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S Dialekte in
Bayern
Handreichung für den Unterricht
Neuauflage 2015
Mit 2 DVDs
1
Dialekte in Bayern Einleitung
2
Dialekte in
Bayern
Handreichung für den Unterricht
Dialekte in Bayern
Die Erstausgabe dieser Handreichung (2006) wurde im Auftrag des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und
Kultus in Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Rundfunk von einem Arbeitskreis am Staatsinstitut für Schulqualität und
Bildungsforschung (ISB) erstellt:
Mitglieder:
Siegfried Bräuer Grundschule Winklarn-Thanstein
PD Dr. Rupert Hochholzer seit 2008 Prof. an der Universität Regensburg
Doris Jenetzky Gymnasium Marktbreit
Dr. Ulrich Kanz seit 2014 König-Karlmann-Gymnasium Altötting
Franziska Scheule-Walter Simpert-Kraemer-Gymnasium Krumbach
Dr. Alfred Wildfeuer seit 2014 Prof. an der Universität Augsburg
Internet: Die Handreichung sowie zusätzliche Hörproben sind auf der Homepage des Staatsinstituts für Schulqualität und
Bildungsforschung (ISB) abzurufen: www.isb.bayern.de.
Das Staatsinstitut hat sich bemüht, sämtliche Abdruckrechte einzuholen. Wo dies nicht gelungen ist, können berechtigte
Ansprüche im üblichen Umfang auch nachträglich geltend gemacht werden.
Grußwort des Bayerischen Staatsministeriums für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst 5
Grußwort des Bayerischen Rundfunks 6
Einführung 7
Zur Einstimmung: Testen Sie Ihre Dialekt-Kenntnisse! 9
Bayern. So reden wir! 10
Der „Dienstag“ – mal so, mal anders 14
Einführung / Übersicht 106
Bairisch 108
Siegfried Bräuer, Alfred Wildfeuer
Fränkisch 149
Doris Jenetzky
Schwäbisch 193
Franziska Scheule-Walter
3
Einleitung Dialekte in Bayern
Los amol! Schau zua! Drigg drauf! Dialekt im Bayerischen Rundfunk 232
Karl Teofilovic
Auf den Spuren des Wortklaubers. Die Johann-Andreas-Schmeller-Gesellschaft und ihr 286
Förderpreis für Seminararbeiten an bayerischen Gymnasien
Christian Ferstl
„Freude an der Mundart wecken und verstärken“. Ein Projekt des Bayernbunds aus dem Chiemgau 296
Helmut Wittmann
Was kann Dialektdichtung, was Literatur in der Standardsprache nicht kann? 344
Ergebnisse einer Podiumsdiskussion
Gottlieb Gaiser
Bayernhymne 390
4
Dialekte in Bayern Geleitwort des Bayerischen Bildungsministers
Zugegeben: In Zeiten der Globalisierung Ich freue mich sehr über die beiden DVDs,
und einer hohen Mobilität der Menschen ha- die in der Handreichung für den Unterricht
ben die bayerischen Dialekte keinen leichten erschlossen werden. Sie enthalten alle Bei-
Stand. Das Standarddeutsche und die Welt- träge der vom Bayerischen Fernsehen mit
sprache Englisch beherrschen den öffentli- großem Erfolg ausgestrahlten Sendereihe
chen Diskurs. Allein: Wer Mundart spricht, „Dialekte in Bayern“; ein eigens für diese
verweist auf seine Herkunft, gewinnt Identität Publikation erstelltes Auswahlmenü ermög-
und verfügt über eine unschätzbare sprach- licht den zielgerechten Einsatz in der Schule.
liche Ressource. Die Filme bieten eine in jeder Hinsicht lehr-
reiche, dabei stets unterhaltsame Reise durch
Mundart als „Sprachbarriere“ anzusehen, die bayerischen Sprach- und Kulturlandschaf-
die den Erfolg in Schule und Beruf behin- ten – eine Heimatkunde der besondern Art,
dere, führt in die Irre. Die Ergebnisse natio- von der ich als Schüler sehr profitiert hätte!
naler Schulleistungsvergleiche beweisen
das Gegenteil. Länder wie Bayern, Baden- Ich wünsche der Handreichung „Dialekte in
Württemberg und Sachsen, die stark von Bayern“ ein breites und nachhaltiges Echo.
einer lebendigen mundartlichen Kommuni- Allen, die beim Bayerischen Runfunk und am
kation geprägt sind, belegen dort stets die ISB an ihrer Entstehung mitgewirkt haben,
ersten Plätze – in allen Testbereichen. gilt mein herzlicher Dank. Den Trägern und
Dialekt macht offensichtlich schlau! Initiatoren der in diesem Band beschriebenen
Mundart-Projekte versichere ich meine
Die moderne Hirnforschung bestätigt das Wertschätzung.
kognitive Potenzial von Dialektsprechern und
hebt das bereichernde Element der zusätz- München, im Juli 2015
lichen sprachlichen Register hervor: Kinder
aus Familien, in denen Dialekt gesprochen
wird, lernen früh, zwischen verschiedenen
Sprachebenen zu unterscheiden und ihren
so gewonnenen Sprachreichtum zu nutzen.
Hierdurch wächst ihr sprachanalytisches Dr. Ludwig Spaenle
Verständnis und Denkvermögen, von dem Bayerischer Staatsminister für Bildung
sie auch später profitieren werden. und Kultus, Wissenschaft und Kunst
5
Geleitwort des Bayerischen Rundfunks Dialekte in Bayern
Ein Vorschlag für eine Der Bayerische Rundfunk will für alle in Bay-
Mutprobe: samstagmor- ern lebenden Menschen Programm machen
gens in Bad Tölz, Fürth und dabei ganz unterschiedlichen Vorstellun
oder Würzburg in eine gen von „Heimat“ Rechnung tragen: Dialekt
Bäckerei gehen, „Bröt- ist nicht Brauchtum, sondern tagtägliche Re-
chen“ bestellen und am alität! Hieraus resultiert eine Querschnitts-
Ende „Tschüss!“ sagen. aufgabe, die nicht in eine Programmnische
Mit an Sicherheit gren- verbannt werden darf. Deshalb nehmen wir
zender Wahrscheinlich- uns der Aufgabe sowohl in Formaten an, die
keit wird ein Raunen eher von traditionsbewussten Zuschauern ge-
durch die Bäckerei gehen und vielleicht wird schätzt werden, wie auch in Sendungen, die
sogar der ein oder andere Wartende mehr sich gezielt an unser junges Publikum richten,
oder weniger deutlich zum Ausdruck bringen: „Heimatsound“ zum Beispiel. Die Bandbreite
„Semmel“ heißt das, „Weggla“ oder „Kipf“. unseres Angebots ist groß. Der Beitrag „Los
Und natürlich „Servus!“ oder „Ade!“. Aber amol! Schau zua! Drigg drauf! – Dialekt im
nicht „Tschüss!“. Bayerischen Rundfunk“ in dieser Handrei-
chung zeigt dies kompakt und anschaulich.
Beim Dialekt wird es gerne emotional –
natürlich. Denn es geht um die eigenen Ganz ausdrücklich hat sich das Bayerische
Wurzeln. In einer harmlosen Bestellung von Fernsehen in der Sendereihe „Dialekte in
„Brötchen“ steckt dann schnell einmal mehr: Bayern“ mit dem Thema auseinandergesetzt.
die Veränderung des eigenen Ortes oder Die Sendereihe wurde ab 2003 mit sehr guter
Stadtviertels, die Globalisierung, für man- Zuschauerresonanz im Bayerischen Fernse-
che gar der Verlust der „guten alten Zeit“. hen sowie in BR-alpha ausgestrahlt.
Sprachlicher Purismus und die nostalgische
Beschwörung der Vergangenheit helfen je- Es freut mich deshalb sehr, dass die erfolg-
doch nicht weiter, wenn man den Eigenwert reiche Handreichung von 2006 nun in einer
des Dialekts wachhalten will. Zeitgemäße erweiterten und aktualisierten Fassung vor-
Dialektpflege ist gefragt. liegt. Die Verwendung der Handreichung und
der Filme unserer Sendereihe im Unterricht
Der Anteil der Dialektsprechenden nimmt ab, an allen bayerischen Schulen ist ein wert-
doch glaubt man den Dialektpflegern von voller Beitrag zu einer zeitgemäßen Dialekt-
Aschaffenburg bis Berchtesgaden, ist Bayern pflege. Möglich gemacht wurde dies durch
noch vergleichsweise besser gestellt als an- die gemeinsame Anstrengung von Vertretern
dere Regionen. Bei aller nicht zu leugnenden des Bayerischen Staatsministeriums für Bil-
Globalisierung von Lebensstilen ist gleichzei- dung und Kultus, Wissenschaft und Kunst,
tig eine Rückbesinnung auf Heimat und Dia- des Staatsinstituts für Schulqualität und Bil-
lekt zu beobachten. Bemerkenswert ist etwa, dungsforschung (ISB) sowie des Bayerischen
wie „in“ es in der bayerischen Musikszene Rundfunks. Allen Beteiligten gilt mein herz-
mittlerweile ist, im Dialekt zu singen. Der licher Dank.
Bayerische Rundfunk darf stolz darauf sein,
in seinen jungen Formaten in Fernsehen, München, im Juli 2015
Hörfunk und Online diesen Trend früh beglei-
tet und gefördert zu haben. So muss es auch
sein: Die regionale Vielfalt Bayerns darzu-
stellen, der Eigenart Bayerns gerecht zu wer- Bettina Reitz
den, ist ein expliziter Auftrag aus dem Baye- Fernsehdirektorin des Bayerischen
rischen Rundfunkgesetz. Rundfunks
6
Dialekte in Bayern Einführung
7
Einführung Dialekte in Bayern
„Oberviechtacher Dialektprojekt“ bis hin senschaftler Prof. Dr. Werner König wehrt
nach Schwaben (Schwäbisches Literatur- sich dabei vehement gegen die mitunter im-
schloss Edelstetten e. V.) und Oberbayern, mer noch anzutreffende Diskriminierung von
wo 2010-2014 das Pilotprojekt des Bayern- Mundartsprechern. Dr. Norbert Göttler,
bunds „Freude an der Mundart wecken und Bezirksheimatpfleger von Oberbayern, macht
verstärken“ neue Maßstäbe für die Mundart- Vorschläge für eine zeitgemäße Heimatpflege
förderung in Kindertageseinrichtungen und plädiert mit Blick auf den Wandel des
und Schulen setzte wie derzeit „MundART Heimatbegriffs im Laufe der Geschichte für
WERTvoll“ im Rahmen des Wertebündnis eine moderne, offene Definition, die im Zeit-
Bayern. Die Beiträge machen deutlich, dass alter der Globalisierung auch das Fremde
Dialektförderung eine gesamtgesellschaft- einschließt und als Bereicherung empfindet.
liche Aufgabe ist und nur im Zusammen- Prof. Dr. Anthony Rowley, Leiter der Kommis
spiel mit außerschulischen Akteuren gelin- sion für Mundartforschung an der Bayeri
gen kann: Eltern, Vereinen, Verbänden sowie schen Akademie der Wissenschaften, macht
wissenschafltlichen, kulturellen und öffent- Vorschläge zum Erhalt der Dialekte unter
lichen Einrichtungen wie etwa dem Baye- Berücksichtigung des Sprachwandels, der
rischen Rundfunk. Aufgeschlossene und tat- regionale Mundarten in die Defensive drängt.
kräftige Partner der Dialektförderung wie der Am Ende steht mit gutem Grund die Bayern-
Förderverein Bairische Sprache und Dialekte hymne, die auch als pädagogischer Auftrag
e. V. (FBSD), die Bayerische Landeskoordinie gelesen werden kann.
rungsstelle Musik (BLKM), der Bayerische
Landesverein für Heimatpflege oder der Die Handreichung sowie zusätzliche Hör
Bayerische Club werden deshalb am Ende proben zu den Unterrichtsmodulen sind auch
des Kapitels vorgestellt. auf der Homepage des Staatsinstituts für
Schulqualität und Bildungsforschung (ISB)
Teil V widmet sich der Dialektliteratur in Bay abzurufen, um die Nachhaltigkeit der Publika-
ern, die in hohem Maße dazu geeignet ist, die tion zu sichern, die wie die Erstauflage mög-
Freude an der Auseinandersetzung mit der lichst großen Nutzen stiften möge. Der Ver-
Mundart zu fördern. In einer Podiumsdiskus- trieb erfolgt über das Broschürenbestellportal
sion kommen die Autoren Friedrich Brandl der Bayerischen Staatsregierung, um auch
aus der Oberpfalz, Gerhard C. Krischker aus interessierten Bürgerinnen und Bürgern
Ober- und Helmut Haberkamm aus Mittelfran- und außerschulischen Akteuren der Dialekt
ken sowie Josef Wittmann aus Oberbayern förderung den Zugriff zu ermöglichen.
zu Wort. Sie berichten von persönlichen Er-
fahrungen als Mundartschriftsteller und dis- Der Dialekt vermittelt Heimat und Identität, er
kutieren dabei auch grundsätzliche Fragen integriert und bereichert. Manchmal sind es
der Mundartliteratur wie ihre Möglichkeiten nur wenige Laute, die das Gefühl von Heimat
und Grenzen, Probleme der Schreibweise so- und landsmannschaftlicher Identität vermit-
wie die Zukunft des Dialekts und seinen Stel- teln können. „Der Dialekt ist eigentlich das Ele-
lenwert im Unterricht. Gedichte der Autoren ment, in dem die Seele Atem schöpft“, heißt
machen das Gesagte deutlich. „Mei Sprouch, es bei Goethe. Helfen wir mit, es zu pflegen.
meine Lyrik“ lautet der Titel eines Essays,
den freundlicherweise Fitzgerald Kusz zur Ver-
fügung gestellt hat. München, im Juli 2015
Teil VI der Neuauflage setzt sich mit dem Hermann Ruch (ISB)
Themenfeld „Sprache, Heimat, Werte“ aus-
einander und klärt die hier anzutreffenden
Verbindungen. Der Augsburger Sprachwis-
8
Dialekte in Bayern Test zur Einstimmung
Niederbayerisch/
Ober, Unter- Oberpfälzisch
und Mittelfranken Obacht, heit is hai
Ruassln
Saamala mang
Seidel Beia
Marmalaadnamala da Död
Trudschala Erdöpfe
ozullts Buddlasbaa
Mohschei
Frägga Laabla
Veichfuada
Schinoos
Moidl
Schwäbisch
Oberbayerisch
Krot/Brooz
Oascheim Drialer
nächt
a Loamsiada
Dua ned rumbeffzgern.
a Schaffal
Hagemeisa
So a Brenntn! gimpisch
a Zwickabussi Er schlääft si ei.
Scheene Wuckerl
In d`Lettn steign
9
Bayern. So reden wir! Dialekte in Bayern
10
Dialekte in Bayern Bayern. So reden wir!
Im Großraum Nürnberg dominiert der ost- In dem Dorf Altreichenau sagen die Men-
fränkische Dialekt, der aber mit nordbairi- schen gre-os zu groß und Fle-ong zu Fliege.
schen und oberpfälzischen Elementen ge- Auffallend ist auch die Besonderheit in Wör-
würzt ist (aus guud wird goud). Und vielleicht tern, die das mittelhochdeutsche iu enthiel-
auch noch mit einer Prise Wienerisch, hinein- ten. „Teufel“ klingt in Breitenberg wie de-
gestreut vom Trainer Max Merkel, der mit ofö. Ein schönes Beispiel für die Veränderung
dem Club 1968 Meister wurde, aber ein ver- des ô in e-u liefert auch das wunderbare alte
baler Haudrauf war. Wenn in Nürnberg einer Volkslied „s‘Annamirl z’Hausstoa“.
despektierlich Oarschloch sagt, könnte durch-
aus der alte Merkel der Urheber dieser Wie- Im Volkslied heißt es: Sieben Kinder und
ner Schimpfwortspezialität gewesen sein. koa Breod, is an Annamirl sei Deod. (Sieben
Kinder und kein Brot, das bedeutet Annamirls
Mit den anderen ostfränkischen Dialekten Tod.)
teilt das Nürnbergische vor allem die weiche
Aussprache der Konsonanten p und t, wes-
halb der Nürnberger von einem briima Beim „Kini“ daheim wird
Dadord spricht, wenn ihm der Sonntagskrimi Schwäbisch gschwätzt
gefallen hat, Allmächdnaa. Um richtiges
Nürnbergerisch zu hören, sollte man dem Auch wenn‘s keiner glaubt: In der Heimat
Dichter Fitzgerald Kusz lauschen, der diesen der Bayern-Ikone Ludwig II. ist der bairische
Dialekt zur Kunst erhoben hat. So dichtet Dialekt selten zu hören. In der Gegend um
Fitzgerald Kusz: die Königsschlösser Hohenschwangau und
Neuschwanstein, also im „Königswinkel“,
Wennsd aff di weld kummsd reden die Einheimischen überwiegend
gräichsd vuä deim geburds- Schwäbisch. Die für Ludwig II. gerne ver-
daddum ä schdernlä wendete Bezeichnung Kini ist keineswegs
wennsd schdirbsd ä kreizlä: ortsüblich, sie stellt vielmehr eine impor-
wos willsdn meä? tierte Dialektform dar.
11
Bayern. So reden wir! Dialekte in Bayern
12
Dialekte in Bayern Bayern. So reden wir!
13
Varietäten: Der „Dienstag“ Dialekte in Bayern
Karte: Manfred Renn / Werner König: Kleiner Bayerischer Sprachatlas. München 2006, S. 102
© 2005 Deutscher Taschenbuch Verlag, München
14
Dialekte in Bayern
Teil I
Dialekte in Bayern –
eine Sendereihe des Bayerischen Rundfunks
Folge 5: Von Ansbach über Bayreuth bis Coburg – Dialekt in Mittel- und Oberfranken
15
„Dialekte in Bayern“ – eine Sendereihe des Bayerischen Rundfunks Dialekte in Bayern
„Dialekte in Bayern“ –
eine Sendereihe des Bayerischen Rundfunks
Bayerischer Rundfunk, Arbeitskreis Dialekt
16
Dialekte in Bayern „Dialekte in Bayern“ – eine Sendereihe des Bayerischen Rundfunks
17
„Dialekte in Bayern“ – eine Sendereihe des Bayerischen Rundfunks Dialekte in Bayern
Die Sendereihe „Dialekte in Bayern“ wurde Um eine möglichst Gewinn bringende Arbeit
für ein breites Fernsehpublikum produziert. mit den DVDs zu ermöglichen, die am ein-
Es ist deshalb ratsam, sie frühestens ab der drucksvollsten mit Hilfe eines Beamers prä-
6. Jahrgangstufe einzusetzen – von der Ver- sentiert werden, werden nachstehend die
wendung ausgewählter Standbilder oder Folgen der Sendereihe ausführlich vorge-
Filmkapitel einmal abgesehen. Die Filme bie- stellt. Die Darstellung fasst dabei zunächst
ten wertvolles Ton- und Bildmaterial, das in den Inhalt der jeweiligen Sendung zusam-
vielerlei Hinsicht geeignet ist, die Schüler men und führt in die in Frage stehende The-
innen und Schüler für das Thema „Dialekt“ matik ein. Das Filmprotokoll bietet einen
zu interessieren. Da die Filme ein vielfältiges raschen Überblick über die Filmsequenzen,
Spektrum an Fragestellungen entwickeln, die Einstellungen und Bildfolgen zu thema-
können sie in ganz unterschiedlichen thema- tischen Einheiten bündeln. Die grau hinter-
tischen Zusammenhängen das schulische legten Zeilen stellen die anwählbaren Film-
Angebot bereichern helfen. An die Vorbe- kapitel dar, einzelne oder zusammengefasste
reitung von Schülerreferaten oder die Ab- Filmsequenzen. Es folgen Fragen /Aufgaben
fassung einer Facharbeit ist dabei ebenso zum Film einschließlich des Erwartungshori-
zu denken wie an die Frei- und Projektar- zonts. Bei den Folgen 5 und 6 werden in die-
beit, Vertretungsstunden oder die Intensi sem Zusammenhang ein Kreuzworträtsel
vierungsstunden am Gymnasium. und ein Multiple-Choice-Test an die Hand
gegeben. Themen zur Vertiefung und Weiter-
Für den Einsatz im Unterricht bieten die arbeit und zusätzliche Hinweise runden das
beiden DVDs folgende Möglichkeiten: Angebot ab, das bewusst ein fächerübergrei-
fendes bzw. fächerverbindendes Inhaltsspek-
Vorführung eines vollständigen Films mit trum entwirft und von den Lehrkräften auf die
anschließender Auswertung in Einzel-, Part- jeweilige unterrichtliche Situation, Ziel- und
ner- oder Gruppenarbeit (ggf. auf Grundlage Altersgruppe zugeschnitten werden sollte.
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Dialekte in Bayern „Dialekte in Bayern“ – eine Sendereihe des Bayerischen Rundfunks
FOLGE 1
Echt bayerisch – Mundarten im Freistaat
Folge 1 der Sendereihe „Dialekte in Bay- die Standardsprache als voll ausgebilde
ern“ zeigt die Bedeutung des Dialekts für tes Sprachsystem, wird die Bewertung der
den Mundartsprecher und informiert über Sprachsysteme heute aufgehoben. Dialekt ist
die Lage des Dialekts in Bayern. Er macht nicht minderwertiger als die anderen Sprach-
mit grundlegenden Konzepten der neue- ausprägungen, sondern einfach in anderen
ren Dialektforschung (Modell des sprach- Situationen angebracht. Die Reflexion von
lichen Kontinuums, Varietäten im Sprach- Sprechsituationen und die Förderung des
system Deutsch, innere Mehrsprachigkeit) situationsadäquaten Sprechens stellen so-
vertraut und fordert die Schule dazu auf, mit eine zentrale Aufgabe der schulischen
die Verwendung von Dialekt neu zu be- Spracherziehung dar.
werten. Darüber hinaus wird auf die ästhe-
tische Qualität des Dialekts eingegangen. Übrigens: Gerade in Bayern trifft man wegen
historischer und geographischer Gründe auf
ganz besonders viele unterschiedliche Dialekt-
Zwischen Aschaffenburg und Berchtesgaden, ausprägungen: Bairisch (in Ober- und Nie-
zwischen Lindau und Hof leben rund zwölf derbayern und der Oberpfalz), Schwäbisch-
Millionen Menschen und die meisten spre- Alemannisch (links des Lechs), Ostfränkisch
chen Dialekt. Laut einer Allensbacher Um- (in fast ganz Franken), Rheinfränkisch (rund
frage (1998) beantworteten zwei Drittel der um Miltenberg), Thüringisch (Henneberger
Befragten, dass sie die Mundart aus der Ge- Raum) und Hessisch (im Spessart).
gend sprechen. Solche Erhebungen schei-
nen zu beweisen, dass kein dramatischer
Rückgang des Dialekts stattfindet. Trotzdem
ist eine allmähliche und kontinuierliche An- Buchempfehlung
passung an die Standardsprache, das so ge-
nannte Hochdeutsche, zu erkennen – beson-
ders im Ballungsraum München.
19
„Dialekte in Bayern“ – eine Sendereihe des Bayerischen Rundfunks Dialekte in Bayern
Filmsequenzen Kapitel
Nr. Bildebene – Thema Nr.
9 Dialektkarte Bayern 4
10 Statement Prof. Greule (Uni Regensburg) – Ursachen der Dialektvielfalt (2:01)
20
Dialekte in Bayern „Dialekte in Bayern“ – eine Sendereihe des Bayerischen Rundfunks
4. „Blaukraut oder Rotkohl?“ – „Semmel“ oder „Brötchen“? Bewerte das Vordringen der
Standardsprache in den Alltag und kläre dabei dein eigenes Verhältnis zum Dialekt.
(freie Antwort)
5. Welche Forderungen erhebt der Vorsitzende des Fördervereins Bairische Sprache und
Dialekte e. V.? Setze dich mit ihnen auseinander. Berücksichtige dabei die gegenwärtige
Situation des Dialekts in Bayern.
Schutz der bairischen Mundarten durch Aufnahme in die Europäische Charta der Regional-
oder Minderheitensprachen, Dialekterziehung in der Schule auch für Kinder nicht-bayerischer
Herkunft, Aufnahme dialektaler Texte in Schulbücher
6. „y“ oder „i“? Wer ersetzte die ältere Schreibung „Baiern“ durch „Bayern“? Was waren die
Beweggründe und wo zeigen sich diese in der Architektur? In welchen Wissenschaften gilt
nach wie vor die Schreibung „Baiern“? Was ist damit gemeint?
Wer: Ludwig I. (1825-1848); Beweggründe: Begeisterung für die antike Kultur Griechenlands;
Architektur: z. B. klassizistische Bauten Leo von Klenzes am Münchner Königsplatz,
Walhalla bei Regensburg; „Baiern“: Volkskunde (für den Volksstamm der Baiern), Sprach-
wissenschaft (für die bair. Sprache)
7. Nenne die drei großen bayerischen Dialekträume. Welche angrenzenden Dialekträume gibt es?
Dialekträume: Bairisch (Mittelbairisch, Nordbairisch), Schwäbisch, Ostfränkisch
angrenzende Dialekträume: Thüringisch (im Nordosten); Rheinfränkisch, Hessisch
(westlich der Spessart-Barriere); Alemannisch (westlich des Lechs)
9. Erläutere am Beispiel des Sprachverhaltens des Tierarztes Dr. Brunhold das Modell des
sprachlichen Kontinuums.
Abhängig vom jeweiligen Gesprächspartner und der jeweiligen Sprechsituation wechselt
der Tierarzt vom Dialekt und der Umgangssprache in die Standard- bzw. Hochsprache.
Diese Übergänge vollziehen sich bei kompetenten Sprechern unbewusst und fließend.
21
„Dialekte in Bayern“ – eine Sendereihe des Bayerischen Rundfunks Dialekte in Bayern
11. Wie wird das Verhältnis von Dialekt und Standardsprache in der heutigen Sprachwissen-
schaft gesehen?
gleichwertig, keine Abwertung des Dialekts
13. Beschreibe die Ziele, Methoden und Schwierigkeiten bei der Erstellung des Bayerischen
Wörterbuchs.
Ziele: Dokumentation des Lebens- und Sprachwandels in Bayern
Methoden: Sammlung von Sprechproben und Materialien durch über das Land verstreute
Gewährsleute (z. B. Studenten, ältere Mundartsprecher), Sichtung und Katalogisierung in der
Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Verfassen der Wortartikel
Schwierigkeiten: Aussterben der echten Mundartsprecher, Unterscheidung von echtem und
falschem Dialekt, beschleunigter Sprachwandel
FOLGE 2
Im Wandel der Geschichte –
Sprachräume in Bayern
Der Film zeichnet die Entwicklung der 8. Jahrhundert wie Aufzeichnungen des
Dialekte in Bayern nach, von den Anfän- „Vater unser“, die aus allen drei Sprach-
gen bis zur Gegenwart. Gleichzeitig wer- räumen überliefert sind.
den Arbeitsweisen und Zielsetzungen
der wissenschaftlichen Dialektforschung In den folgenden Jahrhunderten entwickeln
beschrieben. sich die Dialekte auseinander. Der Grund:
Die Menschen werden sesshaft, bauen Höfe,
bewirtschaften ihr Land. Und kommen nicht
Streichmatz, Zibeleskäs oder Matte – für das weit herum, höchstens in die nächsten Dör-
hochdeutsche Wort Quark gibt es in Bayern fer. Sie müssen sich nicht anpassen an Men-
mehr als 20 Dialektbezeichnungen. In die- schen, die anders sprechen. Berge, Flüsse,
ser Vielfalt spiegelt sich eine jahrtausende- Seen und politische Grenzen behindern die
alte Sprachgeschichte. Manche Ausdrücke Ausbreitung sprachlicher Veränderungen. Es
sind im Alltag entstanden wie das Wort Top- entstehen neue Sprachräume, die die Viel-
fen, das von dem Topf kommt, in dem er her- falt der Dialekte begründen. Im 15. Jahrhun-
gestellt wurde. In den Wörtern stecken aber dert können sich Menschen aus entfernteren
auch die Einflüsse der verschiedenen Völker, Gegenden Bayerns kaum noch verstehen.
die auf bayerischem Boden siedelten. So weit haben sich die Dialekte auseinander
entwickelt. Noch im 18. Jahrhundert spricht
Die ersten Bewohner Bayerns, von deren auch der Gebildetste Dialekt, selbst am kai-
Sprache man etwas weiß, sind die Kelten der serlichen Hof. Friedrich Nicolai, ein Berliner
so genannten Latènezeit ab 500 vor Chris- Journalist, berichtet 1781 aus Wien, was eine
tus. Die Spuren der Kelten sind vor allem bei österreichische Gräfin zu einer bairischen
Ortsnamen nachweisbar: Ratisbona, die alte sagte: „Liebe! Solltens halt nit so schlecht
Bezeichnung für Regensburg, ist beispiels- deutsch sprechen. Sprechen immer ‚die Koa-
weise keltisch. Der Einfluss der Römer ist serinn; muß haaßen die Kaaserinn’.“
leichter erkennbar. Die lateinische Sprache
lässt sich nicht nur in hochdeutschen Wör- Eine einheitliche gesprochene Hochsprache
tern finden, sondern auch in vielen Ausdrü- entsteht Ende des 19. Jahrhunderts auf der
cken des Dialekts. Im Allgäu heißt die Toch- Bühne. Die Klassiker in Dialekt vorgetragen –
ter fehl, von filia. Canalis, die Röhre, hat dem das geht nicht. 1898 treffen sich Theaterdirek-
Kännel, der Dachrinne, den Namen gegeben. toren und Germanistikprofessoren, um eine
einheitliche Sprache für die Bühne festzule-
Mit dem Zusammenbruch des römischen gen und geben ihre Regeln in einem Buch
Reiches im 5. Jahrhundert dringen Germa- heraus. Ursprünglich nur für die Bühne konzi-
nen in das Gebiet südlich der Donau ein: piert, wird der so genannte „Siebs“ zur Norm
Alemannen, aber auch Franken und Thürin- für eine allgemeine deutsche Aussprache. Im
ger. Östlich des Lechs bildet sich eine neue Glauben, das sei das bessere Deutsch, legen
Völkerschaft, die Baiern. Germanisch ist nun viele ihre Dialekte ab.
die beherrschende Sprache. Die Dialekte von
Franken, Alemannen und Baiern unterschei-
den sich kaum. Das zeigen Quellen aus dem
23
„Dialekte in Bayern“ – eine Sendereihe des Bayerischen Rundfunks Dialekte in Bayern
Diesem Trend etwas entgegensetzen – das ihres Dorfes beherrschen. Tausende Dialekt-
ist das Ziel der Wissenschaftler, die am Baye- wörter, grammatische Formen sowie Laute ha-
rischen Sprachatlas mitarbeiten: Seit 20 Jah- ben sie aufgeschrieben. 12 Bände des Sprach-
ren fahren sie von Ort zu Ort und befragen atlas sind bereits erschienen, rund 40 werden
Menschen, die noch die Mundart ihrer Region, es am Ende sein.
Filmsequenzen Kapitel
Nr. Bildebene – Thema Nr.
24
Dialekte in Bayern „Dialekte in Bayern“ – eine Sendereihe des Bayerischen Rundfunks
3. Nenne zwei bayerische Städtenamen, die sich aus dem Keltischen herleiten.
Kempten (Kampódunon), Regensburg (Ratisbona)
5. Wie lautet die gängige Meinung über den Ursprung der Baiern?
Die Baiern waren kein geschlossener Stamm, sondern entstehen als Mischvolk aus unter-
schiedlichen germanischen Stämmen, die sich nach dem Rückzug der Römer auf dem Gebiet
des heutigen Bayerns niederließen.
6. Wie gestaltet sich die sprachliche Situation nach dem Abzug der Römer?
Vordringen des Germanischen – relativ einheitliche Dialekte
7. Welche Rolle spielen die Klöster in der deutschen Sprachgeschichte ab dem 8. Jh.?
Stätte des Übergangs zur Schriftlichkeit, Abkehr vom Lateinischen und Hinwendung zur
(dialektalen) Volkssprache, Dialekte = Basis der Hochsprache
8. Wie heißt das älteste deutsche Sprachdenkmal? Wie erklärt sich sein Titel?
Worin besteht sein Inhalt?
Abrogans (lat.) = erstes Wort dieses Wörterbuchs
9. Beim Übergang vom Germanischen zum Althochdeutschen im 5.-7. Jh. verändern sich z. B.
maken zu machen, water zu Wasser, slapen zu schlafen. Wie nennt man dieses Phänomen?
Welche Bedeutung hat es für den deutschen Sprachraum und Bayern?
Phänomen: 2. Lautverschiebung
Bedeutung: Teilung des deutschen Sprachraums in niederdeutsch (= Nord, Beibehaltung
des alten Lautstands) und hochdeutsch (= Süd, neuer Lautstand)
Bayern: gehört zum Hochdeutschen
10. Welche Ursachen führen zur Ausdifferenzierung der ursprünglich relativ einheitlichen
bayerischen Dialektlandschaft vom 8.-15. Jh.? Welche Folgen hat dies für die kommunikative
Reichweite der gesprochenen Sprache?
Ursachen: Sesshaftwerdung – Kleinräumigkeit des menschlichen Verkehrs –
natürliche und politische Grenzen
Folgen: eingeschränkte Kommunikationsfähigkeit der Menschen
25
„Dialekte in Bayern“ – eine Sendereihe des Bayerischen Rundfunks Dialekte in Bayern
11. Welche Bedeutung haben ab Beginn der Neuzeit Buchdruck und Lutherbibel für die
geschriebene und gesprochene Sprache?
geschriebene Sprache: Vereinheitlichung – Übergang zum Neuhochdeutschen – Anpassung
des Niederdeutschen an das Hochdeutsche
gesprochene Sprache: Im Norden Anpassung an das Neuhochdeutsche, im Süden Dominanz
der regionalen Dialekte bis ins 19. Jh.
12. Wann, wo und warum entsteht eine einheitliche deutsche Hochsprache? Welche Folgen
hatte dies?
Wann: Ende des 19. Jahrhunderts
Wo: im Bereich des Theaters
Grund: Angst vor Verunglimpfung klassischer Texte durch vom Dialekt bestimmte
Aussprache der Schauspieler
Folgen: Beginn des Niedergangs des Dialekts
13. Welcher Methoden bedient sich die moderne Dialektforschung?
Interviews vor Ort mit Mundartsprechern, Erfassung des Sprachmaterials mittels Lautschrift
und Tonband, fotografische Erfassung historischer Sachkultur (z. B. Werkzeuge) für die Zu-
ordnung versunkener Begrifflichkeiten, Auswertung des Sprachmaterials mit Hilfe des PC und
eines speziellen Codierungssystems
14. Mit welchen Problemen haben die Mitarbeiter am Bayerischen Sprachatlas zu kämpfen?
Vereinbarung von Aufzeichnungs- und Auswertungskonventionen (Kartierung, Symbole,
Kommentare), Materialfülle, Schwierigkeit der Erstellung großflächiger Dialektkarten, Kom-
plexität der Darstellung (Kommentare, Beleglisten, Fülle der Karten), Aussterben verlässlicher
Mundartsprecher bzw. Niedergang des Dialekts im Allgemeinen
26
Dialekte in Bayern „Dialekte in Bayern“ – eine Sendereihe des Bayerischen Rundfunks
FOLGE 3
An Isar, Inn und Donau –
Dialekt in Ober- und Niederbayern
Folge 3 der Sendereihe thematisiert die und geht der Frage nach der Zukunft dieser
Mundart im Isar-Donau-Raum, die sich his- Mundart nach. Denn obwohl Bairisch als der
torisch entlang der Achse München – Wien beliebteste unter den deutschen Dialekten
herausgebildet hat und heute noch in Ober- gilt, ist es ausgerechnet in der Landeshaupt-
und Niederbayern sowie in weiten Teilen stadt aus der Mode gekommen, Bairisch zu
Österreichs gesprochen wird. Sprachwis- sprechen. Eine Studie des Sprachforschers
senschaftler nennen sie „Mittelbairisch“. Bernhard Stör von der Ludwig-Maximilians-
Universität hat ergeben, dass der Dialekt im
Charakteristisch für das Mittelbairische, das Großraum München vom Aussterben be-
viele für das eigentliche „Boarisch“ halten, ist droht ist. Kinder Bairisch sprechender Eltern
die Vokalisierung des „L“. Statt „viel zuviel reden oftmals nur noch Hochdeutsch – eine
Gefühl“ sagen Ober- und Niederbayern „vui für manchen Bayern alarmierende Entwick-
zvui Gfui“ oder auch „vei zvei Gfei“. Dass lung, die v. a. einer zunehmenden Mobilität
das „L“ nach Vokal aufgelöst wird, ist ein der Menschen und dem Einfluss der Medien
sprachliches Phänomen, das die Oberpfälzer, geschuldet ist. Vor diesem Hintergrund ver-
die ja auch Bairisch sprechen, nicht kennen. wundert es nicht, wenn Fördervereine die
Pflege der heimischen Mundart propagieren
Der Film stellt die Merkmale und Eigen- und Kinder zu bewussten Dialektsprechern
heiten des (mittel-)bairischen Dialekts heraus erziehen wollen.
Filmsequenzen Kapitel
Nr. Bildebene – Thema Nr.
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„Dialekte in Bayern“ – eine Sendereihe des Bayerischen Rundfunks Dialekte in Bayern
Filmsequenzen Kapitel
Nr. Bildebene – Thema Nr.
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Dialekte in Bayern „Dialekte in Bayern“ – eine Sendereihe des Bayerischen Rundfunks
3. Zu welchem bairischen Sprachraum gehören Ober- und Niederbayern? Was unterscheidet ihn
von den anderen bairischen Sprachräumen?
Mittelbairisch = größter und bevölkerungsreichster Sprachraum, den viele für das eigentliche
Bairisch halten
6. Erkläre kurz, was ein „Zwielaut“ ist? Nenne ein Beispiel für einen Zwielaut aus dem Bairischen!
Ein Zwielaut ist eine Verbindung aus zwei Vokalen. Das Bairische hat z. B. den Zwielaut „oa“.
8. Warum weist das Bairische viel mehr Zwielaute auf als die Standardsprache?
Das Bairische hat viele Zwielaute aus älteren Sprachstufen des Deutschen bewahrt und im
Laufe der Sprachentwicklung eigene Zwielaute entwickelt.
9. Nenne einige bairische Verkleinerungsformen, die sich auf Speisekarten in Bayern finden!
Reherl, Schwammerl, Lüngerl, Haferl
12. Welche Aufgaben hat der Förderverein Bairische Sprache und Dialekte e. V.?
Erhalt und Pflege der Mundarten
13. Wie viele Zwielaute hat der Dialekt von Gossersdorf im Bayerischen Wald? Wie viele hat die
Standardsprache?
Gossersdorf: 24 Zwielaute; Standardsprache: 3 Zwielaute
14. Woran v. a. erkennt man die sprachliche Nähe Gossersdorfs zur Oberpfalz?
Zunahme der ou-Laute
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„Dialekte in Bayern“ – eine Sendereihe des Bayerischen Rundfunks Dialekte in Bayern
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Dialekte in Bayern „Dialekte in Bayern“ – eine Sendereihe des Bayerischen Rundfunks
FOLGE 4
Von Regensburg bis zum Fichtelgebirge –
Dialekt in der Oberpfalz
Der Film führt in den Nordosten Bayerns Diphthonge, d. h. ou-Laute in der Sprache.
und beschäftigt sich mit dem Oberpfäl- Dass das jedoch reine Ansichtssache ist,
zischen, das seit Gottsched unter einem zeigt die englische Literatur, in der eben jene
schlechten Ruf zu leiden hat und vielen ou-Laute als besonders vornehm empfun-
reichlich exotisch anmutet. Dialektfor- den werden. Je weiter man Richtung Norden
schern hingegen bietet sich eine bis heute kommt, desto stärker sind sie in ihrer Ausprä-
lebendige Kulturlandschaft, in der es viel- gung. Dies hat sowohl historische als auch
fältige Entdeckungen zu machen gibt. landschaftlich bedingte Gründe.
Filmsequenzen Kapitel
Nr. Bildebene – Thema Nr.
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„Dialekte in Bayern“ – eine Sendereihe des Bayerischen Rundfunks Dialekte in Bayern
Filmsequenzen Kapitel
Nr. Bildebene – Thema Nr.
8 Gruppe Los Dos beim Proben eines Mundartstücks, Gespräch mit den 8
Mitgliedern, Bandmitglieder beim Schminken, Statement Bandmitglieder, (4:16)
Auftritt mit Mundartsong und Salsa – musikalische und emotionale Qualität
des Oberpfälzischen
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Dialekte in Bayern „Dialekte in Bayern“ – eine Sendereihe des Bayerischen Rundfunks
1. Johann Christoph Gottsched (1700-1766) hat eine sehr subjektive Sichtweise des Nord-
bairischen. Wie äußert er sich über den nordbairischen Sprachraum? Was ist für Gottsched
das Deutsche schlechthin?
Gottsched bereiste Mitte des 18. Jahrhunderts die Oberpfalz. Er ließ kein gutes Haar an Land
und Leuten. Das Sächsische war ihm Inbegriff des Deutschen.
2. Ob eine Sprache schön klingt, darüber kann man unterschiedlicher Meinung sein. Welche
Laute kennzeichnen das Nordbairische? Welche Position vertritt Prof. Rowley bezüglich der
„hässlichen Laute“?
Kennzeichnend für das Nordbairische sind die ou-Laute (auch ej).
Die Bewertung des Dialekts hängt von der subjektiven Einschätzung ab. Häufig erfolgt eine
soziale Einschätzung.
3. Der nordbairische Sprachraum lässt sich untergliedern. Welche Binnengliederung des nord-
bairischen Sprachraumes kann ausgemacht werden?
Raum um Waldsassen, Nabburg, Cham, Amberg, Sulzbach-Rosenberg, Neumarkt; „Sprach-
insel“ Regensburg
4. Welche Erklärungen werden für die Entstehung der unterschiedlichen Sprachregionen bzw.
Sprachgrenzen geliefert?
historische Verwaltungsgrenzen (siehe Raum Waldsassen)
konfessionelle und herrschaftliche Grenzen (siehe Raum Neumarkt)
5. „Heimatpflege ist in besonderer Weise Sprachpflege.“ Wie begründet der Bezirksheimat-
pfleger der Oberpfalz seine Aussage?
Heimat ist mit Identität gleichzusetzen.
Identität findet man am ehesten in der eigenen Sprache.
Sprachpflege und Sprachforschung sind deshalb wesentliche Aufgaben der Heimatpflege.
6. Was versteht man unter der Theorie der „abgestuften Lautlandschaft“? Was sind ihre
Kennzeichen?
Theorie: Die Theorie der „abgestuften Lautlandschaft“ stellt einen Zusammenhang zwischen
Landschaft und Sprachlandschaft her.
Kennzeichen:
Der ou-Laut vermindert sich nach Süden hin.
Der Süden der Oberpfalz ist offener für das modernere Mittelbairisch.
Dieses Phänomen wird auf das auslaufende Mittelgebirge des Oberpfälzer bzw.
Bayerischen Waldes zurückgeführt.
7. Eine neue Sicht der Dialektpflege. Welche Intentionen verfolgt die Arbeit am Oberviechtacher
Wörterbuch?
Neben dem historischen Wert eines Dialektwörterbuchs wirkt sich die gleichzeitige Beherr-
schung von Dialekt und Standardsprache positiv auf die sprachliche Entwicklung einer
Person aus.
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„Dialekte in Bayern“ – eine Sendereihe des Bayerischen Rundfunks Dialekte in Bayern
10. Welche Bedeutung hat Franz-Xaver von Schönwerth (1810-1886) für die Oberpfalz?
Sammlung und Aufzeichnung von Sagen, Märchen und Erzählungen in der Volkssprache,
bedeutender Volkskundler, Streiter für die Gleichberechtigung von Dialekt und Hochsprache
11. Der Regensburger Johann Ludwig Prasch (1637-1690) und der in Tirschenreuth geborene
Johann Andreas Schmeller (1785-1852) können als Väter der Mundartforschung bezeichnet
werden. Welche Ziele verfolgen beide Mundartforscher? Welche Werke hinterließen sie?
Ziele: Dokumentation des eigenen Dialekts, Aufwertung des Dialekts gegenüber der
Hochsprache
Werke: Prasch schuf das erste Dialektwörterbuch Deutschlands und Europas und stellte
Parallelen zu den klassischen Sprachen her, vorwiegend für die Oberpfalz; Schmellers
Wörterbuch galt dem gesamten bairischen Raum.
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Dialekte in Bayern „Dialekte in Bayern“ – eine Sendereihe des Bayerischen Rundfunks
FOLGE 5
Von Ansbach über Bayreuth bis Coburg –
Dialekt in Mittel- und Oberfranken
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„Dialekte in Bayern“ – eine Sendereihe des Bayerischen Rundfunks Dialekte in Bayern
Filmsequenzen Kapitel
Nr. Bildebene – Thema Nr.
11 Laubwald von unten, Autofahrt über Land, Ansichten fränkischer Dörfer und
Landschafen / Abspann – Der Franke, Franken, Fränkisch
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Dialekte in Bayern „Dialekte in Bayern“ – eine Sendereihe des Bayerischen Rundfunks
5. Was zeichnet die Gedichte von Luise Hübner aus Coburg aus?
der echte Coburger Dialekt – die besonders korrekte Hochsprache – der auffällige Misch-
dialekt – der Wechsel zwischen Hochsprache und Dialekt – das „Augenzwinkern“, mit dem
sie über ihre Heimat schreibt – die Verehrung für ihre Heimat – die kulinarischen Details –
die historische Genauigkeit
6. Was sagt der Bauer aus Laubersreuth über seinen neuen Stall?
die Kühe machen hier viel mehr Dreck als zuvor – die Kühe bekommen hier mehr Junge –
er findet ihn toll – seine Kinder wollten ihn – er hatte zunächst Bedenken – er muss die
Kühe mit einer Bürste reinigen – seine Kinder hatten Bedenken – man kann sich nicht
darüber beschweren – die Kühe reiben ihre Hälse an einer Bürste – er war von Anfang
an davon überzeugt
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„Dialekte in Bayern“ – eine Sendereihe des Bayerischen Rundfunks Dialekte in Bayern
10. Welche Laute sind die nordbairischen Kennlaute, die östlich der nordbairischen Westschranke
gesprochen werden?
ou – au – ä – ej – oa – ü
11. Wodurch entstanden an der nordbairischen Westschranke die Unterschiede zwischen den
Dialekten benachbarter Dörfer?
Einfluss der Stadt Nürnberg auf das umliegende Land
Kirchenorganisation des Mittelalters
Reisen der Händler
Landschaftliche Prägungen
13. Bei welchen Gelegenheiten sprechen junge Leute oft noch Dialekt?
in der Wirtschaft – in der Schule – auf dem Sportplatz – in der Universität – in jeder Situation –
beim Einkaufen in der Stadt – bei Dorffesten – beim Telefonieren mit Fremden –
beim Kartenspielen – beim Besuch eines Amtes – beim internationalen Jugendaustausch
17. Was bedeutet das Verb „diwern“ aus dem Ansbacher Dialekt?
wildern – dumm schauen – flüstern – kreischen – laufen – stehen
18. Aus welcher Sprache stammen Fremdwörter wie „diwern“ im Ansbacher Dialekt?
Latein – Französisch – Englisch – Jiddisch – Griechisch
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Dialekte in Bayern „Dialekte in Bayern“ – eine Sendereihe des Bayerischen Rundfunks
1. Oberostfränkisch
2. Steigerwaldschranke,
nordbairische Westschranke
3. thüringisch-fränkischer Mischdialekt
4. Rheinland-Pfalz, Hessen, Baden-Württemberg
5. der echte Coburger Dialekt,
der Wechsel zwischen Hochsprache und Dialekt,
das „Augenzwinkern“, mit dem sie über ihre Heimat schreibt
6. seine Kinder wollten ihn,
er hatte zunächst Bedenken,
man kann sich nicht darüber beschweren,
die Kühe reiben ihre Hälse an einer Bürste
7. Äpfel, Sultaninen, Mehl, Wasser, Öl, Salz, Zimt, Zucker, Butter, Rahm
8. haamkümmt
9. Die Bamberger Mundart ist nah an der Hochsprache.
10. ou, ej
11. Kirchenorganisation des Mittelalters
12. Ärbirn
13. in der Wirtschaft,
auf dem Sportplatz,
bei Dorffesten,
beim Kartenspielen
14. Schlafzimmer
15. Die Nürnberger trieben die Hohenzollern samt des Gerichts nach Ansbach,
weil sie so viel Ärger machten.
16. Baiersdorf
17. flüstern
18. Jiddisch
19. Bayreuth
FOLGE 6
Vom Spessart nach Thüringen –
Dialekt in Unterfranken
Die sechste Folge der Sendereihe „Dia- können. Was früher als das Ende der Welt
lekte in Bayern“ zeigt, wie man im nörd- erschien, löst sich heute immer mehr auf.
lichsten Regierungsbezirk von Bayern Der Austausch auf beiden Seiten ruft alte
spricht und lebt. Der Zuseher begegnet Erinnerungen wach, die den gemeinsamen
einer äußerst lebendigen und vielfältigen historischen Sprach- und Kulturraum auf-
Sprach- und Kulturlandschaft, die durch leben lassen.
ihre Außengrenzen zu Hessen, Thüringen
und Baden-Württemberg geprägt ist. Zu Der unterostfränkische Dialekt, so benennen
den besonderen Charakteristika gehört ihn die Sprachwissenschaftler, ist in Würz-
die Germersheimer Linie, bekannt auch burg und Umgebung zu hören. Wie in alten
als „Appel-Apfel-Linie“. Zeiten führt der Würzburger Nachtwächter in
urwürzburger Mundart durch die Gassen der
Stadt. Er lässt Geschichte lebendig werden in
Die Appel-Apfel-Linie im westlichen Unter- einer Sprache, die heute mehr auf dem Land
franken markiert eine bedeutende Sprach- gesprochen wird als in der Stadt. Gerade die
raumgrenze, die die oberdeutschen Mund- stadtnahen Gemeinden pflegen ihren Dialekt
arten von den mitteldeutschen trennt, erklärt im täglichen Leben und besonders bei tradi-
Frau Dr. Krämer-Neubert, Dialektologin am tionellen Festen. Sie bestimmen ihn sogar,
unterfränkischen Dialektinstitut in Würzburg. betont der Dialektologe Dr. Gunther Schunk
Doch als Hessen fühlen sich die Menschen von der Universität Würzburg, der die Her-
in Miltenberg noch lange nicht. Die im Film ausbildung sog. Regiolekte beobachtet. Auch
vorgestellte Bäckerfamilie Hench zum Bei- wenn sich Sprache durch räumliche und sozi-
spiel, die hier schon über Jahrhunderte hin- ale Mobilität wandelt und umbaut, bleibt sie
weg Brot backt, pflegt nicht nur das Hand- doch stets Ausdruck mainfränkischer Iden-
werk, auch der Dialekt gehört wie selbstver- tität. Ein Unterfranke will schließlich zeigen,
ständlich zu ihrem täglichen Leben. „Auch woher er kommt.
wenn wir das ‚r‘ nicht so rollen können wie
die Würzburger und unsere Sprache hessisch
gefärbt ist, Unterfranken sind wir dennoch“, Buchempfehlung
erklärt Thomas Hench bei seiner Arbeit in
der Backstube.
Dour de Frångn
Anders zeigt es sich an der Grenze zu Thürin- Uderzo, Albert /
gen. Die ehemalige deutsch-deutsche Tren- Goscinny, René
nung konnte den gemeinsamen Dialekt nicht Ehapa Comic
spalten. Menschen aus dem thüringischen Collection,
Mendhausen erzählen bei einem Spaziergang 2004
durch ihr Dorf von ihren unterfränkischen
Wurzeln. Der Jäger Mock aus Rothausen, auf ISBN
der unterfränkischen Seite, geht heute noch 3-7704-2295-3
mit 82 Jahren jeden Tag auf die Jagd und ist EUR 10,00
froh, dass sich die Tiere wieder frei bewegen
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Dialekte in Bayern „Dialekte in Bayern“ – eine Sendereihe des Bayerischen Rundfunks
Filmsequenzen Kapitel
Nr. Bildebene – Thema Nr.
2 Autofahrt durch den Spessart nach Miltenberg: Stadtansicht vom Main aus, 1
Gassen mit Fachwerkhäusern / Bäckerei Hench: von außen, Backstube, Bäcker (5:31)
bei der Arbeit in der Backstube, zwei Sprechproben / hist. Karte: Miltenberg
und Spessart / Wald / hist. Karte: Würtzburg und Umgebung / Waldlandschaft /
hist. Karte: Maintz / Mainzer Rad (Detail) / Miltenberger Wappen mit Mainzer
Rad im Museum von Miltenberg / Backstube: Statement Bäcker über Bayern
und Miltenberg, Formen von Brezen, Statements über Nähe zu Baden-Würt-
temberg und Hessen, Arbeit am Backofen, Brotkorb / Laden: Verkaufsszenen /
Esszimmer: Tischgebet und Essen in der Familie Hench – Miltenberg:
Verhältnis zu Bayern, Hessen, Baden-Württemberg; unterfränkische Identi-
tät, Vielzahl der Ortsdialekte, Tradition und Dialekt, Erziehung zum Dialekt
41
„Dialekte in Bayern“ – eine Sendereihe des Bayerischen Rundfunks Dialekte in Bayern
2. Wie nennt die Mundart-Dichterin Cilly Pigor aus Unsleben in der Vorderrhön eine Karotte?
5. Der Nachtwächter von Würzburg erzählt die Geschichte des Namens einer Weinstube.
Wie heißt diese?
6. Welcher Teil im Wappen von Miltenberg weist noch auf dessen Geschichte hin, bevor die
Stadt 1816 zu Bayern kam?
7. Im Raum Würzburg hat sich durch den Einfluss von umliegenden Dörfern ein relativ
einheitlicher Dialekt herausgebildet. Wie nennt man eine solche Sprachvariante, die in
einem größeren Gebiet gesprochen wird?
Trage alle Antworten (ohne Leerstellen) in die Kästchen ein. Umlaute werden aufgelöst
(z. B. ü = ue, ä = ae, ö = oe). Wenn du alle Fragen richtig beantwortest hast, erscheint das
Lösungswort in den grau hinterlegten Kästchen.
Lösungswort
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
42
Dialekte in Bayern „Dialekte in Bayern“ – eine Sendereihe des Bayerischen Rundfunks
! Kreuzworträtsel – Lösungen
Lösungswort
1. G E R M E R S H E I M E R L I N I E
2. R U N K E L
3. W A S S E R W E C K
4. B R U O T
5. M A U L A F F E N B A E C K
6. M A I N Z E R R A D
7. R E G I O L E K T
8. A A R D A E P F E L S U P P
43
„Dialekte in Bayern“ – eine Sendereihe des Bayerischen Rundfunks Dialekte in Bayern
FOLGE 7
Zwischen Donau-Ries und Allgäu –
Dialekt in Schwaben
Die Sendung nimmt mit auf eine Reise gruppe in Pfaffenhofen an der Roth und
durch Bayerisch-Schwaben. Nach einem Dr. Barbara Sallinger in Krumbach, die Her-
Überblick über den Dialektraum führt der ausgeberin des „Heimatmagazins“. Dabei
Film zunächst nach Augsburg, wo – wie in werden ganz unterschiedliche Bemühungen
allen größeren Städten – zunehmend we- dokumentiert, den schwäbischen Dialekt
niger Dialekt gesprochen wird, zumal von hochzuhalten. Dies ist ein wichtiges Anlie-
Jugendlichen. Mittelschwaben, das lech- gen, haben doch Sprachwissenschaftler der
rainische Gebiet und das nördliche Ries Universität Augsburg herausgefunden, dass
sind weitere Stationen auf dieser Reise, vor allem die Mittelschwaben in Bezug auf
die im Allgäu endet, wo die Sprachgrenze ihren Dialekt ein geringes Selbstwertgefühl
zum Niederalemannischen verläuft. haben. Sprachprestige ist eine Art Mode und
abhängig von Faktoren wie der Wirtschafts-
kraft oder der touristischen und kulturellen
Der Lech, eine alte Herrschaftsgrenze und Attraktivität einer Region. Zur Zeit der ein-
häufig als Trennlinie zwischen dem Schwä- flussreichen Fugger wurde Schwäbisch als
bischen und dem Bairischen gesehen, bildet schön und nachahmenswert empfunden –
zumindest nördlich von Augsburg bis zu das ist heute oftmals nicht mehr so.
seiner Mündung in die Donau eine klare
Sprachgrenze: Links des Lechs spricht man Die Allgäuer dagegen sprechen ihre ver-
schwäbisch, rechts bairisch. So trennt der schiedenen Dialekte mit Stolz. Im südwestli-
Fluss das Hääs vom Gwaund, das Giggerle chen Allgäu stoßen wir auf eine klare Sprach-
vom Scherzl. grenze – das Ostschwäbische wird vom Nie-
deralemannischen abgelöst. Als Schwaben
Fährt man nach Norden und besucht den Rie- oder gar Alemannen fühlen sich die Allgäuer
ser Krater, dann hört man dort durchgängig nicht, wenn schon dann eher als Bayern. Das
eine schwäbische Mundart. Nördlich des Ries erklärt auch, warum schwäbische Ausdrü-
allerdings findet man das Drei-Sprachen-Eck, cke zunehmend durch bairische ersetzt wer-
wo die drei Großdialekte Schwäbisch, Frän- den. Diese Entwicklung wird von Sprachwis-
kisch und Bairisch aneinander stoßen. senschaftlern durchaus kritisch gesehen. So
macht das Stüble der Stub’n Platz, die Alpe
Südlich von Augsburg ist der Lech weit we- wird zur Alm und das Fleischküchle zum
niger eine klare Sprachgrenze. Westlich des Fleischpflanzerl.
Lechs, in Mittelschwaben, spricht man ganz
klar Schwäbisch, doch im lechrainischen Ge- Bedeutet dies nun einen Identitätsverlust
biet zwischen Lech und Ammersee gibt es für die Allgäuer oder ist es einfach eine na-
ein sprachliches Übergangsgebiet, in dem türliche Sprachentwicklung in einer mobi-
von West nach Ost die schwäbischen Sprach- len Gesellschaft? Diese und andere Fragen
elemente stufenweise abnehmen, die bai- beantworten Prof. Werner König, Dr. Edith
rischen Anteile entsprechend zunehmen. Funk und Dr. Manfred Renn vom Bayerischen
Sprachatlas für Schwaben an der Universi-
Der Film besucht den Mundartdichter Poldl tät Augsburg sowie Brigitte Schwarz von der
Schuhwerk in Türkheim, eine Laienspiel- Merkdatei im Stadtarchiv Kempten.
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Dialekte in Bayern „Dialekte in Bayern“ – eine Sendereihe des Bayerischen Rundfunks
Filmsequenzen Kapitel
Nr. Bildebene – Thema Nr.
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„Dialekte in Bayern“ – eine Sendereihe des Bayerischen Rundfunks Dialekte in Bayern
Filmsequenzen Kapitel
Nr. Bildebene – Thema Nr.
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Dialekte in Bayern „Dialekte in Bayern“ – eine Sendereihe des Bayerischen Rundfunks
11. Welche Folgen der Geringschätzung von Dialekt werden im Film genannt?
Abwertung der Menschen, die Dialekt sprechen
Verlust an Identität und Selbstachtung
12. Was sind die historischen Gründe für ein defizitäres Selbstwertgefühl der Schwaben?
politische Zersplitterung durch die Jahrhunderte
Verhinderung der Ausprägung eines schwäbischen Wir-Gefühls angesichts ehemals ca. 150 (!)
selbstständiger Territorien
13. Welche Vorzüge des Dialekts gegenüber der Standardsprache werden genannt?
Überlegenheit wegen größerer Ausdrucksmöglichkeiten
Facettenreichtum des Dialekts
14. Nenne schwäbische Varianten für „junge Frau“ und gib deren Herkunft an.
Mädchen maget (mhd.)
Fehl filia (lat.)
Sputtel putella (ital.)
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„Dialekte in Bayern“ – eine Sendereihe des Bayerischen Rundfunks Dialekte in Bayern
15. Gibt es eine Allgäuer Mundart? Welche Sprachgrenze ist im Südwesten des Allgäus zu
beobachten? Durch welche Lautunterschiede ist sie markiert?
Allgäuer Mundart? Nein: Allgäuerisch besteht aus mehreren Mundarten.
Sprachgrenze: Oberschwäbisch – Niederalemannisch
Lautunterschiede: Hous Huus / Hüüs; Zeit Zitt
16. Nenne Beispiele für das Vordringen bairischer Ausdrücke im Allgäu. Wie ist dieser Vorgang
zu erklären?
Beispiele:
Häusle Häusl, Süpple Supperl, Stüble Stub’n,
Plätzle Platzl, Haxe Hax’n, Alpe Alm
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ISBN 978-3-79172-231-3
EUR 14,95
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Dialekte in Bayern „Dialekte in Bayern“ – eine Sendereihe des Bayerischen Rundfunks
FOLGE 8
Mundart grenzenlos –
Bayerns Dialekte im Ausland
Folge 8 besucht Franken, Bayern und Auf dem Weg in den Süden verweilen viele
Schwaben jenseits der bayerischen Bayern gerne in Südtirol; die Landschaft ist
Grenzen, deren Mundart manchmal attraktiv, die Sprache vertraut. Ganz unkom-
durchaus bekannt vorkommt. Kein Wun- pliziert kann man sich verständigen, wenn
der, denn politische Grenzen sind selten man sich auf die Mundart einigt. Und doch
identisch mit Sprachgrenzen. Der Film ist auch dort etwas anders als in Bayern.
zeigt Sprache als Spiegel der Kulturen Durch die Politik einmal zu Italienern ge-
und machtpolitischer Strukturen und macht, können die ehemaligen „Bajuwa-
begibt sich auf eine Spurensuche nach ren“ jetzt drei Sprachen sprechen: Italienisch,
Gemeinsamkeiten und Unterschieden Deutsch und eine südtirolerische Mundart,
grenzüberschreitender Kulturräume. die als südbairischer Dialekt gilt. Inzwischen
leben die Menschen hier ganz selbstver-
ständlich mit ihrer Mehrsprachigkeit.
Die Alemannen, in Bayern eher bekannt als
Schwaben, sind hier zu Lande eine absolute Wörter, die in Bayern längst untergegan-
Minderheit. Dafür gibt es außerhalb Bayerns gen sind, findet der Dialektforscher noch in
umso mehr (ca. sieben Millionen); die an den Sprachinseln. Im Trentino besuchen wir
Bodensee grenzenden Länder zählen fast Lusern und das Fersental, um das klingende
ausschließlich zum alemannischen Sprach- Urbairisch zu hören, das Cimbrische. Fast
raum. Sind sich die Dialekte ähnlich? Fühlen wie auf einer Sprachinsel leben eine Hand-
sich Franzosen aus dem Elsass und „Schwy- voll Deutsche mit tschechischer Nationali-
zerdütsch“ sprechende Schweizer und Ös- tät im Egerland in der Nähe von Karlsbad.
terreicher aus Vorarlberg durch die gemein- Ihre Mundart, das Fränkische, zu bewahren
same Sprache miteinander verwandt? war nicht leicht, dennoch ist es ihnen gelun-
gen. Die erschwerten Bedingungen haben die
Wer weiß schon, dass fast alle Dialekte in Sprache verändert, aber die wachsende posi-
Österreich – sprachwissenschaftlich gesehen tive Konnotation der deutschen Sprache be-
– zum Bairischen gehören? Und weil fast das stärkt die Menschen, ihren Dialekt weiterzu-
ganze Land diese Mundart spricht, haben die geben und ihn lebendig zu halten.
Österreicher den Bayern etwas voraus: Man-
che Wörter, die in Bayern als Dialektwörter Als Experten begleiten die Reise: Dr. Inge-
gelten, wie zum Beispiel Kren, zählen in Ös- borg Geyer (Österreichische Akademie der
terreich zur Hochsprache, denn in Österreich Wissenschaften), Prof. Hermann Scheurin-
gibt es den Konkurrenten namens Meerret- ger (Universität Wien), Prof. Anthony Rowley
tich nicht. In der Sendung hören wir den Bau- (Bayerische Akademie der Wissenschaften).
ern im Innviertel zu, lernen aber auch die
Städter im Wiener Kaffeehaus kennen – weit
weg vom bayerischen Stammland und den-
noch bairisch sprechend!
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„Dialekte in Bayern“ – eine Sendereihe des Bayerischen Rundfunks Dialekte in Bayern
Filmsequenzen Kapitel
Nr. Bildebene – Thema Nr.
2 Ein Österreicher und ein Schweizer bei der Fahrt im Ruderboot auf dem 1
Bodensee, Unterhaltung in alemannischer Mundart / Landschaftsbilder (3:06)
Bodensee – alemannische Dialektlandschaft
3 Zwei Männer auf dem Weg zur Waldarbeit, Fällen eines Baumes / historische 2
Spielszene: Transport von Waren auf Flussschiff / Stift Reichersberg: (3:31)
Gebäude außen und innen, Bayerischer Saal, Gemälde Kurfürst Max Joseph,
Bayerischer Saal / Feldweg: Unterhaltung in bairischer Mundart zwischen
zwei Bauern aus Niederbayern und Oberösterreich – Bairisch: historische
Ausbreitung, West- und Ostbairisch, Innviertel
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Dialekte in Bayern „Dialekte in Bayern“ – eine Sendereihe des Bayerischen Rundfunks
Filmsequenzen Kapitel
Nr. Bildebene – Thema Nr.
6. „Kren“ und/oder „Meerrettich“ – welchen Stellenwert hat der bairische Dialekt in Österreich
im Vergleich zu Bayern?
Österreich: nur „Kren“ hoher Status des Dialekts, starke Beeinflussung der Hochsprache
aufgrund staatlicher Eigenständigkeit und dialektaler Homogenität Österreichs
Bayern: „Kren“ überlagert von „Meerrettich“ Dialekt in der Defensive gegenüber
Hochsprache aufgrund dialektaler Heterogenität Bayerns und Deutschlands bzw. durch
Dominanz der Hochsprache
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„Dialekte in Bayern“ – eine Sendereihe des Bayerischen Rundfunks Dialekte in Bayern
10. Wie heißt die südlichste bairische Mundart? Wo wird sie gesprochen?
Cimbrisch, Lusern in Oberitalien
11. Welche Probleme erschweren die Bewahrung der bairischen Mundart in den
oberitalienischen Sprachinseln?
Vergangenheit: Verlust von Mundartsprechern durch Flucht und Tod während des Ersten und
Zweiten Weltkriegs
Gegenwart: Abwanderung der Jugend in die Täler und Städte aus wirtschaftlichen Gründen,
fehlender Wortschatz für die moderne Welt, Vordringen des Italienischen
12. Warum interessieren sich Sprachforscher für Sprachinseln wie Lusern und das Fersental?
Sprachinseln bewahren einen historischen (hier: hochmittelalterlichen), andernorts nicht
mehr existierenden Sprachstand und erlauben unersetzbare Rückschlüsse auf die jeweilige
Sprachentwicklung.
13. Warum gibt es nur mehr wenige Spuren des Nordbairisch-Fränkischen im Egerland?
CSSR: Vertreibung der deutschen Bevölkerung und Tschechisierung des öffentlichen Lebens
nach 1945
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Dialekte in Bayern „Dialekte in Bayern“ – eine Sendereihe des Bayerischen Rundfunks
FOLGE 9
Mehrsprachigkeit als Chance – Dialekt und Schule
Die vorletzte Folge der Sendereihe be- schen versucht, tut sich keinen Gefallen. Um
schäftigt sich mit der Frage, wie es um das Sprachbewusstsein und die Spracher-
die Mundarten des Freistaats an Bayerns werbsfähigkeiten von Kindern und Jugend-
Schulen bestellt ist. Der Dialekt wurde in lichen fördern zu können, sollten sie in min-
den siebziger und achtziger Jahren oft als destens einem Sprachsystem vollkommen zu
minderwertiges Sprachsystem angese- Hause sein, besser noch in zwei, wie im Film
hen. Seit längerem aber wendet sich das nicht nur PD Dr. Hochholzer von der Universi-
Blatt. Vielerorts sind engagierte Bemü- tät Regensburg fordert.
hungen zu entdecken, die Mundart von
dieser Unterstellung zu befreien. Hinter- Ein Blick nach Südtirol an die südliche
grund dieses Wandels ist die Einsicht Grenze des altbayerischen Sprachgebiets be-
in den vielfältigen Nutzen der inneren schließt die Sendung. Südtirol ist durch seine
Mehrsprachigkeit, die in der Sprachwis- Geschichte hinsichtlich der Mehrsprachigkeit
senschaft und Pädagogik zusehends an und dem Umgang mit Sprache gezwungen
Bedeutung gewinnt. gewesen, neue und effektive Wege zu gehen.
Ein Besuch in Meran zeigt, wie fortgeschrit-
ten die Denkweisen in Bezug auf Spracher-
Der Film beschreibt eingangs ein in der Ver- werb im südlichsten deutschsprachigen Land
gangenheit durchaus konfliktreiches Verhält- sind und welch entscheidende Rolle der Dia
nis und zeigt sodann Schulen, die sich in vor- lekt dabei spielt: Wer die Zukunft seiner Kin-
bildlicher Weise der Förderung der Mund- der fördern will, sollte ihnen Selbst- und
art annehmen. In der Grundschule Wink Sprachbewusstsein mit auf den Weg geben.
larn-Thanstein (Oberpfalz) steht das Projekt
„Mundartliches Schreiben“ im Mittelpunkt, in
der Realschule St. Ursula in Würzburg geht Buchempfehlung
es um die Sprach- und Dialektreflexionen ei-
ner 10. Klasse. Die generelle Frage nach dem
Erwerb von Sprache und Kommunikations-
fähigkeit wird am Beispiel einer multiethni
schen Grundschule in Regensburg erörtert.
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„Dialekte in Bayern“ – eine Sendereihe des Bayerischen Rundfunks Dialekte in Bayern
Filmsequenzen Kapitel
Nr. Bildebene – Thema Nr.
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Dialekte in Bayern „Dialekte in Bayern“ – eine Sendereihe des Bayerischen Rundfunks
1. Welchen Wandel in der Einstellung zum Dialekt beschreibt PD Dr. Hochholzer in seinem
Statement am Anfang des Films?
Früher:
Dialekt: defizitäres, minderwertiges Sprachsystem
Schule: Ablehnung und Unterdrückung des Dialekts, Hinführung zur Standardsprache
alleiniges Ziel
Heute:
Dialekt: eigenständiges, voll ausgebautes Sprachsystem
Schule: Akzeptanz und Förderung von Dialekt parallel zur Hinführung zur Standardsprache
2. Mit welchen Methoden versucht die Grundschule Winklarn-Thanstein den Dialekt zu fördern?
Welche Wirkungen sind zu beobachten?
Methoden:
Identifikation mundartlicher Ausdrücke
Vergleich mit Wörtern der Standardsprache (mittels Wort- und Bildkarten)
Gemeinsamer Sprechgesang im Dialekt
Schreiben und Vortrag von Dialektdialogen und Dialektgedichten (Elfchen)
(vorläufiges) Ignorieren von Rechtschreibregeln der Standardsprache
Wirkungen:
Abbau von Sprech- und Schreibhemmungen
Erhöhung der Motivation und Kreativität
Steigerung des Dialekt- und Selbstbewusstseins
Förderung der Persönlichkeitsentwicklung
3. Welche Forderungen erhebt der Grundschullehrer Siegfried Bräuer zur Förderung des
Dialekts in der Schule?
Bildung von Arbeitsgemeinschaften
Verbesserung der Lehrerfortbildung
Dialektförderung als Unterrichtsprinzip
4. Welche Methoden werden an der RS Würzburg zur Förderung des Dialekts gewählt?
Welche Ziele werden verfolgt?
Methoden:
Produktion und Analyse von Videos zum Gebrauch von Standardsprache und Dialekt im
Alltag (nach Sprechsituationen)
Umfrage zu Dialektausdrücken
Übersetzung des Anfangsmonologs von Goethes „Faust“ ins Fränkische
Beschreibung der Stimmung Fausts im Dialekt
Ziele:
Abbau von Hemmungen im Dialekt zu sprechen und zu schreiben
Verbesserung eines situationsadäquaten Sprachgebrauchs
Erweiterung der Ausdrucks- und Verstehensmöglichkeiten
Förderung der Mehrsprachigkeit – Erhöhung des Sprachbewusstseins
55
„Dialekte in Bayern“ – eine Sendereihe des Bayerischen Rundfunks Dialekte in Bayern
6. Welche Voraussetzungen benötigt nach Meinung der Grundschullehrerin Lisa von Reusner
eine optimale Sprachförderung?
Kein Leistungszwang
Abbau von Versagensängsten
Lernen in der Gruppe und im Spiel
Kleine Lerngruppen
7. Warum ist Südtirol vorbildlich in der Förderung der Mehrsprachigkeit?
Familie: viele gemischtsprachige Familien (dt./it.)
Gesellschaft: zwei offizielle Landessprachen (dt./it.)
Schule:
Abholung der Kinder, wo sie sich sprachlich befinden
Akzeptanz des Dialekts in den Schulen, keine Abwertung der Primärsprache
Dialekt als Grundlage für weiteren Spracherwerb
Anpassung der Lehrmethoden an den natürlichen Spracherwerb der Kinder
Langsame Hinführung zur Standardsprache
Hohe Fehlertoleranz
Hochwertung der kommunikativen Fähigkeiten
Dialekt + Hochdeutsch + Italienisch = Modell für Mehrsprachigkeit
8. Was bedeutet innere und äußere Mehrsprachigkeit? Wie hängen beide zusammen?
Innere Mehrsprachigkeit = differenzierte Fähigkeiten in der Muttersprache (einschl. Dialekt)
Äußere Mehrsprachigkeit = Fähigkeiten in einer oder mehreren Fremdsprachen
Zusammenhang: Wer gut in der Muttersprache ist, lernt auch gut eine Fremdsprache.
