichtliche Zäsur oder
"Wende" beansprucht wird,66 so daß das Christentum gegenüber anderen
Religionen der Menschheit absolut gesetzt wird.
Diesem Problem tritt nun gerade ein Konzept von Menschheitsreligion
entgegen, das die Menschheit selbst nicht als gegebene Größe auffaßt. son-
dern ihre Einheit allererst vom kommenden Christus erwartet. Denn dann
kann das Christentum nicht im absoluten Sinne die Menschheitsreligion
sein, sondern das Christentum ist im relativen Sinne Menschheitsreligion.
Die Relativierung in diesem Satz ist wörtlich zu verstehen, d.h. sie bezieht
sich nicht auf die Menschheitsreligion - nicht also, als ob der universelle
Anspruch des Christentums (den man eben nur nicht Absolutheitsanspruch
nennen sollte), sein missionarischer Impetus, in Abrede gestellt werden
sollte -, sondern auf das "ist", also den Seinsmodus, nach dem in diesem
Satz Christentum und Menschheitsreligion aufeinander bezogen werden:
Das Christentum ist Menschheitsreligion nur in Relation zur Menschheits-
religion, also indem es auf die Menschheilsreligion bezogen wird. Diese
quasi doppelte Syntax, nach der das Christentum einerseits die Mensch-
heitsreligion ist und sie andererseits noch werden muß (und dabei selbst
etwas anderes werden, sich also verändern lassen muß), entspricht genau
dem metaphorischen Potential des Verheißungskonzepts, nach dem die
Verheißung die zeitliche Rede von Ewigkeit ist und doch auch die darin zur
Rede stehende Ewigkeit selbst. Theologisch gesprochen handelt es sich hier
um die Differenzierung jeder geschichtlichen Gestalt des Christentums von

65 Zitate EOEUNG (1979) 1Il.387 (Überschrift § 37) bzw. Hir die drei übrigen Zitate 3.3.0.
111,391.
66 Zitat ebd. 111.448: ähnlich DERS. (1975) 444.446.
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VI. Ergebnisse und Ertrag fUr Systematik und Ökumene 279

seiner eigenen Hoffnungsgeslalt, die mit keiner zukünftigen Entwicklung


jener Geslall verrechnet werden kann, sondern jeder solchen Entwicklung
als ihr ewiger Grund voraus ist, und nur aufgrund eben dieses Grundes, die-
ser eschatologischen Menschheitsreligion kann die geschichlliche Gestalt.
also die Kirche, überhaupt als chrislliche Kirche angesprochen werden. Die
eschalologische Menschheitsreligion iSI also der Beslandsgrund der christli·
chen Kirche - nicht im Sinne einer Bestandsgaranlie. sondern so, daß das
Christentum als geschichtliche Gestalt der Menschheitsreligion in den Ver·
gleich mit den anderen geschichtlichen Religionsgeslahen gestellt ist. zu
denen es ein geschichtliches Verhältnis hat, und dies ist in besonderem Ma·
Be das Judentum. Dieser Vergleich, die Tatsache. daß die .,wahre Religion
selbst 1... 1 eine geschichtliche Erscheinung" unter anderen geschichtlichen
Religionen ist, erwies sich ja schon bei der Analyse des Konzepts der
67
Menschheitsreligion als die Poinle. und hierauf liegt nun auch der Akzent
bei der Frage nach dem christlich-jüdischen Verhältnis. Denn für dieses
leistet das Konzept der Menschheitsreligion zweierlei:
Zum einen stellt die MenschheitsreJigion den theologischen Grund für
Eltislenz und Bestand des Christeniums dar, der außerhalb aller menschli-
chen Begründungsmöglichkeiten liegt. seien sie religionssoziologischer
oder -geschichtlicher oder -wissenschaftlicher Art. Zum anderen weist sie
aber eben damit das Christentum auch an die anderen geschichtlichen Reli-
gionen. die ebenso in ihr gründen wie das Christentum und schon darum
nicht auch dessen Grund sein können. Das Christentum ist also durch die
Menschheilsreligion in seiner geschichtlichen Stellung begründet und zu·
gleich an das Judentum gewiesen, da es zu ihm in einem besonderen ge·
schichtlichen Verhältnis steht wie zu keiner anderen Religion. Das christli·
che Gespräch mit dem Judenlum ist also unbeschadet aller Einsichten, wel·
che die Geschichte, besonders das 20. Jh. mit seiner Feindschaft des Chri·
stenturns gegen das Judentum, gelehrt hat, theologisch begTÜndet und bildel
eine unmillelbare Gestalt der so begründelen Existenz des Christentums,
auch wenn das Gespräch mit dem Judentum gerade darin nicht selbst Grund
des Christentums sein kann. Das (theologische) Gespräch mit dem Juden·
tum gehört also ZIIm Wesen. nic/ll ZIIm Grund der Kirche; man könllle es
neben die vier Kenn:eicllen der Kirche nach dem Apostolicum stellen und
als eine weitere nota ecclesiae bezeichnen. Ein vorrangiges Thema eines
theologischen christlich-jüdischen Gesprächs müßte dabei die Menschheits·
religion sein, in der beide gründen und auf die beide hoffen. und weil dieses

67 S. bei S. 142 Anm. 31.


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280 Dritter Teil

Gründen nicht von geschichtlicher An ist, wird die Weise, wie Christentum
und Judentum auf die gemeinsame Menschheitsreligion hoffen. bei beiden
je eigenständig ausgeprägt und nicht ineinander überführbar sein. Chri·
stentum und Judentum haben darum in der Menschheitsreligion zwar eine
gemeinsame. aber nicht die gleiche Hoffnung. Christliche und jüdische
Hoffnungsgestalt stehen darum in einem konstitutiven, doch konstitutiv
antagonistischen Bezug aufeinander. Christliche Theologie kann darum das
Gespräch mit dem Judentum im Unterschied zu innerchristlichen ökumeni~
sehen Lehrgesprächen nicht als Konsensgespräch mit dem Ziel der Eini-
gung führen und also auch die Zusammenführung des einen Gottesvolkes
aus Juden und Heiden nicht als Werk des christlich-jüdischen Dialogs ver-
stehen, sondern kann die Hoffnung darauf nur in den kommenden Christus
setzen. 6lI
Von hier aus wären auch die speziellen eschatologischen Fragen des
christlich-jüdischen Verhältnisses zu beantworten. Ist die Zusammenfüh-
rung des einen Gottesvolkes zur Menschheitsreligion nämlich das Werk des
kommenden Christus, dann sind auch die sog. Bekehrung Israels und die
Judenmission danach auszurichten. Bekehrung Israels kann dann in keinem
Fall als Bekehrung zum Christentum verstanden werden, da dieses ja selbst
nur die geschichtliche, nie die erhoffte Gestalt der Menschheitsreligion sein
kann. Gemeint sein kann nur, daß das Judentum der Erlösung entgegengeht,
die in wie auch immer zu bestimmender Weise mit dem Kommen seines
Messias verbunden ist. So sehr in dieser dialogischen Verhältnisbestim-
mung festzuhalten ist, daß die Christen als diesen Messias Israels niemand
anders als den kommenden Jesus erwarten, der mit dem Gekommenen
identisch ist, so wenig können sie sich (vollends gar die jüdischen Ge-
sprächspartner) in dieser Messiaserwartung auf die gekommene Gestalt Je-
su festlegen, ohne die Parusiehoffnung zu vernachlässigen. Wie Christus als
Messias Israels und aller Weil kommt, ist, das zeigten schon die Überle-
gungen zu Beginn dieses Unterabschnitts. nicht Gehalt der Parusiehoff-
nung. Daher ist auch jede christliche M.ission nicht als geschichtliche oder
kulturelle Leistung, sondern wiederum nur Bekenntnis zum Werk des
kommenden Christus zu verstehen. Auch für die Frage der Judenmission ist
theologisch entscheidend, daß Christen ihren Glauben nicht anders heken-

68 Mit dieser Bindung an die Parusiehoffnung selzt das Konzepl der Menschheilsreligion einen
andcren Akzcnl als dies IWAND (1946) 20 lul (mil dessen Zeit- und Verheißungsverständnis der
vorige Umcrabschniu einigc Beri.lhrung aufwies). denn er belont aufgrund von Eph 2 den escha-
tologisch unaufhebbaren Dual von Juden und Heiden. Auch die Menschheitsreligioll amalgamiert
beide nicht. belonl aber Goues künftiges l-landeln in Christus als beiden gemeinsame AusrichlUng.
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VI. Ergebnisse und Enrag ftir Syslemalik und Ökumene 281

nen und dann auch bezeugen können als im Aufblick zum Kommen Jesu.
Wie der kommende Christus auch den Juden als Messias erscheinen kann.
ist dabei wiederum eine Frage. die nicht zum Wesen des christlichen Be-
kenntnisses, sondern zum Begründungszusammenhang jüdischen Hoffens
gehört und die zu beantworten christlicher Theologie ebensowenig möglich
ist, wie die Beslimmung dessen. was jüdische Zukunftserwartung ist. Auf-
gabe einer Revision christlicher Eschatologie sein kann. Damit ist auch
klar. daß das vieldiskutierte Stichwort eines jüdischen "Sonderwegs" zum
Heil für christliche Theologie überhaupl kein arbeitsfahiger Begriff ist,
denn wenn es einen solchen geben sollte. läge er gerade als besonderter au-
ßerhalb des theologischen Aufgabenfeldes. Hier zeigt sich erneut, wovon
die vorliegende Unlersuchung auch ausging: Christliche Theologie kann ihr
Verhältnis zum Judentum nur bestimmen oder gar erneuern, wenn sie sich
mit den systematischen Problemstellungen ihres eigenen Theoriediskurses
auseinandersctzt.
All dies heißt: Die Menschheitsreligion verbindet Judentum und Chri-
stenlum eschatologisch miteinander, doch gerade damit ist eine geSChichtli-
che Zusammenführung ausgeschlossen. Menschheitsreligion bedeutet also
keinesfalls eine Amalgamierung verschiedener Religionen, weder im syn-
kretistischen Sinne noch als ethisch oder sonstwie kategorisierter Minimal-
konsens der beteiligten Religionen unter Hintanstellung ihrer jeweiligen
Eigenheiten. Die Menschheitsreligion iSI kein Projekt Wehethos, sie ist, da
nicht linear aus irgendwelcher Religion zu ex.trapolieren, überhaupt kein
Projekt. das es .. umzusetzen" gälte, freilich auch keine Leitvorstellung. die
von der geschichtlichen Realitäl überholt lind als bloße Projektion erwiesen
würde. Auch eine traditionsgeschichtliche Zusammenfügung von Judentum
und Chrislentum als Einfügung des einen in die menschheitliche Wirkungs-
geschichte des anderen ist nicht im Sinne der Menschheitsreligion.
Gegenüber all diesen Verhältnisbestimmungen posilionien sich das Kon·
zepl der Menschheitsreligion in dem Sinne, wie ich sie in dieser Unlersu-
chung verstehe, im christlich-jüdischen Gespräch in eigenständiger Weise.
Das Konzept wurde hier im Anschluß vor allem an Martin Kähler entwik·
kelt, überschneidet sich aber mit der Auffassung. die Franz Rosenzweig
vom christlich-jüdischen Verhältnis vorgetragen hat. Demzufolge sind Ju-
denlum und Christentum durch die gemeinsame. wenn auch nicht gleiche,
Ausrichtung auf den Namen Goues mileinander verbunden, jedoch verbun-
den in einem notwendigen Antagonismus. denn die jeweiligen Formen die-
ser Ausrichtung auf den Namen sind nicht miteinander zu vereinbaren. Man
kann daher das Konzept der Menschheilsreligion verslehen als ein Modell
dialogischer Verhällnisbestimmung von Chrislen und Juden, und in diesem
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282 Dritter Teil

Sinne bildet es sowohl eine Wesensäußerung christlicher Kirche als auch


einen wichtigen Beitrag zum christlich-jüdischen Gespräch, der eventuelle
Aporien mancher in solchem Gespräch erprobten Yerhältnismodelle wo-
möglich zu öffnen und zu überwinden vermag.

