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DEUTSCH ALS FREMDSPRACHE

Plädoyer für den Meisterlehrer

Ältere Lehrer und Lehrerinnen an deutschen Schulen bedauern oft, dass sie von jungen
Kollegen und Kolleginnen selten um Rat gefragt werden, obwohl sie von diesen durchaus
als erfahren und versiert geschätzt werden. Viele sehen in dieser fehlenden Kommunikation
zwischen älteren und jüngeren Lehrkräften ein Defizit und regen dazu an, dass sich das
Schulwesen ein Beispiel an der Wirtschaft nimmt.

Dort hat man vielerorts erkannt, dass die Berufserfahrung der Älteren erheblich unterschätzt
wird. Manche Betriebe stellen Spezialisten im fortgeschrittenen Alter sogar zu großen Teilen
von der produktiven Arbeit frei – sie sollen sich ganz auf das Beraten jüngerer Kollegen
konzentrieren. Es hat sich nämlich herausgestellt, dass umfangreiches und komplexes
Erfahrungswissen besser mündlich und situativ weitergegeben werden kann, nicht aber in
Form persönlicher Niederschriften oder zusätzlicher Handbücher. Pädagogische Expertise
altert bei Weitem nicht so schnell wie technologische, vielleicht sogar überhaupt nicht.

Es ist nachvollziehbar, dass junge Lehrer/innen nach dem Referendariat erst einmal froh
sind, von Vorschriften, Beratungen und Prüfungen befreit zu sein und endlich in eigener
Verantwortung arbeiten zu können. Darüber hinaus ist es – zumindest in
traditionsskeptischen Kulturen wie der unsrigen – ein verständlicher Reflex Jüngerer, die
Verhältnisse neu gestalten zu wollen.

Gleichwohl sollte nach Möglichkeiten gesucht werden, den Erfahrungsfluss von Älteren zu
Jüngeren zu institutionalisieren, in einer Mischung aus Freiwilligkeit und Verpflichtung.
Jedem jungen Klassenlehrer könnte in seinen ersten beiden Jahren ein älterer Kollege fest
an die Seite gestellt werden, mit der Maßgabe, gegenseitig im Unterricht zu hospitieren und
sich regelmäßig über die Entwicklung der Schüler auszutauschen. In heiklen Fällen könnte
der Ältere dem Jüngeren Beratungsgespräche mit dem Schüler oder seinen Eltern quasi
vormachen – und damit ein direktes Lernen am Modell ermöglichen. Solche "Lehrmeister"
müssten natürlich vom Schulleiter ausgesucht und zugewiesen werden – ausgebrannte oder
schwache Persönlichkeiten wären schließlich wenig hilfreich.

Ein weiteres Feld für die Zusammenarbeit wären kollegiale Gesprächsgruppen, mit
erfahrenen Lehrern als schulinternen Supervisoren (bei Ärzten ist so etwas längst üblich).
Dabei würden im freien Gedankenaustausch konflikthafte Lehrer-Schüler-Situationen
beleuchtet, und durchdacht. Dies würde die kommunikative Sensibilität der Lehrer erweitern
und zur Selbstreflexion anregen. Nicht zuletzt wäre es höchst effektiv, wenn erfahrene
Lehrer ab und zu die Unterrichtsmethodik der Junglehrer kommentierten – das würde
Schülern manche Umwege und Sackgassen ersparen.

(Quelle: www.DieZeit.de, Juni 2015)

Arbeitshinweise:
1. Bereiten Sie die obige Textvorlage zum Lesevortrag vor!
2. Referieren Sie kurz den Inhalt des Textes!
3. Im Anschluss daran wird ein Gespräch über den Text geführt. Dafür ist es wichtig, dass Sie
auf das achten, was die Prüfer/innen sagen, fragen oder einwenden.

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