56
Dialekte in Bayern „Dialekte in Bayern“ – eine Sendereihe des Bayerischen Rundfunks
FOLGE 10
Mediale Sprachwelten –
Dialekt in Fernsehen, Radio und Zeitung
Die letzte Folge der Sendereihe beschäf- Werden die Einwohner Bayerns also zu Op-
tigt sich mit den Gründen für die zahl- fern einer zumindest zum Teil selbstinsze-
reichen Bayernklischees und erörtert die nierten Kommerz- und Museumskultur? Fest
Stellung des Dialekts in den Medien. Dür- steht, dass alle, Bayern, Franken und Schwa-
fen wir in den Medien so reden, wie uns ben, in den Medien mit ihrer Mundart ein Pro-
der Schnabel gewachsen ist? Dazu sagen blem haben, sofern sie nicht Kabarett oder
Ottfried Fischer, Fitzgerald Kusz, Christian Comedy machen – der Grund dafür liegt aber
Stückl und Gerd Rubenbauer ihre Mei- nicht nur in der modernen Medienwelt. Fitz-
nung. Seitenblicke zum Thema eröffnen gerald Kusz und Ottfried Fischer deuten an,
darüber hinaus Frank-Markus Barwasser dass Bayern zumindest sprachlich einen kol-
alias Erwin Pelzig, Herbert Achternbusch, lektiven Minderwertigkeitskomplex hat. Zwar
Franz Beckenbauer, Erkan und Stefan so- klagen Franken und Schwaben ab und zu über
wie die Regensburger MundArtAgeh. eine angebliche Überfremdung durch das Alt-
bairische, doch der eigentliche und gemein-
same Feind scheint ein diffuses, angebliches
Bayern ist ein schönes Land. Konservativ und Hochdeutsch, das durch den Äther dringt.
fortschrittlich, traditionsbewusst und eigen-
willig. Seine Mundarten werden in den Me- Österreicher und Deutschschweizer gehen im
dien genauso bewundert wie belächelt. Man Vergleich zu den Süddeutschen in Fernsehen
begibt sich deshalb auf ein heikles Terrain, und Hörfunk stolz und selbstbewusst mit ih-
wenn man von Bayern und seinen Dialekten ren Mundarten um. Das heißt nicht, dass der
in den Medien spricht: Wer sich damit be- Dialekt ein Allheilmittel wäre, so wie es man-
schäftigt, merkt schnell, dass er es mit einem che Ewiggestrige propagieren, aber – und
berühmt-berüchtigten Phänomen zu tun hat – auch das versucht der Film zu verdeutlichen –
dem Klischee, konkret mit jenem Bild Bayerns etwas mehr Selbstvertrauen und weniger
als Mischung aus drolligem Anachronismus Verkrampfung im Umgang mit der eigenen
und der Sehnsucht nach einer heilen Welt. Mundart wären nicht nur wünschenswert,
sondern auch sinnvoll: Als alte Meister des
Das Thema stellt sich allerdings nicht so ein- höheren Schmarrns und des absurden Hu-
fach dar, wie der Titel der Sendung vermu- mors wissen die Bayern um die Zusammen-
ten lässt: Um die Frage nach der Stellung der hänge von Denkweise, sprachlichem und kre-
Mundarten des Freistaats in den Medien zu ativem Ausdruck. Nicht nur in den Medien.
beantworten, gilt es, die letzten zwei Jahr-
hunderte bayerischer Geschichte zu befragen
und Ursachenforschung zu betreiben: Das
reicht vom norddeutschen Vorurteil über den
grobschlächtigen Bayern bis zur eigenen Will-
fährigkeit, Klischees zu bedienen und die da-
zugehörigen Bilder und Sätze zu liefern. Auch
wirtschaftliche Aspekte dürfen nicht unter-
schätzt werden, wenn es darum geht, das
Bild eines Landes in den Medien zu formen.
57
„Dialekte in Bayern“ – eine Sendereihe des Bayerischen Rundfunks Dialekte in Bayern
Filmsequenzen Kapitel
Nr. Bildebene – Thema Nr.
2 Filmklappe, Filmteam bei Dreharbeiten in Bad Tölz zu „Der Bulle von Tölz“, 1
Statement Ottfried Fischer – Hochdeutsch als Sprachnorm der Medien, (4:15)
Ausdrucksmöglichkeiten des Dialekts
3 Plakate Volkstheater München, Statement Intendant Christian Stückl / Zwei
einander zuprostende Maßkrüge vor Landschaft – Mundart und Klischee
4 Szenenausschnitt „Komödienstadel“ / Statement O. Fischer – Bayernklischee:
Inhalte und Funktionen
5 Bierzelt: Karl Moik begrüßt den Münchener OB Christian Ude zur Sendung
„Musikantenstadl“ anlässlich des Münchner Oktoberfests 1999 / Ausschnitte
aus dem „Musikantenstadl“: vor der Bavaria, in der Olympiahalle –
Bayernklischee im Fernsehen
6 Statements O. Fischer und Fitzgerald Kusz / Zwei einander zuprostende
Maßkrüge vor Landschaft – Vielseitigkeit des Dialekts
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Dialekte in Bayern „Dialekte in Bayern“ – eine Sendereihe des Bayerischen Rundfunks
Filmsequenzen Kapitel
Nr. Bildebene – Thema Nr.
12 Spielfilm „Der Schuh des Manitu“, Ausschnitt mit Michael „Bully“ Herbig
und Christian Tramitz, Dreharbeiten / Filmriss – Dialekt, Komik, Minderwertig-
keitsgefühle des Dialektsprechers
59
„Dialekte in Bayern“ – eine Sendereihe des Bayerischen Rundfunks Dialekte in Bayern
4. Welche Aspekte enthält das von vielen Medien vermittelte Bayernbild? Welche Werte werden
damit verbunden?
Bayern = Tracht, Brauchtum, Bierseligkeit, ungetrübter Frohsinn, Skurrilität, Wirtshaus,
Ludwig II., Natur und unberührte Landschaft, Dorf etc.
Werte = Tradition, Natur, Heimat, Gemeinschaft, Harmonie, Eigensinn, Gesundheit,
„gutes Leben“, heile Welt, Vor-Moderne u. a.
5. Was ist eigentlich ein Klischee? Welche Funktionen erfüllt es nach Ottfried Fischer?
Klischee = stereotyper, formelhaft wiederholter Ausdruck
Funktionen:
+ : ermöglicht Identifikation durch Wiedererkennung
– : verstellt kritischen Blick, verstärkt Ablehnung gegenüber dem Anderen
61
„Dialekte in Bayern“ – eine Sendereihe des Bayerischen Rundfunks Dialekte in Bayern
62
Dialekte in Bayern
Teil II
Dialekt und Schule –
Grundlagen und Konzepte
63
2 Dialekt und Schule – Grundlagen und Konzepte Dialekte in Bayern
64
Dialekte in Bayern Dialekt und Schule – Grundlagen und Konzepte
Dass diese Begrifflichkeiten nicht nur Grund- Von daher stellt sich die Frage, inwieweit Spra-
lage für sprachwissenschaftliche Diskussio che und Dialekt der Pflege bedürfen und ob
nen sind, sondern auch alltagssprachlich dies auch als öffentliche Aufgabe zu begrei-
häufig und zum Teil wertend gebraucht wer- fen ist, etwa im Bereich schulischer Bildung:
den, zeigte der lang anhaltende Streit um den
Stellenwert der Dialekte im Freistaat, die vom
so genannten Fall Florian ausging. Dem Ot- Dialektpflege
terfinger Schüler war vorgeworfen worden,
dass er Schwierigkeiten habe sich verständ- Der Begriff „Dialektpflege“ geht von
lich auszudrücken, da bei ihm zu Hause nur einem bestimmten „Dialektideal“ aus
Dialekt gesprochen würde. Die Sache wurde und beinhaltet die Annahme, dass in der
publik und beschäftigte schließlich sogar den Sprachrealität von diesem Ideal abgewi-
Bayerischen Landtag. Nachdem 150.000 Un- chen wird. Wird diese Abweichung vom
terschriften vom Förderverein Bairische Spra angenommenen Ideal als Bedrohung für
che und Dialekte e. V. für den Erhalt der bai- den Fortbestand des Dialekts aufgefasst,
rischen Mundart als Kulturgut gesammelt werden Versuche unternommen, die Ab-
worden waren, gab die Kultusministerin im weichung durch sprachpflegerische Be-
Januar 2001 vor dem Bildungsausschuss ei- mühungen zu beheben.4 Voraussetzung
nen Bericht zur Lage der Dialekte in Bayern. für Dialektpflege ist die Aufwertung des
Dialekts in Kunst, Kultur und Gesellschaft,
Hintergrund der Debatte war sicher auch, vor allem aber in der Schule. Die Ausrich-
dass viele, die ihrerseits noch selbstverständ- tung von Dialektpflege ist allerdings ab-
lich mit dem Dialekt ihrer Region aufgewach- hängig vom Verständnis des Begriffs
sen sind, das Verschwinden, wenn nicht so- „Dialekt“ (vgl. Modell des sprachlichen
gar das Aussterben des Dialekts beklagen. Kontinuums, s. u.). Wird der ursprüng
Beispiele aus dem Wortschatz: Brötchen für liche und reine Ortsdialekt als Ziel von
Semmel; Pfifferlinge für Reherl. So sorgte Dialektpflege angesehen, so stellt sich
auch die Dialektprägung einer Oberpfälzer die Frage, wie dieses Ziel angesichts der
Landtagsabgeordneten in der Öffentlichkeit überwiegenden Mündlichkeit des Dialekts
für Unruhe, als ihr bei der Neubesetzung des und fehlender Normierung durch Dialekt-
Vorsitzes des Bildungsausschusses unver- grammatiken erreicht werden kann und
ständliche Sprache vorgeworfen wurde. soll. In schulischem Zusammenhang soll-
te Dialektpflege eher im Sinne der Förde-
Ende 2013 löste ein Statement des Direktors rung einer umfassenden Sprachkompe-
der Realschule Penzberg im „Radio Ober- tenz und Variationsfähigkeit als Teil des
land“ erneut eine breite Dialektdiskussion Konzepts der inneren Mehrsprachigkeit
aus. „Der Dialekt sei am besten in der Fa- (s. u.) verstanden werden. Dialektpflege
milie aufgehoben, habe aber im Unterricht kann auch als Teil von Sprachkritik das
nichts verloren“, so der Tenor der Stellung- Sprachbewusstsein schärfen.
nahme, die sich gegen die Forderung des
Präsidenten des Bayerischen Lehrerinnen-
und Lehrerverbands (BLLV) richtete, der sich Sprache ist also mehr als ein bloßes Kom-
für eine verstärkte Pflege des Dialekts in der munikationsmittel, Sprache ist Ausdruck von
Schule eingesetzt hatte. 14 Jahre nach dem Identität und vermittelt darüber hinaus das
Fall Florian erreichte wieder eine Landtagsan- Gefühl der Zugehörigkeit zu einer Gruppe.
frage das Kultusministerium, die umfängliche Die Vielschichtigkeit des Begriffs „Sprache“,
Antwort des Ministeriums ist der Landtags- wie sie in der alltäglichen Verwendung be-
drucksache 17/567 vom 28. Februar 2014 zu gegnet, zeigt sich auch in zahlreichen sprach-
entnehmen. wissenschaftlichen Definitionsversuchen:
65
Dialekt und Schule – Grundlagen und Konzepte Dialekte in Bayern
Standardsprache:
„Guten Tag“, „Grüß Gott“
Fachsprache:
„Guten Morgen,
Kommilitonen“
Umgangssprache: „Servus“
Sprachsystem
Deutsch
Dialekt: „Griaß God“
66
Dialekte in Bayern Dialekt und Schule – Grundlagen und Konzepte
Vorstellungen, die man sich von Sprache Dazu trägt wohl auch der nicht eindeutig
bildet, haben Auswirkungen auf den Umgang verwendete Begriff Hochdeutsch bei. Wäh-
mit Sprache, wie durch folgendes Beispiel rend aus sprachwissenschaftlicher Sicht
verdeutlicht werden soll: damit die von der zweiten Lautverschiebung
betroffenen hochdeutschen Dialekte Bairisch,
Alemannisch, Ostfränkisch sowie Thürin-
Standardsprache gisch, Sächsisch und Mosel-, Rheinfränkisch
im Gegensatz zu den niederdeutschen
Umgangssprache Dialekten gemeint sind, wird Hochdeutsch
in sprachsoziologischem Sinn als wertender
Dialekt Gegensatz zum Dialekt verstanden.
67
Dialekt und Schule – Grundlagen und Konzepte Dialekte in Bayern
Sprachliches Kontinuum
Mit dem Ausdruck Kontinuum wird ange- der ein Sprecher eine dialektnahe Sprache
deutet, dass zwischen den Ausprägungen wählt, die auch der seiner Gesprächspartner
von Sprache keine trennscharfen, sondern entspricht, ist bei einem offiziellen Anlass,
fließende Übergänge existieren. In Abhän- etwa einem Vortrag oder einer Rede, eine
gigkeit von der Situation gleiten die Spre- standardnahe Ausdrucksweise angebracht.
chenden ohne spürbare Abstufungen in of
fiziellere oder ungezwungenere Ausdrucks- Dialektologie in Bayern
weisen hinüber. Dies gilt vor allem für den
mündlichen Sprachgebrauch. Sinnvoll er- Wie in Folge 1 der Sendereihe „Dialekte in
scheint es, die Kategorie Umgangssprache Bayern“am Beispiel eines Code switchenden
weiter zu untergliedern in standardnahe Tierarztes gezeigt wird, unterscheiden sich
und dialektnahe Umgangssprache, da die Dialekt und Standardsprache vor allem im
meisten deutschen Sprecher auch im Alltag Bereich der Aussprache und des Wortschat-
eine solche Abgrenzung registrieren. zes. Die Sammlung und wissenschaftliche
Auswertung des Dialektwortschatzes hat in
Ein solches Modell hat auch Vorteile bezüg- Bayern eine lange Tradition. So sammelte der
lich der Bewertung von Sprachsystemen. 1785 in Tirschenreuth in der Oberpfalz gebo-
Seit langem fordert man nämlich – nicht nur rene und in der Hallertau aufgewachsene Jo-
für die Schule – eine Aufhebung der Dicho- hann Andreas Schmeller die Sprachbrocken
tomie richtiges / falsches bzw. gutes / schlech des Bayerischen und wurde so zum bedeu-
tes Deutsch zu Gunsten einer situationsange tendsten bayerischen Sprachwissenschaftler
messenen / situationsunangemessenen im 19. Jahrhundert.
Sprachverwendung. Das Modell eines sprach-
lichen Kontinuums berücksichtigt aber eben
jene Situationen. Durch die Darstellung der
verschiedenen Sprachvarietäten auf einer
Ebene wird ein anderes Verständnis der Be-
wertung von Sprache ausgedrückt. Dialekt
ist hier nicht minderwertiger als die anderen
Ausprägungen, sondern einfach in anderen
Situationen angebracht. Dies ist ein wichtiger
Hinweis für die Schule!
68
Dialekte in Bayern Dialekt und Schule – Grundlagen und Konzepte
69
Dialekt und Schule – Grundlagen und Konzepte Dialekte in Bayern
Die Dialekte, wie sie heute in Bayern gespro- Damit aber Sprache im heutigen Sinn über-
chen werden, gehen auf eine sehr lange hi- haupt entstehen konnte, mussten in der
storische Tradition zurück, die bis in die Zeit langen Entwicklungsgeschichte der Homini-
der Völkerwanderung reicht, aber erst mit der den zunächst die anatomischen Vorausset-
beginnenden Schriftlichkeit im 8. Jahrhun- zungen zum Sprechen entwickelt werden.
dert n. Chr. belegt werden kann. Besiedelt war Durch einen Vergleich des Stimmapparates
der Raum des heutigen Bayerns allerdings von Primaten und des Menschen zeigt sich
schon Jahrtausende zuvor, wie zahlreiche ar- etwa, dass der Mensch das einzige Säugetier
chäologische Funde dokumentieren. Wie die ist, das nicht gleichzeitig trinken und atmen
Sprache der Bevölkerung in Bayern in vor- kann, da der Kehlkopfdeckel einen dichten
geschichtlicher Zeit geklungen hat, ist aber Verschluss bildet und die Position des Kehl-
wissenschaftlich nicht nachvollziehbar. So kopfes dies verhindert. Dieser vermeintliche
bleiben die Annahmen über den Beginn der Nachteil ist aber durch die verbesserte Arti-
Sprachfähigkeit des Menschen, das Existieren kulationsfähigkeit des menschlichen Stimm-
einer oder mehrerer Ursprachen und die Pha- apparats mehr als aufgewogen, weil durch
sen der Entwicklung hin bis zu den modernen sie erst das Hervorbringen differenzierter
und hoch entwickelten heutigen Sprachsyste- Sprachlaute und die Ausbildung einer kom-
men bislang mehr oder weniger hypothetisch. plexen Sprache ermöglicht wird.12
70
Dialekte in Bayern Dialekt und Schule – Grundlagen und Konzepte
71
Dialekt und Schule – Grundlagen und Konzepte Dialekte in Bayern
Gesichertes Wissen hinsichtlich der auf etliche Siedlungs-, Gewässer-, Berg- und
bayerischem Boden gesprochenen Sprachen Gebirgsnamen zurückführen lassen:
erhalten wir erst zur Keltenzeit, auf die sich
Ganz Bayern hat einmal zum keltischen Amper /Ammersee, Inn, Glonn, Mindel.
Kulturkreis gehört, den die Archäologen Nicht sicher als keltisch zu erweisen
Latènezeit nennen. Er soll von der Mitte sind die Namen der Flüsse Eger, Röslau,
des 1. Jahrtausends bis ungefähr Christi Pegnitz, Regnitz, Saale, Wörnitz, Zenn,
Geburt gedauert haben. Zumindest für Regen, Naab, Isar, Iller, Lech, Würm;
das südliche Bayern können die Archäo- sie haben aber eine sichere indogerma-
logen für diese Zeit auch ein städtisches nische Etymologie.
Zentrum ausmachen: das Oppidum Auch im Bereich der Berg- bzw. Gebirgs-
Manching beim heutigen Ingolstadt an namen sind keltische Ursprünge anzuneh-
der Donau. Es lag am Schnittpunkt der men, so etwa bei der bei Ptolemaios über-
westlichen und östlichen Machtgruppie- lieferten Gabreta silva, die auf den Böhmer-
rungen der Kelten. wald bezogen wird und mit keltisch *gab
Im Namen des Donauzuflusses Paar, der ros ‚Bock‘ verbunden wird. Der Böhmer-
ursprünglich das Oppidum zerschnitt und wald wäre demnach ein ‚Wald mit Steinbö-
noch von den Erbauern oder Bewohnern cken‘ gewesen. Neuere Forschungen haben
der Siedlung umgeleitet wurde, ist mög- auch die Namen der Berge Arber, Osser,
licherweise der ursprüngliche keltische Lusen im Bayerischen Wald als keltisch er-
Name von Manching erhalten. Nimmt man weisen können. Zu den keltischen Bergna-
nämlich die Ausgangsbedeutung ‚einge- men kann man auch den Namen des heili-
friedete und befestigte Fläche‘ für das vor- gen Berges der Bayern, nämlich Andechs
romanische Wort *barra an, ist es durch- zählen. Er enthält das keltische Verstär-
aus möglich, dass die Benennung des kungspräfix ande- und vielleicht das vor-
Oppidums auf den vorbeifließenden Fluss romanische Wort *daksia für die Eibe (*An
übertragen wurde, ein Vorgang, der sich dedaksia > *Andaksia, a.1068 Anadehsa).
donauabwärts, bei dem Oppidum auf dem Als Siedlungsnamen keltischer Herkunft in
Michelsberg über Kelheim wiederholt. Bayern können gelten: Boiodurum, heute
Den Namen dieser keltischen Ansiedlung Passau; Sorviodurum, heute Straubing;
überliefert der antike Geograph Ptolemaios ebenso Bedaio, jetzt Seebruck am Chiem-
in der Form Alkimoennís. Ohne Zweifel see. Kellmünz an der Iller (Bayr. Schwaben)
lebt dieser Name in der Bezeichnung des und Kallmünz (im Kreis Regensburg) gehen
Flusses weiter, der hier in die Donau auf den gleichen Ursprung *Kalamantia,
mündet und schon im 8. Jahrhundert im zurück. Obwohl angeblich ohne keltische
Zusammenhang mit den Plänen Karls des Funde, trägt Kempten im Allgäu den kel-
Großen für einen Rhein-Donau-Kanal als tischen Namen Kambódunon in der Bedeu-
Alcmona erwähnt wird; es handelt sich um tung ‚befestigte Siedlung an der Fluss-
die jetzige Altmühl. krümmung‘. Auch zwei kleinere Orte wie
Keltische Namen in Bayern sind ferner Kareth bei Regensburg (< *Karrinos = Stein-
Donau / Danubius, Main / Moinos und weg) und Mittich (< *Medika) bei Passau
weitere Gewässernamen: Tauber, Iff haben ihren keltischen Namen bewahrt.
(< *Epia), Lohr, Kondrau, Ucha, Pfreimd,
Luhe, Chamb, Laaber, Abens / Abusina, (Originalbeitrag Prof. Albrecht Greule, Regensburg)
72
Dialekte in Bayern Dialekt und Schule – Grundlagen und Konzepte
Wesentlich greifbarer als die keltischen Be- und Mondsee (bairisch). Im alemannischen
lege sind die zahlreichen sprachlichen Spu- Sprachraum traten vor allem die Schreib-
ren, die die Römer in Bayern hinterlassen schulen der Klöster St. Gallen und Reichenau
haben. Bis heute ist der Einfluss des Latei- hervor. Zunächst sind die schriftlich fest-
nischen auf die deutsche Sprache wirksam gehaltenen Zeugnisse aus dieser Zeit aus-
und vor allem in verschiedensten Bereichen schließlich religiöse Texte. Die deutschen
des Wortschatzes spürbar. Glossierungen dienten vor allem der Er-
schließung des Lateinischen.
Im Laufe der ersten Jahrhunderte wurde
die Nordgrenze des römischen Reichs
stark von den nach Süden vorstoßenden Glossen
Germanen bedroht, die letztlich auch nicht
durch den Limes aufgehalten werden konn- Übersetzungen oder Worterklärungen,
ten. Im 3. Jahrhundert waren die germa- die zum Teil in deutscher Sprache zwi-
nischen Stämme der Alemannen, Franken schen die Zeilen oder neben die latei-
und Thüringer bis zur Donau gelangt, wäh- nischen Texte notiert wurden, um diese
rend im nordöstlichen Teil des heutigen inhaltlich zu erschließen. Die Glossen
Bayerns slawische Bevölkerungsgruppen wurden oft mit dem jeweiligen Text
siedelten, wie dies slawisch-deutsche abgeschrieben oder in Glossaren ge-
Mischnamen bezeugen. sammelt. Die Abfassung von Glossen
reicht bis in die Antike zurück, bis ins
Nach Odoakers Abzugsbefehl für die roma- 14. Jahrhundert sind mehr als eintau-
nische Bevölkerung im Jahre 488 waren es send Handschriften mit deutschen Glos-
die germanischen Stämme der Alemannen, sen erhalten. Die Untersuchung von
Baiern und Franken, die sich hier ansiedelten. Glossen ergibt wichtige Daten für die
Ihre Entstehung stellte man sich lange Zeit Sprach- und Kulturgeschichte.
als Einzug eines geschlossenen Stammes-
verbandes vor. Für die Baiern, deren Stam-
mesbildung in der Gotengeschichte des So steht denn auch ein lateinisch-althoch-
Jordanes aus dem Jahr 551 erwähnt wird deutsches Wörterbuch am Anfang der Schrift-
(Im Osten der Suaben leben die Bajuwaren überlieferung, der in der 2. Hälfte des 8. Jahr-
– Ab oriente baiubaros), nimmt man aber hunderts entstandene Abrogans (benannt
heute an, dass viele ethnische Splittergrup- nach dem ersten Worteintrag (abrogans dhe
pen unterschiedlichster Herkunft ihre Ethno- omodi. humilis = ‚bescheiden‘), von dem eine
genese bestimmten. im frühen 9. Jahrhundert in Regensburg ge-
schriebene Handschrift erhalten ist.
Die Alemannen, Baiern und Franken unter-
schieden sich damals sprachlich noch kaum Die frühe deutsche Sprachgeschichte ist
voneinander, die Differenzierung der einzel- zunächst stark von kirchlichen Gebrauchs-
nen hochdeutschen Dialekte schritt erst in texten geprägt. Karl der Große, für den das
den kommenden Jahrhunderten weiter fort. Christentum das Fundament der Reichskul-
tur darstellte, hatte in seiner admonitio ge
Erste und wichtigste Träger der Sprachge- neralis von 789 angeordnet, dass die christ-
schichte Bayerns waren in der althochdeut- lichen Grundgebete in ihrer volkssprachigen
schen Zeit (750 –1050) zunächst die Klöster und nicht lateinischen Version unters Volk ge-
in Bamberg, Fulda, Würzburg (fränkisch) bracht werden. Aus dieser Zeit sind uns meh-
sowie Freising, Regensburg, Tegernsee rere Varianten des Vater unser erhalten:
73
Dialekt und Schule – Grundlagen und Konzepte Dialekte in Bayern
74
Dialekte in Bayern Dialekt und Schule – Grundlagen und Konzepte
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Dialekt und Schule – Grundlagen und Konzepte Dialekte in Bayern
76
Dialekte in Bayern Dialekt und Schule – Grundlagen und Konzepte
Auch durch die rasante Entwicklung der verschwinden, hat man in den letzten
Gesellschaft hin zu einer Mediengesellschaft Jahrzehnten mit großem Aufwand einen
in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts Bayerischen Sprachatlas erarbeitet. Die
wurden die Dialekte immer weiter zugunsten ersten Bände des umfangreichen Projekts
überregionaler Sprachformen norddeutscher sind mittlerweile erschienen. Ziel der
Prägung zurückgedrängt. Unternehmung ist es, die in Bayern ge-
sprochenen Dialekte zu erfassen und zu
Da auch für das im Vergleich zu anderen dokumentieren. Einen Eindruck von den
deutschen Sprachregionen immer noch stark Ergebnissen der Arbeiten am Bayerischen
dialektgeprägte Bayern zu befürchten ist, Sprachatlas gibt der Kleine Bayerische
dass die Dialekte zurückgehen oder sogar Sprachatlas (dtv 2005):
77
Dialekt und Schule – Grundlagen und Konzepte Dialekte in Bayern
Mit diesem kurzen Überblick über die Ent- 6 Nach Rein 1991, S. 27.
wicklung der Sprache in Bayern sollte der
7 Wiesinger 1980, S. 177-194.
besondere Stellenwert der Dialekte für
die über 1200 Jahre währende bayerische 8 Vgl. Barbour / Stevenson 1998, S. 150f.,
Sprach- und Kulturgeschichte hervorgeho- Durell 1998, S.1-16; Hochholzer 2003.
ben werden. Es wäre zu wünschen, dass die 9 Vgl. ausführlich zu Schmeller: Brunner 1971.
nachfolgenden Generationen sich dieser
10 Bayerisches Wörterbuch im Internet:
Tradition nicht nur bewusst sind, sondern
www.bwb.badw.de.
die sprachlichen Eigen- und Besonderheiten
auch bewahren. Dazu soll die vorliegende 11 Die Charakteristika der einzelnen Sprachregionen
Handreichung für die bayerischen Schulen in Bayern werden in Teil III dieser Handreichung
ihren Beitrag leisten. jeweils am Anfang der Unterkapitel beschrieben.
12 Nach Spektrum der Wissenschaft, Dossier ND 1 / 2004:
Die Evolution der Sprachen, S. 13. Zur Entstehung
Anmerkungen der Sprache vgl. Müller 2002, S. 223-240.
1 Nach Bußmann 2002, S. 648. 13 Althochdeutsches Lesebuch 1979, S. 11.
5 Nach Bußmann 2002, S. 616. 17 Nicolai 1785, S. 306. Zit. nach König 2001, S. 133.
78
Dialekte in Bayern Dialekt und Schule – Grundlagen und Konzepte
Greule, Albrecht (1989): Mundartpflege. Erkundun- Renn, Manfred / König, Werner (2006): Kleiner
gen und Definitionsversuch. In: Günter Bellmann Bayerischer Sprachatlas. München.
zum 60. Geburtstag. Hg. v. W. Putschke u. a.,
Marburg, S. 415-426. Wagner, Eberhard (1987): Das fränkische Dialektbuch.
Mit einem Beitrag von Reinhard Rascher. München.
Hochholzer, Rupert (2003): Einstellungen zu Dialekt
und Konzeptionen von Sprache bei Deutschlehrerin- Wiesinger, Peter (1980): „Sprache“, „Dialekt“ und
nen und Deutschlehrern. In: Oberviechtacher „Mundart“ als sachliches und terminologisches
Heimatkundliche Beiträge, Band 6, S. 95-105. Problem. In: Dialekt und Dialektologie. Ergebnisse
des internationalen Symposions „Zur Theorie des
Hochholzer, Rupert (2004): Konfliktfeld Dialekt. Das Dialekts“. Marburg / Lahn 1977. Hg. v. Göschel,
Verhältnis von Deutschlehrerinnen und Deutsch- Joachim u. a., Wiesbaden, S. 177-198.
lehrern zu Sprache und ihren regionalen Varietäten.
Regensburg. Zehetner, Ludwig (1985): Das bairische Dialektbuch.
Unter Mitarbeit von Eichinger, Ludwig M. / Rascher,
König, Werner (2001): dtv-Atlas zur deutschen Reinhard / Rowley, Anthony / Wickham, Christopher J.
Sprache. 13. Aufl. München. München, veränderte Neuaufl. Regensburg 2005.
79
Dialekt und Schule – Grundlagen und Konzepte Dialekte in Bayern
80
Dialekte in Bayern Dialekt und Schule – Grundlagen und Konzepte
Problemaufriss
Auch zu Beginn des 21. Jahrhunderts spricht ist erst vor kurzem im Bayerischen Landtag
immer noch die Mehrheit der bayerischen formuliert worden.6 Hintergrund für die zum
Schülerinnen und Schüler, wenn sie ihre Teil heftig geführte öffentliche Diskussion
Schullaufbahn beginnt, Dialekt oder eine um den Stellenwert des Dialekts in Bayern
dialektal geprägte Umgangssprache. In ihrer war und ist die Sorge, dass eine Sprachform,
Schulzeit sollen die Kinder und Jugendlichen die in Bayern und darüber hinaus seit über
dann die deutsche Standardsprache in Wort tausend Jahren existiert, bald zum Ausster-
und Schrift fehlerfrei erlernen, wie es auch ben verdammt sei.
zahlreiche offizielle Verlautbarungen zu
Recht fordern. Gleichwohl kann eine moderne und sehr
mobile Gesellschaft nicht von einer aus-
Allerdings ist die sprachwissenschaftliche schließlichen Dialektpflege ausgehen, da
Diskussion, ob die Zielnorm Deutsche der Umgang mit Dialekten als Teil des deut-
Standardsprache überregional oder regional schen Sprachsystems immer auch die deut-
ausgeprägt sein sollte, derzeit noch keines- sche Sprache als Ganzes in den Blickwinkel
falls entschieden.3 Während sich nach einer rückt. Es ist nicht zu übersehen, dass eine
heftigen Diskussion in den 1980er Jahren Standardsprache wichtige Funktionen inner-
das plurizentrische Verständnis von natio- halb der Kultur einer Sprachgemeinschaft
nalen Varietäten in Deutschland, Österreich übernimmt. Für die Schule steht die einigen-
und der Schweiz allgemein durchgesetzt de Funktion neben der Funktion der Stan-
hat und den „politisch motivierten bundes- dardsprache als normativer Bezugsrahmen
deutschen Alleinvertretungsanspruch“4 für die Orientierung ihrer Sprecher wohl im
relativierte, gestaltet sich die Frage nach Vordergrund, während die Prestigefunktion
der sprachlichen Variabilität innerhalb ebenso wie die separierende Funktion zur
Deutschlands schwieriger, da für die Natio- Abgrenzung gegenüber anderen Sprachen
nalvarietät der Bundesrepublik Deutschland eher in den Hintergrund treten sollten.7
wenigstens zwei regionale Standards unter-
schieden werden können: der nördliche und Um sowohl der Standardsprache als auch
der südliche Gebrauchsstandard.5 den Dialekten die ihnen zustehende Bedeu-
tung beizumessen, erscheint das der vor-
Solange jedoch diese Standardvarianten liegenden Handreichung zugrunde liegende
nicht kodifiziert sind, stellt sich für die Schule Konzept der inneren Mehrsprachigkeit als
weiterhin die äußerst schwierige Aufgabe, tragfähiges Fundament für einen zeitge-
angesichts sprachlicher Variation, die in mäßen schulischen und privaten Umgang
jeder natürlichen Sprache auftritt und die mit Sprache. Innere Mehrsprachigkeit meint
jedem Sprecher täglich begegnet, die stan- nichts anderes als die Fähigkeit eines Men-
dardsprachliche Norm zu vermitteln, die auch schen, innerhalb seiner eigenen Mutterspra-
als Bewertungsgrundlage für mündliche und che zwischen Dialekt und Standard, zwischen
schriftliche Schüleräußerungen herangezo Fach- und Umgangssprache, zwischen locke-
gen wird. Aus diesem Grunde muss jedem rem und sachlichem Stil wechseln zu können.
Lehrenden das problematische Verhältnis Der bewusste Umgang mit der eigenen Spra-
zwischen Standardsprache und Dialekt in che ist u. a. auch eine wichtige Vorausset-
seiner Auswirkung für die Schule klar sein. zung für das Erlernen von Fremdsprachen.
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Dialekt und Schule – Grundlagen und Konzepte Dialekte in Bayern
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Dialekte in Bayern Dialekt und Schule – Grundlagen und Konzepte
und des Sprachunterrichts aufbereitet und allem auf sprachliche Defizite des restrin-
ihre Durchsetzung als zentrales Lehr- und gierten Codes abzielte. Die Kritik an Bern-
Lernziel angestrebt. Bis heute kann gelten, steins Thesen entzündete sich vor allem an
dass die Standardsprache zwar grundle- der unzulässigen Gleichsetzung von Sprache
gende Zielnorm des Deutschunterrichts und Denken, wenn etwa mangelnde sprach-
ist, dass aber die Mehrheit der deutschen liche Explizitheit oder sprachliche Strukturie-
Sprachgemeinschaft immer noch regionale rungsmängel als Mangel der Denkstruktur
Varietäten (etwa eine regional geprägte angesehen werden.
Umgangssprache) als vorwiegende Sprech-
weise bevorzugt. In Deutschland hatte man Bernsteins Thesen
vielfach verkürzt dahingehend interpretiert,
Gegen die alleinige Dominanz der Standard- dass man die Dialekte mit dem restringier-
sprache erhob sich schon früh Widerspruch. ten Code gleichsetzte, indem man unkritisch
Die wichtigste und nachhaltigste Kritik an die englischen Sprachverhältnisse auf hie-
der einseitig standardsprachlichen Ausrich- sige übertrug. Ein anderer Kritikpunkt an der
tung formulierte 1867 Rudolf Hildebrand, der Defizithypothese wurde vor allem durch den
bemängelte, dass den Dorfschullehrern das amerikanischen Soziolinguisten William
Hochdeutsche ihr neues Latein geworden Labov formuliert und betraf die Tatsache,
und dies eine Sprache sei, die vom Lehrer dass bestimmte Sprachgebrauchsformen
ebenso hoch bewertet würde, wie sie den zum Maßstab erklärt und zur nicht hinter-
Schülern fremd sei. Hinsichtlich des Um- fragten Norm aller Mitglieder der Sprach-
gangs mit den Dialekten in der Schule gab gemeinschaft erhoben wurden. Labovs Dif-
es, für den gesamten deutschen Sprach- ferenzhypothese interpretierte die Unter-
raum gesprochen, keine einheitliche Linie; schiede zwischen den Codes nun nicht mehr
die Bandbreite war gespannt von Forde- als Mangel, sondern als Andersartigkeit.
rungen nach Ausrottung von Dialekten8
über das Zulassen von Dialekt bei gleich- Der kompensatorische Sprachunterricht, der
zeitiger Hinführung zum Standard (kontras- im Gefolge der Defizithypothese darauf ab-
tive Ansätze9) bis hin zum Dialekt lernen zielte, den Kindern letztlich sozialen Aufstieg
in der Schule.10 durch Erlernen des elaborierten Codes zu
ermöglichen, konnte das vermeintliche
Die wohl folgenreichste Station in der Ge- Dialekt-Problem nicht beseitigen. Den Lehre-
schichte des Dialekts in der Schule ist die rinnen und Lehrern sollte im Sinne der
so genannte Sprachbarrierendiskussion,11 Differenzhypothese allerdings bewusst ge-
die in den 1960er und 1970er Jahren ent- macht werden, dass sie es bei dialektalen
brannte, als man die Thesen des Engländers Sprachformen nicht zwangsläufig mit sprach-
Basil Bernstein zunächst kritiklos auf deut- lichen Mängeln, sondern vielmehr mit ande-
sche Sprachverhältnisse übertrug. Bernstein ren Sprachgebrauchsformen zu tun haben.
unterschied zwischen dem so genannten
elaborierten Code, der dem normalen Sprach- Innerhalb der Sprachwissenschaft führte die
gebrauch der Ober- bzw. Mittelschicht ent- Auseinandersetzung mit den Thesen Bern-
spricht, und dem restringierten Code der steins schließlich zur Ausbildung eines neuen
Unterschicht. Der elaborierte Code hebt sich Wissenschaftszweiges, der Soziolinguistik.
nach Bernstein in Explizitheit, grammatischer In den ersten Jahren der neuen Disziplin rich-
Korrektheit und logischer bzw. argumenta- tete sich das Interesse der Soziolinguisten
tiver Strukturiertheit vom restringierten Code auf den Einfluss der soziologischen Faktoren
ab und ist in diesen Bereichen dem restrin- Schicht bzw. Klasse auf Sprache und Sprach-
gierten Code weit überlegen. Daraus entstand gebrauch. Mit dem heute oft für Soziolingu-
die so genannte Defizithypothese, die vor istik synonym verwendeten Begriff Varietä-
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Dialekt und Schule – Grundlagen und Konzepte Dialekte in Bayern
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Dialekte in Bayern Dialekt und Schule – Grundlagen und Konzepte
„Ziel ist eine kommunikative Kompetenz, Wenn auch die Vorrangstellung der Standard-
zu der alle Sprachkenntnisse und Sprach- sprache als Kommunikationsmittel mit der
erfahrungen beitragen und in der die größten Reichweite weiterhin das Konzept
Sprachen miteinander in Beziehung ste innerer Mehrsprachigkeit für die Schule be-
hen und interagieren. In verschiedenen stimmt, sollte die Ausbildung eines ausge-
Situationen können Menschen flexibel auf prägten Sprachbewusstseins grundlegendes
verschiedene Teile dieser Kompetenz zu Ziel des Sprachunterrichts und der Sprach-
rückgreifen, um eine effektive Kommuni förderung sein – und dies sollte nicht nur für
kation mit einem bestimmten Gesprächs das Fach Deutsch, sondern für alle Unter-
partner zu erreichen. Zum Beispiel können richtsfächer gelten.
Gesprächspartner von einer Sprache oder
einem Dialekt zu einer oder einem ande Für die Förderung der inneren Mehrspra-
ren wechseln und dadurch alle Möglich chigkeit in der Schule lässt sich eine Reihe
keiten der jeweiligen Sprache oder Vari von Gründen ausmachen:
etät ausschöpfen, indem sie sich z. B. in
einer Sprache ausdrücken und den Part Nach dem gegenwärtigen Stand der Sprach-
ner in der anderen verstehen. Man kann erwerbsforschung spricht vieles dafür, dass
auch auf die Kenntnis mehrerer Sprachen eine mehrsprachige Erziehung (und dies
zurückgreifen, um den Sinn eines ge trifft sowohl für die innere wie für die äußere
schriebenen oder gesprochenen Textes Mehrsprachigkeit zu) die sprachliche, kogni-
zu verstehen, der in einer eigentlich unbe tive und soziale Entwicklung der Kinder posi-
kannten Sprache verfasst wurde; dabei tiv beeinflusst. Besonders von Vorteil ist das
erkennt man zum Beispiel Wörter aus durch aktive Mehrsprachigkeit zwangsläufig
einem Vorrat an Internationalismen, die ausgeprägte Sprachbewusstsein. In Hinblick
hier nur in neuer Gestalt auftreten.“ 13 auf das weiter zusammenwachsende Europa
ist dieses Sprachbewusstsein, das auch als
Diese Sichtweise betont also eindeutig die Sprachdifferenzbewusstsein wahrgenommen
zwei Seiten sprachlicher Bildung: Die Aus- wird, eine wichtige Grundlage für die mutter-
bildung und Verfeinerung der Muttersprache sprachliche Sprachkompetenz, aber auch für
in Form innerer Mehrsprachigkeit und das das Erlernen von Fremdsprachen.
Erlernen weiterer Sprachen als äußere Mehr-
sprachigkeit, die auch sprachenübergrei- Das Sprachdifferenzbewusstsein betrifft
fende Mehrsprachigkeit genannt wird.14 beispielsweise die differenzierte Wahrneh-
mung verschiedener sprachlicher Formen,
Innerhalb der inneren Mehrsprachigkeit die anhand der Unterschiede zwischen
sollte aus didaktischer Sicht jedoch unbe- Standardsprache und Dialekt schon früh
dingt zwischen verschiedenen Varietäten trainiert werden kann. Im Bereich des Schrift-
und den Stilebenen unterschieden werden. spracherwerbs wird unter dem Stichwort
Während die regionalen Varietäten (Dialekte Phonologische Bewusstheit die Bedeutung
und dialektal geprägte Umgangssprachen) dieser Wahrnehmungsfähigkeit mittlerweile
der unterschiedlichen räumlichen Verteilung allgemein anerkannt.
(vgl. Landkarte deutscher Dialekte) entspre-
chen, werden die so genannten soziolektalen Die Kenntnisse und Fähigkeiten, die ein Kind
Varietäten von unterschiedlichen sozialen durch den bewussten Wechsel zwischen Dia
Gruppen verwendet (Jugendsprache, Fach- lekt und Standardsprache erwirbt, können
sprachen etc.). Davon wiederum zu unter- auch beim Erwerb einer Fremdsprache ge-
scheiden sind die formellen und informellen winnbringend genutzt werden. Dazu bedarf
Stilebenen, die in unterschiedlichen Kommu- es allerdings einer grundlegenden Neubewer
nikationssituationen angebracht erscheinen. tung von Fehlern im Spracherwerbsprozess.
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Dialekt und Schule – Grundlagen und Konzepte Dialekte in Bayern
Noch nicht völlig geklärt ist die Frage, ob Auch daraus leitet sich die Aufgabe für die
frühe innere und äußere Mehrsprachigkeit aus Schule und speziell des Deutschunterrichts
neurophysiologischer Sicht Vorteile für den ab, die innere Mehrsprachigkeit der Schüle-
Spracherwerb mit sich bringt. Es ist gut mög- rinnen und Schüler aktiv zu fördern.
lich, dass frühe Mehrsprachige beim Wech-
seln zwischen den verschiedenen Sprach-
systemen lediglich auf ein neuronales Netz Folge 9: Dialekt und Schule
zurückgreifen, während Personen, die eine
Zweitsprache erst später erlernt haben, auf Bei der Konzeption der Sendereihe Dialekte
verschiedene Areale im Gehirn angewiesen in Bayern wurde aus den oben genannten
sind. Beim Lernen weiterer Sprachen würden Gründen heraus eine eigene Sendung dem
dann die frühen Sprachenlerner auf dieses Thema Dialekt und Schule gewidmet, nicht
eine Netz wiederum zurückgreifen. Beispiele zuletzt um zu zeigen, dass der Erwerb inne-
von Personen, die in ihrer frühen Kindheit rer Mehrsprachigkeit und die Bewahrung von
mit einem Dialekt und einer dazu distanzier- Dialekten auch zu Beginn des 21. Jahrhun-
ten Standardsprache aufwachsen, lassen ver- derts als wichtige gesellschaftliche Aufgabe
muten, dass dies ihre Sprachentwicklung po- angesehen wird. In der Sendung wird Mehr-
sitiv beeinflusst. sprachigkeit als Chance begriffen und an ei-
nigen Beispielen gezeigt, wie man in ver-
Erwiesen ist immerhin, dass Kinder im Vor schiedenen Schularten und -stufen auf die
schulalter bessere Fähigkeiten der Imitation Dialekte eingehen kann.
als Schulkinder besitzen, eine insgesamt
größere Flexibilität und Spontaneität auf-
weisen und darüber hinaus weniger Hem- Anmerkungen
mungen haben zu sprechen. Der frühe Er- 1 Klotz / Sieber 1993, S. 6.
werb verschiedener Sprachen bringt über-
2 Klotz / Sieber 1993, S. 8.
dies nicht nur Vorteile im Bereich der Aus-
sprache, sondern auch im Bereich der Lexik 3 Vgl. Debus 1997, S. 3-8.
für idiomatische Wendungen. Aus diesen 4 Vgl. Bußmann 2002, S. 482; Ammon 2005.
Gründen ist es nahe liegend, die innere
5 Zur Diskussion um den Standard Nord und
Mehrsprachigkeit neben der äußeren stärker
Süd siehe König 1996 und Barbour /
als bisher zu fördern.
Stephenson 1998.
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Dialekte in Bayern Dialekt und Schule – Grundlagen und Konzepte
Barbour, Stephen / Stevenson, Patrick (1998): Wandruszka, Mario (1990): Die europäische
Variation im Deutschen. Soziolinguistische Sprachgemeinschaft: Deutsch – Französisch –
Perspektiven. Übersetzt aus dem Englischen Englisch – Italienisch – Spanisch im Vergleich.
von Gebel, Konstanze. Berlin / New York. Tübingen.
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Dialekte in Bayern Dialekt und Schule – Grundlagen und Konzepte
und weiterverfolgt, indem Bedeutung und sprache bereits in der 6. Jahrgangsstufe vor-
soziokulturelle Aufgabe der Dialekte bespro- gesehen. In der Jahrgangsstufe 10 werden
chen werden ( 3). die Merkmale und Leistungen verschiedener
Sprach- und Stilebenen reflektiert.
Ein ähnliches Bild zeigt der neue Lehrplan
für die bayerische Wirtschaftsschule, der In den Jahrgangsstufen 11/12 heißt es: Die
im Schuljahr 2014/15 in Kraft gesetzt wurde. Schülerinnen und Schüler ...
Auch hier ist an vielen Stellen von einer be- untersuchen und reflektieren ausgewählte
wussten Auseinandersetzung mit den un- Probleme der Gegenwartssprache, indem
terschiedlichen Sprachvarietäten die Rede, sie sich z. B. mit der Vielfalt von Sprachva-
darunter auch dem Dialekt ( Fachprofil rietäten, Sprachwandel, aktuellen Entwick-
Deutsch 2.2). lungstendenzen des Deutschen und dem Ein-
fluss digitaler Medien auseinandersetzen. Sie
nutzen die Kenntnis sprachphilosophischer
Gymnasium Positionen (z. B. Sprachkrise der Moderne)
zur differenzierten Auseinandersetzung mit
Der seit dem Jahr 2004 eingeführte Lehr- sprachkritischen Fragestellungen (z. B. Mög-
plan für das 8-jährige Gymnasium macht das lichkeiten und Grenzen der kognitiven Funk-
Thema Mundart in der 8. Jahrgangsstufe tion von Sprache).
zum Gegenstand des Unterrichts. Unter untersuchen und reflektieren auf der Basis
8.3 sollen die Schülerinnen und Schüler kommunikationstheoretischer Grundlagen
den Eigenwert der Mundarten erkennen das Gelingen bzw. Misslingen von Kommuni-
und deren Merkmale und Leistungen unter- kation.
suchen. Dies soll auch anhand literarischer untersuchen und reflektieren den Zusam-
Beispiele geschehen. menhang zwischen der sprachlich-stilisti-
schen Gestaltung eines Texts und deren Wir-
Nicht ausdrücklich erwähnt, aber impliziert kung bzw. deren Funktion für die Textkohä-
ist Mundart in der 9. Jahrgangsstufe in renz.
3 Sprache untersuchen, verwenden, gestal
ten. Die Schüler sollen zu praktischer Stilistik
angeleitet werden und orthographische Phä- FOS/BOS
nomene sowie grammatische Strukturen in
funktionalen Zusammenhängen untersuchen. Obwohl das Thema Mundart in den Lehrplä-
Sie beschäftigen sich mit der situativen Ver- nen für die Fach- und die Berufsoberschule
wendung von Sprach- und Stilebenen und von 1998 nicht ausdrücklich erwähnt wird,
sollen diskriminierenden Sprachgebrauch ergeben sich dennoch vielfältige Möglich-
erkennen und beurteilen. keiten der Umsetzung implizit vorhandener
Lehrplanvorgaben.
Das Thema Mundart ist im geltenden Lehr-
plan für das Gymnasium an vielen Stellen So schreibt das Fachprofil der beiden Schul-
in 1 Sprechen, 2 Schreiben und arten für den mündlichen Sprachgebrauch
4 Sich mit Literatur und Sachtexten ausein die Vermittlung situationsgerechter Kommu-
andersetzen impliziert. So auch auch im Ent- nikation in Alltag, Studium und Beruf vor.
wurf für den neuen LehrplanPLUS, der im Der muttersprachliche Unterricht soll dazu
April 2015 erstmals veröffentlicht wurde. Im befähigen, Sprachebenen einzuhalten. Die
Lernbereich 4 Sprache und Sprachge bewusste Auseinandersetzung mit den ver-
brauch untersuchen und reflektieren ist hier schiedenen Sprachebenen des Deutschen
die Unterscheidung ausgewählter Merkmale kann Sicherheit in deren situativer Anwen-
und Leistungen von Dialekt und Standard- dung vermitteln ( 2 Mündlicher Sprachge
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Dialekt und Schule – Grundlagen und Konzepte Dialekte in Bayern
brauch). Auch bei den zahlreichen Möglich- Stellung ein wie die Verwendung des Hoch-
keiten des kreativen Schreibens können die deutschen“ ( 3.1 Sprechen und Sprach-
Schüler mit unterschiedlichen Sprachebenen gestaltung).
experimentieren ( 3 Schriftlicher Sprach
gebrauch, 3.4 kreatives Schreiben und Ge
stalten). Wie in der Oberstufe des Gymnasi- Fazit und Ausblick
ums können im Literaturunterricht mundart-
liche Texte aufgegriffen und behandelt wer- Dem Thema Mundart kommt in den Lehrplä-
den. nen der bayerischen Schulen ein positiv kon-
notierter Stellenwert zu. Hierbei ist der Lehr-
plan für die Förderschulen mit dem Förder-
Berufs- und Berufsfachschule schwerpunkt Geistige Entwicklung hervorzu-
heben, welcher dem Dialekt im Unterricht
Der Fachlehrplan Deutsch für die Berufs- die gleiche Bedeutung wie der Standardspra-
und Berufsfachschule (2009) greift das che zugesteht. In allen anderen untersuchten
Thema Dialekt in der 10. Jahrgangsstufe auf. Rahmen- und Fachlehrplänen wird dieser
Im Kompetenzbereich Sprache und Sprach Status immerhin in abgeschwächter Form
gebrauch wird der situationsbezogene Um- gewährt. Dabei steht Dialekt vor allem im
gang mit Sprachvarietäten insbesondere im mündlichen Sprachgebrauch in der Grund-
beruflichen Alltag auch unter dem Aspekt der schule, an der Realschule und an der Unter-
Dialektverwendung thematisiert ( 10.4). In und Mittelstufe des Gymnasiums im Vorder-
allen Jahrgangsstufen der Berufs- und Berufs- grund.
fachschule stellen die Auseinandersetzung
und die Unterscheidung der verschiedenen In der Realschule und der gymnasialen Mit-
Sprachebenen des Deutschen einen wesent- telstufe wird Mundart im Bereich der Sprach-
lichen Teil der Lehrpläne dar. lehre thematisiert. In der Oberstufe des Gym-
nasiums wird Mundart nicht ausdrücklich
berücksichtigt, dennoch ergeben sich, ent-
Förderschule sprechend für FOS und BOS, vielfältige Mög-
lichkeiten der Behandlung mundartlicher
Einen zentralen Stellenwert besitzt das Themen im Unterricht.
Thema Mundart in den Förderschulen. Dies
zeigt sich z. B. an den Ausführungen im Fach- Die bayerischen Lehrpläne stellen die ver-
profil Deutsch des Lehrplans für die Förder- bindliche Grundlage für eine vielfältige
schulen für die Grundschulstufe, Förder- Auseinandersetzung mit dem Thema
schwerpunkt emotionale und soziale Entwick- Dialekt dar, die sich im Umgang und in der
lung (2001), die identisch mit denen des Lehr- Auseinandersetzung mit den regionalen
plans für die Grundschule sind. Danach wird Mundarten ergibt. Im Zuge der Orientierung
der Mundart für die Identität vieler Schüler der kommenden Lehrpläne hin zu einem
ein besonderer Wert zugestanden und wer- kompetenzorientierten Unterricht wird der in
den deren spezifische Kommunikationsmög- den Lehrplanentwürfen der Grundschule
lichkeiten anerkannt. erkennbare Stellenwert der Mundart weiter
aufgewertet.
In den Lehrplänen für den Förderschwer-
punkt Geistige Entwicklung – Grund- und Mundart im Aufwind. Diese erfreuliche Ten-
Hauptschulstufe (2003) erfährt das Thema denz kann sich in Zukunft auf eine gewich-
Mundart eine besonders weitgehende Be- tige Vorgabe berufen:
rücksichtigung: „Das Sprechen regionaler
Dialekte nimmt im Unterricht die gleiche
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Dialekte in Bayern Dialekt und Schule – Grundlagen und Konzepte
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Dialekt und Schule – Grundlagen und Konzepte Dialekte in Bayern
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Dialekte in Bayern Dialekt und Schule – Grundlagen und Konzepte
wart wird hauptsächlich durch schriftliche telbayerischen Zeitung enthält und in bislang
Befragung von Dialektsprechern erhoben. In drei Bänden Wörter und Wendungen aus den
dem Projekt geben gegenwärtig etwa 500 Ge- Dialekten und der regionalen Hochsprache in
währspersonen aus Oberbayern, Niederbay Altbayern sammelt und unterhaltsam erläu-
ern und der Oberpfalz Auskunft über Sachzu- tert. „Zehetner gelingt es, jedes Kapitel zu ei-
sammenhänge, Verwendung und Bedeutung ner kulturhistorischen Miniatur gerinnen zu
von Wörtern und Redensarten. lassen, welche ihren Wert nicht zuletzt des-
halb lange behalten wird, da auch unzähli-
Ebenfalls an der Bayerischen Akademie der ge Alltagsbeobachtungen (oder besser:
Wissenschaften wird das Ostfränkische Wör- -hörungen) mit eingeflossen sind“ (Bayern
terbuch erarbeitet. 2007 ging daraus das im Buch 1/2011).
Handwörterbuch von Bayerisch-Franken
(HWBF) hervor, für das Alfred Klepsch und Ähnlich unterhaltsam und gleichzeitig lehr-
Eberhard Wagner verantwortlich zeichnen. reich: Ausgesprochen Bairisch. Von Mong-
Über den Wortschatz des Fränki- schen in- dratzerln, Tschamsterern und anderen
formieren des Weiteren, dabei auch für ein sprachlichen Kostbarkeiten (2012) von Hans
breites Publikum verständlich und nützlich: Kratzer, ein anekdotenreiches Brevier vom
das Wörterbuch von Mittelfranken (2. Aufl. Vergessen bedrohter bairischer Wörter, das
2001), auf der Grundlage des Sprachatlas auf den beliebten Sprachkolumnen („Kratzers
von Mittelfranken an der Universität Nürn- Wortschatz“, auch online) des SZ-Redakteurs
berg-Erlangen zusammengestellt von Gun- fußt und auch für den Unterricht gute Dienste
ter Schunk, Alfred Klepsch, Horst Haider leisten kann.
Munske u. a., sowie das im Unterfränkischen
Dialektinstitut (UDI) erarbeitete Wörterbuch
von Unterfranken. Eine lexikographische Be- Sprachatlanten
standsaufnahme (3. Aufl. 2008) von Monika
Fritz-Scheuplein, Almut König u. a. Neben der lexikographischen Behandlung
von Sprachdaten, welche die unterschied-
Das gesamte Schwäbische wurde wissen- lichen Bedeutungen von Wörtern aufzeigt,
schaftlich erstmals von Hermann Fischer er- gibt es die Möglichkeit, sprachliche Aus-
fasst und in sechs Bänden zwischen 1904 und drücke sowie deren räumliche Verteilung
1936 als Schwäbisches Wörterbuch publi- mittels Sprachatlanten aufzuzeigen:
ziert. Der heutige Wortschatz von Bayerisch-
Schwaben ist in dem von Werner König un- Die wohl umfassendste Materialsammlung
ter Mitarbeit von Brigitte Schwarz herausge- für den gesamten bayerischen Raum erfolgte
gebenen Dialektwörterbuch von Bayerisch- in den 1980er- und 1990er-Jahren. Im Zuge
Schwaben. Vom Allgäu bis zum Ries (2. Aufl. des Projekts Bayerischer Sprachatlas (BSA),
2014) festgehalten. der aus den Teilprojekten Sprachatlas von
Bayerisch-Schwaben, Nordostbayern, Mittel-
Bairisches Deutsch. Lexikon der deutschen franken, Unterfranken, Niederbayern sowie
Sprache in Altbayern des Regensburger Dia Oberbayern besteht, wurde flächendeckend
lektforschers Ludwig Zehetner bietet eine der gesamte Sprachschatz Bayerns gesam-
übersichtliche Sammlung des bairischen melt und in Form von Sprachkarten festge-
Wortschatzes und ist 2013 bereits in 4. Auf- halten. Die Sammlungen des BSA wurden in
lage erschienen. Zur Hinführung zu dem von der Onlinedatenbank BayDat publiziert, wel-
Zehetner beschriebenen Dialektraum sei die che eine leichte Zugänglichkeit des Materials
seit 2009 in der Regensburger edition vulpes und Abfragen unter unterschiedlichsten Ge-
erscheinende Reihe Basst scho! des Autors sichtspunkten ermöglicht. Alle Nutzer werden
empfohlen, die Sprachkolumnen aus der Mit- hier gut bedient.
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Dialekt und Schule – Grundlagen und Konzepte Dialekte in Bayern
Die im Universitätsverlag Winter erscheinen- 2013 folgte der Sprechende Sprachatlas für
de Reihe Schriften zum Bayerischen Sprach- Bayerisch-Schwaben, 2014 der Sprechende
atlas informiert über die Geschichte des Pro- Sprachatlas für Niederbayern. Ein entspre-
jekts, seine Methoden und Ergebnisse. Zu- chendes Angebot für Unterfranken ist in
letzt erschienen: das Handbuch zum Sprach- Planung.
atlas von Mittelfranken (2013) von Horst
Haider Munske und Andrea Mathussek sowie Der Sprechende Sprachatlas Bayerischer
Sprachatlas von Unterfranken zum Dialekt Wald und Böhmerwald (SBuB) ist auf der
und Dialektverhalten junger Erwachsener Homepage der Philosophischen Fakultät der
(JuSUF), 2014 mit einer CD-ROM vorgelegt Universität Passau abzurufen und als CD
von Almut König. auch im Handel erhältlich.
Überblicksdarstellungen
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Dialekte in Bayern Dialekt und Schule – Grundlagen und Konzepte
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Dialekt und Schule – Grundlagen und Konzepte Dialekte in Bayern
gene und verstreute Texte aus Bayern bereit- schienen sind die Audio CDs: Die Liebe, Der
stellt und erschließt. Für die bairische Gegen- Tod, Der Rausch, Die Freiheit. Willy Michl,
wartslyrik hat dies 2014 der Sammelband Va- der Kraudn Sepp oder Gerhard Polt sind hier
stehst me. Bairische Gedichte aus 40 Jahren ebenso zu hören wie Georg Ringsgwandl,
getan, im lichtung Verlag im oberpfälzischen Harald Grill oder Gustl Bayerhammer.
Viechtach herausgegeben von Eva Bauern-
feind, Hubert Ettl und Kristina Pöschl.
Dialektpflege und Dialektologie
Als handliches und übersichtliches Nach-
schlagewerk wird man das von Alfons Hier wird man schnell im verdienstvollen
Schweiggert und Hannes S. Macher heraus- Verlagsprogramm der edition vulpes in
gegebene Buch Autoren und Autorinnen in Regensburg fündig, die u. a. das Jahrbuch
Bayern. 20. Jahrhundert (2004) gern zur Hand der Johann-Andreas-Schmeller-Gesellschaft
nehmen, eine wohlkonzipierte Mischform aus verlegt, seit 2005 herausgegeben von Chris
Lexikon und Literaturgeschichte seit dem tian Ferstl. Das Jahrbuch 2008 trägt den
Aufbruch in die Moderne. Neben Erzählern, Titel „Dem Dorfschullehrer sein neues
Lyrikern oder Dramatikern wurden dabei Latein …“ und beinhaltet eine Sammlung
auch Journalisten, Historiker oder Essayisten von Beiträgen, die sich mit dem Stellenwert
aus allen Teilen des Freistaats in die Auswahl und der Bedeutung des Dialekts in Erziehung,
aufgenommen. Ein informatives, kompaktes Unterricht und Wissenschaft auseinanderset-
und obendrein gut lesbares Handbuch, das in zen. Das Titelzitat stammt aus dem Jahr 1867
keiner Bibliothek fehlen sollte. und erinnert an die Klage des Lehrers und
Sprachwissenschaftlers Rudolf Hildebrand,
Mundartliteratur zum Hören von bayerischen der bereits 1867 kritisierte, dass selbst den
Autorinnen und Autoren gibt es mittlerweile Dorfschullehrern das Hochdeutsche ihr neues
auch in zahlreichen Hörbüchern, die ein au- Latein geworden und dies eine Sprache sei,
thentisches Literatur- und Spracherlebnis die vom Lehrer ebenso hoch bewertet würde,
vermitteln. Im Angebot von ars vivendi zum wie sie den Schülern fremd sei.
Beispiel finden sich Hörbücher von Fitzgerald
Kusz (Schweig, Bub! / Horch. Ein Mundart- Wie kann der Dialekt angesichts der Über-
Hörbuch) und Helmut Haberkamm (Komm, macht der Standardsprache bewahrt wer-
süßer Tod / Gidderbarri: Ein Dorf in Liedern den? Das Jahrbuch 2008 der Schmeller-
& Dexden / Hinnerwidder & redur), mit Gesellschaft eignet sich ebenso als Antwort
denen auch im Unterricht die Beschäftigung auf diese Frage wie das 2012 erschienene
mit dem Dialekt gefördert werden kann. Im und aus den Erfahrungen des Oberviechta
Literaturunterricht kann dies zudem durch cher Dialektprojekts hervorgegangene Hand-
historische Aufnahmen geschehen, z. B. mit buch Dialektpflege in Bayern von Ludwig
Karl Valentin. Gesamtausgabe Ton 1928-1947 Schießl und Siegfried Bräuer, das die Grund-
(Box-Set, CD+DVD, Trikont 2014) oder mit lagen und Formen einer zeitgemäßen Dialekt-
den Audio CDs Oskar-Maria Graf: Verbrennt pflege klärt und zahlreiche Beispiele aus der
mich! Geschichten, Erinnerungen und Ge Förderpraxis in Gesellschaft und Schule vor-
spräche. Gelesen vom Autor (Dhv 2008). stellt. Im dritten Kapitel werden Vorschläge
zur konzeptionellen Umsetzung einer moder-
Eine hochgelobte (Hör-)Enzyklopädie mit nen Dialektpflege gemacht. Eine themenbe-
Gedichten, Kurzgeschichten, Essays, Musik, zogene Bibliographie und ein umfängliches
Songs und Sketchen, Radiofeatures, Sound- Literaturverzeichnis runden diesen praxis-
collagen, Film-Tonspuren und O-Tönen bie- orientierten Leitfaden ab.
tet der Münchener Trikont-Verlag in der Reihe
Stimmen Bayerns (2011ff.) an. Bisher er-
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Dialekte in Bayern Dialekt und Schule – Grundlagen und Konzepte
Über die Dialektpflege des Unterfränkischen Globalisierung, die Rückbesinnung aufs Regi
Dialektinstituts in Würzburg kann man sich onale, Lokale, nicht als fahrenden Zug zum
in den Sendbriefen des UDI informieren, die Draufspringen anschaut. Sondern das die-
im Beitrag des Monats stets auch ein dialek- sem Trend und dem diffusen ‚Heimatgefühl‘
tologisches Thema abhandeln. Über die Akti- Rechnung trägt, es interessiert begleitet,
vitäten des Fördervereins Bairische Sprache herausfordert, ihm auf den Grund geht – und
und Dialekte e. V. informieren dessen Rund- auch einfach mal seine Gaudi damit hat.“
briefe, die neben Vereinsnachrichten eine Literarisches und Sprachliches sind stets mit
große thematische Bandbreite abdecken und im Heft.
dabei, dem Vereinszweck entsprechend, die
bairischen Mundarten in den Mittelpunkt stel- Die Vierteljahresschrift aviso. Zeitschrift für
len. Beide Publikationen stehen auch online Wissenschaft und Kunst in Bayern wird vom
zur Verfügung. Bayerischen Staatsministerium für Bildung
und Kultus, Wissenschaft und Kunst heraus-
Eine wahre Fundgrube einschlägig relevanter gegeben und ist auf der Website des Staats-
Themen bietet die Schriftenreihe des Regens- ministeriums auch online einzusehen. Heft
burger Dialektforums, herausgegeben von 4/2011 war dem Thema Heimat gewidmet
Rupert Hochholzer und Ludwig Zehetner, in und enthält die lesenswerte Polemik Sprach
der seit 2002 Aufsätze und Berichte aus dem heimat und Heimatsprache von Reinhard
Bereich der Dialektologie erscheinen, die weit Wittmann, der 30 Jahre lang die Literatur
über die Region Regensburg/Oberpfalz hin sendungen im Hörfunk des Bayerischen
ausreichen. Sprachwissenschaftliches im en- Rundfunks betreut hat und daher weiß, wo-
geren Sinn steht dabei neben Themenheften, von er spricht.
die u. a. das Verhältnis von Dialekt und Lite-
ratur (Bd. 10), von Mundart und Medien (Bd. Ein breites Panorama der bayerischen Ge-
16) und von Dialekt und Religion (Bd. 20) be- schichte und Kultur entwerfen die Publikati-
leuchten. onen des Hauses der Bayerischen Geschichte
(HdBG) in Augsburg: die Kataloge zu den all-
jährlichen Landesausstellungen sowie die
Heimat Bayern attraktive Reihe EDITION BAYERN, die seit
2009 die frühere HdBG-Reihe Hefte zur Baye
Im Freistaat gibt es zahlreiche Vereine und rischen Geschichte und Kultur fortführt und
Verbände, die sich um die Pflege der bayeri mit Regional- und Sonderheften das jewei-
schen Geschichte und Kultur bemühen und lige Thema abhandelt und mit attraktivem
dabei neben den aktuellen Belangen der je- Bildmaterial vor Augen führt. Von der Ge-
weiligen Region auch die bayerischen Mund- schichte der Eisenbahn in Bayern bis zu Karl
arten im Blick haben. Einen guten Eindruck Valentin, von Bayerns Trachten zu Olympia
hiervon vermitteln zum Beispiel die Zeit- 1972 in München und der reichen Industrie-
schriften Schönere Heimat des Bayerischen kultur im Freistaat reicht der weit gespannte
Landesvereins für Heimatpflege e. V., Die thematische Bogen. Sonderheft 08/2015 der
Oberpfalz des Oberpfälzer Kulturbunds oder EDITION widmet sich den bayerischen Dia-
der Oberpfälzer Waldverein mit Die Arnika. lekten und ist wie alle Hefte der Reihe auch
im Internetauftritt des HdBG präsent, der bei
Seit 2011 erscheint vierteljährlich die Zeit- BaVaria und im Bildarchiv wertvolle histo-
schrift MUH – Bayerische Aspekte, ein Ma- rische Dokumente erschließt.
gazin „für bayerisches Wesen und Unwesen,
bayerische Kulturen und Unkulturen, Gemüt-
lichkeit und Ungemütlichkeiten. Ein Magazin,
das einen Trend in Zeiten der galoppierenden
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Dialekt und Schule – Grundlagen und Konzepte Dialekte in Bayern
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Dialekte in Bayern Dialekt und Schule – Grundlagen und Konzepte
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Dialekt und Schule – Grundlagen und Konzepte Dialekte in Bayern
Huber, Gerald (2. Aufl. 2013): Hubers bairische Niebaum, Hermann / Macha, Jürgen (3. Aufl.
Wortkunde. Wissen woher Wörter kommen. 2014): Einführung in die Dialektologie des Deut-
München. schen. Tübingen.
König, Almut / Fritz-Scheuplein, Monika / Renn, Manfred / König, Werner (3. Aufl. 2009):
Blidschun, Claudia / Wolf, Norbert Richard (2007): Kleiner Bayerischer Sprachatlas. München.
Kleiner Unterfränkischer Sprachatlas. Heidelberg.
Schießl, Ludwig / Bräuer, Siegfried (2012):
König, Almut (2014): Sprachatlas von Unterfranken Dialektpflege in Bayern. Ein Handbuch zur Theorie
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Schmeller, Johann Andreas (2007): Bayerisches
König, Werner (17. Aufl. 2011): dtv-Atlas Deutsche Wörterbuch, bearbeitet von G. Karl Frommann.
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1877]
König, Werner / Renn, Manfred (2. Aufl. 2007):
Kleiner Sprachatlas von Bayerisch-Schwaben. Schmid, Hans Ulrich (2012): Bairisch. Das
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König, Werner (Hrsg.) (2. Aufl 2014): Dialektwörter- Schunk, Gunther / Klepsch, Alfred / Munske,
buch von Bayerisch-Schwaben. Augsburg. Horst Haider u. a. (2. Aufl. 2001): Wörterbuch von
[Bearbeiterin: Brigitte Schwarz] Mittelfranken. Eine Bestandsaufnahme aus den
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Kommission für Mundartforschung (Hrsg.) 20. Jahrhundert. Dachau.
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Spindler, Max u. a. (Hrsg.) (1981ff.): Handbuch der
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Franken. Bamberg. Wagner, Eberhard (1987): Das fränkische Dialekt-
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Kratzer, Hans (2012): Ausgesprochen Bairisch.
Von Mongdratzerln, Tschamsterern und anderen Weber, Albrecht (Hrsg.) (1987): Handbuch der
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Maitz, Péter / Elspass, Stephan (2011): „Dialekt- Regensburg.
freies Sprechen – leicht gemacht!“ Sprachliche
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S. 7-17. Altbayern. Regensburg.
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Munske, Horst Haider / Mathussek, Andrea (2013): Zehetner, Ludwig (2009ff.): Basst scho!
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Heidelberg.
102
Dialekte in Bayern Dialekt und Schule – Grundlagen und Konzepte
Fränkisches Wörterbuch:
www.fraenkisches-woerterbuch.phil.fau.de
Johann-Andreas-Schmeller-Gesellschaft e. V.:
www.schmellergesellschaft.de
Kratzers Wortschatz:
www.sueddeutsche.de
Literaturportal Bayern:
www.literaturportal-bayern.de
Literatur in Bayern. Kulturzeitschrift: „Es gibt nix und niemanden, der kingt wie Kofelgschroa.
www.literaturinbayern.de Die Band aus Oberammergau zählt zum Ergreifendsten,
www.uni-regensburg.de/bibliothek was die Popmusik der vergangenen Jahre hervorgebracht
hat.“ (FAZ), Trikont DVD 2014
Ostfränkisches Wörterbuch:
www.ostfraenkisches-woerterbuch.de
103
Dialekt und Schule – Grundlagen und Konzepte Dialekte in Bayern
Die alte These, dass die Mundart die Sprach- beherrschen, das zuständige Zentrum im Ge-
fähigkeit der Kinder verbessert, bekommt hirn besser ausbilde. „Der Dialekt ist für ein
durch die neue Pisa-Studie Aufwind. Dem- Kind die optimale Voraussetzung für jegliche
nach trainieren Dialektsprecher vor allem weitere Entfaltung auf sprachlichem Gebiet.“
Auffassungsgabe und abstraktes Denken. Dazu passt die These von Reinhold Steinin-
ger, dass der Gebrauch des Dialekts rapide
In der Sprache der Münchner Jugendlichen zurückgehe, die Beherrschung der Schrift-
kommt er nicht mehr vor, die Radio- und sprache aber in gleichem Maße abnehme.
Fernsehsender meiden ihn wie die Pest, in
vielen Firmen, Elternhäusern, Schulen und Interessant ist in diesem Zusammenhang
Universitäten gilt er als primitiv und unzeit eine Untersuchung der Universität Olden-
gemäß. Doch jetzt hat die aktuelle Pisa-Studie burg, die Aufsätze von Dritt- bis Sechstkläss-
dem Dialekt überraschend zu neuer Aufmerk- lern über Jahre hinweg auswertete und zu
samkeit verholfen. Dass im Bildungsvergleich dem Ergebnis kam, dass die Dialektsprecher
ausgerechnet Dialekt-Regionen wie Bayern, 30 Prozent weniger Rechtschreibfehler pro
Baden-Württemberg, Sachsen und Österreich duzierten.
ganz oben stehen, hat eine Reihe von Fragen
aufgeworfen. Sogar die mundartlich wenig Der Germanist Rupert Hochholzer vom
inspirierte Bildzeitung titelte etwas ratlos: Regensburger Dialektforum führt das gute
Macht uns der Dialekt so schlau? Pisa-Ergebnis der Bayern dennoch nicht
allein auf den Dialekt zurück. Es gebe zwar
Tatsächlich lassen wissenschaftliche Unter starke Hinweise, dass er eine bedeutende
suchungen den Schluss zu, dass Kinder, die Rolle spiele, aber den wissenschaftlichen
mit dem Dialekt aufwachsen und sich dann Beweis im Feldversuch zu erbringen, das
erst die Standardsprache aneignen, eine grö- sei sehr aufwändig und teuer. Für Hochholzer
ßere Sprachkompetenz entwickeln. Heinz- ist der Dialekt nur ein Mosaikstein des baye-
Peter Meidinger, der Vorsitzende des Deut- rischen Pisa-Erfolgs. „Dazu kommen sicher-
schen Philologenverbandes, nennt folgenden lich noch intakte Familienstrukturen, die Ver-
Grund für dieses Phänomen: „Dialektspre- ankerung in der Tradition und die gute wirt-
cher lernen früh, zwischen verschiedenen schaftliche Situation im Freistaat.“
Sprachebenen zu unterscheiden. Das trai-
niert die Auffassungsgabe und das abstrakte Ein großes Manko sieht Hochholzer in dem
Denken.“ Nach Ansicht von Josef Kraus, Umstand, dass das Erlernen von Sprachen
dem Präsidenten des Deutschen Lehrerver- immer noch ein Randthema sei. „Zwar sagen
bandes, profitieren Dialektsprecher vor allem die Politiker, es sei ganz wichtig, Sprachen zu
in Deutsch und Mathematik von ihrem guten lernen, aber die Realität schaut anders aus.“
sprachanalytischen Verständnis. In Deutschland dominiere immer noch die
einsprachige Ausrichtung des Nationalstaats
Ludwig Zehetner, der an der Universität Re- aus dem 19. Jahrhundert: „Ein Staat, eine
gensburg bairische Dialektologie lehrt, ver- Sprache.“ Eine Ideologie, die auch National-
weist überdies auf jüngste Erkenntnisse in sozialisten und Kommunisten rigoros ver-
der Hirnforschung. Aus denen gehe hervor, fochten – zu Lasten der Mehrsprachigkeit
dass sich bei Kindern, die mehrere Sprachen und der Dialekte.