3.3. Die biblische Metaphorik der Eschatologie

I. Systematischer Ertrag eines eschatologischen Metaphemverständnisses.


Zukunftshoffnungen wie etwa die Erwartung. daß Christus kommt, sind
dem christlichen Glauben vor allem in Gestalt der biblischen Verheißungen
gegeben; sie bilden die Form der Eschatologie, und diese im wörtlichen
Sinne fonngebende, bildnerische Bedeutung der Bibel für die Eschatologie
läßt von Verheißungsbildem sprechen, welche die Bibel malt. Die Ausein-
andersetzung um diese biblischen Bilder war es nun, die im Anschluß an
Schleiennachcrs Fehlanzeige eines eschatologischen Gesamtbildes zur Bin-
nendifferenzierung der Verheißung in Weissagung und Wahrsagung führte,
einem der wichtigsten Schemata von Wahrnehmung des Judentums. 69 Da-
bei werden die Bilder der Bibel auf seiten der Weissagung wie "der Laien
Bücher" (Heidelberger Katechismus, Frage 98) verstanden, derer eine
christlich~vollendete Gläubigkeit entraten könne, da sie die Zukunftshoff~
nung der Sache nach in ihrem frommen Bewußtsein innehabe. Seitens der
Wahrsagung hingegen erscheinen die biblischen Bilder als die angesichts
der unvorhersehbaren Zukunft einzige eschatologische Erkenntnisquelle,
weil geoffenbart, so daß die Sache der Hoffnung nur in diesen Bildern zu
haben ist. Im ersten Fall wird der Glaube in seiner Zukunftshoffnung ge-
genüber dem Sehen, im zweiten gegenüber dem Schauen profiliert. Jenes
kann unler Berufung auf loh 20,29 geschehen, während man für dieses auf
2 Kor 5,7 verweisen könnte.
Diese zwiespähige Einschätzung der Bedeutung, welche die biblischen
Bilder für den Glauben haben, findet nun eine Entsprechung an der Theorie
der sprachlichen Bilder, also der Metaphern, denn hier stehen sich in der
neueren evangelischen Theologie zwei größere Theorietraditionen gegen-
über. Klassischerweise werden Metaphern als ein Stilmittel übertragener
(tropischer) Rede aufgefaßt, bei dem ein prägnanter Ausdruck durch einen
anderen ersetzt wird, der zur gemeinten Sache im gleichen Verhältnis steht
wie jener. Die logische Grundlage der Metapher im Sinne dieser Theo·
rietradition ist demnach die Analogie, und zwar die Analogie. wie sie von

69 Die einschlägige Problemgeschichte wurde in Kap. 111.2.2 (S. 126ff.) nachgezeichnet.


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VI. Ergebnisse und Ertrag ftir Systematik und Ökumene 283

Aristoteles als Gleichheit von Verhältnissen definiert worden ist. 70 Dieser


Analogiebegriff ist freilich in der neueren evangelischen Theologie auf
schwere Kritik gestoßen, seit K. Barth die analogia entis als ,,die Erfmdung
des Antichrist" bezeichnet hat,11 die zwingend gegen den römischen Ka-
tholizismus spreche. weil sie eine Gleichheit in der Seinsbeschaffenheit von
GOII und Mensch annehme, so als spräche Gott zum Menschen: "Bein von
meinem Bein, Fleisch von meinem Fleisch". Barths später Schüler
E. Jüngel hat allerdings in kritischer Auseinandersetzung mü der analogia
entis dafür votiert, die Analogie anders aufzufassen, nämlich nicht als
Gleichheit von Relationen, die ihre Relate schon voraussetzen müßte, son·
dem als Funktionsweise des .,Sprachereignisses" (E. Fuchs 72 ), welches al-
lerersl ins Dasein emporruft. was nicht ist (also auch nicht vorausgesetzt
ist). Analoge Rede läßt also Abwesendes anwesen und stiftet damit in aller
noch so großen Feme eine noch größere Nähe. 13 Genauso stiftet die Meta-
pher als die auf dem Analogiekonzept beruhende Redefoml Nähe, indem
sie nicht wie die Metapher im klassischen Sinne Bild und Sache trennt,
sondern die Sache dem Bild annähert. Dieses, neben Jüngel besonders von
P. Ricceur vertretene Konzept der Metapher erblickt deren Triftigkeit gera-
de darin, daß sie die Lebendigkeit hat, die Dinge so anzusprechen, daß sie
von diesem Anspruch verändert werden. 14 Während die klassische Rhetorik
bei der Metapher darauf zielt, die kunstfertige Anwendung bestimmter
Stilmittel einzuüben, ist es die Aufgabe einer Metaphorik im Sinne Jüngels
und Ricreurs. produktiv und schöpferisch zu sein in der immer fortgehenden
Bildung neuer, lebendiger Metaphern, da diese sich beim allmählichen Ge·
brauch zu konventionalisierten Metaphern und stehenden Wendungen ab-
kühlen und abnutzen. Die Metapher ist hier das kreative Potential theologi-
scher Rede.
Eine Entscheidung zwischen diesen beiden (Analogie- und) Metaphern.
konzepten ist schwierig zu treffen. Sie ist aber eingedenk dessen, daß beide
in ihrer Juxtaposition die Pole des Wahmehmungsschemas von Wahrsa-
gung und Weissagung abbilden, auch gar nicht nötig und vielleicht nicht
einmal erstrebenswert, wenn anders nach Auffassung unserer Untersuchung

70 So bei dem Rheloriker Quinlilian (vgl. Heinrich LAUS8ERG. Handbuch der literarischen
Rhelorik. Eine Grundlegung der Lileralurwissenschaft. München 1960. 285 I§ 5581).
71 Karl BARTIl, Die Kirchliche Dogmatik I/I. Zoltikon/Zürich 1932. VIII.
72 Knapp zusammengefaßt: FuCltS (1965) 414ff.
73 JONCEL (1977) 377 zusammenfassend zur analogia enlis. A.a.Q. 402f. zur Analogie des
Sprachereignisses.
74 Vgl. JONGEL/RIC(EUR (1974). Ricctur haI das Konzept der lebendigen Metapher auch mo-
nographisch enlfallet.
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284 Driller Teil

die polaren Wahrnehmungsschemata in ihrer Polarität überwunden werden


müssen, doch so, daß ihre Pole erhalten bleiben. Daher ist hier das escha-
tologische Verständnis der Metapher von Interesse, das sich im Anschluß
an M. Kähler ennitteln ließ. 7s Er gebraucht in seiner Eschatologie ausge-
sprochen konventionelle Metaphern aus dem Bereich der NalUr, liest sie
aber in einem Sinne, der quer zur metaphorischen Tradition steht, weil er
gerade nicht Naturwüchsigkeit bedeutet, sondern die Ewigkeit als Grund
und Grenze aller geschichtlichen Entwicklung namhaft macht: Wir sahen,
daß Kählers Metapherngebrauch mit der Unterscheidung von ewiger und
geschichtlicher Zukunft genau seinem Eschatologiekonzept entspricht. Dort
aber wurde die Ewigkeit so aufgeraßt. daß sie. ihrerseits metaphorisch ge-
sprochen, in Zeit und Geschichte hinein "ragt", so in innigsten Austausch
mit Zeit und Geschichte gerät und doch zugleich beiden voraus ("überge-
schichtlieh") bleibt. In der Metaphorik entsprach dem die hauchfeine, aber
unverzichtbare Unterscheidung zwischen ewiger Menschheitsreligion und
zukünftigem Christentum: Das Christentum ist nicht die Menschheitsreligi-
on, sosehr es diese werden soll. Vor dem soeben skizzierten metapherntheo-
retischen Hintergrund läßt sich diese Verhältnisbestimmung, die Pointe von
Kählers eschatologischer Metaphorik, nun so auf den Begriff bringen, daß
zwischen Menschheitsreligion und Christentum, ewiger und geschichl1icher
Zukunft, Sinn und Bedeutung der Metapher das Verhältnis der Analogie
besteht. und zwar Analogie nicht im Sinne des Sprachereignisses, sondern
im klassischen Sinne der analogia entis: als die in aller Ähnlichkeit "noch
größere Unähnlichkeit".76
Für dieses Verständnis ist die Metapher also einerseits das sprachliche
Bild und ist doch andererseits mehr und etwas anderes als dieses. Die Me-
tapher ist, um es seinerseits metaphorisch zu sagen, ein Bild, das seinen
Rahmen sprengt, doch dies wiederum nicht nach Art und Weise der leben-
digen Metapher deshalb, weil diesem Bild ein überbordendes kreatives Po-
tential innewohnte. Eingedenk dessen, daß hier allein die Ewigkeit als
Grund geschichtlicher Entwicklung verstanden ist, geschieht diese Rah-
mensprengung vielmehr kraft eines Größeren, das sich in diesem Bild
kundgibt - freilich aber in solchem Bild auch wirklich kundgibt: Daß sein
Rahmen gesprengt würde, heißt also nicht, daß damit auch das Bild als sol-
ches überholt wäre und Metaphorik zuletzt doch ganz quintilianisch hieße.
die Sache aus einem bildlichen Rahmen herauszulösen. Vielmehr so steht
es, daß im Bild, das seinen Rahmen sprengt, ein weiteres Bild auftaucht. in

75 S. zum Folgenden Kap. IV.2 (5. 178ff.).


76 So die Definition seit dem 4. Laterankonzil 1215 (DH 806 in Abwehr des Joachimismus).
VI. Ergebnisse und Ertrag für Systematik und Ökumene 285

das hinein jenes im metaphorischen Prozeß verwandelt wird, so wie im zu-


grundeliegenden Eschatologieverständnis die Ewigkeit, indem sie in die
Geschichte ,.ragt", diese verwandelt. Im theologischen Sinne ist die Meta-
pher schlechthin also das Bild Jesu Christi, in das hinein wir verwandelt
werden, wie Paulus es sagt (2 Kor 3,18). Man kann diesen Bibelvers ohne
weiteres aJs Leitfaden einer eschatologischen Metaphorik im hier skizzier-
ten Sinne auffassen. Für den Bildgebrauch besagt er, daß die Ewigkeit dem
theologischen Reden ihre eigenen Bilder zugleich an die Hand gibt und aus
der Hand schlägt.
Und dies ist nun ein Punkt, der über die Metapherntheorie hinaus und in
die Frage des eschatologischen Bibelgebrauchs hineinführt, denn wenn die
Ewigkeit selbst ihre Bilder gibt und nimmt, dann sind diese Bilder nicht frei
wählbar. Hier unterscheidet sich das vorliegende Metaphernverständnis
maßgebl.ich vom Konzept der lebendigen Metapher: Dieses sieht in der
Metapher ein kreatives Potential der Theologie und fordert zu schöpferi-
scher Produktivität im Metaphemgebrauch auf. Eine Metaphorik am leitfa-
den von 2 Kor 3,18 läßt sich dagegen ihre Bilder vorgeben (und nehmen),
die Bilder bilden hier gewissermaßen einen Sprachraum, in dem sich theo·
logisches Reden bewegt. Solcher Raum zu sein, ist auch die Bedeutung der
Bibel für eine eschatologische Metaphorik, denn die Bibel ist dieser Fun-
dus, welcher der theologischen Sprache Worte und Bilder gibt, sie ist, me-
taphorisch gesprochen, der Atem theologischen Redens. 17 Begrifflich, näm-
lich in der Unterscheidung von Wahrheits- und Wirklichkeitsbezug der
Theologie gesprochen: Die Bibel offenbart nicht theologische Wahrheiten,
sondem ihr Offenbarungscharakter besteht darin, daß sie schlechthin Aus-
druck derjenigen Wirklichkeit ist, die den Gegenstand der Theologie bildet.
Damit hat die Bibel (und gerade ihre Bildersprache) für die Eschatologie
eine viel grundlegendere Bedeutung, als sie sie jemaJs haben könnte, wenn
sie die übernatürlich geoffenbarte Quelle der Erkenntnis kommender Dinge
wäre. Deswegen soll eine theologische Metaphorik auch gar nicht schöpfe-
risch im Finden und Erfinden lebendiger Metaphern, neuer oder zeitgemä-
ßer Ausdrucks- und Gestaltungsformen des Glaubens sein. Wenn die Spra-
che des Glaubens sich biblischer Metaphern bedient, dann ist dies nicht
Ausdruck seiner schöpferischen Kreativität. sondern seiner Rekreativität,
die Einkehr hält in Gottes Schöpfermacht, nämlich in sein Wort, wie es in
der Bibel gegeben ist. Eschatologische Metaphorik hat darum die "unab-

