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Unter Mitarbeit von Daniela Dahn, Dietrich Kittner und Peter Turrini

herausgegeben von Rolf Gössner, Ulla Jelpke, Arnold Klönne, Otto Köhler
und Eckart Spoo

Quelle:
http://www.ossietzky.net/3-2010&textfile=894

Es ist Mord, Mr. President (Horst Schäfer)


Entsetzt lese ich: »Eine Predator-Drohne bringt auf sehr schnelle Art zwei,
drei Kills … Die Atombombe bitte erst freischalten, wenn Ihr schon mehr
als einmal eine 20+ Serie geschafft habt.« Es beruhigt mich nicht, daß es
sich nur um Werbung für das neueste US-Mordspiel handelt, dessen
unmittelbarer Vorläufer 2009 mit 14 Millionen verkauften Exemplaren den
Guinness-Weltrekord für »das am häufigsten gespielte Online-Videospiel
aller Zeiten« aufstellte. In der Beschreibung steht, es »konfrontiert die
Spieler mit einer neuen Bedrohung, welche die Welt an den Rand des
Zusammenbruchs bringen könnte«.

Hier werden Millionen von Menschen darauf vorbereitet, daß man mit
unbemannten Flugkörpern angeblich gefährliche Terroristen aller Art
spielend aus der Luft morden kann – ohne Beweise für deren Schuld
vorzulegen, ohne einen lästigen Prozeß zu führen, ohne peinliche
Zeugenaussagen über Verwicklungen der US-Geheimdienste befürchten zu
müssen, ohne Gerichtsurteil. Das ist auch die Realität der gegenwärtigen
US-Kriegsführung in Afghanistan, Pakistan und dem Jemen und
möglicherweise bald im Iran.

»Wollen wir wirklich ins Mord-Geschäft zurückkehren? Haben wir eine


Lizenz zum Töten?« Diese Fragen des bekannten konservativen US-
Publizisten Patrick Buchanan im Jahre 2002 an Präsident Bush II sind von
den verantwortlichen US-Politikern längst mit Ja beantwortet worden,
leider im vergangenen Jahr auch von dem neuen Präsidenten, der nur
deshalb gewählt wurde, weil er Veränderung versprochen hatte: Barack
Obama.

Unmittelbar nach dem 11. September 01 hatte Bush unter dem Vorwand
einer angeblich weltweiten Bedrohung durch al-Kaida den »Krieg gegen
den Terror« ausgerufen. Er verordnete der CIA wieder das, wofür sie
berüchtigt war und was ihr 1976, nach Aufdeckung der Mordpraktiken des
Geheimdienstes durch den US-Senat, von Präsident Ford entzogen worden
war: die Lizenz zum Töten.

Die UN berichteten, daß die Zahl der getöteten Zivilisten allein in


Afghanistan im vergangenen Jahr um 14 Prozent auf 2412 gestiegen ist,
darunter viele Frauen und Kinder. An den Morden war auch die deutsche
Bundeswehr beteiligt. Die meisten getöteten Zivilisten sind Opfer von
Bomben und Raketen, die immer häufiger mittels Drohnen abgefeuert
werden.

Gesteuert werden diese Maschinen entweder direkt aus dem CIA-


Hauptquartier in den USA oder von CIA-Basen in Afghanistan, Pakistan
und Dschibuti. Im Dezember 2009 berichtete die New York Times über
den von Bush begonnenen Drohnen-Krieg: »Zum ersten Mal in der
Geschichte verwendet ein (einer zivilen Regierung unterstellter)
Geheimdienst Roboter, um Militäreinsätze durchzuführen und gezielt
Menschen in einem Land zu töten, mit dem sich die Vereinigten Staaten
nicht offiziell im Krieg befinden.« Die Regierung von US-Präsident Obama
habe den Einsatz der Drohnen noch intensiviert.