104
Dialekte in Bayern
Teil III
Dialekte im Unterricht –
Basiswissen, Anregungen und Modelle
Bairisch
Siegfried Bräuer, Alfred Wildfeuer
Fränkisch
Doris Jenetzky
Schwäbisch
Franziska Scheule-Walter
105
Dialekt im Unterricht – Basiswissen, Anregungen und Modelle Dialekte in Bayern
Einführung
106
Übersicht über sämtliche Unterrichtseinheiten
Bairisch Fränkisch Schwäbisch
1 Sprechvers „Annermirl, Zugger- 1 Standardsprache – Dialekt: Text- 1 Sprechvers / Brauchtum
dirl, gej mit mir in d‘Schlejer“: vergleich „Max und Moritz“, Vortrag, vom Klopferstag: Erlernen eines
Erklärung einer Redewendung, Inszenierung Gedichts und seines kulturellen
Rollensprechen, szenische Inter- 2 Merkmale des Fränkischen: Zusammenhangs, Vortrag, Realisie-
pretation, Singen Vortrag, Arbeit an „Wi i a Schul- rung des Brauchs
2 Kirchweihlied „Dou drunt‘n aaf mädla war“ (L. Scherer)
da Bruck“: Erfassen des Inhalts und
Vorschule / Primarbereich
9 „Der Rattenfänger von Hameln“: 5 Dialekt in den Medien: eines Schattenspiels mit Musik und
Schreiben, Gestaltung und Präsenta- Analyse der Werbekampagne von Gesang sowie einführenden Texten
tion eines Mundartcomics Baden-Württemberg und von 4 Schüler als Sprachforscher:
10 Wert und Grenzen der Dialekte: TV-Sendungen, Gestaltung einer Passantenbefragung mit Fragebogen
Analyse einer Szene aus dem Zei- Werbekampagne für das Fränkische (auch Sek. II)
chentrickfilm „Findet Nemo“ und (auch Sek. II) 5 Duett in schwäbischer Mundart:
verschiedener Mundarttexte, Schü- 6 Franken in Mundartgedichten: Übertragung einer Mundartkantate
lerbefragung, Arbeit mit Definitionen Gedichtvergleich (Krischker, aus dem Rokoko (S. Sailer) in einen
aus Lexika / Internet, Textproduktion Haberkamm, Bach), Arbeit mit Film modernen Sprechgesang (Rap)
11 Dialekte im deutschsprachigen und Karte (auch Sek. II) (auch Sek. II)
Raum: Analyse zeitgenössischer 6 Der Konjunktiv der direkten
Mundartlieder, Auswertung einer und indirekten Rede: Vergleich der
Dialektkarte, Diskussion der Vor- und schwäbischen und nhdt. Grammatik
Nachteile von Dialekt (auch Sek. II) (auch Sek. II)
12 Die bairischen Mundarten – 7 Dialekt im Drama: Vergleich 7 Ansehen und Funktion des
multimedial: Arbeit mit multimedia- eines Dramas des Naturalismus mit Dialekts: Diskussion und Problem-
Sekundarstufe II
len Sprachatlanten auf CD-ROM „Schweig Bub!“ (F. Kusz) erörterung anhand von Sachtexten
oder im Internet 8 Dialekt im Gedicht: Gedicht-
13 Dialekt als soziales Stigma?: vergleich zum Thema „Sehnsucht“
Analyse der TV-Serie „Königlich (Haberkamm, Eichendorff)
Bayerisches Amtsgericht“ und eines
Dramenauszugs von F. X. Kroetz,
Diskussion: Dialekt / Sozialprestige
107
Dialekt im Unterricht – Basiswissen, Anregungen und Modelle Dialekte in Bayern
Bairisch
Bairisch
Basiswissen*
Bairisch schlechthin? Franziska Scheule-Walter spricht in ihrem
Beitrag vom Schwäbischen als Phantom,
Verschriftlichung dies kann auch auf das Bairische übertragen
werden. Im Folgenden soll anhand einiger
Bairisch in historischen und
herausragender Merkmale versucht werden,
regionalen Bezügen
diesen äußerst vielschichtigen Sprachraum
Bairisch in Bayern, Österreich zu erläutern und zu gliedern, wobei der Ein-
und Südtirol fachheit halber häufig der Begriff Bairisch für
diese große Dialektgruppe verwendet wird.
Sprachliche Merkmale des
Bairischen Verschriftlichung
Bibliographie
Bairisch ist primär eine vor allem mündlich ge-
brauchte Sprache, eine schriftlich normierte,
präskriptive Rechtschreibung und Grammatik
existieren nicht. Ansätze zu einer Normierung
Bairisch schlechthin? wurden bisher nicht weiter ausgebaut. Wirft
man einen Blick in die Bavarica-Abteilungen
Spricht der interessierte Laie von Bairisch, größerer Buchhandlungen, liest regionale Ta-
meint er meist die aus Radio oder Fernsehen geszeitungen oder befragt Schüler in dialekt-
bekannte, häufig „weichgespülte“, d. h. in geprägten Regionen nach ihrer Sprachver-
ihrer sprachlichen Eigenständigkeit stark wendung beim Abfassen von kurzen persön-
reduzierte Form des Bairischen, die zudem lichen Mitteilungen (sowohl handschriftliche
in vielen Fällen an die in und um München als auch solche per E-Mail oder SMS), so fällt
gesprochene Dialektvariante angelehnt ist. auf, dass geschriebenes Bairisch eine Reali-
Der gesamtbairische Dialektraum, die größte tät darstellt, die im Umfang in den letzten Jah-
Mundartlandschaft Europas, ist jedoch durch ren deutlich gestiegen sein dürfte. Dies führt
eine sehr große Varianz gekennzeichnet, zu dem auf den ersten Blick paradoxen Phä-
die in ihrer jeweils bodenständigsten Aus- nomen, dass der Abnahme der mündlichen
prägung zu gegenseitigen Verständigungs- Dialektverwendung eine Zunahme der schrift-
schwierigkeiten innerhalb des Sprachraums lichen Verwendung gegenübersteht.
führen kann. Ein Bairisch Sprechender aus
der nördlichen Oberpfalz wird sich mit einem Für die wissenschaftliche Beschäftigung mit
Bairisch Sprechenden von einer norditalie- dem Bairischen wurde ein hochkomplexes In-
nischen Sprachinsel wohl nur verständigen strument zur Verschriftlichung von Mundart-
können, wenn sie sich beide bis zu einem ge- proben entwickelt, wobei die dabei verwen-
wissen Grad der Standardsprache annähern. dete Zahl an Zeichen die Anzahl der Buchsta-
Dieses Beispiel soll illustrieren, dass es kein ben des herkömmlichen Alphabets um ein
Bairisch an sich gibt, sondern nur unzählig Vielfaches übersteigt. In der folgenden Dar-
viele Dialektvarianten, die sich anhand be- stellung soll ein Kompromiss zwischen ex-
stimmter Merkmale zu einer Gruppe zusam- akter Darstellung des Bairischen und guter
menfassen lassen. Lesbarkeit angestrebt werden. Es wird das
108
Dialekte in Bayern Dialekt im Unterricht – Basiswissen, Anregungen und Modelle
Bairisch
normale Alphabet verwendet, ergänzt um Die deutschen Mundarten lassen sich in drei
Zeichen, die für die Darstellung des Dialekts Großräume einteilen. Das Niederdeutsche
und dessen Lesbarkeit unabdingbar sind: ist durch das Fehlen der 2. Lautverschiebung
und der neuhochdeutschen Diphthongierung
Vokale: gekennzeichnet (wat ‚was‘, Appel ‚Apfel‘,
å verdumpfter a-Laut, der in etwa zwischen Hus ‚Haus‘). Das Oberdeutsche hat an der
standardsprachlichem a und o liegt 2. Lautverschiebung ganz teilgenommen,
(z. B. åcht ‚acht‘, Kåtz ‚Katze‘) an der neuhochdeutschen Diphthongierung
á überoffener a-Laut, deutlich heller zum Teil (Apfel, Mus neben Maus).2 Das Mit-
als standardsprachliches a teldeutsche nimmt eine Zwischenstellung
(Kás ‚Käse‘, Schmánkerl) ein, es hat die 2. Lautverschiebung teilweise,
ia Verbindung aus zwei Vokalen die neuhochdeutsche Diphthongierung ganz
(= Diphthong), wird gleitend, d. h. ohne durchgeführt (dat neben das, z. B. Maus).
Unterbrechung des Atemstroms ge-
sprochen (Briada ‚Brüder‘, miad ‚müde‘) Das Bairische führte als Teil des oberdeut-
ei, ea, ai, au, ui, ua, oi, oa, ou1 schen Sprachraums die zweite, hochdeutsche
weitere Diphthonge, siehe Anmerkung Lautverschiebung durch, die germanischen
zu ia (Geid ‚Geld‘, vadeana ‚verdienen‘, Verschlusslaute p, t, k wurden je nach laut-
Laid ‚Leute‘, Schui ‚Schule‘, licher Umgebung zu Frikativen (f, ff, s, ss,
Bruada ‚Bruder‘, zoin ‚zahlen‘, ch)3 oder Affrikaten (pf, z, kch)4, wobei die
Goas ‚Geiß‘, roud ‚rot‘) Affrikate kch innerhalb des Bairischen heute
nur noch im Südbairischen greifbar ist, frü-
Konsonanten: her allerdings für das ganze Bairisch gegolten
kh / kch haben dürfte. Als Relikt der ehemaligen Affri-
der k-Laut ist im Anlaut vor Vokal meist kate findet sich heute in den bairischen Unter-
deutlich behaucht (khemma ‚kommen‘), dialekten noch die behauchte Form von k im
im Südbairischen in allen Positionen Anlaut (khemma, khinna ‚kommen, können‘).
(nicht nur vor Vokal und im Anlaut)
meist sogar deutlich gerieben Die Diphthongierung der mittelhochdeut-
(kchemmen ‚kommen‘, schen Langvokale î, û, iu zu neuhochdeutsch
Schpekchkchnedl ‚Speckknödel‘) ei, au, eu (mîn > mein, hûs > haus, hiute >
n (hochgestellt und klein) heute) nahm vom Bairischen ihren Ausgang,
eigentlich geschwundener Konsonant, war somit eine „bairische Erfindung“ des
bewirkt aber in vielen Gebieten deutlich 11. Jahrhunderts (oder früher), die prägend
nasale Aussprache des vorausgehenden für die Ausbildung der Standardsprache
Vokals (Mon / Mån ‚Mann‘, war. Gerade das Bairische hatte in früheren
schon/schån ‚schon‘) Zeiten deutliche Impulse für die Entwicklung
der Standardsprache gegeben, erst in früh-
neuhochdeutscher Zeit übernahm das Ost-
Bairisch in historischen und mitteldeutsche ab etwa dem 15. Jahrhundert
regionalen Bezügen die dominierende Rolle für die Ausbildung
der Standardsprache.
Das Bairische wird in der deutschen Mund-
artlandschaft der oberdeutschen Dialekt-
gruppe zugeordnet. Das Schwäbische im Bairisch in Bayern, Österreich
Südwesten und das Ostfränkische im Norden und Südtirol
stellen die nächsten Verwandten dar. Verglei-
che hierzu die Sprachkarte auf der Umschlag Das Bairische gliedert sich heute in die
innenseite oben. Subdialekte Nordbairisch (das hauptsächlich
109
Dialekt im Unterricht – Basiswissen, Anregungen und Modelle Dialekte in Bayern
Bairisch
in der Oberpfalz verbreitet ist, aber auch verschmolz. In Niederbayern und Oberbayern
die nördlichen Ränder Nieder- und Ober- gilt daher vei zvei Gfei oder vui zvui Gfui für
bayerns umfasst)5, Mittelbairisch (in den ‚viel zuviel Gefühl‘, in den mittelbairischen
größten Teilen Nieder- und Oberbayerns, in Gebieten Österreichs und in einem kleinen
Nieder- und Oberösterreich, im Burgenland Streifen im südöstlichen Niederbayern vor
und teilweise im Salzburger Land und in der allem vi zvi Gfi oder vü zvü Gfü.
Steiermark) und Südbairisch (in Tirol, Südti-
rol, Kärnten, in reiner Form in Bayern nur im Das Südbairische ist durch den durchgängi-
Werdenfelser Land, zudem in archaischen gen Erhalt der Affrikate kch für germanisch
Varianten in norditalienischen Sprachinseln): k charakterisiert (kchloa, Kchnecht ‚klein,
Knecht‘). Der Konsonant L bleibt nach Vokal
Das Nordbairische ist durch die so genann- erhalten, das Südbairische stellt sich hier
ten gestürzten Diphthonge (ou für mittel- näher zum Nord- als zum Mittelbairischen.
hochdeutsch uo in Wörtern wie Brouda,
Khou, Khoucha ‚Bruder, Kuh, Kuchen‘) und Folgende Karte zeigt den gesamtbairischen
durch den Erhalt von postvokalem L (Göld, Dialektraum. Die schraffierten Flächen kenn-
vül ‚Geld, viel‘) gekennzeichnet. zeichnen Übergangsgebiete zwischen den
einzelnen Subdialekten. Außerhalb des ge-
Das Mittelbairische hat ua für mittelhoch- schlossenen Sprachraums in Bayern, Öster-
deutsch uo (Bruada, Khua, Khuacha), auf- reich und Südtirol gibt es bairische Sprach-
fallend ist zudem die so genannte Liquiden- inseln in Norditalien, Tschechien, Slowenien,
vokalisierung nach Vokal, bei der der Rumänien, in der Ukraine, Peru und Brasilien.
Konsonant L in einen Vokal umgewandelt Die Internetseite www.sprachinselverein.at
wurde oder mit dem vorausgehenden Vokal bietet hierzu ausführliche Informationen.
WIEN
MÜNCHEN
110
Dialekte in Bayern Dialekt im Unterricht – Basiswissen, Anregungen und Modelle
Bairisch
Sprachliche Merkmale die Mass, der Ratz, der Schneck, der Scho-
des Bairischen kolad, die Schoß, der Schubladen, das Teller,
das Tunell, regional auch das Honig (z. B.
Für alle bairischen Dialekte ist die häufige heute noch im Bayerischen Wald).
Verdumpfung des Vokals a zu offenem oder
geschlossenem o charakteristisch (Wossa, Manche standardsprachlichen Wörter ha-
Dog / Tog, Bod ‚Wasser, Tag, Bad‘), sie gren- ben im Bairischen z. T. ein andere Bedeutung,
zen sich damit von ihren nördlichen und wie z. B. mit Fleiß ‚mit voller Absicht‘, Kasten
westlichen Nachbarn (Ostfränkisch und ‚Schrank‘, die Leute ‚nähere Verwandtschaft,
Alemannisch) ab. Eltern‘, Dirn ‚Magd‘. Solche Bedeutungsabwei-
chungen zeigen sich in Bayern stellenweise
Ein weiteres Spezifikum stellt der ausge- sogar in geschriebener Standardsprache.
prägte Diphthongreichtum6 des Bairischen
dar, es übertrifft die Standardsprache in Im Bereich der Morphologie und Syntax
der Anzahl dieser Laute um ein Vielfaches sind neben weiteren zahlreichen Erschei-
(z. B. Woad / Woid, ois, Schui, Bruada / Brouda, nungen vor allem das fast gänzliche Fehlen
schnei, waiß, Haus, roud / road, vodeana des Präteritums als Erzählvergangenheit
‚Weide, alles, Schule, Bruder, schnell, weiß, (die Funktion wird vom Perfekt übernommen)
Haus, rot, verdienen‘). und Abweichungen in der Verbalflexion (z. B.
in weiten Teilen Niederbayerns: 1. Pers. Pl.
Der gesamtbairische Sprachraum ist ne- mia káfma ‚wir kaufen‘, 2. Pers. Pl. es káfts
ben den skizzierten lautlichen Entwicklun- ‚ihr kauft‘, 3. Pers. Pl. se káfand ‚sie kaufen‘)
gen durch eine Fülle von Wortschatzeigen- auffällig. Die Wortstellung weicht in Neben-
tümlichkeiten gekennzeichnet. Als bairische sätzen und bei mehrgliedrigen Prädikaten
Kennwörter, d. h. ursprünglich nur in diesem (z. B. bei der Stellung Hilfsverb-Modalverb-
Sprachraum vorkommend, gelten u. a: Partizip II) z. T. von der Standardsprache ab.
aft 7 (oftad) ‚dann, anschließend, danach‘;
ankenten ‚anzünden‘; aper ‚schneefrei‘; Bu- Im Osten, Südosten und Süden grenzt das
del / Ladenbudel ‚Ladentisch‘; Bussl ‚Kuss‘; Bairische an slawische und romanische
Dult 8 ‚Volksfest‘; Ertag 9 (Irta, Iada) ‚Dienstag‘; Sprachen sowie an das Ungarische. Zahl-
es und enk ‚ihr‘ und ‚euch‘; Fasching; Kirch- reiche Wörter und grammatikalische Struk-
tag (Kirta, Kiada) ‚Kirchweihfest‘; Kranewit turen haben aus diesen Sprachen ihren Weg
‚Wacholder‘; Maut 10 ‚Wegezoll‘; Nudelwalger in bairische Mundarten gefunden. Aus dem
‚Nudelholz‘; Pfinztag 11 (Pfinzta) ‚Donnerstag‘; Slawischen wurde z. B. Kren in das Bairische
Pfoad 12 ‚Hemd‘; Rauchfang ‚Kamin‘; Rogel entlehnt, in den Mundarten des Bayerischen
‚Tüte; Plastiktüte‘; Scher ‚Maulwurf‘; Zecker Waldes finden sich u. a. folgende Wörter,
(Zega) ‚Tragekorb‘. die slawischen Ursprungs sind: Dowanikl
‚Steinpilz‘, Pumperral ‚Löwenzahn‘, Scha-
Manche dieser Kennwörter sind aus dem lupm / Khalupm ‚heruntergekommenes Haus‘,
alltäglichen Sprachgebrauch fast verschwun- Woia ‚Leitseil des Fuhrmanns‘.
den, andere haben sich sogar über das
Bairische hinaus verbreitet, wie z. B. aper, Romanischer Herkunft sind wohl Nebensatz-
Bussl und Maut. Auffallend ist zudem im anschlüsse wie Der Mann / Die Frau / Das Kind,
Bereich der Lexik der häufig beobachtbare der / de / des wo dort gestanden ist. Diese
Unterschied zur überregionalen Standard- zweigliedrigen, diskontinuierlichen Relativpro-
sprache im grammatischen Geschlecht bei nomen dürften aus norditalienischen Mund-
Substantiven. Es heißt im Bairischen z. B. arten in das Bairische eingesickert sein. Im
der Akt, der Butter, das Cola, das Eck, der Bereich der Lexik stellen z. B. Fatschenkindl
Einser, die Gaudi, die Husten, das Marmelad, und Gschpusi romanische Entlehnungen dar.
111
Dialekt im Unterricht – Basiswissen, Anregungen und Modelle Dialekte in Bayern
Bairisch
Anmerkungen
* Verfasser: Dr. Alfred Wildfeuer Reiffenstein, Ingo (2003): Aspekte einer Sprachge-
1 Lokal kann die Anzahl der Diphthonge noch deut- schichte des Bayerisch-Österreichischen bis zum
lich höher sein, eine entsprechende Verschriftli- Beginn der frühen Neuzeit. In: Besch, Werner u. a.
chung sollte dann erfolgen, da sie Phoneme, d. h. (Hrsg.): Sprachgeschichte. Ein Handbuch zur Ge-
bedeutungsunterscheidende Laute, darstellen. schichte der deutschen Sprache und ihrer Erfor-
2 Im Alemannischen ist bis heute die neuhochdeut- schung. Dritter Teilband. Berlin / New York,
sche Diphthongierung unterblieben. S. 2889 - 2942.
3 So z. B. in Wasser (vgl. engl. water).
4 So z. B. in Apfel (vgl. engl. apple). Reiffenstein, Ingo (2003): Aspekte einer baye-
5 Vereinzelt finden sich noch Sprecher des Nord- rischen Sprachgeschichte seit der beginnenden
Neuzeit. In: Besch, Werner u. a. (Hrsg.): Sprach-
bairischen in Böhmen.
6 Ein Diphthong ist eine Verbindung aus zwei Voka- geschichte. Ein Handbuch zur Geschichte der deut-
schen Sprache und ihrer Erforschung. Dritter Teil-
len. Die Standardsprache kennt die gesprochenen
band. Berlin / New York, S. 2942 - 2971.
Diphthonge ai, au, eu, die schriftsprachlich z. T.
unterschiedlich realisiert werden (Kaiser neben Schatz, Josef (1907): Altbairische Grammatik.
Reiter, Haus, Beute neben Mäuse). Laut- und Flexionslehre. Göttingen.
7 Vgl. engl. after.
8 Aus gotisch dulths oder dolths. Schmeller, Johann Andreas (1872 -1877):
9 Aus gotisch arjausdags, das kirchengriechisch Bayerisches Wörterbuch. 2., von G. Karl
Frommann bearbeitete Auflage. München.
Areōs hêméra ‚Tag des griechischen Kriegsgottes
(7. Neudruck 2007)
Ares‘ fortsetzt.
10 Aus gotisch mota. Schmidt, Wilhelm (2004): Geschichte der deut-
11 Aus gotisch pintēdags, das griechisch pémpte schen Sprache. Ein Lehrbuch für das germanis-
heméra ‚der fünfte Tag‘ fortsetzt. tische Studium. Erarbeitet unter der Leitung
12 Aus gotisch paida. von Helmut Langner und Norbert Richard Wolf.
9. Auflage. Stuttgart.
112
Dialekte in Bayern Dialekt im Unterricht – Basiswissen, Anregungen und Modelle
Bairisch
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Dialekt im Unterricht – Basiswissen, Anregungen und Modelle Dialekte in Bayern
Bairisch
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Dialekte in Bayern Dialekt im Unterricht – Basiswissen, Anregungen und Modelle
Bairisch
Ausklang Quellennachweis / Literatur
Sprechvers „aufführen“ M1 / M2: Pröls, Ilsebill (2001):
Sprechvers als Lied singen Der Ochs im Luftballon.
Nabburg, S. 19 und 21.
Weiterarbeit
Pröls, Ilsebill (1999):
Arbeit am Gedicht: „Rosemarie, der
Das oberpfälzische Leneven-
Kinderwong is hi“ (M2) 2
tentum. Gereimte und unge-
reimte Spiele aus dem Volks-
gut der Oberpfalz. In: Heimat
Nabburg. Jg. 19. Nabburg.
Anmerkung
Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungs-
1 Die Erarbeitung eines Abzählreims in Mundart forschung (Hrsg.) (2000): Musik in der Grund-
wird in der ISB-Handreichung „Musik in der schule. Unterrichtsbeispiele zu neuen Inhalten
Grundschule“ dargestellt Bairisch 5 . im Lehrplan 2000. München.
2 Zur Methodik der Dialektförderung in der Grund- Wittl, Herbert (2003): Hupf mit da Durl.
schule siehe Folge 9 „Dialekt und Schule“ der Bayerische Kinderlieder aus der Oberpfalz.
Filmreihe „Dialekte in Bayern“, Filmkapitel 2 und 4. edition buntehunde. Regensburg.
M1
Annermirl, Zuggerdirl
Annermirl, Zuggerdirl,
gej mit mir in d‘Schlejer!
I ko a niad, i ko a niad,
i ho a weje Zejer.
I ko niad iwer d‘Stauern steing.
Woat, i wüll de driwerdreim!
(Ilsebill Pröls)
M2
Rosemarie,
der Kinderwong is hi.
Kaf da halt an neier!
Der is ma z‘deier.
Kaf da halt an altn!
Der wird niad lang haltn.
(Ilsebill Pröls)
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Dialekt im Unterricht – Basiswissen, Anregungen und Modelle Dialekte in Bayern
Bairisch
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Dialekte in Bayern Dialekt im Unterricht – Basiswissen, Anregungen und Modelle
Bairisch
M3 Bildergeschichte
1 2
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Bairisch
M4
118
Dialekte in Bayern Dialekt im Unterricht – Basiswissen, Anregungen und Modelle
Bairisch
3Vorschulischer Bereich / Primarstufe:
Sprechen, Schreiben
Erarbeitung mundartlicher Begriffe Auch der Umgang mit Clustern
zu einem Sachthema sollte vorausgehen.
Lerninhalt Hinführung
Cluster1 zum Thema „Hiarschd“ Begegnung der Schüler mit einem Foto,
das den Herbst verkörpert
Begründung der Auswahl Schüler versprachlichen ihre Erfahrungen
Die Aufnahme des Themas „Herbst“ knüpft mit dem Herbst.
an die Erfahrungswelt der Kinder an. Die
Entwicklung eines Clusters ist eine über Zielangabe
alle Jahrgangsstufen hinweg wirksame Me- „Hiarschd“
thode, die Erfahrungen mit einer Sache ins
Gedächtnis zurückzurufen, das Wissen meh- Erarbeitung
rerer Schüler zusammenzutragen und Inhalte Impuls: Mir macha etz an Hiarschd-
geordnet darzustellen. Vor allem wenn mit schbaziergang!
Sprache kreativ umgegangen werden soll, Phantasiereise bei leiser Musik2
stellt das Cluster eine wertvolle Art der freie Schüleräußerungen zu ihren
Stoffsammlung dar. „Erlebnissen“
Impuls: Etz schreima aaf, wos ma g‘seng,
Lernziele Die Schüler g‘hert und g‘schbiert ham.
lassen sich auf die Phantasiereise „Spazier- Schüler notieren wesentliche Begriffe
gang im Herbst“ ein, auf Wortkarten und heften sie ins
nehmen den Herbst mit unterschiedlichen Cluster-Grundmodell.
Sinnen wahr (Schwerpunkte: sehen, hören
und spüren),
belegen den Herbst mit markanten Begriffen, waht roud
verschriften die Begriffe (Grundsatz:
Schreibe, was du hörst!),
ordnen die Begriffe nach Sachzusammen- Hirarschd Bladln
hängen.
Wind danzn
Medien / Material
Foto, das die Erscheinung und Stimmung
des Herbstes ausdrückt
Musikstück, das sich für eine herbstliche Das Notieren der Wörter auf Karten stellt die
Phantasiereise eignet, z. B. Antonio Vivaldi, Schüler zugleich vor das Problem der Ver-
Motiv Herbst, vgl. Akademiebericht 354. schriftung. Die Schüler sollen schreiben, was
CD Musik hören 2 sie hören. Ihre Mundart soll möglichst laut-
Karten zum Beschreiben getreu wiedergegeben werden. Es gibt keine
Orff-Instrumentarium verbindliche Verschriftung.
119
Dialekt im Unterricht – Basiswissen, Anregungen und Modelle Dialekte in Bayern
Bairisch
Beispiel Ausklang
Schüler vertonen Phänomene im Herbst
roud (z. B. „Bladln danzn im Wind“) mit dem
Orff-Instrumentarium.
Hirarschd Bladln
Weiterarbeit
Ganz gleich, ob man ein sprachliches Thema
danzn (Beispiel: Schreiben eines Elfchens, siehe
Bairisch 5 ) oder ein Sachthema (Beispiel:
Spielzeug früher) bearbeiten möchte, im-
mer bietet sich ein Cluster als Vorarbeit an
Um den Mundartwortschatz (als begriffliches (Beispiel: Spielzeug früher – Hedschergaal,
Wortmaterial zum Thema und zur Entlastung Dogga, Graisl usw.).
bei der Verschriftung) zu festigen, könnte das
Cluster in ein „Mundartheft“ eingetragen Anmerkung
werden. 1 Böttcher, Ingrid (Hrsg.) (1999): Kreatives Schreiben.
Grundlagen und Methoden. Beispiele für Fächer
Durchdringung des Wortschatzes und Projekte. Schreibecke und Dokumentation.
phonetisch: Lesen und Sprechen der Wörter Berlin, S. 53f.
in den unterschiedlichsten Formen, z. B. 2 Weitere Anregungen zum Einsatz von
kräftig sprechen – leise flüstern. (Hier ist auch Phantasiereisen beim kreativen Schreiben:
die Arbeit an einzelnen Lauten möglich, z. B. Böttcher, S. 55f.
an den verschiedenen a-Lauten.)
inhaltlich: Bilden von Sätzen unter Einbezie- Quellennachweis / Literatur
hung der einzelnen Begriffe, z. B. „Roude Akademie für Lehrerfortbildung und Personal-
Bladln danzn im Wind“ führung (2001): Praxisbausteine für Musik.
klanggestaltend: Der Inhalt der Sätze wird Grundschule. Lernbereich: Musikmachen (mit CD).
durch die Stimmführung verdeutlicht. Akademiebericht 354. Dillingen.
Wind Bladln
pfeift goldne
Hirarschd
safte
120
Dialekte in Bayern Dialekt im Unterricht – Basiswissen, Anregungen und Modelle
Bairisch
121
Dialekt im Unterricht – Basiswissen, Anregungen und Modelle Dialekte in Bayern
Bairisch
Ausklang Quellennachweis / Literatur
Aufführen des Gedichts M5: Zöpfl, Helmut (2001): Zum g´sund lachen.
Schüler spricht das Gedicht und holt die 16. Auflage. Rosenheim, S. 53. (leicht gekürzt)
Gegenstände aus der Hosentasche.
Weiterarbeit / Hausaufgabe
Schüler schreiben selbst ein Gedicht zum
Thema „Mei Hosntaschn“.
(Dieser Schritt bietet einen neuen Ansatz,
auf die Verschriftung einzugehen.)
M5
A Buamahosntaschn
122
Dialekte in Bayern Dialekt im Unterricht – Basiswissen, Anregungen und Modelle
Bairisch
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Dialekt im Unterricht – Basiswissen, Anregungen und Modelle Dialekte in Bayern
Bairisch
Schüler: Zöpfl sind die Dinge wichtig. M6 / M7: Stempel, Hans / Ripken, Martin (1984):
Für den Buben sind sie von persönlicher Kinderkram / Rumpelkammer. In: Baumgärtner,
Bedeutung. (Evtl. Rückgriff auf Stempel / Alfred Clemens / Röhm, Ilse / Thiermann, Franz-
Ripkens „Kinderkram“: Die Standardsprache Josef: Lesen und erleben. Lesebuch für bayerische
wirkt hier sachlich belehrend.) Grundschulen. 2. Schuljahr. Bochum, S. 35 u. 58.
M6 M7
Kinderkram Rumpelkammer
Taschenmesser, Luftballon, Was die Großen nicht mehr lieben
Trillerpfeife, Kaubonbon, oder achtlos von sich schieben,
Bahnsteigkarte, Sheriffstern, landet oft zu unserm Jammer
Kuchenkrümel, Pflaumenkern, in der dunklen Rumpelkammer.
Bleistiftstummel, Kupferdraht,
Alte Hüte, alte Töpfe
Kronenkorken, Zinnsoldat,
und verbeulte Puppenköpfe,
ja, sogar die Zündholzdose
Regenschirme, Reisetaschen
findet Platz in Peters Hose.
und zerrissene Gamaschen.
Nur das saubre Taschentuch
Findet nicht mehr Platz genug. Christbaumkugeln, Faschingsnasen,
und gesprungne Blumenvasen,
(Hans Stempel, Martin Ripkens)
Vogelbauer, Bügeltücher,
und verspeckte Bilderbücher.
124
Dialekte in Bayern Dialekt im Unterricht – Basiswissen, Anregungen und Modelle
Bairisch
6 Primarstufe: Schreiben
Gedichte in Mundart schreiben können Typisches des Herbstes in
Mundart benennen,
Lerninhalt bringen das dialektale Wortmaterial zum
Verfassen eines Herbst-Elfchens Herbst in Gedichtform,
tragen das selbst geschriebene Gedicht
Begründung der Auswahl lautgetreu und sinnbetont vor.
Das Elfchen steht für nur eine Möglichkeit
der Umsetzung des kreativen Schreibens Medien / Material
in Gedichtform. Zahlreiche Alternativen, z. B. Lied: „Ihr Bladln, wöllts ihr danzn?“
Abecedarium, Akrostichon, Rondell, bieten (Mundartversion zu „Ihr Blätter, wollt
sich ebenfalls als motivierende Aufhänger ihr tanzen?“) (M8) www.isb.bayern.de
der Auseinandersetzung mit dem Dialekt an. Bild mit bunten Laubbäumen
Beurteilt man die Schreibformen nach dem Musik zur Jahreszeit, z. B. Vivaldi:
Schwierigkeitsgrad, so rangiert das Elfchen „Die vier Jahreszeiten“
etwa im mittleren Bereich. Während beim Beispiele für Elfchen und Akrostichon (M9)
Abecedarium lediglich Wörter mit einem
bestimmten Anfangsbuchstaben gefunden Lehr- und Lernprozess
werden müssen, erfordert das Elfchen ein Vorarbeit
größeres Wissen um die Bedeutungen In einer vorausgehenden Unterrichtsein-
der Wörter. heit erarbeiten sich die Schüler die mundart-
Grundsätzlich bietet es sich an, mit einfa- liche Begriffswelt des Herbsts (Hiarschd) in
chen thematischen Wortsammlungen Form eines Clusters ( Bairisch 3 ).
( Bairisch 3 ) und Gedichtformen, z. B. Es wird vorausgesetzt, dass die Schüler wis-
einem Schneeballgedicht, zu beginnen und sen, wie ein Elfchen aufgebaut ist. Sie haben
allmählich das Anspruchsniveau zu steigern. bereits Elfchen in der Standardsprache ge-
(Wortsammlungen haben zudem den Vor- lesen und geschrieben und auf ihre Wirkung
teil, dass verstärkt auf die Verschriftung ein- hin untersucht.
gegangen werden kann.) Als Ziel muss aber
im Auge behalten werden, dass die Schüler
umfangreichere Texte in Mundart schreiben, Info:
z. B. eine Fabel, ein Märchen, eine Erzählung. Das Elfchen ist ein Gedicht, das aus
Das Schreiben von Dialogen oder Mundart 11 Wörtern besteht. Ingrid Böttcher1
comics kann dies vorbereiten ( Bairisch 8 ). skizziert das Wesen des Elfchens so:
Das Elfchen wurde deshalb exemplarisch
ausgewählt, da es eine äußerst anregende 1. Zeile: ein Wort – ein gefundenes
und kreative Form des schriftsprachlichen Wort / Thema / Idee / Gefühl /
Ausdrucks darstellt. Zum einen ermöglicht Stimmung ...
das Elfchen die Gedanken sehr weit und ver- 2. Zeile: zwei Wörter – Wozu kann
dichtend schweifen zu lassen. Andererseits das erste Wort passen?
bietet es ein stilistisch klar umrissenes Ding, Person ...
Bauprinzip, das den Grundschülern Orien- 3. Zeile: drei Wörter – Wo oder wie ist das
tierung gibt. in Zeile 2 genannte? Was tut es?
4. Zeile: vier Wörter – noch mehr darüber!
Lernziele Die Schüler 5. Zeile: ein Wort – abschließendes Wort:
wissen über den Aufbau eines Elfchens Pointe, Gegensatz, Wertung ...
Bescheid,
125
Dialekt im Unterricht – Basiswissen, Anregungen und Modelle Dialekte in Bayern
Bairisch
Anmerkung
1 Böttcher, Ingrid (Hrsg.) (1999): Kreatives Schreiben.
Grundlagen und Methoden. Beispiele für Fächer
und Projekte. Schreibecke und Dokumentation.
Berlin, S. 58.
Impuls: Der Lehrer schreibt in die erste Zeile
das Wort „Hiarschd“. Quellennachweis / Literatur
Schüler erkennen, dass diese Gedichtform
M8: Patho, Klaus / Schuhmann, Reinhard (1993):
auf das Thema „Hiarschd“ anzuwenden ist. Musik 1 / 2. Musik- und Bewegungserziehung.
Reaktivierung des Vorwissens über den Herbst: Regensburg, S. 54.
Du kennst schon einige „Herbstwörter“.
M9: Siegfried Bräuer, Winklarn.
Schüler rufen ihr Wissen über den Herbst
ins Gedächtnis zurück; dabei sollten die Bräuer, Siegfried (2003): Kreatives Schreiben in
Ergebnisse des vorher erarbeiteten Herbst- der Mundart. Darstellung eines Projekts. In: Ober-
Clusters einbezogen werden. viechtacher Heimatkundliche Beiträge. Bd. 6.
Zur Situation des Dialekts in Schule und
Verfassen eines Elfchens in Partner-
bzw. Gruppenarbeit. Hier bietet sich eine Gesellschaft. Oberviechtach.
Differenzierung an:
völlig freies Schreiben
Struktur wird vorgegeben
Wortmaterial wird ganz oder teilweise
vorgegeben
Schreibkonferenz:
Hier können die Schüler ihre Gedichte
überarbeiten.
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Dialekte in Bayern Dialekt im Unterricht – Basiswissen, Anregungen und Modelle
Bairisch
Host as?
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Dialekt im Unterricht – Basiswissen, Anregungen und Modelle Dialekte in Bayern
Bairisch
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Dialekte in Bayern Dialekt im Unterricht – Basiswissen, Anregungen und Modelle
Bairisch
Spracherkenntnis Quellennachweis / Literatur
Die linke Spalte der Tabelle führt zur Ein-
M10 / M11: Siegfried Bräuer, Winklarn.
sicht, dass es sich bei den Schimpfwörtern
um Abkürzungen von Vornamen bzw. um Maras, Rainer / Ametsbichler, Josef /
Zusammensetzungen mit abgekürzten Eckert-Kalthoff, Beate (2003): Handbuch für
die Unterrichtsgestaltung in der Grundschule.
Vornamen handelt.
Planungshilfen – Strukturmodelle – didaktische
und methodische Grundlagen. Donauwörth.
Weiterarbeit
Schüler reflektieren den Gebrauch von
Schimpfwörtern mit Blick auf den Belei-
digten und entwickeln dabei empathische
Einstellungen.
M10
Mo: Wenn i so a Stasl war wej du, gangert i zerscht niad unter d’Laid.
129
Dialekt im Unterricht – Basiswissen, Anregungen und Modelle Dialekte in Bayern
Bairisch
M11
langweilig
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Dialekte in Bayern Dialekt im Unterricht – Basiswissen, Anregungen und Modelle
Bairisch
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Dialekt im Unterricht – Basiswissen, Anregungen und Modelle Dialekte in Bayern
Bairisch
Erarbeitung Ausklang
Schmellers Biographie (M12): Die Präsentation wird einem ausgewählten
Es bietet sich an, den als unstrukturierten Publikum vorgeführt.
Text dargebotenen Lebenslauf in Tabellen- Einbindung in den Bereich „Projekte“ der
form umzuwandeln. So können Schmellers schuleigenen Homepage
ärmliches Elternhaus, die schulische Lauf-
bahn, sein militärischer Werdegang, die pä- Weiterarbeit
dagogischen Ambitionen und seine Karriere Erstellen einer Porträtreihe, z. B. bedeutende
als Sprachwissenschaftler auch grafisch bayerische / oberpfälzische Persönlichkeiten
hervorgehoben werden. namhafte bayerische Sprachforscher /
Schmeller als Sprachwissenschaftler (M13): Dialektforscher
Gemäß dem Hauptwerk Schmellers, dem literarische Zeugnisse bayerischer /
„Bayerischen Wörterbuch“, ergibt sich der oberpfälzischer Mundartautoren
Arbeitsauftrag:
Analysieren Sie das Lemma „Ofen“! Quellennachweis / Literatur
Welche verschiedenen Informationen bietet
M12: Siegfried Bräuer auf der Basis der Darstel-
Schmeller zu diesem Stichwort? Zusätzlich
lungen von Brunner, Dünninger und Schreiegg.
können auch Schmellers Aussagen zur Lau-
tung des Buchstabens „a“ analysiert werden. M13: Schmeller, Johann Andreas (2002):
Vgl. Schmeller, Die Mundarten Bayerns Bayerisches Wörterbuch. Sonderausgabe.
grammatisch dargestellt (1821), München München, Sp. 44.
1929, Nr. 62, 63, 66, 67, 102, 106, 110 und 122. M14: Kapfhammer, Ursula / Kapfhammer, Günther
(1997): Oberpfälzisches Lesebuch. Vom Barock zur
Schmeller als Autor (M17): Gegenwart. Regensburg, S. 140f.
Auch wenn sich Schmellers literarisches
Brunner, Richard J. (1987): Johannn Andreas
Werk als eher bescheiden erweist, erscheint
Schmeller. Leben und Wirken des bayerischen
es dennoch sinnvoll darauf einzugehen, nicht Mundart- und Sprachenforschers. In: Oberpfälzer
zuletzt weil dadurch das Nordbairische ange- Heimat. Beiträge zur Heimatkunde der Oberpfalz.
sprochen wird. Bd. 31. Weiden.
Arbeitsaufträge:
Dünniger, Eberhard (1981): Johann Andreas
1. Lesen Sie das Gedicht „Der Klappermichl
Schmeller und die Oberpfalz. Beiträge zur
zu Neunkirchen“ und geben Sie den Inhalt
Geschichte und Landeskunde der Oberpfalz.
des Gedichts stichpunktartig wieder!
Heft 21. Regensburg.
2. Welche Laute erscheinen für das Nord-
bairische typisch? Lohmeier, Georg (1985): Den Bayern aufs Maul
geschaut. Aus Johann Andreas Schmellers
Wörter- und Tagebüchern 1785 -1852. München.
Zusammenschau der Ergebnisse der
Gruppenarbeit, z. B. in Form einer Power- Schreiegg, Anton (1963): Johann Andreas
point-Präsentation, ggf. Einbindung eines Bil- Schmeller. Leben und Werk. Nordgau-Schriftreihe.
des von Schmeller bzw. eines Hörbeispiels Heft 2. Kallmünz.
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Dialekte in Bayern Dialekt im Unterricht – Basiswissen, Anregungen und Modelle
Bairisch
M12
133
Dialekt im Unterricht – Basiswissen, Anregungen und Modelle Dialekte in Bayern
Bairisch
Listen Sie markante Stationen bzw. Phasen in Schmellers Leben tabellarisch auf!
(Die Jahreszahlen mögen als Orientierung dienen.)
Betrachtet man die Zeit bis 1816 als Lebensphase, in der sich Schmeller selbst
zu finden suchte, erkennt man drei grundlegend verschiedene Neigungen.
Erläutern Sie diese Aussage!
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Dialekte in Bayern Dialekt im Unterricht – Basiswissen, Anregungen und Modelle
Bairisch
M14
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Bairisch
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Dialekte in Bayern Dialekt im Unterricht – Basiswissen, Anregungen und Modelle
Bairisch
M15
Im Jahr 1284 ließ sich zu Hameln ein wunderlicher Mann sehen. Er hatte einen Rock von
vielfarbigem, buntem Tuch an, weshalb er Bundting soll geheißen haben, und gab sich für
einen Rattenfänger aus, indem er versprach, gegen ein gewisses Geld die Stadt von allen
Mäusen und Ratten zu befreien. Die Bürger wurden mit ihm einig und versicherten ihm
einen bestimmten Lohn.
Der Rattenfänger zog demnach ein Pfeifchen heraus und pfiff, da kamen alsobald die Ratten
und Mäuse aus allen Häusern hervorgekrochen und sammelten sich um ihn herum. Als er nun
meinte, es wären keine zurück, ging er hinaus und der ganze Haufen folgte ihm und so führte
er sie an die Weser; worauf ihm alle Tiere folgten und hineinstürzend ertranken.
Nachdem die Bürger aber von ihrer Plage befreit waren, reute sie der versprochene Lohn und
sie verweigerten ihn dem Mann unter allerlei Ausflüchten, sodass er zornig und erbittert weg-
ging. Am 26. Juni, auf Johannis- und Paul-Tag, morgens früh sieben Uhr, nach andern zu Mit-
tag, erschien er wieder, jetzt in Gestalt eines Jägers, erschrecklichen Angesichts, mit einem
roten, wunderlichen Hut und ließ die Pfeife in den Gassen hören. Alsbald kamen diesmal nicht
Ratten und Mäuse, sondern Kinder, Knaben und Mägdlein vom vierten Jahr an, in großer Zahl
gelaufen, worunter auch die schon erwachsene Tochter des Bürgermeisters war. Der ganze
Schwarm folgte ihm nach und er führte sie hinaus in einen Berg, wo er mit ihnen verschwand.
Dies hat ein Kindermädchen gesehen, welches mit einem Kind auf dem Arm von fern nachge-
zogen war, danach umkehrte und das Gerücht in die Stadt brachte. Die Eltern liefen haufen-
weis vor alle Tore und suchten mit betrübten Herzen ihre Kinder; die Mütter erhoben ein
jämmerliches Schreien und Weinen.
Von Stund an wurden Boten zu Wasser und zu Land an alle Orte herumgeschickt, zu erkun-
digen, ob man die Kinder oder auch nur etliche gesehen, aber alles vergeblich. Es waren im
Ganzen hundertdreißig verloren. Zwei sollen, wie einige sagen, sich verspätet haben und
zurückgekommen sein, wovon aber das eine blind, das andere stumm gewesen, also das
blinde den Ort nicht hat zeigen können, aber wohl erzählen, wie sie dem Spielmann gefolgt
wären; das stumme aber den Ort gewiesen, ob es gleich nichts gehört. Ein Knäblein war im
Hemd mitgelaufen und kehrte um, seinen Rock zu holen, wodurch es dem Unglück entgan-
gen; denn als es zurückkam, waren die andern schon in der Grube eines Hügels, die noch
gezeigt wird, verschwunden.
Die Straße, wodurch die Kinder zum Tor hinausgegangen, hieß noch in der Mitte des 18.
Jahrhunderts die Bungelose (trommel-, tonlose, stille), weil kein Tanz darin geschehen noch
Saitenspiel durfte gerührt werden. Ja, wenn eine Braut mit Musik zur Kirche gebracht ward,
mussten die Spielleute über die Gasse hin stillschweigen. Der Berg bei Hameln, wo die Kinder
verschwanden, heißt der Poppenberg, wo links und rechts zwei Steine in Kreuzform sind auf-
gerichtet worden. Einige sagen, die Kinder wären in eine Höhle geführt worden und in Sieben-
bürgen wieder herausgekommen.
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Dialekt im Unterricht – Basiswissen, Anregungen und Modelle Dialekte in Bayern
Bairisch
M16
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Dialekte in Bayern Dialekt im Unterricht – Basiswissen, Anregungen und Modelle
Bairisch
Medien / Material Erarbeitung 3
DVD „Findet Nemo“ eigene Textproduktion in Gruppen und
Mundarttexte nach Wahl (z. B. Gedichte, Vorstellen der Ergebnisse
Erzählungen aus Lehrwerken), Anmerkung: Die Textproduktion in Grup-
ggf. M17 und M18 pen kann sehr motivierend sein. Die Schü-
Aufnahmen von gesprochenen Mundart- ler brauchen nicht auf Schreibnormierungen
texten aus verschiedenen Dialektland- achten, können also keine Rechtschreib-
schaften (ggf. mit Hilfe des Kollegiums fehler im klassischen Sinne machen. Nötig
erstellt) sind aber formale oder inhaltliche Vorgaben
zur Orientierung. Die Gedichte können z. B.
Lehr- und Lernprozess in Form von Elfchen verfasst werden oder
Hinführung man gibt Mundartgedichte als Muster vor,
Begegnung mit Mundart: Szene aus dem an die sich die Schüler halten können. So
Zeichentrickfilm „Findet Nemo“, in der drei kann man das Gedicht „wos an weana olas
Jungfische sich in verschiedenen deutschen en s gmiad ged“ (H. C. Artmann) in eine
Dialekten unterhalten, wird eingespielt. andere Umgebung stellen, also z. B.
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Dialekt im Unterricht – Basiswissen, Anregungen und Modelle Dialekte in Bayern
Bairisch
„wos an Abensberger olas en s gmiad ged“. Fremdsprachen wirken. Hieraus kann erkannt
Eine weitere Anregung bietet das Gedicht oder vom Lehrer thematisiert werden, wel-
„näbe“ von Rodja K. Weigand. Man kann chen Nutzen eine überregionale Standard-
die Schüler ein Dialektgedicht entwerfen sprache hat bzw. warum die einzelnen Dialekte
lassen, das eine mögliche Antwort des fikti- eine Normsprache als Überdachung brau-
ven Adressaten, an den das Gedicht „näbe“ chen.
gerichtet ist, darstellt.
Reflexion Quellennachweis / Literatur
Vorspielen gesprochener Mundarttexte aus M17: Weigand, Rodja K.: näbe. In: Hoffmann,
verschiedenen Regionen Ferdinand / Berlinger, Josef (1978): Die neue
Vergleich der zu Beginn erhobenen oder ge- deutsche Mundartdichtung. Hildesheim,
fundenen Definitionen des Begriffs „Dialekt“ Georg Olms Verlag, S. 101.
und Auswahl einer geeigneten Definition M18: Artmann, H. C. : wos an weana olas en
s gmiad ged. In: Reichert, Klaus (Hrsg.) (2003):
Anmerkung: Texte aus linguistisch ferneren H. C. Artmann. Sämtliche Gedichte. Salzburg,
Dialektgebieten werden auf die Kinder wie Jung und Jung, S. 220.
M17
näbe
graua näbe
wosd hischaugst
graua näbe
wira geschweazte
muich so grau
und durch den
gä i zu dia
mei feia.
(Rodja K. Weigand)
140
Dialekte in Bayern Dialekt im Unterricht – Basiswissen, Anregungen und Modelle
Bairisch
M18
H. C. Artmann
wos an weana olas en s gmiad ged: Was einem Wiener alles ans Gemüt geht:
a faschimpöde fuasbrotesn eine verschimmelte Fußprothese
a finga dea wos en fleischhoka en woef kuma is ein Finger der dem Fleischer in den Wolf gekommen ist
drei wochleid und a trafik drei Wachleute und eine Trafik
a giatlkafee met dischbost ein Gürtelkaffee mit Tischpost
a schas med qastln ein Schaß mit Quasteln
a eadöpfesolod ein Erdäplfelsalat
da rudoef koal en da gatehosn der Rudolf Karl in der Gatehose
de schdrossnbaunilustriade die Straßenbahnillustrierte
a schachtal dreia en an bisoaa eine Schachtel Dreier in einem Pissoir
a söbstbinda zun aufhenkn ein Selbstbinder zum Aufhängen
a zqetschta rola en an autoküla ein zerquetschter Roller in einem Autokühler
de muzznbocha med an nosnromö oes lesezeichn die Mutzenbacher mit einem Nasenrammel als Lesezeichen
a schrewagatal en otagring ein Schrebergarten in Ottakring
a foeschs gebis en da basena ein falsches Gebiß in der Bassena
a zbrochns nochtgschia ein zerbrochenes Nachtgeschirr
a r ogschöde buanwuascht eine abgeschälte Burenwurst
a daunauschdrom zun fiassbodn ein Donaustrom zum Füßebaden
a gashau zun aufrdan ein Gashahn zum Aufdrehen
a kindafazara wossaleichn foxln ein Kinderschänder Wasserleichen Foxln
wimmalagenten radeschöla kinokoatn Wimmerlagenten Radischäler Kinokarte
a saffalade zun umhenkn eine Knackwurst zum Umhängen
de frau nowak die Frau Nowak
en hean leitna sei schwoga den Herrn Leitner sein Schwager
en mozat sei notnschdenda den Mozart sein Notenständer
qagln en essechundöö Quargeln in Essig und Öl
es genseheiffö das Gänsehäufel
a rodlbadii med dode eine Rodelpartie mit Toten
es gschbeiwlad fua r ana schdeeweinhalle das Erbrochene vor einer Stehweinhalle
und en hintagrund auf jedn foe: und im Hintergrund auf jeden Fall:
[Hinweis: Zur Erschließung der Austriazismen und der lokalen Bezüge siehe:
www.epa.oszk.hu/00300/00384/00024/02.html]
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Dialekt im Unterricht – Basiswissen, Anregungen und Modelle Dialekte in Bayern
Bairisch
Medien / Material Quellennachweis / Literatur
Lieder „Mo, mah du“ von Haindling (M19) M19: „Mo, mah du“, zit. nach
und „Ne schöne jroos“ von BAP (M20); alter- http://golyr.de/songtext_353510.htm
nativ können auch andere Mundartlieder ge-
wählt werden, z. B. von Georg Ringsgwandl M20: „Ne schöne Jrooß 1980“, zit. nach www.bap.de
(www.ringsgwandl.com) oder Ludwig Hirsch König, Werner (2011): dtv-Atlas Deutsche Sprache.
(www.ludwighirsch.at). 17. Auflage. München, S. 230f.
Abdruck der Liedtexte auf Folie König, Hans (1997): Fränkisch für Zug‘reiste.
Folie zur dialektalen Gliederung des deutsch- Eine Einführung in die Erlanger Mundart. In: bsv
sprachigen Raums (siehe Teil II) Sprachbuch 9 für die 9. Jahrgangsstufe an
Gymnasien. 2. Auflage. München, S. 163f.
Lehr- und Lernprozess Reiffenstein, Ingo (1984): Standardsprache und
Hinführung Dialekt: Sprachnorm und Variation. In: Bayerisches
Vorspielen des Lieds „Ne schöne jross“ oder Staatsministerium für Unterricht und Kultus:
eines anderen Mundartliedes Schulreport H. 6. München.
142
Dialekte in Bayern Dialekt im Unterricht – Basiswissen, Anregungen und Modelle
Bairisch
M19 M20
Haindling BAP
Mo, mah du Ahn su 'em Daach, wo minge Kühlschrank jejähnt hätt,
Mo, mah du ming Depris ahn mir klääfte, zähflüssig vollfett,
ming Breeftäsch leer woor un wo absolut nix ahnliejen dät,
A Pata steht am Wies´nrand wo ich zom zichste Mohl de Naas vun mir vollhatt,
und hod a Sens´n in da Hand. trotzdämm für alles en Erklärung parat hatt,
Er miassat etzt des Gros wegschneid´n, noh drei, vier Bier schon ahn dämm Punkt wohr,
aba miad issa und lasst se treib´m. wo mir nix mieh jet mäht, daach ich:
Do kimmt a oida Mo daher, Verdamp noch mohl, die Grübeltour bringk et nit,
der Pata schreit: »Mo, do gehst her! die trick dich raff, die bringk dich runder wie sons nur jet,
Du nimmsta etz de Sens in d´Hand die fuck dich aff bess zo dämm Punkt,
und mahst de Wies´n bis zum Rand!« wo övverhaup nix mieh klapp.
Der Mo schreit: »Ja, wer bin denn i?« Dann hängste nur noch römm un zweifels ahn dir
Der Pata lacht und legt si hi: un wirfs dir alles, wat du finge kanns, vüür,
»HÄHÄHÄHÄHÄHÄ!« bess sujar neidisch op die Type, die du sons nur beduhrs.
Hey, Mo!
Ref:
Mo, mah du!
Ne schöne Jrooß ahn all die, die unfählbar sinn,
Nana, Pata.
vun nix en Ahnung hann, die ävver, immerhin
Pata, mah du!
su dunn als ob, weil op Fassade,
Ja, maht denn a Pater aa?
do stonn se halt drop.
Ja, maht denn a Pater aa?
Sog Mo, maht denn a Pater aa?
2)
Na Mo, a Pata, der maht net.
Dä Durchblickprofi uss dämm Bausparverein,
A Pata, der maht net.
rundömjebräunt, met Frau un Pudel doheim;
Dirigiern duri gern – Rengdenge dingdong met singer Einbaukösch, die rustikal ess, ävver dennoch modern,
Dirigiern dadi gern – Rengsenge singsong met singem Ralleystreifen Opel GT, 'ner Stehplatz-Mitte-Jahreskaat vum FC;
Dirigiern duri gern – Rengdenge dingdong dä op Charles Bronson praatjemaate, akkurate Freizeit-Abziehbildheld,
Dirigiern dadi gern – Rengsenge singsong dä Naach für Naach bess zom Projrammschluß em Sessel hängk,
Ejodelehi! dä veezehn Daach Benidorm paradiesisch fingk,
zwei Johr beim Bund wohr, weil ihm Männerkameradschaft jefällt.
Mo, mah du! Dä freut sich jetz ald op sing Zokunf als Rentner,
Mo, mah du! op dä Balkon met Liejestohl, denn do pennt er
bess 'e die Löffel affjitt, die 'e selvs ald lang nit mieh hätt.
Der Pata liagt am Wies´nrand
und hod koa Sens´n in da Hand.
Er muass aa net des Gros wegschneid´n.
3)
Da oide Mo duad´s, den konna treib´m.
Die ärm Säu hängen drin en Situatione,
die nur erklärbar sins durch Hirnamputatione,
Mo, mah du!
die hann se noh und noh em Gleichschritt Richtung Schwachsinn jescheckt.
Mo, mah du!
Oh, leeven Orwell, 84 ess noh,
Mo, mah du! t‘sinn sind mittlerweile nur noch vier läppsche Johr.
Mo, mah du! Et läuf su ähnlich aff, nur unauffällig un vill raffinierter jemaat.
Dä Trick, dä funktioniert janz zügig un reibungslos.
Etappenweise Entmündigung klappt famos.
(Aus: CD „Stilles Potpourri“,
Freiwillig enjemaat un stekum zum Verblöden jebraat.
Polydor / Universal 1984)
Noch zo empfähle wöör dämm janze Komplott:
Schenkt jedem einzelne doch 'ne Aufblasbar-Jott
(uss Venyl) – abwaschbar, exakte Maße, verbraucherjerecht (jefühlsecht)!
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Dialekt im Unterricht – Basiswissen, Anregungen und Modelle Dialekte in Bayern
Bairisch
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Dialekte in Bayern Dialekt im Unterricht – Basiswissen, Anregungen und Modelle
Bairisch
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Dialekt im Unterricht – Basiswissen, Anregungen und Modelle Dialekte in Bayern
Bairisch
M21
Franz Xaver Kroetz:
Der Mensch Adam Deigl und die Obrigkeit (1989)
Schlußszene: Gericht. Sitzungssaal
Deigel auf der Angeklagtenbank, er trägt einen HOLLREISER schnauft tief. Also – eine Quittung –
blauen schönen Anzug, dazu ein weißes Hemd und die hätt ich mir, glaub ich, schon geben lassen,
eine passende Krawatte. Er sieht so wirklich wie bei soviel Geld, und keiner weiß, ob er morgen
ein Schwerverbrecher oder ein dressierter Affe aus. noch lebt. Aber ich bin halt ein Büromensch gegen
Er sitzt wie hingeleimt, aufrecht auf der Anklage- den Beilngrießer, der hat so manches Geschäft
bank, beide Hände hängen schlaff herunter, sein mit Handschlag im Wirtshaus gmacht. Das is halt
Gesichtsausdruck zeigt nur Verstörung, Verwirrung kein Vergleich.
und Angst. VORSITZENDER nickt. Aber Sie hätten sich eine
HOLLREISER Er ist sehr modisch gekleidet, vielleicht Quittung geben lassen.
heller Trachtenanzug, den Hut in der Hand. Vielleicht HOLLREISER gezwungen, aber er ist ehrlich. Ja.
der beste Mann in meinem Betrieb. Er hat das ganze VORSITZENDER Haben der Herr Staatsanwalt oder
Lager unter sich ghabt, praktisch eine Vertrauens- der Herr Verteidiger an den Zeugen eine Frage?
stellung, wenn man so sagen will. Er war Firmen-
bote, in dieser Funktion war er mehrmals mit sehr STAATSANWALT ziemlich jung, nicht unsympa-
hohen Beträgen – 10 bis 20 000 Mark – als Bankbote thisch. Keine weiteren Fragen, danke. Die Verhand-
tätig. Alle Abrechnungen haben immer bis auf den lung wird meines Erachtens nur unnötig in die
letzten Pfennig gestimmt, das Lager war sauber und Länge gezogen. Die Indizien von den Fingerab-
ordentlich wie eine Küche. drücken bis hin zum Frischhaltebeutel sind vorhan-
Pause den, des weiteren das Geständnis des Angeklagten,
Also, mehr kann ich nicht sagen. Nur, ich kann es der Zeuge kann dazu keine erheblichen Aussagen
einfach nicht glauben, daß es stimmt, was man ihm machen, danke.
vorwirft. An Menschn totschlagen wegen Geld – VORSITZENDER Herr Verteidiger?
nia. Ich kenn doch meinen Deigl, seit 20 Jahren BREI steht auf, kommt nach vorne. Herr Holl-
in der Firma. reiser, Geschäfte wie das beschriebene, also mit
Er schaut auf Deigl hin, nickt ihm freundschaftlich zu. Handschlag, sind die in Hofbrück, wie auch, das
Deigl sitzt regungslos auf der Anklagebank. habe ich mir sagen lassen, auf anderen bayrischen
VORSITZENDER Fest steht, dass er Geld zum Bau Dörfern noch üblich?
seines Hauses dringend gebraucht hat. HOLLREISER Das probier ich ja zum erklären. Wenn
HOLLREISER Nur zum leihen, und das hätt er mit man so eine Geschichte aus unserm Dorf hinaus-
seinem ehrlichen Gesicht überall haben können. zieht in die Stadt, dann schaut alles ganz anders
VORSITZENDER 16 000 Mark, mitten in der Nacht, aus. Solche Handschlaggeschäfte wie zwischen dem
ohne Quittung, geschweige denn Schuldschein und Beilngrießer und dem Deigl sind gang und gäbe.
– in einem Frischhaltebeutel? Herr Hollreiser, Sie Die Summe ist sehr hoch, natürlich, aber der
haben Adam Deigl besser gekannt als Herr Beilngrie- Beilngrießer war kein armer Mann.
ßer, hätten Sie – unter den beschriebenen Umstän- BREI Danke. Keine weiteren Fragen.
den wohlgemerkt – Deigl soviel Geld geliehen? Hollreiser verbeugt sich vor dem Richtertisch und
HOLLREISER sichtlich in der Zwickmühle. Ich bitte nimmt wieder Platz. Brei geht zurück auf seinen Platz
Sie, Herr Rat, das is alles bloß zum verstehen, wenn hinter Deigl.
man den Deigl kennt. Ohne seine Person ist das VORSITZENDER kramt in seinen Papieren. Ja, ich
alles unverständlich – aber Sie kennen ihn halt glaube auch, daß wir die Verhandlung nicht unnö-
nicht. Es gibt viele Menschen, die so sind wie er. tig in die Länge ziehen sollten. Wir haben immerhin
Ich kenn einige, aber Ihresgleichen werden Men- noch Frau Deigl, Frau Beilngrießer, den Herrn Notar
schen wie Adam Deigl immer ein Rätsel sein, aus Brechtl, Arbeitskollegen des Angeklagten, die Ver-
einer andern Welt. nehmungsprotokolle, Sachverständigengutachten –
VORSITZENDER Danke für die Belehrungen, aber schauen wir doch, daß wir die Zeugeneinvernahme
ich habe Sie etwas gefragt, Herr Hollreiser: ja oder vor der Mittagspause abschließen können.
nein! Er schaut Hollreiser aufmerksam an. Die große Uhr im Gerichtssaal zeigt 10.35 Uhr.
146
Dialekte in Bayern Dialekt im Unterricht – Basiswissen, Anregungen und Modelle
Bairisch
Später, es ist 15.08 Uhr. Deigl sitzt da wie vorher. aus der Handtasche genommen und – weil kein
STAATSANWALT Wie ich bereits vorausgesehen anderer Gegenstand da war – in einen zufällig he-
habe, hat die gesamt Zeugeneinvernahme keine rumliegenden Frischhaltebeutel getan. Er legt das
neuen Aspekte der Tat gebracht. Möglicherweise Papier ab, schaut zum Richtertisch. Es gibt hier
war der Nachhilfeunterricht in bayrischer Volkskunde keinen Unbekannten, es gibt keinen Zweifel: Adam
lehrreich, aber hier haben wir es mit einem ganz Deigl hat die Tat begangen. Er sagt es selbst, und wir
klaren, ausreichend bewiesenen Fall zu tun, der haben es ihm bewiesen.
meines Erachtens nach nicht mit Psychologie erklärt BREI Mein Mandant möchte eine Erklärung abge-
und verwässert werden muß. Hier sprechen klare ben!
Fakten, Indizien. Es gibt keine – ich wiederhole – DEIGL Sitzt und traut sich nicht.
nicht eine einzige Spur, die darauf hinweist, daß sich BREI zu DEIGL: Jetzt reden Sie doch endlich, Herr
um die fragliche Zeit eine andere Person als Adam Deigl! Sagen Sie, was Sie schon vor einem halben
Deigl in dem Haus befunden hat – ja, befunden ha- Jahr hätten sagen sollen. Heraus mit der Wahrheit!
ben kann! Vor Ihnen, Herr Vorsitzender, liegt die Tat- DEIGL sitzt zitternd vor Angst auf der Bank. Er traut
waffe, der Sachverständige hat eindeutig bewiesen, sich kaum aufzuschauen.
wer den Aschenbecher wie in der Hand hatte, näm- BREI Deigl, sagen Sie die Wahrheit!
lich Adam Deigl und zwar so ... Er macht vor, wie DEIGL Mei ...
man von oben in den Aschenbecher greift. So hält BREI Stehen Sie auf und laut und deutlich.
man einen Aschenbecher nicht zum Ausdrücken ei- DEIGL Mei. Er steht langsam auf, schaut zu den
ner Zigarette, sondern um jemanden zu erschlagen. Richtern. Des hobi oiwei scho gsogd, gleino,
Er führt in der Luft den Schlag aus. wias mi vahafd ham, daßen ned umbrochd hob,
Dann sucht man das Geld, das einem verweigert an Beilngrießa.
worden ist, und weil man den schrecklichen Ort der BREI Weiter!
Tat verlassen will, stopft man es in einen Frisch- DEIGL Oiso, daßes sog: I hob mid dem nix zdoa,
haltebeutel. Zu Hause legt man sich schlafen und daßa umbrochd worn is, da Beilngrießa, gei. Er nickt
spielt der Frau den glücklichen Menschen vor. sich selbst zu. Dea hod mi a no ausn Haus ausse
Das ist auch der einzige Punkt, der mir darauf zu gfiard bis and Dia und pfiade ham ma ins no gsogd,
schließen erlaubt, daß diese Tat zwar im Affekt be- wia gädn des, wenna scho dod gwen sei soi. Na, so
gangen wurde, den Täter aber nicht sonderlich be- leids ma duad, Hea Dokta, awa i han nix zdoa mid
eindruckt haben wird. Nun ja, in Anbetracht der Pri- dera Sach, wenis song soi, wias is. I hob erm nix do,
mitivität des Angeklagten, seines begrenzten Denk- am Beilngrießa, beim bestn Wuin, Hea Dokta.
vermögens und seiner sonstigen Persönlichkeits- VORSITZENDER mustert Deigl scharf. Sie wider-
struktur ist es nicht auszuschließen, daß er sich in rufen Ihr Geständnis?
einer Form von erheblicher Bauernschläue gedacht DEIGL Bidschen, wens erlaubt is. – Gei.
hat: Jetzt hilft mir nur noch der große Unbekannte, VORSITZENDER Sie sind doch ein einfacher Mann,
den auch einige Zeugen als Täter vorgeschlagen Herr Deigl, wenigstens versucht man das von allen
haben. Dazu ist zu sagen, daß wir Juristen und Seiten zu beweisen. Wenn Sie widerrufen, dann
keine Denker sind. Des weiteren haben wir das haben Sie – in jedem Fall – einmal gelogen, und
Geständnis des Angeklagten – vielleicht erinnert er zwar recht ausgiebig. Tun das einfache Menschen?
sich auch daran nicht mehr? Ich darf es vielleicht STAATSANWALT erhebt sich. Sie widerrufen gerade
noch einmal vorlesen. im richtigen Augenblick – wenn ich Ihr Geständnis
DEIGL auf der Anklagebank, hört jetzt zu. nicht vorgelesen hätte, hätten Sie wohl ganz drauf
BREI flüstert: Sie müssen jetzt widerrufen, vergessen! Wieder einmal so ein „naiver“ Versuch,
Deigl gell! ein umfassendes Geständnis in der Verhandlung zu
STAATSANWALT Infolge der Weigerung, mir das widerrufen. Abgesehen davon, daß es bei der
Geld zu überlassen, sind meine Worte immer hef- erdrückenden Beweislast nicht darauf ankommt,
tiger geworden. Und als ich meinerseits ziemlich ob Sie gestehen oder nicht, ist Ihr Umgang mit der
heftig wurde, gab Beilngrießer entsprechend zurück. Wahrheit meiner Meinung nach einem „einfachen“
Ich weiß es selbst nicht mehr genau, weil ich sehr Mann doch ziemlich wesensfremd. Derzeit gehe
erregt war. Aber auf einmal hatte ich den Aschenbe- ich davon aus, daß es sich um einen Totschlag han-
cher in der Hand und muß ihn den Beilngrießer wohl delt, aber wenn Sie so weitermachen, kommen wir
so heftig auf den Kopf geschlagen haben, daß dieser vielleicht noch auf einen Mord heraus. Haben Sie
blutend zusammenbrach. Dann habe ich das Geld ein Geständnis unterschrieben, das unwahr ist?
147
Dialekt im Unterricht – Basiswissen, Anregungen und Modelle Dialekte in Bayern
Bairisch
DEIGL steht schlotternd da, ganz schüchtern, er Deigl schaut hilfesuchend in die Runde. Alle schauen
nickt nicht mit dem Kopf dabei. Jo. Deigl mit verschlossenen, aufmerksamen Gesichtern
BREI Erklären Sie auch dem Gericht, Herr Deigl, an. Deigl schaut zuletzt auf Brei.
warum Sie ein unwahres Geständnis unterschrie- DEIGL Etza trau i mi nima. Er blickt anschließend zu
ben haben. den Richtern.
DEIGL Jo. I hobs em grod undaschrim, weile ma BREI starrt ihn an, dann geht er resignierend an sei-
dengt hon, de gschdudiadn Herrn wern scho wissen, nen Platz zurück. Keine weiteren Fragen. Er sinkt auf
wos fia mi guad is. seinem Stuhl zusammen.
VORSITZENDER schüttelt den Kopf. Also ich bin Deigl dreht sich um, schaut seinen Verteidiger an, als
mir nicht sicher, Herr Verteidiger, ob das für den wollte er sagen: Was hams denn?
Angeklagten gut ist. Sicher, Sie haben nicht nur das
Recht, sondern die Pflicht, ein falsches Geständnis Später ...
zu widerrufen, aber – es geht ja nicht nur um das VORSITZENDER ... scheint dem Gericht eine Ge-
Geständnis, sondern um handfeste Beweise. fängnisstrafe von 4 Jahren und 6 Monaten angemes-
DEIGL hat aufmerksam zugehört; was der Vor- sen. Die Untersuchungshaft von 6 Monaten wird auf
sitzende gesagt hat. Sie moana, Hea Dokta, es die Strafe angerechnet. Gegen das Urteil ist Revision
waar bessa, i dad ned widaruafa, ha? beim Bundesgericht möglich. Sie haben – und die
BREI drückt Deigl auf den Stuhl. Ruhe Deigl! Verteidigung wird Sie dabei beraten – ausreichend
STAATSANWALT lächelt. Bei dieser veränderten Zeit zur Überlegung, ob Sie Revision einlegen oder
Lage möchte ich noch ein paar Fragen an den das Urteil annehmen wollen.
Angeklagten richten. DEIGL schaut ängstlich nach links und rechts.
VORSITZENDER Bitte, Herr Staatsanwalt. Pause. Dann kommen ihm die Tränen in die Augen.
STAATSANWALT verstehe ich Sie richtig, Ange- Er schüttelt den Kopf, läßt ihn unsicher hin und her
klagter, daß Sie Ihr Geständnis nur dann widerrufen, kreisen. Mit hilfloser Geste: Is scho recht. Scho
wenn das günstiger ist für Sie? recht. Nickt. Annehma, freile ... Er sinkt auf seiner
DEIGL nickt, steht diesmal von selber auf, gutmütig: Bank zusammen.
Aso is, Hea Dokta. Sie miaßns bloß song, wose doa VORSITZENDER Damit ist das Urteil rechtskräftig.
soi. I foig aa ä. Bloß wissen miaßad is, wose doa Strafantritt also heute um 18.15 Uhr. Die Verhand-
soi. Wennts es Eich einigen kannts mid meim Dokta, lung ist geschlossen.
wosi doa soi – i bin a kloana Mo, sonsd nix. I bin a Das Gericht erhebt sich und verläßt den Saal.
kloana Mo und dua, wia ma gschaffd werd vo de Deigl auf seiner Bank, dahinter Dr. Brei. Frau Deigl
hochn Herrn! stürzt auf ihren Mann zu, wird aber von Polizisten
STAATSANWALT nickt, er ist sichtlich von der zurückgehalten.
Naivität Deigls schockiert. Ich habe keine Fragen BREI räumt seine Akten zusammen. Dieses Urteil
mehr, danke. Allerdings scheint mir eine erheblich haben Sie sich selber zuzuschreiben.
herabgesetzte Zurechnungsfähigkeit in jedem Deigl starrt mit glasigen Augen vor sich hin, wischt
Fall vorzuliegen. sich mit der Hand die Augen aus, Frau Deigl gibt
VORSITZENDER Tja, Herr Deigl, Sie machen ihm ein Taschentuch.
es Ihrem Herrn Verteidiger nicht einfach! DEIGL Hosd aa gmoand, daße weniga kriag, ha?
Brei sitzt hinter Deigl, er schaut vor sich auf den Da muaß da Bua ohne mi as Schuigeh ofanga,
Tisch, Hand vor der Stirn. und as Derndl hod bei da Firmung koan Vata. Via
VORSITZENDER Da der Angeklagte anschei- Johr und sechs Monad san lang, und midm Heisl
nend nicht in der Lage ist, die Tragweite eines werds aan nixe wern, muaßd an Grund hoid vakaffa,
Geständnisses bzw. seinen Widerruf intellektuell daß epps zun Zuasetzn hobds, wene ned do bin.
verarbeiten zu können, sollte man doch zur Pause. Frau Deidl bekommt einen Weinkrampf.
Faktenlage zurückkehren. DEIGL Awa wen man bedenkt, daße a lemslängli
BREI kommt zu Deigl vor. Herr Deigl, Sie wissen häd kriagn kena, hama aa wida a Glick ghobd. Aso
genau, was ein Geständnis ist, und niemand kann wars do grod Todschlog, weiles zuagem hob. Werd
Ihnen helfen außer mir. Das Geständnis ist falsch. scho guad sei, wias is. De Doktan und Inspekta
Sie hatten Angst und wollten es den hohen Herrn kenan ernare Gsetza. Und mid de Zeid findns erm
recht machen. Aber es ist unwahr. Widerrufen Sie vielleicht do, den seibign, dern wirkle daschlong
laut und deutlich! hod, mein Freind, an Beilngrießa.