77 So versteht lIuch Kähler im Einklang mit seiner Metaphorik die Bibel, und darin fußt sein
Imerc:sse an ihr; dies zeigen nicht zuletzt seine Hinzufilgungen von Bibelstellen in der 3. Aunage
seiner ..Wissens<:haft".
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286 DOller Teil

dingbare Aufgabe", in die biblische Sprache "einzuüben".711 In dieser Funk-


tion als ..Sprachmeisterin des Glaubens" ,79 nicht als eschatologischer Fahr-
plan, hat die Bibel tatsächlich eine unverl.ichtbare und unvergleichliche Be-
deutung für die Eschatologie, und der systematische Ertrag solch eines
eschatologischen Metaphernverständnisses ist, daß es die nonnative Stei-
lung der Bibel mit theologischen Gründen zu untermauern vermag.
2. Ökumenischer Ertrag eines eschatologischen Metaphernverställdnis-
ses. Das Verständnis der biblischen Sprache als Atem theologischen Redens
führt, so zeigte der vorstehende Punkt, über die Alternative von Bibel und
Bewußtsein als QueUe der Eschatologie hinaus und damit auch über das
Schema von Wahrsagung und Weissagung, das parallel zu dieser Altemati·
ve liegt. Mit dem Schema einhergehende Wahrnehmungen des Judentums,
die es als bloße Vorstufe oder aber äußerliche Schale des Christentums ver-
stehen, lassen sich so im Grundsatz ebenfalls venneiden. 80 Freilich wirft
aber das skizzierte Bibelverständnis für das christlich-jüdische Verhältnis
sogleich die Gegenfrage auf: Wenn die biblische Sprache und das Bild Jesu
Christj als ihr Inbegriff beansprucht werden als die eschatologische Meta-
pher, in die hinein alles geschichtliche Reden von Hoffnung verwandelt
werden soll, wird dann die Bibel nicht in einer Weise als menschheitliche
Größe beansprucht, die das Judentum vereinnahmt. jedenfalls aber seine
Besonderheit als geschichtliche Religionsgestalt neben dem Christentum
nivelliert?
Angesichts dieser gewiChtigen Anfrage ist es notwendig zu betonen, daß
eine biblische Metaphorik, wie sie hier skizziert wurde, gerade weil sie
nicht frei wählbar, sondem eben bibelgebunden ist, keine Unifomlität
theologischer Sprache und der Rede in Glaubensdingen bedeutet. Dies
macht ein Vergleich der metaphorischen Eschatologie, wie sie hier im An·
schluß an Kähler entwickelt wurde, mit der symbolischen Eschatologie Paul
Tillichs deutlich. Eschatologie handelt nach Tillich von der Überwindung
aller geschichtlichen Zweideutigkeiten und eben auch der Zweideutigkeit,
die gerade das religiöse Symbol als den sprachlichen Verweis auf diese
Überwindung kennzeichnet, nämlich das "Schweben zwischen Selzung und

78 Mit SCIIOBERTH (1997) 449 (Zilale).


79 Diesc FomlUlierung von Manin KÄIU.ER (DERS., Zell und Ewigkeil. hg.v. Waller Kühler.
Leipzig 1913.3) bezieht sich zunächsl auf die Theologie: diese ist bei Kähler aber. wie gesehen.
immer als biblische Theologie verstanden. so daß der Satz auch rur die Bibel gilt.
80 Zu ersterem neigl das dialektisch-lheologische Pläooyer ftlr eine bildlosc Hoffnung (s. Ex-
kurs 81S. 214ff.1 sowie vgl. die Belege bei SAl!t'ER [19951 88-90): lelzteres zeichnet sich in der
Konsequenten Eschatologie. die zwar im AnSalz. Form und Inhall des Glaubens zusammenhallen
will. die spezifisch jüdisch-apokalyptische Form aber ablehnt. s. Exkurs 6, hier S. 190-192.
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VI. Ergebnisse und Ertrag fur Syslemalik und Ökumene 287

Aufhebung des religiösen Gegenstandes".81 Eschatologie hat daher (wie alle


Theologie) "das, was indirekt im religiösen Denken und Ausdruck enthalten
ist, begrifflich auszusprechen". und sie tut dies, indem sie alle ihre Sätze
aus dem (einzigen) Indifferenzpunkl von begrifflicher und symbolischer
Rede deduziert, nämlich dem GOllestitel, der zugleich Begriff ist: dem Sein-
Selbst.82 Dieser Begriff macht aber Eschatologie zur Ontologie im Vollzug,
und dies erlaubt Tillich, den Rahmen der eschatologischen Symbolik sehr
weit zu spannen, in ihn Ausdrücke der religiösen Auffassungslage allge-
mein, von interreligiösem oder überhaupt weltanschaulichem Charakter
einzubeziehen. Ln diesem ontologischen Rahmen der Eschatologie geraten
aber die geschichtlichen Differenzierungen der Religionen aus dem Blick,
die gerade das Verhältnis von Christentum und Judentum kennzeichnen.
Entgegen solch symbolischer Eschatologie ist darum im Einklang mit dem.
was im vorigen Unterabschnitt an hand des Konzepts der Menschheitsreligi-
on grundsätzlich zum chrisllich·jüdischen Gespräch gesagt wurde. festzu·
halten. daß auch die biblische Sprache, wie ich sie bislang singularisch be·
zeichnet habe, nicht schon eine "gemeinsame Sprache der Hoffnung" be-
reitstellt. auf die Christen und Juden im eschatologischen Diskurs einfach
zurückgreifen könnten als auf einen größten gemeinsamen Nenner. 83 Gewiß
ist die gemeinsame Lektüre und Untersuchung derjenigen religiösen Texte.
die beide Glaubensgemeinschaften gemein haben - vornehmlich das Alle
Testament -, ein wesentlicher Vollzug des christlich-jüdischen Gesprächs,84
er wird sich aber nur so vollziehen können, daß jede Seite mit ihrer jeweili-
gen Lektüreweise in das Gespräch geht, daß also jede Seile mit der ihrer
Tradition eigenen Argumentation operiert. 85 Die jeweiligen Ausprägungen
biblischer Lektüre, die ja gerade in ihrem Spannungsverhält'nis auf die Zu-
kunft des in heiden Ausprägungen selben Gottes verweisen, können so
überhaupt erst wahrgenommen werden. Ein wichtiges Beispiel dafür bietet
das letzte der vier Themen dieses Entwurfs.

81 Vgl. TrLLICII (1956166) 1II.448 zur esch:llologischen Überwindung der Zweideutigkeiten


und das Zil:1I aus DERS. [19281 (1987) 222 zur Zweideuligkeil der Symbole.
82 DERS. (1956166) 1.277.
83 Auf dieses Problem macht SAl.J1"ER (1982) aufmerkS3m (Zital alls dem Aufsamitel).
84 ßekanm iSI die Anlwon. die K. Banh J.J. Peluchowski uuf dessen Einwände gegen die sub·
SlilUlionstheorelischen Mängel der (gleichwohl als .....egweisend fUr die 1sroehncologie angesehe-
ne) Erwiihlungslehre dcr Kirchlichen Dogmatik gab: Chrislen und Juden läsen dasselbe Alte Te·
stumenl.
85 Hierzu (in Krilik der Ergänzung des Grundanikels der rheinischen Kirchenordnung)
SAUTER (1998) 356.
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288 Driller Teil

3.4. Gottes Handeln und menschliche Hoffnung

I. Systematischer Ertrag einer eschatologischen Anthropologie. Die


Eschatologie, die hier als Lehre von der Verheißung skizziert wird, ist per
Nominaldefinition die Lehre von den letzten Dingen, und dieser zeitliche
Sinn von Letztheit ist für die Eschatologie auch und gerade dann unver-
zichtbar, wenn sie, wie es hier der Fall ist, grundlegend nicht von einem
linearen Zeitverständnis aus entfaltet wird. M.a.W. auch wenn der Verhei-
ßung als solcher schon Goues Zukunft und damit zeitliche Letztheit inne-
wohnt - dies erlaubt ja allererst, Eschatologie als Lehre von der Verheißung
zu definieren 86 -, so bleibt die Frage nach einer letzten Verheißung, der
"großen Verheißung". auf die alle Zeit und Geschichte zugeht, doch mög-
lich und nötig. Und wie immer diese Antwort im einzelnen ausfaHen mag,
so müßte sie jedenfalls ein Verständnis des gesamten Weh· und Ge-
schichtslaufs aus dem Glauben heraus ennöglichen. In diesem Sinne ver-
87
steht M. Kähler die "Theodicee" als letzte Aufgabe der Eschatologie.
Daß damit ein Thema angeschlagen ist, das sich einer Revision christli·
cher Theologie eingedenk der Shoa nahelegt, ist unübersehbar; und wenn
angenommen wird, daß Theologie und speziell Eschatologie nach der Ver-
nichtung des europäischen Judentums überhaupt nur noch als Lehre von der
"Selbstemeuerung Goues",88 also als Theodizee, möglich sei, dann ist da-
mit eine weit über den akademischen Diskurs hinaus verbreitete Ge-
sprächslage aufgenommen. für die der inzwischen schon berühmte Vortrag
von Hans Jonas zum "Gouesbegriff nach Auschwitz" (1984) vielleicht das
bedeutendste Zeugnis ist. Wie Menschen angesichts eines gleichemlaßen
unmenschlich wie gottlos anmutenden Geschichtslaufs überhaupt an die
Verheißung eines Goues glauben können, der in der Geschichte heilsam an
den Menschen handelt das, also die Begründbarkeit von Verheißung, ist
die Theodizeefrage in theologisch-eschatologischer Perspektive, und damit
zeigt sich, daß die Theodizee nach einem präzisen Zusammenhang von
Goltes Handeln und menschlichem Ergehen im Geschehen VOll Sünde und
Gnade fragt, dem Thema dieses Unlerabschnins. So entspricht es auch der
Theorietradition in der Theodizeefrage: G.W. Leibniz als Schöpfer des Ti-

86 Es dürfte deutlich sein. daß mit dieser Definition nichl zuletzt die Überwindung der allen-
falls zu Orienlierungszwecken hilfreichen Alternative von präsentischer und futurischer Eschalo-
logie angestrebt wird.
87 Zu den Zitaten s. S. 143 Anm. 35 bzw. S. 151 Anm. 73.
88 M.MI.QUAIWT (1993/96> 1.142 (Hervorhebung aufgehoben).
VI. Ergebnisse und Enrng ftir Systematik und Ökumene 289

tels uOlerscheidet in der hergebrachten Fragestellung "unde mal um?" drei-


erlei Begriff von mal um, nämlich das metaphysische Übel sowie als dessen
Manifestationen das moralische Böse und das physische Leid, so daß Böses
und Leid aus dem (metaphysischen) Übel hervorgehen, daß Menschen kei-
ne Götter sind, sondern die Sünde - so der theologische Titel des metaphy·
sischen Übels - GOll und Mensch trennt. Auch in dieser dreigliedrigen
Theodizee geht es also um das Beteiligungsverhältnis von Gott und Mensch
arn Heilsgeschehen.
Die evangelische EschalOlogiegeschichle zeigt nun durch ihre Wahr-
nehmung des Judentums, daß die Verhältnisbestimmung dieser drei Glieder
entscheidend ist für die Erfassung des Verhältnisses von GOlt und Mensch:
Die Theologie darf nämlich im Begriff des Übels das Leid weder mit dem
Bösen kurlschließen noch VOll ihm abkoppeln. Das eine Extrem geschieht.
wenn das Leid. womöglich unler dem Eindruck der Shoa, als Hauptthema
der Theodizee mit dem Bösen geradezu gleichgesetzt wird als das, was mit
Gou schlechterdings unvereinbar, darum aber auch gar keiner theologischen
Bearbeitung zugänglich ist. sondern nur in der Klage herausgeschrien wer·
den kann; die Theodizeefrage bleibt dann notwendig ohne Antwort.89 Das
andere Extrem unterbindet noch vor aller Antwon die Theodizee/rage nach
dem Leid. indem es die Bedeutung des Glaubens auf die Überwindung des
als innerl icher Geistesmacht verstandenen Bösen beschränkt und dagegen
das Leid als Äußerlichkeit und den Wunsch nach seiner Überwindung als
fleischlichen Irnum des Judentums abtut; letzteres war in der evangelischen
Eschatologiegeschichte bei den Venretern der leidgeprüften baltischen Na-
tionalkirche zu beobachtcn. 90 - Mit der Überlegung. daß Gott das Böse nur
überwindet. indem er es durch/eidet. hat allerdings dieselbe theologische
Tradition beide Extreme durch das Phänomen des Erleidens überbrückt und
damit die Allemative von Aktiv und Passiv zunächst für die Soteriologie
(aktiver GOIt und passiver Mensch) und in unmittelbarem logischen An-
schluß auch für die Anthropologie als gegenstandslos erwiesen. 91 Damit ist
nicht weniger geleistet als die Überwindung der seit Aristoleles klassischen
Alternative von bios praktikos und bias theoretikos. vita aCliva und vila
conlemplativa. denn in diese Polarität zieht mit dem Phänomen des Erlei-
dens eine dritte Größe ein. Das gibl insofern dem Leiden einen Sinn, als

