E S &T Europäische 8,30 a • D 6323 E

Sicherheit
&Technik 9/2017
Europäische Sicherheit · Strategie & Technik
Österreich a 9,20 · Benelux a 9,30 · Schweiz sFr. 16,00

Spezialkräfte

Die Folgen des Brexit „Gutes Personal langfristig binden!“ Raketenwerfer MARS II
Der Austritt der Briten aus der EU verändert Interview mit Vizeadmiral Andreas Krause, Zukunftsfähigkeit durch Präzision,
auch die Sicherheitspolitik in Europa. Inspekteur der Marine Reichweite und Wirkung

Jamie Shea: Die NATO und Cyber Defence

iApps 353
Po l i t i k · S t r e i t k rä ft e · W i r t s c h a ft · Te c h n i k
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Kommentar
Dank und Abschied
Ende August habe ich meine Tätig-
keit beim Verlag beendet und die
Funktion des Chefredakteurs von
„Europäische Sicherheit & Tech-
nik“ an meinen Nachfolger und
langjährigen Freund Rolf Clement
übergeben. Ich bedanke mich bei
allen, die mich in den letzten 21 Jah-
ren unterstützt haben und mit dazu
beigetragen haben, unseren Lesern
monatlich interessante und informa-
tive Fakten zu den Bereichen Sicherheits- und Verteidigungspo-
litik, Streitkräfte und Beschaffung von Material und Ausrüstung
zu vermitteln. Als ich Ende 1994 aufgrund einer gesetzlichen
Möglichkeit freiwillig meinen Dienst in der Bundeswehr been-
dete und ein Jahr später das Angebot erhielt, Chefredakteur der
Zeitschrift „Europäische Sicherheit“ beim Verlag E.S. Mittler &
Sohn zu werden, begann ein neuer Lebensabschnitt als Journalist.
Die verschiedensten Verwendungen in der Bundeswehr, bei
denen ich immer wieder mit Aufgaben in der Presse- und Öf-
fentlichkeitsarbeit konfrontiert war und auch die Tätigkeit als
persönlicher Referent der ersten weiblichen Parlamentarischen
Staatssekretärin im BMVg mit den Erfahrungen im politisch-par-
lamentarischen Bereich, erleichterten mir den Einstieg in das
neue Arbeitsfeld. Auch mein Verleger ließ mir weitgehend freie
Hand bei der Umsetzung neuer Ideen und Vorstellungen zur in-
haltlichen Gestaltung der Zeitschrift.
Ein besonderes Erlebnis war für mich die erste Teilnahme im Jahr
1996 bei der Münchner Sicherheitskonferenz und das Zusam-
mentreffen mit ihrem Gründer, Baron Ewald von Kleist. Mitzu-
erleben und darüber zu berichten, wie sich die Konferenz unter
ihren verschiedenen Vorsitzenden zu der wichtigsten sicherheits-
politischen Konferenz entwickelt hat, gehört zu den besonderen
Höhepunkten der Tätigkeit.
Im Jahr 2011 haben wir dann nach dem Erwerb des Report
Verlages die beiden Zeitschriften „Europäische Sicherheit“ und
„Strategie & Technik“ zu der neuen Zeitschrift „Europäische
Sicherheit & Technik“ vereint. So begann dann mit der ersten
Ausgabe im Jahr 2012 eine neue Phase als Chefredakteur mit
einem neuen Team. Ich danke allen, die an den Erfolg der neu-
en Zeitschrift geglaubt haben und durch ihre Mitarbeit zu dem
Gelingen bis heute beigetragen haben. Ich habe meine Tätigkeit
in dem guten Gefühl beendet, über lange Jahre unseren Lesern
zu dem wichtigen Bereich der erweiterten Sicherheitspolitik mit
seinen zahlreichen Facetten eine gute Informationsgrundlage ge-
liefert zu haben. Ich wünsche meinem Nachfolger viel Erfolg und
viel Freude in der neuen Tätigkeit. Henning Bartels
Zurück zu den Anfängen
Jetzt kehre ich zu den Anfängen
meiner journalistischen Tätigkeit zu-
rück: Sie begann als Korrespondent
für ein Gemeinschaftsbüro von sechs
Regionalzeitungen am damaligen
Parlaments- und Regierungssitz in
Bonn. Es folgten viele Jahre beim
Rundfunk, erst beim NDR, später
beim Deutschlandfunk.
Die Chance, als Nachfolger meines
Freundes Henning Bartels nun die
Europäische Sicherheit und Technik gemeinsam mit dem Redakti-
onsteam in Bonn gestalten zu können, habe ich sehr gerne ergrif-
fen. Henning Bartels hat diese Zeitschrift 21 Jahre lang mit hoher
Kompetenz, einem großen Erfahrungsschatz, mit Umsicht, viel
Einfühlungsvermögen und klarer Handschrift geführt und damit
Maßstäbe gesetzt. Die Zusammenarbeit mit ihm, zu der ich als
Autor oft Gelegenheit hatte, war immer inspirierend.
Nun wechsle ich von einem Medium, das täglich mehrfach – vor
jeder Sendung – Redaktionsschluss hat und der jüngsten Nach-
richt nachjagt, zu einem Monatsmagazin, das die Themen grund-
sätzlich, intensiver und tiefgehender behandelt. Neu ist das nicht:
13 Jahre lang habe ich die für die Hintergrund-Berichterstattung
zuständige Abteilung des Deutschlandfunks geleitet.
Wie denkt der „Neue“? Wir stehen im Bereich der Sicherheits-
politik in einer bewegten und bewegenden Zeit. Das internati-
onale Koordinatensystem muss immer wieder neu ausgelotet
werden. Die Rolle Deutschlands verändert sich in diesem System
ständig. Für die jeweils aktuelle Rolle muss die Bundeswehr als
ein wichtiges Element der Sicherheitspolitik immer wieder neu
ausgerichtet werden. Wir erleben, dass die Trennung von Inne-
rer und Äußerer Sicherheit immer weniger Bestand haben kann.
Daraus können sich Optionen und Synergien ergeben, politisch
wie auch bei der Ausrüstung. Wir müssen Sicherheit viel umfas-
sender definieren als bisher – nicht nur in Reden, sondern auch
im Handeln.
Das, was als vernetzter Ansatz in Parteiprogramme, Koalitions-
verhandlungen und Debatten eingeführt wurde, muss auch ge-
lebt und umgesetzt werden. Dabei ist klar, dass die europäische
Sicherheitspolitik wertebezogen ist – Demokratie, Rechtsstaat-
lichkeit, Einhaltung der Menschenrechte als Beispiele. Ganz wich-
tig ist wirtschaftliche Stabilität. Wir erleben in vielen Krisenregio-
nen, dass gerade wirtschaftliche Not zu Instabilitäten führt.
Es ist also ein immer breiter werdendes Spektrum, das die Si-
cherheitspolitik ausmacht. Das wollen und werden wir abbilden.
Ich freue mich auf diese Arbeit. Und ich freue mich auf die
Anregungen und die Diskussion mit Ihnen, unseren Leserinnern
und Lesern. Teilen Sie uns ihre Anregungen und Ideen mit. Ich
freue mich auf die Diskussion. Rolf Clement
September 2017 · Europäische Sicherheit & Technik 3
 Inhalt
Seite 32 Seite 48
(Foto: Mali Gov.)

(Foto: ZSanDstBw)
Sicherheit für den Sahelraum „Solides Fundament zur Weiterentwicklung“
Die neue Regionalorganisation G5 will mit EU-Unterstützung Generaloberstabsarzt Dr. Michael Tempel über aktuelle
eine Eingreiftruppe aufstellen. Entwicklungen des Sanitätsdienstes der Bundeswehr

SICHERHEIT & POLITIK 58 Das Framework Nations Concept

Modell für eine moderne europäische Fähigkeitsentwicklung
Erhard Bühler
10 Wie soll sich die Gemeinsame Sicherheits- und
Verteidigungspolitik der EU entwickeln? 62 Seemanöver „Sea Breeze 2017“
Michael Gahler US-Manöver im Schwarzmeerraum
Dieter Stockfisch
14 Die Folgen des Brexits für die europäische Verteidigung
Claudia Major und Alicia Voß 64 Die A400M in der Nutzung
Marcus Riemann
17 Die NATO und Cyber Defence: der Wendepunkt 2016
Jamie Shea 68 Die CH-53 der Personnel Recovery Staffel des HSG 64
Stefan Linkogel
20 Plädoyer für eine konvergente Verteidigungsplanung
Zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung?
Reiner K. Huber RÜSTUNG & TECHNOLOGIE
23 Neubelebung der konventionellen Rüstungskontrolle in Europa
Ein Beitrag zur militärischen Stabilität in Zeiten der Krise (Teil 2) 71 Jagdbomber F-35 Lightning II
Wolfgang Richter Der aktuelle Stand
Sidney Dean
26 Die Zukunft der deutsch-amerikanischen Beziehungen im Bereich
der Sicherheitspolitik 76 Der Raketenwerfer MARS II
Autorenteam: Arbeitskreis Junge Außenpolitiker der Zukunftsfähigkeit durch Präzision, Reichweite und Wirkung
Konrad-Adenauer-Stiftung. Volker Ptock

32 Neue Sahel-Eingreiftruppe 80 Exportkontrolle von Cyber-Überwachungstechnik –

Regionalorganisation G5 wird von der EU unterstützt Dunkle Wolken für die Digitalwirtschaft
Martin Pabst Jan Byok und Benjamin Wübbelt

35
„Wir müssen wachsam sein“ 82 „Wir haben mit der OCCAR in Europa ein vorzügliches Instrument
Interview mit Patrick Sensburg MdB (CDU), Vorsitzender des zur effektiven Durchführung kooperativer Programme“
NSA-Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages Interview mit Arturo Alfonso-Meiriño, Direktor der OCCAR
37
Kontinuität und Stabilität in unruhigen Zeiten nur mit den USA 90 Weiterentwicklung von MoTaKo
51. Sicherheitspolitische Informationstagung der Dorothee Frank
Clausewitz-Gesellschaft
Werner Baach 95 Glock Generation 5
Jan-Phillipp Weisswange

BUNDESWEHR & STREITKRÄFTE INTERNATIONAL

E S&T SPEZIAL: SPEZIALKRÄFTE IN DEUTSCHLAND
40 Wir müssen einiges tun, um den Dienst in der Marine
attraktiver zu gestalten 97 Die GSG 9 der Bundespolizei
Interview mit dem Inspekteur der Marine, Jan-Phillipp Weisswange
Vizeadmiral Andreas Krause
103 Die Spezialkräfte der Landespolizeien
48 Aktuelle Entwicklungen beim Sanitätsdienst der Bundeswehr Jan-Phillipp Weisswange
Michael Tempel
108 Die Spezialkräfte der Bundeswehr
52 Der Mehrjahresplan „Gideon” – warum und wie Strategische Hochwertinstrumente
Gadi Eisenkot Jan-Phillipp Weisswange

4 Europäische Sicherheit & Technik · September 2017

 Seite 64 Seite 95
Foto: Airbus)

(Foto: Glock)
A400M in der Nutzung Glock Generation 5
Die Flotte wächst: 2017 werden neun weitere A400M beim Ende August stellte Glock die neueste Generation ihrer welt-
Lufttransportgeschwader 62 in Wunstorf erwartet. berühmten Schlagbolzenschlosspistole vor.

WIRTSCHAFT & INDUSTRIE RUBRIKEN

115 Spezialkräfte weltweit dulden bei ihrer Ausrüstung 3 Kommentar

keine Kompromisse 6 Umschau
Interview mit Norbert Scheuch, Vorsitzender des
Vorstandes von Heckler & Koch 21 Impressum

117 „Das neue MINOX ZP 1-8x24 erfreut sich ganz 30 Berliner Prisma
besonderer Beliebtheit.“
Interview mit Thorsten Kortemeier, Geschäftsführender 85 Informationen – Nachrichten – Neuigkeiten aus aller Welt
Gesellschafter, MINOX GmbH und GSO German Sports
Optics GmbH & Co. KG 88 Blick nach Amerika

118 Aktuelle Entwicklungen in der Sicherheits- und 89 Fraunhofer INT: Neue Technologien
Verteidigungspolitik
Interview mit Staatssekretär a.D. Georg Wilhelm Adamowitsch,
94 IT News & Trends
Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen S 121 Unternehmen & Personen
icherheits- und Verteidigungsindustrie e.V.
126 Bücher
124
Das STH-Programm ist ein wichtiges Beschaffungsvorhaben
Interview mit Martin Kroell, Geschäftsführer, und Björn Kanstorf, 128 Gesellschaft für Sicherheitspolitik e.V.
Vice President Marketing & Sales Cabin Solutions,
AUTOFLUG GmbH 130 Gastkommentar
(Foto: European Parliament)

„Nur wenn die Mitgliedstaaten im Rahmen der po-

litischen Union Souveränitätsrechte im Bereich der
Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik auf die
Union übertragen, kann es gelingen, eine europä-
ische Armee einzurichten. Die Etablierung einer Eu-
ropäischen Armee ohne die Übertragung des damit
einhergehenden souveränen Rechts über die Auf-
stellung und Entsendung von Streitkräften auf die
EU macht keinen Sinn. Diese mögliche Armee muss
europäisch voll integriert und durch das Europäische
Parlament kontrolliert sein.“

Michael Gahler MdEP: Wie soll

sich die Gemeinsame Sicherheits-
und Verteidigungspolitik der EU
entwickeln? – Seite 10

September 2017 · Europäische Sicherheit & Technik 5

 Umschau

Erfolgreicher Erstflug von Sagitta
Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raum-
fahrt (DLR) hat mit Airbus Defence and Spa-
ce ein Fluggerät für die Entwicklung von
Drohnen erprobt. Der Demonstrator Sagit-
ta flog auf dem südafrikanischen Testge-
lände Overberg rund sieben Minuten und
zeigte dabei herausragende Flugeigen-
schaften. Die Entwicklung von Sagitta hat
(Foto: DLR)
(Foto: DLR)
bundwerkstoff (CFK) hergestellt. Mit Aus-
nahme der Bremsen handelt es sich um ein
„elektrisches Fluggerät“, das anstelle von
Hydraulik-Komponenten über elektrome-
chanische Stellantriebe gesteuert wird. (pp)
Aktive Rotorsteuerung
Rotoren sind die Hauptquelle des Lärms,
den ein Hubschrauber erzeugt. Um den
Lärm und gleichzeitig Vibrationen zu re-

Airbus 2010 mit der nationalen Initiative
„Open Innovation“/Sagitta ins Leben geru-
fen. In ihr arbeitet Airbus mit dem DLR und
Instituten von technischen Universitäten
zusammen. Der Erprobungsträger hat eine
Spannweite von drei Metern, er wird von
zwei Turbinen angetrieben. Sein maxima-
les Startgewicht beträgt 125 Kilogramm.
Die Zelle ist vollständig aus Kohlefaser-Ver-
duzieren, untersuchte das Deutsche Zen-
trum für Luft- und Raumfahrt (DLR) im
Forschungsprojekt SKAT (Skalierbarkeit
und Risikominimierung von Technologie
bei innovativem Design) gemeinsam mit
Airbus Helicopters Deutschland eine aktive
Rotorsteuerung an einem modernen Fünf-
blattrotor im Windkanal. Durch den Einsatz
einer Mehrfachtaumelscheibe konnten
Vibrationen und Lärmabstrahlungen re-
duziert werden. Durch die individuelle An-
steuerung der Blätter verringerte sich der
Rotorlärm um bis zu drei Dezibel, was etwa
einer Entlastung um 30 Prozent entspricht.
Unangenehme Vibrationen, die im Flug
durch den Rotor entstehen, konnten durch
ein neues, adaptives Regelungssystem um
mehr als 80 Prozent reduziert werden. Ein
Hubschrauberflug könnte also bald nicht
nur leiser, sondern auch sehr viel angeneh-
mer werden.  (pp)
Export von Küstenwachbooten
Die Bundesregierung hat den Export von
zwei weiteren Küstenwachbooten nach
Saudi-Arabien genehmigt. Es sind die
SALGS „Al Aflag“ und „Farasan“. Die Boo-
te werden auf einem Schwergutschiff (s.
Foto) nach Saudi-Arabien transportiert.
Saudi-Arabiens Küstenwache hat ca. 25
Küstenwachboote unterschiedlicher Bau-
art bei der Lürssen-Gruppe in Wolgast
in Auftrag gegeben. Dadurch werden in
Mecklenburg-Vorpommern über 400 Ar-
beitsplätze gesichert. (ds)
(Foto: Michael Nitz)

Kartellamt genehmigt Korvettenbau

Das Bundeskartellamt hat den Bau von fünf Korvetten der Klasse K130 (2. Los) für
die Deutsche Marine in einem Konsortium (ARGE K130) von Lürssen, ThyssenKrupp
und German Naval Yards genehmigt. Damit wird es kein Verfahren mehr gegen die
geplante Beteiligung von German Naval Yards an der ARGE K130 mit Blick auf das
deutsche und europäische Kartellverbot geben. Das teilte die Deutsche Marine als
Auftraggeber mit. Die Deutsche Marine hofft, dass der Bauvertrag noch vor der
Bundestagswahl mit der ARGE K130 geschlossen werden kann. Allerdings muss bis ESG schützte G20-Gipfel
dahin die Beschwerde von German Naval Yards gegen das Vergabeverfahren beim vor Drohnen
Bundeskartellamt, die bislang den geplanten Bau der Korvetten gebremst hat, abge- Das modulare Drohnenabwehrsystem
schlossen sein.  (ds) GUARDION der ESG war erneut Teil der
Sicherheitsarchitektur beim G20-Gipfel
(Foto: PIZ/M)

vom 7. bis 8. Juli in Hamburg. Das Droh-

nenabwehrsystem ist eine Kooperation von
ESG, Rohde & Schwarz und Diehl Defence,
in die deren nachgewiesene Expertise in
den Bereichen Radar, Funkerfassung und
elektromagnetische Abwehrmaßnahmen
sowie Führungsinformationssysteme und
Lagedarstellung einfließen. Neben den
bereits mehrfach im Einsatz bewährten
Produkten der GUARDION-Kooperations-
partner kamen aufgrund der spezifischen
(Foto: ESG)

6 Europäische Sicherheit & Technik · September 2017

Sicherheitsanforderungen in Hamburg
weitere leistungsfähige Sensoren namhaf-
ter Technologieunternehmen zum Einsatz;
sie wurden mit dem von der ESG entwi-
ckelten Führungsinformations- und Lage-
darstellungs-System TARANIS erfolgreich
eingebunden.  (wb)
U-Boot-Vorhaben stockt
Israels Marine will drei weitere U-Boote der
Klasse „Dolphin II mod“ aus Deutschland
(thyssenkrupp Marine Systems) im Wert
von 1,8 Mrd. Euro beschaffen. Die drei
Millionenaufträge für Flugabwehrsysteme
Zwei internationale Kunden haben bei Rheinmetall für ihre Luftstreitkräfte Flugab-
wehr-Produkte und dazugehörige Dienstleistungen im Gesamtwert von rund 220
Mio. Euro bestellt. Dabei konnte ein Land als Neukunde für zwei Flugabwehrsysteme
Oerlikon Skyguard 3 gewonnen werden. Ein System besteht aus einem Feuerleitgerät
Skyguard 3 sowie zwei dazugehörigen 35-mm-Zwillingsgeschützen des Typs Oerlikon
Twin Gun GDF009. Daneben bestellt ein langjähriger Kunde zusätzliche neue Feuer-
einheiten Skyguard 1 35 mm. Der dazu abgeschlossene Liefervertrag umfasst auch
35-mm-Munition für die Zwillingsgeschütze, Simulatoren, dazugehöriges Test-Equip-
ment und Vor-Ort-Ausbildung. Bei beiden Aufträgen wird in den nächsten fünf Jahren
mit Folgeaufträgen gerechnet.  (wb)

(Foto: Rheinmetall)
U-Boote sollen ab 2027 die drei des ersten
Loses, die bereits 1999 von Deutschland
(Foto: Michael Nitz)

geliefert wurden, ablösen. Jetzt wurden

in Israel sieben Personen festgenommen
(einige aus dem Umfeld des israelischen
Ministerpräsidenten Netanjahu), denen in
Bezug auf das Rüstungsprojekt Korruption,
Betrug und Steuerhinterziehung vorgewor-
fen wird. Netanjahu selbst gilt als unver-
dächtig. Die Bundesregierung aber hat das
Abkommen zur Lieferung der U-Boote an
die israelische Marine noch nicht unter-
zeichnet. Das Foto zeigt INS „Dolphin“, das
Typboot dieser Klasse.  (ds)
Kompakte und robuste
Wärmebildkamera
Ried System Electronic hat die nach eige-
nen Angaben weltweit kleinste steuerbare
Thermalkamera im Angebot. Das Modell
und kann zwischen 15 verschiedenen Farb-
paletten umschalten. Mit einem eigens ent-
wickelten Video-Overlay-Modul kann das
Wärmebild stufenlos mit dem Bild einer Day-
light-CCD-Kamera überlagert werden. (gwh)
T408-Triebwerk für CH-53K
MTU Aero Engines ist an der Produktion des
vom Generalunternehmer General Electric
gelieferten Triebwerks T408 für den schwe-
ren Transporthubschrauber CH-53K King
Stallion beteiligt. Für das 500 kg (Trockenge-
wicht) schwere Triebwerk mit einer Leistung
(Foto: MTU)
das Zweieinhalbfache gesteigert werden bei
gleichzeitiger Absenkung des Verbrauchs
um 18 Prozent. Die CH-53K Stallion ist ne-
ben der CH-47 Chinook von Boeing eine der
möglichen Wettbewerber um den Schwer-
lasthubschrauber für die Bundeswehr. Auch
Israel untersucht die beiden Hubschrauber
für den Ersatz ihrer CH-53 Yasur.  (gwh)
Basiskonfiguration für Euro MALE
Die mit der Definitionsstudie für das ge-
meinsame europäische MALE RPAS (Medi-
um Altitude Long Endurance Remotely Pilo-
ted Aircraft System) beauftragte Co-Cont-

ControLaser Robot mit einem hochwer- racting Group (CCG), zu der Airbus Defence
tigen ungekühlten FLIR Core-Modul und and Space, Dassault Aviation and Leonardo
einer speziellen Kontroll- und Steuerplatine s.p.a. gehören, hat einen umfangreichen
von Ried System Electronic ist über RS-485 Datensatz zur Beschreibung des Systems
steuerbar. Sie ist mit einem ECE-Prüfzei- vorgelegt. Dieser Datensatz soll die betei-
chen versehen und nach Schutzart IP 69K ligten Nationen (Deutschland, Frankreich,
klassifiziert. Bei Außenabmessungen von Italien und Spanien) in die Lage versetzten,
75 x 75 x 88 mm verfügt die Kamera über eine Basiskonfiguration für das RPAS und
eine zwei- bis achtfache Zoomfunktion mehrere Design-bestimmende Hauptmerk-
von 5.520 kW (7.500 Wellen-PS) entwickelt male zu akzeptieren. Die vorgeschlagene
(Foto: Ried)

und fertigt MTU die dreistufige Nutzturbine,
das Austrittsgehäuse und die Abtriebswel-
le. Neben Entwicklung und Fertigung der
Nutzturbine erhält die MTU Lizenzen für In-
standhaltung, Endmontage und Testing der
T408-Modelle für einen künftigen europä-
ischen schweren Transporthubschrauber.
Gegenüber dem T64-Antrieb der heutigen
CH-53 konnte die Triebwerksleistung auf
Konfiguration mit zwei Turbo-Prop-Antrie-
ben soll die Basis für weitere abgeleitete
Studien werden, die zur Überprüfung der
Anforderungen an das System (Systems
Requirements Review, SRR) führen sollen.
Unter Führung der OCCAR wollen die be-
teiligten Nationen und die CCG im Jahr
nach dem SRR die Entwicklungsphase für
das Euro MALE vorbereiten.  (gwh)

September 2017 · Europäische Sicherheit & Technik 7

 Umschau
Maschine überhaupt, die ab Werk mit Be-
40 Jahre H145-Familie tankungsbehälter ausgeliefert worden ist.
Vor 40 Jahren haben Messerschmitt-Bölkow-Blohm und Kawasaki Heavy Industries Der Behälter ist auf dem Bild an der Außen-
die Arbeit am gemeinsamen Hubschrauber BK117 (Bölkow, Kawasaki) aufgenommen, station zu erkennen. (gwh)
der 1979 erstmals zu Flugerprobungen abgehoben hat. Die modernisierte Nachfol-
gemaschine BK117 C-2 (Erstflug 2000) wurde bei Eurocopter unter der Bezeichnung Nachrüstung P-3C Orion
EC145 geführt. Das aktuelle Modell H145 wurde 2010 von Airbus Helicopters auf Die acht Seefernaufklärer P-3C Orion der
den Markt gebracht. Die Hubschrauber der BK117/H145-Familie sind vor allem in der Marine werden in einem 133-Millionen-
Luftrettung und der Polizei im Einsatz. 400 H145-Hubschrauber fliegen unter der Euro-Programm umgerüstet, u.a. damit
Bezeichnung Lakota bei der U.S. Army. Die Bundeswehr hat 15 H145M als leichte sie den aktuellen und zukünftigen opera-
Unterstützungshubschrauber für Spezialkräfte im Bestand. Bis heute sind aus der tionellen Anforderungen der NATO ent-
deutsch-japanischen Kooperation rund 1.400 Hubschrauber hervorgegangen, die zu- sprechen. Das Programm wird im Rahmen
sammen über 4,8 Millionen Flugstunden absolviert haben. Allein die junge H145-Flot- von Foreign Military Sales abgewickelt.
te bringt es bereits auf über 50.000 Flugstunden.  (gwh) Der überwiegende Anteil der Leistungen
(Foto: Airbus Helicopters)

(Foto: Bundeswehr)
wird von Airbus in Manching erbracht. Der
Abschluss ist für 2022 geplant. Zur Phase
2 der Überarbeitung der Einsatzsysteme
gehören Verbesserungen der Bordrechner,
der Sonaranlagen, der Bewaffnung sowie
der Anzeigen- und Steuerungselemente.
Außerdem erhält das Flugzeug ein MK54-
Leichtgewichtstorpedo. Die von den Nieder-
HFI-Studie erfolgreich beendet durch ein Beschussdetektionssystem aus- landen gebraucht gekauften Flugzeuge sind
Airbus Helicopters hat zusammen mit den machen. Der nächste Schritt ist ein Konzept seit 2006 im Dienst der Bundeswehr. (gwh)
Partnern HENSOLDT, Rheinmetall Electro- zur Mensch-Maschine-Schnittstelle für ein
nics und Fraunhofer FKIE eine durch das solches System.  (bk/gwh) Fallschirmspringen aus
BAAINBw in Auftrag gegebene Studie für dem Skytruck
ein Beschussdetektionssystem HFI (Hostile Zehnte A400M ausgeliefert Die Bundeswehr hat für die Unterstützung
Auch wenn die Auslieferung der Trans- des Sprungdienstes der Fallschirmspringer
(Foto: Airbus Helicopters)

portflugzeuge A400M noch keine Routine zwei PZL M28 Skytruck für vier Jahre an-
ist, wird nicht mehr jede einzelne Maschi-
(Foto: Bundeswehr/Schindler)

ne lautstark und öffentlichkeitswirksam

begrüßt. Nachdem die Bundeswehr En-
de 2016 über sieben A400M verfügte,
darunter die erste mit Einrüstungen zur
Durchführung von taktischen Missionen,
sieht der Lieferplan für 2017 zehn weitere
Fire Indication) abgeschlossen.Das HFI soll Maschinen für Deutschland vor. Im Januar,
den Beschuss von Hubschraubern durch Mai und Juni sind bisher vier A400M aus-
kleinkalibrige Rohrwaffen mittels der Tech- geliefert worden. Am 29. Juni 2017 wurde
nologien Akustik, Infrarot und Radar zuver- die MSN 48 übergeben. Das war die erste gemietet. Der Betreiber stellt Flugstunden
lässig detektieren. Der Demonstratorhub- nach Anforderungen der Truppe bereit.
(Foto: Airbus)

schrauber war mit verschiedenen feinfüh- Damit soll der Flugstundenbedarf für die
ligen Sensoren ausgestattet. Anhand von Ausbildung der Fallschirmspringer gedeckt
Knall und Mündungsblitz konnten damit werden, der durch die betagte Transall nicht
sowohl der Beschuss selbst als auch die Po- mehr und die neue A400M noch nicht er-
sition festgestellt werden. Ein Radarsystem bracht werden kann. Die polnische M28
erkannte die anfliegenden Objekte von der ist eine Weiterentwicklung der russischen
Größe eines Projektils. Die Vernetzung der Antonow An-28, die bei einem maximalen
generierten Informationen ermöglichen Startgewicht von 7,5 t sechs militärische Fall-
der Hubschrauberbesatzung Handlungs- schirmspringer und zwei Absetzer mit ihrer
optionen, die den eigentlichen Schutz Ausrüstung auf Absprunghöhen bis 6.200

8 Europäische Sicherheit & Technik · September 2017

m transportieren kann. Für den Einsatz bei
der Bundeswehr erhielt die Maschine eine
Sprechverbindung Kabine-Pilot, Klappsitze
mit verlängerten Sicherheitsgurten und ein
Ankerseil für Automatiksprünge.  (gwh)
Mobile Radiokommunikation
für Belgien
Wärmebild-Bulletkameras für
den Perimeterschutz
Die neuen Wärmebildkameras der FLIR
FB-Serie O sind für Überwachungsaufga-
ben in kurzer bis mittlerer Distanz ausge-
legt. Die Kameras – vorzugsweise für den
Perimeterschutz – verfügen über einen
Sichere Kommunikation und
Funkaufklärung
Auf der DSEI präsentiert Rohde & Schwarz
interoperable, leistungsfähige Kommuni-
kationssysteme für den Einsatz an Land, in
der Luft und auf See sowie ELINT-Lösun-
gen zur Detektion, Erfassung und Analyse
von Radarsignalen. Das Software Defined

(Foto: FLIR)
Airbus SLC stattet die belgischen Streit-
kräfte mit mobiler Radiokommunikation
der jüngsten Generation auf Basis des Te-
tra-Standards aus. Kern ist der neue Tetra
Taira-Server mit virtualisierter Serverfunkti-
on ergänzt durch die Pico-Basisstation für
kleine Bereiche. Die Auslieferung beginnt
im ersten Halbjahr 2018. Mit dem kompak-
ten System können die belgischen Streit-
kräfte Einsätze aller Art im In- und Ausland
mit Radiokommunikation unterstützen. Im
Inland kommt die vollständige Interoper-
abilität mit dem belgischen Notfall- und
Sicherheitsfunknetz ASTRID (All-round Se-
mi-Cellular Trunking Radio communication
network with Integrated Dispatchings) zum
Tragen, die sich als besonders zuverlässig
erwiesen hat. Die Lösung für das belgische
Militär umfasst Endgeräte, Zubehör und
Tools. Der Geschäftsabschluss zwischen
dem Kunden in Belgien und Airbus bein-
haltet auch einen lebenslangen Wartungs-
vertrag.  (gwh)
Polaris-Quad mit aktiven
Stoßdämpfern
Polaris stattet die neue Version des RZR
XP Turbo Dynamix Quad mit aktiven Stoß-
dämpfern aus. Der Fahrer gibt das Verhalten
in drei Modi vor: Komfort, Sport oder Hart.
In Abhängigkeit von u.a. Geschwindigkeit,
Lenkerstellung und Gas werden die Fox 2.5
Podium Live Valve-Dämpfer gesteuert, um
das geforderte Fahrverhalten zu erzielen. Als
(Foto: Polaris)
Radio mit hochdatenratiger und störresis-
tenter Wellenformfamilie R&S HDR ist Kern
der Ausrüstung von 50 Führungsfahrzeu-
gen mit der Streitkräftegemeinsamen,
Verbundfähigen Funkgeräteausstattung
(SVFuA) als erster Säule des Modernisie-
rungsvorhaben MoTaKo (Mobile Taktische
Kommunikation). Die Systemlösung mit si-
320x240-Infrarotdetektor, der potenzielle multaner Sprach- und Datenübertragung
Eindringlinge in völliger Dunkelheit erkennt ermöglicht mobile taktische Kommunika-
sowie durch Sonneneinstrahlung hindurch, tion in der Vernetzten Operationsfüh-
durch Rauch, Staub und leichten Nebel. Drei rung an Bord, im Fahrzeug, am Soldaten
verschiedene Objektivoptionen mit Sichtfel- oder in fliegenden Plattformen. Weitere
dern von 93, 49 und 24 Grad ermöglichen Ausstellungsthemen sind R&S NAVICS
die passgenaue Abdeckung von Zaunlinien, für die interne und externe Kommuni-
Gebäudeperimetern und offenen Flächen. kation in der Marine, ein ELINT-System
Die Kamera ist in einem IP66-Gehäuse ge- für wirksame R-ESM-Systeme und die
gen Staub und Wasser geschützt und kann Funkerfassungslösung R&S ARDRONIS
bei Temperaturen zwischen -40 °C und 50 zur Abwehr von kommerziellen Drohnen
°C eingesetzt werden.  (gwh) im Luftraum.  (gwh)
Deutschland und Norwegen schließen sich MMF an
2012 hat die EDA die Multinational MRTT Fleet (MMF), einen Verbund europäischer
Länder und der NATO, für den gemeinsamen Erwerb einiger Transportflugzeuge initi-
iert. Bereits letztes Jahr haben die Niederlande und Luxemburg über die OCCAR zwei
A330 MRTT bei Airbus bestellt, um diese allen NATO-Alliierten zur Verfügung zu stellen.
Mit Deutschland und Norwegen treten nun zwei weitere europäische Staaten dem
Programm bei. Die vier Partnernationen planen insgesamt eine Flotte von sieben mehr-
rollenfähigen Tank- und Transportluftfahrzeugen. Für die Beschaffung der restlichen
fünf Flugzeuge entfällt auf Deutschland ein Finanzierungsanteil in Höhe von rund 1,412
Mrd. Euro. Die Luftfahrzeuge werden durch die OCCAR im Namen der NATO erworben.
Die NSPA übernimmt im Betrieb Wartung und Instandsetzung der Flotte. Ab dem Jahr
2020 werden der MMF die ersten A330 MRTT zur Verfügung stehen.  (bk/gwh)

(Foto: Airbus)

Ergebnis verspricht Polaris mehr Fahrsicher-

heit, Verbesserungen bei Kurven-, Beschleu-
nigungs- und Bremsverhalten sowie beim
Absetzen aus Luftfahrzeugen. Das RZR XP
Turbo verfügt über einen ProStar 120-kW-
Zweizylinder-Viertaktmotor mit 925 cm³,
dessen Antriebsleistung über ein Automa-
tikgetriebe wahlweise auf die Hinterräder
oder alle Räder verteilt werden kann. Wei-
tere Merkmal sind hydraulische Bremsen,
Rückfahrkamera, verstellbare Sitze und eine
900 W-Stromversorgung.  (gwh)

September 2017 · Europäische Sicherheit & Technik 9

  SICHERH EIT & P O LITI K
Wie soll sich die Gemeinsame
Sicherheits- und Verteidigungspolitik
der EU entwickeln?
(Foto: EVP)
D
och in den letzten Monaten wurden
wir auch Zeuge von ambitionierten
Vorschlägen der Europäer, sowohl
die strategische Autonomie der EU als auch
die transatlantische Gemeinschaft zu stär-
ken. In den europäischen Debatten rückt
dabei als Kristallisationspunkt die Europäi-
sche Verteidigungsunion, die bereits 2003
von einzelnen Politikern gefordert wurde.
Heute wird sie vom Europäischen Parlament,
der Europäischen Kommission und einer
wachsenden Anzahl von Mitgliedstaaten
als das Zukunftsprojekt gemeinsamer Ver-
teidigung betrachtet. Dass es notwendig ist,
diesen Weg zu beschreiten, belegen die ver-
schärfte Sicherheitslage Europas, die auch
nach europäischen Antworten verlangt. Die
konkreten Vorschläge der EU zur Stärkung
militärischer Fähigkeiten der Mitgliedstaaten
müssen zukünftig durch eine Verteidigungs-
Au to r
Michael Gahler MdEP ist sicher-
heitspolitischer Sprecher der EVP-
Fraktion im Europäischen Parlament.
10 Europäische Sicherheit & Technik · September 2017
Michael Gahler
Die Brexit-Ankündigung und die widersprüchlichen Aussagen der
US-Regierung zur Zukunft der NATO sind eine Belastungsprobe so-
wohl für den Zusammenhalt der EU als auch des transatlantischen
Bündnisses.
union eingerahmt werden. Hieraus könnte
sich langfristig eine Europäische Armee er-
geben, sofern zuvor eine politische Union
durch Weiterentwicklung des Vertrages von
Lissabon errichtet wird.
Sicherheitslage Europas
verlangt nach gemeinsamen
Lösungen
Die Bürger der EU stehen einer großen
Bandbreite von Risiken und Bedrohungen
gegenüber. Die Grenzen zwischen inne-
rer und äußerer Sicherheit verschwinden
zusehends. Die jüngsten islamistischen
Terroranschläge in Deutschland, Großbri-
tannien oder Frankreich verdeutlichten dies
schmerzhaft. Sie führten vor Augen, wie
verletzlich die europäischen freiheitlich und
demokratisch organisierten Gesellschaften
sind. Die Anschläge veranschaulichen auch,
dass in einem Europa ohne Grenzen kein
Staat allein mehr in der Lage ist, umfassen-
de Sicherheit seiner Bürger zu garantieren.
Darüber hinaus tragen Kriege und Konflik-
te in Europas weiterer Nachbarschaft dazu
bei, diese Regionen zu destabilisieren. In
letzter Konsequenz führt dies dazu, dass
Flüchtlinge in den europäischen Gesell-
schaften Schutz suchen. Im Umgang mit
den Flüchtlingsströmen sind die europäi-
schen Institutionen Teil der Lösung. Sie
tragen dazu bei, eine gemeinsame euro-
päische Flüchtlingspolitik auf den Weg zu
bringen, wie es im aktuell gültigen EU-Lis-
sabon-Vertrag auch vorgesehen ist. Nicht
die EU hat in der Vergangenheit bei der
Regulierung der Flüchtlingsströme versagt,
sondern die nicht koordinierten, ja zum Teil
kontraproduktiven Alleingänge von einzel-
nen Mitgliedstaaten.
Ferner erwachsen für den europäischen
Bürger Risiken von strategischen Mitbewer-
bern. Sogenannte Mittelmächte wie Russ-
land oder China stellen die von den USA und
den Europäern geprägte internationale
Ordnung infrage. Dabei verstößt die russi-
sche Regierung mit der illegalen Annexion
der Krim und dem Krieg gegen die Ukraine
gegen internationale Rechtsnormen, die
sie bis vor ein paar Jahren noch befolgte.
Auch China arbeitet daran, die Stärke des
Rechts durch das Recht des Stärkeren im
asiatischen Raum zu ersetzen. In beiden
Fällen müssen die Europäer im Rahmen
der EU global mit einer Stimme sprechen,
um überhaupt noch einen Einfluss auf die
Gestaltung der internationalen globalen
Ordnung erhalten zu können.
Schließlich wird die transatlantische Ge-
meinschaft durch die unklaren Positionen
der Regierungen in Washington und Lon-
don gegenüber der NATO oder der EU
herausgefordert. Auch in Zukunft wird
die NATO das verbindende Element zwi-
schen Nordamerikanern und Europäern
bleiben. Wobei die Europäer innerhalb der
EU ihre Anstrengungen weiter erhöhen
müssen, ihr Schicksal in die eigene Hand
zu nehmen. Dies bedingt auch, im zuneh-
menden Maße die europäische Sicherheit
und Verteidigung stärker autonom und in
Absprache im transatlantischen Rahmen zu
gestalten.
EU-Weißbuch für Sicherheit
und Verteidigung entwickeln
Die Verabschiedung der globalen Strategie
für die EU-Sicherheits- und Außenpolitik im
Juni 2016 war ein Meilenstein in der Stär-
kung des europäischen auswärtigen Han-
delns. Weiterhin bleiben die EU-Institutio-
nen und die Mitgliedstaaten aufgefordert,
auch die Vereinbarungen zu Sicherheit und
Verteidigung zügig und vollständig umzu-
Das Rückgrat jeder starken Truppe.
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 SICHERHEIT & P O LITI K

setzen. Es bietet sich an, die verteidigungs-
politische Umsetzung der Globalstrategie
zu einem EU-Weißbuch für Sicherheit und
Verteidigung weiterzuentwickeln, damit das
strategische Denken in Europa mit den Maß-
nahmen zur Stärkung militärischer Fähigkei-
ten verbunden wird. Der vorliegende Imple-
mentierungsplan reicht dafür nicht aus.
Auf diese gestärkte außenpolitische Ori-
entierung hat die Europäische Kommission
vorbildlich mit eigenen Vorschlägen re-
agiert. In diesem Rahmen sind die Präsen-
tation des Europäischen Verteidigungsak-
tionsplans und des EU-Verteidigungsfonds
durch die Europäische Kommission sowie
die Vorstellung des neuen Verteidigungs-
pakets vom 7. Juni 2017 zu begrüßen. Nach
den Plänen der Kommission beschreibt der
Verteidigungsaktionsplan die Umsetzung
des Verteidigungsfonds. Der Fonds wird
noch im Laufe dieser mehrjährigen Finanz-
periode bis 2020 eingerichtet. Er besteht
aus zwei Pfeilern – einem für Verteidi-
gungsforschung und einem für Rüstungs-
entwicklung. Für den Zeitraum 2017 bis
2019 plant die Kommission, 90 Millionen
Euro im Rahmen einer Vorbereitenden
Maßnahme einzusetzen. Der Europäische
Rat und das Europäische Parlament stellten
sich hinter die Idee, indem für 2017 bereits
25 Millionen Euro im einjährigen Haushalt
verankert wurden. Die weiteren 65 Milli-
onen Euro müssen Rat und Parlament für
die verbleibenden zwei Jahre noch in den
Haushalten 2018 und 2019 einzeln ent-
scheiden. Schwerpunktmäßig wird die Ver-
teidigungsforschung
Prototyp handelt es sich um ein singuläres
Rüstungsgut, das den Beschaffungsäm-
tern die Möglichkeit bietet, die militärische
Anwendbarkeit zu testen, um der Politik
Empfehlungen über eine anschließende
Beschaffung geben zu können. Für die
Jahre 2019 und 2020 sieht die Kommis-
sion vor, 500 Millionen Euro bereitzustel-
len. Im Jahr 2018 müssen Rat und Par-
lament im Rahmen einer europäischen
Gesetzgebung über das vorgeschlagene
Europäische Rüstungsindustrieprogramm
entscheiden, damit die Projektdurchfüh-
rung ab 2019 wie von der Kommission
intendiert erfolgen kann.
Richtigerweise zielen die Kommissionsvor-
schläge darauf ab, die militärischen Fähig-
keiten der Mitgliedstaaten zu verbessern.
Die Stärkung der industriellen Basis muss
dabei als Mittel zum Zweck betrachtet
werden. Nicht die Förderung von Rüs-
tungsindustrien darf primär im Vorder-
grund stehen, sondern die notwendigen
innovativen militärischen Produkte zur
erfolgreichen Missionserfüllung unserer
Streitkräfte. Klar, dass hierfür zur Bedarfs-
deckung auch europäische Rüstungsindus-
trie gebraucht wird. Jedoch dürfen wir das
primäre Ziel nicht aus den Augen verlieren,
die Fähigkeiten der Mitgliedstaaten zu ver-
bessern, wie es der Vertrag von Lissabon
auch von der EU fordert. Da die Kommissi-
on den Legislativvorschlag rechtlich auf In-
dustrieförderlichkeit aufbaut, müssen Rat
und Parlament dies korrigieren, damit der
Karren nicht vor das Pferd gespannt wird.
Wir erwarten bei der Umsetzung des neu-
en EU-Verteidigungsfonds umfangreiche
Schritte unter Berücksichtigung der Bedürf-
nisse der nationalen Streitkräfte. Auf der
Grundlage der bisherigen Verpflichtungen
sind der Start eines Pilotprojekts und einer
vorbereitenden Maßnahme zur EU-Vertei-
digungsforschung zu begrüßen. Sie dienen
dazu, Anreize für künftige europäische Ko-
operationsprogramme zu schaffen. Der
beabsichtigte koordinierte Jahresbericht
zur Verteidigung (CARD) könnte dazu die-
nen, die Fähigkeitsentwicklung zu fördern,
Defizite zu bewältigen und eine optimale
Nutzung der nationalen Verteidigungsaus-
gaben zu gewährleisten.
Die jüngsten Bemühungen der Mitglied-
staaten und der Vizepräsidentin der Eu-
ropäischen Kommission/Hohe Vertreterin
zur Einführung der ständigen Strukturier-
ten Zusammenarbeit (PESCO) führen in die
richtige Richtung. Besonders die erfolgrei-
che Rolle Deutschlands muss unterstrichen
werden. Berlin verstand es, gemeinsam mit
Frankreich das Projekt wesentlich voranzu-
bringen. PESCO ist ein besonderes Mittel
für eine verstärkte und effiziente Zusam-
menarbeit der Mitgliedstaaten im Bereich
der Sicherheit und Verteidigung. Darüber
hinaus kann der Zugriff auf EU-Institutio-
nen und den EU-Haushalt zukünftig ge-
währleistet werden. Sie zielt darauf ab, die
Mitgliedstaaten zusammenzuführen, um
gemeinsame Fähigkeiten zu entwickeln, in
gemeinsame Projekte zu investieren und
abschließend multinationale Verbände zu

(Grafik: mawibo media)

die Erforschung eines
Produkts für Seeauf-
klärung umfassen, um
der Politik die techni-
sche und organisato-
rische Machbarkeit im
Rahmen einer europä-
ischen Kooperation zu
demonstrieren.
Nach Ansicht der Kom-
mission schließt sich
an die EU-finanzier-
te Verteidigungsfor-
schung gemeinsame
Entwicklung an. Die
Ent wicklungsphase
soll mit 80 Prozent
schwerpunk tmäßig
von den Mitgliedstaa-
ten finanziert werden.
Die EU kann einen 20
Prozentzuschuss für
kooperative Projekte
liefern, die militärische
Produkte bis zum Rei-
fegrad eines Prototyps
umfassen. Bei einem

12 Europäische Sicherheit & Technik · September 2017


schaffen. Sie sollte zu einem höheren Maß
an gemeinsamem Ehrgeiz in der Verteidi-
gung und gemeinsamen Strukturen füh-
ren. Sie sollte nicht dazu dienen, lediglich
bestehende Projektideen ständig zu koor-
dinieren. Die Aktivierung dieses Bestand-
NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg und die Vorsitzende des Unter-
ausschusses der EU für Sicherheit und Verteidigung, Anna Fotyga
teils des Lissabon-Vertrages sollte bis Ende
des Jahres erfolgen. Den Wunsch nach
Inklusivität, d.h. der Teilnahme möglichst
vieler Mitgliedstaaten, sollte der damit ver-
bundene Anspruch, der Level of Ambition,
nicht untergeordnet werden.
Die jüngste Etablierung des Kerns eines
ständigen EU-Hauptsitzes (Military Plan-
ning and Conduct Capability, MPCC) ist zu
begrüßen. Zwar dient sie aktuell lediglich
dazu, die EU-Trainingsmissionen in Afri-
ka zu planen und führen. Jedoch hat sie
langfristig das Potenzial, den noch aktuell
notwendigen schwerfälligen Rückgriff auf
Führungskommandos von Mitgliedstaaten
zu ersetzen. Damit das MPCC bereits heute
ein Erfolg wird, müssen sich alle Mitglied-
staaten stärker mit eigenem Personal und
militärischem Know-how einbringen.
Die Gemeinsame Erklärung der EU-NATO
hat das Potenzial, die Zusammenarbeit
beider Pfeiler europäischer Sicherheit und
Verteidigung auf ein höheres Niveau zu
führen. Die Verabschiedung von 42 ge-
meinsamen NATO-EU-Kooperationspro-
jekten ist zu begrüßen. Sie zielen darauf
ab, die Kooperation und Koordination
zwischen den beiden Organisationen zu
stärken, und so die Sicherheit für die eu-
ropäischen Bürger zu erhöhen. Es wird
erwartet, dass die Mitgliedstaaten beider
Organisationen bereit und in der Lage
sind, in Bereichen zusammenzuarbeiten,
die für die Sicherheit unserer Bürger ent-
scheidend sind. Bei der Verfolgung dieses
Zieles geht es jedoch nicht, dass aufgrund
anderer strittiger Themen beispielsweise
(Foto: EVP)
die Türkei als NATO-Partner bilateral ein-
zelne EU-Mitgliedstaaten außenpolitisch
angreift. Die Sicherheit Europas ist zu
wichtig, als sich in die Abhängigkeit eines
einzelnen Staates zu begeben, der nach
Gutdünken die EU-NATO Kooperation je-
derzeit blockieren kann.
Europäer müssen Schicksal
selbst in die Hand nehmen
Vor dem Hintergrund der sich wandeln-
den Bedrohungslage und den bisherigen
EU-Bemühungen im Bereich Sicherheit und
Verteidigung müssen die Anstrengungen
weiterentwickelt werden. Es sei jetzt an
der Zeit, unser Schicksal selbst in die Hand
zu nehmen, so die richtige Erkenntnis von
Bundeskanzlerin Angela Merkel nach dem
wenig harmonischen G7-Gipfel von Sizili-
en und den mehrdeutigen Hinweisen des
US-Präsidenten Donald Trump zu interna-
tionaler Kooperation.
Unser Schicksal nehmen wir Europäer
selbst in die Hand, wenn wir die EU so wei-
terentwickeln, dass sie Architekt und Ga-
rant unserer Sicherheit und Verteidigung
wird. Ungeachtet dessen bleibt die NATO
ein unverzichtbarer Pfeiler deutscher, euro-
päischer und transatlantischer Sicherheit.
EU und NATO müssen sich noch stärker er-
September 2017 · Europäische Sicherheit & Technik
SICHERHEIT & P O LITI K 
gänzen und die EU muss als europäischer
Pfeiler des Bündnisses weiter gestärkt
werden. Wir können uns in Europa keine
unterschiedlichen Zonen von Sicherheit er-
lauben. Innerhalb von NATO und EU darf
es keine Zonen unterschiedlicher Sicherheit
geben. Dies bedingt, dass beide Organisati-
onen besser zusammenarbeiten.
Kommissionspräsident Juncker ist zuzu-
stimmen, als er im Europawahlkampf 2014
die griffige Formel prägte: Die EU soll groß
in großen Dingen sein und klein in kleinen
Dingen. Verteidigung ist ein großes Thema:
Sie betrifft das Überleben und die Sicher-
heit unserer Bürger. Es sollte auch in den
öffentlichen Debatten über die zukünfti-
gen Aufgaben der EU als großes Thema be-
handelt werden. Die Erklärung aus Anlass
der Feierlichkeiten des 60. Jahrestages der
Unterzeichnung der Römischen Verträge
verweist darauf, dass wir uns in den öf-
fentlichen Diskussionen auf dem richtigen
Weg befinden. Verteidigung wird als ein
zentrales Thema kommender Integrations-
anstrengungen anerkannt.
In der Tat müssen wir Europäer unser
Schicksal selbst in die Hand nehmen, um
selbstständige Handlungsfähigkeit im Be-
reich von Sicherheit und Verteidigung zu
erhalten. Zur gemeinsamen Verteidigung
Europas bietet sich an, eine Europäische
Verteidigungsunion mit Beginn des nächs-
ten EU-Finanzrahmens ab 2021 einzurich-
ten. Die Vorarbeiten von Verteidigungsmi-
nisterin Dr. Ursula von der Leyen sind in
diesem Zusammenhang beachtenswert.
Die Verteidigungsunion wird zunächst auf
einer ständigen und europäisch organisier-
ten Kooperation der nationalen Streitkräf-
te beruhen. Um nichts anderes handelt es
sich bei der bereits genannten Ständigen
Strukturierten Zusammenarbeit. Sobald
die Mitgliedstaaten bereit sind, die aktu-
elle EU um eine politische Union in einem
neuen Vertrag zu ergänzen, bietet sich die
Chance, bei der Integration der Streitkräfte
voranzuschreiten. Nur wenn die Mitglied-
staaten im Rahmen der politischen Union
Souveränitätsrechte im Bereich der Au-
ßen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik
auf die Union übertragen, kann es gelin-
gen, eine europäische Armee einzurichten.
Die Etablierung einer Europäischen Armee
ohne die Übertragung des damit einherge-
henden souveränen Rechts auf die EU über
die Aufstellung und Entsendung von Streit-
kräften macht keinen Sinn. Diese mögliche
Armee muss europäisch voll integriert und
durch das Europäische Parlament kontrol-
liert sein. Die Verteidigungsunion wird nur
dann ein Erfolg, wenn es gelingt, zukünftig
die verteidigungspolitische Handlungsfä-
higkeit der EU zu stärken und sie als einen
Pfeiler der NATO zu etablieren. L
13
 SICHERHEIT & P O LITI K

Die Folgen des Brexits für die

europäische Verteidigung
Claudia Major und Alicia Voß

Großbritanniens Austritt aus der EU, den die britische Regierung im März 2017 offiziell beantragt hat, wird
auch die Verteidigungspolitik in Europa betreffen. Traditionell organisieren die europäischen Staaten ihre
Verteidigung national und in verschiedenen Foren: in der EU, der NATO und in kleineren Formaten.

D er Brexit beeinflusst die Funktions-

weise dieser Formate, sei es direkt
(in der EU) oder indirekt (z.B. NA-
TO). Die militärische Handlungsfähigkeit
der Europäer dürfte kaum beeinträchtigt
werden. Die Folgen für die Gemeinsame Si-
cherheits- und Verteidigungspolitik der EU
(GSVP) werden sich in Grenzen halten. Al-
lerdings könnte die NATO von einem stär-
keren Engagement der Briten profitieren,
ebenso die kleineren Formate. Wahrschein-
lich ist aber, dass die politische und mili-
(Foto: UK Gov.)
begrenzt sein. Erstens weil sie intergouver-
nemental organisiert ist: Die Staaten haben
ihre Befugnisse nicht an EU-Institutionen
übertragen. Da es weniger gemeinsame
Strukturen gibt, lassen sich die britischen
Beiträge einfacher herauslösen. Zweitens
hat London in den letzten Jahren die GS-
VP eher gebremst: So blockierte es eine
Erhöhung des EVA-Haushalts genauso wie
die Gründung eines Hauptquartiers (HQ).
Zwar stellt London Personal und Ausrüs-
Strukturierte Zusammenarbeit, PESCO),
teils unterbreiten sie Neue (Aufbau eines
Europäischen Sanitätskommandos). Im
Dezember 2016 formulierten die EU-Staa-
ten drei Prioritäten: die Umsetzung 1. der
EU-Globalstrategie im Bereich Sicherheit
und Verteidigung, 2. des Europäischen
Verteidigungs-Aktionsplans und 3. der
beim NATO-Gipfel 2016 unterzeichneten
Gemeinsamen NATO-EU-Erklärung. Seit
Anfang 2017 gibt es greifbare Ergebnis-

tärische Handlungsfähigkeit der Europäer

unter angespannten Brexit-Verhandlungen
und Unsicherheiten über die Zukunft der
EU leiden wird. Kurz gesagt: Nicht so sehr
die militärischen Fähigkeiten der Europäer
werden unter dem Brexit leiden, sondern
Europas politische Gestaltungskraft.

Neue GSVP-Initiativen
Die EU-Länder organisieren ihre Verteidi-
gung nur in sehr geringem Umfang in der
GSVP, die sich auf militärisches und ziviles
Krisenmanagement konzentriert. Vertei-
digung im engeren Sinne (der Schutz der
Bevölkerung, des Territoriums und des
Staates) bleibt Aufgabe der NATO. Der
EU-Beitrag beschränkt sich bislang auf das
Bemühen, über die Europäische Verteidi-
gungsagentur (EVA) militärische Fähigkei-
ten zu koordinieren und Europas Rüstungs-
industrie zu konsolidieren.
Im Unterschied zu anderen Politikfeldern
werden die Folgen des Brexits auf die GSVP
Au to r
Dr. Claudia Major ist Wissenschaft-
lerin in der Forschungsgruppe Sicher-
heitspolitik der Stiftung Wissenschaft
und Politik (SWP). Alicia von Voß ist
wissenschaftliche Mitarbeiterin in der
Deutschen Gesellschaft für Auswärti-
ge Politik (DGAP).
Die Briten werden auch nach dem Brexit Teil der Joint Expeditionary
Force bleiben.
tung (z.B. das britische HQ Northwood für
die EU-Operation „Atalanta“), aber dieser
Beitrag ist angesichts der britischen Fähig-
keiten gering.
Insofern hegen manche die Hoffnung, dass
die GSVP vom Brexit profitieren könnte,
weil das britische Veto wegfällt. Tatsächlich
haben die Staaten und die EU-Institutionen
zahlreiche Ideen zur Weiterentwicklung
der GSVP lanciert oder wieder aufgegrif-
fen. Die von Frankreich und Deutschland
eingebrachten Ideen fanden am meisten
Unterstützung. Teils nehmen sie bekann-
te (aber nie umgesetzte) Vorschläge aus
den EU-Verträgen auf (wie die Ständige
se, wie die Gründung einer Militärischen
Planungs- und Führungsfähigkeit (HQ), die
Lancierung von PESCO, in dessen Rahmen
EU-Staaten enger zusammenarbeiten kön-
nen, und die Einrichtung des Europäischen
Verteidigungsfonds (EDF), mit dem die EU
Verteidigungsforschung und Fähigkeits-
entwicklung finanziell unterstützen wird.
Doch wer hofft, dass die GSVP ohne London
endlich entschieden vorankommen könnte,
übersieht drei Punkte: Erstens ist Großbri-
tannien nicht das einzige GSVP-skeptische
Land. Andere, wie Polen, konnten sich bis-
lang hinter London verstecken und müssen
nun Stellung beziehen. Hinzu kommt, dass

14 Europäische Sicherheit & Technik · September 2017


die Staaten unterschiedliche Erwartungen
an die GSVP haben. Zweitens zielen die
jetzigen Vorschläge hauptsächlich auf In-
stitutionen. Diese werden zwar die prakti-
sche Arbeit verbessern, sie lösen aber nicht
das politische Problem: Weil die Europäer
eine bewährte Alternative für ihre Vertei-
digung haben, die NATO, besteht wenig
Druck, im Rahmen der EU Verteidigungs-
fragen zu bearbeiten. Dass der Erfolg der
GSVP bislang begrenzt war, ist nicht allein
der britischen Blockade geschuldet, son-
dern auch dem mangelnden Vertrauen in
die militärische Handlungsfähigkeit der EU.
Drittens erfordert die Verwirklichung der
lancierten Ideen eine vertiefte Integration,
was die Aufgabe nationaler Souveränität
voraussetzt. Unterstützung dafür ist jedoch
fraglich angesichts euroskeptischer Partei-
en, die abgetretene nationale Kompeten-
zen wieder zurückfordern.
Geringe Veränderung
Ein grundlegender Wandel der GSVP ist al-
so unwahrscheinlich. Zu erwarten und be-
reits im Gange sind schrittweise Verände-
rungen. Das sind erstens Verbesserungen
der Governance. Dazu gehört der Aufbau
des HQ, von PESCO, aber vor allem der EDF,
in dem die Kommission für 2017 mit der
Preparatory Action on Defence Research
Informieren Sie sich über die
aktuellsten Sicherheitsstandards
auf der it-sa 2017.
Nürnberg, Germany 10.-12. Oktober 2017
25 Millionen Euro bereitstellt, um For-
schung zu Verteidigungsfragen zu fördern.
Das ebnet den Weg für einen Europäischen
Verteidigungs-(forschungs-)Haushalt im
nächsten mehrjährigen EU-Finanzrahmen.
Die zweite Veränderung betrifft Opera-
tionen und Fähigkeiten. Großbritannien
ist eine Militärmacht und eine von fünf
EU-Staaten, die ein HQ für EU-Operationen
stellen kann. Zudem verfügt es über hoch-
wertige Fähigkeiten, die nur wenige andere
Europäer haben, etwa ISR (Nachrichtenge-
winnung, Überwachung, Aufklärung). Auf
dem Papier verliert die EU mit dem Austritt
Großbritanniens etwa 20 Prozent der ge-
samten europäischen Fähigkeiten. Da sich
London jedoch stets zurückhaltend zeigte,
der EU diese Mittel zur Verfügung zu stel-
len, wird der Brexit in der Praxis keinen gro-
ßen Unterschied machen. Theoretisch aber
sehr wohl: Die EU-Länder haben ein Ambi-
tionsniveau vereinbart – eine Zielvorgabe,
zur Durchführung welcher Operationen sie
in der Lage sein wollen. Die EU müsste die-
ses Niveau absenken, wenn die britischen
Fähigkeiten wegfallen. Drittens wird sich
die strategische Kultur der EU verändern.
Eine Reduzierung der militärischen Fähig-
keiten wird den militärischen und politi-
schen Ambitionen der EU Grenzen setzen.
London brachte seine strategische Kultur
in die EU ein, die sich durch eine globa-
it-sa.de
SICHERHEIT & P O LITI K 
le Perspektive und Ambition auszeichnet.
Es ist schwierig zu ermessen, wie sich der
Verlust dieser Kultur auf die EU auswirken
wird. Wahrscheinlich wird sich dies nicht
nur auf die internen Debatten darüber
auswirken, was die EU wo tun sollte und
wie, sondern auch auf den Eindruck, den
der Rest der Welt von der EU hat. Externe
Akteure könnten die Union als einen nicht
mehr so ehrgeizigen Akteur wahrnehmen,
der mit inneren Angelegenheiten beschäf-
tigt und weniger bereit und fähig ist, global
zu agieren.
Die NATO und kleinere
Formate als Nutznießer
Großbritannien verlässt die EU, aber nicht
Europa; Sicherheitsprobleme auf dem
Kontinent und in seinem Umfeld werden
das Land weiterhin betreffen. Doch wenn
London nach dem Brexit nicht länger im
EU-Rahmen kollektive Reaktionen auf die-
se Herausforderungen mitgestalten kann,
wird es andere Formate nutzen. Davon
profitieren die NATO und kleinere Koope-
rationsformate.
In der NATO hat Großbritannien bereits ein
aktiveres Engagement angekündigt, ohne
jedoch Einzelheiten zu nennen. Es stockt
Personal auf und will politische Führung
übernehmen. Die Briten verweisen auf ihre
MEET
TRUE
HEROES
on Europe‘s biggest
IT security platform
Lucas Anderson, 53,
CISO
Verantwortet die Zertifizierung
nach ISO 27001 für sein
Unternehmen.
 SICHERHEIT & P O LITI K
Beiträge zu den Abschreckungs- und Ver-
teidigungsmaßnahmen der NATO, darun-
ter die Führung eines Enhanced Forward
Presence-Bataillons im Baltikum. Das wur-
de jedoch vor dem Brexit-Votum entschie-
den und kann daher nicht als Ausdruck
neuen Engagements gewertet werden.
Zudem ist eine größere militärische Rolle
keineswegs gesichert: Sollte die britische
Die Beziehungen zwischen der EU
und der NATO sind in den letzten
Jahren deutlich enger geworden,
im Bild NATO-Generalsekretär Jens
Stoltenberg nach einem Treffen
mit der EU im Mai 2017.
Wirtschaft unter dem Brexit-Verfahren lei-
den, wird London kaum in der Lage sein,
die in der Strategic Defence and Security
Review von 2015 festgelegten Ziele zu
erreichen. Auch wenn es weiterhin zwei
Prozent des britischen Bruttoinlandspro-
dukts (BIP) für Verteidigung ausgibt, wird
das weniger Geld sein, sofern das BIP ins-
gesamt schrumpft. Verliert das Pfund an
Wert, werden Beschaffungen im Ausland
teurer. Mögliche Folgen wären eine Redu-
zierung der Stückzahl, eine Änderung des
Zeitplans oder die Annullierung von Be-
schaffungsvorhaben. Schließlich könnten
sich die Haushaltsprioritäten ändern, falls
die Einheit des Königreichs infrage gestellt
werden sollte, etwa durch ein weiteres Un-
abhängigkeitsreferendum in Schottland.
Ungeachtet dessen besteht die Chance,
dass die NATO von einem größeren briti-
schen Engagement profitiert. Denn sie wird
das einzige Verteidigungsforum in Europa
sein, in dem London noch eine Rolle spie-
len und seine Ambitionen auf ein globales
Großbritannien untermauern kann. Iro-
nischerweise könnte der Brexit auf diese
Weise die europäische Säule in der NATO
stärken. Weitere Nutznießer könnten mul-
tilaterale Kooperationsformate außerhalb
16 Europäische Sicherheit & Technik · September 2017
von EU und NATO sein. Das gilt vor allem
für die französisch-britischen Lancaster
House Treaties von 2010, in denen ei-
ne Zusammenarbeit in nuklearen bis hin
zu industriellen Fragen vereinbart wurde.
Beide Staaten betonen die Bedeutung die-
ser Kooperation. So haben sie kürzlich Cen-
ters of Excellence für Raketentechnologie
gegründet.
Großbritannien will auch die Zusammen-
arbeit mit den nordeuropäischen Ländern
in der Northern Group stärken, der auch
Deutschland angehört. Außerdem möchte
es die Joint Expeditionary Force festigen, an
der sich Dänemark, die baltischen Länder,
die Niederlande und Norwegen beteiligen.
Zudem wollen London und Berlin enger
kooperieren, etwa im Bereich Cyber. Über
diese kleineren Formate kann London den
Kontakt zur EU halten und eigene Interes-
sen in EU-Debatten geltend machen.
Politische Zersplitterung
Welche Wirkung diese Entwicklungen auf
Europas Verteidigung langfristig haben
werden, bleibt abzuwarten. Bislang deutet
vieles darauf hin, dass die neuen EU-Inst-
rumente die Zusammenarbeit der Europä-
er verbessern können, von gemeinsamer
Forschung bis zum Betrieb von Fähigkei-
ten. Davon würde ganz Europa profitieren,
denn so würde das Single Set of Forces
– also die Gesamtheit aller europäischen
Streitkräfte – besser dastehen. Die EU wür-
de so Europas Verteidigungsfähigkeiten
stärken. Fraglich ist aber, ob die Staaten
diese Mittel im Rahmen von EU-Einsätzen
nutzen werden. Wahrscheinlicher ist, dass
sich die Arbeitsteilung zwischen EU, NATO
und kleineren Formaten verfestigt: Die EU
konzentriert sich auf Krisenmanagement
und wird kurzfristig kaum zur klassischen
Bündnisverteidigung übergehen. Dies bleibt
NATO-Aufgabe. Kleinere Formate erlauben
den Staaten, flexibel außerhalb des oft
schwerfälligen EU- und NATO-Rahmens zu
agieren, wie die aktuelle deutsch-französi-
sche G5-Sahel-Initiative zeigt.
Es besteht jedoch die Gefahr, dass der Brexit
die politische Fragmentierung innerhalb der
EU verstärkt. Die Union könnte von ihren
internen Problemen absorbiert und daher
weniger in der Lage sein, die regionale Ord-
nung zu gestalten. Nicht nur der Vollzug des
Brexit wird die EU und Großbritannien lange
beschäftigen und das gegenseitige Vertrau-
en auf die Probe stellen. Beide Seiten stehen
auch vor innenpolitischen Herausforderun-
gen. London muss die Brexit-Versprechen
einlösen und gleichzeitig das Vereinigte
Königreich zusammenhalten (Schottland,
Wales, Nordirland). Für die EU gilt es, zen-
trifugale Tendenzen zu verhindern und ihr
künftiges Integrationsmodell zu definieren.
Kritik am EU-Projekt wird kaum zu weiteren
Exit-Referenden führen. Viele Staaten leh-
nen aber ungeliebte EU-Verpflichtungen ab,
etwa die Aufnahme von Flüchtlingen. Das
schwächt den Zusammenhalt der EU. Politi-
sche Kohäsion ist jedoch die Voraussetzung
für gemeinsames Handeln. Ein Europa, das
mit sich selbst beschäftigt ist, läuft Gefahr,
externen Bedrohungen nicht entgegen-
wirken zu können und auf der internatio-
nalen Bühne an Gewicht zu verlieren. Das
ist beunruhigend angesichts der aktuellen
Herausforderungen und der Unsicher-
heit über die internationale Rolle der USA.
Europas Verteidigung neu
denken
Die größte Herausforderung besteht aktu-
ell darin, Londons Rolle zu definieren und
Europas Verteidigung neu auszurichten. Für
die GSVP bietet das bestehende Abkom-
men mit Drittstaaten (von dem über vierzig
Staaten profitieren) einen Anknüpfungs-
punkt zur Organisation künftiger britischer
Beiträge. Es erlaubt Nicht-EU-Staaten, sich
an EU-Operationen zu beteiligen, gesteht
ihnen aber kaum Mitsprache bei der Aus-
gestaltung der Einsätze zu. Die EU könnte
London einen Sonderstatus einräumen, et-
wa im Rahmen eines 27+1-Formats, um es
früh in die Planung einzubinden und Anreize
für Beiträge zu bieten. Ein regelmäßiger Dia-
log, der im Interesse beider Seiten ist, könnte
als Basis für operative, industrielle und Fä-
higkeitszusammenarbeit dienen. Auch die
NATO würde davon profitieren, weil es die
Umsetzung der EU-NATO-Erklärung von
2016 vereinfachen würde.
Der nächste Schritt ist eine konzeptionelle
Neuausrichtung der europäischen Verteidi-
gung. Die meisten Länder Europas verbin-
den die Lösung ihrer Sicherheitsprobleme
reflexartig mit Institutionen, vor allem der
NATO und der GSVP. Doch beide haben
Grenzen. Die NATO ist eine militärische Ver-
teidigungsgemeinschaft. Wesentliche Inst-
rumente, die dazu dienen, nichtmilitärischen
Bedrohungen zu begegnen, liegen in den
Händen der EU oder bei den Staaten. Auch
die GSVP leistet nur einen eingeschränkten
Beitrag zur Sicherheit. Schlüsselinstrumen-
te besitzen neben der EU-Kommission die
Staaten. Die Fokussierung auf die Institution
ist daher irreführend. Die Kernfragen lauten
vielmehr: Wie können die Europäer effektive
Verteidigung gewährleisten und wer trägt
was dazu bei, Bevölkerung, Territorium und
Staaten zu schützen? Institutionen bieten
die Möglichkeit, Kräfte und Ideen zu bün-
deln. Staaten müssen die verschiedenen For-
mate koordinieren und politische Führung
übernehmen.  L

Die NATO und Cyber Defence:
der Wendepunkt 2016
Jamie Shea
Das vergangene Jahr 2016 stand im Zeichen von Entscheidungen der NATO im Bereich Cyber Defence. In
vieler Hinsicht war 2016 auch ein Jahr, das einen Wendepunkt markierte, in dem Cyber Defence nicht mehr
länger nur als eine Frage des Schutzes von Netzwerken gegen ein wachsendes und zunehmend komplexe-
res Spektrum von Angriffen aus dem Cyber-Raum angesehen, sondern zu einer Frage der Integrität demo-
kratischer Institutionen in NATO-Ländern wurde.
D er Missbrauch des Cyber-Raums wur-
de zu einem Mittel, um Daten nicht
nur abzugreifen und zu manipulie-
ren oder ein Netzwerk zu stören, sondern
um politische Ergebnisse zu beeinflussen
und sogar unverhohlen politische Nötigung
und Einschüchterung zu betreiben.
(Foto: NATO)
Die Streitkräfte der USA haben aktuell mehr „IT-Soldaten“ als Marines.
Vor diesem Hintergrund musste die NATO
sich im Bereich Cyber Defence verstärken.
Als erste Antwort darauf wurde beim NA-
TO-Gipfel im Juli 2016 erklärt, dass die NA-
TO den Cyber-Raum nun als Einsatzgebiet
betrachtet. Das bedeutet im Kern, dass die
NATO beschlossen hat, den Schwerpunkt
Au to r
Dr. Jamie Shea ist Deputy Assistant
Secretary General for Emerging Securi-
ty Challenges bei der NATO. Er formu-
liert in diesem Beitrag ausschließlich
seine eigene Meinung.
von der Informationssicherheit zur Missi-
onssicherheit zu verschieben. Um sich die-
ser neuen Realität anzupassen, in der Cyber
nicht nur eine eigene fünfte Domäne der
Kriegführung ist, sondern auch Einfluss auf
die vier traditionellen Domänen (Luft, Land,
See und Weltraum) ausübt, wurde beim
Treffen der NATO-Verteidigungsminister im
letzten Februar ein Fahrplan verabschiedet,
der die Schritte festlegt, die getan werden
müssen, damit die Allianz die Konzeption
dieser Domäne bis 2019 vollständig umset-
zen kann. Dieser Fahrplan sieht ein engeres
Verhältnis zwischen dem Supreme Allied
Commander Europe und seinem Allied
Command Operations mit der NATO Com-
munications and Information Agency in
Den Haag vor, die für den täglichen Schutz
und die Überwachung der NATO-Netze in
Friedenszeiten sowie für die Sicherheit und
Beschaffung der Informationstechnologie
der NATO zuständig ist.Die NATO ist auch
dabei, ihre Operationspläne zu adaptieren,
September 2017 · Europäische Sicherheit & Technik
SICHERHEIT & P O LITI K 
um Cyber Defence besser einzubinden und
zu priorisieren und ein klareres Bewusstsein
von Cyber Defence-Erfordernissen wäh-
rend Operationen zu schaffen. Das schließt
die Überlegung ein, welche Cyber-Effekte
in einem frühen Stadium geschaffen wer-
den müssen und wie der Cyber-Aspekt in
abgestuften Reaktionsplänen und Maß-
nahmen zur Krisenbewältigung, für deren
Umsetzung der NATO-Rat den SACEUR
autorisiert, besser abgebildet wird. Der Cy-
ber-Raum hat eindeutig die Geschwindig-
keit erhöht, mit der Krisen stattfinden und
führt damit zu der Erfordernis sowohl eines
besseren und früheren Lagebewusstseins
als auch des verantwortungsvollen Tref-
fens von Entscheidungen. Das „Handeln in
relevanter Geschwindigkeit“ ist zu einem
neuen Schlagwort geworden.
Da das Mandat der NATO jedoch defensiv
und auf Verteidigung ausgerichtet bleiben
wird, muss auch eindeutig festgelegt wer-
den, welche Fähigkeiten die NATO kollek-
tiv entwickeln muss und welche von den
Alliierten auf freiwilliger nationaler Basis
bereitgestellt werden können. Auf dieses
Prinzip hat man sich innerhalb der NATO
verständigt, aber entscheidend wird sein,
wie viel politische Kontrolle und Aufsicht
der Nordatlantische Rat über offensive na-
tionale Fähigkeiten, die dem SACEUR zur
Unterstützung von NATO-Operationen be-
reitgestellt werden, ausüben wird.
Auf dem Weg zu Cyber als
Domäne
Jetzt, da die NATO Cyber zur Domäne er-
klärt hat, muss sie sich auf diese Szenarien
bei ihren Übungen zur Krisenbewältigung,
aber auch in der Reihe der militärischen Tri-
dent-Übungen besser vorbereiten, damit
wir effektiv mit der neuen Realität umge-
hen können. Das heißt auch eine bessere
Koordinierung der Maßnahmen innerhalb
17
 SICHERHEIT & P O LITI K
der gesamten Kommandostruktur der NA-
TO. Der SACEUR hat beim Allied Command
Operations bereits eine Cyber-Division auf-
gestellt, um den Bedarf besser eingrenzen
zu können und sicherzustellen, dass die ge-
meinschaftlich finanzierten Fähigkeitsseg-
mente die Cyber-Dimension angemessen
berücksichtigen. Vor diesem Hintergrund
muss die NATO sich der Herausforderung
stellen, die Modernisierungsmaßnahmen
im Bereich der Informationstechnologie
und der NATO Cyber Response Capabili-
ty, die für den täglichen Schutz der NA-
(Foto: U.S. Air Force)
TO-Netzwerke zuständig ist, schneller um-
zusetzen.
Wir müssen uns von einer Kultur verab-
schieden, in der Fähigkeiten in großen
Brocken oder in Form von Plattformen in
Zeitabständen von zehn bis 15 Jahren be-
schafft werden. Wir brauchen stattdessen
Rahmenbedingungen, innerhalb derer die
Informationstechnologie permanent und
evolutionär modernisiert werden kann, mit
kleineren Budgets, aber häufiger. Letztlich
ist da noch das Problem, dass es das Ver-
ständnis von Cyber als operationelle Domä-
ne erfordert, weshalb die NATO mehr von
ihren Alliierten lernen muss, die diesen
Weg bereits beschritten haben wie die
USA, Großbritannien, Frankreich und die
Niederlande: Wie haben sich deren Model-
le bewährt, und wie nutzen sie Cyber-Ef-
fekte als Teil ihrer militärischen Operatio-
nen? Das ist umso wichtiger, als wir noch
kein ausreichendes Verständnis davon ha-
ben, wie Cyber-Expertise sichtbar zu kon-
ventioneller und nuklearer Abschreckung
beitragen kann und ob die militärischen
Kommandeure der NATO glauben, dass im
Vergleich zum Einsatz herkömmlicher Waf-
fen ein Cyber-Effekt der bessere Weg zum
gewünschten Ergebnis sein kann. Er mag
billiger sein und weniger auffällig, aber Kol-
lateralschäden und Langzeiteffekte lassen
sich schwieriger voraussehen.
Der Cyber Defence Pledge
der NATO
Die zweite große Initiative beim NATO-Gip-
fel in Warschau war die Verabschiedung
einer Cyber Defence-Zusage, des Cyber
Defence Pledge. Diese Zusage verpflichtet
die Alliierten, wenigstens einen Teil der
außergewöhnlichen Verteidigungsausga-
ben für die Verbesserung der nationalen
Cyber Defence-Fähigkeiten auszugeben,
auch wenn kein Mindestbetrag spezifiziert
wurde. Die Alliierten haben Selbsteinschät-
zungen ihrer Cyber Defence-Einstufungen
vorgenommen, indem sie zu sieben Fähig-
keitsbereichen Aussagen gemacht haben:
Strategie, Organisation, Prozesse und Vor-
gehensweisen, Bedrohungsüberwachung,
18 Europäische Sicherheit & Technik · September 2017
Manche Systeme müssen unbedingt und unter allen Umständen
zuverlässig funktionieren.
Partnerschaften, Fähigkeiten und Investiti-
onen. Dabei waren sie gebeten worden,
diese Einschätzungen jeweils gemäß vier
Kriterien einzuordnen, von fortschrittlich
bis einfach. Die nationalen Erkenntnisse
werden es den NATO-Mitarbeitern gestat-
ten, präzisere und relevantere Metriken zu
entwickeln sowie eine verlässlichere ge-
meinsame Grundlage übergreifender NA-
TO-Fähigkeiten zu formulieren.
Diese größere Transparenz wird den NA-
TO-Mitarbeitern wiederum dabei helfen,
Fähigkeitslücken zu identifizieren und Be-
darfe zu priorisieren. Auf dieser Grundlage
lassen sich im Rahmen des NATO Defence
Planning-Prozesses, in dem bereits eine Rei-
he von grundsätzlichen Cyber-Fähigkeits-
zielen für jeden NATO-Staat vorgesehen
sind, ehrgeizigere Ziele formulieren sowie
solche, die den zukünftigen Erfordernissen
der einzelnen Staaten besser Rechnung tra-
gen. Schließlich hat sich der Cyber Defence
Pledge als nützlich dafür erwiesen, die Alli-
ierten zu einer einheitlichen, regierungsüber-
greifenden Sichtweise von Cyber-Bereitschaft
anzuregen, Lücken und Fehler zu erkennen
und bedeutend mehr Informationen der NA-
TO zugänglich zu machen.
Smart Defence-Projekte
Im Schatten dieser beiden Leuchtturm-Ini-
tiativen ist ein erheblicher Teil der Anstren-
gungen der NATO im Bereich Cyber De-
fence darauf ausgerichtet, die Fähigkeiten
der Allianz dahingehend zu stärken, dass
sie die Alliierten im gesamten Spektrum
ihrer Cyber Defence-Bedürfnisse unter-
stützen kann. So ist den Alliierten zum
Beispiel eine neue Regierungsvereinba-
rung zur Verbesserung der gemeinsamen
Nutzung nachrichtendienstlicher Erkennt-
nisse, der Zusammenarbeit bei Vorfällen
und der gemeinschaftlichen Weitergabe
von Erkenntnissen aus Cyber-Attacken in
der Zusammenarbeit zwischen dem NA-
TO-Hauptquartier und den einzelnen Mit-
gliedern angeboten worden. Bereits 21 der
28 Mitgliedstaaten haben diese Vereinba-
rung unterschrieben.
Die NATO hat eine neue nachrichtendienst-
liche Abteilung mit einem starken Anteil
an Cyber-Bedrohungsüberwachung auf-
gestellt, die die Alliierten dazu bewegen
sollte, bei Cyber-Attacken oder Malware
mehr Frühwarnung zu betreiben anstatt
nur erst nach einem Vorfall daraus Lehren
zu ziehen. Eine verbesserte Weitergabe
nachrichtendienstlicher Erkenntnisse un-
ter NATO-Mitgliedern wird nicht nur da-
zu beitragen, Cyber-Attacken zu parieren
oder den Schaden zu begrenzen, sondern
auch nach und nach ein detaillierteres
und umfassenderes Bild von Hackergrup-
pen, handelnden Personen, Methodiken
und Zuordnungen zu gewinnen. Einer der
wertvollsten Beiträge der NATO für ihre
Mitgliedstaaten ist die Organisation von
Ausbildung und Übungen, um nicht nur die
Fertigkeiten der Operateure bei der NCIRC
(NATO Computer Incident Response Capa-
bility) und in der Kommandostruktur der
NATO, sondern auch bei den nationalen
Cyber Defence-Teams zu verbessern. Die
jährliche Cyber Coalition-Übung zieht mitt-
lerweile mehr als 400 Beteiligte an, und
die Übung „Locked Shields“ ist anerkannt
als eine der schwierigsten und intensivsten
Red Team – Blue Team-Übungen.
Portugal hat innerhalb der Allianz die
Führung bei Training und Ausbildung
übernommen und wird bald die NATO
Communications and Information School
übernehmen, die von Latina in Italien nach
Oeiras in Portugal verlegt wird. Belgien hat
erfolgreich eine Gruppe geführt, die eine