148
Dialekte in Bayern Dialekt im Unterricht – Basiswissen, Anregungen und Modelle
Fränkisch
Fränkisch
Basiswissen
Unterteilung des fränkischen unterschieden. Es weist allerdings nur wenig
Sprachraums klare Unterschiede zu den anderen beiden
ostfränkischen Mundarten auf, vielmehr gibt
Zur Verschriftung es einige Gemeinsamkeiten mit beiden.2
Fränkisch in historischen und
Keines dieser Gebiete stellt einen homo-
regionalen Bezügen
genen, in sich geschlossenen Mundartraum
Abgrenzung des Fränkischen dar.3 Sie lassen sich vielmehr alle weiter
gegenüber anderen Sprachräumen untergliedern und unterteilen. Eine beson-
dere Rolle spielen hierbei die Übergangs
Linguistische Eigenheiten des gebiete an den Grenzen zu den vier benach-
Fränkischen barten Dialektgebieten, zum Bairischen,
Schwäbisch-Alemannischen, Hessischen
Besonderheiten
und Thüringischen.
Literatur
Zur Verschriftung
Unterteilung des fränkischen Wie in den Modellen dieses und der anderen
Sprachraums Kapitel zu erkennen ist, verwenden Schrift-
steller, die Mundarttexte verfassen, die Buch-
Wenn man vom „Fränkischen“ spricht, staben des normalen lateinischen Alphabets,
sind damit im Allgemeinen die Mundarten um den gesprochenen Dialekt niederzuschrei-
gemeint, die in den nordbayerischen Regie- ben. Dabei spielt die subjektive Wahrneh-
rungsbezirken Ober-, Mittel- und Unterfran- mung eine große Rolle und es gibt demnach
ken gesprochen werden. Sprachwissenschaft- keine einheitliche Schreibung. In der Sprach-
lich jedoch werden diese Mundarten als Ost- wissenschaft ist es jedoch nötig, eine ein-
fränkisch bezeichnet und von anderen „frän- heitliche und genaue Form der schriftlichen
kischen“ Mundarten unterschieden, nämlich Wiedergabe von Dialekt anzuwenden.
vom Mittelfränkischen (Rheinisch) und Rhein-
fränkischen (Pfälzisch und Hessisch).1 Die Bayerische Dialektdatenbank BayDat
stellt neben Karten und Wortlisten als Er-
Ostfränkisch wird unterteilt in das oberost- gebnis aus der laufenden Arbeit am Baye-
fränkische und unterostfränkische Mund- rischen Sprachatlas4 auch eine Kleine Laut-
artgebiet, getrennt durch die so genannte schriftkunde zur Verfügung.5 Hier wird die
„Steigerwaldlinie“. Ersteres umfasst in etwa Lautschrift Teuthonista für dialektologische
die Regierungsbezirke Mittel- und Oberfran- Zwecke vorgestellt, die dazu herangezogen
ken, letzteres den Regierungsbezirk Unter- werden kann, Lautwerte differenziert darzu-
franken. Eine Sonderstellung in Unterfranken stellen. Dies ist insbesondere dann notwen-
nimmt der Raum um Aschaffenburg ein, der dig, wenn verschiedene Ausprägungen eines
zum rheinfränkischen Mundartgebiet gehört. Dialekts dargestellt werden sollen. Neben
Darüber hinaus wird das Südostfränkische den Buchstaben des normalen lateinischen
149
Dialekt im Unterricht – Basiswissen, Anregungen und Modelle Dialekte in Bayern
Fränkisch
Alphabets werden diakritische Zeichen ver- die Niederwerfung des „Thüringer Reiches“
wendet, um bestimmte lautliche Unterschei- durch Franken und Sachsen im Jahr 531 war.
dungen auszudrücken. Da in diesem Kapitel
aber nur allgemeine Phänomene beschrieben Dieses Reich umfasste wohl auch größere
werden sollen, ist eine solch differenzierte Teile des heutigen Frankens und wurde
Darstellung überflüssig. von verschiedenen Stämmen bewohnt, die
aufgrund ihrer Herkunft als „Elbgermanen“
Ich verwende also die ebenfalls in der „Klei- bezeichnet werden. Durch die Niederwerfung
nen Lautschriftkunde“ des BayDat darge- des Thüringerreiches gewann das Franken-
stellte Dieth-Schrift für nicht sprachwissen- reich neuen Raum hinzu, der eine straffe
schaftliche Dialekttranskription. Diese benützt Organisationsform erforderlich machte, und
die Buchstaben des lateinischen Alphabets so gab es um 700 ein fränkisches Amtsher-
mit folgenden Besonderheiten: zogtum mit Sitz in Würzburg.
Doppelschreibung drückt langen Vokal aus,
z. B. Neebel, Fraage, Bluume. „Für die Mundartforschung sind jedoch
Darüber hinaus werden folgende diakritische weniger diese Daten wichtig als vielmehr
Zeichen verwendet: die Feststellung, daß es in Franken etwa
` Gravis für Offenheit seit dem 1. Jahrhundert v. Chr. in mehr
~ Tilde für Nasalierung oder weniger starker und sicher auch
. untergesetzter Punkt bei Vokalisierung wechselnder Bevölkerungsdichte elbger-
´ Aigu für fremde Akzente manische Bewohner gegeben hat, deren
Für die folgenden Darstellung wird im Sprache so etwas Ähnliches wie das
Grunde nur die Doppelschreibung von Voka- ‚Urfränkische‘ gewesen sein muß.“9
len zur Veranschaulichung der Unterschiede
und Besonderheiten benötigt. Die s-Laute Es ist vermutlich die Wurzel dessen, was
werden nach den Regeln der neuen Recht- heute noch in den drei fränkischen Regie
schreibung verschriftlicht. rungsbezirken zu hören ist. Die Mundart
räume auf diesem Gebiet entstanden durch
Mundartmischungen und sprachlichen
Ostfränkisch in historischen Ausgleich, wobei diese Prozesse jeweils
und regionalen Bezügen6 unterschiedlich schnell abliefen. Die drei
fränkischen Regierungsbezirke erhielten ihre
Die Bezeichnung „Ostfränkisch“ kommt da- Namen im Übrigen erst von König Ludwig I.
her, dass man früher der Ansicht war, „die Zur Zeit der Napoleonischen Flurbereinigung
im Ostteil des Frankenreiches lebenden Men- hießen sie noch Obermain, Untermain und
schen seien alle Stammesfranken gewesen Rezatkreis.
und in großen Wanderbewegungen vom
Rhein hierher gekommen“7. Die Erforschung
der fränkischen Dialekte führte jedoch zu der Abgrenzung des Fränkischen
Erkenntnis, dass die einzelnen Sprachräume gegenüber benachbarten Sprach-
unterschiedlich alt sind und ihre Entstehung räumen – Übergangsgebiete
verschiedene Gründe hat. „Daß die Franken
vom Rhein her in größerem Umfang Staats- Die beschriebenen Umstände der Entsteh-
kolonisation betrieben und massenhaft ung der heutigen Mundartgebiete im frän-
Siedler in unser Untersuchungsgebiet kischen Raum sind auch der Grund dafür,
[Franken] gebracht haben, wird heute nicht dass sich das Ostfränkische nicht entlang
mehr angenommen.“8 Man geht vielmehr bestimmter Grenzen klar von den benach-
davon aus, dass ein wichtiges Ereignis für barten Mundarten absetzt, sondern dass
die Entstehung der ostfränkischen Dialekte es vielmehr von Übergangsmundarten
150
Dialekte in Bayern Dialekt im Unterricht – Basiswissen, Anregungen und Modelle
Fränkisch
umgeben ist. Die Nachbarmundarten des Der Dialekt in diesem Raum hat zwar das
Ostfränkischen sind: Bairisch, Schwäbisch- Unterostfränkische zur Grundlage, stimmt
Alemannisch, Hessisch und Thüringisch. aber mehr mit dem Osthessischen und Thü-
ringischen überein. Wichtige Unterschiede
Von besonderer Bedeutung ist hier das zwischen Thüringisch und Fränkisch sind wie-
Bairisch-fränkische Übergangsgebiet, das derum die Verkleinerungsform (-chen im Thü-
sich zwischen dem Raum Amberg-Weiden ringischen statt -la im Oberostfränkischen), die
und dem östlichen Einzugsbereich von volle Form von ‚Mann‘ als Monn gegenüber
Nürnberg-Bayreuth erstreckt. Hier zeigen sich dem fränkischen Moo bzw. Muu oder Maa.13
sprachliche Merkmale des Nordbairischen
wie die so genannten gestürzten Zwielaute
(z. B. Boum für ‚Buben‘) oder die Verdump- Linguistische Eigenheiten
fung von a zu o (z. B. Moo für ‚Mann‘).10 des Fränkischen
Insgesamt besteht im Nürnberger Raum ein Wagner beschreibt im Kapitel „Grammatik
Verhältnis von etwa 50:50 von ostfränkischen des Fränkischen“ ausführlich und differen-
und nordbairischen Elementen.11 Als wich- ziert Eigenheiten des Fränkischen.14 Hier
tigste Unterschiede zwischen den beiden sollen lediglich die wichtigsten kurz darge-
Gebieten nennt Sabine Krämer-Neubert12 stellt werden:
Bruuder, Aamer, Schnee im Oberostfrän-
kischen gegenüber Brouder, Oimer, Schnej Phonetisch
im Nordbairischen für ‚Bruder‘, ‚Eimer‘ Als typisch fränkisch gilt die so genannte
und ‚Schnee‘. „binnendeutsche Konsonantenschwächung“,
also die Tatsache, dass p und t mit b und d
Die weiteren Übergangsgebiete und Abgren- zusammenfallen und k in konsonantischen
zungen lassen sich wie folgt zusammenfassen: Verbindungen zu g abgeschwächt wird
Schwäbisch in Franken: Bei Gunzenhausen mi- (während es im Anlaut vor Vokalen erhalten
schen sich Nordbairisch, Schwäbisch und Ost- bleibt). Man sagt also beispielsweise
fränkisch, so sagt man hier Bruader und Oimer Bolidiger für ‚Politiker‘. Zwischen Vokalen
für ‚Bruder‘ und ‚Eimer‘. Wichtige Unterschiede wird g häufig zu ch, z. B. lüchen für ‚lügen‘.
zwischen Schwäbisch-Alemannisch und Frän-
kisch sind die Verkleinerungsform -che statt Auf der Ebene der Vokale gibt es innerhalb
ostfränkisch -le / -la und das scht, schp im Inlaut des Ostfränkischen zahlreiche regionale
des Schwäbischen, z. B. ischt für ‚ist‘ oder Unterschiede. Hier muss vor allem zwischen
Reschpekt für ‚Respekt‘, das im Fränkischen Oberostfränkisch und Unterostfränkisch un-
nur an den Rändern vorkommt. terschieden werden. Veranschaulichen lässt
Rheinfränkisch (Hessisch) in Franken: Um sich dies an den verschiedenen Versionen
Aschaffenburg und im Brückenauer Raum eines Satzes, der das Fränkische angeblich
wird rheinfränkisch gesprochen. Man sagt kennzeichnet: Wou die Hasen Hoosn und die
Appel bzw. Abbel statt ostfränkisch Apfel Hosen Huusn haaßn (Wo die Hasen „Hoosn“
und Schäfchen statt Schäfle / la für ‚Apfel‘ und die Hosen „Huusn“ heißen). Diese Lau-
und ‚Schäfchen / lein‘. tung gilt jedoch nur für den oberostfränki
Thüringisch in Franken: Nördlich des Fran- schen Mundartraum, im unterostfränkischen
kenwaldes orientiert man sich sprachlich müsste der Satz in etwa folgendermaßen
mehr nach Thüringen als nach Franken. Die lauten: Wo die Hasen Hoosn und die Hosen
Sprachgrenze zwischen dem Fränkischen und Housn hääßn. Im Südostfränkischen hinge-
dem Thüringischen verläuft am Thüringer gen würde er wie folgt gesprochen werden:
Wald und umfasst den Henneberger Raum. Wuu die Hasen Haasche und die Hosen
Man sagt hier beispielsweise Bruut für ‚Brot‘. Hoosche heese.
151
Dialekt im Unterricht – Basiswissen, Anregungen und Modelle Dialekte in Bayern
Fränkisch
Als allgemeines Merkmal lässt sich vielleicht (‚ins Kino‘), nei’n Gsicht hau (‚ins Gesicht
festhalten, dass häufig „gerundet“ wird, schlagen‘). Es ist unklar, ob nei im Sinne von
was sich auch daran zeigt, dass a eher wie ‚hinein‘ nach vorn gezogen und mit in im
o ausgesprochen wird. (Dieser zwischen a Sinne von ‚in den‘ verbunden wurde, also
und o liegende Vokal wird hier mit o bezeich- ‚hinein in den‘ als nei in, und dann weiter zu
net, manche Veröffentlichungen verwenden nei’n verschmolzen wurde, oder ob nei’n eine
å zur Kennzeichnung.) Darüber hinaus sagt selbstständige Bildung darstellt.
man auch ü für i (üme für ‚immer‘), ö für ü
(Wöfl für ‚Würfel‘), oder ooi für eu (Hooi für Auch das Ostfränkische kennt zur Bildung
‚Heu‘).15 der Vergangenheit kein Präteritum sondern
nur das Perfekt. Lediglich im äußersten
Morphologisch Norden finden sich Formen des Imperfekts.
Im Fränkischen wird, wie in anderen Dialek-
ten auch, häufiger als in der Standardsprache Nördlich von Kronach, in weiten Teilen des
die Diminutivform verwendet. Sie lautet Coburger Raumes und im nördlichen Würz-
unterostfränkisch -le und oberostfränkisch burger Raum tritt die so genannte Perfekti-
-la. Im Plural wird aus -la teilweise -li (z. B. vierung des Infinitivs nach bestimmten Hilfs-
in Erlangen), teilweise bleibt die Singular- verben auf, z. B. Des komma scho gesooch
form im Plural erhalten (z. B. in Nürnberg). (‚Das kann man schon sagen‘), Dos muäßte
Aus -le wird im Unterostfränkischen im gehür (‚Das musst du hören‘) oder Dä Herr-
Plural oft -lich (z. B. in Haßfurt). gott möicht i nit gsai (‚Der Herrgott möchte
ich nicht sein‘).
Im Fränkischen gibt es darüber hinaus Wör-
ter, die den Plural mit Umlaut bilden, wo dies Syntaktisch
in der Standardsprache nicht der Fall ist, z. B. Gegenüber der Standardsprache ergeben
Hund – Hünd (‚Hund‘ – ‚Hunde‘). sich im Fränkischen auch Unterschiede be-
züglich der Bildung der Fälle. Der Genitiv auf
Die Infinitivendung -en wird in verschie- -s fällt, wie häufig in der Umgangssprache
denen Formen abgeschwächt: Im Oberost- und in anderen Mundarten, praktisch weg
fränkischen entfällt das e, wobei das n teil- und wird durch Ersatzformen umschrieben,
weise verändert wird (hörn, lachng, groom meist durch von / vo + Dativ bzw. Dativ +
für ‚hören‘, ‚lachen‘, ‚graben‘). Im Westen, Possessivpronomen, z. B. es Audo vo
also um Rothenburg, Feuchtwangen-Dinkels- meim / mein Vader oder meim / mein Vader
bühl und im Aschaffenburger Raum tritt -en sei Audo für ‚das Auto meines Vaters‘.
als Endungsschwachlaut -a oder -e auf (laafe
für ‚laufen‘, schlabbe für ‚schlappen‘). Im Un- Beim Maskulinum und Neutrum fallen darü-
terostfränkischen und teilweise auch im Co- ber hinaus Dativ und Akkusativ zusammen.
burger Raum entfällt die Endung ganz (laf / löf Die Endung der bestimmten und unbestimm-
für ‚laufen‘, schlabb / schlobb für ‚schlappen‘). ten Artikel lautet hier einheitlich -n, z. B.
Dan Karl sollt ma auf Saudrack palz (‚Den
Die Flexionsendungen sind verhältnismäßig Kerl sollte man auf Saudreck pelzen‘) und
einheitlich und kommen denen der Standard- Mit dan Karl id nex ouzefang (‚Mit dem Kerl
sprache nahe. Die auffälligste der Konjuga- ist nichts anzufangen‘).
tionsformen von „sein“ ist das unterostfrän-
kische id für ‚ist‘. Aufgrund dieser Tatsache ist es im Hinblick
auf die Präpositionen oft schwer zu entschei-
Interessant ist auch das „Adverb“ nei bzw. den, ob ihnen derselbe Fall folgt wie in der
nei’n in Wendungen wie nei sein Gardn Standardsprache oder nicht. Häufig gibt
höckn (‚in seinem Garten sitzen‘), nei’n Kino es hier jedoch Abweichungen, wobei auf
152
Dialekte in Bayern Dialekt im Unterricht – Basiswissen, Anregungen und Modelle
Fränkisch
153
Dialekt im Unterricht – Basiswissen, Anregungen und Modelle Dialekte in Bayern
Fränkisch
Anmerkungen Literatur
Fritz-Scheuplein, Monika / König, Almut /
1 Vgl. Knoop 2001, S. 13.
Krämer-Neubert, Sabine / Wolf, Norbert Richard
2 Krämer-Neubert 2004, S. 223f.
(3. überarb. u. erhebl. erw. Aufl. 2008): Wörterbuch
3 Vgl. Knoop 2001, S. 20.
von Unterfranken. Eine lexikographische
4 Der „Bayerische Sprachatlas“ wird herausge-
Bestandsaufnahme. Würzburg.
geben von Richard Hinderling, Werner König,
Ludwig Eichinger, Hans-Werner Eroms, Horst Knoop, Ulrich (2001): Wörterbuch deutscher
Haider Munske und Norbert Richard Wolf. Hier Dialekte. Köln.
werden die zahlreichen Dialekte ganz Bayerns
König, Almut / Fritz-Scheuplein, Monika /
erfasst. Es handelt sich um ein Gemeinschafts-
Blidschun, Claudia / Wolf, Norbert R. (2007):
projekt von fünf bayerischen Universitäten, deren
Kleiner Unterfränkischer Sprachatlas (KUSs).
Forschungsergebnisse in sechs geographischen
Heidelberg.
Teilprojekten veröffentlicht werden. Der Atlas
bietet eine repräsentative Auswahl aus dem Laut-
König, Almut (2014): Sprachatlas von Unterfranken
und Formenbestand sowie dem Wortschatz der
zum Dialekt und Dialektverhalten junger Erwachse-
Dialekte der jeweiligen Region. Die einzelnen Teil-
ner (JuSUF), mit CD-ROM. Heidelberg.
projekte des Bayerischen Sprachatlasses sind:
I. Sprachatlas von Bayerisch-Schwaben (SBS),
Krämer-Neubert, Sabine: Sprachräume in Franken.
Universität Augsburg
In: Jahn, Wolfgang / Schumann, Jutta / Brock-
II. Sprachatlas von Mittelfranken (SMF),
hoff, Evamaria (Hrsg.) (2004): Edel und Frei. Fran-
Universität Erlangen
ken im Mittelalter. Augsburg, S. 223f. (= Veröffent-
III. Sprachatlas von Unterfranken (SUF),
lichungen zur Bayerischen Geschichte und Kultur
Universität Würzburg
47/2004).
IV. Sprachatlas von Nordostbayern (Regional-
bezirke Oberfranken und Oberpfalz (SNOB), Küpper, Wolfgang (Hrsg.) (1991): Bayerns Mund-
Universität Bayreuth arten. Dialektproben mit Kommentaren und einer
V. Sprachatlas von Niederbayern (SNiB), Einführung in die Verbreitung und Verwendung
Universität Passau des Dialekts in Bayern. München.
VI. Sprachatlas von Oberbayern (SOB),
Lenk, Ursula / Schmidt, Thea (1998): Allmächd!
Universität Passau
Fränkisch von A-Z (nicht nur) für Setta & Sottera!
5 z. B. über www.udi.germanistik.uni-wuerzburg.de/
München.
seiten/arbeitshilfen.php
6 Soweit nicht anders angegeben beruhen die Anga- Wagner, Eberhard (1987): Das fränkische Dialekt-
ben in diesem Kapitel auf Wagner 1987, S. 25-29. buch. München.
7 Ebd., S. 25.
www.udi.germanistik.uni-wuerzburg.de
8 Ebd., S. 28.
> Materialien
9 Ebd.
10 Vgl. Küpper 1991, S. 21.
1
1 Wagner 1987, S. 37.
Weiterführende Links:
12 Krämer-Neubert 2004, S. 224.
13 Vgl. hierzu Krämer-Neubert (S. 224) und Knoop www.udi.germanistik.uni-wuerzburg.de
(S. 18-24). Ausführlich werden die Übergangs-
www.kulturatlas-oberfranken.de
mundarten und der Verlauf der Sprachgrenzen
bei Wagner beschrieben (S. 36-44). www.historisches-franken.de
4
1 Wagner 1987, S. 47-101.
15 Knoop 2001, S. 20. Dank an Luise Scherer und Christian Seynstahl
16 Lenk / Schmidt 1998. für die bereitwillige Unterstützung bei den Tonauf-
17 Fritz-Scheuplein u. a. 1997. nahmen für die folgenden Unterrichtsbeispiele.
18 Es handelt sich hier um Teilprojekte des „Baye-
rischen Sprachatlas“ (siehe Anm. 4).
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Fränkisch
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Fränkisch
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Fränkisch
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Dialekte in Bayern Dialekt im Unterricht – Basiswissen, Anregungen und Modelle
Fränkisch
2Grundschule / Sekundarstufe I: Sprechen,
Schreiben, Sprachbetrachtung
Kindheitserinnerungen Bild von Luise Scherer (Umschlagrückseite):
Wie sieht die Frau aus? Wie alt ist sie? Was
Lerninhalt tut sie? (Sie liest vor.) Was liest sie vor?
Schulkinder früher und heute / (Geschichten von „früher“, aus ihrer Kindheit
Unterschiede zwischen und Jugend)
Hochdeutsch und Fränkisch Bild von Luise Scherer (Titelseite): So hat sie
damals ausgesehen. Warum schreibt sie wohl
Begründung der Auswahl Geschichten und Gedichte über früher? (Sie
Die Erinnerungen von Luise Scherer „Wi i schreibt ihre Erinnerungen an das alltägliche
a Schulmädla war“ beschreiben wichtige Leben auf, damit Bräuche usw. nicht verges-
Ereignisse im Alltag eines Schulmädchens sen werden, um ihren Kindern und Lesern ei-
vor fast 80 Jahren. Die Schüler können nen Eindruck von damals zu vermitteln.)
Gemeinsamkeiten und Unterschiede fest- Titel des Buches „Ahni vo sust“ – Was heißt
stellen. Obwohl der Text in Mundart ver- das? („Enheim [Ort in Unterfranken] von
fasst ist, ist er verständlich und es finden früher“, also ‚Enheim, wie es früher war‘.)
sich für die Altersstufe geeignete Beispiele Die Frau schreibt also im Dialekt, warum tut
zur Untersuchung von Besonderheiten der sie das?
fränkischen Mundart.
Erarbeitung 1
Lernziele Die Schüler „Wi i a Schulmädla war“ (M3)
lernen mit Luise Scherer eine Verfasserin von Sie hat auch über die Zeit als Schulmädchen
Texten in fränkischer Mundart kennen und geschrieben. Der Text heißt „Wi i a Schul-
erfahren etwas über ihre Schreibmotivation mädla war“. Was könnte sie dazu aufge-
(Festhalten von Lebensumständen und Ereig- schrieben haben?
nissen von „früher“ um sie weiterzutragen), Vortrag des Textes durch den Lehrer oder
vergleichen das Leben früherer Schulkinder Hörbeispiel
mit ihrer eigenen Erlebniswelt, Klären des Inhalts: Über was hat sie geschrie-
vergleichen Wörter in der Standardsprache ben? Warum wohl? Über was würdet ihr
mit Dialektwörtern, heute schreiben?
lernen wichtige Merkmale des Nochmaliger Vortrag des Textes mit Vorlage
Fränkischen kennen, Klären von inhaltlichen Einzelheiten
sammeln Dialektausdrücke. Versuche einzelner Schüler, Abschnitte aus
dem Text laut zu lesen
Medien / Material
Bilder von Luise Scherer, Umschlagseiten Erarbeitung 2
des Buches „Ahni vo sust“ (M2) Merkmale des Fränkischen
Text: „Wi i a Schulmädla war“ (gekürzt) (M3) Arbeitsblatt: Hochdeutsch und Mundart
www.isb.bayern.de (M4) – Zuordnen des Mundartbegriffs aus
Arbeitsblatt: Hochsprache und Mundart (M4) dem Text und des entsprechenden Begriffs
Wandzeitung: Wortliste Hochsprache – der Standardsprache zu Bildern
Mundart Lösung vergleichen und auswerten
Vergleich und Beschreibung wichtiger Unter-
Lehr- und Lernprozess schiede (Veränderung von Lauten / Wegfall
Hinführung von Lauten; Verniedlichungsform -la ; spezi-
Bilder von Luise Scherer (M2) elle Mundartbegriffe)
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Dialekt im Unterricht – Basiswissen, Anregungen und Modelle Dialekte in Bayern
Fränkisch
Weiterarbeit
Erstellen eines „Tests für Franken“ durch die
Schüler (Liste mit Wörtern in Mundart, deren
hochdeutsche Entsprechung gefunden wer-
den muss)
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Fränkisch
M3
Wi i a Schulmädla war
Di Zeit it verganga,
es it a anneri kumma,
wars Freud oder Leid,
si kummt nehmi, dia Zeit.
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Fränkisch
M4
Suche die Wörter, die Luise Scherer im Text „Wi i a Schulmädla war“ für die Bilder ver-
wendet, und trage sie in die Tabelle ein, wie sie dort geschrieben sind! Überlege dir dann,
wie das hochdeutsche Wort dafür lautet, und trage es ebenfalls in die Tabelle ein!
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Fränkisch
Lösungsvorschlag
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Dialekt im Unterricht – Basiswissen, Anregungen und Modelle Dialekte in Bayern
Fränkisch
Medien / Material Erarbeitung 2
Liste mit fränkischen Begriffen für ein Wichtige Merkmale des Fränkischen
Quiz (M5) Vergleich von Mundart und Standardsprache
Auszug aus „Asterix uff Meefränggisch I. anhand der Tafelanschrift: Aus welchen
Dour de Frångn“ (M6) Bereichen stammen die Wörter / Ausdrücke?
Lehrbuch für eine Fremdsprache (Alltag, teils landwirtschaftlicher Ursprung)
Arbeitsblatt zur Erfassung von Dialekt- Warum? (Dialekt als Alltagssprache) Fest-
begriffen für ein Wörterbuch (M7) halten wichtiger Unterschiede zur Standard-
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Dialekte in Bayern Dialekt im Unterricht – Basiswissen, Anregungen und Modelle
Fränkisch
sprache (häufig auftauchende Veränderungen (Jeder Begriff / Ausdruck sollte auf einer sepa-
auf Lautebene; eigenständige Wörter, vgl. raten Karte / einem separaten Zettel mit allen
Basiswissen Fränkisch) festgelegten Angaben festgehalten werden,
Unterrichtsgespräch: Gibt es eine eigene so dass mehrfach genannte leicht aussortiert
Grammatik im Fränkischen? und die verbleibenden alphabetisch sortiert
Ggf. können die Schüler einige Phänomene werden können. M7 zeigt einen Vorschlag,
selbst ansprechen; ansonsten Hinweis durch der als Kopiervorlage benutzt werden kann.)
die Lehrkraft (vgl. Basiswissen Fränkisch, Sichtung und (Aus-)Sortieren der gesammel-
linguistische Eigenheiten) ten Begriffe / Ausdrücke
Erstellen des Wörterbuchs in Gruppen
Erarbeitung 3 (alphabetisch), entweder handschriftlich nach
Das Problem der Verschriftung von Mundart formalen Vorgaben (vgl. M7) oder am Com-
Analyse der Mundartbegriffe an der Tafel: puter
Warum gibt es Abweichungen / Probleme bei
der Verschriftung? (keine einheitliche Schrei- Weiterarbeit
bung festgelegt, weil Mundart vor allem ge- Vervielfältigung des Wörterbuchs,
sprochen wird) Vorstellung (Verkauf) bei Schulfest o. Ä.
Auszug aus „Asterix uff Meefränggisch 1.
Dour de Frångn“ (M6): Wie wird hier ge- Quellennachweis / Literatur
schrieben? (lateinisches Alphabet, Verdoppe-
M5: Lenk, Ursula / Schmidt, Thea (1998): Allmächd!
lung von Vokalen zum Anzeigen von Länge, Fränkisch von A-Z (nicht nur) für Setta & Sottera!
Sonderzeichen å für das fränkische „a“, das in München.
der Aussprache zwischen „a“ und „o“ liegt)
Fritz-Scheuplein, Monika / König, Almut / Krämer-
Vergleich mit Fremdsprache im Lehrbuch: Neubert, Sabine / Wolf, Norbert Richard (3. über-
festgelegte Schreibung, Aussprache in Laut-
arb. u. erhebl. erw. Aufl. 2008): Wörterbuch von
schrift; Lautschrift als Möglichkeit der Wie-
Unterfranken. Eine lexikographische Bestandsauf-
dergabe von Dialekt? nahme. Würzburg.
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Dialekt im Unterricht – Basiswissen, Anregungen und Modelle Dialekte in Bayern
Fränkisch
(ofr = Oberfranken, mfr = Mittelfranken, rb = Raum Rothenburg; alle aus Lenk / Schmidt: Allmächd.
ohne Angaben = Unterfranken; alle aus Fritz-Scheuplein et al.: Wörterbuch von Unterfranken)
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Fränkisch
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Dialekt im Unterricht – Basiswissen, Anregungen und Modelle Dialekte in Bayern
Fränkisch
Lautschrift: [ ] Lautschrift: [ ]
Beispielsatz: Beispielsatz:
Standardsprache / Erklärung: Standardsprache / Erklärung:
Lautschrift: [ ] Lautschrift: [ ]
Beispielsatz: Beispielsatz:
Standardsprache / Erklärung: Standardsprache / Erklärung:
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Dialekte in Bayern Dialekt im Unterricht – Basiswissen, Anregungen und Modelle
Fränkisch
169
Dialekt im Unterricht – Basiswissen, Anregungen und Modelle Dialekte in Bayern
Fränkisch
Franken“ bzw. „Emotionale Bewertung M10: Wagner, Eberhard (1987): Das fränkische
Dialekt – Hochdeutsch“ (M10): Auswertung Dialektbuch. München. C. H. Beck, S. 109 -111.
und Zusammenfassung der Ergebnisse Die Nummerierung der ausgewählten Aspekte
(evtl. Erstellen von Grafiken). Stimmen die wurde geändert (ursprünglich handelt es sich um
Ergebnisse mit der eigenen Wahrnehmung Punkt 3 und 4) und die Rechtschreibung angepasst.
überein? (Veröffentlichung von 1987!) M11: Schuhladen, Hans: dialekt (Gedicht).
In: Beier, Heinz (1983): Bayerische Literatur in
Vertiefung Beispielen. München. Bayerischer Schulbuch-
Gedicht: „dialekt“ von Hans Schuhladen verlag, S. 462.
(M11)
Erschließung des Inhalts: Einstellung zum
Dialekt? Bedeutung des Dialekts? (Mundart
als Teil der Identität, als „Heimat“)
170
Dialekte in Bayern Dialekt im Unterricht – Basiswissen, Anregungen und Modelle
Fränkisch
Heimatort:
10. In welchen Orten spricht man schon anders als in deinem Heimatort?
Was ist anders? (Wörter, Aussprache, Grammatik ...)
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Fränkisch
M9
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Fränkisch
M10 Statistische Ergebnisse einer Befragung zum Thema Dialekt, 1987 (Auszug)
Wenn für viele Bewohner der nördlichen Regierungsbezirke Bayerns der Dialekt, das Frän-
kische, die eigentliche Muttersprache darstellt, stellt sich die Frage: Wie gut sprechen die
Franken Hochdeutsch, jene Variante des Deutschen, die von vielen für das Deutsche schlecht-
hin gehalten wird, die in den Schulen im In- und Ausland gelehrt, von den Medien und im
Schriftverkehr allgemein benutzt wird?
Um diese Frage zu klären, müssten (längere) Sprechproben eines Befragten mit geeigne-
ten sprachwissenschaftlichen und statistischen Verfahren auf den Grad von Dialektalität bzw.
Hochsprachlichkeit untersucht werden. Da dies im Rahmen einer Umfrage wie beim „Baye-
rischen Dialektzensus“ nicht durchführbar ist, bleibt neben der Möglichkeit der (Fremd-)Ein-
schätzung durch den Interviewer nur die (Selbst-)Einschätzung durch den Befragten selbst.
Hier sollen die Ergebnisse der letzteren vorgestellt werden (die der Fremdeinschätzung wei-
chen im Allgemeinen nur unwesentlich davon ab).
Die Forscher fragten: „Wie gut können Sie Ihrer Meinung nach Hochdeutsch sprechen?“
Eine heikle Frage, gilt doch Hochdeutsch auch in Franken als die „richtigere“, „gebildetere“,
„feinere“ usw. Sprachvariante; wer aber will unter diesem Aspekt schon zugeben, dass er das
„bessere“ Deutsch nicht beherrscht, und somit – noch dazu vor einem Fremden, dem Inter-
viewer – sozusagen Selbstkritik üben und sich gar unter die „Ungebildeten“, „Ungehobelten“
usw. selbst einreihen?
Vorsichtig formulierte Auswahlantworten erleichterten den fränkischen Dialektsprechern
die Antwort (nur weniger als ein halbes Prozent der Befragten antworteten überhaupt nicht).
Es bleibt jedoch das Problem, inwieweit die Einstufung „geschönt“ ist, d. h., dass statt der tat-
sächlichen eine „positivere“ Stufe der Sprachbeherrschung genannt wird. Doch selbst unter
diesem einschränkenden Gesichtspunkt ist es erstaunlich, dass nur ein Zehntel (9,8 %) der-
jenigen, die angaben, fränkischen Dialekt sprechen zu können, auch behaupteten: „Wenn ich
Hochdeutsch spreche, merkt man mir meine sprachliche Herkunft nicht an.“
Rund zwei Fünftel meinten je: „Ich habe keine Schwierigkeiten, aber man merkt mir meine
sprachliche Herkunft an“ (37,8 %) bzw. „Mein Dialekt kommt immer wieder durch“ (38,9 %).
Doch 13,5 % kreuzten als Antwort an: „Ich habe Schwierigkeiten und spreche deshalb kaum
Hochdeutsch“ und bekannten sich so als Nur-Dialektsprecher.
Die Massierung der Antworten in den beiden mittleren Antwortmöglichkeiten erklärt sich
wohl z. T. aus den oben genannten Problemen. Mögen deshalb auch die Prozentzahlen der
Umfrage nicht das exakte Bild ergeben, so dürfte doch die Tendenz stimmen.
Gestützt wird die obige Annahme durch eine Kontrollfrage: „Wenn Sie Hochdeutsch sprechen,
was empfinden Sie dabei?“
Eine der Antwortmöglichkeiten lautete: „Ich finde die richtigen Worte nicht.“ Dieser Aus-
sage stimmten 14,7 % der Angesprochenen uneingeschränkt zu, 28,2 % ließen sie noch mit
Einschränkungen gelten. 57,1 % glauben, beim Hochdeutschgebrauch stets das richtige Wort
zu treffen.
173
Dialekt im Unterricht – Basiswissen, Anregungen und Modelle Dialekte in Bayern
Fränkisch
Anderen überlegen fühlen sich nur 7,1 %, wenn sie Hochdeutsch verwenden, 12,7 %
zögern, eindeutig zuzustimmen. 80,2 % jedoch streiten jedes Überlegenheitsgefühl beim
Gebrauch des Hochdeutschen ab.
59,5 % fühlen sich, sprechen sie Hochdeutsch, nicht unbehaglich, ein Fünftel dagegen
schon, ein weiteres Fünftel manchmal. Nur 35,2 % geben an, dabei völlig natürlich zu spre-
chen, 22,4 % geben gewisse Verkrampfungen zu und 42,4 % fühlen sich in einer „sprachlichen
Zwangsjacke“.
Dass sie sich besser mit Hochdeutsch ausdrücken können, glauben 18,6 %, 20,2 % machen
es von der Situation abhängig, 61,6 % ziehen den Dialekt vor.
Ein Viertel (24,5 %) meint, dass man in der Hochsprache besonders sachlich sprechen
könne, 46,2 % glauben dies nicht, 29,2 % entschieden sich für ein Jenachdem.
Aufgrund dieser Tatsachen versteht es sich, dass nur knapp ein Drittel (15,7 % „ja“ / 17,2 %
„eher ja“) besser Hochdeutsch sprechen möchten, während zwei Drittel (47,2 % „nein“ / 18,9 %
„eher nein“) glaubten, auf besserer Hochdeutschkenntnisse verzichten zu können.
Bessere Dialektkenntnisse wünschen sich nur 4 % der Befragten („eher ja“ 3%), 81,7 %
sind mit ihren Dialektkenntnissen zufrieden, der Rest (11,3 %) eher auch.
Wenn es jedoch um die Kenntnis des Ortsdialekts geht, klagt immerhin ein Drittel der Be-
fragten (12,6 % „ja“ / 22,6 % „eher ja“) über Dialekt-Defizite, die es zu beheben gilt, 10,8 % ant-
worteten mit einem „eher nein“ und 54,4 % mit absolut „nein“ im Hinblick auf ein Defizit. Die
gute Kenntnis des Ortsdialekts scheint für die Franken besondere Bedeutung für die Kommu-
nikation aber auch für die Anerkennung bei Bekannten, Freunden, Nachbarn usw. zu haben.
Was diese Zahlen deutlich machen: Über die Hälfte der Befragten hat dialektbedingte Pro-
bleme beim Gebrauch der Hochsprache.
Die emotionale Bewertung des Dialekts ist relativ positiv, während die des Hochdeutschen
eher neutral ist. Auch deshalb hat der Dialekt in Franken eine so große Bedeutung bei der
mündlichen Kommunikation.
M11
dialekt
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Fränkisch
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Dialekt im Unterricht – Basiswissen, Anregungen und Modelle Dialekte in Bayern
Fränkisch
Quellennachweis / Literatur Hinweise
M12 / 13: www.wir-koennen-alles.de/index2.html Zum Thema „Fränkisch in den Medien“ vgl. Wag-
[aufgerufen am 17.03.2005] ner, S. 147-156. Zur Werbekampagne „Wir können
M14: Arbeitsblatt Doris Jenetzky, Marktbreit. alles außer Hochdeutsch“ siehe den Beitrag von
Werner König in dieser Handreichung.
M12
Mal ehrlich, Sie machen doch auch lieber dort Urlaub, wo Sie freundlich und offen aufgenommen
werden, oder? Und als Fachkraft werden Sie bei gleichen Aufstiegs- und Verdienstchancen wohl eher
in eine Region gehen, wo eine hohe Lebensqualität herrscht und sympathische Menschen leben.
Neben harten Wirtschaftsdaten spielen heutzutage vor allem die sog. „weichen“ Faktoren eine immer
entscheidendere Rolle im Wettbewerb um Touristen, Investoren, Fachkräfte und Führungspersonal. Des-
wegen setzt unsere Kampagne ganz gezielt auf das emotionale Moment. „Erfolgreich, weil menschlich“
lautet denn auch die Kernbotschaft. Transportiert wird diese Aussage über den selbstironischen Slogan
„Wir können alles. Außer Hochdeutsch“, der binnen kürzester Zeit auch über unsere Landesgrenzen
hinaus zum geflügelten Wort wurde.
Einen Schritt voraus sind wir den anderen auch mit unserer Art zu werben: Baden-Württemberg ist
das erste Land, das hauptsächlich im Fernsehen wirbt. Mit 80 % unseres Media-Etats schalten wir Werbe-
Spots, die zur besten Sendezeit laufen: immer im Umfeld der großen Nachrichtensendungen in ARD, ZDF,
n-tv und einigen Regionalsendern. Außerdem zeigen wir die Filme in Programmkinos und auf Großbild-
leinwänden in Flughäfen und Bahnhöfen. In den 40-sekündigen Spots werben erfolgreiche Baden-Würt-
temberger für ihr Land. Sie haben alle auf ihrem Gebiet Höchstleistungen erbracht. Bei allem Fleiß und
Erfolg sind sie jedoch sympathisch und menschlich geblieben.
Flankiert werden die Spots von Anzeigen in Tageszeitungen und Zeitschriften, aber auch großen Events.
Weitere Werbeaktivitäten richten sich direkt an die Zielgruppe der in- und ausländischen Investitionsent-
scheider. Ein eigens entwickeltes „Investoren-Paket“ wird direkt an Entscheider, Multiplikatoren und
potenzielle Investoren verschickt. Akzente setzen wir auch in der Verkehrsmittelwerbung: als erstes Land
wirbt Baden-Württemberg auf Loks der Deutschen Bahn. „Nett hier. Aber waren Sie schon mal in Baden-
Württemberg“ prangt es auf den bundesweit und im benachbarten Ausland verkehrenden Zügen. Seit
kurzem ist dieser Slogan ebenfalls in Berlin präsent. Großformatig wirbt Baden-Württemberg auf den
„Touristen-Buslinien“ der Hauptstadt.
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Dialekte in Bayern Dialekt im Unterricht – Basiswissen, Anregungen und Modelle
Fränkisch
M13
„Wir können alles, außer Hochdeutsch‘‘: Mit diesem Spruch versucht Baden-Württemberg
sein Image aufzubessern. Jetzt startet die zweite Staffel der Werbespots. Über Humor im
Südwesten sprach Sonntag Aktuell mit Sebastian Turner, Geschäftfsührer der Berliner
Werbeagentur Scholz & Friends und Vater der Kampagne.
Sonntag Aktuell: Herr Turner, Ihre Kampagne hat das Schwäbische salonfähig, ja schick
gemacht. Wie reagiert man bei Scholz & Friends in Berlin, wenn ein Mitarbeiter kommt, „der
wo‘‘ plötzlich Schwäbisch schwätzt?
Turner: Das hören Sie hier überall, wir haben mehr Schwaben als Berliner an Bord.
Turner: Da zeigt sich, dass Baden-Württemberg ein sehr gutes Bildungssystem hat. Und
mobil sind sie auch.
Sonntag Aktuell: Macht sich der Schwabe in Berlin oder Hamburg mit seinem Dialekt
nicht dennoch lächerlich?
Turner: Das hängt davon ab, was er sagt. Aber manche fühlen sich unwohl. Das liegt
daran, dass die Menschen im Südwesten eher Selbstzweifel haben. Wenn der Bayer vom
Norddeutschen nicht verstanden wird, ist das ein Problem des Norddeutschen. Der Schwabe
sucht die Schuld bei sich selbst.
Turner: Das war meine erste Fremdsprache. Ich hab’ sie gelernt, als ich mit vier Jahren
nach Stuttgart kam. Ich bin mit dem Gzälzhäfele scho d Kellerstaffle raghaglt.
Sonntag Aktuell: Dank Ihnen weiß die Welt jetzt, dass die Baden-Württemberger doch
Humor haben.
Turner: Dass sie über sich selbst lachen können, das hätte man ihnen nicht zugetraut.
Sie haben halt Qualitätshumor. Draußen stehen sie bisher aber im Ruf, eher die Karnevalsver-
weigerer zu sein. Zu allem Überfluss sind sie auch noch erfolgreich. Das schafft mächtig Neid.
Erinnern Sie sich: Wenn der größte Streber mal eine Vier bekam, freute sich die ganze Klasse.
Und bisher haben sich alle gefreut, wenn das Musterländle mal weniger Autos verkauft hat.
Da hatte jeder gesagt: Die brauchen das, sonst werden sie übermütig. Und jetzt sieht man die
Schwaben plötzlich mit einem Schuss Selbstironie. Das schafft Sympathien.
Sonntag Aktuell: Allen Aussagen zufolge ist die Kampagne ein Erfolg. Wie messen
Sie den?
Turner: Normalerweise stellt sich Werbeerfolg erst innerhalb von Jahren ein. Im Fall
der Imagekampagne sehen wir aber schon nach einem Jahr Ergebnisse. Das ist wirklich
außergewöhnlich.
177
Dialekt im Unterricht – Basiswissen, Anregungen und Modelle Dialekte in Bayern
Fränkisch
Turner: In einer repräsentativen Umfrage hat sich gezeigt: Es ist die bekannteste
Werbekampagne aller Länder. Und noch besser: 80 Prozent der Baden-Württemberger finden
die Spots gut. Was uns noch mehr erfreut: In den anderen Bundesländern ist die Akzeptanz
noch höher.
Turner: Die Kampagne wurde in den USA sogar prämiert. Die Amerikaner halten ja
alle Deutschen für bieder, ordentlich und tüchtig. Den Humorvorwurf machen sie uns allen
nicht. Dank unserer Kampagne erkennen die Amis plötzlich, dass unter den Deutschen die
Baden-Württemberger die freundlichsten sind. Ist ja auch die Wahrheit.
Sonntag Aktuell: Dass Ministerpräsident Teufel kein Hochdeutsch kann, stellt er immer
wieder unter Beweis. Hat die Kampagne der CDU bei ihrem Wahlsieg geholfen?
Turner: Teufel beherrscht Hochdeutsch sehr gut passiv. Und als er die Kampagne zum
ersten Mal sah, hat er schallend gelacht. Eine politische Note hat die Kampagne nicht. Dann
wäre sie gescheitert, weil das Publikum so was erkennt und ablehnt. Die Spots hätten auch
unter einer SPD-Regierung laufen können. Einer der größten Fans ist übrigens ein Berater
von Schröder. Es gibt sogar grüne MdLs, die mit einem Anstecker der Kampagne auftreten.
Turner: Klar, wenn die Baden-Württemberger etwas machen, machen sie es richtig.
Das ist ihre Mentalität. Werbung ist nur langfristig sinnvoll. Deshalb geht es weiter.
Sonntag Aktuell: Haben Sie das Reservoir an schwäbischen Originalen langsam ausge-
schöpft oder reicht es noch für ein paar Staffeln?
Turner: Bei zehn Millionen Bürgern und vielen Geburten habe ich keine Bedenken. Wir
können ja die kleinsten Baden-Württemberger nehmen, die kommen hier ja praktischerweise
schon ohne Hochdeutsch auf die Welt.
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Dialekt im Unterricht – Basiswissen, Anregungen und Modelle Dialekte in Bayern
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Weiterarbeit Quellennachweis / Literatur
Feldforschung der Schüler im eigenen M15:
Wohnort mit dem Kassettenrekorder: Bach, Engelbert: Vorschlag (Gedicht). In: Ders.
Festlegen von Sätzen/Phrasen/Wörtern, (1992): Kee Wort zuviel. Gedichte und Geschich-
die jeweils gesprochen werden sollen ten in unterfränkischer Mundart. Marktbreit. Verlag
Aufnahmen vor Ort (möglichst verschie- Siegfried Greß, S. 42f.
dene Ortschaften)
Haberkamm, Helmut: Ach Franken (Gedicht). In:
Auswertung: Vergleich mit Film,
Ders. (1996): Frankn lichd nedd am Meer. Gedichte.
Unterschiede in einzelnen Ortschaften? Cadolzburg. ars vivendi, S. 83.
Persönliche Einstellung zum Dialekt
( vgl. Fränkisch 4 ) Krischker, Gerhard C.: wänni (Gedicht). In: Ders.
(1994): fai obbochd. Gesammelte Dialektgedichte.
Auswertung
Bamberg. Bayerische Verlagsanstalt, S. 29.
M15
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M15
Engelbert Bach
Vorschlag
Im Summer
auf niet zu großm Fueß
dorch Weifrankn.
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M16
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Vertiefung Quellennachweis / Literatur
Analyse eines Ausschnitts aus einem
M17: Hauptmann, Gerhart (1963): Der Biberpelz.
Theaterstück in fränkischer Mundart: Husum (= 186. Hamburger Leseheft), S. 39.
„Schweig Bub!“ von Fitzgerald Kusz (M18)
M18: Kusz, Fitzgerald (1997): Schweig Bub! Volks-
Charakterisierung der Personen, Be- stück. Letzter Wille: Ein Leichenschmaus in fünf
schreibung des Milieus, Vergleich mit
Akten. Frankfurt. Verlag der Autoren, S. 8-13.
eigenen Entwürfen
Vergleich mit Drama des Naturalismus:
Rolle der Mundart (kennzeichnend für Milieu,
realistische Alltagssprache)
evtl. Ausschnitt aus DVD „Dialekte in Bayern“
Folge 10 mit F. Kusz
Weiterarbeit
Verfassen von eigenständigen „Kurzdramen“
in fränkischer Mundart
FRAU WOLFF. Guten Morgen, Herr Doktor, besuchen Sie uns ooch wieder amal?
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Fränkisch
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Auszug aus F. Kusz „Schweig Bub!“
PERSONEN GERDA Die Leut sind selber schuld, wenn sie sich
FRITZ, der Konfirmand alles gefallen lassen. Manche Lokale haben sogar
GRETL, seine Mutter ein Beschwerdebuch.
HANS, sein Vater TANTE Jetzt weißi wieder, wo‘s war.
ONKEL WILLI ONKEL Was?
TANTE ANNA TANTE Na, wo ma die Leberkniedlasuppen gessen
GERDA, eine Bekannte ham. Mir sind doch vor acht Tag im „Roten
MANFRED, ihr Mann Ochsen“ gwesen. Pause. Aber so wie die
HANNELORE, eine Kusine (HANNA) selbergmachte, Gretl, hat die ned gschmeckt.
Pause. Es geht halt nix über a selbergmachte
BÜHNENBILD Leberkniedlasuppen. In am Wirtshaus sollt ma
Ein Wohnzimmer aus dem Milieu der »kleinen sowas gar nimmer essen, da hauns Maggiwürfel
Leute«. Im Hintergrund ein Blumenfenster, davor rein. Pause. Des möchti ned wissen, was da
eine Anrichte und ein davor aufgestelltes Tischchen. alles drin is. Pause. Wemma amal in so a Küchen
Auf dem Fensterbrett, der Anrichte und dem Tisch- von so am Wirtshaus reinschaun tät, tät ma
chen türmen sich die Blumenstöcke und Geschenke, bestimmt kein Bissen mehr runterbringen!
die Fritz erhalten hat. Einige größere Blumenstöcke ONKEL Jetzt hörst amal mit deiner Leberkniedla-
stehen auf dem Fußboden. In der Mitte der Bühne suppen auf!
ein Ausziehtisch, an dem neun bis zehn Personen MUTTER Schmeckts euch wenigstens? Pause.
Platz haben. Es ist insgesamt für neun Personen Wenn nix gsagt, is gut. Pause. Da is fei noch
gedeckt. Fritz sitzt in der Mitte. Der Platz an der mehr Suppen, die muß weg. Die Kniedla
linken Stirnseite ist für den Pfarrer gedeckt, der kanni ned aufheben.
noch nicht erschienen ist. GERDA Um Gotteswillen, normalerweis eß ich bloß
Die Wände sind mit großmustrigen Tapeten die Hälft!
tapeziert. Die Gäste sitzen vor vollen Suppentellern. MUTTER Heut is ja auch meim Fritzla sei Konfirma-
Etwa eine Minute lang ist nichts zu hören außer tion, die hat er bloß amal in seim Leben. Heut
den Essgeräuschen. kannst scho amal reinleuchten!
GERDA Aber wenn ich morgen wieder auf die
Waage kletter! Du mußt mir mal aufschreiben,
ERSTER AKT was du alles reintust!
TANTE A Muskatnuß und a Peterla muß drin sein.
TANTE Du, wo hamma letzthin so a Leberkniedla- MUTTER Aufschreiben kanni des ned, des sagi dir
suppen gessen? halt. Pause. So. tut amal eure Teller her, wenn
ONKEL Da weiß ich nix davon. ihr noch a Suppen wollt, gleich is weg. Pause.
TANTE Dich kamma gar nix fragen. Da, geh her, Bub, mei Konfirmandla, daßd ma
ONKEL Was fragstn dann? fei noch an Teller Suppen essen tust, wo sich dei
TANTE Des is nämlich gar ned so lang her, dass ma Mutter so a Plag gmacht hat!
a Leberkniedlasupppen gessen ham. Ich glaub, TANTE Die Kniedla müssen halt an Gschmack ham,
des war vor vierzehn Tag, wie ma unsern Ausflug wenn die kein Gschmack ned ham ...
mitm Gsangverein gmacht ham. GERDA unterbricht Also weißt, normalerweis essen
ONKEL Red doch ned, da hats doch gar ka Leber- wir sowas das ganze Jahr nicht!
kniedlasuppen ned geben, bloß so a Kartoffel- TANTE Ich eß immer, was ma schmeckt.
suppen mit nix drin. Das weißi noch ganz genau. ONKEL Des sieht ma. Des brauchst ned extra sagen!
TANTE Ja, du hast recht. Jetzt weiß i‘s auch wieder: GERDA Weißt. Mein Mann und ich, wir müssen auf
des war des blanke Wasser. unsre schlanke Linie aufpassen.
ONKEL Sonst kanni ma nix merken, aber wenn mich TANTE Du wirst doch ned sagen, daß du dick bist
was ärgert, merk i ma‘s schon. Pause. Weil sich Pause. Du könntst sogar noch a paar Pfündla
keiner mehr was sagen traut, werden die Wirt vertragen. Pause. Was sollen da mir sagen, die
immer unverschämter. Gretl und ich?
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Dialekt im Unterricht – Basiswissen, Anregungen und Modelle Dialekte in Bayern
Fränkisch
ONKEL Am besten gar nix. TANTE Schau mich an! Ich fühl mich auch wohl.
TANTE Na du, du hast es einfach. Du kannst fressen Ich hab nix am Herz. Mei Kreuzweh kommt
und saufen, wast willst und bleibst trotzdem a sowieso ned davon und Kopfweh kriegi bloß,
zaundürrer Frecker! wenni amal ned zum essen komm. Pause.
ONKEL Des is bloß der Neid der Besitzlosen! Wenni denk, wie andre Weiber in meim Alter
GERDA Normalerweis trag ich Größe vierzig, beinander sind! Pause. Ich kann noch Bäum
aber seit einem Jahr paßt mir kein Kleid nicht, ausreißen, aber mit nix im Magen könnti ned
deswegen muß ich Größe zweiundvierzig amal a Blättla Papier ausnanderreißen!
kaufen. Pause. Zugenommen ist schneller GERDA Schau, die Filmschauspielerinnen dürfen
als wie abgenommen. ja auch nichts essen und denen gehts auch
MUTTER Aber heut brauchst ned abnehmen. Was nicht schlecht!
aufm Tisch kommt, wird gessen! Pause. Sonst TANTE Was arbeiten die schon? A bißla rumstehn
hätt ma ja auch in a Wirtshaus gehn können, und blöd schaun.
dann hätt sich jeder soviel bestellen können, ONKEL Aber wenns im Schulmädlasreport mit-
wie er will! spielen, müssens schon was tun.
TANTE Zweiundvierzig paßt mir schon seitm Krieg MUTTER Willi, heut is Konfirmation!
nimmer! Von dera Abnehmerei halt ich nix! Ich ONKEL Der Pfarrer hat bestimmt dena Konfirman-
könnt nix arbeiten mit nix im Magen! den im Konfirmandenunterricht gsagt, daß
MUTTER Ich auch ned. Pause. Gerda, hilfst ma zweierlei Menschen gibt.
amal, jetzt tun ma schnell die Kniedla rein, den VATER Des is auch nix, wenn die Weiber zu dürr
Salat und den Braten. sind. Auf jeds Pfund kommts an.
TANTE Ich stell schnell amal die Teller zam, daß MUTTER Hört auf! Des is ka Unterhaltung ned an
schneller geht. Hopp, Willi, tu dein Teller her! einer Konfirmation! Daß ihr euch ned schämt! –
ONKEL Da is fei noch was drin.
TANTE Hättst di halt a bißla gschickt. Pause. Längere Pause.
So, da is ja Zeit worden. Wie man ißt, so
arbeitet man. GERDA Wenn man täglich Gewichtskontrolle macht,
ONKEL Des mußt grad du sagen. kann man auch mal sündigen.
ONKEL Essen is ka Sünd. A Sünd is, wemma a
Mutter trägt die Teller in die Küche, Gerda folgt ihr. Essen wegwirft. Pause. Wennst so siehst, was
die Leut alles wegwerfen, denkst dir manchmal:
TANTE Ich muß was im Magen ham. Wenni nix eß, die werden blöd schaun, wenn amal andre
kriegi bloß Kopfweh! Zeiten kommen.
VATER Wie sagt ma? Essen und trinken, tät fei des TANTE Mir ham andre Zeiten mitgmacht. Mir
Trinken ned vergessen. Also prost, trink ma mal! wissen, was des is, wemma nix zum beißen hat.
ALLE Prost! Wohlsein! FRITZ In der Schul werfen fei a Haufen Kinder ihr
Pausebrot weg.
Mutter und Gerda kommen mit diversen Platten MUTTER Wenn der Vogel frißt, pfeift er ned! Halt
aus der Küche zurück. dei Maul und eß gscheit. Pause. Tu fei fest essen!
Des is heut dei Ehrentag.
MUTTER Kaum simma draußen, fangen die Manns- FRITZ Ich kann nimmer.
bilder es Saufen an! MUTTER Du wirst doch noch a Kniedla zwingen.
VATER Du brauchst ja ka Bier ned hertun, wemmas Pause. Da hast noch eins!
ned trinken darf! VATER Wie i so alt war wie du, habi gut und
MUTTER Des war doch bloß a Spaß. Ich gönns gern meine fünf Stück gschafft!
euch ja. Da habt ihr Kniedla. Solli euch gleich FRITZ Aber du hast doch amal gsagt –
zwei geben? MUTTER Schweig!
GERDA Mir bitte nicht! FRITZ Ihr habt die Kniedla ohne Fleisch
TANTE Zwei werden mir heut ned langen! gessen, weils ka Fleisch ned geben hat.
GERDA Weil wir grad über das Abnehmen MUTTER Schweigen sollst!
gesprochen haben, ich finde, man fühlt sich FRITZ Ohne Fleisch täti auch soviel
doch bedeutend wohler, wenn man kein Kniedla schaffen!
Übergewicht hat. MUTTER Schweig, Bub, sonst wird dei Essen kalt!
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Fränkisch
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Dialekt im Unterricht – Basiswissen, Anregungen und Modelle Dialekte in Bayern
Fränkisch
Quellennachweis / Literatur
M19a/b: Schmitt, Hans-Jürgen (Hrsg.) (1978): M21: Übertragung Schülerarbeit, Gymnasium
Romantik II. Stuttgart. reclam, S. 246 f. Marktbreit.
M20: Haberkamm, Helmut (1997):
Frankn lichd nedd am Meer. Gedichte. Cadolzburg.
ars vivendi, S. 63.
M19a
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Fränkisch
M19b M20
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Fränkisch
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Schwäbisch
Schwäbisch
Basiswissen
Das Schwäbische – ein Phantom? östlich des Lechs. Daher soll sich die Beschrei-
bung dessen, was als Schwäbisch bezeichnet
Vorab: Kann man Schwäbisch wird, hier ausdrücklich auf die Nennung von
schreiben? markanten Merkmalen beschränken.
Schwäbisch in historischen und
regionalen Bezügen
Der schwäbisch-alemannische
Mundartraum innerhalb der
deutschen Dialektgeographie
Linguistische Eigenheiten des
Schwäbischen
Gibt es eigentlich einen Allgäuer
Dialekt?
Bibliographie
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Dialekt im Unterricht – Basiswissen, Anregungen und Modelle Dialekte in Bayern
Schwäbisch
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Dialekte in Bayern Dialekt im Unterricht – Basiswissen, Anregungen und Modelle
Schwäbisch
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Dialekt im Unterricht – Basiswissen, Anregungen und Modelle Dialekte in Bayern
Schwäbisch
oberdeutsche Dialekte auch häufig auf das in etwa ‚unverhältnismäßiger Aufwand‘ be-
Perfekt als Vergangenheitsform (Des hau i deutet, oder hofale, das für ‚langsam‘ mit
vornächt dau für ‚Das tat ich vorgestern‘) und der Nebenbedeutung ‚vorsichtig‘ verwendet
bildet das Futur mit der entsprechenden Prä- wird), gibt es Wörter, die zwar in Standard-
sensform samt Temporaladverb (Des dua i sprache wie im Schwäbischen existieren,
moara für ‚Das werde ich morgen machen‘). aber jeweils gänzlich andere Bedeutungen
haben. So hat der schwäbische Flecke nichts
Die Konjugationstabelle für das Hilfsverb mit dem standarddeutschen ‚Fleck‘ zu tun,
‚sein‘ schaut also wie folgt aus, wenngleich sondern bedeutet ‚Ortschaft‘. Fiass sind nicht
derartige Tabellen nie auf das gesamte nur die ‚Füße‘, sondern auch die ‚Beine‘, d
Schwäbische zutreffen können (so gibt es Boiner hingegen entsprechen den standard-
als Partizip Perfekt (od. II) von ‚sein‘ allein sprachlichen ‚Knochen‘. Peter Mangold hat
im Ostschwäbischen auch verbreitet gwees, eine ganze Revue sog. false friends zusam-
gweese, gwesd, gwäache.) mengestellt:
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Dialekte in Bayern Dialekt im Unterricht – Basiswissen, Anregungen und Modelle
Schwäbisch
mer‘. In den umliegenden Dialektregionen ist Dialektproben mit Kommentaren und einer
stattdessen die Form alleweil in Gebrauch. Einführung in die Verbreitung und Verwendung
Auch die Verbreitung des Verbs sotzge bzw. des Dialekts in Bayern. München.
sootzge für ‚Gurgeln in nassen Schuhen‘ König, Werner (Hrsg.) (1996ff.): Sprachatlas zu
scheint eine Allgäuer Besonderheit zu sein. Bayerisch-Schwaben (SBS). Heidelberg.
Das Nämliche gilt für die maskuline Substan-
König, Werner / Renn, Manfred (2. Aufl. 2007):
tivendung -ar, etwa in Måålar für ‚Maler‘,
Kleiner Sprachatlas von Bayerisch-Schwaben.
oder für die feminine Plural-Endung auf ein
Augsburg.
volltoniges -a (Gabla, Kista). Andere allgäu-
isch anmutende lexikalische Eigenheiten wie König, Werner (17. Aufl. 2011):
die lateinischen Lehnwörter Feel (von lat. filia dtv-Atlas Deutsche Sprache. München.
= Tochter ) für ‚Mädchen‘ oder Schumpe (von König, Werner (Hrsg.) (2. Aufl. 2014): Dialektwör-
lat. iumentum = Zugvieh) für ‚Jungvieh‘ rei- terbuch von Bayerisch-Schwaben. Augsburg.
chen bis weit nach Mittelschwaben (Richtung
Pörnbacher, Hans (2002): Schwäbische Literatur-
Ulm) oder in die Stauden (Richtung Augs- geschichte. Weißenhorn.
burg) hinein. Insgesamt sind also die sprach-
lichen Spezifika der – übrigens auch geogra- Renn, Manfred (1994): Die Mundart im Raum
Augsburg. Untersuchungen zum Dialekt und zum
phisch recht unscharfen – Landschaft Allgäu
Dialektwandel im Spannungsfeld großstädtisch-
aber doch zu spärlich, um von einem einheit-
ländlicher und alemannisch-bairischer Gegensätze.
lichen Allgäuer Dialekt reden zu können.
Heidelberg.
Brenner, Dorothea u. a. (2003): Renaissance des Zwerch, Sepp (2008): Allgäuerisch von A bis Z.
Dialekts? Tübingen. Dialekt-Wörter, gebräuchliche Begriffe und Redens-
arten. Kempten.
Fassl, Peter / Berndt, Hermann u. a. (Hrsg.) (1996):
Keine laute Provinz. Zeitgenössische Lyriker und Mein Dank gilt Prof. Dr. Werner König und
Erzähler aus dem Schwäbischen. Weißenhorn. Dr. Manfred Renn (beide Universität Augsburg)
für ihre wertvollen Informationen sowie Herrn
Greiter, Thomas J. (1998): Allgäuer Mundart.
StD Josef Langer (Simpert-Kraemer-Gymnasium,
Lingua Allgovia mit Allgäuer Wortschatz. Kempten.
Krumbach) für seine unersetzlichen didaktischen
König, Werner / Rein, Kurt / Wagner, Eberhard / Anregungen.
Zehetner, Ludwig (1991): Bayerns Mundarten.
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Dialekt im Unterricht – Basiswissen, Anregungen und Modelle Dialekte in Bayern
Schwäbisch
3 Sekundarstufe I: Buchempfehlung
Fächerübergreifendes Unterrichtsprojekt:
Berblinger – Der Ikarus von Ulm
Ausgangstexte sind u. a. „Der Schneider
von Ulm“ (Leo Weismantel / Bertolt Brecht),
„Bericht des Christian Wachter über den
Flugversuch“ und „Dr Berblinger“ (Song von
Hubert Endhardt). Die Schüler konzipieren
ein Schattenspiel mit Musik / Gesang und ein-
führenden Texten.
4 Sekundarstufe I / II:
Schüler als Sprachforscher
Schüler befragen Passanten mit Fragebogen
zum Ansehen des Schwäbischen.
Schwäbisches Kinderliederbüchle
5 Sekundarstufe I / II: Held, Dagmar / Wager, Wulf
Duett in schwäbischer Mundart Silberburg-Verlag, Tübingen 2004
Das Duett des Marchtaler Prämonstratenser-
paters Sebastian Sailer (1714–1777) „Kantate ISBN 3-87407-635-0
auf die Aderlässe“ wird in einen modernen EUR 11,90
Sprechgesang (Rap) übertragen.
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Dialekte in Bayern Dialekt im Unterricht – Basiswissen, Anregungen und Modelle
Schwäbisch
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Dialekt im Unterricht – Basiswissen, Anregungen und Modelle Dialekte in Bayern
Schwäbisch
Durchdringung Weiterarbeit
Unterrichtsgang: Brauchtumsgemäß ziehen Beschäftigung mit regionalen Weihnachts-
die Schüler am Abend des Klopferstags mit bräuchen
ihrem selbst gebastelten Hämmerchen von
Haus zu Haus und erbitten mit dem Aufsagen
ihres Sprüchleins eine kleine Gabe.
Hinweis: Es ist sicher sinnvoll, die Bewohner Quellennachweis / Literatur
der Häuser an der geplanten Route über den M1: Sallinger, Barbara u. a. (Hrsg.) (1993): Krum-
Besuch und das Ansinnen vorher gegebenen- bach. Vorderösterreichischer Markt / Bayerisch-
falls schriftlich zu informieren. Schwäbische Stadt. Bd. II: Krumbach im Zwanzigsten
Jahrhundert (1918-1992/93). Krumbach, S. 283.
Ausklang M2: Held, Dagmar / Wager, Wulf (Bearb.) (2004):
Nach der Rückkehr an die Schule werden Schwäbisches Kinderliederbüchle. Kinderlieder,
die gesammelten Gaben gemeinschaftlich Spieltänze, Kniereiter- und Abzählverse. Tübingen,
bei Kinderpunsch verspeist. S. 28f.
M2
»Klopfersprüche«
An den Donnerstagen vor Weihnachten ziehen die Kinder mit kleinen Sprüchle von Haus zu Haus, um süße
Leckereien zu erheischen. Nicht nur in Bayerisch-Schwaben, sondern auch in Hohenlohe ist das heute noch Brauch.
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Dialekte in Bayern Dialekt im Unterricht – Basiswissen, Anregungen und Modelle
Schwäbisch
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Dialekt im Unterricht – Basiswissen, Anregungen und Modelle Dialekte in Bayern
Schwäbisch
Weiterarbeit Quellennachweis / Literatur
Selbstständiges Verfassen einer Parallelszene M3: Langer, Josef: „Do you speak Schwäbisch?“
zu einem Mundartbegriff Schwäbischer Sprachtest zum fächerübergreifen-
Evtl. Aufführung der selbstverfassten Szene den Jahresprojekt „Schwäbisch In“ des Simpert-
beim „Bunten Abend“ Kraemer-Gymnasiums, Krumbach.
Besuch einer Aufführung eines Mundart- M4: Der Schwabenspiegel. Jahrbuch für Literatur,
stücks auf einer Bühne der Region
Sprache und Spiel. Hg. v. Archiv für Literatur aus
Schwaben. Augsburg 2000ff. Heft 1, S. 59-63.
M3
Bitte ankreuzen!
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Dialekte in Bayern Dialekt im Unterricht – Basiswissen, Anregungen und Modelle
Schwäbisch
Bitte »übersetzen«!
»haina« »Dootle«
»hudla« »Baule«
»trätza« »Dribbl«
»nächtig« »Bilmes«
»zannig« »Verhau«
»ibersche« »Hagamoisa«
M4
Der Doosoahrig
Ausschnitt aus einem Bauernstück von Arthur M. Miller
Der „Doosoahrig“ ist der betagte Bauer Benedikt Seltmann, der sich dazu entschlossen hat, den Schwer-
hörigen zu spielen, um sich in der Hausgemeinschaft, zu der neben seiner Tochter Rosina noch die Haus-
hälterin Emmerenz und der Knecht Lorenz Brutscher zählen, etwas aus der Verantwortung zurückziehen
zu können. Als Emmerenz jedoch den Verdacht schöpft, dass mit der „Doosoahrigkeit“ etwas nicht
stimmt, sieht der Bauer sich veranlasst, Emmerenz in ein „Geheimnis“ einzuweihen:
Bauer: Hoi – d’Uhr isch stande blibe und haut doch grad no g’schnaklet! (zieht am Kästchen
die Schublade auf und nimmt seine Taschenuhr heraus). Tatsächlich, in deare Minut!
(Geht hin und öffnet die Schutzscheibe, um die Uhr aufzuziehen)
Emmerenz (noch mehr verblüfft): Bauer – !
Bauer (fährt herum): Was stauhsch denn du no dau?
Emmerenz: Diar hant dös Schnackle von der Uhr gheart – Diar hant g’merkt dass sa’s Schnackle
aufg’heart haut – ?
Bauer: Was hauni, du Lueder, du fiegnäschs! (nach einer Pause, während welcher er sie dann
auffallend sanft ansieht) ... Komm hear, Emmerenz. – Komm hear!
Emmerenz (kommt unsicher näher): Ja, Bauer – –
Bauer: Nimm dös it krumm, dass i di a Lueder g’haiße hau’. Luedere sind d’Weisbilder so und so,
so haut se eiser Herrgott verschaffe, und dear weard g’wisst hau warum. – Du bischt
zwanzg Jauhr aufm Hof, und seit d’Muetter g’storbe ischt, hauscht du’s ganz Sach verhebbt –
203
Dialekt im Unterricht – Basiswissen, Anregungen und Modelle Dialekte in Bayern
Schwäbisch
Als schließlich auch Rosina von dem „atomaren Hörapparat“ erfährt, glaubt sie, ihren Vater nun zur
Einwilligung zu ihrer Hochzeit mit dem Grundstücksmakler Egon Fuchs bewegen zu können, der sie mit
schönen Worten umwirbt und verspricht, den Bauernhof in eine gewinnbringende Fremdenverkehrsein-
richtung umzuwandeln, sobald der Bauer ihm die Hofübergabe vertraglich zusichert.
Doch der „Doosoahrig“ ist raffiniert genug, den durch den Hochstapler drohenden Schaden vom Hof
abzuwenden. In einem eigenen Vertragsentwurf spricht er Hof und Tochter – wie seit Langem beabsichtigt –
seinem Knecht Lorenz zu. Der bereits als Betrüger bekannte Makler jedoch wird von der Polizei gefasst.
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Dialekte in Bayern Dialekt im Unterricht – Basiswissen, Anregungen und Modelle
Schwäbisch
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Dialekt im Unterricht – Basiswissen, Anregungen und Modelle Dialekte in Bayern
Schwäbisch
1. Versuche dir aus der Erzählung von Weis- Vorbereitung des Schattenspiels mit Musik
mantel den Hergang des Ereignisses zu ver- und einführendem Text:
deutlichen! – An welcher Stelle wird von dem Vorspielen des Mundartliedes
Flugversuch erzählt, wie wird er vorbereitet, „Dr Berblinger“von Hubert Endhardt
und was folgt darauf? – Welche Rolle spielt Was habt ihr verstanden? Wie beurteilt
das „Gerede“? – Wie wird in diesem Ab- ihr die Bearbeitung des Themas auf diese
schnitt erzählt? Weise? Ist Mundart hier angebracht?
206
Dialekte in Bayern Dialekt im Unterricht – Basiswissen, Anregungen und Modelle
Schwäbisch
ISBN 978-3-89639-595-5
EUR 14,80
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Dialekt im Unterricht – Basiswissen, Anregungen und Modelle Dialekte in Bayern
Schwäbisch
M5
DEN ZWEITEN TAG, an dem Donnerstag, den 30. Mai, nachmittags, will sich der
König ein Vergnügen machen, weil sich ein Bürger von hier, namens Berblinger, ein
Schneider seiner Profession, schon eine geraume Zeit zuvor beschäftigt hat, eine
Fliegmaschine zu verfertigen, um auf eine Ankunft des Königs gänzlich parat zu
sein, welches auch geschehen ist.
Er bekommt von dem König die Erlaubnis, seine Kunst zu vollbringen, allein es
mißlung ihm, wie mehrere tausend Zuschauer da waren, und man glaubte gänzlich,
die Minute werde er fliegen, so brach ihm ein Flügel entzwei, musste seine Kunst
also plötzlich zurücklassen und seinen zerbrochenen Flügel wieder reparieren.
Bis auf den folgenden Tag ist er fertig geworden. Am Freitag, den 31. Mai, unter der
Mittagzeit reiten er und zwei Trompeter in der Stadt umher, und der Künstler ruft es
selber aus, bis abend vier Uhr wolle er seine Probe mit der Flugmaschine ablegen,
und er mußte es tun, aufs Königs Befehl, also wie es 3/4 auf 5 Uhr gewesen ist, so
wurde er von dem Herzog Heinrich von Wiblingen rauh angesprochen, seine Kunst
in Bälde zu vollziehen. Er hat sich ein hölzernes Gestell gemacht, 24 Schuh hoch.
Wie man geglaubt hat, es gehe wirklich an das Fliegen, so machte er einen Sprung
in die Donau, das ist die ganze Kunst des Schneiders gewesen, denn die Schiffs-
mannschaft sind schon mit ihren Schiffen paratschaft gestanden, die haben ihn
herausgezogen.
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Dialekte in Bayern Dialekt im Unterricht – Basiswissen, Anregungen und Modelle
Schwäbisch
Verwende folgendes Material über Albrecht Ludwig Berblinger (1770-1829) und verfasse
einen Bericht. Stelle dir dabei vor, du wärst Reporter und schriebest in der damaligen Zeit
einen Bericht für die Zeitung im Lead-Stil.
