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Extremismus: "Querdenker" im
Kampfmodus
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10-12 Minuten

Exklusiv

Stand: 05.08.2021 06:03 Uhr

Ein Netzwerk von Ex-Soldaten und Polizisten um einen


Ex-Bundeswehrkommandeur wähnt sich mit
"Querdenkern" und "Reichsbürgern" im Kampf gegen
eine vermeintliche Corona-Diktatur. Einige träumen von
einem Umsturz.

Zu dem Netzwerk, das sich nach dem Hochwasser im


Flutgebiet in Ahrweiler versammelt, zählen ehemals
hochrangige Militärs. Einer von ihnen ist Maximilian
Eder. Als er 1999 als Kommandeur sein
Panzergrenadierbataillon zum ersten Kriegseinsatz der
Bundeswehr seit ihrer Gründung in den Kosovo führte,
folgte er damit einer Entscheidung des Deutschen
Bundestags. Heute ist er pensioniert, hält einige der
Parlamentsentscheidungen zum Infektionsschutz für ein
Verbrechen und folgte mit seinem jüngsten Einsatz in
Ahrweiler einer Entscheidung der sogenannten
"Querdenker".

Denen hat er sich vor einiger Zeit angeschlossen - und


mit ihm nach Informationen des ARD-Politikmagazins
Kontraste und rbb24 Recherche rund Hundert Veteranen
und ehemalige Polizisten, die sich inzwischen im Umfeld
der "Querdenker" organisieren. Die meisten haben über
Telegram-Gruppen zusammengefunden, auf kleinen
privaten Treffen oder bei den vergangenen Corona-
Protesten in Berlin wie am vergangenen Sonntag. Damit
folgen sie dem Vorbild aus den Niederlanden, wo sich
Veteranen bei den zum Teil gewalttätigen Corona-
Protesten vor die Demonstranten und gegen die
Polizisten im Einsatz gestellt hatten.

Im Auftrag der "Querdenker"


Oberst a.D. Maximilian Eder war es, der in der
Aloisiusschule in Ahrweiler zeitweilig einige Dutzende
Veteranen in der Fluthilfe kommandiert hatte. In der
Uniform eines Bundeswehr-Oberst und im Auftrag von
Bodo Schiffmann, einem HNO-Arzt und Idol der
"Querdenker"-Szene, hatte Eder einen "Stab" in der
Grundschule errichtet, wie er es selbst nennt.

Schiffmann bestätigt das im Kontraste-Interview:


"Maximilian Eder hat Freunde um sich, die er noch aus
seiner Militärzeit kennt." Denen erteile er Befehle "und wir
sind Unterstützer, weil wir jemanden brauchen, der
einfach Erfahrungen hat - auch im militärischen Bereich."

In Ahrweiler erteilte er schriftliche "Befehle zur


Hochwasserhilfe", die Kontraste und rbb24 Recherche
vorliegen - mitunterzeichnet von Schiffmann, Ballweg
und zwei von Eders Mitstreitern aus dem Netzwerk
ehemaliger Mitarbeiter aus Sicherheitsbehörden: Frank
Horn, ein Reservist, der eine Telegram-Gruppe mit 7000
Mitgliedern für ehemalige Soldaten führt, und der
ehemalige Polizeihauptkommissar Karl Hilz.
Gründungsmitglied des KSK
Zuvor war Oberst a.D. Eder bereits bei einem Corona-
Protest an Pfingsten als Redner aufgetreten: "Man
müsste das KSK mal nach Berlin schicken und hier
ordentlich aufräumen, dann könnt ihr mal sehen, was die
können", sagte er dort auf der Bühne. Seit diese Rede
öffentlich wurde, beschäftigen sich auch
Sicherheitsbehörden mit ihm, darunter das
Bundesverteidigungsministerium. Eder selbst war
Gründungsmitglied des "Kommandos Spezialkräfte"
(KSK), das später immer wieder durch rechtsextreme
Umtriebe einiger Soldaten erschüttert wurde.

Für die Spezialeinheit der Bundeswehr hatte Eder


Kriegsverbrecher vom Balkan nach Den Haag gebracht,
die sich dort vor dem Internationalen Strafgerichtshof
verantworten mussten. Heute sieht der ehemalige
Bataillonskommandeur bereits ein Verbrechen gegen die
Menschlichkeit in dem Umstand, dass Kinder
hierzulande über viele Stunden am Tag Masken tragen
müssten. Im Interview mit Kontraste verweist er darauf,
dass seine "Freiheitsbewegung" vermeintliche Beweise
gegen die Verantwortlichen in der Corona-Krise
sammele. "Den Haag hat einen sehr langen Atem."

"Das macht uns Sorgen, das ist erschreckend. Das


beschädigt auch das Bild der Bundeswehr und auch der
Reserve", erklärt Patrick Sensburg, der Präsident des
Reservistenverbandes, gegenüber Kontraste. "Wir
machen ganz deutlich, dass wir so ein Verhalten nicht
akzeptieren: Es ist undemokratisch. Es ist auch gegen
staatliche Institutionen gerichtet, und der
Reservistenverband hat gegen diesen Oberst
Strafanzeige erstattet."

Fantasien für einen "Tag X"


Frank Horn, mit dem er im regelmäßigen Austausch
stehe, will die Militärs aus seiner Gruppe für den "Tag X"
vernetzen. An diesem solle die Bundesregierung an den
Internationalen Strafgerichtshof überstellt werden. Horn
sagt, er würde Bundeskanzlerin Angela Merkel gerne
festnehmen und persönlich nach Den Haag fahren.

Wie Eder und zahlreiche andere Veteranen reiste auch


Ex-Polizist Karl Hilz am Wochenende zu den Anti-
Corona-Protesten nach Berlin. Er war offenbar einer der
Rädelsführer von rund 5000 Menschen, die am Sonntag
trotz Demonstrationsverboten durch die Stadt zogen,
und dabei immer wieder gewaltsame
Auseinandersetzungen mit der Polizei suchten. Etwa
1000 Personen wurden vorübergehend festgenommen,
auch Ex-Polizist Hilz, der die Teilnehmer schon bei einer
Rede am Vortag aufheizte: "Die Regierungen treten
unsere Grundrechte mit Füßen und das hat kein Beamter,
keine Polizei zuzulassen, denn das ist Hochverrat!"

Verfassungsschutz sieht
Gefährdungspotenzial
Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) hat diese
Entwicklungen und auch eine mögliche Radikalisierung
genau im Blick, sagt Behördenleiter Thomas
Haldenwang auf Anfrage von Kontraste. Seine Behörde
beobachte derartige Bestrebungen in dem neuen
Phänomenbereich "Verfassungsschutzrelevante
Delegitimierung des Staates".
Auch der Thüringische Verfassungsschutzchef Stephan
Kramer warnt vor diesem Zusammenschluss: "Wir
müssen uns im Klaren darüber sein, dass wir hier ein
Gefährdungspotenzial haben, was man eben nicht
verniedlichen und kleinreden soll, indem man diese
Leute einfach nur als Spinner abtut. Wir haben erlebt,
dass aus solchen Spinnereien ganz schnell Gewalttaten
werden können, bei denen Menschen nicht nur zu
Schaden kommen, sondern auch ihr Leben verlieren."

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