Plattform zur Bereitstellung von Malwa-
re-Informationen entwickelt hat, die nicht
nur innerhalb der NATO, sondern auch für
die Nutzung zwischen der NATO und EU
umgesetzt wurde. Eine Variante davon
wird auch genutzt, um die Bereitstellung
von Informationen zwischen der NATO und
der Industrie zu erleichtern, einschließlich
der Möglichkeit von Plattformen mit un-
terschiedlichen Einstufungsgraden gemäß
zertifizierten Zugangsstufen in Anlehnung
an die Sensibilität der jeweiligen Informa-
tion. Ein drittes Cyber Defence-Projekt
konzentriert sich auf Lagebewusstsein und
Vorfallkoordination einschließlich eines Be-
treiber- und Wartungsvertrags. Das System
wurde von den Niederlanden und Rumä-
nien erfolgreich umgesetzt. Zusammen
genommen beteiligen sich 21 Alliierte und
vier Partner an diesen Smart Defence-Pro-
jekten.
Partnerschaften mit der
Industrie
Letztlich brauchen wir noch stärkere Part-
nerschaften, wenn die NATO besser wer-
den soll. Zuallererst hat die NATO sich mit
der Industrie zusammengetan und ist eine
NATO-Cyber-Industriepartnerschaft ein-
gegangen. Bisher hat die NATO Commu-
nications and Information Agency zwölf
Einzelvereinbarungen mit der Industrie für
Bedrohungsanalyse und Indikatoren zur
Frühwarnung abgeschlossen. Eine verbes-
serte Serie von Industrie-Workshops der
NATO wie das NATO Information Assuran-
ce Symposium in Mons und eine Reihe von
Workshops zu Bedrohungsvektoren bringt
die Industrie und die NATO zusammen, um
Innovationen und Verbesserungen bei der
Beschaffung und der Bedrohungsanalyse
zu besprechen.
Dieses Engagement war seit jeher darauf
ausgerichtet, der NATO ein Verständnis für
die Produkte zu vermitteln, die marktver-
fügbar sind und genutzt werden können,
und der Industrie dabei zu helfen zu erken-
nen, welche Beschaffungen bei der NATO
voraussichtlich in Zukunft anstehen. Es
kann auch das Supply Chain Management
verbessern und die Vielfalt auf der Anbie-
terseite fördern. Bei der NATO Communi-
cations and Information Agency sind ein
Innovationsaustausch eingerichtet und Pi-
lotprojekte begonnen worden, um heraus-
zufinden, wie wir bessere Verbindungen
mit der akademischen Forschung und klei-
nen und mittelständischen Unternehmen
eingehen können, die häufig an der Spitze
der Innovation stehen, aber oft Zurückhal-
tung gezeigt haben, wenn es darum ging,
direkt mit der NATO in Verbindung zu tre-
ten oder unsicher waren, wie sie es mit
SICHERHEIT & P O LITI K 
der Bürokratie der NATO angehen sollen. Es gibt sowohl ein Problem bei der Zu-
Das gilt besonders für kleine und mittlere ordnung, besonders wenn eine Reihe von
Unternehmen, die 70 Prozent des europäi- feindlichen Akteuren (fremde Nachrich-
schen Innovationsmarktes im Bereich Cyber tendienste, kriminelle Banden oder oppor-
Defence ausmachen. tunistische Einzelpersonen) im Spiel sind,
wenn die Malware für einen Angriff entwi-
Staatliche Partnerschaften ckelt wird, als auch (wie der Hack während
der Wahlen in den USA gezeigt hat) immer
Die NATO baut auch mit anderen Ländern, noch eine ganze Menge Unsicherheit, ob
die eine formelle Partnerschaftsvereinba- ein Cyber-Angriff, der nicht notwendiger-
rung mit der Allianz haben, stärkere Bezie- weise Menschen tötet oder etwas Gegen-
hungen auf. Mit Finnland haben wir uns
(Graphik: Security News Desk)
kürzlich auf eine technische Vereinbarung
im Bereich Cyber Defence verständigt. Mit
der Ukraine gibt es einen Treuhandfonds
für Cyber Defence-Ausstattung und Fo-
rensik. Daneben hilft die NATO Ländern
wie Jordanien, der Republik Moldau und
Georgien bei der Organisation von Cyber
Defence, Grundsätzen und Ausbildung.
Es gibt zunehmend mehr Partner und Be-
obachter für das Cooperative Cyber Defen-
ce Centre of Excellence in Tallinn. In Brüssel
kommen die NATO und die Europäische
Union im Bereich Cyber Defence jetzt we-
sentlich enger zusammen.
Es gibt seit mehr als einem Jahr eine tech-
nische Vereinbarung zwischen NCIRC und
dem EU CERT für die gemeinschaftliche
Nutzung nichteingestufter Informationen, ständliches zerstört, tatsächlich als ein Akt
und der kürzlich formulierte Aktionsplan der Aggression angesehen werden muss
zur Umsetzung der NATO EU Joint Decla- und damit eine entsprechende Reaktion
ration, auf die sich die NATO und die EU hervorruft. Auch wenn wir eine gute Vor-
im letzten Dezember verständigt haben, stellung von nuklearer oder konventioneller
gewährleistet mehr Zusammenarbeit zwi- Abschreckung haben oder davon, wie wir
schen der NATO und der EU, z.B. bei der mit Krisen in den herkömmlichen Domänen
Bereitstellung von Informationen in Ver- umzugehen haben oder welche Form der
bindung mit der operationellen Planung Rüstungskontrolle oder vertrauensbilden-
von Cyber Defence während militärischer der Maßnahmen geraten erscheint, um den
Missionen, der Harmonisierung von Aus- Frieden zu bewahren, haben wir noch keine
bildungserfordernissen, mehr Koopera- gute Vorstellung von der Abschreckung von
tion bei Forschung und Entwicklung und oder Reaktion auf große Cyber-Attacken,
Standards zwischen der European Defence auch wenn sie klar darauf ausgelegt sind,
Agency und dem Allied Command Trans- unsere Regierungen oder unsere politischen
formation der NATO und mehr gemein- Prozesse zu schwächen.
schaftliche Beteiligungen an Ausbildungen Also wird es für die Cyber-Domäne erfor-
und Übungen der jeweils anderen Seite; derlich sein, dass die NATO – ebenso wie
dazu gehören die CMX und die Cyber Coa- die meisten anderen Organisationen – zu-
lition der NATO sowie Cyber Europe der EU. nehmend einen Top-Down-Ansatz bei der
Antizipation strategischer Trends sowie der
Fazit Anpassung ihrer Politik und Grundsätze
verfolgt, während ein Bottom-up-Ansatz
Abschließend kann gesagt werden, dass Cy- gefragt ist, wenn es darum geht, die grund-
ber anders ist als andere Konfliktdomänen. sätzliche Cyber-„Hygiene“ zu verbessern,
Der Innovationsfortschritt ist viel schneller. um die Angriffsfläche zu verringern und
Wenn ein Cyber-Konstrukt erfolgreich ope- die Anzahl der eigenen Ziele angesichts
rieren soll, müssen die Ressourcen auf eine menschlichen Versagens und dem Fehlen
wesentlich größere Anzahl von Funktionen von ausgebildetem Personal zu reduzieren.
verteilt und selektiver angewendet werden Wir müssen besser darin werden, zwei Din-
als bei einem herkömmlichen Fähigkeits- ge gleichzeitig zu tun – lernen, das Flugzeug
programm. Viel mehr Akteure können umzubauen, während wir es geschickter
sich mit einem Minimum an finanziellem fliegen – wenn wir Schritt halten oder sogar
Aufwand oder Unterstützung durch große letztlich die wachsende Cyber-Bedrohung in
Organisationen Zutritt verschaffen. den Griff kriegen wollen.  L
September 2017 · Europäische Sicherheit & Technik 19
 SICHERHEIT & P O LITI K

Plädoyer für eine konvergente

Verteidigungsplanung
Zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung?
Reiner K. Huber

„Nur eine Krise, ob real oder nur empfunden, führt zu wirklichen Veränderungen. Die Maßnahmen, um die
Krise zu bewältigen, hängen von Ideen ab, die herumliegen. Das, so denke ich, ist letztendlich unsere Funk-
tion: Alternativen zur herkömmlichen Politik zu entwickeln, am Leben und zugänglich zu erhalten bis das
politisch Unmögliche zum politisch Unvermeidlichen wird.“ Milton Friedman (Nobelpreis 1976)

D
(Foto: NATO)

ass der Immobilien-Tycoon Donald

Trump zum Präsidenten der USA auf-
steigen und deren wirtschafts- und
sicherheitspolitische Führungsrolle infrage
stellen würde, hielt der Westen für nahe-
zu unmöglich. Jedoch gab es im sicher-
heitspolitischen Bereich lange vor Trump
deutliche Anzeichen. Schon seit Mitte der
1990er Jahre wurde in den USA die Frage
nach einer fairen Verteilung der Verteidi-
gungslasten zwischen den USA und den
europäischen NATO-Partnern heftig disku-
tiert und darauf hingewiesen, dass „uni-
laterale Streitkräftereduzierungen, die von
vielen Staaten der Allianz zur Linderung
ihrer finanziellen Nöte vorgenommen wer-
den, eine faire Lastenteilung auf längere
Zeit gefährden und damit dem Zerfall des
Bündnisses Vorschub leisten“. Dieses Zitat Auf dem NATO-Gipfel in Wales 2014 wurde das Zwei-Prozent-Ziel
ist einem Aufsatz entnommen, der 1996 einstimmig verabschiedet.
in dieser Zeitschrift erschienen ist (Huber
und Davis: „Lastenteilung und Streitkräf- der Stabilität in Europa (Abschreckung und erst Russlands Annexion der Krim und der
teumfang der Atlantischen Allianz“. Eu- ggf. Abwehr einer direkten Bedrohung von Russland unterstütze Krieg in der Ostu-
ropäische Sicherheit 11/1996, S. 38 – 41). der NATO bzw. eines oder mehrerer ihrer kraine führten auf dem NATO-Gipfel von
Darin stellen die Autoren – ganz im Sin- Mitgliedstaaten); 2. militärische Unterstüt- Wales im Jahre 2014 zu dem verbindlichen
ne von Milton Friedman – ein Modell zur zung von internationalem Krisenmanage- Beschluss, das Zwei-Prozent-Ziel innerhalb
Lastenteilung vor, zu dessen Illustration sie ment (Verhinderung und ggf. Beendigung der nächsten zehn Jahre zu erreichen.
auf eine Bedarfsanalyse der RAND Corpo- eines größeren innerstaatlichen Konflikts
ration aus dem Jahre 1994 zurückgreifen zwischen verfeindeten Gruppen); 3. de- Es geht um mehr als nur Geld
konnten, die in Teilen derzeit wieder hoch fensive Intervention (Abschreckung und
aktuell ist. Danach sollte die NATO in der ggf. Ausschaltung einer von außerhalb des Seit Ende der 1990er Jahre beschäftigte
Lage sein, im schlechtesten Fall drei Szena- Bündnisgebietes gegen die NATO oder die sich auch das damalige Institut für Ange-
rien gleichzeitig abzudecken: 1. Sicherung Sicherheitsinteressen ihrer Mitgliedsländer wandte Systemforschung und Operations
gerichteten Bedrohung). Dass die Atlanti- Research (IASFOR) an der Universität der
Au to r sche Allianz in einer veritablen Krise steckt, Bundeswehr München mit einer Reihe
ist seit dem Auftritt von Präsident Trump von Studien, die sich neben Fragen zur
Prof. Dr. Reiner K. Huber ist ehema- beim G7-Gipfel in Taormina und der Tru- Weiterentwicklung der Bundeswehr auch
liger Inhaber der Professur für Ange- deringer Rede von Bundeskanzlerin Angela mit der Frage beschäftigten, wie die in
wandte Systemwissenschaft in der Merkel nicht zu leugnen. Nichtsdestoweni- den Balkankriegen sichtbar gewordene
Fakultät für Informatik und Mitglied ger ist Trumps Forderung an die europäi- transatlantische Lücke im Einsatzpotenzial
des Instituts für Technik Intelligenter schen NATO-Partner, mindestens zwei Pro- der NATO zu schließen wäre. Dabei ging
Systeme (ITIS) e. V. an der UniBw zent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) für ihr es in erster Linie um Fähigkeiten zum mi-
München und Senior Fellow der Po- Militär auszugeben, nicht unbegründet. Im litärischen Konfliktmanagement jenseits
tomac Foundation in Vienna, Virginia. Übrigen einigten sich alle NATO-Mitglieder der Bündnisgrenzen. Hierzu wurden auf
schon 2006 auf das Zwei-Prozent-Ziel, aber der Grundlage der Daten des Internatio-

20 Europäische Sicherheit & Technik · September 2017


nal Institute for Strategic Studies (IISS) Mo-
dellrechnungen durchgeführt, deren Aus-
wertung zu dem Schluss führte, dass die
damals 17 europäischen NATO-Partner bei
einer den USA vergleichbaren Effizienz ih-
rer Verteidigungsausgaben gemeinsam in
der Lage wären, ein den USA in qualitativer
und quantitativer Hinsicht gleichwertiges
Einsatzpotenzial zu erreichen, sofern sie ih-
re Verteidigungsausgaben auf mindestens
zwei Prozent ihres BIP anheben würden.
Davon müsste mindestens ein Drittel auf
investive Ausgaben entfallen, um eine
kontinuierliche Modernisierung der euro-
päischen NATO-Streitkräfte sicherzustellen.
Mit anderen Worten, neben der Realisie-
rung des von Trump geforderten Zwei-Pro-
zent-Ziels müssen die europäischen NA-
TO-Partner auch ihre Verteidigungsplanung
untereinander abstimmen und ihre Fähig-
keiten bündeln. Andernfalls bliebe auch
wegen der mit dem Fortbestand der vielen
nationalen Verteidigungseinrichtungen und
der strukturellen Vielfalt der europäischen
Armeen und der damit verbundenen hohen
Gemeinkosten das Produkt „Sicherheit“ in
Europa vergleichsweise teuer. Nur auf dem
Wege einer Bündelung ihrer Verteidigungs-
anstrengungen und der Entwicklung einer
konvergenten Verteidigungsplanung auf der
Grundlage gemeinsamer, an den möglichen
Bedrohungen gemessener militärischer Fä-
higkeiten kann es den Europäern gelingen,
den Wirkungsgrad ihrer kollektiven Verteidi-
gungsausgaben auf ein den USA vergleich-
bares Niveau anzuheben. Um das seit Ende
des Kalten Krieges zunehmend gestörte
Gleichgewicht militärischer Fähigkeiten im
transatlantischen Raum wiederherzustellen,
geht es für die Europäer somit nicht nur um
mehr Geld, sondern auch und insbesonde-
re um mehr Koordination ihrer nationalen
Planungen und die Integration ihrer militäri-
schen und rüstungstechnischen Fähigkeiten,
d.h. letztlich um eine konvergente Vertei-
digungsplanung der europäischen NA-
TO-Partner. (Huber: „Standards und Kon-
vergenzkriterien für die Weiterentwicklung
der europäischen Streitkräfte“. Europäische
Sicherheit 4/2002, S. 45-50).
Konvergente Verteidigungs-
planung
Der Begriff „Konvergente Verteidigungs-
planung“ beinhaltet ein Konzept für die
stufenweise Transformation der derzeit
von den NATO-Partnern weitgehend un-
abhängig voneinander erstellten nationa-
len Verteidigungsplanungen in Richtung
einer gemeinsamen interdependenten
und agilen Planung, die sich an den Si-
cherheitsbedürfnissen der Allianz orien-
tiert. Hierzu haben Huber und Linnen-
Impressum
Europäische Sicherheit & Technik
Europäische Sicherheit · Strategie & Technik
66. Jahrgang · ISSN 2193-746X
Herausgeber
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Fotos Titel: Bundeswehr, MoD UK, MarKdo PIZ, KMW
 SICHERHEIT & P O LITI K
(Foto: EU)
kamp empfohlen, ein Konzept zu nut-
zen, das sich an einem von einer NATO
Research Study Group entwickelten und
validierten Modell zur Weiterentwicklung
der Strukturen und Prozesse für die Füh-
rung von multinationalen militärischen
Operationen und komplexen zivil-mili-
tärischen Unternehmungen orientiert
und auf den Erkenntnissen des von der
European Defence Agency (EDA) erarbei-
teten Verfahrensvorschlags zur Realisie-
rung der deutsch-schwedischen Initiative
von Gent aufbauen könnte, (Huber und
Linnenkamp: „Die Initiative von Gent –
Ein erster Schritt zu einer konvergenten
Verteidigungsplanung in Europa“. Euro-
päische Sicherheit & Technik 12/2014, S.
34-36).
Die Gent-Initiative von 2010 fordert die In-
tensivierung der militärischen Kooperation
in Europa mit dem Ziel, angesichts knapper
Haushaltsmittel die nationalen militärischen
Fähigkeiten mittels Pooling und Sharing
(P&S) zu stärken. Der strukturierte Verfah-
rensvorschlag der EDA beschränkte sich zu-
nächst darauf, die Kooperationsbereitschaft
der EU-Staaten systematisch zu ermitteln,
die zu diesem Zweck auf freiwilliger Basis bis
Mitte 2011 Analysen ihrer militärischen und
rüstungsindustriellen Fähigkeiten vorlegen
sollten als Grundlage für einen kohärenten
P&S-Ansatz. Obwohl der Verfahrensvor-
schlag der EDA im November 2012 vom Rat
der Außen- und Verteidigungsminister der
EU gebilligt und auf der Tagung des Euro-
päischen Rates im Dezember 2013 von den
Staats- und Regierungschefs der EU-Länder
bekräftigt wurde, ist er offensichtlich in den
nationalen Administrationen bisher nicht
weiterverfolgt worden. Das aber könnte
sich angesichts des Brexit und der Politik von
US-Präsident Trump zu ändern.
Die drei Szenarien von
Jean-Claude Juncker
Darauf weisen die drei aufeinander aufbau-
enden Szenarien hin, die der Präsident der
EU-Kommission, Jean-Claude Juncker, laut
Bericht in der Süddeutschen Zeitung zur Ent-
wicklung der EU zu einem Verteidigungs-
bündnis vorgelegt hat. (Daniel Brösseler, SZ
Freitag, 02.06. 2017).
Das erste Szenario beschreibt im Wesentli-
chen den Status quo und fordert, was die
EDA bereits vor sechs Jahren vorgeschlagen
hat, einschließlich des Aufbaus eines EU-Ver-
teidigungsfonds, um bi- oder multilaterale
Rüstungsprojekte finanziell abzusichern.
Das zweite Szenario fordert „deutlich grö-
ßere Solidarität“ bei Finanzierung und
Durchführung von Operationen sowie die
Verbesserung der Fähigkeit Europas an der
Schnittstelle zwischen innerer und äuße-
22 Europäische Sicherheit & Technik · September 2017
Der Präsident der EU-Kommission, Jean-Claude Juncker, hat laut Bericht
in der Süddeutschen Zeitung einen Vorschlag zur Entwicklung der EU zu
einem Verteidigungsbündnis vorgelegt.
rer Sicherheit speziell gegen terroristische
Bedrohungen und Cyber-Angriffe. Hierzu
sind die EU-Staaten aufgerufen, gemeinsa-
me Planungs- und Kommandostrukturen
aufzubauen, um ihre Militärplanungen
viel enger abzustimmen sowie große Rüs-
tungsprojekte gemeinsam anzugehen und
mithilfe eines „ambitionierten“ Verteidi-
gungsfonds zum Erfolg zu führen.
Das dritte Szenario fordert unter dem Titel
„Gemeinsame Verteidigung und Sicher-
heit“ für die EU im Wesentlichen die militä-
rischen Fähigkeiten zur Abdeckung der drei
Bedrohungsszenarien, die der eingangs er-
wähnten Bedarfsanalyse der RAND Corpo-
ration aus dem Jahre 1994 zugrunde lagen,
erweitert um Vergeltungsmaßnahmen bei
Cyber-Angriffen, die damals noch jenseits
der technischen Möglichkeiten und damit
des militärischen Bedarfs lagen. Damit ver-
bunden wäre eine stärkere Integration der
Streitkräfte der EU-Staaten einschließlich
regelmäßiger Übungen.
Organisationstechnisch entsprechen Jun-
ckers Szenarien den Planungsansätzen,
die Huber und Linnenkamp in Analogie
zu den Reifegraden von militärischen Füh-
rungsstrukturen zur Evolution einer kon-
vergenten Verteidigungsplanung in der
EU – und damit auch der europäischen
NATO-Partner – beschrieben haben. Tech-
nisch gesehen ist der Schritt von Junckers
drittem Szenario zur europäischen Vertei-
digungsunion mit gemeinsamen Budget,
Verteidigungsminister und einer europä-
ischen Armee nicht weit. Angesichts der
Unsicherheit über die Entwicklung des stra-
tegischen Umfelds wäre darüber hinaus der
NATO-Beitritt der EU wünschenswert, um
die Stabilität Europas dauerhaft zu sichern.
Fraglich ist allerdings, ob diese ultimativen
Schritte ohne eine weitere für Europa ge-
fährliche Krise wie beispielsweise ein Rück-
zug der USA aus der NATO in absehbarer
Zeit politisch durchzusetzen wären.
Fazit
Die vor allem von Großbritannien vorge-
brachten Einwände, dass bei einer Integra-
tion der europäischen Streitkräfte EU-Struk-
turen entstünden, die mit denen der NATO
konkurrierten, sind auf längere Sicht schon
deswegen nicht überzeugend, weil die im
Zuge einer konvergenten Verteidigungs-
planung zunehmend integrierten und mo-
dernisierten militärischen Fähigkeiten der
EU-Staaten auch der NATO zur Verfügung
stünden. Immerhin gehören derzeit von
den 27 europäischen NATO-Partnern 21
zur EU, die laut der Daten von 2016 auch
ohne Großbritannien etwa 90 Prozent zum
aggregierten BIP der EU und 75 Prozent
zum aggregierten BIP der europäischen NA-
TO-Mitgliedsländer beitragen. Mit anderen
Worten, die überwiegende Mehrheit des
wirtschaftlichen Potenzials der europäi-
schen NATO-Partner bzw. des European
Pillar der NATO steckt in der EU. Ziel muss es
sein, dieses Potenzial effizient zu aktvieren,
um die Sicherheit und Stabilität Europas auf
der Grundlage einer fairen Lastenteilung
zwischen USA und Europa sowie innerhalb
Europa zu verbessern. Zusammen mit einer
aktualisierten, insbesondere an der „Neuen
Generation russischer Kriegführung“ be-
messenen Bedarfsanalyse der militärischer
Fähigkeiten die notwendig sind, um gegen
Europa gerichtete Bedrohungen zu neut-
ralisieren, könnte die Reaktivierung frühe-
rer Analysen wie des oben angesprochen
Lastenteilungsmodells hilfreich sein, damit
„das politisch Unmögliche zum politisch
Unvermeidlichen wird“. L
 SICHERHEIT & P O LITI K 

Neubelebung der konventionellen

Rüstungskontrolle in Europa
Ein Beitrag zur militärischen Stabilität in Zeiten der Krise (Teil 2)

Wolfgang Richter

Ende August 2016 hat der frühere deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier vorgeschlagen,
einen strukturierten Dialog darüber zu führen, wie die konventionelle Rüstungskontrolle wiederbelebt
werden kann. Dazu hat er fünf Regelungsbereiche vorgeschlagen (siehe Teil 1 in ES&T 5/2017), die im
Folgenden diskutiert werden sollen.

(Fotos: OSZE)
ine Gruppe von derzeit 16 gleichge-
sinnten Staaten unterstützt diesen
Vorschlag. Der Ministerrat der 57 OS-
ZE-Teilnehmerstaaten hat am 9. Dezember
2016 in Hamburg entschieden, die politi-
schen und militärischen Voraussetzungen
dafür in einem „strukturierten Dialog“ zu
erörtern. Der österreichische OSZE-Vorsitz
2017 hat dies aufgegriffen und den Dis-
kussionsprozess in Gang gesetzt. Welcher
militärische Regelungsbedarf im Einzelnen
besteht, ist noch nicht geklärt. Um Irrita-
tionen zu vermeiden und den Prozess vo-
ranzutreiben, sollte bald konzeptionelle
Klarheit geschaffen werden.
Konzeptionelle Ansätze für die Erneuerung
der konventionellen Rüstungskontrolle
werden nur dann überzeugen, wenn sie
realistische Ziele formulieren und stabili-
sierende Antworten auf die drängenden
Fragen der politischen und militärischen Der österreichische Außenminister Sebastian Kurz übernahm im Dezem-
Wirklichkeit im Europa des 21. Jahrhun- ber 2016 den Vorsitz der OSZE vom damaligen deutschen Außenminister
derts finden. Die Blockgleichgewichte des Frank-Walter Steinmeier.
KSE-Vertrags von 1990 sind dazu nicht
mehr geeignet. Heute kommt es darauf an, einschränkt als auch die langfristige Bere- und insbesondere osteuropäische Alliierte
Bedrohungsperzeptionen in einer verän- chenbarkeit erweiterter militärischer Opti- als auch Russland haben Sicherheitsbeden-
derten europäischen Sicherheitslandschaft onen gewährleistet. ken wegen der Truppenstationierung und
abzubauen. Dazu müssen potenziell be- Es liegt daher nahe, Begrenzungen offen- den militärischen Aktivitäten der jeweiligen
drohliche militärischen Dispositive und Ak- sivfähiger Waffensysteme in sicherheitspo- Gegenseite geltend gemacht. Auf die ge-
tivitäten nachprüfbaren Beschränkungen litisch sensiblen Räumen mit krisenfesten geneinander gerichteten Bedrohungsper-
unterworfen werden. Rüstungskontrolle Transparenz- und Verifikationsmaßnahmen zeptionen jeweils mit militärischen Gegen-
könnte einen wirksamen Stabilitätsbeitrag für ganz Europa zu kombinieren. Dabei maßnahmen zu reagieren, könnte einen
leisten, wenn sie sowohl militärische Fähig- müssten die Fähigkeiten weitreichender regionalen Rüstungswettlauf in Gang set-
keiten für regionale Überraschungsangriffe Waffensysteme berücksichtigt werden, die zen und die Gefahr militärischer Eskalation
aus fernen Dislozierungsräumen in Kon- erhöhen.
Au to r fliktzonen hineinwirken können. Um dies zu verhindern, sollte es im Interes-
se beider Seiten liegen, potenzielle Offen-
Oberst a.D. Wolfgang Richter ist sivfähigkeiten der Gegenseite einzuschrän-
Senior Associate in der Forschungs- Regionale Obergrenzen
ken. Rüstungskontrollregelungen könnten
gruppe Sicherheitspolitik der Stiftung Die rasche und dauerhafte Konzentration dieses Interesse absichern. Geografische
Wissenschaft und Politik (SWP) in offensivfähiger Kräfte in Grenznähe kann Mindestabstände, quantitative Begrenzun-
Berlin. in politischen Spannungszonen besonders gen und intrusive Transparenzmaßnahmen
destabilisierend wirken. Sowohl die NATO in militärisch sensiblen Regionen wären

September 2017 · Europäische Sicherheit & Technik 23


Die Wiener Hofburg sowie das
Palais Paffy in der Wiener Wallner-
straße sind der Sitz der OSZE.
geeignete Mittel, um der Gefahr überra-
schender grenzüberschreitender Operatio-
nen zu begegnen. Sie wären aber nur dann
militärisch sinnvoll und politisch akzepta-
bel, wenn sie militärisch relevante Räume
auf beiden Seiten internationaler Grenzen
definieren und reziproken Beschränkungen
unterwerfen.
Als Ausgangspunkt der Überlegungen
könnte gerade im Ostsee- und Schwarz-
meerraum die Vereinbarung der NA-
TO-Russland-Grundakte von 1997 dienen,
keine zusätzlichen substanziellen Kampf-
truppen dauerhaft zu stationieren. Russ-
land hat im Gegenzug 1999 eine gleichar-
tige Zusicherung für die westrussischen
Grenzgebiete Pskow und Kaliningrad ge-
geben und bilateral mit Norwegen eine
ähnliche Vereinbarung für Nordeuropa ge-
troffen. Ursprünglich sollte es sich lediglich
um Interimsvereinbarungen handeln, bis
das Anpassungsabkommen zum KSE-Ver-
trag in Kraft treten würde. Es hätte natio-
nale und territoriale Obergrenzen für jeden
Vertragsstaat festgelegt. Dazu ist es jedoch
nicht gekommen (vgl. Teil 1).
Die Begriffe „substanziell“ und „Kampf-
truppen“ bedürfen daher ebenso der
Klärung wie die Frage, ob eine stetige Per-
sonalrotation geeignet ist, um den Begriff
„dauerhaft“ zu umgehen. In informellen
Gesprächen, die 2007/08 in der Gemeinsa-
men Beratungsgruppe des KSE-Vertrags in
Wien unter Beteiligung von NATO-Staaten
und Russlands stattgefunden haben, schien
eine Einigung auf den Begriff „substanzi-
ell“ möglich zu sein. Demnach wäre eine
Truppenstationierung dann als substanziell
zu werten, wenn sie die Größenordnung
einer Kampftruppenbrigade überschreitet.
Die Gespräche wurden jedoch wegen des
Georgienkrieges abgebrochen. Unter dem
Begriff „Kampftruppen“ verstanden beide
Seiten die fünf vom KSE-Vertrag begrenz-
ten Waffensystemkategorien (Kampfpan-
zer, gepanzerte Kampffahrzeuge, Artil-
leriewaffen, Angriffshubschrauber und
24 Europäische Sicherheit & Technik · September 2017
Kampfflugzeuge). Heute wäre zu klären,
ob weitere Waffensysteme einbezogen
werden sollten, die vom KSE-Vertrag nicht
erfasst waren, weil sie damals entweder als
defensiv betrachtet wurden (wie Luftvertei-
digung) oder weil sie den Nuklearstreitkräf-
ten zugeordnet wurden (wie ballistische
Kurzstreckenraketen).
Vorübergehende Überschreitungen regi-
onaler Schwellenwerte, etwa zu Übungs-
zwecken, sollten weiterhin erlaubt sein, so-
fern sie der Vorbereitung legitimer Verteidi-
gung dienen. Militärische Übungen sollten
jedoch Mindestabstände zu internationa-
len Grenzen wahren, im Umfang begrenzt
und intrusiven Informations- und Verifikati-
onspflichten unterworfen werden.
Operative Fähigkeiten
Stabilitätsmaßnahmen in den direkten Be-
rührungszonen müssten auch die geogra-
fischen Disparitäten berücksichtigen. Da
Russland in der Lage ist, die inneren Linien
einer zusammenhängenden Landmasse
zu nutzen, kann es Heereskräfte in ausge-
wählten grenznahen Subregionen wie im
baltischen Raum schneller konzentrieren
als die NATO. Allerdings müsste es dafür
Lücken an anderer Stelle in Kauf nehmen.
Andererseits verstärkt auch die NATO
ihre Mobilität und Krisenreaktionsfähig-
keit, und sie ist europaweit konventionell
überlegen. So könnte sie an der gesamten
Peripherie Osteuropas Angriffe mit weitrei-
chenden luft- und seegestützten Waffen
führen. Die exponierte Lage der Exklave
Kaliningrad erschwert die russische Kalku-
lation. Selbst wenn es Russland gelingen
sollte, einen kurzfristigen taktischen oder
operativen Vorteil in einer begrenzten Sub-
region zu erzielen, so wäre dies gegen die
desaströsen strategischen Folgen eines glo-
bal geführten Krieges abzuwägen.
Jedenfalls wären in einem umfassenden
Rüstungskontrollkonzept auch diejenigen
operativen Fähigkeiten zu berücksichtigen,
welche die militärische Einwirkung auf po-
tenzielle Konfliktzonen und darüber hin-
aus von außerhalb erlauben. So könnten
im Rahmen vernetzter Operationen auch
kleinere Verbände kurzfristig weitreichen-
de und präzise wirkende Waffensysteme
einsetzen, die außerhalb der Spannungs-
zonen disloziert sind.
Die Fähigkeit, in entfernten Räumen Kräf-
te rasch zu konzentrieren oder mit Waffen
zu wirken, hängt von der Reichweite der
Waffensysteme, der Verlegefähigkeit der
Verbände und den verfügbaren Transport-
kapazitäten ab. Sie sollten in einem neuen
Rüstungskontrollansatz mitbedacht sowie
europaweiten Transparenz- und Verifikati-
onsregeln unterworfen werden. Auch die
kumulierte Wirkung multinationaler Ko-
operation wird dabei zu betrachten sein.
Allerdings bleiben weiterhin die souverä-
nen Nationalstaaten die Träger solcher
Vereinbarungen. Internationale Organisa-
tionen können sie vertragsrechtlich nicht
ersetzen, sofern die Staaten ihre souverä-
nen Rechte nicht an sie abgetreten haben.
Neue Waffensysteme
Für offensive Operationen und die Führung
des Gefechts der verbundenen Waffen sind
die im KSE-Vertrag definierten Waffenka-
tegorien noch immer von großer militäri-
scher Bedeutung. Darüber hinaus sollten
neue Waffensysteme wie Kampfdrohnen
berücksichtigt werden. Bisher kamen sie al-
lerdings überwiegend in asymmetrischen
Szenarien zum Einsatz. In einem europä-
ischen Szenario wäre ihr operativer Wert
an intensiven konventionellen Operationen
gleichwertiger Gegner zu messen, die über
eine hochentwickelte Luftverteidigung
verfügen. Soweit es sich um unbemannte
Kampfflugzeuge handelt, waren schon die
KSE-Definitionen technisch geeignet, sie zu
erfassen. Hier bedürfte es lediglich einer
politischen Klarstellung.
Die Fähigkeit, vernetzte Operationen zu
führen, hängt wesentlich von Aufklärungs-,
Ortungs- und Kommunikationssatelliten,
leistungsfähigen Sensoren, präzisen Steu-
erungssystemen und miniaturisierter Com-
putertechnologie ab. Ihre stetige Moder-
nisierung konkurriert mit der Entwicklung
von Stör- und Gegenmaßnahmen. Es wäre
unrealistisch, solche Systeme und Tech-
nologien mit den Mitteln konventioneller
Rüstungskontrolle einschränken zu wollen.
Denn erstens beruht Verteidigung wesent-
lich auf ihrer Funktionsfähigkeit, zweitens
wollen führende Industriestaaten Techno-
logievorsprünge nicht verspielen, drittens
entzieht sich die betreffende Software
weitgehend verhandelbaren Definitionen
und zuverlässiger Verifikation und viertens
griffe ein zu ambitionierter Ansatz auch in
internationale Verhandlungen über globale
Rüstungskontrollansätze ein. Letzteres gilt
besonders für Verhandlungsgegenstände,
die der strategischen nuklearen Rüstungs-
kontrolle oder der Prävention eines Rüs-
tungswettlaufs im Weltraum zugeordnet
sind.
Ein realistischer Ansatz zur Erneuerung der
konventionellen Rüstungskontrolle in Euro-
pa sollte sich stattdessen auf die konven-
tionellen Waffensysteme konzentrieren,
die militärische Wirkung in europäischen
Spannungszonen entfalten. Dabei wird
auch die Frage zu lösen sein, inwieweit die
Fortentwicklung von Systemen, die bei den
KSE-Verhandlungen von 1989/90 als rein
defensiv galten, nun mitbetrachtet wer-
den müssen. So sind heute Systeme der
Luftverteidigung auch zur Raketenabwehr
befähigt, und ihre Kampfreichweite reicht
aus, um ein Gebiet von 300 bis 500 km
abzudecken. Sie lassen sich auch einset-
zen, um einem Gegner die Nutzung des
Luftraums weit jenseits des eigenen na-
tionalen Luftraums zu verwehren. Diese
Fähigkeit könnte dazu genutzt werden,
die Operationsfreiheit im souveränen Ter-
ritorium anderer Staaten einzuschränken,
etwa um Verstärkungskräfte rechtzeitig an
bedrohten Abschnitten zu versammeln.
In diesem Kontext wäre allerdings auch
über konventionell eingesetzte ballisti-
sche Kurzstreckenraketen sowie weitrei-
chende Präzisionswaffen zu sprechen, die
von Flugzeugen und Schiffen eingesetzt
werden können, die weit außerhalb der
Spannungszonen disloziert sind. Die Re-
de ist von luftgestützten Abstandswaffen
und seegestützten Marschflugkörpern
mit Reichweiten zwischen 600 und 2.000
km. Wurden bei den KSE-Verhandlungen
1989/90 maritime Fähigkeiten von der
NATO noch ausgeschlossen, um die trans-
atlantischen Lebensadern zu schützen, so
ergibt sich nach mehreren Osterweiterun-
gen des Bündnisses heute ein anderes Bild:
Moderne NATO-Seestreitkräfte mit weit-
reichenden Präzisionswaffen operieren
routinemäßig auch in der östlichen Ostsee,
im Schwarzen Meer und im Nordmeer.
Auch Russland hat seine Seestreitkräfte
modernisiert und unterhält kampfkräftige
Flotteneinheiten und Seelandefähigkeiten
in den europäischen Randmeeren und im
östlichen Mittelmeer.
Transparenz und Verifikation
Neue Rüstungskontrollvereinbarungen
können nur dann die politische Stabilität
erhöhen, wenn die Staaten volles Vertrau-
en in ihre Überprüfbarkeit haben. Aussage-
kräftigen Informationen über militärische
Strukturen, Waffenbestände, Planungen
und Aktivitäten sowie ihrer umfassenden
Verifikation kommt daher essenzielle Be-
deutung zu.
Dazu liegen ausreichende Erfahrungen mit
dem KSE-Informations- und Verifikations-
regime vor. Hier muss das Rad nicht neu
erfunden werden. Es wäre jedoch darauf
zu achten, dass der Meldeumfang breit ge-
nug ist, um alle operativ relevanten Kräfte
erfassen und ihre Veränderungen auch
kurzfristig nachvollziehen zu können. Zu-
gleich muss eine ausreichend hohe Verifi-
kationsquote vorliegen, um die gemelde-
ten Waffenbestände in den Verifikations-
objekten regelmäßig überprüfen zu kön-
nen und bei Bedarf zusätzliche Beobach-
Im KSE-Vertrag sind fünf Waffensystemkategorien – Kampfpanzer,
gepanzerte Kampffahrzeuge, Artilleriewaffen, Angriffshubschrauber
und Kampfflugzeuge – definiert.
tungen in größeren Räumen zuzulassen.
Die Verifikationsregeln sollen robust und
flexibel gestaltet werden, um bei Verdacht
auf ungewöhnliche militärische Aktivitäten
oder bei großen Übungen und in der Krise
zuverlässige Erkenntnisse über die militäri-
sche Lage gewinnen zu können, Frühwar-
nung zu ermöglichen und zur Deeskala-
tion beizutragen. Insbesondere bei einer
Überschreitung vereinbarter regionaler
Schwellenwerte sollte es möglich sein,
multinationale Beobachtungen in weiten,
operativ relevanten Räumen durchzufüh-
ren und sie ggf. zu wiederholen, solange
die Überschreitung anhält. Abschnitt IX
des angepassten Inspektionsprotokolls des
nicht in Kraft getretenen KSE-Anpassungs-
abkommens von 1999 enthält dazu ein ge-
eignetes Instrument, das als Beispiel auch
künftig relevant ist.
Territorialkonflikte
Die Implementierung der konventionellen
Rüstungskontrolle in umstrittenen Terri-
torien stellt eine besondere Herausforde-
rung dar. Dort üben in der Regel nicht-
staatliche Akteure bzw. de facto-Regime
die tatsächliche Kontrolle aus. Mit Aus-
nahme des Kosovo werden sie jedoch von
der überwiegenden Mehrheit der europä-
ischen Staaten nicht als souveräne Staaten
anerkannt. Daher können sie aus Status-
gründen nicht an zwischenstaatlichen
Vereinbarungen teilnehmen. Auch die
Ausübung von Informations- und Verifi-
kationsrechten unterliegt dem Souveräni-
tätsanspruch anerkannter Staaten. Ohne
ihre Zustimmung dürfen daher Drittstaa-
ten aus völkerrechtlichen Gründen auch
dann keine Verifikation vor Ort durchfüh-
ren, wenn sie von den de facto-Regimen
dazu eingeladen würden.
Einen Ausweg könnten die jüngsten Über-
legungen OSZE-naher Forschungseinrich-
tungen zur „statusneutralen Rüstungs-
kontrolle“ bieten. Das Konzept sieht vor,
statusgebundenes staatliches Personal mit
Zustimmung der Konfliktparteien durch
September 2017 · Europäische Sicherheit & Technik
(Foto: Bundeswehr)
unabhängige, neutrale Mittler zu ersetzen.
Sie sollen Informationen sammeln, auswer-
ten und weiterleiten sowie Beobachtungen
vor Ort durchführen, um die Angaben zu
verifizieren. Dies soll ohne Vorgriff auf
spätere Statusentscheidungen geschehen.
Voraussetzung ist, dass die Konfliktpartei-
en die Wahrung eines stabilen, friedlichen
Umfeldes für politisch vorteilhafter halten
als die kompromisslose Verfolgung einer
präferierten Statuslösung, die mit der stän-
digen Gefahr einer erneuten militärischen
Eskalation verbunden ist. Auf dieser Basis
könnten Statusverhandlungen frei von mi-
litärischem Druck stattfinden.
Einzelregelungen zur statusneutralen Rüs-
tungskontrolle hätten aus völkerrechtli-
chen Gründen keinen Platz in zwischen-
staatlichen Vereinbarungen. Sie müssten
für jeden Konflikt maßgeschneidert und
an Waffenstillstandsvereinbarungen oder
lokale Regime zur Vermeidung von Zwi-
schenfällen gekoppelt werden. Grundsätze
und Leitlinien dafür könnten jedoch auch
in einer künftigen europäischen Rüstungs-
kontrollvereinbarung verankert werden.
Die hier erörterten konzeptionellen Über-
legungen zur Erneuerung der konventio-
nellen Rüstungskontrolle in Europa stellen
keine erschöpfende Auflistung möglicher
Verhandlungsgegenstände dar. Sie zeigen
aber die Dimension des Regelungsbe-
darfs und können als Ausgangspunkte für
konkrete Verhandlungen dienen. Letzten
Endes wird es darauf ankommen, die Ri-
sikoperzeptionen der potenziellen Partner
neuer Vereinbarungen in Betracht zu zie-
hen und Regelungen zu finden, die auf eine
breite Akzeptanz stoßen. Da es keine abso-
lute Definition von Sicherheit gibt, müssen
Kompromisse gefunden werden, die von
den beteiligten Staaten als ausreichende
Berücksichtigung eigener Sicherheitsinte-
ressen interpretiert werden können. Mit
der zuverlässigen und verifizierbaren Im-
plementierung von Neuvereinbarungen
könnte die militärische Stabilität in Europa
wiederhergestellt werden und neues Ver-
trauen wachsen. L
25
 SICHERHEIT & P O LITI K

Die Zukunft der deutsch-amerikanischen

Beziehungen im Bereich der
Sicherheitspolitik
Autorenteam

Die Wahl von Donald Trump zum Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika hat die internationa-
le Politik in Aufruhr versetzt. Denn Trump präsentiert sich als Gegner des Status quo: Unter dem Slogan
„America First“ will er Amerikas Rolle in der Welt einer kritischen Prüfung unterziehen und insbesondere
in der Sicherheitspolitik neue Pfade beschreiten. Wenige Monate nach Amtsantritt ist unklar, ob die Regie-
rung Trump tatsächlich eine Umkehr außenpolitischer Traditionen der USA anstreben wird.

D
(Foto: US CA)

eutschland und Amerika bleiben

einander in vielfältiger Weise ver-
bunden, und Deutschland hat in
den vergangenen Jahrzehnten von der
internationalen Führungsrolle der USA
erheblich profitiert. Aber wie kann diese
Partnerschaft angesichts neuer Herausfor-
derungen zukunftsfest gemacht werden?

Fünf Thesen zur künftigen

amerikanischen Außen- und
Sicherheitspolitik
1. Keine strategische Linie erkennbar
Nach den ersten Monaten im Amt lassen
sich weder klare Kontinuität, noch eindeu-
tiger Wandel in der US-amerikanischen
Außen- und Sicherheitspolitik erkennen.
Eine strategische Linie in der Außen- und
Sicherheitspolitik fehlt bislang. Bei genau-
erer Betrachtung lassen sich aber bereits
heute drei wesentliche Einflussfaktoren
herausfiltern, in deren Spannungsfeld sich
die künftige amerikanische Sicherheits-
politik entwickeln wird: einerseits der im
Wahlkampf propagierte nationalistische
Leitspruch des „America First“, anderer-
seits die von maßgeblichen Mitgliedern der
Regierung Trump vertretene eher traditio-
nell-republikanische außenpolitische Aus-
Au to r e n
Arbeitskreis Junge Außenpolitiker
der Konrad-Adenauer-Stiftung.
Der AK Junge Außenpolitiker der
KAS bringt 25 junge Experten für In-
ternationale Politik zusammen. Mehr
Informationen unter www.kas.de/
jungeaussenpolitiker.
Wenige Monate nach Amtsantritt ist unklar, ob die Regierung Trump
eine Umkehr außenpolitischer Traditionen der USA anstreben wird.
richtung und schließlich die Persönlichkeit bale öffentliche Güter vor allem deshalb
Donald Trumps. bereitstellt, weil es im Interesse der USA
Das von den Nationalisten befeuerte Prin- ist, beruht diese Weltsicht auf einem Null-
zip des „America First“ dient vor allem in- summenspiel, in dem Staaten vor allem auf
nenpolitischen Zwecken und baut auf zwei ihren relativen Vorteil achten müssen.
Wahrnehmungen auf: Erstens haben sich Neben dem America First-Lager besetzen
die Vereinigten Staaten in den letzten Jah- aber auch außen- und sicherheitspolitische
ren als Weltpolizist in Kriegen fernab der Traditionalisten wie General Mattis und Ge-
Heimat verausgabt und dabei Amerika ver- neral McMaster entscheidende Positionen
nachlässigt. Die USA sollten sich daher aus in der Administration. In ihrem bisherigen
dem globalen Engagement zurückziehen Wirken ist die Ausrichtung auf bewährte
und auf die Innenpolitik besinnen. Zwei- Strategien und Allianzen sichtbar gewor-
tens, so die Argumentation, nutzten Alli- den. Für dieses Lager stellt neben der ei-
ierte und Partner die USA außenpolitisch genen Stärke gerade das dichte Netz von
aus. Hatte Obama noch auf das Bild des Allianzen und Partnerschaften das Funda-
gutmütigen Hegemons gesetzt, der glo- ment der amerikanischen Weltmachtrolle

26 Europäische Sicherheit & Technik · September 2017


Wie auf dem Gipfel der NATO Ende Mai erneut unterstrichen, erwartet die Regierung Trump von den euro-
päischen Partnern ein klares Bekenntnis zum Zwei-Prozent-Ziel für Verteidigungsausgaben.
dar. Wurden ihre Vertreter anfangs noch
als Feigenblatt erachtet, hat diese Gruppe
ihren Einfluss in der Administration seit
Januar stetig ausgebaut. Dies wird weiter
zunehmen: Trumps Tendenz untergebenen
Entscheidungsträgern und insbesondere
der Armee erweiterte Handlungsfreiheiten
einzuräumen, bedeutet auch aufgrund der
stockenden Ernennung der politischen Be-
amten zwangsweise ein stärkeres Zurück-
greifen auf die eher traditionalistischen
Verwaltungsbeamten.
Neben diesen beiden Einflussfaktoren ist
die Persönlichkeit des Präsidenten Donald
Trump von nicht zu unterschätzender Be-
deutung. Donald Trump bekennt sich of-
fen zu Flexibilität und Unberechenbarkeit.
Der sicherheitspolitische Inhalt folgt dabei
oft dem öffentlichen Effekt, wie der Ra-
keteneinsatz in Syrien gezeigt hat; eine
Entscheidung, die sich eher dem Lager der
Traditionalisten zuschreiben lässt. Ameri-
kanische Sicherheitspolitik sollte nicht als
reines Tauziehen zwischen Nationalisten
und Traditionalisten verstanden werden,
sondern wird auch geprägt durch das häu-
fig impulsive Verhalten des Präsidenten, der
bislang zwischen beiden Lagern schwankt.
Die Sicherheitspolitik der Regierung Trump
wird sich aus dem Wechselspiel zwischen
diesen drei Faktoren ergeben. Es ist davon
auszugehen, dass der Präsident vor allem
solche Prioritäten formulieren wird, die von
beiden Lagern getragen werden. Denkbare
Schnittmengen zwischen Traditionalisten
und Nationalisten werden nachfolgend
skizziert.
2. Demonstration militärischer Stärke
Eine erste Einigkeit zwischen Nationalisten
und Traditionalisten herrscht in der Frage
militärischer Stärke und Entscheidungs-
freudigkeit. Die Republikaner haben die
Außenpolitik Obamas stets als schwach
und zaudernd empfunden. Dem setzt
die Regierung Trump einen Fokus auf
militärische Stärke und Entschlossenheit
entgegen. Die Befürworter eines Ame-
rica First-Ansatzes und Traditionalisten
sind sich einig, dass die Grundlage hierfür
dringend notwendige Investitionen in die
eigenen Streitkräfte sind. Nach 15 Jahren
konstanter Operationen und mittlerweile
sechs Jahren automatischer Budgetkürzun-
gen, ist das Bild einer Hollow Force weit
verbreitet. Gleichzeitig haben die USA in
einer Dekade der Aufstandsbekämpfung
viel von ihrem militärisch-technologischen
Vorsprung eingebüßt, während Konkur-
renten aufgeholt haben. Als Folge wird die
Fähigkeit der globalen Machtprojektion der
Vereinigten Staaten in vielen Regionen der
Welt zunehmend infrage gestellt. Um die-
ser Entwicklung entgegenzuwirken, steht
zu erwarten, dass die Regierung Trump zu-
sätzliche Mittel in die eigenen Streitkräfte
investieren wird. Finanziert werden diese
Ausgaben unter anderem durch eine star-
ke Kürzung der Mittel des State Depart-
ments und der Entwicklungshilfe. Es ist
anzunehmen, dass die USA künftig mehr
auf militärische Macht denn auf diplomati-
sche Anstrengungen setzen werden. Diese
Prioritätenverschiebung zieht jedoch nicht
zwangsläufig ein Mehr an militärischen
Interventionen nach sich. Vielmehr ist zu
erwarten, dass Trump beabsichtigen wird,
den verstärkten Fokus auf das Militär zur
Abschreckung von Gegnern der USA zu
nutzen.
3. Gloves off in der amerikanischen
Außenpolitik
Die verstärkte Betonung militärischer
Stärke äußert sich nicht nur in höheren
Rüstungsausgaben, sondern auch in ei-
ner geringeren Bereitschaft zur Selbstbe-
schränkung im Gebrauch ihrer Machtmit-
September 2017 · Europäische Sicherheit & Technik
(Foto: NATO)
tel. Außenminister Tillerson hat offiziell
eine pragmatischere und weniger werte-
orientierte Außenpolitik angekündigt. In
der Menschenrechtspolitik, aber auch im
Kriegsvölkerrecht, lässt die Administration
daher expansive Tendenzen erkennen, die
westlichen Wertanschauungen widerspre-
chen. So wurden etwa im Zuge der Liefe-
rung von Kampfflugzeugen nach Bahrain
die menschenrechtlichen Anforderungen
abgesenkt und zudem angekündigt, dass
der Dialog über Menschenrechtsentwick-
lungen in Ägypten hinter die Kulissen ver-
schoben werde. Für die militärischen Akti-
vitäten in Syrien, Irak und Somalia wurden
die Rules of Engagement erheblich ausge-
weitet mit der Folge, dass insbesondere
der nach dem humanitären Völkerrecht
erforderliche Schutz der Zivilbevölkerung
unterlaufen werden könnte. Auch in
diesem Bereich gibt es zumindest einen
Grundkonsens zwischen Nationalisten und
Traditionalisten, die nicht wie Deutschland
und Europa auf eine Vorbildwirkung des
eigenen Verhaltens setzen, sondern über-
zeugt sind, dass die USA nicht als einzige
Großmacht internationalen Regeln folgen
sollten. Eine weniger werteorientierte ame-
rikanische Außenpolitik kann zu einem
Problem in der deutsch-amerikanischen
Zusammenarbeit werden. Zum einen wird
die Kooperation naturgemäß schwieriger,
solange Deutschland sich weiter als eine
normative Macht versteht. Viel mehr noch
aber drohen Deutschland und Europa den
stärksten Fürsprecher einer wertebasierten
internationalen Ordnung zu verlieren.
4. Fokus NATO: Pay up, Europe
Eine wesentliche Grundannahme des
„America First“ ist die Ausnutzung Ame-
rikas durch seine Verbündeten. Bereits im
Wahlkampf hatte Trump wiederholt die
europäischen NATO-Alliierten wegen der
27
 SICHERHEIT & P O LITI K
ungleichen Lastenverteilung im Bündnis
kritisiert. Angesichts der niedrigen Vertei-
digungsetats der Bündnispartner hat er
sogar laut über eine Konditionierung der
Beistandsverpflichtung nachgedacht. Auch
wenn die US-Regierung sich mittlerweile
zu Art. 5 des NATO-Vertrages bekannt
hat, haben die Vereinigten Staaten den
Druck auf die europäischen Bündnispart-
ner – auch und insbesondere auf Deutsch-
land – deutlich erhöht und bestehen auf
dem von allen NATO-Partnern zuletzt 2014
Die Ankündigung der Bundeswehr zur Aufstellung mehrerer Artillerie-
bataillone geht in die richtige Richtung.
beschlossenen Ziel, zwei Prozent des Brut-
toinlandsprodukts für Verteidigungsaus-
gaben zu verwenden. Die Administration
wird auch deshalb nicht von diesem Ziel
ablassen, weil Traditionalisten und Natio-
nalisten sich hierüber grundsätzlich einig
sind. Vor allen Dingen aus innenpolitischen
Gründen wird Präsident Trump gerade
auf dem finanziellen Aspekt der Bündnis-
gerechtigkeit beharren, sodass gesteiger-
tes Engagement alleine die Beziehungen
innerhalb des Bündnisses nicht befrieden
wird.
5. Ambivalente Terrorismus-
bekämpfung
Innerhalb des breiten Spektrums sicherheits-
politischer Herausforderungen wird die Be-
kämpfung des Terrorismus von Präsident
Trump zur prioritären Aufgabe erhoben,
nicht zuletzt, da Trump nach seinen Aussa-
gen zur Bekämpfung des Islamischen Staats
hier innenpolitisch unter Erfolgsdruck steht.
28 Europäische Sicherheit & Technik · September 2017
Gleichzeitig diktiert aber gerade eine Politik
des „America First“, dass eine Rückkehr zum
militärischen Interventionismus der 2000er
Jahre unwahrscheinlich ist. Schließlich hat
der Wahlkämpfer Trump gelobt, nicht die
Fehler seiner Vorgänger zu wiederholen, in-
dem er sich in kostspielige und langwierige
Kriege im Nahen und Mittleren Osten hin-
einziehen lässt. Zuletzt hat Außenminister
Tillerson deutlich gemacht, dass die USA ih-
ren Einsatz in Syrien nicht über das bisherige
Maß ausweiten werden. Wie bereits unter
(Foto Bundeswehr)
Obama werden die USA verstärkt auf Spezi-
aloperationen und Luftschläge für weltwei-
te Antiterroroperationen zurückgreifen und
einen Fokus auf klein angelegte, „chirurgi-
sche” Einsätze legen.
Handlungsempfehlungen
Worten Taten folgen lassen
Deutschland muss sich darauf einstellen,
dass es angesichts der konkurrierenden
Lager im Weißen Haus und der errati-
schen Persönlichkeit Trumps nur wenig
eindeutige strategische Leitlinien geben
und amerikanische Politik zwischen Let-
hargie und Aktionismus schwanken wird.
Die wesentlichen Interessen der Vereinig-
ten Staaten haben sich aber unter Trump
nicht geändert. Daher werden traditionelle
Bündnisse wie die NATO voraussichtlich
weiterhin eine wichtige Rolle in den stra-
tegischen Überlegungen der USA spielen.
Aufgrund der mangelnden strategischen
Linien, die von den USA künftig vorge-
geben werden, müssen Europa und ins-
besondere Deutschland allerdings aktiv
mit eigenen Initiativen voranschreiten
und ihre sicherheitspolitischen Inter-
essen formulieren. Dies kann aber nur
dann funktionieren, wenn man bereit
ist, der Formulierung eigener Interes-
sen Taten folgen zu lassen und die nö-
tigen Ressourcen bereitstellt. Auf dieser
Basis kann die Kooperation mit Wa-
shington gesucht und direkt Einfluss auf die
dortige Politik genommen werden: Starke
Bekenntnisse und Umsetzungen, mehr zur
transatlantischen Lastenteilung beizutra-
gen, wird die Traditionalisten im Weißen
Haus stärken. Trump wird keine Gelegen-
heit verstreichen lassen, eine eindeutige
Steigerung der Verteidigungsausgaben
seiner Partner für sich zu beanspruchen. In
Zeiten eines ökonomisch denkenden Prä-
sidenten können die Europäer Trump vor
Augen führen, dass eine Abkehr von einer
traditionellen amerikanischen Außenpoli-
tik mit hohen Kosten verbunden ist, indem
sie auf bisher Geleistetes verweisen. Nicht
zuletzt im Bereich der Rückversicherungs-
und Abschreckungsmaßnahmen sind die
Europäer, insbesondere Deutschland, von
tragender finanzieller und politischer Be-
deutung in der NATO. Zusätzlich sind im
Kampf gegen den Islamischen Staat alle
NATO-Staaten in irgendeiner Form betei-
ligt; auch das ist ein Teil der transatlan-
tischen Lastenteilung, der die finanzielle
Bürde der Amerikaner verringert.
NATO: Verstärkte Investitionen
in Verteidigung
Wie auf dem Gipfel der NATO Ende Mai er-
neut unterstrichen, erwartet die Regierung
Trump von den europäischen Partnern ein
klares Bekenntnis zum Zwei-Prozent-Ziel
(mitsamt 20 Prozent Ausgaben in Investitio-
nen) und konkrete Pläne für dessen Umset-
zung bis 2024. Die Forderung der US-Re-
gierung nach einer baldigen Umsetzung
des Zwei-Prozent-Ziels hat in Deutschland
für viel Unmut gesorgt und spielt im Wahl-
kampf eine Rolle.
Die Bundesregierung sollte die augenblick-
lich gute Haushaltslage nutzen, um dem
Zwei-Prozent-Ziel deutlich näher zu kom-
men. Sie sollte dies nicht deshalb tun, weil
es von den USA gefordert wird, sondern
weil es im Interesse Berlins liegt, seine mili-
tärischen Fähigkeiten zu verbessern.
Während eine Umsetzung des Ziels bis
2024 eine Herausforderung darstellt, be-
darf es eines glaubwürdigen, von kurzfris-
tigen innenpolitischen Entwicklungen ab-
gekoppelten Plans, der die notwendigen
Meilensteine zur Erreichung dieses Ziels
aufzeigt. Als ersten Schritt sollte Deutsch-

land seine rüstungsinvestiven Ausgaben
von sechs auf sieben Milliarden Euro und
somit von aktuell 16 auf 20 Prozent des
Verteidigungshaushalts anheben. Hiermit
könnte das erste Teilziel, ein Investitionsan-
teil von 20 Prozent, erreicht werden.
Im Gegensatz zu den Investitionen der
vergangenen Jahre, die richtigerweise vor
allem in eine höhere Attraktivität des Ar-
beitgebers Bundeswehr flossen, sollte der
Fokus jetzt auf eine konkrete Verstärkung
kritischer Fähigkeiten gelegt werden insbe-
sondere in Bereichen, die im Bündnis au-
genblicklich ausschließlich bzw. vorrangig
durch die USA gestellt werden wie Auf-
klärung, Luftbetankung, Luft- und See-
transport, Helikopter und MedEvac. Die
Ankündigung zur Aufstellung mehrerer
Artilleriebataillone geht bereits in die rich-
tige Richtung.
Gleichzeitig sollte Deutschland die zusätzli-
chen Mittel aber nicht nur für die Beschaf-
fung bestehender Systeme, sondern auch
für die Modernisierung und vor allem zum
Erhalt des technologischen Anschlusses an
die Vereinigten Staaten einsetzen.  Im Rah-
men des sogenannten Third Offsets treiben
die USA bereits seit zwei Jahren massiv den
Sprung in die nächste militärische Gene-
ration voran. Die Initiative beschreibt den
Versuch der Amerikaner, gegenüber Geg-
nern einen militär-technologischen Vor-
sprung zu sichern, insbesondere im Bereich
sogenannter Anti Access and Area Deni-
al-Systeme, welche den Zugang zu meist
strategisch wichtigen Gebieten verhindern
können.
Sollte dies gelingen, riskiert die Allianz nach
der mühsam erkämpften Interoperabilität
einen neuen Technology Gap, der eine ef-
fektive Zusammenarbeit unmöglich macht,
sofern sie sich diesen Anstrengungen nicht
anschließt. Deutschland sollte daher an die
Vereinigten Staaten herantreten und sich
um eine Mitwirkung an den Initiativen des
Third Offset bemühen.
Gleichzeitig muss Berlin andere europäi-
sche Staaten innerhalb der NATO davon
überzeugen, dass eine Erhöhung der Ver-
teidigungsausgaben nicht nur bündnispo-
litisch angemessen, sondern auch in ihrem
eigenen Interesse liegt. Die anhaltenden
Budgetsteigerungen in Deutschland und
seine Präsenz im Baltikum geben Deutsch-
land hier eine starke Position. Ein deutli-
ches Zeichen gegenüber den USA wäre es,
wenn Europa sich stärker in die Enhanced
Forward Presence der NATO einbringen
würde. Von vier Battlegroups wird hier
nach dem Brexit lediglich noch die deut-
sche von einem EU-Staat geführt werden.
Deutschland sollte daher dringend darauf
September 2017 · Europäische Sicherheit & Technik
SICHERHEIT & P O LITI K 
hinwirken, dass ein europäisches Bataillon
beispielsweise die kanadische Führungs-
rolle in Lettland übernimmt.
NATO: Mehr Engagement in der
Terrorismusbekämpfung
Die Allianz muss besser in die Terrorismus-
bekämpfung eingebunden werden. Dies
würde nicht nur Trumps Aussage, die NATO
kümmere sich nicht um die Herausforde-
rungen des 21. Jahrhunderts, widerlegen,
sondern würde die Relevanz der Allianz
auch in den Augen derjenigen Mitglieds-
länder betonen, die sich von Russland nur
bedingt bzw. überhaupt nicht bedroht se-
hen. Ein erster Schritt hierfür wäre es, den
Prozess für ein neues strategisches Konzept
anzustoßen, in dem auch Terrorismusbe-
kämpfung eine größere Rolle spielen muss.
In diesem Zusammenhang sollte außerdem
die Bedeutung von Resilienz betont wer-
den, die nicht zuletzt für das Abfedern von
Terrorangriffen von enormer Bedeutung
ist. Die Alliierten könnten über die Etablie-
rung einer Innenministerrunde eine engere
Koordinierung im Bereich des Informati-
onsaustauschs und der Best Practices im
Bereich der Absorption von terroristischen
Angriffen (beispielsweise wie Kritische
Infrastruktur geschützt werden kann) er-
reichen. L
29
 „Das schwerste Amt, das ich je innehatte“
Wolfgang Labuhn
Auch Ursula von der Leyen blieb die trau-
rigste Pflicht an der Spitze des BMVg
nicht erspart. Auf der Trauerfeier für
Major Jan Färber und Stabshauptmann
Thomas Müller vom Kampfhubschrau-
berregiment 36, die am 26. Juli beim
Absturz ihres Tiger im Norden von Mali
ums Leben kamen, wies die Ministerin
am 3. August im Dom zu Fritzlar auf die
Tragweite des Eides der Soldatinnen und
Soldaten der Bundeswehr hin, „der Bun-
desrepublik Deutschland treu zu dienen
und das Recht und die Freiheit des deut-
schen Volkes tapfer zu verteidigen“ – bis
zum „höchsten Opfer“, wie sie sagte. In
Momenten wie diesen werde die „Ver-
antwortung mit Wucht bewusst“, die sie
selbst für alle Angehörigen der Bundes-
wehr trage, die aber auch der Deutsche
Bundestag trage, wenn er diese in den
Einsatz entsende.
Im Gespräch mit der Deutschen Presse-
agentur zog Ursula von der Leyen am
6. August eine persönliche Bilanz ihrer
Amtszeit. Ihren derzeitigen Posten nann-
te sie „das schwerste Amt, das ich je
innehatte“, bestritt aber nach den Affä-
ren der zurückliegenden Monate, man-
gels Rückhalt in der Truppe nicht Verteidi-
gungsministerin bleiben zu können: „Die
Soldaten merken: Es bewegt sich was,
beim Personal, bei der Modernisierung
des Materials und auch bei den Finan-
zen.“ Sie sei „sehr gerne“ Verteidigungs-
ministerin. Immer wenn sie nah bei der
Truppe sei, wisse sie, warum sie das tue:
„Es gibt immer wieder schöne Momente
im Gespräch mit Soldaten ... Das trägt
stärker als alle Probleme, die der Alltag
mit sich bringt.“ Rückblickend räumte sie
aber ein, dass man bei „emotionalen und
sozialen Themen in der internen Kommu-
nikation viel besser werden“ müsse. Mit
der Agenda Rüstung hätte sie früher be-
gonnen, wenn es von Anfang an einen
besseren Überblick gegeben hätte, wie
ausgedünnt das Material der Bundes-
wehr sei. Auch die mangelnde Digitali-
sierung der Bundeswehr sei ihr anfangs
nicht bewusst gewesen.
Stabwechsel beim Bundesverband der
Deutschen Sicherheits- und Verteidi-
gungsindustrie (BDSV): Am 1. August
übernahm Dr. Hans Christoph Atzpo-
dien, bisher Aufsichtsratsvorsitzender
von thyssenkrupp Marine Systems, den
30 Europäische Sicherheit & Technik · September 2017
Posten des BDSV-Hauptgeschäftsführers
von Staatsekretär a.D. Georg Wilhelm
Adamowitsch, der in den Ruhestand
trat. (siehe Interview Seite 118) Zum Ab-
schied wünschte sich Adamowitsch von
der Bundesregierung, in der Frage von
Rüstungsexporten das Feld nicht denje-
nigen zu überlassen, die sich vermeintlich
in der Mehrheit sähen und sich „mit ihren
Argumenten außerhalb des geltenden
Rechts“ bewegten. Das zeige u.a. das
Urteil des Bundesverfassungsgerichts
vom 21. Oktober 2014, in dem unmiss-
verständlich festgestellt werde, dass für
die Genehmigung von Rüstungsexporten
der Grundsatz der „exekutiven Eigen-
verantwortung der Bundesregierung“
gelte. Auch das Konsultationsverfahren
des Bundeswirtschaftsministeriums (BM-
Wi) zur „Zukunft der Rüstungskontrol-
le“ habe ergeben, dass die gesetzlichen
Rahmenbedingungen für eine wirksame
Rüstungsexportkontrolle keiner Neurege-
lung bedürften. Seinen Abschlussbericht
will das BMWi allerdings erst nach der
Bundestagswahl veröffenlichen – recht-
zeitig zu den Koalitionsverhandlungen?
Diese dürften im Falle einer erneuten Re-
gierungsbeteiligung der SPD auch Klar-
heit darüber bringen, wie ernst es die So-
zialdemokraten mit ihrer Absage an den
NATO-Beschluss meinen, die nationalen
Verteidigungsausgaben bis 2024 auf
zwei Prozent des jeweiligen Bruttosozial-
produkts anzuheben. Der Vereinbarung
hatte auf den NATO-Gipfeltreffen von
Wales (2014) und Warschau (2016) auch
(Foto: Bundeswehr)
die Große Koalition aus Union und SPD
zugestimmt. In seinem „Zukunftsplan“
genannten Wahlprogramm will der SPD-
Vorsitzende und Kanzlerkandidat Martin
Schulz nun allerdings nichts mehr vom
Zwei-Prozent-Ziel wissen. Es sei „falsch
und unsinnig und wurde in Deutschland
nicht parlamentarisch legitimiert.“ Wenn
die SPD jetzt den schrittweisen Aufwuchs
der Investitionen ablehne, konterte da-
raufhin Verteidigungsministerin von der
Leyen (CDU) gegenüber der Funke-Me-
diengruppe, verabschiede sie sich von der
eingeleiteten Modernisierung der Bun-
deswehr und den Trendwenden für mehr
Personal und Material. Die SPD „zerdep-
pere“ damit „blindlings das Vertrauen der
Soldaten, genauso wie das befreundeter
Nationen.“
Ein anderes Minenfeld der deutschen
Sicherheitspolitik konnte unterdessen
geräumt werden. Auf Vermittlung der
NATO kann eine Delegation des Bun-
destagsverteidigungsausschusses nun
doch am 8. September das Bundeswehr-
Kontingent auf dem türkischen NATO-
Stützpunkt Konya besuchen – allerdings
nur als Teil einer größeren NATO-Dele-
gation. Die ursprünglich für den 17. Juli
geplante Reise der deutschen Parlamen-
tarier zu den Bundeswehrsoldaten, die
an Bord der von Konya aus operierenden
AWACS-Maschinen der NATO eingesetzt
werden, war von der türkischen Regie-
rung unter Verweis auf die derzeit bela-
steten deutsch-türkischen Beziehungen
verschoben worden.
100 Jahre Verteidigungs- und Sicherheitselektronik unter einem Dach.

www.hensoldt.net
 SICHERHEIT & P O LITI K

Neue Sahel-Eingreiftruppe
Regionalorganisation G5 wird von der EU unterstützt
Martin Pabst

Im Sahelraum konnten Dschihadismus und Separatismus zwar eingedämmt, aber noch nicht ausgeschaltet
werden. Insbesondere in Nordmali kommt es zu gewaltsamen Zwischenfällen. Die im Juli 2017 beschlossene
G5-Eingreiftruppe soll die internationalen und französischen Kräfte entlasten und die regionale Sicherheits-
kooperation professionalisieren.