Ein Reporter des Ulmer Stadtanzeigers führt am 23.05.1811 mit Berblinger ein Interview.
Daraus folgende Ausschnitte:
R: Herr Berblinger, wie sind Sie auf den Gedanken mit dem Fliegen
gekommen?
B: Tja, eigentlich habe ich schon seit meiner frühesten Kindheit den
Flug von Vögeln bewundert. Irgendwann wurde mir klar, dass der
Mensch auch das Fliegen erlernen kann. Die anfänglichen Zeich-
nungen und Pläne dazu sind dann im Sommer 1809 entstanden,
und ein Jahr später habe ich meine erste Flugmaschine konstruiert.
R: Können Sie uns etwas über den Bau Ihrer Flugmaschine verraten?
B: Das Material ist ganz simpel. Ich habe aus geflochtenen Weiden
ein Gerüst gebaut, mit Fischbein verstärkt und alles schließlich
mit Leinen bespannt.
R: Konnten Sie Ihr Fluggerät auch schon einmal testen?
B: Oh ja! Selbstverständlich! Am Michelsberg habe ich die Maschine
bereits einige Male ausprobiert. Allerdings heimlich. Immerhin bin
ich damit schon drei bis fünf Meter weit geflogen.
R: Aber wie wollen Sie es dann über die 40 Meter breite Donau
schaffen? Das ist doch Ihr nächstes Vorhaben, wenn ich richtig
informiert bin?
B: Eigentlich wollte ich darüber nicht sprechen. Naja, sehen Sie, am
Michelsberg war die Absprungstelle nur zwei Meter hoch. Meinen
nächsten Flugversuch werde ich bei der Adlerbastei vornehmen, da
ist das Donauufer etwa 13 Meter hoch. Dazu wollte ich noch einen
sieben Meter hohen Sprungturm aufstellen lassen. So müsste die
Strecke eigentlich zu schaffen sein.
R: Wann dürfen wir denn mit dem Flug rechnen?
B: Ach, ich hätte noch gerne einige Wochen gewartet, aber am Freitag
in einer Woche, am 31., kommt ja der Herzog von Württemberg nach
Ulm, und deshalb hat der Rat der Stadt mich gebeten, meinen Flug
bereits an jenem Tag vorzuführen.
R: Danke, Herr Berblinger, und Hals- und Beinbruch!
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Dialekt im Unterricht – Basiswissen, Anregungen und Modelle Dialekte in Bayern
Schwäbisch
Der große Tag ist da, und der Reporter des Ulmer Stadtanzeigers nimmt an der
Flugvorführung teil. Hier einige seiner Notizen:
Auf dem Weg zur Redaktion muss sich der Reporter einen Weg durch die aufgeregte Menge
bahnen. Dabei schnappt er folgende Gesprächsfetzen auf:
„Es ist doch nur ein verrückter Schneider! – Welch ein Betrug! – Immerhin ist er einige Meter
weit geflogen – Ich will mein Eintrittsgeld zurück! – Was für eine Schande für unsere Stadt! –
Wie ein abgeschossener Vogel ist er ... – Gott sei Dank haben ihn die Fischer ... – Warum die
Flügel nur gebrochen sind? – Diesen Aufschneider sollte man öffentlich verprügeln! –
Schneider, bleib bei deinem Handwerk! – Lass dich nicht wieder in unserer Stadt blicken!“
Der Reporter und du stehen nun vor dem Problem, das Wichtigste und Interessanteste für
den Bericht auszuwählen und im Berichtstil zusammenzufassen!
210
Dialekte in Bayern Dialekt im Unterricht – Basiswissen, Anregungen und Modelle
Schwäbisch
Ulm
Am Freitagnachmittag versuchte der der mit einem eng anliegenden,
42 Jahre alte Schneider Albrecht bunten Zirkustrikot bekleidete Berblin-
Ludwig Berblinger mit seinem selbst ger seine letzten Vorbereitungen auf
gebauten Fluggerüst von der Adler- dem Sprungturm. Er wippte mit
bastei aus über die Donau zu fliegen. seinen angeschnallten Flügeln, tän-
Unter den Augen des Herzogs zelte auf der Stelle und hob elegant
Heinrich von Waiblingen und von ca. von der Rampe ab. Wenige Sekun-
15-20 000 schaulustigen Zuschauern den später mussten die zunächst noch
stürzte er jedoch schon wenige begeisterten Zuschauer jedoch mit-
Sekunden nach dem Absprung in die erleben, wie Berblingers Flügel bra-
Donau. Der von Fischern aus dem chen und dieser deshalb in die Donau
Wasser gezogene Schneider erntete stürzte. Zum Glück konnten Fischer
von vielen Augenzeugen für seinen den Schneider unverletzt aus dem
Flugversuch nur Hohn und Spott. Wasser ziehen.
Schon seit seiner frühen Kindheit an Wie schnell die Begeisterung von
hatte Berblinger den Flug der Vögel sensationsgierigen Zuschauern in
bewundert. Als 40-Jähriger konstru- Hohn und Spott übergehen kann,
ierte er seine erste Flugmaschine aus zeigten die meisten Reaktionen im
geflochtenen Weiden, Fischbein und Publikum: Ein Bedauern über den
Leinen. Damit unternahm er erfolg- missglückten Flugversuch und Mitleid
reiche Flugversuche auf dem Ulmer mit Berblinger waren nur selten zu hö-
Michelsberg, bei denen er von seiner ren. Stattdessen überwogen Stimmen,
zwei Meter hohen Absprungstelle aus die von „Betrug“, „Schande für die
aber nicht über drei bis fünf Meter Stadt“ oder einem „verrückten Schnei-
hinauskam. der“ sprachen.
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Dialekt im Unterricht – Basiswissen, Anregungen und Modelle Dialekte in Bayern
Schwäbisch
M8
„Dr Berblinger“
von Hubert Endhardt
1. Er hat sich draut von was die andre dreimt hand 4. Z’Ulm von dr Adlerbaschtei aus ischr gschtartat,
Und hat sich selbr Fligl gea, Doch d’Fligl hand eahn net vrhebt.
War bloß a Schneidr hat gwieß nia viel golta, Er isch ins Wassr keit, wär fascht vrsoffa.
Doch groaße Dreim sind dau fir gloine Leit. Mit lange Schtanga hands eahn grad no griagt.
Des war dr Berblinger, dr Ikarus von Ulm, Des war dr Berblinger dr Ikarus von Ulm,
Dr Voglmensch vom Schwaubaland, A jedr wär wohl geara mitm gfloga,
Der fascht vrsoffa wär. doch net keit.
2. Wo andre sich nach Mädla d’ Köpf vrdreht hand, 5. Sie hand eahn ausglacht, wiaschte Sacha nauchgschria
Dau hat’r bloß in Himml guckt, Und hoimlich doch a wenga gheilt.
de Vögl nauchgschwärmt Haufa Fedra gsammlat Sie hättat geara gwisst wias Fliaga gau dät,
Und junge Schpatza aus de Neschtr gschuggt. A jedr dreimt von deam, was er net ka.
So war dr Berblinger, dr Ikarus von Ulm, Machs wia dr Berblinger, dr Ikarus von Ulm,
Der hat so fescht ans Fliega glaubt, Wenn d’schwimma kasch, bassiert dr nix,
Dass fascht no ganga wär. brobier dein groaßa Traum.
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Dialekte in Bayern Dialekt im Unterricht – Basiswissen, Anregungen und Modelle
Schwäbisch
M9
Können wir das folgende Projekt gemeinsam so schaffen? Welche Schritte sind notwendig?
Was ließe sich verbessern? Besetzung?
Einführender Text:
Dazu 2 Folien, z. B. Chagalls „Der Sturz des Ikarus“ und „Der Traum des Schneiders von Ulm“,
mit Overhead-Projektor auf Leinwand projiziert
Bedienung des Overhead-Projektors (OHP)/Beamers vor und während des Schattenspiels:
Schüler 1 / Schüler Z (= Zweitbesetzung für Fall der Erkrankung!)
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Dialekt im Unterricht – Basiswissen, Anregungen und Modelle Dialekte in Bayern
Schwäbisch
Schattenspiel:
Berblinger im Schattenspiel Schüler 10/Z, beim Flugversuch aber eine gestaltete Puppe
Lied von Hubert Endhardt, vorbereitet vom Schattenspiel (zeitlich parallel zu Gesang und
Musiklehrer (mit Instrumentalbegleitung) Begleitung), vorbereitet von Deutsch-, Kunst- und
Folgender Text nur leicht verändert Physiklehrer, weiteren Helfern
1. Sologesang (Schüler 11/ Z ): Overhead-Projektor / Beamer hinter der
Er hat sich draut, von was die andre dreimt hand, Leinwand an! Umriss des Ulmer Münsters und
und hat sich selbr Fligl gea. Donau im Schatten zu sehen („standfestes Münster
War bloß a Schneidr, hat gwieß nia viel golta; im Kunstunterricht gestaltet, Flügel, Leinwand und
Fluss mit helfenden Schülern erstellt)
doch groaße Dreim sind dau fir gloine Leit.
Berblinger mit zwei farbigen Flügeln, die er bewegt.
(Träume evtl. durch Seifenblasen darstellbar)
Refrain (Instrumentalbegleitung und Chor):
So war dr Berblinger, dr Ikarus von Ulm, dr
Voglmensch vom Schwaubaland, der fascht
vrsoffa wär.
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Dialekte in Bayern Dialekt im Unterricht – Basiswissen, Anregungen und Modelle
Schwäbisch
OHP / Beamer aus!
4. Sologesang: OHP an!
Z’Ulm von dr Adlerbaschtei aus ischr gschtartat, Gebastelte Puppe (mit gleichen Flügeln wie B. und
doch d'Fligl hand eahn net vrhebt. Er isch ins Wassr ihm ähnlichen Profil, im Kunstunterricht hergestellt)
keit, wär fascht vrsoffa. Mit lange Schtanga hands Absprungrampe: Staffelei – technische Konstruktion
eahn grad no griagt. für Flug und Absturz der Puppe
Fischer (mehrere Schüler), die mit langen Stangen
die Berblinger-Puppe aus dem Wasser ziehen
Refrain: OHP / Beamer aus!
Des war dr Berblinger, dr Ikarus von Ulm. A jedr wär
wohl geara mitm gfloga, doch net keit.
(Kurze Pause)
5. Sologesang: OHP / Beamer an!
Sie hand eahn ausglacht, wiaschte Sacha nauch Pantomime: Berblinger
gschria und hoimlich doch a wenga gheilt. Sie hättat Mehrere Schüler: Nachschreiendes, z. T. weinendes
geara gwisst, wias Fliaga gau dät. A jedr dreimt von Volk
deam, was er net ka.
Ende Schattenspiel, OHP aus!
Schlussrefrain:
Machs wia dr Berblinger, dr Ikarus von Ulm,
wenn d'schwimma kasch, bassiert dr nix, brobier
dein groaßa Traum.
Abschließender Text:
Alle mitwirkenden Schüler erscheinen vor der Leinwand auf der Bühne
Schüler: Liebes, verehrtes Publikum,
macht es wie der Schneider von Ulm!
Lockert eure alltäglichen Zügel,
nur der Fantasie wachsen Flügel!
Schüler: Im Dialekt hoißt des und net so metaphorisch gsait:
Fliagat in dera Zeit id bloß übr da Hausdribbl na, liabe Leit!
Schüler: Und schwätzat in Zukunft it bloß Hochdeutsch, Englisch, Französisch und Italienisch!
Hand au a weang Muat zum Dialekt und der isch in unserer Europaregion schwäbisch!
Schüler: Am Schluss sagen „pfiade“, „servus“ und „ade“ –
die 30 Überflieger der Klasse 6d!
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M10
Schwäbische Wortsammlung 1
von Viktoria Spies
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Schwäbisch
Schwäbische Wortsammlung 2
von Hermann Blösch
M11
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Dialekte in Bayern Dialekt im Unterricht – Basiswissen, Anregungen und Modelle
Schwäbisch
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Dialekt im Unterricht – Basiswissen, Anregungen und Modelle Dialekte in Bayern
Schwäbisch
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Dialekte in Bayern Dialekt im Unterricht – Basiswissen, Anregungen und Modelle
Schwäbisch
M12 Interpretation eines schwäbischen Duetts aus dem Rokoko als Rap
Das folgende Duett in schwäbischer Mundart stammt von dem in Weißenhorn geborenen
Prämonstratenserpater Sebastian Sailer (1714 –1777) und ist ein Ausschnitt aus dessen
„Kantate auf die Aderlässe“.
Begriffserklärungen:
Unter einem Aderlass versteht man in der Medizin die Entnahme einer
größeren Blutmenge aus einer Vene des Menschen. Der Aderlass galt in der
Antike, im Mittelalter und auch noch zu Lebzeiten von Sebastian Sailer als
ein Allheilmittel bei verschiedensten Krankheiten.
Eine Kantate ist in der Musik ein aus Chorsätzen und Einzelgesängen,
Duetten und Terzetten usw. bestehendes größeres Gesangswerk mit
Instrumentalbegleitung.
Die „Kantate auf die Aderlässe“ von Sebastian Sailer, aus der das
folgende Duett stammt, entstand in der Kulturepoche des Rokoko, d. h. in
der Spätphase des Barock (ca. 1720-1780).
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Dialekt im Unterricht – Basiswissen, Anregungen und Modelle Dialekte in Bayern
Schwäbisch
Duett
Bauer. Herr Doktor! krank bin ih, Doktor. Die Aderläß brauch.
as beißt mih, und glimmt mih
Bauer. Mih schticht as und grimmts.
Doktor. Freund! schick nur zum Bader,
Doktor. Nur d’Aderläß nimmts.
lass öffnen ein Ader.
Bauer. Ih schtirb, wie ih g’schpür.
Bauer. As Eassa got schleacht.
Doktor. Laß Ader dafür.
Doktor. S’ist d’Aderläß recht.
Bauer. Jetz g’schpür ih’s im Maga.
Bauer. Ich ma nimma sauffa.
Doktor. Ein Ader laß schlagen.
Doktor. Laß Blut herauslaufen.
Bauer. As brennt wia Gluat.
Bauer. Ich hau a baiß Bluat.
Doktor. S’ist d’Aderläß gut.
Doktor. Die Läße macht’s guat.
Bauer. As schneidt wi a Measser.
Bauer. Hau g’spia schau in Kübel.
Doktor. Die Läß machts besser.
Doktor. Die Läß hebt’s Uebel.
Bauer. As schticht wi a Pfeil.
Bauer. Jetzt fährt mar’s in Grind.
Bauer. Ih schwitz wi a Sau.
Doktor. Zur Aderläß g’schwind.
Doktor. Auf d’Aderläß trau.
Bauer. Jetzt kommt mar’s in d’Auga.
Bauer. Jetz kommt mar’s in d’Händ.
Doktor. S’wird d’Aderläß taugen.
Doktor. Zur Läße behend.
Bauer. Ich g’sieh nimma heall.
Bauer. Ih kas itt verleida.
Doktor. Zur Aderläß schnell.
Doktor. Thu d’Läße nicht meiden.
Bauer. Jetz kommt as uff d’Blasa.
Bauer. Jetzt kommt mar’s in d’Füeß.
Doktor. Mußt halt Aderlassen.
Doktor. Durch d’Aderläß büeß.
Bauer. Jetz haun ih’s im Gr’friß.
Bauer. Jetz wear ih ganz schteif.
Doktor. Die Läß hilft g’wiß.
Doktor. Zur Aderläß greif.
Bauer. Jetz kommt mars in’s G’nick.
Bauer. Jetz fährt mar’s in’s G’säß.
Doktor. Zum Bader g’schwind schick.
Doktor. Gut macht’s d’Aderläß.
Bauer. Jetz hau ih’s im Bauch.
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Dialekte in Bayern Dialekt im Unterricht – Basiswissen, Anregungen und Modelle
Schwäbisch
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Dialekt im Unterricht – Basiswissen, Anregungen und Modelle Dialekte in Bayern
Schwäbisch
Durchdringung Ausklang
Übung: Die Schüler erstellen Paradigmen Sichtung weiterer Beispielsätze im Dialekt
zu weiteren Verben (schriftlich). (siehe M13)
Wie würde sich der kleine Doane Schriftliche / Mündliche Übertragung ins
(schwäbisch für Anton) in seiner Dorfschule Neuhochdeutsche
zu seiner Traumschule äußern?
Wenns doch viel mehr Ferien gebe dät ..., Weiterarbeit
dann dät i viel mehr Fraid hau ... Übung: Dolmetschen zwischen Dialekt-
Die Irmi, seine Schwester, erzählt der Mutter sprechern und Nichtdialektsprechern
von Antons Vorstellungen: Interviews durchführen und danach Berichte
Mama, dr Doane hat gseht/gsait, er häb viel verfassen (mündlich und schriftlich)
mehr Fraid ...
Aufgabe: Übertragung des selbst erstellten Quellennachweis / Literatur
Traumschultextes des Mitschülers / Bank-
M13: Greiter, Thomas J. (1998): Allgäuer Mundart.
nachbarn in die indirekte Rede (schriftlich) Lingua Allgovia mit Allgäuer Wortschatz. Kempten.
Meine Mitschülerin XY sagte, sie hätte viel
mehr Freude an der Schule, wenn ...
Einführung des grammatischen Begriffs
Konjunktiv II (Hefteintrag)
Aufnahme von Beispielverben aus den
Schülerarbeiten zur Traumschule
Buchempfehlung
Allgäuer Mundart
Lingua Allgovia mit Allgäuer Wortschatz
Greitner, Thomas J.
Verlag Tobias Dannheimer,
Kempten 1998
ISBN 3-88881-030-2
EUR 10,00
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Dialekte in Bayern Dialekt im Unterricht – Basiswissen, Anregungen und Modelle
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Dialekt im Unterricht – Basiswissen, Anregungen und Modelle Dialekte in Bayern
Schwäbisch
sonst. Die Romantiker nannten die Mundart M15: Burkhart-Funk, Edith: Selbstbewusstsein
nicht umsonst den Ausdruck der Seele eines und Dialekt in der Krise. In: Heimatmagazin
Volkes.“ (Edith Burkhart-Funk). 1 / 2001, S. 6-8.
Buchempfehlung
ISBN 3-87437-437-8
EUR 19,00
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Dialekte in Bayern Dialekt im Unterricht – Basiswissen, Anregungen und Modelle
Schwäbisch
M14
Von unserem Redaktionsmitglied ihre Sprache in der Regel mit einem ausgeprägten
Peter Bauer Stolz. Auf die Frage: „Aber in der Schweiz wird
doch auch Deutsch gesprochen?“ kommt nicht
selten die Antwort: „Nein, Schweizerdeutsch“.
Niederraunau. Sie sagt es mit einem Lächeln, ganz Auffallend ist, dass dieser Stolz an die eigene
entspannt. Und doch ist in ihren Worten so etwas Mundart gekoppelt ist mit einer jahrhundertealten,
wie eine ruhige Entschlossenheit spürbar: „Nein, eigenständigen geschichtlichen Entwicklung. In
ich schäme mich nicht mehr, dass ich Dialekt Mittelschwaben war dies ganz anders. „Wir haben
spreche. Ich verteidige ihn.“ Die Sprache unserer uns hier immer in einer Randlage befunden“, be-
Heimat: Die Niederraunauer Wissenschaftlerin tont Edith Burkhart-Funk. Teile gehörten rund 500
Dr. Edith Burkhart-Funk beschäftigt sich seit vielen Jahre zu den Vorderösterreichischen Landen, doch
Jahren mit ihr. Sie denkt zurück an die 70er Jahre, Wien war weit weg. Mittelschwaben blieb in zahl-
an den Beginn ihres Studiums in Augsburg: reiche Einzelterritorien zersplittert. Seit 1805 ist un-
„Ich habe mich damals geschämt und meinen sere Region bayerisch, doch sie befindet sich wei-
Dialekt versteckt.“ Heute versteckt sie ihn nicht ter am Rand. „Dies hat die Neigung gefördert, sich
mehr. Der Dialekt Mittelschwabens: Edith Burkhart- einzuigeln“, erklärt Burkhart-Funk. „Oder man hat
Funk hat seine Wärme, aber auch seine Würde versucht, sich einem Großen zu assimilieren. Das
wiederentdeckt. Die Wärme des Dialekts, das Ge- muss scheitern, weil man vorgibt, etwas zu sein,
fühl, in einer Sprache buchstäblich zu Hause zu was man nicht ist“, meint die Niederraunauerin.
sein, wie viele spüren es noch in der Welt der
Handys, des Internets und einer mit englischen Das unterschiedliche Prestige der Mundart in
Ausdrücken durchzogenen Sprache? Der Dialekt der Schweiz und in Mittelschwaben macht sich
hat es offensichtlich nicht leicht in unseren selbst in der Wissenschaft bemerkbar. Die Schwei-
Tagen. Und in unserer Heimat Mittelschwaben zer begannen bereits sehr früh, ihre eigene Spra-
hatte er es wohl noch nie ganz leicht. che zu erforschen. „In der Schweiz entstand
bereits in den 1930er Jahren ein Sprachatlas“, er-
„Nicht wenige Menschen bei uns finden ihre klärt Burkhart-Funk. Jahrzehnte vergingen, bis die
Sprache hässlich“, erzählt Edith Burkhart-Funk. Idee, eine vergleichbare Bestandsaufnahme für
Das merkt man selbst auf der Bühne. Spontan die Sprache Bayerisch-Schwabens zu machen, in
denkt sie in diesem Moment ans Bauerntheater. unserer Region Gestalt annahm. An der Universität
Volksstücke haben auch in Schwaben Tradition. Augsburg begann 1984 ein Forscherteam unter
Aber viele Stücke wurden mitunter nicht im der Leitung von Professor Werner König mit den
heimischen, schwäbischen Dialekt, sondern in Arbeiten, die immer noch nicht ganz abgeschlos-
bayerischer Mundart aufgeführt. „Das Prestige sen sind.
des Schwäbischen ist nie hoch gewesen“, erklärt
die Sprachwissenschaftlerin. Eine Feststellung, Edith Burkhart-Funk spielte bei dieser sprach-
die durchaus erstaunlich ist, wenn man zum Bei- lichen Spurensuche eine wichtige Rolle. Ihre
spiel in die Schweiz blickt. Das Schweizerdeutsche Augen leuchten, sie gerät ins Schwärmen, wenn
und das Schwäbische: Beide gehören zum aleman- sie über ihre Arbeit spricht. Vielleicht weil sie den
nischen Sprachraum, der sich von Württemberg nicht immer leichten, aber doch so faszinierenden
bis ins Südtiroler Vinschgau erstreckt. Beide Spagat zwischen Mundart und Hochsprache jahr-
Sprachen weisen große Ähnlichkeiten auf. Doch zehntelang selbst erlebt und gelebt hat. Als
während in Schwaben stets eine Neigung zu Wissenschaftlerin ist die Hochsprache ihr alltäg-
beobachten war, die eigene Mundart nicht an „die liches Medium geworden, als Niederraunauerin
große Glocke“ zu hängen, pflegen die Schweizer sucht sie die heimelige Wärme der Mundart.
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Dialekt im Unterricht – Basiswissen, Anregungen und Modelle Dialekte in Bayern
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Dialekte in Bayern Dialekt im Unterricht – Basiswissen, Anregungen und Modelle
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Mit Freude las ich den Leserbrief in der „Augsbur- viel mehr unterschiedliche Vokale (Selbstlaute),
ger Allgemeinen“ (vom 5.1.01) zu unserer Dialekt- und im Verhältnis zu den Konsonanten (Mitlauten)
serie in der Zeitung, der in dem Satz gipfelte: ist das Schwäbische vokalreicher. Von vokalrei-
Jedes Nachdenken über Sprache und sprachliche chen Sprachen behauptet man, sie seien „schön“.
Vielfalt könnte der lieblos Behandelten ein Stück Das ist ein Grund, warum Opern am liebsten in
verloren gegangener Würde zurückgeben – nicht Italienisch geschrieben wurden. Man denke auch
zuletzt ein gewichtiger Beitrag zur Bewahrung an unsere nasalierten Vokale, die man am Fran-
unserer Menschenwürde.“ Ähnliche Worte sagte zösischen so schätzt. In vielen Bereichen kom-
der Sprachwissenschaftler Prof. Hinderling in einer plizierter als im Hochdeutschen ist auch unsere
Gedenkrede zu Ehren des großen bayerischen Grammatik. Der Dialekt hat uralte Beugungs-
Dialektforschers J. A. Schmeller: „Die Bedeutung formen bewahrt, „geschumpfen“, „gewiehen“,
Schmellers sehen wir darin, dass er dem ein- „(ge)bauen“, „(ge)brunnen“ etc., auch alte Vokal-
fachen Manne, der einfachen Frau, die vorher wechsel wie in „mich friert es“ - „dich fruirt es“,
ob ihrer Sprache verspottet wurden, ihre Würde alte Konjunktiv formen wie „häb“ (habe), „däb“
zurückgegeben hat.“ Solche Worte zeugen von (tue), „wur“ (würde), „wot“ (wollte) etc.
der tiefen Verletzung, die Dialekt sprechende Das gleiche gilt für den Wortschatz: Spricht
Menschen schon seit Generationen erfahren. doch aus dem Wort ,,Koarahaus“ (Kornhaus) mehr
Dies war auch ein bewegender Eindruck bei an kulturellem Erbe als aus dem assoziations-
meinen langjährigen Dialekterhebungen. Die Ge- ärmeren „Dachboden“. Es gibt auch kein inner-
währsleute in meiner schwäbischen Heimat war- sprachliches Kriterium, warum etwa „lupfa“ häss-
en erfreut über die Aufnahmen, aber noch mehr licher sein soll als „hochheben“, der „Drieler“
erstaunt, dass man, so oft wörtlich, ihre „häss- als der ,,Esslatz“, die „Loibla“ als die „Plätzchen“,
liche Sprache“ aufschreibenswert finden kann. der ,,Gumper“ als der ,,Ziehbrunnen“, die „Seges“
Im Bayrischen z. B. hörte ich solche Äußerungen als die „Sense“ oder warum unsere Verkleine-
nie. Während dieser Aufnahmen, die alle Winkel rungsendung -le hässlicher sein soll als -chen,
der Lautlehre, die ganze Grammatik eines Orts- aus welchem Grund soll „Mäuschen“ schöner
dialekts durchforscht und weite Teile des Wort- klingen als „Meisle“?
schatzes erfasst, erahnten viele erstmals etwas Wenn es keine innersprachlichen Gründe gibt
von der Schönheit, Vielfalt und Komplexität ihrer für diese Geringschätzung, welche sind es dann?
Sprache. Die Überraschung und Dankbarkeit der Schwer wiegen wohl historische Gründe. Schwa-
Gewährsleute, dass man ihre Sprache für „wür- ben hatte, anders als etwa Bayern, keine zentrale
dig“ befindet sie aufzuschreiben, ist zugleich Aus- Gewalt und damit keine so mächtige einheits-
druck für eine fortwährende Entwürdigung und und identitätsstiftende Instanz. Es war zersplit-
Geringschätzung, und zwar nicht nur einer Spra- tert in eine Vielfalt kleinster Territorien, mit häufig
che, sondern vor allem derjenigen, die sie spre- wechselnden Herrschaften. Die historischen Kar-
chen. Denn was den Menschen ausmacht, ist ten von Schwaben sind ein einziger Flickenteppich.
nichts anderes als seine Sprache; in ihr erinnern, Statt diese Chance zu sehen und sie zu einem
denken, planen, fühlen, kommunizieren, handeln bunten, vielgestaltigen Gewebe einer föderalen
wir, in keinem Medium sonst. Die Romantiker Struktur auszubauen, sich gegenseitig in seiner
nannten die Mundart nicht umsonst den Ausdruck jeweiligen Andersheit zu schätzen und zu beför-
der Seele eines Volkes. dern, igelte man sich in seiner abgewerteten Klein-
Lange habe ich über die möglichen Gründe heit ein. Oder noch schlimmer, man versuchte,
dieser Geringschätzung nachgedacht; innersprach- sich einem „Großen“ zu assimilieren, was schei-
liche können es nicht sein: Wir haben ein differen- tern muss, weil es nicht authentisch ist, weil man
zierteres Vokalsystem als das Hochdeutsche, vorgibt, etwas zu sein, was man nicht ist. Wie ver-
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Dialekt im Unterricht – Basiswissen, Anregungen und Modelle Dialekte in Bayern
Schwäbisch
nichtend sich das auf das Selbstwertgefühl aus- Blüm regionale Färbungen beibehalten, auch wenn
wirkt, ist klar. Ein Beispiel für traurige Versuche, sie Hochdeutsch reden. Das ist keineswegs ihr
sich etwa dem als mächtig empfundenen Bai- Unvermögen, reinstes Bühnendeutsch zu spre-
rischen zu assimilieren, sind die zahlreichen Volks- chen. Vielmehr bekommt ihr Bild gerade dadurch
stücke, die lange Zeit bei uns in Schwaben in einmalige persönliche, menschliche, verbindliche
bairischem Dialekt (!) aufgeführt wurden. Oft ge- Konturen. Sie bekennen sich zu ihrer Herkunft,
nug wurden Stücke schwäbischer Autoren in ein zu ihren Wurzeln, zu ihrem „Bodenstand“, damit
vermeintliches Bairisch übersetzt, unsere Schau- nimmt man sie auch als eigenständig und selbst-
spieler mussten sich die Kehle verrenken und den bewusst wahr.
Zuschauern wurde vermittelt, der „gute“, auf- Bei der Schwierigkeit vieler junger Menschen,
führenswerte Dialekt ist nicht der eigene schwä- zu einer Identität zu finden, spielt auch eine Rolle,
bische, sondern der bairische. Wenn überhaupt dass ihnen die Bedeutung ihrer Heimat, ihrer
einer auf der Bühne schwäbisch spricht, ist es das Herkunft, ihrer Region vorenthalten wird, wenn
Deppele, der Unsympath. ihnen – hier sei dieser romantische Wortschatz er-
Freilich spielen auch die jeweiligen wirtschaft- laubt – die „Seele“, der Ausdruck und Klang dieser
lichen Bedingungen eine Rolle: wenn eine Region Heimat, nämlich deren Sprache, schlechtgeredet
reich ist, ist sie und damit ihre Sprache attraktiv. wird. Ich bin dort daheim, wo man meine Sprache
Es ist kein Zufall, dass 1573 einer der ersten deut- spricht: wer überall zu Hause ist, ist es nirgends.
schen Grammatiker, Laurentius Albertus, das In der anfangs zitierten Gedenkrede war auch
schwäbische Augsburg als Sitz der „zierlichsten von sozialer Anonymität, Identitätsverlust und
deutschen Sprache“ bezeichnet. In dieser Zeit Landflucht die Rede und: ,,All das ist nur aufzu-
war Augsburg durch die einflussreichen Handels- halten, wenn der Mensch zu einer neuen regio-
familien Fugger und Welser zu einem der mäch- nalen Identität findet. Die Mundart könnte eines
tigsten Zentren der Welt geworden. Heute ist Mün- der wichtigsten Symbole sein, die diese Identität
chen reich und damit (auch sprachlich) für viele definieren helfen.“
attraktiv. Oberbayern wurde für den Fremden-
verkehr entdeckt, damit wurde auch die Sprache
am Tegernsee beliebt. Niederbayern z. B. genießt
solche Attraktivität noch nicht, deshalb ist auch Buchempfehlung
seine Sprache nicht so attraktiv wie Oberbairisch
oder was man dafür hält.
Nun mag man zu dem Urteil kommen: gut,
wenn niemand, auch wir selber nicht, unseren
Dialekt schätzt, geben wir ihn doch auf und lehren
unsere Kinder (wie es vielfach schon geschieht)
nur noch Hochdeutsch; was verlieren wir denn
schon! Ich meine, nichts weniger, als die eingangs
angesprochene Würde. Damit ist keineswegs ge-
sagt, dass die Kinder nicht auch Hochdeutsch
lernen sollen, was sie in unserer kommunikations-
offenen, medialen Welt ohnehin tun. Die beiden
Sprachformen Dialekt und Hochsprache haben ihre
je eigene, unterschiedliche Reichweite. Es ist ganz
klar, dass in einer „globalisierten“ Welt, eine
möglichst weitreichende, zumindest im deutsch-
Dialektwörterbuch von Bayerisch-Schwaben
sprachigen Raum „universal“ verständliche
König, Werner (Hrsg.)
Sprachform beherrscht werden muss. Dieser Vor-
Brigitte Schwarz (Bearb.)
teil des Hochdeutschen im öffentlichen, außer-
familiären, überörtlichen und beruflichen Bereich, Wißner-Verlag, Augsburg 2. Aufl. 2014
diese enorme Reichweite wirkt im privat-mensch-
lichen Bereich unverbindlich, distanzierend, mithin ISBN 978-3-89639-946-5
farb- und gesichtslos. Nicht umsonst haben erfolg- EUR 29,80
reiche Politiker wie Helmut Schmidt oder Norbert
230
Dialekte in Bayern
Teil IV
Dialektförderung – Projekte und Akteure
Dia
digital, vernetzt, spartenübergreifend
Stephan Kellner
lekt
Projekt „Sprache im Fluss“.
Dialektforschung im Altmühl-Jura-Raum
Monika Raml, Christine Heimerer
förd
Das „Oberviechtacher Dialektprojekt“
Siegfried Bräuer, Ludwig Schießl
Pro
Schmeller-Gesellschaft und ihr Förderpreis
für Seminararbeiten an bayerischen Gymnasien
e
Christian Ferstl
jek
r
te
u
„Freude an der Mundart wecken und verstärken.“
e
Ein Schulprojekt aus Oberbayern
r n
Helmut Wittmann
u g
„Wer spricht schon Dialekt?“ Ein P-Seminar am
e
Dossenberger-Gymnasium-Günzburg
Conrad Pietschmann
k t
Dem Schwäbischen Dialekt einen Wohnsitz geben:
Schwäbisches Literaturschloss Edelstetten e. V.
Christoph Henzler
A
„MundART WERTvoll“. Ein Projekt im Wertebündnis Bayern
Ingrid Ritt
232
Dialekte in Bayern Dialektförderung – Projekte und Akteure
233
Dialektförderung – Projekte und Akteure Dialekte in Bayern
onen sind. Neben anderen bekannten Stim- Oberpfalz beschäftigt. Der Bogen spannt sich
men sind Stars zu hören wie Senta Berger, dabei von Autorenporträts über fränkische
Luise Kinseher, Johanna Bittenbinder oder Musikgruppen bis hin zu aufwändigen frän-
Barbara Dorsch. kischen Hörspielproduktionen. Berichte über
die Mundart-Theaterszene und Mundart-The-
atertage in Mittel-/Ober- und Unterfranken
Pflege der Mundart – gehören ebenso dazu wie fränkische Wort-
Tradition im Studio Franken kunde und Buchbesprechungen.
Einen ganz großen Stellenwert nimmt die je- In Zusammenarbeit mit dem „UDI“, dem Un-
weilige Mundart selbstverständlich in den terfränkischen Dialektinstitut in Würzburg,
Regionalstudios des BR ein. Besonders am entstehen Berichte über das Thema „Dialekt
Beispiel Frankens wird deutlich, welches Au- in der Schule“ oder den Unterfränkischen
genmerk der BR auf die Pflege des Dialekts Sprachatlas. In „MundArt: Ein Dialektmaga-
legt. zin“ stehen weniger die „tümelnde“ Seite
der Mundart im Mittelpunkt, sondern viel-
Das Studio Franken – eine Art „kleines Funk- mehr die Vielfalt und Lebendigkeit des Dia-
haus“ für das nördliche Bayern – blickt auf lekts in all seinen Facetten: erklärend, unter-
eine große Tradition in der Pflege der frän- haltend, lebensnah.
kischen und nord-oberpfälzer Mundart zu-
rück. So kann sich das Studio die Förderung Das trifft – wenn auch in anderer Art und
einer hochwertigen Dialektliteratur auf die Weise – auf die Sendung „Horch“ (Bayern
Fahnen schreiben mit der Entdeckung von plus) zu, in der der Kabarettist Klaus Karl
Autoren wie Wilhelm Staudacher, Fitzgerald Kraus viermal jährlich Newcomer aus der
Kusz („Schweig Bub“) oder Helmut Haber- fränkischen Kleinkunstszene präsentiert: vom
kamm. Diese Tradition setzt heute die Redak- Bühnenkünstler bis zum Theatermacher.
tion Feature/Literatur/Unterhaltung mit einer Auch hier wird im Studio wie auf der Bühne
Reihe von Sendungen fort. (wenn auch nicht ausschließlich) Dialekt ge-
redet – unverfälscht und ungekünstelt.
234
Dialekte in Bayern Dialektförderung – Projekte und Akteure
Jugendprogramm Puls:
trimedial und bayerisch Die bayerische Musikszene ist nicht nur auf
Puls, sondern auch auf BR.de im Internet zu
Ganz besonders stark hat sich Puls, das entdecken – und zwar in „Bayerns Mundart-
trimediale junge Programm des Bayerischen landschaft“, einem multimedialen Onlinean-
Rundfunks, der Nachwuchsförderung ver- gebot über die Dialekte in Bayern. Dabei kön-
schreiben – in Musik, Film und Kultur ganz nen die Nutzer erfahren, wie unterschiedlich
allgemein. Die Unterstützung ist vielfältig: sich die verschiedenen Mundarten anhören.
Puls bringt „Newcomer“ über verschie- Und das nicht auf abstrakte oder trockene
dene Ausspielwege (Internet, App, Digitalra- Art und Weise, sondern jung und dynamisch
dio, Fernsehen) in die Wohnzimmer der User, durch Musikbeispiele, in denen junge Bands
Hörer und Zuschauer, stellt sie bei Eigen- aus dem Freistaat so singen, wie ihnen „der
veranstaltungen wie einer Lesereihe, einem Schnabel gewachsen ist“.
Filmwettbewerb oder einem Festival auf die
große Bühne neben internationale Stars. Ein Ob Regensburg, Kempten oder Nürnberg –
wichtiger Schwerpunkt dabei sind Bands aus überall in Bayern gibt es junge Bands, die
Bayern, die zum Teil im Dialekt singen. in ihrer bairischen, schwäbischen oder frän-
kischen Mundart ihre Texte schreiben. Musik-
Außerdem kommen die jungen Moderato- videos können per interaktiver Dialektkarte
rinnen und Moderatoren von Puls aus ganz abgerufen werden. Außerdem gibt es Song-
Bayern, was man auch in einem jungen Pro- texte im Dialekt und in hochdeutscher „Über-
gramm hören soll und darf. Die Berichte und setzung“ sowie die wichtigsten Infos über die
alle Beiträge in Puls sind nah an der Lebens- Musikgruppen und insbesondere ihren Dia-
welt der jüngeren Generation und deshalb lekt.
auch bewusst in deren Sprache.
„Puls ist das junge Programm des BR. Und Spiegel des Lebens in Bayern –
zwar in echt. Die Musik bei PULS haut glei- das Bayerische Fernsehen
chermaßen voll drauf wie daneben, glüht vor
und randaliert, rummst und gstanzlt“ – so die Das Bayerische Fernsehen leistet einen
Selbstbeschreibung. großen Beitrag zur Erhaltung und Verbrei-
235
Dialektförderung – Projekte und Akteure Dialekte in Bayern
tung der regionalen Dialekte in Bayern. In mer wieder werden dabei auch Künstler und
vielen Teilen des täglichen Programms spie- Künstlerinnen porträtiert, die im Dialekt sin-
len die unterschiedlichen Mundarten eine gen.
herausragende Rolle und sind häufig Haupt-
thema von Sendungen oder Beiträgen aus In- Mundarten und dialektale Besonderheiten
formation, Kultur, Bildung und Unterhaltung. sind darüber hinaus regelmäßig ein Thema
in Interviews und Berichten der „Abend-
Im Kulturmagazin „Capriccio“ beispiels- schau“ sowie der „Frankenschau“ („Frän-
weise wird „Dialekt“ immer wieder themati- kisch als Verkaufsschlager“, „Fränkische
siert. So gab es in den vergangenen Jahren Ortsnamen“, „Fränkische Schimpfworte“,
beispielsweise die Reihe „Bairisch mit Ca- „Fränkisch an Schulen“).
priccio“. Auch in unterschiedlichen Beiträ-
gen berichtet „Cappricio“ über Sprachräume „Wir in Bayern“ sendet ein überaus erfolg-
und Sprachhybride – beispielsweise die „Ge- reiches Dialekt-Quiz unter dem Titel „Host
heimsprache“ Lachoudisch, die nur im mit- mi?“. Was ist ein Bumbmstöckla? Wo hat
telfränkischen Dorf Schopfloch gesprochen man seine Schlozerl? Wie schmeckt ein
wird und sich als eine Mischung aus Hebrä- Schambeeser? Wer hat mehr Spaß: Stroaf-
isch, Fränkisch und Rotwelsch entwickelt hat. dax oder Pfloutsch? Und warum muss man
Ein weiteres Beispiel ist ein Beitrag über den einen Buzzaschdenkl schlagen? – Fragen, die
Niederbayerischen Sprachatlas, in dem ein eingefleischte „Host mi?“-Fans locker beant-
großangelegtes Dialektprojekt der Universität worten können: Seit „Wir in Bayern“ im Mai
Passau vorgestellt wurde, bei welchem Zeit- 2008 das bayerische Wörter-Raten ins Pro-
zeugen zu alten Wörtern und ihrem Bedeu- gramm genommen hat, haben die Zuschauer
tungswandel befragt wurden. Ähnliches fin- des Nachmittagsmagazins schon mehr als
det sich in „laVita“. Das Magazin machte in tausend Dialekt-Rätsel gelöst. Fester Teil von
einer seiner Sendungen eine wahre „Liebes- „Host mi?“ ist Prof. Anthony Rowley, der
erklärung“ an den Dialekt. seit mehr als 20 Jahren an der Bayerischen
Akademie der Wissenschaften am „Baye-
rischen Wörterbuch“ arbeitet und am Ende
der Sendung das Rätsel löst. Auf BR.de sind
alle Fragen aus „Host mi?“ als Videos abruf-
bar und können auf einer A-Z-Liste ausge-
sucht werden. Einmal jährlich küren die Nut-
zer und Fernsehzuschauer ihr liebstes „Host
mi-Wort“.
236
Dialekte in Bayern Dialektförderung – Projekte und Akteure
holte Serie „Löwengrube – Die Grandauers chend reden nahezu alle Protagonisten in
und ihre Zeit“. Die Filme spiegeln die Auswir- ihrer jeweiligen Mundart.
kungen der Weltpolitik des 20. Jahrhunderts
auf drei Familien aus München-Haidhausen Das Bergsteigermagazin „bergauf-bergab“
wider. Insbesondere, weil sie so authentisch sowie das Magazin „Freizeit“ stellen in ho-
Zeitgeschichte aus verschiedenen Einzelper- hem Maße das „bayerische Lebensgefühl“
spektiven erleben lassen, erwiesen sie sich dar. Protagonisten dürfen und sollen sich
als echte Publikumsrenner. dort in ihrer „Muttersprache“ ausdrücken
– also in ihrem Dialekt. Die beiden Modera-
toren (Michael Pause und Max Schmidt) tra-
Frei von der Leber weg – gen mit ihren eindeutig bairischen Sprach-
„quer“, „Jetzt red i“, wurzeln entscheidend zur Authentizität bei.
„Unter unserem Himmel“
In der Unterhaltung stehen ebenfalls viele
Sendungen aus den Genres Dokumentati-
onen, Koch- und Musiksendungen, Kabarett
und Comedy, fiktionale Serien und Volksthea-
ter im Zeichen des Dialekts. Hier haben auch
Übertragungen von Festen und Feierlich-
keiten, die fest im bayerischen Jahreskalen-
der verwurzelt und gleichzeitig an die regio-
nalen Dialekte geknüpft sind, einen bestän-
digen Platz.
Das Gleiche gilt – vor allem wegen der Bei- Zum Thema wird der Dialekt in „Unter un-
träge und Äußerungen der Zuschauer, die serem Himmel“ seit einiger Zeit in der Reihe
hier zu Wort kommen – für die Bürgersen- „Wos host gsogt?“, die entlang der Dialekt-
dungen „Jetzt red i“, „Bürgerforum live“ grenzen die Unterschiede der Sprachidiome
und „Bayerntour“, die in den unterschied- und ihre Eigentümlichkeiten darstellt. Filme
lichsten Regionen Bayerns stattfinden. „Un- dieser Serie thematisieren unter anderem die
ser Land“, das Magazin für Landwirtschaft oberbayerisch-schwäbische, die niederbaye-
und Umwelt, bewegt sich thematisch ganz risch-oberpfälzische und die oberpfälzisch-
natürlich im ländlichen Bereich. Entspre- oberfränkische Sprachgrenze.
237
Dialektförderung – Projekte und Akteure Dialekte in Bayern
„Landgasthäuser“ ist eine weitere Sendung, menführte. „Aus is, gor is, schod‘, dass‘ wor
die sich intensiv den verschiedenen Regi- is“, resümierte der beliebte Gastgeber, des-
onen Bayerns widmet und gleichzeitig die re- sen Sendung Kult war und für bayerische Ka-
gionalen Dialekte hervorhebt. Dabei schaut barettisten wie zum Beispiel Monika Gruber,
man den Wirten aus allen Teilen des Frei- Luise Kinseher oder Andreas Giebel zu einem
staats „in den Kochtopf“. Ebenso widmet Sprungbrett in die Szene wurde. Ihre Solo-
sich „Landfrauenküche: 7 Landfrauen aus programme erreichen über das Bayerische
den 7 bayerischen Bezirken“ den regionalen Fernsehen ein breites Publikum. Gleiches gilt
Kochkünsten und Spezialitäten. Selbstver- für den vom BR produzierten Bayerischen
ständlich sprechen die Landfrauen ihren regi- Kabarettpreis, den häufig Künstler erhalten,
onalen Dialekt. die mit ihrem Dialekt arbeiten.
238
Dialekte in Bayern Dialektförderung – Projekte und Akteure
Gegenstück ist „Fastnacht in Franken“ aus Die 2008 in Würzburg gestartete Reihe
Veitshöchheim, in der sich Franken mit seinen „Heimatkrimi“, die einmal jährlich mit einem
regionalen Eigenheiten und natürlich auch mit Film aus den unterschiedlichen Regionen Ba-
seinen Dialekten ausgelassen zelebriert. yerns im Bayerischen Fernsehen Premiere
und zahlreiche Preise erhalten hat, bezieht
ihre Attraktivität durch die feste Verankerung
Ein Stück (sprachliche) Heimat – im jeweiligen regionalen Umfeld. Den roten
Dahoam is Dahoam Faden der Reihe bilden das Heimatgefühl der
Figuren und ihre emotionale Auseinanderset-
„Dahoam is Dahoam“ ist sich seiner Ver- zung mit dem Ort, an dem sie leben. Es geht
antwortung bewusst, heimatliche Dialekte um Fragen von Verwurzelung, Beheimatet-
als lebendige Sprache zu fördern, vor allem und Fremdsein. Die Geschichten werden di-
auch deshalb, weil sich die werktägliche Se- rekt aus den einzelnen Regionen heraus er-
rie als ein „Stück Heimat“ versteht. Bei der zählt – glaubwürdig, geerdet und im Dialekt.
Rollenbesetzung legen die Macher großen Bei der Besetzung der BR-Heimatkrimis wird
Wert darauf, dass die Schauspieler ihren – was die Hauptrollen betrifft – auf absolute
muttersprachlichen Dialekt sprechen, zum Echtheit des Dialekts geachtet. Das Casting
Beispiel oberbairisch, niederbairisch oder für Nebenrollen und kleine Rollen findet re-
oberpfälzisch. Fränkisch wird durch den „zu- gelmäßig in den Regionen selbst statt. Dies
agroasten“ Apotheker Bamberger repräsen- gilt auch für die „Allgäu-Krimis“ mit Kom-
tiert. Um „Dahoam is Dahoam“ glaubwürdig missar Kluftinger, denen die Romane des
in Mundart und Tradition zu halten, pflegen bekannten Autorenduos Klüpfel & Kobr zu-
Redaktion und Produktion seit dem Start der grunde liegen: „Erntedank“ oder „Milchgeld“.
Serie einen ständigen Austausch mit dem
FBSD, dem „Förderverein Bairische Sprache Und auch im „Tatort“ betreibt der BR
und Dialekte“. Ein ehemaliger Vorstand des Dialektpflege. Udo Wachtveitl und Miro
Vereins ist fest als Berater in Sachen „Dia- Nemec sprechen als Leitmayr und Batic
lekt“ und „Heimatpflege“ für die Serie tätig. münchnerisch. Bei der Besetzung der anderen
Rollen werden immer wieder Darsteller mit
bairischem Dialekt einbezogen. Bei der
Heimatkrimis Konzeption des neuen „Franken-Tatorts“,
erstmals gesendet am 12. April 2015, war
die Lebensnähe der Sprache ebenfalls ein
wichtiger Faktor.
BR-alpha: Dokumentationen
und Volksmusik von heute
Der Bildungskanal des Bayerischen Rund-
funks, BR-alpha, bietet klassisches Bildungs-
fernsehen wie Telekolleg, Schulfernsehen
oder Sprachensendungen, zum Teil mit der
Möglichkeit, einen Abschluss zu erlangen.
Zum Programm gehören auch spannende
Sendungen zu Religion, Wissenschaft,
Herbert Knaup als Kommissar Kluftinger im Zeitgeschehen und Musik – oder Dokumen-
Heimatkrimi „Milchgeld“ tationen.
239
Dialektförderung – Projekte und Akteure Dialekte in Bayern
In „bäckstage Volksmusik“ auf BR-alpha Seit Jahren engagieren sich die Bildungspro-
treten Musiker auf, die den Dialekt ihrer Hei- jekte des BR für den Erhalt der Mundart in
mat sprechen – von bairisch in allen Schattie- Bayern und haben dafür zahlreiche Aktionen
240
Dialekte in Bayern Dialektförderung – Projekte und Akteure
„Earsinn“: Siegerklasse
aus dem nieder-
bayerischen Velden
gestartet – gemeinsam mit dem Bayerischen ben zu machen. In vier Minuten erzählen sie
Kultusministerium sowie einzelnen Schu- darüber, was sie in ihren Familien oder mit
len. So sind im Rahmen eines P-Seminars ihren Freunden erleben. Sie erzählen das al-
Schülerinnen und Schüler des Dossenberger- les in ihrer ganz eigenen Sprache, in ihrem
Gymnasiums in Günzburg der Frage nach- Sprachtempo, in ihrem Dialekt. Begleitet von
gegangen, ob sich der Dialekt auf dem Rück- Coaches des BR geben sie so einen authen-
zug befindet. Dazu haben sie einen Audio- tischen Einblick in ihr Leben: in breitestem
guide erstellt, der den alltäglichen Gebrauch Schwäbisch oder tiefstem Niederbayerisch,
sowie die Tiefen des schwäbischen Dialekts mit griechischer Färbung oder in türkischem
beleuchtet. Themen waren unter anderem Deutsch. Im Vordergrund der Beiträge soll
„Bauernleben in der Stadt“, „Wo der Schwab das Spiel mit dem Dialekt und den Einflüssen
noch Schwäbisch spricht“ oder „Streifzug aus den Herkunftskulturen der Kinder stehen.
durch Günzburg“ ( Handreichung Teil IV:
Artikel Pietschmann). Alle Aktionen der BR-Bildungsprojekte
werden im Internet auf www.br.de
Regelmäßig führen die Bildungsprojekte in > Bildungsprojekte intensiv begleitet.
Kooperation mit der Stiftung Zuhören und
dem Bayerischen Kultusministerium den
Schülerwettbewerb Earsinn durch, der sich
an die 3. bis 7. Jahrgangsstufe richtet. Auf- BR schafft Gemeinschaft und
gabe für die Kinder ist es dabei, mit Sprache, fördert regionale Kultur
Klängen, Geräuschen und Musik Geschichten
zu erzählen. Im Schuljahr 2010/2011 hieß das
Motto: „Wie klingt`s, wo du lebst? Erzähl es
uns in deinem Dialekt!“. Im Mittelpunkt stand
die dialektale Vielfalt in Bayern und die Be-
deutung des Dialekts für die Identifizierung
der Menschen mit ihrer Heimatregion.
241
Dialektförderung – Projekte und Akteure Dialekte in Bayern
Die Verbundenheit der Menschen in Bayern Land in seiner ganzen Vielfalt ab (81 Pro-
mit dem BR gründet zuallererst auf seinen zent) und vereint die Regionen unter einem
Programmangeboten. Doch der Bayerische (Sende-)Dach (86 Prozent).
Rundfunk ist auch „off air“ im gesamten
Freistaat präsent und stiftet mit Aktionen der Das ist umso wichtiger, als die Menschen
verschiedensten Art Gemeinschaftsgefühl. „Bayern“ insgesamt, ihr Leben im Frei-
Dazu zählen – neben vielem anderen – die staat, ihre Region und deren Traditionen sehr
BR-Radltour, das Bayern 3-Dorffest, die schätzen. Für 76 Prozent der Bayern ist es
Bayern 1-Sommerreise, ein Musikfestival mit laut BR-Bayernstudie wichtig, die Traditionen
jungen Bands im Münchner Funkhaus oder ihrer Heimat zu pflegen; vor allem für die
Lauf 10!, eine sportliche Herausforderung or- jungen Bayern unter 30 Jahren (72 Prozent)
ganisiert von der „Abendschau“, dem Baye- hat dies heute einen höheren Stellenwert als
rischen Landes-Sportverband und dem Zen- noch vor wenigen Jahren.
trum für Prävention und Sportmedizin der
Technischen Universität München. Daneben Dementsprechend eng ist das Verhältnis der
ist der Bayerische Rundfunk über seine Kul- Menschen zur heimatlichen Sprache. Das
turprogramme Partner zahlreicher Festivals Sprechen von Dialekt empfinden die Men-
und Veranstaltungen in Bayern und tritt auf schen laut der BR-Bayernstudie als einen
diese Weise als Förderer regionaler Kultur sehr starken Ausdruck ihrer Identität und der
auf. Verbundenheit mit ihrer Region. So sagen 66
Prozent „Dialekt ist mir wichtig“, für 44 Pro-
zent ist er sogar „sehr wichtig“. In den letzten
BR-Bayernstudie 2012: Jahren hat die Bedeutung des Dialekt-Spre-
Bayerischer Rundfunk als chens noch zugenommen, was besonders für
gesellschaftliches Bindeglied die 30- bis 49-Jährigen in Bayern zutrifft.
Das umfassende Engagement des Bayeri- Dadurch, dass der Bayerische Rundfunk
schen Rundfunks für Bayern innerhalb und glaubwürdig den Charakter der unterschied-
außerhalb seiner Angebote wird von den lichen Regionen Bayerns sowie des gesam-
Menschen honoriert. Wie die BR-Bayern- ten Freistaats und seiner Bewohner abbildet,
studie 2012 ergeben hat, genießt der Baye- wird er selbst zu einem Stifter regionaler
rische Rundfunk einen Ruf als professionelles und bayerischer Identität. Diese tragende ge-
und kompetentes Medienunternehmen, sellschaftliche Rolle hat sich der BR in den
das für die öffentliche Meinungsbildung in mehr als 60 Jahren seines Bestehens durch
Bayern eine zentrale Rolle spielt und gesell- seine qualitativ hochwertigen Programmin-
schaftliche Werte vermittelt, die den Men- halte erworben. Aber auch dadurch, dass er
schen wichtig sind. Daneben betrachten viele den Menschen – im ganz wörtlichen und
Menschen den Bayerischen Rundfunk als damit sehr positiven Sinne – „nach dem
wichtiges Bindeglied im Freistaat – vor allem Mund redet“.
wegen seiner flächendeckenden Präsenz und
seiner authentischen Berichterstattung aus
allen Regionen, die eine seiner Kernkompe- Fotos
tenzen ist. © Bayerischer Rundfunk/Wilschewski,
Hofstetter, Kolibius, Sessner, Högner, Riedel,
Durch diese Leistungen hält der BR nach Konvalin
Meinung vieler Befragter (86 Prozent) die Tra-
© BR/ARD/DEGETO/Keller
ditionen und das Brauchtum der bayerischen
Regionen lebendig. Er zeigt Bayern so, wie
es heute wirklich ist (84 Prozent), bildet das
242
Dialekte in Bayern Dialektförderung – Projekte und Akteure
Bildungsprojekte im BR
www.br.de/unternehmen/inhalt/
bildungsprojekte/index.html
243
Dialektförderung – Projekte und Akteure Dialekte in Bayern
244
Dialekte in Bayern Dialektförderung – Projekte und Akteure
Diese breite fachliche und regionale Vernet- breit gefächertes, interdisziplinäres Ange-
zung stellt sicher, dass zum einen möglichst bot an Informationen und Dokumenten zur
alle relevanten Themen in qualifizierter Weise Geschichte und Kultur Bayerns unter einem
abgedeckt werden, zum anderen, dass der „virtuellen Dach“ zu vereinen.
regionale Aspekt nicht nur bei den Inhalten,
sondern auch bei den Mitwirkenden, d. h.
ihrem Standort, in angemessener Weise zum Inhalte
Tragen kommt.
Der Benutzer findet in der BLO elektronische
Von Beginn an waren Fachwissenschaftler Angebote, für die es keine gedruckte Entspre-
in unterschiedlicher Funktion und Form in chung mehr gibt, aber auch solche, die ur-
das Projekt eingebunden. Seit Anfang 2004 sprünglich gedruckt waren, dann aber digita-
ist diese Zusammenarbeit in einem wissen- lisiert wurden:
schaftlichen Fachbeirat unter dem Vorsitz
des Münchner Landeshistorikers Ferdinand Ein wichtiges Element ist die Datenbank der
Kramer institutionalisiert. Neben der Landes- Bayerischen Bibliographie mit ihren mehr als
geschichte sind derzeit die Disziplinen Kunst- 600.000 Literaturnachweisen; sie weist auch
geschichte, Sprachwissenschaft, Volkskunde Aufsätze nach.
und Literaturwissenschaft vertreten. Digitalisierte Fachliteratur und Quellen
bilden einen großen Schwerpunkt. Hier
Die Inhalte in der BLO werden grundsätz- finden sich zum Beispiel zentrale Werke der
lich in von den Kooperationspartnern ver- bayerischen Landesgeschichte, darunter:
antworteten und eigenständig nutzbaren die Zeitschrift für bayerische Landesge-
Modulen angeboten. Deren Eigenarten und schichte, die wichtigste landesgeschichtliche
spezifisches Design bleiben damit erhalten. Zeitschrift
Das gemeinsame Ziel aber ist, ein möglichst der Historische Atlas von Bayern, eine
245
Dialektförderung – Projekte und Akteure Dialekte in Bayern
246
Dialekte in Bayern Dialektförderung – Projekte und Akteure
von sechs vielbändigen Sprachatlanten, die stellt. Mitte Mai 2015 folgte folgt ein entspre-
als wissenschaftliche Grundlagenwerke (ab chendes Angebot für Niederbayern, der Spre-
1984) an den germanistisch-sprachwissen- chende Sprachatlas für Unterfranken ist in
schaftlichen Lehrstühlen der Universitäten Planung. Auch damit wird es möglich sein,
Augsburg, Bayreuth, Erlangen, Passau und die Varietäten in der Dialektsprache auf regi-
Würzburg erarbeitet wurden. onaler und lokaler Ebene feinkörnig zu ver-
folgen.
Im Sprechenden Sprachatlas von Bayern
sind alle Karten des Prints enthalten, ange-
reichert um Tondokumente aus 70 über ganz Literaturportal Bayern
Bayern verteilten Orten, die für die Online-
Version neu aufgenommen und aufbereitet Bislang fehlte im Internet eine umfassende
wurden. Jede Karte ist den unterschiedlichen Plattform für die Literatur in Bayern, doch
Formen eines Begriffs gewidmet, etwa den Mitte Juli 2012 hat sich das geändert: Zu die-
Sommersprossen (Abb. 3). Die unterschied- sem Zeitpunkt ist das Literaturportal Bayern
lichen Ausdrücke sind auf der Karte visuali- online gegangen (Abb. 4; www.literaturpor-
siert und werden gleichzeitig durch ein Au- tal-bayern.de). Zentrales Anliegen dieses
diodokument hörbar gemacht. So kann der neuen Angebots ist es, die Ortsbezüge von
Nutzer die Vielfältigkeit des Dialekts unmit- Autorinnen und Autoren sichtbar zu machen,
telbar erfahren. Diese Form der Präsentation also die literarische Topographie Bayerns zu
stieß auf großes Interesse, seit seiner Frei- (be-)schreiben. Dies versucht das Literatur-
schaltung ist der Sprachatlas ein stark nach- portal auf neun verschiedenen Wegen:
gefragtes Angebot.
In der Rubrik Autorinnen & Autoren finden
Mitte 2013 wurde der Sprechende Sprach- sich Porträts von Schriftstellerinnen und
atlas für Bayerisch-Schwaben ins Netz ge- Schriftstellern, die die literarische Landschaft
247
Dialektförderung – Projekte und Akteure Dialekte in Bayern
Bayerns in der Vergangenheit geprägt haben dische Literaten. Gleichzeitig ist mit diesem
oder sie in der Gegenwart gestalten. Gestar- Thema auch der Rahmen abgesteckt, in dem
tet wurde mit rund 300 Biogrammen, die die sich das Literaturportal bewegt: Es interes-
Basis für ein bislang noch nicht existierendes siert sich für den Blick von außen auf Bayern
umfassendes Autorenlexikon bilden. Es wird ebenso wie für den von innen.
wie die anderen Module zügig angereichert.
Die beiden genannten Themen hat die Mon-
Literarische Zeitschriften sind im zweiten acensia, das Literaturarchiv der Stadt Mün-
Bereich vertreten. Auch wenn sich bereits chen, beigesteuert. Von diesem Kooperati-
kurze Porträts von wichtigen Blättern wie der onspartner stammt auch das Thema Lena
Jugend und dem Simplicissimus finden, liegt Christ in Oberbayern; hier wurde eine Aus-
hier der Schwerpunkt derzeit noch überwie- stellung ins Internet gebracht. Auch damit
gend auf aktuellen Periodika. zeigt das Portal seine Möglichkeiten, die na-
türlich auch von anderen Partnern genutzt
Literarische Nachlässe liegen an vielen Or- werden können. Ein weiteres Beispiel bilden
ten in Bayern verstreut. Um auf diese Schätze die Texte, die bei einem deutsch-tschechi-
aufmerksam und sie für Forscher und Laien schen Autoren- und Übersetzertreffen ver-
leicht zugänglich zu machen, sind sie in lesen wurden, das das Literaturarchiv Sulz-
einem eigenen Bereich versammelt, der bach-Rosenberg/Literaturhaus Oberpfalz
mehr als 1.500 Nachlässe von Personen und veranstaltet hat.
literarischen Einrichtungen umfasst. Die Da-
ten dazu wurden in einer aufwändigen Um- Das Modul Literaturland bietet die Möglich-
frage eigens erhoben und bilden das vorhan- keit, sich dem Thema über eine interaktive
dene literarische Erbe weitgehend vollstän- Karte zu nähern. Dort finden sich kleine
dig ab. Porträts der Literaturgeschichte einzelner
Städte, aber auch Orte, an denen Literatur-
Zwei weitere Module präsentieren die litera- geschichte geschrieben wurde. Spaziergänge
rischen Einrichtungen des Freistaats wie und Wanderwege sollen Lust machen, den
Literaturhäuser, Bibliotheken, Vereine, Spuren eines Dichters auch im wörtlichen
Archive und Museen. Bald werden an die- Sinn zu folgen oder die Literaturgeschichte
ser Stelle auch Buchhandlungen und Verlage einer Stadt zu Fuß zu erkunden. Ein beson-
vertreten sein. Der Bereich Preise & Förde- ders ausführliches und schönes Beispiel ist
rungen informiert über Förderungsmöglich- der Jean-Paul-Wanderweg in Oberfranken,
keiten, Preise und Stipendien. der vom Verbundprojekt Oberfranken zur
Verfügung gestellt wurde. In Sulzbach-Rosen-
Neben diesen lexikalisch orientierten Teilen berg kann man den Spuren Walter Höllerers
des Literaturportals Bayern bieten sich wei- folgen, in Augsburg durch die Kindheit und
tere Möglichkeiten, sich dem Thema Literatur Jugend Bertolt Brechts streifen.
in Bayern zu nähern. Für den thematischen
Bereich steht das Modul Themen. Hier kann Zwei Bereiche im Literaturportal Bayern bil-
sich der Nutzer unter bestimmten Blickwin- den aktuelle Ereignisse ab. Zum einen ist dies
keln mit der Literarisierung von Landschaf- der bayernweite Veranstaltungskalender,
ten vertraut machen. Der Bereich Sommerfri- zum anderen berichten die Redakteurinnen
sche etwa versammelt zahlreiche Texte von und Redakteure des Portals im Blog über die
Schriftstellern und Künstlern, die vor allem wichtigsten Neuigkeiten auf dem literarischen
in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ihre Sektor. Besonders hier haben die Nutzer die
Ferien im Alpenvorland verbracht haben. Möglichkeit, sich einzubringen, doch prinzi-
Ein schöner Rausch bietet eine Palette von piell ist dies im gesamten Portal durch eine
Wahrnehmungen Münchens durch auslän- Kommentarfunktion möglich.
248
Dialekte in Bayern Dialektförderung – Projekte und Akteure
Auch sonst nutzt die Redaktion die Möglich- einzelne Einrichtungen oder aktuelle Ge-
keiten des Web 2.0: Sie betreibt einen burts- oder Todestage. Fast überall laufen die
Account auf Facebook und twittert fleißig, Tweets mit und bieten über aktuelle Informa-
ein Newsletter informiert außerdem alle vier tionen weitere Einstiege an.
Wochen über neue Angebote im Portal.
Bereits im Vorfeld wurden die Porträts der Neben den redaktionellen Texten und den
Gegenwartsautoren, der Städte, Institutionen Texten der Autoren setzt das Literaturportal
und der Preise zurückgespielt, um Korrek- intensiv auf Bilder. Dabei leisten die Archi-
turen und Ergänzungen zu ermöglichen. ve der Staatsbibliothek und der Monacensia
gute Dienste, doch ebensoviel kommt von
Alle Inhalte der Module sind intensiv unter- außen, aus den verschiedensten Quellen. Sie
einander vernetzt. So kann man vom alle machen das Portal anschaulich, ebenso
Autorenporträt des in Fürth aufgewachsenen die Audios und Videos.
Schriftstellers Jakob Wassermann etwa zu
seinem Nachlass, zu dem nach ihm benann- Das Literaturportal Bayern entsteht an der
ten Preis, zu seinem Spaziergang und zu Bayerischen Staatsbibliothek; dort sind die
einem Beitrag im Themenbereich klicken. Technik und die Redaktion angesiedelt.
Außerdem sind zahlreiche externe Links ein- Partner ist, wie bereits erwähnt, die Mona-
gebaut, etwa in den bayerischen Verbund- censia. Das Staatsministerium für Bildung
katalog oder in rechtefreie Volltextangebote, und Kultus, Wissenschaft und Kunst trägt
wenn möglich bei Nachlässen auch zu Digita- und begleitet das Projekt seit seinen Anfän-
lisaten. Bei den Autorinnen und Autoren der gen, die Landeshauptstadt München unter-
Gegenwartsliteratur führen Links etwa auf die stützt es, die Bayerische Sparkassenstiftung
jeweilige Homepage oder zum Youtube-Video hat es großzügig gefördert.
einer Lesung.
Das Literaturportal Bayern ist nicht fertig.
Die Startseite des Portals und der einzelnen Es lädt alle zur Mitarbeit ein, die die viel-
Module haben den Charakter kleiner Schau- gestaltige Literaturgeschichte und Literatur-
fenster, die auf unterschiedlichste Weise den landschaft Bayerns im Internet abbilden
Nutzer dazu anregen wollen, sich ins Por- wollen, und ist offen für weitere Kooperati-
tal hineinzuklicken, etwa durch Hinweise auf onen.
Abb. 4
Literaturportal Bayern –
Startseite
249
Dialektförderung – Projekte und Akteure Dialekte in Bayern
250
Dialekte in Bayern Dialektförderung – Projekte und Akteure
tionellen und organisatorischen Betrieb und und natürlich kostenfrei. Ich begrüße es aus-
ist Sitz der bavarikon-Geschäftsstelle. Die drücklich, dass die beteiligten Einrichtungen
Entscheidung über Digitalisierungsvorhaben die bayerischen Kulturschätze – gerade die
trifft der aus dreizehn Mitgliedern bestehende 3D-Objekte – niederschwellig im Netz an-
bavarikon-Rat. bieten. Das ist ein unvergleichlicher Service
für die Menschen. Und ich begrüße es, dass
Bei der Freischaltung in den Regelbetrieb am die Arbeiten für bavarikon auch in die Deut-
11. Mai 2015 in der Bayerischen Staatsbibli- sche Digitale Bibliothek und das Projekt Euro-
othek betonte Bildungsminister Dr. Ludwig peana einfließen.“
Spaenle: „Das Portal bavarikon bietet einen
unschätzbaren Mehrwert für Wissenschaft- BSB-Generaldirektor Dr. Klaus Ceynowa
lerinnen und Wissenschaftler ebenso wie für sekundierte: „bavarikon ist der Auftritt des
kulturinteressierte Bürgerinnen und Bürger. Kulturstaates Bayern im digitalen Raum.
Sie haben über die Digitalisate Zugriff auf die Gerade als Gemeinschaftsprojekt hat es das
unermesslichen Kultur- und Wissensschätze Potenzial, die einzigartige kulturelle Tiefen-
Bayerns und erhalten zugleich weiterfüh- dimension unseres Landes weltweit im Netz
rende Informationen, weltweit, zu jeder Zeit zu präsentieren.“
251
Dialektförderung – Projekte und Akteure Dialekte in Bayern
Seit Frühjahr 2003 gibt es am Institut für Im Bereich Forschung wäre das UDI nicht
deutsche Philologie der Universität Würzburg denkbar ohne den Sprachatlas von Unter-
das Unterfränkische Dialektinstitut (UDI). franken (SUF), ein Forschungsprojekt des
Gefördert durch die Kulturstiftung des Be- Freistaats Bayern und der Deutschen For-
zirks Unterfranken führt das UDI geisteswis- schungsgemeinschaft, das von 1989 bis 2003
senschaftliche Forschungs- und Öffentlich- an der Universität Würzburg angesiedelt war.
keitsarbeit auf wissenschaftlicher Basis zu- Die Arbeiten am SUF sind abgeschlossen, ein
sammen. Als Kompetenzzentrum für Dialekt- sechsbändiges Kartenwerk zu den Bereichen
forschung in Unterfranken leistet das UDI auf Lautung, Morphologie und Lexik liegt publi-
zahlreichen Arbeitsfeldern einen wirksamen ziert vor (Wolf/Krämer-Neubert 2005ff.). Als
Beitrag, um das Wissen über die regionale eines von sechs Teilprojekten zählte der SUF
Sprache in den verschiedensten Nutzerkrei- zum Forschungsverbund Bayerischer Sprach-
sen zu verbreite(r)n. atlas (BSA), der den Dialekt in allen Regie-
252
Dialekte in Bayern Dialektförderung – Projekte und Akteure
rungsbezirken des Freistaats erfasst und do- büchern, -geschichten, -gedichten, -kalendern
kumentiert hat. Ergänzt wird der BSA durch aus ganz Unterfranken und benachbarter Re-
die Bayerische Dialektdatenbank BayDat, die gionen sowie ein Video-, Foto- und Schallar-
die Erhebungsdaten der sechs Teilprojekte chiv, die u. a. Fotos von alten landwirtschaft-
des Bayerischen Sprachatlas BSA in elektro- lichen Geräten oder Tonbandaufnahmen der
nischer Form an zentraler Stelle, dem Lehr- Dialektbefragungen für den SUF aus den Jah-
stuhl für deutsche Sprachwissenschaft an der ren 1989-2006 enthalten. Ein Verzeichnis aller
Universität Würzburg, zusammenfasst und Einsendungen ist einsehbar auf der Home-
in Form einer Datenbank zukunftssicher spei- page des UDI:
chert. Unter www.baydat.uni-wuerzburg.de www.udi.germanistik.uni-wuerzburg.de
wird sie der Öffentlichkeit online zugänglich > Projekte / Mundartarchiv.
gemacht.
Neuigkeiten und Wissenswertes aus und
Unter der Forschungsfrage „Spricht die Ju- über das UDI erfährt man über die Home-
gend noch Dialekt?“ stellt der Sprachatlas page und im zweimal jährlich erscheinenden
von Unterfranken zum Dialekt und Dialektver- Newsletter Würzburger Sendbrief vom Dia-
halten junger Erwachsener (JuSUF) auf 160 lektforschen. Zudem ist das UDI regelmäßig
Karten Unterschiede und Gemeinsamkeiten mit Beiträgen und Infoständen bei Bezirks-
zwischen dem Dialekt der jungen Erwachse- veranstaltungen und Fachtagungen vertre-
nen und der Grundmundart dar, wie sie für ten sowie über das Dialekt-Telefon für Frage-
den SUF erhoben wurden (König 2011). Ne- stellungen rund um das Thema Dialekt unter
ben den Sprachdaten erhob der JuSUF auch 0931/3185631 oder per Mail unter info@un-
die Meinungen der jungen Gewährsleute terfraenkisches-dialektinstitut.de erreichbar.
zum Dialekt. Hier fiel besonders auf, dass die
Mehrheit der Meinung ist, die Familie sei der
Ort, an dem Dialekt gesprochen wird. Gleich- Das Schulprojekt „Fränki“
zeitig aber waren sich die Gewährsleute da-
rüber einig, dass im Gespräch mit den Kin- Zwischen 2006 und 2012 betreute das UDI
dern Dialektgebrauch tunlichst vermieden das vom Programm Denkwerk der Robert
werden sollte. Bosch Stiftung geförderte Projekt Fränki –
Schüler in Unterfranken erforschen ihren
Eng miteinander verknüpft sind die zwei Ar- Dialekt, dessen Konzept im Rahmen eines
beitsfelder Kulturarbeit und Öffentlichkeits- Workshops zusammen mit Lehrerinnen und
arbeit. Hierzu zählen u. a. die Veröffentlichun Lehrern von neun unterfränkischen Gymna-
gen des UDI, die für die breite Öffentlichkeit sien erarbeitet wurde. Ziel dieses Projekts
und die dialektinteressierten Laien gedacht war es, Schüler der Mittelstufe über den
sind. Als da sind: das Wörterbuch von Unter- Lehrplan hinaus an geisteswissenschaftliche
franken (WUF), der Kleine Unterfränkische Arbeitsfelder heranzuführen und sie dabei in-
Sprachatlas (KUSs), die Gedichtanthologie äs nerhalb eines eigenen Forschungsprojekts –
gleiche mit Dialektgedichten von unterfrän- einer Dialekterhebung am Heimatort und der
kischen SchülerInnen sowie das Ortsneck- Umgebung – mit Methoden des empirischen
namenbuch Dreidörfer Narrn stehn auf drei wissenschaftlichen Arbeitens vertraut zu ma-
Sparrn. chen. Fränki wurde in der Regel in der achten
Jahrgangsstufe durchgeführt, denn dort ist
Neben der ständigen Aktualisierung der Bi- das Thema Mundart im bayerischen Lehrplan
bliographie zu den Dialekten Unterfrankens für das Fach Deutsch vorgesehen. In fünf Pro-
unterhält und betreut das UDI auch verschie- jektjahren haben an Fränki insgesamt über
dene Archive: Das Mundartarchiv als syste- 1300 Achtklässler und 50 Lehrkräfte aus un-
matische Sammlung von Mundartwörter terfränkischen Gymnasien teilgenommen.