89 l.B. dic ciner iSr.lCllhco~i.schcn Rcvision chri~'ichcr Dogmatik zlWbtitcndc Untcrsu-


chung: KRESS (1999).
90 S. bei S. 255 Anm. 281.
91 5. Kap. V.2.2. hier 5. 2S~255. v.a.. bei Anm 279.276 zur lhco-Iogischcn Frage (Hahn)
bzw. zur anthropologischen Konsequenz (v. Oellingen).
290 Dritter Teil

damit der sprachliche Sinn von ..Ieiden" erweitert wird und über die Erfah-
rung bestimmten, mit der Empfindung der Unlust verbundenen Geschehens
hinaus einen anthropologischen Sachverhalt jenseils von Aktiviliit und Pas·
sivität bezeichnet. Begreift man es so, dann steht diese Erkenntnis des balti-
schen Luthertums auch gar nicht allein da, denn im Miuclpunkt aller derje-
nigen eschatologischen Traditionen, die sich in irgendeiner Weise auf die
anthropologische Spekulation bei H. Steffens (lnvolulionslehre) oder F.C.
Gelinger (Lehre vom Abendmahlsleib) stützen, war zu beobachten. daß sie
die Insuffizienz der Alternative von Aktiv und Passiv aufdecken. Dies gilt
für so unterschiedliche Strömungen wie die Auseinandersetzung erweckli·
eher Theologie mit der theosophischen Spekulation einerseits und die libe·
rale. historisch-kritische Eschatologie im 19. Jh. andererseits, besonders
freilich für die Vermittlungstheologie. 92 Aber auch schon eine frühere Form
vermittelnder Theologie, nämlich die sog. philippistischen Lehrstreitigkei-
ten, konzentriert sich, etwa im synergistischen Streit, auf die melanchthoni-
sche Litotes. des Menschen Wille sei "nicht müßig in der Bekehrung;" was
die Unzulänglichkeit der anthropologischen Alternativsetzung unter-
streichl. 9J
Letztlich fußen all diese Problemanzeigen auf M. Luthers Konzept der
vita passiva. mit dem er die Alternative von vita activa und vita contempla.
tiva überwinden will. 94 Vita passiva ist dabei nicht der Mittelweg, der von
beiden Polen der Alternative gleich weit entfernt iSI,~ sondern steht quer zu
ihr als ganzer, wie denn Luther damit traditionsgeschichtlich auf die in je-
ner Alternative ebenfalls nicht unterzubringende deutsche Mystik zurück-
greift, welche die anthropologische Dimension des Glaubens als Wider-
fahrnis. besonders des Hingerissenseins. beschreibt. Entscheidend ist dabei
die Erkenntnis von C. Link. daß der frühe Luther in Anlehnung an J. Tauler
unter vita passiva eine LeidensfTÖmmigkeit der imitalio passionis Christi
versteht, während ab Luthers zweiter Psalrnenvorlesung (seit 1518/19)
Christus Exempel nicht mehr des Leidens, sondern des Sierbens und Aufer-

92 S. einerseilS Exkurs 3. hier bei S. 102 Anm. 94. andererseilS Exkurs 4 (s. l44ff.) und be-
sonders Exkurs 2, hier S. 72.
93 Der Melanchlhonsau (aus den Loci \'on 1535 und 1543: eR XXI.376.658), der auf Johan-
nes Chrysoslomus und (Pscudo-) Basilius zurück (PG U.143 bzw. a.a.O. XXX1I482) und wird in
Fe Epitome 11. Negaliva 8 (Bd~rtn/"iss(' 11997) 11.222) als miBversländlich krilisien.
94 Dazu vgl. BAYER (1994) 42--49.
95 Gegenwänig nimml HÄRLE (1992) 77 rur den Glauben eine .,aklive Passivität" im Sinne ei-
nes ..5ich-beslimmen-Lassens- an. qualifizien dies aber ßäherhin als ..Unlerlassc:n einer gegebenen
H:mdlungsm6glkhkeil- (Zilale DERS. 11995) 516.517). 1A'aS doch noch sehr am GegensalZ von
Akliviläl und Passiviläl orienlien ist
00040222

VI. Ergebnisse und Ertrag ftir Systematik und Ökumene 291

stehens ist, so daß das leidenl.liche Moment des Menschseins in der Hoff-
nung auf die Gleichgestalt mit diesem Ergehen Christi besteht. 96 Mit diesem
Bezug auf Tod und Auferstehung aber bekommt die Anthropologie eine
klare eschatologische Ausrichtung. Vita passiva ist demnach nicht die Ver-
miulung der Alternative von Aktivität und Passivität, sondern ihre wirkli-
che Überwindung durch die Zukunftsverheißung. Vita passiva bezeichnet
also einen Sachverhalt theologischer Anthropologie: daß der Mensch durch
eine Größe konstituiert ist, die außerhalb des anthropologisch erfaßbaren
Möglichkeitsrahmens anzusiedeln ist. So konnte Luther den Menschen de-
finieren als dasjenige Wesen, das durch GOll gerechtfertigt werden sol1. 97
Anthropologie in theologischer Perspektive handelt darum von der Exter-
nität des Menschen, der von außerhalb des Menschen durch den rechtferti-
genden GOIl konstituiert wird. während die Philosophische Anthropologie
in umgekehrtem Richtungssinne von der Exzentrizität des Menschen redet,
weil er, anders denn das Tier, sich als Person von seinem Zentralorgan di-
stanzieren kann. Diese wichtige Nuance markiert einen grundlegenden Un-
terschied zwischen theologischer und philosophischer Anthropologie, denn
Gegenstand der philosophischen Anthropologie ist die "conditio humana"
(H. Plessner), also das Menschsein im Unterschied zu den Phänomenen der
außermenschlichen Natur der Tiere und Pflanzen. Gegenstand der theologi-
schen Anthropologie ist dagegen der Mensch als Mensch in seinem Ver-
hältnis zu GOll, also als Geschöpf GOlles. 98 Das ist nicht der Mensch
schlechthin, sondern so, wie er sich in der Sicht des Glaubens darstellt. Dies
heißI nun wiederum nicht. daß für eine theologische Anthropologie nur der
glaubende Mensch thematisch wäre; im Gegenteil ist ihr Thema der
Mensch liberhaupt, aber eben in theologischer Perspektive, d.h. Gegenstand
der theologischen Anthropologie ist der Mensch als Geschöpf Gones des
Schöpfers. 99
Von hier aus erklärt sich, daß theologische Anthropologie als eschatolo-
gisch verstandene Schöpfungslehre durchzuführen ist. Die Schöpfungslehre

96 LINK (1984) 320ff. 336ff. zum fruhen bzw. späten LUlher.


97 So in These 32 der Disputnlio de homine (1536): WA XXXIXJI.176.33.
98 Die Schwäche der ,,Studien zu den anthropologischen Implikluionen der Eschatologie" bei
UERRMANN (1997) ist m.E., daß er .,das Ich. an dem sich das lluferweckende und ...erwandelnde
eschatologische Uandeln Gottes im Geist ereignet", als SeeJesein bestimmt (n.a.O. 63) und nicht
als Geschöpnichkeit. Dabei hiitte gerade diese dezidien theo·logische Kategorie ausdrücken kön-
nen, was nir Uerrmanns Arocit ,,ein roter Faden" (a.a.O. 15) sein soll, daß nämlich Eschatologie
nur .....on Gott als der wirk.enden e;o;temen Größe" (a.n.O. 307) her begründet werden kann. Herr-
mann selbst drück.t dies Slan dessen durch eine Repristinat.ion Kliefoths (a.a.O. 307-310) aus.
99 Zum wissenschaftslheoreliscllen Status solcher Aussagen s. bei S. 185 Anm. 214.
00040222

292 Drilter Teil

handelt demnach nicht von einem "Urstand" (und die Eschatologie dement-
sprechend nicht von dessen, vielleicht überbietender, Restitution); sie sagt
nicht, was der Mensch einmal war, aber durch die Schuld seines Willens
nicht mehr ist, sondern was er nach Gones Willen sein soll. In der altprote-
stantischen Dogmatik wird dieser Aspekt von Schöpfung in der Vorse-
hungslehre bearbeitet, denn diese handelt ja nicht von einem vorgezeichne-
ten oder gar vorherbestimmten Weg des Menschen, sondern von der Hoff-
nung, daß aus den einzelnen Lebensdaten des Menschen - in der Sprache
der Berufswelt wäre von einem Lebenslauf zu reden - allererst ein Lebens-
weg wird,l00 denn daß dies geSChieht, ist nicht in das Belieben des Men-
schen gestellt. der "mitten im Leben stehend" nicht das Ganze dieses Le-
bens erfassen, sondern nur Gottes Verheißung ergreifen kann. Wenn so die
Vorsehungslehre als individualeschatologische Schöpfungslehre gelten
kann, dann ist ihre universaleschatologische Entsprechung eben die Theodi-
zee, die nun nicht den Lebenslauf des einzelnen, sondern, wie oben gesagt,
den Weltlauf im ganzen aus dem Glauben heraus zu verstehen sucht. Hier
zeigt sich, daß die evangelische Eschatologie auch des 20. Jh. mit ihrem bei
den beiden Hauptanlipoden K. Barth und P. Althaus zentralen Thema der
Geschichte einer eschatologischen Anthropologie zuarbeitet. Althaus' be-
herrschendes und (gegenüber Barth) kennzeichnendes Interesse an einem
positiven Ewigkeitswert der Geschichte führte ja zu dem Versuch, soterio-
logische Altemativsetzungen durch eine dreidimensionale Geschichts- und
Schöpfungslehre in den anthropologischen Kategorien der Hingabe und des
Opfers aufzubrechen; 101 Althaus liegt darin auf einer Linie mit Kählers Ver-
ständnis der Theodizee.
Es wird vor diesem Hintergrund naheliegen, auch die Theodizee (wie die
Vorsehungslehre) an der Verheißung Gottes auszurichten, so daß die
Eschatologie als Theodizee letzte Fragen weder offen läßt (schon gar nicht
programmatisch) noch beantwortet, sondern überantwortet an Gottes Zu-
kunft. Von der Entsprechung zur Vorsehungslehre her ist dieses Überant-
worten für den Menschen, der die Theodizeefrage stellt, Ausdruck der vita
passiva, d.h. die Theodizeefrage erSChöpft sich nicht in der Klage, die in all
ihrer legitimen Expressivität immer ungerichtet bleibt (auch als Klage vor
Gott 102), sondern richtet sich auf ein klares Gegenüber aus in der Anklage
Gottes, die dann freilich angesichts ihrer inhaltlichen Schwere eben nur vor