I m Februar 2014 gründeten die Staats-

chefs von Burkina Faso, Mali, Maureta-
nien, Niger und Tschad eine neue Regi-
onalorganisation mit dem Namen „G5 du
Sahel“ unter Führung des mauretanischen
Staatspräsidenten Mohamed Ould Abdel
Aziz. Das permanente Sekretariat der Or-
ganisation nahm seinen Sitz in Nouak-
chott (Mauretanien). Die G5 du Sahel
will den bestehenden Regionalorganisa-
tionen wie Westafrikanische Wirtschafts-
gemeinschaft (ECOWAS) und Comité in-
ter-États de lutte contre la sécheresse au
(Foto: Armée de Terre)
Bestehende militärische und
zivile Missionen
In dem fünf Millionen Quadratkilometer
großen Sahelraum wirkt bereits seit dem
1. August 2014 die mit Kampfflugzeugen
und Hubschraubern ausgestattete franzö-
sische Opération Barkhane (Sicheldüne) mit
Hauptquartier in N’dschamena (Tschad).
Vorläufer waren die französischen Ope-
rationen Serval in Mali und Épervier im
Tschad. Paris stellt über 3.000 Mann zur
den Süden Malis und die Nachbarländer
aus. Auch hat die Zahl der Angriffe auf ma-
lische Soldaten und Blauhelme in jüngster
Zeit deutlich zugenommen. Die MINUSMA
musste in vier Jahren bereits 128 Tote be-
klagen. Fast täglich werden inzwischen
Vorfälle gemeldet.
Die EU unterstützt die Stabilisierung des
Sahelraums mit bereits drei Missionen. Die
im Februar 2013 beschlossene militärische
Ausbildungsmission European Union Trai-
ning Mission Mali (EUTM Mali, Gesamt-

Sahel (CILSS) keine Konkurrenz machen,

sondern lediglich die Koordination in
bestimmten Feldern verbessern: Armuts-
bekämpfung, Infrastrukturausbau, Land-
wirtschaft und nicht zuletzt Sicherheit.
Anfang Juli 2017 wurde auf einem
G5-Gipfel in Bamako unter Anwesen-
heit des französischen Staatspräsiden-
ten Emmanuel Macron die Aufstellung
einer gemeinsamen G5-Eingreiftruppe
beschlossen. Vorher war sie am 13. Ap-
ril vom Friedens- und Sicherheitsrat der
Afrikanischen Union gebilligt worden.
Folgende Aufgaben zählen zum Mandat
der G5 Task Force:
• Bekämpfung von Terrorismus und Dro-
genschmuggel,
• Unterstützung der Wiederherstellung Seit August 2014 läuft die französische Opération Barkhane mit dem
staatlicher Autorität und der Rückkehr Hauptquartier im Tschad.
von Flüchtlingen und intern Vertriebe-
nen, Unterstützung der Aufstandsbekämpfung. stärke ca. 550 Mann) bildet malische Streit-
• Erleichterung humanitärer Operatio- Das Operationsgebiet umfasst die franko- kräfte aus und berät das malische Verteidi-
nen und der Hilfeleistung an bedürf- phonen G5-Staaten Burkina Faso, Tschad, gungsministerium und die Führungsstäbe.
tige Personen, Mali, Mauretanien und Niger. Bislang wurden rund 8.000 malische Sol-
• Unterstützung der Umsetzung der Ent- Im Konfliktschwerpunkt Nordmali ist seit daten in Lehrgängen ausgebildet, was ca.
wicklungsstrategien im G5-Raum. April 2013 außerdem die robuste Mission 60 Prozent der Landstreitkräfte entspricht.
multidimensionnelle intégrée des Nations Darin enthalten sind acht Gefechtsverbän-
Au to r Unies pour la stabilisation au Mali (MI- de mit rund 4.900 malischen Soldaten so-
NUSMA) mit 11.068 Soldaten, 36 Militär- wie Wiederholungsausbildungen für rund
Dr. Martin Pabst leitet das Büro beobachtern, 1.711 Polizisten, 1.342 zivilen 2.200 malische Soldaten. Das Missions-
Forschung & Politikberatung in Mitarbeitern und 164 UN-Freiwilligen tätig hauptquartier befindet sich in der Haupt-
München. (Stand 30.6.2017). Von hier breiten sich stadt Bamako, hinzu kommt das Koulikoro
Terror- und Gewaltakte immer häufiger auf Training Centre (KTC). Neueste Initiativen

32 Europäische Sicherheit & Technik · September 2017


erstreckten sich auf die dezentrale Aus-
bildung in den malischen Militärregionen
Segou und Kati sowie gemeinsame Aus-
bildungen von Soldaten der G5-Staaten in
Mali. Eine künftige wichtige Aufgabe wird
es sein, den Aufbau der G5-Eingreiftruppe
zu unterstützen.
Die zivilen Kapazitätsaufbaumissionen der
Europäischen Union EUCAP Sahel Mali
(Grafik: mawibo media)
(Beginn 15.4.2014, Personalstärke ca. 80)
und EUCAP Sahel Niger (Beginn 8.8.2012,
Personalstärke ca. 180) leisten durch Aus-
bildung und Beratung von Polizei, Natio-
nalgarde und Gendarmerie einen Beitrag
zur Stärkung der inneren Sicherheit. Ziel
ist es, die Bekämpfung der Organisierten
Kriminalität und des Terrorismus zu profes-
sionalisieren.
Auch die Afrikanische Union (AU) hat im
August 2013 eine zivile Unterstützungs-
mission entsandt, die Mission de l’Union
africaine pour le Mali et le Sahel (MISAHEL).
Sie soll den politischen Transitionsprozess in
Mali unterstützen, die Beachtung der Men-
schenrechte propagieren und fördern sowie
AU-Initiativen zur Stärkung der regionalen
Sicherheit und der Entwicklung des Sahel-
raums koordinieren. Sie zählt allerdings nur
ein halbes Dutzend Mitarbeiter und kann
damit nur begrenzte Aktivitäten entfalten.
Struktur der G5-Eingreiftruppe
Die G5-Eingreiftruppe wird aus 5.000 Sol-
daten und Polizisten bestehen. Sie setzt
sich aus bereits vorhandenen Soldaten
der teilnehmenden Länder zusammen, die
unter ein gemeinsames Oberkommando
gestellt werden. Das Hauptquartier für die
Aufstellung wird in Bamako (Mali), später
näher im Operationsraum in Mopti sein.
Drei Führungshauptquartiere werden im
westlichen, zentralen und östlichen Ope-
rationsgebiet errichtet werden. Zum Ober-
befehlshaber wurde der malische General
Didier Dacko ernannt. Das Operationskon-
zept wurde von der AU gebilligt. Ihre sie-
ben „Bataillone“ in Stärke von allerdings
nur etwa 100 Mann werden in einer Tiefe
von ca. 50 bis 100 km entlang der Lan-
desgrenzen stationiert werden, drei im
Westen und je zwei in der Mitte und im
Osten. Ein besonderes Augenmerk soll
auf die bergige Region Liptako-Gourma
im Grenzgebiet von Mali, Niger und Burki-
na Faso gelegt werden, die immer wieder
Schauplatz von bewaffneten Zwischenfäl-
len war. Als kampfkräftigste Armee in der
Region gilt die tschadische. Die malischen
Streitkräfte werden seit 2013 durch die
EU-Ausbildungsmission EUTM Mali ge-
schult. Auch die französische Mission Bark-
hane nimmt Ausbildungsaufgaben wahr.
Zunächst sprach man von einer anfängli-
chen Einsatzbereitschaft im Herbst 2017,
inzwischen wird der realistischere Termin
Frühjahr 2018 genannt. Zu den vorberei-
tenden Maßnahmen gehörten gemeinsa-
me Operationen in Grenzgebieten von Sol-
daten aus Frankreich, Burkina Faso, Niger
und Mali. Sie dienten dazu, die Koordinati-
on und die Interoperabilität zu verbessern.
Das Operationsgebiet umfasst die frankophonen G5-Staaten Burkina
Faso, Tschad, Mali, Mauretanien und Niger.
Unklar ist noch, inwieweit Führung und
Steuerung integriert sein werden und ob
Bataillone von Nachbarländern bei der Ver-
folgung von Dschihadisten und Kriminellen
Grenzen überschreiten werden dürfen.
Großzügige EU-Finanzierung
Die G5-Staaten steuern jeweils zehn Milli-
onen US-Dollar bei, die EU sagte 50 Millio-
nen US-Dollar für Infrastruktur, Ausrüstung
und Ausbildung zu. Dies ist ein wesentli-
cher Fortschritt gegenüber früher; bei der
AMISOM erklärte sich die EU nur bereit,
Sold zu finanzieren. Lediglich eine Finan-
zierung von Waffen ist für die EU weiter-
hin aus grundsätzlichen Erwägungen nicht
möglich. Zusätzliche Unterstützung in Hö-
he von acht Millionen US-Dollar kommt
von Frankreich, das sich eine Entlastung
seiner Mission Barkhane verspricht. Frank-
reich wird außerdem bis Ende des Jahres
70 Fahrzeuge sowie Kommunikationsaus-
rüstung liefern.
Damit sind bisher aber nur ein Viertel der
geschätzten Kosten von 432 Millionen
Euro gedeckt. Frankreich schlug in seinem
Resolutionsentwurf eine zusätzliche Finan-
zierung durch den UN-Sicherheitsrat vor.
Dieser begrüßte lediglich in seiner Resolu-
tion 2364 vom 29. Juni 2017 die G5-Ein-
greiftruppe, es erfolgte keine ausdrückliche
Gutheißung (Approval). Finanzmittel wur-
den keine zugesagt, hierfür sollen die G5
und externe Geber sorgen, denn die USA
wollen das teure UN-Peacekeeping ein-
schränken. So kündigte die Regierung von
US-Präsident Donald Trump am 23. Mai an,
ihre Beiträge zum UN-Peacekeeping und
September 2017 · Europäische Sicherheit & Technik
SICHERHEIT & P O LITI K 
zu UN-Entwicklungshilfeprogrammen für
das Budgetjahr Juli 2017 bis Juni 2018 zu
kürzen. Als Folge müssen die UNO-Mittel
für Peacekeeping von 7,9 auf 7,3 Milliarden
US-Dollar vermindert werden. Die Mission
des Nations Unies pour la stabilisation en
Haïti (MINUSTAH, Gesamtpersonal 5.063)
wird ganz eingestellt werden, die beiden
größten und kostspieligsten UN-Missionen
United Nations Hybrid Operation in Dar-
fur (UNAMID, Gesamtpersonal 19.797)
und Mission de l‘Organisation des Nations
unies pour la stabilisation en République
démocratique du Congo (MONUSCO, Ge-
samtpersonal 22.199) sollen deutlich ver-
kleinert werden.
Hinzu kommt, dass die USA und Großbri-
tannien skeptisch auf die von Frankreich
angestoßene Initiative ausschließlich frank-
ophoner G5-Staaten blicken. Die USA und
Großbritannien befürchten auch, dass die
G5-Eingreiftruppe wie in anderen Fällen
wegen fehlender Durchhaltefähigkeit spä-
ter von einer UN-Mission übernommen
werden muss.
Offen ist, wie die Regionalmacht Algerien
auf das Vorhaben reagieren wird. Dass das
nordafrikanische Schlüsselland nicht ein-
bezogen ist, könnte die Schlagkraft der
G5-Eingreiftruppe schmälern.
Zurückhaltend positioniert sich der Teilneh-
merstaat Tschad, der mit seinem kampf-
kräftigen Militär unverzichtbar für das Vor-
haben ist. Seine Soldaten sind bereits in der
MINUSMA und in der gegen Boko Haram
operierenden west-/zentralafrikanischen
Multinational Joint Task Force (MNJTF) ge-
bunden. Der MNJTF sind bis zu 10.000 Sol-
daten aus Benin, Kamerun, Niger, Nigeria
und Tschad unterstellt, ihr Hauptquartier
befindet sich in N’dschamena (Tschad). Die
tschadische Regierung drohte, 2018 ihre
Kräfte von der G5-Eingreiftruppe abzuzie-
hen, sollte bis dahin die Finanzierung nicht
gesichert sein.
Die Europäer versprechen sich von der
G5-Eingreiftruppe auch eine Reduzierung
33
 SICHERHEIT & P O LITI K
irregulärer Migration. Vor allem Niger ist ein
Durchgangsland von Westafrika nach Liby-
en. Kritiker bezweifeln freilich den Wert ei-
ner vorwiegend militärischen Strategie und
legen den Wert auf Ursachenbekämpfung.
(Foto: Mali Gov.)
Sie prangern das massive Legitimitätsdefizit
der Regierungen infolge verbreiteter Kor-
ruption, des Zusammenbruchs staatlicher
Dienstleistungen, zunehmender Unsicher-
heit und Verteilungskämpfen zwischen
Klans und Stämmen um knappe Ressour-
cen an. Das Fehlen einer zivilen Komponen-
te bei der G5-Eingreiftruppe wird daher als
struktureller Mangel bewertet.
Auch Dschihadisten bündeln
ihre Kräfte
Auf die Bemühungen der Sahelstaaten und
ihrer Unterstützer zur Verstärkung ihrer
Kräfte reagierten ihre Gegner, indem sie
ihre Kräfte bündeln. Im März 2017 schlos-
sen sich der Sahara-Zweig der al-Qaida im
Islamischen Maghreb (AQIM) unter Leitung
von Yahya Abu Hammam, die von Mokhtar
Belmokhtar und Hassan Al Ansari geführte
Organisation al-Mourabitoun, die von dem
malischen Ex-Diplomaten und Tuaregfüh-
rer Iyad Ag Ghaly geleitete Ansar Dine und
ihr zentralmalischen Ableger Katibat Maci-
na unter Hamadou Kouffa zu dem Bünd-
nis „Gruppe zur Unterstützung des Islams
und der Muslime“ (Jama’at Nusrat al-Is-
lam wal-Muslimin, JNIM) zusammen. Die
JNIM erklärte ihre Loyalität gegenüber der
al-Qaida und den afghanischen Taliban.
Algerische Versuche, auf die Ansar Dine
Einfluss zu nehmen und sie zu mäßigen,
sind damit gescheitert; ihrem Führer Iyad
Ag Ghaly fiel sogar die Leitung der JNIM zu.
Vor dem G5-Gipfel in Bamako veröffentlich-
te die JNIM ein Video, in dem sechs zum
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34 Europäische Sicherheit & Technik · September 2017
Die Staatschefs der G5-Staaten mit dem französischen Staatspräsiden-
ten Emmanuel Macron
Teil schon jahrelang verschleppte Geiseln
aus westlichen Staaten zu sehen sind. An-
geprangert wurde die französische Einmi-
schung in die Region; die malische Regie-
rung wurde systematischer Verbrechen
und Korruption beschuldigt.
Seit ihrer Gründung unternahm die JNIM
vorwiegend in Nordmali mehr als ein Dut-
zend Anschläge. So tötete sie am 6. März
bei einem Angriff auf ein Militärlager in
Boulikessi nahe der Grenze zu Burkina
Faso elf malische Soldaten. Am 8. April
griffen Kämpfer der JNIM und des al-Qai-
da-Zweigs in Burkina Faso Ansar ul Islam
eine französische Basis in Douna (Nordmali)
ebenfalls nahe der Grenze zu Burkina Faso
an und töteten einen französischen Solda-
ten, zwei weitere wurden verwundet. Am
17. April eroberten JNIM-Kämpfer vorüber-
gehend sogar einen malischen Stützpunkt
in Gourma-Rharous und töteten vier Solda-
ten. Zahlreiche Fahrzeuge und große Men-
gen Munition wurden erbeutet. Auch die
MINUSMA wird nicht verschont: Am 3. Mai
attackierte die JNIM einen Blauhelmstütz-
punkt in Timbuktu mit Mörsern, tötete ei-
nen liberianischen Blauhelm und verwun-
dete mindestens neun Friedenssoldaten.
Am 15. Mai wurde dieser MINUSMA-Stütz-
punkt erneut angegriffen. Es folgte am 7.
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Mai ein Kommandounternehmen gegen
einen Kommunikationsturm und einen ma-
lischen Armeestützpunkt in der Stadt Gao.
Sieben malische Soldaten wurden getötet,
16 verwundet sowie 17 gefangen genom-
men. Am 9. Juni wurden drei Blauhelme in
Kidal bei einem JNIM-Mörserangriff getö-
tet, acht weitere verwundet.
Auch vor einem Angriff nahe der süd-
malischen Hauptstadt Bamako schreckte
die JNIM nicht zurück: Dschihadisten mit
Maschinengewehren und Sprengsätzen
stürmten am 18. Juni das von ausländi-
schen Touristen frequentierte Luxuscamp
in Kangaba. Die von Soldaten der franzö-
sischen Mission Barkhane und Blauhelmen
der MINUSMA unterstützten Sicherheits-
kräfte konnten den Überfall schließlich
beenden und 32 Geiseln befreien. Fünf
Menschen wurden getötet, darunter drei
ausländische Zivilisten. Vier Angreifer wur-
den erschossen, vier weitere festgenom-
men, einer konnte entkommen.
Angesichts der sich verschlechternden Si-
cherheitslage in Mali wird die neu aufge-
stellte G5-Eingreiftruppe dringend benö-
tigt werden. Doch nur, wenn die struktu-
rellen Defizite in den Sahelstaaten beseitigt
sind, wird die Unterstützung für radikale
und kriminelle Gruppen zurückgehen. L
che
E u ro p ä isr h e it
S ic h e
ES&T
&Te c h n ik
N
BESTELLE

„Wir müssen wachsam sein“
(Foto: CDU)
ES&T: Der NSA-Untersuchungsausschuss
endete mit einem Eklat. Es verwundert,
dass ein Ausschuss, in dem so intensiv und
lange recherchiert wurde, nicht zu einem
gemeinsamen Votum kommt. Was hat
es mit dem Sondervotum und den ge-
schwärzten Stellen auf sich?
Sensburg: Es ist durchaus normal, dass
in Untersuchungsausschüssen die Min-
derheit ein eigenes Votum abgibt. Nicht,
dass dabei alles im Konsens ist, aber es ist
genauso richtig, dass der Gesamtbericht
mit Bewertung der Koalition und mit dem
Minderheitenvotum der Opposition ge-
meinsam beschlossen wird. Mit diesem
gemeinsamen Beschluss wird ja nicht der
Inhalt dokumentiert oder bestätigt oder
noch für gut befunden, sondern es wird
nur der Abschluss des Untersuchungs-
ausschusses dokumentiert, sodass der
Gesamtbericht in das Plenum geleitet
werden kann. Das ist typisch für jeden
Ausschuss. Am Ende unterschreiben alle
Berichterstatter. Dass das jetzt so nicht
stattgefunden hat, das lag aus meiner
Sicht daran, dass die Opposition ihr von
Anfang an angekündigtes Sondervotum
am Dienstag der vorletzten Sitzungswo-
che abgegeben hat. Das ist ein Problem,
weil am Mittwoch der darauffolgenden
Woche schon debattiert werden sollte.
Da gibt es aber Fristen, und eine ist das
sogenannte rechtliche Gehör für Zeu-
gen, die im Untersuchungsausschuss
ausgesagt haben und dann irgendwo
in dem Abschlussbericht erwähnt wer-
den, haben die Möglichkeit zu sagen,
alles richtig wiedergegeben oder nicht.
Dies dauert 14 Tage. Deswegen habe
ich gesagt, solange diese Stellen noch
nicht freigegeben sind, kann ich sie nicht
öffentlich dem Abschlussbericht anhän-
gen. Das kommt aber nach Ablauf der 14
Interview mit Patrick Sensburg MdB (CDU),
Vorsitzender des NSA-Untersuchungsausschusses
des Deutschen Bundestages
Tage. Das wusste die Opposition auch.
Sie hat ihr Sondervotum der Presse mit
geschwärzten Zeilen vorgestellt, haben
aber von mir erwartet, dass ich dem Ab-
schlussbericht ohne geschwärzte Zeile
abschließe. Das ist irgendwo schräg.
ES&T: Dann verweigerten die Oppositi-
onsobleute die Unterschrift. Warum?
Sensburg: Als ich dann sagte, das kann
ich nicht, weil ich noch das rechtliche
Gehör einholen muss, haben sie gesagt,
dann unterschreiben sie nicht. Das hätte
dazu geführt, dass ich den Abschluss-
bericht nicht dem Parlamentssekretariat
hätte zuleiten können und damit dem
Deutschen Bundestag, und wir hätten
dann auch keine Debatte gehabt und
wären nicht fertig geworden. Wenn sie
die Unterschrift verweigern, gibt es nur
eine Möglichkeit: die Berichterstatter, die
verweigern, abzuberufen, und dann un-
terschrieben die übrigen. Das ist auch im
Kreis der parlamentarischen Geschäfts-
führer so debattiert worden, da hat man
die Opposition auch noch einmal zum
Einlenken zu bewegen versucht, und
auch im Ältestenrat. Wir hatten dann die
letzte Sitzungswoche und bis zum Frei-
tag, das war wirklich die letzte Frist, wo
man etwas hätte machen können, habe
ich gesagt, ich will nicht ohne fertigen
Bericht dastehen nach dreieinhalb Jahren
und wenn die nicht unterschreiben. Das
war dann die Konsequenz und dann ist
auch das gesamte Sondervotum beige-
fügt worden.
ES&T: Was sollte das Ihrer Meinung
nach?
Sensburg: Das war ein Sturm im Wasser-
glas. Der eine oder andere hatte da die
Theorie, die Opposition möchte einfach
September 2017 · Europäische Sicherheit & Technik
SICHERHEIT & P O LITI K 
auf Zeit spielen, weil sie gerne in den Sep-
tember gekommen wäre. Aber da ist kei-
ne Sitzungswoche, das sind anderthalb
Tage, wo der Haushalt eingebracht wird.
Ich hätte mir das auch anders gewünscht,
weil wir dreieinhalb Jahre eigentlich gut
zusammengearbeitet hatten.
ES&T: Gibt es tatsächlich solche Unter-
schiede in der Auffassung darüber, was
die angeblichen oder tatsächlichen Defi-
zite im Kanzleramt angeht?
Sensburg: Richtig, man sieht die Frage
der Verantwortung unterschiedlich. Die
Opposition sagt, für das, was geschehen
ist, ist das Kanzleramt verantwortlich.
Die Koalition sagt Nein, denn das Kanz-
leramt wusste es nicht, ja nicht einmal
der BND-Präsident wusste es. Da ist im
Grunde auf der Unterabteilung TA (Tech-
nische Aufklärung) gemauert worden.
Das ist ein BND-internes Versäumnis und
nicht das des Kanzleramts. Das wird un-
terschiedlich bewertet.
ES&T: Berühmt geworden ist der Mer-
kel-Ausspruch, Ausspähung unter Freun-
den, das geht gar nicht. Wie sich zeigte,
hat es eine solche Ausspähung auf bei-
den, auf allen Seiten gegeben. Lässt sich
sagen – es gibt jetzt das BND-Gesetz als
ein Ergebnis der Ausschussarbeit – dass
das nun zumindest von  deutscher Seite
abgestellt ist?
Sensburg: Die Aussage der Kanzlerin
auch im Untersuchungsausschuss war
sehr klar. Ich gehe davon aus, dass auch
das Auftragsprofil der Bundesregierung,
das sie dem BND gibt, klar ist, und ich
gehe davon aus, dass die Weisungen
intern in Zukunft klar sind. Es ist künf-
tig wieder Sache des Parlamentarischen
Kontrollgremiums, das zu überwachen,
35
 SICHERHEIT & P O LITI K
und dafür haben wir nach dem neuen
Gesetz den Parlamentarischen Kontroll-
dienst eingerichtet.
ES&T: Es nutzen die schönsten Struktu-
ren nichts, wenn das Personal fehlt. Es
gab Kritik an der personellen Ausstat-
tung des Kanzleramts zur Überwachung
der Geheimdienste. Das betraf auch das
Parlamentarische Kontrollgremium. Wird
personell jetzt aufgestockt, um diese Kon-
trolle nun auch entsprechend ausüben zu
können?
Sensburg: Es bleibt die Frage, ob diese
exekutive Kontrolle dann funktioniert. Wir
haben ja nur die parlamentarische Kontrol-
le im Blick. Wir haben unser Gremium, das
Parlamentarische Kontrollgremium erwei-
tert, mehr Personal und neue Funktionen
Die Einfahrt zum NSA-Komplex
mit dem ständigen Bevollmächtigten, er-
weiterte Kompetenzen, mehr Transparenz.
Es gibt öffentliche Anhörungen der Präsi-
denten der Nachrichtendienste. Also da ist
viel geschehen. Da muss man nun schauen,
wie sich das Kanzleramt und die Abteilung
6 aufstellen. Aber das ist natürlich Sache
des Kanzleramtes.
ES&T: Das BND-Gesetz ist ein Ergebnis
des Untersuchungsausschusses. Welche
weiteren Ergebnisse und Schlussfolgerun-
gen sind aus der Ausschussarbeit gezogen
worden?
Sensburg: Zum einen eben, was bereits
getan wurde, also das BND-Gesetz, das
PKGR-Gesetz (Parlamentarisches Kont-
rollgremium), die neue Struktur im Parla-
mentarischen Kontrollgremium, ein neuer
BND-Präsident, der sich sicherlich auch die
Abteilung TA vornehmen und anders ge-
stalten wird. Das sind wesentliche Aspekte.
Auch der 360-Grad-Blick ist eine wesentli-
che Erkenntnis aus diesem Ausschuss. Dass
36 Europäische Sicherheit & Technik · September 2017
man also nicht nur die Länder in den Blick
nimmt, die typischerweise im Verfassungs-
schutzbericht stehen, sondern eben auch
Partner, wie wir sie immer genannt haben.
ES&T: Kann man sagen, dass nun tatsäch-
lich all diese heimlichen Tests und Versuche
mit speziellen Programmen und Selektoren
(Suchbegriffe), die der BND allein oder mit
Partnern wie der NSA unternommen hat,
offengelegt wurden und bekannt sind?
Oder liegt da noch etwas in der Schublade?
Sensburg: Nur im Rahmen dessen, worin
auch der Untersuchungsauftrag lag. Wir
haben ja nur die Five-Eyes-Staaten (exklu-
siver Geheimdienstverbund aus den USA,
Großbritannien, Kanada, Australien und
Neuseeland) betrachtet. Von daher haben
wir auch nur einen Ausschnitt betrachtet,
der aufgrund der Veröf-
(Foto: Archiv ES&T)
fentlichungen von Ed-
ward Snowden aufgeru-
fen wurde, und nicht die
gesamte Arbeit des Bun-
desnachrichtendiens-
tes. Dafür ist das PGKR
zuständig, und da sage
ich natürlich: Vertrauen
ist gut, aber Kontrolle ist
besser.
ES&T: Der Bundesnach-
richtendienst machte
im Zusammenhang mit
Snowden und der NSA-
Affäre vor allem Nega-
tivschlagzeilen. Sehen sie
den BND nach dieser Af-
färe psychisch oder phy-
sisch geschwächt? Ist also
die Institution als solche angeschlagen, sind
die Mitarbeiter frustriert?
Sensburg: Nein, ich glaube auch für die
Mitarbeiter ist es wichtig, dass man das Ge-
fühl hat, man handelt auf rechtlich klarer
Grundlage, und die Bevölkerung und das
Parlament stehen hinter einem. Das hat
nicht immer geklappt im BND, und jetzt
haben wir das richtiggezogen. Das gibt
dem BND jetzt erst einmal ein gutes Ge-
fühl. Jetzt ist auch klar, was sie im Rahmen
des Aufgabenprofils der Bundesregierung
machen sollen. Da ist jetzt wirklich viel ge-
klärt worden.
ES&T: Die angeblich millionenfache Erfas-
sung von Daten von Bundesbürgern durch
BND, NSA oder andere Geheimdienste in
Deutschland hatte für Aufsehen gesorgt.
Was ist da dran gewesen?
Sensburg: Also das geht einher mit den
Folien von Snowden, und es ging tatsäch-
lich um 500 Millionen Daten. Es hat sich
aber herausgestellt, dass damit nicht ge-
meint war, dass die NSA zusammen mit
dem BND in Deutschland die Deutschen
abhört. Vielmehr handelte es sich um
zwei Erfassungsköpfe in Afghanistan, die
tatsächlich afghanische Kommunikation
abhörten, auch im Umfang von 500 Milli-
onen Daten. Diese dienten aber der Force
Protection in Afghanistan, also dem Schutz
der Truppen am Hindukusch.
 
ES&T: Wir können davon ausgehen, die
deutschen Bürger werden von der NSA
nicht im befürchteten Ausmaß abgehört
und werden es auch künftig nicht.
Sensburg: Die NSA darf das nicht, auch
der BND darf es intern nicht. Das heißt
nicht, dass wir darauf vertrauen können,
dass ausländische Dienste uns nicht abhö-
ren. Wir müssen wachsam sein, weil wir
davon ausgehen müssen. Aber der BND
wird solches weder in einer Kooperation
ermöglichen noch wird die Bundesregie-
rung das erlauben. Und nochmals: Deut-
sche Bürger dürfen nicht von anderen
Nachrichtendiensten abgehört werden.
ES&T: Der Ausschuss wollte Edward
Snowden aussagen lassen, aber es kam
nicht dazu. Warum und was schließen sie
daraus in Bezug auf die Person Snowden
und seine Anliegen?
Sensburg: Ich sehe es differenziert. Ich
hätte mir gewünscht, dass wir zualler-
erst einmal die Originaldokumente von
ihm erhalten hätten. Das wäre natürlich
besser gewesen als nur das, was Spiegel
online im Internet veröffentlicht hat. Das
Zweite wäre natürlich eine Aussage. Es
ist nie ganz konkret klar geworden, unter
welchen Bedingungen er denn überhaupt
nach Deutschland kommen würde. Da
stand immer, das müsse verhandelt wer-
den, aber er sei ohne Vorbehalt bereit.
Sollte er denn nun am Flughafen Tegel
landen und dann wären wir mit ihm ins Ja-
kob-Kaiser-Haus gefahren und hätten ihn
vernommen? Wie wäre es weitergegan-
gen? Wäre er dann ins Hotel gefahren?
Was wünscht er sich. Wünscht er sich,
dann in ein Zeugenschutzprogramm zu
kommen? Dann gab es unterschiedliche
Formate, die wir diskutiert haben. Zum
Beispiel, dass wir nach Moskau fahren,
eine Videovernahme, wie er es schon mit
dem Europarat praktiziert hat. Das aber
hat er abgelehnt. Von daher hat Snowden
nicht viel zur Aufklärung beigetragen. Das
nehme ich ihm nicht total übel, ich will
aber auch nicht behaupten, er wäre der
Superaufklärer.
Das Interview führte Jürgen Rahmig,
Redakteur Politik/Nachrichten beim
Reutlinger General-Anzeiger im Auf-
trag von ES&T.

Kontinuität und Stabilität in
unruhigen Zeiten nur mit den USA
51. Sicherheitspolitische Informationstagung der
Clausewitz-Gesellschaft
Werner Baach
K napp ein halbes Jahr nach dem
Amtsantritt des 45. US-Präsidenten
standen die durch Donald Trump
in der internationalen Sicherheitspolitik
ausgelösten Unsicherheiten im Mittel-
punkt einer hochrangig besetzten Ta-
gung der Clausewitz-Gesellschaft e.V.
Die gemeinsam mit der Führungsaka-
demie der Bundeswehr durchgeführte
Begrüßung durch den Präsidenten
der Clausewitz-Gesellschaft, Gene-
ralleutnant a.D. Kurt Herrmann, ...
51. Sicherheitspolitische Informations-
tagung behandelte ganz aktuell die
Thematik „Die Rolle der USA in einer
Welt im Wandel – hat die bisherige Si-
cherheitsordnung noch Zukunft?“. Zu
der Veranstaltung am 14. und 15. Juli
2017 in Hamburg begrüßten der Präsi-
dent der Clausewitz-Gesellschaft, Gene-
ralleutnant a.D. Kurt Herrmann, und der
Kommandeur der Führungsakademie
der Bundeswehr, Konteradmiral Carsten
Au to r
Oberst a.D. Werner Baach ist in
der Clausewitz-Gesellschaft für die
Pressearbeit verantwortlich.
SICHERHEIT & P O LITI K 
Stawitzki, über 200 Teilnehmer aus Poli-
tik, Militär und Gesellschaft.
Mit einer Analyse der geopolitischen Si-
cherheitslage steckte der Präsident der
Clausewitz-Gesellschaft den Rahmen für
bremste Dynamik der Entwicklungen im
Cyber- und Informationsraum bedroh-
ten die internationale Sicherheit. Hinzu
komme in Mitteleuropa die Migration
aus den Konfliktgebieten des Nahen und
die Tagung ab. Seit dem Amtsantritt von Mittleren Ostens sowie aus Afrika.Ange-
Präsident Trump seien die Umfragewerte sichts dieser geostrategischen Probleme
zum Vertrauen in das deutsch-amerikani- müsse man nicht nur mehr europäische
sche Verhältnis dramatisch gesunken. Die Solidarität einfordern, sondern auch wei-
terhin den engen Schulterschluss mit den
(Fotos: Clausewitz-Gesellschaft)
USA wünschen. Präsident Trump habe
aber Unsicherheit im westlichen Bündnis
und im Verhältnis der USA zur Europäi-
schen Union ausgelöst. Der Direktor der
Bundesakademie für Sicherheitspolitik,
Dr. Karl-Heinz Kamp, habe jüngst sogar
festgestellt: „Als kraftvolle internationa-
le Führungsmacht fallen die USA mittel-
fristig aus.“ Und so stelle sich die Frage,
was vor dem Hintergrund der existieren-
den Krisen und Konflikte eine mögliche
Abkehr der USA von ihrer langjährigen
Sicherheitspolitik für Europa, die NATO,
die Europäische Union und nicht zuletzt
für Deutschland bedeuten würde.
Gemeinsame europäische
… und den Kommandeur der Füh- Sicherheitspolitik alternativlos
rungsakademie der Bundeswehr,
Konteradmiral Carsten Stawitzki
Eindrucksvoll war schon der Einstieg in die
vertraute Sicherheitsarchitektur, die Eu- Thematik durch Vorträge des Journalisten
ropa über 70 Jahre lang Frieden beschert Thilo Kößler zum Thema „Die USA – eine
habe, sei infrage gestellt. Gleichzeitig ha- gespaltene Nation – Folgerungen für das
be sich das globale sicherheitspolitische transatlantische Verhältnis“ und von Pro-
Umfeld deutlich verschlechtert. An erster fessor Dr. Klaus Erich Scharioth, ehemaliger
Stelle stehe Russlands völkerrechtswidri- Staatssekretär im Auswärtigen Amt und
ge Annexion der Krim, seine Unterstüt- deutscher Botschafter in Washington D.C.,
zung des verdeckten Kampfs in der Ostu- zum Thema „Außen- und Sicherheitspolitik
kraine, seine unverhohlene antiwestliche der USA unter Präsident Trump“.
Rhetorik sowie die De-facto-Aufkündi- Aus seiner unmittelbaren Beobachtung
gung der Pariser Friedensordnung und in Washington zeichnete Thilo Kößler,
seine gewaltbetonte Rolle im Bürger- Korrespondent des Deutschlandradios in
krieg in Syrien. Aber auch die Konflikte den USA und Kanada, das Bild eines Prä-
im Irak, zunehmend um Katar, im Jemen, sidenten und einer Administration, von
in Libyen und anderen Staaten Afrikas, denen aktuell viel Unsicherheit ausgehe.
die wuchernde Krake des internationa- Donald Trump gelte als unberechenbar
len Terrorismus sowie der Organisierten und sprunghaft, er sei nicht wertegelei-
Kriminalität und nicht zuletzt die unge- tet, sondern interessenorientiert. In seiner
September 2017 · Europäische Sicherheit & Technik 37
 SICHERHEIT & P O LITI K
Sicht bestehe die Welt aus Freunden und
Feinden, aus Siegen und Niederlagen, aus
denjenigen, die sich bedienen und de-
nen, die vergessen wurden. Das Persön-
lichkeitsbild Trumps sei durch extremen
Hunger nach Anerkennung bestimmt. Er
wirke dabei wie getrieben und atemlos,
und sein Credo sei: Du oder ich, niemals:
Du und ich. In dieser Weltsicht gelte nicht
die Stärke des Rechts, sondern das Recht
des Stärkeren.
Im inneren Machtzirkel des Weißen Hauses
habe Trump Vertreter ganz extremer Pole
um sich versammelt: Pragmatiker und Ken-
ner der Materie auf der einen, ausgewiese-
ne Ideologen und Verfechter einer White
Supremacy wie Steve Bannon auf der an-
deren Seite. Das führe ständig zu einem
heftigen Machtkampf zwischen denen, die
Amerika auch weiterhin in der Führungs-
rolle der westlichen Staatengemeinschaft
sehen wollten und den Ideologen und Na-
tionalisten, ja weißen Rassisten um Bannon
andererseits, die multilaterale Strukturen
wie NATO (obsolet) und Europäische Uni-
on (zu stark) ablehnten und die Idee der
Auflösung der von den USA aufgebauten
multilateralen Weltordnung und die Visi-
on von der Rückbesinnung auf nationale
Größe und eine Renaissance des American
Dream verfolgten.
Die USA seien heute ein zerrissenes Land.
Zwei Lebenswelten hätten sich herausge-
bildet, die sich immer weiter auseinander
entwickelten. Trump sei nicht der Grund
für die Spaltung, sondern ihr Ausdruck
und Symptom. Seine Wahl sei wie ein
letztes Aufbäumen einer Gesellschaft, die
die alte Lebenswelt des (weißen) Amerika
untergehen sehe. „America first“ sei die
rückwärtsgewandte, antimodernistische
Antwort auf eine Welt im Wandel.
Noch sei es zu früh zu beurteilen, ob
Trumps Präsidentschaft zum Nutzen und
im Interesse der Vereinigten Staaten sein
werde, stellte Thilo Kößler fest. Innenpo-
litisch müsse sich zeigen, ob das System
von Checks und Balances stark genug
sei, dem System Trump zu widerstehen
und das Prinzip der Gewaltenteilung (un-
beschädigt) zu erhalten. Ermutigend sei,
dass die Gerichte bislang erstaunliche Wi-
derstandskraft gezeigt hätten, und auch
die Medien seien mutig und stark. Der
Kongress dagegen habe nach Einschät-
zung vieler versagt. Außenpolitisch wer-
de klar, dass sich Europa zu lange und zu
sehr auf die Führungsrolle der USA und
deren Bereitschaft, für die Sicherheit der
Verbündeten einzustehen, verlassen habe.
Die wichtigste Erkenntnis für Europa könne
nur heißen: „Zu einer gemeinsamen eu-
ropäischen Sicherheitspolitik gibt es keine
Alternative.“ In der sich abzeichnenden
38 Europäische Sicherheit & Technik · September 2017
neuen globalen Gemengelage verliefen
die Konfliktlinien nicht mehr zwischen Ost
und West, sondern zwischen liberalen und
autokratischen Herrschaftsformen, zwi-
schen offenen und geschlossenen Gesell-
schaften, zwischen Werteorientierung und
interessengeleiteter Machtpolitik. Europa
müsse sich formieren nicht gegen Trump
und die USA, sondern für den Erhalt fun-
damentaler Werte und Prinzipien, die es zu
verteidigen gilt.
Werte sind nur gemeinsam zu
verteidigen
Außen- und sicherheitspolitisch müsse
die Tatsache, dass Präsident Trump auf
die Schwächung multilateraler Struktu-
ren setze, beunruhigen, stellte Professor
Dr. Scharioth in seinem Vortag einleitend
fest. Es bestehe die Gefahr, dass am Ende
Thilo Kößler sprach zum Thema:
„Die USA – eine gespaltene Nation
– Folgerungen für das transatlan-
tische Verhältnis“.
eines solchen Prozesses „America only!“
stehen könnte. Trump habe nicht begrif-
fen, dass die großen Weltprobleme nur
gemeinsam zu lösen seien. Er sehe auch
nicht, dass die USA und Europa seit vie-
len Jahrzehnten gemeinsame Grundwerte
teilten, die gefährdet seien, wenn man sie
nicht gemeinsam verteidige. Insbesondere
die NATO sei nicht nur für Europa, sondern
genauso für Amerika vital. Nur wenn die
USA auch weiter zu ihrem europäischen
Engagement stehen, werden sie auch eu-
ropäische Macht bleiben können. Aber
ebenso gelte: „Europa und Deutschland
müssen mehr in die Sicherheit investieren,
in ihrem ureigensten Interesse.“
Besonders besorgt zeigte sich Dr. Scharioth
über Äußerungen des neuen Präsidenten
zur Nuklearpolitik der USA. Er befürchtet
einen radikalen Bruch mit der geltenden
Doktrin der atomaren Nichtverbreitung.
Dies könne weiteren Staaten, er nannte
als Beispiele Saudi-Arabien und Ägypten,
die Tür zu Atommächten öffnen. Auch sei
nicht auszuschließen, dass eine Verschär-
fung des Sanktionsregimes gegen den
Iran einen Bruch der bestehenden Abkom-
men durch die Gegenseite auslösen und
das Bestreben des Iran, Nuklearmacht zu
werden, wieder verstärken könnte. In der
Frage des Nuklear- und Raketenpotenzials
Nordkoreas dürfe man für den Fall direkter
Bedrohung der USA nicht unterschätzen,
dass in der amerikanischen Politik breite
Übereinstimmung darüber bestehe, er-
forderlichenfalls entschlossen zu handeln
– hoffentlich ohne den Einsatz von Atom-
waffen.
Für den Umgang mit der neuen US-Admi-
nistration hält Dr. Scharioth eine Doppel-
strategie für erforderlich: Zum einen müsse
man versuchen, die (pragmatischen) Be-
Professor Dr. Klaus Erich Scharioth
referierte über die Außen- und
Sicherheitspolitik der USA unter
Präsident Trump.
rater Trumps davon zu überzeugen, dass
positive Beziehungen zu Europa, dass die
Verteidigung gemeinsamer Werte wie
Rechtsstaatlichkeit und Demokratie auch
in Zukunft im Kerninteresse der USA lägen.
Europa müsse versuchen, die USA in die-
sen gemeinsamen Wertekanon weiterhin
einzubinden. Zugleich warnte Dr. Schari-
oth davor, eine Stärkung europäischer Ak-
tivitäten ohne oder gar gegen die USA zu
suchen.
Deutschland muss „mehr auf
den Tisch legen“
Die Feststellungen und Bewertungen der
beiden Vortragenden zogen sich wie ein
roter Faden durch die nachfolgenden drei
Panel-Diskussionen. Immer wieder wurde
die gemeinsame Verteidigung westlicher
Werte beschworen und die Hoffnung aus-

gesprochen, Präsident Trump werde doch
noch zu der Einsicht gelangen, dass Sicher-
heitspolitik nur gemeinsam gestaltet wer-
den könne. Es bestand aber auch Einigkeit
darüber, dass Europa und dabei besonders
Deutschland mehr in die Sicherheit inves-
tieren müssten (Starke Schultern müssen
mehr tragen).
Im ersten Themen-Panel „NATO – Quo
vadis mit den USA?“ analysierten und be-
werteten MdB Dr. Johann Wadephul (CDU),
Professor James D. Bindenagel, Henry-Kis-
singer-Professor for International Security
and Governance an der Universität Bonn,
und Dr. David Sirakov, Direktor der Atlan-
tischen Akademie Rheinland-Pfalz, unter
der Leitung von Dr. Martina Timmermann,
Vice President International Affairs, einen
umfänglichen Themenkomplex. Dabei wur-
de erneut betont, dass in Zukunft nur ein
klares Handeln der Europäer im Sinne ihrer
NATO-Verpflichtungen die unverzichtbare
Voraussetzung für jedes amerikanische En-
gagement unter einem Präsidenten Donald
Trump sein werde. In den USA werde sehr
aufmerksam registriert, wie wir Europäer
uns gegenüber den NATO-Verpflichtungen
positionieren, stellte MdB Dr. Wadephul
fest. Auch Deutschland habe die Heraus-
forderungen der Sicherheitspolitik vernach-
lässigt. Dazu habe auch eine defizitäre
öffentliche sicherheitspolitische Diskussion
beigetragen; sie müsse verstärkt und offen-
siv und selbstbewusst geführt werden, da-
bei müsse die Bevölkerung mitgenommen
werden. Mit Blick auf die geostrategischen
Veränderungen stellte Professor Binde-
nagel fest, dass die neue US-Administrati-
on in diesem Kontext eine Neujustierung
der Zusammenarbeit mit den Europäern in
der NATO suche. General a.D. Dr. h.c. Klaus
Naumann unterstützte in der späteren Plen-
umsdiskussion diese Ansicht: Man stehe am
Anfang einer großen geostrategischen Aus-
einandersetzung zwischen den konkurrie-
renden Systemen des Westens, Russlands
und Chinas. In dieser Auseinandersetzung
seien alle Mittel der Politik gefordert. Auch
die NATO-Strategie müsse weiterentwickelt
werden. Das gehe nur mit den USA, auch
wenn es derzeit schwierig sei, die US-Positi-
on unter Donald Trump zu erkennen.
In einem zweiten Panel zum Thema „Die
Rolle der Europäer in NATO und EU und
ihre künftigen Beziehungen zu den USA“
diskutierten Elmar Brok, Mitglied der
EVP-Fraktion des Europäischen Parlaments,
Botschafterin Edita Hrdá, Managing Di-
rector for the Americas im Europäischen
Auswärtigen Dienst, Dr. Andrew Blair De-
nison, Direktor Transatlantic Networks, und
Professor Dr. Stefan Fröhlich, Lehrstuhlin-
haber Internationale Politik am Institut für
Politische Wissenschaften der Universität
Erlangen-Nürnberg, erfrischend enga-
giert unter der Leitung des ehemaligen
Präsidenten der Clausewitz-Gesellschaft,
Generalleutnant a.D. Dr. Klaus Olshausen.
Die Herausforderungen der Globalisierung
seien nur gemeinsam aufzufangen, stellte
Elmar Brok fest, der sehr engagiert für ei-
ne Vertiefung der EU auf sicherheitspoliti-
schem Gebiet plädierte. Kein Nationalstaat
habe die Mittel, seine Interessen allein zu
vertreten. Er forderte mehr Synergieeffek-
te mit dem Ziel, den Beitrag der Europäer,
komplementär zur NATO, zu verbessern.
Er kritisierte aber auch (zu hohe) Forderun-
V.l.n.r.: Brigadegeneral Dirk Heinrich Backen, Wolf-Christian Paes, MA,
Generalleutnant a.D. Friedrich-Wilhelm Ploeger, Flottillenadmiral
Jürgen Alfred Georg zur Mühlen und PD Dr. habil. Markus Kaim
gen der USA allein nach höheren Beiträgen
für die militärische Verteidigung: Auch die
nichtmilitärischen Sicherheitsaufwendun-
gen müssten in die Gesamtleistungen ein-
gerechnet werden („Sicherheit drückt sich
nicht nur in den Kosten für Panzer aus!“).
Professor Dr. Fröhlich stimmte dem im
Grundsatz zu, ebenso Botschafterin Hrdá,
wies aber auf nicht wegzudiskutierende
Ungleichgewichte in den Belastungen zu
Ungunsten der USA hin, die beseitigt wer-
den müssten. Schärfer, vor allem bezüglich
der nach seiner Auffassung unzureichen-
den deutschen Leistungen, äußerte sich
Dr. Denison: Das Verhalten der Europäer
gegenüber den USA und untereinander sei
egoistisch. Vor allem Deutschland sei eher
protektionistisch; es habe in der Vergan-
genheit mehr profitiert als zur gemeinsa-
men Verteidigung beigetragen. Besonders
kritisierte er den großen Handelsüber-
schuss Deutschlands: Das „German Prob-
lem“ schade allen. Kompromisse zu schlie-
ßen und Entgegenkommen zu zeigen seien
aus amerikanischer Sicht zwingend nötig.
Den Schlusspunkt der Tagung setzte ein
drittes Panel zum Thema „Konsequenzen
der aktuellen US-Außen- und Sicherheits-
September 2017 · Europäische Sicherheit & Technik
SICHERHEIT & P O LITI K 
politik für Deutschland und die Bundes-
wehr“. PD Dr. habil. Markus Kaim, Senior
Fellow der Forschungsgruppe Sicherheits-
politik bei der Stiftung Wissenschaft und
Politik, Wolf-Christian Paes, MA, Bonn In-
ternational Center for Conversion, Flottillen-
admiral Jürgen Alfred Georg zur Mühlen,
Unterabteilungsleiter Sicherheitspolitische
Angelegenheiten im Bundesministerium
der Verteidigung, und Brigadegeneral
Dirk Heinrich Backen, ehemaliger Verteidi-
gungsattaché an der Botschaft der Bundes-
republik Deutschland in Washington D.C.,
beleuchteten unter der Moderation von
Generalleutnant a.D. Friedrich-Wilhelm
Ploeger, dem ehemaligen Stellvertretenden
Befehlshaber Allied Air Command Ram-
stein, das komplexe Geflecht der Argumen-
te nun vornehmlich mit Blick auf die erwei-
terte deutsche Verantwortung und daraus
erwachsende (größere) Verpflichtungen.
Fazit: Wenn es gelinge, ein faires Miteinan-
der, auch in den Handelsbeziehungen, zu
erzielen, aber nur dann, werde das Funda-
ment der amerikanisch-europäischen und
deutsch-amerikanischen Zusammenarbeit
weiter Bestand haben.
Ein Spezial-Panel des Clausewitz-Netz-
werks für Strategische Studien zum The-
ma „Rolle und Bedeutung der USA in der
kollektiven Cyber-Verteidigung“ vervoll-
ständigten die Informationstagung eben-
so wie der Vortrag des Kommandeurs der
FüAkBw, Konteradmiral Carsten Stawitzki,
über die aktuelle Lage, herausfordern-
de Aufträge und die geplanten weiteren
Entwicklungen der höchsten Bildungsein-
richtung der Bundeswehr. Ein Gastvortrag
von Professor Dr. Sönke Neitzel, Universität
Potsdam, zum Thema „Anmerkungen zum
Traditionsverständnis der Bundeswehr“
rundete die Informationstagung ab.  L
39
 B U N D E S WEH R & S TREITK R Ä F TE I NTER N ATI O N AL

Wir müssen einiges tun, um den Dienst

in der Marine attraktiver zu gestalten
Interview mit dem Inspekteur der Marine,
Vizeadmiral Andreas Krause

sich auf die Nachwuchsgewinnung und Per-
sonalbindung nicht unbedingt positiv aus.
Wir müssen also einiges tun, um den
Dienst in der Marine attraktiver zu ge-
stalten – und zwar aus Sicht der Men-
schen in der Marine und derer, die wir
erst noch für den Dienst in der Marine
gewinnen wollen.
Für unsere Besatzungen wollen wir den
Dienst planbarer machen und die Abwe-
senheiten reduzieren. Mit der Indienststel-
lung der ersten Fregatte der Klasse 125,
der „Baden-Württemberg“, kommen wir
diesem Ziel einen gewaltigen Schritt näher.
ES&T: Herr Admiral, beim Thema Personal
(Fotos: PIZ Marine)
an Bord folgt eine Phase zu Hause in dem
Stützpunkt, um in landgestützten Ausbil-
dungsanlagen mit Simulationstechnik die
Inübunghaltung zu betreiben und auch um
Urlaub zu nehmen. Die Schiffe selbst kön-
nen wir dank ihrer robusten Technik bis zu
zwei Jahre im Einsatzgebiet halten, wenn
die Politik dies wünscht. Außerdem ermög-
licht der hohe Automationsgrad nahezu
eine Halbierung der Besatzung verglichen
mit den Fregatten der Klasse 122. Das alles
macht Seefahrt attraktiver und wird uns
bei der Personalbindung und -gewinnung
sehr helfen.

hört man derzeit viel Widersprüchliches;

einerseits soll die Personallage bei der Bun-
deswehr nicht schlecht sein, andererseits
wird an vielen Stellen über zu wenig quali-
fizierten Nachwuchs geklagt. Wie steht es
in dieser Frage um die Marine insgesamt?
Krause: Sie haben völlig Recht, auch in der
Marine stellt sich die aktuelle Personallage
sehr ambivalent dar. Für den größeren Teil
unseres Personals gilt, dass die Personal-
gewinnung dank der gemeinsamen An-
strengungen sowohl der Nachwuchsge-
winnungsorganisation der Bundeswehr als
auch der Marine gut gelingt. Generell gilt:
Auf dem Arbeitsmarkt ausreichend vor-
handene Potenziale sind auch für die Mari-
ne leichter zu gewinnen als Berufsgruppen,
die auf dem Arbeitsmarkt sehr knapp sind.
Bei den sogenannten E-Berufen Elektro-
technik, Elektronik und elektronische Da-
tenverarbeitung gibt es also auch bei der
Marine offene Stellen. Darüber hinaus su-
chen wir auch händeringend Personal für
bestimmte Bereiche des Operationsdiens- Brückenpersonal auf dem Minenjagdboot „Herten“
tes sowie einige kleinere Spezialbereiche
wie Kampfschwimmer und Minentaucher. Schon heute sind die Männer und Frauen Außerdem setzen wir bei der Personalwer-
Erschwerend kommt hinzu, dass die von dieser neuen Schiffsklasse mit ihren in- bung auf innovative Ansätze. Sobald näm-
Marine besonders im Binnenland kaum novativen Konzepten begeistert. Doppelt lich die jungen Menschen unmittelbar mit
sichtbar ist. Und selbst an der Küste, wo so viele Besatzungen wie Schiffe werden unseren Besatzungen an Bord eines Schif-
vor allem unsere Stützpunkte beheimatet dafür sorgen, dass wir den Besatzungen fes oder Bootes ins Gespräch kommen,
sind, sieht man die Marine kaum, weil sagen können: „Heute lauft ihr aus und dann springt der Funke über. Dann begeis-
sie im Einsatz ist. Außerdem stellen die in vier Monaten seid ihr wieder zu Hau- tern sich auch junge Menschen, denen die
Seefahrt und das Leben an Bord mit lan- se“. Denn die Besatzungen werden im Seefahrt bislang fremd ist, für den Dienst in
gen Zeiten fern der Heimat ein völlig un- Vier-Monats-Rhythmus über acht Schiffe der Marine. Mit dem Truppenbesuchszen-
bekanntes Lebensumfeld dar. Das wirkt rotieren. Nach den vier Monaten Einsatz trum in Kiel, mit der Aktion „Marine Live!“

40 Europäische Sicherheit & Technik · September 2017

EIN DICKES PLUS – IN JEDER UMGEBUNG
Stark und beweglich, belastbar und von sprichwörtlicher Verlässlichkeit: Eigenschaften,
die unserer Partner von Marine, Küstenwache, Zoll, Wissenschaft und Seerettung von
uns erwarten – und die unsere Schiffe immer wieder beweisen; seit vielen Jahrzehnten,
überall auf der Welt und auch in ungewohnten Situationen.

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Fregatte F125; Erprobungsfahrt der „Baden-Württemberg“
aber auch mit dem „Camp Marine“ im
Rahmen der Kieler Woche machen wir die
Marine erlebbar. Diese Konzepte genauso
wie die Kampagne „Mach, was wirklich
zählt“ beginnen zu wirken. Unsere Mari-
neschulen sind voll ausgelastet.
Flankierend sind wir mit der maritimen In-
dustrie ins Gespräch gekommen, um ers-
te Ideen zum intelligenten Umgang mit
dem Fachkräftemangel zu entwickeln,
die für die Industrie, die Marine und vor
allem für die jungen Leute gewinnbrin-
gend sind. Insgesamt bin ich also vorsich-
tig optimistisch.
ES&T: Sie sagten im letzten Jahr, dass Sie,
um Ihren Bedarf zu decken, nicht nur auf
die Personalgewinnung direkt vom Arbeits-
markt bauen, sondern auch auf Personalbin-
dung und eine gezielte Personalentwicklung
innerhalb der Marine setzen. Was dürfen wir
darunter verstehen?
Krause: Wir setzen zusätzlich zur Perso-
nalwerbung auf die Optimierung unserer
Personalstrukturen und auf die Weiterent-
wicklung der Ausbildungskonzepte. Letzt-
lich geht es darum, den Fachkräftemangel
durch vorausschauende und attraktive
Personalentwicklung ein Stück weit zu
kompensieren. Das wirkt einerseits nach
außen und andererseits hilft es, unser
Personal möglichst langfristig an uns zu
binden. Die Personalstruktur überprüfen
wir dahingehend, ob wir nicht den Bedarf
dort reduzieren können, wo der Fachkräf-
temangel besonders groß und der Wettbe-
werb auf dem Arbeitsmarkt infolgedessen
besonders scharf ist. Gleichzeitig wollen
wir die Personalstruktur so stärken, dass
vorhandene Personalpotenziale optimaler
ausgeschöpft werden. Zudem wollen wir
die Ausbildung so modernisieren, dass wir
künftig den jungen Menschen attraktive
Weiterbildungs- und Qualifizierungsange-
bote machen können.
ES&T: Auch bei der nächsten Frage möchte
ich beim Personal bleiben und das Thema
Bundeswehr-Attraktivitätsgesetz mit ver-
bindlicher Arbeitszeitregelung aufgreifen.
Hat sich die Situation bei den Besonderhei-
ten der Marine, z. B. dem Wachdienst, wei-
ter entspannt?
Krause: Die Situation hat sich deutlich
entspannt. Im Heimathafen wurden die
Schiffe und Boote „freigezogen“ und
damit von der Wachaufgabe entlastet.
In der Folge werden die Besatzungen an
Land untergebracht. Damit auch für die
nicht Unterkunftspflichtigen bezahlbarer
Wohnraum bereitgestellt werden kann,
entstand das „Pilotprojekt Seemannsheim
WHV“. Unsere Schiffsbesatzungen halten
sich regelmäßig nur einige Monate im Jahr
im Heimatstandort auf, wenn man einmal
den Seedienst, Urlaub bzw. Überstun-
denabbau und die Lehrgänge abzieht. Der
Zwang zum Anmieten einer Wohnung, die
über mehrere Monate pro Jahr aber gar
nicht genutzt wird, ist also weg. Das war
aus Fürsorgegründen auch geboten. Für
unser Pilotprojekt wurde vor einem Jahr in
Wilhelmshaven ein Gebäude der ehema-
ligen Ebkeriege-Kaserne umgerüstet. Die
Soldatinnen und Soldaten haben das Pilot-
projekt Seemannsheim gut angenommen.
Es kommt jetzt darauf an, dieses Pilotpro-
jekt fortzuentwickeln und tatsächlich ein
Seemannsheim zu verwirklichen. Dazu ist
zunächst die Gesetzes- und Verordnungs-
lage anzupassen. Hier hoffe ich auf die
Unterstützung des Ministeriums. Darüber
hinaus hat sich die Situation auch in un-
serem Kerngeschäft, der Seefahrt, weiter
entspannt. Eine „Mehrtägige Seefahrt“
dauert jetzt in der Vorschrift genauso lan-
ge wie unsere Besatzungen sie tatsächlich
erleben: Vom Auslaufen Heimathafen bis
Einlaufen Heimathafen. Dies ist gut. Die
hierbei entstehende Mehrarbeit muss nicht
zwingend durch Freistellung vom Dienst
kompensiert werden, sondern kann im
Wesentlichen finanziell vergütet werden.
Dies trägt erheblich dazu bei, dass die
 B UND E S WEHR & S TREITKRÄF TE I NTERN ATI O N AL 

Marine ihre Seefahrtsvorhaben in nahezu
unveränderter Form durchführen kann und
hat der Flotte mit Blick auf die Freistellungs-
ansprüche der Besatzungen eine deutliche
Entlastung gebracht. Auch das ist gut. Bei-
Zusammenfassend lässt sich feststellen,
dass die derzeit geltenden Arbeitszeitre-
gelungen mit den Belangen der Marine
durchaus vereinbar sind. Dabei verkenne
ich nicht, dass z.B. bei der Arbeitszeiterfas-
für Ausrüstung, Informationstechnologie
und Nutzung der Bundeswehr, bevor das
Schiff noch dieses Jahr an die Marine über-
geben und in Dienst gestellt wird. Im Jahr
2019 ist dann beabsichtigt, die Fregatte
„Baden-Württemberg“ in ihren ersten Ein-

Taufe der F125 „Rheinland-Pfalz“
des zeigt, dass wir die maßgeblichen Vor-
schriften der Lebenswirklichkeit anpassen.
Das schafft Glaubwürdigkeit und Vertrauen
und fördert die individuell empfundene At-
traktivität. Nach wie vor gibt es aber Berei-
che, die noch nicht zu meiner Zufriedenheit
geregelt sind. Dies betrifft insbesondere
den Bereich „Search and Rescue“ (SAR)
über Nord- und Ostsee. Nach wie vor ist
es schwierig, SAR und die damit notwendi-
gen Bereitschaftsdienste der militärischen
Luftrettung mit den Vorgaben der Solda-
tenarbeitszeitverordnung in Einklang zu
bringen. Durch die im Grundbetrieb entste-
henden erheblichen Freistellungsansprüche
ist ein Verdrängungseffekt zu Lasten des
Flugbetriebs an Bord entstanden. In der
Folge können einzelne Aufgaben weder
ausgebildet noch geleistet werden.
(Foto: TKMS)
sung und bei der Berechnung des Zeitaus-
gleichs ein hoher administrativer Aufwand
zu leisten ist. Also, noch ist nicht alles gut,
aber wir arbeiten daran.
ES&T: Am 24. Mai 2017 wurde die Fregat-
te „Rheinland-Pfalz“ getauft. Wie ist der
Stand in Sachen F125 heute? Hat die Indus-
trie gehalten, was sie versprochen hat, ins-
besondere, wenn wir die Intensivnutzung
betrachten?
Krause: Mit der Taufe der Fregatte „Rhein-
land-Pfalz“ am 24. Mai 2017 in Hamburg
hat nun auch die vierte und letzte Fregatte
der bei der ARGE F125 beauftragten Klasse
125 ihren Namen erhalten.
Der nächste relevante Meilenstein ist die Ab-
lieferung des Typschiffes, also der Fregatte
„Baden-Württemberg“ an das Bundesamt
satz zu entsenden. Zuvor wird das Schiff
die Einsatzprüfung nach Indienststellung
durchlaufen, in der die einsatzwichtigen
Funktionen der Schiffsklasse unter einsatz-
nahen Bedingungen in Verantwortung der
Marine auf den Prüfstand gestellt werden.
Dabei werden dann auch die gemäß Bau-
vertrag bereits jetzt theoretisch nachge-
wiesenen und vor Ablieferung auch noch
praktisch nachzuweisenden Betriebsabläu-
fe zur Intensivnutzbarkeit unter operativen
Rahmenbedingungen verifiziert. Nach den
in der Bauphase unternommenen Anstren-
gungen und den Ergebnissen der bis dato
durchlaufenen Prüfabschnitte blickt die
Marine optimistisch auf die Übernahme in-
tensiv nutzbarer Fregatten der Klasse 125.
ES&T: Der Eilbeschaffung von fünf wei-
teren Korvetten K130 steht nach der Ent-
scheidung des Kartellamts grundsätzlich
nichts mehr im Wege. Dennoch meine Fra-
ge an den Inspekteur der Marine: Was ist
die militärische Notwendigkeit, um ein so
hastiges und bislang einmaliges Verfahren
in Angriff zu nehmen?
Krause: Schnelligkeit war deswegen ge-
boten, weil die Marine aktuell gefordert ist
wie nie. Das geht zu Lasten des Personals
und des Materials. Das geht eine Zeit lang.
Aber eben nicht langfristig.
Mit dem Beschluss des Deutschen Bundes-
tages am 21. Juni 2017 steht nun auch fest,
dass wir fünf weitere Korvetten erhalten.
Das ist gut, weil es absehbar zur Entlastung
beitragen wird. Erstmals seit 25 Jahren
wächst die Deutsche Marine wieder. Der
dringende Bedarf der Deutschen Marine

PERFEKT AUSGERÜSTET
FÜR DIE AUFGABEN AN DEN BRENNPUNKTEN DER WELT.
Die Lürssen-Werft ist seit vielen Jahren ein zuverlässiger Partner
der Deutschen Marine. Mit unserer über 140-jährigen Erfahrung im
Bau von Schiffen entwickeln wir die Lösungen für heutige und zukünftige
Herausforderungen. So ist die Deutsche Marine immer bestens
ausgerüstet. Unsere ganze Erfahrung fließt auch in die Fertigung der
neuen Fregattenklasse F 125 ein.

Lürssen wünscht der Deutschen Marine viel Erfolg für die

umfangreichen Aufgaben.

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 B UND E S WEHR & S TREITKRÄF TE I NTERN ATI O N AL
Einlaufen der Korvette „Braunschweig“
an den weiteren Korvetten ist aus zweierlei
Gründen unstrittig. Erstens balanciert die
NATO angesichts der veränderten Sicher-
heitslage ihre Aufgaben neu aus und misst
der Aufgabe Landes- und Bündnisverteidi-
gung mehr Bedeutung bei. Seit den Gipfeln
von Wales und Warschau steigt der Druck,
in diesem Bereich stärkere Anstrengungen
zu unternehmen. Das findet sich natürlich
auch im Weißbuch der Bundesregierung
wieder. Für die Marine bedeutet dies die
Nordflanke mit der Ostsee und andere
Randmeere Europas wieder stärker in den
Fokus zu nehmen. Wir erinnern uns, dass
wir vor etwa 20 Jahren dafür den Bedarf
von 15 Korvetten ermittelt hatten, von de-
nen bekanntlich nur fünf realisiert wurden.
Die Fregatte „Sachsen“ während des EAV (Einsatz- und Ausbildungsverbands) 2009
44 Europäische Sicherheit & Technik · September 2017
Deutschland hat dazu vor kurzem u.a. ei-
ne NATO-Forderung akzeptiert. Danach
verpflichten wir uns, bereits ab Mitte der
kommenden Dekade mehr Korvetten zur
Bündnisverteidigung bereitzuhalten.
Zweitens legt das Weißbuch der Bundesre-
gierung neben der Landes- und Bündnis-
verteidigung das internationale Krisenma-
nagement und die angemessene globale
Präsenz zum Gewährleisten der maritimen
Sicherheit als Aufgaben für die Marine
fest. Verglichen mit den letzten 25 Jahren
ist das de facto ein Aufgabenzuwachs. Die
Einsatzrealität spiegelt das auch wider. Die
Deutsche Marine ist in den vergangenen
Jahren in einer stetig steigenden Zahl von
zum Teil lang anhaltenden Einsätzen ge-
fordert. Alle Aufträge hat die Marine trotz
einer gleichzeitig kontinuierlichen Verklei-
nerung ihrer Flotte erfüllt. Jetzt sehen wir
allerdings deutlich, dass das Ende der Fah-
nenstange erreicht ist. Die Marine braucht
dringend die Trendwende Material. Und
die nun durch das Parlament gebilligte Be-
schaffung weiterer fünf Korvetten macht
diese Trendwende greifbar. Damit die Kor-
vetten tatsächlich und so schnell wie mög-
lich zur Entlastung beitragen können, ist es
von entscheidender Bedeutung, sie schnell
in die bestehende Flotte zu integrieren.
Deswegen wollen wir ein im Einsatz be-
währtes Waffensystem. Nur so können wir
die bestehende logistische Kette nutzen,
nur so können wir die für die Klasse K130
etablierten Ausbildungsgänge nutzen und
nur so ist die Austauschbarkeit des Perso-
nals zwischen Einheiten des ersten und des
zweiten Loses gewährleistet.
ES&T: Die folgende Frage bezieht sich auf
das Mehrzweckkampfschiff MKS 180: Ich
würde gerne wissen, ob sich die Daten für
das Projekt, bei dem wir bislang für Ende
2017 mit Auswahl und Vertrag rechneten,
geändert haben und wie der Sachstand
heute ist?
Krause: Bei der europäischen Ausschrei-
bung für das Beschaffungsvorhaben MKS
180 wurde im Oktober des letzten Jahres
mit dem Abschluss der ersten Bewer-
tungs- und Verhandlungsphase planmäßig
der erste Meilenstein erreicht. Grundsätz-
lich haben wir festgestellt, dass die Bie-
ter willens und in der Lage sind, sich der
Zielsetzung eines kooperativen Beschaf-
fungsprojektes verpflichtet zu fühlen und
Marine Systems

Im Einsatz für
die Deutsche Marine

Mit Standorten in Kiel, Hamburg und Emden sind wir einer der führenden,
global agierenden Systemanbieter für Uboote und Marineschiffe.

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notwendige Diskussion auf Augenhöhe
bedingt aber auch ein gemeinsames Ver-
ständnis der Anforderungen sowie eine
hohe Transparenz hinsichtlich Kosten,
Leistung und identifizierter Risiken. Der
ICHE
DER VIERZEHNTÄGLDIENST damit verbundene höhere Anspruch an
E-MAIL-BRANCH EN die Qualität der Angebote wird die Indus-
trie vor Vertragsschluss mehr Zeit kosten.
grund-
Insider- und Hinter Das Bundesministerium der Verteidigung
ushalt,
informationen zu Ha
hat deshalb entschieden, den Zeitplan
ffung für im Einvernehmen mit den Bietern etwas
Rüstung und Bescha zu strecken. Das bedeutet vor allem, die
schaft,
Entscheider in Wirt Maßnahmen der Agenda Rüstung begin-
altung
Streitkräften, Verw nen zu greifen. Und das ist entscheidend.
Denn bei diesem Projekt analysieren wir
und Politik. schon vor Vertragsabschluss sehr genau,
um Realisierungs- und Kostenrisiken mög-
lichst klein und kalkulierbar zu halten. Dass
wir dadurch mit dem Vertragsschluss auch
hinter die Bundestagswahl 2017 und ins
Jahr 2018 rücken, bereitet mir jetzt keine
Sorgen. Wann genau wir den Bauvertrag
haben werden, ist von der Qualität der
zweiten Angebote der Bieter und dem
daraus resultierenden Abstimmungsbe-
darf abhängig.
ES&T: Hat sich das „Eilverfahren“ K130
nachteilig auf den Zeitplan MKS 180 aus-
gewirkt?
Krause: Ein ganz klares Nein. Das Verga-
beverfahren MKS 180 läuft im Zeitplan.
Auf allen Ebenen, also bei der Marine,
beim BAAINBw und bei den Bietern, ar-
beiten eigenständige Teams an der Rea-
lisierung, sodass es zu keiner Beeinflus-
sung kommt.
ES&T: Die derzeitige Entwicklung in den
USA lässt durchaus den Schluss zu, die Ver-
wirklichung einer europäischen Marine in
Angriff zu nehmen. Was spricht aus militä-
rischer Sicht dafür und was dagegen?
Krause: Zunächst möchte ich betonen,
dass die Deutsche Marine exzellente Ar-
zel-Abo
beitsbeziehungen zur U.S. Navy pflegt und
Jahres-Ein19 % MwSt.
regelmäßig mit der U.S. Navy kooperiert.
€ 439,70 zzgl. Denken Sie nur an die Integration deutscher
Fregatten in US-Trägerverbände.
Das wollen wir auch in Zukunft weiter vor-
antreiben – und zwar beide Seiten.
stenloses
Bestellen Sie ein ko
Wichtig und richtig ist aber auch, mit den
und unverbin dl ich es europäischen Partnermarinen die Koopera-
Probeexemplar:
tion weiter zu vertiefen. Und genau das tun
t.de wir – übrigens schon seit Jahrzehnten. Inter-
info@mittler-repor nationale Kooperation ist für alle Marinen
Tagesgeschäft. Die Zusammenarbeit mit
MITTLER REPORT VERLAG unseren verbündeten und befreundeten
Marinen wird dabei noch zielgerichteter:
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www.mittler-report.de dafür ist die zweimalige Integration der Fre-
gatte „Augsburg“ in die Trägergruppe um
46 Europäische Sicherheit & Technik · September 2017
den französischen Flugzeugträger „Charles
de Gaulle“. Wir wollen uns zudem ergän-
zen und so neue Fähigkeiten gewinnen. Die
Integration des Seebataillons in die nieder-
ländische Marine sowie die gemeinsame
Nutzung des niederländischen Joint Logistic
Support Ships „Karel Doorman“ bilden hier
die zentralen Projekte und deuten an, was
alles möglich ist.
ES&T: Ihre Schwerpunkte für 2017 werden
sich wohl kaum von der Bundestagswahl
im September beeinflussen lassen: Daher,
was sind die Kernpunkte des Inspekteurs
der Marine im genannten Zeitraum?
Krause: Aus Sicht des Truppenstellers liegt
mein Schwerpunkt natürlich zunächst auf
der Bereitstellung einer ausgewogenen
und einsatzfähigen Flotte mit motivierten
und gut ausgebildeten Besatzungen, um
alle uns übertragenen Aufgaben – speziell
die Einsätze und einsatzgleichen Verpflich-
tungen – durchgehend erfüllen zu können.
Hier richte ich mein besonderes Augenmerk
auf zwei Bereiche: Material und Personal.
Mein Ziel ist, der Politik auch weiterhin eine
ausgewogene, moderne und zukunftsfähi-
ge Flotte zur Verfügung zu stellen, die in der
Lage ist, ihre Verantwortung im regionalen
Bereich als Anlehnungspartner für unsere
Nachbarn im Ostseeraum wahrzunehmen,
unsere Aufgaben in den mandatierten Ein-
sätze an der Südflanke der NATO als ver-
lässlicher Partner zu erfüllen und unsere
Interessen im Hinblick auf den Schutz und
die Verteidigung der Freiheit der Meere im
globalen Kontext zu wahren. Dies ist ohne
motiviertes und gut ausgebildetes Personal
nicht möglich.
Deshalb müssen wir zusammen in einer
gemeinschaftlichen Anstrengung mit an-
deren ausreichend qualifiziertes Personal
für die Marine gewinnen und unser gutes
Personal an die Marine langfristig binden.
Beides gelingt nur, wenn wir unsere Mari-
ne weiterhin als modernen und attraktiven
Arbeitgeber gestalten. Daran anknüpfend
ist der zweite Schwerpunkt die Intensivie-
rung der internationalen Kooperation. Ich
arbeite mit meinem Team gemeinsam
daran, die vielen Projekte voranzutreiben.
Das sind beispielsweise der Aufbau des
Baltic Maritime Component Commands
beim Marinekommando in Rostock, die
deutsch-norwegische Rüstungskoopera-
tion bei U-Booten und Flugkörpern, die
oben bereits erwähnte deutsch-nieder-
ländische Zusammenarbeit, die Interna-
tionalisierung des Ausbildungszentrums
U-Boote in Eckernförde sowie der Aufbau
eines internationalen Ausbildungszent-
rums Minenkriegführung in Kiel, um nur
einige zu nennen.
Die Fragen stellte Henning Bartels.
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 B UND E S WEHR & S TREITKRÄF TE I NTERN ATI O N AL
Aktuelle Entwicklungen beim
Sanitätsdienst der Bundeswehr
S
o wurden beispielsweise die verschie-
denen Laufbahnen, Verwendungen
und Verwendungsebenen im Sani-
tätsdienst einer kompletten Neuausrich-
tung unterzogen, geprägt von dem Leit-
gedanken, ein zukunftsgerichtetes Modell
zu entwickeln, welches den aktuellen
Forderungen an die Ausbildung, den Ver-
wendungsaufbau und die Entwicklungen
des zivilen Gesundheitswesens Rechnung
trägt, aber auch die Basis bildet für eine
durchgängige Werdegangssystematik für
alle Laufbahnen des Sanitätsdienstes der
Bundeswehr. Weiterhin galt es, die Grund-
lage dafür zu legen, die Agenda „Aktiv.
Attraktiv.Anders“ zielgerichtet zur Umset-
zung bringen zu können.
Um diesen Leitgedanken umsetzen zu kön-
nen, wurden für die Laufbahn der Offiziere
des Sanitätsdienstes vier grundlegende,
den unterschiedlichen Approbationen ent-
sprechende Verwendungsbereiche Me-
dizin, Zahnmedizin, Wehrpharmazie und
Veterinärwesen definiert. Darüber hinaus
wurde unter dem Stichwort „Fachleute
führen und organisieren den Fachdienst“
ein neuer Verwendungsbereich „Führung
und Management Gesundheitsversor-
gung“ konzipiert. Sanitätsoffiziere in die-
(Grafik/Fotos: ZSanDstBw)
sem Verwendungsbereich gestalten das
Umfeld national wie international, in dem
die fachliche Expertise möglichst optimiert
wirken kann und stellen das Bindeglied zu
den Streitkräften und Organisationsberei-
chen der Bundeswehr dar. Hier werden
Au to r
Generaloberstabsarzt
Dr. Michael Tempel ist Inspekteur
des Sanitätsdienstes der Bundeswehr.
48 Europäische Sicherheit & Technik · September 2017
Michael Tempel
Im letzten Jahr habe ich einen kurzen Überblick zu personellen wie ma-
teriellen Entwicklungen im Sanitätsdienst gegeben, die für eine dauer-
haft hochwertige Auftragserfüllung fortzuschreiben sind.
Dienstposten von Sanitätsoffizieren zu-
sammengefasst, die eine Systemexpertise
und eine Approbation gleich welcher Art
erfordern und aufgrund übergreifender
Führungs- und Managementfunktion kei-
nem der anderen Verwendungsbereiche
Verwendungsbereiche im Sani-
tätsdienst der Bundeswehr
ausschließlich zugeordnet werden können.
Dieser Verwendungsbereich speist sich aus
den vier grundlegenden Verwendungs-
bereichen. Sanitätsoffiziere, welche den
Lehrgang Generalstabsdienst/Admiralst-
absdienst absolvieren, werden vornehmlich
in diesem Verwendungsbereich eingesetzt.
Eine weitere Zielsetzung war es, das ho-
he Niveau der sanitätsdienstlichen Versor-
gung auch weiterhin aufrechtzuerhalten
bzw. weiterzuentwickeln. Daher ist die
Luftaufnahme der modularen Sanitätseinrichtung in Mali, Afrika
Facharztausbildung bzw. die Gebiets-
weiterbildung unverändert elementarer
Bestandteil im Verwendungsaufbau der
Sanitätsoffiziere. Das bedeutet, dass die
Ausbildung eines Facharztes für Allge-
meinmedizin, also der „bundeswehrinter-
ne Hausarzt“, mindestens elf Jahre (ohne
militärfachliche Anteile) dauert. Dieses Bei-
spiel zeigt, welches Gewicht der Sanitäts-
dienst der Bundeswehr dem Kernauftrag,
die anvertrauten Soldatinnen und Soldaten
bestmöglich zu versorgen, beimisst.
Mit einer neuen Bereichsvorschrift wurde
die Basis für eine strukturierte Verwen-
dungsplanung und -steuerung gelegt. Sie
ermöglicht die bedarfs- und qualifikations-
gerechte Entwicklung des Personalkörpers,
stellt eine verlässliche Planungsgrundlage
dar, verbessert die Transparenz der Per-
sonalentwicklung und leistet somit einen
wesentlichen Beitrag für die Leistungs- und
Zukunftsfähigkeit des Sanitätsdienstes der
Bundeswehr. Dabei wird mit der prä-, para-
und postuniversitären Ausbildung von Sa-
nitätsoffizieren der Bundeswehr eine solide
Grundlage für eine kompetenzorientierte,
zukunftsweisende Regelausbildung unse-
rer Sanitätsoffiziere gelegt.
Damit ist der Sanitätsdienst der Bundes-
wehr jedoch nur den ersten Schritt ge-
gangen. Aufbauend auf das im Mai 2017
erlassene Verwendungsaufbaukonzept der
Offiziere des Sanitätsdienstes wird zeitnah
ein Verwendungsaufbaukonzept für die
Unteroffiziere im Sanitätsdienst entwi-
ckelt. Außerdem wird das Verwendungs-
aufbaukonzept für die Offiziere des militär-
fachlichen Dienstes im Sanitätsdienst der
Bundeswehr an die zukünftigen Aufgaben
angepasst werden.

Zukunftsfähigkeit herstellen
Die Zukunftsfähigkeit des Sanitätsdienstes
der Bundeswehr hängt elementar davon
ab, dass die Menschen, die dort arbeiten,
dies gerne und mit Herzblut tun. Dazu
bedarf es neben einer bedarfsgerechten
Ausbildung auch eines transparenten und
nachvollziehbaren Personalmanagements.
Beide Anforderungen lassen sich auf der
Grundlage der bereits geschaffenen und
noch zu erarbeitenden Verwendungsauf- Containeraufbau einer modularen Sanitätseinrichtung des ZSanDstBw
baukonzepte erfüllen. im Rahmen einer Informationslehrübung
Der Sanitätsdienst der Bundeswehr ist in der
Rolle als attraktiver Arbeitgeber auf dem Personalmanagement, Vereinbarkeit Fami- Bundeswehr in München angestoßen.
Arbeitsmarkt für Gesundheitsfachberufe lie und Dienst, Ausbildung, Innere Führung, Mit dieser Tagung soll eine Sensibilisie-
wegweisend. Zum Thema Attraktivität ha- Informationsmanagement, Bekleidung und rung und Fokussierung auf die Schaffung
be ich im April 2017 eine Tagung „Frauen Ausrüstung. Diese Herausforderungen gilt eines vorurteilsfreien Arbeits- und Dienst-
im Sanitätsdienst der Bundeswehr – Fakten, es nun in laufende Projekte in den unter- verhältnisses sowie Chancengerechtigkeit
Chancen, Herausforderungen“ durchführen schiedlichen Zuständigkeiten umzusetzen. erreicht werden. Wenn es uns gelingt,
lassen. Der hier über Vorträge und Work- Ein weiteres, neues Format der Kommu- die Diversität verschiedener Attribute wie
shops erfolgte Austausch zwischen mili- nikation in diesem Jahr wurde mit der Herkunft, Kultur oder Glaubensrichtung
tärischen und zivilen Teilnehmerinnen der Tagung „Vielfalt im Sanitätsdienst – Mit- nachhaltig in den Dienst zu integrieren,
Bundeswehr resultierte in dem Fixieren von einander und Tolerant“ am 8. und 9. Au- so bin ich davon überzeugt, unsere Fä-
„100 Herausforderungen“ zu den Bereichen gust 2017 an der Sanitätsakademie der higkeit, weltweit zu operieren, vor dem