253
Dialektförderung – Projekte und Akteure Dialekte in Bayern
Das Projekt setzte sich aus sechs Modulen terrichtsstunden in das Thema Dialekt und
zusammen, die innerhalb eines Schuljahres in das dialektologische Arbeiten eingeführt.
von Schülern, Lehrern und Wissenschaftlern Mit einem zweistündigen Schulbesuch unter-
durchlaufen wurden. stützte das UDI die Lehrkräfte.
254
Dialekte in Bayern Dialektförderung – Projekte und Akteure
Im vierten Modul nahmen die Schüler selbst Die Ergebnisse ihrer Forschungsarbeiten prä-
die Rolle des Dialektforschers ein und führten sentierten Vertreter der einzelnen Klassen in
eigenständig ihre Dialektbefragungen im einem ca. 15-minütigen Vortrag jeweils im
Feld durch. Je nach Forschungshypothese sechsten Modul, dem Mini-Kongress, der
mussten sie zunächst für ihre Erhebungen wieder an der Universität Würzburg statt-
geeignete Gewährspersonen finden. Ausge- fand. Eine Jury, die aus UDI-Mitarbeitern,
stattet mit Diktiergerät und dem von ihnen Vertretern der Robert Bosch Stiftung, des Be-
erstellten Fragebogen erhoben sie in die- zirks Unterfranken, des Lehrstuhls für Didak-
ser Phase die Sprachdaten, die sie im weite- tik der deutschen Sprache und Literatur so-
ren Projektverlauf auswerten und interpretie- wie aus einem unparteiischen Gymnasial-
ren würden. Wie die Erfahrungsberichte der lehrer bestand, bewertete die Vorträge und
Schüler und Lehrer gezeigt haben, hat beson- Präsentationen nach einem festgelegten Kri-
ders dieses Modul äußerst motivierend auf terienkatalog. Den von allen mit Spannung
den weiteren Projektverlauf gewirkt. Zudem erwarteten Abschluss der Projektarbeit bil-
berichteten die Schüler von positiven Aus- dete die Prämierung der besten Forschungs-
wirkungen im Hinblick auf ihre soziale Kom- arbeiten. Dank der großzügigen Förderung
petenz, wie etwa den Umgang mit (fremden) durch die Robert Bosch Stiftung musste in
Menschen, oder die Stärkung ihrer Selbst der Regel keine Klasse mit leeren Händen
sicherheit. nach Hause gehen, sondern konnte – gestaf-
felt je nach erbrachter Leistung – einen will-
Modul fünf führte die Schüler wieder zurück kommenen Geldbetrag für die Klassenkasse
in die Klassenzimmer zur zweiten Unter- mitnehmen.
richtseinheit an den Schulen, die sich mit der
Auswertung ihrer Erhebungen und der Auf- Alle dem UDI übermittelten Forschungsbe-
bereitung ihrer Ergebnisse für eine Präsenta- richte der in den fünf Projektjahren an Fränki
tion beim abschließenden Mini-Kongress be- beteiligten Klassen hat das UDI in so ge-
schäftigte. In welcher Form die Schüler ihre nannten Sondersendbriefen dokumentiert.
Ergebnisse präsentieren wollten, war ihnen Sie sind für die Öffentlichkeit zugänglich im
freigestellt. Auch in dieser Phase fand ein Sendbrief-Archiv auf der UDI-Homepage
UDI-Schulbesuch statt, um die Klassen bei unter www.udi.germanistik.uni-wuerzburg.de.
der Auswertung ihrer Befragungsergebnisse
zu unterstützen. Nachdem die Klassen zu-
nächst auf mögliche Probleme bei der Über-
prüfung ihrer Hypothesen aufmerksam ge-
macht wurden, erledigten sie anschließend
in kleineren Gruppen Arbeitsaufträge: Sie
zeichneten Dialektkarten, Kreis- und Balken-
diagramme und trainierten und vertieften so
das zuvor erläuterte Methodenwissen zur Da-
tenauswertung. Der Schulbesuch endete mit
Hinweisen zu den Inhalten ihres Forschungs-
berichts und mit Tipps für die Präsentationen
am Mini-Kongress. Für die Schüler und Lehr-
kräfte begann danach die wohl arbeitsinten-
sivste Projektphase, die nicht nur während
des regulären Unterrichts, sondern vor allem
in der Freizeit der Schüler stattfand. Logo des Unterfränkischen Dialektinstituts (UDI)
255
Dialektförderung – Projekte und Akteure Dialekte in Bayern
256
Dialekte in Bayern Dialektförderung – Projekte und Akteure
257
Dialektförderung – Projekte und Akteure Dialekte in Bayern
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Dialekte in Bayern Dialektförderung – Projekte und Akteure
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Dialektförderung – Projekte und Akteure Dialekte in Bayern
260
Dialekte in Bayern Dialektförderung – Projekte und Akteure
261
Dialektförderung – Projekte und Akteure Dialekte in Bayern
1. „Sprache im Fluss“ –
Übersicht
Hintergrund, Ziele,
1. „Sprache im Fluss“ – Hintergrund, Überblick
Ziele, Überblick
262
Dialekte in Bayern Dialektförderung – Projekte und Akteure
Bereicherung im Sinne einer „inneren Mehr- Der Schul- und Kindergarten-Befragung ging
sprachigkeit“ verstanden wird?1 ein Aufruf an alle interessierten Dialekt-
Wie wirken sie sich auf das Sprachverhalten sprecher mit Online- und Printfragebogen-
von Kindern, Eltern und Institutionen aus? Befragung 2010/11 voraus. Die Ergebnisse
Wie ist es um das Prestige des Dialekts und aus der mündlichen Befragung wurden
seine Entwicklung in der Region bestellt? als „Audio-Sprachatlas Altmühl-Jura“ im
Internet zur Verfügung gestellt.
Die Daten der mündlichen Befragungen
sollten möglichst allen in der Region zu-
gängig gemacht werden. Dazu wurde ein
Audio-Sprachatlas für das Forschungsgebiet
eingerichtet. Um eine nachhaltige Wirkung
des Projekts „Sprache im Fluss“ zu erzielen,
wurde ein neues Instrument zur Dialekt-
Aktivierung für die elf Altmühl-Jura-Kommu-
nen entwickelt – der Sprachkulturkalender
2012: Ein Jahr lang fanden Veranstaltungen
zum Dialekt statt, ein Termin pro Monat
und Gemeinde mit einer gemeinsamen
Abschlussveranstaltung. Thematisch und
methodisch wurde dabei ein breites Spek-
trum ausgelotet. Logo des Projekts
263
Dialektförderung – Projekte und Akteure Dialekte in Bayern
Für die Datenerhebung stellte die kleinteilige Im Frühjahr 2011 wurden Schüler, Lehrer und
Gliederung der elf Gemeinden eine Heraus- Eltern flächendeckend an allen 29 Schulen
forderung dar. Bei der mündlichen Befragung der Region und an sieben ausgewählten Kin-
für den „Sprechenden Sprachatlas“ wurde dergärten befragt.
angestrebt, 5–10 dialektsprechende Gewährs-
personen pro Gemeinde entsprechend geo-
graphisch verteilt zu rekrutieren. Insgesamt 2.3 Personelle Ausstattung
hatten bis Februar 2011 bereits ca. 1.000 – Projektteilnehmer
Dialektsprecher an Befragungen zu „Sprache
im Fluss“ teilgenommen. Innerhalb der KU Eichstätt beteiligten sich
die Lehrstühle bzw. Professuren für Didaktik
Die auf diesem Weg gewonnenen Daten Kunsterziehung, deutsche Sprachwissen-
wurden bei der Gestaltung modifizierter schaft, Musikpädagogik und -didaktik, Jour-
Fragebögen zur Befragung an den Schu- nalistik und Geographie. Der Austausch fand
len eingesetzt. Dort wurde neben den allge- sowohl auf Dozentenebene als auch mit den
meinen Sozial-/Sprachdaten differenziert die Studierenden statt. Die Beteiligung von Lehr-
264
Dialekte in Bayern Dialektförderung – Projekte und Akteure
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4.1 Kindergärten
4.2 Grundschule
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Unter der Kategorie „Sonstiges“ werden von und nicht als Karriere-Knick gesehen wird.
den Lehrkäften Erzählkreis, Fingerspiele, Unsere Gesellschaft benötigt Individuen!!“
Unterrichtsgespräche, Projektaufgaben und
Worterklärungen genannt. Insgesamt herrscht eine differenziert abwä-
gende Haltung vor, die sich im Grunde mit
Unter anderem sollte auch eingeschätzt wer- den Empfehlungen der Wissenschaft zum
den, ob sich der Dialektgebrauch der Schüler Nebeneinander von Standardsprach- und
in den letzten Jahren verändert hat, wie viele Dialektkompetenz deckt: „Dialekt sprechen
Dialektsprecher sich jeweils in den Klassen ist wichtig. Man sollte aber auch die hoch-
befinden und ob es einen Zusammenhang deutsche Sprache beherrschen (z. B. Arbeits-
zwischen Herkunft/Sprache der Eltern und platz, Autoritätspersonen, internationale
dem Freundeskreis der Schüler mit dem Dia- Kontakte ...).“
lektgebrauch gibt.
4.5 Eltern
5. Audio-Sprachatlas
Altmühl-Jura
Die bedeutende Rolle der Eltern beim Erst-
spracherwerb liegt auf der Hand: In der Re-
gel sind sie die prägenden Kontaktpersonen.3
Die Befragungen zeigten, dass dies auch bei
der frühen Weitergabe von Dialekt zutrifft.
Wird der Dialekt als Zweitsprache erworben
– also nach der Standardsprache – überneh-
men dagegen oft Peergroups (Freundeskreis,
Mitschüler/-innen etc.) diese Funktion.
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Dann wurden Wortlisten anhand von Bildern Das Projektteam „Sprache im Fluss“ hat sich
abgefragt. Je nach Mut wurden die Kinder deshalb für folgende Lösung entschieden:
alleine, zu zweit oder dritt befragt. Mit den Die Lautung der jeweiligen Lexeme wurde
älteren SchülerInnen fanden ausschließlich standardschriftnah notiert, d. h. es wurde
Einzelgespräche statt, die vom Projektteam auf eine phonetische Umschrift verzichtet.
aufgezeichnet, mitprotokolliert und anschlie- Sonderzeichen wurden weitgehend ver-
ßend geschnitten wurden. mieden.5
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Aus den gesammelten und verarbeiteten gekürt. Dazu wurde mit dem Lehrstuhl für
Sprachaufnahmen entstand ein Audio- Geodäsie und Photogrammetrie der ETH
Sprachatlas für das gesamte Projektgebiet als Zürich (Dr.-Ing. Andreas Donaubauer) eine
Dokument für den „status quo“ des Dialekts interaktive Karte erstellt, auf der die die Teil-
in der Altmühl-Jura-Region zum Zeitpunkt nehmerzahlen je Gemeinde aktuell verfolgt
der Befragung 2011. werden konnten.
Durch seine Online-Verfügbarkeit ist er zu je- Als Preis wurde an Bürgermeister Ludwig
der Zeit jedem zugängig und macht die Um- Eisenreich ein Ortsschild mit dem Berchin-
frageergebnisse für alle nachvollziehbar und ger Dialektnamen „Bacham“ und dem Hecht
hörbar: http://sprachatlas.ku.de. als Protagonist der gleichnamigen Ortssage
überreicht. Der Mundartautor Josef Fechner
Zur Unterstützung des Verständnisses wur- las Gedichte zu seiner Heimatstadt. Schul-
den die Audio-Dateien bei den jeweiligen klassen sangen Dialektlieder und trugen Ge-
Nennungen auf den Karten hinterlegt: dichte und Geschichten im Dialekt vor. Alle
Die Besonderheit der Darstellung im Audio- Beteiligten erhielten das Motiv der Bacham-
Sprachatlas Altmühl-Jura ist die Möglichkeit, Ortstafel als Aufkleber. Der Sprachkulturka-
neben der Themen- und Ortsauswahl eine lender 2012 knüpfte mit Dialekt-Führungen
Altersfestlegung vorzunehmen. daran an.
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Die Texte wurden zum Teil durch eine klas- Ziel war es zum einen, den Zusammenhalt
seninterne, zum Teil durch eine externe der Altmühl-Jura-Gemeinden als gemein-
Jury bewertet. Die Gewinner erhielten eine same Region zu unterstreichen. Zum ande-
Urkunde und Preise. Ihre Texte wurden ren sollte das Selbstverständnis der Dialekt-
teilweise in der Lokalpresse veröffentlicht. sprecher positiv beeinflusst und ihr Selbstbe-
wusstsein gestärkt werden.
Die praktische Umsetzung begann mit einer Daher wurde der Sprachkulturkalender 2012
studentischen Aufführung im Rahmen der vom Projektteam „Sprache im Fluss“ ins Le-
Veranstaltung FLOW im Juli 2011 an der KU ben gerufen: In jeder der elf am Projekt be-
Eichstätt: Es wurden szenische Darstellungen teiligten Kommunen sollte in jeweils einem
aus Macbeth und Romeo und Julia aufge- Monat eine Kulturveranstaltung zum Thema
führt. Dialekt stattfinden – in den Bereichen Musik,
Theater, Literatur, Medien, Geschichte und
Dabei wurde mit verschiedenen Sprach- Kunst. Die Veranstaltungen wurden mit
varietäten gespielt – neben dem sächsischen, Unterstützung von Studierenden der KU
bairischen und fränkischen Dialekt kamen Eichstätt durchgeführt, die im Rahmen
auch Umgangs- und Standardsprache zum von universitären Seminaren am Projekt
Einsatz. teilnahmen.
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3 Die Frage nach der Rolle der Eltern bei der Dialekt-
Hochholzer, Rupert (2008): Die innere Mehr-
weitergabe stellt u. a. Arzberger 2008.
sprachigkeit. Varietäten und Dialekte fördern
die Entwicklung des Sprachbewusstseins. 4 Ein exemplarischer Versuch der Transkription
In: Deutschmagazin H. 5, S. 21-26. ist zu finden bei Schießl 2007. Für Bayerisch-
Schwaben s. Kleiner 2006.
Kleiner, Stefan (2006): Geschriebener Dialekt 5 Lediglich zur Darstellung der Vokalverdunklung
in Bayerisch-Schwaben. Ein Vergleich indi- wurde die Markierung ° eingeführt (vergleichbar
rekt erhobener dialektaler Laienschreibungen dem schwedischen Graphem å in „Småland“).
mit ihren lautschriftlichen Entsprechungen. Vokallängen werden durch Doppelpunkt visuali-
Tübingen. siert (Bsp. „He:na“).
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Im Zuge der Aufwertung der Mundarten hat rungskonzept (= nach Sachgruppen und Un-
auch die Dialektpflege in der Oberpfalz in tergruppen) einen Neuansatz in der Dialektle-
den letzten Jahrzehnten einen bedeutenden xikographie auf der Ebene der syntopischen
Aufschwung erlebt. Dies kommt in der Grün- Wörterbücher (= Ortsmundartwörterbücher)
dung von entsprechenden Vereinigungen dar. Mittlerweile wurden bei weit über 100
und der Initiierung vielfältiger Projekte und Dialektabenden im Rahmen des Oberviech
Aktivitäten zum Ausdruck. Zu nennen sind tacher Dialektforums, einer Arbeitsgruppe
hier in erster Linie das Regensburger Dialekt- mit rund 15 Mitgliedern, ca. 4000 Lexeme
forum an der Universität Regensburg (www. (= Wörter, Ausdrücke, Redewendungen) be-
uni-regensburg.de/forschung/dialektforum), handelt. Nach Abschluss dieser vorbereiten-
die Johann-Andreas-Schmeller-Gesellschaft den Arbeiten (etwa 2017) wird mit der lexi-
e. V. Tirschenreuth (www.schmellergesell- kographischen Darstellung begonnen. Durch
schaft.de), der Arbeitskreis Mundart Weiden, seine Aufmachung dient das „Oberviechta-
die Mundarttage des Landkreises Amberg- cher Wörterbuch“ nicht nur der Dokumen-
Sulzbach, das Mundart-Festival Regens- tation eines breiten Segments des nordbai-
burg (www.mundartfestival-regensburg.de), rischen Wortschatzes, sondern eignet sich
das Mundart-Festival Waldmünchen (www. auch als unterstützendes „Lehrwerk“ im
waldmuenchen.de > Kultur) sowie das Ober- Deutschunterricht aller Schularten zur Be-
viechtacher Dialektforum im Heimatkund- handlung mundartlicher Themen.
lichen Arbeitskreis Oberviechtach e. V. (HKA)
bzw. das „Oberviechtacher Dialektprojekt“ In verschiedenen wissenschaftlichen Publika-
(www.hka-ovi.de). tionen und im Rahmen von Vorträgen (u. a.
bei dialektologischen Fachtagungen) wurde
dieses Konzept bereits vorgestellt und fand
Entstehung, Selbstverständnis aufgrund seiner neuzeitlichen Ausrichtung
und Zielsetzung allgemeine Beachtung. Ausführlich beschrie-
ben ist es in der 2007 in der edition vulpes
Das Oberviechtacher Dialektprojekt wurde (Regensburg) erschienenen Dissertation des
1996 mit der Zielsetzung ins Leben gerufen, HKA-Vorsitzenden Dr. Ludwig Schießl mit
den gesamten originären Dialektwortschatz dem Titel: „Dialektaler Mikrokosmos als dia
des Oberviechtacher Raumes, d. h. alle im lektologischer Brennspiegel. Aspekte einer
Gebiet der Stadtgemeinde Oberviechtach neuen Basisdialektologie am Beispiel des
und der Verwaltungsgemeinschaft Oberviech- „Oberviechtacher Dialektprojekts“.
tach noch aktiv und passiv vorhandenen re-
gionaltypischen, nordbairischen und allge- Parallel zur Wörterbucharbeit entwickelte sich
mein bairischen Ausdrücke zu erfassen und im Laufe der Zeit aufgrund des intensiven
in einem Oberviechtacher Wörterbuch lexiko- Eintauchens in die Materie, der dabei gewon-
graphisch innovativ darzustellen. nenen Erfahrungen und Erkenntnisse sowie
des Auslotens unterschiedlicher Ansätze ein
Dieses Werk, das als so genanntes „Lexiko- breites Spektrum mannigfaltiger dialektpfle
graphisches Lesebuch“ gedacht ist, stellt mit gerischer Aktivitäten, angefangen von Um-
seinem onoma-semasiologischen Gliede- fragen über Schülerprojekte bis hin zu Fort-
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Das „Oberviechtacher Dialektprojekt“ wurde holzer und – vor allem – Prof. Dr. Ludwig Ze-
in seinem Selbstverständnis durch neue Im- hetner, beide Universität Regensburg) sowie
pulse immer wieder neu definiert, sein Betä- Institutionen trugen dazu bei, Denkanstöße
tigungsfeld ständig erweitert und sein (wis- und Anregungen zu erhalten sowie seinen
senschaftlicher) Anspruch erhöht. Die sich Namen (und damit auch den Oberviechtacher
daraus ergebenden weitverzweigten Kontakte Dialektraum) überregional bekannt zu ma-
mit Fachleuten (z. B. Prof. Dr. Rupert Hoch- chen und seinen Stellenwert zu etablieren.
Quasi- Pseudo-
Echte Dialektpflege
Dialektpflege Dialektpflege
Unbewusste „Dialektmiss
Bewusste Dialektpflege
Dialektpflege brauch“
Konservativ Progressiv
Sprecherorientierte
Basisdialekt- Sprachorientierte
Dialektpflege
pflege Dialektpflege
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Mundartautoren aus der Region. In: OHB 6, Einstellungen von Pädagogen in der Schul-
S. 143-150. (SB) region Oberviechtach zum Dialekt – Ergeb-
Dialekt als Grundlage und Gegenstand von nisse einer Umfrage. In: OHB 8, S. 101-119.
Unterrichtsprojekten im Rahmen einer zeit- (SB)
gemäßen Dialektpflege. In: Greule, Albrecht/ Das „Oberviechtacher Wörterbuch“ als Lexiko-
Hochholzer, Rupert / Wildfeuer, Alfred (Hg.) graphisches Lesebuch. Versuch eines Neu-
unter Mitarbeit von Ulrich Kanz: Die bairische ansatzes in der Dialektlexikographie auf der
Sprache. Studien zu ihrer Geographie, Gram- Ebene der syntopischen Wörterbücher. In:
matik, Lexik und Pragmatik. Festschrift Lud- Pohl, Heinz Dieter (Hg.): Akten der 10. Ar-
wig Zehetner. Regensburg 2004 (Regensbur- beitstagung für bayerisch-österreichische Dia-
ger Dialektforum 5), S. 213-228. (LS) lektologie in Klagenfurt 19.-22. September
„Schulregion als Sprachregion“. Darstellung 2007. Klagenfurt 2011 (Klagenfurter Beiträge
eines Projektzyklus. In: Pädagogische Aka- zur Sprachwissenschaft 34-36/2008-2010),
demie der Diözese Linz (Hg.): Dialekt und S. 343-354. (LS)
Schule. Eine Kooperation zwischen Stifter- Dialektpflege zwischen Anachronismus und
Haus und Pädagogischer Akademie der Desiderat – Eine (kritische) Standortbestim-
Diözese Linz. Linz 2004 (Pädaktuell 1/2004), mung unter dem Aspekt eines zeitgemäßen
S. 44-45. (LS) Neuansatzes. In: Harnisch, Rüdiger (Hg.) un-
Dialektaler Mikrokosmos als dialektologischer ter Mitwirkung von Sigrid Gall und Rosema-
Brennspiegel. Aspekte einer neuen Basisdi- rie Spannbauer-Pollmann: Strömungen in
alektologie am Beispiel des Oberviechtacher der Entwicklung der Dialekte und ihrer Erfor-
Dialektprojekts. Regensburg 2007 (Regens- schung. Beiträge zur 11. Bayerisch-Österrei-
burger Dialektforum 12, Sonderband). (LS) chischen Dialektologentagung in Passau Sep-
Dialekt und Schule am Beginn des 21. Jahr- tember 2010. Regensburg 2013 (Regensbur-
hunderts – Anspruch und Wirklichkeit unter ger Dialektforum 19), S. 482-491. (LS)
dem Aspekt neuerer wissenschaftlicher Er- Aspekte einer modernen Dialektpflege. In:
kenntnisse. In: Ferstl, Christian (Hg.): „Dem Förderverein Bairische Sprache und Dialekte
Dorfschullehrer sein neues Latein ...“. Bei- e. V. (Hg.): Rundbrief Nr. 83 / Januar 2015, S.
träge zu Stellenwert und Bedeutung des Dia 43-48. (LS); siehe auch:
lekts in Erziehung, Unterricht und Wissen- www.bpv.de/fachgruppen/deutsch/index.html
schaft. Regensburg 2009 (Jahrbuch der Jo-
hann-Andreas-Schmeller-Gesellschaft 2008), Vorträge
S. 32-48. (LS) Der Einfluss des Französischen auf das
Zwischen Lauttreue und Stilblüte. Dialektver- Bairische (2000 / Oberviechtach / LS)
schriftung in lokalen Tageszeitungen am Bei- Das Oberviechtacher Dialektprojekt als
spiel von Der neue Tag (Weiden, Oberpfalz). Grundlage des „Oberviechtacher Wörter-
In: Kanz, Ulrich / Wildfeuer, Alfred / Zehetner, buchs“ (2002 / Kirchdorf im Wald / LS)
Ludwig (Hg.): Mundart und Medien. Beiträge Das „Oberviechtacher Wörterbuch“ (2005 /
zum 3. dialektologischen Symposium im Bay Regensburg / LS)
erischen Wald, Walderbach, Mai 2008. Re- Das „Oberviechtacher Wörterbuch“ als
gensburg 2009 (Regensburger Dialektforum Lexikographisches Wörterbuch. Versuch
16), S. 289-298. (LS) eines Neuansatzes auf der Ebene der synto-
Aspekte der Namenkunde, des Dialekts und pischen Wörterbücher (2007 / Klagenfurt / LS)
der Museumspädagogik. Beiträge der Ober- Das „Oberviechtacher Wörterbuch“ (OWB)
viechtacher Symposien 2008, 2009, 2010. als Spiegel des nordbairischen Dialekts im
Oberviechtach 2010 (OHB 8). (HKA) Raum Oberviechtach-Neunburg vorm Wald
Der Oberviechtacher Dialektraum in seinen (2008 / Neunburg v. W. / LS)
historischen Bezügen. In: (OHB 8, Tagungs- Zwischen Lauttreue und Stilblüte. Dialektver-
band). (HKA) S. 87-99. (LS) schriftung in lokalen Tageszeitungen (Bei-
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chern, Sprachatlanten und Datenbanken, zu 2003 abgedruckt und damit besonders gewür-
über das Internet abrufbarer Fachliteratur so- digt. Diese Arbeiten trugen folgende Titel:
wie zu weiteren interessanten Internetadres- Die politischen Aussagen Johann Andreas
sen erwähnt. Schmellers in der ersten Hälfte des 19. Jahr-
hunderts mit Schwerpunkt auf die Revolution
Bereits seit 1985 – genau 200 Jahre nach der in Bayern (verfasst von Petra Beer-Dausch);
Geburt des Sprachforschers – verleiht die Beobachtungen zur Mundart in der näheren
Gesellschaft in regelmäßigen Abständen für Umgebung von Haiming in Anlehnung an
hervorragende wissenschaftliche Leistungen Johann Andreas Schmellers Arbeit (verfasst
den mit insgesamt 2.000 € dotierten Johann- von Anja Schadhauser);
Andreas-Schmeller-Preis. Versuch der Erstellung einer bairischen Gram-
matik anhand von Textproben (verfasst von
Um das Interesse, sich auf die Spuren des Michaela Kretz);
„Wortklaubers“ – wie Schmeller sich selbst Phonetisch-phonologische Untersuchungen
zu bezeichnen pflegte – zu begeben, auch bei zu den Vokalen im Beilngrieser Dialekt (ver-
der gymnasialen Jugend zu wecken, wird da- fasst von Petra Sippl-Netter);
rüber hinaus jährlich ein Förderpreis für Se- Wortschwund im Dialekt. Aufgezeigt anhand
minararbeiten vergeben. des Ortsteiles Kornthan der Gemeinde Wie-
sau (verfasst von Mathias Zrenner).
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Dialektförderung – Projekte und Akteure Dialekte in Bayern
fünf Seminararbeiten vergeben wird, die sich emotionale Beziehung zur Heimat. Deshalb
durch ihre inhaltliche und sprachliche Qua- sei es ein wichtiges Anliegen, an den Schulen
lität in besonderem Maße auszeichnen. Die in Bayern bei allen Schülerinnen und Schü-
thematische Ausrichtung wurde beibehal- lern das Bewusstsein dafür zu schärfen, Dia
ten. Über die Vergabe dieses Förderpreises lekt als Wurzel und bereicherndes Element
entscheidet eine Jury der Schmeller-Gesell- der deutschen Sprache zu sehen.
schaft. Der Rechtsweg gegen diese Entschei-
dung ist ausgeschlossen. Bereits im Vorfeld des ersten G8-Abiturs 2011
war der Schmeller-Gesellschaft vom Ministe-
Bewerber um den Johann-Andreas-Schmel- rium ein Muster für ein wissenschaftspropä-
ler-Preis müssen lediglich einen nicht kor- deutisches Seminar zum Rahmenthema
rigierten Abdruck ihrer Seminararbeit über „Dialekte untersuchen und vor Ort erfor-
ihre Schule in der Regel bis Ende März/An- schen“ zugegangen. Mit dieser Themenwahl
fang April an das Johann-Andreas-Schmeller- sollten die Schulen ausdrücklich ermuntert
Gymnasium in Nabburg senden. Genaueres werden, im Rahmen der Oberstufe des acht-
ist der jeweiligen Ausschreibung zu entneh- jährigen Gymnasiums im Fach Deutsch auch
men, die zu Beginn eines jeden Kalender- die ganz besonderen Möglichkeiten zu nut-
jahres erfolgt und vom Kultusministerium zen, die das Thema Dialekte für forschendes
über die Ministerialbeauftragten der Regie- Lernen eröffnet.
rungsbezirke an jedes Gymnasium weiterge-
leitet wird. Außerdem kann der aktuelle Aus- In diesem Entwurf werden als mögliche The-
schreibungstext unter www.schmellergesell- men für Seminararbeiten genannt:
schaft.de/preis/foerderpreis.htm eingesehen Der Dialektgebrauch in der (eigenen) Schule
werden. Meine Familie und die Herkunft des Dialekts –
Ursprungsdialekte und Veränderungen
Dialekt und Massenmedien: „Dahoam is
Die Zusammenabeit mit dem Dahoam“ als bayerische Vorabendserie
Kultusministerium Wortfelduntersuchungen in zwei Orten
(z. B. Heimatort – Schulort)
Die über die Jahre hinweg reibungslose Zu- Dialektale Syntaxstrukturen in der Region
sammenarbeit mit dem Kultusministerium Mundartdichtung vor Ort
stellt für die Schmeller-Gesellschaft eine Mundart im Kabarett
große Hilfe dar. Besonders erfreulich ist, dass Weitere Informationen zu diesem Seminar-
seit einigen Jahren von Seiten des Ministeri- konzept finden sich im Internet unter
ums verstärkt der Wert des Dialekts als Un- www.isb.bayern.de, Suchbegriff: Dialekte.
terrichtsgegenstand hervorgehoben wird.
Die erste Auflage der Handreichung „Dialekte
in Bayern“ ist ein sichtbares Zeichen dieser „Dialekt“ – im W-Seminar
gestiegenen Wertschätzung.
Seit der Reform der gymnasialen Oberstufe
Anlässlich der Ausschreibung des Förder- sind an die Stelle der früheren Facharbeiten
preises 2014 betonte das Ministerium gegen- Seminararbeiten getreten. Diese Seminar-
über der Gesellschaft mit Schreiben vom 15. arbeiten sind von den Schülern im Rahmen
Januar 2014, dass sich die Bedeutung der bay- eines wissenschaftspropädeutischen Semi-
erischen Dialekte in den vielen Facetten an nars (kurz: W-Seminar) anzufertigen. Neben
charakteristischen Ausdrucksmöglichkeiten, den W-Seminaren gibt es auch Projekt-Semi
die dieses sprachliche Register bietet, zeige. nare zur Studien- und Berufsorientierung
Darüber hinaus offenbare die Verwendung (kurz: P-Seminare). Die beiden Seminarfor-
der jeweiligen Mundart auch eine besondere, men unterscheiden sich aufgrund ihrer Kon-
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Dialekte in Bayern Dialektförderung – Projekte und Akteure
zeption grundlegend. Während im W-Semi- veröffentlichte. Ziel dabei war es, vor allem
nar das wissenschaftsorientierte Arbeiten im Lehrkräften hilfreiche Anregungen zur Be-
Vordergrund steht, erfordert die Teilnahme handlung des Themenbereichs „Dialekt im
am P-Seminar vor allem praxisorientiertes Unterricht“ zu geben.
Arbeiten. Wenn nachfolgend von Seminar
arbeiten die Rede ist, dann handelt es sich
also um Arbeiten in W-Seminaren.
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Dialektförderung – Projekte und Akteure Dialekte in Bayern
Folgende Themen für Seminararbeiten wur- hänge zwischen Mundart und zugeschriebe
den dabei gewählt: nem sozialen Status untersucht und dabei
Einflüsse des Dialektgebrauchs auf Bildungs- herausgefunden, dass in einer zunehmend
und Karrierechancen globalisierten Welt vieles dafür spräche,
Dialekt in der Schule am Beispiel des Kepler- lokalen Identifikationssymbolen, wie es etwa
Gymnasiums Weiden im Bereich der Sprache das heimische Bai-
Dialekt in der Werbung risch als vollwertige Varietät des Deutschen
Familienanzeigen im Dialekt ist, mehr Bedeutung einzuräumen, dies im
Dialekt am Beispiel der Kirwa Alltagsleben aber meist gar nicht der Fall
Wie lässt der Oberpfälzer Dampf ab? – Flüche sei. In ihren Seminararbeiten beschäftigten
und andere Schimpfwörter in der Oberpfalz sich die angehenden Abiturienten u. a. mit
Die Küche in der nördlichen Oberpfalz / heimatbezogenen Texten wie etwa dem „Hal-
Speisen im Oberpfälzer Sprachgebrauch lertauer Heimatlied“, mit den Merkmalen und
Dialektausdrücke im Umfeld des Kartenspiels dem Alltagsgebrauch des heimischen Hal-
im Raum Weiden und Umgebung (Irchen- lertauer Bairisch, mit bairischen Sprachin-
rieth, Weiden, Eschenbach) seln in Ungarn oder einem Dialektvergleich
Dialekt im Bereich der regionalen Namen: Bairisch-Westfälisch. Ihre Ergebnisse werfen
Vor-, Haus-, Orts-, Flurnamen in und um ein buntes Licht auf die gar nicht so einfache
Reichenau / Waidhaus Frage, was es bedeutet, wenn jemand sagt:
Moderne Mundart-Liedtexte in Oberpfälzisch „Ich bin von hier.“ (vgl. www.schyren-gym-
Fitzgerald Kusz – ein Nürnberger Mundart- nasium.de > Seminar-Projekte.)
autor
„Toganachtsveichali. Lustia und arnsta
Gadichter nach fränkisch’n Geräid, Band 1“ „Dialekt“ – im P-Seminar
von Alois Josef Ruckert
Auch in den P-Seminaren der gymnasialen
Durchaus hoffnungsfroh stimmt Anna-Vero- Oberstufe könnten Konzepte zur Auseinan-
nika Zöllers Resümee, durch die neuartigen dersetzung mit Themen aus dem Bereich
Seminare im achtjährigen Gymnasium er- der Dialektologie entwickelt werden, „z. B.
gebe sich die Möglichkeit, schulische Dialekt- in Form der Erstellung eines Wörterbuches
pflege in kondensierter Form auf einem be- oder eines Sprachatlas im Kleinen, verbun-
achtlichen (kognitiven) Niveau zu betreiben. den mit den entsprechenden empirischen Er-
Dadurch könne bei entsprechender Resonanz hebungen und der Kooperation mit einschlä-
künftig ein wesentlicher Beitrag dazu geleis gigen Institutionen.“ (Schießl / Bräuer: 113)
tet werden, Dialektpflege am Gymnasium
in eine „professionelle“ Richtung zu lenken, Am „Tag des Dialekts“ erläuterte Dr. Ludwig
die weit über die bisherigen Bemühungen Schießl vom Ortenburg-Gymnasium Ober-
hinausreiche. (Schießl / Bräuer: 109ff.) viechtach Verlauf und Inhalte eines von ihm
selbst für die Schuljahre 2012/13 und 2013/14
Dr. Tanja Eisert vom Schyren-Gymnasium entworfenen P-Seminars mit dem Titel „Haus-
Pfaffenhofen hatte ihren zehnköpfigen Kurs namen und Ortsneckereien in der Schulre-
gleich nach Regensburg mitgebracht. In den gion“. Als Motive, die sicherlich für W-Semi-
Schuljahren 2011/12 und 2012/13 leitete sie nare gleichermaßen zuträfen, nannte er u. a.
das W-Seminar „Dialekt und Identität“. Der Bewusstseinsweckung für überlieferte Kultur-
„Tag des Dialekts“ bot den Schülern die güter, Verbindung und enge Verzahnung mit
ziemlich einzigartige Gelegenheit, ihre For- dem Dialekt im Rahmen einer zeitgemäßen
schungsergebnisse vor einem ausgewie- Dialektpflege sowie Verankerung in der
senen Fachpublikum zu präsentieren. Im Region, als Zielsetzung u. a. Einblick in die
Seminar hatten sie zunächst die Zusammen- Charakteristika des heimischen Dialekts.
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Dialekte in Bayern Dialektförderung – Projekte und Akteure
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Hubert von Goisern. Ein Mundartsänger Der Schrobenhausener Dialekt – ein Dialekt
Mundart in Medien: Analyse des fränkischen an der Sprachgrenze. Geographische Verbrei-
Dialekts am Beispiellied „Wu is mei Heimat?“ tung und phonetische Untersuchung
von Wolfgang Buck Der Westallgäuer Dialekt – Sprachwissen-
Bairisches Deutsch in moderner Popmusik schaftliche Analyse der Mundart von XY und
am Beispiel Claudia Koreck die Bedeutung für ihre Sprecherinnen und
Sprecher
Johann Andreas Schmeller Der westliche Landkreis Fürstenfeldbruck
Briefwechsel zwischen Johann Andreas als schwäbisch-bairisches Dialektgrenzgebiet
Schmeller und Samuel Hopf Dialekte in Bayern – Schwerpunkt Fränkisch
Die Entstehung des ersten umfassenden Die Bedeutung des Spessarts als Dialekt-
bayerischen Wörterbuches von Johann grenze: historische Entwicklung, Merkmale,
Andreas Schmeller Grenzverlauf
Die pädagogischen Vorstellungen Johann Die dialektalen Eigenheiten der Stadt XY
Andreas Schmellers, beeinflusst durch seine und deren Umland
Schulzeit und die Lehren Johann Heinrich Die fränkische Mundart und die Mentalität
Pestalozzis der Franken
Die sozialen Ansichten Johann Andreas Die Nordoberpfälzer Mundart – dargestellt an
Schmellers Beispielen
Die Tagebücher Johann Andreas Schmellers Die Ortsmundart von XY
Einflüsse der Aufklärung auf Johann Andreas Entwicklung und Einflüsse des Dialekts in XY
Schmellers „Bayerisches Wörterbuch“ – Memmingen, Memminger und Memmin-
aufgezeigt am Wortfeld Frau gisches in den Werken von Johann Andreas
Johann Andreas Schmeller als Dialektologe – Schmeller
Beweggründe Oberostfränkische Mundart im Blickwinkel
Johann Andreas Schmeller: Die Bewertung der Dialektsprache bei Jugendlichen
seines Wirkens im Spiegel verschiedener Präsenz und Stellenwert des Dialekts von XY
Gedächtnisreden bei der einheimischen Bevölkerung
Johann Andreas Schmeller: Die Erforschung Sprachkultur – Dialekt – Identität im Land-
des Zimbrischen kreis XY
Johann Andreas Schmeller – ein Sohn der Dialektgeographische Besonderheiten des
Aufklärung in seiner Zeit Ortes XY
Johann Andreas Schmeller und die
Befreiungskriege Sprachinselforschung
Johann Andreas Schmeller und Franz Joseph Das Fersental. Eine deutsche Sprachinsel –
Müller von Schmeller bis heute
Leben, Werk und Wirkungsgeschichte von Dialektraum Banater Schwaben
Johann Andreas Schmeller
Untersuchung des Dramas „Die Ephesier“ Sonstiges
von Johann Andreas Schmeller Aktuelle Diskussion über die Rolle des
Dialekts in Bayern
Ortsmundarten / Regiolekte Bevölkerungswanderungen im Spiegel der
Das Nordbairische in den Landkreisen Dialektgeographie
Tirschenreuth und Wunsiedel Bezeichnungen für Kinderspiele und Spiel-
Der bairische/bayerische Dialekt – sachen anhand der Materialien des Sprach
Beobachtungen in XY und am dortigen atlasses Niederbayern
Gymnasium Deutsch – Schwäbisch – Bairisch: Speise-
Der Dialekt von XY in der Oberpfälzer kartendialekte und ihre Wirkung auf die Kom-
Sprachlandschaft merzialisierung
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Dialekte in Bayern Dialektförderung – Projekte und Akteure
Ferstl, Christian: Dialekt als Gegenstand von stufe des Gymnasiums und stellt Formen der Leistungs-
erhebung sowie Bewertungskriterien vor. Formulare,
P-Seminaren in Gymnasien. In: Jahrbuch der
Muster und Kopiervorlagen sowie bewährte Ideen aus
Johann-Andreas-Schmeller-Gesellschaft 2013 dem einschlägigen Schulversuch (2005-2007) runden das
(ersch. voraussichtl. 2015) Angebot der praxisorientierten ISB-Handreichung ab.
Online: www.isb.bayern.de > Gymnasium > Materialien
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Dialekte in Bayern Dialektförderung – Projekte und Akteure
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Dialektförderung – Projekte und Akteure Dialekte in Bayern
Die Mut machenden Aussagen des Baye- zugehen, gelingt leichter, wenn ich seinen
rischen Bildungs- und Erziehungsplans für Sprachstil kenne, pädagogisch gesprochen,
Kinder in Tageseinrichtungen bis zur Ein- wenn ich Kinder dort „abholen“ kann, wo sie
schulung (2006, kurz: BEP) sowie der Lehr sprachlich stehen. Erforderlich hierzu ist eine
pläne für die bayerischen Schulen, sich in vorurteilsfreie Einstellung der Erzieherinnen
Kindertagesstätten und Schulen aktiv mit und Lehrkräfte gegenüber Mundart spre
dem Thema Dialekt auseinanderzusetzen, chenden Kindern und Schülern.
konnten als weiterer Impuls für die pädago Wertschätzung gegenüber Mundart spre-
gische Arbeit dienen. 2012 kamen die chenden Kindern und Jugendlichen stellt das
Bayerischen Leitlinien für die Bildung und Minimum eines pädagogischen Umgangs
Erziehung von Kindern bis zum Ende der dar. Dabei darf das unabdingbare Ziel von
Grundschulzeit hinzu, die ausdrücklich die Unterricht, die Hinführung zur Hochsprache,
Kontinuität der Förderung im Übergang vom nicht vernachlässigt werden. Dies schließt
vorschulischen zum schulischen Bereich jedoch einen situationsgemäßen Gebrauch
hervorheben und dabei auch den Wert der von Mundart, also eine gewisse „Zweispra
Mundart betonen. chigkeit“ nicht aus.
Die Dialekt sprechenden Kinder und Jugend
Kindergärten und Schulen in Bayern haben lichen sollen unterscheiden lernen, wann
demnach einen klaren Auftrag zur Förderung Hochsprache und wann Mundart angemes
der Mundart; Bildungs- und Erziehungsplan sen ist. So ist Dialekt nicht Hindernis für kind
und Lehrpläne sind die amtliche Grundlage liche Entwicklung, sondern, im Gegenteil,
hierfür, wie ein Beschluss des Bayerischen wertvoll und bereichernd. Ziel ist eine gute
Landtags vom 15.12.2009 unterstreicht. allgemeine Sprachkompetenz in allen Varie-
täten, die der Schüler beherrscht, und deren
angemessene Verwendung, also Zweispra
1.3 Inhaltliche und fachliche chigkeit in Dialekt und Schriftdeutsch“ (Prof.
Grundlagen Anthony Rowley, Referat im Projektplenum,
Prien, März 2013).
Neben den eben genannten Bestimmungen Dem vorschulischen Bereich kommt hinsicht-
und Richtlinien lagen dem Projekt folgende lich der Förderung der Mundart besondere
Überzeugungen zugrunde: Bedeutung zu. Der Bayerische Bildungs- und
Hinsichtlich des Erfolgs mundartlicher Erziehungsplan betont daher: Die Wertschät
Förderung kommt der positiven Einstellung zung der Familie und ihrer Innenbeziehungen
von Kindergarten- bzw. Schulleitung sowie findet im Umgang mit Dialekt sprechenden
der Träger der Kindergärten und der Schul Kindern besonderen Ausdruck; daher sind
aufsicht größte Bedeutung zu. Es geht um Dialekte nicht nur zu respektieren, sondern
Wertschätzung und Unterstützung nicht nur aktiv und engagiert in die pädagogische Ar
der Mundart sprechenden Kinder und Ju beit einzubeziehen.
gendlichen, sondern auch der sie fördernden Ist der Dialekt für ein Kind dieser Altersstufe
Erzieher und Lehrkräfte. die ihm eigene Sprachform, so drückt es da
Mundart schafft kulturelle Identität, zusätz- rin auch sein persönliches Denken und Füh
liche Kommunikationsmöglichkeiten und len am besten und am liebsten aus. Kinder
führt zu einer stärkeren Verbundenheit mit dieser Altersstufe lernen Sprache nicht nur
der Heimat, deren Geschichte, Brauchtum über Nachahmung, sondern vor allem auch
und den Menschen. Es macht keinen Sinn, in der Beziehung zu den Personen, die ihnen
Dialekt und Standardsprache gegeneinander bedeutsam sind. Der „Hunger“ der Kinder,
auszuspielen (Prof. Scheutz), vielmehr sind sich in der Welt zu orientieren, entwickelt
beide unabdingbar wichtig für das Gelingen sich insbesondere an der Sprachfähigkeit der
von Kommunikation. Auf den anderen ein Eltern, Erzieher und Lehrkräfte.
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Dialekte in Bayern Dialektförderung – Projekte und Akteure
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Dialektförderung – Projekte und Akteure Dialekte in Bayern
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Dialekte in Bayern Dialektförderung – Projekte und Akteure
Aufgaben bei einer Dorfrally erfüllen müssen, gebracht? Wann brauchen wir Standard
einheimische und zugezogene Eltern mi deutsch? Diese Unterscheidung mit den
schen, um das Kennenlernen zu fördern. Kindern entdecken.
Geschichten, Gedichte, Lieder etc. im Dialekt
Persönlichkeitsentwicklung erlernen:
In Gesprächen Folgendes erörtern: Wie
spreche ich? Wo komme ich her? Mein Dia Lieder, z. B.:
lekt gehört zu mir, das ist etwas Besonderes Unser bayerisches Geburtstagslied –
an mir! selbstgedichtet (Melodie Volksgut)
Springt der Hirsch über´n Bach (Volksgut)
Wertevermittlung Was braucht ma aufm´m Bauerndorf, was
Gelebtes Brauchtum im Jahreslauf angelehnt braucht ma auf´m Dorf (Volksgut)
an die religiösen Feste. Unser Dorf – ein Bau Ging ein Weiblein Nüsse schütteln
erndorf? Wie war es früher bei uns im Dorf? (Volksgut)
Waren da mehr Bauernhöfe? Diese Fragen I bin a kloana Pumpernickl (Liederheft Bezirk
zusammen mit den Kindern erörtern. Im Rah Oberbayern)
men einer Projektarbeit ist Folgendes mög Beim Bimperlwirt, beim Bamperlwirt (Lieder-
lich: Im Ort lebende ältere Menschen befra heft Bezirk Oberbayern)
gen, Plakate gestalten, Fotos betrachten, evtl. Was is heut für a Dog (Volksgut)
ein Museum zu diesem Thema besuchen. Bin i ned a scheena Hahn (Liederheft der
Was hat unser Dorf Besonderes? Welche Biermösl-Blosn)
Betriebe gibt es, gab es? I bin a Bauernbua, steh auf in aller Fruah
(Liederbuch „Reserl mit´m Beserl“)
Spracherziehung
Dialekt sprechen in Alltagssituationen, an- Gedichte:
dere Dialekte, z. B. von Eltern oder Groß- Auswahl v. a. aus Sieglinde Ostermeier (2011):
eltern, wahrnehmen: Hört sich das anders Kinder, megds Bairisch hean? Verserl,
an? Wie ist die Sprachmelodie? Geschichten, Spiele, durchs Jahr und für
Weitere Fragen: Wann ist der Dialekt an- allerlei Anlässe. prograph.
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Dialektförderung – Projekte und Akteure Dialekte in Bayern
Besuch im Heimatmuseum
über seine Arbeit und zeigt den Kindern von CDs wecken, die sich die Kinder in der
etwas Gefertigtes aus Holz. Freispielzeit anhören dürfen. Volkstänze mit
Siehe auch Förderschwerpunkt „Umwelt- den Kindern einüben und gegebenenfalls et
bildung“. was vereinfachen. Trachtentänze sind für das
Kindergartenalter noch zu schwierig, doch
Bewegungserziehung / Motorische Bildung man kann durch das Zeigen und Nachahmen
Zum Thema Maibaum machen die Kinder einiger Tanz-Figuren die Koordination bei den
in den Bewegungseinheiten eine Sinneser Kindern fördern. Alte Klatschspiele aus der
fahrung Baum. Ein Kind macht sich dabei Kindheit von Eltern oder Großeltern aufgrei
ganz steif und wird wie ein Maibaum aufge fen und mit den Kindern spielen.
stellt. In mehreren Bewegungseinheiten die
typischen Eigenschaften der einheimischen Medienerziehung
Tiere einfließen lassen. Zum Ausprobieren Einsatz von einem Aufnahmegerät zur CD-
des Schuhplattlers ein Mitglied des Trachten Gestaltung
vereins einladen. Bildbetrachtungen über den Beamer, z. B.
Tanzen von bayerischen Volkstänzen, die für eine Persönlichkeit des Ortes
die Kinder vereinfacht wurden. Dazu kann Eingabe einer Geschichte, die die
man sich Unterstützung von außen holen: Kinder erzählen, in den Laptop
vom Trachtenverein, vom Volkstanzkreis, Wünsche für ein ausscheidendes Kind
von einem Volkstanzleiter usw. im Sitzkreis am Laptop mitschreiben
Kurzfilme, z. B. von einem Schuhplattler,
Schöpferisch-kreatives Denken besprechen
Gestalten von Bildern, Ostereiern,
Blumenkarten und allen Basteleien, die Mitwirkung der Kinder am Bildungs- und
im Jahreskreis vorkommen. Schreinern Einrichtungsgeschehen
von Instrumenten in der hauseigenen Durch Abstimmungen entscheiden die
Schreinerei. Kinder z. B. mit, welchen Betrieb sie
besuchen wollen.
Gesundheitserziehung
Wir kochen alle vier Wochen und versuchen (Text: Veronika Bauer, Erzieherin)
dabei, gesunde einheimische Produkte zu
verwenden.
2.2 Grundschule Halfing
Lebenspraktischer Bereich
Kochen von heimischen Gerichten Die bairische Mundart ist in der Grundschule
Vorbereitungen für ein Kindergartenfest, Halfing fest verankert. Die einschlägigen
dazu gehört: Aufräumen, Putzen, Schmücken, Vorgaben des Lehrplans für die Grundschule
Auftritte üben usw. werden hier sehr ernst genommen. Insbe-
Kennenlernen von Betrieben im Ort und sondere die Fächer Deutsch und Musik-
der dazugehörigen Berufe erziehung sowie das Schulleben im Ganzen
leisten hierzu wichtige Beiträge. Weil der
Rhythmisch-musikalische Erziehung Unterricht in der Grundschule – vor allem
Besuch eines musikalischen Familienmit in den Jahrgangsstufen 1 und 2, im sog.
glieds eines Kindes, das uns traditionelle Grundlegenden Unterricht – eng verbunden
bayerische Volksmusik vorspielt, sein Instru ist mit dem Jahreskreis, werden die im Pro
ment vorstellt, auch die Kinder ausprobieren jekt des Bayernbunds vertieften oder neu
lässt und uns beim Singen begleitet. Das entwickelten Praxisbeispiele hier im Jahres
Interesse an bayerischer Musik und baye verlauf aufgezeigt:
rischen Liedern durch die Bereitstellung
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wie „Fingerhackln“, „Maiserl fanga“ oder ner Rundfunkhaus ermöglichte, nahm sich
„Boahackln“durchgeführt. Zum Schluss die Schulfamilie vor, auf vielfältige Weise die
gab’s von Herrn Ober noch einen Jodler, den Freude an der eigenen Mundart zu fördern
er selbst auf seiner Ziach begleitete. und die Wertschätzung für Dialekte zu entwi
ckeln. An fünf aufeinander folgenden Tagen
Resonanz: Schon im Verlauf des Kirta- entstanden Beiträge, die nicht nur den eige
Fests kam bei den Kindern der Wunsch nen Horizont erweiterten, sondern auch die
auf: „Kemma des nächstes Jahr no amoi sprachlichen, musischen und sozialen Fähig
macha?“ Pädagogenherz – was willst du keiten der Schülerinnen und Schüler stärkten:
mehr!
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Schüler der 3a auf. In „Ski am Kilimand Mitsingen. Dettl rockte, was das Zeug hielt,
scharo“ spendeten drei wohlmeinende Bür sprang in die Menge, animierte zum laut
ger Schlitten und Skier für „Schüler helfen starken Mitsingen, und viele junge Fans (aber
Kindern“ und wurden prompt gefragt, was auch deren Eltern) sangen jede Silbe aus
denn Kinder in der äthiopischen Wüste damit wendig mit.
anfangen sollten, da es dort keinen Schnee
gebe. „Doch“, darauf die schlagfertige Ant
wort des Schlittenlieferanten: „Des is so
ähnlich wia auf da Schneekoppe.“
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Projekttag „Bayern“
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Viele Schülerreaktionen zeigen, dass die Pro Nach einer kurzen Einarbeitungszeit in die
jektwoche nicht nur die Freude an der Mund Thematik mittels Referentenvorträge und
art weckte, sondern auch einen intensiveren Referate rund um die bairische Sprache be
Bezug zur Heimatregion herstellte. Großes gann die erste Arbeitsphase. Dazu bastelten
Gewicht bei der Vorbereitung und Durch die Schüler zur Erhebung bairischer Wör
führung wurde auf die Zusammenarbeit der ter laminierte Bilderkarten. So war beispiels
ganzen Schulgemeinschaft (Schüler, Eltern, weise ein Küken abgebildet. Die Seminarteil
Lehrer, Sachaufwandsträger) gelegt. Nur so nehmer erhofften sich, auf diese Weise von
lassen sich Wurzeln dauerhaft verankern. den befragten Personen Ausdrücke wie
„Biwal“ zu erhalten. Des Weiteren haben
(Text: Wolfgang Forstner, Schulleiter) die Seminaristen eine eigene Lautschrift zu
möglichen Aussprachevariationen erstellt,
Fragebögen mit Einverständniserklärungen
2.7 Hertzhaimer-Gymnasium (wegen des Datenschutzes bei Veröffentli
Trostberg chung) für die Interviews erarbeitet und zu
letzt die Zielgruppe der befragten Personen
„So red ma“ – lautete der kurze Titel eines festgelegt.
P-Seminars mit Leitfach Deutsch am Hertz
haimer-Gymnasium Trostberg im Jahrgang In der zweiten Phase, der Testphase, setzten
2011/13, in dessen Rahmen sich 16 Schüle die Schüler ihre Fragebögen und Bildkar
rinnen und Schüler auf die Spuren der bai ten in einem Trostberger Seniorenheim ein,
rischen Sprache im Chiemgau begeben ha da ihrer Meinung nach gerade die Bewoh
ben. Da es sich hierbei um ein projektorien ner eines Altenheims aufgrund ihrer Her
tiertes Seminar handelte, bei dem sich die kunft und ihres Alters am meisten über bai
Seminarteilnehmer nicht nur mit der ge rische Ausdrucksweisen in der Region wis
nauen Zielsetzung des Projekts, sondern sen müssten. In der anschließenden Auswer-
auch mit dem straffen Zeitplan in der Ober tungsphase wurde dann aber festgestellt,
stufe sowie der Kooperation mit externen dass die Ergebnisse nicht mit der Zielsetzung
Partnern konfrontiert sahen, kam es im Laufe des Projekts übereinstimmen. Statt urtypi
des Seminars zu vielen Änderungen und Um scher bairischer Ausdrücke und regionaler
strukturierungen, aber auch zu zahlreichen Ausspracheunterschiede kam interessanteres
wunderbaren außerschulischen Erfahrungen. Material zum Vorschein: Geschichten von
Das Ziel, die Erstellung eines Heimatbuches, früher auf Bairisch erzählt.
musste leider aufgrund des Zeitmangels
kurzfristig aufgeben werden, ein weiteres Im Folgenden führte diese Neuorientierung
P-Seminar zur Fertigstellung und Überarbei des Erkenntnisinteresses zu einer Umstruk-
tung ist aber bereits geplant. Um einen Ein turierung des P-Seminars. Statt „So red ma“
blick in die Arbeit geben zu können, nachfol sollte das Buch nun „So samma“ heißen und
gend ein kurzer Ablauf des Seminars, woraus Orte in der Region, ihre Einwohner und Ge
man Anregungen für eigene P-Seminare zur schichten von früher enthalten – eine Art
bairischen Mundart ziehen kann: Heimatbuch für den nördlichen Landkreis
Traunstein mit der Idee, diese höchst inte
Grundidee des Seminars war es, sich im Ein ressanten Einblicke in die Vergangenheit für
zugsgebiet der Schule auf die Suche nach die Nachwelt festzuhalten. So machten sich
urtypischen bairischen Ausdrucksweisen zu die Schüler in ihre Wohnorte auf, um mittels
machen, hierbei gegebenenfalls Aussprache – nun überarbeiteter – Fragebögen Material
variationen festzustellen und dann die Ergeb für dieses ehrgeizige Projekt zu sammeln, das
nisse in einem Buch mit dem Titel „So red auch von ihren Familien mit großer Aufmerk
ma“ zu veröffentlichen. samkeit verfolgt wurde.
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Dialekte in Bayern Dialektförderung – Projekte und Akteure
In dieser heißen Projektphase musste aller Nach dem Bayerntag haben sich die Semi
dings ein Stopp eingelegt werden: Der Bay- naristen wieder ihrem eigentlichen Projekt
ernbund war auf das P-Seminar aufmerksam gewidmet und ihre bereits durchgeführten
geworden und hatte den Seminaristen die Befragungen ausgewertet und digitalisiert.
Aufnahme in das schulübergreifende Projekt Da aber die Erstellung eines Buches zu viel
„Freude an der Mundart wecken und ver- Zeit in Anspruch genommen hätte, wurde
stärken“ angeboten. Im Zuge dessen waren das Konzept erneut umgestellt: Statt eines
die Schülerinnen und Schüler nicht nur auf Buches gibt es nun einen selbst gedrehten
so manchen Veranstaltungen des Bayern Film, in dem die Schüler über ihre Erfahrun
bundes eingeladen, sondern durften ihr Pro gen während der Projektphase sowie über
jekt auch beim Bayerischen Rundfunk in ei die Ergebnisse der Interviews berichten, aber
ner Take-off-Veranstaltung anderen Schulen auch offen über ihr eigenes Verhältnis zur
vorstellen. bairischen Sprache sprechen – auf Bairisch
natürlich. Weil nun einiges an Material leider
Auch innerhalb der Schule hatte es sich nicht verwertet werden konnte, ist eine Wie
mittlerweile herumgesprochen, dass dass deraufnahme des Projekts zu einem späteren
die Schüler des P-Seminars zu regelrechten Zeitpunkt geplant.
Bayernexperten geworden waren. In der
Folge wurden sie mit der Konzeption eines Wie man an diesem groben Ablaufplan se
SMV-Tags unter dem Motto „Bayern“ be hen kann, bietet die bairische Mundart eine
auftragt. So arbeiteten sie verschiedenste Vielzahl an Möglichkeiten für P-Seminare,
Projekte aus, z. B. das Basteln von Wolper die bei den Schülern großen Anklang finden,
tingern, ein Schafkopfturnier, die Wahl zum denn sie wollen nicht nur bairisch reden,
HGT-Mädl bzw. zum HGT-Buam, Workshops sondern auch mehr über die Mundart an
rund um Trachtenfrisuren und weiß-blaues sich und die bayerische Kultur erfahren und
Nageldesign, geschichtliche Führungen letztliche ihre Heimat, ihre Wurzeln, kennen
durch die Region – die Zubereitung baye lernen. Auch ist die Aufgeschlossenheit
rischer Schmankerl durfte da nicht fehlen. externer Partner zu einem „bayerischen“
Unumstrittener Höhepunkt des Bayerntags P-Seminar enorm. Die Schüler sind von allen
war der Auftritt des Chiemgauer Musikers externen Partnern wie dem Bayernbund, den
Stefan Dettl und Band (http://www.stefan- regionalen Medien, den befragten Personen
dettl.de) in der Aula der Schule. und dem Trostberger Seniorenheim stets
mit offenen Armen empfangen und auch
unterstützt worden, denn viele sehen den
bairischen Dialekt und die bayerische Kultur
vom Aussterben bedroht und wollen zu
deren Erhalt beitragen.
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Dialekte in Bayern Dialektförderung – Projekte und Akteure
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Dialektförderung – Projekte und Akteure Dialekte in Bayern
Militär/Verkehr
Gendarm/Schande gendarme Polizist
Billet billet Fahrschein
Trottoir trottoir Bürgersteig
Bedeutungs-
änderung
Bagasch bagage Meute (urspr. Gepäck)
Partout partout überhaupt (urspr. überall)
Im neuen P-Seminar „Lachen ist gesund“ machen Lust, sich in ihr zu üben. Einen weit
wird der bayerische Humor unter die Lupe hin sichtbaren Höhepunkt des Bemühens um
genommen, angefangen bei Karl Valentin eine lebendige Auseinandersetzung mit der
und Liesl Karlstadt und dem Weiß Ferdl über Sprache und Kultur der Heimat stellten im
den Komödienstadl mit Max Grießer, Maxl April/Mai 2013 zum 60. Jubiläum des Gymna
Graf, Ernie Singerl, Gustl Bayerhammer, siums drei Aufführungen des in altbairischer
Beppo Brehm, Michl Lang und Ludwig Mundart verfassten Stücks „Der Brandner
Schmid-Wildy bis hin zur Biermösl-Blosn, Kaspar schaut ins Paradies“ (Franz von
Gerhard Polt, Bruno Jonas, Django Asül, Kobell, 1871) durch die Theatergruppe des
Herbert und Schnipsi, Michael Mittermeier, Gymnasiums dar. Schulchor und Schulorche
Monika Gruber und Bully Herbig. Anschlie ster wirkten mit. Obwohl die Hauptdarsteller
ßend werden die Seminaristen dazu aufge ursprünglich nicht bairisch sprachen, wurde
fordert, selbst Stücke, Sketche und Standup- das Stück mit großer Begeisterung in der
Comedy in Mundart zu schreiben, zu insze Fassung von Joseph Maria Lutz in Mundart
nieren und auch zu filmen. gespielt und mit viel Musik und Tanz von
über 90 Akteuren aus allen Jahrgangsstufen
Musik und Theater aufgeführt. Insgesamt fast tausend Zuschauer
Bairische Mundart und bayerische Kultur aus der Region spendeten reichlich Beifall.
lassen sich besonders gut in der Musik
ausdrücken. Deshalb widmen sich auch (Text: Frank Schöftenhuber, Studienrat)
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Dialekte in Bayern Dialektförderung – Projekte und Akteure
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Dialektförderung – Projekte und Akteure Dialekte in Bayern
Zielsetzungen und Partner ist und vor allem jugendliche Sprecher dazu
tendieren, auch beim informellen Sprechen
Das Projekt-Seminar zur Studien- und Berufs- die Standardsprache zu verwenden. Zum an-
orientierung (P-Seminar) ist seit der Reform deren sollte bei den Schülern wie auch bei
der Oberstufe des bayerischen Gymnasiums den Interviewpartnern ein Bewusstsein für
ein zentraler Baustein bei dem Bemühen, die den Eigenwert des Dialekts gefördert wer-
Schüler auf ihre künftige Berufswahl vorzu- den. Dazu wurden typische Merkmale des
bereiten. Durch die Zusammenarbeit mit ex- Ostschwäbischen untersucht, wie sie für den
ternen Partnern erhalten die Schüler einen Raum Günzburg kennzeichnend sind. Hierzu
vertieften Einblick in Anforderungen, die von dienten Interviews und Umfragen zum Dia-
Hochschule und Berufswelt gestellt werden. lektgebrauch, die in Form von Audioguides
Während des Seminars kommen sie mit spe- festgehalten wurden.
zifischen Berufsfeldern in Kontakt, die ihr
Interesse für diese oder ähnliche berufliche
Tätigkeiten wecken können.
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Dialekte in Bayern Dialektförderung – Projekte und Akteure
stellen überzeugend die Ergebnisse ihrer Als externe Kooperationspartner für das
Vorrecherchen und weiterer Arbeitsschritte P-Seminar „Wer spricht schon Dialekt?“
im Plenum vor. konnten das IDS Mannheim, die Stiftung
definieren inhaltliche Schwerpunkte für Inter- Zuhören und der Bayerische Rundfunk ge-
views und Umfragen zur Dokumentation von wonnen werden. Hierdurch gelang es, die
Dialektgebrauch und zu Einstellungen zum Schüler mit einer Reihe für sie relevanter
Dialektsprechen. Berufsfelder vertraut zu machen. Durch die
stellen gezielt Fragen, hören aktiv zu, for- wissenschaftliche Unterstützung durch das
mulieren griffige Texte und entwickeln so IDS sowie die konzeptionelle und technische
ihre Sprachkompetenz. Unterstützung bei der Erstellung der Audio-
verbessern systematisch die Ausdrucksfähig- guides durch die beiden anderen Projekt-
keit ihrer Stimme am Mikrophon. partner erhielten sie Einblick in Methoden,
werten die von ihnen geführten Interviews Arbeitsabläufe und Rahmenbedingungen
planmäßig aus und strukturieren die Ergeb- linguistischer Forschung und journalistischer
nisse mit Blick auf die medien- und adressa- Aufgabenfelder.
tengerechte Umsetzung als Audioguide.
unterscheiden journalistische Grundformen
wie Interview, Reportage, gebauter Beitrag Durchführung
bis hin zu künstlerischen Formen wie Collage
und Hörspiel. Von vornherein war vorgesehen, die Ergeb-
sichten zielorientiert ihr Rohmaterial, bear- nisse der Projektarbeit in einem öffentlichen
beiten Audiodateien in einem Tonstudio und Rahmen zu präsentieren. Am geeignetsten
sprechen dabei auch Kommentare ein. erschien dafür die Form des Hörfunkbei-
trags, da die öffentlich-rechtlichen Landes-
Kompetenzen im emotional-affektiven rundfunkanstalten in der Regel über Spar-
Bereich: tenprogramme verfügen, die schwerpunkt-
Die Schüler mäßig eine kulturelle Berichterstattung ha-
diskutieren fremde und eigene Einstellungen ben oder regionale Informationen senden.
zum Dialektsprechen und entwickeln so ein Naheliegend wäre auch die Orientierung an
Bewusstsein von der Bedeutung des Dialekts Programmformaten gewesen, die sich an ju-
für die eigene kulturelle Identität. gendliche Hörer wenden und thematisch
analysieren Kommunikationssituationen und ausgerichtete Sendungen anbieten, wie bei-
erkennen dabei die Möglichkeit und den Nut- spielsweise das Jugend- und Szenemagazin
zen, zwischen Dialekt und Standardsprache Zündfunk auf BR 2.
zu variieren.
gestalten Kommunikationsverhalten Als schwierig erwies sich die Entwicklung
situationsadäquat. eines Konzepts für die Recherchearbeit, da
entscheiden bewusst, an welche Zielgruppe vor allem die Vorstellung von der Art des
sie sich mit den Audioguides vorrangig wen- Hörfunkbeitrags lange diffus blieb und erst
den, und orientieren sich bei Konzeption und in Zusammenarbeit mit der Stiftung Zuhören
Umsetzung der Aufnahmen an den Interes- und dem Bayerischen Rundfunk präzisiert
sen und Erwartungen der Hörer. werden konnte.
antizipieren die Gesprächssituation bei ter-
minlich abgestimmten Interviews mit Einzel Zusätzlich problematisch war die Tatsache,
personen sowie bei Befragungen spontan dass keine Kenntnisse vorhanden waren, was
ausgewählter Gesprächspartner auf der die Gestaltung und technische Realisierbar-
Straße und entwickeln auf diese Weise Sicher- keit von Tonaufnahmen betraf. Mehrere
heit bei der Einschätzung der eigenen Wir- Ansätze, die darauf abzielten, den Sprach-
kung. gebrauch individueller Jugendlicher in
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Dialektförderung – Projekte und Akteure Dialekte in Bayern
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Dialekte in Bayern Dialektförderung – Projekte und Akteure
Sprachliche Auffälligkeiten:
Die Sprachlage der Befragten in der Aufnah-
me ist standardorientiert mit Dialektinterfe
renz in Form von nicht sehr auffälligen Merk-
malen, darunter Konsonanten (das Stereo-
typ isch ‚ist‘) und Reduktionsformen (i hab a
Im Tonstudio des Bayerischen Rundfunks
‚ich habe ein‘) als Art Kompromissform zwi-
schen Dialekt und Standard. Im Basisdialekt
Die Audioguides wäre die Form i hao bzw. i han erwartbar. Ins-
gesamt handelt es sich um typische Formen
Die Auswahl der Orte und Interviewpartner des ostschwäbischen Sprechstandards.
orientierte sich an der Überlegung, möglichst
spontane Gesprächssituationen festzuhalten In den Aussagen der Interviewpartnerin fin-
bzw. Gesprächspartner zu finden, die authen- det sich mit Blick auf die Verwendung von
tisch über ihren Alltag und die Frage nach der Dialekt durch ihre Kunden am Marktstand die
Bedeutung, die Dialektsprechen für sie hat, Einschränkung so richtig Dialekt … so wie im
reden konnten. Sehr häufig wurden von den Münchner Raum ischs net. Dabei handelt es
Schülern dabei einzelne Begriffe abgefragt – sich um einen deutlichen Hinweis auf eine
sowohl in der Form, dass ein schwäbisches Nivellierung des traditionellen Dialekts bzw.
Wort in die Standardsprache übersetzt wer- eine Annäherung an die Standardsprache,
den sollte, als auch in umgekehrter Richtung. die auch bei anderen Sprechern wiederholt
zu beobachten ist.
Immer wieder wurden von den Interviewern
oder den Interviewpartnern auch Schimpf-
wörter und Flüche dokumentiert. Hier scheint
sich ein gewisses Vergnügen an dieser Form
des Dialektgebrauchs zu offenbaren, die auch
an anderer Stelle bemerkt worden ist. Herr-
mann Bausinger vom Ludwig-Uhland-Institut
für Empirische Kulturwissenschaft der Uni-
versität Tübingen verweist jedenfalls auf die
Popularität von Schimpfwörterlexika, die „be-
liebt sind, weil die Einheimischen alte Be-
kannte darin aufspüren und weil sie die Grob-
heiten als eine Art sprachlicher Frischzellen- Befragung einer Bäuerin auf dem Günzburger
therapie betrachten“ (Petershagen: 5). Wochenmarkt
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Dialektförderung – Projekte und Akteure Dialekte in Bayern
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Dialekte in Bayern Dialektförderung – Projekte und Akteure
die Geistlichkeit die Erinnerung an den heid- wahrscheinlich synkopierte Form von ‚ge-
nischen Gott Ziu (ahd. Tiu, steckt in Dienstag lumpig‘ i. S. von unordentlich/unmoralisch).
bzw. engl. tuesday) löschen.
6 Ein schwäbisches Kauderwelsch
Lautlich interessant ist die Entwicklung von Die Schüler testen die Schwäbischkenntnisse
Einsilblern auf -rn zu Zweisilblern durch von Passanten auf dem Marktplatz. Zu Wort
Sprossvokal: Hirn > Hira (so auch bei: Dorn, kommt außerdem der ehemalige Günzburger
Zorn, gern, Turm …). Heimatpfleger Josef Weizenegger, der einige
typisch schwäbische Fügungen erläutert.
4 Ein schwäbischer Ohrenschmaus
Interviewt wird der ehemalige Günzburger Sprachliche Auffälligkeiten:
Heimatpfleger Josef Weizenegger, der einen Etymologisch interessant sind die zwei
Text des Günzburger Mundartdichters An- Dialektbegriffe für Korb: Kredda und Kretza.
dreas Dürr vorträgt. Thematisiert wird außer- Beides leitet sich ab von lat. crattis – aller-
dem die schwäbische Verfasstheit, das heißt dings gibt es zwei Entlehnungszeiträume:
die teilweise selbstironische Sicht der Schwa- einmal vor der Zweiten Lautverschiebung
ben auf ihre eigene Wesensart. (ergab dann im Schwäbischen durch Ver-
schiebung von altem /t/ zu Affrikatlaut ahd.
Sprachliche Auffälligkeiten: kretzo und dial. kretsa) und nach der Lautver-
Lautlich auffällig ist die Wiedergabe des schiebung (ahd. kretto > Kredda).
mhd. â als [ao] in ‚da‘, auch im Witz: ben
a schwaob. Außerdem die Kürzung des 7 Fragerunde
Vokals in 3.Ps.Sg. von mhd stân: er statt In der Fragerunde äußern sich die Teilnehmer
(‚er steht‘). Diese Form ist typisch für das des P-Seminars dazu, wie sie ihren eigenen
Ostschwäbische im sogenannten Ulmer Dialektgebrauch wahrnehmen bzw. welche
Winkel (zwischen Ulm, Günzburg und Un- Rolle der Dialekt in ihrem Alltag spielt.
terallgäu). In dem vorgetragenen Gedicht
finden sich Belege für ein gängiges Sprach- Sprachliche Auffälligkeiten:
klischee: die Verwendung vieler Diminutive, In dem Ausschnitt werden u. a. zwei dialek-
z. B. Bächle, Plätzle. tale Ausdrücke für ‚hinlegen/schlafen‘ behan
delt, nämlich stragga und gruaba. Beide Wör-
5 Dialekt in Vereinen und auf Festen ter sind schöne Beispiele für den Erhalt mit-
Interviewt werden der Erste Kommandant telhochdeutscher Formen im Dialekt. Bei
der Freiwilligen Feuerwehr in Ettenbeuren, stragga (mhd. stracken) handelt es sich um
Zuschauer und aktive Teilnehmer bei Fa- eine im Mhd. gängige, nicht-reflexiv verwen-
schingsumzügen, die Trainerin einer Taek dete Variante von mhd. strecken in der Be-
wondo-Schule in Burgau und Besucher des deutung „ausdehnen, gestreckt liegen“. Spu-
Günzburger Weihnachtsmarkts. ren von mhd. stracken sind im Nhd. im Ad-
verb ‚schnurstracks‘ erkennbar, der Gebrauch
Sprachliche Auffälligkeiten: von mhd. strecken für „legen/liegen“ in Wen-
Die Aufnahmen entstehen an Schauplätzen dungen wie ‚die Waffen strecken‘ oder ,zur
bzw. in sozialen Milieus, in denen Dialekt- Strecke bringen‘.
gebrauch erwartbar ist. Auffällig ist, dass auf
dem Faschingsumzug nur (neues) bairisches Das Wort gruaba geht zurück auf ahd. rou-
Fasching verwendet wird (nicht Fas(t)nacht). wen. Dahinter steckt nhd. ‚ruhen‘, allerdings
Lexikalisch erwähnenswert ist guetsel (‚Gut- mit erhaltenen morphologischen und laut-
lein‘ i. S. von Bonbon; früher spezifisch für lichen Herkunfts- und Entwicklungsmerk-
Weihnachtsgebäck verwendet) und gombiger malen. Im Mittelhochdeutschen wurden be-
Dooschdig (Donnerstag der Fastnachtszeit; stimmte Verben mit dem Präfix ge versehen,
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Dialektförderung – Projekte und Akteure Dialekte in Bayern
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Dialekte in Bayern Dialektförderung – Projekte und Akteure
Interview: Dialekt auf dem Rückzug? man als junger Mensch prestigeempfindlich
ist – und das sind die meisten, dann verän-
Sie haben jetzt unsere Aufnahmen gehört. dert man seine Sprache.