100 S. bei S. 277 Anm. 64.


101 S. bei S. 224 Anm. 145.
102 Die Rede von einer ..Klage zu GOII". mil der KRESS (1999) 265 anscheinend dieses Pro·
blem beheben will, iSI synlaklisch und semamisch schwierig.
000402Z2

VI. Ergebnisse und Ertrag für Syslematik und Ökumene 293

dem Forum GOlles selbst verhandelt werden kann. Theodizee wird so als
Anklage gegen GOIl immer zilgleich Appeffa/ion an Gott. ebenso Klage wie
Bitte (letztlich die letzte Vaterunserbitte).103 Theodizee ist also ein vieldi-
mensionales Gebet, und schon daran, selbst an diesem Thema, bei dem der
Mensch in einem sonst unerreichten Maße als Ausgelieferter erscheint,
zeigt sich, daß die Beteiligung des Menschen an Gottes Heilshandeln weil
vielfältiger ist als die Entgegensetzung von Aktivität und Passivität erahnen
läßt. und in diesem Sinne ist die Theodizee in der Tat ein Thema eschatolo-
gischer Schöpfungslehre.
Der systematische Ertrag einer eschatologischen Anthropologie und
Schöpfungslehre liegt denn auch genau darin, daß so ein sehr viel breiteres
und feiner unterteiltes Spektrum von menschlichem Leben als geschöpOi-
chern Leben im Angesicht des Schöpfers theologisch thematisch werden
kann, m.a. W. daß die Theologie eine Vielfalt religiöser Phänomene in den
Blick nehmen kann, die zum Leben des Glaubens und der Menschen hinzu·
gehören. Und diesen geweiteten Blick auf das religiöse Menschsein erreicht
eine eschatologische Anthropologie, indem sie den Menschen, nur schein-
bar den Blick auf ihn verstellend, gänzlich in seiner GeschÖpflichkeit. also
im Gegenüber zu seinem Schöpfer und damit theo·logisch betrachtet. Gera-
de die Theodizee, das Thema, wo Gott schweigend oder abwesend scheint
wie Baal nach den Worten Elias. konnte hier so als universaleschatologi-
sche Schöpfungslehre skizziert werden. und tatsächlich ist die Theodizee
schon dadurch mit einer eschatologischen Schöpfungslehre verbunden, daß
hier der Ort ist. über die Neuschöpfung von Himmel und Erde zu reden.
Denn das Bekenntnis zur Neuschöpfung kann nie der Entwurf der zukünfti-
gen Stadt vom Reißbrett her oder gar auf den Trümmern der alten Weil
sein, sondern ist gerade in der paradigmatischen Situation der Theodizee,
also entgegen allem, was die Schöpfung gegen Hoffnung sprechen läßt, die
Hoffnung auf ihren Schöpfer. Am gebündeltsten spriCht sich christliche Zu-
kunftshoffnung darum in einem paulinischen Aphorismus aus, in dem Got-
tes Kraft ausgedrückt ist, die Schöpfung und auch die Menschen. die als
Bestandteil dieser Schöpfung an ihr selbst oder an ihren Mitgeschöpfen und
in all dem an ihrem Schöpfer schuldig geworden sind, durch Umkehr neu
zu erschaffen: ,.Glaube wider Hoffnung auf Hoffnung hin" (Röm 4,18).

103 BAYER (1983) 259ff. spricht von ,.erhörter Klagc" und bringt damil gcnau den doppeltcn
Gouesbcwg in Anklage und Bille zum Ausdruck. Eingedenk der Unterscheidung von akliycr und
kontemplatiyer Theodizee. die DERS. (1990) 22-24 in Entsprechung zu vita aCliva und yila con-
Icmplaliva vornimml. könnle man allalog zur vita passiva auch von ciner passivcn Theodizee spre-
chen.
000-40222

294 Dritter Teil

2. Okumenischer Ertrag einer eschatologischen Aml/ropologie. Den


Menschen als Geschöpf Gottes des Schöpfers wahrzunehmen, ist die Auf-
gabe einer eschatologischen Anthropologie und Schöpfungs lehre. Wenn
diese Aufgabe gipfelt in dem Gedanken von Röm 4,18. daß die menschliche
Hoffnung auf Gott in sich das Menschenmögliche an Hoffnung durch-
kreuzt. dann ist damit eine Einsicht berücksichtigt. die gerade von jüdischer
Seite unter dem Eindruck der Shoa gewonnen wurde, daß nämlich die ..gro-
ße Verheißung Theodicee" (um es mit Kähler zu sagen) nur wirklich wird.
indem die Menschen - und die Klage angesichts der Shoa ist ja in der Tat
offensichtlicher eine AnkJage bestimmter Menschen als eine solche Got·
tes 104 _ sich durch Umkehr daran beteiligen (lassen). Auch hier meldet sich
daher die Frage nach der Beteiligung von Gott und Mensch am Heilsge-
schehen. und hier scheint jüdische Theologie und Religionsphilosophie sehr
viel unbefangener als christliche von einer tätigen Beteiligung des Men·
sehen, besonders durch Umkehr, zu reden. Zumal evangelische Theologie
scheint hier aufgrund der refonnatorischen Lehre vom unfreien Willen und
des Streits gegen jeden Pelagianismus keinerlei Verhandlungsspielraum zu
besitzen. Aber wie in der gesamten Selbstrevision christlicher Theologie
eingedenk der Shoa. und im christlich-jüdischen Dialog überhaupt. so geht
es auch hier nicht darum. durch Übernahme und Modifikation anderer
Denktraditionen einen Ausgleich mit dem Gesprächspartner auszuhandeln.
Was die hier vorgetragenen Überlegungen. sowohl zum christlich-jüdischen
Gespräch als auch zum Verhältnis von Gott und Mensch. jedoch erbringen
sollten, ist. daß die Problemlage in dieser Frage von Aktivität und Passivität
aufgrund der jeweiligen Traditionen genau bestimmt und damit auch geklärt
werden kann. Und so wird das Wahrnehmungsschema. dem der Christ als
rein empfangend, der Jude dagegen als tätig erscheint - mitsamt den sich
anschließenden Schemata wie Spiritualisierung vs. geschichtliche Konkre-
tion. Individualität vs. Gemeinschaftlichkeit usw. -, zu einem großen Teil
darauf zurückgehen. daß Luthers Konzept der vita passiva, das sich uns als
maßgeblich für die evangelische Position in dieser Frage erwies. mit der
Passivität einen Begriff verwendet. der eine Seite des Schemas (Aktivität
vs. Passivität) abzudecken scheint, tatsächlich aber als Überwindung ge·
meint ist. denn das LUlher vorliegende Schema lautet ja Aktivität vs. Kon·
templation. Daß dieser Sinn von Passivität jedoch hinter dem neuzeitlichen
Gegenüber zur Aktivität verschwindet, war an manchen Stellen des Theo·
riediskurses zu beobachten; so waren sowohl die Darstellung des Christen-

I~Mit diesem Argumem läßt sich sogar fragen. ob die Shoa überhaupt das Theodizeeproblem
aufwirft. Vgt. S. I1 Anm. I.
00040222

VI. Ergebnisse und Ertrag für Systematik und Ökumene 295

turns in den ..Lehren des Judentums" als auch das gegenwärtig vertretene
anthropologische Konzept einer .,aktiven Passivität" von dem neuzeitlichen
Verständnis der Passivität als Gegenteil der Aktivität bestimmt. Passivität
im Sinne LUlhers (und ebenso die Rede vom Erleiden) zielt dagegen auf die
im neuzeitlichen Sinne "aktive" Beteiligung des Menschen am Heilsge-
schehen; so dürfte auch Luthers Schrift .,Oe servo arbitrio" zeigen wollen,
wie GOlt den Menschen am Heilsgeschehen beteiligt (nur daß er dies eben
nicht in einer Weise tut, die mit menschlichem Wollen und Vollbringen
gleichzusetzen wäre). - Auf der anderen Seite sollte im Sinne eines christ-
lich-jüdischen Gesprächs klar werden. daß die Rede von Schöpfung in kei-
ner Richtung des Judentums die innere Verbindung mit dem Thema von
Schöpfung und Fall hat, die im Christentum zunächst in der Auseinander-
setzung mit der Gnosis und dann in der Soteriologie seit Augustin obligat
wurde für die Lektüre von Gen 1-3, der sog. Schöpfungserzählung. Hier
differieren christliche und jüdische Lektüreweisen deutlich, und dies fest-
zuhalten, ist bereits ein Vollzug christlich-jüdischen Gesprächs. Der nur
vermeintlich weiterführende Versuch, beide Lektüren auf einen gemeinsa-
men Ursprung zurück- oder eine Entscheidung zwischen beiden herbei-
oder die eine in die Wirkungsgeschichte der anderen zu überführen, würde
dagegen vom gemeinsamen Gespräch nur wegführen. Die Schöpfungslehre
in ihren unterschiedlichen Gestalten in Judentum und Christentum ist so
wie die Menschheitsreligion ein vorrangiges Thema christlich-jüdischen
Gesprächs, und sein Ertrag für dieses Gespräch ist, daß die Schöpfungslehre
einen Sprachraum bietet, in dem auf beiden Seiten die religiösen Phänome-
ne von Menschsein beschrieben werden können, die durch Altemativsche-
mata eher verdeckt werden. In dieser konvergierenden Bestrebung, solche
Schemata zu überwinden und etwa die Beteiligung von Gott und Mensch
am Heilsgeschehen in Schöpfungssprache auszudrücken, zeigt sich, daß in
den verschiedenen Lektüren der Schöpfungserzählung derselbe Schöpfer
am Werk gesehen wird: der Gon Israels und Vater Jesu Christi.
00040222

Bibliographie

Die Lileraturangaben werden mit den in der Untersuchung verwandten


Kurztiteln, bestehend aus AUlQmame bzw. Titelstichwort (bei Herausge-
berwerken) und Jahreszahl(en), angeführt. Abkürzungen folgen Siegfried
M. SCHWERTNER, lntemationales Abkürzungsverzeichnis für Theologie
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00040222

Register

Halbfett gedruckte Seitenzahlen weisen auf grundsätzlichere Ausführungen


zum betreffenden Registereinlrag.

I. Namen

Abaelard. Peter 99 104. 73 Anm. 116, 80 Anm. 5. 81


Abl1lbane!. lsaac 25. 29f. 106 Anm. Anm. 7. 146 Anm. 45. 165. 193.
117 214-217,221 Anm. 128.233 Anm.
R. Akiba 34 183. 238. 251 f.. 256 Anm. 284.
Althaus. Augusl 25 Anm. 39. 72 263. 269 Anm. 40. 283. 287 Anm.
Anm. 114, 76 Anm. 134. 98 Anm. 84.292
77.198 Anm. 22. 242 Anm. 217 Baumganen. Duo 147 Anm. 57f.• 248
Allhaus. Paul (jr.) 15.17.21. 39f.. 64 Anm.248
Anm. 75. 82 Anm. 16. 98 Anm. 77. Baumganncr, Markus 73 Anm. 116
127 Anm. 20 I. 132 Anm. 234. 151 Baur. Ferdinand Ch. 67 Anm. 97.144
Anm. 74. 193-259, 262f.. 2661.. Bayer. Oswald 290 Anm. 94. 293
276 Anm. 61. 292 Anm. 103
Anselm von Canterbury 93. 99 Beck. lohann Tobias 103-105, 117f..
Arie!. Yaakov Shalom 14 Anm. 7 120. 123. 129 Anm. 208. 1551.
Aristoleles 28.268.283.289 Anm. 101. 265
Amoldi. Udo 24 Anm. 37 Bcckmann. Klaus 20 Anm. 26. 61
Auberlen. earl Augusl 25 Anm. 39. Anm. 64. 62 Anm. 67.69. 88 Anm.
10~108, 117-120. 125 Anm. 197. 37. 102 Anm. 95. 120 Anm. 184,
127 Anm. 201.129 Anm. 208. 257 I 26f. Anm. 200.129 Anm. 208
Auguslinus 270 Anm. 43. 295 Behr. Wilfried 86 Anm. 27. 89 Anm.
Aulen. Guslaf 99 Anm. 80 44.93 Anm. 57. 97 Anm. 70-72,
Avncri. Zvi 29 Anm. 58. 30 Anm. 66 120 Anm. 185
ßachmann. Philipp 79 Anm. 3. 81 Bcißcr. Hans Friedrich 203 Anm. 42.
Anm. 7. 92 Anm. 51.54, 100 Anm. 217 Anm. 113
82. 236 Anm. 192 Bengel. lohann Albrecht 15f. Anm.
Bader. Günter 9 I J. 107 Anm. 119. 143
Baeck.Leo 26Anm.46.3Ir~41.134. BerkovilS. Elie7.er I I
184.214.259.267 Benrams. Oliver 29 Anm. 62
Baer. lizchak FOlz 29 Anm. 59 Beyschlag. Karlmann 100 Anm. 82
Ballhom. Egben 30 Anm. 70 Bicdennann. Alois Emanuel 147(.,
v. Bahhasar. Hans Urs 193 Anm. I 261
Banh. Karl 12 Anm. 3. 39f.. 69 Anm. Blaschke. Oliver 20 Anm. 26
320 Anhang