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OP-Bereich in einem Luftlanderettungszentrum
Hintergrund kultureller Vielfalt verbessern
zu können.
Neben personellen Maßnahmen erfordert
die verstärkte Ausrichtung auf die Landes-
und Bündnisverteidigung (LV/BV) auch
Luftlanderettungszentrum Sanitätsdienst
bei der Materialausstattung des Sanitäts-
dienstes umfangreiche Anpassungen, die
quantitativ entsprechend der vorläufigen
Vorgabe zur Anpassung des Fähigkeits-
profils der Bundeswehr heute noch nicht
abschließend bewertbar sind. Unzweideu-
tig ist allerdings, dass von fast allem, was
bisher vorhanden oder geplant ist, zukünf-
tig deutlich mehr gebraucht werden wird.
Dieser Aufwuchs wird über mehrere Jahre
und in Abhängigkeit von den finanziellen
Möglichkeiten erfolgen müssen.
Ausrüstung verbessern
Das bisher vorhandene Material und aktuell
zulaufende Ausstattungen stammen noch
aus der Zeit, als Auslandseinsätze im Rah-
men der internationalen Konfliktverhütung
und Krisenbewältigung ausstattungsbe-
gründend und ausstattungswirksam wa-
ren. Bis auf ganz wenige Ausnahmen sind
diese Ausstattungen auch für die LV/BV ge-
eignet. Sie bilden so die Basis für den erfor-
derlichen weiteren materiellen Aufwuchs.
Dies gilt z.B. für die bewährten, allerdings
bereits in die Jahre gekommenen, cont-
ainerisierten modularen Sanitätseinrich-
tungen (MSE), die mit ihren, dem zivilen
Stand entsprechenden Ausstattungen und
hochwertigen Medizingeräten in den Ret-
50 Europäische Sicherheit & Technik · September 2017
Einblick in ein Luftlanderettungszentrum Spezialeinsatz
tungszentren und verlegbaren Feldlazaret-
ten weiterhin für den Einsatz den Kern der
mobilen Behandlungseinrichtungen des
Zentralen Sanitätsdienstes der Bundeswehr
bilden.
Vergleichbares gilt auch für die ebenfalls
äußerst bewährten, gegenüber den MSE
jedoch leichteren und luftverlegbaren Be-
handlungseinrichtungen. Diese rein aus
Zeltsystemen bestehenden, luftverlegba-
ren Sanitätseinrichtungen sind gleichfalls
mit modernem Medizingerät ausgestattet.
Luftlanderettungszentren Spezialeinsatz,
die insbesondere zur Unterstützung von
Einsätzen der Spezialkräfte der Bundes-
wehr, der spezialisierten Kräfte und zur Un-
terstützung der militärischen Evakuierungs-
operationen vorgesehen sind, müssen als
Gesamtsystem noch realisiert werden. Ers-
te Anteile, die als sogenannte Basismodule
auch autark eingesetzt werden können,
sind zwischenzeitlich an das Kommando
Schnelle Einsatzkräfte Sanitätsdienst (Kdo
SES) in Leer ausgeliefert worden.
Ausbildung
Jetzt gilt es, unser Personal an den neuen
Basismodulen auszubilden, die Aufbau-,
Behandlungs-, und Betriebsprozesse zu
schulen und zu optimieren, um diese Sys-
teme, die derzeit die kleinste Funktions-
einheit einer Behandlungseinrichtung mit
notfallmedizinischer, notfallchirurgischer
und intensivmedizinischer Versorgungs-
möglichkeit darstellen, zur vollen Einsatz-
fähigkeit zu bringen. Das Gesamtgewicht
dieser Basismodule beträgt nur ca. 1,5
Tonnen und ermöglicht aufgrund der da-
mit einhergehenden schnellen Verlegungs-
möglichkeit z.B. mittels Hubschrauber eine
deutliche Erweiterung der bisherigen Fähig-
keiten des Kdo SES.
Die verfügbaren sanitätsdienstlichen Be-
handlungseinrichtungen der Behandlungs-
ebene 2 für den Einsatz sind bislang alle
ungeschützt; die geschützten Rettungssta-
tionen zählen zur Behandlungsebene 1. Im
Hinblick auf Einsätze im Rahmen LV/BV be-
dürfen sie dringend einer Ergänzung durch
geschützte, hochmobile Behandlungs-
einrichtungen, um das Ziel zu erreichen,
Heeresverbänden im Gefecht räumlich
nah folgen und Patienten unter Einhaltung
strikter fachlich relevanter Zeitvorgaben ei-
ner ersten notfallchirurgischen Versorgung
zuführen zu können. Hier befinden wir uns
noch in einer relativ frühen Planungsphase.
Die Realisierung erster Systeme wird noch
einige Jahre in Anspruch nehmen.
Des weiteren wird die qualitative Lücke,
die zwischen den leichten geschützten
Fahrzeugen Eagle IV und den schweren
geschützten Fahrzeugen Boxer besteht,
durch ein mittleres geschütztes Patienten-
transportfahrzeug in den nächsten Jahren
absehbar geschlossen werden können.
Alle diese Fahrzeuge verfügen über ein
modernes Patientenmonitoring und eine
moderne rettungsmedizinische, grund-
sätzlich DIN-gerechte Ausstattung, wie sie
vergleichbar auch für zivile Rettungswagen
in Deutschland vorgesehen ist. Mit Blick auf
die Ausrichtung Landes- und Bündnisver-
teidigung zeigt sich allerdings bei diesen
geschützten Patiententransportfahrzeu-
gen ein noch erheblicher quantitativer
Nachholbedarf.
Zusammengefasst legen wir mit dem hier
aufgezeigten, eingeschlagenen Weg nach
meiner Bewertung ein solides Fundament
zur Weiterentwicklung des sanitätsdienst-
lichen Fähigkeitsportfolios an sicherheitsre-
levante Rahmenbedingungen. Wir werden
so auf die Forderungen der nächsten Jahre
weiterhin erfolgreich reagieren können. L
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Der Mehrjahresplan „Gideon” –
warum und wie
(Fotos: IDF)
D
ie Tatsache, dass den IDF ein sol-
cher Plan fehlte, verursachte meh-
rere Probleme: Schwierigkeiten bei
der Langzeitplanung, negative Auswir-
kungen auf die Effektivität der Streitkräf-
te und Probleme bei der Maximierung
der Ressourcennutzung, dauerhafte Ein-
schränkung der Bereitschaft der IDF in
Notfällen und Beschädigungen der IDF
insgesamt und derer, die in ihnen dienen,
als Folge eines breiten öffentlichen Dis-
kurs zu Finanzen und Ressourcen (anstatt
von Verteidigungsleistungen). All dies
schadet dem Vertrauen der Bevölkerung
in die IDF.
Demzufolge wurde die Aufstellung dieses
Plans als ein Schlüsselvorhaben innerhalb
der IDF bestimmt. Vor Kurzem haben die
IDF die Mitte des zweiten Planjahres er-
reicht. Die Auswirkungen des Plans kön-
nen in vielen Bereichen der IDF wahrge-
nommen werden, besonders wichtig ist
dabei die operative Einsatzbereitschaft
aller wesentlichen Kontingente. Dieser
Beitrag erläutert den Prozess der Aufstel-
lung des Mehrjahresplans sowie die Prin-
Au to r
Generalleutnant Gadi Eisenkot ist
der Oberbefehlshaber der israelischen
Streitkräfte.
52 Europäische Sicherheit & Technik · September 2017
Gadi Eisenkot
Die Notwendigkeit, einen Mehrjahresplan für die israelischen Streit-
kräfte (Israel Defence Forces, IDF) aufzustellen, verlangte eine Analyse
von Einsatzerfordernissen und folgerichtig der Planung der Streitkräf-
teentwicklung der IDF. Seit dem Tefen-Plan aus dem Jahr 2007 hat es
für die IDF keinen Mehrjahresplan gegeben.
zipien, die den Prozess hinsichtlich seiner
Ausgestaltung, Planung und Ausführung
geleitet haben.
Ausschlaggebende Faktoren
Die Streitkräfteentwicklung der IDF und die
Einsatzprozesse wurden von einer Reihe
Schlüsselfaktoren begleitet.
Erhebliche Veränderungen bei der re-
gionalen Bedrohungswahrnehmung
Einhergehend mit einer Reduzierung des
Status und der Stärke unserer Nachbar-
staaten hat das Fehlen von Führungsfä-
higkeit ihrer Regierungen das Wachsen
von Organisationen ermöglicht, die neue
Bedrohungen mit neuen Eigenschaften
hervorbringen. Diese Herausforderung ist
Teil einer Serie von Herausforderungen,
darunter eine erhöhte Wahrscheinlichkeit,
dass sich die Lage in der palästinensischen
Arena verschlechtert, die fortschreitende
militärische Aufrüstung der Hisbollah im
Norden und auch die gestiegene Bedro-
hung durch Flugkörper, Raketen und unter-
irdische Waffen. Daneben ist die negative
Rolle Irans als einflussreicher und mächtiger
Faktor in Stellvertreterkriegen gegen Israel
bekannt – sowohl durch seine Beteiligung
an den Kämpfen in Syrien als auch die Un-
terstützung, die er terroristischen Akteuren
gewährt. Diese Trends haben zu verstärk-
ten subkonventionellen und Cyber-Bedro-
hungen gegen den Staat Israel geführt.
Fähigkeiten der IDF
Die streitkräftegemeinsamen Fähigkei-
ten der IDF zur Erfüllung ihres Auftrags
reichen aus, um mit den erkannten, defi-
nierten Bedrohungen umzugehen, und sie
entfalten sogar abschreckende Wirkung
bei unseren Gegnern. Aufgrund dieser
Fähigkeiten vertrauen wir auf unsere mili-
tärische Einsatzbereitschaft verbunden mit
der permanenten Notwendigkeit, unsere
Gefechtsbereitschaft und -tauglichkeit für
alle größeren Kontingente zu verbessern.
Im Laufe der Jahre ist es den IDF schwer
gefallen, das Niveau dieser Gefechtsbe-
reitschaft und -tauglichkeit der vorrangi-
gen Kampftruppen aufrechtzuerhalten
aufgrund der Schwierigkeiten, ein nach-
haltiges Ausbildungsprogramm zu imple-
mentieren. Grund dafür waren die operati-
onellen Anforderungen an die meisten der
Kampftruppen für Routineeinsätze und der
Mangel an Ausstattung und Ersatzteilen als
Folge der für die Bodentruppen charakte-
ristischen Abnutzung der Ausrüstung. Das
führte zu einem schleichenden Abbau der
Einsatzbereitschaft der IDF, ihre Aufgaben
wahrzunehmen und ihre Aufträge durch-
zuführen.
Geänderte nationale Prioritäten
Im Laufe der Jahre hat sich ein breiter na-
tionaler Diskurs zur Änderung nationaler
Prioritäten zugunsten von sozioökonomi-
schen Faktoren entwickelt neben der Not-
wendigkeit, die Verteidigungsfähigkeit auf
hohem Niveau aufrechtzuerhalten. Zudem
hatte die Regierung Israels beschlossen, die
Wehrpflicht um vier Monate zu verkürzen
und die Empfehlung einer Regierungskom-
mission aus dem Juni 2015 zu veröffentli-
chen, die den Druck auf die IDF verstärkte,
erhebliche strukturelle Veränderungen zu
vollziehen und die Führung der Organi-
sation zu ändern. Das alles fand in einer
komplexen Ressourcenrealität statt, die
einige Jahre anhielt und die IDF zu erheb-
lichen Effizienz- und Verschlankungspro-
zessen zwang, um mit den zugewiesenen
Ressourcen zurechtzukommen und die
Entwicklung der Streitkräftepotenziale zu
ermöglichen.
Über die Jahre hat sich eine wachsende
Lücke zwischen der Notwendigkeit für
Mehrjahrespläne und den ständig verfüg-

baren Ressourcen für deren Umsetzung
entwickelt. Diese Lücke hat die Einbezie-
hung aller notwendigen Faktoren für die
Entwicklung der Streitkräfte im Rahmen
eines organisierten Planes verhindert. Die
Tatsache, dass die Ressourcen nicht mit
einer Mehrjahresperspektive zugewiesen
werden, verhindert nicht nur die Umset-
zung von Programmen und eine Planung
über mehrere Jahre hinweg; sie führt auch
zu einer ständigen Lücke bei der Einsatzbe-
reitschaft. Also hat sich über die Jahre eine
Vertrauenskrise einerseits zwischen IDF
und Verteidigungsministerium entwickelt,
andererseits auch zwischen dem Finanzmi-
nisterium und seinen Mitarbeitern. Dieser
Vorgang beeinflusste auch das Vertrauen
der Öffentlichkeit in die IDF und die Wahr-
nehmung von IDF-Angehörigen in der
Öffentlichkeit. Im Verlauf des Prozesses,
der die Aufstellung des Mehrjahresplans
begleitete, erzielten Verteidigungs- und
Finanzministerium eine Übereinkunft, die
die erste ihrer Art war und die viele Pro-
bleme addressierte, die zuvor jahrelang
Gegenstand unterschiedlicher Auffassun-
gen waren. Als Ergebnis dieses Prozesses
erhielten die IDF ein stabiles, dauerhaftes
und genehmigtes Budget für jedes Jahr des
Mehrjahresplans.
Vision der IDF
Als Grundlage für diesen Prozess nach der
Konzeptionsphase formulierten die IDF ei-
ne Vision für den Mehrjahresplan, die fest-
legt, wo die IDF nach Abschluss des Pro-
zesses im Jahr 2020 sein sollen. Die Vision
lautet folgendermaßen:
Ein kämpffähiges, hoch qualifiziertes, ein-
satzbereites und leistungsfähiges Militär,
das seine Feinde besiegt und Fähigkeiten
für zukünftige Bedrohungen entwickelt,
Karakal-Wintertraining der Israel Defence Force
B UND E S WEHR & S TREITKRÄF TE I NTERN ATI O N AL 
die im militärischen Umfeld wahrscheinlich
auftreten werden. Eine nationale „Armee
des Volkes“ auf der Grundlage hoher Qua-
lität, engagierten und ausgebildeten Per-
sonals, hochqualifizierter Plattformen und
einer verbesserten und professionellen
Führung am Boden, in der Luft, auf See
und im Cyber-Raum. Eine Armee auf der
Das Flugabwehrsystem Iron Dome beim Einsatz gegen Raketenangriffe
aus dem Gazastreifen
Basis von Missionen, Gefechtsbereitschaft
und angemessenen und aufgabengerech-
ten Fähigkeiten. Ein bescheidenes Militär,
verankert in einer effizienten organisatori-
schen Kultur, das das Vertrauen der Öffent-
lichkeit genießt.
Diese Vision musste als Kompass für alle
Prozesse des Mehrjahresplans dienen.
Strategie zu Beginn
Parallel zum Entwurf des Mehrjahresplans
erstellten wir das Dokument IDF Strategy,
das im Kern die Prinzipien für Streitkräfte-
einsatz und Streitkräfteentwicklung defi-
September 2017 · Europäische Sicherheit & Technik
nierte. Generell war es geraten, die Strate-
gie für die IDF auf der Grundlage von Israels
geltender Verteidigungskonzeption zu for-
mulieren. Das neue Dokument ist von gro-
ßer Wichtigkeit, und im Kern schafft es eine
gemeinsame Sprache für diejenigen, die in
der IDF wie außerhalb dienen. Es begleitet
alle militärischen Anstrengungen von der
Planung strategischer Prozesse über die
Ausbildung des Offizierkorps und bis hin
zum letzten Soldaten. Die Wichtigkeit des
Dokuments ergibt sich aus der Tatsache,
dass operative Pläne und operationelle
Konzepte für den Streitkräfteeinsatz im
Führungsstab daraus abgeleitet werden.
Angesichts der Wichtigkeit des Dokuments
und unter Berücksichtigung der Notwen-
digkeit, die Öffentlichkeit über die Missi-
onen der IDF zu informieren, entschieden
wir uns erstmalig dafür, eine nicht einge-
stufte Version der IDF-Strategie zu veröf-
fentlichen. Zurzeit haben wir unter Berück-
sichtigung von operationellen Erfordernis-
sen und vor allem wegen des Anliegens,
die Relevanz des Dokuments für Prozesse
innerhalb der IDF sicherzustellen, damit be-
gonnen, die IDF-Strategie zu überarbeiten
und beabsichtigen eine aktualisierte Versi-
on im Laufe des Jahrs 2018 zu veröffent-
lichen.
Die Prinzipien des Mehr-
jahresplans
Im Zuge der Entwicklung des Mehrjah-
resplans wurden mehrere Prinzipien als
Grundlage für den Plan festgelegt, die
Kommandeuren aller Ebenen dazu dienen
sollen, die aus dem Plan entwickelten Ar-
beitsprozesse umzusetzen. Diese Prinzipien
umfassen mehrere Elemente.
Priorisierung der Einsatzbereitschaft:
Die Einstufung dieser Bereitschaft an der
53
 B UND E S WEHR & S TREITKRÄF TE I NTERN ATI O N AL
Spitze der Prioritäten bei gleichzeitigem
Augenmerk auf die Durchführung eines
Ausbildungsplans, die Beschaffung der
Ausstattung und von Ersatzteilen und die
Vermeidung von Leistungsverlusten beim
Material während des Mehrjahresplans.
Zugleich ging es um die Entwicklung einer
langfristigen Perspektive zur Verbesserung
der Gefechtsvorbereitung und der Verteidi-
gungsinfrastruktur.
Abgestufte Gefechtsbereitschaft: Die
eingeschränkten Ressourcen und das An-
liegen, sie effektiv und effizient zu nutzen,
erfordert eine akribische und klare Priori-
sierung des Aufbaus entscheidender mili-
tärischer Stärke im Gegensatz zu sektoraler
oder raumbezogener militärischer Stärke.
Dynamische Bereitschaft: Aufrechter-
haltung einer Bereitschaft für die Möglich-
keit einer Lageverschlechterung innerhalb
kurzer Zeit als ein Konzept, das auf vorhan-
denen Fähigkeiten und einer grundsätzli-
chen Gefechtsbereitschaft fußt, und das in
einer Art und Weise, die auch langfristige
Streitkräfteentwicklungsprozesse zulässt.
Risikomanagement: Verständnis dafür,
dass es ein wichtiges Zeitfenster gibt, das
ein ausgeklügeltes Risikomanagement er-
möglicht und derzeit nicht erforderliche
Investitionen vermeidet. Damit einherge-
hend die Freisetzung von Ressourcen für
langfristige Investitionen, die wahrschein-
lich kurzfristig zu einem Abbau von Fähig-
keiten führen, aber langfristig den schnel-
len Aufwuchs von Fähigkeiten versprechen.
Schwerpunkt: Das Verständnis, dass alle
Rahmenbedingungen den Schwerpunkt
bei den Kernaufträgen setzen und Abwei-
chungen von diesen Aktivitäten vermieden
werden müssen.
Ein israelischer Soldat wirft eine Handgranate in einen Bunker
der Hisbollah.
54 Europäische Sicherheit & Technik · September 2017
Israelischer Kampfpanzer vom Typ Merkava Mk.IV
Denken vor dem Handeln: Von großer
Bedeutung sind ernsthafte Gestaltungs-
prozesse, die Analyse von Alternativen und
eine wohlüberlegte Wahl aus den Hand-
lungsmöglichkeiten, getragen von dem
Verlangen, signifikante und erfolgreiche
Entscheidungen zu treffen.
Der richtige Weg: Die Vermeidung von
Kompromissen, die zustande kommen,
weil Spannungen vermieden werden sol-
len; das Treffen und die Umsetzung rich-
tiger Entscheidungen, die der Organisa-
tion dienen, auch wenn sie kurzfristig zu
Missstimmigkeiten führen können. Diese
Auffassung gründet auf dem Verständnis,
dass aus jeder Gelegenheit der bestmögli-
che Nutzen gezogen werden muss.
Jointness: Streitkräftegemeinsame und
streitkräfteübergreifende Lösungen als
ein Konzept, das der operativen Effektivi-
tät und der Maximierung mit verfügbaren
Ressourcen dient.
Schlüsselelemente des Plans
Das Schlüsselelement des Plans, das voll-
ständige und eindeutige Priorität vor den
anderen Elementen hat, ist die Bereitschaft
der IDF zur Landesverteidigung und zum
Sieg im Falle eines Krieges. Mit dieser Fest-
legung umfasst der Plan ein breites Ausbil-
dungsprogramm und zielt auf die Beschaf-
fung und Maximierung von Ausstattung
und Ersatzteilen im Rahmen eines Planungs-
prozesses, um unsere Operationspläne ziel-
gerichtet in einer Weise zu organisieren, die
die Fähigkeiten der IDF effektiv ausnutzt
und unserem Verständnis entspricht, wie
zukünftig Kriege gewonnen werden. Be-
reits 2016 wurde eine Priorisierung umge-
setzt. Dazu zählen Vorrang für Bereitschaft,
eine Steigerung der Anzahl von Übungen
für die regulären Kräfte, die Umsetzung
eines erweiterten Trainingsprogramms für
die Reservisten, Beschaffungsmaßnah-
men, die Definition des erforderlichen Gra-
des der Einsatzbereitschaft innerhalb der
Teilstreitkräfte und eine umfassende bud-
getäre Deckung des Ausbildungsbedarfs
der Bodentruppen. 2017 werden wir die
Prozesse zur Verbesserung der Bereitschaft
fortführen auf der Grundlage einer Übung
im nördlichen Kommando (die erste Übung
auf Korps-Ebene der IDF seit 18 Jahren),
ebenso wie mit der Weiterführung eines
fortschrittlichen Prozesses, mit dem wir
einen Ausbildungszyklus von 17 Wochen
für operative Stabsarbeit implementieren,
gefolgt von 17 Wochen Ausbildung für die
Manövertruppen an vorderster Front.
Was die Truppenstärke der IDF betrifft, in
Verbindung mit der Notwendigkeit, die
Anzahl der professionellen Soldaten so-
wie der Reservisten der IDF zu reduzieren
und darüber hinaus der Tatsache, dass die
Zahl der Wehrpflichtigen aufgrund der Ver-
kürzung der Wehrdienstzeit zurückgehen
wird, war es notwendig, die Förderung de-
rer im aktiven Dienst sicherzustellen. Die
Betonung liegt dabei auf der maximalen
Ausgestaltung des Dienstes der Wehr-
pflichtigen und derer, die erstmals unter
Vertrag in einer Freiwilligenarmee stehen.
Zeit- und Berufssoldaten standen im Zent-
rum mehrerer Entscheidungen, die im Rah-
men des Mehrjahresplans der IDF getroffen
wurden, dabei vor allem: die Verringerung
der Berufssoldaten auf 40.000, die Einfüh-
rung eines neuen Modells für den Dienst
der Zeit- und Berufssoldaten und die An-
kurbelung eines Diskurs über die gesamten
Personalkosten der IDF. Daneben wurden
wesentliche Schritte unternommen, um
qualifiziertes Personal in den IDF zu hal-
ten durch die Bereitstellung erheblicher
zweckbezogener Ressourcen, die Umset-
zung einer Soldregelung für Unteroffiziere,
und kürzlich wurde eine Soldregelung für
den Zeitraum des Erstvertrags von Zeit- und
Übung von Artillerie-, Infanterie- und Panzertruppen auf dem Golan
Berufssoldaten unterzeichnet. Das alles ist
Ausdruck der Schwerpunktsetzung des
Plans auf die Qualität der Behandlung des
IDF-Personals und deren Aufrechterhaltung.
Eine weitere einzigartige Herausforderung
ergibt sich aus der Wehrpflicht angesichts
der Tatsache, dass nur 67 Prozent der
Wehrpflichtigen aus den verschiedenen
Bevölkerungsschichten des Staates einge-
zogen werden, und von denen Tausende
vor dem Ende des Militärdienstes ausstei-
gen. Um mit diesem Trend umzugehen,
sind eine Reihe von Schritten unternom-
Wüstentraining im Süden Israels
men worden, um die Personalgewinnung
zu beleben. Dazu wurden an Soldaten
gezahlte Stipendien erhöht und wurde
ein Plan „Von der Uniform zum Studium“
entwickelt, der denen Respekt zollen soll,
die ihren Dienst vollumfänglich versehen.
Im Sinne von Professionalität und Qualität
wurde im Rahmen des Plans großer Wert
auf die Organisation und Struktur der IDF
gelegt, um die Vision umsetzen zu können,
auf der der Mehrjahresplan basiert. Es wur-
de ein Verständnis für die offensichtliche
Notwendigkeit entwickelt, Strukturen der
IDF zu ändern und zwar aus dem Bestreben
heraus, sich auf die erwarteten Kernmis-
sionen zu konzentrieren und gleichzeitig
Duplizierung zu vermeiden, die Größe der
Armee ihren Missionen anzupassen und
ihre Strukturen zu straffen. Auf der Grund-
lage dieses Konzepts wurde eine Reihe von
Schritten im Bereich der Organisation fest-
gelegt, die zum Gegenstand hatten, den
Umfang der IDF zu verringern, die Struktur
der Kommandostäbe zu verändern, nicht
zu Kernaufträgen gehörende Bereiche zu
reduzieren (Verhaltenswissenschaft, Fi-
nanzen, Recht etc.), andere Bereiche ab-
zuschaffen (militärische Internatsschulen),
die Gefechtsgliederung abschließend an-
September 2017 · Europäische Sicherheit & Technik
zupassen (z.B. Schließung von Artillerieein-
heiten, einem F-16-Geschwader und Dis-
triktkommandos für die Heimatfront), die
Aufstellung einer Kommandobrigade, aber
die Aufstellung einer Führungsschule und
die Erhöhung der Anzahl der Grenzschutz-
bataillone auf vier Bataillone. Damit einher-
gehend läuft das Zusammenfügen der Stä-
be des Ground Force Command und des
Technological and Logistics Directorate,
begründet in dem Bestreben, die Aktivitä-
ten der Bodentruppen in ihrer Gesamtheit
zu stärken. Zurzeit wird Stabsarbeit für den
Aufbau der Cyber Defence-Organisation
geleistet, deren Aufstellung verhältnismä-
ßig langsam vor sich geht mit Blick auf
die Herausforderungen dieser Dimension.
Jedoch wurde bereits definiert, welche
Prozesse nötig sind, um die erwarteten
Verbesserungen im Rahmen des Mehrjah-
resplans zu erzielen.
Auch wenn der Mehrjahresplan der militäri-
schen Rüstung nur eine sekundäre Priorität
zuweist, erhält die Rüstung angesichts der
in den vergangenen Jahren aufgelegten
Beschaffungsvorhaben einen erheblichen
Anteil an den Ressourcen. Die israelische
Verteidigungsindustrie entwickelt bahn-
brechende Fähigkeiten, die ein gewaltiges
Spektrum an Rüstungsoptionen verspricht.
Im Sinne des Mehrjahresplans Gideon
muss der Rüstungsprozess jedoch auf Kräf-
temultiplikatoren und der Entwicklung von
teilstreitkraftübergreifenden sowie vorhan-
denen Fähigkeiten basieren oder denjeni-
gen, die erwartungsgemäß im Laufe des
Mehrjahresplans in Dienst gestellt werden.
Ein deutliches Beispiel hierfür ist der Kräfte-
aufwuchs in der Cyber-Domäne.
Die Durchführung – der
grundlegende Test
Der Prozess der Ausformulierung und
Planung des Mehrjahresplans war der
Schwerpunkt der Aktivitäten, deren Höhe-
punkt die Genehmigung des Gideon-Plans
durch das Sicherheitskabinett am 20. Ap-
ril 2016 war. Während dieser ganzen Zeit
55

Gefechtstraining von Teilnehmern eines Infanterie-Offizierskurses
gab es das klare Verständnis, dass unab-
hängig von der Qualität des Planungs-
prozesses die eigentliche Prüfung die
Durchführung des Mehrjahresplans sein
wird – wie bei jeder militärischen Aktion.
In diesem Konzept wurden verschiedene
Prinzipien definiert: der Vorrang des Mehr-
jahresplans Gideon, der Mehrjahresplan
und seine Inhalte sind der maßgebliche
Prozess für die IDF, und der Generalstab
trägt die Verantwortung, die Durchfüh-
rung des Plans zu sichern. Kleine Erfolge:
Wegen früherer Enttäuschungen gibt es
große Schwierigkeiten beim IDF-Personal,
Veränderungsfähigkeiten anzunehmen.
Dementsprechend wurde eine Reihe von
Entscheidungen getroffen, die sofort um-
gesetzt werden konnten und damit die
Ernsthaftigkeit des Plans dokumentieren.
Kontrolle und Überwachung: eines der
entscheidenden Werkzeuge für die Durch-
führung ist ein Prozess der methodische
Kontrolle und Überwachung durch den
Generalstab und auch mich selbst ganz
persönlich: Jede Woche widme ich etliche
Stunden der Durchführung der vorgege-
benen Prozesse. Schließlich ist da die Not-
wendigkeit, das Personal zu motivieren:
Die Veränderung wird vor allem anderen
durch IDF-Personal herbeigeführt. Daher
ist es von großer Wichtigkeit, sie im Rah-
men von internen Erklärungsprozessen zu
motivieren, damit sie an den Plan glauben
und ihn in ihren Einheiten auf der Grundla-
ge seiner Prinzipien voranbringen.
Am 1. Oktober 2015 wurden Rabbi Eitam
and Naama Henkin getötet. Dieser Vorfall
war der Beginn einer Terrorwelle mit ein-
zigartigen Eigenschaften. Diese Welle be-
gleitete die IDF-Aktivitäten durch das Jahr
2016 und stellte in der Praxis eine doppelte
Herausforderung für die IDF dar, einerseits
das Erfordernis, neben dem Tagesgeschäft
ein einzigartiges Präventivkonzept zu for-
mulieren, andererseits die Notwendigkeit,
den Prozess der Streitkräfteentwicklung
weiterzuführen, der mit dem Mehrjahres-
plan vorgegeben war. Dementsprechend
wurden im Laufe des Jahres verschiedene
Anpassungen und Veränderungen vorge-
nommen, aber die grundsätzlichen Prinzi-
pien und die Vision des Mehrjahresplans
blieben erhalten, was für die IDF Planungs-
sicherheit bedeutete.
Schlussfolgerung
Der Mehrjahresplan Gideon basiert auf
kontinuierlicher Streitkräfteentwicklung
über viele Jahre. Die getroffenen Entschei-
dungen und allgemeinen Weisungen sind
den Soldaten und Kommandeuren der IDF
im Kern bekannt und bilden die Grundlage
für die Aktivitäten der IDF. Nichtsdestotrotz
gibt es noch eine große Lücke zwischen der
Erklärung bestimmter Elemente des Plans
für IDF-Angehörige und dem Verständnis
von Entscheidungen, die im Bestreben ge-
troffen wurden, die Kommandoebenen
mit den Prozessen des Plans zu verknüp-
fen. In der Erkenntnis, dass die IDF sogar
noch längerfristigerer Planungen bedürfen,
haben wir begonnen, einen Plan IDF 2030
zu entwerfen. Im Kern konzentriert sich
dieser Plan auf Rüstungsprozesse im Rah-
men US-amerikanischer Militärhilfe sowie
weiterer Prozesse mit Schwerpunkt beim
Personalwesen. Daneben arbeiten wir auch
an der Formulierung einer Fortschrittsstra-
tegie, mit der Bereiche und Ansätze analy-
siert werden sollen, bei denen die IDF auf
der Grundlage zukünftiger Perspektiven
erhebliche Fortschritte machen müssen.
Der Mehrjahresplan Gideon ist der ent-
scheidende Prozess, der für die IDF die
Prinzipien der Streitkräfteentwicklung und
seiner begleitenden Maßnahmen festlegt.
Zuvörderst stellt er jedoch einen Vertrag
zwischen den IDF und ihren Angehörigen
und der israelischen Öffentlichkeit dar –
ein Vertrag, laut dem die IDF Risiken be-
wältigen, Veränderungen herbeiführen
und daran arbeiten, ihre Bereitschaft und
Transparenz zu verbessern, während sie
gleichzeitig bedeutende und nie dagewe-
sene Prozesse durchführen.
Man sollte sich vor Augen führen, dass
neben Streitkräfteentwicklungsprozessen
und unabhängig von deren Qualität Siege
der IDF zuvörderst durch die Angehörigen
der IDF errungen werden: die Qualität der
Kommandeure, die Art und Weise, wie sie
ihre Missionen durchführen, ihr Sinn für
das Gefecht und der ihrer Untergebenen,
die Art und Weise, wie sie Entscheidun-
gen treffen, ihre verantwortlich durchge-
führten Maßnahmen, Professionalität und
ethisches Verhalten bei der Durchführung
ihrer Missionen zur Erreichung ihrer Ziele
und um Kriege zu gewinnen L
 The Partner You Can Count On ™

Advanced Anti-Radiation
Guided Missile
AGM-88E AARGM: Eine Waffe gegen eine Vielzahl von
komplexen Zielen, die über größere Entfernung und damit
außerhalb der Reichweite der gegnerischen Luftabwehr
eingesetzt werden kann.

Neutralisierung der gegnerischen Luftverteidigung: Ein Luft-Boden Lenkflugkörper vom Typ

Advanced Anti-Radiation Guided Missile (AGM-88E) trifft sein Ziel während einer Schießübung
auf dem Testgelände der US Marine in China Lake, Kalifornien.

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 B UND E S WEHR & S TREITKRÄF TE I NTERN ATI O N AL

Das Framework Nations Concept

Modell für eine moderne europäische Fähigkeitsentwicklung

Erhard Bühler

Auf die Veränderungen im sicherheitspolitischen Umfeld Europas mehrjährigen zyklischen Verfahren des
NATO-Verteidigungsplanungsprozesses
hat die NATO mit den Gipfelbeschlüssen von Wales im Jahr 2014 und (engl.: NATO Defence Planning Process,
Warschau im Jahr 2016 reagiert und grundlegende Richtungsent- NDPP) für jedes Mitglied individuell entwi-
ckelten Planungsziele auf und verbessert
scheidungen getroffen, die die Sicherheitsvorsorge der Allianz neu
durch eine enge systematische Koopera-
ausrichteten. tion und gemeinschaftliche Abstimmung
die Zielerreichung aller Beteiligten. In der

E
in wesentliches Element des Schluss-
kommuniqués 2016 ist der Readiness
Action Plan (RAP) der NATO mit den
zwei Linien Rückversicherung (engl.: As-
surance) und Anpassung (engl.: Adaption),
die in toto der Stärkung der Verteidigungs-
und Abschreckungsfähigkeit der Allianz
dienen. Während die zum Teil bereits
umgesetzten Sofortmaßnahmen auf den
sichtbaren Schutz der Alliierten gerichtet
(Grafiken/Foto: BMVg)
eine Reihe europäischer Staaten durch die
kontinuierliche Reduzierung ihrer Streit-
kräfte in Teilen die Fähigkeit eingebüßt,
auf der oberen taktischen Ebene in inten-
siven Verteidigungsoperationen zusam-
menzuwirken. Zweitens werden die für
diesen Einsatz erforderlichen Fähigkeiten
in der Entwicklung, Beschaffung sowie im
Betrieb immer teurer, so dass nicht mehr
Umsetzung wurde dazu seit 2014 eine
Zusammenarbeitsarchitektur der Verteidi-
gungsplaner etabliert, die mit regelmäßi-
gen Treffen die politische Entscheidungs-
ebene der Verteidigungsminister mit den
Durchführungsebenen der Streitkräfte der
teilnehmenden Nationen verbindet. Die
Zweckbindung an NATO-Planungsziele so-
wie die effiziente Vernetzung überzeugten
im politischen wie im militärischen Raum

sind, geht es mittel- bis langfristig auch um

die Anpassung des gesamten Fähigkeits-
dispositivs der Allianz mit dem Ziel eines
qualitativ wie quantitativ besseren Reakti-
onsvermögens der NATO-Streitkräfte.
In diesem Kontext ist es Deutschland früh-
zeitig gelungen, für bereits existierende
Planungsabsichten, wie von der NATO pri-
orisierte Fähigkeitslücken in einem multina-
tionalen Kooperationsmodell geschlossen
werden könnten, im Bündnis zu werben.
Dieses deutsche Rahmennationen-Kon-
zept (engl.: Framework Nations Concept,
FNC) wurde im Juni 2014 beim Treffen der
NATO-Verteidigungsminister vorgestellt
und fand so großen Zuspruch, dass es we-
nige Monate später von den Staats- und
Regierungschefs der NATO-Mitgliedstaa-
ten auf dem Gipfel in Wales gebilligt wurde.
In einem Brief an den Generalsekretär der
NATO haben zunächst zehn europäische
Partner formal ihre Bereitschaft erklärt, in
der von Deutschland moderierten Gruppe
eine Zusammenarbeitsarchitektur zu ent-
wickeln, die in Europa eine neue Qualität
der gemeinsamen Fähigkeitsentwicklung
darstellt.
Leitgedanken der FNC-Initiative waren vor
allem drei Grundannahmen. Erstens haben
Au to r
Generalleutnant Erhard Bühler ist
Abteilungsleiter Planung im BMVg.
FNC-Fähigkeitscluster in den Bereichen:
• Logistik
• Medizinische Unterstützung
• Verteidigung gegen chemische, biologische, nukleare und Strahlungsbedrohung
• Zivil-militärische Zusammenarbeit
• Verlegefähige Kommunikationsnetzwerke
• Teilstreitkraftgemeinsame Feuerunterstützung
• Führung und Steuerung von Luftstreitkräften
• Verlegefähige Module zum Flugplatzbetrieb
• Abwehr von Unterseebooten
• Luftverteidigung
• Raketenabwehr
• Aufklärung
• Unterstützung mit geographischen, meteorologischen, ozeanographischen Daten
Als FNC-Rahmennation bietet Deutschland in allen Domänen Koopera-
tionsangebote zur multinationalen Fähigkeitsentwicklung an und stellt
dazu die notwendigen Kräfte und Strukturen bereit.
jede Nation in Europa willens und in der sehr schnell und können bereits jetzt als
Lage ist, ein modernes Fähigkeitsprofil in wesentliche Erfolgsfaktoren der FNC-Initi-
ihren Streitkräften zu unterhalten. Drit- ative identifiziert werden.
tens wurde immer offenkundiger, dass die Die Aufgabe der Rahmennation als trei-
häufig präferierte bilaterale Gelegenheits- bende Kraft der Koordination und Integ-
kooperation in der Fähigkeitsentwicklung ration ist es, die ihr selbst zugewiesenen
für die auf dem Gipfel von Warschau 2016 Planungsziele autark zu erfüllen, zugleich
beschlossenen Zielsetzungen der NATO aber ein möglichst breites Fähigkeitspro-
weniger gut geeignet ist, da sie weder sys- fil zur Kooperation anzubieten, das den
tematisch Fähigkeitslücken schließt noch FNC-Partnern das Einbringen ihrer jeweili-
die gemeinsamen Projekte in einen Bezugs- gen aktuellen Fähigkeiten erlaubt und die
rahmen der Allianz stellt. harmonisierte Weiterentwicklung struktu-
Es ist insbesondere diese dritte Einsicht, riert anlegt. Dadurch erhalten auch Natio-
die die deutsche FNC-Initiative erfolgreich nen, die sich zu einer Spezialisierung ihres
adressiert. Das FNC nimmt die in einem Fähigkeitsprofils entschieden haben, eine

58 Europäische Sicherheit & Technik · September 2017

 B UND E S WEHR & S TREITKRÄF TE I NTERN ATI O N AL 

neuartige Möglichkeit, ihre Verteidigungs- NATO priorisiert wurden, in multinationaler keit geben kann. Dadurch leistet das FNC
anstrengungen systematisch an gemein- Anstrengung schnellstmöglich zu schließen. einen signifikanten Beitrag zur Glaubwür-
schaftlichen Kooperationszielen zu orien- Der Fortschritt in den FNC-Fähigkeitsclus- digkeit konventioneller Abschreckung und
tieren, ohne ihre nationale Planungshoheit tern ist unterschiedlich und hängt auch Verteidigung.
aufgeben zu müssen. Durch die FNC-Initi- davon ab, ob zunächst grundlegende Gemeinsam haben die FNC-Partner 2016
ative werden so mittel- bis langfristig die technologische Entwicklungen zu leisten den Aufbau operationell einsetzbarer
Fähigkeitsprofile der teilnehmenden Nati- sind. Während die inzwischen zahlrei- multinationaler Großverbände und Füh-
onen aufeinander abgestimmt, so dass in chen Kooperationsaktivitäten in den FNC rungseinrichtungen als Verstärkungsele-
Europa ein breites und interoperables Fä- Fähigkeitsclustern so Ausdruck einer zeit- mente des europäischen Streitkräftepools
higkeitsprofil mit einsatzbereiten Kräften gemäßen Fähigkeitsentwicklung zur mit- beschlossen. Dieses Ziel soll mittel- bis
entsteht. Dieser Idee folgen inzwischen 20 telfristigen Stärkung des europäischen langfristig erreicht werden und geschieht
europäische Nationen, die bei ihren An- Pfeilers in der NATO geworden sind, er- zunächst durch das Befüllen der gemein-
strengungen von der Europäischen Vertei- gibt sich eine erste sichtbare Wirksam- sam beschlossenen multinationalen Struk-
digungsagentur (engl.: European Defence keit der FNC-Initiative beispielsweise in turen durch vorhandene Kräfte und Fähig-
Agency, EDA) unterstützt werden. den Clustern Logistik und Medizinische keiten. Sie werden in einem ersten Schritt
Unterstützung, die bereits 2017 und zusammengeführt und beginnen die Ko-
Die Handlungsfelder im FNC 2018 eine multinationale Unterstützung operationsaktivitäten mit gemeinsamen
der Schnellen Eingreiftruppe der NATO Ausbildungen und Übungen. Interopera-
In dem ersten Handlungsfeld des FNC (engl.: Very High Readiness Joint Task bilität ist dabei nicht Voraussetzung für die
haben sich mittlerweile 16 sogenannte Force, VJTF) leisten werden. Teilnahme, sondern ein wesentliches Ziel
FNC-Fähigkeitscluster entwickelt, an denen Das zweite, jüngere Handlungsfeld des der Kooperation. Schrittweise werden alle
die FNC-Partnernationen auf der Grundlage FNC ist der Aufbau von großen Truppen- Bereiche der Fähigkeitsentwicklung erfasst
nationaler Entscheidungen in unterschiedli- körpern (engl.: larger formations), die für und die beteiligten Nationen auf allen Ebe-
cher Zusammensetzung teilnehmen. die NATO eine wichtige Rolle im Konzept nen an gemeinsame Verfahren und Stan-
dards herangeführt.
Im Idealfall wird so auf
Multinational der Grundlage von
Land Division 1 harmonisierten Fähig-
Multinational
keitsforderungen eine
Division 2 Multinational
gemeinsame Beschaf-
POL DIV HQ
fung und Ausrüstung
reale Handlungsmög-
lichkeit.
Deutschland stellt als
Air Multinational Air Group Rahmennation jeweils
den Kern und bietet
eine Vielzahl von An-
knüpfungspunkten für
die FNC-Partner. Bei
Maritime Baltic Maritime Component Command den Landstreitkräften
sind die drei deutschen
Heeresdivisionen für
die Affiliation von Bei-
Support MN Joint Logistic Support Group HQ trägen der Partnerna-
tionen geöffnet; bei
den Luftstreitkräften
ist bei allen opera-
Medical MN Medical Coordination Centre tiven Einheiten der
Luftwaffe die Aufnah-
me von Formationen
oder aber von einzel-
Am Aufbau von größeren Truppenkörpern zur Stärkung des europäischen Streitkräftepools nen Waffensystemen
beteiligen sich FNC-Nationen auf der Grundlage nationaler Entscheidungen mit Kräfte- möglich. Im Bereich
beistellungen oder als Beobachter. der Marine wird ein
sogenanntes Maritime
In den Projektbereichen, die alle qualitativ der Gesamtverteidigung der Allianz spie- Component Command in Rostock auf-
und im Umfang durch die NATO-Planungs- len. Zum einen stärkt der FNC-Beitrag den gebaut, das auf den Einsatzraum Ostsee
ziele beschrieben werden, erfolgt die Fähig- europäischen Streitkräftepool in der NA- spezialisiert sein wird. In den für alle Teil-
keitsentwicklung entlang von „Roadmaps“. TO durch Kohärenz und die in praktischer streitkräfte gemeinsamen Unterstützungs-
Diese beschreiben Schritte und Wege, wie Zusammenarbeit trainierte Einsatzbereit- bereichen werden multinationale Füh-
die operationellen Erfordernisse des RAP schaft. Zum anderen sind die hierdurch rungsstrukturen entwickelt, die den Einsatz
unterstützt und gemeinsam vereinbarte gestärkten Folgekräfte, das Dispositiv, das von Kräften mithilfe einer sogenannten
Ziele planerisch erreicht werden können, den schnellen Eingreifkräften im Falle der Joint Logistics Support Group ermöglichen
um so Fähigkeitslücken, die auch von der kollektiven Verteidigung Durchhaltefähig- bzw. mittels eines Multinational Medical

September 2017 · Europäische Sicherheit & Technik 59

 B UND E S WEHR & S TREITKRÄF TE I NTERN ATI O N AL
Das „FNC Familiy Photo“ vom 29. Juni 2017 zeigt die Verteidigungsminister und den Chief Executive der
Europäischen Verteidigungsagentur nach der Verabschiedung des FNC-Fortschrittsberichtes.
Coordination Centre koordinieren. Eine
ganze Reihe von FNC-Nationen bringen
sich bereits mit teilweise sehr umfangrei-
chen Kräftekontingenten in den durch die
Bundeswehr bereitgestellten FNC-Rahmen
ein. Beispielsweise haben die Tschechische
Republik und Rumänien Kräfte jeweils in
Stärke einer Brigade gemeldet. Polen hat
den Divisionsstab der neuen multinatio-
nalen Division Nord-Ost zur Kooperation
im Rahmen von FNC angeboten, und die
Niederlande haben die langjährige auf die
Integration ausgerichtete bilaterale Zusam-
menarbeit mit Deutschland bei den Land-
streitkräften der FNC Initiative zugeordnet.
Aus der Beteiligung am FNC ergibt sich
jedoch keine automatische Verpflichtung
zur Beteiligung an Einsätzen wie auch kei-
ne Verpflichtung zur kollektiven Verteidi-
gung auf Basis des Washingtoner Vertra-
ges. Dies bleibt eine nationale politische
Entscheidung der Kooperationspartner im
Einzelfall, was gerade für kleinere Partner-
nationen entscheidend für ihre Teilnahme
an der FNC-Initiative ist.
Fazit und Ausblick
Eine erste offizielle Zwischenbilanz wurde
beim Treffen der FNC-Verteidigungsminis-
ter Ende Juni 2017 am Rande des Treffens
der NATO-Verteidigungsminister in Brüssel
gezogen. Im Beisein von Supreme Allied
Commander Transformation, General De-
nis Mercier, verabschiedeten die Verteidi-
gungsminister der FNC-Nationen den ers-
60 Europäische Sicherheit & Technik · September 2017
ten FNC-Fortschrittsbericht und begrüßten
offiziell die vier neuen FNC-Partnernatio-
nen Finnland, Österreich, Schweden und
die Schweiz sowie die EDA in der Initiative.
In den Statements während des Treffens
wurde durch die Verteidigungsminister
hervorgehoben, dass das FNC sehr er-
folgversprechend an einem bisherigen
Schwachpunkt europäischer Verteidi-
gungsanstrengungen ansetzt: dem der-
zeit noch unzureichenden Vermögen der
Streitkräfte der europäischen Nationen, in
Szenarien der Bündnisverteidigung erfolg-
versprechend zusammenzuwirken. Dass
die – in dieser Ausprägung einzigartige
– Konzeptidee sich an gemeinsamen Inte-
ressen ausrichtet, konkrete Ziele festlegt
und den Weg dorthin anhand praktischer
Kooperationsschritte definiert, wird als
Garant für eine erfolgreiche Umsetzung
angesehen.
Mit dem FNC hat sich Deutschland initiativ
der europäischen Fähigkeitsentwicklung
im multinationalen Kooperationsformat
angenommen und übernimmt als „primus
inter pares“ Verantwortung als Integrator
und Koordinator. Da die Ausgestaltung die-
ser Führungsfunktion vertrauensvoll, flexi-
bel und – auch allen nicht-teilnehmenden
NATO-Mitgliedern gegenüber – trans-
parent erfolgt, ist FNC ein Synonym für
eine moderne multinationale Fähigkeits-
entwicklung geworden, die immer mehr
Anziehungskraft entwickelt.
Durch die Zusammenführung von rund
zwei Dritteln der europäischen NA-
TO-Nationen hat das Konzept aber auch
Relevanz für die Europäische Union (EU).
Angesichts gesamteuropäischer Heraus-
forderungen gilt es nun, FNC so weiter-
zuentwickeln, dass über die Stärkung
des europäischen Pfeilers in der NATO
hinaus, die Zusammenarbeit zwischen
den beiden Hauptakteuren im Sinne der
NATO/EU Joint Declaration unterstützt
wird. Die Beteiligung europäischer Na-
tionen wie Österreich und Finnland, die
keine Mitglieder der Allianz sind, an den
FNC-Fähigkeitsclustern sowie die durch
die EDA bereitgestellte IT-Unterstützung
sind die ersten Schritte zu einer umfas-
senderen Zusammenarbeit. Darüber hin-
aus gilt es jetzt zu prüfen, inwieweit die
erfolgreichen FNC-Mechanismen eine Art
Blaupause für die anstehenden Heraus-
forderungen in der EU bilden können;
auch um dem viel zitierten „single set
of forces“ derjenigen Nationen, die so-
wohl NATO- als EU-Mitglied sind, einen
höheren Stellenwert als in der Vergan-
genheit zukommen zu lassen. In diesem
Sinne sollte die EDA als zentrale Orga-
nisation der europäischen Fähigkeitsent-
wicklung mit ihren Instrumenten Projekte
zur Fähigkeitsentwicklung identifizie-
ren, die dann im Rahmen existierender
FNC-Handlungsfelder weiter entwickelt
und erprobt werden können. Sie könnte
damit zum Wohle beider Organisationen
eine stärker ausgeprägte Rolle in der Har-
monisierung von NATO und EU wahrneh-
men.  L
KEINE ZEIT. KEIN LABOR. KEIN PROBLEM.
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  B UND E S WEHR & S TREITKRÄF TE I NTERN ATI O N AL
Seemanöver
(Grafik: U.S.-Forces)
„Sea Breeze 2017“
US-Manöver im Schwarzmeerraum
Dieter Stockfisch
V om 10. bis 22. Juli 2017 fand im
Schwarzen Meer das multinationale
maritime Großmanöver „Sea Breeze
2017“ der U.S. Naval Forces Europe-Africa
und der Ukraine statt. Die Ukraine (Host
Nation) hatte dabei u.a. den Hafen Odessa
als Marinestützpunkt und Brückenkopf für
die beteiligten multinationalen Verbände
und Einheiten zur Verfügung gestellt. Über
30 Schiffe (Kreuzer, Zerstörer, Fregatten,
U-Boote und Landungsschiffe), ca. 30
Flugzeuge (Seefernaufklärer, Bomber, Hub-
(Grafik: National Geographic)
Der Schwarzmeerraum hat nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion an
sicherheitspolitischer Brisanz zugenommen.
schrauber) sowie über 800 Special Forces
(Special Naval Warfare Units, Special Asho-
re Support Groups, Fleet Anti-Terrorism
Security Teams, EOD (Explosive Ordnance
Disposal)-Teams, Underwater Constructi-
on Teams, Kampfschwimmer (Seals), Na-
val Mobile Constraction Battalion aus 17
Nationen haben am Großmanöver teilge-
nommen.
Das maritime Manöver deckte alle Aspek-
te und Dimensionen moderner Seekrieg-
führung ab. Dazu gehörten insbesondere
großangelegte Eingreif-Einsätze (Maritime
Interdiction), U-Jagd-Übungen (ASW),
62 Europäische Sicherheit & Technik · September 2017
Luftverteidigung (Air Defence), amphibi-
sche Anlandungen (Amphibious Warfare),
Schiffssicherungs-Übungen (Damage Con-
trol Tactics) oder SAR (Search and Rescue).
Das Manöver sollte (gegenüber Russland)
die Fähigkeit der Alliierten und Partner zur
gemeinsamen und entschlossenen Ant-
wort auf Bedrohungen demonstrieren,
um Sicherheit und Stabilität im Schwarzen
Meer zu gewährleisten. Die Anwesenheit
des ukrainischen Präsidenten Petro Poro-
schenko bei „Sea Breeze 2017“ hat die
sicherheitspolitische Zielsetzung des Ma-
növers gerade zur Gewährleistung der
territorialen Integrität der Ukraine deutlich
gemacht.
Die sicherheitspolitische Bedeutung von
„Sea Breeze 2017“ unterstreichen insbe-
sondere drei Gesichtspunkte: Erstmals ha-
ben an diesem maritimen Großmanöver
mit Land-, Luft- und Seestreitkräften 17
Nationen teilgenommen, nämlich Belgi-
en, Bulgarien, Frankreich, Georgien, Grie-
chenland, Großbritannien, Italien, Kanada,
Litauen, Moldawien, Norwegen, Polen,
Rumänien, Schweden, Türkei, Ukraine und
USA. Zum anderen lief das Seemanöver
gleichzeitig und parallel, also flankiert mit
dem multinationalen Großmanöver „Saber
Guardian 2017“ (11. bis 20. Juli) der U.S.
Army Europe (U.S. Europe Command) in
Ungarn und vor allem in Bulgarien und Ru-
mänien, NATO-Küstenstaaten am Schwar-
zen Meer, ab.
Das Schwarze Meer
Schließlich stellt heute das Schwarze Meer
bzw. der Schwarzmeerraum neben dem
Mittelmeer in Europa ein Krisengebiet dar,
das durch die völkerrechtswidrige Anne-
xion der strategisch wichtigen Krim 2014
durch Russland und den anhaltenden, von
Russland gesteuerten Bürgerkrieg in der
Ostukraine geprägt wird.
Wie überhaupt der Schwarzmeerraum
nach dem Zerfall der Sowjetunion und
dem Ende des Kalten Krieges 1991 von
Unruhen, Krisen und Kriegen heimge-
sucht wurde. Dazu zählen vor allem der
Kaukasuskrieg 2008 zwischen Russland
und Georgien, in dem Russland u.a. eine
Seeblockade gegen Georgien verhängt
hatte, die Unruhen/Krisen in der Ukraine
2014 oder der Streit zwischen Russland
und der Ukraine über die Aufteilung der
russischen Schwarzmeer-Flotte. Letztlich
streben die betroffenen Ländern neben ih-
rer Unabhängigkeit von Russland eine Mit-
gliedschaft in der EU und künftig auch in
der NATO an, was Russland zu verhindern
versucht. Georgien ist bereits Mitglied im
Europarat. Das Land erhält von den USA
seit Jahren Militärhilfe (Ausbildung und
Ausrüstung). Die USA sehen in Georgien
u.a. einen geostrategischen Brückenkopf,
der bis nach Zentralasien und Iran reicht.
Die Ukraine ist seit 2004 ein Beitrittskan-
didat zur EU und zur NATO. Das Land hat
bereits ein Assoziierungsabkommen mit
der EU geschlossen und will demnächst ein
Referendum zum NATO-Beitritt durchfüh-
ren. Die NATO hat der Ukraine bereits eine
Beitrittsperspektive angeboten. Die Ukrai-
ne könne ein NATO-Mitglied werden, falls
 (Foto: Ukrainian Navy)
(Foto: U.S. Navy)

Die ukrainische Fregatte „Sahaydatschniy“ (U 130) vor den türkischen Der ukrainische Präsident Petro
Patroillenbooten TCG „Kalkan“ (P 331), TCG „Tufan“ (P 333) und dem Poroschenko begrüßt die Manöver-
georgischen Küstenwachboot „Sochumi“ (P 24) während des Manövers teilnehmer an Bord einer ukraini-
„Sea Breeze 2017“ im Schwarzen Meer schen Fregatte.

sie darum bittet, die Standards erfüllt und
sich an die notwendigen Prinzipien halte,
heißt es aus Brüssel.
Das Schwarze Meer, das über dem
Bosporus mit dem Mittelmeer verbunden
ist, ist mit ca. 436.400 km² etwas größer
als die Ostsee (412,500 km²). Für Russland
stellt der Schwarzmeerraum mit seinen
Zugängen zum Mittelmeer seit jeher ein
geostrategisches Interessen- und macht-
politisches Einflussgebiet dar. Bereits im
10 Jahre COE CSW
Vor zehn Jahren (2007)
Russisch-Türkischen Krieg (1768-1774) hat- die osmanische Schwarzmeerflotte, erlitt
te Russland weite Teile der Ukraine und des aber gegen die Briten und Franzosen in
Kaukasus erobert. Im Russisch-Türkischen Sewastopol auf der Krim eine Niederlage.
Krieg von 1828 bis1829 eroberte Russ- Im Ersten Weltkrieg nach der Oktoberre-
land die Schwarzmeerküste. Im Krimkrieg volution zerfiel die Schwarzmeerflotte. Zur
(1853-1856) wollten vor allem Großbritan- Zeit der Sowjetunion (1922-1991) wurde
nien als Schutzmacht des Osmanischen die Schwarzmeerflotte wieder aufgebaut.
Reiches und auch Frankreich verhindern, Im Zweiten Weltkrieg besetzte Deutsch-
dass der Bosporus und die Dardanellen land die Krim und operierte mit U-Booten
unter russische Kontrolle geraten. Russ- und Schnellbooten im Schwarzen Meer.
lands Schwarzmeerflotte besiegte damals Nach 1945 verleibte sich die Sowjetunion
den Schwarzmeerraum mit den Satelli-
ten- und Schwarzmeeranrainern Rumä-
nien und Bulgarien ein und betrachtete
(Foto: COE CSW)

den Schwarzmeerraum als ausschließlich

wurde das Centre of Excel- sowjetische bzw. russische Einflusszone.
lence for Operations in Nur die Schwarzmeerzu- bzw. Ausgänge,
Confined and Shallow Wa- der Bosporus und die Dardanellen, blieben
ters (COE CSW) in Kiel in beim Wächter am Bosporus, dem NA-
Dienst gestellt. Die NATO TO-Partner Türkei.
hat die maritime „Denkfa-
brik“ an der Ostsee als
maritimes Kompetenzzen-
„Saber Guardian 2017“
trum akkreditiert und dem Flankierend und parallel zu „Sea Breeze
Zentrum den Status einer 2017“ gestaltete sich in Ungarn, Bulgarien
„International Military Or- und Rumänien das Landmanöver „Saber
ganization“ zuerkannt. Die Guardian 2017“. An diesem Großmanö-
Schwerpunkte der maritimen „Denkfabrik“ in der Seekriegführung liegen in den ver im Schwarzmeerraum hatten sich 20
Bereichen Entwicklung von Doktrinen und Standards, Kompetenzentwicklung und Alliierte und Partnernationen mit über
deren praktische Anwendung, Analyse und Auswertung, Übungen, Lehre und Zerti- 25.000 Soldaten beteiligt. Auch Deutsch-
fizierung sowie Entwicklung von Einsatzgrundsätzen und Verfahren für Operationen land war mit Pionierkräften dabei und
in Randmeeren und Küstengewässern. Die Deutsche Marine verfügt traditionell über hatte beispielsweise in Rumänien u.a. die
fundierte Erfahrungen und Kompetenzen in der Seekriegführung in Randmeeren Brücken für Flussüberquerungen gebaut.
und Küstengewässern (Ost- und Nordsee). Diese maritimen Qualitäten bringt die Wie „Sea Breeze 2017“ diente auch das
Deutsche Marine im COE CSW der NATO ein, entwickelt sie dort weiter und treibt Landmanöver der Gewährleistung von
sie voran. Konkret deckt das Zentrum u.a. folgende Bereiche der Seekriegführung Sicherheit und Stabilität im Schwarzmeer-
in Randmeeren und Küstengewässern ab: U-Jagd (ASW), Minenabwehr (MCM), raum bzw. der Abwehr/Abschreckung von
Speed-Boot-Operationen, Schutz vor symmetrischen und asymmetrischen Bedro- Aggressionen (to defend against regional
hungen, Schutz von Häfen und Schiffen auf Reede, Einsatz von Drohnen in allen aggression), womit Russlands Aggressio-
Dimensionen (unter Wasser, über Wasser, in der Luft) oder Entwicklung maritimer nen gegen die Ukraine gemeint waren.
Lagebilder. Das COE CSW ist ein Servicedienstleister für die NATO und die Deutsche Zugleich offenbarten beide Manöver die
Marine. Mittels eines „Requests for Support (RfS)“, also einer formellen Unterstüt- Fähigkeit der USA, der NATO und der
zungsanfrage, können sich Nationen, Marinen, Flottillen, Geschwader oder auch zivile NATO-Partnerländer, militärische Kräfte
Institutionen und Organisationen jederzeit direkt an das Zentrum wenden und um zu beliebiger Zeit in großem Umfang in
Bearbeitung bestimmter Fragestellungen und Themenschwerpunkte ersuchen.  (ds) Europa bis an Russlands Grenzen konzen-
trieren zu können.  L

September 2017 · Europäische Sicherheit & Technik 63

  B UND E S WEHR & S TREITKRÄF TE I NTERN ATI O N AL

Die A400M in der Nutzung

Marcus Riemann

Seit der Auslieferung der ersten Maschine Ende 2014 übernimmt das militärische Transportflugzeug
Airbus A400M sukzessive die Aufgaben der in die Jahre gekommenen Transall C-160. Die Integration in das
Fähigkeitsprofil der Luftwaffe bedingt die zukünftige Unterstützung der Einsätze u.a. in Mali, Afghanistan,
Syrien, dem Irak und im Kosovo beim ständigen Austausch von Personal und Material. Hinzu kommen
sowohl zahlreiche Versorgungs- und Unterstützungsflüge zu Übungen aller Teilstreitkräfte als auch kurz-
fristige Evakuierungsmissionen.
(Foto: Airbus Defence and Space)

Eine A400M beim Start von einem behelfsmäßigen Flugfeld

„German Air Force 639, contact Bamako
tower for landing clearance!“. Das Einsatz-
gebiet in der Sahel-Zone empfängt Besat-
zung und Passagiere der A400M bei 37
Grad Celsius. Nachdem alle vier Triebwer-
ke abgestellt sind, verlassen 80 Soldaten
die Maschine über die Heckladerampe.
Zusätzlich werden 10 Tonnen Material
Au to r
Hauptmann Marcus Riemann ist
Referent für Einsatzgrundlagen für
Transportluftfahrzeuge beim
Kommando Luftwaffe 2 II a.
entladen. Das neueste Transportflugzeug
der Luftwaffe demonstriert eindrucksvoll
die deutlich gesteigerte logistische Leis-
tungsfähigkeit gegenüber dem Vorgänger
Transall C-160.
Zum Stand der Einführung
der A400M
Mittlerweile hat sich die deutsche
A400M-Flotte auf zehn Flugzeuge vergrö-
ßert. Jedes von Airbus neu ausgelieferte
Flugzeug wird bei der Übernahme von der
Endmontage in Sevilla, Spanien, einer Ab-
nahmeprüfung unterzogen. Anschließend
überführen Luftwaffenpiloten die Maschi-
ne nach Wunstorf. 2017 werden neun wei-
tere A400M auf dem niedersächsischen
Standort erwartet. Das neue Flugzeug
stellt das Lufttransportgeschwader 62 vor
ganz besondere Herausforderungen. Seit
2009 wird der Flugplatz in Niedersachsen
unter laufendem Betrieb kontinuierlich
ausgebaut und nach Abschluss der Maß-
nahmen im Jahr 2019 wird er Platz für bis
zu 40 A400M bieten. Dazu mussten die
kompletten Flugbetriebsflächen, die Start-
bahn, die Staffelgebäude und das Ausbil-
dungszentrum modernisiert, vergrößert
und zum größten Teil neu gebaut werden.
Ursprünglich wurden von Deutschland
53 A400M bestellt, von denen zunächst

64 Europäische Sicherheit & Technik · September 2017

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Ein Fluglehrer im Cockpit einer A400M
nur 40 innerhalb der Luftwaffe betrieben
werden sollten. Zur Steigerung der logis-
tischen Kapazitäten und zur Deckung der
NATO-Forderungen ist nunmehr geplant,
alle 53 A400M durch die Luftwaffe selbst
zu betreiben. Da dies die Kapazität der
Broschur I 14,8 x 21 cm
208 Seiten I zahlr. s/w- u. Farb-Abb.
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ISBN 978-3-8132-0969-3
(Foto: Bundeswehr)
Abstellflächen am Standort Wunstorf
überschreiten würde, werden derzeit un-
terschiedliche Stationierungskonzepte und
Handlungsalternativen geprüft.
Eine besondere Rolle bei der Einsatzprüfung
der A400M kommt der „Gruppe zur Wei-
FLIegerKaLender 2018
InternatIonales Jahrbuch
der luft- und raumfahrt
Kompetent, kompakt und gleichzeitig unterhaltend präsentiert sich
auch der FliegerKalender für 2018. Die aeronautische Themenpalette
deckt sowohl neueste Entwicklungen in der zivilen und militärischen
Luftfahrt als auch Höhepunkte aus der Luftfahrtgeschichte ab.
FliegerKalender 2018 – aus dem Inhalt:
 Wie entstand die Luftwaffe der DDR?
 Die Rolle der Luftwaffe in der Aufstandsbekämpfung
 Modernste Technik im IHA Z
 Die B-1 Lancer – Rückgrat der strategischen US-Bomberflotte
 70 Jahre Rettung vom Gauligletscher
 Deutschlands erste Frau im All
 Die rot-weiß-roten Marineflieger
 Der Fesselhubschrauber PKZ
 Wo ist Weltkriegspilot Carlson?
 SAS setzt auf Expansion
Ein Muss für jeden Luftfahrtbegeisterten!
terentwicklung von Taktik, Technik und Ver-
fahren A400M“ (TTVG A400M) am Stand-
ort zu. In umfangreichen fliegerischen Tests
werden Verfahren und Einsatzparameter
entwickelt und überprüft. Alle Vorgänge
vom Überprüfen des Eis- und Regenschut-
zes der vorderen Cockpitscheiben bis hin zu
mehrstündigen Tiefflügen mit Nachtsicht-
hilfen müssen aufwendig dokumentiert
werden. Die Tätigkeit der TTVG A400M be-
schränkt sich aber nicht nur auf fliegerische
Aspekte. Gemeinsam mit dem Waffensys-
temunterstützungsteam für Transport- und
Sonderluftfahrzeuge werden unzählige
Tests des Bodenbetriebs, der Abläufe der
Flugvorbereitung und der technisch-logis-
tischen Unterstützung durchgeführt, um
die Einsatzbefähigung schrittweise nachzu-
weisen. Bevor die A400M fern des Heimat-
platzes effizient operieren kann, sind noch
zahlreiche Verfahren und Unterstützungs-
systeme zu optimieren, wie bspw. das Be-
triebsführungssystem zur Führung des ur-
kundlichen Nachweises (Maintenance Data
System) oder auch das Missions- und Flug-
vorbereitungssystem (Mission-Planning and
Restitution System). Im Fokus der weiteren
Einsatzprüfung der A400M steht die zügige
Zulassung für den qualifizierten Kranken-
und Verwundetentransport, die Nutzung
von Nachtsichtgeräten, die Luft-zu-Luft-
mittler-books.de

betankung sowie das Absetzen von Fall-
schirmspringern und Lasten.
Auch in der Ausbildung spielt der Verband
in Wunstorf eine wichtige Rolle. Am Nati-
onal Training Center wird multinational die
Schulung des technischen/logistischen Per-
sonals und der Luftfahrzeugbesatzungen
durchgeführt. Die internationale Zusam-
menarbeit zwischen den europäischen Be-
treibernationen führt zu einem Zugewinn
an Erfahrung, Expertise und Ausbildungs-
kapazitäten. Dies wird insbesondere an der
deutsch-französischen Ausbildungskoope-
ration sichtbar: In Wunstorf finden sowohl
Technikerlehrgänge zum Lizenzerwerb
statt als auch die Grundschulung der Luft-
fahrzeugbesatzungen. Die aufbauende
taktische Ausbildung der Besatzungen ist
zukünftig in Frankreich geplant.
Infrastrukturell ist der Verband gut aufge-
stellt. Der dort vorhandene Full-Flight-Si-
mulator wird ab 2020 mit einem zweiten
Simulator am Standort vernetzt, um auch
komplexe Szenarien zu üben. Zur Ausbil-
dung der „Technical Load Master“ und für
Beladeversuche steht die Nachbildung ei-
nes A400M-Frachtraums (Cargohold-Trai-
ner) zur Verfügung. Die bei den Versuchen
im Cargohold-Trainer ermittelten Daten
werden in eine multinationale Datenbank
eingepflegt und den Betreibernationen zur
© Fotolia
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FÜR NEUE DIMENSIONEN
Als Partner für die A400M liefert Diehl Aerosystems Spitzentechnologie für die Zukunft:
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B UND E S WEHR & S TREITKRÄF TE I NTERN ATI O N AL 
Verfügung gestellt – diese internationale
Zusammenarbeit spart ebenfalls Zeit und
Kosten.
Die Zukunft des
Lufttransports
Aus dem gleichen Grund sind alle deutschen
Flugzeuge dem Europäischen Lufttransport-
kommando (European Air Transport Com-
mand, EATC) unterstellt. Der multinationale
Betrieb nationaler Ressourcen bringt eine
hohe Auslastung aller Flüge (möglichst ohne
Leerflüge) und eine Vielzahl an Destinatio-
nen mit sich. Dabei kamen die deutschen
A400M schon viel herum. Der südlichste
Auftrag führte nach Daressalam in Tansania,
der nördlichste nach Andoya in Norwegen
und der westlichste Zielflugplatz war Hollo-
man in New Mexiko, USA.
Absehbare Einschränkungen ergeben sich
für den großen Transporter auf sehr kleinen
Plätzen. In Gao (Mali) muss beispielsweise
nach Ankunft einer A400M die komplette
Start- und Landebahn für die Dauer des
Aufenthaltes gesperrt werden. Die dorti-
gen Rollwege sind für dieses Flugzeugmus-
ter schlicht zu klein, daher muss es auf der
Runway be- und entladen werden. Glei-
ches gilt auch für große Flugzeuge ziviler
Betreiber, wie die Antonow An-124, die
den Flugplatz Gao ebenfalls mit Material
für die deutschen Truppen beliefert.
Das Starten und Landen auf kleinen Plätzen
ist jedoch Grundvoraussetzung für die Un-
terstützung von Spezialkräften sowie Eva-
kuierungsmissionen, auch von deutschen
Staatsbürgern aus Krisengebieten. Bis zum
Nutzungsdauerende im Jahr 2021 wird
diese Aufgabe durch die Transall C-160
übernommen. Mit ihrer Außerdienststel-
lung würde sich eine Fähigkeitslücke auf-
tun, welche zukünftig in Zusammenarbeit
mit den französischen Streitkräften – der
Armée de l‘Air – geschlossen werden soll.
Die Nationen Deutschland und Frankreich
beabsichtigen zu diesem Zweck den Be-
trieb einer gemeinsamen Staffel von C-130J
„Hercules“ in Evreux in einem gemeinsa-
men Flugzeugpool. Das viermotorige
Transportflugzeug der Firma Lockheed
Martin ist kleiner als die A400M und er-
gänzt außerdem das Portfolio der Luftwaf-
fe um Einsatzmöglichkeiten wie die Luft-
zu-Luft-Betankung von Helikoptern.
Mit Hilfe der zwei Systeme A400M und
C-130J „Hercules“ werden die Aufgaben der
Transall C-160 übernommen und in multina-
tionalen Verbünden vielfältig erweitert, um
die Leistungsfähigkeit der Luftwaffe weiter
zu steigern und einen wesentlichen Fähig-
keitsbeitrag für die Streitkräfte zu leisten.  L
 B UND E S WEHR & S TREITKRÄF TE I NTERN ATI O N AL

Die CH-53 der Personnel Recovery

Staffel des HSG 64
Stefan Linkogel

Die Fähigkeit, von der eigenen Truppe abgeschnittenes Personal ist oder einseitige Abhängigkeiten die na-
tionale Entscheidungs- und Handlungsfä-
zu retten und zurückzuführen, ist sowohl für die Moral und die higkeit beeinträchtigen können, erfolgt
Motivation dieses Personals als auch für die Aufrechthaltung der die Aufgabenwahrnehmung in nationaler
Verantwortung, ggf. von Deutschland aus.
Funktionsfähigkeit der Streitkräfte und des Vertrauens in den
Der Anteil Reintegration verbleibt stets in
Dienstherren essenziell. nationaler Verantwortung.
Ein klassischer PR-Einsatz in der Operati-

D
onsform CSAR lässt sich anhand folgender
eutsche Soldaten sind seit vielen Jah- cue, CSAR), bei der sowohl die Rück- Begebenheit aus dem Jahr 1995 am besten
ren weltweit an unterschiedlichsten führungskräfte als auch das isolierte Per- beschreiben:
internationalen Einsätzen beteiligt. sonal (i.d.R. Luftfahrzeugbesatzungen „US-Captain Scott O’Grady von der 555th
Die meisten dieser Einsätze finden in einem oder Spezial- bzw. spezialisierte Kräfte) Fighter Squadron befand sich am 2. Juni
Umfeld latenter Bedrohung für das einge- speziell zur Anwendung von CSAR-Tak- 1995 mit seiner F-16 auf einem Luftüber-
setzte Personal statt. Dabei besteht die tiken und Verfahren ausgebildet und wachungseinsatz über der Flugverbotszone
Möglichkeit, dass militärisches, polizeiliches ausgerüstet sind. in Bosnien und Herzegowina. Während
oder ziviles Personal im hoheitlichen Auf- Zusätzlich wird unter PR auch der außerhalb des Fluges bekam er von seiner Radarwar-
trag in einem Operationsgebiet von seiner Deutschlands durchgeführte militärische nanlage eine Warnung, dass er von einem
Einheit oder Organisation abgeschnitten, Such- und Rettungsdienst (MilSAR) mit im Suchradar erfasst worden sei; wenig später
also zu isoliertem Personal wird. Isoliertes
Personal, das an einem national bzw. multi-
national geführten Einsatz der Bundeswehr
beteiligt ist, zu suchen, zu retten, zurückzu-
führen und zu reintegrieren, fällt unter die
Teilaufgabe „Rettung und Rückführung im
Ausland“. Sie erfordert ein Fähigkeitsprofil
analog zu dem im internationalen Sprach-
gebrauch verwendeten Begriff Personnel
Recovery (PR).
PR umfasst folgende Operationsformen:
• die bewaffnete Rückführung von iso-
liertem Personal auch unter möglicher
Bedrohung (Combat Recovery, CR), bei
der die Rückführungskräfte, das isolierte
Personal oder beide nicht zur Anwen-
dung von CSAR-Taktiken und Verfahren
ausgerüstet und ausgebildet sind,
• unkonventionelle Maßnahmen und Ver-
fahren zur Rückführung von isoliertem
Personal (Non-conventional Assisted
Recovery, NAR), mit Unterstützung von Sikorsky CH-53GS der Luftwaffe
Spezialkräften oder anderen dazu be-
sonders befähigten Kräften und Ausland befristet stationierten nationalen wurde seine Maschine von einer Rakete
• als anspruchsvollste Operationsform die MilSAR-Kräften und -Mitteln zur Rettung abgeschossen. Capt O’Grady verließ seine
bewaffnete Suche und Rettung von iso- von Personal ohne Bedrohung (Deployed F-16 mit seinem Schleudersitz und entzog
liertem Personal auch unter möglicher Search and Rescue, DSAR) verstanden. sich in den darauffolgenden Tagen immer
Bedrohung (Combat Search and Res- Alle Operationsformen können dabei im wieder einer möglichen Gefangennahme.
Einzelfall auch die Suche, Bergung und Am 7. Juni 1995 gelang es ihm schließlich,
Au to r Rückholung von sensitivem Material und mit befreundeten Truppen Kontakt auf-
Gerät beinhalten. Zur Durchführung der zunehmen. Tags darauf startete eine Ret-
Oberstleutnant Stefan Linkogel ist Aufgabe PR wird im internationalen Ver- tungsaktion, an der neben zwei CH-53E
Grundsatzreferent Hubschrauber im bund grundsätzlich auf Fähigkeiten aller „Super Stallion“ zusätzlich diverse Kampf-
Kommando Luftwaffe. beteiligten Nationen zurückgegriffen. Dort, und Überwachungsflugzeuge beteiligt
wo die Wirksamkeit im Einsatz gefährdet waren. Nachdem er seine Position mittels

68 Europäische Sicherheit & Technik · September 2017

 B UND E S WEHR & S TREITKRÄF TE I NTERN ATI O N AL 

(Fotos: Bundeswehr)
einer Rauchgranate anzeigen konnte, lan-
deten die CH-53E, Capt O’Grady verließ
seine Deckung und wurde nach erfolg-
reicher Identifikation sofort an Bord des
wartenden Hubschraubers gebracht. Nach
sechs Minuten auf dem Boden starteten
die Hubschrauber wieder und brachten
Capt O’Grady in Sicherheit.“
Dieses Szenario lässt sich auf die Einsatzge-
biete der Bundeswehr übertragen, so z.B.
aktuell auf den Einsatz deutscher Tornados
oder Tankflugzeuge über dem Gebiet Sy-
riens. Daher ist es notwendig, dass Fähig-
keiten zur Rettung und Rückführung des
eingesetzten Personals in der Bundeswehr
aufgebaut werden.

Der Aufbau der Fähigkeit

zur Personnel Recovery in
der Luftwaffe
Die Luftwaffe wurde in den 1990er Jahren
mit dem Aufbau einer CSAR-Fähigkeit in Pi-
lotfunktion beauftragt. Dazu wurde im Fe-
bruar 1996 die CSAR-Kerngruppe in Diep-
holz als Nukleus zum Aufbau der Fähigkeit
„Bewaffnete Luftrettung“ aufgestellt, zu
diesem Zeitpunkt noch mit dem Waffen-
system (WaSys) Bell UH-1D.
Auftrag war es, Ausrüstung und Ausbil-
dung zu bestimmen und taktische Verfah-
Das Hubschrauberregiment 64 besitzt 15 Leichte Unterstützungshub-
schrauber vom Typ Airbus H145.
ren sowie die mögliche Besatzungszusam-
mensetzung für eine spätere Wahrneh-
mung der Aufgabe CSAR mit dem WaSys
NH90 zu erarbeiten. Die Besatzung wurde
auf zwei Hubschrauberführer, einen Bord-
techniker und eine neu zu schaffende, an
den Pararescuejumper der U.S. Air Force
angelehnte Tätigkeit festgelegt. Hierbei
handelt es sich um ein fliegendes Besat-
zungsmitglied mit stark infanteristischer
Ausprägung und einer sanitätsdienstlichen
Befähigung, die deutlich über die Selbst-
und Kameradenhilfe, die jeder Soldat
leisten können muss, hinausgeht. Hieraus
entstand im Nachfolgenden der Kampfret-
terfeldwebel der Luftwaffe (KRFw Lw).

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Kampfretter in einer CH-53
Mit dem Fähigkeitstransfer Hubschrauber
im Januar 2013, der Verlegung des Hub-
schraubergeschwader (HSG) 64 nach Lau-
pheim und der Übernahme des Waffensys-
tems CH-53 durch die Luftwaffe wurde die
Aufgabe „Rettung und Rückführung“ (PR)
an das Luftfahrzeug CH-53 gebunden. Der
von 1972 an ursprünglich bei der Heeres-
fliegertruppe eingesetzte CH-53 befindet
sich mittlerweile seit mehr als 40 Jahren in
der Bundeswehr in der Nutzung. Das Waf-
fensystem ist aufgrund seiner Größe und
Transportkapazität für seinen grundsätzli-
chen Auftrag im Lufttransport immer noch
eine hervorragend geeignete Plattform.
Gemessen an heutigen Standards und An-
forderungen ist das Luftfahrzeug aufgrund
seines Alters für das Gesamtfähigkeitsport-
folio PR allerdings nur bedingt geeignet.
Angesichts der Eindringtiefe anderer flie-
gender Waffensysteme, deren Besatzun-
gen während ihrer Einsätze zu isoliertem
Personal werden könnten, hat das Waffen-
system CH-53 selbst in der Version GS auf-
grund der fehlenden Möglichkeit der Luft-
betankung eine eingeschränkte Reichwei-
te. Weitere vorhandene Einschränkungen
im Bereich Avionik, Kommunikation sowie
Überlebensfähigkeit lassen die deutschen
CH-53 nur eine Teilbefähigung Recovery,
aber keine vollständige CSAR-Fähigkeit er-
reichen.
Die Personnel Recovery
Staffel des HSG 64
Das HSG 64 ist der einzige Hubschrauber-
verband der Luftwaffe. Es ist heute an den
Standorten Laupheim und Schönewalde/
Holzdorf stationiert und betreibt die Waf-
fensysteme CH-53 und H145M in vier
fliegenden Staffeln mit verschiedensten
Aufgabenportfolios. Während die 3./HSG
64 neben dem Lufttransportauftrag haupt-
sächlich die Waffensystemausbildung auf
der CH-53 in Holzdorf durchführt, sind die
anderen drei fliegenden Staffeln des HSG
64 in Laupheim stationiert. Die 4./HSG 64
betreibt das Waffensystem H145M, das ex-
plizit angeschafft wurde, um Einsätze der
Spezialkräfte der Bundeswehr zu unter-
stützen. In der 1./HSG 64 wird die CH-53
eingesetzt, um verschiedenste Lufttrans-
70 Europäische Sicherheit & Technik · September 2017
portaufgaben für die Streitkräfte, auch im
Auslandseinsatz, wahrzunehmen. Die 2./
HSG 64 hat zusätzlich den Auftrag, die
Aufgaben SOF-Air (direkte taktische Un-
terstützung von Operationen der Spezial-
kräfte der Bundeswehr) und PR abzubilden.
Ein Kampfretterfeldwebel bei einer Übung
Die Besatzung der CH-53 besteht grund-
sätzlich aus zwei Hubschrauberführern
und zwei Bordtechnikern. Für Einsätze
unter Bedrohung wird die Besatzung um
drei Bordsicherungssoldaten erweitert, die
die Bordbewaffnung der CH-53 bedienen.
Für die Erfüllung der Aufgabe PR werden
zusätzlich KRFw Lw eingesetzt.
Die KRFw Lw stellen keine solitäre PR-Orga-
nisation dar, sondern sind Staffelangehöri-
ge der 2./HSG 64. Sie sind Besatzungsan-
gehörige und damit integraler Bestandteil
des PR-Systems der Luftwaffe mit dem
Waffensystem CH-53. In Ausnahmefällen
besteht die Möglichkeit, diese Soldaten mit
oder aus anderen Luftfahrzeugen oder bo-
dengebunden einzusetzen. Ihre Aufgabe
ist das finale Identifizieren des isolierten
Personals und die Verbringung dieses Per-
sonals in das Recovery-Vehicle bzw. zu ei-
nem geeigneten Aufnahmeplatz. Des Wei-
teren führen sie als Nichtsanitätspersonal
eine begrenzte präklinische Erstversorgung
im Rahmen der erweiterten Selbst- und
Kameradenhilfe im besonderen taktischen
Einsatzprofil durch.
Um Einsätze an unzugänglichen Stellen oh-
ne Möglichkeit des Anlandens zu ermögli-
chen, ist das WaSys CH-53 in der Lage, al-
ternative Absetz- und Aufnahmeverfahren
durchzuführen. Hierzu kann es mit einem
Fast-Roping-Gestell zum schnellen Abset-
zen bzw. einer Rettungswinde zur Auf-
nahme des Personals sowie der isolierten
Person ausgerüstet werden.
Sämtliche Besatzungsangehörige der CH-
53 müssen für die Aufgabe PR über eine
erweiterte theoretische und fliegerische
Ausbildung verfügen. Diese Ausbildung
deckt ein breites Spektrum planerischer
Grundlagen ab, die bevorzugt im multi-
nationalen Rahmen durch die Teilnahme
an internationalen Lehrgängen vermittelt
werden. Darauf aufbauend findet die flie-
gerische Schulung der Taktiken und Ver-
fahren zunächst bezogen auf die Nutzung
eines einzelnen Luftfahrzeugs, später im
Verbund mehrerer Luftfahrzeuge bis hin
zu groß angelegten verbundenen Luft-
kriegsoperationen statt. Den Abschluss
bildet der Einsatz im Rahmen einer inter-
nationalen PR-Übung.
Ausblick
Das Waffensystem CH-53 soll noch bis zum
Ende des nächsten Jahrzehnts in der Bun-
deswehr eingesetzt werden. Eine wesent-
liche Verbesserung für künftige Einsätze
im Aufgabenbereich PR ist erst mit Zulauf
eines neuen Hubschraubers mit der Mög-
lichkeit zur Luftbetankung, zeitgemäßer
und international kompatibler Kommuni-
kationsfähigkeit, verbesserter Überlebens-
fähigkeit sowie allgemein verbesserter
Avionik zu erwarten. Bis dahin muss die
Bundeswehr in Teilen weiter auf Fähigkei-
ten anderer Nationen im internationalen
Verbund zurückgreifen. L
 R Ü S TUNG & TEC H N O LOG I E 

Jagdbomber F-35 Lightning II

Der aktuelle Stand Sidney E. Dean

Das 2001 eingeleitete F-35-Entwicklungsprogramm litt im Verlauf seines ersten Jahrzehnts so sehr unter
technisch bedingten Verzögerungen und explodierenden Kosten, dass vorgeschlagen wurde, das Projekt
einzustellen. 2011 wurden durch das Programmbüro Joint Project Office (JPO) durchgreifende Reformen
beschlossen. Seit 2012 gilt das Programm als weitgehend stabilisiert, auch wenn einige Rüstungsexperten
sowohl außerhalb wie innerhalb des Pentagons weiterhin Zweifel an der Zuverlässigkeit und Leistungs-
fähigkeit der Lightning II äußern. Die kurzstartende und senkrechtlandende Variante F-35B wurde im Juli
2015 durch das U.S. Marine Corps (USMC) für einsatzbereit erklärt. Die U.S. Air Force (USAF) folgte im Au-
gust 2016 mit der konventionell startenden Variante F-35A. Es wird erwartet, dass die U.S. Navy (USN) ihre
flugzeugträgergestützte Variante F-35C im August 2018 in Dienst stellt.