Was fanden Sie besonders interessant?
Die Aufnahmen sind in ihrer großen Band- Also wäre es gar nicht so schlecht, wenn
breite sehr aufschlussreich. Man bekommt das Thema Mundart und Dialekt in der
einen guten Eindruck von der Sprachwirk- Schule einen breiteren Raum einnehmen
lichkeit. Es fällt auf, dass von ein und der- würde?
selben Person teilweise Dialekt gespro- Und wenn nur ein Effekt wäre, dass Be-
chen wird, aber eben nicht nur. Es kommt wusstsein geschaffen wird. Es kursieren da
zu sogenannten Codeswitches, d. h. der einfach noch viele Vorurteile: Der Dialekt-
Sprecher wechselt von einer dialektnahen sprecher ist einfältig, ist blöd, ist unsexy.
Sprechweise zu einer standardnahen – und Die Schule müsste vermitteln, dass Zwei-
umgekehrt. sprachigkeit, also die Fähigkeit, Dialekt und
Standard zu sprechen, eine Repertoireer-
Woran liegt es, dass in städtischen Gebie- weiterung darstellt. Bei Ihrer Generation ist
ten deutlich weniger Dialekt gesprochen diese Zweisprachigkeit noch vorhanden,
wird als in ländlichen? sie kann aber auch schnell verloren gehen.
Ein wesentlicher Grund für die Standard- Beispiel Norddeutschland: Dort beherr-
annäherung in städtischen Gebieten sind schen die jungen Menschen den nieder-
vor allem Kontakte zwischen Sprechern, die deutschen Dialekt meist nur noch passiv.
sich nicht kennen. Da ist es sicherer, den
Standard zu nehmen, also etwas, das ge- Karl-Heinz Göttert vertritt in seinem aktu-
wissermaßen eine Norm ist, weil man dann ellen Buch „Alles außer Hochdeutsch“ die
davon ausgehen kann, dass man von allen These, dass der „tiefe“ Dialekt verschwin-
verstanden wird. In der traditionellen dörf- det und durch regionale Ausgleichsmund-
lichen Gemeinschaft kennt man sich. Das, arten ersetzt wird. Wie beurteilen Sie diese
was ist, bleibt da länger so, auch sprach- Entwicklung?
lich. Man kann das als Chance sehen, dass der
Dialekt an sich überlebt, allerdings in einer
Joseph Weizenegger vom Historischen veränderten Form. Statt I hao koi Luscht
Verein Günzburg nennt als Grund für den sagt man heute I hab kei Luscht. Oder frü-
Rückgang des Dialekts, dass sich junge her hat man gesagt Ä guets nuis. Heute
Menschen schämen, Schwäbisch zu spre- sagt man Ä guets neis. Das ältere basisdia
chen. Stimmt das? lektale ui wird abgebaut, es hält sich aber
Da ist was dran. Unsere eigenen Untersu- eine Ausgleichsform, die großregionaler ist.
chungen zeigen, dass Jugendliche oft den Das ist ja immerhin was.
Dialekt beherrschen, ihn aber nicht ver-
wenden. „Schämen“ passt insofern, als in Diese Mischarten sind ja dann aber kein
Umfragen belegbar ist, dass das Schwäbi reiner, für eine Region typischer Dialekt
sche ein echtes Prestigeproblem hat, und mehr?
zwar im sogenannten Autostereotyp, also So einen Purismus darf man aber auch
in der Eigeneinschätzung, aber auch in der nicht erwarten. Reines Hochdeutsch,
Einschätzung von außen, also im Hetero reinen Dialekt – das hat es ohnehin nie so
stereotyp. Sächsisch schneidet immer richtig gegeben, vor allem nicht im Bereich
ganz schlecht ab, aber dann kommt immer des Hochdeutschen. Sobald Sprache ge-
schnell auch das Schwäbische. Und wenn braucht wird, ist das, was normativ festge-
327
Dialektförderung – Projekte und Akteure Dialekte in Bayern
legt wird, oft nicht Realität. Auch nicht im zen Wechsel zwischen Dialekt und Standard
Bereich des Basisdialekts. den Sprecher bei der grundsätzlichen Auf-
gabe, die soziale Situation zu definieren.
Was würden Sie sich für die Zukunft des Der Dialekt wird von Dialektologen als so-
Dialekts wünschen? genannte Nähesprache bezeichnet, weil er
Dass sich sein Status ändert. Der Reichtum sich insbesondere zum Ausdruck von so-
des Dialekts müsste besser erkannt wer- zialer Nähe und Vertrautheit eignet. Diese
den. Im Dialekt sind viele historische Infor- Möglichkeiten sind es, die Dialektsprechen
mationen gespeichert, z. B. lautgeschicht- so spannend machen.
liche Entwicklungen, die durch Unterschei-
dungen, die der Dialekt hat, dokumentiert
werden und die im artifiziellen Standard Die Fragen stellten Simone Krimbacher
nivelliert sind. Darüber hinaus unterstüt- und Franziska Bigelmaier.
328
Dialekte in Bayern Dialektförderung – Projekte und Akteure
Projektbericht aus der Augsburger Allgemeinen Zeitung vom 24. April 2012, S. 13
329
Dialektförderung – Projekte und Akteure Dialekte in Bayern
331
Dialektförderung – Projekte und Akteure Dialekte in Bayern
„MundART WERTvoll“.
Ein Projekt im Wertebündnis Bayern
Ingrid Ritt
Das im März 2010 vom Bayerischen Minister- Die Bayerische Staatskanzlei und die
präsidenten initiierte Wertebündnis Bayern Bayerische Sparkassenstiftung sind
schafft für junge Menschen neue Gelegen- Förderer und finanzielle Unterstützer von
heiten, Werte zu erfahren, Werte zu diskutie- MundART WERTvoll.
ren und Werte zu bilden. „Gemeinsam stark
für Kinder, Jugendliche und junge Erwach-
sene“ lautet das Motto. Eine zentrale Rolle Begründung und Ziele
spielen dabei Projekte, die durch die Vernet- des Projekts
zung der Bündnispartner entstehen. In den
Projekten können Kinder, Jugendliche und Viele Kinder und Jugendliche sprechen
junge Erwachsene handlungsorientiert den Mundart als Ausdruck ihrer Verbundenheit zu
Wert von Werten konkret erleben: ihrer Heimat und ihrer Identität. Das Projekt
www.bayern.de > Wertebündnis Bayern. MundART WERTvoll will diese Verbundenheit
aufgreifen, neu wecken und fördern. Damit
Mehrere Wertebündnispartner haben sich knüpft das Projekt an Art. 131 Abs. 3 der
2014 im Projekt MundART WERTvoll zusam- Bayerischen Verfassung an: „Die Schüler sind
mengeschlossen. Ziel dabei ist es, den in [...] in der Liebe zur bayerischen Heimat […]
Bayern gesprochenen Mundarten Wertschät- zu erziehen.“
zung entgegenzubringen und den Dialekt bei
Kindern und Jugendlichen zu fördern. Bayerische Dialekte sollen als Ausdruck von
Lebensgefühl, von Identität und Vielfalt wert-
Die Projektträgerschaft wird vom Bayernbund geschätzt werden. Die Beherrschung von
e. V. wahrgenommen. Weitere Projektpartner Dialekten im situativen Sprachgebrauch soll
sind folgende Verbände und Institutionen: als Stärke und Bereicherung für den Mund-
Bayerische Trachtenjugend im Bayerischen artsprecher erkannt und gefördert werden.
Trachtenverband e. V. Mundart bewahren, junge Menschen für
Bayerischer Philologenverband (bpv) Mundart begeistern: Beide Aspekte greift
Bayerisches Staatsministerium für Bildung das Projekt auf. Mundart schafft Vertrautheit,
und Kultus, Wissenschaft und Kunst „Herzenswärme“ (Helmut Zöpfl), zusätzliche
Förderverein Bairische Sprache und Klangfarben sowie eigene Denkansätze zur
Dialekte e. V. Erschließung der Welt.
Katholische Elternschaft Deutschlands,
Landesverband Bayern (KED) Neben der Liebe zur bayerischen Heimat und
Katholische Erziehergemeinschaft Bayern zu ihren – nicht nur sprachlichen – Traditi-
(KEG) onen will das Projekt auch die Wertschätzung
Landeselternvereinigung der Gymnasien in anderer (Regional-)Kulturen und ihrer Spre-
Bayern e. V. cher fördern und den Wert kultureller Vielfalt
Landesmediendienste Bayern e. V. unterstreichen. Dialektsprecher sollen mit der
Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungs- Wahrnehmung ihrer sprachlichen und künst-
forschung (ISB) lerischen Ausdrucksfähigkeit Selbstbewusst-
Verband Bayerischer Sing- und Musik- sein und Kreativität in innovativen Formen
schulen (VBSM) entfalten. Die vielfältigen Möglichkeiten der
Neuen Medien gehören hier dazu.
332
Dialekte in Bayern Dialektförderung – Projekte und Akteure
333
Dialektförderung – Projekte und Akteure Dialekte in Bayern
In Teil IV dieser Handreichung wurden bereits bei den Gesamtfränkischen Kinder- und
wichtige Akteure der Dialektförderung vorge- Jugendtheatertagen. Bei allen Veranstal-
stellt: tungen gibt es kurze Stücke oder Ausschnitte
Bayerischer Rundfunk aus abendfüllenden Produktionen zu sehen.
Bayerische Staatsbibliothek Publikum und Medien erhalten so einen
Unterfränkisches Dialektinstitut guten Einblick in die aktuelle Mundartszene.
Katholische Universität Eichstätt
Oberviechtacher Dialektprojekt Bei den Gesamtfränkischen Mundarttheater-
Bayernbund e. V. tagen wird seit 1996 das Theaterpärla an die-
Johann-Andreas-Schmeller-Gesellschaft jenige Gruppe vergeben, die mit ihrer Präsen-
Schwäbisches Literaturschloss Edelstetten tation am meisten beeindruckt. Für die Kin-
Wertebündnis Bayern der- und Jugendgruppen gibt es seit Kurzem
auch eine Auszeichnung: das Theaterfränzla.
Da im Rahmen dieser Handreichung nicht
alle Partner der Dialektförderung in einem
eigenen Beitrag vorgestellt werden können, Bairische Sprache und
finden Sie nachfolgend in alphabetischer Mundarten Chiemgau-Inn e. V.
Reihenfolge exemplarische Hinweise auf ein
breites Spektrum weiterer Institutionen, Der Verein Bairische Sprache und Mundarten
Vereine und Verbände, die sich ebenfalls mit Chiemgau e. V. (www.bair-sprache-chiemgau.
großem Engagement um die Förderung der de) wurde 2001 gegründet und hat seinen
bayerischen Dialekte bemühen und dabei Sitz in Traunstein. Er zählt über 500 Mitglieder
auch mit Schulen zusammenarbeiten: und bemüht sich auf vielen Ebenen um eine
Aufwertung der bayerischen Dialekte. Der
Verein veranstaltet Lesungen mit heimischen
Arbeitsgemeinschaft Mundart- Mundartdichtern und Vorträge zur bairischen
Theater Franken e. V. Sprache und gibt die Zeitung Bairische Spra-
che heraus. Besonderes Gewicht wird auf die
Die Arbeitsgemeinschaft Mundarttheater Beratung von Kindergärten, Schulen, Verbän-
Franken e. V. (www.mundart-theater-fran- den und Vereinen gelegt, um die Jugend für
ken.de) verbindet seit 1981 Theatergruppen, den heimischen Dialekt zu gewinnen.
Autoren und andere, die sich mit den frän-
kischen Mundarten befassen. Die ARGE um-
fasst die Regionen Hohenlohe-Franken, Mit- Bayerische Landeskoordinierungs-
telfranken, Oberfranken, Thüringen-Franken stelle Musik
und Unterfranken. Vereinsziel ist die Förde-
rung fränkischer Spielgruppen und Autoren. Die BLKM (www.blkm.de) wurde im Sep-
tember 2011 als eine Arbeitsgemeinschaft
In den Bezirken Unter-, Mittel- und Oberfran- des Staatsministeriums für Bildung und Kul-
ken finden jährlich Mundarttheatertage statt. tus, Wissenschaft und Kunst (StMBW), des
Alle zwei Jahre gibt es ein großes gemein- Staatsministeriums für Arbeit und Soziales,
sames Treffen bei den Gesamtfränkischen Familie und Integration (StMAS) sowie des
Mundarttheatertagen. Die Jugend trifft sich Bayerischen Musikrats (BMR) gegründet. Ziel
334
Dialekte in Bayern Dialektförderung – Projekte und Akteure
335
Dialektförderung – Projekte und Akteure Dialekte in Bayern
Rundfunks, bei der rund 10.000 bairische, und der Vorsitzende des Fördervereins
fränkische und schwäbische Dialektwörter Bairische Sprache und Dialekte e. V. in
eingereicht wurden. einer gemeinsamen Presserklärung den
hohen Wert des Dialekts und forderten eine
Der Landesverein ist Mitglied der Arbeits erheblich stärkere Positionierung der
gemeinschaft Der Bayerische Heimattag (seit Dialekte in der Spracherziehung an den
1949) und veranstaltet alle zwei Jahre zusam- Schulen. Die Eltern wurden dazu ermuntert,
men mit dem BUND Naturschutz in Bayern selbstbewusst Dialekt zu sprechen. Nur so
sowie dem Verband Bayerischer Geschichts- könne die Mundart erhalten bleiben.
vereine den Bayerischen Heimattag, der die
gemeinsame Arbeit der drei Verbände koordi-
niert und mit den angeschlossenen Vereinen Bayerischer Trachtenverband
und Institutionen die Interessen von über ei-
ner halben Million Menschen vertritt. Im Juni „Tradition und Fortschritt. Lederhose und
2015 fand der 38. Heimattag in Murnau statt. Notebook. Das vereint der Bayerische
„Heimat-Bilder. Klischee und Wirklichkeit“ Trachtenverband“, so die Selbstbeschreibung
lautete das Thema. auf seiner Hompage (www.trachtenverband-
bayern.de). Der e. V. zählt 165.000 Erwach-
In jüngerer Zeit hat der Landesverein auch sene und über 100.000 Kinder und Jugend-
eine Reihe von Projekten begleitet, die Kin- liche zu seinen Mitgliedern, organisiert in 22
der, Jugendliche und junge Erwachsene dazu Gauverbänden, und engagiert sich in den
anregen, sich mit ihrer unmittelbaren Umge- Bereichen Trachtenpflege und Trachtenfor-
bung zu beschäftigen, darunter das Projekt schung, Volkstanz und Schuhplattler, Volks-
Geschichte vor der Tür und Heimatgeschich- lied und Volksmusik, Öffentlichkeitsarbeit
ten – here‘s my story. Im Rahmen des Pro- und Internet sowie Mundart, Brauchtum
jekttags Obacht Heimat – Schülerinnen und und Laienspiel. Zahlreiche Jugendprojekte
Schüler erforschen ihre Heimat werden seit sollen dabei das Brauchtum mitsamt den
2013 acht Workshops für Kinder und Jugend- bayerischen Dialekten an die nachwachsende
liche ab der 3. Jahrgangsstufe angeboten. Generation weitergeben.
336
Dialekte in Bayern Dialektförderung – Projekte und Akteure
337
Dialektförderung – Projekte und Akteure Dialekte in Bayern
Mit Blick auf die junge Generation wird seit Was die Mitglieder des FBSD antreibt, ist die
2001 aus den Spenden der Mitglieder alljähr- Beobachtung, dass der Anteil der jungen Be-
lich für alle acht Gymnasialbezirke jeweils ein völkerung in Bayern, die bairische Mund-
Preis für herausragende Fach- bzw. Seminar- art spricht, dramatisch schrumpft. Standard-
arbeiten von bayerischen Schülerinnen und und vermeintliches Hochdeutsch dominieren
Schülern vergeben, die sich mit Themen zur nicht nur in den Städten, sondern durchdrin-
bayerischen Geschichte, Gegenwart und Kul- gen zunehmend auch ländliche Siedlungs
tur befassen. Die beste Arbeit erhält als Lan- gebiete. Dabei ist nur wenigen bewusst, dass
dessieger ein doppeltes Preisgeld. Auch da- mit dem Verlust der Mundarten auch das
durch legt der Bayerische Club Zeugnis ab älteste Kulturgut der Bayern, ihre Sprache,
von seinem Bekenntnis zu Bayern, zu seiner unwiederbringlich verloren geht.
Kultur, seiner Geschichte, Gegenwart und
Zukunft. Gleichzeitig wird für die Einsicht Die Aktivitäten des FBSD umfassen die Zu-
geworben, dass es in einer immer schneller sammenarbeit mit Kindergärten und Schu-
zusammenwachsenden und dadurch immer len sowie Referate über die bairische Sprach-
einheitlicher werdenden Welt umso wichtiger geschichte. Zudem werden Kontakte zu Me-
ist, sich seiner Heimat auch kulturell bewusst dien und Politikern, zu Sprachforschern und
zu bleiben. Sprachkennern, zu Brauchtumsvereinen und
Volksmusikgruppen gepflegt. Einen guten
Einblick in das vielfältige Engagement des
Förderverein Bairische Sprache FBSD um die bairische Sprache vermittelt
und Dialekte e. V. der Jubiläumsrundbrief Nr. 84 vom Mai 2015,
der auf 25 Jahre Vereinsarbeit zurückblickt.
Der Förderverein Bairische Sprache und Dia- Aus diesem Anlass wurde auch das Mundart-
lekte e. V. (www.fbsd.de), kurz FBSD, wurde Ratespiel Woaßt as? entwickelt und für inte-
1989 aus Sorge um die bairische Sprache ge- ressierte Schulen in einer preiswerten Aus-
gründet. Aus der Gründergruppe erwuchs gabe bereitgestellt.
338
Dialekte in Bayern Dialektförderung – Projekte und Akteure
Hanns-Seidel-Stiftung
Seit ihrer Gründung am 11. April 1967 betreibt
die Hanns-Seidel-Stiftung (www.hss.de)
politische Bildungsarbeit mit dem Ziel, die
„demokratische und staatsbürgerliche Bil-
dung des deutschen Volkes auf christlicher
Grundlage“ zu fördern. Das Thema Heimat
darf dabei nicht fehlen, wie schon das Son-
derheft 2/2003 der Reihe Politische Studien
zeigt. Der Titel: Heimat Bayern – Identität mit
Tradition und Zukunft.
339
Dialektförderung – Projekte und Akteure Dialekte in Bayern
Literaturarchiv Sulzbach-
Rosenberg
Zu den zentralen Aufgaben des Literatur
archivs Sulzbach-Rosenberg in der Oberpfalz
(www.literaturarchiv.de) gehört die Samm-
lung, Ordnung und Archivierung von Mate-
rialen zur deutschsprachigen Literatur seit
Den Schwerpunkt der landesweiten Tätig- 1945. Grundstock des Archivs ist der Nach-
keit des HdBG bilden Ausstellungen zur Ge- lass von Walter Höllerer, der von 1945-1979
schichte Bayerns. Wanderausstellungen zusammen mit Hans Bender die Zeitschrift
führen in alle Regionen des Freistaats. Die Akzente herausgab. Neben dieser Sammlung
großen, alljährlich stattfindenden Landesaus- besitzt das Archiv jedoch auch Manuskripte
stellungen sind stets ein Publikumsmagnet deutschsprachiger und einiger osteuropä-
wie 200 Jahre Franken in Bayern (2006), Wie- ischer Gegenwartsautoren, Schenkungen aus
deraufbau und Wirtschaftswunder (2009), dem Bereich der Mundartliteratur und der
Götterdämmerung. Ludwig II. (2011) oder Literatur der Egerländer sowie ein Presse-
Ludwig der Bayer. Wir sind Kaiser! (2014). archiv.
2015 lautete das Thema Napoleon und Bay
ern, 2016, anlässlich des 500-jährigen Jubilä- In der Dauerausstellung wird neben der
ums des Reinheitsgebots wird es im nieder- Gruppe 47 auch die Regionale Literatur prä-
bayerischen Aldersbach um Bier in Bayern sentiert mit Exponaten von Eugen Oker, Sieg-
gehen, 2017 um Süddeutschland um 1500. fried Lanzl, Georg Britting, Hans-Joachim
340
Dialekte in Bayern Dialektförderung – Projekte und Akteure
341
Dialektförderung – Projekte und Akteure Dialekte in Bayern
342
Dialekte in Bayern Sprache, Heimat, Werte
Teil V
Dialektdichtung
Dia
Buch- und Hörempfehlungen
Literaturrätsel
lekt
dich
tung
Pod
i um
sdi
sku
ssio
n
343
Dialektdichtung Dialekte in Bayern
„Sprache in der Wirklichkeit – Wirklichkeit in art zu schreiben, weil das meine eigene Spra-
der Sprache“ lautete im Spätsommer 2013 che ist, aber auch um die Leute besser zu er-
das Thema der 58. Ferientagung für Deutsch- reichen, die in der für mich bedrohten Heimat
und Geschichtslehrer an den Gymnasien. Ta- leben.
gungsort dieser vom Staatsministerium für
Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst KRISCHKER: Das war bei mir ganz ähnlich.
finanzierten und von der Akademie für Leh Ich habe gemerkt, dass ich, wenn ich in der
rerfortbildung und Personalführung (ALP) Sprache dichte, in der ich denke, mehr Leute
durchgeführten Lehrerfortbildung war das erreiche als ein literarisches Publikum – man
Gästehaus der Abtei Münsterschwarzach. erreicht auch ein Publikum, das sich über-
Fragen des Dialekts nahmen im Rahmen der haupt nicht mit Literatur beschäftigt.
Tagung gebührenden Raum ein. Vier Auto Was leistet Mundart? „Leisten“ ist ein ganz
ren – Friedrich Brandl aus der Oberpfalz, Ger- blöder Begriff. Meine Mundart ist ganz faul,
hard C. Krischker aus Oberfranken, Helmut die hockt in der Wirtschaft, am Stammtisch.
Haberkamm aus Mittelfranken und Josef Ist das emotional? Ich denke, die Mundart
Wittmann aus Oberbayern – gaben in einer „leistet“ im Emotionalen viel mehr, als es die
Abendlesung am 3. September Einblick in ihr hochdeutsche Sprache kann. Zum Beispiel,
Schreiben in der Mundart und präsentierten was Helmut Haberkamm gestern vorgelesen
Beispiele aus ihrem lyrischen Schaffen. Am hat, mit dem „sodderla, etzerdla“: nicht nur
nächsten Morgen erörterten sie zusammen wegen der Verkleinerung – da wird etwas Fa-
mit dem Gymnasiallehrer und Dialektpfleger miliäres geschaffen und etwas Emotionales.
Dr. Ludwig Schießl aus Oberviechtach die Dann hat die Mundart bei mir auch den Vor-
Möglichkeiten und Grenzen von Dialektdich- teil gehabt, dass man mir meine kritischen
tung. Die Podiumsdiskussion wurde von Dr. Äußerungen zum Lokalgeschehen in Bam-
Gottlieb Gaiser (ALP) moderiert und doku- berg viel eher abgenommen hat, als wenn
mentiert. Im Folgenden werden die zentra- ich auf dem hochdeutschen hohen Ross da-
len Diskussionspunkte des 100-minütigen Ge- hergekommen wäre. Die haben gesagt: Der
sprächs zusammengestellt: spricht unsere Sprache, das ist einer von
uns.
344
Dialekte in Bayern Dialektdichtung
rückblickend betrachtet, richtig furchtbar. WITTMANN: Ich bin zunächst einmal in der
Aber ich habe gemerkt, mit dem Hochdeut- Mundart aufgewachsen, meine Eltern ha-
schen komme ich mir und meinem Erleben, ben bairisch mit mir geredet und Deutsch
meiner Umwelt, nicht besonders nahe und war die erste Fremdsprache. Die habe ich in
was ich sagen will, kann ich damit nicht aus- der Schule gelernt und sie war kein Hinder-
drücken. nis, das muss ich ganz klar sagen. Wer seine
Mein erstes Mundart-Gedicht habe ich, Mundart beherrscht, lernt auch Deutsch feh-
glaube ich, mit 20, 21 geschrieben und da lerfrei, weil er schon ein Ausdrucksvermö-
habe ich plötzlich gemerkt: Mundart ist die gen und Präzision aus der Mundart mitbringt.
Sprache, die einfach echt ist, die das ein- Der geht nicht die Treppe „hoch“, der geht
fängt, was ich erlebt habe, die die Land- „auffe“ und weiß dann, dass das „hinauf“
schaft, den Ort trifft, den ich kenne, und die heißt und dergleichen mehr.
Menschen erreicht, die mir wichtig sind. Dann habe ich natürlich, wie alle anderen
Ich glaube, Mundart hat immer einen sehr auch, meine erste Primanerlyrik auf Hoch-
starken Du-Bezug oder Wir-Bezug, immer auf deutsch verbrochen und war einfach noch
das Publikum hin, während die Hochspra- nicht bei einem Deutsch angekommen, das
che für mich eher etwas Abstraktes, Abgeho- mir entsprochen hat. Jeder Lyriker muss erst
benes ist. einmal die Sprache, die er benutzt, zu einer
Und dann habe ich angefangen, Mundart atmosphärischen Dichte führen, damit er
auch deswegen zu schätzen, weil sie einen ei- überhaupt Lyrik erzeugen kann. Und das ist
genen Wortschatz hat, einen eigenen Rhyth- mir in Bairisch leichter gelungen als in Hoch-
mus, eine eigene Musik, eine eigene Gram- deutsch. Deswegen habe ich in den ersten
matik. Mir ist richtig aufgegangen, worin der zwanzig Jahren ausschließlich in Bairisch
Reichtum der Mundart eigentlich besteht, Lyrik verfasst. Erst mit zunehmender Sattel-
und das finde ich etwas Wunderbares. festigkeit – nicht nur im Deutschen – habe
Und je mehr ich geschrieben habe, desto ich gelernt, aus Deutsch eine Literaturspra-
reizvoller fand ich es, weil die Mundart ja che zu machen.
immer weggeht vom Duden-Deutsch, Wenn ich etwas mit Abstrakta, wenn ich
also von den Regeln, den Normen, den Ge- etwas ganz scharf, präzise ausdrücken muss,
setzen. Mundart hat etwas Anarchisches, ist mir die Schriftsprache deutlich lieber,
etwas Subversives. Ich kann schreiben, wie natürlich auch für alle technischen Belange.
ich will. Überall dort, wo es aufs Klangliche, auf die
Musik ankommt, benutze ich den Sprach
reichtum der Mundart.
345
Dialektdichtung Dialekte in Bayern
Gibt es Gegenstände, die Sie bevorzugt in im Bereich des Konkreten bleiben. Wie Sie
der Mundart behandeln? sagten, Herr Wittmann, mit Abstrakta kann
ich kein Mundart-Gedicht schreiben.
WITTMANN: Grundsätzlich ist die Mundart
eine vollwertige Sprache. Es gibt kein Tabu, Sehen auch die anderen Autoren Grenzen in
man kann über alles reden. Trotzdem gibt es dem, was Mundart leisten kann?
Grenzen. Wo man wirklich Abstrakta benutzt
und mit Begriffen wie „Freiheit“ oder „Soli- BRANDL: Ich möchte es nicht als Grenzen
darität“ umgeht, ist die Mundart nicht mehr bezeichnen. Der Bereich, der unmittelbar um
zuständig. Und dann gibt es noch das Hono- mich herum ist und einhergeht mit einer ver-
ratioren-Bairisch, also eine Zwischenform meintlichen Bedrohung, den ich so vielleicht
zwischen Mundart und Hochsprache. Wenn als Heimat definiere, war für mich ein Anlass,
jemand schon sagt: „Ezd werds Zeit ozum- in Mundart zu schreiben.
fanga“, bekomme ich Ohrenkrebs, weil das Je mehr ich diesen Kreis erweiterte, umso
einfach nicht Mundart ist. Das ist ein Hoch- mehr bin ich von der Mundart weggegangen,
deutsch, das sich einen Mantel umhängt und zum Beispiel als ich meine Gesteinstrilogie
durch und durch falsch ist. Dann muss man geschrieben habe: „schiefer“ ist Nordbayern,
auch mal sagen: Stopp jetzt, dann reden wir hat nichts mit der Oberpfalz zu tun. „granit“
hochdeutsch weiter. ist eine gemeinsame Basis von Böhmen und
Bayern. Da wollte ich nicht mit Mundart an-
SCHIESSL: Wir haben ja hier vier Hochka fangen, da habe ich auf Begriffe zurückgegrif-
räter, die nicht nur spontan in der Mund- fen, die im Hochdeutschen angesiedelt sind.
art schreiben, sondern, wie wir eben gehört Ich fühle mich darin mittlerweile auch sehr
haben, auch über Mundart auf einer Meta- wohl.
Ebene reflektieren. In meinen Augen ist es
die Basis für einen guten Mundart-Dichter, HABERKAMM: Ich denke, dass es eine rich-
dass er über sein Tun auf einer Meta-Ebene tig große Herausforderung ist, in der Mund-
reflektiert, in vielerlei Hinsicht: was die Spra- art Themen zu besetzen, die erst einmal un-
che betrifft, was die Thematik betrifft und angenehm sind. Die NS-Zeit in fränkischen
was die Verschriftung betrifft. Dörfern zum Beispiel hat kein Mensch gern
In meinen Augen ist ein Mundart-Gedicht öffentlich thematisiert. Oder Themen wie De-
dann gegeben, wenn es originäre Elemente pression oder Gewalt in der Ehe, dass Frauen
in der Mundart verwendet: Lautung, Lexik von ihren Männern geschlagen werden, dass
und Thematik. Und da muss ich weitgehend Männer saufen, dass Frauen saufen, dass
346
Dialekte in Bayern Dialektdichtung
Kinder missbraucht werden. Dass man sol- BRANDL: Ist Mundart-Literatur nicht über-
che Themen für die Mundart-Gedichte auch haupt ein Widerspruch? Mundart ist gespro-
thematisch erobert, finde ich wichtig, sonst chene Sprache und Literatur geschriebene
überlebt auch die Mundart-Literatur nicht, Sprache. Ich kann mich an eine Tagung vor
wenn sie Tabus und dunkle Flecken ausspart. etwa dreißig Jahren im Literaturarchiv in
Anders ist es mit der Struktur der Sprache. Sulzbach-Rosenberg erinnern, da hat Joseph
Ich denke, dass Abstraktes für uns in der Berlinger eine interessante These aufge-
Mundart schwierig auszudrücken ist, weil stellt, die ich nur sinngemäß zitieren kann:
zumindest meine Mundart Wörter wie Un- „Mundart-Literatur hat immer etwas Oppo-
gerechtigkeit, Hoffnung, Liebe nicht kennt, sitionelles, denn wenn ich Mundart schreibe,
sondern immer verbal umschreibt: „Ich stehe ich im Widerspruch zum Gedruck-
moochdi“. Aber „Ich liebe dich“ ist etwas ten“. Jede Mundart-Literatur ist irgendwo
Schriftdeutsches, das ist vom Konzept her politisch: entweder weil sie ganz brave The-
schon etwas Fremdes. men hat, dann wird sie von der Politik verein-
Das heißt nicht, dass der Mundart-Sprecher nahmt, oder weil sie opponiert.
weniger liebt, sondern er drückt sich nur
völlig anders aus. Mundart ist ein anderes KRISCHKER: Nochmal zur Verschriftung:
sprachliches und mimisch-gestisches System. Sie ist natürlich immer ein Kompromiss,
Wer das nicht kapiert, missversteht Mundart aber wie will ich sonst meine „Literatur“
von vornherein. Es ist also auch ein exklusi- unter die Leute bringen? Ich kann ja nicht
ves System: Das versteht nur der, der drin- immer hingehen und vorlesen. Das Schrift-
nen ist, der draußen steht, versteht es schon bild ist immer ein Annäherungswert, weil
mal nicht richtig. man den besonderen Klang nie mit unseren
Buchstaben trifft. Bei uns heißt zum Beispiel
der Neptun „goblmoo“. Weder das „gobl“
Mündlichkeit vs. Schriftlichkeit? noch das „moo“ ist auch nur annähernd mit
unseren Buchstaben herzustellen. Insofern
Nun unterscheidet sich aber Mundart in ih- ist es natürlich immer gesprochene Sprache,
rem alltäglichen Gebrauch von der Verwen- aber man muss sie irgendwie unter die
dung in literarischen Texten, vor allem wenn Leute bringen.
die Texte in Buchform veröffentlicht werden
sollen. Wie lösen Sie das Problem der Ver- WITTMANN: Ich habe genau so angefangen
schriftung? wie Gerhard Krischker und habe versucht,
dem gehörten Bairisch schriftlich irgendwo
KRISCHKER: Ich schreibe, wie ich spreche nachzukommen – gemeint ist das ethnische
oder wie ich es mir abhöre. Es gibt bei mir Bairisch und nicht das Staatsbayerisch mit
auch keine Groß- und Kleinschreibung – „ay“, das bekanntlich ja drei Sprachen um-
gemäß dem Bonmot von Eggimann: Er hat fasst: Fränkisch, Schwäbisch und Altbairisch.
noch nie jemanden gesehen, der die Sub- Dann entstehen manchmal Wort-Würmer,
stantive groß und die Verben klein gespro- die man ganz langsam lesen muss, damit
chen hätte. Ich lausche es also ab. Zum man überhaupt versteht, was gemeint ist.
Beispiel „Stein“ heißt bei mir „schdaa“. Und diese Verlangsamung ist auch etwas
Der Bamberger sagt: „do bleibt ka schdaa Wichtiges. Ich finde es ausgesprochen gut,
aufm annern“. Das schreibe ich dann klein: dass man zurück in die Position eines ABC-
„s-c-h-d-a-a“ – meiner Meinung nach völlig Schützen gestürzt wird, der erst einmal ein
korrekt. In Bamberg aber hat es dazu geführt, Schriftbild verinnerlichen muss, um dann zu
dass ein Teil der Leute das mit dem Satz rätseln: Was könnte das heißen? Dadurch
abgelehnt hat: „Dem sein Zeug kannst du wird nämlich das Denken angeregt und es
nicht lesen.“ kommt ein ganz anderer, langsamerer, gründ-
347
Dialektdichtung Dialekte in Bayern
licher Leseprozess zustande. Wenn man Ich habe die Groß- und Kleinschreibung bei-
glaubt, man kann mit einem Blick eine halbe behalten, weil ich finde, dass das eine Lese-
Seite erfassen, liest man Dinge, die gar nicht erleichterung darstellt. Was ich beim Schrei-
auf dem Blatt stehen, und bringt aus lauter ben dann aber noch berücksichtigt habe,
Hektik nicht mehr die einzelnen Sätze zum ist das etymologische Prinzip, das morpho-
Klingen. logische Prinzip, das heißt: Ein Wort wie
Trotzdem gibt es natürlich den bleibenden „Seeng“ kann in meiner Mundart sowohl
und nicht aufhebbaren Widerspruch, dass „Sehen“ als auch „Säge(n)“ bedeuten (bei
Mundart keine Schriftart ist und dass die Li- „mir denna a Holz seenga“ könnte es auch
teratur immer das Problem hat, das Gespro- „segnen“ heißen): Wir „sehng“ da eine
chene einzufangen. Gesprochene Sprache ist „Seeng“ – wir sehen da eine Säge :„sehng“
die, die sich als erste entwickelt, die mit der im Sinn von „sehen“ schreibe ich s-e-h-n-g,
Zeit geht, die immer ein anarchisches Ele- damit durch das „h“ für den Leser klar ist,
ment in sich hat und sich jeder Ordnung ent- es kommt von „sehen“, ich verweise also auf
zieht. Das ist wie bei jedem Chaos: Die Ord- die Etymologie.
nung wird mir erst später verschrieben. Und die Säge wird S-e-e-n-g geschrieben,
Ich habe am Schluss aufgehört, mich unse groß natürlich – Substantiv. Und weil es von
rem Klang von „åbe“ mit Doppel-o und an- der Säge kommt, schreibe ich kein „h“, son-
deren Konstruktionen anzunähern. Das ist dern Doppel-e, damit für den Leser klar ist,
so zwischen a und o, dass wirklich nur das dass unterschiedliche Bedeutungen vorlie-
schwedische a mit einem Kringel darauf (å) gen. Das ist mein Prinzip, das ich mir zurecht-
dem nahekommt. Auf der anderen Seite bin gelegt habe. Es gibt ja keine Norm. Die Norm
ich zurückgegangen: Den „schdoa“ zum Bei- gibt man sich selber, aber ich finde es wich-
spiel schreibe ich jetzt nicht mehr mit „schd“, tig, dass man sich eine Norm schafft, die
weil er auch im Umgangsdeutschen kein man für sich konsequent durchhält, damit der
„s-tein“ ist, sondern ein Stein. Leser Klarheit hat und das Lesen erleichtert
wird.
HABERKAMM: Ich schreibe „staa“, weil ich
auch sage, dass „st“ im Hochdeutschen jeder SCHIESSL: Die vier wichtigsten Kriterien für
sofort als „scht“ liest. Und da wir in Franken die Verschriftung von Dialekt sind Lesbarkeit,
alle harten Konsonanten „weich“ machen, Lauttreue, Konsequenz und Einheitlichkeit.
wird es ohnehin „schdaa“ gelesen. Ich ma- Ich habe immer ein Problem, wenn ich ein
che das als Kompromiss. Das Entscheidende Dialektgedicht erst entschlüsseln muss, da
ist, dass man für sich selber konsequent ist. vergeht mir einfach der Spaß weiterzulesen.
Wenn ich mich einmal auf eine Regel festge- Darum habe ich ein System entwickelt, das
legt habe, dann ziehe ich die auch durch. sehr stark an das Hochdeutsche angelehnt
Ich versuche, möglichst phonetisch zu schrei- ist, aber zugleich versucht, die Lauttreue zu
ben, das heißt: Auf dem Papier steht, wie et- wahren. Hier und da müssen diakritische Zei-
was gesprochen wird, auch wenn das seine chen helfen. Aber auch da muss der Leser die
Grenzen hat: „oaziehng“ zum Beispiel. Die- Mühe auf sich nehmen, sich einzuarbeiten.
ses „oo“ oder „oa“ haben wir auch im Mittel- Es gibt eine Norm – das Sprachsystem.
fränkischen. Ich mache keine Kringel darauf Dialekt ist ein in sich geschlossenes Sprach-
und schreibe „oo“ und dann z-i-e-h-n-g. Das system mit eigenen Gesetzlichkeiten. Es
kann jetzt natürlich für den Leser sowohl „oa- geht nicht, dass man den „Schtaa“ einmal
ziehng“ oder „ooziehng“ bedeuten, also „an- mit t und einmal mit d schreibt. Ein anderes
ziehen“ oder „abziehen“ im Hochdeutschen. Beispiel: der „Diesch“. Im Dialekt wird im-
Das sind aber Grenzfälle, die wirklich ambi- mer Lenis angelautet, also immer weich und
valent sind, ansonsten ist der Sinn meistens damit lang – Einsilberdehnung nennt man
aus dem Kontext erschließbar. das. Wenn man diese Gesetzmäßigkeit kennt,
348
Dialekte in Bayern Dialektdichtung
kann man auch richtig schreiben, dann brau- Publikum: Mir scheint, die Diskussion geht
che ich die Länge eines Vokals nicht durch jetzt eher nicht um die Grenzen des Dialekts,
Verdoppelung kennzeichnen. Deshalb brau- sondern um die Grenzen der Verschriftung.
che ich auch kein Doppel-e in „Dreg“, der Wenn ich ein Beispiel aus der Musik nehmen
Dreck. darf: Wenn ich nicht weiß, wie ein Walzer
Wenn man also die Gesetzmäßigkeiten kennt klingt, kann ich noch so oft die Noten lesen.
und darauf sein Verschriftungssystem auf- Ich muss einfach die Wirkung kennen, ich
baut, ist es in sich schlüssig und konsequent. muss den Dialekt gehört haben.
Die Zeichen müssen für denselben Sachver-
halt immer gleich verwendet werden. Es
ist aber ein Unterschied, ob ich Dialektlyrik Großes oder kleines Publikum?
schreibe oder für ein Wörterbuch. Mir ist es
im Übrigen viel angenehmer, den Autoren zu Publikum: Ist das für Sie nicht ein bisschen
lauschen, als ihre Texte entziffern zu müssen. bedauerlich, dass die Zuhörerschaft oder Le-
Beim Hören kann man erschließen, was ge- serschaft, je nachdem, regional doch so be-
meint ist, beim Lesen oft nicht. schränkt ist, dass Sie nicht weiter hinauswir-
ken können?
HABERKAMM: Der Leser muss aus dem Kon-
text verstehen, was gemeint ist. Ich habe HABERKAMM: Wenn man vergleicht, wie oft
Kompromisse gemacht, nicht nur bei st wie ein Gedichtband von Sarah Kirsch und wie
in „Staa“, auch „schb“ wie bei „spotzn“, oft Mundart-Gedichtbände verkauft werden,
schreibe ich sp, obwohl ja jeder im Fränki wird man sich sehr wundern. Ein Gegen-
schen ein weiches b spricht, genauso bei pf wartslyriker in Deutschland verkauft oft nur
oder tz. Kompromisse ermöglichen dem ge- 1.500, 2.000 Bände. Gerhard Jung zum Bei-
meinen Leser ein leichteres Lesen. spiel, ein Lyriker im alemannischen Bereich,
Doppeldeutigkeiten kann man nie ausschlie- verkaufte Zehntausende von einem Gedicht-
ßen. In einem meiner Texte kommt die Zeile band. Von meinem ersten Gedichtband sind,
vor: „Do heebn mir den Gruch“, nach dem glaube ich, 6.000 oder 7.000 verkauft worden.
Motto: vor ch wird lang gesprochen mit nur Die Zahlen allein sind aber nicht entschei-
einem u. Da haben dann aber einige „da he- dend, das Entscheidende ist die Intensität
ben wir den Geruch“ statt „da heben wir den der Rezeption. Wenn die Leute die Bücher
Krug“ gelesen. Und das ist natürlich eine an- von einer Lesung mitnehmen und daheim
dere Bedeutung. nachlesen, dann entsteht eine Rezeption, die
viel intensiver ist, als das in der hochdeut-
349
Dialektdichtung Dialekte in Bayern
schen Lyrik der Fall sein kann, weil die Identi- einem der größten Lyriker, dass es fast gefei-
fikation viel größer ist: Das ist meine Gegend, ert wurde, wenn 3.000 Bücher im Suhrkamp-
meine Region, ich kenne die Leute, ich kenne Verlag, damals noch hochangesehen, ver-
die Verhältnisse, ich kenne die Geschichte kauft wurden. Es gab nie eine zweite Auflage.
und so weiter. Selbst jetzt, nicht mehr mit Heftchen, son-
Für mich ist ein ganz großer Vorteil in der dern mit richtigen Büchern, habe ich keine
Mundart-Lyrik oder Mundart-Literatur, dass Auflage unter 3.000. Das Publikum ist also
man sehr nah dran ist am Text – am geschrie- nicht so „beschränkt“, wie man von außen
benen oder am gehörten Text. Und deswe- denkt.
gen auch diese enorme emotionale Wucht,
die dann die Wirkung ausmacht. Dazu kommt BRANDL: Wenn ich aber den lichtung-Ver-
eine große soziologische Streuung: da ist lag anschaue, in dem fast alle meine Bücher
eine ganz einfache Hausfrau, ein ganz ein- erschienen sind: Ich weiß, wie der darum
facher Handwerker genauso wie der Germa- kämpft, dass sich ein Buch rentiert, er also
nistik-Professor. Und jeder hat etwas davon, nicht Minus macht. Bei meinem Mundart-
jeder auf seine Art. Und das hat man in der Gedichtband hat es zwei Auflagen gegeben –
hochdeutschen Lyrik nicht. das war schon großartig, für ihn, den Verlag.
Als Autor hat man von Lyrik sowieso nichts,
KRISCHKER: Man kommt an viel mehr Leute wenn ich davon ausgehe, dass man bei ei-
heran. Ich bin aus einer Arbeiterfamilie, ich nem guten Vertrag zehn Prozent bekommt.
kokettiere nicht damit. Wir hatten drei Bü- Von einem Lyrik-Bändchen mit einer Auflage
cher: die Bibel, ein Reader’s Digest-Heft und von 1.000 kann man [lacht] bis zu seiner Pen-
irgendetwas über die Resl von Konnersreuth. sion gut davon leben.
Mein Vater hat nie eine Buchhandlung be-
treten. Damals habe ich mir überlegt: Wie
komme ich an solche Leute wie meine Eltern Dialekt im Unterricht
heran?
Ich habe dann kleine Heftchen gemacht, die Wie sehen Sie die Situation des Dialekts im
kosteten damals eine Mark – und die gab es Unterricht? Die Lehrkraft spricht – wenn über-
nicht in Buchhandlungen, sondern in Apothe- haupt – allenfalls einen Dialekt und dann oft
ken, in Supermärkten, in Arztpraxen. Bam- nicht den der Region.
berg hat 60.000 Einwohner und wenn ich den
Zahlen richtig folge, hat jeder Bamberger ein WITTMANN: Möglich ist es, den Horizont
„Krischker-Heftla“. Ich weiß von Günter Eich, durch eine Gewöhnung an unterschiedliche
350
Dialekte in Bayern Dialektdichtung
Sprachgewohnheiten zu erweitern. Für Leh- KRISCHKER: Ich bin kein Lehrer, aber be-
rer ist das eine Standardforderung, weil sie ja komme ab und zu etwas von Schulen, von
Kinder haben, die Einheimische sind ebenso Lehrern zugeschickt. In der Zeitschrift „Pra-
wie Zuwanderer aus dem innerdeutschen Be- xis Deutsch“ war mal mein Gedicht „froong
reich, aber natürlich auch Immigranten aus üwä froong“ abgedruckt. Das hat Michael
aller Herren Länder, die unterschiedlichste Krejci, ein Didaktiker, zuerst ins Hochdeut-
Sprachwelten mit in das Klassenzimmer brin- sche übersetzt und für den Unterricht aufbe-
gen und sich miteinander verständigen sol- reitet: Dabei werden die Sehenswürdigkeiten
len. Und da kann ich mir vorstellen, dass das von Bamberg erst dadurch ersetzt, was in Re-
Befassen mit unterschiedlichen Dialekten gensburg ist oder in Würzburg, wie da der
eine gute Übung ist, wie man Sprachunter- Kaiser war und die Leute und Bauleute und
schiede vermittelt. was zu sehen ist. Und dann übersetzen die
Sprachunterschiede kann man nicht eineb- Schüler das in ihren jeweiligen Dialekt. Und
nen – und sollte es auch nicht. Aber man soll ich muss sagen: Was da herauskommt, ist
möglichst früh vermitteln, dass eine gegen- Klasse!
seitige Verständlichkeit gegeben ist. Und
das fordere ich auch für die Dialekte ein: dass Publikum: An dem Würzburger Gymna-
man sich so weit kundig macht, dass man sium, an dem ich momentan unterrichte, ist
fremde Dialekte verstehen kann, aber selbst- die Zahl der Dialektsprecher außerordentlich
verständlich nicht versucht, fremde Dialekte gering.
nachzusprechen. Das wird immer lächerlich.
Meine Frau ist aus Osttirol, ich verstehe in- SCHIESSL: Während auf der einen Seite die
zwischen das Osttirolerische perfekt, aber Wertschätzung für den Dialekt wieder steigt,
wenn ich dann vor lauter Begeisterung an- der zum Beispiel auch vom bayerischen Mi-
fange, das eine oder andere Wort zu über- nisterpräsidenten verwendet wird, nimmt
nehmen, sagt meine Frau: „Das lässt du blei- die Dialektkompetenz in der Schule ab ei-
ben!“ Und dafür bin ich dankbar, weil das ner bestimmten Größenordnung erschre-
einfach eine Grenze ist. ckend ab. Am Oberviechtacher Gymnasium,
einer Schule mit etwa 800 Schülern in einer
HABERKAMM: Eine Referendarin, die noch Gemeinde mit 5.000 Einwohnern, sprechen
im Grundschulalter aus Kroatien nach Mit- noch 80 bis 85 Prozent der Schüler und der
telfranken gekommen war, unterrichtete in Eltern auch Dialekt oder beherrschen ihn zu-
Eichstätt Deutsch. Ein bairisches Weihnachts- mindest passiv. Aber: Je größer der Ort ist,
gedicht im Lesebuch verstand sie nicht und desto heterogener ist die Gesellschaft und
bat die Schüler, es ihr vorzulesen. Die Schü- desto weniger wird aktiv Dialekt verwendet.
ler machten das mit Begeisterung, weil sie Darum plädiere ich für eine zeitgemäße Dia
da einen Vorsprung vor der Lehrerin hat- lektpflege. Es geht in der Schule mitnichten
ten. Sie hat dann das Gedicht ins Kroatische darum, einen Dialekt zu revitalisieren, man
übersetzt, die Schüler in ihren Heimatdialekt, kann sich aber mit einem Dialekt auseinan-
eher bairisch oder eher fränkisch gefärbt. Am dersetzen, auch wenn die Schüler ihn viel-
Schluss hatten sie, glaube ich, sieben ver- leicht nicht mehr sprechen können. Der Dia-
schiedene Versionen im Klassenzimmer. Ich lekt ist eine gleichwertige und gleichberech-
denke, das ist eine tolle Chance, da wird ein tigte Sprachvarietät, nicht eine Abart des
fremder Text, eine fremde Mundart zu etwas Deutschen. Sie wird nur zu einem anderen
Eigenem und über diese Transformation lernt Anlass verwendet, zum Beispiel in vertrauter
man sehr viel über Sprachen, über sich sel- Umgebung.
ber und über die Funktions- und Wirkungs- Als junger Mensch und auch als Lehrer war
möglichkeiten der Sprache. ich immer an Schulen, an denen noch Dialekt
gesprochen wurde. Dialektpflege bedeutet
351
Dialektdichtung Dialekte in Bayern
nicht, dass die Schüler nicht mehr „Tschüss“ niemand so gemeint hat – hat entweder die
sagen dürfen, sondern dass sie sich mit Dia- Tendenz, positiv gebraucht zu werden, so-
lekt als Sprachvarietät beschäftigen, etwa in dass man die überregionale Standardspra-
P-Seminaren. che als was Hervorgehobenes, Besseres dar-
Man kann auch etwas selber machen. Meine stellt. Oder es wird ironisiert. Ich finde beides
Frau unterrichtet an der Realschule und hat nicht richtig. Wir haben im Deutschen Varie-
mit den Schülern einen Dialekt-Gedichtband täten, die überregionale Standardsprache ist
gemacht, als Projekt, und mit einem bekann nur eine Varietät neben Dialekten und Mund-
ten bayerischen Liedermacher ein Schullied. arten. Man sollte also lieber von Standard-
Für solche Dinge kann man Schüler, die des sprache sprechen, um das Überregionale im
Dialekts noch mächtig sind, rekrutieren und Verhältnis zum Regionalen auszudrücken.
ihnen dadurch auch Wertschätzung ent Als Nordlicht möchte ich noch kurz auf das
gegenbringen. Niederdeutsche eingehen, das vielleicht aus
bayerischer Perspektive nicht so beachtet
HABERKAMM: Noch ein Vorschlag: In den wird. Wie Friesisch gilt Niederdeutsch als ei-
Bereich Jargon der Jugendsprache gehen! genständige Sprache, aber im Norden wird
Denn die Jugendlichen sprechen im Alltag Niederdeutsch in manchen Gegenden wie
oft eine Mischung aus Umgangssprache, ein eine Ortsmundart gebraucht und hat in sich
bisschen Hochdeutsch, ein bisschen Dialekt, auch Dialekte und Mundart. Es gibt also auch
und dann zeigen: Was ihr sprecht, ist nicht eine niederdeutsche Literatur, die man dann
unbedingt Hochdeutsch, was ihr sprecht, Mundart-Literatur nennen könnte, auch wenn
ist nicht Dialekt – was ist es eigentlich? Wo es eigentlich eine andere Sprache ist.
kommt welcher Ausdruck her? Welche Meta- Ein letzter Punkt: Ich bin in Westfalen aufge-
phorik benutzt ihr? Das ist ja keine Jugend- wachsen und konnte erleben, wie das „West-
sprache, wie es offiziell immer verkauft wird, fälische Platt“ bei meinen Großeltern sozu-
das ist viel gemischter. sagen ausstarb. Ich habe es nur noch passiv
Schüler verwenden kaum die jugendsprach- gelernt. In dem Streifen von Westfalen nach
lichen Ausdrücke, die in den Medien verbrei- Ostfalen, auf dem ich mich meist bewege,
tet werden, aber sie benutzen eine bestimmte wird immer mehr oder weniger überregio-
Art von Bildlichkeit, von Redewendungen, nale Standardsprache gesprochen, die aber
eine bestimmte Art von Wertung. Diesen – wie der Dialekt bei Ihnen – bei uns die Mut-
Übergangsstreifen zwischen Dialekt und tersprache ist, auch wenn das vielleicht aus
Hochsprache und Jargon mit den Schülern der Perspektive der Dialektsprecher im Sü-
zu besprechen, finde ich spannend. den immer ein bisschen wie eine aufgesetzte
Sprache klingt.
352
Dialekte in Bayern Dialektdichtung
haben, zum Verschwinden zu bringen: kau- nen, wie viel Zukunft wir noch haben. Ich
zige Gestalten und lustige Anekdoten … Ich merke es an der eigenen Familie. Meine En-
sehe da ziemlich schwarz. kel reden ein Münchner-Vorort-Nimmerbai-
risch, bei dem es mir die Ohren verdreht,
HABERKAMM: Dialekt ist schon auf dem wenn ich zuhöre. Aber das Schlimme ist,
Rückzug, aber ich bin eigentlich Optimist. dass sie zu einem großen Teil schon gar
Wenn der Dialekt etwas Wichtiges ist, wird er nicht mehr reden, sondern mit einem elektro-
auch in Zukunft wieder als etwas Wertvolles nischen Kästchen kommunizieren. Und da ist
erkannt werden. Das dauert noch 20 oder 50 die Sprache insgesamt nicht mehr so wich-
Jahre, aber dann erlebt der Dialekt auch wie- tig. Mundart schön und gut, aber wir müssen
der eine Renaissance. Was ich mir wünschen schauen, dass wir die Sprache überhaupt am
würde, ist, dass man den Wert und den Ei- Leben halten.
genwert von Spielarten von Sprache erkennt. Im Großen und Ganzen sehe ich die Mund-
Für regionales Selbstbewusstsein ist der Dia arten als sterbende Sprachen. Es gibt mo-
lekt in Süddeutschland unabdingbar. Denn mentan, glaube ich, noch 6.500 Sprachen auf
das einzige, was jetzt typisch fränkisch ist, der Welt. Davon werden wahrscheinlich 5.000
ist die Sprache. Alles andere ist importiert die nächste Jahrhundertwende nicht erleben
oder austauschbar. – und da werden unsere Mundarten dabei
Nichts aus Franken ist in Franken gewachsen. sein. Darüber muss man jetzt auch nicht trau-
Der Kren kommt aus dem Balkan, der Wein rig sein – solange überhaupt noch geredet
vom Mittelmeer und das Bier kommt von den wird – miteinander.
Mönchen. Alles austauschbar, nur die Spra-
che nicht. Die ist sozusagen autochthon. Und SCHIESSL: Ich habe da eher eine neutrale
wenn das in Zukunft erkannt und benutzt Position. Auf dem flachen Land ist der Dialekt
wird, dann habe ich auch wieder Hoffnung nach wie vor sehr vital. Dass es Probleme in
für den Dialekt. den großen Städten gibt, ist eine normale
Entwicklung, da kann man nicht gegensteu-
BRANDL: Ich möchte das erweitern: Es geht ern. Was ich mir von den Schulen wünsche,
nicht bloß um den Dialekt. Ich würde mir ist ein stärkeres Bewusstsein in Bezug auf
wünschen, dass in allen Schularten der Mut den Wert und den Stellenwert des Dialekts.
und die Zeit für einen spielerischen Umgang Ich wünsche mir, dass die Germanisten ver-
mit der Sprache gefunden werden. Ich habe stärkt tätig werden, sich mit Dialekt zu be-
auch für Schüler oft Schreibwerkstätten ge- schäftigen. Meinen Dialektpfleger-Kollegen
macht. Wir haben Mundart-Texte aus unter- wünsche ich eine etwas weniger apodiktische
schiedlichen bayerischen Regionen szenisch Haltung in Richtung Sprachpurismus, denn
umgesetzt und dabei viel Freude gehabt. Ein die halte ich für kontraproduktiv.
Gedicht im Unterricht durchzunehmen, darf
nicht Strafe sein, muss Freude machen. Und
wenn die Freude an der Sprache, am Um-
gang damit da ist, dann wird sich automa- Fotonachweis
tisch auch die Freude an den verschiedenen Brandl © J. Brandl-Trepesch
Variationen, an den verschiedenen Klangfar-
Haberkamm © Helmut Riedel
ben, an den verschiedenen Dialekten wieder
einstellen. Krischker © Nadine Sailer
353
Dialektdichtung Dialekte in Bayern
Leseproben
Gerhard C. Krischker
du hosdi
aufgäriim
354
Dialekte in Bayern Dialektdichtung
(Erstveröffentlichung)
355
Dialektdichtung Dialekte in Bayern
„die rache/der sprache/ist das gedicht“: Dialekt übertragen. Meine Mundart wurde so
Wos für ä schäiner Spruch! Er stammt von zur Mund-Bindestrich-Art. Mit der Betonung
Ernst Jandl. Gibt es eine schönere und wit- auf „art“. Mund-Art, wie ich sie verstehe, ist
zigere Definition, was ein Gedicht eigentlich kein bloßes „Dem-Volk-aufs-Maul-schauen“,
sein soll? Die Sprache rächt sich, sie schlägt sondern Literatur, also ein Kunstprodukt.
zurück gegen die tagtägliche Berieselung, der
wir ausgesetzt sind. Das einzige, was da noch Ich bin, durch mein Studium bedingt, ein
hilft, is ein Gedicht. Und die Sprache, in der unverbesserlicher „Philologe“. Die Liebe
ich mich räche, ist der Dialekt, mei Sprouch. zum „logos“, zum Wort treibt mich um: die
Sprachlust. Ich bin in die Sprache vernarrt.
Ich bin als Dialektsprecher aufgewachsen. Sie ist nicht bloß mein Handwerkszeich. Sie
Fränkisch war meine erste Sprache, mei Mut- hat ein Eigenleben, einen unverwechselbaren
tersprouch. Meine zweite Sprache war das Sound. Mei Sprouch „swingt“, sie „groovt“
Berlinerisch meines Vaters. Wahrscheinlich und manchmal hat sie auch den „blues“.
hat das Spannungsfeld zwischen den beiden Mit anderen Worten: Dialekt ist Musik, und
Dialekten mein Ohr hellhörig gemacht für diese Musik versuche ich aus den Wörtern
das, was Sprache vermag. Auf dem Gymna- herauszuholen. Ich kann in meiner Sprouch
sium und der Uni wollte man mir meinen sogar „rappen“:
Dialekt austreiben. Es ist nicht gelungen. Der
Dialekt war stärker. Er hat sich gerächt. Plötz- däi ding dou
lich stand was auf einem Blatt Papier: Mein wou mid dem ding dou gäihd
erstes Gedicht. Es bestand aus nichts ande- houd däi ding dou gsachd
rem als aus lauter Schimpfwörtern: soll wos glanns gräing
vo dem ding dou soongs
suä ruudzbridschn suä elendichä
suä dreckbambl suä dreckädä obbä nix gwiiß waaßmä ned
suä weisbild suä schbinnäds
suä bläidä sunnä suä bläidä Meine Lyrik ist für den Vortrag geschrieben.
suä lusch su groußä Erst dann erwachen die Texte zum Leben.
ä suä sulln Man sollte sie immer laut lesen.
ä suä
suä Gute Gedichte dürfen sich aber nicht bloß
auf die Sprache verlassen. Sie müssen neben
Diese „schimpfrede“ von 1970 war zugleich der Sprache noch etwas anderes haben, eine
eine doppelte Rache. Die Rache an einer Energie, eine Antriebskraft, einen Treibstoff,
Freundin, die mich versetzt hatte, und die Ra- der sie auf die poetische Umlaufbahn schickt.
che an der Hochsprache, die drauf und dran Diese Kraft ist es dann, die den „Flash“ aus-
war, mei Sprouch, meinen Dialekt zu verdrän- löst, das Staunen, den Schock, den Kick, den
gen. Der Damm war gebrochen. Von da an Wow-Effekt. Gedichte ohne dieses gewisse
konnte ich nicht mehr aufhören, im Dialekt zu Etwas, ohne „vibrations“, ohne „Schwin-
schreiben. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich gungen“; Gedichte, die außer Sprache nichts
mich in hochdeutscher Pop-Lyrik versucht. zu bieten haben, sind langweilig. Bloßes
Von der Pop-Art habe ich das Prinzip des Zi- Wortgeklingel. Sie rauschen vorbei, sie blei-
tierens gelernt. Das ließ sich sehr gut auf den ben nicht haften.
356
Dialekte in Bayern Dialektdichtung
Überhaupt das Haftenbleiben! Wie erreicht Das ist die eine Seite, aber es gibt noch eine
man, dass Gedichte ins Bewusstsein drin- andere Seite, die der Dialekt der Hochspra-
gen und im Gedächtnis hängen bleiben? Man che voraushat: Er lebt vom Humor. Und der
muss alles Überflüssige weglassen, mit we- ist in ihr drin. „Hauptsach, mer derf sein Hu-
nigen Worten maximale Wirkung erzielen. mor ned verliern!“ Mit diesem Spruch mei-
„Sprachkürze gibt Denkweite“, lautet eine ner Großmutter bin ich aufgewachsen. Was
Maxime Jean Pauls, an die ich mich immer wäre mei Sprouch ohne den Humor! Er ist
wieder halte. Das erklärt vielleicht auch mein für mich ein Lebensmittel, ja, ein „Überle-
Faible für den japanischen Dreizeiler, das bensmittel“! Er hilft, das Leiden an der Welt
Haiku: zu überwinden, er versöhnt mit dem Dasein
und mit den Mitmenschen. Er ist, um noch
deä wech is es ziel einmal Jean Paul zu zitieren: „überwundenes
du redsd di leichd: Leiden“.
iich find inn wech ned
iich hou mein humoä väluän
Wir leben in einer Zeit ständiger Beschleu- weä hilfd mä soung?
nigung. Das Tempo, das unser Leben be- weid kannä ned saa
stimmt, nimmt von Tag zu Tag zu. Die Lyrik
muss dem etwas dagegensetzen. Sie nimmt Es steht nicht gut um den Dialekt. Wie lange
die Geschwindigkeit aus den Dingen raus. wird er sich noch halten? Ja, sogar vom Dia-
Lyrik ist „Entschleunigung“. Für die Dauer lektsterben ist schon die Rede. Ich werde je-
eines Gedichts scheint die Zeit still zu denfalls weiter dagegen anschreiben und mei
stehen: Sprouch am Leben erhalten. Es wäre jam-
merschade, wenn die Energie, die Kraft und
ä naggdschneggn grabbld nachm reeng die geballte Ladung Emotion, die in meiner
ibän nassn asfald: ä ganz ä glannä Sprouch steckt, verloren ginge. Das ist die ei-
diefsdgeschwindichkeidszuuch gentliche „dia-leckdigg“ des Dialekts:
357
Dialektdichtung Dialekte in Bayern
Buchempfehlungen
Erstmals liegt mit Vastehst me ein Sammel- Die mit der bayerischen Literatur wohlver-
band vor, der einen Überblick über die zeit- trauten Herausgeber legen mit diesem Werk
genössische Mundart-Lyrik der altbairischen eine gut zu lesende Mischform aus Lexikon
Regionen gibt. Vertreten sind die wichtigsten und Literaturgeschichte vor: In jeweils eige-
Mundartlyriker aus Oberbayern, Niederbay nen Beiträgen werden über 300 Schriftsteller
ern und der Oberpfalz. Die Gedichte stam- des 20. Jahrhunderts vorgestellt, darunter
men aus den letzten 40 Jahren und bilden auch viele Mundartdichter. Neben Autoren,
verschiedene Strömungen ab. Aufgenom- die als Erzähler, Lyriker und Dramatiker wirk-
men sind deren wichtigste Vertreter, traditi- ten und wirken, wurden auch Journalisten,
onelle Mundartlyriker stehen neben zeitkri- Historiker oder Essayisten aufgenommen.
tischen und experimentellen Dichtern. Die Literaturgeschichtliche Entwicklungen wer-
50 Autoren der gut 150 Gedichte schreiben den in gesonderten Aufsätzen dargestellt.
so, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist: in Ein gebundenes Nachschlagewerk und Le-
ihrem jeweiligen regionaltypischen Dialekt. sebuch für alle, die sich für die Literatur in
Die Anthologie zeigt den Reichtum des Bai- Bayern interessieren – geeignet auch für die
rischen und seiner Bildhaftigkeit. Schulbibliothek.
358
Dialekte in Bayern Dialektdichtung
Hörempfehlungen
Die bayerischen Dialekte sind in erster Linie Im Vorwort schreibt Herbert Achternbusch:
gesprochene Sprache. Man muss sie hören,
um ihre Laute genießen und die mit ihnen „So entsteht aus diesen Wortbeiträgen, aus
verbundenen Lebens- und Denkformen be- Tonfragmenten aus Filmen, aus Soundcolla-
greifen zu können. „Stimmen Bayerns“, die gen, O-Tönen, Musik und Songs eine einzig-
neue CD-Reihe des Trikont-Verlages, lädt des- artige Enzyklopädie der bayerischen Seele.“
wegen zu einer Begegnung mit bekannten
bayerischen Stimmen aus Vergangenheit und
Gegenwart ein, darunter Volksschauspieler,
Kabarettisten, Politiker und Musiker. Dichter STIMMEN BAYERNS
wie Oskar Maria Graf, Franz Xaver Kroetz, Die neue CD-Reihe des Trikont-Verlages
Gerhart Polt oder Karl Valentin dürfen da Herausgeber: Eva Mair-Holmes, Achim Bergmann,
nicht fehlen. Und ein bisschen Franken gibt Andreas Koll
es in diesem Bayern auch. Voran natürlich Bisher erschienen: Die Liebe (2001), Der Tod
Fitzgerald Kusz, der schon immer meinte: (2011), Der Rausch (2012), Die Freiheit (2013)
„Woanders is a ned anders wie in Schäßlitz.“ www.trikont.de > Stimmen Bayerns
359
Dialektdichtung Dialekte in Bayern
Literaturrätsel
Das berühmte Plakat von Michael Mathias Recherchieren Sie die Rezeption des Plakats
Prechtl (geb. 1926 in Amberg; gest. 2003 in anlässlich seiner Erstausstellung im Münch-
Nürnberg) zeigt 15 Personen aus der baye- ner Stadtmuseum 1985 und setzen Sie sich
rischen Geschichte des 19. und 20. Jahrhun- mit ihr auseinander.
derts, darunter auch einige bekannte Auto- Interpretieren Sie das Plakat als Ganzes und
rinnen und Autoren. arbeiten Sie seine Wirkungsabsicht heraus.
Dokumentieren Sie Ihre Ergebnisse in einer
Wer ist wer? Powerpoint-Präsentation. Oder: Gestalten Sie
eine Schautafel für die Schulöffentlichkeit.
Weitere Aufgaben (auch für eine Gruppen
arbeit):
Erstellen Sie Kurzbiographien zu den auf dem Hinweis:
Plakat dargestellten Personen. Eine Auflösung des Literaturrätsels sowie
Erläutern Sie die Personenauswahl und Hinweise zur Interpretation des Plakats fin-
-zusammenstellung, den Titel sowie weitere den Sie im Impressum von Simone Schirmer,
Bildelemente. Marcel Schellong (Hgg.): München lesen. Be-
Informieren Sie sich über Michael Mathias obachtungen einer erzählten Stadt. Würzburg
Prechtl und sein Werk. 2008, online: www.books.google.de.
360
Dialekte in Bayern Sprache, Heimat, Werte
Teil VI
Sprache, Heimat, Werte
Spr
Wir können alles. Außer Norddeutsch
Werner König
ache
Anthony Rowley
Bayernhymne
Hei
ma
t
rete 361
Sprache, Heimat, Werte Dialekte in Bayern
Wir Süddeutschen haben die besten Wirt- gional geprägten Sprachformen abgewandt,
schaftsdaten, die wenigsten Schulden, und sie spricht inzwischen fast durchgehend eine
dass wir in tausend Bereichen vorn sind, er- am norddeutschen Gebrauch (sprich: einen
zählen uns täglich die Politiker, aber Deutsch an den täglichen Soaps im Fernsehen) orien-
können wir nicht. Wir haben die besten Zu- tierte Sprache, von der sie glaubt, dass diese
kunftsaussichten, die besten PISA-Werte und das wahre Hochdeutsche sei. Und dieser
Eliteuniversitäten, das alles lesen wir täglich Glaube ist schon ziemlich alt, hier eine Pas-
in unseren Zeitungen, aber hochdeutsch kön- sage aus der Autobiographie der Friedensno-
nen nur die anderen. Dabei sind wir die Er- belpreisträgerin Bertha von Suttner von 1889:
finder des Hochdeutschen, aber wen juckt
das schon. Die Baiern haben dann auch noch „Was mir an den Norddeutschen besonders
den Dialekt, der am meisten sexy ist, sie sind wohlgefiel, war die Sprache. Nicht nur, weil
stolz auf Laptop und Lederhose, sie gefallen dieselbe den Akzent meines Mannes auf-
sich als folkloristischer Marktführer mit ih- wies – eine seiner Eigentümlichkeiten, in die
rer Oktoberfestkultur, die sich einschließlich ich mich zuerst verliebt hatte –, sondern weil
ihrer Verkleidungsrituale seit Längerem als sie mir, im Vergleich mit der in Österreich
weltweiter Markenartikel positioniert. üblichen Redeweise, ein höheres Bildungs-
niveau zu bekunden schien; oder vielmehr,
Aber wenn der bairische Bayer ernst genom- nicht nur schien, sondern in der Tat bekun-
men werden will, kommt er mit seiner ange- dete … Wenn man Menschenwert nach der
stammten Sprache nicht mehr an. Diese hat Bildungsstufe misst – und welchen richti
sich zwar in dem eben angesprochenen Be- geren Maßstab gäbe es wohl als diesen? –,
reich „Lederhose“ in den Medien fest eta- so ist der Norddeutsche um ein Stückchen
bliert, wird aber, obwohl sie ehemals Mutter- mehr Mensch als der Süddeutsche …“1
sprache von ca. 5 Millionen Menschen war –
wie viele es heute noch sind, weiß wohl kein Man kann es kaum glauben: Bertha von
Mensch –, als minderwertig empfunden, mit Suttner ist der festen Überzeugung, dass
ihr kann man keinen Staat mehr machen. „der Norddeutsche um ein Stückchen mehr
Genauso geht es den Schwaben und den Mensch als der Süddeutsche“ sei und
Franken, nur können Schwaben und Franken das wegen seiner überlegenen Sprache.
überregional nicht einmal mehr mit einer
Folkloreindustrie punkten und mit der Be-
liebtheit ihrer Dialekte auch nicht. „Wir können alles. Außer
Hochdeutsch“
Den Prestigeverlust des Dialekts haben die
Kinder in unseren Großstädten schon seit Das ist einer der meistprämierten Slogans,
längerer Zeit gemerkt. In München trifft man den die deutsche Werbewirtschaft hervorge-
keinen mehr unter 20, dem man seine bai- bracht hat, 1999 im Auftrag der Regierung
rische Herkunft in der Sprache anmerkt, in Erwin Teufel. In Stuttgart, im Staatsministe-
Nürnberg und Augsburg findet diese Ent- rium, in der Villa Reitzenstein, war man sehr
wicklung mit etwas Zeitverzögerung statt. stolz auf diesen Satz und die nachfolgende
Die Jugend der Großstädte hat sich von re- Werbekampagne. Auf der Webseite der Lan-
362
Dialekte in Bayern Sprache, Heimat, Werte
desregierung ließ man die Welt an diesem wobei es aus der Sicht der Branche egal ist,
Erfolg teilnehmen. Noch heute kann man im ob man gut oder schlecht über etwas spricht,
Online-Shop der Landesregierung T-Shirts, Hauptsache, man kennt es, man spricht da-
Schirme, Fußbälle, Schlüsselbänder oder rüber.
Kugelschreiber mit der Aufschrift kaufen,
selbst Babystrampler finden sich im Angebot.
Plakate und Aufkleber bekommt man sogar Ironie
geschenkt.
„Wir können alles. Außer Hochdeutsch“.
Einen Teil des Erfolges dieses Slogans macht
die feine Ironie aus, vor allem bei den In-
tellektuellen, die solche Dinge zu schätzen
wissen, die sich die beiden Elemente des
Spruchs auf der Zunge zergehen lassen, die
wissen, dass der erste Teil indirekt und iro-
nisch auf die Tüchtigkeit der Gemeinten an-
spielt und der zweite auch nicht so ganz ernst
und wörtlich genommen werden will.