BÖCkle. Franz 193 Anm. I Dörpholz. Dirk 10


Böhme. Jakob lOt Domer. lsaak August 23 Anm. 36. 71
BÖlden. Ernst 14 Anm. 6,17 Anm. 16 Anm, 107.111f.. 72.112,125 Anm.
Boelhius 124.257 Anm. 289 197.145.245
Bonhoeffer.Dielrich 12 Anm. 3 Dunkmann. Karl 241-243, 246. 250
de B()()I". Matthias 136 Anm. 7. 137 Anm.257
Anm. 10. 138 Anm. 13, 140 Anm. Ebeling. Gerh"'d 278
22. 141 Anm. 28. ISt Anm. 74, Ebeling. Heinrich 98
173 Anm. 173 Ebert. Paul 208 Anm. 67
Bousset. Wilhelm 17.27 Anm. 47. 31 Eißler. Tobias 79 Anm. 4
Anm. 75. 2341. R, EUerer 28
Breiden. Martin 88 Anm. 38. 89 Eschelbacher. Joseph 27 Anm. 52
Anm. 42. 93 Anm. 55f.. 99 Anm. Elzelmüller. Gregor 214 Anm. 92.
78. 104 Anm. 106 229 Anm. 166
Brenner. Michael 25 Anm. 41. 124 Feiner. Johannes 193 Anm. 1
Anm. 195 Fichte. Immanuel Hemlann 101
Brod, Max 23 Anm. 33.27 Anm. 52 Fichte, Johann Gottlieb 200, 206
Brunner. Emil 18, 39. 42 Anm. 2. 78. Anm.60
217 Anm. 113,238.240 Anm. 210. Aoerke. Wilhelm Friedrich earl Hein-
266. 276 Anm. 61 rich 112-115,117(.261
Brunner. Peler 134 Anm. 221 v. Frank. Franz Hermann Reinhold
Buber. Martin 37-41,76. 131. 237. 16,81 Anm. 7. 99f.. 248 Anm. 248
264 Frege. Gonlob 179
Buhmann. Rudolf 32 Anm. 79. 39. Friedlaender. Michael 28 Anm, 57
136.1891" 216 Anm. 105.246.256 Friedland, Erlc L 29 Anm. 61
Anm. 284. 263. 269 Anm. 39 Friedrich. Martin 15 Anm. 9. 23 Anm.
Buri, Fritz 19tr. 35
Callenberg. Jahann Heinrich 24 Anm. Fuchs. Ernst 39,283
38 Führer. Wemer 165 Anm. 141
Calvin, Johannes 23 Fünning. Albert 31 Anm.72
Charles. Roben Henry 17 Anm. 16 Gäckle. Volker 123 Anm. 191. 125
Clark. Christophcr M. 24 Anm. 38 Anm. 197
Cohen. Hcnnann 32-34, 35f.. 41. Gans. Eduard 29 Anm. 62
130f.. 134, 184f.. 188 Anm. 221, Gebhardt. Jürgcn 65 Anm. 81
259.267 Gerhard. Johann 87.98
Comehl. Peler 64 Anm. 76. 67 Anm. Gerlach. Hennann Manin Theodor 49
91. 68 Anm. 98 Anm, 29. 71 Anm, ID7( 111. 73
Cremer. August Hermann 144 Anm. Anm.118
38. 180 Gese. Hartmul 18 Anm, 21
Cullmann. Oscar 134 Anm. 221. 246 GeB. Wolfgang Friedrich 104 Anm.
Anm.243 106
Dahle.l.ars 125 Anm. 197 Gewirtz, Leonard B.. 3Of. Anm. 71
Delitzsch. Franz 27 Anm. 51 Goebel. Hans 237 Anm. 200
Descartes. Rene 147 GÖIl. Hans-Petcr 154 Anm. 89. 161
Dilthey. Wilhelm 133 Anm. 220 Anm. 120.123. 167(. Anm. 151
00040222

Register 321

Göschei. earl Friedrich 66f., 68 Heim, Karl 125 Anm. 197.218,221,


v. Goethe, lohann Wolfgang 141 224.241.243-245,246
Anm.23 Heine. Heinrich 61
Gagarten. Friedrich 39f., 215 Anm. Heinrichs. Wolfgnng E. 20 Anm. 26
96,217 Anm. 108 Heller. Hans 31 Anm. 72
Goldmann. Alain 29 Anm. 63 Hengslenberg, Ernst Wi1helm 106
Goldmann. Manuel 25 Anm. 40 Anm. 112. 12M. Anm. 200,129
Gollwitzer, Helmut 20,266 Anm. 29 Hennann, Rudolf 167f. Anm. 151 f.
Gow, Andrew Colin 14 Anm. 7 Henns. EiJert 43 Anm. 8,44 Anm. 11.
Grädcr, Karl 92 Anm. 51, 99 Anm. 80 46 Anm. 18,47 Anm. 20, 48 Anm.
Graetz. Michael 31 Anm. 74 23. 56f. Anm. 51
Graf, Friedrich Wilhelm 70 Anm. 105 Hernnann. Christinn 98 Anm. 77. 291
GraB, Hans 214 Anm. 91 Anm.98
Greig. A. loseph 21 Anm. 27, 79 Hemnann. Wilhelm 171 f.
Anm. I Hesse. Friedrich 132f. Anm. 218r.
Grimmer, Karl F. 273 Anm. 54 Hieronymus 21f.
Grossman, Avraham 29 Anm. 58, 30 Hilgenfeld, Adolph 16 Anm. 14, 107
Anm.66 Anm. 124
GÜdcr. Eduard 181 Hille, Rolf 245 Anm. 238
Gunkel, Hemlann 27 Anm. 47, 253 R. Hillei 128 Anm. 105
Anm.274 Hirsch. Emanuel 218. 222f., 224, 258
Hadom. Wilhelm 25 Anm. 39, 180, Hirsch. Samson Raphael 30
248(.,250 Anm. 257 Hirschberg. Haim Zwi 14 Anm. 6
Haering, Theodor 25or. Hjelde, Sigurd 12 Anm. 5, 45 Anm.
Härle, Wilfried 87 Anm. 35, 153f. 13.73 Anm. 120. 116 Anm. 173.
Anm. 88, 290 Anm. 95 125 Anm. 197. 136 Anm. 5.7. 151
Hahn, Traugolt (iun.) 254 Anm. 278 Anm.74, 157 Anm. 106, 190 Anm.
'·Iahn, Traugoll (sen.) 254'.,259.267, 230.214 Anm. 91
289 Anm. 91 Hoffmann, Christhard 177 Anm. 184
Hain, Roland 10 Hoffmann. Georg 74 Anm. 121, 204f..
'·Iake, Claudia 105 Anm. 108f. 2471.
v. HarleB. Adolf I10Anm. 141 Hoffmann. Willi 103 Anm. 98, 100f.
Hanns, Theodor 102 Anm. 94 Anm. 107f.
v. Hamack. Adolf 31. 144 Anm. 38, v. Hofmann, lohann Christian Konmd
187 16. 21. 79-135, 230 Anm. 170.
v. Hase. Karl 90 Anm. 46. 194 252.257.259.2611.2641
Haubold, Amdl 67 Anm. 90 Hall. Karl 198 Anm. 24
Haupt. Erich 257 Holmström. Falke 12 Anm. 5. 136
Hebart, lohnnn Albrecht Ludwig 126- Anm. 5, 191f. Anm. 234.198 Anm.
128 23.214 Anm. 91. 246
Hege!. Gcorg Wilhelm Friedrich 19. Hollhaus, Slephan 31 Anm. 72
23 Anm. 33. 6<H>7. 73. 79. 83 Hossfeld, Frank Lolhar 171 f. Anm.
Anm. 17. 145 Anm. 43, 187 Anm. 166
219 Hübner. Eberhard 80 Anm. 5, 86
Heidegger. Martin 270.272f. Anm. 27. 97 Anm. 70-73
00040222

322 Anhang

Hünenhoff. Michael 148 Anm. 62 Kling. ChriSlian Friedrich 71 Anm.


Irenäus von Lyon 79 107.72 Anm. 113,73 Anm. 119
lrving. Edward 108. 151 Kniner. Paul 238 Anm. 201, 239
Iwand. Hans Joachim 277 Anm. 62, Anm. 208. 258 Anm. 290
280 Anm. 68 Koch, Klaus 213 Anm. 88
Jahn, Friedrich Ludwig 70 Anm. 106 Koch, Kurt 131 Anm. 212
Janowski. Johanna Chrisline 247 Koepp. Wilhelm 180 Anm. 197.
Anm.244 249f.,251
R. Jehoschua 28 Körner. Johannes 138 Anm. 12, 246
Joachim von Fiore 284 Anm. 76 Anm.242
Jochanan ben Zakkai 288 Könner, U1rich HJ. 98 Anm. 77
Johannes Chrysostomus 290 Anm. 93 Kohler. Kaufmann 185 Anm. 213
Jonas, Hans 280 Konkel, Michael 9
Jüngel, Eberhard 158 Anm. 112,273 Kook. Abraham lsaak 30f.
Anm. 52. 283 Kraus, Hans Joachim 234 Anm. 185
Jung, Manin H. 15f. Anm. 21, 30 Kress, Chrisline 289 Anm. 89. 292
Anm.67 Anm. 102
Kähler. Manin 21. 135. 1~192, 216 Küng. Hans 185.281
Anm. 103, 230 Anm. 170, 257. KÜnneth. Waller 217 Anm. 110
259, 262. 265f.. 275 Anm. 57, 278, Kusche. Ulrich 17 Anm. 17
282.284-286,288.292,294 Lange, Johann Peter 71 Anm.
Kähler, Waller 286 Anm. 79 108.111, 73 Anm. 118,261
Käsemann, Ernst 189 Anm. 224 Lausberg. Heinrich 283 Anm. 70
Kaftan, Julius 125 Anm. 197.2501. Leibniz. Gottfried Wilhelm 289
Kant, Immanuel 33, 50. 66f., 73. 75 Leipold. Heinrich 153 Anm. 83. 189f.
Anm. 129,76 Anm. 133, 133, 148 Leitz. Hennann 123 Anm. 191
Anm.62. 165, 185 Anm. 213, 206 Lessing. Gonhold Ephraim 29 Anm.
Anm. 60. 24 J. 248 Anm. 247. 250. 60,33. 152 Anm. 79
258, 261, 264, 270 Anm. 43, 270 Lessing. Theodor 25 Anm. 39. 100f.,
Anm. 44. 272 102.123 Anm. 191
Karsten. Hennann Il1f., 117. 120. Levinas, Emanuel 185
123 Anm. 191,261 Levinson. Nathan Peter 29 Anm. 61.
Kern, Friedrich Heinrich 52 Anm. 39. 31 Anm. 73
67 Anm. 97, 71 Anm. 107. 125 Lindcnmeyer. Julius 103 Anm. 96
Anm. 197. l44f., 148, 261 Link. Christian 290f.
Kesten, Hennann 29 Anm. 60 Link. Hans·Georg 140 Anm. 20. 141
Kickei. Waller 191 Anm.233 Anm. 28.172 Anm. 68. 187f., 189
Kinder, Ernst 18 Anm. 20 Lipsius. Richard A. 1~148, 261
Kinzig. Wolfram 10 Lohff. Wenzel 132 Anm. 215
Klappen, Benold 273 Anm. 52 v. Lüpke.Johannes 10
Klicfoth. Theodor Friedrich Dethlof 16 Luthardt. Christoph Ernst 16. 108-
Anm. 13. 95 Anm. 64. % Anm. 67, 110, 117f" 121 Anm. 187. 133.261
115-117, 118r.. 121 Anm. 187.208 Lulher. Manin 67 Anm. 96. 97. 112.
Anm. 67, 230 Anm. 170.257 Anm. 198, 2061" 230, 237, 239f., 253,
287,261.291 Anm. 98 258, 262, 275, 290f., 294f.
00040222

Regisler 323

Maier. Johann 22 Anm. 32. 25 Anm. Napoleon Bonapane 70 ARm. 106.