D
(Foto: italienische Luftwaffe)

ie Indienststellung der F-35C verzö-

gert sich vor allem deshalb, weil die
vollwertige Version der Führungs-
und Betriebssoftware noch immer nicht
fertiggestellt wurde. USMC und USAF
waren bereit, den Betrieb mit weniger leis-
tungsfähigen Softwareversionen aufzu-
nehmen, während die Navy aufgrund der
besonderen Herausforderungen des Be-
triebs auf Flugzeugträgern die Vollversion
Block 3F abwartet. Die Führungssoftware
kontrolliert die Flugsteuerung, den Radar-
betrieb, die Kommunikations- und Navi-
gationssysteme, den Sensorenverbund,
die elektronische Kampfführung und den
Waffeneinsatz. Die gegenwärtig verwen-
dete Softwareausführung ermöglicht zwar
Flug- und Kampfmanöver, doch werden Mai 2017: Vorstellung der ersten in Cameri gefertigten F-35B.
bestimmte Aufgaben, etwa Erdkampf oder Italien erwirbt 30 Flugzeuge dieser Variante.
die Bekämpfung sich schnell bewegender
Fahrzeuge, erst durch Block 3F durchführ- zeichnet den Zeitplan des JPO als optimis- unter Umständen sogar auf 2020 verscho-
bar sein. Die Zahl der verfügbaren Nutzlast- tisch, zumal der Abschluss der SDD-Pha- ben werden müsste, um die Beseitigung
typen bleibt vor der 3F-Einführung eben- se bereits mehrmals verschoben werden sämtlicher Schwachstellen zu gewährleis-
falls eingeschränkt. musste – zuletzt von Mai auf Oktober die- ten.
Die aus zehn Millionen Zeilen Code beste- ses Jahres. Die im Rahmen der SDD-Phase Eine solche Vertagung – ob auf 2018 oder
hende Vollversion soll gemäß dem gegen- durchzuführende Flug- und Systemerpro- darüber hinaus – dürfte zu einer entspre-
wärtigen Zeitplan des F-35-Programmbü- bung ist erst zu 90 Prozent abgeschlossen. chenden Verschiebung der Indienststellung
ros ab Oktober getestet und einsatzbereit Die Rechnungsbehörde schätzt, dass die der F-35C sowie der Einleitung der Truppen-
sein. Zu diesem Zeitpunkt soll gemäß Pla- Fertigstellung und Erprobung der Software erprobungsphase führen. Die Rechnungs-
nung des JPO die Systementwurfs- und sowie der Abschluss der SDD-Phase bis auf behörde stellt fest, dass bis zum Abschluss
-entwicklungsphase (System Design and Mai 2018 vertagt werden könnte. des SDD-Programms noch mit Designän-
Development Phase, SDD) der F-35 formell Der Anfang 2017 pensionierte Leiter der derungen zu rechnen ist, da die Erprobung
abgeschlossen werden. Die Serienproduk- Pentagon-Dienststelle für die Erprobung der operativen Systeme mit großer Wahr-
tion soll im April 2019 eingeleitet werden. und einsatzorientierte Bewertung neuer scheinlichkeit zu Korrekturbedarf führen
Waffensysteme (Director of Test and Ope- wird. Potenzielle Änderungen betreffen
Zeitplan infrage gestellt rational Evaluation), J. Michael Gilmore, nicht nur die Software oder Plug-and-Play-
warnte im Januar ebenfalls, dass die F-35 Elemente; die Navy musste beispielsweise
Dieser Zeitplan ist allerdings umstritten. nicht ausreichend erprobt sei. Seine Dienst- Anfang des Jahres die Tragflächenspitzen
Die überparteiliche Rechnungsbehörde der stelle stellte 276 wesentliche Mängel fest, der F-35C neu ausrichten, um Oszillationen
US-Regierung (Government Accountability darunter beinahe achtzig der schwerwie- bei der externen Führung der Rakete AIM-
Office, GAO) veröffentlichte im April eine gendsten Kategorie 1. Gilmore schätzte im 9X zu verhindern. Das GAO empfiehlt, mit
Studie zum F-35-Programm. Die GAO be- Januar, dass der Abschluss der SDD-Phase der Serienproduktion und der Vergabe

September 2017 · Europäische Sicherheit & Technik 71

  RÜS TUNG & TECHN O LOGI E
von größeren Beschaffungsaufträgen ab-
zuwarten, bis feststeht, dass keine Nach-
besserung der bereits ausgelieferten Ein-
satzmaschinen notwendig sein wird (bis
Jahresende werden bereits mehr als 250
Flugzeuge aus der Vorserienproduktion im
Dienst sein).
Das Programmbüro JPO räumt die Existenz
der Mängel ein, hält jedoch vorerst an sei-
nem Zeitplan fest. Die bekannten Mängel
der Kategorie 1 würden bis Herbst weitge-
hend behoben, versicherte JPO-Chefinge-
nieur Jim Ruocco Ende Mai. Die Reihenfol-
ge, in der die Probleme behoben werden,
wird durch die Teilstreitkräfte bestimmt,
sagte Ruocco. Die TSK prüfen die Aus-
wirkungen der einzelnen Defizite auf das
jeweilige Einsatzprofil ihrer F-35-Variante
und erstellen ihre Prioritätenliste. Ruocco
räumt ein, dass etwa zehn der bekannten
(Foto: Lockheed Martin)
Foto links: Eine F-35A der italienischen Luftwaffe überfliegt Cameri, Standort der europäischen F-35-Montage-
und Wartungseinrichtung; Bild rechts: eine israelische F-35A „Adir” im Verband mit einer F-16
Mängel der Kategorie 1 sowie eine größere
Anzahl nachgeordneter Defizite erst nach
dem geplanten Abschluss der SDD-Phase
im Herbst in Angriff genommen werden.
Das Programmbüro betont jedoch, dass
sämtliche einsatzkritischen Systeme voll-
ständig ausgereift seien.
Fallender Beschaffungspreis
Unstrittig ist, dass die Kostenspirale der
F-35 seit 2012 gebändigt wurde. Mit jeder
Tranche der 2007 eingeleiteten Vorserien-
produktion liegen die Einheitskosten unter
dem Preis des vorhergehenden Auftrags.
Im Rahmen der im November 2016 ver-
gebenen zehnten und jüngsten Tranche
kostet die konventionell startende F-35A
rund 94,6 Millionen Dollar. Die F-35B und
F-35C liegen bei 122,8 beziehungsweise
121,8 Millionen. Die unterschiedliche Preis-
entwicklung reflektiert die kompliziertere
Technologie der Varianten B und C sowie
die Tatsache, dass beide Varianten in we-
sentlich geringerer Stückzahl als die A-Va-
72 Europäische Sicherheit & Technik · September 2017
Flugvorführung einer F-35A der U.S. Air Force auf der Pariser Luftfahrt-
ausstellung, im Juni 2017
riante erworben werden. Lockheed Martin
erwartet, dass sich der Preis der F-35A ab
Tranche 13 (also mit der zweiten Tranche
der Serienproduktion) langfristig bei etwa
85 Millionen Dollar einpendelt; auch der
(Foto: israelische Luftwaffe)
Preis der B und C-Varianten soll im Rahmen
der Serienproduktion abnehmen. Der im
Juli verabschiedete ehemalige F-35-Pro-
grammleiter, Lt. General Christopher Bog-
dan, erwartet sogar, dass die F-35A im Jahr
2020 weniger als 79 Millionen Dollar kos-
ten wird. Dieser Trend ist nicht nur die Fol-
ge steigender Produktionszahlen, sondern
auch effizienterer Produktionsverfahren.
General Bogdan erwartet jedoch Mitte bis
Ende der 2020er Jahre wieder einen An-
stieg des Bezugspreises. Er sagt, dass dieser
Anstieg die natürliche Folge der fortgesetz-
ten, leistungssteigernden Entwicklung des
Flugzeugs sein wird.
Allerdings dürfte die jüngste Entscheidung
der U.S. Air Force, ihr Beschaffungstempo
zu verringern, ebenfalls eine Auswirkung
auf die Beschaffungskosten haben. Auf-
grund von Etatzwängen wird die USAF
nach Beginn der Serienbeschaffung ledig-
lich 60 Einheiten pro Jahr erwerben anstatt
wie bisher geplant mindestens 80 Einheiten.
Die Air Force wird in Folge dieser Entschei-
dung sechs Jahre länger brauchen, um ihre
(Foto: US Air Force)
1.763 F-35A zu beschaffen. Gemäß einer
im Juli vorgelegten Schätzung des Penta-
gons steigen die Beschaffungskosten des
gesamten F-35-Programms hierdurch um
27,5 Milliarden Dollar auf insgesamt 406,5
Milliarden Dollar (Kaufkraftbasis: 2016). Die
Entscheidung dürfte den Preis der F-35A um
rund eine Million Dollar anheben; dies reicht
allerdings nicht aus, um den allgemeinen
Abwärtstrend der Stückkosten zu negieren.
Positive Übungsberichte
Die technologische Entwicklung ist nur ein
Aspekt der Einführung eines neuen Waf-
fensystems. Derzeit werden in den Ver-
suchs- und Einsatzstaffeln der Teilstreitkräf-
te Einsatzkonzepte entwickelt und geprüft
und Lehren aus den Erfahrungen der ersten
Betriebsjahre gewonnen. Die Kombination
aus Stealth, weitreichenden Sensoren und
Abstandswaffen soll der F-35 ein bisher
unerreichtes Kampfpotenzial verleihen.
Die Ergebnisse jüngster Übungen scheinen
zu bestätigen, dass diese Vorgabe weit-
gehend erreicht wurde. Im Rahmen der
Übung „Red Flag“ in Nevada im Februar
2017 erzielten F-35 im Luftkampf gegen
F-16-Jäger eine Abschussbilanz von 15:1.
Gleichzeitig überwanden und zerstörten

die Stealth-Jäger im Rahmen des realisti-
schen Einsatzszenarios gegnerische Radar-
und Flugabwehrsysteme sowie elektroni-
sche Störsysteme, und betrieben Zielauf-
klärung. Von 51 eingesetzten Bomben
trafen 49 ihr Ziel.
Ähnliche Ergebnisse wurden im Verlauf
weiterer Übungen gemeldet. Vor allem
das durch die Bordsensoren gewonnene
umfassende Lagebild, die überlegenen
Stealth-Eigenschaften sowie das System für
den elektronischen Kampf werden durch
die beteiligten Piloten gelobt. Die Leistung
soll mit Einführung der Block 3F-Software
noch steigen. Darüber hinaus ist die regel-
mäßige Nachrüstung der F-35 mit neuen,
leistungssteigernden Softwarevarianten,
Waffen und Sensoren geplant. Im Verlauf
des nächsten Jahrzehnts werden „beina-
he garantiert“ auch neue Triebwerke oder
Bild links: die drei Varianten der F-35. Von unten nach oben: F-35C, F-35B, F-35A,
Bild rechts: Frontalaufnahme einer F-35A
Triebwerkselemente eingeführt, erklärte
General Bogdan. Das in der Entwicklung
befindliche ADVENT-Triebwerk (Adaptive
Versatile Engine Technology) soll das Po-
tenzial haben, die Antriebsleistung und
Reichweite des Flugzeugs um weitere 30
bis 40 Prozent zu steigern.
Flugsimulator einer F-35
F-35-Fertigungshalle im Werk von Lockheed Martin in Fort Worth, Texas
Eine wichtige Überlegung ist die Tatsache,
dass die F-35 über zwei Jahrzehnte hinweg
gemeinsam mit Flugzeugen der 4. tech-
nologischen Generation (z.B. F/A-18, F-15,
Eurofighter) eingesetzt werden muss. Der
Informationsverbund zwischen Einsatzplatt-
formen ist heute einer der wichtigsten Ent-
scheidungsfaktoren hinsichtlich der effekti-
ven Kampfwirkung. Die im Stealth-Modus
operierende F-35 soll unter anderem als
Kundschafter innerhalb des gegnerischen
Luftraums dienen. Die Koordinaten georte-
(Foto: USMC)
September 2017 · Europäische Sicherheit & Technik
(Foto: Lockheed Martin)
ter Ziele sollen an andere Flugzeuge über-
mittelt werden, die diese Ziele aus sicherer
Entfernung mit Abstandswaffen bekämp-
fen. Auch für Schiffe und Artillerie soll die
unerkannt operierende F-35 Ziele fixieren.
(Fotos: Lockheed Martin)
Problematisch ist bislang allerdings die
Übermittlung der Informationen. Unterei-
nander tauschen F-35-Jäger taktische Da-
ten durch das abhör- und ortungssichere
MADL-System (Multifunction Advanced
Data Link) aus. Flugzeuge der 4. Generati-
on verwenden hingegen in der Regel Link
16. Auch Schiffe und Bodentruppen sind
per Link 16 an das taktische Datennetz
angeschlossen. Die F-35 kann ebenfalls
Link 16 einsetzen, doch besteht dabei die
Gefahr, dass Gegner das Signal erfassen
und dadurch auch im Stealth-Modus flie-
gende F-35 orten. Eine potenzielle Lösung
des Problems wurde im Mai im Rahmen
der Übung „Northern Edge 2017“ vorge-
führt. Hier wurde der von Lockheed Martin
auf Firmeninitiative entwickelte Enterprise
Mission Computer 2.0 (kurz: EMC2) als
Schnittstelle zwischen Flugzeugen mit un-
terschiedlichen Kommunikationssystemen
eingesetzt. Das EMC2-System wurde im
Rahmen der Übung auf eine U-2 montiert,
die als Relais zwischen MADL und Link 16
diente. Die F-35 sendeten dabei ausschließ-
73
 RÜS TUNG & TECHN O LOGI E
Abwurf einer GBU-32 JDAM-Bombe aus der internen Nutzlastkammer
einer F-35B
lich über MADL, sodass keine verräterische
elektronische Signatur abgegeben wurde.
Kurz vor seiner Pensionierung zeigte sich
General Bogdan in einem Interview mit
dem Air Force Magazine zufrieden mit
dem Stand der F-35-Entwicklung. Seine
größte Sorge sei derzeit die Wartungsin-
frastruktur einschließlich der Versorgung
mit Ersatzteilen, sagte er. „Angesichts der
Anzahl der Flugzeuge und der Standorte,
die wir in zehn bis fünfzehn Jahren ha-
ben werden, mache ich mir Sorgen über
unsere Fähigkeit, diese Flugzeuge global
zu versorgen. Die Fähigkeit der Industrie
und des Militärs, all diese Flugzeuge zu
einem akzeptablen Preis richtig zu versor-
(Foto: Lockheed Martin)
Bild links: Sensorendaten erscheinen im HUD-Modus auf der Sichtscheibe des F-35-Pilotenhelms.
Bild rechts: F-35B im Schwebeflug
gen, stellt wohl das größte aktuelle Risi-
ko des Programms dar”, erklärte General
Bogdan. Gegenwärtig sind die Wartungs-
depots auf den Stützpunkten noch unzu-
reichend ausgestattet, sodass Ersatzteile
zwecks Reparatur häufig zum Hersteller
geschickt werden müssen.
Dislozierung läuft global an
Ansonsten läuft die Dislozierung der F-35
erfolgreich an. In den USA wurden bislang
vier Air Force-Einsatzstaffeln aufgestellt.
Sie sind auf die Standorte Hill Air Force Base
(Utah) und Luke AFB (Arizona) verteilt. Ab
2022 wird ein 60 Flugzeuge umfassendes
Geschwader F-35 der U.S. Air Force stän-
dig im englischen Lakenheath stationiert
werden. Das USMC unterhält bislang zwei
74 Europäische Sicherheit & Technik · September 2017
(Foto: Lockheed Martin)
F-35-Staffeln, eine auf der Marine Corps
Air Station (MCAS) Yuma (Arizona) und seit
Januar dieses Jahres eine auf der MCAS
Iwakuni in Japan.
Im Herbst werden sechs F-35B der in Japan
stationierten Staffel die erste Seeverwen-
dung des neuen Typs beginnen. Die sechs-
monatige Verwendung im Pazifik und im
östlichen Indischen Ozean findet auf dem
amphibischen Träger „USS Wasp“ statt.
Anfang 2018 beginnt die in Arizona statio-
nierte Staffel eine sechsmonatige Nahost-
verwendung an Bord der „USS Essex“. Es
besteht eine realistische Chance, dass der
erste Kampf- oder Kriseneinsatz der F-35
im Rahmen dieser Einsätze erfolgt.
Die erste Auslandsverlegung durch die
USAF erfolgte im April und Mai. Acht
F-35A aus Hill AFB wurden für drei Wochen
nach RAF Lakenheath geflogen. Von dort
wurden auch kurzfristige Entsendungen
nach Estland und Bulgarien durchgeführt.
Im Rahmen dieser Entsendung führte die
Wartungsmannschaft der Flugzeuge eine
komplette Ausstattung an Ersatzteilen mit.
In den kommenden Jahren soll jedoch ein
globales Netzwerk mit Ersatzteildepots
entstehen. Wartung und Versorgung dis-
lozierter Flugzeuge sollen dann zur Entlas-
tung des Logistiksystems auf regionaler
Basis erfolgen. Hinzu kommt die Tatsache,
dass mindestens elf weitere Nationen in
Europa, dem Mittleren Osten und Asien
die F-35 bereits einführen oder demnächst
erwerben werden. So entsteht eine Ket-
te alliierter Standorte auf denen die F-35
der verschiedenen Partnerländer operieren
können. „Die F-35 wird das Rückgrat der
künftigen TSK-gemeinsamen und multina-
tionalen Luftoperationen bilden“, erklärte
Joe DellaVedova vom F-35-Programmbüro.
„Das Flugzeug wird eine wesentliche Inten-
sivierung der Interoperabilität ermöglichen.
Wenn Piloten aus verschiedenen Nationen
den gleichen Typ einsetzen, dann sprechen
sie eine gemeinsame Sprache.“
Internationales Programm
Obwohl die USA stets die Führungsrolle
im F-35-Programm innehatten, war das
Projekt von Anfang an international ausge-
richtet. Am SDD-Programm beteiligt sind
neben den USA acht weitere Nationen:
Australien, Dänemark, Großbritannien, Ita-
lien, Kanada, die Niederlande, Norwegen
und die Türkei. Hinzu kommen Israel und
Singapur als Kooperationspartner. Mehr
als 1.300 Zulieferer – zumeist aus den ge-
nannten Ländern – sind an der Herstellung
(Foto: USMC)
der Flugzeuge beteiligt. Die Endmontage
der F-35 erfolgt vorwiegend im Lockheed
Martin-Werk in Texas. Dort werden auch
der vordere Rumpf sowie die Tragflächen
gefertigt. Die Fertigung des mittleren
Rumpfabschnitts erfolgt durch Northrop
Grumman in Kalifornien, während das
Heck durch BAE Systems in England ge-
baut wird. Eigenständige Anlagen für die
Endmontage (Final Assembly and Check-
Out, FACO) befinden sich auch in Cameri,
Italien (Leonardo s.p.A.) und in Komaki, Ja-
pan (Mitsubishi Heavy Industries). In diesen
FACO-Einrichtungen werden die in Europa
und Asien eingesetzten F-35 künftig auch
gewartet und regelmäßig mit neuer Tech-
nologie nachgerüstet.
Mit Ausnahme Kanadas, das vor allem
aufgrund der hohen Beschaffungskos-
(Foto: Lockheed Martin) RÜS TUNG & TECHN O LOGI E 

(Foto: U.S. Navy)

Bild links: zwei F-35B der in Japan stationierten 121. Jagdstaffel des U.S. Marine Corps.
Bild rechts: F-35C und F/A-18E/F der U.S. Navy im Formationsflug; beide Flugzeugtypen werden
im Verlauf der nächsten zwanzig Jahre gemeinsam auf Flugzeugträgern eingesetzt.

ten den Erwerb der F-35 zwischenzeitlich
infrage stellt, wollen alle Projektpartner
die Lightning II erwerben; Ottawa wird
voraussichtlich 2020 entscheiden, ob die
F-35 oder ein kostengünstigeres Flugzeug
erworben wird. Singapur vertagte 2016
vorerst eine Entscheidung, vermutlich um
den Abschluss der technischen Entwick-
lung abzuwarten.
Die USA sind bei Weitem der größte Ab-
nehmer der F-35 mit einem geplanten Er-
werb von insgesamt 2.456 Einheiten. Die
übrigen NATO-Partner wollen insgesamt
rund 460 Einheiten erwerben. Außer-
halb der Entwicklungsgruppe gelten eine
Vielzahl von Nationen als gesicherte oder
potenzielle Abnehmer. In Asien erwerben
sowohl Japan als auch Südkorea bereits
die Lightning II. Mindestens ein halbes Dut-
zend weiterer NATO-Staaten sowie Saudi
Arabien, die Golf-Emirate und Indien gel-
ten als potenzielle Abnehmer. Bestellungen
aus diesen Ländern könnten den Absatz
der F-35 langfristig auf mindestens 4.000
Flugzeuge steigern.
Auch Deutschland zieht den Kauf der F-35
inzwischen in Betracht. Am 17. Mai mel-
dete die Nachrichtenagentur Reuters, dass
die Planungsabteilung der deutschen Luft-
waffe in den USA um Zugang zu vertrau-
lichen Daten über das Flugzeug (vor allem
für die Bereiche Sensorik, Informationsma-
nagement und Kampfleistung) gebeten
habe. „Eine Entscheidung über den Ersatz
der sogenannten vierten Generation von
Kampfflugzeugen in den Jahren 2025 bis
2035 sei aber noch nicht gefallen, heißt es
in dem Brief des Luftwaffen-Planungsst-
abs. Es gehe vor allem darum, erst einmal
die nötigen Informationen zu sammeln, da-
mit sich die Bundeswehr ein Bild machen
könne“, schrieb Reuters.  L

Neue Broschüre
D 46892

Ausbildungseinrichtungen der Übungs- und Ausbildungseinrichtungen des Heeres

Das Ausbildungskommando

2/2017 deutschen Landstreitkräfte Autorenteam

Die Neuausrichtung der Bundeswehr und die damit beschlossene Reform HEER2011
brachten für die Ausbildungslandschaft des Deutschen Heeres einen fundamentalen
Umbruch mit sich.

Auftrag, Fähigkeiten, Ziele Übungs-

und Ausbil
dungseinrich
tungen des
Heeres
A ls ein wesentlicher Pfeiler der
strukturellen Neuausrichtung
wurde am 28. Juni 2013 in Leipzig das
Ausbildungskommando in Dienst ge-
stellt. Es ist mit der Fachaufgabe „Aus-
bildung im Heer“ sowie der gleichzeiti-
gen truppendienstlichen Führung aller
Schulen, Ausbildungszentren und zen-
Die Besonderheit des Stabes des Aus-
bildungskommandos ist die Struktur mit
zwei Fachgruppen. Diese unterstützen
den Kommandeur und seinen Stellver-
treter in der Kommandoführung, um die
Verantwortung für die fachliche Ausbil-
dung im Heer wahrzunehmen.
gelten. Es legt außerdem die Grundla-
gen im Qualitäts- und Wissensmanage-
ment für die Individualausbildung im
Deutschen Heer. Darüber hinaus ist das
Dezernat für das Gesamtvolumen aller
Lehrgänge in der Individualausbildung
verantwortlich.
Im Schwerpunkt bearbeitet das
tralen Ausbildungseinrichtungen dieser Die Fachgruppe I Dezernat derzeit die Aufgaben und

Die Unter Teilstreitkraft beauftragt. Herausforderungen, die sich aus der

offiziersc „Die Ausbildungskompetenz des Die Fachgruppe I ist für den Bereich der Trendwende Personal ergeben: Für

Themen:
hule des
Deutschen Heeres liegt künftig in Individualausbildung aller Truppengat- einen größeren Anteil an jungen Sol-
Sachsen“, stellte Thomas de
Stephan Krieg
Heeres
Grafiken: AusbKdo

Maizière, damals Bundes-

Ausbildungskommando
Der Auftra minister der Verteidigung,
g der Untero einst bei seinem Besuch in
Feldwebelan ffizierschule
des Heere der größten sächsischen
wärtern, s (USH) ist
Vereinte Nationen Gefechtsübungszentrum Gefechtssimulations- Ausbildungs- und

Streitkräfteb Unteroffizier die Ausbi Metropole fest. Ausbildungszentrum Heer zentrum Heer Übungszentrum

asis (SKB) en mit Portep ldung von

Bundeswehr Luftbeweglichkeit

in Laufba ee des Heere Unteroffizier

hn-, Verwe s und Heere - und Gliederung und Auf- Offizierschule Unteroffizier- Ausbildungs- Internationales Ausbildungs- Ausbildungs- Ausbildungs- Ausbildungs-

ndungs- suniformträg
des Heeres schule des zentrum Technik Hubschrauber- zentrum zentrum zentrum

• Konzeptionelle Grundlagen
zentrum Spezielle

und Sprach Heeres Landsysteme ausbildungszentrum Infanterie Pioniere Munster

gaben des Ausbil-
Operationen

Die Feldwe lehrgängen. ern der Schulstab Schulstab Stab Stab Stab Stab BerZentrAufg Stab

in Delitzs
bel-Boldt-Kase dungskommandos Bereich Bereich Ustg Bereich Ustg Bereich Ustg Bereich Ustg Bereich Ustg AusbBer
ch rne Lehre/Ausb PzTr
Bereich Ustg
AusbStp Bereich Bereich Bereich Bereich DtA COE SimZ PzTr
Bereich
Das Ausbildungskomman- SIRA Btl
Lehre/Ausb
Lehre/Ausb Lehre/Ausb MilENg
Lehre/Ausb
ken: FMZ

SchÜbZ PzTr Lehre/Ausb

an unserer do setzt die Zielvorgaben SprachenAusb SprachenAusb FSHT DEU/FRA AusbStp
Bereich ÜbZSpezlOp
Unterof fiziersch Ber
HFlgAusbZ Geb/WiKpf
Lehre/Ausb
OA-Btl 1
Laufbahn- ule in den vom Kommando Heer in
FA/UA-Btl 1
Techn/Log
TIGER
SpezAusbKp
und Verwen TZH AusbStp FSHBauT AusbStp SIRA
Fotos/Grafi

209
DEU/FRA SIRA Btl
gen nicht
FA/UA-Btl 2

ausschließlich dungslehrgän-
Btl
die Grundlagen der lehr- FA/UA-Btl 3
AusbWkst AusbEinr
TIGER OA-Btl 2 AusbStp
AusbBer
Internat.
che Qualifik auf die fachli- gangsgebundenen Indivi-
KpfmAbw
HAufklTr
Ausbildung
ation AusbWkst ÜbZ Inf
sind die Förderu ab. Ebenso wichtig dualausbildung, der Trup- AusbStp
SimZ HAufklTr

ferkeit, Robust ng von Disziplin,

Orts-/WaldKpf TStp T/T

heit, Kamera Tap- penausbildung sowie der BONNLAND

Teamgeist, AusbBer

• Heer
AusbStp
Toleranz, dschaft streitkräftegemeinsamen STF/IndirF
interkultureller,
Orts-/WaldKpf
Kompetenz LEHNIN

Ausbildungs-
sowie das Ausbildung im Heer um. ZA STF

für unsere aktive Eintrete Der umfangreiche nachge-

AusbStp

Werteo n
LL/LTrsp
AusbWkst
Diese Aufgab rdnung. ordnete Bereich des Ausbil- AusbWkst
offizierschule en erfüllt
die Unter- dungskommandos umfasst
den Stando des Heeres sowohl zwölf Schulen und Ausbil- Gliederung des Ausbildungskommandos und des nachgeordneten Bereichs
rten der ihr an
unterstellten seit
Feldwebel- 1. Juli 2016 dungseinrichtungen und

F ür die USH
derst, den bedeutet dies zuvor-
kräftenachwuc militärischen Führun kämpfe
fizieranwärterb

und insbeso und Altenstadt als

und Unterof
hausen, Celle ataillone in Sonder -
s-
ist im nahezu gesamten Bundesgebiet tungen des Heeres und des Führernach- daten des Führernachwuchses bedarf
in 23 Garnisonen sowie zwei Stand- wuchses verantwortlich, die in Lehrgän- es höherer Ausbildungskapazitäten,

einrichtungen
gs- retten n, zu schützen, zu ndere im auch orten in Südfrankreich disloziert. gen vermittelt wird – die lehrgangsge- die sich in mehr Ausbilderpersonal,
hs auf die Delitzsch. „Mutterhaus“

• Streitkräftebasis
litärischen allgemeinmi- und zu vermitt helfen, in bundene Individualausbildung. Unterkünften, Waffen und Gerät aus-
und in den
Aufgaben
im Grundb Feldwebel eln, gilt es, zu Das Dezernat I 1 erarbeitet die drücken. Auch die grundsätzliche Ge-
Einsätzen etrieb zur allgeme alle Autoren:
vorzubereiten. der Bundes Führun inmilitärischen
wehr multinag zu befähigen. Autorenteam des Ausbildungs- Grundlagen für die lehrgangsgebun- staltung des gesamten Lehrgangsbe-
an der USH Des Weiteren werden tionalen Auf Grund dene Individualausbildung, die quer- triebes ist eine ständige Aufgabe dieses
der Basis Berufsunteroff rums der Aufgabenspek des kommandos
ihrer eigenen iziere auf Bundeswehr t- schnittlich für alle Ausbildungszentren Fachdezernats.
rung zur dies auch schließt
WeiterentwicklFührungserfah- die Spracha
nen Führun ung des eige- dung in usbil-
der
gsverhaltens rungssprache NATO-Füh- 26

der deutschen
Die Laufbah befähigt.
ne Portepe n der Unterof fiziere mit ein. Englisc h
e ist oh-
Verwendung vorrangig eine fachlich Damit
ohne primäre e im gesamtSoldaten

• Sanitätsdienst der Bundeswehr

verantwortung Führungs- en
bahn hingege . Die Feldwebellauf- forderu ngsspeAn-
n ermögl trum der k-
in einer Fachfun icht entwed ehr
ebene oder ktion auf er kräfte Streit- ienstes der Bundesw
in Führun der Meister bestehen htung des Sanitätsd
eingesetzt gsverwendung - können, ist Ausbildungseinric
zu werden en ben ne- Übungs- und

Landstreitkräfte
tärischem . Zwische einer

deswehr
Führen, Erziehe n mili- qualita-
tiv hochwe

emie der Bun

bilden einerse n
Anleiten, its sowie fachbezund Aus- und rtigen
fordernden

Die Sanitätsakad
Kontrollieren ogenem
andererseits und Ausbild Ausbild
gänge. Da
bestehen
fließende en eine, ung auch
Über- auf
in der Lage
alle Soldate
n grundsä Grundwerten den
sein müssen tzlich G des
im Einsatz rund dem
zu basiere g e s e t z e s

• Blick in die Zukunft

n der Bundeswehr
Autor: nde Erzie-
Dr. Volker Hartman die Sanitätsakademie
Major Stephan
hung notwen
am 2. Juli 2013 ienstes reiht sich
Krieg ist Hörsaal Dies gilt dig.
ganz beson-Mit einem feierliche
n Appell wurde struktur des Sanitätsd
leiter an der
lt. In der Führungs Sanitätsdienstliche

• Auftrag
- ders für
dos Kommando
USH Delitzsc
h. das ienst unterstel
sche Führun militäri-Kommando Sanitätsd Fähigkeitskomman ehr ein und ist
Deshalb zielt gspersonal. neben die beiden gen der Bundesw
32
die Ausbilddie Akademie seither Sanitätseinrichtun
ung do Regionale
ng und Komman
Einsatzunterstützu Dislozi erung der
USH angehob
en worden.
it deutlich
damit in der Wertigke

• Fähigkeiten
SanAkBw

Herausgegeben in Zusammenarbeit mit dem

Foto: Julia Langer

hr München
ademie der Bundeswe

• Ziele Förderkreis Deutsches Heer e.V. (FKH)

der Sanitätsak dem Prinzip
Liegenschaft dar, gab erstmals
und Armeen nsystems von Medizin-
geplant, gestaltet eines Stipendiate
auch Ausbildung Raum und widme-
mit der Über- Individualausbildung studenten im Militär hochstehend als
G leichzeitig begann
nahme der drei
zinischen ABC-Schut
Institute für Medi-
z, von Anteilen
ein großer Anteil
des gelehrt
r und ei- Gestaltung
werden sollen.
Hinzu kam die
einer prozessorie
ntierten te
sich sowohl fachlich
der Prägung, Erziehung
erei- auch militärischangehender Militärärzte.
der Bundesweh dritten Fähigkeitsb und Schulung
Sanitätsamtes Struktur dieses nstes der Bundes- nde Persönlich-
ierung ein bis des Sanitätsdie Zahlreiche hervorrage
ner internen Umstruktur ngspro- ches demie als Kom-
ein „Hybrid“ mit
r Umgliederu In der Sanitätsaka
heute anhaltende Kom- wehr. nstes
zess hin zu einem
internationalen rum des Sanitätsdie
izinische petenzzent Erkenntnisse aus Einsatz, SanAkBw ist heuteRollen
len
petenzzentrum
für militärmed
Wei- werden
daher nalyse fünf funktiona g
stliche Forschung, aft und Fähigkeitsa Ausbildungseinrichtun re
und sanitätsdien Lehre Wissensch und diese dann in sanitäts- 1. Akademische und Unteroffizie
Ausbildung und g 2. Schule für Offiziere
terentwicklung, en ABC-Schutzes.
aufbereitet und Realisierun
sowie des Medizinisch dienstliche Konzeption Weiterbildungs- des SanDstBw des SanDstBw
und für Ausbildung

100 Seiten
von Aus-, Fort- 3. Fachkommando ft und
n maßnahme n umgesetzt.
4. Fachkomm ando für Wissenscha
Aufgabe
icklung und ie Fähigkeitsentwicklung z
Forschung, Weiterentw
e der Akadem er ABC-Schut
Sanitätsdie nst sind Ursprüng 5. Medizinisch
im r
(Aus-)Bildung s Ge- der Bundesweh
ausgerichtet auf
ein militärische Sanitätsakademie über 50 Jahren chich-
ist, ei- Die deutschen Medizinges
dessen Ziel es (Sanitätsakademie)
ist seit
der keiten der
sundheitssystem, e allumfassen- Virchow, Friedrich
Ausbildungseinrichtung te, wie z.B. Rudolf oder Ernst
ne qualitativ hochwertig ng im Inland eine zentrale sowie integraler Bestandteil

€ 14,80
r Emil von Behring ausgebil-
de Gesundhei
tsversorgu des Bundesweh stes Loeffler, wurden hier
lichen Szenarien und des Sanitätsdien von Bergmann bzw. im
und in unterschied und der Streitkräfte r (SanDstBw). im Lehrkörper
sicherzustellen der Bundesweh det oder dienten der später in
Auslandseinsatzes zurück bis in das ftlichen Senat
n.
weiter auszubaue der Neugestaltung Ihre Wurzeln reichen wurde wissenschalhelms-Akademie für das mi-
bei t. Im Jahre 1795 „Kaiser-Wi
Leitgedanken 18. Jahrhunder des damaligen sen“ benannten
rierung der Sanitäts- auf Initiative litärärztliche Bildungswe
und Umstruktu r waren zum in Berlin Militärmedizinal- .

(zzgl. Versandkosten)
Bundesweh preußischen Einrichtung
akademie der ge- Chefs des Dr. Johann der SanAkBw
dass dort, wo Generalstabschirurg e Die eigenen Ursprünge penschu-
einen der Anspruch, wird, gleichzeitig wesens, medizinisch-chirurgisch als Sanitätstrup
Goercke, die beginnen 1956 f, die jedoch
forscht und entwickelt le) als erste Heeres in Degerndor Anbindung
„Pépinière“ (Pflanzschu stalt in der le des besseren
militärärztliche
Bildungsan bereits 1957 zur in
titel_WTR_Ausbildung_2017.indd 1 04.05.17 12:28 Autor: ist hichte gegrün- n nach München
deutschen Militärgesc die Universitäte
Flottenarzt Dr.
Volker Hartmann moderner an erne verlegt wurde.
Zwei
die Keimzelle die Luitpoldkas
eiter A der Sanitäts- det. Sie stellt
der Abteilungsl Ausbildung deutscher
r. militärärztlicher 85
akademie der Bundesweh

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September 2017 · Europäische Sicherheit & Technik 75

  RÜS TUNG & TECHN O LOGI E

Der Raketenwerfer MARS II

Zukunftsfähigkeit durch Präzision, Reichweite und Wirkung
Volker Ptock

Die Lageentwicklung an der Ost- und Südostflanke der NATO hat

den politischen und militärischen Blick in Europa gewandelt. Die Neu-Fokussierung in den Streitkräften auf
die klassische Landes- und Bündnisverteidigung führt zu der Fragestellung, welche Fähigkeiten die einzel-
nen verfügbaren Wirkmittel heute oder in naher Zukunft beitragen können.

S eit Auflösung der Lance-Einheiten

(Reichweite bis 130 km) im Jahr 1993
und der Außerdienststellung der
„Leichten Raketenartillerie“ (Reichweite
bis 14 km) im Jahr 2000, ist das Mittlere
In den Jahren, in denen Stabilisierungs-
operationen im Fokus der Streitkräf-
te standen, waren unter anderem die
persönliche Ausrüstung der Soldaten,
geschützte Fahrzeuge, Feldlager und
Einführung des MARS
in die Bundeswehr
Das Waffensystem MARS, internatio-
nal auch Multiple Launch Rocket System
(Foto: KMW)

Das Mittlere Artillerieraketensystem (MARS)

Artillerieraketensystem (MARS) das einzig
verbliebene Raketenartilleriesystem der
Bundeswehr.
Au to r
Hauptmann Volker Ptock ist beim
Amt für Heeresentwicklung III 2 (4)
der Bevollmächtigte Vertreter des
Heeres für die Raketenartillerie.
deren Schutz, Luftnahunterstützung
sowie Counter IED im Schwerpunkt der
Betrachtungen. Mit der Entscheidung,
nur die Panzerhaubitze 2000 (PzH2000)
nach Afghanistan in den Einsatz zu brin-
gen, geriet die Raketenartillerie ein Stück
weit in Vergessenheit, obwohl sie mit der
Präzisionsmunition GMLRS UNITARY und
einer Reichweite von 84 km auch für eine
Stabilisierungsoperation geeignet gewe-
sen wäre.
(MLRS) genannt, wurde in Zusammenar-
beit von Deutschland, Frankreich, Italien,
Großbritannien und den USA, auf Basis
einer zwischenstaatlichen Vereinbarung
von 1979, durch Lockheed Martin gefer-
tigt. Der Werfer ist als mobiles, automa-
tisches Waffensystem zum Verschießen
von Boden-Boden-Raketen aufgebaut.
Die Besatzung besteht aus lediglich drei
Soldaten und ist in der Lage, bis zu zwölf
Raketen in weniger als 60 Sekunden ab-

76 Europäische Sicherheit & Technik · September 2017

 IMU
zufeuern. Während des Kalten Krieges war der Einsatz des MARS
gegen Panzerverbände des Warschauer Paktes vorgesehen und
sollte diese als Flächenziele bekämpfen.
Mit der Einführung des Waffensystems standen der Bundeswehr
ballistisch fliegende Raketen mit zwei Gefechtskopf-Typen zur
Verfügung. Die in Deutschland entwickelte Rakete DM72 mit 28
Panzerabwehrminen AT-2 zum Sperren von Geländeabschnitten
und die Rakete M26 mit 644 Bomblets als Submunition zur Be-
TACTICAL GRADE
kämpfung von Flächenzielen. Die Schussentfernung betrug bis zu
38 km bei den AT2-Minen, bzw. 32 km für die Bomblet-Munition.
In Deutschland wurde die Einführung des MARS mit der Beschaf-
fung von 154 Raketenwerfern und fast 100.000 Raketen im Jahr
1994 abgeschlossen. Das Waffensystem ist heute in circa 20 Län-
dern weltweit im Einsatz.

Defizite eingeführter Munition

Die oben aufgeführten Raketen verfügen, bzw. verfügten über keine
Lenkkorrektur. Die Treffgenauigkeit nimmt daher mit zunehmender
Reichweite ab, die Streuung im Ziel und der Munitionsverbrauch neh-
men zu. Damit steigt auch, in Abhängigkeit vom Szenario, die Gefahr
von unbeabsichtigten Schäden.
Aufgrund dieser Treffungenauigkeit war die sinnvolle Nutzung des 1:1 scale
Waffensystems mit alternativen ungelenkten Gefechtsköpfen ge-
gen Punkt- und Einzelziele, wie z.B. befestigte Stellungen in und
außerhalb normaler Infrastruktur, nicht möglich.

Entwicklung neuer Fähigkeiten STIM300 ist eine taktische Trägheits-

bei der Munition
1998 mündeten die Forderungen zur Reduzierung des Munitions-
verbrauchs und zur Steigerung der Reichweite in ein Kooperations-
programm (Deutschland, Frankreich, Groß Brittanien, Itaien und
USA) zur Entwicklung einer neuen MLRS-Rakete unter Führung
der USA. Durch GPS-Navigation wurde die Treffgenauigkeit erhöht
und die Streuung verringert. Gleichzeitig führte die Fähigkeit zur
Lenkung, in Verbindung mit einem veränderten Antrieb, zu einer
gesteigerten Reichweite von bis zu 84 km. Durch einen modularen
Aufbau der Rakete wurde die Möglichkeit der zukünftigen Integ-
ration unterschiedlicher Gefechtsköpfe realisiert. Die Entwicklung
dieses Raketentyps wurde unter der Bezeichnung Guided-MLRS
(GMLRS) bekannt und 2003 erfolgreich abgeschlossen.
Aufbauend auf dem Entwicklungsergebnis haben die Partnerna-
tionen weitere Gefechtsköpfe für unterschiedliche Zielspektren
entwickelt:
• Zur treffgenauen Bekämpfung von Infrastrukturzielen sowie
weichen bis halbharten, stationären Punktzielen (z.B. befestigte
Stellungen, gepanzerte Gefechtsfahrzeuge) auf Entfernungen
von 15 bis 84 km wurde, unter Federführung der US-Seite, bis
2007 die M31 GMLRS UNITARY entwickelt. Bei einer mittleren
Abweichung von fünf Metern zu den Zielkoordinaten und einem
Splitterradius von unter 100 m, ist die Gefahr von Kollateralschä-
den deutlich reduziert. Durch unterschiedliche Zünderlaufzeiten
und die Wahl des Fallwinkels kann die Splitterverteilung im Ziel
beeinflusst werden, so dass die Bekämpfung von Zielen in De-
ckung möglich ist. Erfahrungen im Irak und Afghanistan zeigen,
dass die Bekämpfung von Kampfpanzern oder Bunkeranlagen
in der Regel jedoch nur mit einem Volltreffer gelingt, was ent-
sprechende Anforderungen an die Qualität der Zielkoordinaten
stellt. Das Deutsche Heer verfügt seit 2011 über diese Rakete.
messeinheit (Inertial Measuring Unit
- IMU) für anspruchsvolle Führungs-
und Navigationsanwendungen.
• Keine ITAR-Beschränkung
• Kleine Ausmaße, geringes Gewicht
• Geringe Leistungsaufnahme, niedrige Kosten
• Unempfindlich gegenüber Magnetfeldern
• Niedrige Neigungsinstabilität des Kreisels (0,5°/h)
• Geringes Rauschen (0,15°/√h)
• Geringe Neigungsinstabilität des Beschleunigungs-
sensors (0,05 mg)
• Einwandfreie Funktion bei Vibration und Stößen
• Vollständig kalibriert und gemäß der jeweiligen
Kundenanwendung konfigurierbar
• 3 Neigungsmesser für präzise Ausrichtung
• Gewicht: 55 Gramm, Volumen <3,3 ccm, Leistungs-
aufnahme 1,5 Watt
STIM300 ist einsatzerprobt in militärischen
Landnavigationssystemen, Flugkörpersystemen,
Zielerfassungssystemen, luftgestützter Überwachung,
DIRCM, ferngesteuerten Waffensystemen,
Trägerfahrzeugen, und Satelliten.
When size, performance and robustness matter

• Für die Bekämpfung von Hartzielen als Flächenziel, wie Kampf-

panzer und hochwertige Einzelziele, wie Einsatzmittel für Mas- sales@sensonor.com • www.sensonor.com
senvernichtungswaffen, Flugabwehrpanzer oder mobile Radar-
anlagen ist die Suchzünder-Munition-Artillerie (SMArt) geeig-

September 2017 · Europäische Sicherheit & Technik 77

  RÜS TUNG & TECHN O LOGI E
(Foto: Bundeswehr/Volker Jung)
Die Besatzung des MARS beim Ladevorgang
net. Bis zu einer maximalen Zielentfer-
nung von 26 km ist heute der Einsatz
der PzH2000 möglich. Um auch auf Ent-
fernungen bis 84 km wirken zu können
hat Deutschland unter Federführung
der Firma Diehl einen GMLRS SMArt
Gefechtskopf mit vier Submunitionen
entwickelt und im Jahr 2010 erfolgreich
qualifiziert.
• Zum Einsatz, vor allem gegen weiche
Flächenziele (Gefechtsstände, Versor-
gungspunkte, Infanterie etc.) hatten
nahezu alle großen Militärnationen
Bombletmunition – auch Streumuniti-
on/Cluster Munition – in ihren Bestän-
(Foto: U.S.Army)
Abschuss einer ATACMS-Rakete der Amerikaner für Reichweiten bis zu 300 km
78 Europäische Sicherheit & Technik · September 2017
den. Eine hohe Blindgängerrate und die
dadurch entstehende Gefährdung eige-
ner Truppen schränkte die Einsetzbar-
keit jedoch ein. Im Jahr 2007 mündete
diese Problematik in dem sogenannten
Oslo-Prozess mit der abschließenden
Konvention zur Ächtung von Streumu-
nition. Deutschland erklärte 2008 den
Verzicht, und die Bestände der Bundes-
wehr wurden inzwischen vernichtet. In
der Folgezeit haben die US-Streitkräfte
für die GMLRS-Rakete einen „Alterna-
tive Warhead“ zur Schließung dieser
Fähigkeitslücke entwickelt, der derzeit
in der Erprobung ist.
Maßnahmen zum Kampf-
werterhalt des MARS
Ende der 1990er Jahre zwang die zuneh-
mende Obsoleszenz zu Maßnahmen der
Kampfwerterhaltung. Weiterhin war eine
Reduzierung von Kosten in der Nutzung
des MARS nötig, und es wurde nach Mög-
lichkeiten zur Integration der in der Ent-
wicklung befindlichen neuen Munitions-
sorten gesucht.
Gemeinsam mit Frankreich und Italien
entschied sich Deutschland als Pilotnation
für die Realisierung eines eigenen Euro-
päischen Fire-Control-Systems (EFCS). Die
Einbindung in das Führungs- und Waffen-
einsatzsystem der Artillerie (ADLER) ist un-
verändert gegeben.
Durch den Einbau neuer elektrischer Richt-
antriebe wurde zudem die Zeit, die der
Werfer benötigt, sich auf ein Ziel auszu-
richten, von 90 auf unter 30 Sekunden ver-
kürzt. Das reduziert sehr deutlich die Zeit
bis zur Wirkung im Ziel und die Verweildau-
er in der Feuerstellung.
In der Struktur HEER2011 sind insgesamt
38 Raketenwerfer ausgeplant. Die Ausliefe-
rung eines ersten Loses von 20 Fahrzeugen
erfolgte in Deutschland in den Jahren 2011
bis 2013. Das Waffensystem wird nunmehr
unter dem Namen MARS II geführt. Im Ja-
nuar 2017 wurde die Finanzierungszusage
für die Umrüstung der fehlenden 18 MARS
Systeme erteilt, die derzeit in der Depot-
organisation gelagert sind. Ausgeliefert
 RÜS TUNG & TECHN O LOGI E 

werden sollen diese Systeme in den Jahren
2019 und 2020.
Durch die getroffenen Maßnahmen ist die
weitere Nutzung des MARS II bis zur Ein-
die Bekämpfung von Aufklärungsmitteln,
Flugabwehrsystemen sowie Führung- und
Versorgungseinrichtungen eine wichtige
Aufgabe. Insbesondere im Rahmen von
werden kann, um die Truppe robust und
durchhaltefähig zu unterstützen. Durch
den Einsatz von GMLRS UNITARY ist, zu-
mindest bis zu einer Eindringtiefe von 75
km, heute schon die Unterstützung mit

(Grafik: ArtS Gruppe WE)

indirektem Feuer von gesichertem Terri-
torium 24/7 möglich. Über eine geplante
Reichweitensteigerung auf 300 km wer-
den diese Möglichkeiten noch deutlich
verbessert. Die US-Streitkräfte verfügen
mit dem Army Tactical Missile System
(ATACMS) bereits seit 2003 über diese
Fähigkeit.

Das Konzept SMArt auf dem Träger GMLRS
führung einer Folgefähigkeit im Rahmen
des Common Indirect Fire System (CIFS) im
Jahr 2035 sichergestellt.
Ausblick und zukünftige
Handlungsmöglichkeiten
Ausgangspunkt der Überlegungen war,
Fazit
Das Einsatzspektrum des MARS II hat
sich in den vergangenen Jahren durch
eine konsequente Weiterentwicklung
in Bezug auf Reichweite und Präzision
erheblich gesteigert. Weiteres Potential
zum Aufwuchs ist vorhanden und ge-
gebenenfalls im Zusammenschluss mit
anderen Staaten zu erreichen. Die Ent-
scheidung, über welche Fähigkeiten die
Bundeswehr am Ende auch vor dem Hin-
tergrund der Fokusverschiebung zur Lan-
Suppression of Enemy Air Defence (SEAD) des- und Bündnisverteidigung verfügen
trägt er dazu bei, die zeitlich begrenzte ei- wird, wird Ergebnis der sicherheitspoliti-
gene Luftüberlegenheit, als Voraussetzung schen Diskussion sein.  L
der Unterstützung
der Landstreitkräf-
te, durch eigene
Luftkriegsmittel zu
schaffen. Die Zer-

Testing for knowledge

welche Möglichkeiten die neuen Fähigkei- störung militärisch
ten im Hinblick auf wahrscheinliche Ein- relevanter Infra-
satzszenarien haben können. struktur und Kriegs-
In der jüngeren Vergangenheit wurde in brücken ist ein wei-
den Stabilisierungsoperationen bei mas- terer Aspekt. Dabei
sivem Feindkontakt oft Luftnahunterstüt- kann der MARS II,
zung angefordert, weil eine Bedrohung aufgrund der gro-
durch gegnerische Flugabwehrsysteme ßen Reichweite,
oder luftgestützte Waffensysteme kaum auch weit in die Tie-
zu befürchten war und somit auch Luft- fe des gegnerischen
kriegsmittel in Abhängigkeit der Umwelt- Raumes und ohne
bedingungen zur Verfügung standen. zeitauf wendige
Aber bei Schussentfernungen von 15 bis Marschbewegun-
84 km könnte ebenso die Raketenartillerie gen schnell in den
mit GMLRS UNITARY zum Einsatz kom- Verantwortungsbe-
men. Das hätte sogar den Vorteil, dass sie reich der eigenen
dabei unabhängig von der gegnerischen linken und rechten
See us at stand: ,
Flugabwehr sowie von Umweltbedingun- Nachbarn wirken. MSPO in Kielce
n No. F-29 at 8, 20 17
gen 24 Stunden am Tag und an sieben Ta- Eine immer wie- Poland, Sept 5–
gen in der Woche verfügbar ist. derkehrende Frage Pavilion
The Swedish
Vor dem Hintergrund der Befähigung zur bei Luftlandeope- n No. N2-220 –15, 2017
Landes- und Bündnisverteidigung kann rationen ist, wie at DSEI, Sept 12
der MARS II im gesamten Aufgabens- F e u e r u n t e r s t ü t-
pektrum der Artillerie wirken. Wesentlich zung unter Be-
sind das frühzeitige und abstandsfähige rücksichtigung Explore our
Ausschalten von gegnerischen Reserven des begrenzt zur Test Ranges in Sweden
und Kräften in Bereitstellungsräumen, Verfügung stehen-
um damit verlustreiche Duellsituationen den Lufttransport-
weit im Voraus zu reduzieren. Ebenso ist raums sichergestellt

September 2017 · Europäische Sicherheit & Technik 79

 RÜS TUNG & TECHN O LOGI E

Exportkontrolle von Cyber-Überwachungstechnik

Dunkle Wolken für die Digitalwirtschaft

Jan Byok und Benjamin Wübbelt

Die EU-Kommission plant derzeit eine grundlegende Reform der Dual-Use-Verordnung. Deutsche Herstel-
ler von Cyber-Überwachungstechnik sollten dies aufmerksam verfolgen. Nach derzeitigem Stand werden
sie sich künftig verstärkt mit dem komplexen deutschen Exportkontrollrecht zu beschäftigen haben.

B
(Fotos: Bird & Bird)

ei der Ausfuhr von Gütern, die so-

wohl zivilen als auch militärischen
Zwecken dienen (sogenannte Güter
mit doppeltem Verwendungszweck oder
auch Dual-Use-Güter), ist der Anwen-
dungsbereich der EG-Dual-Use-Verord-
nung (EG) Nr. 428/2009 eröffnet. Diese
legt für alle Mitgliedstaaten Genehmi-
gungspflichten für Güter fest, deren
technische Leistungsmerkmale in einer
Güterliste im Anhang der Verordnung
aufgezählt sind. Will ein deutsches Un-
ternehmen derartige Güter ausführen
(z.B. Werkstoffe, Maschinen, Elektronik
oder Chemikalien), benötigt es eine Ge-
nehmigung des Bundesamts für Wirt-
schaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA). Dies
gilt sowohl für Ausfuhren in Drittstaaten
als auch für Verbringungen in andere
Mitgliedstaaten der Europäischen Union.
Das Genehmigungsverfahren entwickelt
sich häufig zum Störfall für die geschäft-
liche Expansion.
Seit 2009 wurde die geltende Du-
al-Use-Verordnung nur geringfügig ge-
ändert. Hauptsächlich handelte es sich
hierbei um Fortschreibungen oder An-
passungen von Güterlisten. Mit einem
im September 2016 veröffentlichten Ent-
wurf plant die EU-Kommission jedoch
nunmehr eine grundlegende Reform der
Au to r
Dr. Jan Byok LL.M. (Edinburgh),
Oberstleutnant der Reserve, ist
Fachanwalt für Informationstechno-
logierecht und Fachanwalt für Ver-
gaberecht. Er ist geschäftsführender
Partner von Bird & Bird Deutschland.
Dr. Benjamin Wübbelt ist Rechts-
anwalt der internationalen Wirt-
schaftskanzlei Bird & Bird LLP. Sein
Beratungsschwerpunkt ist das Verga-
berecht mit besonderem Bezug zum
Informationstechnologie- und Daten-
schutzrecht.
Dual-Use-Verordnung, die weit über kos-
metische Änderungen hinausgeht und
insbesondere für die IT-Branche gravie-
rende Folgen haben wird.
Weltweite Sicherheitslage
erfordert neuen
Dual-Use-Begriff
Auf den Plan gerufen wurde die EU-Kom-
mission durch die Lieferung von europä-
ischer Cyber-Überwachungstechnik an
autokratische oder diktatorische Regime.
Immer wieder fällt hierdurch auf, dass Sur-
veillance-Technik Made in Europe in Län-
dern wie Ägypten oder Uganda ein belieb-
tes Repressionstool ist. So wurde etwa im
sogenannten „Arabischen Frühling“ auch
europäische Überwachungstechnik ein-
gesetzt, um beispielsweise Regimekritiker
abzuhören oder Oppositionelle und Jour-
nalisten zu überwachen. Dies dürfte zur
Stärkung autoritärer Regime in nicht un-
erheblichem Umfang beigetragen haben.
Um dies zukünftig zu verhindern, soll nun
– quasi als Herzstück der Reform – der
Begriff des Dual-Use-Gutes neu definiert
werden. Nach dem derzeitigen Entwurfs-
stand sollen künftig auch Technologien für
digitale Überwachung der Definition der
Dual-Use-Güter darunter fallen. Dies gilt
auch dann, wenn diese Produkte für militä-
rische Nutzungszwecke gar nicht geeignet
sind. Unter Cyber-Überwachungstechnolo-
gien versteht der Entwurf etwa Ausrüstung
zur mobilen Telekommunikationsüber-
wachung, Intrusions-Software, Überwa-
chungszentren, Systeme zur Vorratsdaten-
speicherung oder digitale Forensik, wobei
diese Aufzählung nicht abschließend ist.
Diese Neufassung des Dual-Use-Begriffs
zwingt europäische IT-Unternehmen, sich
in einem verstärkten Maße mit dem The-
menkomplex Ausfuhrkontrolle zu befas-
sen. Setzt sich die Kommission mit ihrem
Vorhaben durch, wird die Ausfuhr von
Cyber-Überwachungstechnik in Zukunft
grundsätzlich einen zeitaufwändigen Ge-
nehmigungsprozess durchlaufen müssen,
der die konkrete Menschenrechtslage im
Zielland berücksichtigt.
Hohe Rechtsunsicherheit
durch Catch-All-Menschen-
rechtsklausel
Die Aufnahme von IT-Produkten in eine
Güterliste ist jedoch nicht der einzige Fall,
in dem es zu einer Genehmigungspflicht
kommt. Nach dem Verordnungsentwurf

80 Europäische Sicherheit & Technik · September 2017

 RÜS TUNG & TECHN O LOGI E 

besteht eine Genehmigungspflicht auch Sorgfaltsmaßstab hierbei zugrunde gelegt für Unternehmen jedoch zahlreiche Prob-
dann, wenn Güter zwar nicht ausdrück- werden soll, ist derzeit noch völlig unklar. leme. Insbesondere sind spürbare Rechts-
lich gelistet sind, das ausführende Unter- Aufgrund der völligen Unbestimmtheit der unsicherheiten bei der Anwendung der
nehmen jedoch von der Aufsichtsbehörde Tatbestandsmerkmale (schwerwiegende neuen und unbestimmten Rechtsbegriffe
darüber in Kenntnis gesetzt worden ist, Menschenrechtsverletzungen) ist hier eine zu erwarten.
dass die Güter im Rahmen interner Repres- aufwändige und fehleranfällige manuelle
sionen zur Begehung schwerwiegender rechtliche Einzelfallprüfung vorprogram- Weiteres Gesetzgebungs-
Verletzungen der Menschenrechte betei- miert. Je nach Ausgang der Selbsteinschät- verfahren
ligt waren oder Hinweise dafür vorliegen, zung folgt dem Prüfungsergebnis dann
dass sie hierzu eingesetzt werden können eine ebenso zeitaufwändige Abstimmung Mit einem Abschluss des Gesetzge-
(sogenannte Catch-All-Menschenrechts- mit der Aufsichtsbehörde. bungsverfahrens 2017 dürfte eher nicht
klausel). zu rechnen sein. Die EU-Kommission hat
Bei dieser Erweiterung der Catch-All-Men- Harte Sanktionen bei den Verordnungsentwurf dem Europarat
schenrechtsklausel belässt es der Verord- Verstößen und dem EU-Parlament zugeleitet, welche
nungsentwurf jedoch nicht. Er verpflich- Änderungsvorschläge einbringen kön-
tet auch das europäische Unternehmen Der hohe manuelle Aufwand bei der Um- nen. Aus Reihen der Mitgliedstaaten ist
zusätzlich zu einer eigenständigen Lage- setzung der neuen Pflichten wird dabei bereits zu vernehmen, dass eine gewisse
beurteilung. Hat das ausführende Un- nicht das einzige Problem für europäische Skepsis gegenüber der Tragweite des Ent-
ternehmen im Rahmen der gebotenen IT-Unternehmen bleiben. Hinzu kom- wurfs besteht. In Deutschland befürchten
Sorgfalt Kenntnis von schwerwiegenden men beträchtliche Strafbarkeitsrisiken. insbesondere Wirtschaftsverbände, dass
Menschenrechtsverletzungen erlangt, Wer ohne eine erforderliche Genehmi- die konturlosen Regelungen des Verord-
muss es die zuständige Behörde aktiv gung Dual-Use-Güter ausführt, begeht nungsentwurfs Rechtsunsicherheiten und
unterrichten. Anschließend entscheidet – je nach Einzelfall – eine Straftat oder Einzelfallprüfungen für Unternehmen nach
diese, ob die Ausfuhr aufgrund der Infor- Ordnungswidrigkeit nach dem Außen- sich ziehen und den digitalen Standort
mationen des ausführenden Unterneh- wirtschaftsgesetz (AWG). Derartige Ver- Deutschland belasten.
mens genehmigungspflichtig ist. Damit gehen können mit Freiheitsstrafe bis zu Unabhängig von dem weiteren Verlauf des
normiert der Verordnungsgeber eine be- fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft Gesetzgebungsverfahrens ist die Stoßrich-
triebliche Prüfungspflicht, die ausführen- werden. Darüber hinaus drohen weitere tung der EU-Kommission jedoch deutlich
de Unternehmen verpflichtet, im Zielland Sanktionen, etwa der Ausschluss aus öf- und in der Tendenz wohl auch unumkehr-
genau hinzusehen und eine politisch hu- fentlichen Vergabeverfahren oder Eintra- bar. Wenn die Verordnung erlassen wird,
manitäre Lageeinschätzung vorzunehmen. gungen in Vergaberegister. Eine allzu pra- gilt sie unmittelbar. Eines Umsetzungsaktes
Dies dürfte für die Exportwirtschaft hohe xisorientierte Auslegung von Regelungen auf nationaler Ebene bedarf es nicht mehr.
Hürden errichten. Sie müssen nicht nur der Dual-Use-Verordnung, insbesondere Europäische IT-Unternehmen sind daher gut
anhand von Güterlisten prüfen, ob eine der Catch-All-Menschenrechtsklausel, ist beraten, den weiteren Prozess zu beobach-
Genehmigungspflicht besteht. Im Rah- vor diesem Hintergrund äußerst riskant. ten. Sie werden es mit Sicherheit in Zukunft
men ihrer geschäftlichen Tätigkeiten sind Die Ziele der EU-Kommission sind zwei- schwerer haben, wenn sie kritische Techno-
sie zusätzlich zu der Prüfung verpflichtet, fellos nachvollziehbar. Die zurückhaltende logieprodukte in Drittländer ausführen.
ob an sich nicht genehmigungspflichtige Regulierung europäischer Cyber-Überwa- Aus Sicht des Technologiestandortes
Güter aufgrund ihrer Verwendung im Ziel- chungstechnologie mag in der Vergangen- Deutschland bleibt zu hoffen, dass der wei-
land zu genehmigungspflichtigen Gütern heit in der Tat dazu geführt haben, dass tere Rechtssetzungsprozess zu einer schär-
mutieren. Wie Unternehmen diese Prü- diese in falsche Hände geraten sind. Die feren Konturierung führt. Gewährleistet ist
fungspflicht umsetzen sollen und welcher Umsetzung der neuen Vorschriften birgt dies freilich nicht. L

IT-Report
Wehrtechnischer Report · 1/2017 · D 46 892 Neue Broschüre
2017
IT-Report 2017
IT-Report 2017

Cyber als Antrieb strukt

ureller
Veränderungen in der
Bundeswehr
Gruppenkomm IT-Report 2017

Wearables und unikation mittels

Themen:
(Foto: BMVg)

Klaus Hardy Mühleck

Die Digitalisierung ist

in allen Bereichen des
Smart Devices
gesellschaftlic Oscar Bertin,
Lebens angekommen und IT-Report 2017hen Armin Leopold,
Geschwindigkeit voran.
treibt Veränderungsprozesse
in rasanter
mando Cyb er- Gerhard A. Schwarz
und Gunnar Teege

Aufstellung Komsraum
Sie ist zum Motor der Transformatio Nachdem Mobile

• Abteilung CIT
zu einer „Digitalen Gesellschaft“ n hin Computing als
geworden. Informationst allen Händen anerkannte Technik
echnik ist, wird das Potenzia bei der persönlic

und Information
(IT) ist nicht länger nur l als „Dual Use“-Te hen Informationsvers
ein Werkzeug, um Geschäftsproz im militärischen orgung in
unterstützen, sondern esse zu Umfeld gemeint chnologie, damit
bildet die synergetische , immer deutliche ist die parallele
Grundlage dafür, r erkennbar. Verwendung
innovative Geschäftsmod
elle umzusetzen sowie
waltungsabläufe und Organisations Prozesse, Ver- (KdoCIR)
Dorothee Frank
formen neu zu gestalten. und Informationsraum

• KdoCIR
Kommandos Cyber- ehr, Erprobung der demonstriert
Aufstellung des r der Bundesw Gruppen- werden. Dabei
stand im
die feierliche Generalinspekteu kommunikation Fokus, wie mittels
Am 5. April fand Leyen und den Ludwig über Mobile Computin
Ursula von der ist Generalleutnant VoIP auf Smartpho auf der Basis von g,

A Inspekteur CIR Consumer- oder

ungsministerin nes im
zialgeräten (Smartpho Spe-
he statt. Der neue
uf Informationen kann Einsatz in Zivil
weltweit damit zu einer durch Verteidig e). in einer nes), die klassi-
************************************ auf der Hardthö
**************************

**************************

und in Echtzeit zugegriffen Aufgabe der gesamt-

Volker Wieker, (beide Luftwaff Großstadt sche militärisch
wer- staatlichen Sicherheitsvorsor damit Zukunftsperspek
General Michael Vetter e Funkkommunikation
ergänzt, alternativ
den. Durch den exponenziell ge gewor- tiven gestaltet Brigadegeneral
zuneh- den. und beherrscht werden Stellvertreter auch ersetzt werden
menden Grad der Vernetzung Leinhos, sein
können. Die ändlich
gilt selbstverst
könnte.
rücken Die Chancen und Risiken Bundeswehr hat diese Herausforderung die Grenze – das soweit Die weitere
Abteilung CIT im BMVg reale und virtuelle Welt betonte m. Und

• Die HERKULES Zukunft

immer näher talisierung der Digi- angenommen. Kabel“, Miniaturisierung,
Die Strategien, Planun- und 100 Kilometer für den Cyber-Rau Klä-
zusammen. Damit eröffnen erfordern neue Wege
o, das hat Konse- auch noch rechtlichen
gleichzeitiger bei
sich weit- Umgang im gen sowie die organisatorischen und führte als darüber hinaus
Erweiterung des

D Aus- neue Kommandden be- von der Leyen wir ohnehin in Erfas-
reichende Chancen für Staat,
Wirtschaft
mit Innovation, Agilität
und wirkungen werden ieses eiten aus: „Der es rf gibt, stehen
sungsspektrums
durch Sensoren
im folgenden Artikel neben Gegebenh rungsbeda n der Verarbeitu bzw.
und Gesellschaft. Neue
Möglichkeiten dargestellt. gleichberechtigt i- quenz dieser nsraum ist eine mit den zuständige ngs- und Ausgabem
Planungen KdoCIR der Kommunikation, des
Wissen und der innovativen
Zugangs zu „Die sichere und gesicherte
freie Nutzung des Cyber-
sowie
onsbereichen
en Organisat
stehenden militärisch spiegele die Cyber-
entstehe,
und Informatio
eigene sicherheits
politische Domäne
Land, Luft, See
engem Austausch
und Ressorts.“
Dieses notwendig
e Selbst-
auf den Cyber-Rau -
m
lichkeiten, eröffnet
neue
Entwicklung sogenannt Potenziale zur
ög-
Gestaltung und In- Cyber-Sicherheit Informationstechnik geworden – neben verständnis auch also tragbarer, er „Wearables“,
von Zusammenarbeit in
allen Bereichen formationsraums ist elementare Bedeutung von ergebe sich zwangsläu am Körper befindliche
führen zu völlig neuen Modellen mes für die Bundes- auszudehnen hr, omnipräsenter r
und des Cyber-Rau der Bundeswe
Die HERKULES Zukunft sozialer
Voraussetzung staatlichen
und Cyber-Sicherheit ist die IT-Sicherheit fig aus dem Auftrag
„Smart Devices“.

• Taktische Kommunikation
Interaktion und Betätigungsfelder seine
privaten Handelns in unserer im Cyber-Raum auf Datenebene der sein Gebiet und
n für glo- Deutschland, im
Forschung und Entwicklung. balisierten Welt. Die ver- und auf die auch Hearables
Frank)

wachsende netzten bzw. vernetzbaren Bürger zu schützen zu

Digitalisierung birgt umgekehrt und sämtliche Lebensbereiche onstechnischen Systeme,
informati- Bedrohungen
auch Weißbuch definierten
(Foto: Dorothee

Sichere Architektur Risiken. Cyber-Attacken

reits heute Einfluss auf
nehmen be-
unseren Alltag.
durchdringende Digitalisierung
ihrer fortschreitenden Vernetzung
mit Bundeswehr ergänzt um
aus Sicht der
den Anteil
IT-Systeme, die über Datenschnittstelle der reagieren zu können.
„Als sechster
Inspekteur der Bun-
Auf Grund der
Kopfhörer-
Miniaturisierung
und Mikrochip
-Kompone
von
ten konnten im
Die Sicherheit im Umgang
mit Informa- von Individuen, Organisationen verfügen, ansonsten aber n Sie, General Leinhos, Segment Wearables n-
tionstechnik und die Nutzung und Staaten prägt in einzigartiger von öffentlich deswehr werden IT, Militärisches den vergangen in
Taktische Datenlinks ber- und Informationsraum
des Cy-
Weise die Chancen unserer
zugänglichen Netzen und
dem Inter- die Aufgaben
Cyber,
Geoinformations- nannte Hearables
en zwei Jahren soge-

• Digitalisierung in der Bundeswehr

es werden net separiert sind. Dies entwickelt werden.
mehr und mehr zu einer wart und Zukunft. Sie macht
Gegen- zu erreichen, Nachrichtenwesen, Kommunikation Es handelt sich
strategischen hierbei um kabellose
Herausforderung. Innere Gesellschaft und Wirtschaft
Staat, ist Ziel der gesamtstaatliche
n Sicher- wesen und Operative die Ohrhörer, die
führen“, beschrieb
st)

und äußere meist

jedoch heitsvorsorge aller Ressorts, aus einer Hand Signale von einem über Bluetooth-
(Foto: InSapphoWeTru

Taktische Kommunikation Sicherheit lassen sich nicht

scharf voneinander abgrenzen.
mehr trenn-
Cyber-
zugleich besonders verwundbar
Cyberangriffe und erfordert
unmit-
für mations- und Kommunikations
(IKT) Service Provider, der
der Infor-
technik Ministerin den
werden Ihrem
Aufbau. „Bereits
Kommando rund
im Juli
13.500
zivile
mittelt bekommen
neben Fitness-Tra
Smart Device
ver-
und in vielen Fällen
Sicherheit und Cyber-Verteidigu telbare Gefahrenabwehr. Betreiber von Soldaten sowie cker-ähnlic
ng sind “ kritischer Infrastruktur (KRITIS), Soldatinnen und
L
Weißbuch 2016 der IT- r un- ren auch ein zusätzliche hen Senso-
und Mitarbeite
Digitalisierung in der Bundeswehr Autor:
Klaus Hardy Mühleck ist
Sicherheitsindustrie, der
Forschung und jedes einzelnen
akademischen
Nutzers.
Mitarbeiterinnen
terstellt sein.
Diese kommen
aus den
der Streit-
aufende Forschung
logie (F&T)-Unt
- und Techno-
ersuchungen Ausrüstung, Informatio
dium eingebaut
haben.
s Speicherme-
Start-up-Unternehme Vor allem von
Leiter der Resilienz. Des Weiteren gewinnen Dabei fallen innere und unterschie dlichsten Ecken der Universität
neue der
bei Nutzung
der Bundeswe
nstechnik und
Hearables n werden diese
äußere Sicher- einechen, Bundeswehr Mün-
Abteilung Cyber- und Informations- Kom- heit nirgends so sie alle gilt es, hr betrachten speziell für Sportaktiv
petenzen in Bereichen wie eng zusammen wie im kräfte und für im Auftrag des Alternativen zur ten und zum itä-
Cognitive Computing technik (CIT) im BMVg und
Chief Information Officer
Ressort
(Ressort-
puting, Big Data, Software
Cyber-Sicherheit, Internet
Cloud-Com- Cyber-Raum.
Engineering, – besonders
Daher ist Cyber-Sicherheit
bei Kritischen Infrastruktu- am 5. April 2017
auf der Hardthöh e in Bonn Heimat in der Bundeswe
hr zu schaffen.“
Autoren:
Bundesamtes
für auf Basis
von
phones und zeigen
Funkkommunikation
Wearables und Smart-
Wegen der Lage
Musikhören entwickelt
im
diese durch einen Ohr zeichnen sich
.
CIO). of Things ren – eine Aufstellungsappell er ist ein neuer
Opera-
Standort BonnOTL Dipl.-Infor Effektivitätsgewinn Wege für einen aus und hohen Tragekomf
sowie IT-Architekturen
zunehmend an und bedarf
gesamtstaatliche Aufgabe Weltraum – und hr.“ KdoCIR am m. Gerhard A. in der „Letzten sind sehr stabil ort
Bedeutung. Sie sind wichtige intelligenterer gemeinsamer Verteidigungsmi- für die Bundeswe Schwarz
neu- vom BAAINBw Meile“ auf. meisten werden zu tragen. Die
Treiber, Lösungen als wehr wider, betonte Leyen bei ihrer tionsraum Operationsraum müsse die in Bonn an einem sowie Prof. als Erweiterun
die bislang im Rahmen der von der Das KdoCIR wird Dr. Gunnar Teege, Die prinzipielle den Smart Devices g zu
************************************ nisterin Ursula In diesem ebenso wirken Standort direkt
neben Oscar Bertin n Vorteile von

84 Seiten
6 genutzt. Allgemein
des Appells. „Denken hr in Zukunft (angemieteten) und Armin
es Leopold vom bile Computin Mo- betrachtet
Rede während in Bundeswe Dimen- en ft des Bundesamt Institut für g in einem militärisch , sind Hearables
Hubschrauber wie in den anderen defensi- der neuen Liegenscha Technische
stechnik Informatik der Universi- Szenario konnten en Wearable- innovative
wir an den MedEvac- ohne dass er können, schließe neben in der Information tät der Untersuchungen
in umfangreichen Produkte in der
ersten Re-
Mali, der nicht
abhebt,
ssen sionen. Dies en ein. für Sicherheit finden. Anfangs Bundeswehr München
noch unter Berücksichti-
alisierungsphase
und sind meist
amm angeschlo Maßnahm Heimat gung technische
an ein SAP-Progr ven auch offensive Bundeswehr an- (BSI) seine nnschaft von
260 r und operatione nicht vollständig noch
wir unsere neuen die Netze der mit einer Anfangsma zwischen 2021 Aspekte in den ller den zusätzliche ausgereift. Stetig wer-
wurde. Oder nehmen F125. Durch die „Wenn

€ 14,80
wir uns auch die dann letzten zwei Funktionen entwickelt
Reihe werden, dürfen Dienstposten, von 700 bis 800
Jahren und
in die Hearables
Fregatten der Auto- gegriffen “, betonte von der Leyen. integriert.
weitgehenden bis 2023 die Sollgröße soll. In dem mi-
Einführung einer Schiffen verteidigen auf andere staatliche In- en einnehmen
wir bei diesen „Bei Attacken im Rah- Dienstpost nsbereich werden
mation können auf fast die Hälfte können wir immer In den litärischen Organisatio dieses Jahres et-
die Besatzungsstärke moder- stitutionen tätig werden. ab dem 1. Juli 63
sind somit dank men der Amtshilfe die Lage klar, hier beginnend s
reduzieren. Es higere Schiffe en (DP) Militärische
nsätzen ist wa 5.500 Dienstpost
ner Technik leistungsfä Euro- Auslandsei die Bundestagsmandate

(zzgl. Versandkosten)
Crew. Oder der
trotz kleinerer Computer an Bord bestimmen
80
fighter, der allein

16

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September 2017 · Europäische Sicherheit & Technik 81

 RÜS TUNG & TECHN O LOGI E

„Wir haben mit der OCCAR in Europa ein

vorzügliches Instrument zur effektiven
Durchführung kooperativer Programme“
(Foto: OCCAR)
Interview mit Arturo Alfonso-Meiriño,
Direktor der OCCAR

Arturo Alfonso-Meiriño wurde zum 1. März zum neuen Direktor

der OCCAR (gemeinsame Organisation für Rüstungskooperation/
Organisation Conjointe de Coopération en matière d‘ARmement)
bestellt. ES&T sprach mit ihm über die wesentlichen Programme,
Perspektiven und Planungen der OCCAR.

ES&T: Was sind die wesentlichen Positio-
nen Ihres beruflichen Werdegangs, und
welche Ziele haben Sie sich für Ihre neue
Verwendung gesetzt?
Alfonso-Meiriño: In meiner vorherigen
Verwendung war ich Generalmajor der
Spanischen Luftwaffe und stellvertreten-
der nationaler Rüstungsdirektor für inter-
nationale Beziehungen. In dieser Funktion
war ich auch der spanische Vertreter im
Aufsichtsrat der OCCAR und im Executive
Committee des LoI/Framework Agreement
sowie zentraler Ansprechpartner für die Eu-
ropean Defence Agency (EDA). Von 2005
bis 2011 war ich bei der EDA als Director
of Industry and Market. Davor hatte ich
Funktionen in verschiedenen nationalen
Luftfahrzeugprogrammen und war im Jahr
(Grafiken: OCCAR)
Syrien, der globale Terrorismus, möglicher-
weise neue Prioritäten in der Außenpolitik
der USA verdeutlichen, dass Europa mehr
für seine Verteidigung tun muss, national
und multinational. Erste Schritte, darunter
eine Trendwende bei den Verteidigungs-
ausgaben, sind getan, reichen aber noch
nicht aus. Eine bessere europäische Vertei-
digung hängt von vielerlei Anstrengungen
ab, nicht nur von der Ausrüstung. Wir wis-
sen alle, dass wir effektivere Investitionen in
die Ausrüstung tätigen und die multinatio-
nalen Synergien, die ein Europa von mehr
als 20 Ländern mit einer bemerkenswerten
Wirtschaftskraft bieten kann, nutzen müs-
sen. Das ist zwar nicht neu, aber der Druck,
mehr und besser zusammenzuarbeiten,
wächst. Ich denke, dass wir mit der OCCAR
in Europa ein vorzügliches Instrument zur
effektiven Durchführung kooperativer Pro-
gramme haben. Das wurde in den letzten
15 Jahren unter Beweis gestellt.
Daher ist mein Ziel, dass die OCCAR unse-
ren Mitgliedstaaten und auch möglichen
teilnehmenden Nichtmitgliedstaaten best-
mögliche Managementdienste für koope-
rative Rüstungsprogramme anbietet. Ein
Wachsen der OCCAR um des Wachsens
wegen ist nicht meine Zielsetzung, aber
die OCCAR sollte die standardmäßige Ma-
nagementorganisation für die Umsetzung
einer zunehmenden Anzahl von komple-
xen kooperativen Rüstungsprogrammen in
Europa sein.

2000 im A400M Interim Programme Of-

fice in Toulouse, kurz bevor das Vorhaben
an die OCCAR übergeben wurde. Ich habe
auch in der NATO Eurofighter and Tornado
Management Agency (NETMA) in Mün-
chen gearbeitet sowie als Verbindungsof-
fizier für das F-18-Programm bei der U.S.
Navy. Ich kann also sagen, dass die inter-
nationale Rüstungszusammenarbeit ein
Schwerpunkt meiner beruflichen Laufbahn
in den letzten 30 Jahren war und dass ich
ein Verfechter dieser Form der Beschaffung
militärischer Fähigkeiten für Europa bin.
In meiner neuen Position als OCCAR-Direk-
tor will ich auch weiterhin die Rüstungszu-
sammenarbeit mit der OCCAR als Schlüs- Die sieben hochseefähigen PPA-Mehrzweckkampfschiffe (Pattugliatori
selelement für deren Umsetzung fördern. Polivalenti d‘Altura) der italienischen Marine werden in drei Versionen
Neue Bedrohungen für Europa wie die unterschiedlich konfiguriert. Die Basis bildet jeweils eine gemeinsame
Entwicklungen in Osteuropa, der Krieg in Plattform mit abgestufter Bewaffnung und FüWES.