Werbe-Slogan des Landes Baden-Württemberg –
erfolgreich, aber auch gut? Der erste Teil des Slogans bezieht sich auf
den Regionalakzent des Südens, der in der
Regel als sympathisch, angenehm empfun-
„Wir können alles. Außer Hochdeutsch“. den wird. Die Hörer oder Leser sollen das
Viele meinen, die Erfolgsgeschichte dieses Selbstbewusstsein derer bewundern, die es
Slogans sei groß. Das wird zum Beispiel do- sich sogar leisten können, eine vermeintliche
kumentiert durch die zahlreichen Auszeich- Schwäche zu propagieren; man denkt, „die
nungen, die in der zehnjährigen Laufzeit ein- trauen sich was!“.
gefahren wurden. Insgesamt 28 Preise führte
die Webseite der Kampagne im September Dieser Rezeptionsvorgang erfordert jedoch
2012 auf, tatsächlich sind es einige mehr. einige Formalausbildung, fordert einigen
Intellekt, ein Eindenken in die Situation der
Das Geld für die Kampagne, ca. 30 Millio- anderen und einen gewissen Sinn für Humor.
nen Euro, meint man gut angelegt zu haben, Das alles ist nicht bei jedermann gleicherma-
da uns die Werbeleute so weit gebracht ha- ßen vorhanden, nicht jeder versteht die feine
ben zu glauben, dass auch politische Ein- Ironie, das Sich-selbst-auf-die-Schippe-Neh-
heiten beworben werden müssen. Die feine men im zweiten Teil des Slogans und nicht
Selbstironie, die Bescheidenheit, die aus die- jeder will es so verstehen.
sem Spruch hervorgehe, lasse das bishe-
rige Image des Schwaben (tüchtig, pfiffig, Zahlreiche Reaktionen – sie ließen sich in
fleißig, aber auch engstirnig, provinziell und Leserbriefen und Internetforen leicht nach-
sehr sparsam) sich in Richtung Sympathie, weisen – zeigen, dass dieser Satz vielfach
Menschlichkeit, Humor und Mutterwitz, weg wörtlich genommen wird. Und er wird wört-
von Provinzialität und Sparsamkeit verän- lich genommen von den Betroffenen hier im
dern. Effizienzmessungen, die ein unabhän- Lande und von solchen, die sich (vor allem
giges Institut durchgeführt hat, stellen die im Norden Deutschlands) im Besitz des wah-
große Bekanntheit der baden-württember- ren Hochdeutschen wähnen. Selbst unsere
gischen Länderwerbung heraus. Und diese Kanzlerin hat das getan in einer Rede vor
Bekanntheit ist es, was die Werbeleute als der Betriebsversammlung des VW-Werkes
Grundlage für die Erfolgsmessung nehmen, in Wolfsburg.2
363
Sprache, Heimat, Werte Dialekte in Bayern
Produktivität Vorurteile
Und ein zweites Faktum macht den Spruch Einen weiteren Teil des Erfolges macht aus,
so erfolgreich, nämlich die Tatsache, dass er dass mit dem Spruch weit verbreitete Vorur-
so beweglich ist, dass er problemlos abge- teile bedient werden, wenn man den Erfolg
wandelt werden kann, dass er angewendet so misst, wie es die Werbeleute tun, die ja
werden kann in vielen Situationen, insbeson- nur die Bekanntheit des Slogans bewerten.
dere, wenn jemand mit hohem Anspruch an- Denn der Satz bestätigt genau die Vorurteile,
getreten ist und dann die Ziele nicht erreicht. die viele im Norden Deutschlands bezüglich
Wir können alles. Außer Rechnen. Oder wenn der Sprache des Südens haben.
es einen besonderen überraschenden Erfolg
griffig zu formulieren gilt: Wir können alles. Diese Vorurteile sind da. Fast jeder Schwabe,
Auch Rechnen. jeder Bayer, der je mit Leuten aus dem nord-
deutschen Raum zu tun hatte, hat einmal ent-
Den Spruch aber macht so erfolgreich vor sprechende Erfahrungen gemacht. Ein Nord-
allem die Kombinierbarkeit mit sehr vielen deutscher, der diesen Slogan liest, kann sich
Verbindungswörtern. Außer kann durch eine nun bestätigt fühlen. „Na endlich“, denkt
Anzahl anderer Kleinwörter ersetzt werden: er, „geben sie es selber zu, dass sie es nicht
nur nicht, auch, aber kein … Diese Reihe ist können, wir haben es doch immer schon ge-
nicht vollständig. Die Phrase lässt sich nicht wusst und gesagt“. Und wenn einer noch im
nur im zweiten Teil abwandeln, sondern Zweifel war, dann bekam er es nun schwarz
auch im ersten: Die können alles …, die auf weiß und offiziell und immer wieder von
können vieles …, du kannst alles … der württembergischen Landesregierung be-
stätigt.
Sobald man so eine oder eine ähnliche
Fügung hört, erscheint schon unser Slogan Fakten, die die eigenen Auffassungen be-
„Wir können alles. Außer Hochdeutsch“ im stätigen, ist man eher bereit, ins Bewusst-
Bewusstsein als Folie dahinter. Er ist das sein zu integrieren als Fakten, die einen
Strukturmuster für eine große Anzahl von dazu zwingen, die eigene Meinung zu ändern.
gleichartig aufgebauten Phrasen geworden. Vor allem auch dann, wenn das zur Folge
Diese Abwandlungen stärken die Präsenz des hätte, dass man das eigene Überlegenheits-
Slogans, sie rufen ihn immer wieder in Erin- gefühl auf dem betroffenen Gebiet aufgeben
nerung, man kann ihn schon fast als Sprich- muss, wenn einem dadurch eine Quelle,
wort bezeichnen. aus der man Selbstbewusstsein zieht, ab-
364
Dialekte in Bayern Sprache, Heimat, Werte
handen kommt. Man verliert damit auch ein bedeutet, dass diese Person einen norddeut-
Stück der eigenen Identität. Wenn man den schen Akzent zeigt; denn Sprecher, bei denen
Spruch wörtlich nimmt, dann stärkt er das man überhaupt keine regionale Färbung
vorhandene Bewusstsein von der eigenen erkennt, gibt es nur ganz wenige. Es ist ein
sprachlichen Überlegenheit des Nordens, Widerspruch in sich, wenn man glaubt, dass
er stärkt das Selbstbewusstsein dort. Die ein Sprecher mit norddeutschem Regional-
Sprachform wird benutzt, als Argument für akzent keinen Akzent besitze. Aber das ist
die eigene Sache, um die eigene Überlegen- trotz dieses offensichtlichen Widerspruchs
heit und die Unterlegenheit der anderen zu die vorherrschende Meinung.
beweisen.
365
Sprache, Heimat, Werte Dialekte in Bayern
nötig, um diesen astronomischen Irrtum auf- Anzeigen und Fernsehspots, sondern auch
zuklären. Eine Sprache, in der man sagt, dass losgelöst davon vor allem auch im Wortsinn
sich die Erde der Sonne entgegendreht, ver- seiner Bestandteile und mit Folgen für die
mittelt dagegen auf Anhieb das richtige Welt- Betroffenen.
bild.
„Kartoffel“ in den Mundarten des ehemaligen deutschen Sprachgebiets. Karte: Werner König: dtv-Atlas
Deutsche Sprache. München 2011, 17. durchges. u. korr. Aufl., S. 206 (Grafiker: Hans-Joachim Paul)
366
Dialekte in Bayern Sprache, Heimat, Werte
Den Regionaldialekt spricht man im Eltern- meinte aber, dass seine Eltern sich morgen
haus, im Dorf, in der Stadt. Das ist die Mut- bei ihm beklagen würden, weil sie den Steu-
tersprache, die man vermittelt bekommt, in- erberater nicht verstanden hätten.
dem man ihr ausgesetzt ist. Sie gibt regio-
nale Identität. Das ist das Stück Heimat, das Es ist aber genauso auch Diskriminierung,
man immer und überall bei sich hat und das, wenn man belustigt ist, lacht, wenn ein
wo immer man auch sich befindet, Nähe und Sachse außerhalb seiner Heimat seinen Dia-
Vertrauen schaffen kann. Diese Sprache ver- lekt anklingen lässt. Wer das komisch findet,
mittelt einem, dass man ein Baier, Schwabe wird diese Person eher nicht für eine Füh-
oder ein Franke ist. In ihr erkennt man einen rungsposition vorschlagen. Das ist zwar kein
Landsmann und man kann für sie genauso bewusster Akt der Diskriminierung, solche
wenig wie für seine Hautfarbe oder das Ge- Dinge kommen aber immer wieder vor.
schlecht, mit dem man auf die Welt kommt.
Damit sind wir beim Thema Sprache und Wenn aber in vergleichbaren Situationen ein
Diskriminierung angelangt. Bewerber Fund statt Pfund, lecht statt legt,
Dink statt Ding und Tach statt Tag (drei ge-
schriebene Buchstaben, zwei Aussprache-
Sprache und Diskriminierung fehler!!) sagt, wird sein Deutsch in der Regel
als korrekt empfunden, es strahlt Kompetenz
Ein paar Beispiele: Ein Macher beim Deut- aus. Und wenn Bruno Jonas sächsische oder
schen Akademischen Austauschdienst brü- Harald Schmidt schwäbische Sequenzen von
stete sich vor einiger Zeit (November 2010) sich geben, dann ist das eine Garantie für ei-
auf einer Podiumsdiskussion in London da- nen Lacher. Was sie aber nicht bedenken, ist,
mit, einen Bewerber für ein Lektorat wegen dass sie anderen Leuten, denen das Mutter-
dessen bairischen Akzents ausgesondert zu sprache ist, Leid zufügen, sie be-leid-igen,
haben. Oder: Bei einem Berufungsverfah- dass sie ein Vorurteil verfestigen und damit
ren für einen germanistischen Lehrstuhl an indirekt und tendenziell zur ungleichen Ver-
der Uni Augsburg fiel zu einer Bewerberin teilung von Lebenschancen in unserer Gesell-
aus der Gegend von Regensburg in der Kom- schaft beitragen.
mission der Satz: „Die Frau kann ja nicht
mal richtig Hochdeutsch“ – und das im Prin- Unsere Gesellschaft hat inzwischen ein Be-
zip nur deswegen, weil sie den a-Laut etwas wusstsein dafür entwickelt, dass man Men-
dunkler aussprach als die anderen Kandi- schen nicht wegen ihres Geschlechtes, nicht
daten. wegen ihrer Hautfarbe benachteiligen darf,
es gibt aber praktisch keine Diskussion darü-
Auch in der Heute-Show im ZDF werden der- ber, dass es in Deutschland andauernd Diskri-
zeit ziemlich regelmäßig Menschen wegen minierung von Menschen wegen ihrer Aus-
ihrer Aussprache verunglimpft. In einer be- sprache, wegen ihrer Muttersprache gibt.
liebten Talk-Show im ersten Fernsehpro- Dies überrascht und irritiert zugleich, fordert
gramm (Hart aber fair) wurde in der Sendung doch Art. 3 Abs. 3 des Grundgesetzes, dass
vom 29.10.2012 ein Steuerberater aus Nieder- niemand „wegen seines Geschlechtes, seiner
bayern mit bairisch geprägtem Standard vom Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache,
Moderator ermahnt, doch „hochdeutsch“ zu seiner Heimat und Herkunft [...] benachteiligt
sprechen.3 Eine englische Kollegin von der oder bevorzugt werden“ darf.
Universität Aberystwyth in Wales hatte keine
Probleme mit dem Verständnis, wie sie mir Ich will jetzt nicht dafür plädieren, dass die
schrieb. Der deutsche, wohl aus dem Rhein- beiden genannten Kabarettisten keine sol-
land stammende Moderator fand den Dia- chen Witze mehr machen dürfen. Frauen-
lekt (sic!) des Steuerberaters zwar „super“, feindliche Äußerungen von Harald Schmidt
367
Sprache, Heimat, Werte Dialekte in Bayern
haben aber einen ganz anderen, neuen Stel- annehmen, dass ein Schwabe oder Bayer
lenwert bekommen, seitdem sich unsere Ge- im Prinzip schriftliche Texte von schlechterer
sellschaft des Problems bewusst geworden Qualität verfasst als ein Norddeutscher. Es
ist und einigermaßen ernsthaft die Benach- geht um die Mündlichkeit, um das Gespro-
teiligung der Frau zu beenden versucht. Was chene. Und da besteht (vom Anfang des 19.
sicher viele aber nicht daran hindert, ent- Jhs. an sich immer mehr verbreitend) der
sprechende Äußerungen von ihm wörtlich zu Glaube, dass in Norddeutschland, insbeson-
nehmen. Anzustreben wäre, dass die eben dere in der Gegend von Hannover, ein besse-
beschriebenen Diskriminierungsmechanis- res Hochdeutsch gesprochen werde als an-
men unserer Gesellschaft bewusst gemacht derswo. Diese Ideologie hat schon am Ende
werden, indem darüber genauso eine Diskus- des 19. Jahrhunderts, wie wir gesehen ha-
sion stattfindet, wie es sie über Diskriminie- ben, auch den Süden erfasst.
rung von Geschlecht und Hautfarbe schon
länger gibt. Bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts
hinein war sie ohne große Folgen. Um 1900
Diskriminierungen wie die genannten sind z. B. hat der gebildetste Süddeutsche auch in
nicht einfach als Kleinigkeit abzutun. Die hochformalen Situationen eine stark regio-
Sprachfertigkeit ist eine Schlüsselqualifika- nal geprägte Aussprache gehabt. Man würde
tion in einer Wirtschaftswelt, die immer mehr das heute als Dialekt bezeichnen, obwohl das
von Dienstleistungen geprägt ist. Sprachliche der damalige süddeutsche Standard war.5 Er
Fähigkeiten sind zentraler Bestandteil der Be- sprach da z. B. noch miad für „müde“, hoiß
urteilung, wenn es um die Verteilung beruf- oder hoaß für „heiß“. Kein Mensch, auch kei-
licher und sozialer Chancen geht. Sind es bei ner aus dem Norden, hat sich beschwert über
einem Menschen anfänglich (in der Schule) eine solche Aussprache, alle haben verstan-
eher die schriftlichen Leistungen, die zählen, den, was gemeint war, trotz der landschaft-
so geben später vor allem die mündlichen lichen Färbung. Man war tolerant, und trotz
Leistungen den Ausschlag. der vorhandenen einheitlichen Schriftsprache
hat man sich nicht daran gestört.
Ich denke nicht, dass man das weiter ausfüh-
ren muss, die Beispiele aus dem vorigen Noch in den 1970er-Jahren hatte Luis Tren-
Abschnitt können das illustrieren; sie zeigen, ker eine Sendung im ersten Fernsehpro-
wie argumentiert wird, wenn aus einer An- gramm, die er mit einem stark südtirolisch
zahl von Bewerbern ausgewählt wird. Die geprägten Standard moderierte. Heute wäre
Form, wie jemand spricht, ist entscheidend so eine Sendung nicht mehr möglich. So ein
für das Fortkommen, für die Karriere. Wer Deutsch würde synchronisiert oder mit Un-
nicht mit norddeutschem Akzent – der wird tertiteln versehen, weil man in Deutschland
derzeit als „reines Hochdeutsch“ angesehen nicht mehr bereit ist, sich auf eine regionale
– spricht, der erlebt seine Muttersprache als Ausspracheform einzulassen. Man vergleiche
Karrierebremse. Sprecher mit erkennbar dazu mal Markus Lanz, der von seiner Heimat
dialektalem Hintergrund gelten vielfach als die gleiche Sprache wie Trenker mitbekom-
„ein bisschen einfach“, um es einmal milde men hat. Welch blasses, glattes Deutsch der
auszudrücken.4 Arme sprechen muss, damit er Wetten dass?
moderieren darf!
368
Dialekte in Bayern Sprache, Heimat, Werte
Verkommen Dialekte zur bloßen Folklore? Lebkuchenherzen auf dem Münchner Oktoberfest
onalen Fernsehen tirolern, was Markus Lanz Im Zweifel war die Schreibung Richtschnur
nicht darf und was Luis Trenker vor einigen für die Aussprache – und das seit mehreren
Jahrzehnten noch ausgiebig durfte. Und er Jahrhunderten. Die Norddeutschen hatten
wurde trotz seiner Tiroler Aussprache auch bis ins 20. Jahrhundert hinein die wohl
im Norden verstanden. Würde Markus Lanz schriftnähere Aussprache, wenn sie hoch-
so zu sprechen beginnen, würde man ihn aus deutsch gesprochen haben. Heute ist das
dem Programm entfernen, mit der Begrün- sicher nicht mehr der Fall. Man vergleiche
dung, dass das ja kein Mensch verstehen die schon vorher beschriebenen Abwei-
könne. chungen des Nordens (fund, dink und lecht).
Das längst obsolete Faktum von der schrift-
Eine dialektal geprägte Mündlichkeit gab es näheren Aussprache der Norddeutschen
seit jeher; um 1650 z. B. beschreibt sie der aber wirkt in den Gehirnen weiter, die Men-
Universalgelehrte Schottelius als Faktum. schen im Norden gewinnen daraus Selbstbe-
Wir wissen aber auch davon, dass man land- wusstsein, sie fühlen sich den Süddeutschen
schaftliche Sprachformen positiv oder nega- sprachlich überlegen.
tiv bewertet hat. Zum Beispiel wurde bis min-
destens 1800 die Aussprache in Obersachsen
(nicht: Niedersachsen), also die von Dresden Das Problem der Süddeutschen
oder Leipzig, als vorbildlich angesehen. Da-
nach folgte die Ansicht, dass die norddeut- Die Menschen im Süden haben im Laufe der
sche Aussprache am besten sei. Vor allem für Zeit ein Unterlegenheitsgefühl entwickelt,
die Bühne und das ernste Drama wollte man das sie in der Entfaltung ihrer Fähigkeiten, in
eine Aussprache, die sich ohne regionale Fär- der Darstellung ihrer Argumente hemmt und
bung möglichst nahe an der Schreibung be- das sie auch bei der Verteilung der gesell-
wegt. schaftlichen Chancen benachteiligt, und das
369
Sprache, Heimat, Werte Dialekte in Bayern
deshalb, weil in allen Bereichen, wo münd- Das ist aber keine Bescheidenheit, die sich da
liche Sprachkompetenz wichtig ist, selbst die äußert, das sind Minderwertigkeitsgefühle.
Süddeutschen glauben, sie können es nicht Generell fehlt dem Süden ein sprachliches
so gut. Da werden Menschen wegen ihrer Selbstbewusstsein. Da helfen auch die gu-
Muttersprache benachteiligt, aus Gründen, ten Umfragewerte für den bairischen Dialekt
die sachlich keine Berechtigung haben. Es ist als der, der am meisten sexy ist, nicht. Das
der Akzent, der falsche, es ist die Nichtüber- Bairische ist in den Medien ein auf wenige
einstimmung mit der norddeutschen Intona- Domänen eingeschränkter Funktionalstil ge-
tion und Lautung. worden. In ähnlicher Situation sind die rhei-
nischen Dialekte, deren Domänen vor allem
Die Kinder in unseren Großstädten wissen im karnevalistischen Bereich liegen.
sehr genau, was angesagt ist. Während man
sich früher von einer schwäbischen, frän- Einem Politiker, der überregional erfolgreich
kischen oder bairischen Artikulationsbasis sein will, schadet eine regionale Färbung,
aus in Richtung Schriftnähe bewegte, wenn die ins Fränkische, Schwäbische, Sächsische
es die Kommunikationssituation erforderte, oder Pfälzische geht. Bleibt der Erfolg ein-
vollzieht die Jugend heute einen radikalen mal aus, dann wird sein Akzent dazu benutzt,
Sprachwechsel in Richtung Norddeutschland. ihn in die provinzielle Ecke zu stellen und ihn
Lecht und Dink gelten offensichtlich als bes- zum Dorftölpel zu machen. Die Verspottung
ser als der schwäbische Diphthong in Zejt des Dialekt sprechenden ungebildeten Bau-
und das bairische dunkle å in schlåfen. Nord- ern hat im Deutschen mindestens seit dem
deutsch ist modern, cool; süddeutsche Klang- 18. Jahrhundert Tradition.
farbe ist out, wird vielleicht als nett, aber im
Prinzip als inkompetent empfunden, und ist
nur akzeptiert, wenn man Weizenbier oder
Kuckucksuhren verkauft oder beim Winter-
sport gerade auf dem Treppchen steht. Das
ist Folklore. Wer ernst genommen werden
will, tut gut daran, sacht und lecht zu sagen.
Das Ganze ist jetzt etwas überspitzt und po-
lemisch formuliert, es trifft aber den Kern der
Sache.
370
Dialekte in Bayern Sprache, Heimat, Werte
Württemberg. Urteile, wie ich sie weiter oben Überlegenheit, im Süden verstärkt er das
aus einem Berufungsausschuss berichtet Problem, das Problem nicht nur der Schwa-
habe, können so nicht nur Baiern treffen, ben, sondern auch der Sachsen und Baiern.
sondern auch Schwaben, Franken, Pfälzer Und die anfänglich 21 % der Bevölkerung
und Sachsen. in Baden-Württemberg, das sind immerhin
ca. 2 Millionen Menschen, die den Spruch
Das süddeutsche Minderwertigkeitsgefühl gar nicht so gut fanden, weil „sie sich vom
in Bezug auf die eigene Sprache ist in nichts Leitwort der Kampagne angegriffen gefühlt“6
anderem begründet als in der Tatsache, dass haben, die haben wahrscheinlich die feine
viele an die Überlegenheit der norddeut- Ironie des Slogans nicht erkannt, dafür haben
schen Aussprache glauben. Hannover ist sie aber sicher schon mal von außen gezeigt
nicht das Oxford Deutschlands. Es gibt kein bekommen, was man von ihrer Sprache hält.
linguistisch irgendwie begründbares Besser
und auch kein Schlechter in diesem Bereich. Die Werbeaktion für Baden-Württemberg
Warum soll Tach für Tag wertvoller sein als bietet intellektuelles Vergnügen, ist witzig,
mein rollendes vorderes R in Regen oder gescheit und bietet Gesprächsstoff für ein
Pferd? gebildetes Publikum. Man erinnert sich an
den Spruch, man wandelt ihn ab, er hat das
Aber es gab schon immer Urteile und Vor- Baden-Württemberg bekannter gemacht.
urteile und Wertungen und Moden in Bezug Was in der Diskussion aber bisher unbeachtet
auf verschiedene Sprachen. Was kann ein geblieben ist, das sind die Kollateralschäden,
Mensch dafür, dass er als Kind einer Sprach- die weiteren Wirkungen in den vielen Köpfen
varietät ausgesetzt war, von der gerade an- in Nord und Süd, die den zweiten Teil des
genommen wird, sie sei schöner und deren Spruches wörtlich nehmen.
Sprecher wirkten kompetenter? Und was
kann der andere dafür, dass er in eine Mutter- Jedem Lehrer sagt man, er dürfe nie etwas
sprache hineingewachsen ist, die weniger an- Falsches vorsagen, weil sich genau das in
gesehen ist, die als weniger kompetent gilt? den Köpfen festsetzt, vor allem wenn es mit
Gar nichts kann er dafür! Genauso wie für Emotionen verbunden ist. Ein Flugzeugführer
die Hautfarbe. Aber im Kontext „Hautfarbe“ darf in Gefahrensituationen nie mit Wendun
nennt unsere Gesellschaft die Nachteile, die gen wie „keine Angst, keine Sorge“ für Be-
so eine Person zu erleiden hat, Diskriminie- ruhigung sorgen wollen, denn diese Wörter
rung. lösen genau das aus, was sie verhindern
sollen, nämlich Angst und Sorge. Warum soll
das beim Slogan „Wir können alles. Außer
Die Wirkung des Slogans Hochdeutsch“ anders sein? Bei ironischen
Äußerungen meint man etwas anderes als
Und was macht die Stuttgarter Werbekampa- man dem Wortsinne nach sagt. Darum geht
gne? Das viele Geld, das sie kostet, hilft mit, Ironie auch so oft schief. Und auch bei einer
diesen Standortnachteil zu perpetuieren, in Person, die die Ironie dieses Spruches ver-
den Köpfen aller festzuzurren und damit dem steht, wirkt der einfache Wortsinn des Satzes
Norden einen Standortvorteil zu verschaffen. unbewusst im Bewusstsein weiter. Und wie
dieses Bewusstsein von der Sprache beein-
Die Bekanntheit des Slogans „Wir können flusst wird, habe ich schon dargelegt.
alles. Außer Hochdeutsch“, den die Mei-
nungsforscher gemessen haben, gerät zum Wenn man das alles so bedenkt, dann nüt-
Bumerang; denn in je mehr Köpfen dieser zen alle die Preise nichts, die die Kampagne
Spruch steckt, desto mehr kann er wirken: eingefahren hat, weil durch sie ein zwar hi-
Bei den Menschen im Norden sorgt er für storisch erklärbares, heute aber durch nichts
371
Sprache, Heimat, Werte Dialekte in Bayern
mehr begründetes Fehlurteil verstärkt wird, Augen der Sprecher. Die Sprachen des Sü-
das geeignet ist, Menschen mit einer be- dens sind gleichberechtigt mit anderen Vari-
stimmten Muttersprache zu diskriminieren, anten des Deutschen.
ihr Selbstbewusstsein zu schwächen und
sie damit um Lebenschancen zu bringen. Indirekt würde der neue Slogan auch eine
Natürlich gibt es viele hier im Süden, die vor kleine Spitze Richtung Norden transportieren
Selbstbewusstsein platzen, es gibt aber auch mit der Botschaft, dass es gar nicht so wich-
genügend, die mit diesem ihrem Handicap tig ist, den norddeutschen Tonfall zu beherr-
leidvolle Erfahrungen gemacht haben und schen, weil wir auch ohne diesen erfolgreich
die darunter leiden. sind.
372
Dialekte in Bayern Sprache, Heimat, Werte
„Jetzt nochmal, so, damit wir alle es verste- hör verschaffen. Wichtig ist, dass das als
hen!“ hört das irritierte Kind in der Schule. Diskriminierung erkannt, auch so genannt
Und es hört vom „gestochenen“ Hochdeut- und dann genauso behandelt wird wie die
schen, das gewisse Menschen aus dem Nor- anderen Formen von Diskriminierung, die
den der Republik besitzen sollen. Solche es in unserer Gesellschaft gibt. Die Diskrimi-
Sätze formen das Bewusstsein unserer nierung der Sprache des Südens muss zum
Kinder. Und wir haben die Folgen davon in Thema, muss ernst genommen und nicht
unseren eigenen Köpfen. Es ist in denen der wie bisher als harmlose Kuriosität abgetan
Lehrer und in den Köpfen der Leute, die die werden.
Massenmedien füttern.
Diskriminierung ist das Stichwort, das uns Natürlich müssen wir gleichzeitig auch da-
weiterhelfen kann: Die Medien finden dieses für sorgen, dass das unbegründete Überle-
Thema interessant, bei der Benachteiligung genheitsgefühl des Nordens reduziert wird.
von Menschen wegen ihres Geschlechtes, Denn jeder kann täglich sehen, dass der
wegen ihrer Hautfarbe, aber bisher kaum norddeutsche Regionalakzent keineswegs
beim Thema Dialekt oder Regionalakzent. Die das reine Hochdeutsch ist (tag-tach, drei
Linguistik selbst verwendet es erst seit ein Buchstaben, zwei Aussprachefehler), sondern
paar Jahren in diesem Zusammenhang. genauso eine Varietät der Standardsprache
wie die verschiedenen Sprachfärbungen der
In Deutschland werden Menschen wegen Süddeutschen. So lange ein norddeutscher
ihrer Muttersprache benachteiligt, diskri- Akzent auch von uns als akzentfrei betrach-
miniert. Hier gilt es den Forderungen des tet wird, das ist ein Widerspruch in sich, so
Grundgesetzes Anspruch zu verleihen, hier lange haben wir keine Chance, den beschrie-
kann man einhaken und sich öffentlich Ge- benen Zustand zu ändern.
373
Sprache, Heimat, Werte Dialekte in Bayern
Was nun? Was tun? Nicht nur in der Lehrerausbildung sollen die
hier referierten Inhalte vermittelt werden,
Wie könnte man die hier aufgezeigten Diskri auch in der Lehrerfortbildung sollen sie in
minierungsmechanismen beseitigen oder allen Fächern, allen Klassenstufen und allen
mildern? Die Voraussetzungen dafür sind Schularten zum Thema werden. Denn nur
günstig, weil das Vorurteil wirklich ein Vorur- Inhalte, die begründet sind und von denen
teil und durch kein Faktum zu begründen ist. man überzeugt ist, kann man wirkungsvoll an
Es ist nur Aufklärung vonnöten. die junge Generation vermitteln. Das tief sit-
zende Vorurteil von der Minderwertigkeit ein-
Die folgenden Maßnahmen wären der Sache zelner Varietäten im deutschen Sprachraum
dienlich: kann nur durch gemeinsame Anstrengungen
Am Anfang müssen die Universitätsgerma- aller Betroffenen überwunden werden.
nisten von den hier dargestellten Fakten Alle mit dem Gebrauch der Mundart zusam-
überzeugt werden, müssen sie als Thema be- menhängenden Themen müssen zum Gegen-
greifen. Selbst bei vielen von ihnen herrscht stand des Unterrichts gemacht werden –
noch die Auffassung, dass es der Norden beginnend in der Grundschule. Wenn Lehr-
besser kann. kräfte diese Themen unterrichten müssen,
Die Basis des Ganzen: In der Lehrerausbil- dann dringen diese tiefer in ihr Bewusstsein
dung müssen die sprachhistorischen und ein, die gut gemeinten „Verbesserungen“
sprachwissenschaftlichen Fakten für die werden eher als Diskriminierung erkannt und
Grundlosigkeit des südlichen Unterlegen- damit eher vermieden.
heitsgefühls allen Studenten nahegebracht Man muss – wichtig – die Sache auch durch
werden. Es muss ihnen bewusst gemacht gesetzgeberische und verwaltungsmäßige
werden, wie diese Auffassung historisch Vorgaben fördern. Man sollte nach norwe-
entstanden ist, dass ihr heute jegliche reale gischem Vorbild per Gesetz verbieten, ein
Grundlage fehlt und dass es keine wissen- Kind wegen seiner gesprochenen Mutter-
schaftlich fundierte Gründe gibt, verschie- sprache zu tadeln. So eine Initiative würde
dene Ausspracheformen als höher- oder schon durch die entstehende Diskussion das
geringerwertig zu betrachten. Problem ins Bewusstsein in der Bevölkerung
Die zukünftigen Lehrkräfte aller Schulzweige rücken und dazu beitragen, die Ideologie von
und Klassenstufen müssen lernen, wie der sprachlichen Überlegenheit des Nordens
sprachliche Diskriminierung funktioniert, wo in Frage zu stellen.
sie vorliegt und wie ihr zu begegnen ist. Dazu
sind an den Universitäten Anreize zu setzen Lehrerhandreichungen wie die vorliegende
für die Lehre und für Forschungsarbeiten leisten einen kleinen, aber wertvollen Beitrag
und -projekte zu den Formen und Mechanis- zum eben beschriebenen Programm, sie sind
men solcher Diskriminierung und ihrer histo- aber nur ein Tropfen auf den heißen Stein.
rischen Entstehung. Wenn wir ernsthaft unsere bayerischen Dia
Der Ansatz über die Universitäten und die lekte, unsere Muttersprachen, diesen Teil
Lehrkräfte ist notwendig, weil Vorurteile und unserer Heimat, erhalten wollen, dann müs-
Minderwertigkeitsgefühle früh entstehen und sen weitere Maßnahmen ergriffen werden.
später nur noch schwer aus den Köpfen zu Ich habe hier Vorschläge gemacht. Und das
entfernen sind. Dass darüber auch auf breiter Erstaunliche ist, dass sie nicht einmal viel
Basis geforscht wird, verstärkt die Glaubwür- kosten. Nur einen Bruchteil dessen, was das
digkeit des Ansatzes und hält ihn in der Dis- Land Baden-Württemberg dafür ausgegeben
kussion. Das wäre eine genuine Aufgabe für hat, sein sprachliches Prestige zu ruinieren.
die an fast allen bayerischen Universitäten Man muss es nur wollen. Es ist fünf vor
vorhandenen Professuren für Variationslin- zwölf. Es darf nicht nur bei schönen Reden
guistik. bleiben. Es muss gehandelt werden.
374
Dialekte in Bayern Sprache, Heimat, Werte
Anmerkungen
5 Das Wort Dialekt hat in den letzten Jahr-
1 Bertha von Suttner: Die Waffen nieder! zehnten beim Nicht-Sprachwissenschaftler
Eine Lebensgeschichte. 1990 herausgegeben seine Bedeutung verändert. Je weniger Men-
und mit einem Nachwort versehen von Sigrid schen mit den genuinen Basisdialekten in
und Helmut Bock. Berlin: Verlag der Nation, Berührung kommen, desto eher bezeichnen
S. 110. sie die landschaftlichen Färbungen der Stan-
dardsprache schon als Dialekt.
2 Vgl. Bulletin der Bundesregierung Nr. 96-1
vom 23. September 2008, S. 6. 6 Das konnte man am 21.09.2002 in der
Schwäbischen Zeitung in einem Artikel mit
3 Sendung bei: https://www.youtube.com/ der Überschrift „Hochdeutsch Schwache
watch?v=pthd9OaZOlM (aufgerufen am fallen auf“ so lesen.
20.05.2015)
7 Frankfurter Allgemeine Zeitung,
4 Zum Thema Sprache und Diskriminierung 05.09.2012, Nr. 207, S. N3: Könich Ludwich
vgl. Maitz, Péter / Elspaß, Stephan (2011): lebt hier nich mehr. Linguistik als Heimat-
Zur sozialen und sprachpolitischen Verant- kunde: Der galoppierende Verfall der gespro-
wortung der Variationslinguistik. In: Glaser, chenen Sprache scheint niemanden zu
Elvira / Schmidt, Jürgen Erich / Frey, Nata- kümmern. Eine Polemik.
scha (Hgg.): Dynamik des Dialekts. Wandel
und Variation. Akten des 3. Kongresses der
Internationalen Gesellschaft für Dialektologie Abbildungen
des Deutschen (IGDD). Stuttgart: Steiner (ZDL Slogan: Landesregierung Baden-Württem-
Beihefte; 144), S. 221-240. berg, Stuttgart; Karikatur: Sepp Buchberger,
Für den Unterricht siehe Heft 6/2011 von DER Tübingen; Sprachkarten: Deutscher
DEUTSCHUNTERRICHT zum Thema sowie Taschenbuch Verlag, München; Fotos:
den Aufsatz von Steffen Arzberger (2008): Bayerischer Landesverein für Heimatpflege
Dialekt und Schule – Freund oder Feind URL: e. V., München; Werner König, Augsburg;
www.dialektforschung.phil.uni-erlangen.de/ Aufkleber: Förderverein Bairische Sprache
sterbendialekte. und Dialekte e. V.
375
Sprache, Heimat, Werte Dialekte in Bayern
Totgesagte leben länger. Was in den 1970er- tion geschmäht – scheint überlebensfähig,
und 1980er-Jahren schier undenkbar war, ist weil erstaunlich wandelbar, anpassungsfähig
eingetreten. Der Heimatbegriff erlebt eine Re- und flexibel. Diese Wandelbarkeit treibt mit-
naissance: Pop-, Rock- und Folkgruppen wie unter merkwürdige Blüten, was traditionell
Haindling oder LaBrassBanda integrieren Ele- geprägte Volksmusikanten, Trachtenfreunde,
mente der bayerischen Volksmusik, junge Dialekt- und Brauchtumspfleger bisweilen
Dichter rezitieren auf Poetry Slams Mundart- in Harnisch bringt, zu Recht. So glücklich
gedichte, Filmemacher wie Edgar Reitz und man darüber sein sollte, dass die jahrelange
Marcus H. Rosenmüller erfinden den neuen Verpönung des Heimatbegriffs nachlässt,
Heimatfilm und mit der Habilitationsschrift so misstrauisch sollte man jedem neuen
von Karen Joisten „Philosophie der Heimat – „Hype“, jeder neuen Ideologisierung gegen-
Heimat der Philosophie“ (2003) hat sich auch überstehen. Immer wieder wurde der Hei-
die Wissenschaft einem bis dahin lange ver- matgedanke vergessen und wieder entdeckt,
nachlässigten Thema zugewandt, das in den Moden kamen und gingen. Fragen wir uns
letzten Jahren zahlreiche Fachtagungen von deshalb nüchtern und gelassen: Was bedeu-
Parteien, Stiftungen und Akademien beschäf- tet der Heimatbegriff heute? Was macht seine
tigte und es noch immer tut. Relevanz für heute aus?
Das Konzept „Heimat“ – oft als Utopie, als Was ist Heimat? Titelcover Der Spiegel Nr. 15 vom 7. April
Mythos, als Konstrukt, als moderne Imagina- 2012. Foto: Der Spiegel, Hamburg
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Dialekte in Bayern Sprache, Heimat, Werte
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Sprache, Heimat, Werte Dialekte in Bayern
„Aus der Heimath hinter den Blitzen roth,/ So unpolitisch man sich präsentierte, die
da kommen die Wolken her,/ aber Vater und Heimatschutzbewegung hatte stets auch
Mutter sind lange todt,/ es kennt mich dort politische Absichten und Wirkungen. Schon
keiner mehr.“ in der Gründerzeit stellte sich der Heimat-
gedanke in den Dienst des Nationalstaates.
Während unter dem Eindruck der Frühin- Völkisches Denken lag da nicht fern. Agrar-
dustrialisierung die alten bäuerlichen und romantik und Großstadtfeindlichkeit paarten
ständischen Strukturen zusammenbrechen, sich leicht mit dem Glauben an die Über-
schreibt man romantische Gedichte auf die legenheit des deutschen Volkes, im Begriff
Heimat. Während 1844 in Schlesien der We- „Heimat“ wurde nun oft ausdrücklich deut
beraufstand tobt, macht die Spätromantik sche Kultur mit deutscher Natur verbunden.
den Heimatbegriff endgültig zum Mythos. Die Chefideologen des „Dritten Reiches“
Zu dieser Zeit war der Heimatbegriff immer pervertierten und überhöhten mit ihrer
noch ein topographischer. Jeder, der ihn im „Blut-und-Boden-Tümelei“ lediglich das,
Munde führte, meinte ein bestimmtes Dorf, was längst angelegt war.
eine bestimmte Landschaft. „Die heimatliche
Natur ergreift mich umso mächtiger, je mehr Heimatfilm und Heimatroman der Nach-
ich sie studiere“, sinnierte Hölderlin. kriegszeit haben in ihrem seichten Klischee
den wirklichen Blick auf das, was Heimat sein
Heimatgefühle waren im 19. Jahrhundert kann, eher verstellt als gefördert. So verwun-
überwiegend naturromantische Gefühle. Die dert es nicht, dass der Heimatbegriff als
seit dem Biedermeier entstehende und breit historisch höchst belasteter und in der Folge
rezipierte Heimatliteratur verweigerte sich rundum desavouierter Begriff die zweite
weitreichend dem um sich greifenden Indus- Hälfte des 20. Jahrhunderts erreichte.
trialisierungsprozess und seinen sozialen Fol-
gen. Heimat bezog sich zumeist auf den Ort
der frühesten Sozialisationserlebnisse, die
überschaubare Welt des Dorfes. Die Dorfge-
schichten und Bauernromane von Jeremias
Gotthelf, Karl Immermann, Berthold Auer-
bach und Peter Rosegger legen hier beredtes
Zeugnis ab. Ludwig Ganghofer trieb das
Genre auf die Spitze und erreichte mit seinen
Werken Millionen. Die Darstellung der Stadt
und ihrer neuen Wirklichkeiten blieb dem Na-
turalismus vorbehalten – und provozierte als-
bald das juste milieu.
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Dialekte in Bayern Sprache, Heimat, Werte
Heimat, ursprünglich der „umfriedete Raum“, Das ist das Ende des topographischen Hei-
also Besitz, Haus und Hof, wird so zu einem matbegriffs. Heimat wird zur Utopie – zum
Raum von Überschaubarkeit, Unverwechsel- „u-topos“, zum „Nicht-Ort“. Bernhard
barkeit, Identität, Geborgenheit, Vertrautheit. Schlink schiebt in seinem Essay den orts
Räume dieser Art drücken sich in einem be- gebundenen Heimatbegriff ausdrücklich bei-
stimmten Lebensstil, in Bauweise, Wohnkul- seite und betrachtet Heimat als imaginären
tur, Brauchtum, Musik und Festkultur sowie Ort der Sehnsucht. Könnte es sein, dass auch
in ihrer je eigenen Sprache aus. Heimat ist die digitale Suche nach Heimat in Twitter und
Nahwelt, die verständlich, durchschaubar und Facebook, Chat-Room-Geflüster und Cyber-
formbar ist, ethologisch, also verhaltensbiolo- Sex eine solche Form der „u-topischen“
gisch vielleicht ableitbar vom „Revier“, vom Heimatsuche ist?
„Territorium“, vom „Habitat“ der Tierwelt.
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Sprache, Heimat, Werte Dialekte in Bayern
„In der Spannung zwischen Enge und Weite, Heimat als heilendes und als kränkendes
zwischen ruhigem Verweilen im schützenden Phänomen
Bereich der Heimat und mutigem Ausgreifen Ich kenne Polizisten, die nicht in Uniform
in die Ferne, zwischen Beharren in der Tra in ein Lokal gehen können, aus Angst, von
dition und Willen zum Fortschritt, bald mehr einem missgünstigen Koch vergiftet zu wer-
zur einen, bald mehr zur anderen Seite sich den. Ich kenne Menschen, die nicht in einem
neigend, verläuft das menschliche Leben.“ Hotelbett schlafen können, aus Angst, von
So Otto Friedrich Bollnow.6 Wenn man vom den Bazillen des Vorgängers angesteckt zu
erzwungenen Verlassen der Heimat absieht, werden.
sind „Gehen“ und „Bleiben“ menschliche
Existenziale, die in jedem von uns stecken. Extremfälle – sagt man. Menschen, denen
Jeder Mensch hat nach Karen Joisten eine etwas fehlt – Urvertrauen. Ohne Urvertrauen
„heimhafte“ und eine „weghafte“ Seite. lebt es sich schwer. Aber wie gewinnt man
Urvertrauen? Urvertrauen wächst in frühkind-
Diese bipolare Erfahrung wird schon im Buch lichen Erfahrungen, im Erleben von Familie,
Genesis thematisiert. Von Adam wird gesagt: Partnerschaft und – Heimat. Heimat kann Ur-
„Gott nahm den Menschen und setzte ihn in vertrauen generieren, Heimatlosigkeit nicht.
den Garten Eden, damit er ihn bebaue und
bewache“ (Genesis 2,15). Bewachen. Also Heimatlosigkeit als psychische Kränkung ist
bleiben. Sesshaft bleiben. Nur wenige Kapitel mehrfach beschrieben worden.7 So schreibt
später hingegen hört Abraham: „Ziehe fort C.G. Jung über einen amerikanischen Pati-
aus deinem Land, aus deiner Verwandtschaft enten: „Er war körperlich in Zürich, träumte
und aus deinem Vaterhaus, in das Land, das aber selten von Europa, immer von Amerika.
ich dir zeigen werde.“ (Genesis 12,1). Er ist also nicht wirklich hier, sondern sieht
alles durch die Brille von New York oder Bos
Jeder von uns hat eine adamitische und eine ton. Erst nach einer Weile kommt ein Koffer
abrahamitische Seite. Die biblische Antino- nach dem anderen aus Amerika. Manche sei
mie warnt uns davor, einseitige Menschen- ner Koffer aber kommen nie an.“ 8
bilder aufzustellen. Menschen, die mehr dem
„Heimhaften“, Traditionellen, Konservativen Manche Koffer kommen nie an. Jeder, der
zuneigen, haben ihre Stärken im Ordnen, seine Heimat unfreiwillig verlassen musste,
Schützen, Verantwortung übernehmen, Tra- weiß um diese Tragik – aber auch viele Men-
ditionen weitergeben. Diese Stärken können schen, die aus wirtschaftlichen Gründen ihre
aber zu Traditionalismus und Intoleranz ver- Heimat verließen.
härten.
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Dialekte in Bayern Sprache, Heimat, Werte
Dem Schmerz des Heimatverlustes folgt oft Den Blick für Maßstäbe bewahren!
die Verdrängung. So kann der Schmerz von Heimat- und Traditionsbewusstsein sind
Migranten so groß werden, dass sie alles hohe Tugenden, müssen sich aber höheren
Vergangene abschütteln und ihren Kindern Tugenden wie Toleranz, Menschenfreundlich-
verbieten, ihre Muttersprache weiter zu pfle- keit, Gewaltlosigkeit und Gastfreundschaft
gen. Oder dass sie in ihrem Lebensstil deut- unterordnen. Wird diese Wertehierarchie
scher als die Deutschen, amerikanischer als missachtet, kommt es im besten Fall zu pein-
die Amerikaner werden. Aber auch die un- lichen, im schlimmsten Fall zu kriminellen Ex-
gebrochene Kontinuität von Heimat ist noch zessen. Alle Formen der Heimatliebe und Hei-
keine Garantie für seelische Gesundheit. matpflege sollten sich den Werten der Huma-
nität und Aufklärung unterordnen.
Das Konzept „Heimat“ kann auch in dieser
Beziehung glücken oder scheitern. Heimat Auch das Fremde integrieren und es als
kann seelisch gesunde oder seelisch kranke Bereicherung verstehen!
Menschen hervorbringen, kann heilen oder Das Fremde und die Heimat gehören un-
kränken. Wann macht Heimat gesund? Wann trennbar zusammen. Nur durch das Erleb-
krank? Das dauerhafte Fehlen einer Sicher- nis des Fremden wird Heimat zur Heimat.
heit bietenden Umgebung ist in den meisten Das prasselnde Kaminfeuer ist nur dann ge-
Fällen kränkend und schädigend. mütlich, wenn es draußen kalt ist. Oder, um
mit Karl Valentin zu sprechen: „Fremd ist der
Zu engherzige Familien, Clans und Dorfge- Fremde nur in der Fremde“. Liebe zur eige-
meinschaften können den gleichen Schaden nen Heimat darf sich nicht nach dem frag-
anrichten. Sie zwingen dem einzelnen Mit- würdigen Motto „Mia san mia“ aus der Her
glied ungeliebte Normen auf, entziehen ihm abwürdigung fremder Heimaterfahrungen
bei abweichendem Verhalten Schutz und Em- speisen.
pathie. Sie neigen dazu, Andersdenkende
und Anderslebende radikal auszuschließen. Die eigene Fremdheit wahrnehmen!
Die Literatur- und Filmgeschichte ist voll von Und wenn die eigenen Vorfahren Jahrhun-
Berichten Ausgestoßener und Diskriminierter, derte an einem Ort gewohnt haben: Zur Ver-
man denke nur an die Werke von Lena Christ trautheit mit einem Stück Heimat gehört bei
und Oskar Maria Graf. vielen auch ein Stück nie zu überwindender
Fremdheit. Diese Ambivalenz ist nichts Nega-
Wenn eine vermeintliche Heimat aber zum tives, sondern Ausdruck unserer Fortschritts-
disziplinarischen Damoklesschwert wird, hat fähigkeit. Jeder von uns ist ein Stück mehr,
sie jegliche Berechtigung und Schutzwürdig- als ihm die eigene Heimat geben konnte.
keit verloren. Gott sei Dank gibt es auch ge- Fremdheitsgefühle im Diesseits kann auch
nügend Gegenbeispiele. Beispiele für glü- Ausdruck religiöser Zukunfts- und Para-
ckende Heimaterfahrungen, die Urvertrauen dieseshoffnung sein. Der 119. Psalm bringt
und Lebensfähigkeit stärken. dies zum Ausdruck, und davon abgeleitet
Paul Gerhardts bekanntes reformatorisches
Kirchenlied „Wir sind nur Gast auf Erden,
Kriterien für ein menschen- und wandern ohne Ruh, mit mancherlei Be
freundliches Heimatbild schwerden der ew´gen Heimat zu“.
Der Lyriker Georg Trakl formuliert in einer
Was ist die Basis für ein heilsames, men- Gedichtstrophe: „Die Seele ist ein Fremdes
schenfreundliches Heimatbild? Ich persönlich auf Erden.“
finde folgende Kriterien plausibel und stelle
sie zur Diskussion:
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Sprache, Heimat, Werte Dialekte in Bayern
382
Dialekte in Bayern Sprache, Heimat, Werte
Diese Wahlmöglichkeit ist ein begrüßens- Bereits ab 1850 waren im ganzen Land zahl-
werter Zugewinn an Autarkie und Selbstbe- reiche Heimatvereine und Heimatmuseen
stimmung des Einzelnen. Aber auch verbun- entstanden, 1894 wurde in Würzburg der
den mit einem zwingenden Maß an persön- „Verein für bayerische Volkskunde und
licher Entscheidung – denn beides gleichzei- Heimatpflege“ gegründet, 1902 dann der
tig ist leider selten erreichbar: Freiheit und „Verein für Volkskunst und Volkskunde“,
Nähe, Grenzenlosigkeit und Bindung. der ab 1945 „Bayerischer Landesverein für
Heimatpflege“ hieß. Seine Zeitschrift
„Volkskunst und Volkskunde“ wurde später
Heimat zwischen Bewahren in „Bayerischer Heimatschutz“, dann in
und Erneuern „Schönere Heimat“ umbenannt.
Dass Natur und Umwelt des besonderen Federführend für die Gründung des nach-
Schutzes bedürfen, ist heute, bei allen Sün- maligen Landesvereins waren Ernst Rudorff
denfällen, allgemein anerkannt. Der Schutz und der Architekt und Kunsthistoriker Paul
von historischen Gebäuden und Ensembles Schultze-Naumburg, der sich nach 1920 im-
löst oft schon weitaus kontroversere Diskus- mer mehr dem aufkommenden Nationalso-
sionen aus. Während man in fremden Län- zialismus zuwandte und zu einem führenden
dern selbstverständlich denkmalgeschützte NS-Kulturpolitiker aufstieg. Unter seinem
Objekte als Reiseziel erwartet, hapert´s zu- Einfluss ließ sich ein großer Teil der Heimat-
hause oft an Verständnis und Engagement. schutzbewegung bereitwillig gleichschalten.9
Dabei hat der Gedanke des Denkmalschut- Nach dem Krieg wurde der Landesverein
zes eine lange und, zumal in Bayern, könig- bereits 1945 wieder gegründet und 1949 ein
liche Geschichte. Dass das bauliche Erbe „Bayerischer Heimattag“ organisiert. Man
eines Volkes geschützt werden muss, ist eine bemühte sich, die Themen der Heimatpflege,
Grundüberzeugung der Romantik des frühen der Volkskunde und der Brauchtumsarbeit
19. Jahrhunderts. In Bayern war es König aus dem Dunstkreis reaktionären Gedanken-
Ludwig I., der diesen Bestrebungen zum guts zu befreien. Eine ausgesprochene Ver-
Durchbruch verhalf. Nach französischem Vor- gangenheitsbewältigung fand jedoch nicht
bild schuf er 1835 das Amt des „General statt. Man dachte, nahtlos an die Tradition
inspektors der plastischen Denkmäler des vor 1933 anknüpfen zu können. Das Wort
Mittelalters“. Bald schon wurde diese Stelle „Heimat“ hatte zwar seine Unschuld, jedoch
dann selbstständige Behörde zur Pflege al- nicht seine Existenzberechtigung verloren.
ler Denkmäler Bayerns, 1908 „Landesamt für
Denkmalpflege“ genannt. Moderne Heimatpflege beschreitet heute
bewusst einen ausgewogenen Weg zwischen
Die Überlegung, dass auch immaterielle Erb- Bewahren und Erneuern, zwischen Affirma-
stücke wie Bräuche, Dialekt, Volksmusik und tion und Gesellschaftskritik, und hat sich da-
Geschichtsschreibung in einer zunehmend durch zunehmende Akzeptanz in der Bevöl-
industrialisierten Gesellschaft Aufmerksam- kerung gesichert. Viele Bürgerinnen und Bür-
keit und Schutz bedürfen, reifte erst nach und ger engagieren sich ehrenamtlich und mit
nach. Auf eine Initiative von König Max II. großem Engagement. Viele Bürgerinitiativen
schuf Wilhelm Heinrich Riehl das Sammel- wenden sich gegen die mannigfachen Bedro-
werk „Bavaria“ (1860-1868). Um 1900 wur- hungen von Umwelt und Kultur und berufen
de das Wort „Heimat“ zu einem kulturpoliti sich dabei explizit auf den Heimatbegriff. So
schen Begriff, zu einer alle Lebensbereiche auch mit Blick auf die Pflege der bayerischen
umfassenden Bewegung. Dialekte, die ungeachtet aller Unkenrufe ihre
Vitalität behaupten.
383
Sprache, Heimat, Werte Dialekte in Bayern
Die Parallelen zwischen den Ursprüngen der Damit gibt es Hunderte von feinen Sprach-
Heimatschutzbewegung im 19. Jahrhundert grenzen, manchmal zwischen einem Ort und
und heute liegen auf der Hand. Damals wie dem nächsten. Was in einer Gegend noch ge-
heute gibt es wirtschaftliche und gesellschaft- sprochen wird, ist in der anderen schon aus-
liche Umbrüche, die Traditionelles im hohen gestorben. Wie kann man da behaupten, der
Maß gefährden und in Frage stellen. Damals eine spricht richtig, der andere falsch?
wie heute wirbeln Mobilität und Wertewandel
gewachsene Strukturen durcheinander. Toleranz in Sachen „Geschriebener Dialekt“
Missverständnisse treten vor allem auf, wenn
Bei alldem ist sicher: In dem Maß, in dem Dialekt geschrieben wird. Was man früher
sich die traditionellen Milieus der Gesell- kaum getan hat, auch unsere Großeltern
schaft auflösen, kommt dem Bereich der Hei- nicht. Sie haben ihre Briefe mühsam in Hoch-
matpflege eine integrierende Funktion in den deutsch verfasst.
Dörfern und Städten zu. Heimatpflege stärkt
die Identität der Menschen, unterstützt aber Nur Schriftsteller haben versucht, die Mund-
auch die Vielfalt der Identitäten. Alteingeses- art für gedruckte, literarische Formen zu
sene, Heimatvertriebene, Zugezogene, aber nutzen. Johann Peter Hebel mit seinen 1800
auch Menschen mit Migrationshintergrund verfassten „Alemannischen Gedichten“ zum
entwickeln unterschiedliche Identitäten, die Beispiel, im Oberbayerischen dann Franz
es zu berücksichtigen gilt. Generell wird auch von Kobell und Max Dingler.
eine auf Bayern konzentrierte Heimatpflege
immer mehr in ihren europäischen Kontext Es gibt kaum Regeln der Dialektschreibung.
zu setzen sein. Ein Heimatbegriff, der aus- Thoma schreibt Dialekt anders als Graf, Queri
schließt, ist nicht mehr zeitgemäß. anders als Ruederer. Und wenn es Regeln
gäbe, dann in Lautschrift, und die ist – mit
Eine der wichtigsten Indikatoren für Heimat Verlaub – saukompliziert. Neudeutsch ausge-
ist die Sprache, die immer mit einer spezi- drückt: „Dialekt ist Spreche, nicht Schreibe“.
fischen Kulturform verbunden ist. Da wir
nicht mehr in einer vorindustriellen, bäuer- Verachtet mir die Hochsprache nicht!
lichen Welt leben, wird auch manches von Moderne Staaten brauchen Hochsprachen!
der Sprache vergehen, die davon geprägt Jeder Schweizer bestätigt das Problem von
war. Heute haben wir die letzte Chance, uns drei, vier Landessprachen. Selbst ein hochge-
mit Menschen, die diese Sprache noch leben- bildeter Rätoromane, der Französisch, Italie-
dig gesprochen haben, auszutauschen und nisch, Deutsch und Englisch spricht, versteht
damit ein Stück Kulturgeschichte zu doku- die Züricher Nachrichten nicht, die in Schwy-
mentieren. zerdütsch gesprochen werden.
Da Mundart Freude und nicht Zwietracht Eine gesunde Heimat- und Dialektpflege
säen sollte, gilt es in diesem Dialog drei muss aber integrativ sein und darf nicht aus-
Grundregeln zu beachten: grenzen. Die Abkehr vom Dialekt, die wir alle
erlebt haben, war auch eine gesunde Gegen-
Toleranz in Sachen Mundart reaktion gegen alle Formen eines dämlichen
Mit wenig kann man heftigere Diskussionen Sepplbayerntums, der auf Tourismusbühnen,
auslösen als mit Dialektfragen. Jeder meint, in schlechten Romanen und noch schlech-
sein Fränkisch, Schwäbisch oder Bairisch ist teren Bayern-Pornos zelebriert wurde. Kein
384
Dialekte in Bayern Sprache, Heimat, Werte
Wunder, dass viele da Reißaus genommen 2 Zur Geschichte des Heimatbegriffs vgl.
haben. Heimat kann heilen oder verletzen, Wilfried Heller: Heimat – ein selbstverständ-
Sprache auch! licher Begriff? In: Schönere Heimat 1/2009,
S. 3-10.
Umso wichtiger ist, ein ungezwungenes Mit-
einander von Hochsprache und Regional- 3 Bernhard Schlink, Heimat als Utopie, a.a.O.,
sprache, von Schriftsprache und Mundart zu S. 32.
pflegen. Vielleicht war das Pendel zwischen
beiden Ausdruckformen noch nie so ausge- 4 Bernd Hüppauf: Heimat – die Wiederkehr
glichen wie heute. Bei allen Verlusten, wir eines verpönten Wortes. Ein Populärmythos
sollten dies zu schätzen wissen. im Zeitalter der Globalisierung. In: Gunther
Gebhart u. a. (Hgg.), a.a.O., S. 109-140, Zitat
S. 117.
Anmerkungen
5 Zitiert nach Schmitt-Roschmann, a.a.O.,
1 Aktuelle Titel zum Thema „Heimat“: S. 31.
Bernhard Schlink (2000): Heimat als Utopie.
Berlin; Karen Joisten (2003): Philosophie der 6 Otto Friedrich Bollnow (1984): Heimat
Heimat – Heimat der Philosophie. Berlin; heute. Stuttgart, S. 33.
Christoph Türcke (2006): Heimat. Eine Rehabi
litierung. Springe; Martin Heinze / Dirk Qua- 7 Vgl. hierzu auch Stefan Hirsch (Hrsg.) (2009):
dflieg / Martin Bühring (Hgg.) (2006): Utopie Heimatbewusstsein unbewusst. Das Bedürf-
Heimat. Psychiatrische und kulturphiloso- nis nach Heimat und seine Entstehung. Mün-
phische Zugänge. Berlin; Gunther Gebhard / chen. [Publikation der Fachberatung Heimat-
Oliver Geisler / Steffen Schröter (Hgg.) (2007): pflege des Bezirks Oberbayern]
Heimat. Konturen und Konjunkturen eines
umstrittenen Konzepts. Bielefeld; BRmedia 8 Ebd. S. 26.
Verlag (Hrsg.) (2010): Ansichtssache Bayern.
Annäherungen an eine Heimat. München; 9 Vgl. hierzu Cornelia Oelwein: Eine Zeitschrift
Manfred Seifert (Hrsg.) (2010): Zwischen im Dienst der Heimatpflege. Zum 100. Jahr-
Emotion und Kalkül. ‚Heimat‘ als Argument gang der „Schöneren Heimat“. In: Schönere
im Prozess der Moderne. Leipzig; Verena Heimat 1/2011, S. 4-12.
Schmitt-Roschmann (2010): Heimat. Neuent-
deckung eines verpönten Gefühls. Gütersloh.
385
Sprache, Heimat, Werte Dialekte in Bayern
Was kann man tun, um die Dialekte zu pfle natürlichen Lebensgrundlagen und die kul
gen? Nach verbreiteter Meinung werden turelle Überlieferung“. Und zur kulturellen
politische Maßnahmen, die direkt auf den Überlieferung gehören fraglos auch die Spra
Sprachgebrauch einwirken sollen, meist wir chen des Landes.
kungslos bleiben. Linguisten betrachten die
Sprachverhältnisse als Indizien für die gesell Der Freistaat ist sich dieser verfassungs
schaftlichen Rahmenbedingungen; nur diese rechtlichen Vorgabe durchaus bewusst und
können eine Veränderung des Sprachverhal beeinflusst durch seine Politik die Rahmen
tens großer Gruppen verursachen. bedingungen durchaus positiv: Das Prestige
des Dialekts und regionaler Sprechweisen
wird etwa durch Maßnahmen der Kreis- und
Rechtliche Grundlagen Bezirksheimatpfleger gehoben, durch wis
senschaftliche Erfassung in Dialektatlanten
Schutz der Dialektsprecher und Pflege des und Wörterbüchern, durch positive Berück
Dialekts gehören zu den Grundsätzen des sichtigung der Mundarten in der Schule oder
deutschen Rechtssystems. Dialektsprecher durch die Beschäftigung mit Mundarten im
sind in Deutschland durch das Grundgesetz Unterricht – so schreiben es zumindest die
geschützt. In Artikel 3 (Absatz 3) wird fest Lehrpläne vor.
gelegt: „Niemand darf wegen seines Ge
schlechtes, seiner Abstammung, seiner Ras- Die Grundvoraussetzungen für einen dialekt
se, seiner Sprache, seiner Heimat und Her toleranten und Mehrsprachigkeit fördernden
kunft ... benachteiligt oder bevorzugt wer Unterricht wären demnach gelegt. Die Lehr
den.“ Die Benachteiligung von Dialektspre pläne sind geschrieben, die Politiker über
chern ist eingeschlossen. Der Kommentar zeugt. Das Ziel ist eine gute allgemeine
zum Grundgesetz von Michael Sachs führt Sprachkompetenz in allen Varietäten, die der
hierzu aus: Schüler beherrscht, und deren angemessene
Verwendung, also Zweisprachigkeit in Dialekt
„Typischerweise unmittelbar mit Heimat und Schriftdeutsch.
und Herkunft zusammenhängend, jedoch
auch unabhängig davon gehört die Sprache
zu den identitätsprägenden Merkmalen eines Umsetzung positiver
Menschen und ist in dieser Eigenschaft im Voraussetzungen
Verhältnis von Minderheiten zu Mehrheiten
erfahrungsgemäß schutzbedürftig. Deshalb Nicht die rechtlichen Grundvoraussetzungen
wird hierunter allgemein die Muttersprache sind es also, die zu einer Gefährdung der
verstanden, zu der auch Dialekte zu zählen Mundart führen, sondern eher deren mangel
sind.“ hafte Umsetzung. Das geht natürlich zum Teil
auf Tendenzen innerhalb unserer Gesellschaft
Die Bayerische Verfassung ist vom gleichen zurück, die den Dialekt und dessen Sprecher
Geist geprägt. Artikel 3 lautet: (1) „Bayern ist sozial abwerten möchten. Was hat man über
ein Rechts-, Kultur- und Sozialstaat. Er dient haupt gegen das Bairische, das Fränkische
dem Gemeinwohl“. (2) „Der Staat schützt die oder Schwäbische?
386
Dialekte in Bayern Sprache, Heimat, Werte
Dass der Dialekt eine „Sprachbarriere“ sei, Um bei Kindern eine gute Ausdrucksfähig
ist ein Märchen, das in den 1970er-Jahren keit zu entwickeln, ist es nur von Vorteil, mit
aus der deutschen Rezeption britischer Stu ihnen so zu reden, wie einem der Schnabel
dien über die Benachteiligung von Unter gewachsen ist. Über die Standardsprache
schichtskindern entstanden ist. In Bayern braucht man sich dagegen keine Sorgen zu
aber ist der Dialekt nicht auf die Rolle als machen. Sie ist in den Medien allgegenwär
Sprache der Unterschicht abonniert. Und tig; jeder Deutsche beherrscht sie deswegen
dass Dialektsprechen für die Sprachfertigkeit zwangsläufig mindestens passiv. Es ist be
sehr wohl von großem Vorteil sein kann, zei rechtigt, sich eher Sorgen über den Dialekt
gen uns nicht nur Goethe und Schiller, die zu machen.
beide im Dialekt sozialisiert sind, sondern es
wird auch durch die guten PISA-Ergebnisse Bisher konnten die Dialekte in Bayern im
von Gegenden wie der Schweiz, Südtirol und Vergleich zu Mittel- und Norddeutschland
Bayern belegt. Der Leipziger Germanist Beat noch sehr lebendig bleiben. Das liegt an
Siebenhaar bemerkt hierzu in der Süddeut verschiedenen Faktoren: wirtschaftlich ge
schen Zeitung vom 31.10.2014 in einem Inter sehen an der verhältnismäßig geringen Zahl
view: von industriellen Zentren, an der relativ spä-
ten Industrialisierung und am langen Er
„Nach dem ersten PISA-Test haben die süd- halt eines starken landwirtschaftlichen Sek
deutschen Bundesländer ihre guten Ergeb- tors; politisch (im weitesten Sinne) gesehen
nisse auch darauf zurückgeführt, dass dort an „weichen“ Faktoren wie Selbstbewusst
mehr Kinder Dialekt sprechen. Sie gehen sein, Traditionspflege und einer im Laufe der
deshalb bewusster mit Sprache um und kön- Zeiten überwiegend eher positiven Bewer
nen Umgangs- und Standardsprache besser tung der Volkskultur insgesamt.
trennen. Wer einen Dialekt und außerdem
Hochdeutsch spricht, dem fällt es in der Solange dialektsprechende Eltern selbstver
Regel auch leichter, eine fremde Sprache zu ständlich mit ihren Kindern Dialekt reden und
lernen.“ nicht in falsch verstandenem Anpassungs
eifer Schriftdeutsch sprechen, so lange wird
Natürlich spielen bei den PISA-Erfolgen der der Dialekt noch leben, das heißt, solange die
genannten Länder und Regionen auch andere Mundarten noch die Ortsloyalität symbolisie
Faktoren eine wichtige Rolle: das Schulsys ren und solange regionale Herkunft ein sehr
tem zum Beispiel oder eine positive Einstel wichtiger Bestandteil bayerischer Identität
lung gegenüber dem Schulerfolg ganz allge ist. Die bayerischen Mundarten werden sich
mein. Fraglos indes ist, dass die sogenannte an die Schriftsprache anpassen, sich ihr an
„innere Mehrsprachigkeit“ – also das Beherr nähern, aber sie bleiben letztlich bayerische
schen von Schriftsprache und Dialekt – die Sprachformen.
Ausdrucks- und Sprachfähigkeit in hohem
Maß begünstigt. Alle einschlägigen wissen
schaftlichen Studien weisen darauf hin. Sprachwandel
Man stelle sich den Gegenfall vor: Die dia Eine Sprache, die lebt, muss sich wandeln.
lektsprechenden Eltern würden versuchen, Nur das tote Latein kann sich unverändert in
mit ihren Kindern nur Schriftdeutsch zu spre klassischer Form über die Jahrhunderte hal
chen, das sie selber höchstens bei amtlichen ten. Sprachwandel sehen Linguisten also als
Anlässen verwenden. Hier ist die Gefahr, im Prinzip positive Begleiterscheinung des
dass ein gestelztes und sprödes Bürokraten allgemeinen Sprachlebens. Er zeigt, dass sich
deutsch herauskommt, dem die Bildhaftig die Sprache an die Bedürfnisse der Sprecher
keit der Volkssprache vollkommen abgeht. anpassen kann.
387
Sprache, Heimat, Werte Dialekte in Bayern
In meinem eigenen Arbeitsalltag fällt diese schwingt. Dies hat nichts mit der Wort-
Anpassung ganz besonders im Bereich des bedeutung zu tun, es gibt auch äquivalente
Wortschatzes auf. Durch den Niedergang al bayerische Ausdrücke, wichtig ist vielmehr
ter landwirtschaftlicher Produktionsmethoden der emotionale Gehalt, die Konnotation,
etwa, vor wenigen Generationen noch das die gefühlsmäßige Mitbedeutung.
bestimmende Moment im Alltag der Bevöl
kerungsmehrheit, verschwinden ganze Wort Im Bereich des Wortschatzes sind solche
schatzbereiche ersatzlos. Nie dagewesene Entwicklungen als Ergebnis von gesellschaft-
Möglichkeiten zwischenmenschlichen Kon lichem Wandel meiner Meinung nach unver
takts führen verstärkt zum Sprachausgleich. meidbar. Der Rückzug der Mundarten liegt
Nicht nur die alten bäuerlichen Arbeitsgeräte letztlich in der Natur unserer Gesellschaft be
verschwinden mitsamt ihren Namen. Die Na gründet. In einem Land, wo die Dörfer ver
men landwirtschaftlicher Erzeugnisse wie (in städtern, wird die Sprache selbstverständlich
Altbayern) Erdapfel, geibe Ruam, Karfiol und auch verstädtern.
Kren werden durch Bezeichnungen mit ge
samtdeutscher Geltung verdrängt. Wer die
Produkte nicht mehr selber anbaut, sondern Blick in die Zukunft
im Supermarkt kauft, übernimmt eben gerne
auch die neuen, oft genug norddeutschen Be Werden hier in Bayern in unserer schnell-
zeichnungen des Handels – Kartoffel, Karotte, lebigen Welt die Mundarten überleben oder
Blumenkohl, Meerrettich. sind sie vom Aussterben bedroht? Statistisch
sieht es auf den ersten Blick nicht so aus, als
Aber auch Alltagswörter geraten in Verges ob der Dialekt bald verschwinden würde. De
senheit. In Altbayern etwa: hai ‘glatt’, Pfinzta mographische Befragungen zum Dialektge
‘Donnerstag’, Pfoad ‘Hemd’ oder Stranitzl brauch belegen, dass es innerhalb Deutsch
‘Tüte’. Als ein Kollege einmal in einer Metz lands Bayern und die südwestlichen Bundes
gerei am Münchner Viktualienmarkt a Stra- länder sind, in denen prozentual die meisten
nitzl verlangte, schaute ihn die junge Verkäu Dialektsprecher leben.
ferin verständnislos an. Trottoir, Portemon-
naie, Potschamperl, Parasoi, französische In einer Allensbacher Umfrage aus dem
Lehnwörter, einst so schriftsprachlich, dass Jahre 1998 wurde die Frage gestellt: „Können
sie Johann Andreas Schmeller 1827 in sei Sie die Mundart hier aus der Gegend spre
nem „Bayerischen Wörterbuch“ nicht aufge chen?“. Im Bundesdurchschnitt antworteten
nommen hat, sind heute Wahrzeichen ech 51 % der Befragten mit „ja“, in Bayern aber
ten bairischen Dialekts – gehen aber ebenso 72 %, bei weitem der höchste Prozentsatz.
verloren. Den englischen Entlehnungen von Ich sehe keinen Grund zur Annahme, dass
heute wird es vielleicht in zweihundert Jah sich in den letzten Jahren signifikante Ände
ren nicht anders ergehen. rungen ergeben hätten. In einer Allensbacher
Befragung aus dem Jahr 2008 gaben sogar
Ersetzt werden Begriffe mit geringer kommu 45 % der befragten Bayern an, im Alltag aus
nikativer Reichweite durch Wörter mit größe schließlich den Dialekt zu gebrauchen. Fazit:
rer Verbreitung im deutschen Sprachraum. In Von vier Bayern bekennt fast jeder dritte, sei
allen Kreisen der bayerischen Bevölkerung ist nen Dialekt gut zu sprechen. Weit mehr als
nach 1945 wohl erstmals in der Geschichte ein Drittel der Bevölkerung behauptet, quasi
Bayerns auch ein überbayerisches bundes nur Dialekt zu gebrauchen. Diese Zahlen bele
deutsches Heimatgefühl entstanden. Es ist gen: Der Dialekt ist in Bayern nach wie vor in
ein bundesdeutscher Kulturkreis herange tegraler Bestandteil des sprachlichen Reper
wachsen, dessen Familiarität in Wörtern wie toires großer Teile der Bevölkerung, beson
dem vielbekämpften tschüss oder nö mit ders in der Familie und im Alltag.
388
Dialekte in Bayern Sprache, Heimat, Werte
Hinzuzufügen wäre, dass die Dialekte Bay- gebraucht man die Schriftsprache wie nie zu
erns in bundesweiten Umfragen regelmäßig vor. Vor hundert Jahren hatte man in Bayern
zu den beliebtesten Dialekten zählen. Vor ei außerhalb von Kirche und Schule kaum Ge
nigen Jahren wurde überall in der Presse legenheit, gesprochenes Schriftdeutsch zu
von einer Umfrage berichtet, in der das Baye hören, geschweige denn selbst zu sprechen.
rische von allen Dialekten für den am stärks Heute ist die Standardsprache allgegenwär
ten „sexy“ klingenden gehalten wurde. Das tig.
legt nahe, dass die Dialekte Bayerns nicht nur
innerhalb des Freistaats ein gewisses Pres Bestrebungen wie etwa des Fördervereins
tige genießen. Bairische Sprache und Dialekte e. V., die alten
Ausdrücke nicht in Vergessenheit geraten zu
Natürlich sollten wir im Hinterkopf behalten, lassen, belegen anderseits doch, dass es eine
dass derlei statistische Aussagen nicht auf bayerische Identität gibt, die sich ganz stark
der Beobachtung des Sprachgebrauchs beru mittels der Sprache definiert, und geben An
hen, sondern auf Äußerungen der Befragten lass zu der Hoffnung, dass die Dialekte lang
darüber, wie sie angeblich sprechen. Bestä fristig erhalten bleiben können.
tigt sich dieses Bild, wenn man den tatsäch
lichen Sprachgebrauch anschaut?
Fazit
Ich persönlich bin nicht überzeugt, dass sich
gegenwärtig bayernweit ein dramatischer Der Sprachwandel ist kaum aufzuhalten,
Rückgang des Dialektsprechens vollzieht. Ich denn die Sprache ist ein Spiegel der Gesell
glaube aber, außerhalb der städtischen Bal schaft – und diese verändert sich auch in
lungsräume einen gewissen Umbau erken Bayern zusehends und in bislang ungewohn
nen zu können, eine kontinuierliche Anpas ter Geschwindigkeit. Die Mundarten geraten
sung an überregionale Prestigevarianten, dabei unverkennbar in die Defensive. Klein
aber eher an eigene, innerbayerische Pres räumige Unterschiede werden ausgeglichen,
tigevarianten. manchmal auch zugunsten schriftnäherer
Sprachformen. Aber was so entsteht, kann
In ländlichen Regionen entstehen zwar über immer noch sehr bairisch, fränkisch oder
örtliche Umgangssprachen, aber die können schwäbisch klingen. Freuen wir uns daran
so dialektnah sein, dass sie selber als Dia und pflegen wir dieses immaterielle Kultur
lekt empfunden werden – und auch die Orts erbe, das seinen Sprechern Identität und Zu
mundarten sind daneben teilweise recht gut sammenhalt in einer Welt vermittelt, die täg
erhalten. Zusätzlich allerdings braucht und lich mehr zusammenwächst.
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Sprache, Heimat, Werte Dialekte in Bayern
Bayernhymne
Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Bayerischen Landesvereins für Heimatpflege e.V.,
Informationen zur Entstehung und Geschichte der Bayernhymne bietet die Homepage
des Bayerischen Landtags: www.bayern.de/freistaat/wappen-flaggen-und-hymne.
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Die beiden DVDs der BR-Sendereihe „Dialekte in Bayern“ wurden 2006 im Rahmen
der Erstausgabe dieser Handeichung allen bayerischen Schulen zur Verfügung gestellt. Weitere Exemplare
können über die Kommunalen Medienzentren sowie die Landesmediendienste Bayern ausgeliehen werden:
www.mebis.bayern.de/infoportal/medienzentren
www.landesmediendienste-bayern.de
www.km.bayern.de
www.isb.bayern.de
www.br.de
Karte: Westermann im Bildungshaus Schulbuchverlage GmbH