41, 28 Anm. 56. 30 Anm. 65. 31 140
Anm.74 Niewehe. Friedrich 135
Maimonides 28-30.36 Anm. 93f. Nitzseh. earl Immanuel 71 Anm. 107.
Mann. Wallher 238 Anm. 201. 239 110-112.73. 128f.
Anm.208 Oblau. Gotthard 269 Anm. 40
Manzke. Karl Hinrieh 270 Anm. 43 Ochs. Peler 9
Marheineke. Philipp Konrad 145 Öisner. Willi 71 Anm. 110
Anm. 43. 64, 66 Anm. 88 Oesterley. William 14 ARm. 6
Markion 152 Arun. 79 Oelinger. Friedrich Christoph 25
Markower. Felix 26 Anm. 46 Anm. 39. 30 Anm. 67. 101. 105.
Marquardt, Friedrieh Wilhelm 20 107 Anm. 119.290
Anm. 25. 22 Anm. 31. 271-273, v. Oeningen. Alexander 25 Anm. 39.
288 Anm. 88 253f., 255. 259. 267. 289 Anm. 91
Martensen. Hans Lassen 69 Amn. Origenes 146 Anm. 50
100.71 Anm. 107.I09f.. 73 Anm. Osiander. Andreas 159 Anm. 115
117.74 v.d. Osten-Sacken. Peler Frhr. 40
Martikainen. Eeva 258 Anm. 291 Anm. 107
MilU. Rudolf 15 Anm. 10 Osthof. Friederike 146 ARm. 50
Maximilian König von Bayern 220 On. Heinrich 132 Anm. 213
Anm. 126 Pae. Kyung Sik 105 ARm. 111
Maybaum.lgnu 187 Pannenberg. Wolfhart 134 Anm. 221,
Mayer. Gottlob Samuel 248 214 Anm. 91. 246 ARm. 243. 271-
Meiser. Martin 193 Anm. 3. 217 273,291
Anm. 114. 228f. Anm. 162. 231 PalZig. Günler 179 Anm. 190
Anm. 175. 239f. Anm. 209 Pawlas. Andreas 253 Anm. 273.275
Melanchlhon. Philipp 290 Pelran. Heinrich 168 Anm. 152
Mencke. Manin 158 Anm. 112, 186 Peluchowski. JJ. 287 Anm. 84
Anm. 215. 273 Anm. 52 Pfislerer. Rudolf 124 Anm. 195
Mendelssohn. Moses 29 Pfleiderer. Ouo 74 Anm. 121
Messei. Nils 234 Anm. 186 Philippi. Friedrich August 81 Anm. 7
Mildenberger. Friedrieh 79 Anm. 2. Pick. Seligmalln 26 Anm. 46
81 Anm.9. 132 Anm. 216 Plalon 65.70
Miskolle. Komelis Heiko 272 Anlll. Plessner, Helmulh 291
47 PlilI. Guslav 15 Anm. 10
Mollmann. Jürgen 12. 187 Anm. 219. Pöhlmann. Hans Georg 238 Anm. 20 I
214 Anm. 91. 233 Anm. 183.246 Ponlzen. Alexandra 9
Anm. 243. 271-273 Procksch.Ouo 82 Anm. 15.83 Anm.
Mommsen. Theodor 177 Anm. 184 18. 86 ARm. 27
Mühling. Andreas 40 Anm. 107 Quinlilian 283 Anm. 70. 285
Müller. Julius Georg 66 Anm. 85 Ralme<. Karl 133r.. 258
Müller. Karlheinl. 17 Anm. 17 v. Ranke. Leopold 220 Anm. 126
MlIller·Goldkuhle. Peler 122 Anm. RalSChow. Carl Heinz. 166 Anm. 146.
188 241 Anm.213
Mundle. Wilhelm 202 Ravitzky. Aviezer 31 Anm. 72
324 Anhang

v,d. Recke·Volmarslein. Adalbert Graf Sehleiennaeher. Friedrieh Daniel Ernst


24 Anm. 38 \2.21.34.42-78,8\ Anm. 7. 82
v. Reiff. Jakob Friedrich 104 Anm. Anm. 14. 99. 124. \26. \28. 130.
\06 \36f.. \44. 148. \52 Anm. 79. 158
Reines. Alvin J. 29 Anm. 58. 30 Anm. Anm. 111. 184. 198 Anm. 22.199
66 AJun. 28. 242. 251. 257. 260. 263-
Renan. Emest 93 Anm. 55. 261 265
Richter. Friedrich 19. 64r., 66-68 Schmid. Hartmut 121 Anm. 202
Richter. Julius 191f. Anm. 234 Schmid. Johannes Heinrich 187 Anm.
Ricreur. Paul 283 2\9
Rieske·Braun. Uwe IIOf. Anm. 141 Schmidl. Hans Wilhelm 208 Anm. 65.
Rilschl. Albrecht 93 Anm. 57. 99.125 271 Anm.44
Anm. 197. 136. 148r., 153 Anm. Schmidl. Hennann Christoph 53
86. 183. 21\ Anm. 80. 250. 253 Anm. 42. 73 Anm. 117, 74 Anm.
Anm. 274. 262 121,261
Rohls. Jan 88 Anm. 37.92 Anm. 51 Schmidt. Karl Ludwig 37--41,76.131
Rosenau. Hartmut 52f. Anm. 38r.. 190 Schmilt. Rainer 133 Anm. 219
Anm.230 Schneerson. Moses Mendel 31
Rosenberg. Alfred 216 Anm. 107 Schoberth. Ingrid 286 Anm. 78
Rosenzweig. Franz 29 Anm. 64. 34- Schöffel. Simon 237 Anm. 199
37.41.76[.184.264.282 Schalem. Gershom 20. 22 Anm. 31.
Rache. Richard 145r.. 148 30 Anm. 68. 188 Anm. 221. 266
Rousseau. Jean Jacques 139 Anm.29
Saadja Gaon 28 Schreurs. Nico F.M. 56f. Anm. 51
Saari. Jaakko 239 Anm. 208 Schröer. Henning 54 Anrn. 45. 198
Sabbalai Zwi 30 Anm. 21. 241 Anm. 212.215. 245
SI.-Simon. C1aude Henri Comte de Anm.236
Rouvroy 73 Anm. 118 Schütt. Josef 10
SauteT. Gerhard 9. 12 Anm. 4. 20 Schweitzer. Albert 12. 136. 19G-192,
Anm. 24. 82 Anm. 13. 154 Anm. 261. 263
95. 161 Anm. 120.233 Anm. 183. Schweizer. Alej(ander 73 Anm. 116
270 Anm. 42. 275 Anm. 59. 286 Seeberg. Reinhold 253 Anm. 274
Anm. 80. 287 Anm. 83, 281 Anm. Siegfried. Theodor 241.243,246.250
85 Anm.257
Sehaedcr. Erieh 248 Anm. 246. 251- Slenczka. Reinhard 10
253,267 Sommerlal.h. Ernst 236 Anm. 192
Schäfer. Peter 28 Anm. 55. 29 Anm. Spener. Philipp Jakob 15f. Anm. 11
63f. Stadelmann. Helge 79 Anm. 4
Schär. Johann Friedrieh 160 Anm. Stadtland. Tjarko 216 Anm. 105
118 StähleT. Axel 23 Anm. 33. 249 Anm.
Schatz·Uffenheimer. Rivka 30 Anm. 253
69. JOf. Anm. 11 Stange. earl 18. 132 Anm. 214. 193
v. Schelling. Friedrieh Wilhelm Joseph Anm. 3. 198-200, 203. 205. 213
70 Anm. 106. 100 Anm. 88. 235 Anm. 188. 258. 266.
Schlauer. Adolf 144 Anm. 38 276 Anm. 61
00040222

Register 325

Sleck. Karl Gerhard 79f. Anm. 4f.. 86 Anm. 28. 88 Anm. 37. 92 ARm.
132 Anm. 217 51. 100 Anm.82f.
SleITen. Bernhard 81 Anm. 7. 92 Weber. Hans Emil 242 Anm. 217
Anm. 51. 93 Anm. 57. 99 Anm. 80 Weber. Quo 117 Anm. 178. 153 ARm.
Sieffens. Henrich 701'., 145. 147. 85. 240 Anm. 210, 275 Anm. 57.
261 f.. 290 277 ARm. 62
SIegemann. Ekkehard W. 40 Anm. Weeber. Martin 45 Anm. 15.46 Anm.
108 18.48 Anm. 23. 55 Anm. 49. 56f.
Steiger. Johann Anselm 49 Anm. 29. Anm. 51. 69 ARm. 100.102
51 Anm. 33. 74 Anm. 123f. WeiB. Johannes 12. 31. 173 Anm.
Sleinbeck. Wolfram 10 171. 19Of.. 257. 263
Sleinmelz. Rudolf 128 Weiße. Chrislian Hennann 65f., 67.
Slemberger. Günter 25 Anm. 41. 30f. 145 Anm. 43
Anm.71 WeilhauseR. Julius 17.23 Anm. 36
Stephan. Horsl 216f. Wendebourg. EmSI Wilhelm 97 ARm.
Stock. Konrad 98 Anm. 77 69. 100 ARm. 83
Stoecker. Adolf 177 Wenz. Gunlher 10
Stoevesandl. Hinrich 193 Anm. I Werblowsky. RJ. Zwi 28 Anm. 54,
Strack. Hennann Leberechl 27 Anm. 29 Anm. 64. 40 ARm. 109
51 Werner. Martin 160 Anm. 118
Stuhlmann. Rainer 74 Anm. 125 Wern. Gustav 79f. Anm. 4, 82 Anm.
Swamt. Uwe 81 Anm.8 16. 86 Anm. 27, 106 Anm. 112.
Talmon. Shemaryahu 22 Anm. 31. 28 129 Anm. 208
Anm. 54. 77 Weyer-Menkhoff. Martin 101 ARm.
Tauler. Johannes 290 88
Theißen. Gerd 190 Anm. 229 Wiener. Max 26 Anm. 45. 185
Theißen. Henning 10.261 Anm.9 Wiese. Chrislian 26 Anm. 42. 27
Tholuck. Augusl 128,263 Anm.51
Thoma. C1emens 22 Anm. 31. 25 Wiesel. Elie 11 Anm. 1
Anm.41 Wild. MartiR 244 ARm. 234. 245
Tillich. Paul 217. 238 Anm. 201. Anm.238
286f. Wimmer. Waller 214 Anm. 91. 226
Traub. Friedrich 250.251.261 Anm. 151. 257 Anm. 289, 258
v. Treilschke. Heinrich 172 Anm. Anm.291
168.177 Anm. 184 Windel band. Wilhelm 133 Anm. 220.
Troel1sch. ErnSI 151 Anm. 74. 193. 202
202 Wirsching. Johanncs 158 Anm. 110,
TrülSCh. Josef 193 Anm. I I58f. Anm. 112-115. 161 ARm.
de Valenti. Ernst Joseph Gustav 101f. 123. 167f. ARm. 151
Valyi agy. Ervin 22 Anm. 31 Wobbennin. Georg 74 ARm. 121.
Veuer. Jakob 126r. Anm. 200 2M. 248 Anm. 247
Volkov. Shulamil 23 Anm. 36 Wolf. Ernst 172 Anm. 167. 189 Anm.
Volz. Paul 17 Anm. 16. 234f. 224
Wachler. Oskar 143 Anm. 34 Wolf. Immnnuel 29 Anm. 62
Wapler. Paul 81 Anm. 7. 82 Anm. 15. Wolfes. Mauhias 242 Anm. 219
326 Anhang