82 Europäische Sicherheit & Technik · September 2017

 RÜS TUNG & TECHN O LOGI E 

und die EDA eine Sicherheitsvereinbarung

getroffen.
Die NSPA und die OCCAR arbeiten seit 2005
auf der Grundlage einer damals von beiden
(die NSPA noch als NAMSA) unterzeichne-
ten Vereinbarung (MoU) zusammen. Auf
der Grundlage dieser Vereinbarung und
entsprechenden Service Level Agreements
leistet die NSPA logistische Unterstützung
Rumpf und Aufbauten des Logistic Support Ship (LSS, 23.500 t) der bei den OCCAR-Vorhaben A400M, COB-
italienischen Marine werden in zwei Sektionen bei der Fincantieri-Werft RA und Tiger. 2014 unterzeichneten beide
in Castellamare di Stabia bei Neapel und bei Riva Trigoso gebaut. Organisationen eine gesonderte Verein-
barung für das MMF-Programm, gemäß
ES&T: Was waren die wesentlichen Leistun- Halbjahr 2017 sind auf einem guten Weg. derer die OCCAR die Beschaffung sowie
gen der OCCAR in den letzten 20 Jahren, Im Zuge des FREMM-Programms sind die die logistische Unterstützung der Flugzeu-
welches sind gegenwärtig die Mitgliedstaa- sechste italienische und vierte französische ge während der ersten beiden Jahre des
ten, und wie teilen Sie sich die Vorhabenver- Fregatte ausgeliefert worden. Die Auslie- Betriebs im Auftrag der NSPA übernimmt.
antwortung mit anderen Organisationen ferungen des Tiger gehen weiter, mehr als Die OCCAR und ihre Partnerorganisationen
wie der EDA oder der NSPA (NATO Support 130 Hubschrauber sind eingeführt, und die NSPA und EDA arbeiten also jeweils in ihren
and Procurement Agency)? Vorbereitungen für einen Midlife Update ausgewiesenen Kompetenzbereichen, OC-
Alfonso-Meiriño: Unsere Mitgliedstaaten haben begonnen. Insgesamt laufen unsere CAR als die durchführende Management-
sind Belgien, Frankreich, Deutschland, Itali- gegenwärtigen Programme gut, und un- organisation für kooperative Rüstungspro-
en, Spanien und das Vereinigte Königreich. ser Spektrum an Vorhaben entwickelt sich gramme.
Wir haben aber auch Nichtmitgliedstaaten, positiv.
die mit gleichen Rechten an unseren Vor- Was unser Verhältnis zur EDA oder NSPA ES&T: Welche Nationen beteiligen sich an
haben beteiligt sind. Das ist eine großar- angeht, so sind beides Partnerorganisatio- dem europäischen MALE RPAS-Programm,
tige Eigenschaft der OCCAR, die zurzeit nen der OCCAR wie in unserem Geschäfts- und was genau ist heute die Rolle der OC-
sieben zusätzlichen Staaten eine Beteili- plan und auf unserer Website dargestellt. CAR bei diesem Vorhaben? Wie sieht die
gung an OCCAR-Programmen gestattet. OCCAR und EDA stehen seit der Gründung weitere Planung aus?
Dabei handelt es sich um Finnland, Litauen, der EDA 2004 in Verbindung, und das Ver- Alfonso-Meiriño: Das europäische MALE
Luxemburg (im A400M-Programm durch hältnis wurde 2012 mit der Unterzeichnung RPAS wird speziell auf ISTAR-Missionen
Belgien vertreten), die Niederlande, Polen, eines Verwaltungsabkommens formell be- (Intelligence, Surveillance, Target Acquisi-
Schweden und die Türkei.
(Foto: Airbus Defence and Space)

In den letzten zwei Jahren ist die OCCAR

erheblich gewachsen. Die Programme
MMCM (Maritime Mine Counter Measu-
res), PPA (Pattugliatori Polivalenti d’Altura),
LSS (Logistic Support Ship), MMF (Multina-
tional Multi Role Tanker Transport Aircraft
Fleet) und das MALE RPAS (Medium Al-
titude Long Endurance Remotely Piloted
Air System) sind an die OCCAR übergeben
worden.
Daneben sind über 40 A400M-Transport-
flugzeuge ausgeliefert worden, und die
taktischen Fähigkeiten haben erhebliche
Fortschritte gemacht. Ein zweites Los von
Boxer-Fahrzeugen wurde für Deutschland
bestellt, und Litauen ist dem Programm Die A400M ist ein strategisches und taktisches Transportflugzeug und
einschließlich der Entwicklung einer neuen kann auch zur Luftbetankung genutzt werden.
Version beigetreten. Die logistische Unter-
stützung für die eingeführten COBRA-Ra- gründet. EDA und OCCAR betrachten sich tion and Reconnaissance – Nachrichten-
dare wurde verlängert, das letzte Flugab- als gegenseitig verstärkende, privilegierte gewinnung, Überwachung, Zielerfassung
wehrsystem SAMP/T wurde im Rahmen Partner im Rüstungsprozess. So kann die und Aufklärung) ausgelegt sein. Das MALE
des FSAF-PAAMS-Programms ausgeliefert, EDA Programme am Anfang vorbereiten, RPAS-Programm wurde der OCCAR im
während auch mit der Lebensdauerverlän- während die OCCAR mit ihrer bewährten August 2016 übertragen; beteiligt sind
gerung (Sustainment and Enhancement Programmmanagementstruktur und Ex- Deutschland, Frankreich, Italien und Spani-
– Ertüchtigung und Verbesserung) von pertise bestens aufgestellt ist, solche ko- en. Die erste Phase des Programms ist eine
FSAF-PAAMS begonnen wurde. Phase 1 operativen Rüstungsprogramme in der Pra- zweijährige Definitionsstudie zur Feststel-
von ESSOR (European Secure Software xis von der Definitions- und Entwicklungs- lung der grundsätzlichen Auslegung (Base-
defined Radio) wurde erfolgreich abge- phase an umzusetzen. Die EDA kann aber line Design) des späteren MALE RPAS. Wie
schlossen, und die Vorbereitungen für den auch etablierte OCCAR-Programme im bei allen anderen Programmen fungiert
Beginn der Operational Capability 1-Phase erweiterten europäischen Rahmen unter- die OCCAR als vertragsschließende Behör-
(operationelle Verfügbarkeit) im zweiten stützen. Darüber hinaus haben die OCCAR de im Auftrag der beteiligten Staaten, ist

September 2017 · Europäische Sicherheit & Technik 83

 RÜS TUNG & TECHN O LOGI E
Deutschland, die Niederlande und Litauen beschaffen den Boxer in un-
terschiedlichen Versionen. Im Bild ein Führungsfahrzeug des Deutschen
Heeres in Afghanistan.
Vertragspartner der Industrie und kümmert
sich um alle damit verbundenen Aktivitä-
ten. Nach erfolgreichem Abschluss der
Definitionsstudie könnte sich eine Entwick-
lungsphase ab dem letzten Quartal 2018
anschließen. Die ersten Systeme könnten
ab 2025 geliefert werden.
Anfang 2017 trat Belgien dem RPAS-Pro-
(Foto: MBDA)
gramm als Beobachter bei. Die EDA un-
terstützt das Vorhaben im Hinblick auf die
Integration in den zivilen Luftverkehr und
bezüglich der Identifizierung weiterer Teil-
nehmerstaaten für spätere Phasen.
Bereits im Dezember 2013 hat der Euro-
päische Rat MALE RPAS als eine von vier
wesentlichen Fähigkeitslücken in Europa
benannt. Außerdem ist das MALE RPAS
von hoher Bedeutung für die europäische
Technologiebasis und Verteidigungsindus-
trie, da es die Möglichkeit für die Entwick-
lung neuer technologischer Fähigkeiten in
Europa bietet.
ES&T: Wie ist der Stand der Dinge beim
Boxer-Programm in Deutschland, den Nie-
derlanden und Litauen? Wie stehen die
Chancen, dass das Vereinigte Königreich
dem Vorhaben im Rahmen des britischen
MIV-Bedarfs wieder beitritt?
Alfonso-Meiriño: Die Auslieferung des ers-
ten Loses von 272 deutschen Boxer-Fahr-
zeugen in der Auslegung als Gruppen-
transportfahrzeug, Führungsfahrzeug,
schweres gepanzertes Sanitätsfahrzeug
und Fahrschulpanzer wurde im Juni 2016
abgeschlossen. Die Auslieferung eines zwei-
ten deutschen Loses von 131 Fahrzeugen
als Gruppentransportfahrzeug wurde Ende
2015 unter Vertrag genommen. Die Liefe-
rungen beginnen in diesem Jahr und wer-
den 2021 abgeschlossen sein. Die OCCAR
bereitet zurzeit zudem einen Vertrag vor, um
alle deutschen Fahrzeuge aus dem 1. Los auf
die Version A2 Kampfwert zu steigern.
Die Auslieferung der 200 Fahrzeuge für die
Niederlande als Führungs-, Pionier-, Sani-
täts-, logistische Transport- und Fahrschul-
fahrzeuge läuft und wird Anfang 2018 ab-
geschlossen sein.
84 Europäische Sicherheit & Technik · September 2017
(Foto: ARTEC)
Die 89 Schützenpanzer für Litauen (in vier
Versionen für die Gruppen-, Zug-, Kompa-
nie- und Bataillonsebene) werden zurzeit
entwickelt. Die ersten Lieferungen an Li-
tauen sind für Ende 2017 geplant.
In den letzten Monaten hat das Vereinig-
te Königreich ernsthaftes Interesse am
SAMP/T ist ein mobiles Flugabwehrsystem, das gegen Bedrohungen
durch Flugzeuge und Flugkörper schützt.
Boxer-Programm gezeigt und betrachtet
den Boxer im Rahmen eines Preliminary
Market Engagement für einen 8x8-Schüt-
zenpanzer (Mechanised Infantry Vehicle,
MIV). Eine Entscheidung ist noch nicht
getroffen, aber aus meiner und der Sicht
des Boxer-Programms würde ein Wieder-
eintritt der britischen Seite dem Vorhaben
eine gewaltige Dynamik verleihen. Inner-
halb kurzer Zeit könnte es für das Vereinig-
te Königreich eine erprobte Fähigkeit bei
minimalem Risiko bereitstellen, außerdem
einen unkomplizierten Beschaffungsvor-
gang durch Wiedereintritt in einen beste-
henden Vertrag sowie eine weitere ver-
besserte Verteilung der Kosten innerhalb
des Programms ermöglichen und den
Boxer in Europa zu einem Marktführer in
seiner Klasse machen.
Andere europäische und außereuropäi-
sche Länder haben ebenfalls ein Interesse
am Boxer signalisiert.
ES&T: Wie ist der Stand der Dinge beim
Programm A400M? Wie geht die OCCAR
mit den technischen Problemen und Ver-
spätungen um?
Alfonso-Meiriño: Zwischenzeitlich
(Stand 27. Juni 2017) sind 41 von 170
A400M an die Luftwaffen Frankreichs,
der Türkei, des Vereinigten Königreichs,
Deutschlands und Spaniens ausgeliefert.
Die Lieferungen an Belgien sollen 2019
starten. Weitere vier Flugzeuge sind in
Malaysia eingeführt, ein Exportkunde,
der nicht am OCCAR-Programm betei-
ligt ist. Die Flugzeuge wurden zuerst mit
Fähigkeiten für logistische Flüge und mit
einer Anfangsbefähigung für taktische
Flüge ausgeliefert. Die Qualifizierung
ausstehender Fähigkeiten läuft, während
die Flugzeuge gefertigt und ausgeliefert
werden. Gleichzeitig werden die bereits
eingeführten Flugzeuge im Hinblick auf
höhere Fähigkeitsstufen nachgerüstet.
Bei Qualifikation und Auslieferungen gab
es Verspätungen, aber das ist typisch für
solch ein komplexes Programm, und die
Fertigung ist jetzt stabilisiert. Wir dürfen
nicht vergessen, dass, auch wenn Ver-
spätungen frustrierend sind, sie doch ein
Symptom dafür sind, dass wir uns am
äußersten Rand des Technologieniveaus
bewegen, also dem, was technisch mög-
lich ist. Auch wenn das nicht ideal ist,
entspricht es einem nicht unüblichen Pro-
grammverlauf.
Für die logistische Betreuung der A400M
hat die OCCAR eine gemeinsame Unter-
stützungslösung vorbereitet, die erheb-
liche Kosteneinsparungen und Interope-
rabilitätsgewinne verspricht. Dabei wird
zwischen Zelle und Antrieb unterschieden.
Dem Anteil für die Zelle sind bislang Frank-
reich, UK und Spanien beigetreten. Mit
Ausnahme von Belgien beteiligen sich be-
reits alle anderen an der Antriebslösung.
Wir freuen uns darauf, zu gegebener Zeit
alle am Programm beteiligten Staaten bei
beiden Lösungen begrüßen zu dürfen.
Die Fragen stellte Jürgen Hensel.
 INFORMATIONEN · NACHRICHTEN · NEUIGKEITEN …
(Aeronautica Militare)

Eurofighter-Patrouille in
Bulgarien
Vier Eurofighter der italienischen Luftwaffe
(Aeronautica Militare) werden für drei Mo-
nate an der Sicherung des bulgarischen Luft-
raums (Air Policing) teilnehmen. Der Einsatz
hat am 15. Juli begonnen und wird bis zum
15. Oktober dauern. Mit einer Stärke von rund
110 Personen sind die Italiener auf der Graf
Produktion der GPS III-Satelliten
Bei Lockheed Martin ist die Produktion der
Satelliten für die leistungsfähigere dritte Ver-
sion des Global Positioning Systems (GPS III)
angelaufen. Nachdem beim Bau des ersten
Satelliten Verzögerungen aufgetreten waren,
sind jetzt in den zweiten Satelliten die System-
module, der Antrieb sowie das Antennen-
deck integriert worden. Es folgt der Einbau in
die Transportrakete für den Flug ins All. Wei-
tere acht GPS III-Satelliten sind in unterschied-
lichen Produktionsstadien. Die Satelliten der
neuesten Generation sind deutlich präziser
und besitzen eine verbesserte Störfestigkeit
gegenüber Jammern. Die Stehzeit im All ist
auf mindestens 15 Jahre ausgelegt. Der Start
der ersten Satelliten, der ursprünglich 2014
vorgesehen war, soll 2018 erfolgen. (bk/gwh)
wicht beträgt 11 kg, die maximale Nutzlast 4
kg. Das Gerät ist aus Kompositmaterial und
kann schnell zerlegt und in zwei Behälter
verpackt werden, die je ein Bediener trans-
portieren kann. Der Start erfolgt per Hand.
Die Sensorik besteht aus zwei Kameras unter
dem Rumpf. Das polnische Heer hat 2013 12
Systeme in Auftrag gegeben. In diesem Jahr
fanden Versuche in der Ukraine statt, die zu
einer Lizenzfertigung geführt haben. (pp)
Ingénieur Général
Chanson-Award
Der französische Verband für Heeres-
bewaffnung (Association de l’Armement Ter-
restre, AAT) hat das Programm der Missile
Moyenne Portée (MMP) von MBDA Systems

Ignatievo Airbase in der Nähe von Plovdiv sta-
tioniert. Air Policing-Einsätze der NATO mit
dem Eurofighter haben bisher in Albanien,
den baltischen Staaten, Island und Slowenien
stattgefunden. Die Führung dieser Einsätze
obliegt dem Allied Air Command (AIRCOM)
(Foto: WB Electronics)
(Foto: MBDA)
Polens UAV „Fly Eye“
Die WB Group ist mit über 750 Mitarbei-
tern Polens größtes privates Unternehmen
im Verteidigungssektor. Führender Teil der

in Ramstein, dem zwei Combined Air Opera-

tions Center (CAOC) in Uedem (zuständig für
den Bereich nördlich der Alpen) und Torrejon
(Bereich südlich der Alpen) unterstehen. (pp)
EMALS funktionsfähig
Der größte Flugzeugträger der Welt, die
USS „Gerald R. Ford“ (101.000 t), wurde
Mitte Juli 2017 in Dienst gestellt. Allerdings
funktionierten das neu entwickelte Electro
Magnetic Launch System (EMALS) und das
Arretiersystem (Advanced Arresting System,
AAS) für Start/Landung der Kampfflugzeuge
nicht. Der Träger war nicht einsatzfähig. Das
EMALS hat die traditionellen Dampfkatapulte
Gruppe ist WB Electronics, wo auch das
unbemannte kleine Flugsystem (Unmanned
Aircraft System, UAS) Fly Eye entstanden ist.
Fly Eye ist 1,9 m lang und hat eine Spann-
weite von 3,6 m. Das maximale Abflugge-
mit dem Ingénieur Général Chanson Award
für Fortschritte bei landbasierten Waffen
ausgezeichnet. Die Panzerabwehrlenkwaffe
wird zurzeit an das französische Heer und
die Spezialkräfte geliefert. Die MMP bie-
tet einen multifunktionalen Gefechtskopf,
Glasfaserdatenverbindung sowie moderne
Systemarchitektur und Mensch-Maschine-
Schnittstellen. Zum Industrieteam gehören

(Foto: PSM)
der Flugzeugträger ersetzt. Die U.S. Navy

(Foto: Trotzki)
wollte bereits die bewährten Dampfkatapulte
wieder auf dem neuen Träger einbauen, als
schließlich die Kinderkrankheiten des EMALS
und des AAS doch noch überwunden werden
konnten. EMALS benötigt weniger Raumbe-
darf unter dem Flugdeck als die voluminösen
Dampfkatapulte, beschleunigt die Flugzeuge
gleichmäßig und skalierbar, was geringeren
Verschleiß am Flugzeug verursacht, verlän-
gert das Wartungsintervall auf 4.000 Stun-
den und vermag vor allem, die Kampfflug-
zeuge im 45-Sekundentakt zu starten. (ds)
(Foto: U.S. Navy

AIFV-Wettbewerb in Tschechien
Zum Ersatz der alternden Flotte von gepanzerten Infanteriekampffahrzeugen (Armoured
Infantry Fighting Vehicles, AIFV) der Typen BMP 1 und BMP 2 will Tschechien 2020 dafür rund
210 moderne Fahrzeuge in sieben Varianten beschaffen. Den Vergleichsuntersuchungen
stellten sich der Puma (PSM Projekt System & Managementgesellschaft), der gerade in
Deutschland eingeführt wird, der Lynx (Rheinmetall), der auf der Eurosatory 2016 erstmals
vorgestellt wurde, zwei Versionen des CV90 (BAE Systems), als Varianten eingeführten
Systeme sowie der Ascod (GDELS), der zurzeit in Großbritannien serienreif gemacht wird.
Die Tests umfassten statische Überprüfung, Fahrversuche und Schießvergleiche. (gwh)
 … AUS ALLER WELT
(Foto: PLAN)
Safran (Sucher), Roxel (Motor), Nexans (Glas-
faseroptik), Saab Bofors Dynamics Schweiz
(Gefechtskopf), Junghans T2M SAS (Siche-
rungseinrichtung) und GDI Simulation. (gwh)
Super Etendards für
Argentinien?
Nachdem Frankreich die letzten Exemplare
des einstrahligen Trägerflugzeugs Dassault
Super Etendard außer Dienst gestellt hat, gibt
(Foto: Fuerzas Aeronavales)
es in der französischen Presse Hinweise, dass
Argentinien Interesse an diesen Flugzeugen
haben könnte. Die Super Etendard, die ihren
Erstflug 1974 hatte, befand sich bereits einmal
im Inventar der argentinischen Marine (Foto).
14 Flugzeuge wurden 1979 erworben, und
einige nahmen 1982 auch am Falkland-Krieg
teil. Die noch vorhandenen Exemplare sind
eingelagert. Nun ist die Rede von sechs Super
Etendard zum Preis zwischen zehn und 12
Mio. Dollar. Zuvor hatte Argentinien Interesse
an überzähligen Dassault Mirage F1 der spa-
nischen Luftwaffe gezeigt, aus Kostengrün-
den kam dieser Deal aber nicht zustande. (pp)
Anti-Drohnen-Laser
Die U.S. Navy hat mit ihrem neu entwickelten
Lasersystem (Anti-Drone-Laser Weapon)
erstmals in der Welt eine Drohne mit einem
(Foto: U.S. Navy)
Testschuss abgeschossen. Das auf dem Lan-
dungsschiff USS „Ponce“ im Persischen Golf
(Foto: Rostec)
installierte 30-kW-Laser-Waffen-System
(LaWS) (s. Foto) hatte zudem auch kleine An-
griffsboote vernichtet. Ein 30-kW-Laser be-
sitzt eine effektive Reichweite gegen kleine
Luft- und Seeziele von ca. zwei Seemeilen.
Ein Laserschuss kostet nur einen Dollar, wäh-
rend ein Schuss mit einem SM-6-Flugkörper
ca. vier Mio. Dollar kostet. Allerdings müssen
für einen 30-kW-Laser-Schuss ca. 100 kW an
elektrischer Leistung erbracht werden. Noch
wirken Laser-Waffen im Nächst- und Nahbe-
reich, doch die rasante Entwicklung zielt auf
Laser-Waffen, die auch im Weitbereich zur
Abwehr von Luft- und Seezielen wirken. (ds)
86 Europäische Sicherheit & Technik
Chinas Flugzeugträger Typ 002
Chinas Marine (PLAN) arbeitet mit Hochdruck
an der Fertigstellung ihres zweiten Flugzeug-
trägers vom Typ 002. Während ihr erster Flug-
zeugträger „Liaoning“ (59.000 t) von Russ-
land erworben und in China modernisiert
wurde, ist der zweite Träger ein Eigenbau.
Der ca. 68.000 t große Träger ist im Febru-
ar 2017 vom Stapel gelaufen und sollte ur-
sprünglich Ende 2020 in Dienst gestellt wer-
den. Jetzt will die PLAN den Träger (s. Foto)
bereits Ende 2018 in Dienst stellen. Der Träger
ist wie auch die „Liaoning“ mit einem Ski-
jump-Startdeck ausgerüstet und soll künftig
ca. 36 Kampfflugzeuge vom Typ Shenyang
J-15 und Hubschrauber einsetzen können.
Die PLAN plant, insgesamt sechs Flugzeug-
(Foto: Nigerian Air Force)
träger zu beschaffen, um künftig zwei Flug-
zeugträgerkampfgruppen im Westpazifik,
zwei im Südchinesischen Meer und zwei im
Indischen Ozean einsetzen zu können. (ds)
Kampfanzug mit neuen
Technologien
Das Tochterunternehmen von Rostec Tsniito-
chmash (Central Scientific Research Institute
for Precision Machine Engineering) hat sei-
nen neu entwickelten Kampfanzug für Infan-
teristen vorgestellt. Mit erstmaliger Nutzung
neuer Technologien wurden Produktion und
Kompatibilität der Elemente verbessert und
spezielle Tarnmuster entwickelt. Kern ist das
neue hochpräzise Scharfschützensystem mit
zwei unterschiedlichen Kalibern. Zur Ausstat-
tung des Anzugs gehören darüber hinaus
ein digitaler Helm inklusive Infoanzeige, eine
Gesichtsmaske mit erhöhtem Schutz, ku-
gelsicherer Nackenschutz, skalierbarer Kör-
perschutz, ein Exoskelett aus leichtem Titan
sowie schützendes Schuhwerk. (bk/gwh)
Logistik für NATO AGS
Das italienische Unternehmen Leonardo hat
die Ausschreibung für die logistische Un-
terstützung im Programm NATO Alliance
Ground Surveillance (NATO AGS) gewonnen.
Leonardo ist Teil der von Northrop Grumman
geführten Industrie zur Einrichtung des NATO
AGS Core Systems und wird das NATO AGS
Logistic Information System (ALIS) bereitstel-
len. Mit der NATO Alliance Ground Surveil-
lance Management Agency (NAGSMA) wur-
den entsprechende Verträge geschlossen,
die eine Versorgung des NATO AGS auf dem
Stützpunkt Sigonella auf Sizilien sicherstellt,
wozu Ersatzteilversorgung und Ausbildung
gehören werden. Das System NATO AGS
wird sechs ferngelenkte Luftfahrzeuge PPAS
Northrop Grumman RQ-4B erhalten. (pp)
Nigeria erhält Mi-35M
Im Rahmen der Feierlichkeiten anlässlich des
53. Jahrestages der Gründung der nigeria-
nischen Luftwaffe (Nigerian Air Force, NAF)
wurden die ersten beiden Kampfhubschrau-
ber Mil Mi-35M offiziell in Dienst gestellt. Die
Hubschrauber waren bereits zu Jahresbeginn
angeliefert worden, und die Ausbildung von
NAF-Piloten durch russische Ausbilder wurde
begonnen. Insgesamt wird Nigeria 12 Mi-35M
erhalten, die Beschaffung soll in diesem Jahr
abgeschlossen sein. Mit einem fortschritt-
lichen Zielsystem können gelenkte und un-
gelenkte Raketen eingesetzt werden, vorne
unter dem Rumpf befindet sich eine 23-mm-
Kanone mit zwei Rohren. Mit der neuen Aus-
rüstung soll die Wirksamkeit im Einsatz ge-
gen die Boko Haram gesteigert werden. (pp)
Russischer Aufklärer über
Washington
Ein russisches Aufklärungsflugzeug vom Typ
Tupolew Tu-154 hat in geringer Höhe das
Weiße Haus, das Pentagon und andere Re-
gierungsgebäude überflogen. Der Flug fand
mit Genehmigung der US-Behörden statt.
Grundlage der Genehmigung ist der Vertrag
über den Offenen Himmel von 1992 zwi-
schen der NATO und dem damaligen War-
schauer Pakt. Der Vertrag erlaubt den teil-
nehmenden Nationen, gegenseitig ihre Terri-
torien auf festgelegten Routen zu überfliegen
und Aufnahmen zu machen. Das beinhaltet
Foto-, Radar- und Infrarotaufnahmen. (ds)
 INFORMATIONEN · NACHRICHTEN · NEUIGKEITEN …
(Foto: BAE Systems
Erstflug der Advanced Hawk
BAE Systems hat im Juni auf dem Werkflug-
platz Warton den Erstflug des Demonstrators
Advanced Hawk erfolgreich durchgeführt.
Die zusammen mit der indischen Hindustan
Aeronautics Limited entwickelte Version
weist einige deutliche Verbesserungen auf,
die sowohl bei Neuproduktionen zum Ein-
satz kommen als auch in frühere Modelle
nachgerüstet werden können. Zur neuen
Ausstattung gehören u.a. ein modernisier-
tes Cockpit mit dem Head-up-display Lite-
HUD von BAE Systems, ein Groß-Bildschirm
sowie Vorflügel für verbesserte Wendig-
keit und kürzere Start- und Landestrecken.
Auch die Fähigkeit, Waffen aufzunehmen
wurde verbessert. Nunmehr wird eine Rei-
he von Flugtests beginnen, um Daten über
die neuen Fähigkeiten zu sammeln. (pp)
Upgrade für dänische
Leopard 2A5
Dänemark plant die Nachrüstung von 38
Kampfpanzern des Typs Leopard 2A5DK. Ziel
ist eine Konfiguration ähnlich dem Leopard
2A7V, der demnächst in die Bundeswehr
(Foto: UK MOD)
eingeführt wird. 16 Leopard 2A5 sollen das
komplette Upgrade erhalten, die restlichen
22 bekämen nur ein Basispaket, das später
eine Aufrüstung auf volle Leistungsfähigkeit
ermöglicht. Die Danish Defence Acquisition
and Logistics Organisation (DALO) hat KMW
mit der Umrüstung beauftragt, in Verbin-
dung mit Instandsetzung und Austausch
defekter, abgenutzter und veralteter Bau-
teile. Dänemark hatte 1997 von Deutschland
51 Leopard 2 A4 erworben und ab 2002
mit zusätzlicher Panzerung und Zusatzag-
gregaten auf den Stand A5DK gebracht.
Weitere sechs KPz folgten 2004. (bk/gwh
U.S. Navy benötigt 355 Schiffe
US-Marineminister Richard Spencer fordert,
mehr Schiffe zu bauen, um eine Flotte von
355 Schiffen zu erreichen. Derzeit umfas-
se die U.S. Navy 298 Schiffe. Das seien zu
wenige Einheiten, um den weltweit wach-
senden sicherheitspolitischen Herausforde-
rungen nachkommen zu können. Um die-
ses Ziel 355 Einheiten möglichst schnell zu
erreichen, sollten neben Neubauten auch
bereits eingemottete Schiffe wieder reak-
tiviert und modernisiert werden oder mo-
derne Schiffe von befreundeten Marinen
im Design nachgebaut werden. Wegen des
Mangels an einsatzbereiten Einheiten, muss
z.B. der älteste Flugzeugträger der U.S. Na-
vy, die USS „Nimitz“ (Indienststellung1975),
ihre Einsatzdauer erheblich verlängern. (ds)
Carl Gustaf M4 für Slowakei
Die Slowakei hat als erste Nation Panzerab-
wehrwaffen des Typs Carl Gustaf M4 bei
dem schwedischen Rüstungskonzern Saab
(Foto: Saab)
bestellt. Der Vertrag ist circa 11 Millionen
Euro wert. Die M4 ist die neueste Version
der tragbaren, multifunktionalen Panzerab-
wehrwaffe Carl Gustaf. Sie ist u.a. für die
Bekämpfung von Panzern, Hindernissen und
Feind in Gebäuden geeignet. Außerdem
wird die Beweglichkeit der Soldaten durch
das geringe Gewicht der M4 verbessert.
Sie kann an zukünftige Entwicklungen von
Gefechtsfeldtechnologien angepasst wer-
den, zum Beispiel hinsichtlich Visiersystemen
und programmierbarer Munition. (bk/gwh)
Das größte Atom-U-Boot
der Welt
Russlands Marine besitzt mit der „Dmitri
Donskoi“ der „Typhoon“-Klasse das größte
Atom-U-Boot (SSBN) der Welt, Das 1981 in
Dienst gestellte 172 m lange U-Boot verdrängt
26.900 t (getaucht), Antrieb: 2 x Reaktor (360
MW), Geschwindigkeit: 27 kn (getaucht),
Besatzung: 175 Mann; Bewaffnung: 20 In-
terkontinentalraketen/SLBM (Reichweite: ca.
(Foto: Marinearchiv)
September 2017 · Europäische Sicherheit & Technik
12.000 km), SS-N-15-FK, 6 x Torpedorohr.
Das U-Boot wurde während seiner Dienst-
zeit mehrmals umgebaut und modernisiert
und dient derzeit u.a. als Plattform für SLBM-
Raketentests. Bei den zuletzt bekannten
Raketentests 2005 hat das U-Boot Raketen
aus der Barentssee nach Kamtschatka abge-
feuert, Ende Juli 2017 verlegte es vom Hei-
mathafen Sewerodwinsk am Weißen Meer
in die Ostsee nach St. Petersburg, um an den
Feiern zum Tag der russischen Seekriegsflot-
te und am russisch-chinesischen Seemanöver
„Joint 2017“ in der Ostsee teilzunehmen. (ds)
Erprobung der MiG-29M
für Ägypten
In Russland ist mit der Erprobung der
ersten beiden für Ägypten bestimmten
Kampfflugzeuge Mikojan MiG-29M/M2
(auch MiG-35 genannt) begonnen wor-
den. Der Vertrag von 2016 zwischen Ros-
onboronexport und Ägypten hat einen
Wert von zwei Mrd. US-Dollar und um-
fasst 50 Maschinen. Noch in diesem Jahr
soll das erste Exemplar geliefert werden,
bis 2020 soll der Vertrag erfüllt sein. Die
MiG-29M/M2 ist eine umfängliche Wei-
terentwicklung der MiG-29, die 1977 ih-
ren Erstflug absolvierte und von der rund
1.600 in verschiedenen Konfigurationen
(Foto: RSK MiG
gebaut wurden. Neben strukturellen Ver-
besserungen weist die MiG-29M/M2 neue
Triebwerke (RD-33MK) mit höherer Lei-
stung, ein Fly-by-wire-System, neue Avi-
onik und ein Puls-Doppler-Radar auf. (pp)
360°-Radar für Luft- und
Raketenabwehr
Lockheed Martin hat ein AESA-Radar der
nächsten Generation vorgestellt, u.a. für den
Wettbewerb der U.S. Army für den Sensor für
die Luft- und Raketenabwehr in der unteren
Schicht (Lower Tier Air & Missile Defense Sen-
sor, LTAMDS). Das Radar kann für Überwa-
chung und Feuerleitung gegen aktuelle und
zukünftige Bedrohungen durch Flugzeuge
und ballistische Flugkörper eingesetzt werden.
Das aktive Phased-Array-Radar mit Galliumni-
trid-Technologie stellt eine modulare und ska-
lierbare Architektur bereit, mit der beispiels-
weise das alternde MPQ-65-Radar des Patri-
ot-Luftabwehrsystems ersetzt werden kann.
Dieselbe AESA-Technologie wird in dem Ra-
dar AN/TP/Q-53 verwendet, das kürzlich an
die U.S. Army ausgeliefert worden ist. (gwh)
87

Kongress erwägt Bruch des INF-Ab-
kommens: Beide Kammern des US-Kon-
gresses fordern im Rahmen der Verteidi-
gungsetatentwürfe für 2018, dass das
Pentagon umgehend die Entwicklung
einer landgestützten Rakete mit maximal
5.500 Kilometer Reichweite einleitet. Die
Dislozierung von Waffen dieser Kategorie
wird durch das 1987 vereinbarte Abkom-
men über nukleare Mittelstreckensysteme
(Intermediate-Range Nuclear Forces, INF)
untersagt. Das Verbot umfasst sowohl kon-
ventionelle wir atomare Waffen.
Die Initiative des Kongresses erfolgt, nach-
(Foto: U.S. Army)
dem Russland bereits seit 2014 einen mo-
bilen bodengestützten Marschflugkörper
mittlerer Reichweite erprobt. Der stellver-
tretende Chef des Vereinten Generalstabs,
General Paul Selva, bestätigte am 18. Juli
vor dem Streitkräfteausschuss des US-Se-
nats, dass Russland „einen bodengestütz-
ten Marschflugkörper mittlerer Reichweite
in Dienst gestellt hat, der konventionell
oder atomar bewaffnet sein könnte.” Die
Entwicklung einer entsprechenden Waf-
fe durch die USA würde einen taktischen
Ausgleich schaffen, könnte allerdings auch
als Versuch bewertet werden, Russland
zur Aufgabe der neuen Waffe und zur
Achtung des INF-Vertrags zu bewegen.
Eine im Auftrag des Repräsentantenhau-
ses durchgeführte Analyse befand, dass
ein US-amerikanisches Forschungs- und
Entwicklungsprogramm keinen Bruch des
INF-Abkommens darstellen würde; erst
die Erprobung der daraus hervorgehenden
Waffe wäre mit dem Vertrag nicht verein-
bar. Das Entwicklungsprogramm würde
folglich einen Rahmen für Verhandlungen
mit Moskau erstellen.
Die vom Kongress geforderte Waffe soll
mobil sein und sowohl konventionelle
wie atomare Nutzlasten führen können.
Vor Beginn der Entwicklung soll das Pen-
tagon dem Kongress einen Bericht vorle-
gen, der Kosten, Zeitplan und technische
Gesichtspunkte erläutert. Im Vordergrund
steht die Möglichkeit der Entwicklung der
neuen Waffe auf Grundlage eines bereits
vorhandenen Systems. Als potentieller Aus-
Au to r
Sidney E. Dean ist Präsident
der Transatlantic Euro-American
Multimedia LLC.
88 Europäische Sicherheit & Technik · September 2017
Blick nach Amerika
gangspunkt für eine neue Waffe gelten der führt, geht in September in Pension und
Tomahawk-Marschflugkörper, die beiden übernimmt den Pershing-Forschungsstuhl
seegestützten Flugabwehrraketen SM-3 am Center for European Policy Analysis in
und SM-6, der weitreichende Abstands- Washington. Sein Forschungsschwerpunkt
marschflugkörper LRSO sowie das Army wird Geostrategie, Abschreckung, terri-
Tactical Missile System. Die Wahl einer be- toriale Verteidigung und das militärische
stehenden Waffe dürfte sowohl die Kosten Gleichgewicht in Europa umfassen.
wie den Zeitrahmen der Waffenentwick-
lung reduzieren. Wiederaufnahme der F-22 Produktion
ausgeschlossen: Die U.S. Air Force über-
Neuer U.S. Army Befehlshaber in Euro- gab dem US-Kongress einen vertraulichen
pa: Major General Ryan Gonsalves soll im Bericht hinsichtlich der – von vielen Legisla-
September Lieutenant General Ben Hod- toren geforderten – Wiederaufnahme der
ges als Befehlshaber der US-Army-Kräfte Produktion des F-22-Jägers. Demnach wäre
in Europa (U.S. Army Europe, USAREUR) die Wiederaufnahme der 2011 vorzeitig be-
ablösen. Dies bestätigten mehrere Quel- endeten Herstellung des „Raptor”-Jägers
len im Pentagon im Vorfeld der offiziellen mit Stückkosten um 210 Millionen US-Dol-
Nominierung von Gonsalves, dessen Beför- lar verbunden – rund doppelt so viel wie die
derung zum Generalleutnant am 13. Juli Kosten des F-35A-Jagdbombers, der 2019
zur Serienprodukti-
on übergehen soll.
Stattdessen möchte
die Air Force jährlich
rund 600 Millionen
US-Dollar in die Nach-
rüstung der beste-
henden F-22-Flotte
(bestehend aus 183
Maschinen) investie-
ren. Die ausschließlich
bei der U.S. Air Force
eingesetzte F-22 soll
bis 2060 im Dienst
bleiben.
Weitreichende
Seezielflugkörper
in Auftrag gege-
ben: Die Firma Lock-
heed Martin erhielt
im Juli den Auftrag
zur Auslieferung
des ersten Posten
der luftgestützten
Variante des neu-
en Seezielflugkör-
pers Long-Range
Anti-Ship Missile
(LRASM). Der Auf-
Major General Ryan Gonsalves wird Befehlshaber trag umfasst die
der U.S. Army in Europa. Auslieferung von 23
Einheiten der neuen
beschlossen wurde. Gonsalves dient seit Waffe, die sowohl durch B-1-Bomber
2015 als Kommandeur der 4. Infanteriedi- der Air Force (Indienststellung 2018) so-
vision mit Standort Fort Carson, Colorado. wie durch F/A-18-Jagdbomber der U.S.
Derzeit ist die 3. Brigade der Division im Navy (2019) eingesetzt werden soll. Die
Rahmen einer turnusmäßigen Präsenzent- Eignung der Waffe für den Einsatz auf
sendung in Europa stationiert. Als Haupt- Kriegsschiffen, die nicht mit VLS-Silos
mann war der Panzeroffizier Gonsalves ausgestattet sind, wurde Ende Juli durch
von 1989 bis 1991 in Bamberg stationiert. Abschluss einer Testreihe bestätigt, doch
Als Oberst und General absolvierte er ver- wird die seegestützte Verwendung erst
schiedene Verwendungen im Irak. General nach Einführung der luftgestützten Vari-
Hodges, der seit November 2014 USAREUR ante eingeleitet.
Das Fraunhofer-Institut für Naturwissenschaftlich-Technische
Trendanalysen berichtet über neue Technologien
Electronic Skin
Unter dem Begriff Electronic Skin (E-Skin)
versteht man ein elektronisches System,
welches bestimmte Merkmale menschli-
cher Haut (z.B. Verformbarkeit und senso-
rische Eigenschaf-ten) möglichst realistisch
imitiert. Eingebettet ist die Entwicklung
von E-Skin in den übergreifenden Bereich
flexibler und dehnbarer Elektronik, in dem
es in den letzten Jahren große Fortschritte
gegeben hat. Auf Basis dieser Forschun-
gen wurden bereits erste E-Skin-Systeme
realisiert. Diese sind in ihrer Funktionalität
allerdings noch recht einfach gehalten und
typischerweise für die Messung bestimm-
ter physiologischer Parameter vorgesehen.
Für eine realistische Nachbildung wird an-
gestrebt, sämtliche Eigenschaften biologi-
scher Haut auf dünne elektronische Syste-
me zu übertragen. Dazu zählt neben der
Wahrnehmung von kleinsten Berührungen
oder dem Ertasten von Oberflächentextu-
ren auch die Fähigkeit zur Selbstheilung.
Darüber hinaus ist es aber auch ausdrückli-
ches Ziel, solchen Systemen Eigenschaften
zu verleihen, die über die menschliche Haut
hinausgehen. Hier ist insbesondere die In-
tegration von Bio- und Chemosensoren zu
nennen. Auch Technologien zur Ener-gie-
gewinnung und Energiespeicherung sowie
Kommunikationsmodule spielen eine gro-
ße Rolle. Daneben ist noch eine Vielzahl
an weiteren Funktionalitäten denkbar, z. B.
eine selbst-reinigende Oberfläche oder der
Tarnung dienende Farbwechseleigenschaf-
ten. Darüber hinaus müssen E-Skin-Syste-
me für den praktischen Einsatz noch eine
Reihe weiterer Anforde-rungen erfüllen,
insbesondere eine hohe Verformbarkeit, ei-
ne lange Haltbarkeit, einen geringen Ener-
gieverbrauch, ein geringes Gewicht sowie
eine gute Bioverträglichkeit.
Grundsätzlich bestehen E-Skin-Systeme
aus einem Trägermaterial sowie je nach
geplanter Anwendung aus verschiedenen
funktionellen Bauelementen. Als Träger-
material bzw. Substrat verwendet man
fast ausschließlich spezielle Polymerfolien,
da diese eine hohe Dehnbarkeit und Flexi-
bilität aufweisen, gut hautverträglich und
kostengünstig sowie zumeist auch transpa-
rent sind. Für die Integration funktioneller
Bauelemente stehen zwei Möglichkeiten
zur Verfügung. Zum einen kann herkömm-
liche, starre Elektronik, Sensorik etc. auf ein
elastisches Substrat aufgebracht werden,
sodass nur die Verbindungen zwischen
den Bauele-menten dem Gesamtsystem
Beweglichkeit verleihen. Solche Systeme
lassen sich relativ einfach fertigen. Die ma-
ximale Dehnbarkeit, die mit ihnen erzielt
werden kann, bleibt jedoch grundsätzlich
recht gering. Die zweite Möglichkeit be-
steht darin, jedes einzelne Bauelement
mit einer intrinsischen Beweglichkeit zu
versehen, also z. B. dehnbare Sensoren zu
verwenden. Systeme basierend auf solchen
Bauelementen sind unter anderem auf-
wändiger in Entwicklung und Fertigung,
dafür lässt sich mit ihnen aber eine sehr
große Verformbarkeit erzielen.
Erst durch diese Verformbarkeit ist Elec-
tronic Skin – im Gegensatz zu anderen
Wearables, d.h. am Körper getragenen
elektronischen Geräten wie Datenbrillen
oder Smart Watches – in der Lage, sich
exakt der Körperoberfläche anzupassen.
Sie kann damit in Form von kaum noch
spürbaren Pflastern an beliebigen Körper-
stellen getragen werden. Diese werden
auch als Electronic Tattoos oder Epidermal
Electronics bezeichnet. Ihr großes Potenzi-
al liegt ins-besondere in der Verwendung
als Sensorplattformen zur Überwachung
des Gesundheitszustands ihres Trägers. Ein
Beispiel ist die Überwachung sogenannter
Stressmarker während eines Einsatzes, die
Auskunft über die weitere Leistungsfähig-
keit geben könnten. Gleichzeitig könnten
solche E-Skin-Pflaster auch als Wirkstoff-
depots eingesetzt werden, wobei sie ihren
Wirkstoff nicht nur zeitgesteuert, sondern
in Abhängigkeit von den aktuellen Mess-
werten abgeben könnten. Denkbar wären
beispielsweise intelligente Wundauflagen,
die nur an jenen Stellen, an denen auch
tatsächlich eine verminderte Heilung fest-
gestellt wird, heilungsfördernde Substan-
zen abgeben.
Electronic Skin könnte weiterhin in ver-
schiedenster Form dazu genutzt werden,
die Interaktion zwischen Mensch und Ma-
schine zu verbessern und zu vereinfachen.
Verschiedene Ein-gabemodule auf Basis
eines E-Skin-Pflasters sind denkbar, zum
September 2017 · Europäische Sicherheit & Technik
Beispiel am Kehlkopf platzierte Silent-Spe-
ech-Interfaces oder dünne Handschuhe,
die Fingerbewegungen an eine Roboter-
hand übertragen oder zur Gestensteue-
rung genutzt werden können. Umgekehrt
ist es auf diese Weise auch möglich, dem
Träger über z. B. am Arm angebrachte
E-Skin-Pflaster Mitteilungen zu übermit-
teln. Das könnte über Displays visuell, aber
z. B. auch durch Druckeinwirkung oder
Vibrationen geschehen. Es ist auch vor-
stellbar, solche E-Skin-Pflaster zur biome-
trischen Identifizierung zu nutzen.
Der Einsatz von Electronic Skin als sensori-
sche Oberfläche für Roboter könnte diesen
zukünftig eine taktile bzw. haptische Wahr-
nehmung ermöglichen, die der des Men-
schen ent-spricht oder diese in einigen As-
pekten sogar übertrifft. Dadurch könnten
Roboter zukünftig eine große Bandbreite
an komplexen Aufgaben übernehmen. So
könnten sie ohne spezielle Programmie-
rung beliebig geformte Objekte greifen
und manipulieren oder sich bei schlechten
Sichtbedingungen oder in unwegsamem
Gelände tastend vorwärtsbewegen. Insge-
samt wären solche Roboter besser für un-
vorhergesehene Situationen und insbeson-
dere auch für die Zusammenarbeit mit dem
Menschen geeignet (Manned-Unmanned
Teaming).
Insgesamt ist Electronic Skin eine vielver-
sprechende Technologie, die zukünftig
für eine gro-ße Breite an Anwendungen
von Bedeutung sein könnte. Eine Über-
tragung bereits entwickelter Demonst-
ratoren in kommerzielle Anwendungen
scheitert derzeit vor allem noch an einem
Mangel an kostengünstigen Fertigungs-
verfahren. E-Skin-Pflaster für biomedizi-
nische An-wendungen könnten bereits
kurzfristig Marktreife erreichen. Auch
erste Mensch-Maschine-Schnittstellen
basierend auf Electronic Skin sollten sich
vergleichsweise einfach realisieren lassen
und mittelfristig zur Verfügung stehen. Mit
einer elektronischen Haut, die Robotern
und Prothesen eine dem Menschen ver-
gleichbare haptische und taktile Gesamt-
wahrnehmung verleiht, ist dagegen erst
langfristig zu rechnen.
Dr. Ramona Langner
89
 RÜS TUNG & TECHN O LOGI E

Weiterentwicklung von MoTaKo

Dorothee Frank

Mit der Beschaffung von SVFuA-Geräten ist der erste Schritt für MoTaKo geschehen. Wobei die Streitkräf-
tegemeinsame Funkgeräte-Ausstattung (SVFuA) im Grunde das Vorgängermodell der Mobilen Taktischen
Kommunikation (MoTaKo) darstellt. Das zu lösende Problem bleibt weiterhin die Anbindung der abgeses-
senen Infanteristen, vor allem in der Bewegung.

S
(Foto: Bundeswehr/Jane Schmidt)

VFua löst dieses Problem nur bedingt,

weil es im Grunde nur die Vorausset-
zung schafft, dass MoTaKo überhaupt
realisierbar wird. Bei MoTaKo sind schließ-
lich mehrere Schichten zu betrachten.
Zum ersten die tatsächliche Anbindung
des Soldaten an ein Kommunikationsnetz.
Zum zweiten die Übertragung von Infor-
mationen innerhalb dieses Netzes. Drittens
die Datenverarbeitung und Darstellung
dieser Kommunikation (unter Kommuni-
kation wird heute schließlich nicht mehr
die reine Sprache, sondern die Weitergabe
verschiedenster Informationen und Daten
verstanden). Viertens die Interoperabilität
und fünftens die Sicherheit, sowohl die
Abhörsicherheit als auch die Bediensicher-
heit. Diese fünf Ebenen müssen allesamt
betrachtet werden, soll MoTaKo auch das
leisten, was es verspricht.

Anbindung des Soldaten

Soldaten des Fallschirmjägerregiments 31 trainieren gemeinsam mit
Trotz aller heutigen Wortspiele mit Inter- Kameraden aus Belgien, Frankreich, den Niederlanden und Großbritannien
net over the Air oder das zur Verfügung bei der internationalen Evakuierungsübung „Storm Tide III“ in Belgien.
stellen von Wifi über Licht (das gibt es tat-
sächlich) wird schnell vergessen, dass diese nicht die Welt und in bergigem Gelände ist belegen. Wenn aber einfache Hacker die In-
schönen neuen Technologien zwar im ver- die Reichweite dieser Funkmasten enorm, frastruktur kompromittieren können, dann
netzten Deutschland mit seiner fast schon weshalb die Verbindung in Afghanistan sitzen gegnerische „Zusatzfunktionen“
unübersehbaren Anzahl an Stationen all- teilweise besser ist als in einem deutschen wahrscheinlich auch schon in den Syste-
gegenwärtig sind, die Bundeswehr sich Wald. Die Funkmasten nehmen die Signa- men, nur wird man die bis zum Ernstfall
im Einsatzland aber nicht darauf verlassen le auf und geben sie meistens an Kabel, in kaum bemerken. Es ist dementsprechend
kann. In Deutschland übrigens auch nicht, Einzelfällen auch an weitere Masten weiter. davon auszugehen, dass ein Gegner als ers-
weil ein technisch gleichwertiger Gegner Das Handy loggt sich automatisch immer an tes die zivile Kommunikationsinfrastruktur
wahrscheinlich über Störmaßnahmen – den nächsten Stationen ein, wodurch ein ausschaltet.
vom Hacker über Jammer bis zu gezielten gut auslesbares Bewegungsprofil entsteht. Die Frage ist nur, wie soll der abgesesse-
Luftangriffen – verfügt, um als erstes die Das Handy ausschalten nützt dabei wenig, ne Infanterist an die Kommunikation an-
Kommunikation zu stören. es müsste mindestens heruntergefahren gebunden werden? Satellit ist in vielen
Das was der normale Mensch im zivilen Le- werden. Aber selbst dann ist ab dem ersten Gebieten eine gangbare Lösung, nur sehr
ben an Vernetzung kennt, hängt allerdings Anklicken zum Hochfahren die eigene Posi- sehr teuer. Die wenigen Kapazitäten, über
stark an der gut ausgebauten Infrastruk- tion sofort sehr genau bestimmbar. Dies nur welche die Bundeswehr verfügt, reichen
tur. Die Handys verbinden sich nicht über zur Erklärung an jene Soldaten, die immer deshalb noch nicht einmal zur ausreichen-
Satellit mit dem Internet, sondern über Ba- noch sagen, die Kommunikation mit dem den Versorgung eines größeren Einsatzes.
sisstationen, die selbst im ländlichen Bereich privaten Gerät im Einsatz sei besser als die Dementsprechend wird die Satellitenkapa-
in Massen vorhanden sind. Dasselbe gilt für mit den von der Bundeswehr zur Verfü- zität mehr zur Anbindung der Hauptquar-
die meisten Übungen, Einsatzländer wie Af- gung gestellten. tiere an die Heimat genutzt, schließlich
ghanistan usw. Ungeschützte Kabel lassen Die zivile Infrastruktur ist zudem als kom- muss die Kommunikation mit dem Infan-
sich schnell und günstig legen, die Schüsseln promittiert anzusehen, wie viele Berichte teristen auf immer und garantiert verfüg-
auf Masten oder Hausdächern kosten auch über erfolgreiche Hacks oder Virenbefall baren Wegen beruhen – und dies ist die

90 Europäische Sicherheit & Technik · September 2017

Satellitenkommunikation nicht. Günstigere
Kommunikationsrelais mit ähnlichen Funk-
tionen, wie etwa Stratozeppeline, befinden
sich erst noch in der Erforschung.

(Foto: Bundeswehr/Gerrit Burow)

Die gute alte Antenne bzw. moderne Te-
leskop- und Spindelmasten sind eine gang-
bare Alternative, besonders in Verbindung
mit den sogenannten MANET-Fähigkeiten
moderner Funkgeräte. Im mobilen Ad-hoc-
Netzwerk (MANET) wird jedes Funkgerät
ebenfalls zur Sende- und Empfangsstation.
Wenn sich also genügend weitere MA-
NET-fähige Geräte zwischen dem Sender
und Empfänger befinden, dann bauen sich
automatisch Kommunikationslinien auf,
über die sich auch größere Datenmengen,
die sich ebenfalls automatisch in kleinere
Pakete packen, übertragen lassen. Nachteil
ist die erhöhte Aufklärbarkeit, denn auch
wenn die Informationen verschlüsselt und
somit nicht lesbar sind, dass an diesen Or-
ten sehr viele miteinander kommunizieren,
das lässt sich durch den Gegner ermitteln.
Mit der größte Feind der Kommunikation
ist und bleibt allerdings der Baum. Während
MANETs in der Ebene Afghanistans – und
wahrscheinlich auch in Schleswig-Holstein
oder Mecklenburg-Vorpommern – bestens
funktionieren, besteht für sie in einem gu-
ten deutschen Mittelgebirgswald kaum ei-
ne Chance. Besonders Laubbäume stellen
Ein Soldat der Fernspählehrkompanie nimmt während der Jawtex-
Übung mit seinem Funkgerät Verbindung zu seiner Führung auf.
eine physikalische Barriere dar, die sich so
leicht nicht überwinden lässt. Die USA ha-
ben in Vietnam zwar mit verschiedensten
Entlaubungsmitteln halbwegs gute Erfolge
erzielt, deren Einsatz durch die Bundes-
wehr ist im heutigen politischen Umfeld al-
lerdings kaum denkbar. Masten erscheinen
neben engmaschigen MANET aktuell die
einzig gangbare Lösung für Wälder.
Übertragung von
Informationen
Satellitenkommunikation und MANET
wurden schon genannt, bei der Übertra-
gung ist allerdings mehr zu betrachten,
mit welchen Standards die Informationen
übertragen werden sollen. Dies lässt sich
hier kurz behandeln, da die Bundeswehr
in Zukunft auf LTE setzen will. Für kleinere
Entfernungen, etwa innerhalb eines Fahr-
zeuges, zum Beispiel des Boxer, oder zwi-
schen den Geräten etwa beim Infanteristen
der Zukunft, ist wiederum Bluetooth das
Mittel der Wahl. WLAN hat zwar bisher
noch keinen großflächigen Einzug in die
Bundeswehr gehalten, wird aber in Zukunft
sicher stärker in den Fokus geraten, zumin-
dest wenn die Sicherheitsbedenken durch
ausreichende Kryptierung der übermittel-
ten Daten ausgeschaltet werden können.
Schließlich muss das Übertragungsmedium
nicht zwangsläufig sicher sein, so lange die
Datenpakete sicher verpackt sind.

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September 2017 · Europäische Sicherheit & Technik 91

 RÜS TUNG & TECHN O LOGI E
Datenverarbeitung
Die übermittelten Daten sind in eine sinn-
volle Darstellung zu bringen, diese einfa-
che Weisheit ist im heutigen IT-Zeitalter
schwieriger umzusetzen als allgemein
angenommen. Schließlich hat in der An-
fangszeit jedes Unternehmen halt irgend-
wie seine Software zum Laufen gebracht,
diese wurde, weil sie funktionierte, wei-
terentwickelt und nennt sich mittlerwei-
le Firmware. In MoTaKo sollen allerdings
Soldaten der elektronischen Kampfführung aus den Standorten Fran-
kenberg, Donauwörth, Nienburg, Daun und Bramstedt üben im Rahmen
der Teamausbildung das Zusammenspiel zwischen elektronischer Auf-
klärung und infanteristischer Patrouillentätigkeit.
auch beispielsweise Radarinformationen
mit einfließen, Erkenntnisse der AWACS
oder von Aufklärungsdrohnen. Dies alles
mit den verschiedenen Datenformaten und
Schnittstellen in ein gemeinsames Lagebild
zu bringen, ist eine Herkulesaufgabe. Diese
Herkulesaufgabe zu lösen ist mittlerweile
das Markenzeichen von sehr sehr wenigen
Unternehmen, denn auch wenn viele sich
aktuell Systemintegratoren nennen, Firmen
die tatsächlich vorhandene und erprobte
Lösungen zur Integration aller Informatio-
nen in einem sogenannten Battle Manage-
ment System anbieten, kann man zumin-
dest in der westlichen Welt an einer Hand
abzählen.
Dieses übergeordnete System ist allerdings
zwingend notwendig, sowohl zur Fehler-
vermeidung als auch zur Reduzierung von
mitzunehmenden Geräten. Jede Daten-
umwandlung in ein anderes Format birgt
schließlich das Risiko der Informationsver-
fälschung. Bei einem Zielsystem können
zudem die Hersteller verpflichtet werden,
sich diesem anzupassen. So gibt es kaum
einen Grund, warum nicht mit dem trag-
92 Europäische Sicherheit & Technik · September 2017
baren Rechner der Infanteristen auch kleine Die Lösung ist das angesprochene überge-
Drohnen gesteuert werden könnten. Au- ordnete System, an dem sich alle weiteren
ßer der Verschiedenartigkeit der Software. Funktionen als Applikationen anbinden. Ein
Weg, den auch die NATO geht, unter an-
Interoperabilität derem mit der Einrichtung des NATO-App-
Stores. Allerdings konnte die NATO hier
Die Datenverarbeitung fließt dementspre- kein Muss, sondern nur ein Kann durchset-
chend direkt in den Punkt der Interoper- zen. Inwieweit die Nationen es umsetzen,
abilität. Deutschland wird in künftigen bleibt jedem selbst überlassen. Noch zu-
Einsätzen kaum alleine agieren, also sollte mindest. Es ist damit zu rechnen, dass die
auch die Kommunikation darauf ausge- gesetzten Standards immer weitere Ver-
richtet sein. Schließlich bieten die heutigen breitung finden und dann schließlich doch
in einem Muss enden.
(Foto: Bundeswehr/Andrea Bienert)
Andere Bereiche, in denen die Interoperabi-
lität deutliche Fortschritte machen könnte,
sind die Steckverbinder. Allein in Deutsch-
land gibt es im militärischen (ehrlicherwei-
se auch im zivilen) die unterschiedlichsten
Stecker, die sehr oft dieselben Funktionen
erfüllen. Zu früheren Zeiten nach dem En-
de des Krieges mögen unterschiedliche
Stecker und Steckverbinder aufgrund un-
terschiedlicher Anforderungen notwendig
gewesen sein, die heutige Technik lässt
allerdings zu, dass ein Stecker alles erfüllt.
Man denke zum Beispiel an das USB, das
sowohl Strom als auch Daten durchlässt.
Ähnliche, teilweise kleinere Alleskönner
gibt es von einschlägigen Firmen auch im
militärischen Bereich. So unwichtig diese
Steckverbinden verglichen mit Kommuni-
kationssatelliten auch erscheinen mögen,
im täglichen Geschäft sind sie wichtiger.
Und hier kann ein deutscher Soldat seinen
Sprechsatz nicht an die US-Infrastruktur
anschließen oder das notwendige Ersatz-
kabel wurde vergessen, dafür aber 20 an-
dere Kabel mitgenommen. Oft sind es die
Systeme Möglichkeiten, um sogar Sprach- scheinbaren Kleinigkeiten, die im direkten
barrieren zu überwinden. Ein Bild sagt oft Gebrauch den größten Nutzen bringen.
mehr als tausend Worte und die taktischen
Zeichen verlieren auch auf einem Display Sicherheit
nicht ihre Gültigkeit. Es ist taktisch aller-
dings wenig sinnvoll, wenn die Deutschen Die Interoperabilität fließt somit direkt in
entweder nur mit sich selber kommuni- die Sicherheit ein. Denn der Infanterist
zieren können oder sie fünf verschiedene muss auch in einem stressigen Umfeld die
Funkgeräte mitnehmen müssen, damit die Geräte bedienen können, und da ist die
Interoperabilität gegeben ist. Ein in der Suche nach dem passenden Stecker wenig
NATO etabliertes Battle Management Sys- hilfreich. Es wären also einheitliche Stecker
tem, eine Darstellung, ein Gerät und ein mit absolut einfacher Verbindung wün-
NATO-Kommunikationsstandard, so ließe schenswert, um die Bediensicherheit zu
sich Interoperabilität auf einem verlässli- erhöhen. Ebenso wären einheitliche Dar-
chen Niveau gewährleisten. stellungen wünschenswert, damit der Sol-
Die zivile Welt gibt das Beispiel, da hier dat gewissermaßen immer seine „Heim-
schließlich auch Windows und Apple und ansicht“ hat, egal ob im Hauptquartier,
Linux miteinander kommunizieren können, im Fahrzeug oder auf seinem tragba-
weil dies von den Nutzern so gefordert wird. ren Gerät. Welche Funktionen dahinter
Apple hätte kein einziges iPhone verkauft, stattfinden, kann dem Soldaten ziemlich
wenn es nur mit anderen iPhones und Ap- egal sein, Hauptsache die wichtigsten
ple-Rechnern kommunizieren könnte. Eine Elemente haben dieselbe Optik bzw. Icons.
App ist wiederum nur dann wirtschaftlich Neben der Bediensicherheit ist auch die
erfolgreich, wenn sie auf iPhone und An- Datensicherheit von Bedeutung. Hier ver-
droid läuft. Der zivile Verbraucher ist in seiner fügt Deutschland über ein sehr hohes Ni-
Beschaffung da rigoros und verzeiht wenig. veau und auch im weltweiten Vergleich
erstklassige Unternehmen. Die USA und
auch die NATO haben viele deutsche Sys-
teme übernommen, deutsche Technolo-
gie erhielt als erste die Sicherheitszulas-

(Foto: Bundeswehr/Sebastian Wilke)

sung für höhere Geheimhaltungsstufen
der NATO. Es ist also davon auszugehen,
dass die zukünftige Kommunikation bzw.
der Datenaustausch gut geschützt ist. Al-
lerdings wären hierfür modernere Kom-
munikationsgeräte notwendig als die ak-
tuell vorhandenen.

Weiterentwicklung Soldaten besprechen die Lage während der Übung „Iron Wolf 2017“ im
Rahmen der Enhanced Forward Battlegroup in Rukla/Litauen.
Wie aus den genannten Punkten ersicht-
lich, ist MoTaKo aktuell noch im allerersten zu hören und zu lesen. Im Kommunika- nenempfang, bei dem um Mitternacht die
Anfangsstadium. Die Beschaffung der 50 tionsbereich hat dieser Investitionsstau Nationalhymne erklingt und das Testbild
Geräte für SVFuA ist weder MoTaKo noch schon vor etwa fünf Jahren die kritische kommt.
ausreichend, sondern nur die allerallererste Grenze überschritten. Die aktuelle Kom- Die 50 SVFuA-Systeme geben Hoffnung,
Anfangsbefähigung, die zudem notwendig munikation der Bundeswehr ist weder aber sie können nur ein Anfang sein. Bei
wurde, weil Deutschland sonst innerhalb verlässlich noch sicher. Sie belastet den den weiteren Schritten sind die neuen
der NATO seine Verpflichtungen nicht hät- Soldaten mit einer Vielzahl von Geräten, Handfunkgeräte mit am dringlichsten.
te erfüllen können. Mangels Kommunika- die alle zusammen nicht so viel können wie Wenn sich schnell eine neue Regierung fin-
tionsfähigkeit. Diese 50 Systeme werden ein einzelnes modernes. Sie ist nicht aus- det, könnten die Initiativen hierfür vielleicht
dann auch – in Puma und Boxer – direkt in fallsicher. Sie ist nicht abhörsicher. Sie ist sogar noch Ende dieses Jahres auf den Weg
den NATO-Einsatz gehen. Zumindest wenn leicht aufklär- und störbar. Sie kann keine gebracht werden. Wahrscheinlich ist aller-
sie vorhanden sind, was auch noch mehre- Daten übertragen und wenn doch, dann dings 2018, wenn überhaupt. Schließlich
re Monate dauern wird. nur mit extra Infrastruktur. Verglichen mit wurde die Beschaffung von neuen Hand-
Häufig war in den vergangenen Jahren von heutigen Kommunikationsmitteln ist sie funkgeräten bereits seit 2016 als absolut
einem Investitionsstau bei der Bundeswehr ein Schwarz-Weiß-Fernseher mit Anten- dringend notwendig bezeichnet.  L

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September 2017 · Europäische Sicherheit & Technik 93

Security Operations Center:
auf der sicheren Seite
Dr. Bernd Eßer, Chief Information Security Officer (CISO) der BWI GmbH
C yber-Attacken werden immer pro-
fessioneller, vielfältiger, potentiell
verheerender und die Täter wech-
seln ständig ihre Taktiken. Wer mit ihnen
Schritt halten möchte, muss eine gute
Verteidigungsstrategie haben. In der
Vergangenheit setzten Unternehmen
vorrangig auf Prävention: Sie versuchten,
einen möglichst hohen Schutzwall rund
um ihre IT-Infrastruktur zu ziehen, der
nicht zu überwinden sein sollte. Doch das
allein reicht heute nicht mehr aus, um
Cyber-Angriffe bekämpfen und überste-
hen zu können. Vielmehr bedarf es eines
ausgereiften Plans, um jene Angreifer zu
bezwingen, die die Schutzsysteme er-
folgreich umgehen konnten.
Genau hier setzt ein Security Operations
Center (SOC) an. Ein SOC überwacht
permanent die Systeme, Daten und das
Netzwerk einer Organisation, um Be-
drohungen frühzeitig auf dem Radar zu
haben und ihnen gezielt entgegenzuwir-
ken. Damit unterscheidet es sich von dem
herkömmlichen Ansatz, Cyber-Attacken
von vorneherein und gänzlich abzuweh-
ren.
Das SOC ist die zentrale Stelle im Unter-
nehmen, an der alle operativen Tätigkei-
ten der Cyber Security zusammenlaufen.
Die Fachkräfte arbeiten im Schichtbe-
trieb, rund um die Uhr, an 365 Tagen im
Jahr. Um möglichen Angreifern auf die
Spur zu kommen, sammeln die SOC-Ex-
perten vielfältige Informationen im Un-
ternehmensnetzwerk, korrelieren diese
und werten sie aus. Bei diesem umfang-
reichen Monitoring und detaillierten
Analysen werden sie von Werkzeugen
unterstützt, die eine hohe Automatisie-
rung in der Überwachung ermöglichen.
Auf diese Weise sind die IT-Sicherheits-
fachkräfte in der Lage, Vorfälle so schnell
94 Europäische Sicherheit & Technik · September 2017
wie möglich zu erkennen, Gegenmaß-
nahmen zu ergreifen und im Idealfall den
Angreifer zu identifizieren. Denn je län-
ger sich ein Eindringling im Firmennetz-
werk aufhalten kann, desto besser kann
er seine Spuren verwischen und desto
höhere Kosten fallen für die Bereinigung
der Angriffsfolgen an.
Ausgelagertes SOC als Alternative
zu teurer Inhouse-Lösung
Doch wie verbreitet ist der SOC-Ansatz
bereits in Deutschland? Die meisten der
DAX-30-Unternehmen haben das The-
ma bereits erkannt und entsprechende
Strukturen in ihren Häusern aufgebaut.
Dafür investieren sie viel, denn Technik
sowie erfahrenes und speziell ausgebil-
detes Fachpersonal erfordern ein hohes
Budget. Kleinere und mittlere Unterneh-
men hingegen können sich ein eigenes
SOC zumeist nicht leisten. Für sie bietet
es sich an, solch ein Sicherheitszentrum
als Managed Service einzukaufen. Je
nach Angebot kann der Dienstleister das
SOC komplett betreiben oder vereinzel-
te Aufgaben übernehmen. Zumeist sind
diese ausgelagerten SOC verantwortlich
für die Sicherheit mehrerer Unternehmen
oder Behörden. Wer sich für eine solche
Lösung entscheidet, sollte allerdings
genau hinschauen, welchen Partner er
dafür wählt. Eine gute Orientierung sind
Zertifizierungen wie zum Beispiel ISO-
27000-1 und IT-Grundschutz. Daneben
sollten entsprechende Datenschutz-Stan-
dards umgesetzt werden wie die EU-Da-
tenschutz-Grundverordnung.
Bundesbehörden können auf
Sicherheitszentrum der BWI bauen
Doch nicht nur Unternehmen kommen
um das Thema Cyber Security nicht mehr
herum. Auch Landes- und Bundesbe-
hörden gehen häufig mit hochsensiblen
Daten um, die eine entsprechend robus-
te und gut abgesicherte IT-Infrastruktur
benötigen. Daher nimmt sich die BWI als
IT-Systemhaus des Bundes der Heraus-
forderung an und richtet nun ein eige-
nes SOC ein. Dieses Zentrum wird nicht
nur der eigenen Unternehmenssicherheit
dienen, sondern auch für Kunden der
BWI, wie zum Beispiel die Bundeswehr,
tätig werden.
Den Aufbau ihres Security Operations
Centers gestaltet die BWI mehrstufig.
Die vergangenen Monate hat das Unter-
nehmen genutzt, um seine Strukturen
an internationalen Standards auszurich-
ten und alle erforderlichen Fähigkeiten
weiterzuentwickeln. Die ersten Services
sollen 2018 verfügbar, der Zielbetrieb
nach insgesamt zwei Jahren erreicht sein.
Dann wird die BWI über ein modernes
IT-Sicherheitszentrum mit bis zu 60 Cy-
ber Security-Experten verfügen. Damit
bietet sich Bundeswehr und Bundesbe-
hörden die Möglichkeit, auch im Bereich
der IT-Sicherheit mit einem bewährten
Partner zusammenzuarbeiten und von
den Synergien zu profitieren, die dieses
zentrale SOC eröffnet. So können zum
Beispiel Werkzeuge und Sensorik bei
mehreren Behörden eingesetzt werden.
Die dabei gewonnenen Erkenntnisse
über das Vorgehen der Täter lassen sich
untereinander teilen. Macht also ein Ana-
lyst bei einer Behörde neue Tätergruppen
mit bisher unbekannten Verhaltenswei-
sen aus, kann diese Information genutzt
werden, um alle anderen administrierten
Behörden ebenfalls entsprechend zu
schützen. So gelingt eine starke, res-
sortübergreifende Verteidigung gegen
Cyber-Angriffe.
 RÜS TUNG & TECHN O LOGI E 

Glock Generation 5 Jan-Phillipp Weisswange

Ende August stellte die österreichische Waffenschmiede Glock die fünfte Generation ihrer weltberühmten
Schlagbolzenschlosspistole vor. In deren Entwicklung flossen Erfahrungen jüngerer Militär- und Behörden-
ausschreibungen ein.

(Foto: Glock)
ie vom österreichischen Kunststoff-
experten, Unternehmer und Erfinder
Gaston Glock Ende der 1970er Jahre
entwickelte Schlagbolzenschlosspistole ist
heute die weltweit am meisten geführte
Dienstpistole und auch auf dem Zivilmarkt
einer der Marktführer. Seit ihren Anfängen
hat die zuerst durch das österreichische
Bundesheer als Pistole 80 beschaffte Sei-
tenwaffe einige Evolutionsstufen durch-
laufen. Mit der 2010 vorgestellten vierten
Generation erhielt sie neben einer neuen
Schließfederstruktur noch austauschbare
Griffrücken. Eine Variante der Neun-Pa-
ra-Pistole Glock 17 dieser Generation ist
bei Spezialkräften der Bundeswehr als
P9A1 eingeführt, während die Vorgän-
gergeneration als P9M katalogisiert ist.
M steht dabei für maritim. Sie dient unter
anderem in der GSG 9 der Bundespolizei als
Standardwaffe.
Pünktlich zur DSEI 2017 legt das Unter-
nehmen aus dem niederösterreichischen
Deutsch-Wagram nördlich von Wien nun
die Glock Generation 5 (Gen5) vor. ES&T
konnte die Standardvariante Glock 17 Die Glock 17 Gen5 und die Glock 19 Gen5
Gen5 und die Kompaktversion Glock 19
Gen5 begutachten. Glock 17 Gen5 Glock 19 Gen5
Kaliber 9 x 19 mm 9 x 19 mm
Ergonomische Anpassungen
Funktionsprinzip Safe-Action-Abzug, Safe-Action-Abzug,
In die Konstruktion der fünften Generati- Schlagbolzenschloss Schlagbolzenschloss
on flossen die Erfahrungen des Unterneh- Magazinkapazität 17 15
mens aus zwei Großvorhaben in den USA
ein. So beteiligte sich Glock an den Aus- Abzugsgewicht 26 N 26 N
schreibungen für die neue Dienstpistole Lauflänge 114 mm 102 mm
des FBI und für das Modular Handgun
System (MHS) der U.S. Army. Beide Pro- Abmessungen (L/B/H) 202 mm x 34 mm x 185 mm x 34 mm x
jekte stießen in der Fachwelt auf hohes 135 mm 128 mm
Interesse. Geleakte Bilder der FBI-Waffe Gewicht (ohne Magazin) 631 g 610 g
kursierten im Netz und ließen nicht nur
in der Fachwelt, sondern auch auf dem
Zivilmarkt Begehrlichkeiten nach einer dem Griffstück die bei früheren Gene- patibel mit ihren Vorgängern früherer
solchen modifizierten Pistole entstehen. rationen vorne eingelassenen Griffmul- Baureihen. Sie verfügen nun aber über
Einige dieser Modifikationen fallen be- den. Das soll in Verbindung mit den aus- einen vorne verlängerten Magazinbo-
reits auf den ersten Blick auf. So fehlen tauschbaren Griffrücken wahlweise mit den, der ebenfalls zum schnelleren Ma-
oder ohne Beavertail die Waffengriff- gazinwechsel dienen soll. Dazu kommt
Au to r stücke für noch mehr Nutzer optimal ein orangefarbener Zubringer. So lässt
anpassbar machen. Die Konstrukteure sich schneller erkennen, ob sich noch ei-
Dr. Jan-P. Weisswange ist Referent verbesserten weiterhin den Magazin- ne Patrone im Magazin befindet.
Öffentlichkeitsarbeit in der Wehrtech- schacht. Er ist etwas aufgeweitet und Geblieben ist die bereits mit der Gene-
nischen Industrie. Dieser Beitrag gibt größer geworden, was das Einführen ration 4 eingeführte Rough Textured
seine persönliche Meinung wieder. des Patronenbehälters erleichtert. Die Frame Surface, also die grob geriffelte
Magazine der Generation 5 sind kom- Griffstückoberfläche, die die Waffe grif-

September 2017 · Europäische Sicherheit & Technik 95

 RÜS TUNG & TECHN O LOGI E
Glock 17 Gen5 (rechts) im Ver-
gleich zu einer P9M (links) und
einer handelsüblichen Glock 17
Gen3: Die fehlenden Fingermul-
den fallen sofort auf, von der P9M
stammt der aufgeweitete
Magazinschacht.
Der neue, beidseitig bedienbare Verschlussfanghebel
fehlt bei den älteren Generationen.
Die Glock 17 Gen5 hat den bei der
Gen3 noch nicht verbauten ver-
größerten Magazinhalteknopf.
96 Europäische Sicherheit & Technik · September 2017
(Fotos: Jan-P. Weisswange)
figer macht. Gleiches gilt für den vergrö-
ßerten Magazinhalteknopf. Der lässt sich
auch an die andere Waffenseite verlegen.
Neu wiederum ist der nun beidseitig be-
dienbare Verschlussfanghebel, der sich
sowohl mit der schussstarken als auch
der schussschwachen Hand gut erreichen
lässt.
Erneuertes Innenleben
Doch nicht nur äußerlich sichtbar mo-
difizierten die Glock-Konstrukteure ih-
re Gen5-Waffen. Die neue Generation
trägt am Lauf und am Verschluss eine
verbesserte Oberflächenbeschichtung.
Dieses neue und exklusiv an der Gen5
vorhandene nDLC-Finish soll die Waffen
besser vor Witterungseinflüssen, Korro-
sion und Kratzern schützen sowie ihre Der orange Zubringer lässt sich
Funktionssicherheit auch bei widrigen bei hinten arretiertem Verschluss
Umgebungen erhöhen. gut erkennen.
Im Innenleben
gibt es ebenfalls
Veränderun-
gen. Die Glock
Gen5 - Modelle
haben den neuen
Glock Marksman
Barrel. Er weist ein
neues, hexagona-
les Laufprofil mit
einem Rechtsdrall
auf. Die Dralllänge
beträgt 250 mm.
Geblieben wie-
derum sind die
bewährten, drei
unabhängig von-
einander arbei-
tenden Sicherun-
gen: Fallsiche-
rung, Schlagbol-
zensicherung und
Abzugssicherung. Griffstück ohne Fingermulden und
aufgeweiteter Magazinschacht
Auf dem Schießstand der Glock 19 Gen5 im Vergleich zu
einer Glock 19 Gen4
Die neue Glock-Generation liegt gut in
der Hand, wobei der Verfasser (Hand- dabei mit der kompakteren Glock 19
schuhgröße 9½) mit den eingelassenen ein noch engeres Trefferbild als mit der
Griffmulden der Vorgängergeneratio- Glock 17. Bei Präzisionsserien lässt sich
nen ebenso gut zurechtkommt und eine auf 25 Meter mit beiden Varianten das
Glock 17 Generation 3 jagdlich nutzt. Schwarze im DSB-Spiegel locker halten.
Die schlanker gewordene Visierung der Positiv fielen weiterhin die beidseitige
Gen5 lässt sich gut aufnehmen, der Bedienbarkeit und der gefühlt etwas
Abzug bricht klar und das Trigger-Re- schnellere Magazinwechsel auf.
set lässt sich sehr gut realisieren. Rück-
stoß und Hochschlag fallen moderat Ausblick
aus, und man ist schnell wieder im Ziel.
Auf sieben Meter Entfernung lagen die Die Produktion der Glock Gen5-Pistolen
Treffer auch bei schnelleren Serien mit ist angelaufen. Noch in diesem Monat
Geco-Vollmantelmunition Loch in Loch. sollen sie über den autorisierten Fach-
Erstaunlicherweise erreichte der Verfasser handel erhältlich sein.  L
 ES&T SPEZIAL: SPEZIALKRÄFTE IN DEUTSCHLAND 

Die GSG 9 der Bundespolizei

Jan-Phillipp Weisswange

Die GSG 9 der Bundespolizei zählt zu den ältesten und bekanntesten Organisation
polizeilichen Spezialeinheiten der Welt. Bis heute bildet sie die deut- Die GSG 9 gliedert sich in drei Stabsberei-
sche Speerspitze im Kampf gegen den Terrorismus. che: Einsatz, Führungs- und Einsatzmittel
sowie Verwaltung. Dazu kommen weitere

D
er 26. September 1972 ist das Ge-
burtsdatum der GSG 9. Damals be-
fahl der Bundesminister des Innern,
Hans-Dietrich Genscher, eine völlig neu-
artige Spezialeinheit zur Terrorismusbe-
kämpfung aufzustellen. Dies geschah als
Reaktion auf das blutige Attentat bei den
Olympischen Spielen wenige Tage zuvor.
Die neue Einheit sollte entgegen ursprüng-
• Ausbildungsunterstützung und Beratung
für Spezialeinheiten im In- und Ausland,
• Entwicklung und Erprobung neuer Me-
thoden, Taktiken und Techniken sowie
spezieller Führungs- und Einsatzmittel.
Die Entscheidung über den Einsatz der GSG
9 trifft das Bundesministerium des Innern
(BMI).
Führungs- und Stabselemente sowie die
Operative Einsatzmedizin.
Der Stabsbereich 1 Einsatz führt die
Masse der operativen Kräfte der GSG 9.
Hierzu gehören die Koordinierungsstelle
für Einsätze, das Sachgebiet Einsatz und
die derzeit drei Einsatzeinheiten. Die
Einsatzeinheiten setzen sich wiederum
aus einem Führungselement sowie meh-

(Foto: Jan-P. Weisswange)

licher Planungen nicht beim Bundeskrimi-
nalamt, sondern beim Bundesgrenzschutz
(BGS, die Vorgängerorganisation der Bun-
despolizei) entstehen. Damals führte der
BGS insgesamt acht Grenzschutzgruppen
(GSG): GSG 1 bis GSG 7 und die GSG See.
Der völlig neue Verband wurde als neunte
GSG beim Grenzschutzkommando West
in Sankt Augustin-Hangelar eingegliedert:
Die GSG 9 war geboren.
Nach Transformation und Umbenennung
des BGS zur Bundespolizei im Juli 2005 be-
hielt die GSG 9 als einziger Verband die
Traditionsbezeichnung. Seither firmiert die
Spezialeinheit offiziell als „GSG 9 der Bun-
despolizei“. Intern spricht man von ihr auch
als „die Gruppe“ oder „die Neuner“.

Aufgaben und Fähigkeiten

„Die GSG 9 ist eine polizeiliche Spezialeinheit
zur operativen Bekämpfung von Terrorismus
sowie Schwerst- und Gewaltkriminalität.“
Aus dieser nüchternen Definition leitet sich
wiederum das vielfältige Aufgaben- und Fä-
higkeitsspektrum des Verbandes ab:
• offener und verdeckter Einsatz zur Be-
wältigung komplexer und polizeilicher
Sonderlagen einschließlich schneller Ver-
legung robuster Kräfte und des Einsat-
zes an und in modernen Verkehrsmitteln
oder auf offener See,
• polizeiliche Auslandsmissionen der EU,
UN etc.,

Au to r
Dr. Jan-P. Weisswange ist Referent
Öffentlichkeitsarbeit in der Wehrtech-
nischen Industrie. Dieser Beitrag gibt
seine persönliche Meinung wieder. Schnelle Verlegung: GSG 9-Einsatzbeamte sitzen im Fast-Roping-Verfahren
aus einer Super-Puma ab.