53 Drohnenangriffe haben Wissenschaftler von der New America


Foundation 2009 allein in Pakistan gezählt, 51 davon wurden von Obama
befohlen, so die Financial Times Deutschland. Sein Vorgänger Bush habe
im Jahr davor 34 Angriffe angeordnet. »Die USA gehen auf Jagd, rund um
den Globus, und sie töten jene, die sie für böse halten.« Außerdem, so die
FTD, handele es sich »um ein Milliardengeschäft«, denn der Markt für
Drohnen gelte als »äußerst lukrativ«.

Der Drohnen-Einsatz, so die angesehene US-Strafrechtsprofessorin


Marjorie Cohn, verletze sowohl die Charta der UN als auch die Genfer
Konventionen, die absichtliche Tötungen verbieten. »Vorsätzliche oder
politische Morde finden auf Anordnung oder mit Billigung einer Regierung
außerhalb jedes gerichtlichen Verfahrens statt.« Die UNO habe
ausdrücklich erklärt: »Exekutionen ohne Gerichtsurteil sind unter keinen
Umständen gerechtfertigt, auch nicht in Kriegszeiten.« Vorsätzliches
Töten, so die Rechtsexpertin, sei ein Kriegsverbrechen, das selbst nach
dem US War Crime Act bestraft werden müsse.

Nicht verwunderlich ist, daß auch die deutsche Regierung am tödlichen


Spiel mit Drohnen teilnehmen möchte. So vermeldete WELT ONLINE am
29. Januar 2010 unter der Überschrift »Kriegseinsatz – Israel bildet
Bundeswehr für Afghanistan aus«, daß deutsche Piloten in mehrwöchigen
Kursen in Israel an Drohnen geschult werden. Der Einsatz in Afghanistan
stehe unmittelbar bevor. Die Drohne Heron 1 werde vom israelischen
Unternehmen IAI in Zusammenarbeit mit dem deutschen
Rüstungskonzern Rheinmetall gebaut. Vorerst soll sie der Bundeswehr nur
zur Aufklärung dienen – vielleicht, um verheerende Luftschläge a la Oberst
Klein besser leiten zu können.

Deutsche Medien versuchen, einen Drohnen-Einsatz zu verharmlosen oder


zu rechtfertigen. So kann man bei ZEIT ONLINE lesen, Obama schrecke
zwar nicht vor gezielten Tötungen mutmaßlicher Attentäter zurück und
nehme dabei auch den Tod Unschuldiger in Kauf, »nur wirft er die Moral
dabei nicht völlig über Bord«. Was ist denn am Morden moralisch?
Panorama läßt den Militärexperten Klaus Naumann unwidersprochen
darüber schwadronieren, daß die Politik sich endlich »zur militärischen
Seite des militärischen Kerngeschäfts« bekennen solle, und dazu gehöre
»auch das Töten von Menschen«. Mord als Kerngeschäft …

Anfang Januar enthüllte die US-Zeitschrift Vanity Fair, daß im Jahre 2005
ein Mordkommando der CIA auch in Hamburg wochenlang die gezielte
Tötung eines angeblichen Terroristen vorbereitet hat. »Das ist Mord«,
sagte Hans-Christian Ströbele (Die Grünen), die Staatsanwaltschaft
kündigte »Prüfung« an, und der Vorsitzende des
Bundestagsinnenausschusses, Wolfgang Bosbach (CDU), nannte den
Vorgang »atemberaubend«, womit er seine Sprachlosigkeit erklärte.
Staatsanwaltschaft und Bundesregierung scheinen auch Anfang Februar
noch immer ihrer Sprache beraubt zu sein.

Millionen in aller Welt schöpften Hoffnung, als Obama vor der Wahl sein
Credo verkündete: »Yes, we can« – ja, wir können es, wir schaffen den
Wandel. Bestürzend ist, jetzt zu sehen, daß der Krieg in Afghanistan
ausgeweitet und Krieg gegen den Iran vorbereitet wird, daß der US-
Rüstungsetat den neuen Rekord von 742 Milliarden Dollar – davon 192
Milliarden für Afghanistan und Irak – erklimmen soll und daß aus dem
Wahlversprechen in kurzer Zeit ein »Yes, we can kill« geworden ist.

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