Woller. Michael 182 Anm. 204 Zaas. Peter S. 22 Anm. 32


Wurzburger. Walter S. 30 Anm. 65 Zenger. Erieh 171 f. Anm. 166

2. Sachen und Begriffe


Anthropologie 71f.. 84, 96-102. 138- 246,252 Anm. 266. 255-251, 269
140.224.253-255,266(,288-295 Anm. 39. 286 Anm. 80
Amichrist 14, 94f. Anm. 62. 114 DiasporalGalut 14 Anm. 7. 29, 31. 37.
Anm. 163, 129,220,239,283 106 Anm. 113.115. 119f.. 127. 171.
Antinomie 241 r. 115.111,184
Amisemilismus/Antijudaismus 23.32. Dilemma 54-57. 130. 137. 142. 144.
31-39, 61-63, 16. 120 Anm. 184, 148. 183f., 198 Anm. 22,199 Anm.
124 Anm. 195. 177,227 28.260
Apokalyptik 16-19,31. 98 Anm. 77. Emanzipation/Assimilation 23f.. 29.
10M.. 191f.. 199. 209, 221, 233- 61,111
235,244,264,266 Erfahrung 81 Anm. 7. 99(" 126.
Apokatasl3sis 31 Anm. 72. 51 f.• 73 132f.. 158 Anm. 112. 186. 247f..
Anm. 116, 101. 144f.. 201. 213, 252.214,289-291
246 Anm. 244 Eschatologie 12. 14-20. 27-31. 34.
Auferstehung 13. 28. 57 Anm. 53. 36f.. 44. 55 Anm. 49. 10-73, 17f.,
145, 199,209 %f.. 151 Anm.14. 189-192. 195f..
AußdärungIHaskala 29.33. 138f. 199f.. 214-217. 253 Anm. 275.
Begriffsbildung 49[. 82. 103. 161 256(,260-262. 261(
Anm. 120. 167-169, 185(.,265 Elhik 26. 29. 31-33, 51 Anm. 33. 11
Bekenntnisschriften 12. 15. 150. 181 Anm. 110. 138-142. 150. 154. 158
Anm. 202. 282. 290 Anm. 93 Anm. 111, 209-214. 221. 235-238.
Bibel 13,30, 80f.. 81,103, 105, 126- 258.266.215 Anm. 51, 281
128,144[., 168-114, 182.208.210. Ewigkeit 17. 42. 66. 129. 137-144.
211(, 23Of.. 282-286 149. 156f.. 119. 194-203. 211f..
BBd 49. 53f.. 14. 118-183, 191,251. 221f.. 224. 228f.. 233. 241-241.
215.282-281 251 Anm. 263. 268-273
Chiliasmus 15f.. 20, 22. 94f., 100. Fonn und Inhalt 191. 250[, 286
104f.. 101-114. 116[., 1IS-122, Fonschrin 29,55 Anm. 49. 115. 138-
126[., 131. 141. 199 Anm. 28, 218f. 150,151.210.213.218
Anm. 117. 226 Anm. 151. 227f.. Französische Revolution 138-140
235. 242f.. 248. 250 Anm. 251 Freiheit 26.44 Anm. 10.71. 73. 134.
Christologie 28 Anm. 54. 89f.. 92-99. 139f.. 147. 149 Anm. 65. 294
112. 120-123,148-155, 168 Anm. Frühjudentum 12. 17.57(., 106. 119.
154.211 Anm. 110,230-233,235, 146. 113. 19Of.. 234(. 212
240.242 Anm. 218, 216-218 Ge;Sl 19f., 22, 66. 84. %. 101. 100f..
Deutsche Christen 39f.. 237. 239f. 146(.234.252-255,259,266.289
Dialektische Theologie 34. 39. 190. Gericht 14. 26. 28. 64 Anm. 72. 72
208 Anm. 65. 214-217, 223. 235. Anm. 114. 94f. Anm. 62. 100. 104.
00040222

Register 327

108, 111, 1151" 123, 127, 1451., Metaphorik 74. 178-183. 188-191.
150, 1581" 199-203. 2061.. 209, 216,249,265-268,2771..282-287
2121., 215, 218, 2221., 2291.. 250 Methode 13, 2Of. Anm. 26, 24, 64f.,
Anm. 257. 276f. 82 Anm. 13, 124 Anm. 193. 137
Geschichtc 38.84,95. 104, 106 Anm. Anm. 8, 144. 175 Anm. 177, 178
112, 120. 131-133, 152. 156-158, Anm. 189. 195. 204, 210, 231,
169-172, 1751.. 187, 196, 2021., 241 f.. 248 Anm. 248. 249f., 255.
2081., 212-216. 2201., 224. 236, 260 Anm. I. 262 Anm. 13
2431" 246. 2651. Mission 14,24.27 Anm. 51. 32. 41.
Gewissen 138. 14Of.. 198.212. 222f. 102 Anm. 94. liD Anm. 140. I25f.
Glaube 24,45. 160f., 204f.. 232, 247- Anm. 200. 142. 167f., 176-178,
252.255.261.263.2741.,282 180. 184. 199.218 Anm. 117.219
Heilsgeschichte 21 Anm. 27. 79. 95. Anm. 220. 227, 245 Anm. 238,
97 Anm. 69. 103, 11Of., 131-134, 254, 275, 278-280
155.210,2181.,236 Möglichkeit 158 Anm. 112,272
Hoffnung 11. 159. 166, 184, 204f., Mystik/Kabbala 25 Anm. 39. 30, 42
2151.. 247-252, 2551.. 263, 273- Anm. 2. 67 Anm. 96,101. 217. 253
275.280.293 Anm. 273. 273 Anm. 54
Idealismus 82f. Anm. 16f.. 99, 124 Nationalsozialismus 37.39.216 Anm.
Anm. 194. 167, 184. 187 Anm. 107,237, 239f. Anm. 209
219, 253 Anm. 273 Natürliche Theologie 39. 151, 200,
Involution 70r., 73. 145,261,290 238 Anm. 201,239
Islam 14,36 Anm. 93f.. 58-60, 176 Noch nicht - Schon jetzt 22f.. 37. 40.
Isrllcl 14 Anm. 7, 16f.. 30f., 38, 95, 233.244,254 Anm. 276, 262
98, 108-110. 112 Anm. 148, 118- Offenbarung 33, 35, 85 Anm. 25, 99,
120. 124.226 Anm. 151, 234 Anm. 126, 152. 177 Anm. 183, 205.
186.265.272,2801.,295 2311..2381.,250,268,285
Judentum 11. 13f., 24-41, 60-62. 74. OT1hodoxie 29 Anm. 61. 30f.. 93. 98.
77. 118-120. 160-168, 174-177. 124. 126. 130f.. 134, 175 Anm.
2081.. 216 Anm. 105. 233. 254. 176.226.228
269-272,276-282.287.295 Par.ldoxie 54f., 70. 198 Anm. 21, 201,
Konkretion 74, 168, 174. 186-188, 205.212-215.221.241-247
216 Anm. 103.294 PaT1ikularität - Universalität 19. 22,
Konsequente Eschatologie 12, 190- 27. 32. 34. 54. 56. 60-62. 63-68,
192, 255 Anm. 282. 26If., 274 75.77.2341.,262.264
Anm. 57. 277 Anm. 63 Parusie 28f.. 40. 45 Anm. 13. 56f.
Liebe 22, 24. 32, 36. 53 Anm. 57. Anm. 51. 72. 851., 98. 102. 1041..
100.274 Anlll. 57 1101.. 1141" 117. 120-125. 127.
Luthcrrenaissance 198-202.212.258 130. 133-135. 152, 157-159. 173-
Mcnschheit 27. 32. 34. 67 Anm. 94. 175. 181, 2181., 232. 250 Anm.
88-90. 122-126, 159-168, 171- 257.256.263-265.2671..273-282
173.1751.,183-185.265.275-282 Person 47.66 Anm. 86, 84-86. 91-
Messianismus 19-22. 28-30. 32. 34. 99. 1041., 107. 1091.. 112-114.
65. 75. 106. 172-175. 1841.. 187, 117-126. 130. 1331., 138. 1441"
226 Anm. 151, 264f. 147, 151-159, 192.202.206.212.
222, 230. 243 Anm. 228.253, 256-
328 Anhang

230. 243 Anrn. 228. 253. 256-258. Tod 36 Anm. 96. 47 Anm. 22. 66. 70.
264f.. 277 lOOf.. 111. 113. 115.139.154.206.
Polarilät 198,208. 231f.. 235. 244f.. 221-225.229.254 Anm. 279
256.266.276.284 Trinität 23. 30 Anm. 67. 43. 87-95.
Preußen 17 Anrn. 15. 19. 23. 61. 70 153.253
Anm. 106. 114 Anm. 163 Unsterblichkeil 19.29.42.47.49.54-
Rabbinismus 25 Anm. 39. 26-32. 128 57.64-67.102 Anm. 93.115 Anm.
Anm.205. 174,274 Anm. 55 168.145.147.196-203,205-208
Rechtfertigung IIIL, 116. 148. 153. Verheißung 35-37. 47. 62f.. 76. 80-
159. 165. 198.212.216.238.256 86. 106. 118f.. 126-130. 133. 143f..
Anm. 284. 274f. 148.150-152. l66f.. 171. 173.205.
Regulative Idee 53. 69, 74f.. 154. 210. 222. 226f. 229-233. 240
241f.. 246. 248 Anm. 247. 261 Anm. 211. 256f.. 262-267. 2~
Religionsgeschichtliehe Schule 14, 273,275.278.288.292
17f., 27.107 Anm. 124. 234f. VermilllungslheoJogie 69-74, 94
Romantik 70,84[, 140 Anm. 20 Anm. 61. 125 Anm. 197. 128. 145.
Schema 21-24, 27f., 31 f.. 34. 4Of.. 49. 216.224.249.261.290
59. 63. 99. 124f.. 129. 161. 164. VolkINation 17. 19. 23. 30. 37. 61,
182. 188. 240. 245f.. 255. 258. 63. 65. 70 Anm. 106. 110. 112.
262f. 282. 284. 286. 294f 116. 124. I38f.. 142. 177.210.231
Schöpfung 33. 35f.. 47 Anm. 22. 52 Anm. 174.233-237.239
Anm. 39. 87. 9Of.. 98. 103. 127. Wahrheil und Wirlclichkeil 73-75.
146. 171. 216f.. 2241.. 238f.. 243. 81 f.. 158. 246f.. 255. 266f.. 27l,-
273 Anm. 54.285.291-295 274,285
Seele 29-31. 7Of.• 84. 96. 101. 116f.. Wesen der Religion 3If.. 42. 61. 165-
147.291 Anm.98 167,234 Anm. 188.280
Shoa Ilf.24. 187. 288f. 294 Ze;l 18.37.40.66. 75f.. 126f.. 142f..
Sünde 47 Anm. 22. 71, 9If.. 97. 102 216.250.264.268-273,277.280
Anm. 94. 111-115. 121, 149. 156. Anm.68
207.215.224. 238. 243. 256f. 275 Zeilschriften 19.69. 108. 189 Anm.
Teleologie 58. 149. 195-198. 201- 224. 198.237
206.21 I. 214 Anm. 91. 221. 240 Zionismus 23 Anm. 33. 25 Anm. 39.
Anm. 210. 250 Anm. 259 30f.. 249
Theo();zee 150.239.259. 288f.. 292f. Zwischenzusland/Miuelzusland 72.
Theosophie 100-102, 105. 146 Anm. 210.219 Anm. 118. 236f.
45.222.290

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