September 2017 · Europäische Sicherheit & Technik 97


(Foto: Jan-P. Weisswange)
Präzisionsschütze der 1. Einsatzeinheit
(Foto: Bundespolizei/Andrea Stolze)
Einsatztaucher der 2. Einsatzeinheit landen an.
reren Spezialeinsatztrupps (SET) zusam-
men. Der SET ist die kleinste operative
Zelle. Weiterhin führt der Stabsbereich
1 auch das Sachgebiet Aus- und Fort-
bildung.
Der Stabsbereich 2 Führungs- und
Einsatzmittel leitet unter anderem den
Bereich Operative Technik. Dazu kommen
die Sachgebiete Information und Kom-
munikation, Kraftfahr- und Verkehrs-
wesen, Waffen- und Schutzausstattung
sowie Technik/Sondereinsatzmittel.
Der Stabsbereich Verwaltung umfasst
die Sachgebiete Personal, Haushalt und
Innerer Dienst.
Vom 1. Juni 2012 bis zum 31. August 2017
waren gemäß Erlass BMI die GSG 9 und
die Dienststelle Personenschutz Ausland
(PSA) unter dem Überbegriff Spezialkräfte
der Bundespolizei eng miteinander verbun-
den. Der Aufbau der Dienststelle PSA wur-
de durch die GSG 9 intensiv unterstützt.
Auswahl und Ausbildung
Geeignetes Personal bildet eine Schlüssel-
größe für den Einsatzwert einer Spezialein-
heit. Die Bewerber für die GSG 9 rekrutie-
ren sich aus den Reihen der Bundespolizei,
der Länderpolizeien und des Bundeskrimi-
nalamtes. In einem Eignungsauswahlver-
fahren stellt die GSG 9 zunächst die grund-
sätzliche Eignung eines Bewerbers fest.
98 Europäische Sicherheit & Technik · September 2017
steckter Position in urbanem Umfeld oder
ob aus Land-, Luft- und Seefahrzeugen
heraus: Die Präzisionsschützen können in
besonderen Gefährdungslagen einen oder
mehrere Gewalttäter durch gezielte Einzel-
schüsse sofort handlungsunfähig machen.
Die 2./GSG 9 ist die maritime Einsatzein-
heit. Die Einsatzbeamten der „Zwoten“
können unerkannt über und unter Wasser
auch entlegene Orte erreichen – egal, ob
an Binnengewässern oder auf hoher See.
Neben den Einsatztauchern verfügt die
2./GSG9 über eigene Boottrupps. Die 3./
GSG 9 ist die Fallschirmspringereinheit. Sie
ermöglicht es der GSG9, jeden Einsatzort
weltweit schnell und zielsicher zu errei-
chen – gerade dann, wenn Annäherun-
gen über den Land- oder Seeweg nicht
möglich sind.
Unterstützungskräfte –
OT und OEM
OT steht für „Operative Technik“. Dieser
Bereich deckt unter anderem folgende Fä-
higkeiten ab:
• optronische und akustische Aufklä-
rung und Dokumentation (einschließ-
lich UAV),
• IED-Entschärfung, auch mit der an-
spruchsvollen Methode der Handent-
Nach erfolgreichem Bestehen schließt sich schärfung, ein Alleinstellungsmerkmal,
die rund zehn Monate lange Basis- und Spe- • Zugangstechnik,
zialausbildung in der Ausbildungseinheit • Diensthundewesen (K9).
an. Taktik, Schießen, Selbstverteidigung Die GSG 9 ist darüber hinaus auf eine
bilden den größten Teil der Ausbildungsin- erstklassige medizinische Versorgung an-
halte. Auch eine Härtewoche gehört zum gewiesen. Sie verfügt daher über einen ei-
Programm. Dazu kommen Einsatztaktik genen Polizeiärztlichen Dienst, auch Ope-
oder Grundlagen für die Lagebewältigung rative Einsatzmedizin (OEM) genannt.
in und an verschiedenen Verkehrsmitteln
(Foto: Jan-P. Weisswange)
wie Bus, Bahn, Flugzeug oder maritimen Fallschirmspringer der
Objekten. Ebenso lernen die Bewerber 3. Einsatzeinheit
Grundlagen, um Einsätze selber planen mit Sprung-
und führen zu können. gepäck
Viele Bewerber scheiden in dem von kör-
perlichen, psychischen und physischen
Anstrengungen, Stress und Entbehrungen
geprägten Abschnitt aus. Im Jahr 2016
hatten von 111 Bewerbern 14 Mann die
Basis- und Spezialausbildung bestanden.
Die Absolventen gehen dann in eine der
drei Einsatzeinheiten. Dort erfolgen im An-
schluss die einheitstypische Weiterbildung
sowie Zusatzqualifikationen als Aufklärer,
Einsatztechniker oder Einsatzsanitäter. Und
auch sonst ist der weitere Dienst in der GSG
9 durch lebenslanges Lernen geprägt.
Die Einsatzeinheiten
Die 1./GSG 9 bildet das Kompetenzzent-
rum für polizeiliches Präzisionsschützenwe-
sen der GSG 9. Ob aus gut getarnter Stel-
lung im Gelände, ob aus offener oder ver-
(Fotos: Jan-P. Weisswange)
 ES&T SPEZIAL: SPEZIALKRÄFTE IN DEUTSCHLAND
Bild links: Ein Einsatzsanitäter eines SET nimmt unter Rundumsicherung die Erstversorgung eines verwundeten Streifen-
beamten vor – hier bei einer Übung. Bild rechts: Eine Führungsgruppe steht rund um die Uhr in Alarmbereitschaft.
Sie unterstützt den Kommandeur bei der Einsatzführung.
Keine Bewegung am Boden ohne Sicherung!
Einsätze
Die GSG 9 steht rund um die Uhr für Einsät-
ze im In- und Ausland bereit. Einsätze erfol-
gen immer auf Anforderung. Bedarfsträger
können Bundespolizei, Auswärtiges Amt,
Bundeskriminalamt, die Landespolizeien
oder die Bundeszollverwaltung sein.
Die Koordinierungsstelle Einsatz und der
Stabsbereichsleiter Einsatz koordinieren die
Einsatzabläufe. Bei ihnen gehen alle Anfor-
derungen ein.
Seit ihrer Gründung hat die GSG 9 rund
1.900 Einsätze absolviert – fast alle ohne
Schusswaffengebrauch, aber dennoch
teilweise unter hohem Risiko. Vier Einsatz-
beamte ließen im Dienst ihr Leben: Im Ju-
ni 1993 wurde Polizeikommissar Michael
Newrzella bei einer Festnahmeaktion vom
RAF-Terroristen Wolfgang Grams erschos-
sen. Im April 2004 fielen die als Personen-
schützer des deutschen Botschafters im
Irak eingesetzten Polizeihauptmeister To-
100 Europäische Sicherheit & Technik · September 2017
bias Retterath und Thomas Hafenecker ei-
nem Anschlag zum Opfer, als ihr Fahrzeug-
konvoi in einen Hinterhalt Aufständischer
geriet. Und im Oktober 2013 wurde der
zum PSA zugehörige Polizeioberkommissar
Mirko Kanzler in Sanaa im Jemen Opfer ei-
nes Schusswaffenanschlags.
Veränderte Schwerpunkte
In den 45 Jahren seit Bestehen der GSG 9
haben sich ihre Einsatzschwerpunkte mit-
unter verändert. In der Aufstellungsphase
und danach stand vor allem der Kampf ge-
gen die Rote Armee Fraktion (RAF) und an-
dere Terrororganisationen im Mittelpunkt.
Ab den 1980er Jahren kamen vermehrt
Einsätze gegen Gewaltkriminelle, die Orga-
nisierte Kriminalität, rechtsextremistische
Gewalttäter sowie gegen Rockerbanden
dazu. Die Anschläge des 11. September
2001 markierten einen neuen Einschnitt.
Seither bildet der Kampf gegen den fun-
damentalistischen Terrorismus einen neuen
Schwerpunkt.
In jüngerer Zeit tritt vermehrt eine neue
terroristische Bedrohung auf. Das zeigten
die letzten Anschläge in Brüssel, Paris, Niz-
za, Berlin, London und Stockholm. Oftmals
militärisch agierende Kleingruppen oder
Attentäter versuchen dabei mit relativ ein-
fachen Mitteln, in kurzer Zeit hohe Opfer-
zahlen zu erreichen. Sie nehmen dabei auch
den eigenen Tod in Kauf. Die GSG 9 bleibt
daher vorbereitet, komplexe Massengeisel-
lagen in Gebäuden oder an verschiedenen
Verkehrsmitteln zu lösen. Weiterhin ergänzt
die schnelle Verlegung das Fähigkeitsspekt-
rum: Robuste Einsatzkräfte sollen rasch vor
Ort sein und die Terroristen stoppen. Erste
Erfahrungen mit diesem Einsatzverfahren
konnte die GSG 9 im Juni 2016 in München
sammeln, als eine unübersichtliche Amokla-
ge die Stadt in Atem hielt.
Auslandseinsätze
Gemäß dem Bundespolizeigesetz gehört
auch die Rettung von Menschenleben im
Ausland zu den Aufgaben der GSG 9. Der
wohl bekannteste Einsatz dieser Art war
die „Operation Feuerzauber“ 1977 in Mo-
gadischu/Somalia. In der Nacht vom 17.
auf den 18. Oktober 1977 stürmten der
Gründungskommandeur Ulrich K. Wege-
ner und seine Männer dort die von paläs-
tinensischen Terroristen entführte Lufthan-
sa-Maschine „Landshut“ und befreiten alle
86 Geiseln.
„Feuerzauber“ war bei Weitem nicht die
einzige Aktion im Ausland. Als bekanntes
Beispiel aus jüngerer Zeit kann die Han-
sa-Stavanger-Lage dienen: Ende April/An-
fang Mai 2009 verlegte ein Einsatzverband
der GSG 9, unterstützt vor allem von der

Bundespolizei-Fliegergruppe, nach Kenia
und später auf den amerikanischen Hub-
schrauberträger USS „Boxer“. Auftrag war,
die Besatzung des von somalischen Piraten
gekaperten Frachtschiffs „Hansa Stavan-
ger“ zu befreien. Letztlich wurde der Ope-
rationsplan trotz guter Aussicht auf Erfolg
jedoch nicht in die Tat umgesetzt. Die Lage
wurde alternativ gelöst.
Global vernetzt
Die GSG 9 gehört seit ihrer Aufstellung
wohl zu den am weitest vernetzten Spezi-
alverbänden weltweit. Im nationalen Rah-
men kooperiert sie vor allem mit den Spezi-
aleinsatzkommandos der Landespolizeien.
International steht die GSG9 mit nahezu
allen Spezialeinheiten weltweit im engen
Austausch. Workshops und Ausbildungen
dienen der Weiterentwicklung von Ein-
satzkonzeptionen und -verfahren und von
(Foto: Jan-P. Weisswange)
Die GSG 9 bereitet sich auch heute
noch auf Einsatzlagen in Flugzeu-
gen vor.
Führungs- und Einsatzmitteln. In diesem
Zusammenhang ist auch die 1986 erstmals
veranstaltete Combat Team Conference
zu nennen. Dieser Wettkampf hat sich als
„Olympische Spiele der Spezialeinheiten“
weltweit etabliert und bietet ein wichtiges
Forum für den internationalen Austausch.
Der 11. September 2001 wirkte darüber hin-
aus als weiterer Katalysator für eine verstärk-
te internationale Kooperation im Bereich der
Antiterroreinheiten. So gehörte die GSG 9
zu den Gründungsmitgliedern des 2001 ge-
ES&T SPEZIAL: SPEZIALKRÄFTE IN DEUTSCHLAND 
Nachgefragt:
Interview mit Jerome Fuchs,
Leitender Polizeidirektor und
Kommandeur der GSG 9 der
Bundespolizei
Leitender Polizeidirektor Jerome Fuchs,
Jahrgang 1970, trat nach seiner Reserve-
offizierausbildung in der Gebirgsjäger-
truppe zunächst ins Bundeskriminalamt
ein. 1997 Eintritt in die GSG 9.
Zahlreiche Verwendungen, u.a. Einheits-
führer 2. Einsatzeinheit. Seit September
2014 Kommandeur der GSG 9.
ES&T: Wie hat sich das Aufgabenspektrum der GSG 9 der Bundespolizei in den
letzten Jahren verändert?
Fuchs: Insbesondere die neuen terroristischen Bedrohungen – Stichwort militä-
risch geschulte Kleingruppen – erfordern eine schnelle und robuste Reaktionsfä-
higkeit. Wir haben hierfür unter anderem das Konzept der Schnellen Verlegung
entwickelt, bei der wir – auch luftbeweglich – starke Kräfte an den Einsatzort
heranführen und dann unmittelbar eingreifen können. Weiterhin haben wir
Konzepte erarbeitet, auch andere Kräfte innerhalb der Bundespolizei für die
Bewältigung solcher Lagen zu befähigen.
ES&T: Wie sehen diese Ansätze aus?
Fuchs: Es kam uns darauf an, ein aufeinander abgestimmtes taktisches Konzept
innerhalb der Bundespolizei und anderer Kräfte zu entwickeln. Hintergrund
ist, dass wir meist nicht die ersten Eingriffskräfte am Ort des Geschehens sein
können. Wir verfolgen daher einen mehrere Ebenen umfassenden Ansatz für
solche Lagen. Dabei spielt die Schulung von Multiplikatoren innerhalb der
Bundespolizei eine wesentliche Rolle. In enger Kooperation mit der Bundespo-
lizeiakademie und der Bundesbereitschaftspolizei werden auf der ersten Ebene
unsere Kolleginnen und Kollegen des Kontroll- und Streifendienstes für solche
Einsätze fortgebildet, die wir als „Komplexe Lebensbedrohliche Einsatzlagen“
bezeichnen. Die nächsthöhere Ebene sind die BFE plus-Kräfte. Sie rekrutieren
sich aus den Beweissicherungs- und Festnahmehundertschaften der Bundes-
bereitschaftspolizei. Die BFE plus-Kräfte sind durch uns besonders ausgebildet
und verfügen über eine besondere Ausstattung, um terroristischen Angreifern
entgegentreten zu können. Sie sind eine wesentliche Unterstützung für unseren
Verband. Die dritte Ebene bilden dann wir als GSG 9.
ES&T: Wie stellt sich die Bewerberlage für die GSG 9 dar?
Fuchs: Die Bewerberlage ist noch zufriedenstellend. Allerdings wird es nicht
einfacher werden, da auch die Spezialeinheiten der Landespolizeien, andere Be-
hörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben sowie die Streitkräfte um
den gleichen Personalpool geeigneter Bewerber konkurrieren.
ES&T: Wie hat sich die internationale Kooperation bei polizeilichen Spezialein-
heiten entwickelt?
Fuchs: Die internationale Kooperation wird immer wichtiger und in der Praxis bereits
gelebt. Der ATLAS-Kooperationsverbund europäischer Polizei-Spezialeinheiten – in
der breiten Öffentlichkeit leider immer noch recht wenig bekannt – hat sich fest
etabliert. Hier findet ein reger Austausch auf allen Ebenen statt – vom Einsatzbeam-
ten bis zum Kommandeur. Handlungsbedarf gibt es hingegen durchaus noch auf
politischer Ebene, um die rechtlichen Rahmenbedingungen für die internationale
Zusammenarbeit von Spezialeinheiten nicht nur in Übungen, sondern auch im Ein-
satzfall abschließend auf jeweils nationaler Ebene zu schaffen.
Das Interview führte Jan-Phillipp Weisswange.
September 2017 · Europäische Sicherheit & Technik 101
 (Foto: Bundespolizei)
 ES&T SPEZIAL: SPEZIALKRÄFTE IN DEUTSCHLAND

sowie die Einsatz- und Ermittlungsunter-

stützung der Bundespolizei. Darüber hin-
aus wurde die Fachverantwortung für die
Entschärfungsdienste der Bundespolizei
der Bundespolizeidirektion 11 übertragen.
Hauptziele sind, Spezialbereiche unter ei-
ner zentralen Führungs- und Einsatzstruk-
tur zu bündeln, besondere Kompetenzen
bestmöglich zu verzahnen und vereinheit-
lichen und so unter erhöhter Flexibilität
und Anpassungsfähigkeit die Krisen- und
Reaktionsfähigkeit der Bundespolizei in
komplexen Lagen zu stärken. Das zielt auf
folgende Vorteile ab:
• klare und eindeutige Weisungs- und
Einsatzstruktur,
Hansa-Stavanger-Lage 2009: Der Einsatzverband der Bundespolizei auf • schnelles und effizientes Handeln ohne
dem Hubschrauberträger „USS Boxer“ Zeitverzug,
• Synergieeffekte in den Bereichen Fort-
gründeten ATLAS-Kooperationsverbundes. Bereiche der Bundespolizei zur besseren bildung, Polizeitechnik und Materialma-
In dieser informellen Struktur haben sich Bewältigung komplexer Einsätze im In- und nagement,
bis heute 36 Spezialeinheiten aus allen 27 Ausland in einer Behörde gebündelt. • Erhalt von Fachwissen und speziellen
EU-Mitgliedstaaten zusammengeschlossen, Seit dem 1. August 2017 führt die Bundes- Fertigkeiten,
um ihre Einsatzverfahren abzustimmen und polizeidirektion 11 die Spezialkräfte GSG • Entlastung des Bundespolizeipräsidiums
gemeinsam weiterzuentwickeln. 9 der Bundespolizei, Bundespolizei-Flieger- von Vollzugsaufgaben.
Doch auch mit außereuropäischen Premium- gruppe, Polizeiliche Schutzaufgaben Aus- Präsident der neuen Bundespolizeidirekti-
einheiten bleibt die GSG 9 eng vernetzt. land der Bundespolizei, Besondere Schutz- on 11 ist Direktor in der Bundespolizei Olaf
2009 trainierten sie und der Bundespoli- aufgaben Luftverkehr der Bundespolizei Lindner. Er ist in der internationalen Spezial-
zei-Flugdienst mit der Yamam, den Spe- kräftegemeinschaft bestens bekannt. 1966
zialkräften der israelischen Grenzpolizei, geboren und zunächst Reserveoffizier in
Literaturhinweis
unterschiedliche Einsatzverfahren. 2012 der Panzergrenadiertruppe, trat er 1990 in
hospitierte erstmals ein Verbindungsbeam- Die Bilder dieses Artikels stammen aus die GSG 9 ein. Dort durchlief er verschie-
ter der GSG 9 über ein Jahr beim Hostage dem in Vorbereitung befindlichen Bild- dene Verwendungen und war unter an-
band „GSG 9. Die Spezialeinheit der
Rescue Team des FBI. derem Einheitsführer der 2. Einsatzeinheit.
Bundespolizei – Speerspitze im Kampf
Von 2005 bis 2014 führte er den Verband
gegen den Terrorismus“ von Jan-Phil-
Ausblick als Kommandeur und leitete unter ande-
lipp Weisswange und Sören Sünkler.
rem den Hansa-Stavanger-Einsatz. Ebenso
Das über 200 Seiten starke Werk stellt
Ab Februar 2017 begann die Bundespolizei die GSG 9 von heute vor. Es erscheint fungierte er von 2012 bis 2014 als Präsident
mit dem Aufbau einer eigenen Direktion voraussichtlich im Oktober 2017. des ATLAS-Kooperationsverbundes.
für ihre Spezialkräfte. Mit dieser neu ein- Weitere Informationen: Unabhängig von diesen Maßnahmen er-
gerichteten Bundespolizeidirektion 11 in www.k-isom.com hält die GSG 9 einen weiteren Standort im
Berlin werden verschiedene spezialisierte Raum Berlin. L

D 46 892
Neue Broschüre
M II ShortDot Dual CC
MIT TLER REPORT VERL AG · WEHRTECHNISCHER REPORT · 5/2016 · HANDWAFFEN UND K AMPFMIT TEL

5/2016

Handwaffen und Kampfmittel Effektoren

Die Pistole – Faustpfand

für
mehr Feuerkraft
Themen: Jan-Phillipp Weisswange
Letzin

Die Pistole hat in den

Foto: Bundeswehr/Matthias

letzten

• Grundlagen
Jahren erheblich an Bedeutung Soldatensysteme
gewonnen. Das spiegelt

der Zukunf t
InfanteristBesch
sich auch in zahlreichen
en
affungsplanung

Handwaffen und
Neubeschaffungen wider.

Sachstand und

• Effektoren I n Streitkräften dient zwar

die Lang-
waffe – und hier meist
das Sturmge-
wehr – als Primärbewaffnu Thorsten Unger Modernization

Kampfmittel
zwischen gewinnt die
ng, aber in-
zu einem Soldier
Pistole als zu- Überlegungen Bedrohungen
auf
nehmend querschnittliche mit den ersten Fülle an neuen
Sekundär- begann die NATO die steigende auf dem
bewaffnung oder neudeutsch
„Back- Vor über 25 Jahren nspektrum und lung insbesondere
up-Waffe“ an Bedeutung. zukünftige Aufgabe technische Entwick

• Sensoren
märwaffe im Feuerkampf
Fällt die Pri-
Programme. Das auch die enorme
aus, kann ein aber nicht zuletzt eichlich.
geübter Schütze den Gegner
der ganzen Welt, Schritt unausw
mit der Pis- e machten diesen
tole zumindest kurzfristig tionstechnologi
Gebiet der Informa
niederhalten.
eumann)

Zudem lässt sich die Kurzwaffe

in be- mit Schalldämpfern
engten Umgebungen wie und optischen Visie-
(Foto: Bundeswehr/N

in Fahrzeu- rungen.
gen, an Bord von Schiffen Gerade letztere gewinnen
oder im ur- an Bedeutung, mehr yste-
von Soldatens
1-8x24 PM II ShortDot Dual CC
D ie Entwicklung
banen Gelände schneller da sich die Pistole so in

• Soldatensysteme
in Anschlag Verbindung ra-
bringen und einsetzen mit Nachtsichtbrillen besser bis heute war
als eine Lang- nutzen men von damals är.
Foto: Jan-P. Weisswange

waffe. Weiterhin erfüllen lässt. se sogar revolution

Pistolen spe- sant und stellenwei prung
• Beleuchtetes Absehen in der 1. Bildebene zielle Zwecke, vor allem Für den Polizisten hingegen
in Verbindung die Pistole stellt
in der Regel die Primärwaffe Definitiv stellt
sie einen Quantens
isch eingesetzt
en Kräf-
für die infanterist -
in Zukunft leistungsfä
Foto: NATO/SHAPE

• Rotpunkt in der 2. Bildebene te dar. Um auch

Soldatens ysteme zur
hige und moderne konti-
stellen, wird daher
• Parallaxefreier CC-Modus im Nahbereich Die Glock 17 Gen 4 dient
in der Verfügung zu
der Optimierung und
Wei-
Bundeswehr als P9A1 nuierlich an ten
unter anderem der bereits eingeführ
rretierbarr Höhen- und Seitenschnellverstellung bei den Kampfschwimm
ern . terentwicklung
.
Systeme gearbeitet

132 Seiten
dar. In besonderen Lagen
weise bei Sicherungsaufg
– beispiels- rungsstufe –
aben, beim Erste Realisie
Objektschutz oder beim tem
Vorgehen ge- das Basissys
gen Gewalt- oder Amoktäter zu-
– bildet Anzahl und Intensität
wiederum die Langwaffe Die ständig in insätze der Bun-
Dual CC prä- sowohl einenRotpunkt in der 2. Bildebene, als auch ein be- in Gestalt

Herausgegeben in Zusammenarbeit mit dem

einer Maschinenpisto
le oder eines nehmenden AuslandseEntwicklung und
die
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mit steigender Tendenz
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Bereichen zeitweilig
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102 Europäische Sicherheit & Technik · September 2017


Die Spezialkräfte der Landespolizeien
Jan-Phillipp Weisswange
In Deutschland ist Polizei Ländersache. Somit verfügen alle Polizeiorganisationen der Bundesländer über
eigene Spezialkräfte. Diese sind unterschiedlich organisiert, kooperieren aber bundesweit eng miteinander.
(Foto: Innenministerium Sachsen)
Einsatzbeamte des SEK Sachsen mit Mitteldistanzwaffen
CR223 vor einem geschützen Toyota-Fahrzeug
D as Attentat bei den Olympischen
Spielen in München (5. September
1972) bildete nicht nur auf Bundes-,
sondern auch auf Landesebene den An-
lass zur Aufstellung polizeilicher Spezial-
einheiten.
Grundsätzlich unterscheidet die polizeiliche
Terminologie Spezialkräfte und Spezialein-
heiten. Zu den Spezialeinheiten zählen vor
allem die Spezialeinsatzkommandos (SEK)
Au to r
Dr. Jan-P. Weisswange ist Referent
Öffentlichkeitsarbeit in der Wehrtech-
nischen Industrie. Dieser Beitrag gibt
seine persönliche Meinung wieder.
ES&T SPEZIAL: SPEZIALKRÄFTE IN DEUTSCHLAND 
und die Mobilen Einsatzkommandos
(MEK). SEK kommen meist bei komplexen
und robusten Lagen – beispielsweise die
Festnahme bewaffneter Täter – zum Ein-
satz. Zu den Aufgaben der MEK gehört
vor allem die Observation – auch über
längere Zeiträume. MEK führen aber auch
Zugriffe durch.
Eine Besonderheit bildet die Freie und Han-
sestadt Hamburg, die als eines der ersten
Bundesländer bereits am 6. November
1972 das Landeskriminalamt 24/Spezi-
aleinheit (kurz: LKA 24/SE) unter der Be-
zeichnung „MEK Hamburg“ gründete. Die
Spezialisten dieser Dienststelle überneh-
men sowohl SEK- als auch MEK-Aufgaben.
Unter „Spezialkräfte“ laufen in der Regel
die Verhandlungs- und Beratergruppen,
September 2017 · Europäische Sicherheit & Technik
die Entschärfer oder auch die Fliegerstaf-
feln. Darüber hinaus gibt es seit den späten
1980er Jahren in den meisten Bereitschafts-
polizeien der Länder Beweissicherungs- und
Festnahmeeinheiten (in Bayern Unterstüt-
zungskommando). Diese können auch bei
schwierigen polizeilichen Lagen gewalttäti-
ge Straftäter beweissichernd und gerichts-
verwertbar festnehmen. Dieser Artikel be-
trachtet mit Schwerpunkt jedoch die SEK.
Aufgabenspektrum
„Den Spezialeinheiten obliegt primär die
operative Bekämpfung der schweren Ge-
waltkriminalität. Daneben unterstützen
sie den polizeilichen Einzeldienst in be-
sonderen Fällen“, definiert beispielsweise
103
 ES&T SPEZIAL: SPEZIALKRÄFTE IN DEUTSCHLAND

Nachgefragt:
Interview mit Polizeidirektor
Sven Mewes, Kommandoführer SEK
Sachsen

Sven Mewes (57) trat 1980 in den Bun-

desgrenzschutz ein. Über 20 Jahre war
er Mitglied der GSG 9 der Bundespolizei.
Seit 1. Oktober 2014 ist er Kommando-
führer des SEK Sachsen.

ES&T: Sie kennen den Dienst bei Spezialein-

heiten auf Bundes- und Landesebene. Wie
unterscheiden sich Aufgaben- und Einsatz-
spektrum?
Einsatztechniken mit Flashbang-
Mewes: Rund 80 Prozent des Einsatz- und Aufgabenspektrums der GSG Irritationswurfkörpern – hier bei
9 und der SEK der Länder ist durchaus vergleichbar. Ein wesentlicher Un- einem Kurs von SIG SAUER im Rahmen
terschied besteht darin, dass die GSG 9 der Bundespolizei auch im Ausland des Special Forces Workshops
eingesetzt werden kann. Das ist bei den Landes-SEK nicht vorgesehen. Bei
besonderen Großlagen, etwa auf Flughäfen oder auf hoher See, hat die GSG Bayern die Aufgaben der SEK. Der Frei-
9 sicherlich die Nase etwas weiter vorn. Aufgrund der polizeilichen Zuständig- staat begann 1973 mit der Aufstellung
keiten ist die Einsatzhäufigkeit der Länder-SEK wiederum höher. Langweilig landeseigener Spezialeinheiten. „Im
wird uns allen jedoch nicht. Wir arbeiten Schulter an Schulter gemeinsam, Einsatz übernehmen sie grundsätzlich
um unsere Mitbürger vor Terrorismus und Gewaltkriminalität zu schützen. Maßnahmen, zu deren Durchführung
eine spezielle Ausbildung und/oder Aus-
ES&T: Gibt es auch eine Kooperation mit militärischen Spezialkräften? rüstung erforderlich ist, vorzugsweise
Mewes: Wir tauschen uns natürlich über Taktiken und Techniken aus. Eine das geschlossene Vorgehen unter An-
intensive Zusammenarbeit gibt es vor allem bei der erweiterten sanitäts- wendung unmittelbaren Zwangs, die ver-
dienstlichen Aus- und Fortbildung. deckte Aufklärung, die Observation und
alle sonstigen Maßnahmen mit erhöhtem
ES&T: Wie hat sich aus Ihrer Sicht die Einsatzrealität polizeilicher Spezialein- Gefährdungsgrad.“ Der Einsatz von Spe-
zialeinheiten kommt also insbesondere
heiten verändert?
bei Geiselnahmen, Entführungen, Erpres-
Mewes: Das Einsatzspektrum hat sich in den letzten Jahren deutlich erwei-
sungen, Bedrohungslagen, Amoklagen,
tert. Es sind mehr Einsätze mit höherer Intensität geworden. Zudem muss
Bekämpfung der Organisierten Kriminali-
man häufiger eine Gewaltbereitschaft beim Gegenüber annehmen. In den
tät, bei Maßnahmen gegen terroristische
letzten Jahren hat es darüber hinaus immer mehr Großeinsätze gegeben, bei oder andere Gewalttäter beim Schutz von
denen stärkere Kontingente gefordert waren – manchmal auch aus mehreren Personen und Objekten in besonderen
Bundesländern. Eine neue terroristische Bedrohungsart sind militärisch aus- polizeilichen Lagen, für die Rettung von
gebildete und ausgerüstete Täter, die ohne Rücksicht auf das eigene Leben Menschenleben unter besonderen Bedin-
in kurzer Zeit hohe Opferzahlen erreichen wollen. gungen und bei Razzien, Kontrollen und
Durchsuchungen in Betracht.
ES&T: Wie reagieren Sie darauf? Die Einsatzhäufigkeit fällt relativ hoch aus.
Mewes: Schlüssel zum Erfolg sind natürlich stetige Aus- und Fortbildung, um Hier sei das Beispiel Baden-Württemberg
auf alle Eventualitäten vorbereitet zu sein. Das gilt sowohl für uns als auch für genannt, das 1976 sein SEK aufstellte:
die Regeldienstkräfte. Derzeit implementieren wir eine Art Schneeballsystem. „Jährlich absolviert das SEK mehr als 200
Wir bilden die Einsatztrainer für besondere Einsatzlagen aus. Diese fungieren Einsätze. Bemerkenswert ist dabei vor allem,
dann als Multiplikatoren und geben das Gelernte an die Polizeibeamten auf dass in den rund 7.500 Einsätzen seit seiner
der Straße weiter. Eine Kuriosität am Rande: Vieles von dem, was wir heute Gründung lediglich sechs Schusswaffenein-
im Hinblick auf das Vorgehen gegen militärisch ausgebildete Gegenüber sätze gegen Personen dokumentiert sind.
ausbilden, finden wir in alten Dienstvorschriften der Bereitschaftspolizeien Hier macht sich die psychologische und
der Länder oder des BGS wieder. Darüber hinaus passen wir auch unsere physische Ausbildung sowie das tägliche
Training der Polizisten bemerkbar“, so der
Führungs- und Einsatzmittel an. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf besserer
Innenminister des Landes, Thomas Strobl,
Wirkung gegen schwer bewaffnete und womöglich geschützte Täter. So
anlässlich der 40-Jahr-Feier des Verbandes
haben wir feuerstarke halbautomatische Gewehre als Mitteldistanzwaffen
im Oktober 2016.
beschafft. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf hoher moderner Mobilität, die In den letzten Monaten gab es größere,
Schutz und Dynamik miteinander verbindet. teilweise bundes- und landesgemeinsame
Das Interview führte Jan-Phillipp Weisswange. Einsätze bei Amoklagen (22.6.2016, Mün-
chen), gegen politische Extremisten (z. B.

104 Europäische Sicherheit & Technik · September 2017

 ES&T SPEZIAL: SPEZIALKRÄFTE IN DEUTSCHLAND 

(Fotos: Jan-P. Weisswange)

Car-Shooting-Fortbildung beim Special Forces Workshop in Güstrow:
Ausbooten unter Beschuss

„Reichsbürger“ am 26.8.2016 in Sach-

sen-Anhalt und am 19.10.2016 in Geor-
gensgmünd/Franken) sowie bei der Absi-
cherung von Großereignissen (6.-9.7. 2017
G20-Gipfel). Am Rande des G20-Gipfels
gingen polizeiliche Spezialeinheiten meh-
rerer Länder, des Bundes und aus Öster-
reich in der Nacht vom 7. auf den 8. Juli im
Hamburger Schanzenviertel angesichts der Rheinmetall entwickelt derzeit eine 40-mm-Spezialmunition,
Gefahr für Leib und Leben der dort einge- um Türen auf Distanz öffnen zu können.
setzten Bereitschaftspolizisten auch gegen
linksextremistische Gewalttäter vor. Meist werden sie wie die MEK auch den Lan- stärksten Spezialeinsatzkommandos des
deskriminalämtern zugeordnet. Sie können Landes Nordrhein-Westfalen. So verfügen
Organisation aber auch direkt dem Innenministerium, die Polizeipräsidien Bielefeld, Dortmund,
der Bereitschaftspolizei (Baden-Württem- Düsseldorf, Essen, Köln und Münster je
Die Spezialeinsatzkommandos sind, das berg) oder größeren Polizeipräsidien zuge- über eine Inspektion Spezialeinheiten, de-
bringt die föderale Struktur der Bundesre- teilt sein. Prominentes Beispiel dafür sind die nen die landesweit insgesamt 18 SEK (und
publik mit sich, unterschiedlich organisiert. im bundesweiten Vergleich zahlenmäßig auch die MEK) unterstehen. Auch Bayern

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September 2017 · Europäische Sicherheit & Technik 105

 (Foto: Jan-P. Weisswange)
SEK-Einsatzbeamte rücken beim G20-
Einsatz im Schanzenviertel vor.

nologie, Zugangstechniker, Entschärfer

Psychische und physische Fitness sind für Einsatzbeamte selbstverständ- oder auch Diensthunde.
lich. Hier wird sie während eines Wettkampfes abgefordert.
Auswahl, Aus- und
und Hessen haben sich ähnlich organisiert: Die SEK bestehen typischerweise aus dem Fortbildung
So gibt es dort die SEK Nordbayern (Poli- Kommandoführer und einem Führungs-
zeiinspektion Spezialeinheiten Nordbay- element sowie einzelnen Einsatzgruppen Bewerber für ein SEK müssen voll aus-
ern beim Polizeipräsidium Mittelfranken) und Technischen Einsatzgruppen. So hat gebildete Polizeivollzugsbeamte sein. Je
und Südbayern (Polizeiinspektion Spezi- beispielsweise das in Leipzig beheimate- nachdem, ob das Bundesland die zwei-
aleinheiten Südbayern beim Polizeiprä- te SEK Sachsen vier Einsatzgruppen und oder dreigeteilte Laufbahn hat, dauert das
sidium München) bzw. Frankfurt (Poli- eine Technische Einsatzgruppe (TEG). Die zweieinhalb im mittleren bzw. drei Jahre
zeipräsidium Frankfurt a. M.) und Kassel TEG – in einigen Bundesländern auch im gehobenen Polizeivollzugsdienst. Die
(Polizeipräsidium Mittelhessen). Nieder- Technische Einsatzkommandos genannt Interessentinnen und Interessenten stel-
sachsen hat jüngst nach Hannover einen – halten Spezialfähigkeiten zur Unterstüt- len sich zunächst einem Eignungs- und
zweiten SEK-Standort in Oldenburg ge- zung der Einsatzgruppen bereit. Hierzu Auswahlverfahren, in dem die psychi-
schaffen. zählen beispielsweise Aufklärungstech- sche und physische Eignung festgestellt
wird. Bestehen sie dieses, durchlaufen
sie eine vier- bis sechs Monate lange
Providentiae Memor – das sächsische Antiterrorpaket Verwendungsfortbildung. Diese umfasst
Providentiae memor, der Vorhersehung eingedenk: Dieser Wahlspruch zierte einst das unter anderem besonderes Einsatztrai-
sächsische Wappen. Er erinnerte an die Verteidigung im Krieg 1806. Für den Kampf ning, Schießausbildung oder erweiterte
gegen den Terrorismus brachte der Freistaat 2016 ein 15-Millionen-Euro-Paket auf den Selbst- und Kameradenhilfe. Nach deren
Weg. Hieraus wurden sondergeschützte Fahrzeuge und weiterhin neue Schutzwesten, erfolgreichem Abschluss gehen sie in die
Helme, Plattenträger und Mitteldistanzwaffen finanziert. Davon profitieren nicht nur die Einsatzgruppen. Selbstverständlich erfol-
Spezialeinheiten, sondern auch die Regeldienstkräfte. Als sondergeschützte Fahrzeuge gen im weiteren Berufsleben regelmäßi-
wurden neutrale Pkw des Typs Toyota Land Cruiser V8 beschafft. Zudem befinden sich ge Aus- und Fortbildungen.
zwei Sonderwagen RMMV Survivor R im Zulauf. Da die Verwendungsfortbildungen bun-
Seit Anfang 2016 werden neue ballistische Unterziehschutzwesten generell mit Stich- desweit relativ vergleichbar sind, können
schutz ausgeliefert. Bereits vorhandene ballistische Unterziehschutzwesten werden mit SEK-Angehörige durchaus in andere Bun-
Stichschutz nachgerüstet oder komplett gegen neue getauscht. Ballistische Helme sol- desländer wechseln. Allerdings läuft so
len die Erstinterventionskräfte bei terroristischen Anschlägen, Amoklagen oder Einsät- ein Stellenwechsel meist im Tauschver-
zen mit Schusswaffen schützen. Der Helm kombiniert einen sicheren Schutz mit einem fahren, um die einzelnen SEK nicht per-
hohen Tragekomfort und wiegt nur rund 1,5 Kilogramm. Die sächsische Polizei hat ca. sonell zu schwächen.
1.600 solcher Helme für die Einsatzzüge und Polizeireviere der Polizeidirektionen, für die Frauen sind noch verhältnismäßig selten
Bereitschaftspolizei und für Spezialkräfte angeschafft. bei den SEK anzutreffen. Das MEK Ham-
Neun Kilogramm wiegen die Plattenträger, die die Polizeibeamten vor Langwaffen- burg und das SEK Niedersachsen hatten
beschuss schützen. Die Schutzflächen des Plattenträgers reichen im Frontbereich vom bzw. haben aber beispielsweise eine
Kehlkopf bis zum oberen Beinbereich und bestehen aus sieben Stand-Alone-Platten. In Kommandoführerin.
besonderen Bedrohungslagen kann der Plattenträger schnell angelegt werden. Die Ein-
satzzüge und Polizeireviere der Polizeidirektionen sowie die Bereitschaftspolizei haben
Führungs- und Einsatzmittel
die 1.400 Plattenträger erhalten.
Die Polizei Sachsen hat darüber Haenel CR223 als Mitteldistanzwaffen beschafft und SEK sind nicht nur dafür ausgebildet, be-
diese an Einsatzzüge der Polizeidirektionen sowie an die Bereitschaftspolizei ausgege- waffnete Gegenüber festzunehmen,
ben. Darüber hinaus wurden weitere Waffen für die Spezialkräfte der sächsischen Polizei sondern auch entsprechend ausgestat-
beschafft und geliefert. tet. Hierzu zählt natürlich eine besondere
Schutzausrüstung, die die Beamten vor bal-

106 Europäische Sicherheit & Technik · September 2017

 ES&T SPEZIAL: SPEZIALKRÄFTE IN DEUTSCHLAND 

Fortbildungsmaßnahme. Man kennt sich in-
nerhalb der Community, was sich natürlich
positiv im Einsatz auswirkt.
Darüber hinaus stehen nahezu alle SEK
auch mit internationalen Partnereinheiten
im Austausch. Im ATLAS-Verbund der eu-
ropäischen Polizei-Spezialeinheiten vertritt
das SEK Baden-Württemberg die übrigen
Einheiten der Bundesländer.
Ausblick
(Foto: dpa) Aktuelle und absehbare sicherheitspoli-
tische Lagebilder lassen erwarten, dass
polizeiliche Spezialeinheiten auch in Zu-
kunft stark gefordert sein werden. Insbe-
sondere die erweiterte terroristische Be-
drohungslage lässt ihre Bedeutung noch
weiter zunehmen.
Dabei werden neue Wege der Koopera-
tion mit den Kolleginnen und Kollegen
des Streifendienstes beschritten, die bei
einem terroristischen Angriff meist als
erste Kräfte vor Ort sind. So sind die
SEK-Einsatzbeamten derzeit auch als
Ausbilder gefragt, um die Regeldienst-
kräfte auf komplexe lebensbedrohliche
Einsätze taktisch vorzubereiten. Die SEK
leisten damit einen wichtigen Beitrag zur
Prävention.  L

listischen Bedrohungen – auch

vor Beschuss aus Langwaffen
– schützt. Kurz- und Langwaf-
fen mit Laser-Licht-Modulen,
Präzisionsschützengewehre,
Aufklärungsmittel, Zugangs-
werkzeug, Irritationsmittel wie
Blitz-Knallgranaten, spezielles
Sanitätsmaterial und weitere
besondere Führungs- und Ein-
satzmittel ergänzen die Aus-
stattung. Je nach Bundesland
fällt die Ausrüstung allerdings
deutlich unterschiedlich aus
– insbesondere beim Groß-
gerät, zu dem unter anderem
sondergeschützte hochmobile
Fahrzeuge zählen. Auch un-
terhält nicht jedes Bundesland
Polizeifliegerstaffeln und diese
sind wiederum unterschiedlich
stark und dabei nicht gleichar-
tig mit Hubschraubermustern
ausgestattet. Das wirkt sich
natürlich auch auf die Einsatz-
verfahren aus.

Nationale und
internationale
Kooperationen
Die SEK der Länder haben sich
in zwei größeren Kooperati-
onsverbunden zusammenge-
schlossen: Nordschiene und
Südverbund. Die Trennlinie
verläuft oberhalb von Hessen,
Thüringen und Sachsen. Nord-
rhein-Westfalen nimmt eine
Sonderstellung ein, unterhält
aber eine enge Verbindung
zum Nordverbund.
Innerhalb dieser Verbunde er-
folgen enge und regelmäßige
Erfahrungsaustausche. Auch
bundesweit gibt es institutiona-
lisierte Gremien und mindestens
einmal im Jahr eine geschlossene
 ES&T SPEZIAL: SPEZIALKRÄFTE IN DEUTSCHLAND

Die Spezialkräfte der Bundeswehr

Strategische Hochwertinstrumente Jan-Phillipp Weisswange

Militärische Spezialkräfte (Special Operations Forces, SOF) sind ein operatives bzw. strategisches Hochwert-
instrument. Die Führungsorganisation der deutschen militärischen Spezialkräfte hat sich auf Grundlage der
Weisung des Generalinspekteurs der Bundeswehr vom 11. November 2016 (VS-NFD) weiterentwickelt. Die
Spezialkräfte der Bundeswehr umfassen nun das Kommando Spezialkräfte (KSK) des Heeres in Calw, das
Kommando Spezialkräfte (KSM) der Marine in Eckernförde sowie als neues Element die 4. Fliegende Staffel
des Hubschraubergeschwaders 64 (4./HSG 64) der Luftwaffe in Laupheim. Alle kooperieren eng miteinan-
der und bilden die neuen Spezialkräfte der Bundeswehr.

S
(Foto: Jan-P. Weisswange)

pezialkräfte erfüllen unterschied-

lichste Aufträge. Das Spektrum ihrer
Einsatzarten und Aufgaben umfasst
unter anderem:
• Direct Action (Kampfeinsätze gegen
Ziele strategischer und/oder operativer
Bedeutung),
• Special Reconnaissance (Spezialaufklä-
rung: Gewinnen von Schlüsselinformati-
onen für die strategische und operative
Führungsebene),
• Military Assistance (Zusammenarbeit
und Ausbildungsunterstützung bei Si-
cherheitskräften in Partnerstaaten),
• Schutz eigener Kräfte auf Distanz und
von Personen in besonderer Lage,
• Hostage Rescue & Recovery (HRR, auch
Hostage Rescue Operations, HRO: Ret-
ten und Befreien von Personen aus Ge-
fangenschaft, Geiselnahme oder terro-
ristischer Bedrohung),
• Counterterrorism (offensive Maßnah-
men zur Abwehr terroristischer Be-
drohung und Kampf gegen subversive
Kräfte),
• Unconventional Warfare (unkonventio-
nelle Kriegführung),
• Covert Operations (verdeckte Operati-
onen im Aufgabenspektrum der Streit-
kräfte).
Die Einsatzaufgaben sind weltweit und in
allen Klimazonen zu erfüllen, oftmals in
schwer zugänglichem und/oder vom Geg-
ner kontrolliertem Gebiet bzw. in feindli-
cher Umgebung. Wesentliche Erfolgsfakto-
ren für Spezialkräfteeinsätze sind Geheim-
haltung, gute Aufklärung und Einsatzpla-
Au to r
Dr. Jan-P. Weisswange ist Referent
Öffentlichkeitsarbeit in der Wehrtech-
nischen Industrie. Dieser Beitrag gibt
seine persönliche Meinung wieder.
Direct Action auf ein Taliban-Versteck, 2012 Provinz Baghlan. Gemälde
von Stuart Brown für die Gemeinschaft deutscher Kommandosoldaten
nung sowie Entschlossenheit, Schnelligkeit
und Präzision.
Spezialkräfte können sich bei ihren Einsät-
zen auf Unterstützungskräfte sowie die
„Linientruppe“ abstützen. International hat
sich eine dreistufige Rangordnung durchge-
setzt: Tier one bis Tier three. Bei der Bundes-
wehr bilden die erste Stufe die Kommandos,
die Kampfschwimmer und die Kräfte der 4./
HSG 64 bzw. der Einsatzverbund Spezial-
kräfte. Tier two sind dann Kräfte zur direk-
ten taktischen Unterstützung. Hierzu zählen
in Deutschland beispielsweise die EGB-Kräf-
te der Fallschirmjägerregimenter (Erweiter-
te Grundbefähigung). Tier three sind dann
sonstige Kräfte zur Unterstützung, etwa
Feldjägerkräfte, Operative Information, oder
Feldnachrichtentruppe.
Das Kommando Spezialkräfte
1996 aufgestellt, bildet das KSK den größ-
ten Spezialkräfteverband der Bundeswehr.
Der Kommandeur KSK ist zugleich General
Spezialkräfte. Als solcher ist er auch für die
Zukunftsentwicklung der Spezialkräfte des
Heeres und weiterer Elemente des Einsatz-
verbundes Spezialkräfte zuständig.
Das KSK gliedert sich in Stab, Einsatzkräfte,
Spezialunterstützungskräfte, den Bereich
Einsatzkräfte Ausbildung sowie in den Be-
reich Weiterentwicklung.
Der Stab unterstützt den Verband adminis-
trativ in dessen Rolle als Leitverband sowie
als Truppensteller von Einsatzverbänden
Spezialkräfte Heer. Er verfügt über ein De-
zernat Air Land Integration. Dieses ist für
Luftunterstützung, Joint Fire und Personal
Recovery zuständig und macht den Stab
mit anderen NATO SOF-Einsatzstrukturen
interoperabel.
Geführt von dem Kommandeur Einsatzkräf-
te gliedern sich die Einsatzkräfte im Grund-
betrieb in vier Kommandokompanien, eine
Spezialkommandokompanie und eine Spe-
zialaufklärungskompanie. Die Komman-
dokompanien wiederum gliedern sich in
Kommandozüge und diese in Kommando-

108 Europäische Sicherheit & Technik · September 2017

 HK416 A5
Gefechtserprobt und
weltweit bewährt

Die Standard-Sturmgewehrbewaffnung der französischen und norwegischen Streitkräfte, sowie

Die Standard-Sturmgewehrbewaffnung
zahlreicher miltiärischer und behördlicher derSpezialkäfte
französischen
derund norwegischen Streitkräfte, sowie
NATO.
zahlreicher miltiärischer und behördlicher Spezialkäfte der NATO.
 Einsatzbezogene Rohrlängen
 Einsatzbezogene
 Rohrlängen
Komplett beidseitige Bedienung der Waffe für Rechts- und Linksschützen
 Komplett beidseitige Bedienung
 Werkzeuglose Gasverstellung fürder Waffe für Rechts- und Linksschützen
Schalldämpferbetrieb
 Werkzeuglose Gasverstellung für Schalldämpferbetrieb
 Gehäuseoberteil mit STANAG 4694 Profil auf 12 Uhr
 Gehäuseoberteil
 mit STANAG
Handschutz als Quadrail oder4694 Profil auf 12 Uhr mit HKey-Schnittstellen auf 3 und 9 Uhr sowie Picatinny-Schienen
Slim Line-Ausführung
 Handschutz als Quadrail oder Slim
nach MIL-Standard 1913 auf 6 und 12 UhrLine-Ausführung mit HKey-Schnittstellen auf 3 und 9 Uhr sowie Picatinny-Schienen
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Fast Roping aus dem H145M Light Utility Helicopter Special Operation
Forces (LUH SOF)
(Foto: Bundeswehr/Andrea Bienert)
Kampfschwimmer landen an.
trupps. Dazu kommt eine Teileinheit mit der
Fähigkeit zur hochpräzisen Zielbekämpfung
aus der Distanz (Scharfschützen) und zur op-
tronischen Spezialaufklärung sowie ein or-
ganisches Führungs- und Planungselement.
Die Spezialkommandokompanie hält Kräfte
für taktische Luftraumkontrolle (Combat
Control), streitkräftegemeinsame Feuer-
unterstützung (Joint Fire Support) sowie
Entschärfung (Counter IED und EOD) be-
reit. Die Spezialaufklärungskompanie stellt
Kräfte für spezifische Aufklärungsaufträge
wie z. B. drohnengestützte technische und
multispektrale Aufklärung oder CBRN-De-
tektion. Hinzu kommen Aufklärungssolda-
tinnen für Female Engagement-Aufträge in
Einsatzgebieten mit besonderen kulturellen
Umgebungen.
Der Kommandeur Unterstützungskräf-
te führt die Spezialunterstützungskräfte.
Hierzu zählen die Versorgungskompanie,
die Unterstützungskompanie, die Fernmel-
dekompanie und das Sanitätszentrum. Die
Spezialunterstützungskräfte halten nicht
nur den Grundbetrieb aufrecht, sondern
unterstützen das KSK auch bei seinen Auf-
gaben als Leitverband. Im Einsatz werden
sie direkt den Einsatzverbänden Spezial-
kräfte Heer unterstellt.
110 Europäische Sicherheit & Technik · September 2017
5,56 x 45 mm und 7,62 x 51 mm. Das
Auswahlverfahren läuft derzeit.
• Nachtkampffähigkeit: Die Befähigung,
bei Dunkelheit operieren zu können,
(Foto: Bundeswehr/Johannes Heyn)
stellt derzeit oftmals noch einen takti-
schen Vorteil dar. Allerdings holen selbst
nichtstaatliche Gegner auf, da Nacht-
sichttechnik zunehmend verfügbar ist.
• „Soldier Systems“: Alles weitere, was
die Kampfkraft des Kommandosolda-
ten in den Fähigkeitskategorien Aufklä-
rung, Wirkung, Schutz und Mobilität,
steigern kann (z. B. Bekleidung, persön-
liche Ausrüstung, Funkgeräte etc.).
Immer wieder steht ein eigener Beschaf-
fungsprozess für Spezialkräfte zur Diskus-
sion. In jedem Falle aber wird gefordert,
dass sich die Beschaffungen des KSK inner-
halb des novellierten CPM beschleunigen
ließen. Denn bei den üblichen Zeiträumen
laufe man Gefahr, dass das zulaufende Ge-
rät schon wieder veraltet sei, und gerade im
Spezialkräftebereich ergibt sich ein schnel-
ler Modernisierungszyklus, um up to date
zu bleiben.
Kommando Spezialkräfte
der Marine
Kampfschwimmer sind die ältesten Spezial-
kräfte der Bundeswehr. Der Marine zuge-
ordnet unterstützen sie durch Spezialope-
rationen im maritimen Umfeld die Einsätze
der deutschen Streitkräfte. Auch Unterstüt-
zungen bei HRO gehören zu ihrem Auf-
Der Bereich Einsatzkräfte Ausbildung leistet gabenbereich. Die ersten Spezialkräfte, die
Auswahl sowie Aus-, Fort- und Weiterbil- während der Entführung des Container-
dung sowie die Führerausbildung im KSK. schiffs „Hansa Stavanger“ im April 2009
Ihm unterstehen das Einsatz- und Aus- im Indischen Ozean vor Ort waren, war ein
bildungszentrum Kommandokampf, die Einsatzteam der Kampfschwimmer. Der
Gruppe Fachausbilder und das Schießaus- Einsatzraum der triphibisch ausgebildeten
bildungszentrum. Marinesoldaten verbindet See, Luft und
Der Bereich Weiterentwicklung treibt die Land.
Weiterentwicklung der Heeres-Spezialkräf- Der 50. Geburtstag der Kampfschwimmer-
te voran. Er gliedert sich in die Dezernate kompanie am 1. April 2014 brachte einen
Konzeption, Ausbildungskonzeption und organisatorischen Einschnitt mit sich. Seit-
Struktur sowie Rüstung. Dazu kommt ein her gehören die Männer mit dem charak-
Sonderdezernat mit Heeresflieger-, Luft- teristischen Sägefisch vor dem Fallschirm
waffen- und Marinepersonal. zum Kommando Spezialkräfte der Marine.
„Hauptwaffensystem“ des KSK bleibt der Aus- und Weiterbildung, Versorgung und
Kommandosoldat. Derzeit gibt es jedoch Unterstützung und damit der komplette
einige wesentliche Beschaffungsvorhaben, Einsatz liegen seither in den eigenen Hän-
mit denen dessen Kampfwert gesteigert den des neuen Verbandes.
werden soll: Das KSM umfasst neben Stab und Kampf-
• Mobilität: Hier geht es vor allem um schwimmerkompanie noch die Gruppe
Kleinfahrzeuge, ein neues Aufklärungs- Ausbildung und einen Unterstützungsbe-
und Gefechtsfahrzeug sowie ein takti- reich. Die Kampfschwimmerkompanie glie-
sches Gleitfallschirmsystem. dert sich in ein Führungselement, die drei
• Sturmgewehr Spezialkräfte: Diese Lang- Einsatzteams I bis III und drei weitere Ein-
waffe soll auf die besonderen Bedürf- satzgruppen: Land, Luft, See. Zum Unter-
nisse der Kommandosoldaten im Hin- stützungsbereich gehört das Spezialopera-
blick auf Präzision und Zuverlässigkeit tionen-Bootsteam für die Verbringung auf
zugeschnitten sein. In Rede stehen eine See. Das in der Marine einzigartige Special
leichte und eine schwere Ausführung in Operation Medical Support Team leistet
Marketing-Report: W. L. Gore & Associates GmbH

Dauerhafter Hitze- und Flammschutz für Kampf-

bekleidung und Nässeschutz im Einsatz

(Fotos/Grafiken: W.L. Gore)

flammfesten Textilien wie Polyester til Technologie kann den Grad von
oder Polyamid. Bei plötzlicher Hit- Verletzungen im Vergleich zu Baum-
ze- oder Flammenbeauf- wolle/Polyester-Mischungen
schlagung (Flashfire) deutlich reduzieren.
bildet das selbstver- Gegenüber flammre-
löschende Funkti- sistenten Materialien
onsmaterial eine (z.B. Aramid/Visko-
isolierende Ver- se) bietet die Tech-
kohlungsschicht nologie, wie von
mit dem Effekt, den Soldaten ge-
dass die Flamme fordert, eine deut-
kein Loch in das lich verbesserte
Textil brennt. Haltbarkeit. Auch
Dadurch er- nach vielen Wä-
zeugt sie ei- schen mit hohen
nen effekti- Te m p e r a t u r e n
ven Schutz bleibt das Ma-
vor Ver- terial farbecht.
brennun - U V-St r a h l u n g
gen. Da es kann das Tarn-
sich um keine muster kaum aus-
textile Ausrüstung han- bleichen, und das Material
delt, bleibt diese Funk- trocknet sehr schnell.
tion über die gesamte
Lebensdauer der Be- GORE® PYRAD® Kampfan-
kleidung erhalten. züge wurden bereits in
verschiedenen Kombina-
Die GORE® PYRAD® tionen aus Jacke, Hose
Textil Technologie und Combat Shirt von
wird sowohl für diversen europäischen
GORE® PYRAD® Kampfanzug Kampfanzüge ohne Armeen eingesetzt. Beim
Membran als auch Kommando Spezialkräfte
GORE® PYRAD® Textil Technologie heißt die für Wetterschutz (KSK) der Bundeswehr
neue hitze- und flammhemmende Techno- mit der GORE-TEX® erfolgte die Einführung
logieentwicklung von W. L. Gore & Associ- Membran eingesetzt. Anfang 2016. Design
ates. Sie ermöglicht erstmals die Kombina- Die ersten Ergebnisse und Konfektion der ein-
tion von Hitze- und Flammschutz mit dem sind beeindruckend: geführten Kampfanzü-
Tragekomfort und der Haltbarkeit von im Der Kampfanzug mit ge stammen von Lind-
militärischen Bereich bewährten, aber nicht- GORE® PYRAD® Tex- nerhof-Taktik.
(Foto: Bundeswehr/Jana Neumann)
 ES&T SPEZIAL: SPEZIALKRÄFTE IN DEUTSCHLAND
Scharfschützen überwachen den Einsatz eigener Kräfte.
ganz vorne direkte medizinische Unter-
stützung. Ein Fernmeldebereich stellt die
(Foto: Bundeswehr)
Neue Einsatzkampfbekleidung im
Multitarndruck
Kommunikation sicher. Die Einsatzgruppe
Luft ist für die Unterstützung des vertikalen
Eindringens zuständig. Der Versorgungs-
und der Instandsetzungsbereich sorgen für
Nachschub und Einsatzfähigkeit.
Die Ausbildung zum Kampfschwimmer er-
streckt sich auf bis zu drei Jahre. Sie umfasst
nicht nur das militärische Tauchen, sondern
auch spezifische Schieß-, Einzelkämpfer-,
112 Europäische Sicherheit & Technik · September 2017
Fallschirmsprung- und Sprengausbildung.
Dazu kommen Boots- und Kajakausbil-
Nachtkampffähigkeit erhöht den Einsatzwert.
dung, Fremdwaffenschulungen, Fahrtrai-
ning und vieles mehr. Weiterhin erfolgen
Spezialisierungen Scharfschütze, Fernmel-
der, Forward Air Controller, Spreng- und
Zugangstechniker oder Rettungssanitäter.
Die Ausbildung erfolgt weltweit und in en-
ger Kooperation mit nationalen und inter-
nationalen Spezialkräften.
Für die übrigen Kräfte der einstigen Spezi-
aleinsatzkräfte der Marine, die Minentau-
cher- und die Boardingkompanie, markiert
der 1. April 2014 ebenfalls einen neuen Ab-
schnitt in ihrer Geschichte. Sie unterstehen
seither dem neu aufgestellten Seebataillon,
einem der größten Verbände der Deut-
schen Marine. Zu den rund 800 Soldaten
zählen neben Minentauchern und Boar-
dingsoldaten auch die Marineschutzkräf-
te sowie Aufklärungskräfte einschließlich
Scharfschützen.
4./Hubschrauber-
geschwader 64
Seit dem 11. November 2016 gehört die
4. Fliegende Staffel des Hubschrauberge-
schwaders 64 (HSG 64) im baden-würt-
tembergischen Laupheim ebenfalls zu den
Spezialkräften der Bundeswehr.
Das HSG 64 mit seinen Standorten Laup-
heim und Schönewalde/Holzdorf ist einer
der jüngsten Verbände der Luftwaffe.
Der teilstreitkraftübergreifende Lufttrans-
port von Personal und Material im natio-
nalen und multinationalen Bereich bildet
seinen Hauptauftrag. Weiterhin ist es für
die Planung, Steuerung, Durchführung
und Überwachung von der Rettung von
Personal (Personnel Recovery) und für die
Unterstützung von Spezialkräften zustän-
dig. Dazu kommen die medizinische Eva-
(Foto: Bundeswehr)
kuierung (Medical Evacuation, MedEvac)
und militärische Evakuierungsoperationen
(Military Evacuation Operations, MilEvac-
Op) im taktischen, operativen und strate-
gischen Einsatzspektrum. Weiterhin ist das
Geschwader für die fliegerische Aus- und
Weiterbildung sowie die taktische Einsatz-
ausbildung auf den Waffensystemen CH-
53GA/GS und H145M LUH SOF verant-
wortlich.
Die Bundeswehr hat 15 Maschinen des
besonders auf die Bedürfnisse von Spezial-
kräften zugeschnittenen H145M LUH SOF
beschafft. LUH SOF steht für Light Utility
Helicopter (LUH) Special Operations Forces
(SOF) (Leichter Unterstützungshubschrau-
ber für Spezialkräfte). Er bildet das we-
 sentliche Waffengerät der 4./HSG 64 und
unterstützt KSK und KSM. Erst am 26. Juni
2017 übergab Airbus Helicopters die letz-
ten H145M LUH SOF an die Bundeswehr.
Bei der H145M handelt es sich um die mi-
litärische Version des bewährten zweimo-

(Foto: Bundeswehr/Andrea Bienert)

torigen Zivilhubschraubers H145, der 2014
erstmals ausgeliefert wurde. Inzwischen
hat die gesamte H145-Flotte es auf über
50.000 Flugstunden gebracht. Mit einem
maximalen Abfluggewicht von 3,7 Ton-
nen kann die agile H145M für ein breites
Spektrum an Aufgaben in den Bereichen
Transport, Versorgung, Überwachung,
Luftrettung, bewaffnete Aufklärung und
medizinische Evakuierung verwendet wer-
den. Die H145M LUH SOF der Bundeswehr
sind ausgestattet mit einem Abseilsystem
zur Verbringung von Spezialkräften, einem
Hochleistungskamerasystem zur Aufklä-
rung sowie Vorrichtungen zur Feuerunter-
stützung im Einsatz und eröffnet damit den
Spezialkräften eine breite Vielfalt an neu-
en Einsatzmöglichkeiten. Darüber hinaus
bietet der neue Hubschrauber mit einem
ballistischen Schutz sowie einer elektroni-
schen Selbstschutzanalage ein hohes Maß
an Sicherheit im Einsatz.
Der Hubschrauber wurde für Einsätze bei
Tag und Nacht sowie unter widrigsten
Umständen entwickelt. Der Antrieb er-
folgt über zwei Turbomeca Arriel 2E Gas-
turbinen, die über das FADEC-System (full
Kampfschwimmer nähern sich mit Scootern unter Wasser an.
authority digital engine control) gesteuert
werden können. Darüber hinaus ist der
Hubschrauber mit der digitalen Avioniksui-
te Helionix ausgestattet und bietet damit
neben einem innovativen Flugdatenma-
nagement auch einen leistungsfähigen
Vierachsen-Autopiloten, wodurch die Pilo-
ten in ihren Einsätzen erheblich entlastet
werden. Die besonders niedrigen Geräu-
schemissionen machen die H145M zum
leisesten Hubschrauber ihrer Klasse.
Mit dem Vorhaben H145M ging ein deut-
sches Rüstungsprojekt verhältnismäßig
schnell in die Nutzungsphase. So hatte die
Bundeswehr vor nicht einmal vier Jahren
als Erstkunde insgesamt 15 Maschinen be-
stellt. Bereits im Dezember 2015 konnte sie
die ersten Exemplare im Empfang nehmen.
Mit der jetzt abgeschlossenen Ausliefe-
rung hat Airbus Helicopters das gesamte
Programm im vorgegebenen Zeit- und
Kostenrahmen (rund 200 Millionen Euro)
umgesetzt.
Einheitliche Führung
Spezialkräfte sind strategische Hochwert-
ressourcen. Ihre Einsätze sind von stra-
tegischer und damit politischer Bedeu-
tung. Daher stehen sie auch im Fokus
des öffentlichen Interesses und der Me-
dienberichterstattung. Der Einsatzerfolg
von Spezialoperationen erfordert daher
flache, effiziente und reaktionsschnelle

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 verfügt über eine eigene Stabsstruktur,
welche alle erforderlichen Fähigkeiten ge-
sondert vom EinsFüKdoBw abbildet, kann
aber natürlich auf dieses zurückgreifen und
Synergieeffekte nutzen. Weiterhin ist die

(Foto: Bundeswehr/Johannes Heyn)

Abteilung auf Grundlage eines Single Point
of Contact-Netzwerks hervorragend streit-
kräftegemeinsam, ressortübergreifend und
international vernetzt. Dies verkürzt die Re-
aktionszeit und erweitert den Handlungs-
spielraum der eigenen Kräfte und Mittel.

Ausblick
H145M LUH SOF und Hund – Kampfkraftmultiplikatoren für Spezialkräfte
Die sicherheitspolitischen Lageveränderun-

(Foto: Bundeswehr/Jana Neumann)

„Resolute Solution“: Massenvernichtungs-
waffen werden gesichert und vernichtet.
Hierarchien – schnelle Wege vom politi-
schen Entscheider zum Einsatzverband.
Dazu kommt eine besondere Geheimhal-
tung: „Kenntnis nur wenn nötig“ lautet
der Grundsatz. Weiterhin gelten gerade
auf der taktischen Ebene besondere Füh-
rungsgrundsätze: „Spezialkräfte werden
nur durch Spezialkräfte geführt!“. Aller-
dings sollen in jedem Einsatz, bei dem
gleichzeitig Spezialkräfte und „Linientrup- deswehr in seinem Auftrag. Die Abteilung
pe“ eingesetzt sind, Synergie- gen bringen zum Teil eine Neugewichtung
effekte erzielt werden. des Aufgabenspektrums von Spezialkräf-
Die Bundeswehr verfügt über ten mit sich. So werden Aufgaben im Rah-
kein eigenes Spezialkräftekom- men klassischer Einsatzszenarien wie der
mando. Der Erlass des Genera- Landes- und Bündnisverteidigung wieder
linspekteurs der Bundeswehr an Bedeutung gewinnen. Als weiteres Be-
vom 11. November 2016 legt tätigungsfeld kommt der Kampf gegen die
vielmehr fest, dass das Einsatz- Proliferation von Massenvernichtungswaf-
führungskommando der Bun- fen auf die Agenda. Diesem Szenario trug
deswehr (EinsFüKdoBw) die erst kürzlich die Lehrübung „Resolute So-
streitkräftegemeinsame Füh- lution“ Rechnung. Dabei stellten KSK, 4./
rungseinrichtung der Spezial- HSG 64 sowie Soldaten des ABC-Abwehr-
kräfte der Bundeswehr auf der bataillons 750 und weiterer Einheiten einen
operativen Ebene wahrnimmt. Zugriff auf eine als Produktionsstätte für
Darüber hinaus sind die Spezi- Kampfstoffe missbrauchte Pestizidfabrik
alkräfte der Bundeswehr durch dar. Ebenso werden vermehrt Military As-
diesen Erlass des Generalins- sistance-Einsätze durchzuführen sein, um
pekteurs für den Einsatz dem terroristischen und weiteren Bedrohungen
Befehlshaber EinsFüKdoBw bereits fernab des eigenen Territoriums
neuerdings durchgehend un- begegnen zu können. Spezialkräfte blei-
terstellt. Er verantwortet die Zukunfts- und ben auch auf absehbare Zeit strategische
Fähigkeitsentwicklung der Spezialkräfte Hochwertinstrumente. Die Weiterentwick-
der Bundeswehr – quasi aus der „Joint-Per- lung der Führungsstruktur und die Erweite-
spektive“. rung der Spezialkräfte der Bundeswehr in
Hierzu verfügt das EinsFüKdo- den Bereich der Luftwaffe verbessern die
Bw über eine eigene Abteilung Spezialope- Fähigkeiten und bieten der strategisch-po-
rationen. Sie untersteht direkt dem Befehls- litischen Ebene einen professionellen Leis-
haber EinsFüKdoBw und plant und führt tungskatalog. Es braucht aber auch den
Operationen der Spezialkräfte der Bun- politischen Willen, die Fähigkeiten der Spe-
zialkräfte abzurufen. L

L3-Warrior Systems ist führend in der

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EntwicklungSystems ist führend in von
und Herstellung der
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Nachtsicht-, und Herstellung
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Spezialkräfte weltweit dulden bei ihrer
Ausrüstung keine Kompromisse
ES&T: Wo steht Heckler & Koch in Deutsch-
land und auf dem internationalen Markt?
Scheuch: Betrachtet man den Ge-
samtumsatz von Heckler & Koch, dann
erwirtschaften wir etwa zehn Prozent un-
seres Umsatzes mit der Bundeswehr. Hin-
zu kommen noch die deutsche Polizei und
Sicherheitskräfte, deren Größenordnung
– man muss bedenken, dass es in Deutsch-
land weit mehr Polizeikräfte als Soldaten
gibt – auch bei etwa zehn Prozent liegt.
Mit in Summe also ca. 20 Prozent unseres
Umsatzes bleibt Deutschland ein wichti-
ger Markt für uns.
Bemerkenswert ist die Intensität, in der sich
viele unserer ausländischen Kunden zu un-
seren Produkten bekennen. Nehmen wir
zum Beispiel Frankreich: Die Franzosen sind
stolz auf die deutschen Waffen, die sie bei
uns gekauft haben, weil sie die hohe Prä-
zision und die hohe Funktionalität unserer
Systeme schätzen. In der Zwischenzeit ha-
ben wir die erste Tranche des HK416F an
die französischen Streitkräfte ausgeliefert,
die sie sogleich bei der Parade anlässlich
des französischen Nationalfeiertags auf der
Avenue des Champs-Élysées präsentiert
haben. Weiterhin hat sich die U.S. Army
im Frühjahr im Zuge der CSASS-Ausschrei-
bung (Compact Semi-Automatic Sniper
Systems) für unser Angebot entschieden.
Dass wir diesen Auftrag trotz der starken
Konkurrenz aus den USA selbst gewonnen
haben, ist eine kleine Sensation. In Euro-
pa ist eine solche Vergabe hingegen kaum
denkbar. Eine echte Wettbewerbssituation
gibt es nur in den Ländern, die über keine
eigenen Hersteller verfügen, egal ob sie in
der EU sind oder nicht.
WI RTSC H A F T & I ND US TR I E 
Interview mit Norbert Scheuch,
Vorsitzender des Vorstandes
von Heckler & Koch
ES&T: Ist die Situation in Europa dank eu-
ropäischer Vergabe neutraler als in ande-
ren Regionen der Welt?
Scheuch: Leider nein. In unserem Markt-
segment sind wir in einigen EU-Mitglied-
staaten sehr weit von einem fairen euro-
päischen Wettbewerb entfernt. Wenn Sie
beispielsweise Polen betrachten, sehen
Sie, dass das Land zwar der EU angehört,
seine Beschaffer aber dennoch eine ganz
klare Agenda haben: Es gibt einen lokalen
Hersteller, also wird ein neues Sturmge-
wehr nicht international ausgeschrieben.
Der polnische Hersteller bekommt den
Zuschlag. Punkt!
So dürfte es beispielsweise auch nahezu
unmöglich sein, Handfeuerwaffen aus
dem Ausland an die italienische Armee
zu verkaufen, so lange es dort einen lo-
kalen Platzhirsch gibt. Sachargumente,
wie etwa Qualität und Funktionalität der
Produkte, stehen bei dieser Art von Ent-
scheidungen nicht immer im Mittelpunkt
der Betrachtung. Es geht im Kern offenbar
darum, bei der Realisierung von Beschaf-
fungsvorhaben den heimischen Markt zu
stärken. Ich könnte hier noch weitere Bei-
spiele aufzählen.
Eine deutliche Ausnahme bilden die Aus-
schreibungen für Spezialkräfte. Spezial-
kräfte weltweit dulden bei ihrer Ausrüs-
tung keine Kompromisse: Für diese ist nur
das Beste gut genug. Ich bin stolz darauf,
dass der größte Teil der westlichen mili-
tärischen und polizeilichen Spezialkräfte
Sturmgewehre von Heckler & Koch nutzt.
Das spricht deutlich für die Verlässlichkeit
und für die Leistungsfähigkeit unserer
Waffen und die Kompetenz unserer Mit-
September 2017 · Europäische Sicherheit & Technik
arbeiterinnen und Mitarbeiter, die für die
Entwicklung und Herstellung derart hoch-
wertiger Produkte notwendig ist.
Philosophiewandel
in der Produktion
Das Unternehmen Heckler & Koch
durchläuft aktuell einen Verände-
rungsprozess in der Produktion und
Montage der HK-Produkte. Effizienz-
steigerung mit gleichzeitiger Quali-
tätssteigerung der Produkte ist der
Anspruch, der das Jahr 2017 für HK
bestimmt. Durch die Einführung von
Best-Practice-Methoden der interna-
tionalen Automobilindustrie in beiden
Bereichen lassen sich Kapazitätspo-
tenziale freisetzen, die zu einer signi-
fikanten Steigerung der Kapazität von
Heckler & Koch im Jahr 2018 und den
Folgejahren führen werden. Heckler &
Koch hat diese Maßnahmen frühzei-
tig eingeleitet, um dem zu erwarten-
den steigenden Bedarf in der Zukunft
Rechnung tragen zu können.
ES&T: Sie sehen also wenige Chancen
durch Europa und eine zunehmende Euro-
päisierung der außen- und sicherheitspoli-
tischen Interessen?
Scheuch: Ich würde mir durchaus mehr
Chancen wünschen, die eben daraus resul-
tieren. Sicher werden nationale Interessen
immer eine zentrale Rolle spielen, sodass
der freie Wettbewerb grundsätzlich Ein-
schränkungen unterliegt. Chancen beste-
115
 WI RTSCHAF T & I ND US TR I E
hen indes in der Realisierung einer bis zu
einem sinnhaften Punkt umgesetzten Stan-
dardisierung. Ausgesprochen verbreitet ist
die Fehlannahme, dass die gesamte NATO
mit 5,56 mm und 7,62 mm die gleichen
Kaliber nutzt und somit standardisiert un-
terwegs ist. Dabei ist die Munition an sich
nicht identisch, es gibt zahlreiche Spezifika-
tionen. Viele Streitkräfte, darunter auch die
Bundeswehr, nutzen unterschiedliche Pa-
tronen mit unterschiedlichen ballistischen
Eigenschaften.
Dasselbe gilt für alle anderen Bereiche, wie
etwa auch die Magazin-Schnittstelle. Wenn
beispielsweise amerikanische, britische,
deutsche und französische Streitkräfte ge-
meinsam einen Einsatz durchführen, dann
kann nicht davon ausgegangen werden,
dass ein Munitionsaustausch ohne wei-
teres durchführbar ist. Dies ist aus meiner
Sicht nicht nur unzweckmäßig, sondern
auch logistisch ineffizient.
Ich sehe deshalb große Chancen in der
Standardisierung hinsichtlich der Haptik,
der Anbaugeräte, der Munition bzw. Ma-
gazine und der Schnittstellen. Ich glaube,
hier sollte man sich auf jene Standards
einigen, die sich in den Streitkräften be-
reits heute herauskristallisieren. Ziel ist die
Steigerung der Interoperabilität. Das ist in
meinen Augen ein sehr wichtiger Aspekt,
in dem die NATO und Europa weiter vor-
anschreiten und gemeinsam neue Impulse
setzen können.
ES&T: Welche weiteren Zukunftsprojekte
sehen Sie auch und insbesondere in tech-
nologischer Hinsicht?
Scheuch: Von kriegserfahrenen Armeen,
insbesondere von den US-amerikanischen
Streitkräften, bekommen wir immer wieder
den Hinweis, dass die theoretische Präzi-
sion einer Waffe zwar gut und schön sei,
die Soldaten in der Praxis unter Stress und
verschiedenen Umweltfaktoren aber den-
noch daneben schießen würden. Es geht
also im Kern viel mehr um die Frage, was
wir verändern können, um die Waffe im
Stressumfeld sicherer und präziser zu ma-
chen. Dies ist mit konventioneller Technik
nicht lösbar.
In den USA gibt es zudem einige Grund-
satzüberlegungen im Kaliber, der Munition
und verschiedenen weiteren Technologien.
In Europa hingegen werden hierfür so gut
wie keine Forschungs- und Entwicklungs-
aufträge vergeben. Dabei gäbe es durch-
aus interessante Felder, etwa die sich au-
tomatisch anhand von Umwelteinflüssen
einstellende Kadenz. Eine kalte Waffe kann
mehr Energie aufnehmen als eine warme.
Folglich ist es sinnvoll, die Kadenz schritt-
weise zu reduzieren, je wärmer die Waf-
fe wird. Dies halte ich für einen durchaus
116 Europäische Sicherheit & Technik · September 2017
interessanten Technologiebereich. Zumal
die entsprechende Sensorik bereits in der
Automobilbranche genutzt wird.
Grundsätzlich ist die von uns produzierte
Technik vollkommen up to date und eben-
so bewährt wie ausgereift. Der indirekte
Gasdrucklader beispielsweise ist jetzt be-
reits mehrere Jahrzehnte alt. Ein Quanten-
sprung, wie dieser ihn seinerzeit ermöglicht
hat, ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht
zu erwarten.
Dadurch, dass ich oft in sehr kurzen Zeit-
abständen mit Repräsentanten der ver-
schiedensten Armeen in Europa und im
NATO-Land spreche, fällt mir die sehr un-
terschiedliche Gewichtung auf. Die einen
sagen, das Gewicht der Waffe sei ein sehr
spannendes Optimierungsfeld. Andere
wollen eher zusätzliche Funktionen. Das
übergeordnete Kriterium, das für sämt-
liche Nationen den größten Stellenwert
besitzt, ist und bleibt die Zuverlässigkeit.
Es ist schließlich immer die Waffe, an der
das Leben des Soldaten oder Polizisten
und der Menschen, die er schützt, hängt.
Also muss die Waffe immer und unter al-
len Umständen funktionieren. Hier konnte
sich Heckler & Koch über die vergangenen
Jahrzehnte hinweg weltweit einen sehr
guten Ruf erarbeiten.
Ein Feld, das zwar nicht neu ist, in dem
wir uns als Unternehmen aber neu posi-
tionieren wollen, ist das der Anbaugerä-
te. Schließlich beeinflusst ein Schall- bzw.
Signaturdämpfer die Funktionen eines
Gewehres stark, und deshalb glaube ich,
dass diese beiden Systeme möglichst aus
einer Hand stammen sollten. Heckler &
Koch hat sich in der Vergangenheit auf die
Handfeuerwaffen konzentriert und alles
weitere wenig beachtet. Dies werden wir
in Zukunft ändern, um unseren Kunden
noch bessere Systeme anbieten zu können.
ES&T: Inwiefern spielt das Thema Produkt-
familien für Sie eine Rolle?
Scheuch: Bei diesem Thema muss man dif-
ferenzieren: Eine Produktfamilie im Bereich
der Infanteriebewaffnung bezieht sich bei-
spielsweise im Gegensatz zur Automobilin-
dustrie weniger auf Gleichteile als vielmehr
auf eine einheitliche Bedienung. Für den
Nutzer ist es wichtig, dass Bedienung und
Funktionalität unterschiedlicher Waffen
möglichst gleich sind. Ein Soldat muss heu-
te neben seinem Gewehr mehrere andere
Waffen unter Stress sicher bedienen kön-
nen. Da ist es ein enormer Vorteil, wenn
er die gleichen Bewegungsabläufe und
Bediensequenzen bei seinen unterschied-
lichen Waffen anwenden kann. Neben der
auf diese Weise signifikant erhöhten Stress-
resistenz hat dies natürlich auch Vorteile
im Ausbildungsbetrieb. Wenn die Bedie-
nung unterschiedlicher Waffen gleich oder
ähnlich ist, können Ausbildungsabschnitte
deutlich kürzer ausfallen, da sich das Mus-
kelgedächtnis nicht erst auf neue Bewe-
gungsabläufe einstellen muss.
Umschulungen auf neue Systeme sind ex-
trem aufwändig. Ein Umstieg von einem
G36 etwa auf eine US-AR15-Haptik ist nur
mit einer intensiven Umschulung des Bedie-
ners möglich, sonst greift die Hand in einer
Gefechtssituation unter Umständen an die
falsche Stelle. Aus genau diesem Grund ha-
ben wir beispielsweise das HK433 so ent-
wickelt, dass der Kunde sich auf Wunsch
entweder für ein HK416-/AR15-Bedien-
konzept, das auf dem weitverbreiteten
AR15-System der US-Streitkräfte basiert,
oder ein G36-Bedienkonzept entscheiden
kann. Unterschiede gibt es insbesondere
bei der Magazinauslösung und der Bedie-
nung der Sicherung. Der Kunde hat hier
somit den Vorteil, dass er viele seiner Drills
auch bei der neuen Waffe unmittelbar nut-
zen kann.
ES&T: Welchen Stellenwert nimmt für Sie
in diesem Zusammenhang der fachliche
Austausch mit dem Kunden ein?
Scheuch: Der Dialog mit dem Kunden
und hier insbesondere mit dem Nutzer
besitzt für uns eine ganz entscheidende
Bedeutung. Nur wenn man weiß, wie sein
Kunde die Produkte einsetzt und welche
unterschiedlichen Herausforderungen der
Nutzer während seiner Auftragserfüllung
meistern muss, kann man die Erwartungs-
haltung des Kunden begreifen. Und diese
muss man begreifen, bevor eine Ausschrei-
bung herauskommt – danach ist es zu spät.
Dann hat man nur noch wenige Wochen
bzw. Monate Zeit, um die Erwartungshal-
tung in eine Lösung umzusetzen.
In seltenen Fällen herrscht eine größere Zu-
rückhaltung seitens des Kunden beim Aus-
tausch mit uns, die von der Politik vorge-
geben wird. Das nutzt dem Kunden nicht,
will er doch die besten Lösungen. Das geht
aber nur im Dialog mit der Industrie. Dieser
Dialog gestaltet sich mit den meisten Kun-
den erfreulicherweise sehr konstruktiv. Un-
ser fachlicher Austausch mit den Nutzern
unserer Produkte, also mit den Soldaten
oder mit den Polizisten, ist exzellent. Auf
vielen Messen, Symposien und Workshops
bekommen wir ein konstruktives Feedback
der Nutzer. Dieses überführen wir unmit-
telbar in unsere tägliche Arbeit, um unsere
Produkte stetig zu optimieren und unser
Produktportfolio weiterzuentwickeln. Stets
verbunden mit dem Ziel, unseren Kunden
wunschgemäß das bestmögliche Produkt
zu liefern.
Das Interview führten Peter Boßdorf
und Waldemar Geiger.

„Das neue MINOX ZP 1-8x24 erfreut
sich ganz besonderer Beliebtheit.“
(Foto: MINOX GmbH)
ES&T: Wie kommt es zu dieser Doppelkon-
stellation Ihrer Aufgaben als Geschäftsfüh-
render Gesellschafter von MINOX und der
GSO?
Kortemeier: Das Unternehmen MINOX
ist ja sicherlich vielen Lesern als Herstel-
ler der weltberühmten Kleinstbildkame-
ra (Spionagekamera) bekannt. Leider hat
sich der Markt für Kompaktkameras in
der 85-jährigen Unternehmensgeschich-
te stark verändert, sodass wir uns auf
unsere Kernkompetenzen in den Berei-
chen Feinmechanik und Optik konzen-
triert haben. Seit über 25 Jahren stellt
MINOX schon Ferngläser her und seit
2005 haben wir uns auch in dem Markt
(Foto: J.-P. Weisswange)
MINOX ZP 1-8x24 montiert auf einem G 36K der Bundespolizei
für Zielfernrohre engagiert. Um dem
weltweit wachsenden Bedarf von hoch-
wertigen Präzisionsoptiken „Made in
Germany“ gerecht zu werden, habe ich
zusammen mit der L&O Hunting GmbH
die German Sports Optics gegründet.
ES&T: Wie gestaltet sich die Aufgaben-
teilung zwischen GSO und MINOX?
Kortemeier: Die L&O Hunting GmbH ist
ein Teil der L&O Holding, zu der so renom-
mierte Unternehmen wie SIG SAUER, Bla-
ser, Mauser und Sauer & Sohn gehören.
Interview mit Thorsten Kortemeier,
Geschäftsführender Gesellschafter der
MINOX GmbH und GSO German Sports Optics GmbH & Co. KG
Die Kooperation mit einem führenden
Waffenhersteller ist die Voraussetzung,
um langfristig und erfolgreich im Markt
für Spitzenoptik bestehen zu können. Die
GSO sieht sich in diesem Unternehmens-
umfeld als strategischer Systemlieferant
zum Thema Optik – nicht nur für Tochte-
runternehmen im Konzern – wie MINOX.
Deshalb werden bei der German Sports
Optics auch optische Systeme für die
verschiedensten Marken und Anbieter in
jagdlichen, aber auch im Behördenumfeld
entwickelt und gefertigt.
ES&T: Welche Kompetenzen sind in der
GSO angesiedelt, woher kommen diese,
und stehen sie ausschließlich MINOX zur
Verfügung?
Kortemeier: Gleich zum Start der GSO
ist Hans Bender (ehemals Schmidt &
Bender) mit seinem Unternehmen Opt-
ronika (Premier Reticle) zu uns gestoßen.
Optronika war seit Jahren mit einem
ganz interessanten Zielfernrohrangebot
im Behördenbereich aktiv. Das Kern-
sortiment von Optronika wurde über-
arbeitet und ist heute u.a. im MINOX
Produktangebot als ZP (Professional)
Linie wiederzufinden. Mit dem Entwick-
lungsteam rund um Hans Bender haben
wir eine jahrzehntelange Erfahrung im
Tactical-Bereich, insbesondere für den
US-amerikanischenMarkt.
Die German Sports Optics wurde ganz
bewusst als unabhängiges Unterneh-
men am Standort in Wetzlar gegründet.
Dort befinden sich über 72 optische
September 2017 · Europäische Sicherheit & Technik
WI RTSCHAF T & I ND US TR I E 
und feinmechanische Unternehmen, die
ihrerseits als strategische Zulieferer für
andere Optik- und insbesondere Zielop-
tikhersteller der Spitzenklasse fungie-
ren. Die GSO ist ein wichtiger Teil dieses
Technologienetzwerkes und stellt seine
Dienstleistungen sowohl anderen Mar-
ken als auch Behörden zur Verfügung.
ES&T: Können Sie Referenzkunden für Ihre
Zielfernrohre benennen?
Kortemeier: Das neue Zielfernrohr MINOX
ZP 1-8x24 erfreut sich im behördlichen
Bereich ganz besonderer Beliebtheit. Ei-
nerseits aufgrund der äußerst kompakten
Abmessungen, aber auch wegen der ro-
busten (Mil. Norm) Gesamtkonstruktion
und natürlich durch den achtfachen Ver-
größerungsbereich. Die Absehentechnolo-
gie in der 1. und zusätzlich 2. Bildebene
ist in dieser Klasse einzigartig. Für dieses
Modell hat sich u.a. die GSG 9 entschie-
den. Darüber hinaus merken wir, dass die
Modelle ZP 3-15 und 5-25 im Kreise der
Spezialeinheiten stark im Kommen sind.
In den USA wurde das U.S. Marine Corps
beliefert sowie andere Special Forces in
Schweden, Italien, Frankreich, Dänemark
sowie der Schweiz.
Die Fragen stellte Waldemar Geiger.
GSO German Sports Optics
GmbH & Co. KG
Der 2013 in Wetzlar gegründete Optik-
dienstleister ist ein Zusammenschluss
des Sportoptik- und Kameraherstellers
MINOX und des Zielfernrohrspezialisten
Optronika und bietet folgendes Leis-
tungsportfolio:
• Entwicklung/Konstruktion von
optisch-feinmechanischen Systemen
• Prototypen und Serienfertigung
• kundenspezifische Modifikationen
optischer Geräte
• kundenspezifische Modifikationen
von Zielfernrohren
• Beratung, Aufbau und Begleitung
der Serienfertigung
• Montage und Kundenservice
117
  WI RTSCHAF T & I ND US TR I E
Aktuelle Entwicklungen in der
Sicherheits- und Verteidigungspolitik
(Foto: BDSV)
ES&T: Herr Adamowitsch, Sie haben den
BDSV im September 2011 als Hauptge-
schäftsführer übernommen. Was ist Ihr
Fazit nach fast sechs Jahren BDSV?
Adamowitsch: Die politischen Rahmen-
bedingungen, der Sprung von der Verteidi-
gungsarmee zur Armee im Einsatz und nun
zu einer Armee mit Verteidigungs- und Ein-
satzaufgaben hat auch in der deutschen Si-
cherheits- und Verteidigungsindustrie tiefe
Spuren hinterlassen. Ungefähr 50 Prozent
der Arbeitsplätze wurden seit 1990 sozi-
alverträglich abgebaut. Aber die wieder
verstärkte nationale Nachfrage verbessert
die Auftragssituation unserer Unterneh-
men. Und nun ist seit zwei Jahren etwas
eingetreten, was den Leser Ihrer Zeitschrift
wahrscheinlich erstaunen lässt. BMVg und
BDSV reden nach 60 Jahren Bundeswehr
erstmals in einem strukturierten Dialog
miteinander über Grundsatzfragen der mi-
litärischen Beschaffung. Der Anstoß dazu
kam übrigens vom BDSV. Es war ein hartes
Stück Arbeit dahin zu kommen, sich ge-
genseitig zuzuhören. Die Fortsetzung des
Dialoges wird dann erfolgreich sein, wenn
der „große Tanker“ BMVg mehr Beweg-
lichkeit bei der Umsetzung gemeinsam er-
zielter Gesprächsergebnisse zeigt. Aber das
wird kommen.
Darüber hinaus beklagt das BMVg die zu-
nehmende Zahl vergaberechtlicher Ausein-
andersetzungen vor Gericht. Dabei über-
sieht das Ministerium, dass es selber mehr
Wettbewerb in der militärischen Beschaf-
fung eingefordert hat. Und da gibt es eben
das Wettbewerbsrecht in Deutschland, das
Klagen gegen Beschaffungsentscheidungen
zulässt. Die Folienaufleger, die das BMVg
beraten haben, haben wohl vergessen, die-
118 Europäische Sicherheit & Technik · September 2017
Interview mit Staatssekretär a.D.
Georg Wilhelm Adamowitsch, Hauptgeschäftsführer
des Bundesverbandes der Deutschen Sicherheits- und
Verteidigungsindustrie e.V. (BDSV), anlässlich seiner
Verabschiedung Ende Juni 2017.
sen Teil der Wirklichkeit in Deutschland zu
beschreiben.
Und noch ein Missverständnis liegt auf der
politischen Seite vor. Die Wunschvorstel-
lung, es gäbe einen nationalen und euro-
päischen Markt für die Rüstungsbeschaf-
fung. Wann nimmt die Berliner Politik zur
Kenntnis, dass es innerhalb der EU nach
dem Brexit nur noch 26 Kunden gibt, näm-
lich die Regierungen der Mitgliedsstaaten.
Es ist eine ökonomische Binsenweisheit,
das 26 Kunden kein Marktgeschehen her-
stellen können, im Gegensatz zur europäi-
schen Automobilindustrie, die allein in der
EU ca. 500 Millionen Kunden hat.
Ein anderes Thema ist die zunehmend ag-
gressive öffentliche Diskussion über das
Für und Wider einer wettbewerbsfähigen
Sicherheits- und Verteidigungsindustrie in
Deutschland, die auch exportieren muss.
Die Politik hat sich dieser öffentlichen Dis-
kussion nicht gestellt, der BDSV ist zuneh-
mend in die Rolle gedrängt worden, neben
den eigenen Interessen auch noch die Po-
litik der Bundesregierung erklären zu müs-
sen. Hinzu kommt eine politische Vielstim-
migkeit innerhalb der Bundesregierung.
Die Verteidigungsministerin erklärt sich für
industrielle Fragen nicht zuständig, der vor-
malige Wirtschaftsminister beginnt einen
Branchendialog mit dem BDSV, hat diesen
aber inzwischen ergebnislos einschlafen
lassen. Zugleich wurden, ohne darüber mit
der betroffenen Industrie zu reden, rest-
riktive Exportregularien implementiert, be-
stehende Regeln geändert. Vertrauen sieht
anders aus.
Diese kurzen Anmerkungen zeigen, was
der BDSV in den letzten fünf Jahren zu
stemmen hatte. Im Ergebnis bin ich zufrie-
den, der Verband hat sich konsolidiert, wird
gehört und ist ein streitfähiger und zielori-
entierter Gesprächspartner geworden. Er
ist unverzichtbar für die deutsche Politik
und füllt in der gesellschaftspolitischen Dis-
kussion eine Lücke, die die deutsche Politik
offen lässt.
ES&T: Wie bewerten Sie den neuen struk-
turierten Industriedialog zwischen BMVg
und BDSV?
Adamowitsch: Durchaus ist sich die Indus-
trie in vielen Punkten einig mit der Amtssei-
te. Das Problem ist die Umsetzung eines
gemeinsam festgestellten Veränderungs-
bedarfs im Beschaffungsprozess. Da gibt es
noch einen erheblichen Nachholbedarf auf
der Amtsseite. Die Kernelemente des neu-
en, mit der Ministerin verabredeten, stra-
tegischen Industriedialoges bilden die fünf
Gesprächskreise, „Projektmanagement“,
„Managementfragen zur Verbesserung
der Einsatzbereitschaft“, „Zukunfts- und
Innovationsfähigkeit“, „Innovation Cyber/
Informationstechnik“ und „Nachhaltigkeit/
Sustainability Management“. Wichtig war
allen Beteiligten, den Dialog fortzusetzen.
Das ist eine gute Entwicklung.
ES&T: Um welche Themen geht es dabei
im Wesentlichen?
Adamowitsch: Na ja, nicht alle Themen
konnten in der ersten Runde zwischen BMVg
und BDSV aufgrund unterschiedlicher In-
teressenlagen abgeschlossen beraten wer-
den. Wir haben vereinbart die Gespräche
darüber fortzusetzen. Es geht dabei insbe-
sondere um den Design-Freeze, das Ände-
rungswesen und Eskalationsmechanismen
im Projekt, die Beschreibung von Prüf- und
 WI RTSCHAF T & I ND US TR I E 

Abnahmekriterien oder den Stand und
Umfang der sogenannten mitgeltenden
Vorschriften bei Verträgen. Daneben ste-
hen das Preisrecht, die Rahmenvereinba-
rungen, die gewerblichen Schutzrechte
und die Haftung bzw. die Aufteilung des
Risikos bei Entwicklungen noch auf der Ta-
gesordnung. Da gibt es noch viel zu tun
. den, müssen auch in derselben entschie-
ES&T: Kommen wir mal zur Marine. Da gab
es eine ganze Reihe von spannenden Ent-
wicklungen in den letzten Monaten.
(Foto:PIZ/M)
ist in die neue Legislaturperiode vertagt
worden. Das Projekt war bis heute keine
politische Meisterleistung.
ES&T: Aber was ist die Konsequenz daraus?
Adamowitsch: Wir lernen daraus:
Großprojekte, die innerhalb einer Legis-
laturperiode auf den Weg gebracht wer-
den werden. Heißt: Eine entsprechende
25-Mio-Vorlage ist der Politik rechtzeitig
zur Entscheidung auf den Tisch zu legen.
Plan oder der Einrichtung eines gemeinsa-
men europäischen Verteidigungsfonds sind
bereits erste konkrete Maßnahmen in der
Abstimmung. Wichtige europäische Fragen
bleiben aber in Deutschland von der Politik
unbeantwortet. Was ist unser „Level of am-
bition?“ Welche militärischen Fähigkeiten
benötigen wir und welche Ausrüstung ist
hierfür zu beschaffen? Der Dialog zwischen
BMVg und BDSV hat dazu begonnen.
ES&T: Wie beurteilen Sie die sicherheits-
und verteidigungspolitische Lage in Europa?

Indienststellung der Korvette K130 „Ludwigshafen am Rhein“ – ein zweites Los von fünf Korvetten
K130 soll für die Deutsche Marine beschafft werden.

Adamowitsch: In der Tat, man weiß gar
nicht, wo man anfangen soll. Ganz aktuell
ist die Beschaffung der K 130. Die Firmen
Lürssen und Thyssen-Krupp nehmen Ger-
man Naval Yards in das Konsortium zum
Bau von fünf Bundeswehr-Korvetten auf.
Damit sollten die Bedenken der Kartellbe-
hörden ausgeräumt werden. Das ist eine
gute Entscheidung für die Marine. Die Ei-
nigung über einen Workshare bei der Be-
schaffung der Korvette 130 hat somit nur
Gewinner. Daran ändert auch die Kritik des
Bundesrechnungshofes nichts.
Oder nehmen Sie das kafkaeske Debakel
(Grafik: MTG)
Nur so entsteht Planungssicherheit für die
Bundeswehr und die Industrie. Jegliche
anschließende Diskussion kann nicht ziel-
führend sein.
ES&T: Welches Thema treibt Sie aktuell um?
Adamowitsch: Ganz eindeutig die euro-
päische Entwicklung in der Sicherheits- und
Verteidigungspolitik. Ich glaube, dass ins-
besondere in Deutschland noch nicht aus-
reichend erkannt ist, welche Dynamik die
Entwicklung einer europäischen Politik auf
die industrielle Seite der Verteidigungspoli-
tik hat. Mit dem European Defence Action
Adamowitsch: Ach, wissen Sie, insbeson-
dere wir in Deutschland sind Weltmeister
im Analysieren jedweder Lagen. Deshalb
möchte ich mich daran gar nicht beteiligen.
Nur so viel:
Deutschland und Frankreich stehen auf-
grund ihrer Geschichte, ihres Gewichts
und ihrer Fähigkeiten in einer besonderen
Verantwortung, den Zusammenhalt in
der Europäischen Union zu festigen und
Sicherheit und Stabilität in Europa zu ge-
währleisten. Dies entspricht auch ihren
strategischen Interessen. Denn – das wird

bei der Beschaffung der Mehrzweckschiffe

MKS 180. Nur um den deutschen Werften
Wettbewerb anzudrohen, wurde das Schiff
europaweit ausgeschrieben. Erklärter Favo-
rit war die französische Staatsindustrie mit
ihren italienischen Partnern. Ergebnis: Die-
se haben verzweifelt aufgegeben und ihre
Gründe dem BMVg dargelegt. Sie könnten
die komplexen deutschen militärischen
Schiffbaustandards nicht erfüllen, ebenso
sind sie mit ihrer Kompetenz an den deut-
schen Ausschreibungsbedingungen im Be-
reich der Systemfähigkeit gescheitert. Diese
Erkenntnis ist auch noch mit dem Geld der
deutschen Steuerzahler bezahlt worden. Das MKS 180 im Entwurf – die Entscheidung zur Beschaffung
Und die Entscheidung über die MKS 180 ist in die nächste Legislaturperiode vertagt worden.

September 2017 · Europäische Sicherheit & Technik 119

 WI RTSCHAF T & I ND US TR I E
den Bürgern der EU jeden Tag vor Augen
geführt – Sicherheit und Stabilität in Europa
sind unteilbar.
ES&T: Ein Thema, das Ihnen besonders am
Herzen liegt.
Adamowitsch: Ja natürlich. Deutschland
und Frankreich sollten die politische Chan-
ce nutzen, ihre gemeinsam zu entwickeln-
den rüstungspolitischen Vorstellungen in
dem jetzt beginnenden Diskussionspro-
zess über den von der EU-Kommission
vorgelegten „European Defence Action
Plan“ einzubringen und abzustimmen.
Der deutsch-französische Ministerrat im
Juli war dafür ein gutes Signal. Es wurden
durchaus wegweisende Entscheidungen
getroffen. Es bedarf hier eines intensiven
Abstimmungsprozesses zwischen der Bun-
(Foto: BPA)
desregierung und dem BDSV. Dabei muss
ausgelotet werden, inwieweit die im Minis-
terrat beschlossenen Projekte 2018 auch
anderen EU-Mitgliedsländern eine partner-
schaftliche Zusammenarbeit bieten kann.
Und hoffentlich lernen die Beschaffer an
Rhein und Mosel schnell, dass es eine solch
weitgehende deutsch-französische Ver-
ständigung gibt. Denn die französische Sei-
te würde zu Recht nicht verstehen, wenn
künftig anders entschieden würde. Aber
vielleicht kann die BMVg-Hausspitze diesen
eminent wichtigen politischen Sachverhalt
den Beamten in Koblenz erklären.
Auch erwarten die mittel- und osteuro-
päischen Staaten gerade wegen der Un-
sicherheiten um das fortbestehende En-
gagement der USA für die Sicherheit ihrer
Allianzpartner von Deutschland und Frank-
reich die Übernahme größerer Verantwor-
tung für die gemeinsame Sicherheit in und
für Europa. Dies bedeutet keine Abkehr
von der zentralen Rolle der NATO, die für
die Bündnisverteidigung von zentraler Be-
deutung bleibt.
Eine deutsch-französische Vorreiter-Rolle
ist dennoch unverzichtbar für die jetzt be-
sonders notwendigen substantiellen Fort-
schritte bei der aktiven Ausgestaltung und
Stärkung der „Verteidigungsunion“. Ange-
sichts der immer stärker werdenden zent-
rifugalen Kräfte sind zeichensetzende und
Mut machende Fortschritte dringlich. Eine
solche Motorfunktion Deutschlands und
Frankreichs schließt die Beteiligung Dritter
nicht aus, sondern muss so angelegt sein,
dass sie diese ermutigt.
ES&T: Wir stehen kurz vor der Bundestags-
wahl? Werden dort Ihrer Meinung nach
Themen der Außen-, Sicherheits- und Ver-
teidigungspolitik eine Rolle spielen?
Adamowitsch: Ja, ich glaube das Themen
der Außen-, Sicherheits- und Verteidigungs-
politik eine wichtigere Rolle einnehmen wer-
120 Europäische Sicherheit & Technik · September 2017
den wie vor vier Jahren. Weil die Menschen
verunsichert sind ob der Nachrichten, die
ihnen jeden Tag ins Haus flattern. Dies er-
warten zu Recht Antworten von der Politik.
Aktuell manifestiert sich dieser Eindruck in
der Frage hinsichtlich des sog. „Zwei-Pro-
zent-Ziels der NATO“. Einvernehmlich in
der Bundesregierung beschlossen, unter-
schrieben vom Außenminister und der Ver-
teidigungsministerin. Die Wahl des neuen
US-Präsidenten hat das Thema aktualisiert
und die Vielstimmigkeit in der Koalition
neue Pirouetten drehen lassen. Anstatt
aber über die Umsetzung des vereinbarten
Ziels und die Schaffung der dazu notwen-
digen Voraussetzungen nachzudenken,
hat die Politik zu Irritationen bei Bürgern in
Deutschland und unseren NATO-Partnern
Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Emmanuel
Macron haben am 11. Juni 2017 die deutsch-französische Partnerschaft
in der Verteidigung (u.a. Entwicklung und Beschaffung) betont.
geführt. Mit dem bevorstehenden Wahl-
kampf ist dieses Desaster nicht zu entschul-
digen.
ES&T: Und das Thema Rüstungsexporte?
Adamowitsch: Insgesamt hat eine öf-
fentliche Debatte über die Ausgestaltung
von „mehr Verantwortung“ und die da-
raus folgenden Konsequenzen für Bun-
deswehr sowie die Sicherheits- und Ver-
teidigungsindustrie nicht wirklich statt-
gefunden. Dies wissen Akteure der Zivil-
gesellschaft zu nutzen. Diese haben zwar
keinen Widerhall in der Bevölkerung,
verbuchen für sich aber die Meinungsho-
heit. So wird aus jedem Bericht der Bun-
desregierung, über jede beantwortete
Anfrage eines Bundestagsabgeordneten
zu genehmigten Rüstungsexporten ein
Skandal, den viele Medien dankbar auf-
nehmen, ohne die Hintergründe zu re-
cherchieren. Alles unwidersprochen von
der Bundesregierung. Es wird also sicher
versucht werden, deutsche Rüstungsex-
porte im Wahlkampf zu thematisieren.
Das ist aber schon 2013 gescheitert. Und
eine repräsentative Umfrage hat jüngst
ergeben, dass dieses Thema von der Be-
völkerung im Vergleich zu anderen The-
men eher als unbedeutend angesehen
wird. Allerdings erwarten unsere euro-
päischen Partner, ich denke insbesonde-
re an Frankreich, dass Deutschland seine
politisch restriktive Haltung in dieser Fra-
ge überdenkt.
ES&T: Die Forderungen nach einem
„Rüstungsexportkontrollgesetz“ und
weniger „Geheimniskrämerei“ werden
immer lauter. Macht Ihnen das Sorgen?
Adamowitsch: Nein! Das Bundesver-
fassungsgericht hat im Oktober 2014 in
einem unmissverständlichen Urteil fest-
gestellt, dass auch bei der Genehmigung
von Rüstungsexporten der Grundsatz
der „Exekutiven Eigenverantwortung der
Bundesregierung“ gilt. Politischen Über-
legungen wird damit eine klare Absage
erteilt, über Rüstungsexporte den Deut-
schen Bundestag entscheiden zu lassen.
Diese „Exekutive Eigenverantwortung
der Bundesregierung“ ist weitgehend
eben nicht justiziabel. Daraus ergibt sich,
dass außen- und sicherheitspolitische
Entscheidungen nicht durch Gerichts-
entscheidungen ersetzt werden können.
Das gilt auch für die Verbandsklage. Des-
weiteren unterliegen politische Entschei-
dungsprozesse bei Rüstungsexporten im
Interesse der beteiligten Regierungen
der Geheimhaltung. Der Schutz von
entsprechenden unternehmensbezoge-
nen Daten ist ebenfalls grundgesetzlich
geschützt. Auch dies hat das Bundesver-
fassungsgericht seinerzeit eindrucksvoll
bestätigt. Die Rechtslage ist also eindeutig,
wer sie ändern will, muss bei der Bundes-
tagswahl entsprechende Mehrheiten für
die Änderung des Grundgesetzes erringen.
Die Fragen stellte Dieter Stockfisch.
 Unternehmen & Personen
Aufgabenerweiterung
Dr. Dennis Göge,
(Foto: DLR)
Programmkoordi-
nator Sicherheits-
forschung des Deut-
schen Zentrums für
Luft- und Raumfahrt
(DLR), wird den Auf-
bau des Instituts für
den Schutz mariti-
mer Infrastrukturen
als Gründungsdirektor verantworten. Das
Institut, welches in Bremerhaven ansässig
sein wird, ist das erste Forschungsinstitut
im Bereich der DLR-Sicherheitsforschung,
das insgesamt von Dr. Göge verantwortet
wird. (wb)
BWI-Gesellschaften verschmelzen
zur BWI GmbH
Die BWI Informationstechnik GmbH und
die BWI Systeme GmbH wurden zum 1.
August 2017 zu einer Gesellschaft. Mit der
Verschmelzung der beiden hundertprozen-
tigen Bundesgesellschaften änderte das
„neue“ Unternehmen auch seinen Namen
und firmiert jetzt unter: BWI GmbH. Die Ver-
schmelzung der beiden BWI-Gesellschaf-
ten, die zehn Jahre lang als eigenständige
Gesellschaften den BWI-Leistungsverbund
zur Modernisierung der Bundeswehr-IT
bildeten, ist die logische Konsequenz nach
der vollständigen Übernahme der Gesell-
schafteranteile von Siemens und IBM durch
den Bund Ende letzten Jahres. Der neue
Name ist dabei ein wichtiges Signal an die
über 3.000 Beschäftigten der beiden Un-
ternehmen. Der Unternehmenszweck und
Geschäftsauftrag bleiben auch bei der BWI
GmbH unverändert. (wb)
Cyber-Sicherheit und
Digitalisierung
Cyber-Sicherheit
(Foto: DLR)
und Digitalisierung
von Wirtschaft und
Gesellschaft werden
neue Forschungs-
ziele des Deutschen
Zentrums für Luft-
und Raumfahrt
(DLR). Für die neue
Aufgabe erhält das DLR sieben neue Institu-
te in sechs Bundesländern. Dort soll künftig
an der Digitalisierung der Luftfahrt (virtuel-
(Foto: DFS)
les Flugzeug), zur Energiewende und zum
Schutz kritischer maritimer Infrastrukturen
geforscht werden. Der Bund unterstützt
das Projekt mit 42 Mio. Euro jährlich. Das
Zentrum werde den Querschnittsbereich
Sicherheitsforschung weiter ausbauen, um
auch für künftige Bedrohungsszenarien
praxistaugliche Lösungen anbieten zu kön-
nen, denn das DLR stelle sich mit der neuen
Strategie aktuellen gesellschaftlichen und
wirtschaftlichen Herausforderungen in
den Bereichen Luftfahrt, Raumfahrt, Ener-
gie, Verkehr, Sicherheit und Digitalisierung,
sagte die DLR-Vorstandsvorsitzende Prof.
Dr. Pascale Ehrenfreund.  (ds)
Vorreiter bei Bundeswehr-
Zertifizierung
Die HENSOLDT Sensors GmbH hat als
erstes deutsches Luftfahrtunternehmen
die Auditierung des Luftfahrtamtes der
Bundeswehr nach dem neuen Standard
DEMAR 21G (Deutsche Military Airworthi-
ness Requirements) bestanden. Damit wird
HENSOLDT eine Herstellungs- sowie eine
Instandhaltungsbetriebsgenehmigung
nach DEMAR 145 erhalten. HENSOLDT ist
mit dieser Zertifizierung künftig in der La-
ge, ohne Zeitverzug und nach einheitlichen
Qualitätsstandards an multinationalen Pro-
grammen teilzunehmen. Außerdem ist
damit sichergestellt, dass die nationale Zer-
tifizierung der HENSOLDT-Produkte inter-
national anerkannt wird. Neue militärische
(Foto: Rheinmetall)
Luftfahrtprogramme sollen in Europa nur
noch nach EMAR-Standards ausgeschrie-
ben werden.  (wb)
Deutsches Maritimes Zentrum
(DMZ)
Am 19. Juli 2017 haben acht Gründungs-
mitglieder den Startschuss zur Gründung
des DMZ in Hamburg gelöst: Verband für
Schiffbau und Meerestechnik (VSM), der
Reeder-, Hafen-, Schiffsmakler- und der
Bootsbauerverband sowie der Bund und
die Länder Hamburg und Niedersachsen.
Der Deutsche Bundestag hat mit der Ertei-
lung der Haushaltsmittel den Aufbau des
DMZ ermöglicht. Das DMZ soll nach dem
Vorbild des Deutschen Luft- und Raum-
fahrtzentrums (DLR) in allen Bereichen der
maritimen Wirtschaft und Industrie nach-
haltige Wirkung entfalten. Alle Aktivitäten
in der maritimen Industrie und Forschung
von den Schiffbauern und deren Zulieferin-
dustrie über die technischen Dienstleister
bis hin zu den maritimen Forschungsein-
richtungen und Hochschulen sollen mitei-
nander verknüpft werden.  (ds)
DFS: Gefahr durch Drohnen
Die Deutsche Flugs-
icherung (DFS)
wappnet sich für
den rasend wach-
senden Einsatz
von unbemannten
Flugobjekten. Das
bundeseigene Un-
ternehmen schätzt,
September 2017 · Europäische Sicherheit & Technik
dass allein 2017 über 600.000 Drohnen in
Deutschland verkauft werden. Bald werde
es über eine Million Drohnen in Deutsch-
land geben, verkündetet der Vorsitzen-
de der Geschäftsführung, Klaus-Dieter
Scheurle. Die DFS wolle daher die Drohnen
in die heutige Organisation des Luftrau-
mes einbinden, um Chaos zu verhindern.
Da Drohnen zumeist klein sind und niedrig
fliegen, werden sie von den Schirmen der
Flugsicherung nicht erfasst. Mit der Deut-
schen Telekom arbeitet die DFS an einem
Modul, das Drohnen über Mobilfunksigna-
le orten kann. Zudem fordert Scheurle eine
Registrierpflicht für Drohnen, um Miss-
brauch mit Drohnen verfolgen zu können.
Schließlich habe es unzählige Behinderun-
gen durch Drohnen im Luftverkehr gege-
ben. Die DFS hat bereits eine kostenlose
Handy-App entwickelt, die anzeigt, an wel-
chen Standorten in Deutschland Drohnen
eingesetzt werden können.  (ds)
Neuer Geschäftsführ bei
Rheinmetall Electronics
Ulrich Sasse wech-
selt nach 37 Jahren
bei Rheinmetall
Electronics GmbH,
Bremen, in den Ru-
hestand. Gordon
Hargreave (Foto)
folgte Ulrich Sasse
zum 1. August 2017
als Mitglied der Ge-
schäftsführung der Rheinmetall Electronics
GmbH. Gleichzeitig wird er Sprecher des
Gremiums, dem weiterhin Helmut Möring
und Thorsten Quade (CFO) angehören.
Gordon Hargreave leitet zugleich die Divisi-
on Electronic Solutions und ist Mitglied des
Bereichsvorstands von Rheinmetall Defence,
der Verteidigungssparte der Düsseldorfer
Rheinmetall AG.  (wb)
genua verändert
Geschäftsführung
genua hat einen neuen Geschäftsführer
ernannt. Matthias Ochs hat am 1. August
den Posten übernommen. Damit besteht
die Geschäftsführung aus den beiden
Gründern und Gesellschaftern Dr. Magnus
Harlander und Bernhard Schneck sowie
Marc Tesch und Matthias Ochs. genua mit
Hauptsitz in Kirchheim bei München bietet
IT-Sicherheitslösungen für Industrie- und
Behördenkunden und gehört zur Unter-
nehmensgruppe der Bundesdruckerei. (wb)
StandardAero plant
Übernahme von Vector
StandardAero und Airbus haben mit Ver-
handlungen zur Übernahme von Vector
121
 Unternehmen & Personen
Aerospace Holding SAS (Teil der Airbus
Gruppe) begonnen. Die Übernahme ist
abhängig von Anhörungen des Betriebs-
rats und behördlichen Genehmigungen.
Vereinbarungen sind noch nicht unter-
zeichnet. Vector Aerospace Holding SAS
ist ein internationales Luft- und Raum-
fahrt-Instandhaltungsunternehmen, das
2011 in die Eurocopter-Gruppe integriert
worden war. Es unterstützt seine Kunden
unter anderem in den Bereichen Turbinen-
motoren sowie Starrflügel- und Drehflü-
gelflugzeuge.  (bk/gwh)
Diehl 2016 mit Zuwachs
Der Diehl-Konzern
(Foto: genua)
konnte 2016 sei-
nen Umsatz auf 3,4
Mrd. Euro (plus 9,7
Prozent gegenüber
2015) steigern. Der
Erlös (EBIT) entspricht
mit 174,7 Mio. Euro
dem Vorjahresbe-
trag. Bei Diehl De-
fence konnte die
rückläufige Entwick-
lung gestoppt werden. Erstmals steig der
Umsatz wieder deutlich. 2016 wurden 435
Mio. Euro erreicht (plus 30 Mio. Euro). Bei-
getragen haben dazu vor allem der schwere
Seezielflugkörper RBS15, das transatlanti-
sche Kooperationsprogramm RAM (Rolling
Airframe Missile) sowie das traditionelle
Sidewinder-Geschäft. Von Bedeutung war
auch die Übergabe des ersten Lenkflugkör-
pers PARS 3 LR für die Hauptbewaffnung
des deutschen Tiger-Hubschraubers an die
Bundeswehr zu Jahresbeginn. Diehl will
2017 die Wachstumschancen nutzen und
strebt einen Konzernumsatz in der Größen-
ordnung von 3,6 Mrd. Euro bei entspre-
chender Ergebnissteigerung an.  (gwh)
MTU Aero Engines erhöht
Prognose 2017
Nach einem positiven ersten Halbjahr hat
MTU Aero Engines die Umsatzprognose für
2017 auf 5,3 Mrd. Euro erhöht.
Um elf Prozent auf 2,5 Mrd. Euro ist der
Umsatz im ersten Halbjahr gestiegen mit
einem operativen Ergebnis von 320,8 Mio.
Euro (plus 26 Prozent). Der Umsatz des
militärischen Triebwerksgeschäfts ist um
28 Prozent auf 172,5 Mio. uro zurückge-
gangen. Hauptumsatzträger war der Eu-
rofighter-Antrieb EJ200. Trotz eines noch
erwarteten Aftermarket-Vertrags für den
Tornado-Antrieb RB199 wird der Umsatz
im Militärgeschäft im mittleren Zehner-Pro-
zentbereich zurückgehen. MTU will den
Rückgang 2018 vollumfänglich aufholen.
Der Auftragsbestand ist um 8,3 Prozent auf
122 Europäische Sicherheit & Technik · September 2017
knapp 13 Mrd. Euro gesunken, ist aber mit Für das gesamte Geschäftsjahr 2017 be-
dem Zweieinhalbfachen des Jahresumsat- stätigte Airbus die prognostizierten Ziele.
zes eine solide Basis für eine weitere positi- Hierzu gehören die Auslieferung von 700
ve Geschäftsentwicklung.  (gwh) Flugzeugen und des bereinigten EBIT und
bereinigten Gewinns pro Aktie im mittleren
Airbus mit stabilem Umsatz einstelligen Prozentbereich im Vergleich zu
Im ersten Halbjahr 2017 lag der Umsatz des 2016. (gwh)
Konzerns mit 28,7 Mrd. Euro auf gleicher
Höhe wie im Vorjahr. Bei leicht gesunke- CONET übernimmt ACT
nem Auftragsbestandbestand (981 Mrd. Das IT-System- und Beratungshaus CO-
Euro, minus 7,5 Prozent) fiel das berichte- NET aus Hennef hat die Niederkasseler
te EBIT um drei Prozent. Mit militärischen IT Consultants und Dienstleister der ACT
Aufträgen setzte Airbus mit 4,7 Mrd. Euro Gruppe per Kaufvertrag übernommen.
vier Prozent weniger um als im Vorjahres- Aufgrund der Digitalisierung und einer
zeitraum. Bei Defence and Space sank der gleichzeitigen Konsolidierung der IT wer-
Umsatz auf 4,6 Mrd. Euro (minus 15 Pro- den IT-Projekte zunehmend umfangrei-
zent) und das berichtete EBIT fiel um 23 cher. Durch Eingliederung von ACT in die
Prozent. Bestimmend ist in diesem Sektor CONET-Gruppe sollen Leistungsspektrum
die A400M. Mit der OCCAR und den Kun- und Kundenstamm so ergänzt werden,
dennationen laufen Gespräche über den dass Synergien genutzt und personelle
Abbau von Risiken im A400M-Programm. Ressourcen flexibler eingesetzt werden
Die Helicopters-Sparte konnte ihren Um- können.Die ACT Gruppe behält ihre Struk-
satz um neun Prozent auf 2,9 Mrd. Euro tur und wird in die CONET Technologies
steigern. Das um über ein Drittel auf 93 Holding GmbH aufgenommen. Die Trans-
Mio. Euro zurückgegangene EBIT spiegelt aktion steht bis auf Weiteres unter dem
u.a. einen ungünstigen Produkt-Mix und Vorbehalt der Zustimmung der zuständi-
das teilweise H225-Flugverbot wider. gen Behörden.  (bk)
Wehrtechnik in Schleswig-Holstein
Der Arbeitskreis Wehrtechnik Schleswig-Holstein hat
(Foto: Arbeitskreis Wehrtechnik)
mit seinem Jahresbericht 2017 die Konjunkturdaten der
wehrtechischen Industrie in Schleswig-Holstein präsen-
tiert. Die 29 meist mittelständischen wehrtechnischen
Unternehmen des Arbeitskreises sind wichtiger Bestand-
teil der deutschen Rüstungsbasis u.a. mit folgenden Pro-
duktmärkten: Marineschiffbau, Fahrzeugbauindustrie,
Luftfahrtindustrie, Kommunikationstechnik, Waffen- und
Munitionstechnik, Optik und Optronik. Die Wehrtech-
nik-Unternehmen beschäftigen ca. 7.000 Mitarbeiter
sowie weitere ca. 12.000 im indirekten und induzierten
Bereich. Der jährliche Umsatz betrug 2016 ca. 2,4 Mrd. Eu-
ro. Besonders erfolgreich ist die Marineindustrie. So hat z.B. thyssenkrupp Marine
Systems seit 1960 mit 20 Staaten Verträge für 167 U-Boote geschlossen. Heute hat
das Unternehmen Neubauverträge für 22 U-Boote für sechs Staaten. Bei den Um-
sätzen für 2017 haben die größeren Unternehmen positive Erwartungen, während
die kleineren mit stagnierenden Umsätzen rechnen. Bei den Investitionsplanungen
stehen die Zeichen auf Halten. Beim Personal setzen die meisten Unternehmen
auf Kontinuität. Besonderes Augenmerk gilt den Auslandsmärkten. Nahezu alle
Unternehmen wollen ihre Auslandsaktivitäten in den kommenden zwölf Monaten
steigern. Probleme aber bereiten die restriktiven Exportgenehmigungen. Oft dau-
ern die Bearbeitungszeiten bis zu zwei Jahre, wobei Stornierungen drohen. Das gilt
insbesondere für Exporte in sogenannte Drittländer. Diese zählen nach den „Po-
litischen Grundsätzen der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und
sonstigen Rüstungsgütern“ zur Kategorie „ausnahmsweise“ erteilte Genehmi-
gung. Nach Einschätzung des Vorsitzenden des Arbeitskreises Wehrtechnik, Dieter
Hanel, hat sich die wehrtechnische Industrie in Schleswig-Holstein in den letzten
Jahren erfolgreich umstrukturiert, strategisch ausgerichtet (exportorientiert) und
eine wettbewerbsfähige Marktposition errungen. Künftig kommt es darauf an, die
internationale Marktführerschaft bei Schlüsseltechnologien und Kernfähigkeiten,
insbesondere bei U-Booten und gepanzerten Fahrzeugen zu halten.  (ds)
 Rheinmetall erhöht Prognose
Nach einem erfolgreichen ersten Halb-
jahr 2017 mit einer Umsatzsteigerung auf
2,8 Mrd. Euro (plus acht Prozent) und ei-
ner Ergebnisverbesserung um 30 Prozent
auf 134 Mio. Euro erwartet Rheinmetall
ein Umsatzplus von sechs Prozent für das
Geschäftsjahr 2017. Das liegt ein bis zwei
Prozentpunkte über der Prognose zu Jah-
resbeginn. Auch bei der Rendite erwartet
Rheinmetall eine weitere Verbesserung auf
8,4 Prozent. Im Defence-Bereich legte der
Umsatz 93 Mio. Euro zu und stieg auf 1,3
Mrd. Euro. Auch das operative Ergebnis
konnte leicht auf 14 Mio. Euro gesteigert
werden. Die höchste Umsatzsteigerung
erzielte mit 25 Prozent die Division Vehicle
Systems, die mit 687 Mio. Euro mehr als die
Hälfte des Bereichsumsatzes beigesteuert
hat. Der Umsatz der Divison Weapon and
Ammunition blieb mit 496 Mio. Euro na-
hezu konstant, während die Divison Elec-
tronic Solutions einen Umsatzrückgang auf
279 Mio. Euro hinnehmen musste.  (gwh)
Airbus DS Communications
wird verkauft
Airbus SE hat mit Motorola Solutions den
Verkauf der Plant Holdings, Inc., der Mut-
tergesellschaft der Geschäftseinheit Airbus
EAST MEETS WEST
MARITIME SEIDENSTRASSE IM 13. BIS 17. JAHRHUNDERT
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Die Ausstellung
EAST MEETS WEST
ist bis 10. September im
Internationalen Maritimen Museum
Hamburg zu sehen.
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DS Communications, vereinbart. Die Plant Avionics ist führend auf dem Gebiet für zer-
Holdings gehört zum Geschäftsbereich tifizierte Avionic-Ausrüstung. Dazu gehören
der Secure Land Communications von Air- Flugzeugelektronik.-Systeme wie u.a. Avio-
bus. Der Verkauf gehört zur Portfolioan- nic-Computer und Autopilotsysteme.  (ds)
passung, die Airbus 2014 eingeleitet hat.
Airbus DS Communications ist ein führen- Neuer Leiter Marketing
der Lieferant von Leitstellentechnologie bei Dyneema
(Foto: Dyneema)
und von Bevölkerungs-Warnsystemen in Oliver Janin über-
Nordamerika. Der Abschluss der Transak- nimmt zum 1. Sep-
tion, der frühestens Ende 2017 erfolgen tember den Posten
soll, unterliegt den üblichen Abschlussbe- als Vizepräsident
dingungen, einschließlich behördlicher Ge- Marketing and Sales
nehmigungen.  (gwh) bei DSM Dyneema.
Er wird dem Strategi-
HENSOLDT übernimmt schen Vorstand von
EuroAvionics Dyneema angehören
Das Sensorhaus HENSOLDT hat die EuroAvi- und berichtet unmittelbar an den Präsiden-
onics in Pforzheim, einen Anbieter für Hub- ten Golnar Motari Pour.  (wb)
schrauber und Drohnen, übernommen. Der
Anteilsverkauf ist im August 2017 in Kraft Umsatz- und Erlöszuwachs
getreten. HENSOLDT verspricht sich mit bei BAE Systems
der Übernahmen einen Wachstumsschub Im ersten Halbjahr 2017 konnte BAE Systems
für sein Avionik-Geschäft. Aus der Kom- den Umsatz auf 10,6 Milliarden Euro (plus
bination der Stärken von EuroAvionics im vier Prozent, inflationsbereinigt) steigern.
zivilen Markt und HENSOLDTs vorwiegend Der Erlös stieg um 100 Millionen Euro auf
militärisch ausgerichtetes Portfolio soll jetzt knapp über eine Milliarde Euro. Mit neuen
eine umfassende Produktlinie „Avionics“ Aufträgen in Höhe von 11,8 Milliarden Euro
entwickelt bzw. aufgebaut werden. Damit stieg der Auftragsbestand auf 46,9 Milliar-
gewinnt HENSOLDT Zugang zu zivilen Hub- den Euro, das bedeutet ei-ne Auslastung für
schrauber- und Drohnenherstellern. Euro etwa viereinhalb Jahre.  (gwh)
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21 x 26 cm I 160 Seiten
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  WI RTSCHAF T & I ND US TR I E

Das STH-Programm ist ein wichtiges

Beschaffungsvorhaben
Interview mit Martin Kroell,
(Fotos/Grafik: AUTOFLUG GmbH)

Geschäftsführer,
und Björn Kanstorf,
Vice President Marketing &
Sales Cabin Solutions,
AUTOFLUG GmbH

links Björn Kanstorf, rechts Martin Kroell

ES&T: AUTOFLUG ist in mehreren Techno-
logiebereichen für Streitkräfte aktiv. Könn-
ten Sie die wichtigsten Geschäftsfelder und
wirtschaftliche Kennzahlen benennen?
AUTOFLUG: AUTOFLUG ist eines der äl-
testen mittelständischen deutschen Luft-
fahrt- und Wehrtechnik-Unternehmen, das
zudem in der dritten Generation familien-
geführt ist. Seit seiner Gründung im Jahr
1919 hat sich AUTOFLUG der Rettung und
Sicherheit von Menschen verschrieben.
Zu unseren wesentlichen geschäftlichen
Säulen gehören die Bereiche Sicherheits-
sitze und Cabin Solutions, Rettungs- und
Sicherheitsausrüstung für fliegende Besat-
zungen, Kraftstoffmess- und Regelsysteme
und der Bereich Engineering und Services.
Daneben sind wir im Rahmen des koope-
rativen Modells langjähriger verlässlicher
Partner der Bundeswehr in der Schleuder-
sitzwartung und -instandsetzung sowie im
Service rund um die Bremsfallschirme des
Eurofighters, aber auch von Fallschirmen
und weiterem Equipment. All diese Berei-
che tragen zu unserem Umsatz von rund
40 Millionen Euro in diesem Jahr bei.
Wir beschäftigen derzeit rund 250 Mit-
arbeiterinnen und Mitarbeiter und bei al-
lem militärischen Schwerpunkt, den AU-
TOFLUG heute hat, freut es uns zu berich-
ten, dass wir derzeit auch einen leichten
crashsicheren Hubschraubersitz für zukünf-
tige zivile, sprich kommerzielle Hubschrau-
berplattformen entwickeln.
ES&T: Welchen Anteil hat der Bereich
Forschung und Entwicklung an Ihrer Ge-
schäftstätigkeit?
AUTOFLUG: In unserem Hause sind rund
20 Prozent unserer hoch qualifizierten Mit-
arbeiter mit der Entwicklung beschäftigt.
Dadurch tragen wir der enormen Bedeu-
tung von Innovation und Wettbewerbsfä-
higkeit Rechnung und treiben eigenfinan-
zierte Entwicklungen voran, um mit immer
neuen und weiterentwickelten Produkten
an den Markt gehen zu können. Ganz
aktuell sind wir dabei, ein Produktfamili-
enkonzept für zivile und militärische Hub-
schraubersicherheitssitze aufzubauen. Als
Ergänzung zu unserem Portfolio an militä-
rischen Luftfahrtsitzen arbeiten wir derzeit
an der Erweiterung durch einen leichten
Passagiersitz für zivile, mittlere und große
Hubschrauber sowie durch das modifizierte
Sitzsystem für die deutschen CH-53GS/GA.
ES&T: In welchen militärischen Systemen
sind Sie mit welchen Produkten vertreten?
Welches sind Ihre aktuell laufenden Pro-
gramme?
AUTOFLUG: Wir haben vor über 15 Jah-
ren mit der Entwicklung und Fertigung der
ballistisch geschützten Sitze für den Pilo-
ten und Gunner im Tiger begonnen und
schauen heute auf eine breite Palette von
Sicherheitssitzen für z.B. NH90, CH-53 und
A400M, in deren Kabine wir beispielswei-
se der größte Lieferant sind. Hinzu kommt
eine große Anzahl an minensicheren Sit-
zen in gepanzerten Rad- und Kettenfahr-
zeugen. Darüber hinaus sind wir derzeit in
der Entwicklung von Sitzpaletten für die
A400M, um diese innerhalb kürzester Zeit
auf eine Bestuhlung mit Economy-Passa-
giersitzen umzurüsten. Auf dieser Basis
werden zukünftig auch modulare Paletten
als Trägersysteme für die schnelle Ein- und
Ausrüstung von Sondersystemen wie In-
tensivpatientenmodule oder Sanitär- oder
Küchenmodule sowohl für die A400M als
auch für die C-130 verfügbar sein. Ein wei-
teres aktuelles Entwicklungsprojekt ist der
ABC-Schutzanzug für fliegendes Personal
für den Einsatz in Transport-, Sonderflug-
zeugen und Helikoptern (kurz AFP TSH
genannt). Aber auch die Reichweitenerhö-
hung von Helikoptern wie z.B. die CH-53
mittels Zusatztanks ist ein Thema, mit dem
wir uns heute beschäftigen.
ES&T: Welche Lösungen haben Sie für
ein mögliches Programm Schwerer Trans-
porthubschrauber (STH) im Angebot bzw.
womit würden Sie sich gerne an dem Pro-
gramm beteiligen, und was sollte aus Ihrer
Sicht bei der Beschaffung des neuen STH
nicht vergessen werden?
AUTOFLUG: Das STH-Programm ist nicht
nur für AUTOFLUG ein wichtiges Beschaf-
fungsvorhaben, sondern auch für die
ganze – zu großen Teilen ebenfalls mittel-
ständische – militärische Luftfahrtindus-
trie in Deutschland. Eine langfristige und
von amerikanischen OEM weitestgehend
unabhängige System- und Betreuungsfä-
higkeit ist für eine politisch souveräne Si-
cherheitspolitik entscheidend und sichert
das Know-how eines Hochtechnologiebe-
reiches in Deutschland.
AUTOFLUG kann mit seinen Erfahrungen
und heute verfügbaren Produkten im
Bereich der Rettung und Sicherheit, den
Passagiersicherheitssitzen und modularen

124 Europäische Sicherheit & Technik · September 2017

 WI RTSCHAF T & I ND US TR I E 

Mögliche Sitzkonfiguration für ei-
ne CH-53K mit 36 Sicherheitssitzen
mit höchstem Schutzniveau bezüg-
lich der Crashsicherheit
Ausrüstungslösungen einen wichtigen Bei-
trag zur operationellen Einsatzfähigkeit des
STH leisten. So steht bereits im nächsten
Jahr ein Passagiersicherheitssitz zur Verfü-
gung, der mit seinem Schutz gegen die Be-
schleunigungskräfte im Crashfall auch bei
hohen Insassenmassen nicht nur deutlich
über die heutigen zivilen Anforderungen
hinausgeht, sondern sogar über das militä-
risch geforderte Schutzniveau. Bei der Be-
schaffung des STH sind solche Anforderun-
gen früh zu definieren und im Rahmen der
Einführung vorzusehen, da damit später
aufwändige Nachrüstungen für die Crash-
sicherheit vermieden werden können.
ES&T: Welche technisch-operativen As-
pekte sind für die Konstruktion eines sol-
chen Sitzsystems ausschlaggebend, und
welche Vorteile bietet es für den Soldaten?
AUTOFLUG: Neben den hohen Crashan-
forderungen, die AUTOFLUG erfüllt, spielt
für den Endnutzer eine ganz wesentliche
Rolle, dass die Sitze dem militärischen An-
spruch nach Robustheit und Wartungs-
freiheit gerecht werden. Zudem erfüllen
wir mit dem Sitz das Kriterium der sehr
schnellen Ein- und Ausrüstbarkeit. Für die
Anpassung des AUTOFLUG-Passagiersitzes
für die deutschen CH-53GS/GA war beson-
ders wichtig, dass die Konstruktion keine
seitliche Einschränkung der Sitzfläche er-
fordert, um dem Insassen eine größtmögli-
che Bewegungsfreiheit zu bieten.
ES&T: Inwieweit ist AUTOFLUG in die ak-
tuellen Diskussionen und Vorbereitung zur
Beschaffung STH involviert?
AUTOFLUG: Wir sind bereits seit mehre-
ren Monaten im permanentem Austausch
mit der Sikorsky, dem Hersteller der CH-53K,
dem derzeit modernsten Transporthub-
schrauber am Markt. Erste gemeinsame
Bestrebungen haben zu der Erkenntnis
geführt, dass die Sitzentwicklungen aus
unserem Hause eine optimale Ergänzung
zum Thema Crashsicherheit und Anpass-
barkeit an die unterschiedlichen missions-
bedingten Setups darstellen. Dank des kon-
struktionsbedingten geringen Platzbedarfs
unserer Sitze ist es möglich mehr als 36
Soldaten in crashsicheren Einzelsitzen zu
transportieren. Natürlich führen wir auch
Gespräche mit Airbus Helicopters, um früh
eine reibungslose Integration in zukünftige
Wartungs- und Instandhaltungskonzepte
Innenraum einer mit AUTOFLUG
Sicherheitssitzen ausgerüsteten
A400M
zu diskutieren. Wie bereits gesagt ist eine
weitestgehend unabhängige System- und
Betreuungsfähigkeit aus deutscher Hand
unerlässlich für die neu zu beschaffenden
Hubschraubersysteme, um während der
langen Einsatzdauer eine optimale Einsatz-
verfügbarkeit zu erreichen.
Die Fragen stellte Waldemar Geiger.

Die aktuelle auSgaBe iSt Da!

Wilhelm Bocklet (Hrsg.)
Der Reibert – Das Handbuch für die Soldatinnen
und Soldaten der Bundeswehr
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Der Reibert ist seit Jahrzehnten das bewährte Handbuch für alle Bundeswehr-
angehörigen und ein unverzichtbares Hilfsmittel vor allem für junge Soldatinnen
und Soldaten. Er liefert das Grundwissen über unseren Staat und seine Streit-
kräfte und stellt deren Aufbau, Ausrüstung und Auftrag vor. Als Nachschlage-
werk bietet »Der Reibert« zahlreiche Informationen für den praktischen Dienst
und für den Unterricht im Rahmen der militärischen Ausbildung. Er wird jährlich
aktualisiert, ein ausführliches Stichwortverzeichnis erleichtert die schnelle
Suche nach dem gewünschten Thema.

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Bücher
Zukunftsforschung als
Planungsunterstützung
Ulrich Wiemken: Technologieprognosen,
Zielfindung und strategische Planung;
Nomos Verlag, Baden-Baden 2016, 174
Seiten, 34,00 €; ISBN 978-3-8487-3230-2
Planungsrelevanz – dieser Begriff zieht sich gleich
einem roten Faden durch die gebundene und
ebenso bündige Zusammenstellung von Essays,
Vorträgen und Vorlesungen aus vierzig Jahren
Forscherleben als Futurologe. Futurologie und
Planungsrelevanz: Das ist wie Sahnetorte versus
Knäckebrot. Fesselnde, manchmal schauerliche,
immer aber erregende Zukunftsbilder hier, sprö-
der, mechanischer Bürokratenalltag da.
Uwe Wiemken, über zwölf Jahre Leiter
des Fraunhofer-Instituts für Naturwis-
senschaftlich-Technische Trendanaly-
sen INT und Honorarprofessor an der
Hochschule Bonn-Rhein-Sieg würde
sich selbst wohl nicht als Futurologe
bezeichnen. Zukunftsforscher, Tech-
nik-Analytiker ja. Aber Futurologe? In
Deutschland hat dieser Begriff einen
zweifelhaften Ruf, ganz im Gegensatz
zu Ländern wie den USA oder Südkorea,
die nicht nur reich an technischer Fanta-
sie, sondern auch an realer Innovation
sind. Dabei gab es auch in Deutschland
eine Zeit ungebremster Zukunftsphan-
tasie. Wessen Jugend in den Fünfziger-
bis Sechzigerjahren des vergangenen
Jahrhunderts vom Neuen Universum
und den utopischen Skizzen Klaus Bür-
gles geprägt war, in dem klingt immer
noch der Herzschlag eines ungebroche-
nen, technisch belebten Zukunftsopti-
mismus nach. Liegt es auch an dieser
Prägung, dass Uwe Wiemken zwei Drit-
tel seines Buches einem Unterkapitel mit
der Überschrift „Die Nachkriegszeit“
widmet? Die Relation des Umfangs
dieses zu den anderen Kapiteln irritiert
ein wenig, ist aber nicht unlogisch. Die
Nachkriegszeit im Sinne dieses Kapitels beginnt
mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs und endet
eigentlich gar nicht, sondern wir stecken weiter
mitten in ihr – und dies mitten in Kriegen, die
nicht mehr als historische Zäsuren wahrgenom-
men werden. Wiemken verfängt sich aber nicht
in einem Nachgesang des Technotopia der frü-
hen Nachkriegszeit und deren Atom-Visionen,
wiewohl diese prägend waren für das Fraunho-
fer INT, das auch schon Jahrzehnte, bevor er mit
dessen Leitung betraut wurde seine berufliche
Heimat bildete. Früher fast ausschließlich, heute
noch zu einem großen Teil, ist dieses Institut der
Technologievorausschau für das Bundesministe-
rium der Verteidigung gewidmet. Und so nimmt
es nicht Wunder, dass Fragen der Sicherheit, das
heißt der Auseinandersetzung mit menschenge-
126 Europäische Sicherheit & Technik · September 2017
machten Bedrohungen die Auseinandersetzung
des Autors mit Technologieprognosen, Zielfin-
dung und strategischer Planung (so der Titel des
Buchs) bestimmt. Das Sicherheitsproblem ist laut
Wiemken notwendigerweise mit dem Vorsorge-
und Planungsproblem verknüpft. Und so macht
der Autor auch klar, dass Futurologie nicht – je-
denfalls nicht in ihrem Kern – aus dem Skizzieren
phantastischer Zukunftsentwürfe besteht, son-
dern in der systematischen Synthese denkbarer
„Zukünfte“ im Sinne von Szenarien mit dem Ziel,
in einer Was-Wäre-Wenn-Analyse Planungsun-
terstützung zu leisten. Nach einer kompakten,
im Gesamtblick auf das Buch aber bedauerlich
kurzen Einführung zur Rolle der Wissenschaft in
der Planung im Allgemeinen und den Hauptas-
pekten der heutigen Forschung aus Sicht der Pla-
nungsrelevanz beginnt Wiemken sein Kernkapitel
„Über Prognosen“ mit einem überraschenden
„Rücksturz“ ins Mittelalter und zu Roger Bacon.
Dieser formulierte nicht nur zu seiner Zeit wahr-
haft atemberaubende, immer wieder gerne zitier-
te technische Visionen („Wagen wird es geben,
die ohne Zugtiere fortbewegt werden mit unge-
heurer Kraft“); sondern er begründete auch eine
säkulare Sicht auf die Naturforschung mit den
drei Komponenten Autorität, Begründung und
Erfahrung. Die Autorität überrascht in diesem
Zusammenhang, ist sie doch ein Kennzeichen
vorsäkularer Wissenschaftsauffassung. Doch
wenn es um Planungsrelevanz geht, dann müs-
sen die Empfehlungen der Zukunftsforscher auch
auf offene Ohren und bereitwillige Hände der
Planer stoßen. Mit zunehmender Erklärungskraft
der Naturwissenschaft schwand die im Mittel-
alter noch alleingültige Dominanz der Autorität
zu Gunsten der wissenschaftlich belegbaren Vor-
hersage. Dennoch stieß, wie Wiemken ausführt,
Guglielmo Marconi um die Jahrhundertwende
zunächst auf taube Ohren als er einen – nach
damaligem Wissenstand gewagten, keineswegs
aber utopischen – transatlantischen Drahtlos-Te-
legrafen vorschlug. Und Karl Steinbuchs Progno-
se aus dem Jahr 1966 [sic] über den zu erwar-
tenden dramatischen Wandel der Arbeitswelt
durch die Computerentwicklung wurde damals
von der politischen Handlungswelt schlichtweg
ignoriert, weil mit florierendem Export kein ak-
tueller Leidensdruck zu spüren war. Dabei waren
die späten 1960er und die frühen 1970er
Jahre geprägt von einerseits sehr optimis-
tischer Einschätzung formal methodischer
Vorhersage mit den Mitteln des „Opera-
tion Research“ als auch der zumindest in
Deutschland als eher technikkritisch wahr-
genommenen Technologiefolgenabschät-
zung. Beide gerieten dann aus verschiede-
nen, auch methodischen Gründen in eine
Krise. Der wesentliche Grund aber ist, dass
politische Entscheidungsträger gerne die
Übereinstimmung ihrer eigenen Lagebe-
urteilung (und ihrer politischen Ziele) mit
einer wissenschaftlichen Analyse für die
Begründung ihres politischen Handelns in
Anspruch nehmen. Wenn die Analyse aber
davon abweicht, nehmen sie oft genug ih-
re Macht zum Ignorieren in Anspruch.
Leider verliert sich der Autor nun in dem wie
schon erwähnt relativ langen Unterkapitel
„Die Nachkriegszeit“ in einer manchmal
mehr, manchmal weniger ausführlichen
Beschreibung von spezifischen Technolo-
gien, von maschineller Gesichtserkennung
über Biowaffen bis zum „Nanosoldier“.
So zeigt er aber auch das Dilemma der
Zukunftsforschung auf. Sie kann erkannte,
atemberaubende technologische Ansätze
aufgreifen und szenarisch fortspinnen. Ei-
nes kann sie nicht: Disruptive Technologien
verlässlich vorhersagen. Ehre gebührt Wiemken
in diesem Zusammenhang für den Begriff „pla-
nungsbrechend“, einer treffenden deutschen
Übersetzung von disruptiv. Planung setzt immer
ein regelbasiertes Verhalten voraus, bei dem als
Ziel ein Sollzustand gegeben sein muss und ein
Weg vom Ist-Zustand zu diesem hin vorgezeichnet
werden kann. Alles Disruptive ist notwendigerwei-
se planungsbrechend. Und Disruptionen werden
eben nicht vorhergesagt. Sie werden geschaffen.
Und an dieser Stelle schält sich das Kernanliegen
Wiemkens heraus: Die Zukunftsforschung muss
den ethischen Diskurs fördern und die Gesellschaft
auf einem Lernweg begleiten, über Möglichkeiten
zu streiten. Denn letztlich liegt jeder Entscheidung
über die Nutzung eines technischen Potenzials ein
ethisches Kriterium zu Grunde.  (Jürgen Beyerer)
Als U-Boote im Harz
konstruiert wurden
Eberhard Rössler: Ingenieurbüro
Glückauf; Bernard & Graefe in der Mönch
Verlagsgesellschaft mbH, Bad Neue-
nahr-Ahrweiler 2016, 154 Seiten, 24,00 €;
ISBN 978-3-7637-6292-7
Mit dem legendären U-
Boot Typ XXI begann
eine neue Ära auf dem
Gebiet der Untersee-
boote, nicht nur im
Hinblick auf die erheb-
lich verbesserten Unter-
wassereigenschaften,
sondern auch auf das
angewandte Bauverfah-
ren und die Geschwin-
digkeit, mit der eine
völlig neue Konstruktion
fertiggestellt wurde. Dazu waren ab August 1943
in den Harzstädtchen Blankenburg und Halber-
stadt über 1.000 bedeutende Konstrukteure,
Betriebsingenieure und Hilfskräfte der deutschen
U-Bootwerften zusammengezogen worden. Sie
bildeten dort das Ingenieurbüro Glückauf, in
dem am 8. Dezember 1943 die Konstruktion der
U-Boottypen XXI und XXIII und ein Jahr später
die des revolutionären Walter-U-Boottyps XXVI
abgeschlossen werden konnten. Die vorliegende
Dokumentation mit vielen Abbildungen, z.T. von
Original-Schriftstücken, gibt einen sehr detail-
Vor 25 Jahren: Unterzeichnung der Chemiewaffenkonvention in Genf
Die Chemiewaffenkonvention (auch Chemie-
waffenübereinkommen, CWÜ) ist ein interna-
tionales Übereinkommen von Mitgliedstaa-
ten der Vereinten Nationen, das Entwicklung,
Herstellung, Besitz, Weitergabe und Einsatz
chemischer Waffen verbietet. Die Konvention
sieht eine Reihe konkreter Abrüstungsschritte
vor. Mit Hinterlegung der Ratifizierungsurkun-
de bei den Vereinten Nationen verpflichteten
sich die Unterzeichnerstaaten, vorhandene
Bestände zu deklarieren und bis zum Jahr
2012 sämtliche Chemiewaffen unter inter-
nationaler Aufsicht zu vernichten. Das CWÜ
bezeichnet als chemische Waffen neben den
toxischen Chemikalien auch Munition oder
Geräte, die eigens dazu entworfen sind, durch
Ausnutzung der toxischen Eigenschaften der
aufgeführten Chemikalien den Tod oder son-
stige Schäden herbeizuführen. Mit der Über-
lierten Überblick über die Struktur und Arbeit des
größten U-Boot-Konstruktionsbüros Deutsch-
lands. In einem sehr umfänglichen Anhang sind
dazu die Rüstungsbesprechungen der Marine und
des Ministeriums für Rüstung und Kriegsproduk-
tion aufgeführt, in denen sich die große Diskre-
panz zwischen Planungen und den vorhandenen
Möglichkeiten des deutschen U-Bootbaus in den
letzten Kriegsjahren wiederspiegeln.  (pg)
Krieg nach dem Krieg
Robert Gerwarth: Die Besiegten. Das blu-
tige Erbe des Ersten Weltkrieges; Siedler
Verlag, München 2017; 479 Seiten, 29,99 €;
ISBN 978-3-8275-0037-3
Die Ära zwischen
1914 und 1945 als
„Zweiten Dreißig-
jährigen Krieg"
zu bezeichnen,
mag zwar als das
krampfhafte Be-
mühen um ein
geistvolles Aperçu
erscheinen. Weit
fragwürdiger ist es
jedoch, die Jahre
zwischen dem „En-
de" des Ersten und dem „Beginn" des Zweiten
Weltkrieges als „Zwischenkriegszeit" auszu-
wachung zur Einhaltung der Konvention ist
seit ihrem Inkrafttreten die Organisation für
das Verbot chemischer Waffen mit Sitz in Den
Haag beauftragt. Die Konvention wurde am
3. September 1992 von den Mitgliedstaaten
der Genfer Abrüstungskonferenz verabschie-
det. Nach Billigung durch die UN-Generalver-
sammlung im Dezember 1992 wurde sie in
Paris, danach am Hauptsitz der Vereinten Na-
tionen in New York, zur Zeichnung aufgelegt.
Am 29. April 1997, 180 Tage nachdem der
65. Unterzeichnerstaat seine Ratifizierungs-
urkunde hinterlegt hatte, trat die Chemiewaf-
fenkonvention in Kraft. Die Konvention wurde
1994 von Deutschland, 1995 von Österreich
und der Schweiz ratifiziert. Diese Ratifikati-
onen traten zum 29. April 1997 in Kraft. Mit
Stand vom 16. Oktober 2015 gilt das Über-
einkommen inzwischen in 192 Staaten.(gm)
September 2017 · Europäische Sicherheit & Technik
geben. Diesem Euphemismus setzt der heute
in Dublin lehrende Historiker Robert Gerwarth
ein nüchternes Bild der tatsächlichen Lage ent-
gegen, die die östliche Hälfte Europas nach der
Niederlage der Mittelmächte kennzeichnete. Aus
dem Zerfall der Reiche der Habsburger und der
Osmanen gingen Staaten hervor, die aus dem
Recht auf Selbstbestimmung und Wahrung ih-
rer kulturellen Identität zwar ihre Legitimation
schöpften, dieses aber den eigenen Minder-
heiten vorenthielten. Mit dem Vorbild der Ok-
toberrevolution vor Augen, sahen Kommunisten
angesichts der gesellschaftlichen und ökono-
mischen Zerrüttung den Zeitpunkt gekommen,
den Zusammenbruch der alten Ordnung in ihrem
Sinn zu vollenden. Zwischenstaatliche Kriege (et-
wa zwischen Polen und Russland sowie zwischen
der Türkei und Griechenland), Bürgerkriege, Re-
volutionen, Pogrome und Vertreibungen führten
zu einer Eskalation der Gewalt, auch und gerade
gegen die Zivilbevölkerung, die Millionen Men-
schen das Leben kostete.  (pb)
Luftfahrt aktuell
Claudio Müller: Flugzeuge der Welt 2017;
Motorbuch Verlag, Stuttgart 2017; 320
Seiten, 12,95 € ; ISBN 978-3-613-03950-6
Als Claudio Müller 1994
zum ersten Mal „Flug-
zeuge der Welt“ heraus-
brachte, konnte die Reihe
bereits auf erfolgreiche
Jahrzehnte zurückblicken.
Im Klappentext hieß es
damals: „Flugzeuge der
Welt“ ist das einzige
deutschsprachige Hand-
buch, welches in einem
kurzen und trotzdem
umfassenden Überblick
die wichtigsten neuen Flugzeugmodelle der Welt
vorstellt. In Bild, Text und Dreiseitenriss beschreibt
der Autor die zurzeit aktuellsten Zivil- und Militär-
maschinen aus der ganzen Welt.“ Dies gilt auch
heute noch unverändert, wie die vorliegende Aus-
gabe dieses Jahres deutlich belegt. Der Schwer-
punkt dieser Ausgabe sind die militärischen Aus-
bildungsflugzeuge, begonnen vom Anfangstrainer
bis zum Überschall-Trainer. Dies hat auch einen
Grund, denn viele Nationen sind derzeit auf der
Suche nach einem derartigen Flugzeug, voran die
USA, die einen Nachfolger für die in die Jahre ge-
kommene T-38 suchen. Aber auch die anderen Be-
reiche der Luftfahrt werden nicht vernachlässigt,
und so liegt wieder ein kleines, aber sehr informa-
tives Nachschlagewerk vor, das seinen „Kunden“
nicht nur Daten serviert, sondern darüber hinaus
auch viele interessante Hintergründe und Zusam-
menhänge aufzeigt.  (pp)
127
 Gesellschaft für Sicherheitspolitik e.V.

Die Internationale Ordnung

im Umbruch
13. Petersberger Gespräche zur Sicherheit in Königswinter
Das Thema der nunmehr 13. Petersberger Gespräche zur Sicherheit lautete „Internationale Ordnung im
Umbruch“. Darunter kann man sich vieles vorstellen: Doch der Untertitel auf der Einladung war ergänzt:
„Aktuelle Herausforderungen und Perspektiven der deutschen und europäischen Außen-, Sicherheits- und
Verteidigungspolitik“.

D amit war der Rahmen der am 1. Ju-

li in Königswinter stattgefundenen
Veranstaltung abgesteckt. Wegen
einer Grundrenovierung der Rotunde im
Steigenberger Grandhotel auf dem Pe-
land sprach er an. Immer wieder ist auch
das Engagement der Ausbildungshilfe für
Afghanistan ein Diskussionsthema.
sozialen Absicherung der Arbeitnehmer,
z.B. in der Rüstungsindustrie, wenn diese
international aufgestellt wird, sieht auch
Klaus Beck noch Handlungsbedarf. Soziale
Bevölkerungswachstum –

(Foto: Reinhold Hocke)

tersberg hatten sich die rund 300 Veran-
staltungsteilnehmer in diesem Jahr an sei-
nem Fuße im Hotel Maritim Königswinter
getroffen. Gemeinsam organisiert vom
Team des Vorsitzenden des Verteidigungs-
ausschusses MdB Wolfgang Hellmich, der
Gesellschaft für Sicherheitspolitik und der
Karl-Theodor-Molinari-Stiftung des Deut-
schen BundeswehrVerbandes, hat diese
Veranstaltungsreihe ihre treue Zuhörer-
schaft.
(Foto: Reiner Wehner)
Erderwärmung – Rohstoff-
verknappung
Walter J. Lindner, Staatssekretär im Aus-
wärtigen Amt, gerade aus Beirut kom-
mend, zeichnete ein düsteres Bild der
gegenwärtigen politischen Lage auf der
Welt. An 18 Peacekeeping-Missionen
(Friedensmissionen) ist Deutschland mo-
mentan beteiligt. Namen, die jeden Tag in
den Nachrichten zu hören oder zu lesen
sind, zählte er auf. Mali, Irak, Ukraine, Afg-

hanistan u.a. Drei Globalprobleme sieht er

in nächster Zeit noch stärker werden: die
Bevölkerungsexplosion, die Erderwärmung
und die Rohstoffverknappung. Zukünftige
Konflikte, Krisen und bewaffnete Ausein-
andersetzungen sind damit programmiert.
Die sozialen Konflikte werden zunehmen, Keynote von Staatssekretär Wal-
die Fluchtbewegung aus Afrika nicht ab- ter J. Lindner, Auswärtiges Amt
nehmen. Lösungen konnte er nicht anbie-
ten. Krisenprävention würde nach seiner Be-
urteilung manchen Konflikt gar nicht erst
Die Europäische Union will entstehen lassen. Anregungen gab es im
stärkeren Einfluss ersten Teil genug für das Pausengespräch.

Teilnehmer der ersten Diskussionsrunde Dynamik – Schnelligkeit –

Begrüßung durch Wolfgang
Hellmich MdB, Vorsitzender des
Verteidigungsausschusses des
Deutschen Bundestages
In seiner Begrüßung ging Hellmich auf die
Vorfälle in den Streitkräften und deren
Behandlung im Verteidigungsministerium
und im Parlament ein. Aber auch die Er-
wartungshaltung der NATO an Deutsch-
waren Rüdiger Huth, Flottillenadmiral Jür-
gen Ehle, Almut Wieland-Karimi und Klaus
Beck. Die Sicherheitslage ist volatiler ge-
worden, die Erwartungen an Deutschland,
sich stärker im NATO- und EU-Rahmen mit
der Bundeswehr zu engagieren, auch. Die
EU will mit einem Fonds Forschungs- und
Fähigkeitsfenster stärken. Die Finanzierung
ist allerdings nicht geklärt. Eine Verbesse-
rung sieht Wieland-Karimi für die Teilneh-
mer an den Friedensmissionen, in Deutsch-
land werden diese mit Arbeitsverträgen so-
zial abgesichert werden. Auf dem Feld der
Unberechenbarkeit
Mit dem Thema „Die Bundeswehr im Ein-
satz. Sachstand – Erfahrungen – Perspekti-
ven“ wird der Nachmittagsteil eingeleitet.
An 16 Einsätzen ist Deutschland aktuell be-
teiligt. Als neu bezeichnet der Abteilungs-
leiter Strategie und Einsatz im BMVg, Gene-
ralleutnant Dieter Warnecke, die Dynamik,
die Schnelligkeit, die Unberechenbarkeit
und die Nähe der Einsätze. Rund 10.000
Soldaten sind für NATO, EU, UN und die
Koalition der Willigen im Einsatz. Es gibt

Seite Europäische Sicherheit & Technik · Monat

128 Europäische Sicherheit & Technik · September 2017
 (Foto: Reiner Wehner)
(Foto: Reinhold Hocke)
Das Vormittags-Panel: v.l. Klaus Beck, Bundesvorstands- Das Nachmittags-Panel: v.l. MdB Wolfgang Hellmich,
sekretär DGB, Dr. Almut Wieland-Karimi, Direktorin ZIF, GSP-Präsidentin Ulrike Merten, Joachim Schaprian
Joachim Schaprian (Moderator), Ministerialdirigent Dr. (Moderator), Dr. Hans-Peter Bartels, Wehrbeauftragter
Rüdiger Huth, stellv. Abteilungsleiter Politik im BMVg, des Deutschen Bundestages, Oberstleutnant André
Flottillenadmiral Jürgen Ehle, Leiter Arbeitsbereich Mili- Wüstner, Vorsitzender des Deutschen Bundeswehr
tärpolitik bei der Ständigen Vertretung der Bundesrepu- Verbandes und der Karl-Theodor-Molinari-Stiftung
blik Deutschland bei der EU

viele Fragen. Was passiert mit dem Irak,
Syrien, Türkei oder Libyen? Antworten:
Achselzucken. Mit der Inneren Lage der
Bundeswehr befasste sich die Abschluss-
runde, mit Hans-Peter Bartels, Wehrbe-
auftragter des Deutschen Bundestages,
Oberstleutnant André Wüstner, Vorsit-
zender des Deutschen BundeswehrVer-
bandes und der Karl-Theodor-Molina-
ri-Stiftung, Ulrike Merten, Präsidentin der
Gesellschaft für Sicherheitspolitik, und
Wolfgang Hellmich. Das Vertrauen in die
politische und militärische Führung ist
nach den Vorfällen in der Truppe und
deren globale undifferenzierte Bewer-
tung verloren gegangen. Die Erwäh-
nung von Oberleutnant Franco A., der
als syrischer Flüchtling anerkannt wurde,
konnte nicht ausbleiben. Die Bewertung immer länger in den Köpfen fest. Die Öf-
der Inneren Lage der Bundeswehr fällt fentlichkeit hat sich bedauerlicherweise
dem Wehrbeauftragten nicht schwer. von der Bundeswehr abgewendet. Of-
Seine Adresse hängt an jedem Schwar- fenheit und Austausch müssen besser
zen Brett in der Truppe. gefördert werden, die ethischen Aspekte
des Dienens mehr hervorgehoben wer-
Die Sensoren wurden den, forderte die Präsidentin der GSP.
nicht beachtet Das Schlusswort zum „Petersberg Ge-
spräch zur Sicherheit“ hatte Wolfgang
„Seit Jahren schlagen die Sensoren aus“, Hellmich. Er fordert u.a. eine jährliche
meinte André Wüstner. Mit der kleins- Regierungserklärung zur Sicherheits-
ten Bundeswehr sollen die größten He- politik bzw. sicherheitspolitischen Lage
rausforderungen geleistet werden. In Deutschlands. Dies ist nicht neu, nur wur-
der Truppe herrscht ein guter Geist, sie de es bisher nicht umgesetzt.
hat bisher alle Belastungen bewältigt. Peter E. Uhde
Die Bundeswehr steht immer im Fokus GSP-Medienbeauftragter
der Öffentlichkeit, wenn es um negati- In eigener redaktioneller
ve Schlagzeilen geht. Diese setzen sich Verantwortung

Gesellschaft für Sicherheitspolitik e.V.

5 3 1 1 1 B o n n , W e n z e l g a s s e 4 2 , Te l . : ( 0 2 2 8 ) 6 5 2 5 5 6 . E - M a i l : g e s c h a e f t s s t e l l e @ g s p - S i p o . d e

Sicherheitspolitische Öffentlichkeitsarbeit für Jedermann Gliederung/Kontakt

Die GSP widmet sich als unabhängiger und überparteilicher Verein mit ihren rund Die GSP gliedert sich in 7 Landesbereiche und 2 selbstständige Sektionen,
100 Sektionen, unterstützt von über 6.000 Mitgliedern, der Vermittlung sicherheits- die direkt dem Vorstand unterstellt sind. Sie errreichen sie wie folgt:
politischen Verständnisses in der Bevölkerung.
Landesbereich Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und
Veranstaltungsangebot Hamburg (Tel.: 04331/696174)
Die Sektionen als Hauptträger unserer Öffentlichkeitsarbeit veranstalten Vorträge,
Seminare. Symposien und Kongresse sowie Informationsbesuche und Exkursionen Landesbereich Niedersachsen und Bremen (Tel.: 04761/70121)
für alle interessierten Bürger. Landesbereich Nordrhein-Westfalen (Tel.: 0172/3034560)
Gemeinnützigkeit
Landesbereich Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland (Tel.: 02255/4258)
Die GSP ist wegen ihrer besonders förderungswürdigen satzungsgemäßen Aufgaben
durch Freistellungsbescheid des Finanzamtes Bonn-Innenstadt Steuernummer Landesbereich Baden-Württemberg (Tel.: 0711/605555)
205/5764/0498, als gemeinnützig und spendenfähig anerkannt worden. Landesbereich Bayern (Tel.: 08239/7114)
Spendenkonto
Landesbereiche Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen
Sparda-Bank eG Köln IBAN DE53 3706 0590 0200 6402 20
(Tel.: 030/36289697)
Präsidentin: Ulrike Merten
Geschäftsführer: OTL a.D. Jürgen Rann Selbstständige Sektion Bonn (Tel.: 0151/155677401)

Vereinsregister-Nr.: 5684, Amtsgericht Bonn Selbstständige Sektion Berlin (Tel.: 0176/23366939)

September 2017 · Europäische Sicherheit & Technik 129

 Gast-Kommentar
Wirtschaftsförderung in
Tarnfleck oder bedarfsgerechte
Beschaffung?
Wann immer es um die Beschaffung von
Ausrüstung für die Streitkräfte geht, sollte
der militärische Bedarf an erster Stelle ste-
hen. Dazu gehören die Leistungsfähigkeit
eines Waffensystems, die Interoperabilität
(also die reibungsfreie Zusammenarbeit mit
den Verbündeten) und schließlich natürlich
auch die Wirtschaftlichkeit. Sollte – denn in
der Realität lief es lange völlig anders. Die
Bundeswehr bekam in der Vergangenheit
häufig das, was die Industrie liefern konnte.
Und wenn es gut lief, war es auch das, was
die Soldatinnen und Soldaten brauchten.
Verteidigungsministerin Ursula von der Ley-
en hat wie so viele ihrer Vorgänger ange-
kündigt, mit dieser Praxis endgültig Schluss
zu machen. Doch im Gegensatz zu den vie-
len Herren an der Spitze des Bendlerblocks
hat es den Anschein, dass die erste Frau in
diesem Amt tatsächlich Taten folgen lassen
will. Jedenfalls erteilte ihre resolute Rüs-
tungsstaatssekretärin Katrin Suder jüngst
den Wünschen der deutschen Industrie mit
Blick auf den künftigen schweren Trans-
porthubschrauber eine deutliche Abfuhr.
Der Bundesverband der Luft- und Raum-
fahrtindustrie BDLI wünschte sich, dass
Wartung und Instandhaltung der Nachfol-
ger für die betagte CH-53-Flotte doch ge-
trennt von der Beschaffung des Fluggeräts
ausgeschrieben werden solle und nicht
zusammen, wie das Suder beabsichtigt.
Doch die Staatssekretärin gab sich hart.
Sie verspricht sich von einer Paketlösung
mehr Wirtschaftlichkeit und transparentere
Verträge. Und tatsächlich kann man diese
Haltung verstehen. Über Jahrzehnte war
der Wehretat so etwas wie ein industriepo-
litischer Selbstbedienungsladen. Jeder, der
laut genug schrie, wurde mit Vertrag und
Auftrag bedacht. Und weil das nicht nur
in Deutschland, sondern auch in unseren
Nachbarländern so ist, gibt es auch vom
angeblich einheitlichen mittleren europäi-
schen Transporthubschrauber NH90 diverse
unterschiedliche Versionen, mit unter-
schiedlichen Sitzen, unterschiedlicher Avio-
nik, unterschiedlichen Triebwerken. Ähnli-
ches gilt für den Kampfhubschrauber Tiger
oder den Airbus A400M. Es will eben jeder
seinem Unternehmen etwas Gutes tun.
Oder aber es sind die Streitkräfte selbst, die
ständig neue Forderungen aufstellen und
die sich am liebsten das Traumsystem für
130 Europäische Sicherheit & Technik · September 2017
den vierdimensionalen Krieg der Sterne ba-
cken würden, statt auf das zu schauen, was
es am Markt zu vernünftigen Konditionen
und schnell verfügbar gibt. Auch wenn die-
ses Verhalten kurzfristig für die beteiligten
Unternehmen lukrativ ist, langfristig verlie-
ren alle bei dieser Mischung aus beschaf-
fungspolitischer Kleinstaaterei und militä-
rischer Eigenbrötlerei. Da wäre erst einmal
der Steuerzahler, der beispielsweise deutlich
mehr für einen Hubschrauber zahlen muss
als eigentlich notwendig. Leidtragende sind
natürlich auch die Soldatinnen und Solda-
ten. Sie müssen länger auf ihr Gerät warten
als erforderlich und gehen womöglich mit
unausgereiften Systemen in den Einsatz, die
nur mit erheblicher Unterstützung der Her-
steller genutzt werden können. Dann die
Industrie selbst, deren Produkte umso teu-
rer und fehleranfälliger werden, desto mehr
Sonderwünsche und Anforderungen und
nationale Zulieferer es gibt. Und deren Kräf-
te durch diese kleinteilige Projektgestaltung
so gebunden sind, dass die Kapazitäten
für eigene Neuentwicklungen fehlen. Am
Ende können europäische Unternehmen
bei neuen Beschaffungsvorhaben nichts an-
bieten, und man muss zwangsläufig auf die
Konkurrenz aus den USA zurückgreifen. Die
Alternative kann nur eine Mischung sein:
bewährte, marktverfügbare Lösung, wie
beim schweren Transporthubschrauber.
Und die drastische Vereinheitlichung bei
europäischen Neuentwicklungen. Es darf
eben nicht mehr zehn Versionen eines
Hubschraubers geben, sondern nur noch
zwei. Das spart Kosten – übrigens auch
durch gemeinsame Ausbildung – und ver-
bessert nebenbei noch die Interoperabili-
tät und damit die Nutzbarkeit im multi-
nationalen Einsatz. Die nützt dann auch
den Streitkräften, die dafür allerdings auch
einen Teil ihrer Goldrandlösungs-Attitüde
aufgeben müssten. Doch es ist zweifel-
haft, ob Politik, Militärs und Industrie
mutig genug sind, diesen Schritt zu ge-
hen. Nationale Wirtschaftförderung aus
dem Verteidigungsetat in Verbindung mit
Ignoranz und überzogenen Ansprüchen
bei den Militärs war und ist eben ein allzu
süßes Gift – verzichten will kaum jemand
darauf.
Christian Thiels ist der Verteidigungs-
experte der Tagesschau.
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Widerrufsrecht: Sie haben das Recht, binnen vierzehn Tagen ohne Angabe von Gründen diesen Vertrag zu wider-
rufen. Die Widerrufsfrist beträgt vierzehn Tage ab dem Tag an dem Sie oder ein von Ihnen benannter Dritter, der nicht
der Beförderer ist, die erste Ware in Besitz genommen haben bzw. hat. Um Ihr Widerrufsrecht auszuüben, müssen Sie
uns (Mittler Report Verlag GmbH, Baunscheidtstraße 11, D-53113 Bonn, Tel.: 0228/ 3500870, Fax: 0228/ 3500871,
E-Mail: info@mittler-report.de) mittels einer eindeutigen Erklärung (z. B. ein mit der Post versandter Brief, Telefax oder
E-Mail) über Ihren Entschluss, diesen Vertrag zu widerrufen, informieren. Zur Wahrung der Widerrufsfrist reicht es aus,
dass Sie die Mitteilung über die Ausübung des Widerrufsrechts vor Ablauf der Widerrufsfrist absenden.
Folgen des Widerrufs: Wenn Sie diesen Vertrag widerrufen, haben wir Ihnen alle Zahlungen, die wir von Ihnen
erhalten haben, einschließlich der Lieferkosten (mit Ausnahme der zusätzlichen Kosten, die sich daraus ergeben,
dass Sie eine andere Art der Lieferung als die von uns angebotene, günstigste Standardlieferung gewählt haben),
unverzüglich und spätestens binnen vierzehn Tagen ab dem Tag zurückzuzahlen, an dem die Mitteilung über Ihren
u Jan-Phillipp Weisswange Widerruf dieses Vertrags bei uns eingegangen ist. Für diese Rückzahlung verwenden wir dasselbe Zahlungsmittel, das
Sie bei der ursprünglichen Transaktion eingesetzt haben, es sei denn, mit Ihnen wurde ausdrücklich etwas anderes
Handwaffen und vereinbart; in keinem Fall werden Ihnen wegen dieser Rückzahlung Entgelte berechnet. Wir können die Rückzahlung
verweigern, bis wir die Waren wieder zurückerhalten haben oder bis Sie den Nachweis erbracht haben, dass Sie die
Panzerabwehrhandwaffen Waren zurückgesandt haben, je nachdem, welches der frühere Zeitpunkt ist.
Sie haben die Waren unverzüglich und in jedem Fall spätestens binnen vierzehn Tagen ab dem Tag, an dem Sie uns über
der Bundeswehr den Widerruf dieses Vertrags unterrichten, an uns zurückzusenden oder zu übergeben. Die Frist ist gewahrt,
Geschichte, Taktik, Technik wenn Sie die Waren vor Ablauf der Frist von vierzehn Tagen absenden. Wir tragen die Kosten der Rücksendung der Waren.
Sie müssen für einen etwaigen Wertverlust der Waren nur aufkommen, wenn dieser Wertverlust auf einen zur Prüfung der
Beschaffenheit, Eigenschaften und Funktionsweise der Waren nicht notwendigen Umgang mit ihnen zurückzuführen ist.
Hiermit bestätige ich, dass ich mein Widerrufsrecht zur Kenntnis genommen habe.
Die Auslieferung der Prämie erfolgt,
sobald die erste Abonnementrechnung Datum, 2. Unterschrift
beglichen ist.

Bestellung mit Bestellschein (Post oder Fax), MITTLER REPORT VERLAG GMBH
per e-Mail an info@mittler-report.de oder Baunscheidtstraße 11 · 53113 Bonn
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